Rolf Opprower
Gebrauchsanweisung für Ostafrika
Wissen Sie, daß es Tiger nur in Asien gibt, Bisons nur in Nordamerika, ...
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Rolf Opprower
Gebrauchsanweisung für Ostafrika
Wissen Sie, daß es Tiger nur in Asien gibt, Bisons nur in Nordamerika, Tarzan nur im Film? Natürlich wissen Sie es. Wissen Sie auch, wie man Afrikaner anspricht, wie man einen Kellner ruft, was bei einer Safari zu beachten ist, wie man sich vor Krankheiten schützt und wie vor der Äquatorsonne? Sie sollten es wissen, und vieles mehr, wenn Ihre Afrikareise ein Erfolg werden soll. Rolf Opprower hat alle wichtigen Informationen zusammengestellt. Aus eigener reicher Erfahrung berichtet er über die Menschen und Tiere Ostafrikas, über Politik und Verwaltung, über Landschaften, Flüsse, Safaris, Straßen, Nationalparks. Was er mitzuteilen hat, hilft Ihnen, Pannen und Ärger zu vermeiden. Diese Gebrauchsanweisung ist eine Reisehilfe, kein Reiseführer. Rolf Opprower versteht es auf amüsante Weise, Sie mit dem »Afrika-Bazillus« anzustecken. ISBN 3-492-02542-0 © R. Piper & Co. Verlag, München 1980
Inhalt Inhalt ......................................................................... 3 Vom Blattschuß zum Schnappschuß ........................ 4 Das große Abenteuer................................................ 7 Early morning tea.................................................... 16 Land und Leute....................................................... 23 In Steppe, Savanne und Urwald ............................. 37 Baumlöwen, Cheetahs und Leoparden................... 56 Vorfahrt für Elefanten.............................................. 65 Ein Herz für kleine Tiere ......................................... 72 Der große Krater ..................................................... 82 Safari im Lehnstuhl ................................................. 88 Schwarz-Afrikas weiße Mütze................................. 98 An der Wasserkante ............................................. 113 Abends am Lagerfeuer ......................................... 126 Kaltes Wasser, Friedenshafen und Antilopenhügel .............................................................................. 132 Souvenir................................................................ 146 Flugreisen nach Ostafrika ..................................... 156
Vom Blattschuß zum Schnappschuß »Safari« - in der Konfektion wie in der Fotobranche, im Vergnügungsgewerbe wie in der Schuhindustrie mag man auf das wohlklingende Wort nicht mehr verzichten. Im Tourismus ist es geradezu unentbehrlich geworden. Kein Zweifel, mit »Safari« läßt sich's gut werben, für Trachten-Look und Filmkameras, für Oben-ohne-Bars und heimische Tierparks, für Pauschalreisen nach Kanada, Israel und ins Hochsauerland. Doch über Herkunft und genaue Bedeutung des Wortes sind sich die Nachschlagewerke nicht ganz einig. Heißt es da: »Karawanenreise in Afrika«, so liest man dort: »Kisuaheli, aus arabisch Safar = Reise«. Im Englisch-Wörterbuch wird es schlicht mit »Großwildjagd« übersetzt, doch die Arabisten definieren Safari als eine »Reise von einem Ort zum anderen«. Populär wurde sie eigentlich durch General von LettowVorbeck, den Haudegen von Deutsch-Ostafrika, denn: »Heia Safari war der Ruf, mit dem die Führer ihre schwarzen Soldaten auf dem Marsche anzufeuern pflegten«, notierte der Kommandeur der deutschen Schutztruppe in seinen Erinnerungen. In den zackigen Liedern von damals reimte sich denn auch Safari stets auf »Askari« - so wurden die Kolonialsoldaten genannt. Erst viel später kam man darauf, daß sich auch »Hatari« ganz gut auf Safari reimen läßt, und dieses Kisuaheli-Wort bedeutet soviel wie »Gefahr« oder »Abenteuer«. Das war die Stunde der »White Hunters«, der weißen Jäger aus den Mutterländern der afrikanischen Kolonien. Reifere Jahrgänge verbinden bis heute mit dem Begriff Safari die Vorstellung von schnauzbärtigen »Bwanas« in Khakizeug und Tropenhelm, mit nichts als der Verantwortung beladen, denen die schwitzende Trägerkarawane Jagdbüchse, Zeltausrüstung und Lebensmittelvorrat durch Busch und Savanne hinterherschleppte. Als durch -4-
zwei amerikanische Afrika-Fans, Ernest Hemingway und Robert Ruark, die Safari schließlich in die Weltliteratur einging, da hatte sich ihr Gesicht verändert: Die Karawane war nun motorisiert. Die dunkelhäutigen »Boys« schleppten das Gepäck nicht mehr zu Fuß durch die Landschaft, sie saßen am Steuer des Geländewagens. Doch die Rollenverteilung war geblieben: Hier der Bwana - da die Boys. In einem Landrover zwar, doch nach wie vor durch Welten getrennt. Safari, das hieß, weißer Snobismus in Schwarzafrika. Ihr Erfolg wurde an Elefantenzähnen und Leopardenfellen gemessen. Safari war Trophäenjagd für die Gute Stube daheim in Europa oder Amerika - und natürlich Privileg wohlhabender Bleichgesichter. Das änderte sich mit dem Ferntourismus, der die große Welt für kleines Geld erschwinglich machte. Urplötzlich war es da, das neue Wort »Foto-Safari«, und es fand sogar Eingang in die Wörterbücher. »Gesellschaftsreise (bes. nach Afrika) zum Fotografieren wild lebender Tiere«, so und so ähnlich steht es da, und wenn nun die Rede von »Großwildjagd« ist, dann geht es meist nicht mehr um Elefantenzähne und Leopardenfelle, sondern um Schnappschüsse fürs Familienalbum oder für den Dia-Projektor. Die Donnerbüchse ist der Kamera gewichen. Carl Georg Schillings hätte seine helle Freude an dieser Entwicklung gehabt - er war es nämlich, der vor acht Jahrzehnten die Foto-Safari erfand. Auch wenn man sie damals noch nicht so nannte. Schillings, der heute als Pionier der weltweiten Naturschutzbewegung gilt, hatte schon vor der Jahrhundertwende dafür plädiert, »statt des Büchsenhahnes den Knopf des Momentapparates auf sein Wild abzudrücken«. In einer Zeit, da die Fotografie noch in den Kinderschuhen steckte, reiste er mit Kamera, Blitzlichtpulver und Stativ durch das teils deutsche, teils britische Ostafrika und brachte hunderte von »Bildtrophäen« mit nach Hause. »In diesen Bildern wird die -5-
Tierwelt Afrikas auferstehen, wenn sie längst der Kultur zum Opfer gefallen ist«, urteilte der Direktor des Königlichen Naturalienkabinetts in Stuttgart über die Schillingsschen Fotos. Denn schon damals, zehn Jahre bevor der Zoologie-Professor Bernhard Grzimek geboren wurde, warnten Afrika-Kenner: »Diese Tierwelt ist in rapidestem Verschwinden begriffen!« Schillings selbst appellierte an die Weidmänner, das Gewehr sparsam zu benutzen und mehr mit der Kamera zu »schießen«. Nun ja, ganz ausgestorben sind die Großwildjäger dennoch nicht, aber ihre Zahl ist gering. Strenge Bestimmungen schützen die Tierwelt in den jungen afrikanischen Staaten, und in einigen Ländern ist die Jagd total verboten. So kommt es, daß man heutzutage Nashörner und Löwen hier und da wieder häufiger treffen kann, als vor einem Menschenalter. Da sie den Schnappschuß - im Gegensatz zum Blattschuß - meist kerngesund überstehen, dürfte das wohl auch noch eine Weile so bleiben. So hat sich die Safari in den letzten 80 Jahren zu ihrem Vorteil verändert: Von Lettow-Vorbecks Buschpatrouille über Hemingways Jagdexpedition zur unblutigen Kamera-Pirsch von heute. Ein Abenteuer ist sie dennoch geblieben.
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Das große Abenteuer Haben Sie Angst vor Spinnen? Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder Sie ringen sich durch, die Krabbeltiere einfach zu ignorieren, oder Sie schlagen sich Ostafrika für alle Zeiten aus dem Kopf. Spinnen gibt es dort wirklich jede Menge, und das ist ein wahres Glück. Die einzige echte Gefahr in dieser Gegend droht nämlich von Fliegen und Moskitos. Sie stechen schmerzhaft zu, bereiten dem müden Touristen manch schlaflose Nacht und übertragen zuweilen üble Krankheiten. Natürlich gibt es Moskitonetze und Sprays, Pülverchen und Einreibungen zur Abwehr und Bekämpfung der Quälgeister, doch nach wie vor gilt auch am Äquator die Spinne als das zuverlässigste Insektenvertilgungsmittel. An Menschen hat sie garantiert nicht das geringste Interesse. Glauben Sie bloß nicht an die Horrorgeschichten über riesige Spinnen, die abends unter der Bettdecke oder morgens in den Dessous lauern. Hat sich wirklich einmal eins der nützlichen Tierchen in die Intimsphäre verlaufen, so lag mit Sicherheit ein Irrtum vor. Es ergreift schleunigst die Flucht, sobald man ihm zu nahe tritt. Im übrigen werden Sie staunen, wie rasch man sich an Spinnen gewöhnt. Sie gehören zu einem Afrika-Urlaub, wie so manches andere, das dem Neuling anfangs fremd und ein bißchen unheimlich vorkommen mag. Sie sind ein kleiner Bestandteil des großen Abenteuers, auf das man sich eingelassen hat. Eine Safari ist keine Reise wie jede andere, darüber muß man sich schon vor der Buchung klargeworden sein, sonst könnte es kostspielige Enttäuschungen geben. Und so was kommt in der Tat nicht allzu selten vor. Manche Leute fahren nach Kenia, weil ihr Lieblingshotel auf Mallorca gerade ausverkauft war, oder weil es im letzten Jahr auf Sylt so viel geregnet hat. Andere wollen »mal eben im Winter ein bißchen Sonne tanken« oder »einfach abschalten -7-
und ausspannen«. Sie alle sind bedauernswert, denn sie werden nicht auf ihre Kosten kommen. Kenia ist kein Äquivalent für Mallorca und absolut ungeeignet zum »Abschalten und Ausspannen«. Touristen dieser Art sind hier fehl am Platze, Ostafrika ist für sie zu schade - und zu teuer. Dennoch findet man sie oft genug zwischen Victoriasee und Indischem Ozean, und in den Hotels und Lodges weiß man erstaunliche Geschichten über sie zu erzählen. Da war die Rheinländerin, die in Nairobi mit Badetasche an der Rezeption erschien und nach dem kürzesten Fußweg zum Strand fragte (das Meer ist fast 500 Kilometer von Kenias Hauptstadt entfernt). Oder der Berliner, der nach der Rückkehr aus einem Wildreservat stolz berichtete, er habe eine Riesenherde Bisons gesehen, aber leider nicht einen einzigen Tiger (Bisons leben nur in Nordamerika, Tiger nur in Asien). Andererseits trifft man gelegentlich auf »Spezialisten«, die ganz schnell den feinen Unterschied zwischen einer Grant- und einer Thomsongazelle, zwischen einer Massai- und einer Netzgiraffe begriffen haben, jedoch, wenn die Rede auf die Einwohner kommt, mit Nachdruck versichern: »Ein Neger sieht für mich wie der andere aus!« Nun ja, es ist nicht so ganz einfach mit Afrika. Man sollte schon ein wenig darüber lesen, ehe man auf die Reise geht. Was in den Prospekten steht, ist nicht sehr viel, und was man in Fernseh-Serien (»Daktari«, »Tarzan«) gelernt hat, ist baldmöglichst zu vergessen. Aber Bücher zum Thema gibt es genug, vom handlichen Reiseführer bis zum schwergewichtigen Bildband. Lobenswert ist die Praxis einiger Veranstalter, die ihre neuen Kunden in Kurzlehrgängen auf die Reise vorbereiten. Es beginnt beim Umgang mit Menschen: Die Angehörigen der jungen afrikanischen Nationen sind stolz und empfindlich. Überheblich auftretende Touristen wecken bei ihnen peinliche Erinnerungen an die Kolonialzeit. Ferienreisende sollten stets daran denken, daß sie als Gäste ins -8-
Land kommen, nicht - wie einst - als die Herren. Gäbe es so etwas wie einen »Knigge für Safaristen«, so müßten beispielsweise die folgenden Regeln darin stehen: • Sprechen Sie Einheimische stets als »Afrikaner« an, niemals als »Neger« oder als »Schwarze«. • Kellner und Barkeeper sind »Waiter« und »Steward«; die Anrede »Boy« stammt aus den Tagen der weißen Bwanas und ist verpönt. • Vergessen Sie nicht, für jede Hilfeleistung ein Trinkgeld zu geben. Als Faustregel kann gelten: in Restaurants fünf bis zehn Prozent der Rechnung, beim Gepäckträger ein bis zwei Shilling pro Koffer, beim Zimmer-Steward ein bis zwei Shilling pro Tag (l Sh entspricht etwa 25 bis 30 Pfennig). • Fotografieren Sie niemals Afrikaner, ohne vorher um Erlaubnis gefragt zu haben. Es könnte böse Folgen haben, besonders bei den eigenwilligen Massai, die auch einen Schnappschuß von ihren Viehherden nicht ohne weiteres dulden. Manche Beule im Safari-Bus, manches Loch in der Windschutzscheibe künden davon, wie temperamentvoll Afrikaner reagieren, wenn man sie, ihre Familien oder ihre Tiere als Foto-Freiwild betrachtet. Aber unsereiner würde ja wohl auch nicht tatenlos zusehen, wie sein Familienleben von fremden Menschen abgelichtet wird. Oder? Nun denken Sie bitte nicht, solche Hinweise wären überflüssig. Man macht sich kaum einen Begriff, was Touristen (und nicht nur deutsche Touristen) alles anstellen - besonders, wenn es darum geht einen eindrucksvollen Kamera-Schuß anzubringen. In der Serengeti erlebten wir, wie Kraftwagen ein trächtiges Geparden-Weibchen jagten, bis das Tier erschöpft zu Boden sank. Im Manyara National Park wurde eine PavianHerde durch Zerknallen einer Papiertüte aufgescheucht. Dösende Löwen werden durch Hupen zum Heben des Kopfes animiert, fressende Elefanten durch Aufheulenlassen des -9-
Motors zu fotogenen Angriffshandlungen veranlaßt. Das alles ist streng verboten und mit empfindlichen Geldstrafen belegt. Obendrein ist es oftmals lebensgefährlich - aber das weiß natürlich nur, wer sich beizeiten informiert hat. Es lohnt sich also wirklich, vorher ein bißchen zu lernen. Ostafrika ist ein anspruchsvolles Reiseland. Es erfordert gute Kondition, Unternehmungslust, Geduld, intakte Nerven, ein Herz für das Ungewöhnliche. Ganz billig ist es auch nicht: Zwei Wochen Hotelaufenthalt im Hochland oder an der Küste einschließlich Flug und Vollpension kosten bei den großen deutschen Reiseunternehmen etwa 2000,- bis 3500,- DM. Safaris in die Wildreservate müssen zusätzlich gebucht (und bezahlt) werden. Individuelle Reisen per Linienflugzeug sind erheblich teurer als solche Pauschalarrangements. Selbstverständlich kann man auch Hochlandferien und Badeurlaub miteinander oder mit einer Safari-Woche kombinieren, auf eigene Faust Quartier suchen, an Ort und Stelle einen Mietwagen nehmen, im Zelt übernachten oder im Kleinflugzeug über Land fliegen (wenn nicht gerade eine Ölkrise dem entgegensteht). Der Phantasie und der Abenteuerlust sind keine Grenzen gesetzt. Aber zunächst müssen noch einige Vorbereitungen getroffen werden. Über Paß- und Visa-Bestimmungen informiert man sich am besten in einem Reisebüro. Sie sind in den drei »klassischen« Ländern Ostafrikas (Kenia, Tansania, Uganda) verschieden. Auskunft über notwendige Schutzimpfungen erteilen die Landesimpfanstalten oder die städtischen Gesundheitsämter. Man unterscheidet zwischen Pflichtimpfungen und empfohlenen Impfungen, wobei jeweils nach den neuesten Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation kurzfristige Änderungen eintreten können. Pocken, Gelbfieber, Cholera, Typhus und Paratyphus sind die Krankheiten, die in den letzten Jahren in den »Impfkalendern für Fernreisen« erwähnt wurden, doch keine Angst: Wer sich -10-
nicht gerade in Sumpfgebiete oder in verseuchte GroßstadtSlums begibt, hat nichts zu befürchten. Vorsicht ist allerdings beim Essen und Trinken geboten: Rohes Obst und Gemüse sollte man meiden - auch wenn der frische Salat am Kalten Büffet noch so appetitlich aussieht. Natürlich sind Bananen, Apfelsinen, Mangofrüchte und Avocados ungefährlich, wenn man die Schale entfernt hat. Leitungswasser ist zum Waschen da, keinesfalls zum Trinken. Dafür nimmt man Sodawasser (wenn es überhaupt Wasser sein muß). Zum Zähneputzen stehen in den meisten Hotelzimmern Thermoskannen mit abgekochtem Wasser bereit. Für besonders Vorsichtige gibt es bei uns übrigens relativ preiswerte Wasser-Entkeimer im MiniFormat zu kaufen, mit denen man binnen einer Minute ein Glas Wasser filtern kann. Die gefährlichste Tropenkrankheit ist die Malaria. Touristen, die sie nicht ernst nehmen, begehen einen verhängnisvollen Irrtum. Immer wieder sind in letzter Zeit Afrika-Reisende erkrankt, vereinzelt kam es sogar zu Todesfällen. Gegen Malaria gibt es keine Schutzimpfung, zur Vorbeugung wird die regelmäßige Einnahme eines bewährten Gegenmittels empfohlen. Man beginnt damit ein bis zwei Wochen vor der Abreise und setzt die Prophylaxe bis vier Wochen nach der Heimkehr fort. Während der gesamten Zeit sollte man wöchentlich, immer am gleichen Tage, mindestens zwei Tabletten nehmen. Da der Erfolg jedoch nur bei absoluter Regelmäßigkeit gewährleistet ist, raten erfahrene »Afrikaner«, lieber täglich nach dem Frühstück eine halbe Tablette zu schlucken. Keinesfalls darf man glauben, es handele sich um eine übertriebene oder gar überflüssige Vorsorge. Vor der Malaria ist niemand sicher. Übertragen wird das »Wechselfieber« (so genannt, weil das Fieber in rhythmischen Schüben auftritt) durch die Anophelesmücke. Sie ist vorwiegend abends und nachts aktiv, so daß man zweckmäßigerweise nach Sonnenuntergang lange -11-
Hosen und langärmlige Hemden tragen sollte. In besonders gefährdeten Gebieten sind die Betten mit Moskitonetzen ausgestattet. Ihre Handhabung will allerdings gelernt sein: Stopft man die unteren Ränder des Netzes nicht sorgfältig genug unter die Matratze, so kann es leicht passieren, daß sich die lästigen Tierchen am Ende nicht außerhalb sondern innerhalb der Schutzhülle befinden. Nun ist ja zum Glück nicht jeder Moskito eine Malariamücke. Viel häufiger gibt es »harmlose« Stechmücken, die nicht gefährlicher (aber auch nicht sympathischer) sind als ihre Artgenossen bei uns zu Hause. Zu ihrer Abwehr und zur Linderung des Juckreizes, wenn es doch passiert ist, nimmt man am besten ein Insektenmittel in der Reiseapotheke mit. Die sollte überhaupt gut sortiert sein, denn auf Safari über Stock und Stein muß man mit manchem rechnen. Pflaster und Verbandszeug, Desinfektionsmittel, Fieberthermometer und eine stattliche Tablettenkollektion (von Magen- und Darmtabletten über Vitamin- und Schlaftabletten bis zu Kreislauf- und Schmerztabletten) gehören zur Grundausstattung. Ein Kapitel für sich ist die Äquatorsonne. Ob Sie in der feuchten Hitze der Küstenregion oder im frischen Hochlandklima Urlaub machen: Lassen Sie sich niemals »braten«, wie Sie es von der Ostsee oder aus Kärnten gewohnt sind! Afrikas Sonne ist anders. Obendrein steht sie in der Mittagszeit fast senkrecht am Himmel, was Sie unschwer an Ihrem winzigen Schatten erkennen können. Kopf und Schultern sind den Strahlen am intensivsten ausgesetzt, und wenn es auch nicht gleich ein Sonnenstich ist, den man sich einhandelt, ein ausgewachsener Sonnenbrand bleibt den meisten »Greenhörnern« nicht erspart. Sonnenöl, Sonnenhut und Sonnenbrille sind unentbehrlich. Mit Sprüchen wie: »Mir macht das nichts aus, ich hab' eine Lederhaut« kann man in Ostafrika nicht viel Eindruck schinden. Zu oft schon sahen wir -12-
mit an, wie aus vorlauten Bleichgesichtern kleinlaute, verschwollene Rothäute wurden. Dabei sind die Chancen ausgezeichnet, nach richtig dosierten Sonnenbädern mit geradezu klassischer Bronzefarbe nach Hause zu kommen. Lange Zeit galt Ostafrika als typisch winterliches Reiseziel, als wohlig warme Zuflucht für die kältegeplagten Europäer und Nordamerikaner. Tatsächlich sind die Monate Januar bis März dort unten die heißesten und trockensten des Jahres. Mittlerweile hat sich jedoch herumgesprochen, daß man gut und gern auch schon im Dezember starten kann, und Kenner schwören sogar auf die Sommermonate Juni bis September. Von Ende März bis Mai und von Oktober bis Mitte Dezember ist Regenzeit - wenn der Kalender stimmt, was dort genau so wenig garantiert werden kann, wie anderswo auf der Welt. Auch in der Trockenzeit erlebt man dann und wann einen kräftigen Wolkenbruch, auch während der Regenzeit gibt es tagelang schönes Wetter. Unter uns gesagt: Es ist kein Verlaß auf die Versprechungen der Prospekte und Reisehandbücher. Man tut also gut daran, sich auf alle vorkommenden Fälle einzurichten. Entsprechend ist der Koffer zu packen. Neben dem schon erwähnten Sonnenhut (den man aber auch preiswert und sehr stilecht an Ort und Stelle kaufen kann) braucht man leichte Sommersachen, Hemden und Blusen aus Baumwolle, Leinen oder Seide, Jeanshosen, einen Regenmantel, feste Stiefel und leichte Schuhe (evtl. Sandalen), für kühle Hochlandnächte einen dicken Pullover. Die Hemden sollten möglichst große Taschen haben, damit man Ausweis und Sonnenbrille unterbringen kann. Nylon und Perlon sind für tropisches Klima nicht empfehlenswert. In manchen Stadthotels ist am Abend »korrekte Kleidung« erwünscht, worunter vor allem eine Krawatte zu verstehen ist. Doch keine Sorge: Für den Notfall hat der Geschäftsführer meist eine Leihkrawatte im Schrank, um die Blöße am Hals des vergeßlichen Gastes zu bedecken. Noch ein Tip: Nehmen Sie -13-
nicht allzu viele Kleidungsstücke mit nach Ostafrika, denn fast alle größeren Hotels und Lodges (so heißen die Unterkünfte in den Wildreservaten) haben eigene Wäschereien, die für ein paar Shilling schnelle und gute Arbeit leisten. Über die Foto- oder Filmausrüstung sollen hier nicht viele Worte verloren werden. Sie muß, je nach Geschmack und Bedarf, individuell zusammengestellt werden. Tele-Objektive sind für Tieraufnahmen unentbehrlich, das Filmmaterial kauft man bei uns erheblich vorteilhafter als »vor Ort«. Auf Safari über rumplige Staubstraßen empfiehlt es sich, Kameras und Objektive in Plastiktüten zu packen und weich zu polstern. »Alte Hasen« raten dringend, nicht dem Colour-Rausch zu erliegen und unbedingt zusätzlich ein paar Schwarzweiß-Filme mitzunehmen, auch wenn das Leben dort unten recht farbig ist. Noch ein paar Kleinigkeiten gehören ins Reisegepäck: Fernglas, Taschenmesser, englisches Wörterbuch, Flaschenöffner, Taschenlampe und ein dreipoliger Zwischenstecker für die Steckdosen in den ostafrikanischen Hotels. Nur mit seiner Hilfe kann man nämlich den mitgebrachten Haartrockner und Elektrorasierer in Betrieb setzen. Falls Sie den Zwischenstecker hier nicht zu kaufen bekämen, wäre es allerdings auch nicht so schlimm. Bei Woolworth in Nairobi ist er jederzeit vorrätig. Vergessen Sie nicht, bei Ihrem Reisebüro eine kombinierte Kranken-, Unfall- und Gepäckversicherung abzuschließen. Und nehmen Sie nicht mehr Bargeld mit als nötig, denn Reiseschecks sind sicherer und werden überall angenommen oder eingewechselt. Die Einfuhr von Landeswährung nach Ostafrika ist übrigens nicht gestattet - aber die würden Sie bei uns wahrscheinlich ohnehin nicht bekommen. So, das war's im großen und ganzen. Die Safari kann beginnen, und das geschieht für Bundesbürger im allgemeinen in Frankfurt. Wenn man dann etwa neun Stunden später in Nairobi landet, hat man die Uhr zwei Stunden vorgestellt, denn -14-
die Reise führt ja nicht nur 8000 Kilometer nach Süden, sondern auch fast 4000 Kilometer in östliche Richtung. Die Uhren gehen hier anders. Und dies nicht nur, was die Tageszeit anbelangt, das wird sich bald herausstellen. Das große Abenteuer hat nämlich schon begonnen.
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Early morning tea Das geflügelte Wort von der Morgenstunde mit dem Gold im Munde hat in den Ferien schon mancher verwünscht. So ist denn auch der Ostafrika-Urlauber nicht begeistert, wenn es nach der ersten Nacht früh um sieben nachdrücklich an die Zimmertür klopft. Mißmutig rappelt man sich hoch und öffnet, um dem Lärm ein Ende zu machen. »Early morning tea«, schallt es einem fröhlich entgegen, und ohne Zögern tritt der adrett in Khaki gekleidete Zimmerkellner ein, stellt das Tablett mit dem duftenden Tee auf den Nachttisch und bleibt abwartend stehen, bis man endlich begreift und ihm einen Shilling in die Hand drückt. Ja, der Early morning tea, der Tee am frühen Morgen - viele meinen, er sei das angenehmste Überbleibsel aus englischer Kolonialzeit. Nur am Anfang versuchen notorische Langschläfer, ihre Nachtruhe dadurch zu verlängern, daß sie das bereitliegende Schild mit der Aufschrift »Do not disturb Hakuna Chai« außen an die Türklinke hängen. Das ist halb Englisch, halb Kisuaheli und heißt »Nicht stören - kein Tee«. Aber es nützt nicht viel, denn erstens kann der Steward oft weder Englisch noch Kisuaheli lesen, und zweitens würde er es, auch wenn er lesen könnte, mit Sicherheit nicht begreifen. Denn es ist für ihn einfach unvorstellbar, daß irgend jemand freiwillig und ohne Not auf diesen herrlichen, heißen Lebenswecker verzichten könnte. Zumal der, außer dem Trinkgeld natürlich, meist keinen Shilling extra kostet. Der Early morning tea gehört zum selbstverständlichen Service der großen Hotels in Ostafrika, ganz gleich, ob sie nun in der City einer Metropole oder mitten im Busch stehen. Überhaupt ist der Dienst am Kunden überraschend und die Verpflegung soviel besser und preiswerter als hierzulande, daß es fast peinlich ist, darüber zu berichten. Man vergleiche nur -16-
ein deutsches Hotel-Frühstück mit dem, was dort unten geboten wird: Selbstbedienungs-Büffets mit Orangen-, Ananasund Tomatensaft, Porridge, Cornflakes, Reis-Crispies, AnanasScheiben, Melonen, Mango-Früchten, Bananen. Als Hauptgericht kann man danach bestellen: Ham and eggs, Rühreier, Spiegeleier, gekochte Eier, Würstchen. Auf dem Tisch stehen selbstverständlich: Butter, verschiedene Brotsorten, Marmelade, Käse. Nach Wunsch wird außerdem Kaffee oder Tee serviert, soviel man will, ohne Aufpreis und ohne strafende Blicke des Personals. Selbst ein Frühstücksmuffel wird hier zum sonnigen Gemüt. Ähnlich reichhaltig sind die anderen Mahlzeiten. In den meisten Fällen gibt es zum Lunch (der ja eigentlich als »Gabelfrühstück« oder »leichte Mittagsmahlzeit« verstanden wird) Suppe, manchmal auch Vorgericht, Hauptgericht, Nachspeise, Käse. Oftmals kann man statt dessen auch an einem gut bestückten Kalten Büffet nach Belieben zugreifen. Auch das abendliche Dinner ist stets ein komplettes Menü. Im Preis der Hauptmahlzeiten (im allgemeinen nach deutschem Geld etwa acht bis zwölf Mark) ist Kaffee oder Tee nach Wahl eingeschlossen. Die Hotels in den großen Städten haben internationalen Standard, die Zimmer sind größtenteils mit Bad oder Dusche und WC ausgestattet. Allerdings sei nicht verschwiegen, daß manche Luxusherberge genau so gut in Frankfurt, London oder Rom stehen könnte. Es handelt sich um Hochhäuser, die ebenso zweckmäßig und einfallslos aus Beton gestaltet sind wie überall auf der Welt. Natürlich gibt es rühmliche Ausnahmen. In Nairobi zum Beispiel fallen das traditionsreiche Norfolk Hotel, das noch heute so englisch wie vor 70 Jahren wirkt, und das New Stanley, ein beliebter Treffpunkt bei Verabredungen jeder Art, aus dem Rahmen. Als Geheimtip für Leute, die eine afrikanische Umgebung bevorzugen und dennoch die Nähe der Großstadt nicht missen möchten, wäre -17-
noch das Westwood Park Hotel in Nairobis Vorort Karen zu erwähnen. Die Anlage, die über 130 Betten in Bungalows und modernen Reihenhäusern verfügt, ist aus einem ehemaligen Farmhaus entstanden. Sie liegt mitten in der Landschaft in 1800 Meter Höhe, hat einen Swimmingpool, einen Tennisplatz und einen Reitstall und ist ein idealer Ausgangspunkt für Safaris in die kenianischen Wildreservate. Hier gibt es vor allem die Möglichkeit, Kontakte mit der Bevölkerung und mit Logiergästen aus vielen Ländern Afrikas aufzunehmen. Insofern ist das Westwood Park Hotel das genaue Gegenteil mancher Küstenhotels, die spöttisch als »Touristen-Gettos« bezeichnet werden. Gewiß gibt es in Mombasa und Malindi hervorragende und architektonisch äußerst reizvolle Hotels am Meer. Nichts erinnert an die öden Betonburgen der Sonnenstrände Europas und Amerikas - doch scheinen die Anlagen oft eine Spur zu perfekt. Sie sind sozusagen autonom, mit allem ausgestattet, was der »Normalurlauber« sich wünscht, vom Badestrand bis zum Bootsverleih, von der Kegelbahn bis zum Minigolfplatz. Es gibt Strandgymnastik und Drachenfliegen, Skatturniere und Preistanzen. Der Anreiz, das Hotelgelände zu verlassen, fehlt, weil man alles direkt vor der Tür hat. Es gibt Touristen, die von Afrika nicht mehr zu sehen bekommen als Hotelzimmer, Bar, Speiseraum und Strand. Für die Einwohner ihres Gastlandes haben sie weder Zeit noch Interesse. Daß sie dann voller Vorurteile über die Afrikaner (die sie nur als Kellner, Zimmermädchen und Folklore-Tänzer kennengelernt haben) heimfahren, versteht sich am Rande. Nichts gegen Badeferien in Ostafrika, doch die allein können eigentlich nicht als ausreichender Grund für eine so weite Reise angesehen werden. Die Safari ist das A und O, wenn man hierher fährt. Wer das nicht begreift, der hat sich für das falsche Urlaubsziel entschieden. Manche Leute meinen, auf Safari müsse man unter freiem -18-
Himmel schlafen und von tropischen Früchten leben. Das kann man, auch heute noch, aber man muß es nicht. Die Lodges in den Nationalparks und Wildreservaten stehen in bezug auf Komfort den Hotels an der Küste und in den Städten nicht nach. Einige von ihnen haben eigene Elektrizitäts- und Wasserwerke, eigene Viehherden und Gemüsegärten. Der Tourist, der am Morgen seine schmutzige Wäsche mit einem ausgefüllten Formular für die »Laundry« aufs Bett legt, findet sie am Abend, spätestens am nächsten Morgen, gewaschen und gebügelt wieder vor. Er kann im Hause Reiseschecks einwechseln, Filme, Souvenirs und Bücher kaufen. Manchmal gibt es sogar an der Rezeption eine deutsche Zeitung, die nicht älter als eine Woche ist. Ein Swimmingpool gehört zu fast jeder Anlage, und oftmals ist Gelegenheit zu sportlicher Betätigung wie Tischtennis oder Federball. Nun könnte man fürchten, bei soviel Komfort sei nicht mehr viel von Afrika zu spüren. Keine Angst: es ist! Nicht nur die exotischen Pflanzen und das Zikaden-Konzert vor der Tür sind afrikanisch, auch die Atmosphäre im Speisesaal, an der Bar und auf der Hotelterrasse ist es. Das liegt einfach in der Luft, man spürt es am knisternden Kamin so gut wie am flackernden Lagerfeuer. Das eigene Bad mit WC im Busch-Hotel ist kein Stilbruch, sondern ein Lichtblick, wenn man am Abend von anstrengender Pirschfahrt in Staub und Sonnenglut zurückkehrt. Und man muß ja nicht mit Gewalt auf alle Annehmlichkeiten der Zivilisation verzichten, um ein paar Wochen abenteuerlich zu leben. Wer allerdings der Natur noch ein bißchen näherrücken möchte, der sollte sich eine Stippvisite in einem Safari Camp nicht entgehen lassen. Überall in Kenia, Tansania und Uganda gibt es romantische Zeltlager mitten in der Wildnis. Die Zwei-Personen-Zelte sind geräumig und äußerst praktisch eingerichtet. Man schläft auf breiten Feldbetten, hat Propangas-Lampen als Lichtquellen und »stumme Diener« als Kleiderschrank-Ersatz. Durch einen -19-
Reißverschluß an der Rückseite kommt man in die Dusch- und Toiletten-Abteilung. Ein richtiges kleines Appartement also, obgleich auf Tuchfühlung mit dem Abenteuer. Die nächtliche Geräuschkulisse wird man so bald nicht vergessen: Das Keckern der Hyänen, das Trompeten der Elefanten, das ferne Brüllen der Löwen und eine Vielzahl undefinierbarer Laute vom Piepsen bis zum Brummen, vom Zirpen bis zum Schnarchen. Sicherlich dauert es hier länger als sonst, bis man Schlaf findet. Aber eine echt afrikanische Nacht ist allemal ein paar schlaflose Stunden wert. Eines der bekanntesten Camps ist die Amboseli Safari Lodge in Kenia, dicht an der Grenze nach Tansania. Die 60 Zelte wurden kürzlich durch Chalets aus Kiefernholz und Papyrus ersetzt, was jedoch der Romantik kaum Abbruch tut. In der Umgebung des Lagers ist das Gras gemäht, damit sich Raubkatzen nicht unbemerkt anpirschen können. Schilder warnen davor, den Bereich des Camps zu verlassen, in den Abendstunden patrouillieren bewaffnete Wächter zwischen den Hütten, und in der Mitte brennt ein großes Lagerfeuer. Wenn man Glück hat, kann man bei Sonnenaufgang noch ein besonderes Schauspiel erleben: Dann steckt der Kilimandscharo seine schneebedeckte Kuppe durch die tiefhängenden Wolken und grüßt herüber aus dem Nachbarland. Er liegt nämlich auf tansanischem Gebiet und ist dennoch eine Attraktion erster Ordnung auch für Kenia. Aber über diesen Berg, den viele für den schönsten der Welt halten, wird in einem späteren Kapitel noch ausführlich zu reden sein.
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Nairobi/Kenia: Modernes Kongreßzentrum
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Auch im Safari Camp braucht man auf den Early morning tea nicht zu verzichten, nur muß man ihn an der Theke des Restaurants abholen. Es gibt hier nämlich sehr flinke Meerkatzen, die im Handumdrehen den Zucker aus der Dose stibitzen, falls man das Tablett auch nur für einen Moment auf der kleinen Terrasse des Chalets abstellen sollte. Eile und Umsicht sind geboten, wenn man den frechen Affen zuvorkommen und den Tee mit Zucker zu sich nehmen will. Apropos Early morning tea: Am besten schmeckt er, wie Kenner schwören, im Tea Hotel in Kericho. Das liegt nämlich im westlichen Hochland von Kenia, mitten im größten TeeAnbaugebiet des Landes. In 2000 Meter Höhe, bei gleichmäßig warmem Klima und häufigen Regenfällen, gedeiht der »köstliche Trank« hier besser als anderswo. Es lohnt sich übrigens, ein Päckchen als Souvenir mitzunehmen und die morgendliche Tee-Zeremonie zu Hause noch ein Weilchen fortzusetzen.
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Land und Leute Ostafrika zählt zu den letzten Tierparadiesen, und zweifellos fahren die meisten Touristen dorthin, um Tiere auf freier Wildbahn zu sehen. Dennoch sollte man auch einen offenen Blick für die Menschen haben, die man überall in den Städten und Dörfern, auf den Märkten und Baumwollfeldern, in den Teeplantagen oder irgendwo am Wegesrande trifft. Mit den Fahrern der Safari-Busse, den Rangern in den Nationalparks, den Kellnern und Stewards in den Hotels wird man rasch vertraut wenn man es will. Mit all den anderen, denen man unterwegs auf Safari begegnet, muß man schon Kontakt suchen. Sie selbst sind nämlich meist zurückhaltend. Zwar winken sie dem Fremden freundlich zu, mustern ihn neugierig und abwägend, zwar freuen sie sich über jeden, der ein Gespräch mit ihnen beginnt, doch geht selten die Initiative dazu von ihnen aus. Sie stehen mit einem Korb frisch gepflückter Bananen oder Ananas an der Äquatorstraße in Uganda, sie sitzen an einer Pfaff-Nähmaschine (die garantiert noch aus der »Deutsch-Ostafrika-Zeit« stammt) auf dem Markt in Tansania, sie hocken in Ruhestellung am City Market in der Kenia-Hauptstadt Nairobi und warten. Sie sind dezent und unaufdringlich, aufgeschlossen und sympathisch. Es lohnt sich, sie kennenzulernen. Natürlich gibt es dann und wann auch Ausnahmen. Natürlich sind die Städte nicht frei von Dieben, Betrügern, Bettlern und »Pennern«. Auch Afrikaner sind Menschen, und wie könnte es da anders sein als in allen Ländern dieser Welt? Man darf also wirklich nicht allzu viel auf die Erzählungen mancher AfrikaHeimkehrer geben, die so tun, als werde man auf dem schwarzen Kontinent allenthalben betrogen, bestohlen und übers Ohr gehauen. Gewiß werden einem Greenhorn manchmal haarsträubende Rührgeschichten von kranken -23-
Vätern oder Kindern, von Schicksalsschlägen und unverschuldeter Notlage aufgetischt; gewiß hat mancher Neuling beim Souvenirkauf oder beim illegalen Geldwechsel schon teures Lehrgeld bezahlen müssen - doch was soll's. Auch am Kurfürstendamm und auf der Reeperbahn ist nicht alles Gold was glänzt, auch bei uns würde nicht jedes Reiseandenken einer ernsthaften Qualitätskontrolle standhalten. Und ein bißchen »Tausend-und-eine-Nacht« sollte man in Afrika getrost mit in Kauf nehmen. Umgekehrt haben die Bewohner nämlich jede Menge Verständnis für die kleinen (und größeren) Schwächen der Touristen, wozu mitunter schon sehr viel guter Wille gehört. So freundlich wie der Zimmerkellner der am frühen Morgen den Tee ans Bett bringt, sind sie alle, die Waiter und die Stewards. Für die Gäste aus der Bundesrepublik haben sie ein besonderes Faible, bemühen sich, bei passender Gelegenheit ein paar deutsche Brocken an den Mann zu bringen und haben meist ein »Dankeßön« und ein »Auf Ouidersehn« im Repertoire. Wenn man ihre Äußerungen wirklich als deutsche Laute erkennt, freuen sie sich kindlich. Aber eigentlich ist es noch viel lustiger, sie Englisch reden zu hören, was sie mit hartem Akzent und sprödem Charme tun. »Yes please« ist der fröhliche Schlachtruf, mit dem jede Mahlzeit eröffnet wird. Das heißt nicht einfach nur »ja bitte«, sondern zugleich auch »jetzt geht's los« und »guten Appetit«. Am meisten Spaß allerdings macht ein Dialog in Kisuaheli, jener in ganz Ostafrika verbreiteten Mischsprache mit arabischen, persischen, indischen aber auch englischen und deutschen Elementen, mit deren Hilfe sich die Angehörigen der verschiedenen Stämme untereinander verständigen. Diese Sprache ist so wohlklingend und angenehm für unser Ohr, daß man bald einige Begriffe aufgeschnappt hat und ungeduldig auf Gelegenheiten wartet, sie anzuwenden. Also: »Jambo«, das heißt guten Morgen, guten Tag. »Habari« bedeutet »Wie -24-
geht's?« und wer »Kwa heri« sagt, der meint »Auf Wiedersehen«. Voller Musik sind auch die Kisuaheli-Namen für verschiedene Tiere: »Simba« = Löwe, »Tembo« = Elefant, »Faru« = Nashorn, »Mbogo« = Büffel, »Kiboko« = Flußpferd, »Twiga« = Giraffe, »Chui« = Leopard, »Fisi« = Hyäne. Praktischen Sprachunterricht erhält man ganz zwanglos auf einer Fahrt über Land. Die »Driver« der Kleinbusse und Landrover sind nämlich viel mehr als nur Chauffeure, sie sind die guten Geister jeder Safari. Von ihnen allein hängt es ab, ob man für sein gutes Geld lediglich durch die Landschaft transportiert wird, oder ob man voll auf seine Kosten kommt. Autofahren in Ostafrika, das ist nämlich ganz anders als bei uns. Nicht nur wegen des Linksverkehrs, der aus britischer Kolonialzeit geblieben ist, sondern überhaupt. Natürlich gibt es Vorfahrtregelungen, doch man nimmt sie nicht so sehr ernst. In den Städten sind, wie bei uns, Ampeln und Zebrastreifen, aber man sollte ihnen nicht blind vertrauen. Die Afrikaner fahren mehr nach Gefühl als nach Vorschrift, und - ehrlich gesagt - sie fahren nicht schlecht dabei. »Recht hat, wer am lautesten hupt«, sagte mir ein Europäer, der seit vielen Jahren in Nairobi lebt. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Für Afrikaner ist Autofahren ein sportliches Spiel. Sie betreiben es mit Freude, Ehrgeiz und Einsatzbereitschaft. Sie fahren drauflos, aber sie lassen es nicht ernsthaft darauf ankommen. Wenn sich jemand in einen Verkehrsstrom einfädeln will, so wird er zunächst sanfte Gewalt anwenden. Er fährt sozusagen einen »Scheinangriff«. Sobald er aber merkt, daß seine Bravour keinen Eindruck macht, gibt er auf und wartet geduldig, bis er an der Reihe ist. Für den Safari-Teilnehmer sind afrikanische Kraftfahrer einen Urlaub lang die wichtigsten Partner überhaupt; wichtiger noch als Reiseleiter und Zimmerkellner, Barkeeper und Hotel-Manager. Schließlich hängen von ihren Fähigkeiten nicht nur Zufriedenheit und Bequemlichkeit sondern auch Wohlbefinden und Gesundheit des Gastes ab. -25-
Sie sind schon Prachtburschen, diese Hamisis und Samuels, Hassans und Mustaphas und wie sie alle heißen. Mit Adlerblick und Löwenherz gehen sie auf die Großwild-Pirsch, mit feinem Gespür meiden sie Erdferkel-Löcher und andere Autofallen, mit großer Beredsamkeit erklären sie den Unterschied zwischen Grevy- und Burchellzebras. Sie kennen jede Tücke der Zufahrtstraße zum Ngorongoro-Krater und jede Umleitung zwischen Indischem Ozean und Victoriasee. Einen Leoparden im Affenbrotbaum machen sie schon aus, wenn ein SafariAnfänger ihn nicht einmal durch den Feldstecher erkennen würde. Mit den »Rangers«, den Wächtern in den Wildreservaten, stehen sie auf du und du. Das ist sehr praktisch, denn von ihnen erhalten sie Tips über die gegenwärtigen Standplätze interessanter Tiere und über besondere Vorkommnisse. Natürlich kann man sich fast überall in Ostafrika ein Selbstfahrer-Auto jeder gängigen Marke leihen, und es ist nicht einmal sehr teuer. Aber das Selbstfahren hat Nachteile: Wer als Landfremder seine Aufmerksamkeit auf die Straße konzentrieren muß, der hat kein Auge mehr frei für die Tiere, auf die er pirscht. Und wenn es in den Schutzgebieten ab geht vom gepflasterten Weg und mitten hinein in die Landschaft, dann ist man hilf- und ratlos. Wohin soll man sich wenden, um Löwen zu orten? Wo ist die Kamerajagd auf Büffel erfolgversprechend? Wie findet man das legendäre Nashorn, das schon seit Monaten die Safaristen zum Narren hält? Nein, Selbstfahren ist gut, Hamisi und Samuel sind besser. Sie wissen, wo was zu finden ist, und sie wissen noch viel mehr. Zum Beispiel, daß man mit manchen Tieren Tuchfühlung besser vermeiden sollte. Normalerweise wird zwar kein Tier unprovoziert einen Kraftwagen angreifen. Doch Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, und wer vermag schon genau vorauszusagen, wann ein Elefant sich provoziert fühlt? Auch Nashörnern und -26-
Kaffernbüffeln sollte man nicht zu nahe kommen; sie könnten böse reagieren, falls man ihre Fluchtdistanz unterschreitet. Wenn ein Auto diesen Tieren so dicht auf den »Pelz« rückt, daß ihnen die Flucht aussichtslos erscheint, dann treten sie mitunter die Flucht nach vorn an. Und ein vierschrötiges Nashorn oder ein bulliger Büffel können einer Blechkarosse schon einen ganz schönen Bums verpassen. Das gleiche gilt übrigens für ein grasendes Flußpferd, dem etwa von einem Kraftwagen der Rückweg zum Wasser abgeschnitten wird. Zwei Tonnen Lebendgewicht mit Anlauf sind leicht imstande, einen vollbesetzten Safari-Bus umzukippen. Aber die Driver sind ja im Umgang mit Vierbeinern aller Gewichtsklassen bestens vertraut. Auch sind sie meistens charakterfest genug, selbst bei größeren TrinkgeldVersprechungen den nötigen Sicherheitsabstand zu wahren. Sie fahren nicht dichter an ein Tier heran, als sie verantworten können. Aber sie fahren dicht genug heran, um ihren Fahrgästen jede Menge Porträtfotos aus dem Wagenfenster heraus zu ermöglichen. Die Teilnehmer der Safaris sind im allgemeinen bunt zusammengewürfelt, und leider gibt es fast immer ein paar »Draufgänger« unter ihnen. Denen ist natürlich ein Löwe stets zu schlecht im Licht und eine Büffelherde viel zu weit entfernt. Am liebsten würden sie Gnus füttern und Zebras streicheln. Ganz Ostafrika halten sie für einen großen Zoo mit handzahmen Tieren und für irgendwelche »Mutproben« sind sie jederzeit zu haben. Manche dieser Alptraum-Touristen neigen dazu, auch die Menschen (soweit sie sich außerhalb ihres Autos befinden) wie Zoo-Insassen zu behandeln. Sie starren ungeniert, sind neugierig, taktlos und ohne Hemmungen, wenn es darum geht, einen Schnappschuß anzubringen. Wie die Fluchtdistanz der Tiere, so mißachten sie selbstverständlich auch die Intimsphäre der Einwohner des Landes, und - wie schon erwähnt - das ist -27-
nicht nur ungehörig, sondern auch gefährlich. Grundsätzlich wäre zu sagen: Überall in Afrika empfiehlt es sich, zunächst zu fragen und dann erst zu fotografieren. Meist wird dies in der Praxis bedeuten: Erst zahlen, dann knipsen. Die Mehrzahl der Afrikaner hat nämlich mittlerweile von den Touristen gelernt, daß nur wenige Dinge im Leben verschenkt werden. Warum sollten sie also nicht einen oder zwei Shillinge für ein Familienfoto fordern? Haben sie allerdings nicht den Wunsch, für die Fremdlinge Modell zu stehen, so sollte man es besser lassen. Schließlich gibt es ja noch immer die FolkloreVeranstaltungen, die gegen angemessenes Eintrittsgeld (FotoErlaubnis inklusive) Regen-, Kriegs- und Liebestänze zeigen, die simulierte Zweikämpfe mit Schwert und Keule, Tamtam und Remmidemmi jeder Art auf dem Programm haben. An einigen Plätzen gibt es fest installierte »Bomas«, wo nach Art unserer heimischen Museumsdörfer die Hütten samt Bewohnern zur Besichtigung (und zur Ablichtung) freigegeben sind. Die »Bomas of Kenia« in der Nähe von Nairobi zum Beispiel geben einen Einblick in das Leben und das Brauchtum der verschiedenen Stämme. Die wohl bekannteste Einrichtung dieser Art aber ist »Mayers Ranch«, eine riesige Farm im Rift Valley (dem Ostafrikanischen Graben), zu der auch eine Massai-Manyatta gehört. Das Mayersche Massai-Völkchen wurde hier vor Jahren nach einem Abkommen mit dem Landbesitzer angesiedelt und führt, wie es dem Besucher scheinen mag, ein relativ angenehmes Leben. Der Kampf ums Dasein ist ihm weitgehend abgenommen. Die Familien hausen zwar unter ähnlichen Umständen wie ihre Stammesbrüder auf »freier Wildbahn«, aber es gibt doch einen wesentlichen Unterschied: Normalerweise ziehen die Massai mit ihren Viehherden stets auf der Suche nach neuen Weiden, nomadisierend durch die Landschaft. In Mayers Ranch aber sind sie seßhaft geworden. Als Gegenleistung für das Gastrecht stellen sie sich den staunenden Touristen aus aller Welt willig -28-
zur Schau, gestatten auch einen Blick in ihre Hütten. Dann nehmen die Gäste auf einer schattigen Tribüne Platz, während unten, in der Arena, Tanz, Gesang und Kriegsspiele geboten werden. Zum Entzücken der Fremdlinge sind in der Menge der Darsteller meist auch ein paar sehr junge Mädchen »mit oben ohne« auszumachen. Versteht sich, daß solche Vorstellung mit klickenden und surrenden Kameras reichlich für Familienalbum und Heimkino festgehalten wird. Am Ende gibt es dann Souvenir-Verkauf und schließlich - ohne Extra-Preis einen Tee nebst Gebäck auf der Terrasse des Mayerschen Farmhauses, weit abseits der Manyatta. Denn wo Massai sind, da ist Vieh, und wo Vieh ist, da sind Fliegen - und die hat man ja beim Imbiß nicht so gern. Unter den zahlreichen Stämmen, die Ostafrika bevölkern, nehmen die Angehörigen dieses Hirtenvolkes eine besondere Stellung ein. In Statur und Kopfform, in Kleidung und Lebensweise unterscheiden sie sich erheblich von den anderen Bewohnern. Aus dem Norden sind sie einst in das Gebiet der Bantu vorgestoßen, und obwohl diesen an Zahl weit unterlegen, konnte sich das kriegerische Volk in Teilen von Kenia und Tansania auf die Dauer festsetzen. Von den Tierschützern werden die Nomaden mit gemischten Gefühlen betrachtet, denn ihre riesigen Herden pflegen gründlichen Kahlfraß zu hinterlassen. Wo die Massai mit ihren Rindern, Ziegen, Schafen und Eseln durchgezogen sind, findet das Wild nicht mehr viel zu beißen. Das führt natürlich mitunter zu Interessenkollisionen, zumal die Massai in einigen Schutzgebieten über alte Weiderechte verfügen, auf denen sie unerschütterlich bestehen. Doch eines müssen ihnen die besorgten Tierschützer zugute halten: Im Gegensatz zu vielen anderen afrikanischen Stämmen hält das Hirtenvolk nichts vom Wildern. Da sie durch ihr Vieh absolute Selbstversorger sind, haben die Massai keinen Grund, auf die Jagd zu gehen - es sei -29-
denn, gelegentlich auf einen »Renommier-Löwen«, dem sie mit Speer und Schild auf den Leib rücken, um ihren Mut und ihre Männlichkeit zu beweisen. Die Rinder werden im allgemeinen nicht geschlachtet. Man zapft ihnen in gewissen Abständen Blut ab und mischt es mit der Milch der Kühe. Als Konservierungsmittel kommt ein Schuß Kuh-Urin hinzu. In Kalebassen, den Schalen einer Kürbisart, wird die aromatische Mixtur aufbewahrt und dient auch als Babykost. Überall am Wegesrand trifft man auf Mütter, die auf der einen Schulter ihr Kind und auf der anderen das Milch-und-Blut-Reservoir mit sich herumtragen. Die Ernährung ist relativ einseitig, muß aber nahrhaft sein, denn Kraft und Mut der Massai sind sprichwörtlich. Rein äußerlich sind sie so etwa das, was sich der kleine Fritz unter einem »wilden Krieger« vorstellt. Tatsächlich waren sie lange Zeit als wilde Krieger gefürchtet und noch heute empfiehlt es sich, zurückhaltend und taktvoll mit ihnen umzugehen. Die Herden sind der wertvollste Besitz der Massai, und von den Rindern insbesondere erhalten sie fast alles, was sie zum Leben brauchen. Kuhdung, in einem bestimmten Verhältnis mit Lehm gemischt, ist das Baumaterial für die tunnelförmigen Hütten, in denen Menschen und Tiere miteinander leben. KuhUrin ist nicht nur ein Konservierungsmittel sondern wird auch für Haarkosmetik und Hautpflege benutzt (und in vielen Büchern ist die besondere Zartheit der Massai-Haut gerühmt worden). Butter wird nicht gegessen sondern dient als Hautcreme. Vieh ist das bevorzugte Zahlungsmittel, auch wenn es darum geht, den Brautpreis an den Vater der Erwählten zu entrichten. Allein nach der Größe der Herden wird die soziale Stellung des Besitzers beurteilt. Sie sind Statussymbol und Lebensquell zugleich, und es ist nicht damit zu rechnen, daß die traditionsbewußten Hirten sich in absehbarer Zeit von diesen Vorstellungen freimachen werden. -30-
Oben: Teeplantage bei Kericho in West-Kenia Unten: Kleiner Massai vor seiner Hütte (Kenia)
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Als vor einigen Jahren ein führender kenianischer Politiker die Massai aufrief, von ihrem Herden-Kult abzulassen und das Vieh zu verkaufen, um Geld für den Schulbesuch ihrer Kinder zu bekommen, begegnete er erheblicher Skepsis im Lande. Ein Afrika-Kenner schrieb: »Die Massai wollen keine Schulen und keine Ärzte, weder vom weißen Mann noch von einer schwarzen Regierung. Sie kümmern sich auch nicht darum, daß ihre Herden den Boden kahlfressen und aus wertvollem Ackerland nutzlose Steppe machen.« Kein Zweifel: Das eigenwillige Nomadenvolk ist ein echtes Problem für die Regierungen Kenias und Tansanias. Mit ihrer Lebensweise, mit den althergebrachten Sitten und Gebräuchen, mit der auf Altersklassen aufgebauten, straffen sozialen Ordnung sind die Massai nur schwer zu integrieren. Manche afrikanischen Politiker sagen es auch ganz hart: »Sie stehen dem Fortschritt im Wege!« Dennoch zeigen die Regierungen viel Geduld und Verständnis für die stolzen Hirten. Als eifrige Tierschützer vor einiger Zeit gegen den Plan Protest erhoben, ein paar Quadratkilometer des großen Serengeti-Nationalparks für die Besiedlung freizugeben, erwiderte ein tansanischer Beamter gelassen: »Die Serengeti wird nicht sterben, aber im Zweifelsfall wird die Regierung sicherlich eine Entscheidung treffen, die den Menschen vor das Tier stellt.« Bei aller Tierliebe darf das wohl als eine gute Antwort bezeichnet werden. Nun sollte aus der relativ ausführlichen Behandlung des Themas »Massai« nicht geschlossen werden, daß dieser Stamm eine dominierende Stellung in Ostafrika einnimmt. Er beansprucht zwar durch mancherlei Eigenarten in Auftreten, Kleidung und Bewaffnung (fast nie trifft man ein männliches Wesen ohne Speer oder Keule) besondere Aufmerksamkeit, ist aber zahlenmäßig gegenüber anderen Gruppen absolut in der Minderheit. In Kenia beispielsweise gibt es bei einer -32-
Gesamtbevölkerung von mehr als 13 Millionen Menschen nur etwa 60000 Massai. Nicht viel anders ist es in Tansania. Die 35 Millionen Ostafrikaner setzen sich aus den Angehörigen von rund 160 verschiedenen Stämmen zusammen. Grundsätzlich kann gesagt werden, daß nördlich des Äquators die Hamiten, südlich die Bantu überwiegen. Zu den Hamiten zählen die Somali und die Galla, zu den Bantu die Kikuyu, die Dschagga, die Ganda. Die Luo und die Acholi sind Niloten. Zu den NiloHamiten schließlich werden neben den Massai auch die Samburu und die Turkana gerechnet. Dies sind nur ein paar Beispiele aus dem bunten Völkergemisch, das die Länder Ostafrikas besiedelt. Als Einwanderer kamen schon frühzeitig Araber, die sich entlang der Küsten des Indischen Ozeans niederließen, und Inder. Vielfach wird angenommen, die indische Invasion habe erst 1896 begonnen, als die Briten mehr als 30000 Kulis aus ihrer asiatischen Kolonie für den Bau der Eisenbahn zwischen Mombasa und Uganda ins Land holten. In Wahrheit hatte der Portugiese Vasco da Gama schon vier Jahrhunderte zuvor in Malindi Inder angetroffen. Als letzte kamen die Europäer, genauer: die Deutschen und die Briten. Missionare der christlichen Kirchen spielten seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts eine wichtige Rolle in Ostafrika. In Rabai, etwa 15 Kilometer landeinwärts von der Hafenstadt Mombasa, errichteten Johannes Rebmann und Ludwig Krapf 1844 die erste Missionsstation. Später brachen die beiden Deutschen im Auftrage der Londoner Missionary Society zu einem langen Marsch nach Westen auf, bei dem sie im noch unerforschten Landesinnern den Kilimandscharo entdeckten. Zu den Zielen der Missionare gehörte es, den Sklavenhandel auf den traditionellen Routen zu unterbinden. Nahe der tansanischen Hauptstadt Dar es Salaam erinnern ein Missionshaus und eine Grabstelle an den deutschen Pfarrer Greiner, der hier vor der Jahrhundertwende eine Gruppe -33-
geflüchteter und befreiter Sklaven betreut hatte. Die erste Kisuaheli-Zeitung Deutsch-Ostafrikas (und die erste Zeitung im Gebiet des heutigen Tansania überhaupt) wurde 1895 von europäischen Missionaren herausgegeben. Die meisten Schulen in Deutsch- und Britisch-Ostafrika (jetzt: Kenia) standen unter Leitung der christlichen Missionen, und deutsche Kirchenmänner waren es schließlich auch, die am Kilimandscharo vor neun Jahrzehnten den Kaffee-Anbau einführten. Sie verteilten Setzlinge an die Häuptlinge der Dschagga-Bevölkerung. Das klingt alles recht gut, und niemand wird bestreiten, daß viele Missionare ihre Aufgaben als »zur Mission ausgesandte christliche Lehrer und Prediger« mit Idealismus und auch mit Erfolg erfüllten. Doch ließen sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts, nachdem Briten und Deutsche weite Gebiete Ostafrikas untereinander aufgeteilt hatten, verhängnisvolle Interessenkollisionen offenbar nicht vermeiden. So schrieb seinerzeit die »Deutsche Koloniale Zeitung«: »Nicht für die Missionierung der Farbigen, nicht für ihr Wohlergehen in erster Linie haben wir Kolonien erworben, sondern für uns Weiße. Wer uns in dieser Hinsicht entgegentritt, den müssen wir aus dem Wege räumen!« Was der Abt und Generalsuperior zu St. Ottilien, Nobertus Weber, einige Jahre später äußerte, klang zwar verbindlicher, doch auch nicht gerade selbstlos. Er sagte: »So stelle ich an den Ausgangspunkt des Erziehungsprogramms die Forderung: Man erziehe den Neger zur Arbeit. Damit habe ich den Fundamentalsatz der Eingeborenenerziehung genannt. Man hört den aufgestellten Satz auch in dieser Variation: ›Man erziehe den Neger zur Arbeit für uns!‹ Ich glaube, daß wir diesen Zusatz streichen dürfen und auch müssen. Gelangt der Eingeborene durch Arbeit zum Wohlstand, dann trägt er ohnehin zum materiellen Werte der Kolonie wesentlich bei. -34-
Wir müssen ihn streichen, damit wir nicht den Anschein erwecken, als wollten wir die alte Sklaverei nur in eine moderne umwandeln.« Afrikaforscher Carl Georg Schillings (der anfangs erwähnte »Erfinder der Foto-Safari«) stieß bei seinen Reisen durch Deutsch-Ostafrika auf ein Kuriosum christlicher Missionsarbeit, das er in einem 1905 erschienenen Buch heftig kritisierte. Da heißt es: »Ich möchte bei dieser Gelegenheit erwähnen, daß bedauerlicherweise das verhältnismäßig kleine bewohnbare Gebiet des Kilimandscharo in bunter Reihenfolge der Missionstätigkeit katholischer und evangelischer Missionare überlassen ist, so daß in viermaliger Abwechslung beide Konfessionen am Berge streifenweise verteilt sind. Das kann unmöglich auf die Eingeborenen sehr ersprießlich einwirken…« Dr. Hans Meyer, Geograph und Erstbesteiger des Kilimandscharo, ergänzte die Angaben von Schillings und fügte hinzu: »Mögen auch die Missionare selbst konfessionellen Frieden halten, die Zöglinge werden es voraussichtlich nicht, sobald sie erst die Unterscheidung erkannt haben und in Negerweise danach leben.« An diese Ausführungen knüpfte Meyer den Vorschlag, eine »reinliche Scheidung nach getrennten, großen Landschaften vorzunehmen«, mit anderen Worten: die Kolonie DeutschOstafrika in evangelische und katholische Regionen aufzuteilen. Kein Zweifel also: Man machte sich jede Menge Gedanken über das Schicksal der afrikanischen Bevölkerung in den Kolonien, über die »Negerseele, die noch nicht so ist, wie wir sie haben wollen und brauchen können«. Kapazitäten aus den verschiedenen Bereichen, Politiker, Gelehrte und Kirchenmänner, zerbrachen sich die Köpfe, wie den »Eingeborenen« am besten weitergeholfen werden könne. Manche erkannten sogar, daß es sich bei ihnen nicht nur um -35-
billige Arbeitskräfte und potentielle Kirchgänger (beider Konfessionen) handelte, sondern um richtige Menschen mit Gefühl und eigenem Willen, mit Sinn für Tradition und mit einer alten Kultur. Einige kompetente Persönlichkeiten aber hatten in jenen Jahren der Kolonisierung Afrikas offenbar doch erhebliche Probleme mit »Matthäus 28«, mit dem Missionsbefehl Jesu nämlich, auf den sich die christliche Mission beruft. Daß in seinem Namen manches geschah, was besser nicht geschehen wäre, ist unbestreitbar. Dennoch steht fest: Die Kirchen haben in den letzten 130 Jahren viel Gutes getan, und die Tatsache, daß noch immer zahlreiche Missionsstationen in Ostafrika tätig sind, beweist, wie sehr auch die Regierungen der inzwischen selbständig gewordenen Staaten ihre Arbeit zu würdigen wissen. Seit Anfang der sechziger Jahre haben die drei Staaten Ostafrikas ihre Unabhängigkeit. Abgesehen von Uganda, das wohl noch einige Zeit brauchen dürfte, um sich von dem IchAmin-Schock und seinen Folgen zu erholen, sind sie ein gutes Stück vorangekommen - wenn auch politisch auf verschiedenen Wegen. Kenia (dem man ein »kleines Wirtschaftswunder« nachsagt) zieht mit seinen Palmenstränden und Nationalparks den größten Teil des Touristenstroms an sich. Tansania, das gewiß nicht weniger an Attraktion zu bieten hat, gibt seine Zurückhaltung auf und beginnt ebenfalls die Werbetrommel zu rühren. Mit ihren ehemaligen Kolonialherren haben sich die Ostafrikaner inzwischen arrangiert: Die Deutschen sind ja schon seit 1918 »weg vom Fenster«, ihr Intermezzo in »Deutsch-Ost« ist vergeben und vergessen. Den Briten bietet man Gastfreundschaft, wenn sie als Freunde kommen und nicht als Herren auftreten. »Uns ist es schließlich viel besser ergangen, als den Indianern«, sagte mir kürzlich ein pfiffiger Afrikaner, »denn bei uns sind die Tiere in Reservaten gelandet, in Amerika aber die Ureinwohner.« -36-
In Steppe, Savanne und Urwald Schon in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es im Kilimandscharo-Gebiet strenge Wildschutzbestimmungen. Der damalige Gouverneur von Deutsch-Ostafrika, Hermann von Wissmann, hatte sie erlassen und eine genau spezifizierte Gebührenliste für die Abschußlizenzen festgelegt. So zahlte jeder »Sportjäger« für die Erlegung eines Elefanten 100, für jeden weiteren Elefanten 250 Rupien (l Rupie entsprach seinerzeit 1,43 Mark). Der Abschuß eines Nashorns kostete 50, jeder weitere 150 Rupien. Außerdem mußten Gebühren für die Ausstellung des Jagdscheins und für jede mitgeführte Feuerwaffe entrichtet werden. Ausdrücklich auf der Lizenz vermerkt waren die absoluten Jagdverbote. So waren untersagt: »Die Jagd auf alles Jungwild, Kälber, Fohlen, auf junge Elefanten, soweit sie zahnlos sind oder das Gewicht des einzelnen Zahnes 3 kg nicht erreicht, und auf weibliches Wild, soweit es als solches erkennbar ist.« Durch ähnliche Schutzbestimmungen im benachbarten Britisch-Ostafrika (dem heutigen Kenia) konnten auch dort die gröbsten Auswüchse der Trophäenjagd eingedämmt werden. Schon vor der Jahrhundertwende wurde die Athi-Ebene (wo sich heute der Nairobi-Nationalpark befindet) zum Wildreservat erklärt. Zeitweilig wollte es scheinen, als sei die Zukunft der afrikanischen Tierwelt gesichert. Doch nach Ende des zweiten Weltkrieges gab es Rückschläge durch Fehlplanungen - beispielsweise wurde in einigen Gebieten alles Wild abgeschossen, weil man Erdnußplantagen anlegen wollte und durch das zunehmende Wildererunwesen. Besonders in den Grenzgebieten zwischen Kenia und Tansania richten Wilddiebe verheerende Schäden an. Mit dem Einsatz von Flugzeugen und motorisierten Streifen versucht man, das Problem in den Griff zu bekommen - bisher jedoch ohne -37-
durchschlagenden Erfolg. Über eines aber sind sich die Experten in aller Welt einig: Die jungen afrikanischen Staaten haben in den Jahren seit Erlangung ihrer Souveränität mehr für die Erhaltung der einheimischen Tierwelt getan, als vorher die Kolonialverwaltungen. Sie haben die Wildreservate ausgebaut und attraktiver gemacht. In Kenia folgte dem allgemeinen Jagdverbot (1977) ein Jahr später auch ein Verbot des Verkaufs von Tierfellen und tierischen Trophäen aller Art. Daß trotzdem noch immer Elfenbein geschmuggelt wird, ist unbestreitbar, doch spricht sich offenbar allmählich herum, daß man von einer Foto-Safari bessere Trophäen als von einer JagdExpedition mit nach Hause bringen kann. So schafft der oft geschmähte Touristenstrom, der sich seit Jahren nach Ostafrika ergießt, die Möglichkeiten für die Instandhaltung und den Ausbau der Wildschutzgebiete. In Tansania ist die Jagd, die jahrelang verboten war, kürzlich wieder zugelassen worden. Allerdings mit erheblichen Einschränkungen: Nur in der Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember dürfen, unter Leitung von Berufsjägern, Jagd-Safaris veranstaltet werden. Bei der Tansania Wildlife Corporation in Arusha muß zuvor eine Lizenz beantragt werden. Neben der Tagesgebühr von 750 bis 1000 DM ist für jedes erlegte Tier eine Abschußgebühr zu zahlen. Zum Beispiel: 2200 DM für einen Elefanten, 1400 DM für einen Löwen. Nashörner, die mit am stärksten bedroht sind, dürfen grundsätzlich nicht geschossen werden. Die Aufhebung des Jagdverbotes wurde von der tansanischen Regierung damit begründet, daß man so die Wilderei besser unter Kontrolle bekommen könne. Außerdem rechne man mit erheblichen Devisen-Einnahmen durch die Lizenzgebühren, die wiederum dem Wildschutz zugute kämen. Ob diese Rechnung aufgeht, wird sich erweisen. Gegenwärtig gibt es in Kenia, Tansania und Uganda rund 80 Nationalparks und Nationalreservate. In den Nationalparks, die -38-
staatlicher Besitz sind, ist jede Besiedelung verboten. Die Reservate stehen unter regionaler Verwaltung; in ihren Randgebieten darf gesiedelt und Vieh gehalten werden. Der größte Nationalpark Ostafrikas, der Tsavo-Park in Kenia, ist etwas größer als das Bundesland Rheinland-Pfalz, die kleinsten Parks umfassen nur wenige Quadratkilometer. In Landschaft, Charakter, Fauna und Flora unterscheiden sie sich erheblich voneinander. Zwischen der flachen Serengeti-Steppe in Tansania und dem bergigen Aberdare-Park in Kenia gibt es viele Nuancen. Einige der Schutzgebiete liegen in unzugänglichem Gelände und sind nur schwer zu erreichen. Sie können daher nicht ganzjährig besucht werden und sind - insbesondere in den Regenzeiten - zeitweilig gesperrt. Zwecks Erhaltung und Pflege der Anlagen wird von den Besuchern eine Gebühr erhoben. Dennoch sind die Parks und Reservate, mit wenigen Ausnahmen, nicht etwa eingezäunt, denn die ungehinderte Passage der Tiere hinein und heraus ist ja eine Grundbedingung dafür, daß ihr Lebensraum unverfälscht erhalten bleibt. Für die Touristen allerdings ist die Freizügigkeit erheblich eingeschränkt, und das gilt nicht nur für das Verbot, die Tiere zu füttern und den Wagen zu verlassen. Es ist auch untersagt, Hunde mitzunehmen, Feuer anzuzünden, Zigarren- und Zigarettenreste wegzuwerfen und zu zelten. Während der Dunkelheit sind die Parks gesperrt. Die Fahrgeschwindigkeit ist beschränkt, das Hupen verboten. Das klingt alles logisch, einleuchtend und - überflüssig. Wer wird schon im Eiltempo durch einen Nationalpark rasen? Wer wirft in der trockenen Steppe einen Zigarettenstummel weg? Wer nimmt einen Hund mit auf Safari? Wer hupt ein Nashorn an? Nun, es war schon davon die Rede, daß man bei manchen Touristen mit allem rechnen muß. Und im übrigen geht es ja nicht nur um den Schutz leichtsinniger Safaristen, sondern auch um die Tiere. Alljährlich kommen hunderte von ihnen -39-
durch die Unvernunft von Besuchern ums Leben. Besonders sensible Antilopenarten geraten leicht in Panik, wenn man sie erschreckt, aber auch vierschrötige Kaffernbüffel sind geräuschempfindlich. Es kann vorkommen, daß eine ganze Herde in wilder Flucht davonstiebt, nur weil ein Auto-Insasse hustet oder laut die Nase schnaubt. Der wohl meistbesuchte Nationalpark Ostafrikas ist der Nairobi-Nationalpark. Nur acht Kilometer vom Zentrum der Kenia-Metropole entfernt, ist er schnell und problemlos zu erreichen. Auf seinen gut ausgebauten Straßen kann man ihn so bequem durchqueren, daß die vorsichtige Verwaltung hier und da »Bumps« (Schwellen) über den Weg gezogen hat, um die Autofahrer zu gedrosselter Fahrweise zu zwingen. Der NairobiNationalpark ist auch ein beliebtes Ausflugsziel für die Bewohner der Hauptstadt, und wer an Wochenenden eine Mini-Safari (im allgemeinen rechnet man drei bis vier Stunden) dorthin unternimmt, der wird sich unter Umständen an den Sonntags-Trubel in bundesdeutschen Erholungszentren erinnert fühlen. Der Nairobi-Park ist 117 Quadratkilometer groß, umfaßt aber auf seiner Fläche die verschiedensten Landschaftsformen. Seine Höhe über dem Meeresspiegel reicht von 1500 bis 1800 Meter; seine Tierwelt wird gern als »Extrakt Ostafrikas« bezeichnet. Das seit fünf Jahrzehnten bestehende Reservat erhielt 1946 den Status eines Nationalparks und wurde auf drei Seiten eingefriedet, um eine Abgrenzung gegen die nahegelegenen Wohnviertel Nairobis zu schaffen. Die Elefanten mußte man aus der Nähe der Großstadt vertreiben. Jedoch kommt es auch heute noch vor, daß ein später Autofahrer auf der Straße von Nairobi nach Ngong unvermittelt einer Antilope, einem Löwen oder gar einem Leoparden begegnet.
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Oben: Jagdschein für »Deutsch-Ostafrika« (1899) Unten: Fotosafari in Kenia (1979)
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In der Nachbarschaft des Athi Rivers, der den Nationalpark durchfließt, ist ein Picknick-Platz eingerichtet, auf dem sich früher oder später alle Besucher einfinden. Der fürsorgliche Driver pflegt hier aus dem Gepäckfach eine Thermoskanne mit Tee oder Kaffee hervorzuzaubern. Während der Rast kommt aus den umliegenden Büschen jede Menge Meerkatzen herausgeklettert und bettelt um Zucker und Kekse. Es ist ein possierliches Schauspiel, wenn die Affen - von denen einige Mütter ihre Babies mit sich herumschleppen - rings um den Rastplatz sitzen und gleichfalls ein Picknick veranstalten. Im Anschluß an die Pause empfiehlt der Fahrer einen Spaziergang am Fluß entlang. Da steht, 20 Meter entfernt, ein Schild mit der Aufschrift »Beware of Crocodile«. Man liest es und erschauert leicht. »Vorsicht Krokodile« - und das so dicht am Picknickplatz! Soll man weitergehen oder lieber in der Nähe des Autos (und des Fahrers) bleiben? Doch der Driver beruhigt, und tatsächlich laufen ja Dutzende von weißen, braunen und schwarzen Parkbesuchern zum Flußufer; manche Afrikaner mit Kleinkindern an der Hand, manche sogar mit Baby im Tragetäschchen. Also wagt man es auch und kommt sich dabei richtig kaltblütig vor. Natürlich sieht man kein Krokodil - ich traf auch noch nie jemanden, der hier je eins gesehen hätte. Spötter sprechen daher mitunter von einem »hochgestapelten Krokodil« und stellen Vergleiche an mit dem Ungeheuer von Loch Ness, das nun schon seit Jahrzehnten immer wieder durch die Presse geistert, ohne daß irgendwer seine Existenz glaubwürdig belegen konnte. Aber ein paar Flußpferde, die gibt es wirklich im Nairobi-Nationalpark. Und wer weiß, vielleicht gibt's ja auch wirklich ein Krokodil - nur scheint es sehr schüchtern zu sein. Übrigens ist am Eingang des Parks auch ein kleiner Zoo mit Gehegen, in denen Tier-Waisenkinder untergebracht sind: Junge Gazellen, Schakale, Zebras, Löwen und andere Vierbeiner, die man im Nationalpark elternlos oder verstoßen -42-
aufgefunden und hier in Pflege genommen hat. Nichts besonderes also, zumal in dieser Gegend, wo es von interessanten Tieren nur so wimmelt. Doch es ist erstaunlich und rührend zugleich, wie die Bürger Nairobis mit ihren Kindern vor den Käfigen stehen und erklären, was ein Zebra und was ein Gnu ist. Glauben Sie nur nicht, daß kleine Afrikaner selbstverständlich mit der Tierwelt ihrer Länder vertraut sind! Es gibt auch hier Stadtkinder, die allenfalls Hunde und Katzen kennen. Es sei nicht verschwiegen, daß der Nairobi-Nationalpark von manchen nicht für voll genommen wird. Das ist ungerecht, denn er ist zwar klein, aber äußerst interessant. Der Tierreichtum ist erstaunlich, und da (was der einzige Nachteil ist) meist sehr viele Besucher in ihren Kraftwagen umherkurven, fühlt sich das Wild überhaupt nicht mehr dadurch beunruhigt. Viele Touristen, die in abgelegenen Reservaten vergebens auf Löwen oder Nashörner gepirscht hatten, kommen hier unerwartet zum entscheidenden Schnappschuß. Der Park ist dennoch alles andere als eine Art Freiluft-Zoo. Für Afrika-Anfänger, die sich erst ein paar Tage in Nairobi akklimatisieren, ehe sie auf große Safari gehen, ist es ein idealer Start »zum Angewöhnen«. Sie lernen hier in drei Stunden mehr über Afrika als daheim in drei Wochen beim Lesen dicker Bücher. Zum Beispiel lernen sie, daß die »großen Fünf« (Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard) zwar eindrucksvolle und sehenswerte Tiere sind, daß sie jedoch keineswegs etwa das Bild bestimmen. Weit charakteristischer für die Landschaft Ostafrikas sind die Gnu- und Zebraherden, die zahlreichen Antilopen und Gazellen, die dem Touristen bei der Überlandfahrt allenthalben begegnen. Gnus und Zebras leben häufig in Koexistenz miteinander. Zu bestimmten Zeiten kann man in der Serengeti (Tansania) oder im angrenzenden Massai-Mara-Gebiet (Kenia) riesige Gnuherden auf der Wanderung beobachten. Am Anfang jedes -43-
Jahres finden sich die trächtigen Kühe zu großen Gruppen zusammen, um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Tausende von Kälbern werden in diesen Tagen geboren, aber nur ein Teil von ihnen bleibt am Leben. Hyänen und Schakale lauern überall in der Nähe und stürzen sich auf die hilflosen Babies. Kenner sagen, jedes kleine Gnu, das nicht spätestens sieben Minuten nach der Geburt mit der davonstürmenden Herde um sein Leben rennen könne, sei unrettbar verloren. Gnus gehören zu den seltsamsten Geschöpfen, denen man auf Safari begegnet. In den Tierbüchern heißt es, sie seien offensichtlich »einer spielerischen Schöpferlaune entsprungen« und sie hätten »ein sprunghaftes und unberechenbares Wesen«. Äußerlich sehen sie wirklich recht komisch aus mit ihren Pferdekörpern, ihren Rinderköpfen und den schlanken Gazellenbeinen. Zoologisch gehören sie zu den Antilopen, haben aber den Jähzorn eines mißmutigen Bockes und die Stimme eines heiseren Hofhundes. Gnus sind ungeheuer neugierig, temperamentvoll und gesellig. Sie leben nicht nur mit Zebras, sondern auch mit einigen Antilopenarten in Gemeinschaft und haben - dank ihrer Vorsicht und Intelligenz eigentlich nur einen ernsthaften Feind, nämlich den Löwen. Ein originelles Bild, das man mit einem Tele-Objektiv sogar fotografieren oder filmen kann, bietet sich in den Trockenzeiten im Amboseli-Reservat (Süd-Kenia). Im wasserlosen Becken des Amboseli-Sees bildet sich unter bestimmten Bedingungen häufig eine Fata Morgana, die eine Wasserfläche vorgaukelt. Nun ist eine Fata Morgana ja nicht, wie mancher annimmt, eine Halluzination, sondern eine Luftspiegelung. Eine mehr oder weniger reale Angelegenheit also und keine Sinnestäuschung - folglich kann man sie auch fotografieren. Bei einigem Glück wird man nach der Heimkehr folgendes Bild vorzeigen können: Eine große Herde aus Zebras und Gnus marschiert durch die nur scheinbar vorhandene Wasserfläche des ausgetrockneten Amboseli-Sees und zieht -44-
dabei obendrein noch eine Staubwolke hinter sich her. Wenn das nichts ist! »Die zahlreiche Gattung der Antilopen, welche hauptsächlich in Asien und Afrika angetroffen wird, nähert sich in der Gestalt theils den Hirschen, theils den Ochsen, theils den Ziegen.« Es ist ein wahres Wort, das da vor gut anderthalb Jahrhunderten in der »Naturgeschichte und Technologie für Lehrer in Schulen und für Liebhaber dieser Wissenschaften« niedergeschrieben wurde. Man trifft die Antilopen auf Safari in mancherlei Gestalt, vom kaninchengroßen Dikdik bis zum rindergroßen Eland (Elen-Antilope), vom zierlichen Oribi bis zum stattlichen Wasserbock. Oryx und Topi, Buschbock und Kongoni, großer und kleiner Kudu, Impala und Gerenuk, die scheue Sitatunga und der seltene Bongo - sie alle zählen zu den Antilopen, deren Name soviel wie »Blumenauge« bedeutet und aus dem Arabischen kommt. Auch ein ausgedehnter AfrikaUrlaub dürfte nicht lang genug sein, um die Unterschiede zwischen den einzelnen Arten nur einigermaßen kennenzulernen. Fest steht jedoch, daß der Anblick einer in geradezu artistischen Sprüngen flüchtenden Antilopenherde immer wieder faszinierend ist. Ein ganz besonderes Tier ist die Giraffe. Viele AfrikaBesucher meinen, sie sei überhaupt das schönste, was ihnen jemals an Vierbeiner über den Weg lief. Auch sie bekam, wie die Antilope, von den Arabern einen poetischen Beinamen: »Serafe - die Liebliche«. In »Brehms Tierleben« heißt es: »Varro hat so unrecht nicht, wenn er dieses sonderbare Wesen ein ›Gemisch aus Panther und Kamel‹ nennt«. Und die schon erwähnte »Naturgeschichte und Technologie« schrieb: »Dies große Thier ist dennoch furchtsam, schwächlich, sanftmütig und zum Dienste der Menschen gänzlich unbrauchbar. Es führt auch den Namen Kamelparder. Kamel wegen des langen Halses, Parder des gefleckten Felles wegen.« Und weiter liest man: »Der Gang soll von dem aller anderen -45-
vierfüßigen Thiere darin verschieden sein, daß sie immer zwei Schenkel auf einer Seite zugleich aufhebt.« Nun stimmt es zwar nicht, daß sich die Giraffen-Gangart von der »aller anderen vierfüßigen Thiere« unterscheidet, doch hat der Autor des historischen Buches den Paßgang - den die Giraffe ebenso wie etwa das Kamel zur Eigenart hat - ganz anschaulich geschildert. Der Anblick einer eilig flüchtenden Giraffe ist unvergeßlich; es wirkt wie eine Zeitlupenaufnahme, wenn die großen Tiere wogend und schaukelnd davonlaufen. Allerdings erreichen sie dabei eine überraschende Geschwindigkeit. Über Giraffen werden seltsame Dinge erzählt: Man sagt, sie seien als einzige Säugetiere völlig stumm. Das stimmt nicht. Zwar wiehern, blöken, brüllen sie nicht, doch geben sie im Falle der Not oder Gefahr deutlich hörbare Klagelaute von sich. Man sagt, sie seien die sanftmütigsten aller Tiere, aber auch das trifft nicht ganz zu, denn trotz allgemein friedlicher Wesensart gibt es unter den Giraffenbullen harte Duelle um die Weibchen. Nur geht auch das gleichsam in Zeitlupe vor sich. Die Bullen stellen sich nebeneinander auf und schlagen einander die hörnerbewehrten Köpfe gegen den Hals, bis einer von ihnen genug hat und das Feld räumt. Überhaupt sind Giraffen durchaus wehrhafte Tiere, und selbst Löwen wagen nur dann einen Angriff, wenn sich weit und breit keine bequemere Beute findet. Die glasharten Hufe sind eine gefährliche Waffe. Über viele Tiere Ostafrikas gibt es ähnlich unzutreffende Legenden wie über die Giraffen. Zum Beispiel die Geschichte über den Strauß, der angeblich im Falle der Gefahr den Kopf in den Sand steckt. Sie ist so populär geworden, daß sich der Begriff »Vogel-Strauß-Politik« als Synonym für Furchtsamkeit und Kopflosigkeit geradezu weltweit verbreitet hat. Vermutlich stammt sie daher, daß der brütende Strauß Hals und Kopf lang ausgestreckt auf den Boden legt und sich »flach macht«, um -46-
das Nest und sich selbst vor Entdeckung zu schützen. In alten Büchern werden ihm »beschränkter Geist« und »erstaunliche Dummheit« bescheinigt, und erst neuerdings setzt sich die Erkenntnis durch, daß man Tiere nicht unbedingt an menschlichen Maßstäben messen sollte. Auf alle Fälle steckt der Vogel Strauß, wenn man ihm zu dicht auf den Balg rückt, nicht den Kopf in den Sand, sondern er stürmt mit 50 km/h davon. Und sollte er dazu keine Gelegenheit mehr haben, so dürfte er mit kräftigen Schnabelhieben und Fußtritten demonstrieren, daß er sich nicht ohne weiteres zu Federschmuck verarbeiten läßt. Nebenbei bemerkt weiden Zebras und Antilopen gern in der Nachbarschaft von Straußen, weil diese besonders wachsam sind und bei Gefahr rechtzeitig Alarm geben. Es ist also nichts mit dem »beschränkten Geist« und der »erstaunlichen Dummheit« des stattlichen Vogels. Auch der Hyäne wird seit Urzeiten unrecht getan. »Alle Hyänen sind häßlich«, so heißt es in der Literatur. Und: »Sie besitzen eine widerwärtige, mißtönende, kreischende oder wirklich gräßlich lachende Stimme.« Man nennt sie übelriechend, ekelhaft und vor allem feige. Nur eines gesteht man ihnen zu, nämlich »daß die gefräßige Hyäne, weil sie dem Aase nachgeht und es verzehrt, in ihrem Vaterlande ein wohltätiges Geschöpf sei, denn sonst würde die Luft von den sich häufenden Aesern - welche man dort nicht, wie in Europa, durch gute Polizeianstalten wegschafft - bald verpestet werden.« Soweit wieder ein Zitat aus der alten »Naturgeschichte und Technologie«.
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Giraffe vor Ngong Hills in Kenia
Ehrlich gesagt, kann man die Hyäne wirklich nicht in die Gruppe der besonders hübschen Tiere einreihen. Mit ihrem abschüssigen Rücken, den kleinen Augen und dem dicken Hals wirkt »Fisi«, wie sie in Kisuaheli genannt wird, auf den Beschauer unterwürfig, heimtückisch, kurz: unsympathisch. Doch sollte man sich nicht täuschen lassen. Den Vorwurf der Feigheit zumindest verdient die Hyäne nur bedingt. Zwar lebt sie überwiegend von Kadavern, doch hat sich längst herausgestellt, daß sie bei Nacht auch häufig selbst Tiere reißt. Und es läßt sich nicht leugnen, daß mitunter die stolzen Löwen an den kümmerlichen Resten einer Hyänen-Beute teilnehmen. Mutig, sogar frech sind Hyänen in der Nähe menschlicher Ansiedlungen, wo sie nicht nur Abfalltonnen plündern, sondern gelegentlich auch kleinere Haustiere töten und wegschleppen. Eine bewährte Ostafrika-Regel ist es übrigens, in den SafariLodges niemals am Abend die Schuhe zum Putzen vor die Zimmertür zu stellen. Sie könnten nämlich am nächsten Morgen gut und gern in einem unverwüstlichen HyänenMagen verschwunden sein. -48-
Auch der Schakal steht nicht sehr hoch im Ansehen, und nicht nur, weil er zuweilen neugeborene Gnu-Kälbchen frißt. Dieses hundeartige Raubtier wird als »Verbindungsglied zwischen Wolf und Fuchs« betrachtet, und tatsächlich sieht es einmal dem Wolf und einmal dem Fuchs in Form und Statur ähnlich. Die Schakale heulen in den Nachtstunden so schauerlich, wie es bei Karl May den Coyoten, den amerikanischen Präriewölfen, nachgesagt wird (die übrigens mit den afrikanischen Vettern manches gemeinsam haben). Schakale jagen Kleinvieh wie Mäuse, Ratten, Hühner, Gänse, wagen sich auch mal an Ziegen oder kleinere Antilopen und Jungtiere heran, treten aber in der Hauptsache als Aasfresser in Erscheinung. Am »Tisch« der großen Raubkatzen finden sie sich sozusagen als ständige Abonnenten ein. Wenn von der »Hygiene-Polizei« die Rede ist, darf man die Geier und die Marabus nicht vergessen, die sich temperamentvoll und lautstark mit den Hyänen und Schakalen um jeden Kadaver zu streiten pflegen. Sie sorgen dafür, daß die Überreste der von Raubtieren gerissenen Antilopen, Zebras, Gnus oder Büffel in kürzester Zeit - bis auf das bleiche Skelett - verschwunden sind. Wie dringend nötig dies unter südlicher Sonne ist, das liegt auf der Hand. »Dieses wichtigen Dienstes wegen«, so steht es in einem Buch über Geier, »haben schon die alten Ägypter bei Lebensstrafe verboten, diese Vögel zu töten, und noch heutzutage setzt mancher fromme Türke in seinem Testament gewisse Summen aus, wofür ihnen an bestimmten Tagen Fleisch gespendet werden muß.« Ungeachtet der natürlichen Aufgaben dieser Aasfresser gehören sie selbstverständlich nicht zu den Tieren, zu denen der Tourist ein besonders inniges Verhältnis entwickelt. Er erspäht dann und wann einen kreisenden Geier-Schwarm irgendwo über der Savanne oder trifft vielleicht auch mal ein Dutzend von ihnen bei der Mahlzeit - wobei er dann meist lieber wegsieht. Sehr appetitlich ist es nämlich nicht, -49-
besonders, wenn es sich um den Kadaver eines großen Tieres handelt. Als vor einigen Jahren, während einer verheerenden Trockenperiode, in Kenia viele Elefanten durch Nahrungs- und Wassermangel verendeten, brauchte man schon gute Nerven, um den Anblick (und den bestialischen Verwesungsgeruch) zu ertragen. Marabus erscheinen manchen Leuten übrigens nicht ganz so ekelerregend wie Geier, obwohl sie sich in der Ernährungsweise kaum von diesen unterscheiden. Auch sie fressen mit Vorliebe Aas, betätigen sich aber auch gern als »Müllschlucker«, indem sie in den Afrikaner-Siedlungen Küchenabfälle und Unrat aller Art vertilgen. Ihre Gefräßigkeit ist sagenhaft; man erzählt, daß sie Tierkadaver wirklich mit Haut und Haaren hinunterschlingen und auch große Knochen und Hufe nicht verschmähen. Doch sieht der Marabu mit seinem kahlen Kopf und seiner gebückten Haltung ein bißchen komisch aus, und das unterscheidet ihn von den Geiern. »Er erinnert aber auch wirklich an einen durch vieljährige Dienste krumm gebückten, in schwarzblauen Frack und enge, weiße Beinkleider eingezwängten Hofmann mit feuerroter Perücke, der sich scheu und ängstlich fortwährend nach dem gestrengen Gebieter umschaut«, so liest man es in Brehms Tierleben. Von den Hyänen war schon die Rede. Nun gibt es in den Steppen und Savannen Afrikas ein Tier, dessen Name auf eine Verwandtschaft mit den Aasfressern schließen läßt, obwohl es nicht das geringste mit ihnen zu tun hat: den Hyänenhund. Oft und viel zutreffender - wird er »Wildhund« genannt, denn bis auf sein Fleckenmuster und seine großen Ohren hat er wirklich keinerlei Gemeinsamkeiten mit der Hyäne. Er wirkt auch viel sympathischer, zumal wenn man sein munteres Familienleben im Rudel mitansieht. Doch wie so oft, wenn etwas auf gefühlsmäßiger Sympathie oder Antipathie beruht, so ist auch hier zu rasch ein vorschnelles und falsches Urteil gefällt. Hyänenhunde gehören zu den unbarmherzigsten Jägern. Ein -50-
Tier, das von ihnen gehetzt wird, hat nicht nur keine Chance, lebend davonzukommen; es erleidet vor allem einen qualvollen Tod. Die Wildhunde jagen ihre Opfer im großen Verband und reißen ihnen Fleischfetzen aus dem Körper. Anders als andere Raubtiere, etwa Löwen und Leoparden, töten sie ihre Beute nicht, ehe sie die Mahlzeit beginnen. Sie zerfetzen sie bei lebendigem Leibe. Sind sie also sympathischer als Hyänen? Aber was heißt das überhaupt; auf Ostafrika-Safari macht man sich am besten beizeiten frei von derart sentimentaler Betrachtungsweise. Sie führt nur zu Vorurteilen. So ist eines der häßlichsten Tiere, die man mit Sicherheit auf Pirschfahrt trifft, zugleich eines der amüsantesten. In den Büchern wird es als »wahres Ungeheuer« und als »Zerrbild einer wilden und wüsten Sau« charakterisiert, als »unschön«, »verunziert« und »erschrecklich« bezeichnet. Tatsächlich hätte das Warzenschwein vermutlich keinerlei Aussicht, eine Schönheitskonkurrenz zu gewinnen. Doch kommt es darauf an? Immerhin hat man neuerdings erkannt, daß dieses »Muster an plumper Häßlichkeit« zu unrecht auch noch einen üblen Charakter angedichtet bekam. Warzenschweine tun keinem Menschen etwas zu Leide, es sei denn, er hätte sie in die Enge getrieben. Doch sind sie wehrhaft und denken nicht daran, einem Raubtier ihre Jungen kampflos zu überlassen. Selbst Löwen und Leoparden haben Respekt vor den kapitalen Keilern. Dem Touristen prägen sich Warzenschweine nicht als »wilde und wüste Säue« ein, sondern als außergewöhnlich interessante und scheue Tiere. Man sieht sie hier und da im Familienverband grasen, wobei sie sich gern auf die Vorderbeine niederknien. Ihre Bewegungen sind so possierlich und ihr Benehmen ist so originell, daß diese sicherlich häßlichsten Tiere des ganzen Kontinents an Popularität bald viele »Stars« der Steppen und Savannen übertreffen. Leider ist es sehr schwer, die flinken Schweine zu fotografieren, wenn sie mit steil aufgestelltem Schwanz vor dem Auto davonrennen. -51-
Diese Eigenart - den steil aufgestellten Schwanz bei der Flucht - haben sie übrigens mit einem ganz anderen Tier gemeinsam: mit dem Nashorn. Zwei Arten dieses bis zu zwei Tonnen schweren »Ungetüms« leben in Ostafrika, das Spitzmaul- (oder »schwarze«) Nashorn und das Breitmaul(oder »weiße«) Nashorn. Sie unterscheiden sich vor allem durch ihre Kopfform. Während das eine durch lange Lippen zum Abrupfen von Blättern und Zweigen befähigt ist, hat das andere ein breites Maul, das sich zum Grasen eignet. Beide sind nicht mehr allzu häufig anzutreffen und gehören zu den »Safari-Kostbarkeiten«. In Kenia wäre die breitmäulige Art praktisch schon ausgestorben, hätte man nicht vor einigen Jahren ein paar Exemplare aus Südafrika importiert und im Meru-Nationalpark ausgesetzt. Hier haben die Tiere inzwischen mehrfach Nachwuchs produziert und für eine ziemlich einzigartige Attraktion gesorgt. Die »Rhinos« (wie sie in der englischen Kurzform genannt werden) sind so zahm geworden, daß man sie anfassen darf. Sie lassen es sogar zu, daß verwegene Touristen sich in Tuchfühlung mit den Nashornbabies fotografieren lassen - was natürlich doch ein wenig Herzklopfen bewirkt. Der bewaffnete Ranger, der immer in der Nähe bleibt, hat nicht etwa die Aufgabe, die Safaristen vor den Rhinos zu schützen, sondern er soll diese vor Schaden durch Raubtiere bewahren. Nashörner lebten in den Bergwäldern des Kilimandscharo einst in so großen Mengen, daß Großwildjäger klagten, eine »erfolgreiche Pürsche auf Elefanten« sei kaum möglich. Auf Schritt und Tritt müsse man im Dickicht darauf gefaßt sein, von einem der jähzornigen Kolosse überrannt zu werden. Mancher Nimrod verzichtete daher aus Furcht vor Nashörnern auf die Elfenbeinjagd. Doch dieser Zustand hielt nicht lange an, denn mit den indischen Arbeitern für die Ugandabahn war vor der Jahrhundertwende ein seltsamer Aberglaube nach Ostafrika eingeschleppt worden: Das zermahlene Nasen-Horn -52-
des Rhinos, so meinten die Asiaten, sei ein wahres Zaubermittel zur Hebung der Manneskraft. Da man außerdem festgestellt hatte, daß das Fleisch der Tiere wohlschmeckend und ihre Haut vielseitig verwendbar war, sah es bald trübe aus um den Fortbestand der Nashörner. Ein deutscher BotanikProfessor schilderte um 1905, daß er auf zweijährigen Streifzügen rings um den Kilimandscharo nicht mehr ein einziges dieser Tiere zu Gesicht bekommen habe. Allerdings stellte sich heraus, daß der erste Kommandant des deutschen Stützpunktes Moshi (heute die »Kaffee-Hauptstadt« von Tansania) innerhalb kurzer Zeit 60 Nashörner allein in dieser Gegend abgeschossen hatte. Nach ihm hatten »umherschweifende Askaris« fürchterlich gewütet, so daß in einer zeitgenössischen Veröffentlichung geklagt wurde: »Wiederum können wir auf das deutlichste ersehen, wie unheimlich schnell gerade die hervorragendsten Mitglieder der heute lebenden Fauna verschwinden!« Der weltweiten Naturschutzbewegung ist es zu danken, daß man jetzt durchaus wieder Nashörner in den Tierreservaten nördlich und südlich des Kilimandscharo antreffen kann. Eines von ihnen, die Spitzmaul-Nashornkuh »Pixi«, galt lange Zeit sogar als eine Art lebendiges Wahrzeichen des AmboseliReservats. Pixi war bei den Safaristen aus aller Welt bekannt für ihre absolute Sturheit. Sie wich nicht aus, wenn man mit dem Auto dicht an sie heranfuhr - doch konnte es geschehen, daß sie den Fahrer durch einen blitzschnellen Ausfall erschreckte. Unverwechselbar war sie durch einen Geburtsfehler: Sie hatte keine Ohrmuscheln, was allerdings ihrem Gehör keinen Abbruch tat. Als die furchtlose Nashorndame vor ein paar Jahren der Rinderherde eines Massai-Stammes zu nahe kam, verlor ein Krieger die Geduld und durchbohrte sie mit seinem Speer. Das gewaltsame Ende des populären Tieres ging damals durch die Weltpresse. Der Massai-Krieger bekam erhebliche Schwierigkeiten mit den -53-
Wildschutzbehörden. Während man dem Nashorn Unberechenbarkeit und Blindwütigkeit nachsagt, gilt der nur etwa halb so schwere Kaffernbüffel als weit intelligenterer Angreifer. Er stürmt nicht, wie das kurzsichtige Rhino, mit gesenktem Kopf, sondern mit erhobenem Haupt auf den vermeintlichen Gegner los und blickt ihm ins Auge, ehe er ihn auf die Hörner nimmt. Natürlich greift auch er nicht aus lauter Übermut an; fühlt er sich aber bedroht, so zögert er nicht lange. Es unterliegt keinem Zweifel, daß mehr Jäger (oder leichtsinnige Kamerajäger) durch Büffel umgekommen sind als durch jedes andere Tier. Eine etwas makabre Aufrechnung besagt, daß bei der illegalen Jagd nach kapitalen Gehörnen auf jeweils fünf erlegte Büffel ein toter Wilddieb kommt. Die Versuchung, den Tieren nichtsahnend zu nahe zu treten, liegt auf der Hand, da sie oft in riesigen Herden friedlich grasend durch die Gegend ziehen. Auch kommt es vor, daß in den Abendstunden einzelne Büffel äsend zwischen den Bungalows oder Zelten einer SafariHerberge umherlaufen. Vorsicht ist geboten, denn die Verwechslung mit einem harmlosen Hausrind könnte tödlich sein! Kaffernbüffel (mit ihren Unterarten Schwarzbüffel, Rotbüffel und Grasbüffel) sind vermutlich die am weitesten verbreiteten Tiere südlich der Sahara. So kommt es, daß sie auch in fast allen Nationalparks und Reservaten Ostafrikas vertreten sind. Man trifft sie in Bergwäldern und Sumpfgebieten, im dichten Busch und in der offenen Steppe. Sie sind in keiner Weise typisch für irgendwelche bestimmten Schutzgebiete und werden daher in den einschlägigen Beschreibungen oft überhaupt nicht mehr aufgeführt. Sie gehören einfach zum Inventar. Ansonsten aber hat schon jeder Nationalpark und jedes Nationalreservat ein eigenes Gesicht und ein paar spezielle Attraktionen. In Kenia etwa der Tsavo-Park mit seinen (noch -54-
immer) großen Elefanten-Vorkommen und den Mzima Springs, wo man aus einer Unterwasser-Glaskammer Flußpferde beobachten kann; das Samburu-Reservat mit Krokodilen, den seltenen Netzgiraffen und Grevy-Zebras; Massai Mara, das die Möglichkeit eines Ballonfluges bietet; Marsabit, das urwüchsige Waldgebiet mit erloschenen Vulkanen und paradiesischen Kraterseen. Außerdem hat Kenia einige weniger bekannte Parks im Westen des Landes erschlossen, in denen man (was fast überall verboten ist) zu Fuß auf interessante Tiere pirschen kann: die Bergwälder am Mount Elgon (4230 m) und die Saiwa Swamps mit ihren seltenen Sumpfantilopen. In Tansania ist natürlich der Serengeti-National-Park mit seinen riesigen Tierherden am bekanntesten. Lohnend ist auch der Arusha-Nationalpark, dem die romantischen Momellaseen sein besonderes Gepräge geben. Selous Game Reserve im Südosten des Landes ist das größte Tierreservat Ostafrikas überhaupt. Der Lake-Manyara-Nationalpark und der Ngorongoro-Krater werden in besonderen Kapiteln behandelt. Ugandas berühmtestes Schutzgebiet, der Murchinson Falls Nationalpark (jetzt: Kabalega Falls Nationalpark), wurde vor allem durch die großartigen Murchinson-Wasserfälle bekannt. Eine Flußfahrt auf dem Victoria-Nil, zwischen tausenden von Krokodilen und Flußpferden hindurch, zählte zu den eindrucksvollsten Safari-Erlebnissen. Auch im QueenElizabeth-Park gab es Gelegenheit zu einer Bootsfahrt auf dem Kazinga-Kanal, der den Lake George mit dem Lake Edward (bis vor kurzem: »Ich-Amin-Dada-See«) verbindet. Was allerdings während der Herrschaft des Diktators aus den ugandischen Nationalparks und ihrem Wildbestand geworden ist, wird sich vermutlich erst in einiger Zeit übersehen lassen.
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Baumlöwen, Cheetahs und Leoparden Der Lake-Manyara-Nationalpark in Tansania ist eines der kleineren Schutzgebiete, doch auf seinen knapp 320 Quadratkilometern bietet er sozusagen einen gedrängten Querschnitt durch Ostafrika. Alle Landschaftsformen sind hier vertreten: Savannen, Salzsteppen, Sümpfe, Galerie- und Regenwälder. Der Manyara-See liegt auf dem Grunde des Ostafrikanischen Grabens, der in grauer Vorzeit durch Bruch der Erdkruste entstand und sich von Mocambique bis nach Kleinasien durch die Landschaft zieht. Das Hotel hoch oben auf dem Berg bietet einen zauberhaften Ausblick. Von der Aussichtsplattform am Swimmingpool kann man Giraffen, Büffel und Pavianherden beobachten. Die Elefanten des Nationalparks sind durch das in diesem Verlag erschienene Buch »Unter Elefanten« weltberühmt geworden. Die DouglasHamiltons, ein junges schottisches Ehepaar, haben darin ihre hautnahen Kontakte mit den grauen Riesen geschildert und jahrelang erfolgreiche Verhaltensforschung betrieben. Entdeckt man allerdings mit dem Fernglas vom Hotel aus unten ein Auto-Rudel, das sich um einen Baum geschart hat, dann geht es mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine andere Spezialität Manyaras: »Lions on the Trees« - Löwen auf den Bäumen. Das ist das Traum-Motiv aller Foto-Safaristen, die vor Reiseantritt Afrika-Bücher studiert haben. Die »Baumlöwen« von Lake Manyara fehlen in keinem Reiseführer, in keinem Bildband, in keinem Kulturfilm. In den Ansichtskartenläden Ostafrikas sind sie Bestseller. Sie erledigen das, was Löwen fast immer tun - nämlich Siesta halten - in den Ästen hoher Bäume. Experten rätselten lange über den Grund für dieses Verhalten; heute neigt man zu der Annahme, daß die Tiere dort oben Zuflucht vor Moskitos (die hier recht zahlreich auftreten) suchen. Sie hocken in -56-
abenteuerlichen Stellungen auf den Ästen, lassen Beine und Schwänze lang herunterbaumeln und blinzeln träge in die Gegend. Der Löwe ist zweifellos das Tier, an das jeder zuerst denkt, wenn die Rede auf Afrika kommt. Viele Legenden ranken sich um den »König der Tiere«, um den »Wüstenkönig« - und fast alles ist falsch daran. Gewiß ist ein ausgewachsener Mähnenlöwe ein eindrucksvoller Anblick (es sei denn, man trifft ihn schlafend an). Völlig fehl am Platz aber ist die Bezeichnung »Wüstenkönig«, denn Löwen leben nicht in der Wüste, sondern hauptsächlich in den Steppen und Savannen südlich der Sahara. Auf Safari gehören sie keineswegs zu den besonders raren Tieren. Mit dem Kraftwagen kann man bis auf zwei Meter an sie heranfahren, ohne daß sie auch nur den Kopf heben. Da sie, wie gesagt, tagsüber meist Siesta halten, bekommen viele Touristen Löwen nur schlummernd zu Gesicht (und auf den Film). Die Schläfrigkeit endet allerdings schlagartig, wenn jemand auf die Idee kommt, verbotenerweise aus dem Auto zu steigen. Wir erlebten, wie sich in der Nachbarschaft eines LöwenRudels ein Safari-Bus im Sande festfuhr. Ehe der Fahrer es verhindern konnte, hatte einer der Insassen die Tür geöffnet und wollte hinaus, um den Wagen anzuschieben. Er hatte noch nicht einen Fuß auf den Erdboden gesetzt, als die Löwen - vom langmähnigen »Boß« bis zum jüngsten Baby - auf den Beinen standen und Miene machten, sich auf den Mann zu stürzen. Schreckensbleich zog er sich hastig ins Auto zurück. Die Löwen begaben sich wieder zur Ruhe. Ihr Respekt gilt nur dem Blechgehäuse, nicht dem Menschen.
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Oben: Der Pascha mauzt - Touristen haben ihn gestört Unten: Löwen »en famille«
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Im Nairobi Nationalpark kann man mit Löwen mitunter erstaunliche Dinge erleben. In den Abendstunden gerieten wir einmal auf der Rückfahrt zum Parkausgang in einen fürchterlichen Fahrzeugstau. Dutzende von Autos standen rechts und links der Straße. Es gab kein Weiterkommen, und niemand wußte, woran es lag. Überall hingen Touristen und Fahrer aus den Wagenfenstern und versuchten, die Ursache der Stockung auszumachen. Unser Driver zögerte nicht lange. Er drängte sich mit seinem kleinen Bus in die schmale Gasse zwischen den beiden Autoschlangen, nahm das Schimpfen und Drohen seiner Kollegen gelassen hin und schaffte es tatsächlich, bis an die Spitze der festliegenden Kolonne zu kommen. Dort mußte er allerdings ganz schnell auf die Bremse steigen, denn nun wurde plötzlich die Ursache der Stauung sichtbar: Mitten auf der Straße lagen zwei fast ausgewachsene Löwen. Sie reagierten unwillig auf die Annäherung unseres Fahrzeugs, mauzten vor sich hin und erhoben sich schließlich. Sie machten nicht etwa einen Bogen um uns, sondern quetschten sich zwischen dem Bus und dem danebenstehenden Wagen hindurch und liefen in gemessenem Tempo 200 Meter weit mitten auf der Straße zwischen den beiden Autoschlangen entlang, bis sie sich endlich seitwärts in die Büsche schlugen. Unser Fahrer hatte den Rückwärtsgang eingelegt und war den Löwen hart auf den Fersen geblieben, als sie gewissermaßen die Auto-Parade abnahmen. Natürlich wurde aus allen verfügbaren Fotoapparaten und Filmkameras wild drauflosgeschossen. Aber es kam so, wie es meist kommt, wenn man wirklich sensationelle Bilder hätte machen können: Die Abenddämmerung war zu weit fortgeschritten, alle Aufnahmen erwiesen sich als total unterbelichtet. Kenias größtes Wildschutzgebiet, der Tsavo-Nationalpark, der heute für seine großen Elefantenherden weltweit bekanntgeworden ist, kam einst durch Löwen ins Gerede. Die »Men Eater«, die Menschenfresser-Löwen, wurden geradezu -59-
eine Legende, und der britische Oberst Patterson schrieb über sie sogar ein Buch. Titel: »The Men Eaters of Tsavo«. Der brave Colonel war um die Jahrhundertwende nach Ostafrika beordert worden, um am Tsavo-Fluß den Bau der UgandaBahn zu überwachen. Doch zwei ungewöhnlich dreiste Löwen machten Patterson und seinen Mannen das Leben zur Hölle. Nacht für Nacht belauerten sie die Bahnarbeiter, und mancher von ihnen wurde in der Dunkelheit aus dem Zelt geschleppt. Die Chronik berichtet, daß »Dutzende von Negern und 28 Asiaten von den Bestien gefressen wurden«. Einmal traf es auch einen englischen Inspektor, der aus einem Eisenbahnwagen herausgeholt wurde. Fast hätte es schon lange vor der Fertigstellung »rotes Licht« für die Uganda-Bahn gegeben, denn die verängstigten Arbeiter liefen scharenweise davon. »Man war überzeugt«, so heißt es in einem Buch über Tsavo, »daß die bösen Geister der beiden Eingeborenen-Häuptlinge als ›Menschenfresser-Löwen‹ erschienen, um den Bau der Bahn in ihrem Gebiet zu verhindern.« Erst nach neunmonatigem Löwen-Terror konnte Oberst Patterson den Spuk beenden und die beiden Tiere erschießen. Das eine maß 2,95 Meter von der Nase bis zum Schwanzende und hatte eine Schulterhöhe von l,14 Meter, das andere war 2,90 Meter lang und l,21 Meter hoch. Auch heute kommt es dann und wann vor, daß Menschen von Löwen angefallen werden. Natürlich sind es in den seltensten Fällen (und nur bei besonderem Leichtsinn) Touristen, die ja wohlgeborgen in Kraftwagen durch die Wildreservate kurven oder bequem in der Eisenbahn durch den Tsavo-Nationalpark fahren. Zwei deutsche Entwicklungshelfer jedoch, die vor ein paar Jahren als Landvermesser an der kenianisch-tansanischen Grenze tätig waren, hatten ähnliche Ängste auszustehen, wie vor einem Menschenalter die Arbeiter beim Bau der UgandaBahn. Abend für Abend mußten sie sich in ihrem Zelt -60-
verbarrikadieren, weil ihnen ein Löwen-Rudel auf dem Wege durch die Steppe folgte. Die zutraulichen Tierchen warteten geduldig auf eine Gelegenheit, die sich zum Glück nicht ergab. Eine unruhige Nacht verbrachte auch eine junge Schweizerin in der Seronera Lodge (Tansania). Als sie in der Dunkelheit von der Toilette in ihr Zimmer zurückgehen wollte, stellte sie mit Entsetzen fest, daß sich vor der Tür ein Löwe postiert hatte. Sie zog sich schleunigst auf das Örtchen zurück und mußte einige bange Stunden dort ausharren, ehe die Eltern ihr Verschwinden bemerkten und mit Hilfe des Hotel-Personals den »Simba« vertrieben. Ein Safari-Driver, mit dem ich vor Jahren in der Serengeti unterwegs war, zeigte mir stolz ein goldenes Zigarettenetui mit einer Eingravierung. »Hassan the Lions Killer« war darauf zu lesen. Es handelte sich um das Geschenk eines dankbaren (und wohlhabenden) Amerikaners, der mit Frau und Tochter von Hassan durch die Steppe chauffiert worden war. Auf der Rückfahrt zur Lodge blieb der Wagen stecken und war auch nicht wieder freizubekommen. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit entschloß sich der Driver, seine Passagiere im sicheren Wagen zurückzulassen und machte sich, nur mit einer Panga (einem Haumesser) und einer Taschenlampe bewaffnet, auf den Fußmarsch zur nächsten Lodge, um Hilfe zu holen. Wie Hassan erzählte, mußte er acht aufdringliche Löwen in die Flucht scheuchen, ehe er sein Ziel erreichte. Nun ja, vielleicht ist ein bißchen Fahrer-Latein dabei, und wenn er auch die Tiere nicht »gekillt«, sondern nur verjagt hat, so war es doch eine reife Leistung. Die amerikanische Familie wurde jedenfalls unversehrt geborgen, und Hassan war der Held des Tages. Nicht immer gehen Begegnungen mit Löwen so glimpflich und glücklich ab. Allein gehende Afrikaner, die auf Nahrungssuche unterwegs sind, Straßen- oder Waldarbeiter auf dem offenen Land fallen auch heute noch oft genug den Raubtieren zum Opfer. Vor einiger Zeit ging diese Geschichte -61-
durch die Presse: Ein Fischer, der vom Victoria-Nil in Uganda mit dem Fahrrad in sein Dorf zurück wollte, wurde von der hereinbrechenden Dunkelheit überrascht. Er entschloß sich, in einem der primitiven »Hotels« zu übernachten, die dort für solche Fälle in Abständen am Straßenrand stehen. Diese Unterkünfte bestehen aus einem kärglichen Raum mit ein paar Matratzen. Die vor ihm eingetroffenen Afrikaner räumten dem Ankömmling Platz ein, forderten ihn jedoch auf, seine nicht besonders gut riechenden Fische vor der Tür zu lassen. Der Mann weigerte sich aus Furcht, sie könnten ihm gestohlen werden. Nach einem Streit nahm er eine Decke und legte sich, samt seinen Fischen, zum Schlafen vor die Tür. Am nächsten Morgen fand man von ihm nur noch eine blutige Schleifspur. Die Fische lagen unberührt da. Wie man sieht, liegt also kein Anlaß vor, an der »Echtheit« ostafrikanischer Löwen zu zweifeln. Sie sind weder ausgestopft noch verkleidete Menschen noch gezähmt oder dressiert. Es wäre gefährlich, in jedem Simba einen »Clarence« zu sehen, wie er den Zuschauern in der albernen »Daktari«-Serie vorgeführt worden ist. Und die Löwin »Elsa« der inzwischen auf tragische Weise ums Leben gekommenen Joy Adamson war wirklich ein einzigartiges Exemplar. Es hat seinen Grund, wenn man in Reservaten nicht aus dem Auto steigen und den Bereich des Camps nicht verlassen darf. Es ist keine Schikane und keine Wichtigtuerei der Wildschutzbehörde, sondern liegt im ureigensten Interesse der Safaristen, sich darauf einzustellen. Auf dem Gelände einer Lodge fanden wir ein Schild mit der Aufschrift: »Menschen haben hier das Wegerecht, aber wir können nicht garantieren, daß die Löwen das wissen!« Im Zweifelsfall sollte man folglich besser Platz machen. Afrikaforscher Carl Georg Schillings, der so viele richtige Voraussagen über die traurigen Aussichten für die Tierwelt in freier Wildbahn zu Papier brachte, hat sich übrigens in einem -62-
Punkte geirrt. Er prophezeite kurz vor der Jahrhundertwende, daß die Löwen in Ostafrika bald ausgerottet sein würden. Dem Leoparden hingegen, der damals längst nicht so stark bejagt wurde, gab Schillings eine gute Überlebenschance. In Wahrheit kam es genau umgekehrt; nicht zuletzt wohl deshalb, weil das Löwenfell als Bettvorleger aus der Mode kam, während der Leoparden-Mantel zum Status-Symbol des Jet-Set geworden ist. So muß es heutzutage schon als außergewöhnlicher Glücksfall bezeichnet werden, wenn man einen der gefleckten Räuber zu Gesicht bekommt. Im Lake-Manyara-Nationalpark sind die Aussichten noch mit am größten. Die gewaltigen Baobabs, die »Affenbrotbäume«, deren dicke Stämme das Wasser speichern, sind eine bevorzugte Zuflucht der Leoparden. In ihre Astgabeln ziehen sie sich auch gern mit der soeben geschlagenen Beute zurück, um sie dort oben ungestört von irgendwelchen »Konkurrenten« verzehren zu können. Wer meint, das auffällig gemusterte Fell der Raubkatze müsse leicht auszumachen sein, der wird bald eines besseren belehrt. Im Gewirr der Äste, Blätter und Blüten erweisen sich die Farbtupfen als ideale Tarnung. Trifft man wirklich bei Tage auf einen Leoparden, so wird man feststellen, daß er sich genausowenig wie ein Löwe um Kraftwagen kümmert. Sein langbeiniger Vetter jedoch, der Gepard (»Cheetah«), wird hier und da geradezu zum Auto-Fan. Im Nairobi Nationalpark kann es passieren, daß sich eins der Tiere von der Neugier zu einem Ausflug auf den Kühler oder aufs Wagendach verleiten läßt. Geparden sind nicht so scheu (und nicht so selten) wie Leoparden. Im Gegensatz zu diesen jagen sie auch nicht bei Nacht, sondern tagsüber, wobei sie ihre Beute, meist kleinere Antilopen, mit Geschwindigkeiten bis zu 100 km/h hetzen. Da der Cheetah sich relativ leicht zähmen läßt, wurde er in manchen Fernseh-Serien unverfroren als Leopard »verkauft«, obwohl selbst ein Laie die beiden Tiere nicht nur an der Statur, sondern auch am Gesicht unschwer -63-
unterscheiden kann. Der Gepard hat eine nicht übersehbare »Maske«, sein Kopf ist im Verhältnis zum Körper erheblich kleiner. Unter den Raubkatzen Ostafrikas sind zweifellos die Löwen am zahlreichsten. Wer von einer Safari zurückkehrt, ohne sie gesehen zu haben, der hat entweder ausgesprochenes Pech gehabt oder er ist zu spät aufgestanden. Die Aktivität Simbas entfaltet sich in den frühen Morgenstunden; dann streift er durch Steppe und Savanne, dann geht er auf die Jagd. In der Mittagshitze sucht er Zuflucht im schattigen Buschwerk. Aber manchmal hat man im Massai-Mara-Gebiet das Glück, ein Stück Familienleben am hellen Tage mitzuerleben. Nach einer stundenlangen, unergiebigen Pirschfahrt trafen wir auf sieben Löwenmütter mit insgesamt 35 Babies, die mauzend und schmatzend zwei frisch geschlagene Topi-Antilopen verzehrten. In angemessenem Abstand standen zwei starke Mähnenlöwen und blickten sehnsüchtig hinüber zu dem schmausenden Rudel. Sobald sie jedoch einen Schritt in diese Richtung zu machen versuchten, fauchten die Mütter ihnen giftig entgegen. Königlich sahen die beiden Paschas nicht aus, trotz imponierender Figur. Nur traurig und hungrig.
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Vorfahrt für Elefanten Schon nach wenigen Safari-Tagen wird man festgestellt haben, was »alte Afrikaner« längst wissen: Nicht der Löwe ist der König der Wildnis, sondern der Elefant. »Sein wunderbarer Körperbau, seine Stärke, seine Gelehrigkeit, Klugheit und, wenn man so sagen darf, seine Tugenden machen ihn zu einem der merkwürdigsten Geschöpfe der Erde,« heißt es in einem alten Zoologie-Buch über dieses größte Landsäugetier, das oft als »Dickhäuter« bezeichnet wird, in Wahrheit aber äußerst dünnhäutig ist. »Merkwürdig« bedeutet hier allerdings nicht seltsam oder eigenartig, sondern bemerkenswert und das ist der Elefant in der Tat. Er ist das klügste und das stärkste, das sozialste und das verfressenste Tier überhaupt. Er stellt absolut logische Überlegungen an, er hat keinen gleichwertigen Gegner (außer einem Menschen mit Schießgewehr), er führt ein geradezu ideales Familienleben und er frißt ganze Landschaften quasi im Vorbeigehen kahl. In Nord-Uganda erstreckt sich kilometerweit ein toter Wald, der auf das Konto der Elefanten geht. Nur noch Gespensterbäume ragen aus dem Boden; Blätter, Zweige und Rinde wurden abgefressen. In Kenias Tsavo-Nationalpark haben Elefantenherden mit ihrer unvorstellbaren Gefräßigkeit auf weiten Strecken die buschige Savanne in ödes Grasland verwandelt. Damit veränderten sich die Lebensbedingungen für alle blattfressenden Tiere (Nashörner und einige Antilopenarten), die nun in diesem Gebiet kaum noch Nahrung fanden. Zeitweise wurde deshalb erwogen, den Elefantenbestand in Tsavo erheblich zu reduzieren. Doch hat die Natur selbst regulierend eingegriffen, ehe es dazu kam: Mehr als 3000 Elefanten gingen innerhalb weniger Monate durch lange Trockenperioden nördlich des Kilimandscharo ein. In einigen Wildreservaten trifft man auf das Schild mit der -65-
Aufschrift: »Beware of Elephants - They have Right of Way!« - »Vorsicht Elefanten - Sie haben Vorfahrt!« Dieses Schild müßte eigentlich überall in Ostafrika stehen, denn wo es Elefanten gibt, da sollte man ihnen immer die »Vorfahrt« lassen. Es ist besser für die Autos und für ihre Insassen. Und für die Elefanten, versteht sich, denn die sind ja schließlich aus Fleisch und Blut und nicht aus Stahl. Aber daran denken sie manchmal nicht, wenn sie sauer sind und aus Prestigegründen auf Vorfahrt bestehen. Als intelligente Tiere haben sie nämlich ein paar fast menschliche Schwächen. Sie sind selbstbewußt, stolz und mitunter etwas angeberisch. Andererseits zeigen sie sich einsichtig, wenn man ihre Überlegenheit anerkennt. Im Gegensatz zu fast allen anderen Tieren haben Elefanten keinerlei Respekt vor Kraftwagen (was nicht verwundern kann, denn mit gut vier Metern Schulterhöhe sind sie ja erheblich größer als die meisten Autos). Die erfahrenen Driver der Safari-Busse sind daher stets auf der Hut, stellen niemals den Motor ab, wenn sie sich einer Herde genähert haben, und beachten gewissenhaft den Sicherheitsabstand - vor allem bei Muttertieren und bei Einzelgänger-Bullen. Im Ernstfall kommt es darauf an, daß man schnell genug den Rückwärtsgang einlegen kann. Kreuzen sich irgendwo in der Steppe oder im Busch die Wege eines Elefanten und eines Kraftwagens, so gibt es kein Überlegen: Man hält einfach an. Hat man das Pech, daß es sich um eine größere Familie oder gar um eine ganze Herde handelt, so gibt es Gelegenheit, sich in Geduld zu üben. Elefanten haben es selten eilig, am wenigsten, wenn sie merken, daß der Kontrahent im Auto in Eile ist. Manchmal nehmen sie sich soviel Zeit zum Überqueren einer schmalen Straße, daß es glattweg provokatorisch wirkt. Dann und wann kommt es vor, daß ein kräftiger Bulle mit wedelnden Ohren mitten vor dem Wagen stehen bleibt, bis die letzte Mutter mit ihrem Baby geruhsam den Weg gekreuzt hat. -66-
Der wahre König: Der Elefant
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Angstvolle Minuten (wenn nicht gar Stunden) erlebt, wer etwa hinter einer unübersichtlichen Kurve unversehens in eine Elefantenherde hineingerät. Selbst wenn die Tiere nicht sofort aggressiv reagieren, ist dies eine äußerst heikle Situation. Elefanten sind sehr neugierig, beginnen bald, das Auto zu untersuchen, tasten nach einem offenen Fenster oder Schiebedach, und man kann nur hoffen, daß keiner von ihnen mit dem empfindlichen Rüssel den heißen Auspuff berührt. In jedem Falle heißt es, ganz still sein, nicht reden, nicht husten oder niesen, auf keinen Fall hupen oder den Motor aufheulen lassen. Während man geduldig (oder auch ungeduldig) darauf wartet, daß das Interesse der grauen Riesen erlahmt, während man ihrem Schnauben, Pruschen und Rülpsen lauscht, hat man hinreichend Zeit, seine Sünden zu bereuen. Zu gefährlichen Begegnungen kommt es zuweilen auf der Foto-Pirsch. Verfolgt man im Jagdfieber einen Elefanten zu hartnäckig, um immer noch einen neuen Schnappschuß anzubringen, so steht außer Frage, daß er irgendwann die Geduld verliert. Einen solchen Zwischenfall erlebte ich im Amboseli-Reservat. Ein VW-Bus mit einer Safarigruppe blieb einem großen Bullen solange dicht auf den Fersen, bis dieser kehrt machte und mit erhobenem Rüssel auf den Wagen losstürmte. Zum Glück fand der Driver noch rechtzeitig den Rückwärtsgang und konnte ein paar Meter zurücksetzen. Das genügte, um das aufgebrachte Tier zu beruhigen. Es hatte registriert, daß seine Überlegenheit anerkannt wurde, und ließ es beim Scheinangriff bewenden. Diese Imponiergebärde ist übrigens seit langem zwischen Safari-Fahrern und Elefanten gang und gäbe. Sie dient dem Zweck, den Gegner abzutasten, ehe man ihm ernsthaft auf den Pelz rückt. Gelegentlich entschließt sich auch ein ungeduldiger Driver, dieses Mittel anzuwenden, und fährt auf einen Elefanten los, der ihm den Weg versperrt. Natürlich will er ihn nicht wirklich rammen sondern nur einschüchtern. Manchmal -68-
hat man damit sogar Erfolg und der Koloß gibt den Weg frei. Doch nicht immer, und dann hilft wieder nur der Rückwärtsgang, sonst könnte der Scheinangriff des Kraftwagens leicht mit einer echten Elefanten-Attacke beantwortet werden. Das kommt zwar nicht allzu oft vor, aber wenn - nun, die Autos, die eine solche Karambolage mitgemacht haben, sehen meist nicht mehr besonders gut aus. Noch weniger empfehlenswert ist es allerdings, einem Elefanten zu Fuß über den Weg zu laufen. Im Mikumi Nationalpark (Tansania) wurde vor einigen Monaten ein deutscher Tourist lebensgefährlich verletzt, als ihn ein Elefantenbulle mit einem Stoßzahn durchbohrte. Das einzeln gehende Tier war auf das Gelände der Lodge vorgedrungen und hatte den Mann am Swimmingpool angegriffen. Ein ähnliches Schicksal blieb zwei weiteren Touristen gerade noch erspart, die im Bergwald des Mount Elgon (Kenia) unterwegs waren. Hier darf man Fußwanderungen unternehmen, wenn man einen bewaffneten Ranger mitnimmt. Die Gruppe verließ das Auto und kletterte durch den Wald hinauf zu einer der vielen Höhlen, die typisch für dieses Gebiet sind. Als die drei die Höhle betraten, stürmte ihnen aus der Dunkelheit eine Elefantenkuh mit ihrem Jungen entgegen. Zum Glück waren die Tiere offenbar noch mehr erschrocken als die Touristen, so daß der Zwischenfall ohne ernste Folgen blieb. Ein Jahr zuvor hatte der Ranger an derselben Stelle einen angreifenden Elefanten im letzten Augenblick erschießen müssen. Zahllose Stories ranken sich um die Paraa Lodge im Nordwesten Ugandas. Die reizvolle Hotelanlage liegt inmitten des Murchinson-Falls-(jetzt: Kabalega-Falls) Nationalparks, der für seine riesigen Tierherden bekannt war. Die Elefanten hier sind furchtlos und dreist und dringen immer wieder in die Nähe der menschlichen Behausungen vor. Vor einigen Jahren fraß ein Elefant das palmengedeckte Dach der Poststation der Lodge ab. Er mußte erschossen werden, als er Miene machte, -69-
das Haus umzuwerfen. Nicht selten kam es vor, daß sich ein Rüssel durch ein offenstehendes Zimmerfenster tastete und herzhaft Zugriff, wenn etwas Nahrhaftes in Reichweite war. Häufig gab es abends, wenn die Gäste beim Essen auf der Veranda saßen, große Aufregung. Dann pflegten nämlich ein paar Elefanten dicht an der niedrigen Einfriedung vorbei zu der nahegelegenen Abfallgrube zu marschieren, um sich dort gütlich zu tun. Zuweilen langte auch mal ein Jungtier im Vorbeigehen über die Brüstung und nahm einem entsetzten Gast einen kräftigen Bissen vom Teller. Dies war natürlich nicht ungefährlich, denn auch wenn vor der Terrasse ein Schild mit dem Hinweis stand, daß es sich keineswegs um zahme Tiere handele, erlag doch mancher Tourist angesichts solcher Zutraulichkeit dem Irrtum, es könne nichts passieren. Eines Tages passierte dann aber doch etwas: Eine Elefantenkuh lief beim nächtlichen Ausflug zur Abfallgrube direkt über ein Zelt, das zwischen den Häusern der Lodge im Gelände aufgeschlagen war. Sie trat auf das offene Haar einer Frau, die auf einer Luftmatratze lag, und blieb darauf stehen. Die tödlich erschrockene Frau rührte sich nicht und gab keinen Laut von sich. So blieb sie bis auf einen erheblichen Schock - unversehrt. Von Zeltübernachtungen in Ostafrika soll sie allerdings die Nase voll gehabt haben. Nun darf man sich durch all diese Elefantengeschichten aber nicht zu sehr beunruhigen lassen. Wer nicht leichtsinnig ist und Vorschriften und Warnungen beachtet, wer bei Fußwanderungen die Augen offen hält und die Tiere nicht reizt oder füttert, der ist kaum gefährdet. Man muß nur Abstand wahren und immer daran denken: Elefanten haben Vorfahrt. In jedem Falle wird man bald erkennen, daß die grauen Riesen die interessantesten unter allen Tieren Ostafrikas sind. Es gibt sicherlich keinen eindrucksvolleren Anblick als eine Herde von 80 oder 100 Elefanten durch die Landschaft ziehen zu sehen. So etwas kann man wirklich heute noch erleben, nicht nur in -70-
den entlegenen Landesteilen sondern auch in touristisch erschlossenen Gebieten. Und das ist eigentlich fast ein Wunder.
Elefanten haben Vorfahrt
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Ein Herz für kleine Tiere Manche Leute gehen mit vorbereiteten Listen auf Safari und haken jeden Abend ab, welche Tiere sie tagsüber gesehen haben. Zum Glück sind sie nicht allzu häufig. Wesentlich öfter trifft man Touristen, die sich nur für Großwild interessieren. Sie haben Augen für Elefanten, Nashörner, Löwen und Leoparden. Allenfalls noch für Büffel, aber »… davon gibt's ja so große Herden, ist denn das was besonderes?« Für Gnus, Zebras und Antilopen heben sie kaum noch das Fernglas, geschweige denn die Kamera, und was gar noch kleiner ist, das gilt als völlig uninteressant. Diese Leute sind arm dran, denn gerade unter dem afrikanischen Kleingetier sind viele Kostbarkeiten. In den Bäumen am hoteleigenen Swimmingpool nisten die Webervögel. Hoch oben in den Ästen hängen ihre kunstvoll konstruierten Nester, deren Eingänge sich unten befinden. Jedesmal, wenn Vater oder Mutter mit einem Leckerbissen im Schnabel erscheinen, machen die Jungen im Nest einen unglaublichen Spektakel. Die Vögel sind zutraulich und frech wie unsere Spatzen (mit denen sie übrigens verwandt sind). Beim Frühstück pirschen sie sich allmählich näher und näher an den Tisch heran, um ein paar Brocken zu ergattern. Kaum ist man aufgestanden, so finden sie sich direkt auf dem Tisch ein und es beginnt eine lärmende Auseinandersetzung um Brotkrümel, Zucker und Wurstreste. Es gibt weit über hundert verschiedene Webervogel-Arten. Sie alle sind bunt, wobei meist Gelb die Grundfarbe ist. Einige sehen fast wie Kanarienvögel aus (die ebenfalls mit ihnen verwandt sind). Äußerst farbenprächtig sind auch die metallisch schillernden Glanzstare und die kleinen Nektarvögel oder Honigsauger, die mit langem, spitzem Schnabel ihre Nahrung aus den Blüten holen. Wegen dieses Schnabels und -72-
wegen ihrer Körperform nennt man die zierlichen Vögel »Kolibris der alten Welt«. Allerdings sind die Nektarvögel mit den Kolibris, die ja nur auf dem amerikanischen Kontinent vorkommen, nicht verwandt. Ein wesentlicher Unterschied ist der, daß Kolibris ihre Nahrung im Schwirrflug zu sich nehmen, während Nektarvögel stets auf der Blüte »landen« müssen, wenn sie fressen wollen. Es gibt mehr als tausend weitere Vogel-Arten, denen man im Garten oder auf Safari begegnen wird, und es ist unmöglich, auch nur einen nennenswerten Teil von ihnen aufzuzählen. Irgendwo in einer Lodge wird man zweifellos die Bekanntschaft der originellen Tokos (Hornvögel) machen, die mit bewundernswerter Dreistigkeit auf der Hotelterrasse alles stehlen, was ihnen vor den langen Schnabel gerät. Am liebsten nehmen sie Würfelzucker, aber auch Teelöffel, Feuerzeuge, Münzen und Objektivkappen sind nicht vor ihnen sicher. Häufig wird man morgens vom Trompetenschrei der Ibisse geweckt, und in den Wintermonaten trifft man Dutzende von unseren Klapperstörchen, die hier mehr Nahrung und weniger Umweltschmutz finden als daheim in Europa. Einer der schönsten Vögel ist der Kronenkranich mit seinem goldenen Kopfschmuck, einer der seltsamsten der Sekretär, der wirklich an einen Büromenschen erinnert, wenn er mit seiner Feder hinterm Ohr durch die Steppe schreitet. Besonders reichhaltig ist die Vogelwelt natürlich an den Seen und Flüssen, wo neben Flamingos und Pelikanen auch zahlreiche Reiher-Arten leben. Unter den Waldbewohnern sei lediglich der Turako erwähnt, ein scheuer, interessanter Lärmvogel, den man vermutlich eher zu hören als zu sehen bekommen dürfte. Wie gesagt: Die Liste der Vögel ist absolut unvollständig, doch sollte man dem Federvieh gebührende Aufmerksamkeit widmen. Es ist nicht nur für Ornithologen interessant sondern bietet auch dem Laien reizvolle und vor allem farbenprächtige Foto-Motive. -73-
Auch die Echsen, die Agamen, Chamäleons, Geckos und Skinke, die in den verschiedensten Größen auftreten und sich in erster Linie als Insektenvertilger nützlich machen, sind manchen Color-Schnappschuß wert. Besonders natürlich deshalb, weil einige von ihnen Gemütsbewegungen durch Änderung der Hautfarbe Ausdruck verleihen. Beispielsweise wird der Kopf einer Felsen-Agame röter und röter, je mehr sie sich aufregt. Der Farbwechsel der Chamäleons ist sprichwörtlich, doch setzt es immer wieder in Erstaunen, wie intensiv sie sich ihrer Umgebung anpassen können. Für ein ungeübtes Auge ist es fast unmöglich, ein solches Tier auf einem Zweig oder an einem Baumstamm auszumachen. Mit ihrer Stachelhaut, ihren grotesken Stielaugen und ihrem urweltlichen Aussehen sind Chamäleons wirklich nicht besonders hübsch, doch gewinnen sie entschieden, wenn man sie näher kennenlernt. Sie werden ganz rasch zahm, lassen sich gern auf die Hand nehmen und zu Fliegen oder Heuschrecken tragen, die sie dann aus einiger Entfernung mit ihrer klebrigen Schleuderzunge zur Strecke bringen. Auch sind sie »handlich und pflegeleicht«: Man kann sie im Hotelzimmer oder im Garten auf einen Zweig setzen, und sie werden dort geduldig sitzen bleiben - vorausgesetzt, daß ab und zu ein Insekt in Zungen-Reichweite auftaucht und daß man sie gelegentlich mit einem Schlückchen Wasser tränkt. Die größte Echse, den Waran, konnte man mit ziemlicher Sicherheit am Victoria-Nil in Uganda beobachten, wo sie am Ufer darauf lauerte, in einem günstigen Augenblick Krokodileier aus einem Nest stibitzen zu können. Warane, die gut laufen, schwimmen, klettern aber auch graben können, findet man allerdings auch in ganz anderen Lebensräumen. Zuweilen sieht man im Vorüberfahren den Kopf einer großen Echse aus einem verlassenen Termitenhügel mitten in der Steppe ragen. Diese rostbraunen, bizarren und bis zu vier Meter hohen Gebilde gehören zu den typischen -74-
Eigentümlichkeiten der ostafrikanischen Landschaft. Man hat errechnet, daß die aus speichelgetränkten Erdmassen errichteten Bauwerke zur Größe der Termiten etwa im gleichen Verhältnis stehen, wie das Matterhorn zur Größe eines Menschen. Im Innern der kunstvoll angelegten Burgen spielt sich ein sozial organisiertes Staatenleben ab: Arbeiter sorgen für Nestbau, Nahrungsbeschaffung und Brutpflege, wehrhafte Soldaten sind für die Verteidigung zuständig. Geschlechtstiere werfen nach dem Hochzeitsflug ihre Flügel ab. Die Königin, die von einem Heer von Arbeitern betreut und umsorgt wird, kann am Tage bis zu 40000 Eier legen. Das Innenleben der Termitenhügel bleibt dem Touristen selbstverständlich verborgen, doch kann er sich der Faszination der stahlharten Bauten kaum entziehen. Afrika-Anfänger neigen dazu, besonders attraktive Termitenhügel zu erklimmen und sich darauf in Gipfelstürmer-Pose fürs Familienalbum knipsen zu lassen. Die Fahrer der Safari-Busse tun allerdings ihr Möglichstes, um ihre Passagiere davon abzuhalten, denn nicht nur Warane sondern auch Mangusten (Mungos) richten sich in verlassenen Termitenhügeln gern häuslich ein, und das nicht ohne Grund: Sie hoffen hier Schlangen vorzufinden, die diesen Unterschlupf ebenfalls zu schätzen wissen. Und deren Nähe sollte man denn doch nicht gerade suchen. Damit wären wir beim Thema Schlangen, und das ist ja ein ziemlich beherrschendes Thema für alle, die zum ersten Male den Gedanken an eine Afrika-Reise ventilieren. Soviel voraus: Man muß schon viel Glück (oder auch Pech) haben, wenn man auf freier Wildbahn eine einzige lebendige Schlange zu sehen bekommt. Zwar gibt es mehr als 150 verschiedene Arten, von der harmlosen Wurmschleiche über die stattliche (aber ungiftige) Python bis zu den höchst gefährlichen Mambas, Kobras und Puffottern, doch halten sie sich beharrlich im Hintergrund. Angeblich soll in den letzten 15 Jahren kein Tourist mehr durch einen Schlangenbiß ums Leben gekommen -75-
sein. Über die Zahl der Gebissenen aber glücklich Geretteten und über die von Schlangen getöteten Afrikaner gibt die Statistik zwar keine Auskunft, doch keinesfalls besteht Anlaß für panische Angst. Hier und da erzählt man sich abenteuerliche Geschichten, zum Beispiel von der Puffotter, die unter der Bettdecke auf den heimkehrenden Hotelgast lauerte, oder von der grünen Mamba, die sich bei der Morgenwäsche aus dem Waschbecken herausschlängelte. Meist handelt es sich um Safari-Latein, denn Schlangen greifen keinen Menschen an, es sei denn, sie fühlten sich von ihm in die Enge getrieben. Wenn man sie allerdings bedrängt, dann kann es gefährlich werden. Eine Großaufnahme ohne Tele-Objektiv sollte man sich lieber verkneifen - vor allem, wenn es sich um eine Speikobra handelt. Die braucht nämlich gar nicht erst zuzubeißen, sondern sie spuckt dem vermeintlichen Gegner ihr Gift aus anderthalb Metern Entfernung mit beängstigender Treffsicherheit in die Augen. Schwere Entzündungen, unter Umständen Erblindung, sind zu befürchten. Im allgemeinen aber gehen Schlangen dem Menschen aus dem Wege und werden nur aggressiv, wenn man ihre Fluchtdistanz unterschreitet. Sie benehmen sich also im Grunde genau so wie alle anderen wehrhaften Tiere, vom Elefanten bis zum Kaffernbüffel, vom Flußpferd bis zum Nashorn. Heimtückisch sind sie nicht. Ich traf meine erste lebende Giftschlange an der Bar der Keekerok Lodge in Kenia, und sie wurde mir keineswegs durch zu reichlichen Whisky-Genuß vorgegaukelt. Ein Gewitter von tropischer Wucht hatte uns vom Swimmingpool vertrieben und wir zogen uns an den geheizten Kamin zurück. Derselbe Beweggrund hatte die Schlange dorthin getrieben. Nun lag sie da, mitten im Raum, halb erstarrt und ziemlich winzig. Eine »Baby-Kobra«, wie der Barkeeper sagte, ehe er sie mit einem Knüppel erschlug. Noch sehr jung, aber doch schon tödlich gefährlich. -76-
Die zweite Schlange kroch vor unserem Auto in den Usambara-Bergen (Tansania) quer über die Straße. Als wir anhielten, war sie schon im Buschwerk verschwunden - wie gut, daß wir sie nicht wiederfanden, denn es handelte sich um eine schwarze Mamba. Seither habe ich, trotz häufiger AfrikaReisen, keine Schlange mehr getroffen (außer gegen Eintrittsgeld im Schlangenpark von Nairobi). Offen gestanden habe ich auch nicht danach gesucht. Man muß ja das Schicksal nicht unbedingt herausfordern. Ein anderes Tier, über das mitunter Horrorgeschichten erzählt werden, ist der Skorpion. »Alte Afrikaner« empfehlen, auf Safari morgens die Schuhe kräftig auszuschütteln, ehe man hineinschlüpft. Nun, ich habe festgestellt, daß man in den modernen Lodges und Camps eher auf eine Hyäne oder einen Büffel trifft, als auf einen Skorpion. Aber was soll's, schütteln wir die Schuhe doch getrost aus, es kann ja nicht schaden. Und man kommt sich dabei so richtig abenteuerlich vor. Ich habe noch nie einen Skorpion gesehen. Doch es gibt da ein anderes seltsames Tier, das einem bestimmt eines Tages im Schlafzimmer begegnen wird. Ich konnte noch nicht ergründen, welcher Gattung es zuzurechnen ist. Es sieht aus wie eine Kreuzung aus Spinne und Heuschrecke, wird bis zu vier Zentimeter lang, hat einen Stachel und kann springen. Die Afrikaner nennen es »Bui-Bui« und erschlagen es, wo sie es treffen. Ganz geheuer ist das Vieh nicht, zumal es beim Umherlaufen im Zimmer ein gewisses Rascheln verursacht. Naja, am besten scheucht man das Bui-Bui einfach mit einem Taschentuch oder einer Zeitung davon und kümmert sich nicht weiter darum. Manchmal gibt es außergewöhnliche Ereignisse mit kleinen Tieren. Eines Tages wurden wir in unserem Hotelzimmer im Hochland von Kenia auf ein Summen aufmerksam, das rasch anschwoll. Plötzlich war die Luft vor dem Zimmer voller schwirrender Bienen. Rasch schlossen wir die Fenster, -77-
warteten ein wenig, bis es draußen ruhig geworden war, und gingen dann vorsichtig auf Pirsch. Ein paar Meter von unserem Fenster entfernt hatte sich in einem kleinen Bäumchen ein Schwarm wilder Bienen gesammelt. Wie eine Riesentraube hingen die Insekten um den dünnen Stamm, einzelne flogen wütend auf uns zu, um uns zu vertreiben. Wir suchten schleunigst das Weite. Auf unseren Alarm erschien der Gärtner mit einer Flasche voller Petroleum und traf seine Vorbereitungen. Er öffnete eine benachbarte Zimmertür, um einen schnellen Fluchtweg freizuhaben, und hüllte seinen Kopf in eine Tüll-Gardine. Dann schlich er sich geduckt an den Schwarm an und goß mit Schwung Petroleum in das Gewimmel. Die Bienen stoben auseinander, der Mann hatte sich blitzschnell in das Zimmer zurückgezogen. Nach einigen Minuten wiederholte sich die Prozedur und wenig später noch einmal, danach war alles vorbei. Hunderte von toten Bienen klebten an dem Stamm, die überlebenden schwirrten ungeordnet davon. Die Afrikaner erzählten uns später schauerliche Dinge über die wilden Bienen, die angeblich immer wieder im freien Gelände Menschen und Tiere überfallen und daher den Beinamen »Mörderbienen« tragen. Erheblich harmloser war dagegen die große Schlupfwespe, die an der Außenseite unserer Zimmertür ihr Nest baute. Zunächst pappte sie nur ein winziges Stückchen Lehm an das Holz, kam dann immer wieder mit neuem Baumaterial angeflogen, klebte es dazu und formte im Verlauf von zwei Tagen einen kunstvollen Krater in der Form eines kleinen Vulkans. Zufällig erlebten wir dann auch mit, wie die Wespe eine große Raupe antransportierte und in mühseliger Arbeit mit Beinen und Mundwerkzeugen in die kleine Öffnung stopfte. Schließlich brachte sie einen Pfropfen, mit dem sie das Nest verschloß. Schlupfwespen praktizieren ihre Eier mit einem Legestachel in Raupen oder Käferlarven. In diesen lebenden »Wirten« entwickeln sich dann die Larven der Wespe. Den -78-
letzten Akt der Geschichte konnten wir allerdings nicht mehr miterleben, weil unser Room Steward in einem Anfall von Reinlichkeit ein paar Tage später den kleinen »Vulkan« nebst Inhalt von der Tür kratzte und in den Müll warf. Wer das Pech hat, in die Regenzeit zu geraten, der kann unter Umständen durch ein ungewöhnliches Schauspiel entschädigt werden: Durch den Hochzeitsflug der Termiten. Wie eine endlose Reihe von Rauchsäulen sieht es aus, wenn zehntausende der geflügelten Insekten gleichzeitig aus ihren Erdlöchern aufschwirren. Für die Vögel ist dies eine gute Zeit, denn niemals sonst finden sie eine so reich gedeckte Tafel vor. Manche Gourmets schwören, daß Termiten auch für menschliche Gaumen eine Delikatesse seien - ich kann es nicht beurteilen. Meine Neugier war nicht groß genug, um es zu probieren. Nach dem Hochzeitsflug ist der Boden weit und breit mit den abgeworfenen Flügeln der Geschlechtstiere bedeckt. Ameisen, mit denen die Termiten entgegen verbreiteter Ansicht nicht verwandt sind, zählen zu ihren ärgsten Feinden. Insbesondere Treiberameisen werden auch während der Regenzeit aktiv. In breiten Marschsäulen fallen sie auf ihren Wanderungen über Insekten aller Art, aber auch über Mäuse, kleinere Schlangen und Jungvögel her, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten. Wo die Kolonnen einen Weg oder eine Straße überqueren, stellen sich die großköpfigen »Soldaten« gleichsam als Flankenschutz auf, um mögliche Störenfriede abzuwehren. Aber auch jede Ameise, die etwa aus der Kolonne ausscheren will, wird von den mächtigen Zangen der Aufpasser rasch zur Räson gebracht. Mit einer Vorsatzlinse für Nahaufnahmen ist es übrigens kein Problem, eine solche Ameisen-Wanderung zu fotografieren oder zu filmen. Aber gehen Sie nicht zu dicht heran! Die Zangen der Ameisen-Soldaten sind kräftig genug, um auch einen menschlichen Fuß oder Finger schmerzhaft zu zwicken. -79-
Das Kapitel über die kleinen Tiere in Ostafrika wäre unvollständig ohne Erwähnung einiger »Haustiere« der Hotels und Lodges, deren Bekanntschaft man - wechselnd nach landschaftlicher Lage - mit ziemlicher Sicherheit machen wird. In fast allen Hotelgärten findet man Erdhörnchen, bodenbewohnende Vettern unserer Eichhörnchen und genau so zutraulich wie diese. In baumreicher Gegend sind Meerkatzen eine richtige Plage, weil nichts vor ihren neugierigen Fingern sicher ist. Manchmal drücken sie sich schon in der Morgenfrühe ihre Nasen an der Scheibe des Zimmerfensters platt. Wehe, wenn man die überall angeschlagenen Warnungen mißachtet und Fenster oder Türen nicht fest genug verschließt! Die Affen sind genau so diebisch wie die bereits erwähnten Hornvögel, aber viel geschickter und flinker. Bei Übernachtung in waldigen Gebieten wird man des öfteren durch markerschütternde Schreie aus dem Schlaf geschreckt. Keine Sorge: Es sind keine Todesschreie. Die »Buschbabies« (Halbaffen, die eigentlich Galagos heißen) sind durch diese Brüllerei zu ihrem Namen gekommen. Wenn man die niedlichen Tierchen sieht, möchte man nicht glauben, daß sie solche Krakeeler sind. Da sie aber erst nachts munter werden, dürfte man sie kaum zu Gesicht bekommen. Überall, wo Felsen sind, trifft man auf Rudel possierlicher Tiere, die gewandt an den glatten Klippen herumturnen. Sie sehen ausgesprochen »süß« aus und sind meist bald Mittelpunkte größerer Menschenansammlungen. Sie lassen sich auch gern mit einem leckeren Happen verwöhnen, doch wenn man sie erschreckt, beißen sie mitunter mit scharfen Zähnchen zu. Man könnte sie für Murmeltiere halten, hätte man nicht schon vorher bei Gesprächen am Kamin und auf langen Überlandfahrten sagenhafte Dinge über sie gehört. Es sind Klippschliefer, und sie haben nicht das geringste mit den Murmeltieren zu tun. Klippschliefer sind Huftiere, gehören zu den Verwandten der -80-
Pferde, der Nashörner und der Elefanten. Man fand sogar Merkmale der Seekühe bei ihnen, und obendrein sind sie auch noch Wiederkäuer wie die Rinder. Eine recht seltsame Mischung also, die Aufmerksamkeit verdient und die sich gern und geduldig jederzeit den Foto-Safaristen stellt. Zum Schluß sei noch ein kleines Tier erwähnt, das nicht im alten »Brehm« und nicht im neuen »Grzimek« verzeichnet ist. Es existiert auch nur in der Phantasie, dennoch haben viele Autoren, von Stanley bis zu Lettow-Vorbeck, von Hemingway bis zu Hardy Krüger, immer wieder über den »Afrika-Bazillus« geschrieben. Gegen ihn hilft keine Impfung und keine Medizin, vor ihm gibt es kein Entrinnen. Er pflanzt dem Besucher die große Sehnsucht ins Herz, und die wächst und wächst beständig. Es gibt wenig Leute, die einmal und dann nie wieder nach Afrika fahren, denn der Bazillus, der beißt unerbittlich zu. Ich finde, er ist ein sehr sympathischer Bazillus.
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Der große Krater Man bezeichnet ihn gern als das »achte Weltwunder«, nennt ihn auch »Garten Eden« oder den »größten Zoo der Erde«. Für Kenner hat das Wort Ngorongoro-Krater einen magischen Klang; für Neulinge ist es ein Zungenbrecher - doch nur solange, bis sie zum ersten Male hier oben gestanden haben, in 2400 Meter Höhe, und hinunter geschaut, ohne so recht zu glauben, was sie da vor sich sehen. Es ist quasi der ganze afrikanische Kontinent in Form einer großen Suppenschüssel. Der Kratergrund hat einen Durchmesser von 18 Kilometern und eine Fläche von fast 300 Quadratkilometern. Man schätzt, daß unten 25000 bis 30000 Wildtiere leben, doch wechselt das natürlich von Zeit zu Zeit, weil Teile des Schutzgebietes alljährlich bei den großen Serengeti-Wanderungen passiert werden. Steppe, Savanne, Wald, Sumpf und ein großer See bedecken den Boden. Für die meisten Tansania-Touristen ist der Ngorongoro (dessen Name ihnen deshalb auch bald ganz flüssig von der Zunge geht) die Sehenswürdigkeit Nr. l - noch vor der Serengeti. Der Krater, der 1892 im damaligen DeutschOstafrika von dem österreichischen Forscher Oskar Baumann entdeckt wurde, ist (nach dem Mona Lake in den USA) der zweitgrößte der Erde. Um ganz präzise zu sein, muß man allerdings hinzufügen, daß es sich um keinen »echten« Krater handelt, sondern um eine Caldera. Das ist der Rest eines Vulkans, der sich vor Urzeiten selbst zerstört hat. Doch tut das seiner atemberaubenden Schönheit wirklich keinerlei Abbruch. Um auf den Grund zu gelangen, muß man zunächst einmal hinauf auf den Kraterrand und von dort wieder 700 Meter hinunter. Schon die Auffahrt durch dichten Wald ist abenteuerlich. Die meisten Safari-Unternehmer richten es so ein, daß man am Nachmittag oben eintrifft und in einer der Lodges übernachtet. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, doch -82-
hat die Ngorongoro Crater Lodge gegenüber der Ngorongoro Wildlife Lodge einen Vorzug: Sie ist nicht so modern, nicht so komfortabel, dafür herrlich urwüchsig. Die Crater Lodge wurde 1937 als erste Wildpark-Herberge Ostafrikas eröffnet. Damals mußte man sich allerdings noch mit dem Blick von oben in den Krater begnügen; erst 1954 wurde es zum ersten Male gewagt, mit einem Kraftwagen hinunterzufahren. Der Ausblick in die »Suppenschüssel«, auf die Tierherden in der Tiefe, ist noch heute phantastisch, ob man ihn nun aus einem der gemütlichen Blockhäuser der Crater Lodge oder von der eleganten Terrasse der Wildlife Lodge genießt. In beiden Fällen jedoch wird am nächsten Morgen zur Pirschfahrt gestartet, nachdem man eine (hoffentlich) angenehme Nacht im wohlgeheizten Zimmer verbracht hat. In 2400 Meter Höhe wird es nämlich auch in Ostafrika ganz schön kalt, wenn die Sonne nicht scheint. Das dürfte sie allerdings auch am frühen Morgen nicht tun, denn um diese Zeit brodeln meistens noch die Nebelschwaden. Man zieht sich also zweckmäßigerweise warm an, ehe man den Geländewagen besteigt. Nur mit einem vierradgetriebenen Fahrzeug ist es gestattet, in den Krater zu fahren. Ganz ohne blaue Flecken geht das oft nicht ab, denn die Piste ist halsbrecherisch, steil und voller Tücken. Beruhigend, daß sie nur in einer Richtung benutzt werden darf - nur wissen das die Tiere nicht immer. Unten angekommen wird man gewiß nicht mehr frösteln, zumal inzwischen mit ziemlicher Sicherheit auch die Sonne herausgekommen ist und mit afrikanischer Wucht herunterscheint. Im Kratergebiet gibt es fast alles, was das Land an Tieren überhaupt zu bieten hat. Genauer gesagt: Nur Giraffen sind noch nicht beobachtet worden. Wohl aber die »großen Fünf«, Elefant, Löwe, Nashorn, Leopard und Kaffernbüffel. Im Kratersee tummelt sich übrigens eine Herde stattlicher Tiere, die schon manchen Experten ins Grübeln gebracht haben: eine -83-
Flußpferd-Familie. Niemand konnte bisher ergründen, wie die schweren »Hippos« hierher gekommen sind. Ihr nächstes Verbreitungsgebiet liegt mehr als 60 Kilometer vom Ngorongoro entfernt. Die rund 20 Tiere (oder die Ahnen der jetzigen Generation) müßten also eine beachtliche Fußwanderung hinter sich gebracht haben, ehe sie dann zum Kraterrand hinauf- und auf der Innenseite wieder herunterkletterten. Daß Elefanten mühelos bis in große Höhen steigen, hat man beispielsweise auch am Kilimandscharo und am Mount Elgon beobachtet; die grauen Riesen sind ausgesprochen wanderlustig und »geländegängig«. Doch von den kurzbeinigen Flußpferden hätte man das kaum erwartet. Die häufigsten Tiere sind auch im Ngorongoro-Krater Gnus, Zebras und verschiedene Antilopenarten. Bei Zählungen stellte man vor einigen Jahren fest, daß sich zeitweilig 14000 Gnus, 5000 Zebras und an die 6000 Antilopen auf dem relativ kleinen Areal aufhielten. Es gab Zeiten, da durfte man die Eintrittsgebühr für das Schutzgebiet zurückfordern, wenn man nicht mindestens 8000 Stück Wild gesehen hatte. Wobei ich allerdings ehrlich nicht zu sagen vermag, wie der Beweis zu führen war. Im Kratersee hat sich auch eine große Schar Flamingos angesiedelt, die früher nur gelegentlich auf »Stippvisite« hierher kam und nun heimisch geworden ist, da andere Gewässer (leider auch der berühmte Nakuru-See) mehr und mehr verschmutzt worden sind. An diesem Kratersee hatte ich übrigens bei meinem ersten Besuch in Ostafrika einen FastZusammenstoß mit einem Nashorn. Wir wollten eine Filmaufnahme von den Flamingos machen, die aber zu unserem Leidwesen fast unbeweglich im Wasser standen. Nachdem wir einige Zeit vergeblich auf irgendeine »Action« gewartet hatten, sprang ich aus dem Wagen und lief auf den See zu, um die Vögel hochzuscheuchen. Ich weiß, ich weiß, natürlich ist das verboten (und ich habe ja in früheren Kapiteln -84-
ausführlich darüber geschrieben), aber ich war eben damals noch ein »Greenhorn«. Und ich war vor allem nicht nachdrücklich genug gewarnt worden. Driver, Ranger und Kamera-Team waren so verdutzt über mein Unternehmen, daß mich keiner mehr aufhalten konnte. So lief ich also auf den See zu, klatschte in die Hände, und tatsächlich starteten die Flamingos umgehend zu einem attraktiven Rundflug über den See. Als ich mich strahlend umdrehte, um von meinen Kollegen eine anerkennende Geste zu erheischen, wurde ich enttäuscht. Sie brüllten stattdessen etwas Unverständliches zu mir herüber und ruderten aufgeregt mit den Armen. Bis ich endlich mitbekam, daß irgend etwas nicht stimmen konnte. Kurz gesagt: Ein Nashorn war auf den ungewohnten Fußgänger am Kratersee aufmerksam geworden und kam erst langsam, dann immer schneller auf mich zugelaufen. Ich machte den schnellsten Spurt meines Lebens und erreichte den Wagen so rechtzeitig, daß mich das kurzsichtige »Rhino« aus dem Gesicht verlor. Leider hatte der Kameramann vor Schreck über meine Aktion ganz vergessen, die Aufnahme von den auffliegenden Flamingos zu machen. Aber das war ja wohl das kleinere Übel. Eine Ngorongoro-Spezialität ist der Picknick-Lunch auf einem eigens dafür hergerichteten Platz in einem Wäldchen. Auch wir hatten die liebevoll zusammengestellten Lunchpakete von der Hotelleitung mitbekommen. Belegte Weißbrote, Äpfel, Bananen, Orangen, gebratene Hühnerkeulen, dazu Kaffee und Tee aus Thermoskannen. Nach aufregenden Abenteuern und strapaziöser Fahrt über Stock und Stein freute man sich nun auf das Kalte Büfett direkt am Busen der Natur. Eine Lichtung mitten in einer schattenspendenden Baumgruppe, entrindete Stämme als Sitzgelegenheit für die Picknicker - fast hätte es in der Lüneburger Heide oder im Grunewald sein können, nur daß nicht unscheinbare Spatzen, sondern buntschillernde Tropenvögel als Bettler erschienen. Es schmeckte herrlich und -85-
war einmal ganz etwas anderes als die opulenten HotelMahlzeiten, die uns sonst kreuz und quer durch Ostafrika täglich serviert worden waren. Doch plötzlich schoß ein dunkler Schatten herab, ein paar Frauen aus unserer SafariGruppe schrien auf. Wieder ein Schatten, und der Reiseleiter rief: »Schnell, alle unter die Bäume!« Etwas verstört, aber zum Glück völlig unversehrt, fand sich die Gruppe im Schutz der Bäume zusammen. Nun zeigte sich, was passiert war: Schmarotzer-Milane, recht stattliche Raubvögel, hatten sich auf uns gestürzt, um ihren Anteil am Kalten Büfett zu holen. Infolge unserer eiligen Flucht war ihnen das auch glänzend gelungen, und ein Teil der Hühnerkeulen und des Brot-Belages hatte den Besitzer gewechselt. Der Ngorongoro-Krater ist in mancherlei Hinsicht eine kleine Welt für sich. Viele der Tiere sind nicht nur auf der »Durchreise« hier, sondern halten sich vorwiegend oder ständig im Krater auf. Ihre Lebensweise hat sich den Gegebenheiten der abgeschlossenen Örtlichkeit angepaßt. So hat man festgestellt, daß Hyänen hier nicht nachts, sondern bei Tage aktiv sind. Nirgendwo sonst hat man soviel Chancen, sie bei Tageslicht zu Gesicht (und vor die Kamera) zu bekommen. Auch Nashörner sind hier weit weniger scheu als in anderen Reservaten (und nicht nur, wenn sie auf einen vorwitzigen Fußgänger losstürmen). Die Ngorongoro-Löwen sind für ihre schwarzen Mähnen bekannt. Vor einer Enttäuschung muß allerdings gewarnt werden: In manchen Reisehandbüchern wird den Safaristen versprochen, man könne morgens im Krater das brisante Liebesleben der Löwen miterleben. Ich muß schon sagen, daß ich mich in den meisten Fällen leider mehr an »Clarence« als an Casanova erinnert fühlte. Bis vor einigen Jahren lebte auf dem Grunde des Ngorongoro-Kraters auch ein Massai-Volk. Etwa 150 Männer, Frauen und Kinder wohnten in einem Dorf, das gegen -86-
entsprechendes Honorar - von Touristen besichtigt werden durfte. Ihre 2000 Rinder, Ziegen und Esel teilten sich das Weideland mit den Wildtieren. Mitte der siebziger Jahre wurden die Massai jedoch aus dem Krater ausgesiedelt und leben jetzt außerhalb, wo sie besser ärztlich und schulisch versorgt werden können. Noch während der britischen Kolonialzeit war das Gebiet des Ngorongoro-Kraters vom Serengeti-Nationalpark abgetrennt und zu einem Schutzgebiet herabgestuft worden. Im Zusammenhang damit, und um die Serengeti-Steppe als größtes Tierparadies der Welt zu erhalten, stellten damals Professor Bernhard Grzimek und sein Sohn Michael umfangreiche Untersuchungen an. Bei einem Flug mit ihrer kleinen, einmotorigen Maschine kam am 10. Januar 1959 der 24jährige Michael Grzimek ums Leben. Ein Gänsegeier war am Ngorongoro gegen die rechte Tragfläche geprallt und hatte die Steuerung beschädigt, so daß das Flugzeug zu Boden ging und zerschellte. Ein Gedenkstein erinnert am südlichen Kraterrand an den Verunglückten. Er trägt die Inschrift: »Er gab alles, was er hatte, sogar sein Leben, um die wilden Tiere Afrikas zu schützen.« Auf dem Wege vom Ngorongoro-Krater zum SerengetiNationalpark liegt die Olduvaischlucht, die man gern als »Wiege der Menschheit« bezeichnet. Hier fand der britische Forscher Dr. Leakey die ältesten bislang bekannten menschlichen Schädel, nachdem er mehr als 30 Jahre lang gemeinsam mit seiner Frau und einem Team gegraben hatte. Allerdings hat inzwischen Leakeys Sohn Richard im Nachbarland Kenia, am Lake Turkana, mehrere Schädelteile gefunden, die Experten für noch älter halten. Es scheint also ungeklärt, ob die ersten Menschen Tansanier oder Kenianer waren. Daß sie Afrikaner waren, steht aber wohl fest.
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Safari im Lehnstuhl Es gibt verschiedene Arten, Safari zu machen. Die meisten Touristen fahren im VW-Bus oder im Toyota durch die Landschaft; in schwierigem Gelände ist noch immer der gute alte Landrover die Nummer l; eilige Leute fliegen im Kleinflugzeug von Reservat zu Reservat und lassen Afrika im Zeitraffer an sich vorübergleiten. Bequeme können schließlich eine »Lehnstuhl-Safari« buchen. Das ist vor allem Spezialität einiger Busch-Hotels im Hochland von Kenia und bedeutet, daß man mit einem Minimum an Bewegung eine Maximum an Tierwelt zu sehen bekommt. Man sitzt im Lehnstuhl auf der Terrasse oder auf dem zimmereigenen Balkon und wartet, statt zu pirschen. Alte Afrikaner rümpfen zwar die Nase über diese Art »Safari«, bezeichnen sie mitunter sogar als »Wildlife-PeepShow« und mokieren sich über jeden, der sowas mitmacht. Dennoch trifft man auch sie mitunter in einem solchen BuschHotel, und das ist eigentlich gar kein Wunder, denn irgendwie haben diese Herbergen ihre Reize. Man sollte sie getrost mal kennenlernen. Man muß sie ja deshalb nicht gleich allzu ernst nehmen. Meist wird man mit kleinem Gepäck von seinem Stammquartier (etwa in oder bei Nairobi) so in den Urwald transportiert, daß man dort am Nachmittag eintrifft. Am nächsten Morgen, nach zeitigem Frühstück, startet man zur Heimfahrt, denn die Busch-Hotels sind ausgesprochene Durchgangsstationen für nächtliche Tierbeobachtung. Die Wasserlöcher, mit denen das Wild angelockt wird, sind mit Scheinwerfern angestrahlt. Das Baumhotel »Treetops« (in der Eigenwerbung bezeichnet es sich sogar als das »berühmteste Hotel der Welt«) wurde 1932 tatsächlich in einem Baumwipfel erbaut und war ein relativ einfaches Etablissement. Während des Mau-Mau-Aufstandes ging es 1954 in Flammen auf. Das 1957 wiederaufgebaute Treetops ist dreistöckig und - wenn -88-
auch nach wie vor rustikal - erheblich komfortabler. Der größte Schatz allerdings, der sich unter Glas an der Wand präsentiert, stammt noch aus dem alten Haus. Er ist eine Mitteilung folgenden Inhalts: »In diesem Mgumu-Baum verbrachten Ihre Königliche Hoheit, Prinzessin Elizabeth, und Seine Königliche Hoheit, der Herzog von Edinburgh, die Nacht des 5. Februar 1952. An diesem Tage wurde Prinzessin Elizabeth durch den Tod ihres Vaters, König Georg VI., Königin.« Ehe der Tourist allerdings Treetops erreicht, macht er zunächst Station im Outspan-Hotel in Nyeri. Hier gibt es ein exquisites Kaltes Büfett und einen hervorragenden Kaffee (oder Tee) auf der Terrasse. Dann erst steigt man um in geländegängige Landrover. In halbstündiger Fahrt durch die wildromantischen Aberdare-Berge geht es zum Treetops. Die letzten paar hundert Meter müssen zu Fuß zurückgelegt werden, doch nicht etwa in gemütlichem Trott, sondern in flottem Tempo, unter Waffenschutz mit entsicherter Büchse. Die getarnten Unterstände beiderseits des Weges sind keine Hochstapelei, sondern absolut ernst gemeinte Zufluchten: Büffel, Nashörner, gelegentlich auch Elefanten fühlen sich hier auch bei Tage zu Hause. Schon mancher schlotternde Tourist ging für ein Weilchen in Deckung. Wenn das Hotel erreicht ist, muß geklettert werden, denn Treetops ist auch jetzt wieder malerisch in eine Baumkrone drapiert. Hölzerne Leitern führen nach oben, wo man erst einmal die Zimmer zugewiesen bekommt. Dann wird auf der Dachterrasse wieder Tee gereicht, und dabei gibt es die ersten Überraschungen. Nicht zierliche Meerkatzen, wie anderswo in Ostafrika, sondern stattliche Paviane sitzen überall im Gebälk des Bauwerks auf der Lauer. Noch halten sie Distanz, doch leicht beklommen nimmt man wahr, daß sie nach einer Eingewöhnungsphase immer zutraulicher werden, bis sie endlich ganz frech versuchen, einen Anteil am Gebäck zu ergattern. Natürlich wird auch hier davor gewarnt, die Affen zu -89-
füttern oder zu streicheln. Paviane haben Eckzähne, die sogar einem Leoparden Respekt einflößen. Und wenn sie eine Bewegung mißverstehen, kann es leicht sein, daß sie zubeißen. Andererseits sind sie nicht aggressiv - es kommt also nur darauf an, ein bißchen Abstand zu wahren. Während einer Teestunde auf der Treetops-Terrasse mischte sich ein halbes Dutzend Paviane unters Volk, bewegte sich ganz ungezwungen inmitten der Hotelgäste. Ein junges Pärchen stand fotografierend an der hölzernen Brüstung. Dann ging der Mann auf die andere Seite hinüber. Ein großer Pavian kletterte auf einen Gartenstuhl, musterte die junge Frau kurz und legte ihr dann vertraulich die Hand auf die Schulter. Sie hatte die Kleinbild-Kamera fest am Auge und hantierte konzentriert an Blende und Schärfe. Natürlich war sie der Meinung, es handele sich um die zärtliche Hand ihres Partners. Als sie ihren Schnappschuß gemacht hatte, setzte sie die Kamera ab und drehte sich um. Ihr Schreck war gewaltig. Der Pavian nahm ruhig die Hand von ihrer Schulter, sah sie noch einen Augenblick nachdenklich an und trottete davon. Je später der Abend, desto schöner die Gäste. Auch am Treetops gilt diese Spruchweisheit. Waren zunächst nur Affen, Antilopen und Warzenschweine an der Tränke, so tauchen jetzt Büffel und sogar ein Nashorn auf. Aber nun wird es auch schon frisch, denn das Baumhotel liegt ja in 2000 Meter Höhe. Man zieht sich etwas Wärmeres an und begibt sich an die Bar. Auch von hier hat man natürlich den Blick auf das Wasserloch. Es besteht keine Gefahr, besondere Ereignisse zu versäumen. Nach einem »Sundowner« (weil man in den Tropen bekanntlich Alkohol möglichst erst nach Sonnenuntergang zu sich nehmen soll) ist es dann soweit: Dinner Time. Eine Trommel ruft in den Speiseraum. Der ist nun ganz anders, als man es aus den anderen ostafrikanischen Hotels und Lodges kennt. Lange Holztische, flankiert von ebenso langen Holzbänken ohne Lehnen, Tischkarten mit den Namen der -90-
Gäste, dazu auf jedem Platz eine kleine Broschüre über das Treetops mit namentlicher Widmung. Auf der Aufschlagseite die Menükarte, auf der Schlußseite eine Tabelle »Animals seen« - »gesehene Tiere«. Wirklich, eine Liste zum Abhaken oder zum Eintragen der Stückzahl, vom Elefanten über Nashorn, Büffel, Leopard, Riesen-Waldschwein bis hin zum afrikanischen Hasen. Und darunter die Rubrik »others« »andere«. Also hier wurde wahrhaftig an alles gedacht. Schon während des Essens macht sich Unruhe breit. »Die Elefanten kommen«, hört man's wispern. Einzelne lassen die Lammkeule stehen und laufen hinaus. Tatsächlich, eine ganze Elefantenherde kommt aus dem Urwald, schön im Gänsemarsch (obwohl der Ausdruck hier etwas deplaziert wirkt) marschieren sie unter dem Baumhotel, das auf hohen Pfählen steht, hindurch zum Wasserloch. Vorneweg ein paar Riesen, dann kleinere, nun die Babies, am Schluß wieder ein Riese. Und dann herrscht an der hell beleuchteten Tränke ein ungeheures Schmatzen, Pruschen und Plätschern. Die Nachtvorstellung hat begonnen, sie läuft durch bis zum nächsten Morgen. Man nimmt den Rest des Dinners zu sich, zieht sich noch wärmer an und sucht einen Beobachtungsplatz auf den Veranden oder auf der Dachterrasse, sichert sich eine Sitzgelegenheit und läßt sich nieder. Die Lehnstuhl-Safari strebt dem Höhepunkt zu. Und der kommt bestimmt, sei es, daß eine Rauferei unter Elefanten ausbricht, daß ein mißmutiges Nashorn die trinkenden Büffel verscheucht, daß sich ein Schakal an ein Gazellenkind anzuschleichen versucht. Manchmal passiert wirklich etwas Tragisches (oder etwas, was wir dafür halten). So mußte eine Safari-Gruppe miterleben, wie ein ausgewachsener Kaffernbüffel bei lebendigem Leibe zerrissen wurde. Das schwere Tier hatte sich zu tief in ein Schlammloch neben der Tränke vorgewagt und war darin steckengeblieben. Beim Versuch, sich zu befreien, sank es tiefer und tiefer ein -91-
und saß schließlich bis zum Bauch im Morast fest. Eine Hyäne, die in der Dunkelheit gelauert hatte, stürzte sich auf den hilflosen Büffel und riß ihm ein großes Stück Fleisch aus der Seite. Zwei andere Hyänen kamen hinzu und zerfleischten das vor Schmerz brüllende Tier vor den entsetzten Zuschauern. Natürlich greifen die Wildhüter in solchem Falle nicht ein, auch wenn sie von den Touristen noch so sehr bedrängt werden. Sie dürfen weder die Hyänen vertreiben noch ihrem sterbenden Opfer den Gnadenschuß geben. In einem Wildreservat geht das Leben seinen natürlichen Gang, wie auf freier Wildbahn. Sicherlich kostet so etwas Nerven, und mancher Augenzeuge vertauscht schleunigst das Fernglas mit dem Whiskyglas, um sich wieder ins Lot zu bringen. Aber so oft kommt es ja auch nicht vor, daß man Zeuge solcher Ereignisse wird. Im allgemeinen geht es weniger blutig, aber nicht minder interessant zu. Man lauscht den Stimmen des Urwalds, beobachtet das Sozialverhalten der verschiedenen Tiere am Wasserloch, freut sich über die Anmut der Antilopen und den Familiensinn der Elefanten. Die Lehnstuhl-Safari ist nicht so schlecht wie ihr Ruf. Und wenn man Glück hat, lernt man an der Bar oder auf der Veranda sogar noch ein paar nette (oder gar interessante) Leute kennen. Ebenso wie Treetops liegt auch »The Ark« in den AberdareBergen. Das Hotel ist jedoch wesentlich moderner und luxuriöser. Sein Stil ist einer Arche nachempfunden, und auch hier kann man aus kurzer Entfernung die Tiere an der Tränke oder an der Salzlecke beobachten. Neben Balkons und Terrassen zur Beobachtung gibt es hier auch noch einen zu ebener Erde gelegenen Bunker, in dem sich Fotografen und Hobby-Filmer noch dichter an ihre »Beute« heranpirschen können. Einen ähnlichen Unterstand hat die Mountain Lodge im Mount-Kenia-Nationalpark. Diese ganz aus Holz gebaute -92-
Herberge liegt 2200 Meter hoch am waldigen Hang des höchsten kenianischen Berges, der dem ganzen Land seinen Namen gegeben hat. Bei einigem Glück kann man von der Dachterrasse einen Blick auf den 5199 Meter hohen Gipfel des Mount Kenia erhaschen doch dafür gibt es keine Garantie; meist ist er von Wolken verhüllt. Aber auch ohne Gipfel-Blick ist die Mountain Lodge einen Besuch wert, manche meinen sogar, sie sei reizvoller als Treetops. Nun, das ist sicherlich Geschmackssache. Jedenfalls sind hier die Chancen gut, schon am hellen Nachmittag Elefantenherden, Nashörner und natürlich Büffel und Antilopen vor die Linse zu bekommen. Nachts ist erfolgreiche Tierbeobachtung garantiert. Allerdings dürfte die Beleuchtung am Wasserloch für Schnappschüsse kaum ausreichen und das Blitzen ist verpönt. Übrigens kann man sich zu jeder späten (oder auch frühen) Stunde wecken lassen, wenn vor dem Fenster gerade das jeweilige Lieblingstier aufgetaucht ist. Man braucht nur anzusagen, ob Elefantenbabies, Nashörner oder Riesenwaldschweine eine Schlafunterbrechung rechtfertigen. Falls eine der seltenen Bongo-Antilopen erscheinen sollte, wird ohnehin Alarm gegeben. Auch in der Mountain Lodge ist die Küche ausgezeichnet. Als Vorgericht bekommt man häufig gebratene Forelle aus den Wildbächen des Mount Kenia serviert. Aufmerksame Kellner sorgen dafür, daß kein Einzelreisender sich vereinsamt fühlt, regen mitunter eine Änderung der Sitzordnung an, um die Kommunikation zu fördern. Ältere Touristen bringt man gern mit Landsleuten zusammen; bei jüngeren spielt man mitunter schon ein bißchen Schicksal, setzt eine flotte Engländerin zu einem stattlichen Bundesbürger oder einen schwarzgelockten Italiener zu einer blonden Schwedin an den Tisch. Naja, ein bißchen Spaß muß sein, und nach dem Dinner findet man sich sowieso noch zu einem Drink auf der Veranda zusammen. Auch wer allein bleibt, braucht nicht zu frieren: In jedem der -93-
gemütlichen Zimmer liegt eine pralle Gummi-Wärmflasche fürs Feldbett bereit. Daß sich auch hier gelegentlich Tiertragödien in unmittelbarer Nähe des Hotels abspielen, liegt in der Natur der Sache. Nach meinem letzten Besuch in der Mountain Lodge trafen wir frühmorgens bei der Abfahrt auf einen Auto-Stau. Knapp hundert Meter vom Haus entfernt lag mitten auf der Straße ein toter Elefant. Es war noch ein ganz junges Tier, und es sah nicht mehr sehr schön aus. Drei Hyänen, die ihm den Leib aufgerissen hatten, wichen nicht weiter als zehn Meter zurück, als sich die Kraftwagen an dem Kadaver vorbeidrängelten. »Er war krank«, meinte unser Driver, »deshalb kam er nicht mehr zurück in den Busch.« Noch zwei Unterkünfte absolut verschiedener Art gibt es an den Hängen des Mount Kenia: den feudalen Mount Kenia Safari Club und die urwüchsige Secret Valley Lodge. Der Club, zu dessen Gründungsmitgliedern neben einigen Millionären der Filmschauspieler William Holden gehörte, bietet alles das, was Angehörige des Jetset auch am Busen der Natur nicht missen mögen, nämlich: Flugzeug-Landebahn, Tennisund Golfplätze, geheizten Swimmingpool, Konferenzräume, Rosengarten, Luxusrestaurants und Fürstenzimmer. Die Lodge im Secret Valley steht in 2500 Meter Höhe auf einer Lichtung im Bambus-Dschungel und empfiehlt sich nur für Abenteuerlustige. Spezialität sind Leoparden, die mit Ködern auf eine angestrahlte Plattform gelockt werden. Allerdings wird das Geld nicht mehr, wie früher, bei Ausbleiben eines Leoparden zurückerstattet. Ehrlich gesagt, die Raubkatzen sind auch hier schon ein bißchen knapp geworden. Wenn von Urwaldhotels die Rede ist, darf die Momella Lodge in Tansania nicht vergessen werden. Allerdings ist sie nicht der Ort für eine Lehnstuhl-Safari - ganz im Gegenteil. Hier muß man sich schon ein bißchen Bewegung machen, um -94-
die eigenartige Schönheit der Umgebung zu genießen. Die Tiere allerdings braucht man nicht lange zu suchen; sie finden sich ganz von selber ein. Manchmal rücken sie einem sogar dichter auf den Pelz als erwünscht. Wer den amerikanischen Abenteuerfilm »Hatari« (»Gefahr«) gesehen hat, der kennt die Gegend. Die Dreharbeiten fanden in den Jahren 1960 und 1961 rund um Momella statt, das Haupthaus der Lodge hatte damals als Kulisse gedient. Der Film, der übrigens im Gegensatz zu »Daktari« oder »Tarzan« realistische Aufnahmen zeigte, erzählt die Erlebnisse eines Tierfänger-Teams. Die Hauptrollen spielten John Wayne und Hardy Krüger. Nach einem Gespräch mit Julius Nyerere, dem späteren Präsidenten von Tansania, entschloß sich Hardy Krüger, einen Teil des Geländes zu erwerben und darauf ein Busch-Hotel zu errichten. In der Nachbarschaft des Haupthauses wurden Rondavels gebaut, einfache Rundhütten mit Dächern aus Bananenblättern, mit jeweils zwei Betten und Bad. Später entstanden noch ein paar Blockhäuser, ein Swimmingpool und einige Nebengebäude. Viel Komfort gab es nie, auch Küche und Keller waren in den letzten Jahren oft nicht besonders gut ausgestattet. Aber nach Momella fuhr man ja nicht, um ein Luxusleben zu führen, sondern um der Wildnis ganz nahe zu sein. Abends brannten Fackeln zwischen den Hütten, um die Tiere fernzuhalten; trotzdem war es keine Seltenheit, daß Büffel direkt vorm Schlafzimmerfenster grasten. Dann und wann verirrte sich ein Elefant auf das Gelände. Einmal landete nachts ein Flußpferd im Swimmingpool. Los war eigentlich immer etwas. Die Momella Lodge steht am Rande des ArushaNationalparks. Dies ist ein relativ kleines, aber landschaftlich sehr interessantes Wildschutzgebiet zwischen den beiden Vulkanen Kilimandscharo und Mount Meru. Die sieben Momella-Seen, die sich durch verschiedene Algenarten farblich voneinander unterscheiden, werden zu den schönsten -95-
Gewässern Ostafrikas gezählt. Neben zahlreichen Vögeln kann man hier Flußpferde und badende Elefanten beobachten. Mit dem Kraftwagen geht es durch dichten Regenwald steil hinauf zum oberen Rand des Ngurdoto-Kraters. Auf dem Wege sieht man Guerezas (schwarzweiße Colobus-Affen), die sich in gewaltigen Schwüngen von Baumkrone zu Baumkrone bewegen. Von oben sind durch das Fernglas hunderte von Tieren auf dem Kratergrund erkennbar. Das Befahren oder Betreten des Kraters, in dem sich vor allem Elefanten, Nashörner und Büffel aufhalten, ist nicht möglich. In der Umgebung der Momella Lodge darf man auch zu Fuß auf die Foto-Pirsch gehen. Löwen gibt es nicht in dieser Gegend, hin und wieder aber einen Leoparden. Besonders zahlreich sind Giraffen, aber auch riesige Elefantenherden ziehen durch das Gelände. Bei der Auffahrt zur Lodge kann es geschehen, daß man stundenlang warten muß, bis eine Familie der grauen Riesen sich bequemt, die Straße freizugeben. Besonders in der Abenddämmerung kommt es mitunter zu heiklen Situationen. Sollte Sie Ihr Weg jemals zur Momella Lodge führen, versäumen Sie nicht den Sonnenaufgang. Es gibt da nämlich einen Geheimtip: eine Aussichtsplattform oberhalb eines Sees. Natürlich muß man bei Dunkelheit abmarschieren, quer durch den Busch, mit Taschenlampe, versteht sich, und am besten in einer Gruppe. Man weiß ja nicht, wen oder was man unterwegs trifft. Es ist eine Art Trampelpfad, der nach etwa einer Viertelstunde an der Beton-Plattform endet. Hier muß man sich nun in Geduld fassen und warten, und wenn man Pech hat, dann ist der Himmel vielleicht verhangen und alles war vergeblich. Hat man aber Glück, dann zeigt sich irgendwann ein sehr zarter rosa Schimmer hoch oben. Ganz allmählich wird er stärker, und zugleich beginnt ringsumher das große Erwachen. Seltsame Vogelstimmen ertönen, hier und da knackt es im Gebüsch. Der Himmel wird heller, der rosa Schimmer ist -96-
zu einer großen roten Wolke geworden. Unten, am See, erscheint eine Elefantengruppe. Zugleich kommen vereinzelt Wasserböcke aus dem Busch, verharren kurz und gehen an die Tränke. Plötzlich strömt blendende Helligkeit herab, die Sonne ist da. Und nun erst erkennt man: Die große rote Wolke war nichts anderes als der schneebedeckte, von der Sonne gefärbte Gipfel des Kilimandscharo. Diesen Sonnenaufgang vergißt man nie im Leben.
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Schwarz-Afrikas weiße Mütze So abwegig ist das übrigens gar nicht mit der Wolke. Tatsächlich könnte man den weißen Kilimandscharo-Gipfel gut und gern auch am hellen Tage für so etwas ähnliches halten, besonders, wenn er von »echten« Wolken umgeben ist. Auch der deutsche Missionar Johannes Rebmann, der am 11. Mai 1848 den Berg als erster Europäer zu Gesicht bekam, erlag diesem Irrtum. Er habe hoch am Himmel »etwas Weißes« entdeckt, berichtete er daheim, das er zunächst für eine seltsame Wolkenbildung hielt, dann aber einwandfrei als schneebedeckte Bergspitze identifizierte. In Expertenkreisen begegnete seine Nachricht allerdings erheblichen Zweifeln. Später kehrte der Pater mit seinem Missionskollegen Ludwig Krapf noch einmal in das Innere Afrikas zurück, doch auch gemeinsam mit diesem Augenzeugen vermochte er die Welt nicht von der Existenz eines Schneeberges im äquatorialen Gebiet zu überzeugen. Nicht nur die Königliche Geographische Gesellschaft in London, sondern auch der weithin renommierte deutsche Forschungsreisende Alexander von Humboldt tat die Entdeckung der beiden Kirchenmänner als »Fata Morgana« ab. Zwar hatte schon zu Anfang des 16. Jahrhunderts ein portugiesischer Reisender die Kunde von einem »riesigen Berg im Innern Afrikas« mit nach Hause gebracht und ihn als eine Art »äthiopischen Olymp« bezeichnet, doch schenkte ihm niemand Glauben - und dann hörte man 300 Jahre lang nichts mehr über dieses Phänomen. Nur gelegentlich berichteten Forscher, daß nach einer arabischen Sage irgendwo im dunklen Erdteil ein »Zauberberg« sei, der seinen Standort ständig ändere. Auch dies ist wohl damit zu erklären, daß die Schneehaube des Kilimandscharo immer wieder mit einem Wolkenspiel verwechselt wurde. Noch 1890 notierte Carl Peters, der »Vater Deutsch-Ostafrikas«, in seinen -98-
Erinnerungen: »Einmal wurde mir auch am fernen Horizont, im Nordosten, eine Erhebung gezeigt, welche Salim als Kilima Ndjaro bezeichnete. Ich muß es dahingestellt sein lassen, ob er hiermit Recht hatte.« Allerdings deutet diese Bemerkung auf beachtlichen Informationsmangel hin, denn ein Jahr zuvor bereits hatte der deutsche Geographie-Professor Hans Meyer als erster den Gipfel des Kilimandscharo erklommen. Der genaue Standpunkt war also längst bekannt. Der Name Kilimandscharo (englische Schreibweise: Kilimandjaro) stammt aus der Suaheli-Sprache und bedeutet »Berg der bösen Geister«. So nennen ihn die Chagga, die an seinen Hängen Bananen, Mais und Kaffee anbauen und denen er offenbar nie so recht geheuer war. Die unsteten Massai hingegen, die mit ihren Viehherden stets nur am Fuße des Berges vorbeiziehen, sehen ihn positiver: Für sie ist sein Gipfel das »Haus Gottes«. Doch damit ist die Kollektion der Kilimandscharo-Beinamen keineswegs erschöpft. In den Chroniken wird außerdem verzeichnet: »Leuchtender Berg«, »Größtes Wunder Afrikas«, »Schwarz-Afrikas weiße Mütze«. Auch nennt man die beiden Hauptgipfel Kibo und Mawenzi »Der Helle« und »Der Dunkle«, was durchaus einleuchtend erscheint, denn der (höhere) Kibo ist schneebedeckt, der Mawenzi nicht. Manche meinen, der Kilimandscharo sei der schönste Berg der Welt. Aber das ist sicherlich Ansichtssache, denn schließlich sind ja auch der Fujiyama und das Matterhorn recht ansehnlich. Fest steht allerdings, daß selbst abgebrühte Globetrotter beim Anblick der »weißen Mütze« leicht ins Schwärmen geraten. Ernest Hemingway schilderte ihn als »weit wie die ganze Welt, groß, hoch und unvorstellbar weiß«. Hardy Krüger schrieb: »Das Bild, das ich sah, wird mich mein Leben lang begleiten«. Paul von Lettow-Vorbeck, der soldatisch-nüchterne »Haudegen von Deutsch-Ost«, äußerte: -99-
»Dieser herrliche Berg von über 6000 Meter Höhe trägt auf seinem höchsten Gipfel eine Krone von Schnee und Eis«. Und von Pater Rebmann, dem Entdecker, wird berichtet, daß er bei seinem Anblick »vor Staunen und Ergriffenheit auf die Knie fiel und einen Psalm zu Ehren Gottes anstimmte«. Als 41 Jahre später, am 6. Oktober 1889, Professor Hans Meyer den Gipfel des Kibo erreichte, war er der 50. Europäer, der sich an dem Bergriesen versuchte. Bereits in den Jahren 1861 und 1862 hatte der Baron von der Decken die Besteigung gewagt, mußte jedoch in einer Höhe von 4600 Metern aufgeben. Der englische Missionar Charles New kam 1871 bis zur Schneegrenze und konnte somit aus eigenem Augenschein glaubhaft versichern, daß es wirklich Schnee und Eis waren, die die Bergkuppe im Sonnenschein glänzen ließen. Bis dahin hatte sich nämlich hartnäckig das Gerücht gehalten, der obere Teil des Kibo sei mit purem Silber bedeckt. Den letzten Beweis lieferte allerdings dann erst Kilimandscharo-Bezwinger Hans Meyer: Er brachte einen Eisblock mit zu Tal, um ihn dort vorzuzeigen. In seinem 1900 erschienen Buch »Der Kilimandscharo - Reisen und Studien« schreibt Meyer über den Abstieg mit jenem seltsamen Gepäckstück: »Die kalte Nacht konservierte die Scholle, und am Morgen wurde sie, in trockenes Gras und Blätter gewickelt, einem Träger aufgebunden, der sie richtig - wenn auch auf die Hälfte zusammengeschmolzen - bis in das warme Chaggaland hinunterbrachte. Hier in Kiboscho strömte nun auf die Wundermär hin das Volk nebst Häuptling und Gefolge zusammen, um ein Stück der merkwürdigen weißen Substanz, die sie tagtäglich aus der Ferne sehen aber noch nie in der Nähe betrachtet haben, zu befühlen, anzustaunen und nach Negerart namentlich - zu belachen. Wir aber zogen eine praktischere Konsequenz daraus: Ich holte die letzte der wenigen für Krankheitsfälle mitgebrachten Halbflaschen von ›Matthäus Müller‹ hervor, und zum erstenmal, seit der Kilimandscharo -100-
steht, wurde an seinem Fuß auf Kibo-Eis gekühlter deutscher Schaumwein getrunken, zum Wohl der deutschen Kolonie und ihrer geographischen Erforschung.« Hans Meyer hatte den höchsten Kilimandscharo-Gipfel an jenem Oktobertag 1889 in Begleitung des Bergsteigers Ludwig Purtscheller erreicht. Die beiden hißten die deutsche Flagge, grüßten sie zackig mit dreifachem »Hurra« und gaben dem Gipfel den Namen »Kaiser-Wilhelm-Spitze«. Einen abgeschlagenen Lavastein nahmen sie als Souvenir für den Kaiser mit, der ihn fortan auf seinem Schreibtisch als Briefbeschwerer verwendete. Eigentlich wäre Seine Majestät auf dieses handliche Mitbringsel gar nicht angewiesen gewesen. Wilhelm II. war damals nämlich längst Eigentümer des ganzen Kilimandscharo: Er hatte ihn drei Jahre zuvor als Geburtstagsgeschenk bekommen. An einem Verwaltungsgebäude der tansanischen Kaffee-Metropole Moshi entdeckte ich einen kurzen Steckbrief des Kilimandscharo, in dem zu lesen ist: »Die englische Königin Victoria schenkte den Berg 1886 ihrem Neffen Wilhelm II. zum Geburtstag.« Wie es heißt, kam die Queen allerdings nicht von allein auf die Idee, ein so königliches Geschenk zu machen. Vielmehr fragte Wilhelm bei seiner Tante höflich an, ob sie denn wirklich zwei afrikanische Schneeberge benötige; sie habe doch schließlich schon den Mount Kenia. Nun, Victoria sah keinen Grund, dem Bittsteller seinen Wunsch abzuschlagen. Ihren Ratgebern soll sie dazu eine vertrauliche Erklärung gegeben haben: »Ich brauche den Berg ja nicht, und Ihr wißt doch, der Wilhelm hat so eine Schwäche für alles, was groß und hoch ist…«
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Oben: »Weiße Mütze Afrikas« - Kilimandscharo Unten: Kaffernbüffel
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So nahm man an der Grenze zwischen dem deutschen und dem britischen Ostafrika eine kleine Korrektur vor, und der Kilimandscharo wurde zum »höchsten Punkt auf deutscher Erde«, oder - wie man auch gern sagte zum »höchsten Berg der deutschen Alpenwelt«. Doch diese Gipfel-Politik währte nur drei Jahrzehnte. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde aus »Deutsch-Ostafrika« das britische Mandatsgebiet Tanganjika und schließlich, 1961, die unabhängige Republik Tansania. Auf der Kaiser-Wilhelm-Spitze entzündeten afrikanische Bergsteiger am 9. Dezember die Uhuru-Fackeln, und seither heißt der Kibo-Gipfel »Uhuru Peak« - »Freiheits-Gipfel«. Da der Berg so dicht an der Grenze steht, können gleich zwei Länder von ihm profitieren: Für Tansania und für Kenia ist er gleichermaßen werbewirksam. Ein Foto-Motiv, wie es im Buche steht; ästhetisch, ebenmäßig, geradezu ideal. So schmückt der Kibo Dutzende von Buchtiteln, tausende von Streichholzschachteln und Bier-Etiketten, hunderte von TShirts. Ansichtskarten mit seinem Bild werden in allen Souvenirgeschäften Kenias und Tansanias verkauft, gedruckt sind sie mitunter in England oder auch in der Republic of Ireland. Allerdings muß hinzugefügt werden, daß viele dieser eindrucksvollen Farbaufnahmen »getürkt« sind: Mittels Fotomontage oder Retusche hat man eine Elefantenherde, ein Löwenrudel oder auch eine einsame Giraffe vor die Kilimandscharo-Kulisse gezaubert. Natürlich gibt es auch »echte« Fotos dieser Art, doch um die zu schießen braucht man - abgesehen von der Kamera-Ausrüstung dreierlei: gutes Wetter, Glück und Geduld. Leider lassen sich diese »drei G« nicht allzu häufig miteinander in Einklang bringen. Der Berg ist heikel, er verhüllt sein weißes Haupt gern hinter einem Wolkenschleier. Es gibt Leute, die kurven tagelang um ihn herum, legen sich hier und da auf die Lauer, bemühen sich redlich und müssen dann doch die Heimreise antreten, ohne ihn ein einziges Mal -103-
gesehen zu haben. Das ist ärgerlich und auch kostspielig, denn natürlich verkürzt man sich die Wartezeit zwischendurch immer mal wieder in einer »Kibo-Bar« mit einem »MawenziCocktail« oder ein paar Flaschen »Kilimandscharo-Bier«. »Wahrscheinlich gibt es ihn gar nicht«, konstatierte eine enttäuschte Rheinländerin bei Urlaubsende und griff damit die Zweifel wieder auf, mit denen sich Kilimandscharo-Entdecker Pater Rebmann vor mehr als 130 Jahren hatte auseinandersetzen müssen. Aber es gibt ihn doch; er macht sich eben nur ein bißchen rar. Um so heftiger schlägt dann der Touristen-Puls, wenn unversehens der Ruf ertönt: »Der Kibo ist zu sehen!« In der Kilaguni Lodge, im Tsavo-Nationalpark (Kenia), sitzt man möglicherweise gerade beim Abendessen auf der Terrasse, wenn es dem Berg gefällt, seine Mütze durch die Wolken zu stecken. Dann ist es vorbei mit dem Interesse an Suppe, Hauptgericht und Dessert; dann denkt man nur noch an Blende und Belichtungszeit. Routiniers haben für solche Fälle ohnehin immer die Kamera griffbereit neben sich. Anfänger rasen los, um sie schnell aus dem Zimmer zu holen, ehe die besten »Schußpositionen« am Terrassenrand von der Konkurrenz okkupiert sind. Im Amboseli Camp sah ich früh um sechs einen distinguierten Herrn mittleren Alters im gestreiften Schlafanzug mit Fotoapparat und Stativ ins Freie stürzen. Das Jagdfieber hatte ihn aus dem Bett gescheucht. Andere Logiergäste wurden gedankenschnell von ihren Reiseleitern in die Autos verfrachtet, um sich regelrecht anzupirschen an das kostbare Motiv. Erfahrene Driver haben ihre Geheimtips, von wo man den Berg - je nach Tageszeit - am besten knipsen kann. Und vielleicht gelingt es auch tatsächlich, die FotoSafaristen an eine Stelle zu kutschieren, von der aus ein paar Tiere vor der Berg-Kulisse »geschossen« werden können. Im Vergleich zu den erwähnten Fotomontagen ist eine solche -104-
Aufnahme natürlich geradezu ein Kleinod. Auch im Spielfilm hat der Kibo schon einmal eine Hauptrolle gespielt: Als die Paramount-Gesellschaft 1948 Hemingways Story »Schnee auf dem Kilimandscharo« verfilmte. Eine Erinnerung daran ist zurückgeblieben, allerdings nicht direkt am Berg sondern jenseits der Grenze, in Kenia. Die kralartigen Hütten, die für das Aufnahme-Team im Amboseli-Reservat in die Landschaft gestellt worden waren, wurden später dem Tourismus-Ministerium übergeben. Als »Ol Tukai Lodge« war das einstige Film-Camp damals die erste Herberge in Amboseli. Zwölf Jahre später bezeichneten englische ReiseHandbücher Ol Tukai allerdings als »stark reparaturbedürftig«. Inzwischen ist die kleine Ansiedlung wieder soweit hergerichtet, daß sie immerhin als »Do-it-yourself-Camp« angeboten wird. Die einfachen Hütten dienen als Unterkünfte für unerschrockene Safaristen, die sich ihre Mahlzeiten selbst zubereiten und eigene Bettwäsche mitbringen. Für mangelnden Komfort werden sie durch die unmittelbare Nähe des Kilimandscharo und durch billige Übernachtungspreise entschädigt. Nachts gehören das Lachen der Hyänen und das Gebrüll der Löwen zur Geräuschkulisse. Apropos Hemingway: Er hat seiner Erzählung vom Schnee auf dem Kilimandscharo eine Art Vorspann vorangestellt, der eigentlich keine direkte Beziehung zur Story selbst hat. Darin heißt es: »Der Kilimandscharo ist ein schneebedeckter Berg von sechstausend Meter Höhe und gilt als der höchste Berg Afrikas. Der westliche Gipfel heißt bei den Massai ›Ngaja Ngai‹, das Haus Gottes. Dicht unter dem westlichen Gipfel liegt das ausgedörrte und gefrorene Gerippe eines Leoparden. Niemand weiß, was der Leopard in jener Höhe suchte.« Die Geschichte von dem Leoparden taucht auch in anderen Veröffentlichungen auf und wird manchmal ein bißchen variiert. Einmal ist sogar nicht von einem Skelett die Rede, sondern von einem gut erhaltenen, toten Leoparden, der in -105-
einen Eisblock eingefroren war. Aber immer gipfelt die Mitteilung in der Frage, was das Tier wohl da oben wollte und wie es dorthin gekommen sei. Niemals ist eine Raubkatze in solcher Höhe angetroffen worden. So dürfte es sich wohl um eine der zahlreichen Legenden handeln, die sich um den seltsamen Berg ranken. Immerhin, tierisches Leben am eisbedeckten Kibo-Gipfel hatte schon vor der Jahrhundertwende KilimandscharoBezwinger Meyer beobachtet. »In dieser weltfernen Höhe,« so schreibt er, »umflatterten uns krächzend noch zwei weißhalsige Raben. Sie gehen offenbar den zahllosen Wanderheuschrecken nach, die, vom Wind heraufgetragen, auch hier herumliegen und meist schon zum Tode erstarrt sind.« Als hervorragende Bergsteiger lernte Meyer die großen ElenAntilopen kennen. Natürlich verirrten sich diese Bewohner der afrikanischen Steppen nicht bis in die Schnee- und Eisregion, doch kletterten sie, anscheinend ohne besondere Anstrengung, bis an die Vegetationsgrenze. »Ich habe kleine Rudel noch bei 4400 Meter Höhe gesehen«, notierte Meyer. Teile eines Skeletts habe er bei 4500 Meter Höhe gefunden und ihre Spuren am Mawenzi bis in 4700 Meter Höhe angetroffen. Wie schon gesagt, schrecken auch Elefanten nicht vor ausgedehnten Klettertouren zurück. Deutsche und englische Jäger und Alpinisten trafen Einzelgänger am Kilimandscharo in Höhen über 3000 Meter an. Mehr noch als die »bergsteigerische Leistung« erstaunte sie die klimatische Anpassungsfähigkeit dieser Tiere, die also nicht nur in der sonnendurchglühten Steppe und im feuchtwarmen Urwald, sondern auch in der Eiseskälte höherer Bergregionen zurechtkommen. Allerdings haben Untersuchungen der aufgefundenen Losung ergeben, daß die Elefanten nur so hoch steigen, wie die von ihnen bevorzugten Gräser und Büsche anzutreffen sind. Die meisten Feriengäste werden sich kaum selbst ein Bild vom Tierleben in Gipfelnähe machen können. Ihr »Streben -106-
nach Höherem« ist in puncto Kilimandscharo gebremst, ihr Ehrgeiz befriedigt, wenn sie den Kibo aus der Ferne betrachten, was ja - wie geschildert - auch schon kein alltägliches Ereignis ist. Und unbestreitbar liegt ein Körnchen Wahrheit in dem, was mancher Gipfelstürmer nach der Rückkehr erklärte, nämlich: »Von unten sieht er doch am schönsten aus.« Dennoch gibt es natürlich Leute, die nicht ruhen, ehe ihr Name im Gipfelbuch des Kibo verzeichnet ist. Ihrem Tatendrang steht nichts entgegen: Die KilimandscharoBesteigung kann pauschal oder individuell gebucht werden. Man braucht nicht einmal vorher eine Eignungsprüfung abzulegen. Und nun ist es wohl an der Zeit zuzugeben, daß der vielgeliebte und vielgelobte Berg auch ein Manko hat: Die Bergsteiger nehmen ihn nicht so recht für voll. Er sei »zu einfach«, sagen sie, er habe nicht den gewissen »alpinen Pep« und könne sozusagen im Sturm erobert werden. »Eigentlich handelt es sich bei der Besteigung um einen langen Spaziergang in Etappen«, heißt es in einem Afrika-Buch, und in einem anderen wird das Unternehmen »nahezu eine Modetour« genannt. Auch die landläufigen Reiseführer vermerken, daß es einer bergsteigerischen Erfahrung nicht bedarf. Allenfalls leichte Atemnot und mittelschwerer Muskelkater müßten in Kauf genommen werden. Naja, das ist denn wohl doch ein wenig tiefgestapelt. Und vor allem kann es allenfalls für den Kibo gelten; der Mawenzi ist zwar nicht so hoch, aber erheblich schwieriger. Die Bezwingung des zerklüfteten Felsberges stellt ganz andere Anforderungen als die des ebenmäßigen großen Bruders. Außerdem muß konstatiert werden, daß auch beim Kibo»Spaziergang« eine ganze Menge Klippen zu überwinden sind. Und das bezieht sich nicht nur im Wortsinn auf den steinigen Boden. Schon manchem optimistischen Gipfelstürmer ist unterwegs die Puste ausgegangen. Dabei fängt es eigentlich -107-
recht harmlos an. Der Aufstieg beginnt meist im 1400 Meter hoch gelegenen Dorf Marangu in Nord-Tansania. In den beiden Hotels kann man nicht nur logieren, sondern auch Ausrüstung, Bergführer und Träger mieten. Die erste Etappe führt durch Bananenhaine und große Kaffeeplantagen; nach anderthalb bis zwei Stunden verläßt man dann die Zivilisation und steigt im dichten Regenwald bergan. Das Tagesziel, die Mandara-Hütte (im alten Deutsch-Ostafrika hieß sie »Bismarck-Hütte«), liegt in 2750 Meter Höhe. Sie wird am späten Nachmittag erreicht. Wer seine Kräfte für die folgenden Tage aufsparen will, kann allerdings auch bis hierher mit dem Kraftwagen fahren. Nach kurzem, steilem Anstieg wird am nächsten Morgen die Grenze des Urwalds passiert, und einige Zeit geht es dann relativ »gemütlich« durch grüne Graslandschaft zum Hochmoorgebiet der Horombo-Hütte (früher: »Peters-Hütte«). Sie liegt mit 3700 Metern Höhe fast genau tausend Meter über dem Etappenziel des Vortages. Von hier aus hat man einen besonders schönen Blick auf die Kilimandscharo-Gipfel Kibo und Mawenzi - wenn man sie hat. Oftmals sind die beiden von dichtem Nebel eingehüllt. An der Horombo-Hütte machen sich bei vielen Touristen die ersten Auswirkungen der großen Höhe bemerkbar: Atemnot, Schwindel, Herzklopfen, Konzentrationsschwäche. Am dritten Tag sind abermals tausend Meter Höhenunterschied zu überwinden. Über Felsmoränen und durch typische Höhenvegetation gelangt man zunächst an den Sattel zwischen Kibo und Mawenzi und hat nun eine größere Chance, die beiden so verschiedenen Gipfel zu betrachten. Der Kibo ist der »Junior«. Daher präsentiert sich seine domartige Kuppe noch so gut erhalten, während der wesentlich ältere Mawenzi bereits stark verwittert ist. Die Übernachtung in der Kibo-Hütte (4700 Meter) ist keine reine Freude. Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt und beträchtlichem -108-
Sauerstoffmangel hat man wenig Aussicht auf erquickenden Schlaf. Noch vor Sonnenaufgang beginnt der Aufstieg zum Peak am vierten Tage. Hier kann nun wirklich nicht mehr von einem »Spaziergang« gesprochen werden, und selbst in enthusiastischen Reisehandbüchern taucht erstmals das Wort »beschwerlich« auf. Es gilt nämlich nicht nur Schnee und Eis, sondern auch sehr heimtückische Lava-Asche zu überwinden. Wer dies geschafft hat, wird allerdings durch die überwältigende Aussicht belohnt: Bei einigem Glück kann vom Kraterrand aus der Sonnenaufgang hinter dem Mawenzi beobachtet werden. Auch gestattet der »Gillman's Point« einen Einblick in den Kibo-Krater, in dem sich eine Aschengrube befindet. Schwefelabsonderungen an ihren Spalten beweisen, was Wissenschaftler lange Zeit bezweifelt haben: Der Kibo ist bis heute nicht vollständig erloschen. Der höchste Punkt, der Uhuru-Peak, bietet - so seltsam das in diesem Zusammenhang klingen mag - keinen besonderen Höhepunkt mehr. So steht es jedenfalls in manchen Büchern, die allerdings eins außer acht lassen: Hier liegt das Gipfelbuch, in dem man schwarz auf weiß die Tatsache seiner Anwesenheit in 5895 Meter Höhe dokumentieren kann. Dies ist die amtliche Höhe, auf die sich die Experten geeinigt haben, nachdem man jahrzehntelang von einem »Sechstausender« gesprochen hatte. Bis 1935 konnten übrigens nur 39 Bergsteiger ihre Namen in das Gipfelbuch eintragen, und nach einer Statistik aus den fünfziger Jahren wurde die Spitze des Kilimandscharo tatsächlich nur von zwei Prozent aller »Gipfelstürmer« betreten. Die steile Geröllhalde und der Sauerstoffmangel ließen die meisten auf der letzten Strecke doch noch zurückschrecken. Paul von Lettow-Vorbeck hat in seinen Erinnerungen berichtet, wie das Gipfelbuch auf dem Kibo entstand. Der Kommandeur der Schutztruppe im damaligen Deutsch-109-
Ostafrika war kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges zu einer »Erkundungs- und Besichtigungsreise« aufgebrochen, die ihn auch ins Kilimandscharo-Gebiet führte. Dort inspizierte er einige freiwillige Schützenkorps aus »deutschen Ostafrikanern«, die »bei einem etwaigen Kriege gegen England nicht stille sitzen wollten«. Um sich mit den Gegebenheiten des Geländes vertraut zu machen, bestieg der General auch den Kibo. An der Bismarck-Hütte traf er auf ein deutsches MalerEhepaar, das gerade von einer Bergtour zurückgekommen war. In seinem Buch »Heia Safari« schreibt Lettow-Vorbeck: »Sie meldeten mir voll Stolz, sie hätten auf der Kaiser-WilhelmSpitze zum Zeichen ihres Aufstiegs eine Steinpyramide errichtet, mit einem Gipfelbuch, und auf diesem Steinhaufen die deutsche Flagge befestigt, die dort nun auf höchster Stelle auf deutschen Boden wehen soll.« Allerdings mußte das Ehepaar sein patriotisches Unternehmen mit einigen Unbequemlichkeiten bezahlen. Wie Lettow-Vorbeck notierte, hatte die Sonne die Gesichter der beiden so schwer verbrannt, daß sie zwei Wochen lang nur »Flüssiges, und auch das nur durch Makkaroniröhrchen zu sich nehmen konnten.« Ähnliche Erfahrungen machten früher oder später auch viele andere Kilimandscharo-Besteiger. Sonnenbrand und bittere Kälte machten ihnen gleichermaßen zu schaffen. Sehr anschaulich hat der italienische Afrikaforscher Attilio Gatti das Zusammenwirken dieser Widrigkeiten beschrieben: »Glühend heiß scheint die Sonne auf uns nieder. Dazu weht ein eisiger Wind. Die Vaseline, mit der wir die gefährdeten Gesichtsteile eingeschmiert haben, schmilzt zum Teil, zum Teil gefriert sie zu einer harten Kruste. Und sobald wir ein paar Minuten aus der Sonne sind, haben wir bald an dem einen, bald an dem anderen Ohr das Gefühl, es friere uns ab.« Gatti, der im Laufe von vier Jahrzehnten zahlreiche Expeditionen geleitet hat, schildert noch ein anderes Übel, das -110-
hier viele Bergsteiger befällt: den »Kilema-Bauch«. Kilema oder Kilima heißt Berg (Kilima Ndjaro = Berg der bösen Geister). Der »Berg-Bauch« ist also eine Art Bauchweh, das speziell beim Erklimmen dieses Berges auftritt. Da der Erkrankte sieben Tage lang nichts als leichten, ungesüßten Tee und Medikamente zu sich nehmen darf, ist er also gewiß nicht in bester Kondition für die Ersteigung eines FastSechstausenders. So war denn auch mancher Kibo-Aspirant froh, wenn er in solcher Lage genügend kräftige Träger bei sich hatte, die ihn schnellstens zu Tal befördern konnten. Natürlich wird der Kilema-Bauch von den Einheimischen als Beweis dafür angesehen, daß die bösen Geister ihren Thron mit allen Mitteln gegen ungebetene Besucher verteidigen. Auch »Kilimandscharo-Meyer«, der ja schon 1889 seine Erfahrungen gemacht hatte, berichtete eingehend über die Strapazen. »Die Luftbeschaffenheit wurde so mangelhaft, daß wir alle 15 bis 20 Schritt einige Zeit anhalten mußten, um über den Eispickel gebeugt tief nach Atem zu ringen«, so schreibt er. Meyer hat genau Buch geführt über die körperlichen Reaktionen in dieser Höhe: »Die Herzschläge waren bei mir auf 144, die Atmung auf 48 Züge in der Minute gestiegen, und in den Ohren summte und sauste es, wie vor einem nahenden Sturm.« Nach seinen Beobachtungen hat die Luft in Gipfelnähe nicht einmal halb soviel Sauerstoff wie in Meereshöhe. Ganz dicht am Ziel gerät er dann »in einen Zustand völliger Stumpfheit der Sinne.« Meyer registriert Ermüdungs-Halluzinationen, subjektive Gehör- und Gesichtserscheinungen. Als er dann jedoch die Eiskrone erreicht, kehren seine Kräfte wieder. »Ich juchze Triumph verkündend«, notiert er. Das allerdings unterscheidet Meyer erheblich von Attilio Gatti, der sieben Jahrzehnte später an derselben Stelle ganz anders empfand. »Ich möchte vor Freude schreien, lachen, -111-
brüllen, alles zusammen. Aber ich kann nicht. Bin zu müde!« Aufgeschrieben hat er diese Eindrücke natürlich erst viel später, unten im Tal, nach gründlicher Erholung. Mit dem »Spaziergang in Etappen« ist es also wohl wirklich nichts, denn auch wenn es ohne ausgesprochene Kraxelei abgeht, so erfordert die Kibo-Besteigung doch gute Form, erhebliche Widerstandskraft und eine ganze Menge Optimismus. Ein Glück nur, daß die Gipfelstürmer sich nicht zu sehr mit groben Arbeiten abgeben müssen. »Erfahrene Führer leiten den Aufstieg, während afrikanische Träger das gesamte Gepäck schleppen, so daß der Tourist nur seinen Fotoapparat zu tragen hat«, liest man in einem modernen Reisehandbuch. Insofern hat sich also nicht allzu viel verändert seit jenen Tagen, als der Uhuru Peak noch Kaiser-WilhelmSpitze hieß. Wenn Sie mich fragen, so halte ich es mit denen, die sagen: »Von unten sieht er doch am schönsten aus«. Ich glaube das wirklich, obwohl ich noch nicht oben war.
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An der Wasserkante In den Buchgeschäften und Hotels Ostafrikas werden preiswerte Broschüren über die Tiere und Pflanzen der Umgebung verkauft. Eine von ihnen hat den Titel »On the Waters Edge« - »An der Wasserkante«. Sie erschließt eine ganz andere Landschaft, abseits von Steppe, Savanne und Urwald, und behandelt das Leben an den Flüssen und Seen. In Kenia, Tansania und Uganda gibt es zahllose Gewässer, die sich in Gestalt und Beschaffenheit, in Flora und Fauna erheblich voneinander unterscheiden. Der Victoriasee, an dem alle drei Länder Anteil haben, ist der zweitgrößte Binnensee der Welt und etwa so groß wie Irland. Andere Seen sind nicht mehr als winzige Flecken auf der Landkarte - und gerade unter ihnen findet man manches Kleinod. Es gibt reißende Ströme und plätschernde Bäche, tosende Wasserfälle und stille Teiche, deren Wasserfläche sich unter einem Pflanzenteppich verbirgt. Es wäre geradezu unverzeihlich, die ostafrikanische »Waters Edge« nicht in eine Safari miteinzubeziehen. Die berühmteste aller Wasserkanten weit und breit war jahrelang der Victoria Nil in Uganda. Auf einer Boots-Safari im Gebiet des Murchinson-Falls-Nationalparks (jetzt: Kabalega Falls Nationalpark) konnte man nicht nur Tiere beobachten, deren Leben sich ständig oder überwiegend im Wasser abspielt, sondern auch Groß-Säugetiere wie Elefanten oder Büffel, die sich zum Trinken oder zum Baden am Ufer einfanden. Die Murchinson Falls werden zu den schönsten Wasserfällen der Welt gezählt. Aus 40 Meter Höhe stürzen die Fluten des Victoria Nils durch eine nur sechs Meter breite Felsschlucht mit gewaltiger Wucht in den Unterlauf des Flusses. Der Nationalpark ist der weiträumigste in Uganda und seine Krokodilvorkommen galten als die größten in ganz Afrika. Seit Kroko-Taschen in Mode kamen, wurden diese -113-
Tiere so stark verfolgt, daß sie ernsthaft gefährdet sind. An den Ufern und auf den flachen Sandbänken des Victoria Nils aber lagen die stattlichen Panzerechsen zu hunderten träge im Sonnenschein. Bei Annäherung eines Bootes wurden sie allerdings sehr rasch quicklebendig und verschwanden auf seltsam anmutenden hohen Beinen blitzartig in den trüben Fluten. Am Fuß der Wasserfälle haben die Krokodile ihr Schlaraffenland. Die Fische, die mit ungeheurem Druck aus 40 Meter Höhe herabgeschleudert werden, kommen großenteils tot oder verletzt hier unten an; die Echsen brauchen nur noch das Maul aufzusperren. Ein paar hundert Meter flußabwärts, wo der Victoria Nil noch immer eine sehr starke Strömung hat, geschah es dann, daß der Motor unseres Bootes streikte. Ohne noch auf Ruderschläge zu reagieren, trieb es seitwärts davon, legte sich einmal auf diese, dann wieder auf die andere Seite und wirbelte die zwei Dutzend Safaristen kräftig durcheinander. Ein paar bange Minuten lang ging es haarscharf an Klippen und Felswänden vorbei, dann fing der altersschwache Motor wieder an zu tuckern. Zwei Dutzend Steine fielen von ebenso vielen Touristen-Herzen, denn eine Havarie im Krokodil-Wasser hat nicht viel Verlockendes an sich. Man pflegt zu sagen, die wehrhaften Nilkrokodile hätten nur einen einzigen Feind: den Menschen. Zwar dürfte sich wirklich kein Tier an eine der ausgewachsenen Echsen heranwagen, doch gibt es einen entfernten Verwandten, der von ihnen als Todfeind betrachtet wird: den Nil-Waran. Er bevorzugt Krokodileier als Lieblingsspeise und entwickelt beim Ausgraben der Nester im Ufersand beachtliches Geschick und unverschämte Dreistigkeit. Wenn es sich ergibt, schnappt er auch einmal ein Krokodil-Baby. Daß sich die Räuber (die wir schon in dem Kapitel über »kleine Tiere« erwähnten) bei solchen Unternehmungen nicht von den Eltern erwischen lassen dürfen, versteht sich von selbst. -114-
Die Bootsfahrt auf dem Victoria Nil gehört zu den interessantesten Safari-Varianten überhaupt. Einige Tierarten kann man kaum anderswo so gut beobachten wie hier, und nach Feststellung der Experten wurden allein auf der 11 Kilometer langen Bootsfahrt von der Paraa Lodge flußaufwärts bis zu den Wasserfällen mehr als 60 verschiedene Vogelarten registriert. Am häufigsten sind natürlich die »fliegenden Fischer«, die Reiher und Taucher, die Kormorane und Dommeln. Nicht selten sieht man auf hohen Bäumen am Ufer den majestätischen Schreiseeadler sitzen, und zwischen den Sandbänken machen die relativ seltenen Scherenschnäbel ihre Verbandsflüge. Bei diesen Verwandten der Möwenvögel ist der Unterschnabel länger als der Oberschnabel; sie fliegen daher in großen Schwärmen über die Wasseroberfläche und »pflügen« sich ihre Beute heraus. Am ungeniertesten aber benehmen sich die »Hippos«, die Flußpferde. Seit alten Zeiten wird dieses Tier (wie schon der Name sagt) immer wieder mit den Pferden verglichen, obwohl es in Wirklichkeit nahe mit den Schweinen verwandt ist. Flußpferde waren einst im unteren Nil so zahlreich, daß weite Felder von ihnen kahlgefressen oder zertrampelt wurden. In diesem ganzen Bereich sind sie heute ausgerottet. Aber in Ostafrika leben noch große Mengen in Flüssen und Tümpeln. Im Victoria Nil schätzte man ihren Bestand vor einigen Jahren auf 12000. Das war allerdings lange bevor Uganda durch Terror und Kriegshandlungen verwüstet wurde. Die Hippos werden nicht, wie die Krokodile, durch die Fische angelockt. Sie sind reine Pflanzenfresser. Aber der Victoria Nil hat einen reichen Pflanzenbewuchs. Außerdem führen an vielen Stellen ausgetretene Pfade vom Flußufer zu den saftigen Grasflächen, auf denen die Tiere nachts gern weiden. Auch der Queen-Elizabeth-Nationalpark (jetzt: Ruwenzori National Park) im äußersten Westen Ugandas ist ein Flußpferd-115-
Paradies. Im George-See, im Edward-See (der bis vor kurzem »Ich-Amin-Dada-Lake« hieß) und im Kazinga-Kanal, der die beiden verbindet, sowie in den diversen »Hippo-Pools« ringsumher lebten bei der letzten Zählung an die 8000 Flußpferde. Krokodile dagegen gibt es hier nicht. Auch ist die Landschaft völlig anders als am Victoria Nil. Der Park grenzt unmittelbar an den zentralafrikanischen Nachbarstaat Zaire. Jenseits der Wasserfläche erkennt man die schneebedeckten Gipfel der Ruwenzori Mountains (»Mondberge«), die sich bis zu mehr als 5000 Meter Höhe erheben. Neben Grassteppen, Urwäldern und Sümpfen gibt es hier auch ein ausgedehntes Vulkangebiet. Unterhalb der Mweya Safari Lodge besteigt man das Motorboot zur Fahrt durch den Kazinga-Kanal, an dessen Ufern sich neben Scharen von Vögeln und prächtigen Wasserböcken vor allem große Büffelherden einfinden. Die Tiere stehen oftmals bis zum Bauch im Wasser und flüchten erst, wenn das Boot sich ihnen bis auf 20 Meter genähert hat. An Elefanten kann man noch dichter heranfahren; sie lassen sich beim Baden nicht stören. Und da ein Elefant im Wasser doch nicht ganz so beweglich ist, wie auf dem Lande, darf man es wagen, ihm per Boot ein bißchen näher auf den Leib zu rücken. Wer also ganz scharf darauf ist, das »Weiße im Auge des Elefanten« zu sehen, der hat am Kazinga-Kanal am ehesten Gelegenheit dazu. Vorausgesetzt allerdings, daß bald wieder alles in Uganda so ist wie früher. In den drei Ländern Ostafrikas bieten sich noch viele andere Möglichkeiten für Boots-Safaris oder Pirschfahrten an Flußund Seeufern. Es ist unmöglich, sie alle hier zu erwähnen, daher seien nur ein paar Beispiele genannt. Im Selous Game Reserve (Tansania) kann man mit dem Motorboot auf dem Rufiji River Flußpferde und interessante Wasservögel belauern. Im Samburu-Reservat in Kenia kommen die Krokodile nach dem Dinner direkt neben der Lodge an Land. -116-
Sie veranstalten eine ausgesprochene Nachtvorstellung, balgen sich um Speisereste, die an einer Futterstelle ausgelegt wurden, bringen die Fluten des Uaso Nyiro River (was soviel heißt wie »brauner Fluß«) mit temperamentvollen Schwanzschlägen zum Schäumen und benehmen sich ganz so, als seien sie fest besoldete Mitarbeiter der »Crocodile Bar«, vor deren Tresen sich das alles abspielt. Der Lake Baringo im Norden Kenias liegt in ziemlich unwegsamem Gelände, gilt aber als Geheimtip für Leute, die die mühselige Anfahrt nicht scheuen. Seine Spezialität sind »friedliche« Krokodile, die (angeblich) keinen Appetit auf Menschenfleisch haben. Außerdem gibt es eine FlußpferdHerde und die größte Goliathreiher-Kolonie Ostafrikas. Neben der komfortablen Lake Baringo Lodge findet man in einem reizvollen Zeltlager auf einer Insel mitten im See Unterkunft. In der Nachbarschaft kann man auf einer »Snake Farm« miterleben, wie Schlangen »gemolken« werden - wie ihnen das Gift für die Herstellung von Serum entzogen wird. »Der Lake Turkana ist Kenias jüngste touristische Entdeckung«, heißt es in einem englischen »Ferienführer«. Tatsächlich war dieser See im äußersten Norden des Landes, der 1888 vom Grafen Teleki entdeckt und nach dem österreichisch-ungarischen Thronfolger »Rudolfsee« genannt wurde, lange Zeit ganz abgelegen und blieb bisher vom großen Touristenstrom verschont. Auch heute noch ist die Anreise zu dem inzwischen umgetauften Gewässer (die Turkana leben an den Ufern des Lake Turkana) recht beschwerlich. Selbst mit einem Geländewagen braucht man von Nairobi aus zwei Tage über steinige Pisten. Dafür findet man dann aber auch eine Landschaft vor, die relativ unberührt ist. Im See leben mehr als 20000 Krokodile, und Eingeweihte behaupten, es seien einige darunter, die schon zu Graf Telekis Zeiten fast erwachsen waren. Außerdem gibt es zahlreiche Fische, darunter Nilbarsche von gewaltigen Ausmaßen. Dennoch ist man erst -117-
jetzt dabei, die Anwohner des Lake Turkana mit den Techniken der Fischerei vertraut zu machen. Ein norwegisches Entwicklungshelfer-Team bringt den Turkanas, die ja ursprünglich Nomaden waren, den Umgang mit modernen Netzen und mit Bootsmotoren bei. Es wird wohl noch ein Weilchen dauern, bis die Umstellung als gelungen bezeichnet werden kann, doch ist ein Anfangserfolg nicht zu übersehen. Jedenfalls hat sich eine Katastrophe wie die große Hungersnot in den sechziger Jahren zum Glück nicht wiederholt. Für den Touristen, der zeitraubende und strapaziöse Anfahrtswege scheut, gibt es natürlich noch eine andere Möglichkeit, den Lake Turkana zu erreichen: das Flugzeug. Allerdings sei nicht verschwiegen, daß diese Beförderungsart auch dann ein bißchen heikel sein kann, wenn nicht gerade Ölkrise herrscht. Als wir vor einigen Jahren vom Wilson Airport bei Nairobi mit einer kleinen Charter-Maschine zum Lake Turkana starteten, fing alles sehr vielversprechend an. Im Tiefflug passierten wir den Naivasha-See, den Baringo-See, genossen den herrlichen Ausblick auf die Halbwüsten und Vulkangebiete Nord-Kenias, erkannten sogar noch Elefantenherden und Kamelkarawanen und die felsigen Ufer des Lake Turkana. Doch bei Erreichen der Inseln wurde es draußen beängstigend dunkel, und am jenseitigen Ufer umgab uns finstere Nacht - obwohl die Uhr 12 Uhr mittags anzeigte. Gewitterböen schüttelten unseren kleinen »Vogel«, und Regengüsse machten die Fenster absolut undurchsichtig. Auch der Versuch, auf der Landepiste des südlich gelegenen Marsabit-Reservats niederzugehen, mißglückte. Über Funk erhielt unser Pilot die Nachricht, alles stehe dort unter Wasser. Schließlich waren wir glücklich, als sich über dem MeruNationalpark eine Wolkenlücke auftat. Unsere Benzin-Reserve war wirklich nicht mehr sehr eindrucksvoll, als wir endlich unten ankamen. Den Lake Turkana hatten wir nur kurz und nur von oben gesehen. Aber er hat uns sehr neugierig gemacht. -118-
Der vermutlich bekannteste See Ostafrikas ist zugleich einer der kleinsten: der Lake Nakuru. In der Tat ist der Besuch für Ästheten ein besonderes Erlebnis, wenngleich in letzter Zeit nicht mehr garantiert werden kann, was einst selbstverständlich war: die Gewißheit, mindestens eine Million Flamingos zu sehen. Nakuru hat nichts von der Wildheit und Urwüchsigkeit mancher anderen Nationalparks, doch bietet sich hier ein Schauspiel, das vermutlich einzigartig auf der Welt sein dürfte. Der Wasserstand des Sees schwankt, weil er vom Niederschlag abhängig ist. Nach dem jeweiligen Wasserstand und dem damit zusammenhängenden Nahrungsangebot richtet sich die Zahl der Wasservögel, die sich hier zur Futtersuche einfinden. Insgesamt wurden 400 verschiedene Arten beobachtet. Die eigentliche Attraktion aber sind die Flamingos, denen der salzige See offenbar besonders reizvoll erscheint. Zu günstigen Zeiten halten sich so viele dieser Vögel an den Ufern auf, daß man schon bei der Anfahrt durch das Rift Valley (den ostafrikanischen Graben) aus weiter Ferne den rosaroten Saum des Gewässers wahrnimmt: das Gefieder von unzähligen Flamingos, die im seichten Wasser ihre Nahrung suchen. Der Anblick dieser graziösen Vögel in einer so großen Zahl ist unvergeßlich. Es herrscht heftige Betriebsamkeit; vor der dunklen Kulisse der Berge am anderen Ufer rollt unablässig eine rosa Woge hin und her. Kleinere und größere Pulks starten und wassern, das Durcheinander ist unbeschreiblich. Keine Sekunde lang ist Ruhe, flügelschlagend und mit seltsam heiserer Stimme knarrend streiten sich die Vögel um Leckerbissen. Natürlich gibt es im Lake-Nakuru-Nationalpark auch Säugetiere, wie Flußpferde, Giraffen, Schakale und gelegentlich auch einen Löwen, seinen Weltruhm jedoch verdankt er den Flamingos. Die Folgen einer AbwasserVerschmutzung (denn Nakuru ist eine der größten Städte Kenias) konnten mit Hilfe des World Wildlife Fund weitgehend gemindert werden. So ist zu hoffen, daß die -119-
teilweise zu anderen Gewässern abgewanderten Flamingos nach und nach wieder zurückkehren. Etwa auf halbem Wege von Nairobi zum Lake Nakuru liegt gleichfalls im ostafrikanischen Graben - der Lake Naivasha. Die beiden Seen lassen sich daher gut auf einer Ein-TagesSafari kombinieren, wobei man noch eine kurze Bootsfahrt auf dem Naivasha-See einplanen kann. Kenner meinen allerdings, es sei ein Jammer, diesen herrlichen See sozusagen im Zeitraffer zu besichtigen. An den Ufern wimmelt es von Vögeln. Fischadler, Goliath-Reiher, Schlangenhalsvögel, Löffler, Nilgans und Ibis, Sekretär und Kronenkranich, vor allem aber Unmengen von Kormoranen können beobachtet werden. Auch eine Flußpferd-Herde ist hier heimisch, und mit der sollte man ein bißchen vorsichtig umgehen. Zwar bekommt man sie meist nur aus der Ferne zu sehen, doch findet man morgens mitunter ihre Spuren auf dem gepflegten Rasen der Hotelanlagen. Rückt ihnen aber jemand mit dem Boot zu dicht auf die Haut, so reagieren sie sauer. Vor einigen Jahren ertranken drei einheimische Fischer, als ein wütendes Hippo ihr kleines Boot mit einer kurzen Attacke zum Kentern brachte. Inmitten des Sees liegt die Insel Crescent Island (so genannt, weil ihre sichelartige Form an den zunehmenden Mond erinnert). Für ein paar Shilling kann man sich mit dem Boot dorthin bringen und zu verabredeter Stunde wieder abholen lassen. Da es auf dem Eiland keine Raubtiere gibt, ist hier eine Fuß-Safari gestattet. Man kann stundenlang durch die hügelige und teilweise bewaldete Insel streifen, jede Menge Antilopen, vom winzigen Dikdik bis zum imposanten Wasserbock, und hunderte von Vögeln beobachten. Auch eine Marina gibt es am Naivasha-See. Motor- und Segelboote stehen den Touristen zur Verfügung. Zum Baden allerdings benutzt man besser die hoteleigenen Swimmingpools.
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Kormorane im Lake Naivasha
Überhaupt sollte man in Afrika nicht in Binnengewässern baden, denn fast auf dem gesamten Kontinent besteht die Gefahr der Verseuchung mit Bilharzia. Das sind Saugwürmer, deren Larven durch die Haut in den menschlichen Körper eindringen und schwere Erkrankungen hervorrufen können. In einigen Ländern wendet man seit Jahren viel Mühe und erhebliche Mittel im Kampf gegen die Bilharziosis auf (die nach einem deutschen Arzt namens Bilharz benannt ist), ohne daß bisher ein entscheidender Erfolg erzielt werden konnte. Anwohner des Naivasha-Sees und anderer Gewässer im Hochland schwören zwar, daß man an einigen Stellen, meist in der Seemitte, unbesorgt schwimmen könne, doch ist es besser, solches Risiko zu meiden. Das Wasser der Swimmingpools hingegen ist hygienisch einwandfrei und wird in den guten Hotels und Lodges ständig erneuert. Am angenehmsten badet sich's natürlich im Indischen Ozean. Der Sandstrand an den Küsten Kenias und Tansanias ist wirklich so weiß wie auf den Abbildungen der Reiseprospekte. Die Kokospalmen sehen tatsächlich so zauberhaft aus, und -121-
einen Kälte-Schock braucht man beim Baden bestimmt nicht zu befürchten. Das Meerwasser hat im allgemeinen eine Temperatur um 27 Grad, und an geschützten Stellen kann man sich gemütlich auf einer leichten Dünung schaukeln lassen. Wo stärkere Brandung herrscht, sind auch in den Strand-Hotels Swimmingpools vorhanden; manchmal mit gewissen Finessen (auf die man genau so gut verzichten könnte). Hier und da führt beispielsweise eine Art Kanal vom Pool bis hinter die Bar im Innern des Haupthauses. Wozu das gut sein soll, habe ich noch nicht durchschauen können. Bei dieser Gelegenheit sei es noch einmal wiederholt: Der Indische Ozean ist nicht die Ostsee, der Äquator ist nahe. Man darf sich nicht stundenlang schmoren lassen. Und wer etwa auf die Idee kommt, High Life zu spielen und für ein ausgedehntes Bad einen eiskalten Drink mit ins Schwimmbassin zu nehmen, der hat gegebenenfalls außer Sonnenbrand und Sonnenstich noch eine Erkältung und eine Magenverstimmung zu erwarten. Auch am Ozean hat Morgenstunde Gold im Munde. Das Schwimmen im Meer (und das ist natürlich ganz etwas anderes als das Planschen im Swimmingpool) macht früh zwischen sechs und acht am meisten Spaß. Wenn die Sonne höher steht, zieht man sich besser in den Schatten zurück. Gerade beim erfrischenden Bad ist der Kopf ungeschützt den Sonnenstrahlen ausgesetzt. Allzu weites Hinausschwimmen empfiehlt sich nicht, denn im Indischen Ozean gibt es Haie. Doch in Ufernähe, an den flachen Sandstränden, ist es ungefährlich. Ein Tier, das den Badeurlaubern an den Stränden von Dar es Salaam (Tansania), Mombasa oder Malindi (Kenia) immer wieder über den Weg läuft, ist die Winkerkrabbe. Sie ist ein wirklich komisches Vieh und recht possierlich, wenn es sich um ein kleines Exemplar handelt. Die größeren Ausführungen sehen manchmal schon ein bißchen furchterregend aus. Ihren Namen haben diese Krabben daher, daß das Männchen während der Balz dem Weibchen mit seiner großen Schere -122-
lockend zuwinkt. Solch neckisches Spiel dürfte der Tourist allerdings nur selten zu sehen bekommen. Ihm zeigt sich die scheue Krabbe meist nur auf der Flucht, wobei sie blitzschnell über den Sand flitzt und sich an geeigneter Stelle mit rasender Geschwindigkeit einbuddelt. Zurück bleibt ein der jeweiligen Körpergröße entsprechendes Loch und der flüchtige Eindruck eines grotesken Urviehs mit ungeheuerlichen Stielaugen. Natürlich kann man auch am Meer richtigen AbenteuerUrlaub machen. Es gibt ja keinerlei Verpflichtung, sich so passiv zu benehmen, wie an den zahlreichen »Teutonen-Grills« in Spanien, Italien und Südfrankreich. Hochsee-Fischen, Schnorcheln, Fallschirm-Fliegen, Wind-Surfing und Segeln stehen auf den Programmen der verschiedenen Hotels und Reiseunternehmer. Vielfach werden Boots-Safaris mit Jagd auf Hai, Mariin und Barracuda arrangiert. Auch gibt es Fahrten mit dem Glasboden-Boot zu den Korallenriffen. Wer will, kann sich mit einer Dhau, einem arabischen Segelboot, auf einen kurzen Törn in Richtung Osten begeben. Und dann ist da noch die Möglichkeit zu einem Ausflug in die Vergangenheit. Die Insel Lamu vor der kenianischen Küste ist per Kleinflugzeug bequem, per Straße weniger gemütlich zu erreichen. In jedem Falle ist der Aufwand lohnend, denn hier scheint wirklich die Zeit stehengeblieben. Lamu war noch im vorigen Jahrhundert Umschlagplatz für Elfenbein und »schwarzes Elfenbein« (weniger geschmackvoller Beiname für Sklaven), für Schildkrötenpanzer, Mangrovenholz und Rhinozeroshörner (von denen schon mancher ältere Mann mehr erwartete, als sie jemals halten konnten). 500 Kilometer südlich, vor der Küste Tansanias, liegen die beiden Inseln Sansibar und Pemba, die von Dar es Salaam leicht zu erreichen sind. Sansibar, das unter arabischer Herrschaft lange Zeit als wichtigstes Zentrum des Sklavenhandels galt, kam 1890 durch den Helgoland-SansibarVertrag unter britische Schutzherrschaft. Im Tausch erhielt das Deutsche Reich dafür die Insel Helgoland, die die Engländer -123-
solange besetzt gehalten hatten. 1964 vereinigte sich Sansibar mit Tanganjika (dem früheren Deutsch-Ostafrika) zu einer Union unter dem Namen Tansania. Dieser Name wurde aus Tanganjika und Sansibar zusammengesetzt. Doch trotz der Vereinigung fallen dem Besucher noch immer erhebliche Unterschiede zwischen den Verhältnissen auf dem Festland und auf der Insel ins Auge. Der Tourismus ist auf Sansibar noch längst nicht so entwickelt, die Hotellerie und Gastronomie sind weit weniger komfortabel. Dennoch ist die Insel unbedingt einen Besuch wert. Die Altstadt wirkt wie ein Stück Tausend-und-eineNacht. Die engen Gassen mit ihrem orientalischen Leben und Treiben, die herrlichen Schnitzereien an den Türen der Häuser, die vielen Geschäfte, in denen Schmiedearbeiten, Holzschnitzereien und exotisches Kunstgewerbe verkauft werden, sind sehenswert. Der beherrschende Eindruck aber ist der betäubende Duft von Gewürznelken, der die ganze Insel durchweht. Ob in der Altstadt oder im Hafen, ob am einstigen Sklavenmarkt oder direkt in den Hainen, wo dieses wichtigste Exportprodukt angebaut wird - der Nelkenduft begleitet den Besucher der Gewürzinsel von der ersten bis zur letzten Sekunde seines Aufenthaltes. Im Gegensatz zum ostafrikanischen Hochland mit seinem zwar warmen aber trockenen Klima ist die gesamte Küstenregion feuchtwarm. Das ist nicht jedermanns Sache und auch nicht für jeden bekömmlich. Leider wird nicht in allen Reiseprospekten darauf hingewiesen. Auch gibt es nicht, wie im Hochland, erhebliche Unterschiede zwischen Tag- und der Nachttemperatur. Nach Einbruch der Dunkelheit wird es nur wenig kühler. In den heißesten Monaten (Februar und März) steigen die Tagestemperaturen an der Küste bis auf etwa 32 Grad. Zum Vergleich: Um diese Zeit werden in Nairobi (Hochland) 23 bis 28 Grad gemessen. Das entspricht ungefähr dem, was man am Ozean im Juli und August erwarten kann. -124-
Wer also Badeferien machen will, aber nicht so sehr versessen auf feuchte Hitze ist, der sollte in den Sommermonaten dorthin fahren. Im übrigen sind fast alle Hotelzimmer am Meer mit Klimaanlagen ausgestattet. Man sollte darauf achten, daß sie funktionieren, und sich baldmöglichst ihre Handhabung erklären lassen. Denn eine falsch regulierte Klimaanlage ist in dieser Gegend eine Strafe.
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Abends am Lagerfeuer Irgendwann ist es dann auf jeder Safari soweit: Man verbringt einen Abend am Lagerfeuer. Viele der Lodges und Camps haben im Gelände eine windgeschützte Feuerstelle parat, um den durchreisenden Touristen diese Attraktion bieten zu können. Manchmal gibt's dabei ein bißchen Barbecue, etwas Gegrilltes am Spieß, manchmal auch Musik vom Band oder gar eine richtige Combo mit Trommeln und »Massai-Harfe«. Aber meist begnügt man sich mit dem Gesang der Zikaden, und dann ist es am schönsten. Überall im Lager brennen Lampen oder Fackeln, Ranger in Khaki wachen darüber, daß kein allzu Unternehmungslustiger etwa den Lichtkreis verläßt, denn: »Die Tiere sind nicht zahm!« So steht es mehrsprachig auf den Warnschildern ringsumher. Natürlich sitzt man am Lagerfeuer nicht trocken. Man erinnert sich an Hemingway und Robert Ruark und tut das, was sie so männlichherb in ihren Büchern beschrieben haben: Man trinkt »unglaublich herrlichen Scotch on the Rocks« oder »guten, warmen Rotwein«. Oder auch einen steifen Gin Tonic, weil man doch weiß, daß Tonic-Wasser Chinin enthält, und Chinin ist gut gegen Malaria, und Malaria-Mücken sind vorwiegend nach Einbruch der Dunkelheit unterwegs. Naja, man findet schon einen Vorwand, abends am Lagerfeuer einen Schluck zu nehmen, zumal man ja in den Tropen vor Sonnenuntergang den Alkohol (außer Bier natürlich) meiden soll. Also sitzt man mit dem Glas in der Hand am knisternden Feuer, hört auf die Stimmen der Nacht und blinzelt hinauf zum Kreuz des Südens, das in dieser Klarheit fast ein bißchen kitschig aussieht. Und dann überlegt man ernsthaft, ob dies alles wirklich wahr ist oder nur ein Traum. Aber es ist wirklich -126-
wahr, wenn auch schön wie ein Traum. Allerdings sei nicht verschwiegen, daß mitunter ganz plötzlich ein Alptraum daraus werden kann. Aber dann liegt das mit Sicherheit nicht an der afrikanischen Nacht sondern an den Touristen, denn die unternehmen manchmal ganz seltsame Dinge. Einziger Trost: Wie die folgenden Beispiele zeigen, handelt es sich nicht um »typisch deutsche« sondern um internationale Unarten. In einer Lodge im Tsavo-Nationalpark geschah es, daß eines Abends eine Gruppe Italiener die hoteleigenen Decken auf dem Boden ausbreitete und ein lärmendes Picknick begann. Aus Bananen, Mangofrüchten, Ananas und Melonen, die sie tagsüber unterwegs in einem Dorf gekauft hatten, schnitzelten sie eine Riesenportion »Salato Frutti«, durchtränkten dabei unbekümmert die Decken und den Boden mit dem klebrigen Saft und lockten ganze Heerscharen von Ameisen, Käfern und Fliegen herbei. Die Bitten der anderen Gäste um etwas mehr Ruhe wurden ebenso ignoriert wie die Hinweise des afrikanischen Personals, daß dies ein Hotel und kein Rastplatz sei. Erst als die inzwischen vom mitgebrachten Rotwein beflügelten Italiener begannen, mit lebenden Käfern Fußball zu spielen, war es mit der Geduld der anderen vorbei. Pikiert verließen die Picknicker daraufhin den Platz am Lagerfeuer. Im Meru-Nationalpark, wo die Gäste von der Terrasse aus eine ganz in der Nähe grasende Büffelherde beobachteten, spielten drei Teenager aus Texas Trapper und Indianer. Mit Cowboyhut, Patronengurt und Spielzeug-Colts zogen sie solange auf den Kriegspfad, bis auch der letzte Büffel verschreckt die Flucht ergriffen hatte. Die Eltern der munteren Bürschchen waren voller Unverständnis für die Beschwerden der anderen Gäste. Denen blieb am Ende jedoch eine Genugtuung: Einer der Mini-Cowboys blieb bei einer schneidigen Attacke mit seinem Kopf in einer hölzernen Dachverstrebung stecken und begann jämmerlich zu schreien. Mit Hilfe einiger der schwergeprüften Gäste gelang es -127-
schließlich, den Westernhelden zu befreien. Seinem peinlich berührten Vater fiel nichts anderes ein, als ihm die Cowboyhose strammzuziehen. O. k., Wildwest paßt also nicht so recht nach Ostafrika. Aber nun frage ich mich, was hat der deutsche Rhein unterm Kreuz des Südens zu suchen? Wir saßen kurz vor Mitternacht auf der Veranda eines Hochland-Hotels nahe Nairobi, als wir einen Feuerschein und bald darauf gewaltigen Lärm wahrnahmen. Voll schlimmer Befürchtungen machten wir uns in einer Gruppe auf den Weg. Beim Näherkommen wurde klar, es handelte sich um viele menschliche Stimmen. Wenig später identifizierten wir den Lärm als gemeinsamen Gesang. Und als wir auf eine Lichtung kamen, sahen wir sie ums Lagerfeuer sitzen: Männer, Frauen, ein paar Kinder, die Gläser kreisten, und die Stimmung war ganz groß. Und sie sangen aus vollem Halse (und offenbar aus übervollem Herzen): »Warum ist es am Rhein so schön, am Rhein so schööön…« Wir verdrückten uns ganz rasch wieder, und als wir ein Stückchen entfernt waren, trug der Wind ein paar Fetzen des nächsten Liedes zu uns herüber: »Humba, humba, humba täterä…« Unsere Landsleute hatten eine Safari-Pause benutzt, um fern der Heimat ein bißchen Karneval zu feiern. Am folgenden Morgen fragte die deutschsprechende Afrikanerin an unserer Hotel-Rezeption: »Warum bleiben diese Leute denn nicht am Rhein, wenn es da so schön ist, daß man hier so laut davon singen muß?« Ich fand, das war eine gute Frage. Aber eine Antwort darauf fand ich nicht. Ein Abenteuer, das geradezu an einen Ulkfilm erinnerte, hatten wir in einem Strandhotel bei Mombasa. Da gibt es abends manchmal Folklore, oder was man so dafür hält. Es erscheint eine Tanzgruppe. Noch sehr zivil gekleidet entsteigen -128-
die jungen Frauen und Männer dem Bus, dann ziehen sie sich zum Umkleiden zurück und erscheinen wieder als wilde Krieger und heiße Mädchen. Ich werde den Verdacht nicht los, daß viele dieser Hotel-Folkloristen tagsüber in der Stadt, auf dem Postamt oder in einem Bankhaus, brav Büroarbeit leisten. Abends am Lagerfeuer jedenfalls scheint ihr Blut zu kochen. Zunächst zeigen sie meist einen Regen- und einen Fackeltanz, worin sicherlich Elemente aus echten Stammestraditionen enthalten sind. Aber das ist sozusagen nur zum Angewöhnen. Mit Trommel-Rhythmen und ekstatischen Bewegungen ist die Stimmung rasch angeheizt. Die Touristen stehen rundherum und klatschen mit, als handele es sich um die Hit-Parade (das Hotel ist übrigens ziemlich fest in deutscher Hand). Und dann gibt es richtiges Remmidemmi. Die eine oder andere der dunkelhäutigen Schönen greift sich eines der Bleichgesichter aus dem Kreise und bringt es ganz schön ins Schwitzen. Denn erstens muß man sich in der feuchten Hitze ziemlich schnell bewegen und zweitens haben die TanzMädchen aufregend wenig an. Naja, und dazu das Stakkato der Trommeln, die heiseren Rufe, es ist schon was los am Lagerfeuer. Wir hatten uns ein wenig aus dem Lichtkreis zurückgezogen, weil die Veranstaltung nicht so ganz nach unserem Geschmack war. An einem kleinen Seerosen-Teich setzten wir uns und lauschten dem Spektakel, das sich immer noch steigerte. Und plötzlich begann es hinter unserem Rücken zu quaken, erst leise, dann lauter, und schließlich war es ein Froschkonzert von solcher Stärke, daß es die Trommler und Sänger drüben am Feuer übertönte. Es war, als hätten die Frösche, verärgert über den menschlichen Lärm, die Überlegenheit ihrer Stimmkraft beweisen wollen. Was ihnen mühelos gelang. Meine bei weitem interessanteste Nacht am Lagerfeuer aber erlebte ich vor Jahren in Uganda. Schon am Nachmittag hatte das Personal in der Halle unserer Lodge ein Schild mit dem -129-
Hinweis angebracht, daß anstelle des üblichen Dinners ein Spanferkelessen auf der Terrasse vorgesehen sei. Wenig später erschienen ein paar Waiter mit Ferkel, Bratspieß, Holzkohle und sonstigem Zubehör und begannen mit den Vorbereitungen. Sie spießten den Braten auf, entfachten das Holzkohlenfeuer, und bald begann es zu brutzeln und zu duften. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit rief die Buschtrommel - die hier den Gong ersetzt - zu Tisch. Erwartungsvoll strömten sie alle herbei, die Safaristen aus Deutschland, England, Schweden, Holland und den USA, die erst vor anderthalb Stunden ausgedörrt und staubverkrustet von der Pirschfahrt durch den Busch zurückgekehrt waren. Nun zeigten sie sich sauber gewaschen, trugen Clubjacke und Cocktailkleid und alles war direkt ein bißchen feierlich. Erwartungsfrohe Stimmung machte sich breit. Eine Combo spielte dezent, die Tische waren weiß gedeckt. Ein Afrika-Abend wie aus einem Hollywood-Film. Auf der Terrassen-Einfassung standen Teller, Salate und Saucen zur Selbstbedienung bereit. Die Waiter servierten Wein, Sekt und Bier. Das Spanferkel war fertig. Die ersten hungrigen Gäste stellten sich am improvisierten Büfett an. Der Chef-Bratkoch griff zum Tranchiermesser. Er löste ein Ferkelbein, legte es neben sich auf eine Platte und wandte sich dem zweiten Bein zu. Kaum jemand hatte die beiden glühenden Punkte im Gebüsch, knapp jenseits des Lichtkreises, bemerkt. Umso größer war der Schreck, als die Hyäne im Feuerschein auftauchte. Gedankenschnell stürzte sie sich auf das Ferkelbein, packte es und verschwand damit in der Dunkelheit. Die Wirkung war beachtlich. Die Menschenschlange am Büfett stob auseinander, Frauen kreischten, Männer sprangen auf, um ihre Fotoapparate zu holen. Und wer etwa einen Augenblick lang geglaubt hatte, es handele sich um eine hoteleigene Hyäne, die bei jedem Spanferkelessen ihren großen -130-
Auftritt habe, der wurde durch die schreckensbleichen Gesichter der Waiter rasch eines Besseren belehrt. Die gestörte Mahlzeit wurde dann doch noch zu einem guten Ende gebracht. Die verbliebenen drei Ferkelbeine und der Rest des Bratens kamen ungeteilt den Gästen zugute, und als kurz nach Abschluß des Mahles eine Elefantenkuh mit halbwüchsigem Sohnemann um die Ecke bog und geradenwegs auf die Abfallgrube zusteuerte, da gab es keinen Schrecken mehr, sondern nur noch Jagdfieber bei all denen, die sich inzwischen Kamera und Blitzlicht bereitgelegt hatten. So blieb die Erinnerung an eine unterhaltsame Grill-Party und die Überzeugung: An afrikanischen Lagerfeuern kann man was erleben.
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Kaltes Wasser, Friedenshafen und Antilopenhügel Kaum jemand fährt der Städte wegen nach Ostafrika es sei denn, aus geschäftlichen Gründen. Dies ist ein Safari-Land, in dem man von Ort zu Ort reist. Doch läßt es sich im allgemeinen nicht vermeiden, daß man auf dem Flugplatz oder im Hafen einer größeren Stadt den ersten Schritt auf afrikanischen Boden tut. Neulinge sind dann meist enttäuscht, wenn sie die City erreichen: Hochhäuser, Bankpaläste, Fernsehtürme wie in Europa. Hektischer Autoverkehr, Verkehrsampeln, Lichtreklamen. Nichts daran ist afrikanisch, außen den Palmen und den buntblühenden Büschen an den Straßenrändern. Natürlich gilt das nur für die Stadtzentren; in den Außenbezirken sieht es schon ganz anders aus. Aber beim ersten flüchtigen Besuch blickt man da noch nicht so recht durch. So sollte man versuchen, das beste aus einem notwendigen Stadtaufenthalt zu machen und zielstrebig den jeweiligen Eigenarten und Vorzügen nachspüren. Hier sind ein paar Tips für fünf Städte in Kenia, Tansania und Uganda, die den üblichen Touristenwegen am nächsten liegen. Die meisten Afrikareisen beginnen in Nairobi, wo man entweder umsteigt oder wohin man vom Embakasi-Flughafen aus per Bus oder Taxi fährt. Schwer vorzustellen, daß die moderne Kenia-Hauptstadt mit inzwischen mehr als 600000 Einwohnern vor acht Jahrzehnten nichts weiter war als ein Materiallager für den Bau der Uganda-Bahn. Die britischen Eisenbahn-Behörden hatten sich für diesen Platz entschieden, weil man glaubte, hier am besten zwischen zwei Höhenzügen hindurch den tiefen Einschnitt des Ostafrikanischen Grabens durchqueren zu können. Außerdem lieferte der Nairobi River genügend Wasser für den Bau und für die daran beschäftigten Arbeiter. »Enkare Nairobi« heißt in der Sprache der Massai -132-
soviel wie »Kaltes Wasser«, und das ist ja in einer so heißen Gegend ein vielversprechender Name. 1899 wurde die zentrale Eisenbahnverwaltung von Mombasa (dem Ausgangspunkt der Bahnlinie) nach Nairobi verlegt. Doch der Zustrom von afrikanischen und indischen Arbeitern in den rasch wachsenden Ort brachte Probleme: Das »kalte Wasser« reichte kaum noch aus für die Versorgung, die Entwässerung klappte überhaupt nicht. So gab es mehrfach Seuchen, und nach einer Pest-Epidemie entschloß man sich, das Bazarviertel abzubrennen. Zeitweilig sprachen die Experten davon, die ganze Gemeinde an eine andere Stelle zu verlegen, doch die Bahnverwaltung war dagegen. So blieb Nairobi, wo es war, und 1907 wurde es anstelle von Mombasa - die Hauptstadt von Britisch-Ostafrika. Aber noch lange Zeit erweckte die Ansiedlung den Eindruck einer Goldgräberstadt des amerikanischen Mittelwestens. Erst zwischen den beiden Weltkriegen begann der systematische Ausbau zu einer richtigen Metropole. Heute ist Nairobi die größte Stadt zwischen Johannesburg und Kairo und mit ihrem modernen Kongreßzentrum ein gefragter internationaler Treffpunkt. Europäer, Asiaten und Afrikaner leben weitgehend in getrennten Vierteln. In letzter Zeit gab es so etwas wie einen »Sozialen Wohnungsbau« für zugewanderte Arbeitskräfte aus den ländlichen Gebieten. Aber noch immer hat Nairobi auch deprimierende Slums, wie das berüchtigte Mathare Valley im Nordosten der Stadt. Alle Versuche, dieses von Krankheiten und Kriminalität gleichermaßen bedrohte Viertel zu sanieren, sind bisher gescheitert. Dem Touristen wird empfohlen, Besuche oder gar »FotoSafaris« in den Slums zu unterlassen. Wohlhabende Europäer und Amerikaner sind logischerweise in diesen Elendsgebieten nicht sonderlich gern gesehen. Auch schätzen es die kenianischen Behörden nicht so sehr, wenn solche Schönheitsflecke von Urlaubsreisenden als besonders attraktive -133-
Foto-Motive fürs Familienalbum abgelichtet werden. Aber natürlich kann man jederzeit einen Bummel abseits der Hauptstraßen machen, in die schmalen Gäßchen einbiegen, in denen sich ein Laden an den anderen reiht, wo die Schneider an ihren Nähmaschinen vor den Türen sitzen, wo die Luft von Curry Powder, Gewürznelkenduft und hundert anderen Gerüchen erfüllt ist, wo man sich bei Bedarf von einem Tag zum anderen einen Maßanzug fertigen oder ein Kleid nähen lassen kann. Eine Sehenswürdigkeit eigener Art ist der City Market, die städtische Markthalle in der Muindi Mbingu Street. Sie erinnert äußerlich eher an einen Hindu-Tempel und ist innen das Farbenprächtigste, was man sich vorstellen kann. In der unteren Halle werden tropische Früchte und Gemüse aller Art angeboten, daneben exotische Blüten in leuchtenden Farben. An beiden Enden führen Treppen hinauf auf die Galerien mit ihren Souvenir-Ständen. Fleischwaren gibt es in einem Nebenraum des Erdgeschosses, im Vorhof schließlich handgeflochtene Korbwaren von ungeheurem Phantasiereichtum. Ganz in der Nähe der Markthalle ist die große Moschee. In der sogenannten »God's Corner« (»Gottesecke«) stehen dicht beieinander einige Kirchen verschiedener christlicher Konfessionen, auch gibt es eine Synagoge und einen indischen Tempel. Nairobi hat mehrere Theater, Kunstgalerien und Kinos. Das Nationalmuseum in der Nähe der Universität zeigt große völkerkundliche, botanische und zoologische Sammlungen. Ein Kuriosum ist die Nachbildung des legendären »Ahmed«, des angeblich kapitalsten Elefanten, der bei Lebzeiten im Marsabit-Reservat unter dem persönlichen Schutz von Präsident Jomo Kenyatta gestanden hatte und 1975 eines natürlichen Todes starb. Der Schlangenpark auf dem selben Grundstück enthält eine Kollektion von 200 ostafrikanischen Schlangenarten. Sie sind quicklebendig und man darf - wenn man es übers Herz bringt - mitansehen, wie -134-
lebende Frösche und Mäuse an sie verfüttert werden. Wer nach längerer Safari durch Steppe und Urwald Appetit auf einen kleinen Hauch von großer Welt verspürt, der braucht in Nairobi nicht zu darben. In der Nachbarschaft des Museums kann er sich bei Varieté und Tanz amüsieren oder im International Casino sein Glück bei Roulette und Baccarat versuchen. Natürlich gibt es auch in vielen der großen Hotels regelmäßig Musik und Tanz. Ein wenig außerhalb, in Richtung auf die Ngong-Berge, sind eine Bowling-Bahn und die Rennbahn des Jockey Club of Kenia. Ein Stück weiter trifft man dann noch auf eine sehr reizvolle Herberge: die »Massai Lodge«. Die moderne, doch der Landschaft angepaßte Anlage grenzt direkt an den Nairobi-Nationalpark. Über eine tiefe Schlucht hinweg blickt man in die Weite des Massai-Landes und wird wieder daran erinnert, daß die wandernden Hirten es waren, die der Metropole den Namen gaben: »Kaltes Wasser«. Wenn ihnen das Wasser knapp wird, kommt es auch heute noch vor, daß die Massai einfach dahin zurückgehen, wo sie damals ihre Rinder tränkten. Zum letzten Male passierte das 1974. In jenem Frühjahr kam es in den Außenbezirken Nairobis mehrfach zu empfindlichen Verkehrsstörungen. Mitten im Berufsverkehr der hektischen Hauptstadt überquerten große Viehherden die Fahrbahnen, brachten Autokolonnen zum Stehen und lösten temperamentvolle Hupkonzerte aus. Ohne Rücksicht auf rotes Ampellicht und schimpfende Polizisten postierten sich wilde Gestalten mit langen Speeren auf der Straßenmitte und erzwangen für ihre Ziegen und Kühe die »Vorfahrt« vor all den Straßenkreuzern und Land-Rovern, den klapprigen Taxis und den Bussen der öffentlichen Verkehrsbetriebe. Die Massai schickten sich an, Nairobi zu erobern. Auf der Flucht vor der verheerenden Trockenheit, die von den Sahara-Staaten und von Äthiopien aus auch auf Kenia übergegriffen hatte, zogen sie nach Süden. Die Felder und -135-
Wiesen in den Vororten der Hauptstadt schienen ihnen gerade recht als Weideland, und alles deutete darauf hin, daß auch die gepflegten Rasenflächen der innerstädtischen Parkanlagen bedroht waren. Immer häufiger kam es in der Folge zu Auseinandersetzungen mit den Ordnungshütern. Angesichts der wachsenden Not im ausgedörrten Norden des Landes gingen die Behörden äußerst behutsam vor, doch ihre Appelle an die Vernunft, ihre Hinweise auf Gesetz und Ordnung konnten die Massai nicht beeindrucken. Ihre Invasion wäre gewiß nicht zu stoppen gewesen, hätte der Himmel damals nicht noch zur rechten Zeit seine Schleusen geöffnet. Über Nacht kam der ersehnte große Regen, und so löste sich das Problem bald von selbst: Die Massai verließen die Stadt, in der sie sich ohnehin nicht zu Hause fühlten. Sie zogen sich zurück in ihre Weidegründe ringsumher, wo sie seit jeher leben können, wie es ihnen zusagt, nämlich frei, ungebunden und genau wie vor Jahrhunderten. Aber wenn sie mal Lust haben, dann kommen sie auch ohne Not mal eben zu Besuch, laufen barfuß und spärlich bekleidet, doch stets mit dem Speer auf der Schulter, durch die eleganten Hauptstadtstraßen, drücken sich die Nase an einer Schaufensterscheibe platt, klettern mal zum Spaß auf eine Personenwaage, pfeifen eben im Vorbeigehen nach einem hübschen (schwarzen oder weißen) Mädchen und strahlen im übrigen ein ungeheuerliches Selbstbewußtsein aus. Und solche Erlebnisse sind es eigentlich, die den »Steinbaukasten« Nairobi so sympathisch machen. Mit Mombasa, Kenias zweitgrößter Stadt, ist das ganz eigenartig. Zwar verbringen erheblich mehr deutsche Touristen ihre Ferien hier als in Nairobi, doch kehren viele von ihnen nach zwei oder drei Wochen zurück, ohne Mombasa kennengelernt zu haben. Die meisten Küstenhotels liegen 20 bis 40 Kilometer von der City entfernt, und da - wie schon -136-
erwähnt - das Beharrungsvermögen und die Bequemlichkeit mancher Urlauber sehr ausgeprägt sind, lockt sie nichts heraus aus ihrem komfortablen Strand-Getto. Andere schwingen sich allenfalls einmal zu einer Sightseeing-Tour auf oder machen am Tage vor dem Heimflug eben noch einen Einkaufsbummel. Das ist ein Trauerspiel, denn Mombasa ist nicht nur der bedeutendste Hafen Ostafrikas, sondern auch eine sehr interessante und geschichtsträchtige Stadt. Die geschützte Insellage schien prädestiniert für den Bau eines Hafens. Schon im 11. Jahrhundert wurde Mombasa von den Arabern gegründet und entwickelte sich rasch zu einem bedeutenden Handelsplatz. Als der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama 1498 auf seinem Wege um das Kap der guten Hoffnung nach Indien an der ostafrikanischen Küste Station machte, wurde er vom nördlicher gelegenen Malindi freundlich aufgenommen. Mombasa jedoch brachte den ungebetenen Gästen keine Sympathien entgegen. So wurde es mehrfach von den Portugiesen angegriffen und ausgeplündert. 1593 begannen die Invasoren mit dem Bau des Fort Jesus, von dem aus die gesamte Hafeneinfahrt kontrolliert werden konnte. In den folgenden Jahren wechselte die Stadt mehrfach den Besitzer, stand zeitweilig unter der Herrschaft des Sultanats von Oman, dann wieder unter portugiesischem Regime, bis sie schließlich 1895 Verwaltungszentrum des britischen Protektorats Ostafrika wurde. Das Fort Jesus gilt heute als eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten Mombasas. Mit seinen zweieinhalb Meter dicken Mauern steht es auf dem massivsten Untergrund, den man sich nur denken kann: auf einem Korallenriff. Alte Karten, historische Dokumentationen und Waffen aus vergangenen Tagen sind in einem Museum in den Gewölben des Forts ausgestellt.
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Schneider mit deutscher Nähmaschine in Arusha/Tansania
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Dicht neben der Festung beginnt die Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen. Ebenso wie in Lamu und Sansibar fallen auch hier an den alten arabischen Häusern die kunstvoll geschnitzten Türen und Balkone auf. Im Dhau-Hafen, der inzwischen überwiegend nostalgischen Wert hat, findet man noch manchmal ein paar dieser malerischen Segelschiffe, mit denen einst der Warenverkehr zwischen Afrika, Arabien und Indien abgewickelt wurde. Neues Wahrzeichen von Mombasa sind die vier unübersehbaren »Elefantenzähne«, die paarweise die beiden Fahrbahnen der Kilindini Road überspannen; eine gigantische Geschmacklosigkeit aus Aluminium. Aber was soll's, andere Städte dieser Welt haben sich ja auch ihre mehr oder weniger seltsamen Triumphbögen errichtet. Dar es Salaam, der »Hafen des Friedens«, ist eigentlich nur noch die halbe Hauptstadt von Tansania. Offiziell wurde nämlich die im Landesinnern gelegene Stadt Dodoma schon vor Jahren zur Metropole erklärt. Doch noch ist der Umzug des gesamten Verwaltungs- und Regierungsapparates von der Küste in das zentrale Hochland nicht vollzogen, und es sieht ganz so aus, als werde das auch noch eine Weile dauern. Schon in alten Zeiten, als Tansania »Deutsch-Ost« war, hatte man mit dem Gedanken gespielt, das malariagefährdete »Mückennest« Dar es Salaam nur noch als Hafen, nicht aber weiterhin als Hauptstadt zu benutzen - doch der Erste Weltkrieg kam dazwischen. Nach der Vertreibung der deutschen Schutztruppe blieb »Dar« Verwaltungszentrum des nunmehr britischen Mandatsgebietes Tanganjika und wurde später Hauptstadt des unabhängigen Tansania. Dar es Salaams Gründung im Jahre 1862 geht zurück auf das Ruhebedürfnis des Sultans von Sansibar, Sayyid Majid. Der Herrscher hatte die politischen Querelen auf seiner Insel so gründlich satt, daß er auf dem Festland eine neue Stadt bauen ließ und ihr den hoffnungsfrohen Namen »Hafen des Friedens« gab. Aber als er 1870 starb, war die Stadt noch längst nicht -139-
fertig. Sie geriet in Vergessenheit und wurde erst interessant, als die arabischen Dhaus mehr und mehr von Dampfschiffen verdrängt worden waren. Die geschützte Bucht von Dar erwies sich als idealer Hafen für solche Schiffe. 1884 wurde der Ort Stützpunkt der Deutschen Ostafrika-Gesellschaft, 1887 Sitz der Garnison und 1891 Hauptstadt von Deutsch-Ostafrika (anstelle von Bagamoyo). In diesen Jahren entwickelte sich Dar es Salaam zu einer Stadt mit mehr als 22000 Einwohnern. Heute wird es von rund 350000 Menschen bewohnt. Die wenigen historischen Bauten stammen überwiegend aus der deutschen Kolonialzeit (Luther-Kirche, Gerichtsgebäude, diverse Wohnhäuser). An Sehenswürdigkeiten sind das Nationalmuseum mit seinen archäologischen und völkerkundlichen Sammlungen und ein Museumsdorf am Stadtrand mit Nachbildungen verschiedener Haus-Typen der tansanischen Stämme zu erwähnen. Keine offizielle Sehenswürdigkeit, aber allemal sehenswert ist der Bahnhof, der in seiner Architektur und mit seinen eigenartigen Kandelabern ein bißchen an ein Zirkusgebäude erinnert. Die Station ist Ausgangspunkt der »Tansam-Bahn«, der 1860 Kilometer langen Eisenbahnlinie vom Hafen am Indischen Ozean zum Nachbarstaat Sambia. In nur fünfjähriger Bauzeit wurde diese Verbindung von 15000 Chinesen und 35000 Afrikanern 1975 fertiggestellt. Sie führt über 300 Brücken und durch 19 Tunnels und gibt dem Binnenland Sambia die Möglichkeit, seine Kupfer-Exporte über Dar es Salaam zu verschiffen. Ähnlich wie im kenianischen Mombasa liegen auch in Dar es Salaam die weiten Sandstrände nicht innerhalb der Stadt sondern 20 bis 30 Kilometer von der City entfernt. Die Hotels zeichnen sich zum Teil durch architektonischen Einfallsreichtum aus und sind reizvoll in die Uferlandschaft eingepaßt. Die Gefahr, in Trägheit und Passivität zu verfallen und die Urlaubstage ausschließlich am Strand und an der Bar zu verbringen, ist indessen nicht so groß wie in Mombasa. Die -140-
tansanischen Strände sind noch nicht so stark von touristischer Betriebsamkeit erobert; der Anreiz, zur Unterbrechung mal einen Ausflug oder eine Safari zu unternehmen, ist hier erheblich größer. Genau auf halbem Wege zwischen Kairo und Kapstadt, also gewissermaßen im Herzen Afrikas, liegt Arusha, die wichtigste Stadt in Nord-Tansania. Dies ist im Grunde bedeutungslos und sei auch nur der Kuriosität halber erwähnt. Nur selten fährt schließlich heutzutage jemand im Wagen von Kairo nach Kapstadt. Aber wenn man in Tansania auf Safari geht, dann führen eigentlich alle Wege über Arusha. Die kleine Stadt (etwa 35000 Einwohner) ist aus vielen Gründen erwähnenswert; bekannt wurde sie als Sitz der Ostafrikanischen Gemeinschaft und als Symbol der Politik des Präsidenten Julius Nyerere. Hier wurde 1967 die »ArushaDeklaration« verkündet, in der sich Tansania auf seinen Weg zu einem besonderen afrikanischen Sozialismus festlegte. Zur Erinnerung daran brennt am Marktplatz die »Uhuru-Fackel« die »Freiheits-Fackel«. Arusha hat eine recht ansehnliche Industrie. Am bekanntesten ist die Meerschaumpfeifen-Fabrik, die man auch besichtigen und in der man preiswert kaufen kann. In der Nachbarschaft steht die Kilimandscharo-Brauerei, von der aus alle durstigen Seelen des Landes mit süffigem Bier versorgt werden. Außerdem gibt es hier Möbel- und Textilfabriken. In der Landwirtschaft dominiert der Kaffee. Aber auch Getreide, Sisal und Pyrethrum (eine Pflanze, aus der man natürliches Insektengift gewinnt) werden angebaut. Die Konzentration von Industrie und Landwirtschaft in und um Arusha sind auch die Ursache dafür, daß hier ungewöhnlich viele deutsche Entwicklungshelfer arbeiten. Die »EH's«, wie die freiwilligen Helfer des Deutschen Entwicklungsdienstes sich selber nennen, genießen im Lande hohes Ansehen. Die Bevölkerung hat einen einprägsamen Namen für sie gefunden: -141-
»Pikipiki-Kolonne«. Pikipiki ist das Kisuaheli-Wort für die kleinen Motorräder, mit denen die jungen Deutschen ausgestattet sind, um bei ihrem Dienst schnell über Land zu kommen. Die meisten von ihnen arbeiten in der Landwirtschaft, als Lehrer am Technical College und in den Secondary Schools (den weiterbildenden Schulen) oder in regionalen Verwaltungen und städtischen Entwicklungsbehörden. Die Einwohnerzahl Arushas hat sich innerhalb weniger Jahre mehr als verdoppelt. Das rasche Wachstum brachte mancherlei Probleme. Ein langfristiger Bebauungsplan, an dessen Realisierung übrigens auch deutsche Experten mitwirken, rechnet mit einem Anwachsen der Stadtbevölkerung auf annähernd 200000 innerhalb weniger Jahre. Dem deutschen Ansehen in Tansania ist es sehr förderlich, daß die Tage von Deutsch-Ostafrika viel weiter zurückliegen als die des britischen Mandats über Tanganjika. Man hat genügend Abstand gewonnen und ist souverän genug, die wenigen Überbleibsel von damals als »deutsche Wertarbeit« anzuerkennen: Ein paar Straßen, Brücken, Schulgebäude und Kirchen, und natürlich die alte deutsche Eisenbahn, die noch immer fährt und wohl noch lange fahren wird. Auch wenn inzwischen mit chinesischer Hilfe die neue Tansam-Bahn gebaut worden ist. Man beurteilt die Deutschen vorurteilsfrei und mit viel Sympathie, obwohl gerade in Arusha und Umgebung auch noch zahlreiche Erinnerungen an die weniger friedlichen Seiten deutscher Kolonialzeit vorhanden sind. Die Stadt ist aus einer deutschen Garnison entstanden und erhielt ihren Namen nach dem Stamm der Arusha. Dieses ackerbauende Mischvolk setzte sich sehr energisch gegen die weißen Eindringlinge zur Wehr, und es bedurfte zweier verlustreicher Schlachten, ihren Widerstand zu brechen. Solche Aktionen wurden in der Deutsch-Ostafrika-Literatur schlicht als »Befriedung« bezeichnet - was vermutlich nicht einmal -142-
zynisch gemeint war. Die alte Boma (Festung) aus Kaisers Zeiten kann heute noch besichtigt werden. Sie ist allerdings mittlerweile in ein regionales Verwaltungsgebäude einbezogen worden. Als weitere Sehenswürdigkeiten nennen die Prospekte den Uhrturm in der Innenstadt und den düsteren Mount Meru, der mit seinen 4565 Metern Arusha überragt. Doch im Grunde könnte auch der helle Kibo zu den städtischen Attraktionen gerechnet werden, denn seit einem knappen Jahrhundert führen fast alle Routen zum Kilimandscharo über Arusha. Hans Meyer und Carl Georg Schillings, Lettow-Vorbeck und Bernhard Grzimek, Hardy Krüger und Ernest Hemingway haben sich in die Gästebücher der Herbergen und Hotels eingetragen. Es ist also wirklich nicht zutreffend, was im Prospekt eines großen Reiseunternehmens steht, nämlich die »provinzielle Hauptstadt des Distrikts« sei eine »Metropole ohne sonderliche Attraktionen«. Im übrigen ist sie, im Gegensatz zu den meisten anderen Metropolen eine sehr afrikanische Stadt geblieben. Obwohl ihr Flughafen, der schicke Kilimandscharo Airport, fast genau so kalt und unpersönlich wirkt wie die modernen Landeplätze in Europa und Amerika. Eingeweihte schwören, die größte Sehenswürdigkeit von Arusha sei Arusha selbst - und das ist ein wahres Wort. Natürlich gibt es auch hier komfortable Touristen-Hotels, elegante Restaurants und Geschäfte, doch könnte man in dieser Stadt nicht eine Sekunde lang vergessen, daß man sich mitten auf dem schwarzen Kontinent befindet. Manche SafariVeranstalter legen in Arusha eigens einen Tag Pause ein und empfehlen ihren Kunden einen Besuch auf dem weithin berühmten Markt. Schon von weitem erkennt man die richtige Richtung an der eigenartigen Duftmischung, die die Luft erfüllt. Wonach es riecht? Schwer zu sagen. Nach Gewürzen, nach leicht angefaulten Früchten, nach nicht mehr ganz frischem Fleisch, -143-
nach Seife. Es sind nicht gerade die oft zitierten »Wohlgerüche des Orients«, die den Markt umwehen. Aber es ist auch nicht unangenehm. Es stinkt nicht, es riecht eben nur ein bißchen streng. Aber interessant. Die Marktbuden stehen dicht an dicht, so daß ihre Dächer die schmalen Gassen in wohltuenden Schatten tauchen. Es gibt so eine Art Abteilung für Haushaltsartikel, in die sich kaum je ein Tourist verirrt. Teekessel, altertümliche Bolzen-Bügeleisen, Kochtöpfe, Küchenzubehör aller Art werden hier verkauft. Nebenan sind die Textilien: bunte Hemden, bedruckte Stoffe, Kopftücher, Kleider. Ein Stück weiter ist die »Lebensmittelabteilung« mit Bananen, Mangofrüchten, Kokosnüssen, Ananas, Melonen, Avocados. Gackernde Hühner, an den Füßen zusammengebunden, hängen mit den Köpfen nach unten am Zaun. Die Fleischer sitzen in kleinen Läden, die rings um den Marktplatz in massiven Baracken untergebracht sind, hacken und schneiden die Fleischportionen individuell nach Wunsch des Kunden zurecht. Und dann ist da sozusagen noch eine spezielle Touristen-Abteilung. Hier wird das verkauft, was nicht lebensnotwendig ist. Hier trifft man kaum Afrikaner, außer den Händlern, versteht sich. Alte englische Shilling-Stücke, mit einem Eisenband zu einem Fingerring verlötet, Kalebassen, Schnitzereien und vor allem Glasperlenschmuck werden hier angeboten. Halsketten, Armbänder und Ringe aus bunten Glasperlen, auf Draht oder Schnur gezogen. Häufig sind es Kinder, die versuchen, diesen Schmuck bei den Fremdlingen an den Mann (oder die Frau) zu bringen, und über den Preis lassen sie mit sich reden. Natürlich sind die Armbänder und Ringe nichts wert, aber sie sehen hübsch aus, und sie sind originell. Zudem ist ja der »African Look« gegenwärtig ganz »in«. Also, warum nicht ein paar Shilling dafür investieren? Ugandas Hauptstadt Kampala hat eine Gemeinsamkeit mit Rom: auch sie ist auf sieben Hügeln erbaut. Einer von ihnen -144-
heißt Kampala, und das bedeutet soviel wie »Antilopenhügel«. Allerdings gibt es hier schon lange keine Antilopen mehr; auf dem »Gipfel« errichteten die Engländer 1890 ein Fort. Auch die anderen sechs Hügel werden jeweils von einem Bauwerk gekrönt: Auf dem Nakasero steht das Parlament, auf dem Mengo der Palast des einstigen Königs von Buganda, auf dem Kasubi das Grab von König Mutesa I., auf dem Rubaga die katholische Kathedrale, auf dem Kibuli die große Moschee und auf dem Namirembe die protestantische Kirche. In dieses aus rotem Backstein gebaute Gotteshaus wird die Gemeinde übrigens nicht mit Glockengeläut, sondern mit Buschtrommelklang gerufen. Kampala ist eine noch junge Hauptstadt: Erst 1962 (als Uganda die Unabhängigkeit erhielt) wurde die Verwaltung aus der alten Metropole Entebbe hierher verlegt. Entebbe liegt etwa 30 Kilometer von Kampala entfernt auf einer Insel im Victoriasee. Neben einem einmalig schönen Botanischen Garten befindet sich in der Nähe auch der Flughafen, der vor einigen Jahren durch den israelischen Handstreich gegen die Entführer einer Passagiermaschine weltbekannt wurde. Kampala hat sich inzwischen so stark ausgedehnt, daß es sich nun nicht mehr über sieben, sondern über 46 Hügel erstreckt. Es gilt als eine reizvolle und sehr lebendige Stadt. Die Makerere-Universität in der Nähe des Kasubi-Hügels ist die älteste Ostafrikas und wurde bereits 1922 gegründet. Sie hatte einen sehr guten Ruf, der jedoch in der Ich-Amin-Ära mehr und mehr verloren ging. Das Uganda-Museum ist vor allem durch seine reichhaltige Musikinstrumenten-Sammlung berühmt geworden. Afrikanische Harfen und Zithern, Hörner und Xylophone, Flöten und Trommeln verschiedenster Art werden nicht nur gezeigt sondern auch bei täglichen Demonstrationen temperamentvoll vorgeführt.
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Souvenir Da unsere Safari nun allmählich zu Ende geht, ist es an der Zeit, sich einem Thema zuzuwenden, mit dem jeder AfrikaAnfänger früher oder später konfrontiert wird und das auch für »Fortgeschrittene« noch beim zweiten, dritten oder vierten Besuch unversehens wieder aktuell werden kann. Das Thema heißt: Souvenir. »Souvenir = Andenken«, so steht es im Lexikon, doch das trifft nicht den Kern der Sache. In Wahrheit handelt es sich um eine Art Status-Symbol, um eine dauerhafte Bestätigung des Globetrottertums. Man hängt es an die Wand oder stellt es auf die Kommode, um sich und anderen vor Augen zu führen, wie weit man herumgekommen ist. Die Souvenir-Industrie hat weltweit goldenen Boden. Ob am Hermanns-Denkmal oder in Jerusalem, ob in Pisa, am Nordkap oder an der Berliner Mauer, ohne Andenkenläden (oder mindestens -kioske) geht es nicht. Meist sind es Firlefanz und groteske Scheußlichkeiten, die für teueres Geld offeriert werden. Auch Ostafrika hat in dieser Hinsicht einiges zu bieten, und wenn man nicht aufpaßt, wird einem hier nicht nur Kitsch, sondern obendrein gefälschter Kitsch angedreht. Eine lobenswerte Praxis hatte der deutsche Manager eines Hotels bei Nairobi entwickelt. Am Tage nach der Ankunft pflegte er seine Gäste im Kinoraum zusammenzurufen, um ihnen einige nützliche Afrika-Tips zu geben. Nach Hinweisen auf Land und Leute widmete er sich ausführlich dem Thema Souvenir und hinderte damit so manchen Neuling, sein Geld für wertlosen Kram hinauszuwerfen. Zum Beispiel warnte er schon vor Jahren davor, Tierfelle oder Erzeugnisse daraus zu kaufen (was damals noch möglich war). Natürlich ist seit jeher die Versuchung groß, aus dem -146-
Tierparadies Ostafrika ein Löwenfell oder einen mit Zebrafell verarbeiteten Gebrauchsgegenstand mitzubringen. Es gab da ein reichhaltiges Angebot, vom Uhrarmband bis zur Brieftasche, vom Brillenfutteral bis zur Geldbörse. Der Verkauf von Tierfellen in den drei ostafrikanischen Staaten war zwar seit langem streng geregelt; doch durch das weit verbreitete Wilderertum gab es keine Stockung in der Versorgung der Geschäfte. Jede Menge Felle und Gehörne wurde »schwarz« gehandelt, und täglich mußten Tiere auf grausame Weise sterben, damit die Souvenir-Nachfrage befriedigt werden konnte. In der Seronera Lodge in Tansania ist ein kleines Museum, in dem Utensilien von Wilderern ausgestellt sind. Es gibt dort auch Großfotos, die zeigen, wie schrecklich manche Tiere bei dieser Art der »Jagd« zugerichtet werden. Meist verwenden die Professionellen Drahtschlingen, die die Beine des gefangenen Wildes durchschneiden bis auf die Knochen. Die Felle und Trophäen werden häufig über die Grenzen der benachbarten Länder geschmuggelt und tauchen dann irgendwo bei fliegenden Händlern auf. Neben dem direkten Busch-Krieg der Wildhüter gegen die Wilddiebe versuchten die Behörden, den Schwarzhandel durch Papierkrieg einzuschränken. Für die Ausfuhr tierischer Produkte mußte man auf dem Flughafen ein Zertifikat vorlegen. Daraus ging zumindest hervor, daß der betreffende Gegenstand in einem offiziell zugelassenen Geschäft gekauft war. Allerdings garantierte ein solches Papier keinesfalls für die Qualität. Nicht selten litten auch ehrlich erworbene Geldbörsen und Uhrarmbänder aus Zebrafell an galoppierendem Haarausfall, und schon nach wenigen Tagen war von der schwarzweiß gestreiften Pracht nur noch ein farbloses, brüchiges, armseliges Stück Leder übrig. Es lohnte also wirklich nicht. Dennoch blieb diese Art Souvenir ein »Renner«, und auch nachdem die kenianische Regierung 1977 ein Jagdverbot erließ, waren die »Curio -147-
Shops« mit heißer Ware tierischer Herkunft gut versorgt. Es galt als offenes Geheimnis, daß nun die gesamte Belieferung der Geschäfte von den Wilderern übernommen worden war. Ein Jahr später entschloß sich die Regierung zum entscheidenden Schlag. Am 12. März 1978 stand Kenias Hauptstadt Kopf: Obwohl es ein Sonntag war, hatten alle 400 Souvenir-Geschäfte Nairobis geöffnet. Bärbeißige Wächter mit Schlagstöcken bewachten die Ladentüren, ließen die Kunden nur schubweise hinein und wieder heraus. Der Ansturm war ungeheuer und dauerte bis in die Nachtstunden. Zuletzt wurden Elfenbein, Büffelhörner, Löwenzähne und ElefantenhaarArmbänder geradezu verschleudert. Wer Glück (und genügend Bargeld) hatte, konnte sich mit Reiseandenken für größere Familien eindecken. Am Montag, dem 13. März 1978, blieben die Geschäfte geschlossen, um Inventur zu machen. Der große Ausverkauf war beendet. Tierische Produkte, die nicht am Vortage an den Mann gebracht worden waren, verfielen der Beschlagnahme. Die Behörden hatten endlich Ernst gemacht mit ihrer Ankündigung, massive Maßnahmen zur Rettung der bedrohten Tierwelt zu treffen. Eine Statistik der internationalen Tierschutz-Organisation »World Wildlife Fund« gab wohl den Ausschlag zum harten Durchgreifen. Allein im Jahre 1977, so hieß es darin, seien in Kenia 20000 Elefanten ihrer Stoßzähne und ihrer Schwanzhaare wegen umgebracht worden. Unbestreitbar wird auch nach dem Verkaufsverbot für Tierfelle und -trophäen noch gewildert; die Chancen, damit das ganz große Geld zu machen, haben sich jedoch erheblich verschlechtert. Die Curio Shops sind längst auf andere Souvenirs umgestiegen, und wer heute noch bei einem der redegewandten Schwarzhändler zwischen New Stanley und Hilton Hotel ein »garantiert echtes« Elefantenhaar-Armband kauft, der ist wirklich selber schuld. Diese aus den Schwanzhaaren der Elefanten geflochtenen -148-
Armbänder waren jahrzehntelang so etwas wie ein Symbol der »alten Afrikaner«, galten als Glücksbringer und stiegen, der großen Nachfrage wegen, beharrlich im Preise. Schon in einer »Naturgeschichte« aus dem Jahre 1812 ist zu lesen: »Der Schwanz ist zwei bis drei Fuß lang und, nach Verhältnis des Körpers, ziemlich dünn, am Ende zugespitzt und mit einem Büschel von schwarzen, glänzenden Haaren besetzt, die so dick sind, wie mittelmäßiger Bindfaden. Kein Mensch ist vermögend, sie mit den Händen zu zerreißen, ob sie gleich biegsam sind. Außerdem stehen auf dem ganzen Schwänze Borsten, dicker und härter als von einem wilden Eber. Man bezahlt diesen Schwanz an einigen Orten sehr theuer, indem er von den vornehmen Frauenzimmern zum Zierrath getragen, auch wol zu abergläubischen Dingen gemißbraucht wird; zuweilen wägt man ihn mit dem Golde auf. Verwegene Leute stellen daher den wilden Elephanten mit Lebensgefahr nach und hauen ihnen die Schwänze ab.« Nun ja, diese Armbänder gehörten jedenfalls zu den originelleren Mitbringseln, wenngleich ihr Kauf nicht unproblematisch war. Für den Neuling ist es schwer zu erkennen, ob es sich wirklich um Elefanten-Schwanzhaar handelt. Aus Japan wurden nämlich täuschend ähnliche PlastikArmbänder importiert, und nur Kenner vermochten durch eine Feuerprobe die Echtheit zu überprüfen: Haar glimmt und hinterläßt Asche, Plastik verschmort zu einem Klumpen. Aber diese Frage stellt sich ja nun nicht mehr. Man kann - zumindest in Kenia - davon ausgehen, daß es sich um Fälschungen handelt. Wer Lust hat und etwas mehr dafür anlegen will, kann sich getreue Abbilder der haarigen Glücksbringer anschaffen, die aus goldenem, silbernem oder kupfernem Draht in gleicher Weise geflochten sind und sehr hübsch aussehen. Massai-Speere sind als Souvenir sehr gefragt. Daheim in der guten Stube machen sie sich gut, zumal, wenn ihrer zwei sich über einem ledernen Schild kreuzen. Aber auch hier ist -149-
Vorsicht geboten: Kauft man die Speere in den Geschäften der großen Städte, so könnte es sein, daß sie »made in England« sind. Man sagt, es gebe dort eine ganze Spezial-Industrie für Ostafrika-Andenken. Am besten kauft man solche Dinge daher bei den Massai selbst - das ist zwar auch noch keine unbedingte Echtheits-Garantie, aber die Aussichten sind besser. Auch Kalebassen und Glasperlenschmuck werden von den Hirten-Nomaden verkauft. Ihre Originalität ist relativ leicht zu testen: Die Kalebasse muß stinken (denn sie enthielt ja Milch mit Blut und einem Schuß Kuh-Urin) und die Halskette muß an der Leder-Unterseite ein bißchen angeschmutzt sein. Dann ist es so gut wie sicher, daß sie vorher den Hals einer MassaiSchönen geschmückt hat. Ebenholz, das an der Küste Ostafrikas wächst, gehört zu den gefragtesten und teuersten Mitbringseln. Allerdings mußte schon mancher stolze Besitzer eines Holz-Elefanten erleben, daß jede Berührung des guten Stückes schwarze Hände zur Folge hatte. Das Ebenholz war nicht farbecht, und dafür gibt es eine einfache Erklärung: Es war gar kein Ebenholz sondern irgendein billiges anderes Holz, das der findige Schnitzer (oder auch Händler) mittels Schuhcreme in »Ebenholz« verwandelt hatte. Nun muß es ja durchaus nicht immer Ebenholz sein. Es gibt recht originelle Schnitzereien aus Rosenholz zum Beispiel. Doch wenn schon Ebenholz, dann am besten gleich eine Maconde-Schnitzerei, die zwar teuerer aber dafür auch ungleich wertvoller ist als alles andere. Man bekommt sie überall in den guten Geschäften. Am preiswertesten kauft man sie in der Umgebung von Dar es Salaam, wo die Maconde unter Palmdächern am Straßenrand sitzen und vor den Augen der Touristen mit Messer und Beil aus großen EbenholzKloben ihre Kunstwerke fertigen. Auch in der Hafenstadt selbst kann man ihnen bei der Arbeit zusehen. Dort gibt es eine Schnitzerei-Genossenschaft mit mehr als 1000 Mitgliedern und -150-
Ausstellungsräume, die randvoll mit Ebenholz-Skulpturen aller Art und Größe gefüllt sind. Das Volk der Maconde lebt im Grenzgebiet von Tansania und Mocambique. Wie kaum ein anderes ist es seit je mit dem Holz verwachsen, aus dem nach der Legende auch seine UrMutter geboren wurde. Holz ist das Material für Tanzmasken und Fruchtbarkeitssymbole, aus Holz werden die Hütten gebaut und die Figuren geschnitzt, die man für die Initation (die mit der Beschneidungs-Zeremonie verbundene Reifefeier) benötigt. Obwohl das widerstandsfähige Ebenholz sehr schwer zu bearbeiten ist, benutzen die Maconde-Künstler es heute fast ausschließlich. Im großen und ganzen unterscheidet man drei verschiedene Stile: den realistischen, den abstrakten und den Ujamaa-Stil. Die realistischen Skulpturen beschäftigen sich mit den Themen des täglichen Lebens. Sie stellen etwa dar: Wasserträger, Frauen bei der Feldarbeit, eine Mutter mit Kind, einen ruhenden alten Mann. Die abstrakten Skulpturen sind von der Mythologie geprägt. Geister und Dämonen blicken den Betrachter an, Hunger, Verzweiflung, Schmerz sind symbolisch dargestellt. Am interessantesten sind die »Ujamaas«. Das Wort bedeutet soviel wie »Gemeinschaftssinn« und taucht auch in dem Begriff »Ujamaa-Dorf« auf, womit die sozialistischen Dorfgemeinschaften Tansanias bezeichnet werden. Diese Skulpturen werden auch »Lebensbäume« genannt und bestehen zumeist aus hölzernen Menschenleibern, die Familie und Gemeinschaft symbolisieren. Sie wachsen auseinander heraus, jeder stützt den anderen und benützt ihn zugleich als Stütze. Für den Laien mag es eine Überraschung sein, daß Ebenholz überhaupt nicht rabenschwarz ist. Es hat vielmehr einen leicht rötlichen Schimmer und ist nahe der Rinde heller als im Innern. Am schönsten sind für meine Begriffe jene Skulpturen, die aus einem keilförmigen Stück Holz geschnitzt sind, und zwar so, -151-
daß die helle Rinde als unbearbeitete Rückwand gewissermaßen einen Rahmen für die dunklen Figuren bildet. Ob Ebenholz echt ist, erkennt man übrigens auch an seiner ungewöhnlichen Härte. Ein indischer Händler lieferte mir, als ich noch ganz neu in Afrika war, dafür einen überzeugenden Beweis: Da ich Zweifel an der Echtheit einer Figur äußerte, nahm er sie wortlos in die Hand und schlug damit eine Schnitzerei aus anderem Holz in kleine Stücke. Am Ebenholz war danach nicht die kleinste Schramme zu sehen. Zum Thema Schnitzereien wäre noch zu sagen, daß die Maconde gelegentlich auch Meerschaum bearbeiten. In der bereits erwähnten Pfeifenfabrik in Arusha gibt es auch Exemplare, deren Köpfe mit Schnitzereien verziert sind. Wer nicht nach Tansania kommt, kann auch in Nairobi die echten Arusha-Pfeifen kaufen und als nützliche Souvenirs mit nach Hause nehmen. Er zahlt zwar etwas mehr als am Herstellungsort, doch noch immer erheblich weniger als in Deutschland. Und noch eine Schnitzerei ist erwähnenswert: die Specksteinarbeit des Stammes der Kisii. Man findet sie in den Geschäften der Städte, aber oft auch unterwegs am Wegesrande, auf der Überlandfahrt (wo sie viel billiger sind). Das sind sehr hübsche Tiere, Vasen, Kerzenständer und Aschenbecher, teils roh bearbeitet, teils mit kunstvollen Ornamenten versehen. In den größeren Städten, besonders natürlich in Nairobi, gibt es neuerdings auch ein modernes Kunstgewerbe; afrikanische Motive, doch unverkennbar europäisch beeinflußt. Vor allem Schmuck mit Edel- oder Halbedelsteinen, Glas-, Leder- und Emailarbeiten, bunte Batiken. Die ostafrikanische Safari-Mode ist schick und preiswert: Kleider und Blusen aus Popeline und Leinen, ärmellose Herren-Westen (die sehr leicht sind aber erfreulich viele und große Taschen haben), Hüte und SafariSchuhe. All dies ist empfehlenswerter als mehr oder weniger nutzlose Staubfänger von der Art, wie sie überall in der Welt -152-
verkauft werden. Die guten Geschäfte haben feste Preise, beim Einkauf auf dem Markt oder im Bazar aber muß man handeln. Nicht nur, um Geld zu sparen, sondern weil es einfach dazugehört. Ein echter afrikanischer oder indischer Händler würde vermutlich hintenüberfallen, wenn man gleich auf seine erste Preisofferte einginge. Fordert er zehn Shilling, so lehnt man zunächst einmal empört ab und bietet fünf. Nach längerem Palaver wird man sich vermutlich auf etwa sechs bis sieben Shilling geeinigt haben. Die Zeit dafür muß man erübrigen; das Handeln ist Bestandteil der Verkaufs-Prozedur, es ist das Salz in der Suppe. Reine Gebrauchsgegenstände, etwa die herrlichen Sisal-Taschen, Körbe, Sets oder Untersätze aus Kokosfaser, kauft man am günstigsten irgendwo auf Safari in einem Dorf. Ein Markt findet fast täglich auch in kleinen Nestern statt. Tee aus dem Hochland, Kaffee von den Hängen des Kilimandscharo und eventuell eine Flasche Kenia Cane (einen recht gehaltvollen Zuckerrohr-Schnaps) sollte man unbedingt mit nach Hause nehmen (aber bitte an den deutschen Zoll denken! Der schlägt nämlich manchmal unerbittlich zu). Um viele Erfahrungen reicher, eingedeckt mit Souvenirs (und möglicherweise auch mit einem ausgewachsenen Sonnenbrand) findet man sich dann eines Abends auf Nairobis Embakasi Airport wieder. Die Safari ist gelaufen. Neun Stunden nach dem Start wird man in Frankfurt oder Düsseldorf aus der Maschine klettern, aber das schiebt man vorerst noch weit von sich. Schon hier, im ungemütlichen FlugplatzWarteraum, packt den Heimkehrer der große Jammer. Man denkt zurück an den Sonnenaufgang am Kilimandscharo, an die Webervögel neben dem Swimmingpool, an die Bootsfahrt zwischen Flußpferden und an die Hyäne, die sich das Ferkelbein holte. Man erinnert sich an den roten Staub, der nach langer Überlandfahrt am ganzen Körper klebte, an die Riesenspinne, die einmal am -153-
Kleiderschrank saß, und an den Termiten-Stoßtrupp, der die Stäbe des Parkettbodens ausgehoben hatte und ins Schlafzimmer geströmt war. Seltsam, auch an die weniger erfreulichen Ereignisse kann man denken, ohne daß es unangenehm ist. Woran mag es liegen, daß auch ungeduldige Menschen dort unten ganz ruhig werden? Daß ängstliche Frauen ihre Spinnenfurcht vergessen? Daß verwöhnte Manager-Typen plötzlich Geschmack an einem Feldbett im Zelt finden und klaglos die Zähne mit Orangenlimonade putzen? »Afrika verändert die Menschen«, sagen manche, und da scheint etwas dran zu sein. Aber darüber haben ja nun wirklich schon viel berühmtere Leute vor mir geschrieben. So will ich mich am Schluß auf den Hinweis beschränken, daß Sie mit Sicherheit ein Zusatz-Souvenir bei sich haben, von dem Sie jetzt, auf dem Airport, noch gar nichts ahnen. Das ist der Afrika-Bazillus, und der hat Sie längst gebissen. Aber bemerkbar macht er sich erst, wenn Sie wieder zu Hause sind und ohne Early morning tea, ohne Elefanten und Webervögel zurechtkommen müssen. Sie werden sich noch wundern, wie schwer das fällt! In diesem Sinne: Kwa heri (das heißt: Auf Wiedersehen). Natürlich in Ostafrika.
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Breitmaulnashörner im Meru-Nationalpark/Kenia
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Flugreisen nach Ostafrika Natürlich sind die großen Städte Ostafrikas mühelos mit Linienmaschinen zu erreichen. Wer jedoch ein »gemachtes Bett« vorfinden will, wer etwa einen Pauschalaufenthalt mit Vollpension oder eine Kombination von Badeferien und Safari buchen möchte, der wendet sich am besten an ein versiertes Reiseunternehmen. Nachstehend finden Sie (ohne Gewähr und ohne Anspruch auf Vollständigkeit) einige Firmen, die Ostafrika auf dem Programm haben. Einzelheiten entnehmen Sie bitte den aktuellen Prospekten. African Safari Club (Allschwil 3/Basel): Kenia. Badeaufenthalte bei Mombasa und Malindi, Safaris durch Nord- und Süd-Kenia. Afrika Tours Individuell (München): Kenia, Tansania. Badeaufenthalte bei Mombasa und Malindi, Aufenthalt in Nairobi, individuelle Safaris durch die kenianischen Wildschutzgebiete. Badeaufenthalt bei Dar es Salaam, individuelle Safaris durch Tansania. KilimandscharoBesteigung. Airtours: Kenia, Tansania. Badeaufenthalt bei Mombasa, Aufenthalt in Nairobi, Safaris durch Nord- und Süd-Kenia. Foto-Safari durch Nord-Tansania. Ethno-Safaris P. Naéls (8061 Ebersbach): Kenia. Expeditionen in kleinen Gruppen zum Lake Turkana. Tierbeobachtung und Kontakt mit der Bevölkerung in abgelegenen Gebieten. Gut Reisen: Kenia. Badeaufenthalt bei Mombasa, Safaris durch Süd-Kenia. Han-Lock, Afrika-Tours & Safaris (Berlin): Kenia, Tansania. Individuelle Safaris durch die kenianischen Wildschutzgebiete, Badeaufenthalt bei Mombasa, Hochlandferien bei Nairobi. -156-
Individuelle Safaris durch Tansania, Badeaufenthalt bei Dar es Salaam. Kilimandscharo-Besteigung. Auch Kombinationen mit einigen Nachbarländern und mit der Insel Mauritius möglich. ITS (Kaufhof-, Hertie-, Glücks-, Prima-Reisen): Kenia. Badeaufenthalt bei Mombasa, Hochlandferien bei Nairobi, Safaris durch Nord- und Süd-Kenia. Marco Polo Reisen (Kronberg/Taunus): Kenia, Tansania. Wissenschaftlich geleitete Safaris durch kenianische Wildschutzgebiete. Wissenschaftlich geleitete Safaris durch tansanische Wildschutzgebiete. Kenia kann mit den Seychellen (und mit Ceylon) kombiniert werden. NUR (Neckermann + Reisen): Kenia, Tansania. Badeaufenthalte bei Mombasa und Malindi, Aufenthalt in Nairobi, Safaris durch kenianische Wildschutzgebiete. Safaris durch tansanische Wildschutzgebiete. Kenia kann mit den Seychellen-Inseln kombiniert werden. TUI (Touropa, Scharnow, Transeuropa, Hummel, Dr. Tigges, Twen Tours): Kenia, Tansania. Badeaufenthalte bei Mombasa und Malindi, Aufenthalt in Nairobi, Safaris durch kenianische Wildschutzgebiete. Badeaufenthalt bei Dar es Salaam, Safaris durch tansanische Wildschutzgebiete. KilimandscharoBesteigung. Kenia kann mit den Seychellen, Tansania mit Mauritius kombiniert werden. Unger Flugreisen (Berlin): Kenia. Badeaufenthalte bei Mobasa und Malindi, Hochland-Safaris. Windrose Fernreisen (Berlin): Kenia, Tansania. Wissenschaftlich geleitete Safaris durch kenianische und tansanische Wildschutzgebiete. Es gibt die Möglichkeit, die beiden Länder (zwischen denen seit Jahren die Grenze geschlossen ist) miteinander zu verbinden, indem man nach einer Woche Tansania-Safari für sechs Tage auf die Seychellen fliegt und von dort aus für eine weitere Woche nach Kenia weiterreist. -157-
Walters-Reisen (Bremen): Kenia. Badeaufenthalt bei Mombasa, Aufenthalt in Nairobi, Safaris durch Nord- und SüdKenia.
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