Corinne Igel Großeltern in Europa
Corinne Igel
Großeltern in Europa Generationensolidarität im Wohlfahrtsstaat
Mit ...
42 downloads
793 Views
899KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Corinne Igel Großeltern in Europa
Corinne Igel
Großeltern in Europa Generationensolidarität im Wohlfahrtsstaat
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Marc Szydlik
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Zugl. Dissertation Universität Zürich / 2009 Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Herbstsemester 2009 auf Antrag von Prof. Dr. Marc Szydlik und Prof. Dr. François Höpflinger als Dissertation angenommen.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Dorothee Koch | Sabine Schöller VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17962-9
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
Vorwort................................................................................................................ 7 Danksagung ......................................................................................................... 9 Abbildungsverzeichnis ..................................................................................... 11 Tabellenverzeichnis .......................................................................................... 13 1
Einleitung ........................................................................................................ 15
2
Grosselternschaft und intergenerationale Solidarität ............................... 21 2.1 Grosselternschaft................................................................................. 21 2.2 Intergenerationale Solidarität .............................................................. 33 2.3 Motive für Unterstützungsleistungen in der Familie ........................... 38 2.4 Bedingungen für intergenerationale Solidarität .................................. 41 2.5 Forschungsstand .................................................................................. 45
3
Kulturell-kontextuelle Strukturen und intergenerationale Solidarität ... 53 3.1 Kulturell-kontextuelle Einflüsse auf familiale Unterstützung ............. 54 3.2 Wohlfahrtsstaatliche Regimes............................................................. 58 3.3 Länderspezifische Unterschiede.......................................................... 60 3.4 Wohlfahrtsstaat, Frauenerwerbsquote und Grosselternschaft ............. 75
4
Datensatz und Methoden .............................................................................. 79 4.1 SHARE-Datensatz .............................................................................. 79 4.2 Operationalisierung ............................................................................. 80 4.3 Mehrebenenanalyse............................................................................. 87
5
Unterstützungspotentiale, Bedürfnisse und Kultur ................................... 91 5.1 Familiale Strukturen der Grosseltern .................................................. 92 5.2 Opportunitätsstrukturen der Grosseltern ............................................. 95 5.3 Bedürfnisstrukturen junger Familien in Europa .................................. 98 5.4 Kulturelle Strukturen ........................................................................ 102
6
Inhaltsverzeichnis 5.5 Zwischenfazit .................................................................................... 107
6
Enkelbetreuung ............................................................................................ 111 6.1 Häufigkeit und Intensität von Enkelbetreuung in Europa ................. 112 6.2 Kulturell-kontextuelle Strukturen und Enkelbetreuung .................... 117 6.3 Einflussfaktoren auf Enkelbetreuung ................................................ 124 6.4 Enkelbetreuung im Geschlechtervergleich........................................ 134 6.5 Zwischenfazit .................................................................................... 138
7
Finanzielle Transfers ................................................................................... 141 7.1 Finanzielle Transfers im familialen Vergleich .................................... 142 7.2 Häufigkeit und Höhen von finanziellen Transfers in Europa.............. 145 7.3 Kulturell-kontextuelle Strukturen und finanzielle Transfers............... 147 7.4 Einflussfaktoren auf finanzielle Transfers .......................................... 151 7.5 Zwischenfazit ...................................................................................... 157
8
Fazit ............................................................................................................... 161
Literaturverzeichnis ............................................................................................. 169
Vorwort
Corinne Igel behandelt in ihrem Buch ein sehr wichtiges, gleichzeitig aktuelles wie zukunftsrelevantes Thema. Die Analyse von Generationenbeziehungen hat zu Recht Konjunktur, sie sind zentral für Individuen, Familien und Gesellschaften insgesamt. Die meisten Untersuchungen zum Thema beziehen sich allerdings auf Eltern und (erwachsene) Kinder. Es ist somit ein besonderes Verdienst der Verfasserin, diese Perspektive zu erweitern und Großeltern-Enkel-Beziehungen in den Blick zu nehmen. Dabei konzentriert sich die Autorin mit ihrem Fokus auf Enkelbetreuung und Finanztransfers auf zwei ganz zentrale Formen funktionaler Solidarität. Die Arbeit liefert wertvolle Erkenntnisse, die weit über das Feld der Generationen- und Familiensoziologie hinausreichen und u.a. auch für die Alters-, Lebenslauf-, Geschlechter- und politische Soziologie (Wohlfahrtsstaatsforschung) von Bedeutung sind. Sehr gewinnbringend ist hierbei, dass die Autorin Großeltern-EnkelBeziehungen nicht nur an sich unter die Lupe nimmt, sondern explizit die mittlere Generation einbezieht. Immerhin fungiert diese einerseits als „gatekeeper“, andererseits kommen Leistungen der Großeltern an die Enkel häufig auch den Kindern zugute – beispielsweise bei Erwerbstätigkeit oder finanziellen Engpässen der mittleren Generation. Hilfreich ist auch die Übertragung des Solidaritätsmodells auf Großeltern-Enkel-Beziehungen, die eine begründete Verknüpfung von Theorie und Empirie ermöglicht. Selbstverständlich ist zudem herauszuheben, dass die Studie von Grund auf international ausgerichtet ist und gleich für elf europäische Länder vielfältige, neue Befunde liefert – von Schweden über Deutschland, Österreich und die Schweiz bis hin zu Italien und Griechenland. Damit liefert die Schrift sowohl relevante vergleichende Befunde als auch substanzielle Einsichten in die Besonderheiten der einzelnen Staaten. Die Studie wurde vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert und ist im Rahmen der Forschungsgruppe Arbeit, Generation, Sozialstruktur (AGES) an der Universität Zürich entstanden. Hierbei werden Generationenbeziehungen im internationalen Vergleich umfassend erforscht. Corinne Igels Analysen zu GroßelternEnkel-Beziehungen liefern somit auch einen wichtigen Beitrag zur Soziologie der Generationen insgesamt. Ich wünsche dem Buch eine breite Leserschaft. Zürich, Februar 2011
Marc Szydlik
Danksagung Danksagung
Mein erster Dank gilt Marc Szydlik für seine herrvoragende fachkundige Begleitung und die aufmunternde Betreuung. Weiter möchte ich Herrn François Höpflinger für sein grosses Fachwissen, seine freundliche Unterstützung sowie das Verfassen des Zweitgutachtens danken. Patrick Ettinger danke ich herzlich für den Prüfungsbeisitz. Ein besonderer Dank gilt meinen Kollegen, die massgeblich zur Erstehung dieser Arbeit beigetragen haben: Martina Brandt und Bettina Isengard danke ich für den unerschöpflichen wissenschaftlichen und moralischen Beistand und die gute Freundschaft, Christian Deindl für die vielen Anregungen und die guten Büromomente, Klaus Haberkern für den inspirierenden Meinungsaustausch und Tina Schmid für das gewissenhafte und unermüdliche Korrekturlesen. Peter Rusterholz und John Flury standen mir bei allen EDV-Fragen immer hilfsbereit und fachkundig zur Seite, vielen Dank dafür. Für die grosse Hilfe beim Aufspüren und der Beschaffung von Literatur sei Britta Biedermann herzlich gedankt. Weiter möchte ich Valérie Minh Thi Keller für das wertevolle Korrekturlesen und den emotionalen Beistand sowie Isabelle Häberling, Nina Jakoby, Urs Meuli, Gunnar Otte und Claudia Vorheyer für viele anregende Gespräche und fürs Mutmachen danken. Jens Ossadnik danke ich für die kompetente und geduldige Durchsicht und Formatierung des Manuskripts. Für die finanzielle Unterstützung während der Arbeit an der Dissertation bin ich dem Schweizerischen Nationalfonds zu grossem Dank verpflichtet. Für die Finanzierung der Publikation danke ich dem Fonds National de la Recherche Luxembourg. Hugo Tschirky, Gaston Trauffler, Tim Sauber, Karin Löffler und Martin Gunzenhauser danke ich für die Inspiration den Weg der Promotion zu gehen. Für die seelische Unterstützung sowie die produktive Ablenkung vom Thema sei zudem Fabienne Birchen, Sophie Bertoli-Mathieu, Danielle Boultgen, Rachela Marano und Sabina Neuhaus von Herzen gedankt. Mein tiefster Dank gilt Niklas Östberg für seinen bedingungslosen Beistand und sein energisches Mitfiebern. Widmen möchte ich dieses Buch meiner Familie: Meine Eltern Maggy und Nic Igel und meinem Bruder Gilles Igel. Ich danke Euch von ganzem Herzen für die lebenslange Unterstützung.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.1: Abbildung 5.1: Abbildung 5.2: Abbildung 5.3: Abbildung 5.4:
Direkte und indirekte Transfers .............................................. 38 Kinderzahl .............................................................................. 92 Enkelzahl ................................................................................ 93 Wohnentfernung zum jüngsten Enkelkind ............................. 94 Vorhandensein eines Partners oder einer Partnerin nach Alter ........................................................................................ 95 Abbildung 5.5: Gesundheitszustand ................................................................ 96 Abbildung 5.6: Haushaltsauskommen ............................................................. 97 Abbildung 5.7: Bildungsstand ......................................................................... 98 Abbildung 5.8: Jüngstes Enkelkind ............................................................... 100 Abbildung 5.9: Erwerbstätigkeit der Töchter ................................................ 101 Abbildung 5.10: Konflikte mit den (Schwieger-)Kindern ............................... 103 Abbildung 5.11: Gebetshäufigkeit und religiöse Erziehung ............................ 105 Abbildung 6.1: Häufigkeit von Enkelbetreuung im europäischen Vergleich .............................................................................. 113 Abbildung 6.3: Durchschnittliche wöchentliche Betreuungszeit im europäischen Vergleich ........................................................ 115 Abbildung 6.5: Intensität von Enkelbetreuung im Geschlechtervergleich .... 117 Abbildung 6.6: Wohlfahrtsstaatliche Bedingungen im Ländervergleich ....... 120 Abbildung 6.7: Wohlfahrtsstaatliche Bedingungen und Häufigkeit von Enkelbetreuung ..................................................................... 121 Abbildung 6.8: Wohlfahrtsstaatliche Bedingungen und Intensität von Enkelbetreuung ..................................................................... 122 Abbildung 7.1: Empfänger nach unten gerichteter finanzieller Transfers ..... 143 Abbildung 7.2: Gründe für finanzielle Transfers an Kinder und Enkelkinder........................................................................... 144 Abbildung 7.3: Häufigkeit finanzieller Transfers an Kinder und Enkelkinder........................................................................... 145 Abbildung 7.4: Höhe finanzieller Transfers an Kinder und Enkelkinder ...... 146 Abbildung 7.5: Finanzielle Transfers an Kinder und Enkelkinder im Vergleich .............................................................................. 147
12 Abbildung 7.6: Abbildung 7.7:
Inhaltsverzeichnis Wohlfahrtsstaatliche und makroökonomische Bedingungen ......................................................................... 149 Kulturell-kontextuelle Strukturen und finanzielle Transfers ............................................................................... 151
Tabellenverzeichnis
Tabelle 3.1: Tabelle 3.2: Tabelle 4.1: Tabelle 4.2: Tabelle 6.1: Tabelle 6.2: Tabelle 6.4: Tabelle 6.5: Tabelle 6.6: Tabelle 7.1:
Wohlfahrtsstaatliche Regimes und Kinderbetreuung .................. 59 Frauenerwerbsquote in Europa.................................................... 76 Operationalisierung der Opportunitäten, Bedürfnisse und familialen Strukturen................................................................... 83 Operationalisierung der kulturell-kontextuellen Strukturen ........ 85 Länderunterschiede in der Enkelbetreuung ............................... 118 Einflussfaktoren auf die Häufigkeit von Enkelbetreuung ......... 126 Einflussfaktoren auf die Intensität von Enkelbetreuung............ 131 Einflussfaktoren auf Enkelbetreuung für Töchter ..................... 134 Einflussfaktoren auf Enkelbetreuung für Söhne........................ 137 Einflussfaktoren auf finanzielle Transfers ................................ 155
1 Einleitung 1 Einleitung 1 Einleitung
Noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit war es so vielen Grosseltern möglich, das Aufwachsen ihrer Enkelkinder derart lange zu erleben wie heute. Die höhere Lebenserwartung von älteren Menschen hat dazu geführt, dass sich die gemeinsame Lebenszeit zwischen Grosseltern und Enkeln beträchtlich verlängert hat, ein Trend, der lediglich durch die spätere Geburt des ersten Enkels verlangsamt wird (Brake 2005). Grosselternschaft ist dabei aufgrund von gesundem Altern zu einem aktiv gelebten Lebensabschnitt vieler älterer Menschen geworden (Giarrusso, Silverstein und Bengtson 1996; Höpflinger, Hummel und Hugentobler 2006; Lauterbach 2002). Aber nicht nur die gemeinsame Lebenszeit von Grosseltern und Enkelkindern ist gestiegen, auch die Anzahl der Kinder pro Familie hat sich aufgrund sinkender Geburtszahlen verringert. Entstanden sind sogenannte „Bohnenstangenfamilien“ (Bengtson, Rosenthal und Burton 1990: 264), in denen den vertikalen familialen Verbindungen eine zunehmende Bedeutung zukommt (Nave-Herz 1998). Grosseltern können demnach nicht nur mehr Zeit mit ihren Enkelkindern verbringen, sondern teilen ihre emotionale Aufmerksamkeit und Unterstützungsleistungen auch auf weniger Enkel auf. Grosseltern werden in der soziologischen Literatur als sogenannte family watchdogs (Troll 1983), national guards (Hagestad 1985) oder being there grandparents (Bengtson 1985) bezeichnet. Diese Ausdrücke beziehen sich auf die Leistungen, die Grosseltern in familiären oder individuellen Notsituationen erbringen. Steigende Erwerbsraten von Frauen sowie relativ hohe Trennungsbzw. Scheidungsraten fordern viele junge Familien heraus. Einerseits gilt es, ökonomische Sicherheit in Zeiten wirtschaftlicher Krise und Instabilität aufzubauen, andererseits müssen Familie und Beruf in Einklang gebracht werden. Grosseltern nehmen dabei oftmals eine zentrale Position im sozialen Netzwerk von jungen Familien ein und leisten nicht nur Hilfe in Notlagen, sondern liefern durchaus auch regelmässige Unterstützungsleistungen (Silverstein, Giarrusso und Bengtson 2003). Wegen ihrer emotionalen Nähe zu den Enkelkindern fungieren Grosseltern als wichtige familiale Helfer in Bezug auf Kinderbetreuung, und vor allem Mütter mit sehr jungen Kindern greifen bevorzugt auf diese Form nicht-elterlicher Betreuung zurück (Wheelock und Jones 2002: 454). Zahlen zu tatsächlich erbrachten Enkelbetreuungsleistungen gibt es jedoch noch kaum, denn in vielen soziologischen Studien stehen zeitliche Hilfeleistungen von KinC. Igel, Großeltern in Europa, DOI 10.1007/978-3-531-93055-8_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
16
1 Einleitung
dern an ihre betagten Eltern im Mittelpunkt, während Transferleistungen der älteren Generation an jüngere Familienmitglieder vor allem im Rahmen von Reziprozitätsdiskussionen (z.B. Schwarz und Trommsdorff 2005) oder in der Literatur zu finanziellen Transfers bearbeitet werden (z.B. Kohli 1999; Szydlik 2008). Diese Forschungslücke will die vorliegende Arbeit schliessen und damit dem Umstand Rechnung tragen, dass Enkelbetreuung von grossem Nutzen für Staat und Gesellschaft ist (z.B. Presser 1989; Bass und Caro 1996) und eine wichtige Basis für spätere intergenerationale Austauschbeziehungen sowie für emotionale Nähe zwischen Grosseltern und ihren Enkelkindern bildet (EvenZohar und Sharlin 2009; Höpflinger, Hummel und Hugentobler 2006; Silverstein, Giarrusso und Bengtson 2003). Die gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Relevanz der Frauenerwerbstätigkeit und der Rückgang der Fertilitätsraten in Europa führen zu einer politischen Perzeption familienbezogener Problemlagen (Wheelock und Jones 2002). So hat der Europäische Rat im März 2002 im Rahmen der sogenannten Barcelona-Ziele beschlossen, das Angebot an öffentlicher Kinderbetreuung bis zum Jahre 2010 in einem Ausmass auszubauen, dass 33 Prozent der Kleinkinder unter drei Jahren und 90 Prozent aller Kinder zwischen drei Jahren und dem Alter des Schuleintritts über einen Betreuungsplatz beziehungsweise über einen Platz in einer Vorschule verfügen sollen (Europäischer Rat 2002: 12). Diese Massnahmen dienen vor allem dazu, die Erwerbstätigkeit junger Mütter zu erleichtern. Es stellt sich die Frage, ob nicht gerade durch solche politischen Programme grosselterliche Unterstützungsleistungen verdrängt werden und die Rolle der Grosseltern im Beziehungsgeflecht der Familie abgeschwächt wird. In der wissenschaftlichen Literatur lassen sich kaum Anhaltspunkte dafür finden, dass staatliche Investitionen intergenerationale Unterstützungsleistungen generell verdrängen würden (Brandt, Haberkern und Szydlik 2009; Daatland 2001; Künemund und Rein 1999). Dennoch können unterschiedlich ausgeprägte Wohlfahrtsstaaten einen Einfluss auf den Grad und die Art der erbrachten familialen Leistungen älterer Menschen haben, denn in Bezug auf grosselterliche Kinderbetreuung lassen sich wesentliche Länderunterschiede ausmachen: So betreuen im Vergleich zu den südlichen familienorientierten Ländern Europas skandinavische Grosseltern ihre Enkelkinder häufiger (Hank und Buber 2009). In dieser Arbeit wird diesen ersten Ergebnissen durch einen empirischen Vergleich grosselterlicher Unterstützung in Europa auf den Grund gegangen und das Zusammenspiel von Staat und Familien näher beleuchtet. Forschung zur Grosselternschaft bezieht sich oftmals auf die emotionale Beziehung zwischen Grosseltern und ihren Enkelkindern (Clingempeel et al. 1992; Cronsoe 2002; Höpflinger, Hummel und Hugentobler 2006) sowie auf die psychologischen Konsequenzen des Grosseltern-Werdens oder auf unterschiedli-
1 Einleitung
17
che Grosselternstile (Baydar und Brooks-Gunn 1998; Cherlin und Furstenberg 1986; Robertson 1977; Troll 1983). Nur wenige Studien haben bisher funktionale Grosselternschaft untersucht (z.B. Templeton und Bauereiss 1994; Hoff 2007), und vor allem international vergleichende Studien sind selten (z.B. Hank und Buber 2009). Grundsätzlich verbringen Grosseltern gerne Zeit mit ihren Enkelkindern und fühlen sich diesen nahe. Ausserdem haben Grosseltern oftmals starke Verantwortungsgefühle gegenüber der jüngeren Generation und stellen in Krisensituationen und über den Lebenslauf der Enkelkinder hinweg eine wichtige Bezugsperson dar (Gauthier 2002a; Silverstein, Giarrusso und Bengtson 2003). Neben emotionalem Beistand erbringen Grosseltern dabei oftmals auch finanzielle Leistungen. Sie unterstützen dadurch Pläne und Aktivitäten der Enkel oder drücken ihre Zuneigung gegenüber diesen aus. Es sind jedoch nicht nur die durch gesellschaftlichen Wandel induzierten und durch persönliche Lebenslagen akzentuierten Bedürfnisse, die intergenerationale Unterstützungsleistungen von Grosseltern definieren. Auch grosselterliche Opportunitätsstrukturen bestimmen das intergenerationale Verhalten dieser älteren Generation massgeblich (Dimova und Wolff 2008; Szydlik 2008; Uttal 1999). Für die Betreuung des Enkelkindes muss ein Grosselternteil zum Beispiel eine gute Gesundheit aufweisen und genügend Zeit haben. In Bezug auf finanzielle Transfers spielt vor allem das Vorhandensein ökonomischer Ressourcen eine Rolle (Szydlik 2000). Ebenfalls bedeutsam für die Ausgestaltung grosselterlicher Leistungen sind die Eltern der Enkel. Diese übernehmen in ihrer sogenannten gatekeeper-Rolle (Knipscheer 1988) eine wichtige Funktion in der Beziehung zwischen Enkelkindern und Grosseltern und können entscheiden, ob grosselterliche Kinderbetreuung stattfindet oder nicht. Diese Arbeit hat zum Ziel, die wichtigsten funktionalen Leistungen von Grosseltern an die jüngere Generation zu erörtern und den Einfluss individueller Faktoren, der Familienstrukturen und kulturell-kontextueller Rahmenbedingungen auf diese Form intergenerationaler Solidarität zu untersuchen. Dabei sollen funktionale familiale Transfers im Mittelpunkt stehen, die direkt (finanzielle Transfers) oder indirekt (Kinderbetreuung) über die Grosseltern-Enkelkind-Beziehung vorgenommen werden. Wichtig bei der Analyse intergenerationaler Transfers zwischen Grosseltern und Enkelkindern ist dabei die Einnahme einer Dreigenerationenperspektive. Solidaritätsleistungen der Grosseltern sind an unterschiedliche Bedürfnisstrukturen geknüpft, die sowohl auf der Ebene der Enkelkinder anzusiedeln sind, als auch – und dies trifft vor allem auf die Enkelbetreuung zu – auf der Ebene der Eltern der Enkel. So unterstützen viele Grosseltern durch ihre Leistungen die Teilnahme ihrer (Schwieger-)Töchter am Arbeitsmarkt und erleichtern jungen Familien die Kombination von Elternschaft und Erwerbstätigkeit. Neben der
18
1 Einleitung
Berufstätigkeit der Eltern ist jedoch auch das Alter des Enkelkindes von Bedeutung, wobei jüngere Enkel in der Regel mehr Betreuung benötigen als ältere Kinder. Demnach beeinflussen sowohl Eigenschaften der Eltern als auch der Enkelkinder die Unterstützungsleistungen von Grosseltern. Grosselternschaft ist nicht nur zu einem zeitlich längeren Lebensabschnitt vieler älterer Menschen geworden, sondern auch deren Bedeutung und Ausgestaltung hat in den letzten Jahrzehnten einen Wandel erlebt. Die veränderte gesellschaftliche Perzeption der Grosselternrolle hat dazu beigetragen, dass Grossmütter und -väter wichtige Bezugspersonen im familialen Netzwerk darstellen. In Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit wird zunächst eine historische Betrachtung von Grosselternschaft vorgenommen und die Rolle von Grosseltern im intergenerationalen Gefüge erörtert. Die Diskussion unterschiedlicher Beziehungsstile verdeutlicht dabei, dass für die Ausgestaltung der Beziehung zwischen Grosseltern und Enkelkindern grosselterliche Rollenverständnisse meistens untergeordnet sind. Vielmehr bietet sich Platz für einen offenen Austausch miteinander. Anschliessend wird eine theoretische Klärung des Generationenbegriffs vorgenommen, und unterschiedliche Dimensionen intergenerationaler Solidarität werden vorgestellt. Im Mittelpunkt der vorliegenden Studie stehen funktionale grosselterliche Transfers, die direkt (finanzielle Transfers an Enkelkinder) oder indirekt (Enkelbetreuung) an die Enkelkinder geleistet werden. Weiter werden unterschiedliche Motive für familiale Unterstützungsleistungen aufgezeigt und deren Bedeutung für Solidarleistungen von Grosseltern an ihre Enkelkinder erörtert. Die Bedingungen monetärer Transfers und instrumenteller Hilfe können anschliessend anhand eines Modells zur intergenerationalen Solidarität identifiziert werden (Szydlik 2000, 2008). Neben den Bedürfnissen der Enkel und deren Familien sowie den Opportunitäten der Grosseltern spielen familiale Strukturen und kulturell-kontextuelle Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle zur Erklärung familialer Solidarität. Der Schlussteil von Kapitel 2 bietet einen Überblick über den Forschungsstand zu grosselterlichen Rollenbildern und funktionalen Transfers. Die kulturell-kontextuellen Bedingungen für intergenerationale Solidarität stehen im Mittelpunkt von Kapitel 3. Dabei wird der theoretische Zusammenhang zwischen wohlfahrtsstaatlichen Arrangements und grosselterlicher Kinderbetreuung erörtert. Die familienpolitische Ausrichtung europäischer Wohlfahrtsstaaten und deren historische Entwicklung werden diskutiert, und nationale Strukturen in Bezug auf die Unterstützung junger Familien bei der Betreuung von Kindern und Kleinkindern werden aufgezeigt. Die detaillierte Darstellung länderspezifischer familienpolitischer Unterschiede bietet eine Erklärungsgrundlage für die empirische Analyse des Zusammenhangs zwischen staatlichen Investitionen und Enkelbetreuungsleistungen.
1 Einleitung
19
Die Vorstellung des SHARE-Datensatzes und der Operationalisierung der abhängigen und unabhängigen Variablen in Kapitel 4 leitet über zum empirischen Teil der Arbeit. Der SHARE-Datensatz ermöglicht die empirische Umsetzung einer Dreigenerationenperspektive, indem für Enkelbetreuung sowohl die Eigenschaften der Kinder (Eltern der Enkel) als auch jene der Grosseltern und Enkel in die Analysen mit einbezogen werden können. Im Weiteren ermöglichen die Daten eine ländervergleichende Perspektive, die in der soziologischen Forschung zum Thema der funktionalen Grosselternschaft bislang fehlt. Somit schliesst diese Arbeit eine wichtige Forschungslücke. Am Schluss des Kapitels wird auf das methodische Vorgehen eingegangen. In den empirischen Analysen der vorliegenden Arbeit werden in einem ersten Schritt die Familienstrukturen von Grosseltern in Europa und grosselterliche Potentiale deskriptiv dargestellt, wie beispielsweise der Gesundheitszustand, die finanziellen Ressourcen und die Wohnentfernung zu den Enkelkindern (Kapitel 5). Zudem werden Bedürfnisstrukturen auf Seiten der Kinder und Enkelkinder empirisch erörtert. Es handelt sich hierbei zum Beispiel um die Erwerbstätigkeit der Eltern der Enkel oder um das Alter der Enkelkinder. Die daraufhin folgende ländervergleichende Beschreibung der Religiosität von Grosseltern sowie grosselterlichen Verpflichtungsgefühlen ermöglicht einen ersten Einblick in die kulturell-kontextuellen Strukturen intergenerationaler Solidarität zwischen Grosseltern und Enkelkindern. Anschliessend werden die empirischen Ergebnisse zu funktionalen Unterstützungsleistungen von Grosseltern an die jüngere Generation vorgestellt (Kapitel 6 und 7). Folgende Fragen werden dabei untersucht: Wie häufig werden direkte und indirekte Transfers an Enkelkinder geleistet? Welche Höhen beziehungsweise welche Intensität weisen diese grosselterlichen Unterstützungsleistungen auf? Aus welchen Gründen leisten Grosseltern ihren Enkelkindern finanzielle Unterstützung? Wie beeinflussen Bedürfnis- und Opportunitätsstrukturen ökonomische und zeitliche Transfers? Und welche Rolle spielt der kulturellkontextuelle Rahmen bei der Entscheidung, Unterstützung zu erbringen, und für die Intensität der erbrachten Leistung? Im Vordergrund wird dabei die Frage stehen, ob öffentliche Unterstützungen grosselterliche Transfers eher verdrängen und ersetzen oder ob sie sich durch Entlastung und funktionale Aufteilung förderlich auf diese Form intergenerationaler Solidarität auswirken. Zum Schluss der vorliegenden Arbeit (Kapitel 8) werden die empirischen Ergebnisse noch einmal zusammengefasst und die Bedeutung und Ausgestaltung funktionaler Grosselternschaft in Europa abschliessend beleuchtet und diskutiert.
2 Grosselternschaft und intergenerationale Solidarität 2 Grosseelternschaft und intergenerationale Solidarität
2.1 Grosselternschaft 2.1 Grosselternschaft Das gesellschaftliche Rollenverständnis von Grosselternschaft hat sich innerhalb des letzten Jahrhunderts stark gewandelt. Dies ist unter anderem durch einen Anstieg des Altenanteils an der Gesamtbevölkerung durch den seit Ende des 19. Jahrhunderts einsetzenden sogenannten demographischen Übergang (Höpflinger 1997) erklärbar. Grosselternschaft ist seither ein häufig vorkommender Lebensabschnitt (Chvojka 2003) und die gemeinsame Lebenszeit zwischen Grosseltern und ihren Enkelkindern ist stark angestiegen. Grosselternschaft ist jedoch nicht erst seit jener Zeit demographisch ,möglich( ދGourdon 1999). Allerdings kam den Grosseltern lange eine nur schwache bis inexistente normative Rolle im Familiennetzwerk zu. Zwar betreuten Grosseltern schon Anfang des 18. Jahrhunderts ihre Enkel, und bereits hier begann ein langsamer Wandel von gesellschaftlichen Altersbildern, dennoch hat eine konkrete Positionierung der Grosselternschaft innerhalb der Familie später eingesetzt. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts, mit der Herausbildung der bürgerlichen Kleinfamilie (Huinink und Wagner 1998), hatte sich die Grosselternschaft als fester Bestandteil des familialen Netzwerks etabliert. Vor allem in bürgerlichen Familien aus städtischen Gegenden pflegten Grosseltern und ihre Enkelkinder regelmässige Kontakte, was dazu führte, dass Grosseltern für individuelle Kindheitserfahrungen aus dieser Zeit an Wichtigkeit gewannen (Chvojka 2003). Sie übernahmen eine Brückenfunktion zur Familienvergangenheit und traten als Zeitzeugen für geschichtliche Ereignisse auf. Auch im proletarischen Milieu wurden Grosseltern vermehrt in der Kinderbetreuung eingesetzt, für diese Dienstleistung jedoch üblicherweise bezahlt (Chvojka 2003). Das Rollenbild der Grosseltern orientierte sich gleichwohl vor allem am bürgerlich geprägten Bild von Grosselternschaft, was zur Folge hatte, dass, auch wenn im Proletariat viele Enkelkinder und Eltern ihre Grosseltern in durchaus aktiven, ökonomisch wertvollen und resoluten Situationen erlebten, die normative Rollenvorstellung der lieben, warmherzigen und bescheidenen Grosseltern vorherrschte (Chvojka 2003; Höpflinger, Hummel und Hugentobler 2006). Insbesondere das Bild der
C. Igel, Großeltern in Europa, DOI 10.1007/978-3-531-93055-8_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
22
2 Grosseelternschaft und intergenerationale Solidarität
Grossmütter wurde stark mit altmodischen Ritualen und Verhaltensweisen in Verbindung gebracht (Höpflinger, Hummel und Hugentobler 2006).1 Dieses Rollenverständnis ging mit einer starken Skepsis gegenüber grosselterlichem Einfluss in erzieherischen Fragen einher. So beschäftigte sich die psychoanalytische Forschung neben der symbolischen Bedeutung von Grosselternschaft in den fünfziger und sechziger Jahren auch mit dem sogenannten grandparent syndrom (z.B. Rappaport 1958), welches davon ausgeht, dass verschiedene psychische Störungen von Kindern und Erwachsenen auf die Beziehung zu einem Grosselternteil zurückzuführen sind (Neugarten und Weinstein 1964; Tucker 2006). Im Vordergrund steht dabei die unbewusste Identifikation mit dem Grosselternteil, die zu unterschiedlichen Problemen innerhalb der menschlichen Psyche führen kann. Zudem wurde der schlechte Einfluss der Grosseltern auf die Enkel durch übermässiges Verwöhnen, veraltete Ansichten zur Kindererziehung und das InKonkurrenz-Treten mit der elterlichen Autorität thematisiert (Höpflinger, Hummel und Hugentobler 2006; Chvojka 2003). Man versuchte die Bedeutung von Grosseltern möglichst zu reduzieren, so dass Enkelkinder keinem grosselterlichen Einfluss unterlagen. Grossvätern wurde oftmals die Rolle des „Märchenonkels“ zugewiesen und autoritäre Züge oder Kompetenzen versagt (Höpflinger, Hummel und Hugentobler 2006: 19). Dies führte dazu, dass Grosselternschaft lange Zeit kein Thema der soziologischen Familienforschung2 war (Silverstein, Giarrussi und Bengtson 2003), und auch die Psychologie beschäftige sich nur am Rande mit der Bedeutung und Ausgestaltung des grosselterlichen Lebensabschnitts. Lediglich die Gerontologie wies bereits in den sechziger Jahren auf die Rolle der Enkelkinder im sozialen Netzwerk alter Menschen hin (Attias-Donfut und Segalen 2007). Eine differenzierte soziologische Erforschung von Grosselternschaft fand hingegen erst im Zuge gesellschaftlicher Veränderungsprozesse (demographischer Wandel, ge1
2
Chvojka (2003: 323) zitiert in seinem Buch zur Geschichte der Grosselternschaft als Beispiel eine biographische Aufzeichnung von Irmgard Fischer, geboren 1921 in Atzbach in Oberösterreich: „Meine Grossmutter besass zwar ein elektrisches Bügeleisen (…). Aber sie bevorzugte ihr altes Kohlenbügeleisen, dessen Inbetriebnahme einem Ritual glich, das mich als Kind sehr faszinierte.“ Und auch die folgende Beschreibung stellt das Verhalten von Grosseltern und vor allem Grossmüttern als irrational und altmodisch dar: „Es galt als Todsünde, das Licht vor Einbruch der völligen Dunkelheit anzudrehen. Meine Grossmutter pflegte dies mit der Behauptung zu untermauern, das sogenannte ,Zwielicht – ދsie meinte damit Dämmerung plus elektrisches Licht – sei ungesund für die Augen.“ Wobei man sich hier berechtigterweise die Frage stellen kann „whether earlier inattention to this topic reflected the small role that grandparents played in the lives of children in the past, or whether researchers in the past were blind to the significant role they played“ (Uhlenberg und Kirby 1998: 37), denn auch wenn die gesellschaftliche Rollenvorstellung Grosseltern eher marginalisierte, so kann dennoch davon ausgegangen werden, dass Kontakte zwischen der älteren Generation und Enkelkindern von Bedeutung innerhalb des Familiengefüges waren.
2.1 Grosselternschaft
23
sundes Altern) in den achtziger beziehungsweise neunziger Jahren statt (AttiasDonfut und Segalen 2007). Im öffentlichen Diskurs finden sich auch heute noch vorherrschende stereotype Rollenbilder von Grosseltern und vor allem Grossmüttern, die der individuellen Vielfalt grosselterlicher Stile kaum Rechnung tragen (Höpflinger, Hummel und Hugentobler 2006). Seit einigen Jahren haben sich verschiedene Medien verstärkt dem Thema Grosselternschaft populärwissenschaftlich angenommen. Im Rahmen von Diskussionen um die sogenannte ,Generation 50plus ދwerden Inhalte und Potentiale des grosselterlichen Lebensabschnitts diskutiert. Im Jahre 2006 wurde beispielsweise die erste deutsche Zeitschrift für Grosseltern lanciert (,Grosseltern)ދ, und in den USA finden sich zahlreiche Internetplattformen, die Grosseltern Austauschmöglichkeiten und praktische Tipps in Bezug auf den Umgang mit ihren Enkeln und deren Familien liefern. Diese Entwicklungen deuten darauf hin, dass im gesellschaftlichen Diskurs eine Wandlung und Ausdifferenzierung des grosselterlichen Rollenverständnisses stattfindet. Vor allem das klischeebesetzte Bild der Grossmutter wird durch die steigende Berufstätigkeit von Frauen, die auch noch als Grossmütter im Arbeitsmarkt tätig sind, abgeschwächt und mit einem neuen ,modernen ދBild von Grossmutterschaft ersetzt (Meischner 1997). Grossmütter werden im öffentlichen Diskurs nicht mehr nur als warmherzige, passive ,Omas ދcharakterisiert, die ihr Leben bereits hinter sich haben, sondern als Frauen, die noch aktiv am Leben teilnehmen (Richter 1993). In der wissenschaftlichen Forschung geht diese Sichtweise mit einer zunehmend kritischen Betrachtung der sogenannten disengagement theory einher (Cumming und William 1961; Hochschild 1975), welche besagt, dass alte Menschen prinzipiell den Wunsch haben, sich aus sozialen Netzwerken und den damit verbundenen Rollenverpflichtungen zurückzuziehen. Dieser Rückzug wird als natürlicher und vom gesellschaftlichen Umfeld grösstenteils als positiv bewerteter Prozess betrachtet. Ältere Menschen sind gemäss der disengagement theory stark selbstbezogen und demnach auch innerhalb des familialen Netzwerks eher inaktiv. Empirische Studien der letzten Jahrzehnte widerlegen jedoch einen prinzipiellen sozialen Rückzugsprozess älterer Menschen (z.B. Kohli 1993, 1997; Künemund 2000). Grosselternschaft kann also als aktiver Lebensabschnitt gelebt werden und wird auch im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs zunehmend als solcher wahrgenommen. Soziologische Studien zur Rolle von Grosseltern in der postmodernen Familie zeigen Grosseltern als sogenannte family watchdogs (Troll 1983) oder silent saviors (Creighton 1991), die eine bedeutsame Position im sozialen Netzwerk junger Familien übernehmen und wichtige Unterstützung bei familialen und emotionalen Problemen oder ökonomischen Engpässen leisten. Doch gilt für die Beziehung zwischen Grosseltern und ihren Enkelkindern auf erzieherischer Ebe-
24
2 Grosseelternschaft und intergenerationale Solidarität
ne auch weiterhin die sogenannte non interference norm (z.B. Aldous 1995; Höpflinger, Hummel und Hugentobler 2006; Kemp 2004). Grundsätzlich besteht dabei seitens der Eltern der Enkelkinder der Wunsch, in Bezug auf erzieherische Belange Grosseltern keine Verantwortung zu übertragen. Gemäss Brake (2005) geben nur 44 Prozent der Mütter ihre eigene Mutter als wichtige Anlaufstelle in Erziehungsfragen an, 70 Prozent jedoch die Freundin. Allerdings ist mittlerweile der Gedanke veraltet, dass Grosseltern prinzipiell einen negativen Einfluss auf ihre Enkelkinder ausüben (Meischner 1997). Im Gegenteil, Grosseltern gelten bei jungen Müttern als präferierte Personen für nicht-elterliche Kinderbetreuung (Wheelock und Jones 2002). Auch meint die non interference norm nicht, dass Grosseltern sich in der gemeinsamen Zeit, die sie mit den Enkelkindern verbringen, den Erziehungsmethoden der Eltern gänzlich anpassen müssen. Vielmehr gelten bei den Grosseltern oftmals andere Erziehungsregeln, die von den Eltern der Enkel, sofern sie nicht grundsätzliche Wertevorstellungen der Eltern verletzen, meistens ohne weiteres akzeptiert werden. Grosseltern haben trotz des Bestehens der non interference norm eine wichtige Funktion bei der Sozialisation von Kindern (Kornhaber und Woodward 1981). In ihrer Rolle als nahe Bezugspersonen sind Grosseltern eine bedeutende ,Sozialisationsbrücke( ދBertram 1994; Höpflinger 2009; Krappman 1997); sie stehen den Enkelkindern nahe, zeigen aber dennoch andere Verhaltensweisen auf als die ersten Vertrauenspersonen. Zudem wirkt die Beziehung zwischen Enkelkindern und Grosseltern oftmals sehr förderlich auf die Akzeptanz älterer Menschen durch die jüngere Generation, was vor allem auf dem Konzept der sogenannten social contact hypothesis (Allport 1954) beruht: Kinder, die regelmässige Kontakte mit älteren Menschen unterhalten, verfügen über ein tendenziell positives Altersbild, während die Abwesenheit dieser Kontakte zu einer indifferenten oder unrealistischen Stereotypisierung führen kann (Caspi 1984; Krappmann 1997; Meshel und McGlynn 2004). Der mangelnde Kontakt zur älteren Generation, der demnach als ein wichtiger Grund für das Aufkommen eines negativen Altersbildes genannt werden kann (Roux et al. 1996), könnte durch ausgeprägte Grosseltern-Enkel-Beziehungen vermieden werden (Lange und Lauterbach 1998). Allerdings werden Altersbilder nicht alleine durch Kontakt verändert oder angepasst, die Umstände und die Art des Kontaktes sowie die Beziehung zwischen den Familienmitgliedern spielen ebenfalls eine wichtige Rolle (z.B. Harwood et.al. 2005). Die Beziehung zwischen Grosseltern und Enkelkindern Familienbeziehungen in der postmodernen Gesellschaft sind von einer „Abnahme institutionalisierter Rollenkonzepte“ (Wilk 1993: 205) geprägt. Dies bedeu-
2.1 Grosselternschaft
25
tet, dass sowohl Eltern-Kind-Beziehungen als auch Grosseltern-Enkel-Beziehungen vermehrt individuellen und familialen Aushandlungsprozessen unterliegen und sich weniger an gesellschaftlich vorgegebenen Rollen und Normen orientieren (Pruchno und Johnson 1996). Zudem bestehen auf institutioneller Ebene keine klaren Vorschriften bezüglich grosselterlicher Rechte und Pflichten (Giarrusso, Silverstein und Bengtson 1996). Generell herrscht also eine stark diversifizierte Rollenkonzeption von Grosselternschaft vor, die sich nur bedingt an traditionellen und sozialen Konventionen orientiert (Silverstein, Giarrusso und Bengtson 2003). Die unterschiedlichen Mitglieder der postmodernen Dreigenerationenfamilie arbeiten demzufolge in familialen Aushandlungsprozessen die Wirkungsbereiche und Inhalte von Grosselternschaft aus (Kornhaber 1996). Dabei geht es darum, sowohl die instrumentellen Rollen der Grosselternschaft in der Familie festzulegen als auch emotionale Beziehungen zu gestalten (Wilk 1993). Die qualitative soziologische Forschung hat sich dieser Komplexität der grosselterlichen Rolle angenommen, indem sie unterschiedliche individuelle Stile von Grosselternschaft definiert. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels werden einige zentrale Studien zu besagten grosselterlichen Stilen vorgestellt, zunächst sollen aber die zentralen Merkmale der Beziehung zwischen Grosseltern und Enkelkindern erörtert werden. Im Vordergrund stehen dabei Aspekte der Grosseltern-Enkel-Beziehung, die die Ausgestaltung intergenerationaler grosselterlicher funktionale Transfers beeinflussen können. Die angestiegene gemeinsame Lebenszeit von Grosseltern und Enkelkindern ermöglicht eine Fortführung der Beziehung zwischen diesen beiden Generationen bis ins Erwachsenenalter der Enkel (Höpflinger, Hummel und Hugentobler 2006; Olbrich 1997). Es ist also wichtig, die Grosseltern-Enkel-Beziehung aus einer Lebenslaufperspektive heraus zu betrachten (Kivett 1989). Das soziale Leben von Familienmitgliedern ist in der Regel stark miteinander verbunden (Elder 1994; Hagestad und Neugarten 1985), und so gibt es auch in der Phase der Grosselternschaft verschiedene Transitionen, die eng an das Alter und die Ereignisse im Lebenslauf der Enkelkinder oder auch der Eltern der Enkel3 geknüpft sind (Cronsoe und Elder 2002; Szinovacz 1998). Wenn die Enkelkinder noch sehr jung sind, spielen die Eltern der Enkel für die Grosseltern-EnkelkindBeziehung eine wichtige Rolle. Sie übernehmen eine Art Brückenfunktion zwischen der älteren und der jüngeren Generation und gelten als sogenannte gatekeeper (Knipscheer 1988; Robertson 1975). Eltern können dabei aktiv Kontakte vorschlagen und entscheiden, ob der Grosselternteil in das alltägliche Leben des Enkelkindes mit eingebunden werden soll (Whitbeck, Hoyt und Huck 1993). In 3
Wichtige Transitionen der Eltern der Enkel, welche für grosselterliche intergenerationale Unterstützung von Bedeutung sind, könnten beispielsweise Scheidung, Wohnortswechsel, Arbeitslosigkeit, Erwerbstätigkeit von Müttern oder Drogenabhängigkeit und Krankheit sein.
26
2 Grosseelternschaft und intergenerationale Solidarität
funktionaler Hinsicht gilt dies insbesondere für indirekte Zeittransfers an Enkelkinder, namentlich Kinderbetreuungsleistungen, die stattfinden, wenn das Enkelkind noch sehr jung ist. Generell kann davon ausgegangen werden, dass die Präsenz junger Kinder intergenerationale Beziehungen und Transfers intensiviert und den Zusammenhalt innerhalb der Familie verstärkt (Marbach 1994b; Templeton und Bauereiss 1994). Während des Übergangs der Enkelkinder zum Jugend- und jungen Erwachsenenalter verlieren die Eltern in ihrer Rolle als gatekeeper an Einfluss beziehungsweise die bereits lange Zeit durch die Eltern beeinflussten Beziehungsmuster setzen sich selbstständig fort (Cronsoe und Elder 2002). Auch die Bedürfnisstrukturen der Enkelkinder verändern sich, da ein neuer und meist unabhängiger und individueller Lebensabschnitt beginnt (Lange und Lauterbach 1998). Zeitliche Transfers rücken aus der Perspektive der Grosseltern mit zunehmendem Alter der Enkel in den Hintergrund (Dench und Ogg 2003) und finanzielle Transfers, vor allem zur Unterstützung von Ausbildungsvorhaben, gewinnen an Bedeutung (Ploeg et al. 2004). Der Umgang zwischen Grosseltern und Enkelkindern und die geleisteten intergenerationalen Transfers sind in erster Linie von der affektiven Qualität der Beziehung geprägt (Cherlin und Furstenberg 1986). Grosseltern haben grundsätzlich starke Gefühle für ihre Enkelkinder und verbringen gerne Zeit mit diesen (Barranti 1985: 344; Gattai und Musatti 1999; Szydlik 2000). Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass Grosseltern gemeinsame Aktivitäten mit Enkelkindern als sogenannte pleasure without responsibility erleben (Barranti 1985; Gattai und Musatti 1999; Robertson 1977). Die Grosseltern fühlen sich durch das Wissen, nicht die Hauptverantwortung in der Erziehung tragen zu müssen, in ihrem subjektiven Verantwortungsgefühl entlastet (Sommer-Himmel 2000). Auch lässt sich in der Beziehung zwischen Grosseltern und Enkelkindern, ähnlich der Eltern-Kind-Beziehung, die Bestätigung der sogenannten intergenerational stakeHypothese finden (Giarrusso, Stallings und Bengtson 1995): Bei empirischen Befragungen gibt die ältere Generation (Eltern beziehungsweise Grosseltern) generell höhere Levels an emotionaler Nähe und Einigkeit mit ihren Kindern und Enkeln an, als dies die jüngere Generation tut. Kinder und Enkelkinder betonen Konflikte und Gefühle von Distanz stärker. Diese Befunde sind darauf zurückzuführen, dass Eltern und vor allem auch Grosseltern in der jüngeren Generation die Fortführung der eigenen Familie erkennen und sich stärker mit familialen Bindungen und Beziehungen beschäftigen. Für die jüngere Generation steht hingegen das Streben nach Individualität und Selbstständigkeit im Vordergrund (Hoff 2007). Höpflinger, Hummel und Hugentobler (2006) stellten in ihrer empirischen Studie fest, dass Enkelkinder eher geringe Erwartungen an Grosseltern haben. In erster Linie wird von den Grosseltern lediglich gewünscht, dass sie
2.1 Grosselternschaft
27
Zeit für ihre Enkel haben. Die Rollenerwartungen der Grosseltern an sich selbst sind hingegen viel stärker ausgeprägt und vor allem auf funktionale familiale Bereiche bezogen. Gemäss Höpflinger, Hummel und Hugentobler (2006: 111) bewerten 78 Prozent der befragten Schweizer Grosseltern finanzielle Hilfe im Notfall als eine wichtige Aufgabe von Grosseltern, während lediglich 29 Prozent der jugendlichen Enkelkinder diesen Aspekt als bedeutsame grosselterliche Aufgabe angeben. Enkelkinder verfügen selten über normative Vorstellungen in Bezug auf das Verhalten gegenüber ihren Grosseltern. Lediglich das Aufbringen von Respekt gegenüber der älteren Generation wird als traditioneller Grundsatz an die Enkelkinder herangetragen. Höpflinger, Hummel und Hugentobler (2006: 10) sprechen in diesem Zusammenhang von einer „normativen Asymmetrie“, die dazu führen kann, dass Grosseltern eher gestalterisch auf die Beziehung wirken, als Enkelkinder dies tun. Diese Annahme deckt sich mit den oben aufgeführten Überlegungen zu der intergenerational stake-Hypothese. Grosselterliche Beziehungsstile Die Ausgestaltung von Grosselternschaft wurde vor allem von der qualitativen soziologischen Forschung behandelt oder anhand typenbildender statistischer Verfahren wie der Cluster- oder Faktoranalyse bearbeitet. In der Folge werden die zentralen Ergebnisse von vier Studien aufgezeigt, die eine Typisierung der Grosseltern (oder Grossmütter) hauptsächlich über ihre Einstellung zur Grosselternschaft und über ihre emotionale Einbindung in die Beziehung zu den Enkelkindern vornehmen. Dabei sollen wichtige Aspekte für die Analyse der Bedingungen intergenerationaler funktionaler Solidarität erörtert werden. Neugarten und Weinstein befragten 1964 in ihrer viel zitierten Studie zu grosselterlichen Rollen 70 Grossmütter und Grossväter aus der Mittelschicht und finden fünf verschiedene Stile: Die formellen, traditionell orientierten Grosseltern interessieren sich zwar für ihre Enkelkinder und haben auch Kontakt mit diesen, halten sich allerdings streng an normative Rollenerwartungen und achten stark darauf, die Erziehung der Enkel den Eltern zu überlassen, und sind kaum in die Betreuung der Enkelkinder involviert. Die sogenannten fun seeker pflegen einen stark informellen und spielerischen Umgang mit ihren Enkelkindern. Grosseltern, die als reservoir of family wisdom gelten, weisen autoritäre Züge auf und dienen in erster Linie der Überlieferung von Familientraditionen. Surrogate parents – vorwiegend Grossmütter – übernehmen viele Betreuungs- und Erziehungsaufgaben. Die distanzierten Grosseltern haben hingegen eher wenig und unregelmässigen Kontakt mit ihren Enkelkindern und treffen diese hauptsächlich
28
2 Grosseelternschaft und intergenerationale Solidarität
im Rahmen ritualisierter Familienanlässe wie Weihnachtsfeiern oder Geburtstage. Am häufigsten tritt der formelle Grosselterntyp auf, gefolgt vom fun seeker und den surrogate parents. Der fun seeker-Typ wird häufig bei jüngeren, der distanzierte Stil tendenziell bei älteren Grosseltern beobachtet. Es erstaunt, dass ausgeprägte grosselterliche Betreuungsleistungen aufgrund einer temporären Abwesenheit der Eltern als eine Art Ersatzelternschaft interpretiert werden. In der aktuellen Forschung werden Grosseltern hingegen nur dann als surrogate parents bezeichnet, wenn sie die Verantwortung für ihre Enkelkinder gänzlich übernommen haben – vor dem Hintergrund, dass die Eltern der Kinder nicht mehr in der Lage sind, selbst für diese zu sorgen. Es scheint, dass zu Beginn der sechziger Jahre, in der diese Studie entstand, die Betreuung der Enkelkinder keinen selbstverständlichen Teil der Grosselternrolle bildete. Dies kann wahrscheinlich darauf zurückgeführt werden, dass die Entwicklung der Frauenerwerbstätigkeit damals zwar ihre ideologischen Anfänge nahm, ihre Umsetzung allerdings noch schwach ausgeprägt war. Im Jahre 1977 veröffentlicht Joan F. Robertson eine Studie, in deren Rahmen 125 Grossmütter zur persönlichen und sozialen Bedeutung der Grossmutterschaft befragt wurden. Basierend auf der Interaktionstheorie nach Mead (1934) geht Robertson davon aus, dass die individuelle Grossmutterrolle sowohl durch soziale Normen als auch durch persönliche Einstellungen geformt wird. Robertson unterscheidet zwischen folgenden vier Rollenverständnissen: Der ausgeglichene Grossmuttertyp weist ein starkes Interesse an der moralischen Erziehung der Enkelkinder auf, zeigt sich aber dennoch oftmals nachsichtig und verwöhnt die Enkelkinder gerne. Beim symbolischen Grossmutterstil steht ebenfalls die moralische Entwicklung des Enkels im Vordergrund, allerdings ist hier eine strengere Vorbildfunktion von Seiten der Grossmütter vorhanden. Die Grossmutter versucht, dem an sie herangetragenen Vorbildcharakter zu genügen, persönliche Zufriedenheit in der Grosseltern-Enkelkind-Beziehung ist zweitrangig. Grossmütter des individualisierten Grossmutterstils stellen die persönliche Beziehung zum Enkelkind in den Vordergrund, während normative Rollenvorstellungen eine untergeordnete Rolle spielen. Diese Grossmütter betonen die persönliche Bereicherung durch den Kontakt mit ihren Enkelkindern. Der vierte Grossmutterstil wird als distanziert charakterisiert: Die Grossmütter beschreiben weder eine persönliche Bindung zu ihren Enkeln noch fühlen sie sich verantwortlich für deren moralische Erziehung. Grosselternschaft spielt für diese Gruppe kaum eine Rolle. Den ersten beiden Grossmutterstilen gehören vor allem gut ausgebildete Frauen mit einem sehr aktiven Lebensstil an. Innerhalb der letzten beiden Typen finden sich vermehrt verwitwete und nicht erwerbstätige Grossmütter. Dies deu-
2.1 Grosselternschaft
29
tet darauf hin, dass auch hier das Alter der Grossmütter das Rollenverständnis mit beeinflusst. In einer 1983 durchgeführten Studie von Cherlin und Furstenberg (1985) wurden 510 Grosseltern telefonisch zu verschiedenen Aspekten der Beziehung zu ihren Enkelkindern befragt. Dabei stellten die Interviewer fest, dass nahezu alle Grosseltern sehr bereitwillig und engagiert Auskunft über ihre Enkelkinder und die Beziehung zu ihnen gaben; 92 Prozent der Grosseltern wurden von den Interviewern als „attentive, involved, and responsive“ eingeordnet (Cherlin und Furstenberg 1985: 20). Das Thema Enkelkinder ist für die meisten Grosseltern demnach sehr erfreulich und erfüllt sie mit Stolz und Freude.4 Die Autorinnen (1985) identifizierten drei grosselterliche Stile: Distanzierte Grosseltern nach Cherlin und Furstenberg ähneln stark dem distanzierten Typ nach Robertson. Sie sind eher symbolische Figuren für ihre Enkelkinder und fühlen sich diesen emotional nicht nahe. Treffen finden in einem ritualisierten Rahmen statt. Oftmals wohnen diese Grosseltern sehr weit von ihren Enkelkindern entfernt. Dieser Stil ist gemäss den Autorinnen eher selten, und die Grosseltern sind in der Regel auch eher unzufrieden mit der Art der Beziehung, die sich stark an jener mit den eigenen Grosseltern orientiert. Der engagierte Grosselterntyp steht dem distanzierten diametral gegenüber. Diese Grosseltern sind sehr um ihre Enkelkinder besorgt, sehnen sich nach engem Kontakt und stehen den Enkeln mit Rat und Tat zur Seite. Der kameradschaftliche Typ ist der in der Studie am häufigsten beobachtete Stil. Er betont die Liebe und Freundschaft zu den Enkelkindern, während Verantwortungsgefühle deutlich weniger stark gewichtet werden. Es zeigen sich Parallelen zum sogenannten fun seeker von Neugarten und Weinstein (1964). In einer aktuelleren Studie aus Deutschland (Herlyn und Lehmann 1998) wurden 573 Grossmütter mittels standardisierter Interviews befragt und zusätzliches Datenmaterial durch 22 qualitative Interviews erhoben. Durch clusteranalytische Verfahren konnten fünf verschiedene Grossmuttertypen ermittelt werden: Die pflichtorientierten Grossmütter betreuen ihre Enkel regelmässig und nehmen an deren Sorgen teil. Zudem äussern sie einen starken Integrationswunsch in die Familie der Enkel. Die selbstbestimmten, hochengagierten Grossmütter verbringen gerne Zeit mit ihren Enkeln, messen aber anderen ausserfamiliären Aktivitä4
Telefonische Interviews mit den Grosseltern zu führen erschien dem Forscherteam in einem ersten Schritt als eventuell problematisch. Man sorgte sich darum, dass die älteren Personen rasch ermüden und im Laufe der 40-minütigen Befragung an Konzentration und Motivation verlieren könnten. Die Sorge erwies sich jedoch rasch als unbegründet, das Thema Enkelkinder trieb die Grosseltern zu Höchstleistungen an: "Before the interviews we were a bit concerned about whether telephone interviews would be adequate, (…). But our fears proved groundless; our biggest problem was getting the grandparents off the phone" (Cherlin und Furstenberg 1985: 19).
30
2 Grosseelternschaft und intergenerationale Solidarität
ten ebenfalls eine starke Bedeutung zu und geben diesen teilweise situationsbedingt sogar den Vorrang. Die integrierte Grossmutter ist oftmals bereits älter und gut in der Familie der Enkel aufgenommen, allerdings eher weniger direkt engagiert. Ambivalente Grosseltern schwanken zwischen Nähe und Distanz zu ihren Enkeln. Diese Grosseltern haben meist etwas ältere Enkelkinder. Der relativ familienunabhängige Grossmuttertyp zeichnet sich durch eine distanzierte Beziehung aus und berichtet von mangelnden Gemeinsamkeiten mit den Enkeln. Grundsätzlich lassen sich die ermittelten grosselterlichen Beziehungsstile in zwei Gruppen aufteilen: Die erste Gruppe umfasst Grosseltern, die unabhängiger von familienbezogenen Aspekten ihr Leben führen, während die Grosseltern der zweiten Gruppe die Familie oftmals als zentral in ihrer Alltagsgestaltung erleben. Robertson (1977: 173) unterscheidet diese beiden Gruppen, indem sie von einer intrafamilialen und einer extrafamilialen Orientierung spricht. Herlyn und Lehman (1998: 37) betonen jedoch auch, dass „Grossmütter, die über vielfältige Optionen verfügen und vielfältigen ausserhäuslichen Aktivitäten nachgehen, auch mit den Enkelkindern aktiver“ sind. Extrafamiliale Orientierung ist demnach nicht gleichzusetzen mit einem Rückzug aus grosselterlichen Aktivitäten, sondern beeinflusst vielmehr die konkrete Ausgestaltung der Unternehmungen mit den Enkeln und die Beziehung zu diesen. Die Charakterisierung der Grosselternrolle und das Engagement von Grosseltern hängen neben „biographisch bedingten unterschiedlichen Deutungsmustern“ (Herlyn und Lehman 1998: 38) zu Grosselternschaft also wesentlich von dem aktuellen Lebensstil und dem sozioökonomischen Hintergrund ab. Zusätzlich ist die Beziehung zwischen Grosseltern und Enkeln auch durch externe Faktoren beeinflusst, wie die Wohnentfernung zu den Enkelkindern und das Alter der Enkel. So hat sich gezeigt, dass ein eher zurückhaltender Beziehungsstil (distanzierte Grosseltern) oftmals mit einer grossen Wohnentfernung zwischen den beiden Generationen einher geht (z.B. Cherlin und Furstenberg 1985). Zudem spielt für die Ausgestaltung von Grosselternschaft das Alter der Enkel eine Rolle. Herlyn und Lehman (1998: 37) ermitteln für pflichtbewusste und engagierte Grossmütter ein jüngeres Durchschnittsalter der Enkelkinder als für den familienunabhängigen Grossmutterstil. Grundsätzlich bieten Studien zu verschiedenen Grosselterntypen einen guten Überblick zu individuellen Rollenbildern und der Ausgestaltung der Grosseltern-Enkel-Beziehung. Allerdings nehmen sie keine systematische Analyse vor, inwiefern sich die unterschiedlichen Stile auf tatsächlich erbrachte Leistungen auswirken oder umgekehrt: Es bleibt unklar, inwiefern und welche funktionalen Unterstützungsleistungen in die Bildung grosselterlicher Beziehungsstile einfliessen. So wäre es vorstellbar, dass ein Grosselternteil, der räumlich in weiter Entfernung zu seinen Enkelkindern lebt und grundsätzlich als distanziert einge-
2.1 Grosselternschaft
31
ordnet werden kann, eher weniger zeitliche Transfers leistet, die mangelnde Nähe jedoch durch finanzielle Transfers kompensiert. Die Bildung von Beziehungsstilen hat den Nachteil, dass einzelne Faktoren in dem jeweiligen Stil quasi ,untergehen ދund ihre Auswirkungen auf intergenerationale Solidarität nur schwer herausgearbeitet werden können. Die Anwendung des Modells der intergenerationalen Solidarität von Szydlik (2000, 2008) ermöglicht es hingegen, unterschiedliche Bedingungen und Analyseebenen familialer Transfers systematisch zu erörtern und einen umfassenden Überblick über den Einfluss verschiedener Faktoren auf das grosselterliche Verhalten zu erlangen. Geschlechtsspezifische Unterschiede Das Geschlecht der Enkelkinder scheint für die Ausgestaltung und Intensität der intergenerationalen Beziehung zwischen Grosseltern und Enkelkindern keine Rolle zu spielen (Höpflinger und Hummel 2006; King und Elder 1995). Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass die matrilineare Ausrichtung der Beziehung grundsätzlich intensivere Verbindungen hervorbringt (Barranti 1985; Höpflinger und Hummel 2006; Whitbeck, Hoyt und Huck 1993). Dies ist konsistent mit dem sogenannten kin keeper-Ansatz (Spitze und Ward 1998; siehe auch Kapitel 2.3), der die Verantwortung für den intergenerationalen Zusammenhalt bei den Frauen verortet. Die psychologische Forschung geht davon aus, dass das Alter eine Auswirkung auf das geschlechtsspezifische Verhalten von Grosseltern hat. So sollen Grossväter mit zunehmendem Alter emotionaler und nachgiebiger werden und sich vermehrt an einem grossmütterlichen Rollenverständnis orientieren (Tinsley und Parke 1988). Für Grossmütter gilt hingegen das Gegenteil; sie treten in höherem Alter oftmals aggressiver und bestimmter auf (Kornhaber 1996). Diese neue Rollenverteilung ermöglicht den älteren Frauen die Übernahme und Sicherung familialer und instrumenteller Belange für das Paar. Empirische Befunde, die dieses Konzept einer neuen Rollenverteilung auch für grosselterliche Verhaltensmuster unterstützen, liegen jedoch kaum vor. Vor allem qualitative Studien, aber auch quantitative Ergebnisse weisen immer wieder auf ein stark emotionales Eingebundensein von Grossmüttern hin (Gattai und Musatti 1999; Herlyn und Lehmann 1998; Höpflinger und Hummel 2006; Kemp 2004).
32
2 Grosseelternschaft und intergenerationale Solidarität
Die evolutionsbiologische Sicht Auch die evolutionsbiologische Forschung hat sich mit der Rolle von Grosseltern für Enkelkinder und der grosselterlichen Positionierung innerhalb der Familie beschäftigt. Vom evolutionsbiologischen Standpunkt aus erscheint das Weiterleben von Frauen nach dem Einsetzen der Menopause auf den ersten Moment widersprüchlich, da diese ab jenem Zeitpunkt keine sogenannte reproductive fitness mehr aufweisen und im evolutionsbiologischen Verständnis stark an Daseinsberechtigung einbüssen. Eine der vielen evolutionsbiologischen Erklärungen, die sich zur Langlebigkeit der Frau gebildet haben (siehe Voland 2009), ist die sogenannte grandmother hypothesis (Hawkes und Blurton Jones 2005), welche besagt, dass Grossmütter ihre Gene zwar nicht mehr auf reproduktivem Wege weitergeben können, dass sie aber durch die Hilfe, die sie ihren Töchtern und Enkelkindern leisten, eine wichtige evolutionsgenetische Rolle spielen. Im Vordergrund steht auch hier die matrilineare Verbindung. Grossmütter der patrilinearen Seite sind nur schwach involviert, da für jene eine sogenannte Vaterschaftsunsicherheit (Euler 2004) besteht; dies bedeutet, dass die Grossmutter väterlicherseits sich nicht sicher sein kann, dass der Nachwuchs ihre eigenen Gene trägt. Aus evolutionsbiologischer Sicht ,lohnt ދsich die Investition in die Enkel somit nicht. Der Ursprung der grossmütterlichen Rolle und damit ihre Langlebigkeit liegt im cooperative breeding-System von Familien (Hrdy 2005). In einem solchen System helfen sogenannte alloparents5 (Wilson 1975) bei der Aufzucht und Ernährung des Nachwuchses. Vor allem die weiblichen Mitglieder eines Familiensystems verhalten sich mit zunehmendem Alter verstärkt altruistisch und aufopferungsvoll. So hat sich in verschiedenen Studien herausgestellt, dass Grossmütter beispielsweise durch ausgeprägte Nahrungssuche und die Versorgung der Enkelkinder wesentlich zu deren gesunden Entwicklung beitragen und dadurch den eigenen Reproduktionserfolg steigern (z.B. Leonetti, Nath und Hemam 2005; Schiefenhövel und Grabolle 2005; Voland und Beise 2002). Die Evolutionsbiologie geht davon aus, dass Langlebigkeit nicht grundsätzlich ein neuartiges Phänomen ist, sondern als sehr altes Merkmal der menschlichen Rasse angesehen werden kann (Hawkes und Blurton Jones 2005). Demnach wird irrtümlicherweise eine niedrige Lebenserwartung mit dem Überleben sehr weniger Menschen bis ins hohe Alter gleichgesetzt. Dabei weist vor allem die anthropologische Demographie darauf hin, dass eine hohe Mortalität (z.B. von Kindern) nicht 5
„Alloparents“ sind alle Mitglieder einer Familie, die nicht die genetischen Eltern der Kinder darstellen. Hrdy (2005) spricht im Zusammenhang mit der „cooperative breeding“-Hypothese von „allomothers“, da aufgrund der bereits vorher diskutierten Vaterschaftsunsicherheit eher die Grosseltern der matrilinearen Linie zur Unterstützung einspringen.
2.2 Intergenerationale Solidarität
33
automatisch mit einem kleinen Populationsanteil an alten Menschen einhergehen muss (Hawkes und Blurton Jones 2005). Auch andere Einflussfaktoren auf grosselterliche Transfers an ihre Kinder und Enkelkinder finden Beachtung in der evolutionsbiologischen Forschung. So wirkt sich die Anzahl an Kindern und Enkelkindern negativ auf Investitionen in den Nachwuchs aus. Dies bedeutet, dass die einzelnen Familienmitglieder um die Ressource der älteren Generation konkurrieren (Coall et al. 2009; Walker et al. 2008). Zudem sind jüngere Grosseltern besser in der Lage nachfolgenden Generationen Unterstützung zukommen zu lassen, und tragen zum Überleben der Enkelkinder massgeblich bei (Lahdenperä et al. 2004). Evolutionsbiologische Gedankengänge mögen gute Erklärungen für die natürlichen Zusammenhänge innerhalb von Familiensystemen abgeben und erscheinen vor allem für die Erklärung geschlechterspezifischer Verbindungen innerhalb der Familie wertvoll. In postmodernen Gesellschaften wirken allerdings kulturelle und gesellschaftliche Einflussfaktoren ebenfalls sehr stark. Insbesondere die Diversifizierung der (Gross-)Mutterrolle und die Gleichstellungsentwicklungen zwischen Mann und Frau rücken soziale und sozialpolitische Bedingungen von tatsächlich erbrachten Leistungen in den Vordergrund. 2.2 Intergenerationale Solidarität 2.2 Intergenerationale Solidarität Der Generationenbegriff bezieht sich im Rahmen familiensoziologischer Forschung auf die Verbindungen zwischen einzelnen Mitgliedern familialer Abstammungsfolgen (Höpflinger 2008; Szydlik 2004). Dieser genealogische Generationenbegriff unterscheidet sich von jenem der gesellschaftlichen Generation vor allem dadurch, dass nicht „historische, kulturelle oder soziale Gemeinsamkeiten“ (Höpflinger 2008: 26) einer bestimmten Kohorte im Vordergrund stehen, sondern die Abfolge von Familienangehörigen unabhängig von deren Kohortenzugehörigkeit gemeint ist (Liebau 1997). Nach Karl Mannheim (1964) kann von einer gesellschaftlichen Generation gesprochen werden, wenn eine bestimmte Altersgruppe auf der Grundlage gemeinsamer, historisch bedeutender Erfahrungen kollektive Handlungs- und Wertemuster aufzeigt. Die so gebildete Erlebnisgemeinschaft entwickelt ein gemeinsames Weltbild, welches bis zum Lebensende Bestand hat und die Handlungsweisen dieser Generation prägt (Mannheim 1964; Liebau 1997). Während der gesellschaftliche Generationenbegriff also auf der Makroebene angesiedelt ist, bezieht sich der für diese Arbeit massgebliche genealogische familiensoziologische Generationenbegriff auf „soziale Interaktionen“ zwischen einzelnen Familienangehörigen auf der Mikroebene (Kaufmann 1993: 97). Die primären Akteure intergenerationaler Solidarität sind demnach
34
2 Grosseelternschaft und intergenerationale Solidarität
Familienmitglieder, die gegenüber ihren Angehörigen solidarisch handeln und/oder fühlen (Szydlik 2000). Dimensionen intergenerationaler Solidarität Intergenerationales solidarisches Handeln und Interaktionen sowie Zusammengehörigkeitsgefühle und gemeinsame Werte innerhalb der Familie werden von Bengtson und Robertson (1991) in sechs unterschiedliche Dimensionen aufgeteilt: Assoziative, affektive, konsensuelle, funktionale, normative und strukturelle Solidarität (Bengtson und Robertson 1991: 856 ff.). Assoziative Solidarität bezieht sich auf gemeinsame Aktivitäten und Interaktionen zwischen den Angehörigen. Dazu zählen gemeinsame Unternehmungen wie Familienfeste und Spaziergänge sowie gemeinsame Gespräche und Interaktionen (über Telefon, per E-Mail oder in Briefen). Zentral sind die Kontakte zwischen den Generationen in all ihren unterschiedlichen Formen (Szydlik 2000: 39). Assoziative Solidarität stellt eine wichtige Bedingung für die Entwicklung von intergenerationalen Prozessen dar (Bertram 2000). Affektive Generationensolidarität beschreibt das Vorhandensein und den Grad an positiven Gefühlen füreinander sowie die Gegenseitigkeit dieser Gefühle (Bengtson und Robertson 1991: 856). Emotionale Nähe, Verbundenheits- und Gemeinschaftsgefühle sind die zentralen Aspekte dieser Dimension intergenerationaler Solidarität. Gemeinsame Wertehaltungen und Einstellungen unter Angehörigen, also übereinstimmende Meinungen in politischen, kulturellen und sozialen Belangen, werden als konsensuelle Solidarität definiert. Szydlik (2000) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass, auch wenn konsensuelle Übereinstimmung zwischen den Familienmitgliedern besteht, diese Gemeinsamkeiten jedoch möglicherweise nicht kommuniziert oder erkannt werden und damit schwerlich zu der Förderung intergenerationaler solidarischer Beziehungen beitragen können (siehe auch Bertram 2000). Funktionale Solidarität meint die Hilfe und Austauschprozesse, die zwischen den Generationen stattfinden, so zum Beispiel finanzielle, zeitliche oder emotionale Transfers und Beziehungen. Diese Dimension bezieht sich auf Handlungen und kann in drei Unterkategorien unterteilt werden: finanzielle (Geldoder Sachgeschenke), instrumentelle (Hilfe und Pflege) oder räumliche Transfers (Koresidenz). Normative Solidarität liegt dann vor, wenn eine Übereinstimmung über die Stärke und die Art der Verbindlichkeiten in Bezug auf gegenseitige Unterstützung zwischen den Familienmitgliedern besteht. Allgemeine Einstellungen und
2.2 Intergenerationale Solidarität
35
Überzeugungen gegenüber der Familie, die jedoch nicht mit konkreten Handlungen verknüpft sein müssen, stehen im Mittelpunkt dieser Dimension. Strukturelle Solidarität umfasst die Möglichkeiten für intergenerationale Solidarität, die sich beispielsweise aus der Anzahl der Angehörigen, deren Gesundheitszustand oder der Wohnentfernung zwischen den Generationen ergeben können (Bengtson und Robertson 1991: 856). Die Bestimmung einer solchen Dimension ist insofern problematisch, als sie das Potential für Solidarität beschreibt und nichts über die tatsächlichen intergenerationalen Beziehungen aussagt (Szydlik 2000). Szydlik (2000) dagegen nimmt eine Reorganisation der Dimensionen nach Bengtson vor, die es erlaubt, zwischen intergenerationalem Potential und tatsächlich erbrachten Leistungen zu unterscheiden. Potentiale für intergenerationale Solidarität (wie Kinderzahl, Wohnentfernung und Gesundheitszustand) werden dabei als Bedingungen für Unterstützungsleistungen und Interaktionen zwischen Familienmitgliedern definiert. Eine Reduktion der eben aufgeführten sechs Solidaritätsdimensionen ermöglicht eine bessere, weil genauere empirische Erfassung des familiensoziologischen Konstrukts ,Solidaritätދ. Szydlik (2000) schlägt vor, intergenerationale Solidarität anhand dreier Dimensionen zu messen: funktionale, assoziative und affektive Solidarität. Die ersten beiden Dimensionen beziehen sich dabei auf Handlungen zwischen den Generationen, während die dritte Gefühle der Verbundenheit und Zusammengehörigkeit umfasst. Intergenerationale Solidarität im Lebenslauf Intergenerationale Unterstützung muss immer auch im Rahmen einer Lebenslaufperspektive, das heisst über den Lebens- und Familienzyklus der Geber und Nehmer hinweg, untersucht werden, da funktionale intergenerationale Beziehungen auf familieninterne Ereignisse reagieren; Familien erfahren durch „interne Veränderung“ (Nave-Herz 2005: 50) wie zum Beispiel die Geburt eines Enkelkindes neue Interaktionsmuster. Grossmütter und -väter befinden sich generell in der sogenannten nachelterlichen Phase, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die eigenen Kinder den Haushalt verlassen haben (König 2002). Nave-Herz (2005: 52) weist dabei darauf hin, dass die Bezeichnung dieser Familienphase irreführend sei, weil sie den „Verlust der Elternrolle suggerieren könnte“ und keine Differenzierung zwischen Eltern und Grosseltern zulässt. Dieses klassische Familienzyklusmodell lässt keine parallele Betrachtung von mehr als zwei familialen Generationen zu und verkennt, dass die Mehrgenerationenfamilie in den letzten Jahrzehnten konstant an Bedeutung gewonnen hat. Die steigende Lebenserwartung hat dazu geführt, dass
36
2 Grosseelternschaft und intergenerationale Solidarität
Beziehungen zwischen mehr als zwei Familiengenerationen sowohl für das Individuum als auf für die Gesellschaft zunehmend wichtiger geworden sind (Bengtson 2001). Zwar ist das Zusammenleben von mehreren Generationen äusserst selten geworden, nichtsdestotrotz ermöglicht auch die sogenannte multilokale Mehrgenerationenfamilie „enge, persönliche und familiär intime Beziehungen“ (Bertram 1995: 101). Ausserdem gehen intergenerationale Unterstützungsleistungen weit über die Kernfamilie hinaus. Auch trägt die Pluralisierung der Familienformen beispielsweise durch Scheidung und Wiederheirat der Eltern dazu bei, dass ausgedehnte Mehrgenerationennetzwerke entstehen, in denen vielfältige Hilfeleistungen stattfinden (Brake 2005). Nave-Herz (2005) schlägt eine Neuaufteilung des Familienzyklusmodells vor, in der die Grosselternschaft explizit als eigenständige Phase integriert werden kann. Diese Vorgehensweise stellt die Parallelität von intergenerationalen Lebensläufen in den Vordergrund und erlaubt eine konsequentere theoretische Integration von Grosselternschaft in den Lebenslauf älterer Menschen. Die Transition von der Elternschaft hin zur Grosselternschaft wirkt sich nicht nur auf die affektive und assoziative intergenerationale Beziehung aus, sondern führt oftmals auch zu einer Erhöhung funktionaler Unterstützungsleistungen (Eggebeen und Hogan 1990; Marbach 1994b). Ambivalenz intergenerationaler Beziehungen Generationensolidarität zeichnet sich jedoch nicht nur durch das Vorhandensein oder die Abwesenheit von Hilfeleistungen, gemeinsamen Aktivitäten oder Gefühlen von Verbundenheit aus, sondern ebenfalls durch Spannungen und Konflikte zwischen einzelnen Familienmitgliedern (Szydlik 2000, 2008). Lüscher (2000: 140) verweist in diesem Zusammenhang auf „ideelle und normative Abhängigkeiten“ innerhalb von Familien, in welchen die Potentiale für Ambivalenz angelegt sind.6 Demnach bergen sowohl instrumentelle als auch finanzielle Hilfen Möglichkeiten für konflikthafte Auseinandersetzungen. Einerseits kann sowohl die Überbelastung des Helfenden als auch dessen Übermotivation zu Erschöpfungserscheinungen oder einem angespannten Beziehungsverhältnis führen. Andererseits ist die Erbringung von Hilfe oftmals auch an Reziprozitätserwartungen geknüpft, deren Nichterfüllung eventuell Enttäuschungen und eine Belastung der familialen Beziehung mit sich bringen kann. Grosseltern, die bei6
In diesem Zusammenhang ist es wichtig anzumerken, dass der Begriff der Generationensolidarität in der Familiensoziologie nicht normativ wertend benutzt wird. Es gilt also nicht, dass je mehr Solidarität, umso wertvoller das intergenerationale Beziehungsgeflecht, denn sowohl Harmonie als auch Konflikt sind wichtige Bestandteile intergenerationaler Solidarität (Szydlik 2000: 42 ff.).
2.2 Intergenerationale Solidarität
37
spielsweise stark durch Enkelbetreuungsaufgaben in Anspruch genommen werden, können in Konflikt mit den Eltern der Enkelkinder geraten (Bowers und Myers 1999). Spannungen können aber auch auftreten, wenn es im Zuge grosselterlicher Kinderbetreuungsaufgaben zu Konkurrenz um die Aufmerksamkeit des Enkelkindes kommt und Gefühle der Eifersucht auftreten (Gattei und Musatti 1999). Finanzielle Transfers an Enkelkinder, die darauf ausgerichtet sind, deren Besuchshäufigkeit zu fördern, können ebenfalls zu konflikthaften Auseinandersetzungen führen, nämlich dann, wenn grosselterliche Reziprozitätserwartungen nicht erfüllt werden. In diesem Fall kann sowohl die Beziehung zum Enkelkind als auch jene zum Elternteil mit Spannungen belastet werden. Allerdings sind Erwartungshaltungen an die Enkelkinder seitens der Grosseltern normalerweise eher schwach ausgeprägt (siehe auch Kapitel 2.3). Dreigenerationenperspektive Grosselterliche funktionale Leistungen, die an die Enkelkinder gerichtet sind, können am besten aus einer Dreigenerationenperspektive erfasst werden7 und finden in direkter oder indirekter Form statt (Hagestad 2006): Direkte zeitliche Transfers an die Elterngeneration (G2) werden als indirekte Transfers an die Enkel definiert, wenn es sich um Kinderbetreuung handelt. Finanzielle Transfers an Enkelkinder stellen hingegen immer einen direkten intergenerationalen Transfer der Grosseltern an ihre Enkelkinder dar (Abbildung 1.1). Direkte zeitliche Hilfen an Enkelkinder sind bei Kindern und Kleinkindern nur schwer von Kinderbetreuungsleistungen zu trennen. Im Falle einer Adoption der Enkelkinder oder der Übernahme des Sorgerechts durch die Grosseltern sind jedoch alle Transfers direkt an die Enkelkinder und Kinder gerichtet. Dabei erfahren die Eltern der Enkel (G2) eine enorme Entlastung, während die Enkelkinder mit unterschiedlichen Ressourcen wie Wohnraum, Betreuung, Essen, Kleidung und finanziellen Transfers versorgt werden (Mutchler, Baker und Lee 2007; Pebley und Rudkin 1999). Diese Form der intergenerationalen funktionalen Unterstützung folgt sehr speziellen Mustern und weist spezifische Problematiken auf, wie Überlastung der Grosseltern durch emotionale und ökonomi-
7
Die Dreigenerationenperspektive umfasst folgende familiale Generationen: erstens die junge Generation, welche durch die Enkelkinder repräsentiert wird (G1), zweitens die mittlere, also die Elterngeneration (G2) und drittens die ältere Generation der Grosseltern (G3). Die gruppenspezifischen Altersgrenzen sind je nach Untersuchungsfrage und gesellschaftlichem Umfeld unterschiedlich. Vielmehr sind die Verwandtschaftsbeziehungen ausschlaggebend und definieren, wer zu welcher Generation gehört. In der französischen Generationenforschung wird die Elterngeneration (G2) auch als „pivot“ bezeichnet, was verdeutlichen soll, dass diese Generation im Zentrum aller Transferflüsse steht (Attias-Donfut 1995).
38
2 Grosseelternschaft und intergenerationale Solidarität
sche Herausforderungen, die im Rahmen dieser Arbeit nicht diskutiert werden sollen und können.
Kinderbetreuung
Grosseltern (G1) Eltern (G2) Enkel (G3)
Finanzielle Transfers an Enkel
Abbildung 1.1: Direkte und indirekte Transfers Quelle: eigene Darstellung
Bei direkten zeitlichen Transfers der Grosseltern an die mittlere Generation (G2), bei denen die Enkelkinder nicht eingebunden sind (z.B. Hilfe im Haushalt, beim Einkaufen oder der Gartenarbeit), sowie bei direkten finanziellen Transfers an G2 ist ein Weiterfluss an andere Familienmitglieder möglich (wie z.B. an Partner, Geschwister, Kinder oder auch Enkel). Dies stellt jedoch ein allgemeines Merkmal von Generationensolidarität da und vor allem funktionale Unterstützungsleistungen entlasten den Empfänger per Definition von verschiedenen Aufgaben oder Ausgaben. Die Zwecke, für welche die so gewonnene Freiheit eingesetzt wird, sind jedoch äussert vielfältig und lassen sich nur schwer theoretisch und empirisch als indirekte Transfers an die jüngere Generation erfassen. Enkelbetreuung und finanzielle Transfers können demnach als die zwei wichtigsten eruierbaren funktionalen Transfers von Grosseltern an ihre Enkelkinder identifiziert werden. 2.3 Motive für Unterstützungsleistungen in der Familie 2.3 Motive für Unterstützungsleistungen in der Familie Reziprozitätsnormen und Austausch zwischen Familienmitgliedern Intergenerationale Transfers zwischen Familienmitgliedern finden unter anderem im Rahmen von Austauscherwartungen statt. Austauschmotive sind vor allem durch das Vorhandensein von Reziprozitätsnormen wirksam, die zentral für das Funktionieren von auf Gegenseitigkeit ausgerichteten sozialen und intergenerationalen Beziehungen sind (Bernheim, Shleifer und Summers 1985; Brandt, Haberkern und Szydlik 2009; Hollstein 2005). Erbringer familialer Leistungen
2.3 Motive für Unterstützungsleistungen in der Familie
39
erzeugen beim Empfänger demnach Schuld- oder Verpflichtungsgefühle, die zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Gegenleistung führen (Mauss 2005). Nach Wentowski (1981) sind auf Kurzlebigkeit ausgerichtete Beziehungen durch direkte Reziprozitätserwartungen gekennzeichnet. Direkt-reziproke Transfers finden unverzögert statt und weisen den gleichen Wert wie die empfangene Gabe auf. Indirekt-reziproke Leistungen hingegen können zeitversetzt erfolgen und müssen nicht zwingend den gleichen Wert aufweisen. Auf familiale Solidarität lässt sich das Konzept der generalisierten Reziprozität anwenden (Stegbauer 2002). Hier finden die Leistungen mittelbar oder unmittelbar statt, und nicht der ökonomische Wert der geleisteten Hilfe, sondern die Beziehung zwischen den Familienmitgliedern steht im Mittelpunkt (Hollstein 2005). Rückzahlungen von erhaltenen Transfers erfolgen dabei nicht innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens. Antonucci und Jackson (1990: 178) sprechen in diesem Zusammenhang von einer sogenannten „social support bank“ die die Verwandten darstellen, und beziehen sich damit auf den generalisierten Charakter von Reziprozitätsnormen zwischen eng zueinander stehenden Familienmitgliedern. Aufgrund eines engen Vertrauensverhältnisses in familialen Generationsbeziehungen gehen die einzelnen Geber und Nehmer intergenerationaler Transfers davon aus, dass ihre Beziehung zueinander langfristig angelegt ist und ein zukünftiger Rückfluss von Unterstützung zu einem nicht spezifizierten Zeitpunkt stattfinden wird. Grosselterliche Kinderbetreuung ist vor allem auf emotionale Nähe zwischen der älteren Generation und ihren Enkeln und/oder Kindern zurückzuführen (Gattei und Musatti 1999, Wilk 1993) und weniger auf Austauscherwartungen. Dennoch vermögen die erbrachten Leistungen bei den Kindern Reziprozitätsnormen zu aktivieren und zu einem späteren Zeitpunkt – nämlich dann, wenn die Grosseltern alt und bedürftig sind – Verpflichtungsgefühle auszulösen. Grosselterliche Rollen und Verantwortung gegenüber ihren Enkelkindern sind allerdings grundsätzlich eher schwach ausgeprägt (Bengtson 1985; Höpflinger 2009) und so beruhen finanzielle Transfers an Enkelkinder sehr stark auf Freiwilligkeit (Wilk 1993). Reziprozitätserwartungen können im Fall von (Geld-) Geschenken möglicherweise insofern auftreten, als Grosseltern Kontakte mit ihren Enkelkindern fördern oder vorhandene Kontakte positiv gestalten wollen. Anlehnend an austauschtheoretische Konzepte intergenerationaler Reziprozität kann also davon ausgegangen werden, dass Grosseltern, die zeitliche oder finanzielle Transfers an ihre Kinder beziehungsweise Enkelkinder leisten, dies aufgrund eines generalisierten Reziprozitätsverhaltens tun; generalisiert insofern, als eine gleichwertige Rückzahlung entweder nicht intendiert, zeitlich verzögert oder gar nicht stattfindet und die affektive und assoziative intergenerationale Beziehung im Vordergrund steht (vgl. Hollstein 2005). Das Nichterwarten einer Rückzahlung ist dabei bei direkten Leistungen an die Enkel besonders ausge-
40
2 Grosseelternschaft und intergenerationale Solidarität
prägt, da diese kaum normativen Verpflichtungen unterliegen, ihre Grosseltern instrumentell zu unterstützen (Hoff 2007; Höpflinger 2006). Vielmehr ist das Vorhandensein eines Gefühls moralischer Verpflichtung nach Gouldner (1960) für reziproke Handlungen von zentraler Bedeutung. Sein moral obligation model geht davon aus, dass nicht nur Eigennutz oder Utilitarismus reziproke soziale Verbindungen charakterisieren, sondern auch moralische Normen Austauschprozesse beeinflussen.8 Diese moralischen Richtlinien sind jedoch oftmals von Ambiguität geprägt und lassen keine klare ,Berechnung ދdes Gleichgewichtszustands zwischen Geben und Nehmen zu. Grundsätzlich führt diese Unsicherheit dazu, dass Menschen es sogar bevorzugen, im utilitaristischen Sinne eher suboptimal von sozialen Beziehungen zu profitieren (Uehara 1995). Altruistische Motive für intergenerationale Solidarität Unterliegen intergenerationale Transfers einer altruistischen Motivation, so sind per Definition keine Reziprozitätserwartungen seitens des Gebers vorhanden. Die Motive der Hilfeleistung bestehen einzig in der Unterstützung der Familienmitglieder, auch wenn dabei ein Risiko besteht, Einbussen bezüglich des eigenen Wohlergehens zu erfahren (Monroe 2001, 1994). Altruistisch motivierte Grosseltern helfen ihren Kindern und Enkeln also, um deren Wohlbefinden zu erhöhen (Bierhoff 2002), ohne eine Gegenleistung zu erwarten (Künemund und Motel 2000) und nehmen dabei eigene Benachteiligungen in Kauf. Das Bestehen einer reinen Form von Altruismus kann jedoch angezweifelt werden (Adloff und Sigmund 2005). Altruismus nach Becker (1991) ist charakterisiert durch eine Nutzenfunktion der Eltern, die nicht nur abhängig vom eigenen Wohlbefinden ist, sondern auch positiv vom Wohlergehen der Kinder beeinflusst wird. Zentrale Annahme zur Verwendung dieses Konzepts in Bezug auf intergenerationale Solidarität ist die Existenz einer Art natürlichen Verantwortungsgefühls zwischen den einzelnen Generationen, dessen handlungsbezogene Umsetzung das eigene Wohlbefinden massgeblich mitbestimmt. Diese Erweiterung des klassischen ökonomischen rational choice-Modells birgt allerdings das Risiko, jede soziale Handlung als nutzenmaximierend zu deuten, indem eigener Nutzen als aus sehr unterschiedlichen, teilweise willkürlichen Bestandteilen bestehend definiert wird (Adloff und Sigmund 2005).
8
Uehara (1995: 485) beschreibt Eigennutz und Utilitarismus treffend als die Sorge um das, was man zurückerhält, wenn man gibt („get back when you give“), während sich moralische Verpflichtungsgefühle mit der Überlegung auseinandersetzen, was dem Geber zurückgegeben werden soll beziehungsweise muss („give back, when you receive“), um einen gesellschaftlich akzeptierten Gleichgewichtszustand zu erreichen.
2.4 Bedingungen für intergenerationale Solidarität
41
Verpflichtungsgefühle können aber nicht nur durch Reziprozitätsnormen ausgelöst oder auf eine natürliche Verbindung von Eltern und Kindern zurückgeführt werden, sondern ebenfalls im Rahmen gesellschaftlicher Grundsätze entstehen. So verfügt jedes Individuum über verinnerlichte moralische Regeln in Bezug auf die Handhabung intergenerationaler Beziehungen, die als Handlungsrichtlinien wirken können. Allerdings wirken diese Grundsätze nicht deterministisch auf intergenerationales Handeln (Finch 1989). Konkrete individuelle Umstände und die Berücksichtigung eigener Interessen führen zu einer flexiblen Anwendung moralischer Grundsätze, welche demnach eher als „criteria, which can be used to work out what would be right or wrong in particular circumstances“ (Finch 1989: 153) zu verstehen sind. 2.4 Bedingungen für intergenerationale Solidarität 2.4 Bedingungen für intergenerationale Solidarität Intergenerationale Solidarität wird durch die Opportunitäten und Bedürfnisse der Empfänger und Geber und durch familiale und kulturell-kontextuelle Strukturen beeinflusst, in welche Individuen eingebettet sind (Szydlik 2000). Im Folgenden sollen diese Einflussfaktoren näher beschrieben und anhand von Beispielen zu funktionalen Leistungen zwischen Grosseltern und Enkel(kinder)n beleuchtet werden. Opportunitätsstruktur Die Möglichkeiten des Gebers haben einen wesentlichen Einfluss auf intergenerationale Transfers. Um sich in intergenerationalen Beziehungen engagieren zu können, sind ausreichende Ressourcen erforderlich, während die Opportunitätskosten für die zu erbringenden Leistungen möglichst gering sein sollten (Szydlik 2000). Möchte ein Grosselternteil sich um seinen jungen Enkel (G3) kümmern und die Eltern (G2) mit zeitlichen Transfers unterstützen, ist das Vorhandensein einer ausreichend guten Gesundheit zwingend (Guzman 1998; Whitbeck, Hoyt und Huck 1993). Auch das Eingebundensein in eine Partnerschaft kann Kraft für intergenerationale Transfers geben: Partner können organisatorisch mithelfen, zu gewissen Transfers veranlassen oder bei Aufgaben Unterstützung leisten. Andererseits kann das Vorhandensein eines Partners auch zu einer Reduktion familialer Hilfeleistungen führen, da Unternehmungen mit dem Partner Vorrang gewährt wird und so beispielsweise für Kinderbetreuung weniger Zeit vorhanden ist. Partner wirken demzufolge sowohl als Ressource für familiale Solidarität, können jedoch auch eine Erhöhung der Opportunitätskosten bewirken.
42
2 Grosseelternschaft und intergenerationale Solidarität
Im Beruf oder in der Freizeit stark engagierte Grosseltern sowie Grosseltern mit einem hohen Ausbildungsniveau verfügen grundsätzlich über höhere Opportunitätskosten bezüglich zeitlicher Transfers (Dimova und Wolff 2008). Die Erwerbstätigkeit von Grosseltern erschwert Enkelbetreuung (Hogan, Eggebeen und Clogg 1993; Uttal 1999) insofern, als vornehmlich erwerbstätige Töchter auf familiale Kinderbetreuung angewiesen sind (Beaujot 1997) und die nachgefragten Betreuungszeiten mit den Arbeitszeiten der Grosseltern kollidieren können. Vor allem Grossmütter mit einem niedrigen Bildungsniveau sind jedoch oftmals bereit, ihre Töchter bei der Ausübung ihres Berufs zu unterstützen und dafür ihre eigene Erwerbstätigkeit zu reduzieren beziehungsweise einzustellen (Dimova und Wolff 2008). Einkommensressourcen spielen vor allem bei finanziellen Transfers an die Enkelkinder eine Rolle (Cox und Rank 2000; Kemp 2005; Szydlik 2000). In Bezug auf die Kinderbetreuung gewinnen sie jedoch dann an Bedeutung, wenn sie als Ersatz für das Ausbleiben zeitlicher Transfers dienen oder wenn die Enkelbetreuung nicht nur zeit-, sondern auch kostenintensiv ist. Grundsätzlich fördern zeitliche Transfers die Erwerbstätigkeit junger Mütter, während sie durch (ausgeprägte) finanzielle Transfers eher vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden (Cardi und Ng 2002; Dimova und Wolff 2008). Bedürfnisstrukturen Nebst den Möglichkeiten der Leistungserbringer wirken Bedürfnisstrukturen der Empfänger auf funktionale intergenerationale Transfers (Szydlik 2000). Für Kinderbetreuungsleistungen durch Grosseltern ist beispielsweise die Erwerbstätigkeit der Mütter (G2) zentral (Brandis 2003; Wheelock und Jones 2002). Die emotionale Nähe zu ihren Enkelkindern sowie die Bereitschaft, Grosselternschaft aktiv zu gestalten, machen Grosseltern für die Bedürfnisse ihrer Kinder und Enkelkinder empfänglich (Herlyn und Lehmann 1998; Mueller, Wilhelm und Elder 2002). Eltern mit Kleinkindern oder Kindern im Vorschulalter verfügen über eine ausgeprägte Bedürfnisstruktur, da die (Enkel-)Kinder in der Regel ganztägige Betreuung benötigen. Finanzielle Transfers an Enkelkinder nehmen normalerweise weniger die Form einer regelmässigen ökonomischen Verantwortung, als vielmehr jene einer einmaligen Unterstützung an (Wilk 1993). Diese bedürfnisorientierten finanziellen Transfers sind dann von grosser Bedeutung, wenn die Elterngeneration nicht mehr für ihre Kinder sorgen kann und/oder Enkelkinder sich in einer finanziellen Notlage befinden. In einem solchen Fall sind die Grosseltern als wichtiges safety net (Kemp 2005) verfügbar.
2.4 Bedingungen für intergenerationale Solidarität
43
Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass finanzielle Geschenke ein Bestandteil der Generationenbeziehung zwischen Enkelkindern und Grosseltern sind (Ploeg et al. 2004). Trotzdem stellt sich die Frage, ob und inwiefern diese Transfers durch Bedürfnisse der Enkelkinder beeinflusst werden. Die Bedürfnisstrukturen der Enkel sind einerseits durch das Alter bestimmt (Dench und Ogg 2003); so haben erwachsene Enkelkinder häufiger grössere Konsumwünsche oder Ausbildungspläne, die von den Grosseltern unterstützt werden können. Andererseits können auch ökonomisch schwierige Umstände der jungen Generation grosselterliche Verpflichtungsgefühle stimulieren und in einer finanziellen Unterstützung der Enkel resultieren. Familiale Strukturen Frauen gelten in der soziologischen Familienforschung als sogenannte kin keeper (Rossi und Rossi 1990, siehe auch Kapitel 2.3). Sie fühlen sich besonders verantwortlich für den Zusammenhalt der Familie und engagieren sich auch stärker innerhalb der intergenerationalen Verbindungen. Die Beziehung zwischen Müttern und Töchtern ist demnach besonders stark und erfährt nach der Geburt eines Enkelkindes oftmals eine Intensivierung (Barranti 1985; Spitze und Ward 1998). In der Beziehung zwischen Grosseltern und Enkelkindern sind die Grossmütter häufig für emotionale Belange zuständig, während Grossväter vor allem Sicherheitsgefühle vermitteln (Kemp 2004). Allerdings weisen auch Grossväter eine hohe Bereitschaft auf, sich in der Betreuung der Enkelkinder zu engagieren, nämlich dann, wenn sie das Bedürfnis verspüren, versäumte Kontakte und Erziehungsaufgaben bei den eigenen Kindern durch eine enge Beziehung mit den Enkelkindern nachzuholen (Kornhaber 1996). Geographische Distanz ist für intergenerationale Transfers zwischen Generationen insofern relevant, als dass kurze Wohnentfernungen die Opportunitätskosten für zeitliche Transfers erheblich senken oder überhaupt zulassen. Insbesondere bei der Enkelkinderbetreuung ist räumliche Nähe ein zentraler Bedingungsfaktor (Guzman 1998; Hoff 2007; Hogen, Eggebeen und Clogg 1993). Sie stärkt zudem die affektive Beziehung zwischen Grosseltern und Enkelkindern (Höpflinger, Hummel und Hugentobler 2006; Lange und Lauterbach 1998) und kann folglich finanzielle Transfers begünstigen. Andererseits sind finanzielle Leistungen trotz hoher räumlicher Distanz erbringbar und kompensieren gegebenenfalls nicht geleistete zeitliche Transfers. Die Anzahl der Kinder und Enkelkinder ist von Bedeutung, insofern sich mit zunehmender Anzahl mehr Gelegenheiten für Transfers ergeben (Szydlik 2000). Konkurrenz zwischen Familienmitgliedern um die knappen Ressourcen der älteren Generation kann jedoch dazu führen, dass vor allem intensive Trans-
44
2 Grosseelternschaft und intergenerationale Solidarität
fers wie zum Beispiel eine regelmässige Kinderbetreuung eher ungleich zwischen potentiellen Empfängern verteilt sind. Wird eine gerechte Verteilung der Leistungen auf einzelne Empfänger anvisiert, so kann dies zu einer Verringerung der Intensität der einzelnen Transfers führen: Je mehr Enkelkinder und Kinder vorhanden sind, desto geringer ist beispielsweise die Kontakthäufigkeit mit den einzelnen Enkeln (Coall et al. 2009; Uhlenberg und Hammill 1998). Kulturell-kontextuelle Strukturen Intergenerationale Transfers werden auch durch gesellschaftliche Rahmenbedingungen bestimmt (Szydlik 2000). Vor allem im Zusammenhang mit der Diskussion über einen möglichen Generationenkonflikt und die Aufweichung intergenerationaler Beziehungen gewinnen wohlfahrtsstaatliche Ausgestaltungen für die soziologische Generationenforschung an Bedeutung (z.B. Kohli und Künemund 2005). Es stellt sich dabei die Frage, inwiefern private durch öffentliche Leistungen substituiert oder gefördert werden. Grundsätzlich existieren zwei mögliche Wirkungszusammenhänge: Wenn ausgeprägte staatliche Leistungen intergenerationale Transfers begünstigen, kann von einem sogenannten crowding in gesprochen werden (Daatland 2001). Eine Verdrängung privater Unterstützungsleistungen verweist hingegen auf ein crowding out (Künemund und Rein 1999). Allerdings können Staat und Familie auch komplementär zueinander wirken und sich aufgrund von Spezialisierungsprozessen ergänzen (Brandt, Haberkern und Szydlik 2009; Attias-Donfut und Wolff 2000). In Kapitel 3 wird detaillierter auf diese unterschiedlichen Konzepte eingegangen. Grosselterliche Kinderbetreuung wird ebenfalls durch sozialpolitische, ökonomische und soziale Rahmenbedingungen beeinflusst (Silverstein, Giarrusso und Bengtson 2003). So hängen die Verantwortlichkeiten der Grosseltern stark von der Rollenverteilung zwischen den Eltern der Enkel (G2) ab. In traditionellkonservativen Gesellschaften, in denen Frauen sich für gewöhnlich vollzeitlich dem Nachwuchs widmen, bleibt für grosselterliche funktionale Hilfe wenig Platz; funktionale Grosselternschaft besetzt eine eher untergeordnete Rolle, auch weil oft ein stereotypisiertes Grosselternbild vorherrscht, das den Grosseltern Erziehungsverantwortung und Autoritätspotential abspricht (Höpflinger, Hummel und Hugentobler 2006). Hohe Frauenerwerbsquoten in einer Gesellschaft können einerseits zu einer stärkeren Beanspruchung der Grosseltern führen, andererseits besteht die Möglichkeit, dass sie eine Verstärkung staatlicher Leistungen in Bezug auf Kinderbetreuung zur Folge haben, die wiederum die Nachfrage nach funktionalen grosselterlichen Transfers beeinflussen.
2.5 Forschungsstand
45
Zudem können staatliche Unterstützungsleistungen an die ältere Generation zu einer Verfestigung der Positionierung von älteren Menschen innerhalb der Familie beitragen, indem sie diese zu intergenerationalen Transfers befähigen (Kohli 1999). Nebst wohlfahrtsstaatlichen Rahmenbedingungen wirken auch marktwirtschaftliche Strukturen auf private intergenerationale Transfers. In diesem Zusammenhang stehen vor allem Unabhängigkeitsbestrebungen der jungen Generation im Mittelpunkt: Ökonomische Selbständigkeit von Kindern und erwachsenen Enkeln wird nicht primär über wohlfahrtsstaatliche Arrangements gewährleistet, sondern vielmehr über die Möglichkeiten am Markt Einkommen zu generieren. Günstige volkswirtschaftliche Voraussetzungen unterstützen Autonomiebestrebungen junger Erwachsener und können sowohl die Gründe für intergenerationale finanzielle Transfers als auch deren Häufigkeit und Höhe beeinflussen. 2.5 Forschungsstand 2.5 Forschungsstand Empirische Studien zu familialen funktionalen Unterstützungsleistungen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen: Einerseits finden sich Hinweise, dass die mittlere Generation (G2) am meisten Transferleistungen erbringt und sich somit in der sogenannten Sandwich-Position befindet (Marbach 1994a). Andererseits geht das sogenannte „Kaskadenmodell“ davon aus, dass funktionale intergenerationale Leistungen vor allem von der älteren (G3) zu den jüngeren Generationen (G2 und G1) fliessen (z.B. Fritzell und Lennartsson 2005; Kohli et al. 2005; Kronebusch und Schlesinger 1994; Litwin et al. 2008; Motel und Szydlik 1999). Die Uneinheitlichkeit der empirischen Ergebnisse lässt sich teilweise durch unterschiedliche Erfassungsmethoden in Bezug auf erbrachte Leistungen erklären. In einigen Studien wird allein die Häufigkeit einer Transferleistung in einer Familiengeneration beachtet (z.B. Marbach 1994a), während andere Studien die Höhe der Transferleistungen beziehungsweise deren monetäre Entsprechungen in die Analysen miteinbeziehen (z.B. Kronebusch und Schlesinger 1994). In nahezu allen Studien gibt es jedoch Hinweise dafür, dass die Grosselterngeneration auch weiterhin an intergenerationalen Beziehungen teilnimmt (z.B. AttiasDonfut 1995; Hoff 2007; Kohli et al. 2005; Kronebusch und Schlesinger 1994; Rossi und Rossi 1990) und dies durch die heute lange Gesundheit im Alter sogar noch aktiver als in der Vergangenheit. Dies würde gegen die Sandwich-Position der mittleren Generation (G2) sprechen (z.B. Höpflinger 1999; Künemund 2006). Lediglich sehr betagte Personen stellen Transfers nahezu gänzlich ein, erhaltene Hilfen überwiegen hier (z.B. Kronebusch und Schlesinger 1994; Rossi und Rossi 1990).
46
2 Grosseelternschaft und intergenerationale Solidarität
Grosseltern und Kinderbetreuung Bawin-Legros und Stassen (2002) finden in ihrer Studie, dass in Belgien die Kinderbetreuung durch die Grosseltern nach der affektiven Unterstützung die wichtigste Form intergenerationaler Hilfestellung darstellt. Rund 35 Prozent aller Befragten leisten Kinderbetreuung.9 In Frankreich sind dies über 60 Prozent der Grossmütter und ca. 50 Prozent der Grossväter (Hank und Buber 2009). Auch in Deutschland stellt Enkelbetreuung eine wichtige Form intergenerationaler Solidarität dar. Templeton und Bauereiss (1994) fanden heraus, dass 60 Prozent der befragten deutschen Grosseltern Enkelbetreuung erbringen. Im Jahr 2004 leisteten in Deutschland 51 Prozent der Grossväter und 65 Prozent der Grossmütter Kinderbetreuung (Hank und Buber 2009), über 30 Prozent der deutschen Grossmütter taten dies mindestens einmal pro Woche. Attias-Donfut (2000) geht für Frankreich davon aus, dass sich die Kinderbetreuungsleistungen durch Grosseltern aufgrund längerer Ausbildungszeiten von Frauen und höherer weiblicher Erwerbstätigkeit zunehmend verstärkt haben. Ausserdem stellt sie fest, dass sich das Vorhandensein eines Partners, ein hohes Bildungsniveau und ein hohes Einkommen aufseiten der Grosselterngeneration sowohl auf die Wahrscheinlichkeit als auch auf die Intensität der Betreuung positiv auswirken (Attias-Donfut 2000). Ähnliche Ergebnisse zeigen sich für deutsche Grosseltern. Auch bei ihnen hat Partnerschaft einen positiven Effekt auf die Entscheidung, Betreuung zu leisten, und auf die geleistete Intensität. Erwerbstätigkeit vermindert hingegen die Wahrscheinlichkeit eines Engagements (Hank und Buber 2009). Attias-Donfut (2000) hebt ausserdem hervor, dass die Eigenschaften der Elterngeneration (G2) ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Unterstützung durch die Grosseltern spielen. So erhalten alleinerziehende Eltern häufiger Hilfe bei der Kinderbetreuung. Ebenfalls häufiger bekommen diejenigen Eltern Unterstützung (G2), die im Vergleich zu den Grosseltern (G1) einen sozialen Aufstieg erreicht haben. Finanzielle Transfers fliessen hingegen eher an Eltern (G2), die im Vergleich einen tieferen sozialen Status aufweisen. Dies weist auf eine verstärkte weibliche intergenerationale Solidarität hin (Attias-Donfut 2000), da Kinderbetreuung vor allem von Grossmüttern an erwerbstätige junge Mütter und deren Kinder geleistet wird und oftmals eine wesentliche Unterstützung für die Realisierung beziehungsweise Aufrechterhaltung der Erwerbstätigkeit darstellt (Dimova und Wolff 2006). In einer Studie zur Enkelbetreuung französischer Immigranten der ersten Generation lässt sich dieses Muster ebenfalls wiederfinden (Dimova und Wolff 2008): Die grosselterliche Kinderbetreuung wird ungleich 9
Das von Bawin-Legros und Stassen benutzte Sample wurde nicht auf Grosseltern eingeschränkt. Eine solche Einschränkung würde die Prozentzahlen der betreuenden Grossväter und Grossmütter höchstwahrscheinlich um ein Wesentliches erhöhen.
2.5 Forschungsstand
47
zwischen den Geschwistern verteilt, was auf eine Konkurrenzsituation hindeuten kann. Jene Kinder (G2), die ein höheres Potential auf dem Arbeitsmarkt aufweisen, erhalten eher Unterstützung, während die finanzielle Situation der mittleren Generation (G2) eine wenig stärkere Rolle spielt. Auch Hank und Buber (2009) kommen zum Schluss, dass in erster Linie der Erwerbsstatus der jungen Mütter und das Alter der Enkelkinder die grosselterliche Kinderbetreuung beeinflussen. In zahlreichen Studien zu intergenerationaler Solidarität wurde ausserdem aufgezeigt, dass die Wohnentfernung zwischen den Generationen für das Auftreten von Zeittransfers zwischen Familienmitgliedern von zentraler Bedeutung ist (z.B. Eggebeen und Hogan 1990; Rossi und Rossi 1990; Szydlik 2000). Vor allem regelmässige Enkelbetreuung wird stark durch die Wohndistanz zwischen den Grosseltern und ihren Kindern (G2) beeinflusst (Brandon 2000; Dimova und Wolff 2006; Hank und Buber 2009; Templeton und Bauereiss 1994). Ausserdem stimuliert die Enge der Beziehung zwischen G2 und G3 die Intensität der Enkelbetreuung. Mütter, die eine Scheidung erlebt haben, weisen oft eine engere und emotionalere Beziehung zur eigenen Mutter auf, was wiederum die Wahrscheinlichkeit für eine grossmütterliche/grosselterliche Enkelbetreuung erhöht (Guzman 1998). Templeton und Bauereiss (1994) haben den Einfluss des Vorhandenseins von Kindern und Kinderbetreuung auf die Tauschbeziehung zwischen der jüngeren und älteren Generation untersucht und testen mit diesem Vorgehen das Altruismus- und Austauschmodell. Die Existenz kleiner Kinder erhöht den Transferfluss an die jüngere Generation. Die Leistung von Kinderbetreuung wirkt sich wiederum positiv auf andere gegenseitige Unterstützungsformen aus und stimuliert aus Sicht der mittleren Generation (G2) das Geben und Nehmen intergenerationaler Transfers. Eine regelmässige Enkelbetreuung führt dabei zu reziproken Leistungen, während die gelegentliche Enkelbetreuung in der Regel als Geschenk betrachtet und als altruistisch motiviert erklärt wird; sie ruft keine Gegenleistungen hervor (Templeton und Bauereiss 1994). Soziologische Studien, die sich konkret mit der grosselterlichen Betreuung befassen, sind noch immer eher selten. Häufiger finden sich Analysen, die sich mit der Unterscheidung zwischen familialer und nicht-familialer Kinderbetreuung beschäftigen. Uttal (1999) untersucht sozioökonomische und ethnische Einflussfaktoren von Kinderbetreuungsentscheidungen in den USA basierend auf 30 qualitativen Gesprächen mit erwerbstätigen Müttern unterschiedlicher Ethnien. Während angloamerikanische Frauen sich eher kritisch gegenüber familialer Kinderbetreuung äusserten, werteten mexikanische und afroamerikanische Frauen eine Kinderbetreuung durch Familienangehörige positiver. Jedoch weist Uttal (1999) darauf hin, dass kulturelle und ethnische Unterschiede keinesfalls allein zur Erklärung für informelle Kinderbetreuung reichen. Zusätzlich spielen die
48
2 Grosseelternschaft und intergenerationale Solidarität
Bedürfnisse der Mütter und vor allem die Opportunitäten der grosselterlichen Betreuer eine wichtige Rolle. Johansen, Leibowitz und Waite (1996) gehen davon aus, dass die erlebte Qualität der Kinderbetreuung für die Eltern kein eindimensionales Konstrukt ist, sondern durch eine Kombination vieler Erwartungen und Einstellungen entsteht. Die Forscher unterscheiden zwischen intrinsischen und extrinsischen Faktoren, welche die Wahl der Kinderbetreuung beeinflussen. Unter die extrinsischen Faktoren fallen die Kosten der Kinderbetreuung, die Verfügbarkeit derselben sowie ihre Entfernung vom eigenen Wohnort. Intrinsische Faktoren beziehen sich auf Aspekte, die für die kindliche Entwicklung von Bedeutung sind wie zum Beispiel die Programme und Infrastruktur von Kinderbetreuungseinrichtungen oder die Kompetenz der dort angestellten Betreuungspersonen. Johansen, Leibowitz und Waite (1996) finden ihre Annahme bestätigt, dass sowohl extrinsische als auch intrinsische Aspekte bei der Wahl der Betreuungsart eine Rolle spielen. Zentrale Ergebnisse sind, dass Frauen, die viel Wert auf Aspekte der kindlichen Entwicklung legen, häufiger Betreuungseinrichtungen in Anspruch nehmen, während kostenbewusste Mütter oder Mütter, die eine familiale Betreuung als besser für ihre Kinder erachten, häufiger zu Hause betreuen oder betreuen lassen. Vor allem gut ausgebildete Mütter legten Wert auf die kindliche Weiterentwicklung, der Effekt der Ausbildungsvariablen schwächt sich mit dem Einführen der intrinsisch definierten Faktoren ab. Extrinsische Faktoren haben einen insgesamt stärkeren Einfluss auf die Wahl der Kinderbetreuung als intrinsische (Leibowitz und Waite 1996). Die Mehrheit der Eltern bevorzugt allerdings familiale Kinderbetreuung (Hofferth, Brayfield, Deich und Holcomb 1991; Berger und Black 1992). Dies lässt sich einerseits darauf zurückführen, dass Grosseltern ihren Enkelkindern und Kindern meistens sehr nahe stehen und sich aufrichtig um deren Wohlergehen sorgen (Silverstein, Giarrusso und Bengtson 2003). Andererseits kann aber auch ein Mangel an Alternativen wie formale Kinderbetreuungsmöglichkeiten als Erklärung für diese Präferenz herangezogen werden. In England untersuchten Wheelock und Jones (2002), welche Faktoren die mütterliche Entscheidung, familiale Betreuung in Anspruch zu nehmen, beeinflussen. Sie befragten dabei nicht nur die (erwerbstätigen) Mütter, sondern auch deren familiale Kinderbetreuungshelfer. Das quantitative Sample bestand aus 425 Fällen (vorwiegend Frauen) und 224 informellen Betreuungspersonen. In einem weiteren Schritt wurden ca. 30 Fokusgruppen gebildet und qualitative Befragungen durchgeführt. Dabei stellten sich Kostenstrukturen und die Verfügbarkeit formeller Kinderbetreuung als wesentliche ,pushދ-Faktoren informeller Betreuung heraus. In England nutzen 86 Prozent der Befragten informelle Kinderbetreuung im Vergleich zu 54 Prozent, die formelle Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen.
2.5 Forschungsstand
49
Formelle und informelle Kinderbetreuungsleistungen werden überdies häufig miteinander kombiniert (46 Prozent). Bei der Kinderbetreuung durch Familienmitglieder stellen die Grossmütter mütterlicherseits die wichtigsten Helfer dar, gefolgt von den maternalen Grossvätern. Die paternalen Grossväter hingegen bilden die schwächste Gruppe in Bezug auf die Enkelbetreuung: Nur 18 Prozent aller erwerbstätigen Eltern nehmen ihre Hilfe in Anspruch. In den qualitativen Interviews stellte sich zudem heraus, dass in den meisten Familien die Mütter die Organisation der Kinderbetreuung übernehmen. Als wichtigste Sorge bei der Inanspruchnahme der eigenen Eltern stellte sich die Möglichkeit einer Überbelastung der älteren Generation heraus. Bei den Eltern der Kinder finden Wheelock und Jones (2002) einen stark ausgeprägten ,Gerechtigkeitssinnދ, der sich darin manifestiert, dass nur eine gewisse Höhe an grosselterlichem Zeitengagement für die Enkelbetreuung als fair angesehen wird. So werden zwar bevorzugt Grosseltern und vor allem Grossmütter für Enkelbetreuungsaufgaben beansprucht, allerdings im Bewusstsein, dass jene ihr eigenes Leben führen und nicht über grenzenlose Zeitressourcen verfügen.10 Entsprechend berichteten die betreuenden Grosseltern in den Fokusgruppen, dass das Erbringen regelmässiger und intensiver Betreuung für sie eine ähnliche Belastung darstelle wie jene einer Vollzeitarbeit. Auch Guzman (1998) weist darauf hin, dass Kinderbetreuung eine zeitintensive und herausfordernde Aufgabe für Grosseltern darstellt. Dabei erhalten Grosseltern selten eine ökonomische Kompensation für ihre erbrachten Leistungen, und wenn Geld bezahlt wird, liegt die monetäre Kompensation meist weit unter dem Marktpreis für Kinderbetreuungsleistungen (Jendrek 1993; Presser 1989). Jendrek (1993) findet unterschiedliche Formen von Belastungen von ganztagsbetreuenden Grosseltern: Diese berichten, weniger Zeit für sich selbst und alltägliche Angelegenheiten zu haben, weniger Zeit mit dem Partner verbringen zu können und freizeitliche Aktivitäten einschränken zu müssen. Bower und Myers (1999) zeigen, dass Grosseltern, die moderate Betreuungsleistungen erbringen, im Vergleich mit nicht betreuenden Grosseltern einen höheren Grad an Zufriedenheit aufweisen. Ein möglicher Grund für diesen Befund besteht darin, dass Grosseltern am zufriedensten mit der Beziehung zu ihren Enkelkindern sind, wenn sie diese bis zu einem gewissen Grad idealisieren können. Bei einem ganztägigen Engagement und einer hohen Betreuungsintensität fällt eine solche Idealisierung jedoch zunehmend schwerer (Bowers und Myers 1999). Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich durch eine zeitintensive Betreuung oder eine Übernahme des Sorgerechts die Enkel-Grosseltern-Beziehung ge10
Eine Krankenschwester berichtet zum Beispiel: “I was also aware that they retired to enjoy their life and I didn’t want to put any full time care, you know, where they were restricted” (Wheelock und Jones 2002: 452).
50
2 Grosseelternschaft und intergenerationale Solidarität
zwungenermassen verschlechtern muss. Im Gegenteil, Grosseltern, die als Ersatzeltern fungieren, berichten oftmals über sehr gute bis hervorragende Beziehungen zu ihren Enkelkindern (Bowers und Myers 1999). Die Übernahme des Sorgerechts der Enkelkinder (z. B. im Rahmen einer Adoption) stellt den wohl extremsten Fall grosselterlichen Engagements dar. Diese Form intergenerationaler Unterstützung findet sich bei einkommensschwachen Familien und in Fällen delinquenter, drogenabhängiger oder kranker Eltern. Auch der Tod der Eltern kann dazu führen, dass Grosseltern die vormundschaftliche Verantwortung für ihre jungen Enkel übernehmen müssen (Minkler und Roe 1996). Diese Art funktionaler Solidarität geht häufig mit einer Koresidenz der Grosseltern und ihren Enkelkindern einher (Mutchler, Baker und Lee 2007; Pebley und Rudkin 1999). In den Vereinigten Staaten waren im Jahre 2000 ca. 3.6 Prozent aller in Haushalten lebenden Personen Grosseltern, die mit ihren Enkelkindern zusammenwohnten. 42 Prozent dieser koresidierenden Grosseltern verfügten zudem über das Sorgerecht für ihre Enkelkinder. Für Deutschland schätzt Fabian (1994) die Anzahl der Enkelkinder-GrosselternVerhältnisse, in denen die Grosseltern die Erziehung der Enkelkinder übernommen haben, auf rund 140.000 Fälle. Die Übernahme der Erziehungsverantwortung stellt eine äusserst intensive und oftmals überlebenswichtige Hilfeleistung für junge und sozial schwache Familien dar und ist als eine sehr spezifische und seltene Form familialer Unterstützung zu sehen, die sich mit dem theoretischen Modell intergenerationaler Solidarität nur bedingt sinnvoll analysieren lässt. Viel wichtiger erscheint deshalb eine qualitative, psychologische Erforschung dieser Form der familialen Hilfe, die dazu beitragen kann, geeignete Unterstützungsinstrumente und -programme für überlastete grosselterliche Ersatzeltern zu entwickeln. Finanzielle Transfers an Enkelkinder Studien zu finanziellen Transferleistungen an Enkelkinder sind äusserst selten. Dabei stellen Enkelkinder neben den Kindern die zweitwichtigsten Empfänger in Bezug auf finanzielle Transfers von der älteren an die jüngere Generation dar (Hoff 2007). Die Summen, die an Enkelkinder fliessen, sind allerdings wesentlich geringer als jene an die eigenen Kinder (Hoff 2007). Heutige Grosseltern in den westlichen Industrienationen befinden sich in der Regel in einer komfortablen finanziellen Situation. In weiten Teilen der westlichen Welt hat die heutige Grosselterngeneration eine nie zuvor gesehene Verbesserung ihrer ökonomischen Lebenssituation erfahren (Attias-Donfut und Segalen 2002; Cherlin und Furstenberg 1986; Wilk 1993). Ploeg et al. (2004) analysieren die Gründe älterer kanadischer Eltern, ihren Kindern und Gross-
2.5 Forschungsstand
51
kindern finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen. Mit ,Gründen ދsind dabei nicht die Motive für intergenerationale finanzielle Transfers gemeint, sondern der Anlass oder der gewünschte Einsatzbereich des geschenkten Geldes. Während finanzielle Transfers an Kinder vor allem zur Unterstützung von Konsumaktivitäten, Hochzeits- oder Ausbildungsausgaben geleistet werden, werden (Geld-)Geschenke an die Enkelkinder häufig im Rahmen von Treuhandfonds oder Ausbildungsfonds erbracht oder unterstützen die Enkel in ihren Konsumaktivitäten. Ein Grossteil der ökonomischen Transferleistungen an Kinder (48 Prozent) und Enkelkinder (17 Prozent) wird jedoch ohne spezifischen Grund geleistet. Allerdings müssen diese Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden, da sie nicht auf einer repräsentativen Stichprobe beruhen. Welche Faktoren finanzielle Transfers an Enkelkinder beeinflussen, ist bisher sehr wenig erforscht. Hoff (2007: 653 ff.) stellt fest, dass ältere Grosseltern tendenziell häufiger Transfers an ihre Enkelkinder leisten. Dieses Muster könnte einerseits auf eine mit dem Alter der Enkel zusammenhängende erhöhte Bedürfnisstruktur hinweisen, andererseits auf zunehmende Ressourcen oder Transfermöglichkeiten der älteren Grosseltern. Grosseltern-Enkel-Beziehungen sind gemäss Hoff (2007) zudem selten von Reziprozitätserwartungen geprägt, und die Grosseltern erhalten demgemäss selten bis gar keine intergenerationale Unterstützung vonseiten ihrer Enkelkinder (siehe zur theoretischen Begründung Kapitel 2.1). Der Grossteil der Untersuchungen zu finanziellen intergenerationalen Transfers beschäftigt sich mit finanziellen Transfers von Eltern an ihre Kinder. Dabei steht die Untersuchung der Motive im Mittelpunkt des Interesses. Die ökonomische Literatur kommt anhand empirischer Studien auf Basis ökonometrischer Modelle mehrheitlich zum Schluss, dass intergenerationale Transfers vor allem durch Austauschmotive stimuliert werden (z.B. Altonji, Hayashi und Kotlikoff 1997; Bernheim, Shleifer und Summers 1985; Cox 1987) oder zumindest nicht klar auf altruistische Motive zurückgeführt werden können (z.B. Altonji, Hayashi und Kotlikoff 1992; Jellal und Wolff 2003; Wolff 2000). Künemund und Motel (2000) finden in ihren auf den Daten des Deutschen Alterssurveys basierenden Analysen, dass Reziprozität als zweitwichtigstes und normative Verpflichtungen als wichtigstes Motiv für die Unterstützung zwischen Familienmitgliedern fungieren. Altruismus spielt hingegen keine zentrale Rolle für intergenerationale Solidarität. Ein Ansatz, Altruismus zu testen, besteht in der Prüfung der Annahme, dass steigende elterliche Ressourcen und schwache Ressourcen der Kinder eine altruistisch motivierte Umverteilung von finanziellen Mitteln zur Folge haben (Altonji, Hayashi und Kotlikoff 1997). Perfekt altruistisches Verhalten würde demnach zu einer Neutralisierung öffentlicher Umverteilungspolitik führen. Cox und Ja-
52
2 Grosseelternschaft und intergenerationale Solidarität
kubsen (1995) heben allerdings hervor, dass der Umverteilungseffekt durch intergenerationale Transfers eher noch gestärkt wird, und widerlegen durch ihre Ergebnisse die Annahme altruistisch motivierter familialer Leistungen. Dennoch findet Wolff (2000) in einer Studie zu inter-vivo-Transfers in Frankreich, dass wohlhabendere Eltern eher (Geld-)Geschenke an ihre Kinder machen und weniger gut gestellte Kinder eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, finanzielle Unterstützung zu erhalten. Dies sind Ergebnisse, die wiederum auf altruistisch motivierte (Geld-)Geschenke hindeuten. Finanzielle Transferleistungen von Grosseltern an ihre Enkelkinder dürften anderen Mustern folgen als jene an die eigenen Kinder. Einerseits ist die Beziehung zwischen Grosseltern und Enkeln weniger stark durch regelmässige ökonomische Verantwortung geprägt (Wilk 1993), andererseits sind aufgrund einer „normativen Asymmetrie“ zwischen dem Grosselternteil und dem Enkelkind (Hoff 2007; Höpflinger, Hummel und Hugentobler 2006: 10) kaum Rückflüsse der geleisteten Transferleistungen in Form von Geld, Hilfe oder Pflege zu erwarten. Reziprozitätserwartungen der Grosseltern beziehen sich darum wohl eher auf Kontakte zu den Enkelkindern, die eine emotionale Bereicherung für sie darstellen (Barranti 1985; Höpflinger 2009).
3 Kulturell-kontextuelle Strukturen und intergenerationale Solidarität 3 Kulturell-kontextuelle Strukturen intergenerationaler Solidarität
Unterstützungsleistungen zwischen Familienmitgliedern unterliegen neben den Einflüssen individueller Ressourcen und familialer Strukturen kulturellkontextuellen Bedingungen. Dabei haben Diskussionen um die Krise des Wohlfahrtsstaats sowie der demographische Wandel und damit verbundene Versorgungsängste vor allem die Auswirkungen sozialstaatlicher Strukturen auf Individuen und Familien in den Mittelpunkt der familiensoziologischen Diskussion gerückt. Daneben wird intergenerationale Solidarität aber auch von kulturellen Normen und Werten sowie makroökonomischen Bedingungen beeinflusst (Szydlik 2000). Diese einzelnen Faktorengruppen formen die kulturell-kontextuellen Strukturen, in die intergenerationale Beziehungen eingebettet sind, existieren aber keineswegs unabhängig voneinander. So hat die Ausgestaltung von Wohlfahrtsstaaten eine stark kulturelle Komponente und wird durch normative gesellschaftliche Leitbilder beeinflusst. Am besten lässt sich eine solche Wechselbeziehung anhand der öffentlichen Bereitstellung von institutionellen Kinderbetreuungsmassnahmen erläutern. Der durch die feministische Bewegung der 60er Jahre angestossene Aufbruch der traditionellen Rollenverteilung hat unter anderem dazu geführt, dass Frauen vermehrt am Arbeitsmarkt tätig sind und somit die Nachfrage nach institutionellen Betreuungseinrichtungen stark angestiegen ist. Diese Dekonstruktion der isolierten Kernfamilie durch eine politisch machtvolle Bewegung (Walter 1993) hatte also Folgen für die tatsächliche Ausgestaltung des Wohlfahrtsstaats, allerdings in unterschiedlichem Ausmass für verschiedene europäische Länder (z.B. Gauthier 2002b). Während vor allem in skandinavischen Ländern ein fruchtbarer politischer Boden für feministisch motivierte Politik und für die Gleichstellung zwischen Mann und Frau sowie zwischen unterschiedlichen Klassen herrschte (Björnberg und Dahlgren 2008), waren die traditionelleren konservativen Gesellschaften weniger zugänglich für feministische Argumente (Bimbi und Della Sala 2003). So sind die südeuropäischen Wohlfahrtsstaaten wie Italien und Griechenland auch weiterhin vorwiegend auf das klassische Ernährermodell zugeschnitten. Zusätzlich hat aber auch der volkswirtschaftliche Erfolg der skandinavischen Länder dazu beigetragen, familienpolitische Ausgaben realisieren zu können (Greve 2000).
C. Igel, Großeltern in Europa, DOI 10.1007/978-3-531-93055-8_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
54
3 Kulturell-kontextuelle Strukturen intergenerationaler Solidarität
Um eine empirische Analyse unterschiedlichster Bedingungen intergenerationaler Solidarität zu ermöglichen, wird in der Folge eine Aufteilung der kulturell-kontextuellen Strukturen in drei Subebenen vorgenommen: wohlfahrtsstaatliche Arrangements, marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen sowie kulturelle Nomen und Werte. In einem ersten Unterkapitel werden die zentralen theoretischen Konzepte zum Einfluss des Wohlfahrtsstaats auf familiale Solidarität vorgestellt. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass vor allem Enkelbetreuungsarrangements sensibel auf die Ausgestaltung des Wohlfahrtsstaatensystems – also der Bereitstellung von institutionellen Betreuungseinrichtungen sowie der Ausrichtung familialer staatlicher Unterstützungen – reagieren. Anschliessend wird auf ökonomische und kulturelle Rahmenbedingungen intergenerationaler Solidarität eingegangen. In den Kapiteln 3.2 und 3.3 werden unterschiedliche Wohlfahrtstypen in Europa vorgestellt und eine ausführliche Übersicht über die institutionelle Diversifizierung europäischer Wohlfahrtsstaaten und die einzelnen Kinderbetreuungsregimes vorgenommen. Kapitel 3 schliesst mit einer Diskussion zu der Rolle von Grosseltern im Wohlfahrtsstaat und einem Überblick über den Forschungsstand zu grosselterlicher intergenerationaler Solidarität und kulturell-kontextuellen Strukturen. 3.1 Kulturell-kontextuelle Einfüsse auf familiale Unterstützung 3.1 Kulturell-kontextuelle Einfüsse auf familiale Unterstützung Wohlfahrtsstaaten und intergenerationale Solidarität Das Zusammenwirken von Staat und Familie wird in der sozialwissenschaftlichen und ökonomischen Forschung vor allem im Hinblick auf Auswirkungen wohlfahrtsstaatlicher Arrangements auf intergenerationale Solidarität thematisiert. Die Einführung des staatlichen Sozialsystems in Europa hatte eine Umgestaltung der ökonomischen Haushaltsführung zur Folge und führte zu einer Verlagerung der Transferströme von der älteren an die jüngere Generation (Attias-Donfut 2000). Die Qualität der intergenerationalen Beziehungen hat sich dabei verändert insofern, als dass starke ökonomische Abhängigkeiten zwischen Familienmitgliedern persönlich ausgestalteten Beziehungen gewichen sind. Dabei ist dieser Individualismus nicht gleichzusetzen mit einer Auflösung familialer Beziehungen, sondern verweist auf den Abbau von (ökonomischen) Versorgungszwängen zwischen Familienmitgliedern, die in Abwesenheit eines sozialen Sicherungssystems stark präsent waren. Das „materielle Interesse“ (Kaufmann 1993: 107) an Generationenbeziehungen hat somit abgenommen, und neue Beziehungsinhalte sind in den Vordergrund gerückt. Es stellt sich jedoch die Frage, welchen Einfluss das soziale Sicherungssystem auf die Beziehungen zwischen
3.1 Kulturell-kontextuelle Einfüsse auf familiale Unterstützung
55
Generationen genommen hat und inwiefern sich das Solidaritätspotential in der Familie verändert hat. In der Forschung zu intergenerationalen Transfers stehen sich grundsätzlich zwei Argumentationslinien gegenüber. Die crowding out-These geht von einer Substitution intergenerationaler Solidarität durch wohlfahrtstaatliche Leistungen aus (Cox und Jakubson 1995; Reil-Held 2006). Dieses Konzept basiert auf der Annahme, dass familiale Unterstützungsleistungen nur dann erbracht werden, wenn die Bedürfnisse der Empfänger nicht durch öffentliche Leistungen oder andere Ressourcen befriedigt werden (Künemund und Vogel 2006; MotelKlingebiel und Tesch-Römer 2006). Allerdings basieren Generationenbeziehungen nicht ausschliesslich auf funktionalen Bedürfnissen, sondern werden auch durch andere Determinanten, wie Reziprozitätsnormen (Kohli et al. 2005) und Austauscherwartungen (Künemund und Rein 1999), massgeblich beeinflusst. Argumente für das Ausserkrafttreten solcher gesellschaftlicher Normen durch staatliche Unterstützungsleistungen beruhen demnach auf der Annahme, dass staatliche Leistungen familiale Unterstützung vollständig substituieren können und den Kreislauf familialer Austauschprozesse aufbrechen. Familiale Transfers wären folglich auf eine altruistische Motivation der Geber zurückzuführen (Künemund und Vogel 2006). Hierzu sei jedoch bemerkt, dass auch altruistisch motivierte Transfers unabhängig von der Bedürfnisstruktur des Empfängers erfolgen können, nämlich dann, wenn man von einem sogenannten verunreinigten Altruismus ausgeht (Andreoni 1989, Becker 1991), was bedeutet, dass die Nutzenfunktion des Gebers vom Wohlergehen des Empfängers abhängt. Gerade Ökonomen gehen von einem solchen verunreinigten Altruismus-Konzept aus. Bezüglich der Motivation intergenerationaler Transfers finden sich allerdings in vielen ökonomischen Studien lediglich Hinweise auf reziprok motivierte intergenerationale Transfers (Altonji, Hayashi und Kotlikoff 1997; Bernheim, Shleifer und Summers 1985; Cox 1987), während altruistische Motive nicht bestätigt werden konnten (Altonji, Hayashi und Kotlikoff 1992; Jellal und Wolff 2003; Wolff 2000). Dennoch wird das Konzept eines crowding out intergenerationaler Solidarität vor allem in wirtschaftswissenschaftlichen Studien hervorgehoben (Cox und Jakubson 1995; Reil-Held 2006). Die Hypothese eines crowding in hingegen postuliert, dass die Bereitstellung von staatlichen Dienstleitungen zur Förderung intergenerationaler Solidarität beiträgt (Daatland 2001; Reil-Held 2006). Dies ist darauf zurückzuführen, dass staatliche Leistungen einzelne Familienmitglieder dazu befähigen, sich in intergenerationalen Austauschprozessen zu engagieren. Vor allem Renten und Pensionen ermöglichen dabei nach unten gerichtete finanzielle Transfers, die wiederum Reziprozitätsnormen stimulieren und zu Hilfe- und Pflegeleistungen der jüngeren an die ältere Generation führen können. Der Aufbau eines ausge-
56
3 Kulturell-kontextuelle Strukturen intergenerationaler Solidarität
dehnten Pensions- und Rentensystems hat – in Kombination mit starkem Wirtschaftswachstum – der älteren Generation einen noch nie dagewesenen wirtschaftlichen Wohlstand ermöglicht (Clausen 1993) und somit wesentlich zu deren Möglichkeiten intergenerationaler finanzieller Transfers beigetragen. Eine theoretische Erweiterung des crowding in-Konzeptes liefert die sogenannte Komplementaritätsthese, die besagt, dass Familie und Staat komplementär zueinander funktionieren: Familienmitglieder, die Unterstützung vom Staat erhalten, profitieren komplementär dazu von intergenerationalen Leistungen (Attias-Donfut 2000; Attias-Donfut und Wolff 2000). Hintergrund dieser Verstärkung intergenerationaler Unterstützung ist die Entlastung der Familie durch öffentliche Leistungen, die es ermöglichen, Unterstützungsaufgaben aufzuteilen. Familiale Solidarität beschränkt sich dabei nicht nur auf die Erbringung von Leistungen, sondern bezieht ebenfalls die Organisation staatlicher Leistungen mit ein, um so eine optimale Versorgung der Empfängergeneration zu gewährleisten. Diese funktionale Differenzierung ermöglicht also eine gemischte Verantwortung zwischen Staat und Familie bei der Unterstützung von Familienangehörigen (Motel-Klingebiel und Tesch-Römer 2006). So übernehmen bei der Hilfe und Pflege älterer Menschen Familienmitglieder oftmals informelle, weniger zeitintensive Aufgaben, während der Staat regelmässige und körperbezogene Pflegeleistungen bereitstellt (z.B. Brandt, Haberkern und Szydlik 2009; MotelKlingebiel, Tesch-Römer und Von Kondratowitz 2005). Ökonomische und kulturelle Bedingungen Neben sozialpolitischen Makrostrukturen wirken aber auch der ökonomische Kontext und kulturelle Bedingungen auf intergenerationale Transfers (Szydlik 2000). Unter dem ökonomischen Kontext können vor allem die allgemeine Wirtschaftslage, aber auch speziellere volkswirtschaftliche Indikatoren, die die ökonomische Sicherheit oder Unsicherheit für gewisse Gruppen abbilden, verstanden werden. So liefern Jugendarbeitslosigkeitsraten oder Koresidenzraten von jungen Erwachsenen mit ihren Eltern wichtige Hinweise auf ökonomische Risiken oder die wirtschaftliche Situation dieser Altersgruppe (Cordon 1997). Insbesondere die ökonomische Abhängigkeit junger Erwachsener von ihren Eltern hat sich aufgrund von ausgedehnten Ausbildungszeiten in den letzen Jahrzehnten verlängert (Huinink und Konietzka 2007). Allerdings können auch in Bezug auf finanzielle Transfers von Eltern an ihre Kinder (und Enkelkinder) wichtige Länderunterschiede ausgemacht werden, was einerseits auf sozialpolitische Elemente zurückgeführt werden kann, andererseits aber auch auf nationale wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Arbeitsmarktsituationen in Europa.
3.1 Kulturell-kontextuelle Einfüsse auf familiale Unterstützung
57
Ökonomische und wohlfahrtsstaatliche Bedingungen stehen in Wechselwirkung miteinander und bestehen vor dem Hintergrund der kulturellen und normativen Werte einer Gesellschaft. Modernisierungstheorien beschreiben westliche Familienbeziehungen und allgemeine soziale Bindungen als tendenziell unabhängiger von strengen gesellschaftlichen Normen und individualistisch charakterisiert (Kagitcibasi 1996). Das familiäre Zusammenleben ist durch eine grosse Vielfalt charakterisiert, familiale Bindungen sind nicht fest vorgegeben, sondern werden über Aushandlungsprozesse und Anpassungsleistungen ausgestaltet (Wilk 1993). Es wird davon ausgegangen, dass gerade die Industrialisierung und soziale Sicherungssysteme zu diesem Phänomen massgeblich beigetragen haben. In diesem Sinne galt lange die Annahme, dass die ökonomische Entwicklung eines Landes durch eine individualistisch ausgerichtete Gesellschaft vorteilhaft beeinflusst wird, während kollektive Gesellschaftssysteme ein weniger leistungsfähigeres Wirtschaftssystem aufweisen (Hofstede 1980). Vergangene wirtschaftliche Entwicklungen und vor allem das starke Wirtschaftswachstum ostasiatischer Länder wie Japan, Taiwan und Singapur haben diese Annahme jedoch stark in Frage gestellt (Kagitcibasi 1996). Innerhalb der westlichen Welt und Europas lassen sich Abwandlungen dieser individualistischen Tendenzen feststellen. So wird der Norden Europas grundsätzlich als stärker individualistisch und Südeuropa als traditioneller und familienorientierter beschrieben (Reher 1998). Dies spiegelt sich, wie oben beschrieben, auch in der Ausrichtung sozialstaatlicher Massnahmen und der Sozialpolitik. Intergenerationale Beziehungen werden von soziokulturellen Faktoren wesentlich beeinflusst. Diese können sich sowohl auf die Ausgestaltung der Beziehung auswirken, aber auch auf familiale Strukturen und normative Erwartungen. So kann die Anzahl der Kinder von ökonomischen Bedingungen als auch stark von kulturellen Normen und religiösen Einstellungen abhängen (Antonucci und Jackson 2003). Instrumentelle Unterstützung steht ebenfalls in Wechselwirkung mit kulturellen Strukturen und wird durch vorherrschende gesellschaftliche Verpflichtungsnormen und/oder religiöse Vorstellungen geformt. Religion spielt eine Rolle insofern, als dass sich religiöse Gefühle auf die Beziehungsqualität zwischen Familienmitgliedern auswirken können. Gemeinsame religiöse Vorstellungen können demnach zu engeren Verbindungen führen (Pearce und Axinn 1998) und gegebenenfalls intergenerationale Unterstützung fördern. Grundsätzlich lassen sich kulturell-kontextuelle Faktoren in einer historischen Perspektive nur schwer aus ihrer wechselseitigen Beziehung herauslösen. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass bestimmte Faktoren wie Religion oder Verpflichtungsgefühle einen direkten empirisch messbaren Effekt auf intergenerationale funktionale Solidarität haben.
58
3 Kulturell-kontextuelle Strukturen intergenerationaler Solidarität
3.2 Wohlfahrtsstaatliche Regimes 3.2 Wohlfahrtsstaatliche Regimes Zentral für die Charakterisierung eines Wohlfahrtsstaats sind der Grad an Dekommodifizierung, der ein Sozialsystem ermöglicht, und die Folgen der sozialpolitischen Instrumente für die soziale Stratifizierung. Mit Dekommodifizierung ist das Ausmass der Entkoppelung des Lebensunterhalts von der Teilnahme am Arbeitsmarkt gemeint (Esping-Andersen 1990). Esping-Andersen (1990) ermittelt folgende wohlfahrtsstaatliche Regimes: Das sozialdemokratische Regime ist von einer relativ starken Dekommodifizierung geprägt, das heisst die Marktmacht ist begrenzt und die individuelle Unabhängigkeit vom Arbeitsmarkt ist hoch. Ausserdem sind Gleichstellungspolitiken zentral für dieses System. Es handelt sich hierbei also um einen stark ausgeprägten Sozialstaat, wie er in Schweden oder Norwegen vorzufinden ist. Konservative Wohlfahrtsstaaten zeichnen sich durch eine mittelstarke Dekommodifizierung und eine vom Subsidiaritätsprinzip geprägte Politik aus. Letzteres besagt, dass sozialpolitische Instrumente vor allem dann eingesetzt werden sollen, wenn die traditionelle familiale Sicherung nicht gegeben ist. Statusunterschiede in der Bevölkerung werden durch schwach ausgeprägte Umverteilungspolitiken beibehalten. Zu den konservativen Wohlfahrtsstaaten gehören zum Beispiel Deutschland, Frankreich oder Österreich. Der liberale Typ weist eine minimale Dekommodifizierung auf und zeichnet sich durch äusserst moderate Sozialleistungen und Umverteilungsmassnahmen aus. Liberale Wohlfahrtsstaaten sind beispielsweise die USA, Grossbritannien und die Schweiz. Die weitverbreitete Kategorisierung der europäischen Wohlfahrsstaaten nach Esping-Andersen (1990) wurde allerdings auch einer kritischen Betrachtung unterzogen. Hauptkritikpunkt ist der fehlerhafte Umgang mit den herangezogenen Daten (Obinger und Wagschal 1998) sowie Schwierigkeiten bei der klaren Trennung und Einordnung von Staaten in die doch eher idealtypischen Kategorien (Kohl 1993). Besonders wichtig erscheinen allerdings der mangelnde Einbezug der Rolle der Frau und deren Positionierung innerhalb der Familie (Orloff 1993) in die Typenbildung. So nehmen Frauen oftmals aus familialen Gründen nicht am Arbeitsmarkt teil, und eine Dekommodifizierung durch finanzielle Unterstützung ist für junge Mütter nicht ausschlaggebend.
3.2 Wohlfahrtsstaatliche Regimes
59
Tabelle 3.1: Wohlfahrtsstaatliche Regimes und Kinderbetreuung
Sozial demokratisch
Unterstützung elterlicher Kinderbetreuung
Unterstützung ausserhäuslicher Kinderbetreuung
Länder
Mittlere Unterstützung durch direkte Geldmittel
Hohe Unterstützung: stark ausgebaute Kinderbetreuungsmöglichkeiten
SE, DK
Mittlere Unterstützung: relativ wenig öffentliche Kinderbetreuungsmöglichkeiten
FR, BE,
Hohe Unterstützung durch langen Elternurlaub Konservativ
Mittlere bis hohe Unterstützung durch direkte Geldmittel Relativ hohe Unterstützung durch langen Elternurlaub
DE, AU, NL
Liberal
Geringe Unterstützung durch direkte Geldmittel
Geringe Unterstützung: wenig öffentliche Kinderbetreuungsmöglichkeiten
CH
Südeuropäisch
Geringe Unterstützung durch direkte Geldmittel
Geringe Unterstützung: wenig öffentliche Kinderbetreuungsmöglichkeiten
GR, IT, ES
Geringe Unterstützung: kurzer Elternurlaub Quelle: Esping-Andersen 1990; Ferrera 1998; Gauthier 2002b
Zwei zentrale sozialpolitische Aspekte sind für junge Eltern von hoher Relevanz und erscheinen auch in Bezug auf intergenerationale Enkelbetreuung von zentraler Bedeutung: einerseits die Unterstützung elterlicher Kinderbetreuung durch Mutterschaftsurlaub und Elterngeld und andererseits die Bereitstellung von öffentlichen Betreuungseinrichtungen, die ausserhäusliche Betreuung ermöglichen (Gauthier 2002b; Höpflinger 1993). Diese familialistische Dimension war in der Ursprungskategorisierung nach Esping-Andersen nicht enthalten, sondern ist erst im Laufe der Zeit von verschiedenen Autoren thematisiert worden und gründete in der Einführung eines vierten wohlfahrtsstaatlichen Modells, jenem des mediterranen südeuropäischen Wohlfahrtsstaats (Ferrera 1998; Leibfried 1992; Lessenich 1994). Dieser Typ rückt die Versorgungsleistungen für Familien in den Mittelpunkt und zeichnet sich durch eher schwache Sozialleistungen aus. Die grundsätzlichen geringen Transfers des südeuropäischen Modells sind dabei
60
3 Kulturell-kontextuelle Strukturen intergenerationaler Solidarität
nicht auf eine mangelnde Dekommodifizierung zurückzuführen, sondern auf eine schwache Defamilialisierung (Flaquer 2000). Familiale Netzwerke gelten in diesem Modell als wichtigste und wertvollste Versorgungsquelle. In Tabelle 3.1 findet sich eine Einordnung der beiden zentralen Unterstützungsmassnahmen für junge Eltern innerhalb der eben beschriebenen Wohlfahrtsstaatsmodelle. 3.3 Länderspezifische Unterschiede 3.3 Länderspezifische Unterschiede Die Kategorisierung familienpolitischer Massnahmen nach der Wohlfahrtstypologie von Esping-Andersen (1990) und Ferrera (1998) bietet einen guten ersten Überblick, kann jedoch den starken nationalen Unterschieden bezüglich der Ausgestaltung von familienbezogenen Leistungen nicht Rechnung tragen. Die Bereitstellung von öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen und die Ausgestaltung von Mutterschafts- und Elternurlaub unterliegen nationalen Unterschieden. Besonders diese Faktoren spielen jedoch eine wichtige Rolle bei der Inanspruchnahme grosselterlicher Hilfeleistungen für die Betreuung von Kindern und Kleinkindern. Im Folgenden soll deshalb eine detailliertere Beschreibung der einzelnen Länder geliefert werden, um so länderspezifische Arrangements näher zu beleuchten. Die sozial demokratischen Länder In den fünfziger Jahren herrschte in Schweden wie in weiten Teilen Europas das Idealbild der Frau als Hausfrau vor, und staatliche Unterstützung von erwerbstätigen Frauen wurde nur dann erteilt, wenn die Erwerbstätigkeit als Notwendigkeit zum Überleben anerkannt wurde, wie dies bei alleinerziehenden Frauen der Fall war. Die Familienpolitik dieser Zeit legte besonderen Wert darauf, die Hausfrauentätigkeit durch Rat und Expertise zu unterstützen, geeignete Familienwohnungen zur Verfügung zu stellen und junge Paare zu früher Heirat anzuregen (Daune-Richard und Mahon 2003). Zu diesem Zeitpunkt galt also das Ziel der nationalen Vollbeschäftigung nur für Männer, nicht aber für Frauen. Zwar haben Engpässe beim Arbeitsangebot zu Diskussionen über die Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit geführt, allerdings wurden keine Kinderbetreuungseinrichtungen geschaffen und die Arbeitsmarktpolitik beruhte auch weiterhin auf dem klassischen männlichen Ernährermodell. Allerdings wurden die Frauen im schwedischen Modell alle in gleichem Masse in ihrer Rolle als Mütter mit sozialen Programmen (vor allem Mutterschaftsgeld) unterstützt, unabhängig von ihrem Familienstand und ihrer Rolle auf dem Arbeitsmarkt. In den 60er Jahren begann in Schweden sowohl innerhalb der liberalen Bewegung (Baude 1992) als
3.3 Länderspezifische Unterschiede
61
auch bei den Soziodemokraten (Dahlström 1962) Diskussionen um die Gleichstellung der Frau und deren Positionierung in der schwedischen Gesellschaft als freies Individuum. Vor dem Hintergrund einer stark wachsenden Volkswirtschaft, der feministisch-humanistischen Bewegung sowie den in den 90er Jahren stark einsetzenden Veränderungen der Familienstruktur und sinkenden Fertilitätsraten (Greve 2000) setzte sich in Schweden ein egalitäres Geschlechtermodell durch (Daune-Richard und Mahon 2003). Die daraus abgeleiteten Reformen sind charakterisiert durch einen geschlechterneutralen Ansatz und eine starke Erweiterung der staatlichen Verantwortung im Bereich soziale Unterstützung und soziale Dienstleistungen (Björnberg und Dahlgren 2008). Um die Erwerbstätigkeit von Frauen zu fördern und das wirtschaftliche Wachstum zu unterstützen, wurden einige grundlegende institutionelle Änderungen vorgenommen, die vor allem die Kosten der Familiengründung senken sollten. Die Finanzierung der redistributiven Massnahmen wurde hauptsächlich über Steuern erbracht, was einer Integration der Frauen in das Produktionssystem zusätzliche Bedeutung zukommen liess (Björnberg und Dahlgren 2008). Die Einrichtung von kommunalen Kinderbetreuungseinrichtungen, die einem zentralen pädagogischen Programm folgten, diente dabei nicht nur der Freistellung von Frauen für den Arbeitsmarkt, sondern ebenfalls der frühen Eindämmung sozialer Ungleichheit und sozio-ökonomischer und ethnischer Unterschiede (Björnberg und Dahlgren 2008). Neben öffentlichen Einrichtungen expandierte auch die subventionierte Tagesbetreuung im eigenen Heim. 1974 wurde der Mutterschaftsurlaub durch den Elternurlaub ersetzt, was die Gleichstellung der Geschlechter weiter betonen sollte (Letablier und Jönsson 2005). Darüber hinaus wurde 1995 ein Teil des Elternurlaubs fest dem Mann zugeteilt, so dass der Integration von Vätern in die Erbringung von Kinderbetreuung weiter Vorschub geleistet wurde. In Zentrum des schwedischen Modells stehen auch heute noch weniger direkte finanzielle Transfers an die Familien, sondern die Bereitstellung von Kinderkrippen und die Finanzierung eines flexibel einsetzbaren Elternurlaubs.11 Die wirtschaftliche Krise Schwedens von 1990 bis 1997, die einherging mit einer stark angestiegenen Arbeitslosenquote, ermöglichte es konservativen Kräften an die Macht zu gelangen, die die Etablierung eines neo-liberalen Systems einleiten wollten. Für die Kinderbetreuung hätte dies eine teilweise Verlagerung 11
Der Elternurlaub kann dabei auch beispielsweise an nur einem Wochentag in Anspruch genommen werden, was dessen Gesamtdauer verlängert, oder er kann mit der Erwerbstätigkeit kombiniert werden, so dass Frauen beispielsweise an vier Wochentagen erwerbstätig sind und an einem Tag Elternurlaub in Anspruch nehmen können. Elternurlaub kann bis zu einem Alter des Kindes von acht Jahren aufgebraucht werden.
62
3 Kulturell-kontextuelle Strukturen intergenerationaler Solidarität
von öffentlicher Betreuung auf private Dienste bedeutet. Aber auch in der konservativen Regierung war eine starke egalitäre Bewegung präsent, die durchsetzen konnte, dass die staatliche Verantwortung für die Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen für alle erwerbstätigen Eltern in der schwedischen Gesetzgebung verankert wurde (Daune-Richard und Mahon 2003). Die Ausrichtung des egalitären und universalistischen schwedischen Wohlfahrtsstaates erlebte demnach zwar leichte Rückschläge während wirtschaftlich und politisch instabileren Zeiten, hat aber dennoch bis heute Bestand: Im Jahre 2002 verbrachten schwedische Kinder im Alter zwischen einem und fünf Jahren im Durchschnitt 30 Stunden pro Woche in Kinderbetreuungseinrichtungen. 17 Prozent aller Kinder sind in privaten Betreuungsarrangements12 untergebracht, die jedoch auch staatlich unterstützt werden. Der Selbstbehalt bei der Finanzierung der Kinderbetreuung beträgt in keinem Fall mehr als drei Prozent des Haushaltseinkommens und nimmt mit der Anzahl an Kindern ab, das vierte Kind wird kostenlos betreut (Björnberg und Dahlgren 2008).13 Der Elternurlaub beträgt insgesamt 72 Wochen für jeden Elternteil. Während dieser Zeit wird während 90 Tagen ein Pauschalbetrag ausgezahlt, die restlichen 390 Tage werden mit mindestens 80 Prozent des zuletzt erzielten Lohns vergütet. Dabei ist eine Höchstgrenze von ungefähr 80 Euro pro Tag festgesetzt. Seit dem ersten Juli 2008 besteht zudem ein sogenannter Gleichstellungsbonus von umgerechnet etwa 280 Euro im Monat, der ausgezahlt wird, wenn die Eltern den Elternurlaub nach bestimmten Kriterien untereinander aufteilen. Kindergeld wird bis zum 16ten Lebensjahr des Kindes gewährt und beträgt um die 100 Euro pro Kind (Ray 2008). Die dänische Familienpolitik unterscheidet sich nur unwesentlich von der schwedischen. Folgende Abweichungen können jedoch genannt werden: Der dänische Elternurlaub ist weniger lang, weniger flexibel und kann nicht zeitlich verschoben werden. Zudem wird die Höhe des Elterngeldes nach Industriezweigen festgesetzt und liegt zwischen 30 und 90 Prozent des vorherig erzielten Lohnes. Dabei wird den non-manual workers ein geringerer prozentualer Lohnersatz ausgezahlt (50 Prozent) als Arbeitern (90 Prozent) (Ray 2008). Die Kinderbetreuungseinrichtungen sind auch in Dänemark stark ausgebaut – so waren im Jahre 2003 75 Prozent aller dänischen Kinder unter fünf Jahren in Kinderkrippen eingeschrieben (Abrahamson und Wehner 2008). Die Kosten für 12
13
Die Hälfte der privaten Einrichtungen sind sogenannte föräldrakooperativ (Elternkooperativen), welche von den Eltern selbst organisiert werden und in welchen die meisten Eltern aktiv mitarbeiten. Sie werden vor allem von höher gebildeten Eltern in Anspruch genommen (Björnberg und Dahlgren 2008). Zusätzlich besteht ein Obergrenze für den zu zahlenden Betrag (sogenannte maxtaxa): 135 Euro für das erste Kind, 90 Euro für das zweite Kind und 45 Euro für das dritte Kind (Björnberg und Dahlgren 2008).
3.3 Länderspezifische Unterschiede
63
die Kinderbetreuung sind marginal höher als in Schweden, aber im europäischen Vergleich ebenfalls sehr tief. Im Vergleich zu Schweden zeigt sich, dass dänische Frauen nach der Babypause grundsätzlich etwas früher wieder in den Arbeitsmarkt eintreten, was auf die unflexiblere Ausgestaltung des Elternurlaubs zurückgeführt werden kann (Pylkkänen und Smith 2004). Schweden und Dänemark verfügen demnach über ein egalitäres universalistisch ausgerichtetes Wohlfahrtsstaatenmodell, welches Eltern stark ausgebaute Kinderbetreuungsmassnahmen sowie lange Elternurlaube gewährt. Die konservativ-korporatistischen Staaten In Deutschland bestanden vor dem Zusammenschluss von Ost- und Westdeutschland starke Unterschiede in Bezug auf familienpolitische Belange: Während die Familienpolitik der BRD auf das männliche Ernährermodell ausgerichtet war, wurden Frauen in der DDR nicht nur als Mütter, sondern auch als Erwerbstätige unterstützt (Leitner, Ostner und Schmitt 2008). Das sozialistische Regime legte Wert auf die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen. Diese Politik ging einher mit einem stark ausgebauten Angebot an staatlichen Kinderkrippen, womit sich der sozialistische Staat bereits früh die Möglichkeit der politischen Erziehung seiner Bürger sicherte (Leitner, Ostner und Schmitt 2008). Die BRD hingegen zeichnete sich durch eine schwache Defamilialisierung und ein geringes Angebot an öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen aus. Dies lässt sich vor allem auch darauf zurückzuführen, dass die feministische Bewegung der 60er Jahre in Deutschland viel weniger Lobbyismus für die Bereitstellung staatlicher Betreuungsmöglichkeiten betrieb als in den skandinavischen Ländern. Der deutsche Feminismus verlangte zwar ebenfalls eine gesellschaftliche Verteilung der Kinderbetreuungslasten, wollte hierfür aber nicht primär den Staat in die Verantwortung ziehen: Vielmehr wurde die strikte Auflösung der Kernfamilie gefordert und eine anti-autoritäre Selbstorganisation von Kinderbetreuung in den Mittelpunkt gestellt14 (Naumann 2005). Nach der Wiedervereinigung hob die deutsche Regierung die Ausgaben für finanzielle Unterstützungen für Familien an, doch der Dienstleistungsbereich für Kinderbetreuung blieb weiterhin sehr schwach ausgeprägt, was eine zunehmende Defamilialisierung und damit die Erhöhung der weiblichen Erwerbsquoten und der Fertilitätsrate nur unzureichend ermöglichte. Dennoch entwickelte sich eine leichte Abwendung der Familienpolitik von dem klassischen männlichen Ernährermodell (Leitner, Ostner und Schmitt 2008). Grundsätzlich präferieren deut14
So entstanden die sogenannten ,Kinderlädenދ, welche ursprünglich vom Aktionsrat zur Befreiung der Frau organisiert wurden und sich durch Selbstverwaltung und Elterninitiativen sowie ein anti-autoritäres Erziehungskonzept auszeichneten (Naumann 2005).
64
3 Kulturell-kontextuelle Strukturen intergenerationaler Solidarität
sche – und vor allem westdeutsche – Mütter solche Arbeitszeitmodelle, in denen ein Partner Vollzeit arbeitet und der andere (meist die Frau) Teilzeit (Beckmann 2002). Andererseits besteht tendenziell ein sogenannter kultureller Familialismus (Huinink 2002: 51), der damit einhergeht, dass viele Mütter ihre Kinder gerne selbst betreuen oder familiale Kinderbetreuungsarrangements bevorzugen. Dennoch existiert vor allem in Westdeutschland ein Unterangebot an Kinderbetreuungsplätzen (BMFSFJ 2006). Der Staat hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, das Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren von 8,5 Prozent aller Kleinkinder im Jahre 2002 auf 35 Prozent im Jahre 2010 zu erhöhen (Ostner und Schmitt 2008). In Deutschland erhalten Mütter 14 Wochen Mutterschaftsurlaub, der durch eine sogenannte Mutterschaftsversicherung gedeckt ist, das heisst die Mütter erhalten in dieser Zeit entweder den vollen Umfang ihres bisherigen Lohns oder eine Pauschale, wobei beide Ansätze einem Höchstbetrag von 13 Euro pro Tag unterliegen.15 Der Elternurlaub beträgt insgesamt drei Jahre, von denen zwölf Monate (plus zwei Monate, die nur für Väter bestimmt sind) vergütet werden. Die Lohnfortzahlung beläuft sich auf 67 Prozent des Erwerbseinkommens. Der tatsächlich ausgezahlte Betrag kann jedoch von diesem Prozentsatz stark abweichen, da die Minimumauszahlung bei 300 Euro liegt und der Maximalbetrag 1800 Euro monatlich beträgt, was ungefähr 50 Prozent des deutschen Durchschnittseinkommens ausmacht. So nennen deutsche Väter und deren Partnerinnen, die keinen Elternurlaub in Anspruch genommen haben, als Hauptgrund für diesen Entscheid die mangelnde finanzielle Kompensation des Erwerbsausfalls (Beckmann 2001; Leitner, Ostner und Schmitt 2008). Während des Elternurlaubs besteht Kündigungsschutz, die Rückkehr auf die gleiche Position innerhalb der Organisation ist allerdings nur Vollzeit-erwerbstätigen Personen vorbehalten (Ray 2008). In Frankreich haben sozio-ökonomische Veränderungen, wie starkes Wirtschaftswachstum sowie geringe Arbeitslosigkeit und auch die feministische Bewegung, dazu beigetragen, dass in den 70er Jahren verschiedene familienpolitische Massnahmen eingeführt wurden. Vor allem wurde ein Teil der nicht elterlichen Kinderbetreuungskosten vom Staat gedeckt (Jenson und Sineau 2003). Zudem wurden erste öffentliche Kinderbetreuungsstätten eingerichtet. Auch in Frankreich wurde die Diskussion um ein neues Modell der Gleichberechtigung geführt und gewann an politischem Einfluss. Allerdings wurden die Umsetzungsmöglichkeiten für dieses Modell durch die Wirtschaftskrise der 70er zunehmend in Frage gestellt. Dennoch reagierte die Politik auf die zunehmenden Bedürfnisse der Doppelverdiener-Haushalte: In der Amtszeit von Valéry Giscard d’Estaing (1974 bis 1981) wurden die Kinderbetreuungsplätze stark ausgebaut, 15
Wenn der zuvor erzielte Lohn 13 Euro übersteigt, wird der überschüssige Betrag vom Arbeitgeber bezahlt.
3.3 Länderspezifische Unterschiede
65
was zu einer Steigerung des Volumens von 72 Prozent führte. Zudem wurde in den Ausbau von Vorschulen investiert (Jenson und Sineau 2003). Dennoch war die Familienpolitik dieser Zeit von Ambivalenzen geprägt; denn trotz des Ausbaus an familienpolitischen Massnahmen hob Giscard d’Estaing in seinen Reden oftmals die Notwendigkeit flexibler Anstellungsverhältnisse von Frauen hervor und forderte die Gesellschaft auf, Alternativen zur staatlichen Kinderbetreuung auszumachen, zum Beispiel in Form von lokalen Kooperativen oder Initiativen. Auch stellte Giscard die Selbstbestimmung der Frauen in den Mittelpunkt und betonte, dass jeder Frau zustehe, sich ganz ihrem Nachwuchs zu widmen (Jenson und Sineau 2003). François Mitterand unterschied sich von Giscard, indem er viel klarer das neue Frauenbild akzeptierte. Dennoch standen auch bei seinem politischen Programm implizit die Frauen als Betreuungspersonen im Mittelpunkt, und auch er betonte deshalb immer wieder die freie Wahl der Frauen in Bezug auf Hausfrauentätigkeit und/oder Erwerbstätigkeit. Auch Chirac folgte dieser Linie und führte die sogenannte complément de libre choix d’activité (Zulage für freie Tätigkeitswahl) ein. Frankreichs Familienpolitik legt nach wie vor Wert auf die Wahlfreiheit der Mütter und will damit auch erreichen, dass der Staat einen Teil der Verantwortung an die privaten Haushalte und den Markt verlagern kann (Jenson und Sineau 2003). Grundsätzlich ist die Betreuung von Kindern in Frankreich durch das Zusammenspiel von vielen unterschiedlichen Akteuren gewährleistet, wobei der Staat im europäischen Vergleich ein stark ausgebautes Angebot an Kinderkrippen und Vorschulen zur Verfügung stellt. 1977 führte Frankreich unbezahlten Elternurlaub ein, der erst 1985 in die sogenannte allocation parentale d’éducation umgewandelt und fortan als Elternurlaub bezahlt wurde, allerdings nur für Familien mit mindestens drei Kindern. Erst im Jahre 1994 wurde auch Familien mit zwei Kindern dieses Elterngeld zugesprochen, und 2004 wurde die Fokussierung auf kinderreiche Familien gänzlich aufgegeben, so dass seither alle Eltern Anspruch auf Elterngeld haben (Blome, Keck und Alber 2008). Neben dem 16-wöchigen Mutterschaftsurlaub verfügen Eltern in Frankreich über drei Jahre Elternurlaub. Der ausgezahlte Betrag (prestation d’accueil du jeune enfant) hängt dabei nicht nur vom vorherigen Lohn ab, sondern auch von der Zeitaufteilung zwischen den Eltern und weiteren Faktoren. Der Elternurlaub in Frankreich kann relativ flexibel eingeteilt werden, wobei während drei Jahren ein Grundbetrag von ungefähr 171 Euro monatlich ausbezahlt wird. Hinzu kommt das sogenannte complément de libre choix d’activité (Zulage für freie Tätigkeitswahl), eine Zusatzzahlung, die beim ersten Kind während sechs Monaten und bei allen nachfolgenden Kindern während des gesamten Elternurlaubes, also drei Jahre ausbezahlt wird. Der ausgezahlte Betrag
66
3 Kulturell-kontextuelle Strukturen intergenerationaler Solidarität
beläuft sich je nach Erwerbstätigkeitsgrad und Anstellungsverhältnis auf etwa 310 Euro bis 538 Euro monatlich (Ray 2008). Grundsätzlich zeichnet sich die französische Familienpolitik durch eine Kombination von staatlichen Investitionen in finanzielle Transfers an Familien (mit dem Ziel, die Kosten von Kindern zu mindern) sowie der Bereitstellung von öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen aus. In Deutschland hingegen ist der Dienstleistungsbereich für die Betreuung von Kindern eher schwach ausgebaut, und dies gilt noch immer insbesondere für Westdeutschland. Zusätzliche Investitionen in öffentliche Kinderbetreuungseinrichtungen sind geplant, dennoch konzentrieren sich die derzeitigen Ausgaben auf die finanzielle Unterstützung junger Familien. Die Gesamtauszahlung während des Elternurlaub sind in Frankreich tendenziell höher als in Deutschland, was darauf zurückzuführen ist, dass in Frankreich für das zweite Kind der gesamte Elternurlaub von drei Jahren bezahlt wird und in Deutschland die Bezugsdauer des Lohnersatzes für jedes Kind nur 14 Monate beträgt (Blome, Keck und Alber 2008). In Belgien haben Gleichstellungstendenzen, eine Zunahme der Scheidungsquote sowie die Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit in zwei Wellen zu einer Umgestaltung der Familienpolitik geführt. Zwischen 1965 und 1970 wurde eine Expansion der Kindergärten vorgenommen, und zusätzlich wurden Krippenplätze für jüngere Kinder geschaffen. Ab 1971 wurden vermehrt staatliche Subventionen für Kinderbetreuung zur Verfügung gestellt, und die Höhe der Betreuungskosten für Eltern wurde an ihrem Einkommen festgemacht. Auch wurde elterliche Betreuung finanziell unterstützt. Diese Massnahmen beruhten allerdings nicht auf einem klaren sozialpolitischen Modell; vielmehr wurde die politische Landschaft seit dem Sozialpakt von 1944 durch drei politische Akteure bestimmt: die Sozialisten, die Christen und die liberalen Kräfte. Die Aufgabe der Politik bestand dabei darin, diese drei Kräfte zusammenzubringen und konkrete Programme auszuhandeln (Delwit, Dewaele und Magnette 1999) – so auch in den 60er Jahren, einer Zeit, in der eine langsame Auflösung des traditionellen Familienmodells durch egalitäre Tendenzen zu erwarten war. Doch der traditionelle Familialismus wurde durch die konservativen belgischen Kräfte nicht gänzlich aufgegeben, und so entwickelte sich eine Art neuer moderner Familialismus, der mit dem egalitären Modell konkurrierte. Dieses Modell verteidigte die Institution Familie und legte Wert auf Autonomie und Selbstbestimmung hinsichtlich der innerfamilialen Aufgabenteilung (Marques-Pereira und Paye 2003). Diese pluralistische politische Ausrichtung Belgiens spiegelte sich in den familienpolitischen Massnahmen zwischen 1960 und 1970: Einerseits wurde der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen vorangetrieben, andererseits wurde auf Programme Wert gelegt, die die Betreuungsfunktion von Müttern förderten und unterstützten. In Belgien, ähnlich wie in Frankreich, wurde daraufhin im Sinne
3.3 Länderspezifische Unterschiede
67
eines neuen Familialismus sowohl die elterliche (durch die sogenannte allocation socio-pédagogique) als auch ausserhäusliche Kinderbetreuung (Fond d'équipement et de services collectifs) vom Staat subventioniert. Ende 1970 befand sich auch Belgien in einer Wirtschaftskrise, die mit hoher Arbeitslosigkeit und einer hohen Staatsverschuldung einherging. Die familienpolitische Verantwortung wurde daraufhin auf die drei einzelnen Sprachgemeinschaften aufgeteilt. Die belgische Regierung versuchte dabei im Bereich der Kinderbetreuung unterschiedliche Akteure zu mobilisieren und neben staatlichen Einrichtungen private Betreuungsmassnahmen sowie auf Seiten der Arbeitgeber flexible Arbeitszeiten und Anstellungsverhältnisse zu fördern. Belgische Frauen arbeiten jedoch oftmals in schwach bezahlten Teilzeitverhältnissen, die eine wirkliche Umsetzung des egalitären Gedankens nur bedingt ermöglichen16 (Marques-Pereira und Paye 2003). In Belgien ist auch heute noch eine mangelnde Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen festzustellen, die in der Wallonie ausgeprägter ist als im flämischen Landesteil. Die Deckungsrate für Kinder unter drei Jahre beträgt für die Wallonie 18 Prozent und für Flandern 38 Prozent (OECD 2006). Dabei verzeichnet die Anzahl von Betreuungsplätzen von 2002 bis 2006 in der Wallonie einen Anstieg von 3,6 Prozent, während es in dem flämischen Teil 3,7 Prozent waren (Meulders und O’Dorchai 2008). In Belgien lebenden Müttern werden 15 Wochen Mutterschaftsurlaub zugesprochen. Während der ersten 30 Tage dieser Zeit werden 82 Prozent des Lohns ausbezahlt, danach 75 Prozent. Den Vätern stehen zwei Wochen Vaterschaftsurlaub zur Verfügung, wovon die ersten drei Tage mit 100 Prozent des Lohns vergütet werden und die restlichen Tage zu einem Prozentsatz von 82 Prozent. Die Auszahlung während des Mutter- und Vaterschaftsurlaubs übernimmt die Krankenversicherung. Der Elternurlaub beläuft sich für jeden Elternteil einzeln auf drei Monate und ist nicht unter den Partnern austauschbar. Es stehen dabei unterschiedliche Aufteilungsmöglichkeiten zur Verfügung: drei Monate VollzeitElternurlaub, sechs Monate 50 Prozent oder 15 Monate 20 Prozent Arbeitsreduktion. Der Elternurlaub kann dabei in unterschiedliche Abschnitte eingeteilt und zu verschiedenen Zeitpunkten beansprucht werden. Der Elternurlaub wird pauschal und je nach Arbeitsreduktion bezahlt: Vollzeitelternzeit wird mit etwa 548 Euro monatlich bezahlt, 50 Prozent mit etwa 274 Euro und für eine 20-ProzentReduktion werden etwa 109 Euro im Monat ausbezahlt (Ray 2008). In den Niederlanden war Familienpolitik ähnlich wie in Belgien sehr lange auf das männliche Ernährermodell zugeschnitten und Teilzeitjobs waren selten. Kulturelle und institutionelle Faktoren hielten die Frauen vom Arbeitsmarkt fern, 16
Im Jahre 2004 waren 34,5 Prozent der belgischen Frauen in Teilzeitverhältnissen beschäftigt, während der OECD-Durchschnitt bei 52,4 Prozent liegt (OECD 2008b).
68
3 Kulturell-kontextuelle Strukturen intergenerationaler Solidarität
was sich auch in der Familienpolitik und den sozialen Dienstleistungen in Bezug auf Kinderbetreuung widerspiegelte. So waren beispielsweise in der Nachkriegszeit Kindergärten verpflichtet, über Mittag zu schliessen (Grattan 2000; Schulze 1997). Eine erste Veränderung dieser Situation trat mit dem Mangel an Arbeitskräften zwischen 1960 und 1973 ein. Die Arbeitgeber versuchten vermehrt, Frauen als Angestellte zu gewinnen und boten dafür oftmals unternehmensinterne Kinderbetreuung an. In der darauffolgenden Wirtschaftskrise und der damit einhergehenden steigenden Arbeitslosigkeit nahm der Bedarf an Arbeitskräften wieder ab und viele Unternehmen schlossen ihre internen Kinderbetreuungsmöglichkeiten. In den 80er Jahren trug das Ungleichgewicht zwischen Empfängern staatlicher Leistungen und Steuerzahlern dazu bei, dass die Regierung die Arbeitsbeteiligung von Frauen anzukurbeln versuchte, was zur Inkraftsetzung des sogenannten Childcare Stimulation Act des Jahres 1990 führte (der im Jahre 2005 erneuert wurde). Im Jahre 1991 wurde in den Niederlanden offiziell ein unbezahlter Elternurlaub von sechs Monaten eingeführt, allerdings an die Voraussetzung gebunden, dass der Elternteil noch mindestens 20 Stunden wöchentlich erwerbstätig war. Diese Einschränkung wurde 1997 aufgehoben (Grattan 2000). Aktuell verfügen niederländische Mütter über 16 Wochen Mutterschaftsurlaub, Väter über zwei Tage Vaterschaftsurlaub und beide Elternteile über jeweils 13 Wochen Elternurlaub. Dieser kann ganztags oder halbtags beansprucht werden. Der Mutterschaftsurlaub wird zu 100 Prozent bezahlt, mit einer Höchstgrenze von etwa 175 Euro (etwas höher als das Durchschnittseinkommen) am Tag. Der Elternurlaub ist in den Niederlanden unbezahlt und es besteht auch für Arbeitgeber keine rechtliche Verpflichtung, während dieser Zeit ein Gehalt auszuzahlen. Dennoch ist die Bezahlung des Elternurlaubs durch den Arbeitgeber sehr verbreitet: So erhalten beispielsweise niederländische Staatsbeamte 70 Prozent ihres Lohns während des Elternurlaubs. Die Verantwortung und Gewährleistung von Kinderbetreuung ist in den Niederlanden auf drei unterschiedliche Verantwortliche aufgeteilt: die Eltern, den Staat und die Arbeitgeber. Dies führt dazu, dass Kinderbetreuung in den Niederlanden von privaten und öffentlichen Akteuren bereitgestellt wird. Ein Teil des privaten Angebots wird dabei vom Staat und den Unternehmen gekauft und den Eltern zur Verfügung gestellt (Wetzels 2005). Öffentliche Kinderbetreuungseinrichtungen sind in den Niederlanden wie auch in Belgien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zwar relativ stark entwickelt, dennoch gehen nationale und internationale Beobachter davon aus, dass das Angebot an Kinderbetreuung der Nachfrage nicht gerecht werden kann (OECD 2006; Wetzels 2005). Das Betreuungsverhältnis für bis dreijährige Kinder beläuft sich für die Niederlande im Jahre 2007 auf 29,5 Prozent und für
3.3 Länderspezifische Unterschiede
69
Belgien auf 38,5 Prozent. Vor allem in Belgien bestehen allerdings starke regionale Unterschiede, und die Kinderbetreuungsmöglichkeiten sind im flämischen Teil sehr viel stärker ausgebaut als in der Wallonie. Österreich wird nach der Typologie von Esping-Andersen (1990) ebenfalls dem konservativen Wohlfahrtsstaatentyp zugeordnet. Vergleicht man allerdings die Leistungen für die Unterstützung von ausserhäuslicher Kinderbetreuung, so stellt sich heraus, dass Österreich in diesem Bereich sehr viel näher an der liberal ausgerichteten Schweiz liegt (vergleiche Ausführungen im nächsten Abschnitt) als an anderen konservativen Regimes, wie Belgien, den Niederlanden, Frankreich oder Deutschland. Die durchschnittliche Bereitstellung von Kinderbetreuungsleistungen erweist sich sogar als geringer als jene in der Schweiz, lediglich 4,1 Prozent aller Kinder bis drei Jahre erhalten formale Kinderbetreuung (OECD 2008a). Österreich gewährt jedoch einen zu 100 Prozent bezahlten Mutterschaftsurlaub von 16 Wochen sowie unbezahlten Elternurlaub, bis das Kind zwei Jahre alt ist (Ray 2008). Diese Regelungen wiederum entsprechen dem konservativen Wohlfahrtsstaatenmodell. Historisch gesehen unterscheidet sich Österreich von der Schweiz insofern, als dass Österreich über eine längere Tradition von wohlfahrtsstaatlichen Massnahmen verfügt, vor allem in Bezug auf Sozialversicherungsleistungen. Familienpolitik wird jedoch nicht im Rahmen der Sozialschutzleistungen organisiert, sondern gilt als eigener Bereich der sozialen Sicherung. Die staatlichen Leistungen beschränken sich vor allem auf finanzielle Unterstützungsleistungen wie Kindergeld und liefern insgesamt eher Anreize für Mütter, den Arbeitsmarkt zu verlassen, als dass sie eine Kombination von Erwerbstätigkeit und Mutterschaft ermöglichen (Heitzmann und Österle 2008). Die liberale Schweiz Die Schweiz gilt als liberaler Wohlfahrtsstaat und zeichnet sich durch eine schwache Defamilialisierung aus. Anfang des 20. Jahrhunderts dienten familiale Unterstützungsmassnahmen in der Schweiz vor allem dem Schutz vor Verarmung und der Sicherung der sozialen Ordnung (Dafflon 2003). Private Organisationen und die Kirche boten Hilfeleistungen für mittellose Familien an (Fux 2000). Zwar wurden in den 30er Jahren Stimmen laut, die eine sozialpolitische Unterstützung der Familie forderten, allerdings vor dem Hintergrund einer starken Abnahme der Fertilitätsrate und einer hohen Zuwanderungsquote. Die Schweizer hatten Angst um ihre nationale Identität und vor einer demographischen Veränderung, die nicht im nationalen Interesse stand. Ende der 40er Jahre stieg die Fertilität der Schweizer Bevölkerung wieder an und sozialpolitische Reformen zur Unterstützung der Familien verloren erneut an öffentlichem Interesse. Allerdings wurde im Zuge der Abnahme der Fertilitätsrate 1945 durch
70
3 Kulturell-kontextuelle Strukturen intergenerationaler Solidarität
eine Volksabstimmung ein Paragraph zum Schutz der Familien verabschiedet. Erst in den 70er Jahren, als erneut Probleme des demographischen Wandels diskutiert wurden, gewann der Diskurs um familienpolitische Unterstützungen wieder an Aktualität. Die Verantwortung für eine konkrete Umsetzung einzelner familienpolitischer Instrumente lag und liegt auch heute noch mehrheitlich bei den einzelnen Schweizer Kantonen und Gemeinden. Die föderalistische Struktur der Schweiz trägt dazu bei, dass durch mangelnde Koordination und Vereinheitlichung familienpolitische Massnahmen eher schwach ausgebaut sind und sehr spät institutionalisiert werden (Dafflon 2003). So führte die Schweiz als letztes europäisches Land im Juli 2005 die Mutterschaftsversicherung ein. Vor der Einführung dieser Regelung gewährte einzig der Kanton Bern seinen Angestellten einen bezahlten Mutterschaftsurlaub von 14 Wochen, und einzelne Firmen bezahlten auf freiwilliger Basis einige Wochen Mutterschaftsurlaub. In der Schweiz besteht aber noch immer eine konflikthafte Auseinandersetzung zwischen dem liberalen Grundsatz der freien Entscheidung und neuen demographischen Entwicklungen sowie sozialpolitischen Herausforderungen. Das schweizerische Subsidiaritätsprinzip lässt den Bund nur dann tätig werden, wenn er ausdrücklich in der Verfassung dazu befähigt worden ist (Fux 2000). Besonders deutlich zeigt sich das in der Bereitstellung von Kinderbetreuungseinrichtungen, die starke regionale Unterschiede aufweist. Einerseits sind Kinderbetreuungsleistungen in Städten stärker ausgebaut, anderseits bestehen Unterschiede zwischen den einzelnen Kantonen (OECD 2004; Stern, Banfi und Tassinari 2006). Grundsätzlich übersteigt die Schweizer Nachfrage nach Kinderbetreuung aber klar das nationale Angebot. So haben Stern, Banfi und Tassinari (2006) in einer aktuellen Studie ein Angebotsdefizit von etwa 50.000 Betreuungsplätzen ermittelt, was einer Deckung der Nachfrage von nur rund 40 Prozent entspricht. Die Schweiz verfügt über keinen Elternurlaub. Lediglich ein bezahlter Mutterschaftsurlaub wird durch die oben erwähnte Mutterschaftsversicherung gewährt. Mütter erhalten während 14 Wochen nach der Geburt des Kindes 80 Prozent ihres vorherigen Lohns ausbezahlt. Die Maxialmauszahlung beläuft sich dabei auf etwa 129 Euro pro Tag (Ray 2008).
3.3 Länderspezifische Unterschiede
71
Die südeuropäischen Wohlfahrtsstaaten Italienische Familienpolitik ist geprägt durch einen starken Familialismus. Die christliche Partei in Italien ist dabei grundsätzlich gegen eine Intervention des Staates im privaten Bereich, nicht zuletzt deswegen, weil sie dadurch eine Abnahme des eigenen Einflusses befürchtet. Zwar gestand Italien bereits im Jahre 1948 erwerbstätigen Frauen einen im europäischen Vergleich äusserst grosszügigen Mutterschaftsurlaub zu (fünf Monate mit einem Lohnersatz von 80 Prozent). Allerdings entstand diese Regelung nicht im Kontext einer Defamilialisierung oder eines ideologisch begründeten Ausbaus des Wohlfahrtsstaates. Die im Parlament vertretenen Verfechter eines ausgebauten Sozialstaates bewirkten kaum familienpolitische Veränderungen, da sie sich weniger an ideologischen Zielen denn an der Mobilisierung der Wähler der Mittelklasse orientierten. Der Entstehung eines ausgebauten Sozialstaates mit Leistungen an die Familie wurde so kein Vorschub geleistet. Die kommunistische Partei sah die Einführung des Mutterschaftsurlaubs vor allem als einen wichtigen Schutz der Arbeiter, setzte sich aber nicht für eine grundsätzliche Diskussion um die Rolle der Frau und der Familie ein (Bimbi und Della Sala 2003). In den sechziger Jahren wurde auch in Italien angesichts der Frauenbewegung die Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft neu diskutiert. Allerdings fanden diese Tendenzen und werteorientierten Diskussionen nur wenig Einzug in die politische Entscheidungsfindung. Die Einführung der Vorschule als fester Bestandteil des staatlichen Schulsystems basierte teilweise auf einem gesteigerten Verantwortungsbewusstsein des Staates gegenüber Kindern und diente gleichzeitig dazu, den Einfluss der Kirche auf die Schule und frühe Kindererziehung zu begrenzen. Frauenerwerbstätigkeit wurde in der Debatte um die Aufteilung zwischen Staat und privat nur am Rande thematisiert. Dennoch interpretierten linksgerichtete Strömungen die Einführung einer kostenlosen Vorschule als einen ersten wichtigen Schritt in Richtung der Etablierung eines Sozialsystems, das es teilweise ermöglicht, Kinderbetreuungsaufgaben vom Privaten ins Öffentliche zu verlagern (Bimbi und Della Sala 2003). In den 70er Jahren wurden die Bedürfnisse der Frauen als erwerbstätige Individuen breiter und im Rahmen der Frauenbewegung zunehmend diskutiert. Die daraufhin folgenden politischen Massnahmen waren allerdings eher eingeschränkt. So wurde eine Verschiebung von Kinderbetreuungseinrichtungen vom privatwirtschaftlichen zum öffentlichen Bereich vollzogen. Der italienische Staat baute die Finanzierung von institutioneller Kinderbetreuung aus, verschob allerdings die Verantwortung zur Bereitstellung von Kinderkrippen auf die regionale Ebene. Die Hauptkosten für Kinderbetreuungseinrichtungen wurden nicht zentral getragen, sondern mussten regional geleistet werden. In den 70er Jahren wurde
72
3 Kulturell-kontextuelle Strukturen intergenerationaler Solidarität
zudem die gesetzliche Regelung zum Mutterschaftsurlaub angepasst: Italienische Mütter konnten fortan ihre Mutterzeit zu einer Lohnersatzrate von 30 Prozent um 6 Monate erweitern. Ausserdem erhielten erwerbstätige Frauen einen Kündigungsschutz von einem Jahr nach der Geburt ihres Kindes. Italienische christliche Kräfte forderten sogar einen noch längeren Mutterschaftsurlaub, jedoch vor dem Hintergrund, dass sie einen Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen grösstenteils ablehnten und die Versorgung von Kindern hauptsächlich innerhalb der Familie fördern wollten. Auch in den 70er Jahren konnte sich in Italien keine Abschwächung des familialistischen Prinzips abzeichnen. Es bestanden zwar egalitäre Tendenzen, aber die Kompromissbildung zwischen Kommunisten, Sozialisten und Christdemokraten liess eine gewichtige Veränderung der italienischen Familienpolitik nicht zu (Bimbi und Della Sala 2003). Im Laufe der 90er Jahre verlor der Staat durch die europäische Integration, zahlreiche Privatisierungen und verstärkte marktwirtschaftliche Tendenzen an Einfluss. Die Grenze zwischen Markt und Staat verschärfte sich. Auch standen vor allem die Haushaltsdefizite des italienischen Staats im Mittelpunkt des Interesses, während familienpolitische Massnahmen stark in den Hintergrund rückten. Im Jahre 1996 wurde in Italien eine Mitte-links-Regierung an die Macht gewählt. Unter Romani Prodi und Massimo d’Alema konnten zwei wichtige familienpolitische Massnahmen institutionalisiert werden: die Reformierung des Kinderbetreuungssystems und die Einführung eines elfmonatigen Elternurlaubs. Zwar wurde bis heute kein realer Ausbau der Kinderbetreuungsleistungen in Italien erreicht, und es besteht klar eine Unterversorgung bei bis dreijährigen Kindern (Del Boca und Vuri 2006), allerdings wurde unter Massimo d’Alema zum ersten Mal in der italienischen Geschichte Kinderbetreuung in frühen Jahren des Kindes als wichtige Erziehungs- und Sozialisationsaufgabe definiert und als zentrale Massnahme für die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erachtet. Diese Betrachtungsweise unterscheidet sich von der vorherigen, insofern institutionelle Kinderbetreuung nicht mehr nur jenen Personen zugestanden werden soll, die eine private Versorgung der Kinder nicht gewährleisten können, sondern als Bedürfnis einer Mehrzahl von italienischen Familien aufgefasst wird. Vor allem bezüglich der Betreuungseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren bestehen auch weiterhin starke regionale Unterschiede (Ray 2008). Allerdings verfügt Italien über eine stark ausgebaute Vorschule, die für drei bis fünf Jahre alte Kinder zur Verfügung steht. Auch in Spanien und Griechenland wurden sozialpolitische Entwicklungen und vor allem das Entstehen einer wohlfahrtsstaatlichen Familienpolitik durch unterschiedliche Faktoren verhindert. Wichtig waren aber auch hier die ab den 70er Jahren schlechte ökonomische Lage, ein starkes staatliches Budgetdefizit sowie starke konservative und familialistische Tendenzen. Vor allem politischer
3.3 Länderspezifische Unterschiede
73
Klientelismus und Unterdrückung trugen dazu bei, dass auch in wirtschaftlichen Wachstumsjahren wohlfahrtsstaatliche Massnahmen ein politisch randständiges Thema blieben (Papatheodorou 2008). Griechenland wurde politisch lange von konservativen Kräften geführt, und die Regierung zeichnete sich durch eine starke anti-kommunistische Haltung aus. Bürgerrechte und Meinungsfreiheit waren stark eingeschränkt, vor allem in der diktatorischen Herrschaft von 1961 bis 1967. Bis ins Jahr 1974 wurde Griechenland von politischen Repressionen geprägt, und auch heute noch sind Klientelismus und Familialismus stark ausgeprägt – wenngleich auch seit den 70er Jahren eine Demokratisierung und eine positive politische Entwicklung stattgefunden haben. Seit dieser Zeit wurden verschiedene sozialpolitische Massnahmen im Bereich der Familienpolitik ausgebaut, beispielsweise wurde eine Anpassung des Kindergeldes vorgenommen, das nun lohnabhängig ausbezahlt wird. Ausserdem wurde der Mutterschaftsurlaub erweitert, und ab 1984 wurde ein Lohnersatz ausbezahlt. In der griechischen Konstitution war nun der Schutz der Familie explizit verankert und familienpolitische Themen standen auf der politischen Tagesordnung. In den 80er Jahren begann ein Ausbau staatlicher Kinderbetreuungseinrichtungen, allerdings nicht in ausreichendem Masse, um der Entwicklung der Frauenerwerbsquote gerecht werden zu können. Es fand weder Dekommodifizierung noch Gleichstellung zwischen Mann und Frau statt, da die familienpolitischen Massnahmen sich zu stark am männlichen Ernährermodell orientierten. In den 90er Jahren nahmen staatliche Initiativen zu, die eine Verlagerung der Kinderbetreuung vom staatlichen Sektor auf den Freiwilligensektor begünstigten. Der griechische Staat zog sich somit vermehrt aus der Bereitstellung institutioneller Kinderbetreuung zurück (Carlos 2000; Papatheodorou 2008). Spanien führte unter der Franco-Diktatur keine familienorientierte Politik (Tobío 2001). Die spanische Kirche und das spanische Gesetz setzte während dieser Zeit die Beibehaltung der traditionellen Familie durch. Strenge moralische Regeln schränkten die Freiheit und Selbstständigkeit der spanischen Frauen stark ein, die Frauenrolle wurde auf jene der Mutter und Ehefrau beschränkt. Auch gesetzlich erfuhren vor allem verheiratete Frauen starke Diskriminierungen: Sie durften nicht ohne Erlaubnis des Ehemanns am Arbeitsmarkt teilnehmen oder über eigenen Besitz verfügen. Auch Reisen waren gesetzlich nur erlaubt, wenn der Ehemann seine Einwilligung dazu erteilt hatte (Carlos 2000). Erst mit der Demokratisierung Spaniens 1978 änderten sich diese Regelungen, und in der spanischen Konstitution ist das Prinzip von Gleichheit zwischen den Geschlechtern inzwischen verankert (Carlos 2000; Villota Gil-Escoin und Vázquez 2008). Spanien entspricht wie Italien und Griechenland in seinen familienpolitischen Grundzügen dem südeuropäischen Wohlfahrtsstaatenmodell:
74
3 Kulturell-kontextuelle Strukturen intergenerationaler Solidarität
Die Kleinkinderbetreuung wird hauptsächlich der Familie überlassen und finanzielle Unterstützung dient in erster Linie dazu, Familienarmut zu bekämpfen (Villota Gil-Escoin und Vázquez 2008). Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren werden kaum von staatlicher Seite, sondern vom Markt zur Verfügung gestellt, da sie nicht als Bestandteil der Bildungspolitik eingeordnet, sondern als soziale Dienstleistungen (Leȩn 2007) verstanden werden. Allerdings verfügt Spanien – ähnlich wie Italien – über ein gut ausgebautes vorschulisches Angebot für Kinder im Alter zwischen drei und fünf Jahren. Spanische Frauen erhalten 16 Wochen bezahlten Mutterschaftsurlaub, und seit 2007 wurde der Vaterschaftsurlaub auf bis zu 13 Tage ausgebaut. Der sogenannte Erziehungsurlaub ist unbezahlt und kann vom Mann oder der Frau oder beiden gleichzeitig in Anspruch genommen werden (sofern die Eltern nicht im gleichen Betrieb tätig sind). Die Erziehungszeit kann bis zu einem Alter des Kindes von drei Jahren dauern. Sie kann nicht auf mehrere Perioden aufgeteilt, aber sowohl in Bezug auf Vollzeit als auch Teilzeit in Anspruch genommen werden (Ray 2008). Zusammenfassung Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die skandinavischen Wohlfahrtsstaaten insgesamt über die besten Kinderbetreuungsmöglichkeiten für junge Eltern verfügen, während in Südeuropa grundsätzlich eine sehr schwache Defamilialisierung erreicht wurde. Die nord-europäischen Länder zeichnen sich durch ein ganzheitliches familienpolitisches Konzept aus, bei welchem die Gleichstellung zwischen Frau und Mann höchste Priorität aufweist. Dies wiederum spiegelt sich in den Frauenerwerbsraten, die in Schweden am höchsten sind (vgl. Tabelle 3.1). Südeuropäische Wohlfahrtsstaaten scheinen – zumindest was die praktische familienpolitische Umsetzung betrifft – auch weiterhin am klassischen männlichen Ernährermodell festzuhalten und weisen eine nur schwache Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt auf (Tobío 2001). Allerdings bestehen auch innerhalb der südeuropäischen Wohlfahrtsstaaten wichtige Unterschiede. Während die staatliche Betreuung für Kinder unter drei Jahren in allen drei südeuropäischen Ländern schwach ausgebaut ist, verfügen Italien und Spanien über ein gutes Angebot an Vorschulen für Kinder zwischen drei und fünf Jahren. Die nach Esping-Andersen (1990) als ,konservativ ދzusammengefassten Wohlfahrtsstaaten treten ebenfalls wenig homogen auf. So hat sich beispielsweise Deutschland in puncto Elternurlaub dem schwedischen System angenähert, während die Niederlande und Belgien hier eher den südeuropäischen Wohlfahrtsstaaten ähneln. Allerdings verfügen Belgien und die Niederlande im Vergleich zu Deutschland über ein relativ hohes Angebot an formellen Betreuungs-
3.4 Wohlfahrtsstaat, Frauenerwerbsquote und Grosselternschaft
75
institutionen. Auch Österreich weist nur sehr schwach ausgebaute Kinderbetreuungseinrichtungen auf und bietet längere unbezahlte Elternzeit als Belgien und die Niederlande. Im konservativen Regime kann also unterschieden werden zwischen Belgien und den Niederlanden, die kürzeren Elternurlaub anbieten, aber eine relativ hohe Teilnahmequote an formeller Kinderbetreuung, und Deutschland und Österreich, welche längere Elternzeit zur Verfügung stellen und gleichzeitig ein schwaches Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen aufweisen. Frankreich hingegen weist bei beiden Indikatoren hohe Werte auf. Die Heterogenität innerhalb des konservativen Typus könnte auf familienpolitische Reformaktivitäten hinweisen, wie sie von der Europäischen Union im Rahmen der Barcelona-Ziele von 2002 für alle Mitgliedstaaten festgelegt wurden (Europäischer Rat 2002: 12). Die schweizerische Familienpolitik erweist sich als klassisches Beispiel für den liberalen Wohlfahrtstypus. Schweizer Mütter haben lediglich Anspruch auf Mutterschaftsurlaub, Elternurlaub wird nicht gewährt. Zudem werden kaum öffentliche Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung gestellt. 3.4 Wohlfahrtsstaat, Frauenerwerbsquote und Grosselternschaft 3.4 Wohlfahrtsstaat, Frauenerwerbsquote und Grosselternschaft Die von Sozialsystemen hervorgebrachten Strukturen stellen nicht nur Rahmenbedingungen für das menschliche Handeln dar, sondern stehen in enger Verbindung mit sozialen Praktiken und gesellschaftlichen Wertesystemen (Giddens 1984). Angesichts der zunehmenden Globalisierung der Weltwirtschaft diskutieren Soziologen und Politikwissenschaftler über die Anpassungsdynamik industrialisierter Nationen an neue gemeinsame Herausforderungen. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob eine Divergenz oder eine Konvergenz europäischer Sozialpolitik stattgefunden hat und möglicherweise die Entstehung eines europäischen Wohlfahrtsstaates erwartet werden kann (Gauthier 2002b; Peter Taylor-Gooby 2004). Die Pfandabhängigkeitsthese unterstreicht, dass eine Vereinheitlichung von Wohlfahrtsstaaten eher unwahrscheinlich ist, da aufgrund von historischen Prozessen fest institutionalisierte Strukturen entstanden sind, die sogenannte increasing returns ermöglichen und sich daher nur schwer umgestalten lassen. Tiefgreifende politische Reformvorhaben seien demnach generell zum Scheitern verurteilt (Pierson 2000). Auch die von Esping-Andersen (1990) erstellte Kategorisierung europäischer Wohlfahrtsstaaten in drei Typen – den sozialdemokratischen, konservativ-korporatistischen und liberalen – geht grundsätzlich von einer Stabilität sozialpolitischer Arrangements aus. Unterschiedliche sozialpolitische Arrangements in Europa können – wie oben aufgezeigt – funktionale Solidarität zwi-
76
3 Kulturell-kontextuelle Strukturen intergenerationaler Solidarität
schen Familienmitgliedern abschwächen oder verstärken. Ausserdem beeinflusst die Bereitstellung unterschiedlicher staatlicher Unterstützungsleistungen die Art und Intensität intergenerationaler Solidarität (z.B. Brandt, Haberkern und Szydlik 2009). Tabelle 3.2: Frauenerwerbsquote in Europa Frauenerwerbsquote, 2007
Teilzeitarbeit von Frauen, 2007
(in Prozent)
(in Prozent aller Erwerbstätigen)
Schweden
73,2
19,4
Dänemark
73,3
26,9
Niederlande
68,1
60
Belgien
54,9
32,9
Frankreich
59,4
23,1
Deutschland
63,2
39,2
Österreich
64,4
31,5
Schweiz
71,6
45,6
Spanien
55,5
20,9
Italien
46,6
29,9
Griechenland
48,1
13,6
Quelle: Frauenerwerbsquote: OECD 2009; Teilzeitarbeit: OECD 2008b
Eine detaillierte Betrachtung der einzelnen Länder der Wohlfahrtsstaatstypen ermöglicht es, prägnante Unterschiede innerhalb eines Typs zu erkennen und bestimmte familienpolitische Besonderheiten in einen historischen Kontext zu setzen. Wohlfahrtsstaatliche Arrangements können so als pfadabhängige Konstrukte erfasst werden. So hat sich in den oben aufgeführten Länderbeschreibungen gezeigt, dass die Rolle der Frau und die Ausgestaltung der gesellschaftlichen Gleichstellungstendenzen einen wesentlichen Einfluss auf die sozialstaatliche Unterstützung für erwerbstätige Frauen haben. Die aus dem historischen Kontext abgeleiteten gesellschaftlichen Werte können anhand der Erwerbsquote von Frauen, die die Bedeutung des klassischen Ernährermodells in einer Gesellschaft dokumentiert und teilweise auch auf den Entwicklungsgrad der Gleichstellung zwischen Mann und Frau schliessen lässt, abgebildet werden (Tabelle 3.1).
3.4 Wohlfahrtsstaat, Frauenerwerbsquote und Grosselternschaft
77
Grundsätzlich sind die skandinavischen Staaten führend, was den Grad an öffentlicher Unterstützung und den Universalismus der Leistungen in Bezug auf Kinderbetreuung betrifft. Das südeuropäische Regime zeigt hingegen eine äusserst schwache Unterstützung erwerbstätiger Mütter auf, sowohl was elterliche als auch ausserhäusliche Kinderbetreuung betrifft. Die Erwerbsquoten von Frauen sind in den nördlichen Ländern dementsprechend höher als in Mittel- und Südeuropa, und eine Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit durch eine breite Bereitstellung öffentlicher Kinderbetreuung wurde mehrfach empirisch bestätigt (Hofferth und Collin 2000). Ausgebaute Kinderbetreuungseinrichtungen wirken sich nicht nur auf die Teilnahmemöglichkeiten von Müttern am Arbeitsmarkt aus, sie schaffen auch neue Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen. Eine Ausnahme dieses Musters bildet allerdings die liberale Schweiz. Sie zeigt die höchste Frauenerwerbstätigkeitsquote auf. Allerdings verfügt die Schweiz auch über eine sehr hohe Teilzeiterwerbstätigkeit,17 was den Grad der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt wiederum relativiert. In der Schweiz waren im Jahre 2007 45,6 Prozent der Frauen in Form von Teilzeit erwerbstätig. In Südeuropa sind weniger Frauen in den Arbeitsmarkt integriert, allerdings zeigt sich auch, dass in Spanien, Italien und Griechenland Teilzeitarbeit sehr viel weniger stark verbreitet ist als in Mitteleuropa. Die Entscheidung einer Mutter mit jungen Kindern am Arbeitsmarkt teilzunehmen wird zwar durch familienpolitische Rahmenbedingungen beeinflusst, dennoch handelt es sich dabei auch um eine individuelle biographische Entscheidung (Stern 2007), die aufgrund kultureller und persönlicher Einstellungen getroffen wird. Mangelnde staatliche Unterstützung trägt dazu bei, dass die Verfügbarkeit von familialer Hilfe für die Erwerbstätigkeit von Müttern bedeutsam wird. Dabei springen vor allem Grosseltern für Kinderbetreuungsaufgaben ein. Wohlfahrtsstaatliche Unterschiede mögen sich demnach auf die Rolle von Grosseltern im familialen Netzwerk auswirken. Ein starke Defamilialisierung, wie sie in den skandinavischen Ländern vorzufinden ist, könnte gegebenenfalls dazu führen, dass funktionale Unterstützungsleistungen weniger gebraucht werden und Grosseltern weniger stark in die Betreuung von Enkelkindern einbezogen werden. So sind im Norden zwar sehr viel mehr Frauen erwerbstätig, dies ist aber vor allem darauf zurückzuführen, dass hier staatliche Kinderbetreuungseinrichtungen und die Finanzierung von Elternurlaub Frauen die Teilnahme am Arbeitsmarkt ermöglichen. Es kann davon ausgegangen werden, dass intergenerationale Unterstützung in skandinavischen Ländern nur eine zweitrangige Rolle für Erwerbstätigkeit von Frauen spielt. Berufsstätige Mütter in Südeuropa sind hingegen – so ist zu vermuten – sehr viel stärker auf familiale Hilfe angewiesen, 17
Der OECD-Durchschnitt liegt im Jahre 2007 bei 25,3 Prozent (OECD 2008b).
78
3 Kulturell-kontextuelle Strukturen intergenerationaler Solidarität
denn vor allem für junge Kinder besteht nur ein schwaches Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen. Funktionale Grosselternschaft ist demnach je nach Wohlfahrtsstaatentyp anders charakterisiert, und vor allem die Art der Inanspruchnahme dürfte sich zwischen den Ländern stark unterscheiden. Während südeuropäische Grosseltern eine primäre Quelle für die Unterstützung bei Kinderbetreuung darstellen dürften, fungieren sie in Ländern mit gut ausgebauten Betreuungsmöglichkeiten eher komplementär zu staatlichen Einrichtungen. Es kann also davon ausgegangen werden, dass Kinderbetreuungsaktivitäten durch Grosseltern in Europa in Bezug auf Häufigkeit und die Intensität länderspezifischen Unterschieden unterliegen und, dass diese Unterschiede von wohlfahrtsstaatlichen Strukturen und kulturellen Hintergründen abhängen. Ländervergleichende Studien zu grosselterlichen funktionalen Unterstützungsleistungen sind nahezu inexistent. In einigen Studien zur Kinderbetreuung durch Grosseltern werden zwar wichtige Länderunterschiede hervorgehoben, eine Erklärung dieser Unterschiede durch Aspekte der kulturell-kontextuellen Strukturen intergenerationaler Solidarität bleibt jedoch grösstenteils aus (z.B. Attias-Donfut, Ogg und Wolff 2005; Hank und Buber 2009). Andere Studien untersuchen die Rolle der Grosseltern im Familiensystem und schenken dabei religiösen und ethnischen Aspekten besondere Beachtung. Im Mittelpunkt des Interesses steht vorwiegend der Vergleich zwischen dem Rollenbild US-amerikanische Grosseltern afrikanischer, europäischer und lateinamerikanischer Abstammung (z.B. Kivett 1993; Silverstein und Chen 1999; Watson und Koblinsky 2000). In Bezug auf religiöse Einflüsse auf Grosselternschaft werden vor allem die Beziehung zwischen den Generationen und intergenerationale Wertetransmissionen diskutiert (z.B. Copen et al. 2005). Diese Studien sind zudem jeweils auf bestimmte Länder oder Regionen ausgerichtet, so dass eine ländervergleichende Perspektive nicht gewährleistet ist (Gaunt 1995; Schultheis 1995). Auch nehmen kulturvergleichende Studien häufig eine globale Sicht ein und fassen ,den Westen – ދbeispielsweise Europa – als eine Analyseeinheit zusammen (z.B. Kagitcibasi 1996) oder es wird ein europäisches Land mit anderen nichteuropäischen Ländern kontrastiert (z.B. Schwarz und Trommsdorf 2005). Die vorliegende Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, neben individuellen und familialen Einflüssen vor allem auch die kulturell-kontextuellen Bedingungen für grosselterliche Transfers im europäischen Vergleich zu untersuchen und so eine wichtige Lücke in Bezug auf das Verständnis von Grosselternschaft als Quelle intergenerationaler funktionaler Solidarität zu schliessen.
4 Datensatz und Methoden 4 Datensatz und Methoden
4.1 SHARE-Datensatz 4.1 SHARE-Datensatz Der Survey of Health, Ageing on Retirement in Europe (SHARE)18 umfasst Angaben zu 28.517 Personen älter als 50 Jahre. Der Datensatz liefert eine detaillierte Beschreibung der Familien- und Haushaltssituation der älteren Personen. Neben den Eigenschaften der Befragungsperson werden zudem Eigenschaften der einzelnen Kinder und der Enkelkinder erhoben. Diese simultane Berücksichtigung von Informationen zu den Grosseltern (G1), den Kindern (G2) und den Enkelkindern (G3) ermöglicht die Einnahme einer Dreigenerationenperspektive und somit eine akkurate Analyse von grosselterlichen Transfers (siehe auch Hagestad 2006). Dabei kann in Bezug auf Enkelbetreuung klar festgestellt werden, an welches Kind beziehungsweise Enkelkind der grosselterliche Transfer gerichtet ist. Auch familiale Strukturen sind äusserst gut erfasst, wie zum Beispiel die Wohnentfernung zu den einzelnen Kindern oder die Kinder- und Enkelzahl. Der SHARE beinhaltet unterschiedliche Fragen zu Unterstützungsleistungen zwischen Familienmitgliedern. Neben zeitlichen intergenerationalen Leistungen wie Hilfe und Pflege wurden auch finanzielle Transfers abgefragt. Dabei wurde sowohl die Häufigkeit als auch die Intensität beziehungsweise die Höhe der Unterstützung berücksichtigt. Die Daten wurden durch eine Face-to-faceCAPI-Befragung19 erhoben, bei denen geschulte Interviewer zum Einsatz kamen. Zusätzlich wurde ein sogenannter Drop-off-Fragebogen verteilt, der allerdings 18
19
Folgende Erklärung ist mit der Datennutzung abzugeben: The SHARE data collection has been primarily funded by the European Commission through the 5th framework programme (project QLK6-CT-2001–00360 in the thematic programme Quality of Life). Additional funding came from the US National Institute on Ageing (U01 AG09740-13S2, P01 AG005842, P01 AG08291, P30 AG12815, Y1-AG-4553-01 and OGHA 04-064). Data collection in Austria (through the Austrian Science Foundation, FWF), Belgium (through the Belgian Science Policy Office) and Switzerland (through BBW/OFES/UFES) was nationally funded. Further support by the European Commission through the 6th framework program (projects SHARE-I3, RII-CT-2006-062193, and COMPARE, 028857) is gratefully acknowledged. The SHARE data set is introduced in Börsch-Supan et al. (2005); methodological details are contained in BörschSupan and Jürges (2005). Computergestützte face-to-face-Interviews
C. Igel, Großeltern in Europa, DOI 10.1007/978-3-531-93055-8_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
80
4 Datensatz und Methoden
nur von einem Teil der Befragten ausgefüllt wurde. In diesem Fragebogen werden unter anderem Wertevorstellungen, Konflikte mit Kindern und Schwiegerkindern sowie die religiöse Orientierung der befragten Grosseltern erfasst. Die SHARE-Erhebung ermöglicht es, einen umfassenden Ländervergleich intergenerationaler Solidarität vorzunehmen. Im zweiten Release der ersten Welle sind elf europäische Länder erfasst. Es handelt sich dabei um Schweden, Dänemark, die Niederlande, Belgien, Frankreich, Deutschland, die Schweiz, Österreich, Italien, Spanien und Griechenland. Die SHARE-Befragung wurde auch in Israel durchgeführt, das aber als einziges nicht europäisches Land in die Analysen dieser Studie nicht mit einbezogen wird. 4.2 Operationalisierung 4.2 Operationalisierung In der Folge wird die Operationalisierung der abhängigen und unabhängigen Variablen vorgestellt und die Konstruktion der Datensätze für die unterschiedlichen Analysen erläutert. Enkelbetreuung Die Erbringung und die Intensität von Enkelbetreuung werden im SHAREDatensatz anhand folgender Fragen erhoben: „Während der letzten zwölf Monate – haben Sie in Abwesenheit der Eltern regelmäßig oder gelegentlich auf Ihr Enkelkind/Ihre Enkelkinder aufgepasst? (1. Ja 5. Nein)“ „Im Durchschnitt – wie häufig haben Sie in den letzten zwölf Monaten auf das Kind/die Kinder von Kind X aufgepasst? (1. Fast täglich 2. Fast wöchentlich 3. Fast jeden Monat 4. Weniger häufig)“
Zusätzlich wird die Intensität der erbrachten Betreuung in Stunden abgefragt, das heisst es wird erhoben, wie lange die Betreuungszeit täglich, wöchentlich oder jährlich in etwa betrug. Zur Analyse grosselterlicher intergenerationaler Solidarität werden Dyadendatensätze konstruiert, in welchen die Eigenschaften der Grosseltern mit jenen der Kinder verknüpft werden. Dies bedeutet, dass Grossväter und -mütter mehrmals im Datensatz vorkommen. Hat eine Grossmutter beispielsweise drei Kinder (G2: Eltern der Enkelkinder), von denen zwei wiederum selbst Kinder haben, werden zwei Dyaden gebildet: Grossmutter-Kind A und GrossmutterKind B. Das dritte Kind wird nicht berücksichtigt, da in dieser Grosseltern-KindBeziehung kein Enkelkind vorhanden ist und somit keine Möglichkeit eines
4.2 Operationalisierung
81
Transfers besteht. Die so konstruierten Grosseltern-Kind-Dyaden ermöglichen einen Einbezug der Kindereigenschaften in die Analysen. Ausserdem können wichtige familiale Strukturen wie die Geschlechterkonstellation und die Wohnentfernung modelliert werden. Im SHARE werden allerdings nur zwei Enkeleigenschaften abgefragt: das Alter des jüngsten Enkelkindes sowie die Anzahl der vorhandenen Enkel. In allen Datensätzen sind die Befragungspersonen älter als 50 Jahre und verfügen über mindestens ein Kind und mindestens ein Enkelkind. Zudem werden nur Dyaden in die Analysen mit einbezogen, in denen das jeweilige Kind nicht im gleichen Haushalt lebt. Für jene Datensätze, die zur Erklärung von finanziellen Transfers an Enkelkinder herangezogen werden, bedeutet dies, dass kein Grosselternteil mit einem erwachsenen Kind im gleichen Haushalt lebt. Die theoretische Begründung dieser Vorgehensweise liegt darin, dass Koresidenz eine eigenständige Form intergenerationaler Solidarität darstellt (Szydlik 2000) und deshalb separat analysiert werden muss. Je nach verwendeten Makroindikatoren werden zudem unterschiedliche Einschränkungen in Bezug auf das Alter des jüngsten Enkelkindes vorgenommen (weitere Ausführungen hierzu finden sich in Kapitel 6 und 7). Finanzielle Transfers an Enkelkinder Die Leistung eines finanziellen Transfers wurde anhand folgender Frage abgefragt: „Denken Sie jetzt bitte an die letzten zwölf Monate. Wenn Sie freie Kost und Unterkunft unberücksichtigt lassen, haben Sie oder Ihr/Ihre Partner/Partnerin in dieser Zeit eine Person innerhalb oder außerhalb Ihres Haushalts mit Geld oder Sachgeschenken im Wert von 250 Euro unterstützt?“
In einem zweiten Schritt konnten die Befragten drei Transfer-Empfänger sowie die Höhe der geleisteten (Geld-)Geschenke angeben. Die Fragen zu finanziellen Transfers werden dem sogenannten financial respondent eines Haushaltes gestellt. Eine zusätzliche Variable gibt Auskunft darüber, ob das Grosselternpaar über getrennte oder gemeinsame Finanzen verfügt. Wenn das Paar getrennte Finanzen aufweist, werden beide zu der Leistung von finanziellen Transfers befragt. In diesem Fall findet sich also mehr als ein financial respondent pro Haushalt. In die empirischen Analysen dieser Studie fliessen nur Personen ein, die als financial respondents gekennzeichnet sind. Dabei wird kein Übertrag der Angaben auf den jeweiligen Partner vorgenommen. Bei getrennten Finanzen werden die Eigenschaften des jeweiligen Befragten berücksichtigt. Für gemein-
82
4 Datensatz und Methoden
same Finanzen werden Haushaltseigenschaften generiert und in die Analysen mit einbezogen. Ferner wurde für jeden genannten Transferstrom der Grund – beispielsweise der (gewünschte) Einsatzbereich des Geschenkes – abgefragt: „Was war der Hauptgrund für diese Hilfe oder dieses Geschenk? (1. Um für den Lebensunterhalt zu sorgen 2. Um ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen oder einzurichten 3. Um bei einer anderen größeren Anschaffung zu helfen 4. Wegen eines familiären Ereignisses (Geburt, Hochzeit, andere Feier) 5. Um bei einer Scheidung zu helfen 6. Um nach einem Trauerfall oder einer Krankheit zu helfen 7. Um bei Arbeitslosigkeit zu helfen 8. Für die Aus- oder Weiterbildung 9. Um gesetzliche Verpflichtungen gegenüber einem Ehegatten, Eltern oder Kind zu erfüllen 96. Kein besonderer Grund 97. Anderer Grund)“
Bei finanziellen Transfers an Enkelkinder kann nicht identifiziert werden, welcher Familie das beschenkte Enkelkind zugehörig ist, und ein Einbezug der Eigenschaften der Empfängerfamilie ist folglich nicht möglich. Um eine Übersicht über die Empfänger grosselterlicher finanzieller Transfers zu ermöglichen sowie die Gründe der geleisteten Transfers nach Empfängern differenzieren zu können, wurde zudem ein Datensatz gebildet, der sämtliche Transfergründe erfasst. So kann festgestellt werden, an welche Personen welcher Anteil der insgesamt erfassten Transfers fliesst und inwiefern sich die Gründe für Transfers an unterschiedliche Personengruppen voneinander unterscheiden. Operationalisierung der unabhängigen Variablen Die Opportunitätsstrukturen der Grosseltern werden über das Alter, die Gesundheit, den Aktivitätsstatus, die Bildung, die finanziellen Ressourcen, die Teilnahme am Arbeitsmarkt sowie das Vorhandensein eines Partners operationalisiert. Die Bedürfnisstrukturen der Eltern der Enkelkinder (G2) werden für die Enkelbetreuungsmodelle über die Teilnahme am Arbeitsmarkt, das Vorhandensein eines Partners sowie über das Alter des jüngsten Enkelkindes operationalisiert. Für die Modelle zu finanziellen Transfers fehlt die Möglichkeit, das beschenkte Enkelkind einer familialen Linie zuzuordnen, und die Bedürfnisstrukturen werden auf die Makroebene verlagert. Diese Vorgehensweise findet seine Begründung in dem theoretischen Modell intergenerationaler Solidarität, welches postuliert, dass gewisse Faktorengruppen auf der Makroebene jene auf der Mikroebene beeinflussen (Szydlik 2000). Vor allem makroökonomische Bedingungen sollten sich dabei auf materielle Bedürfnisstrukturen auswirken
4.2 Operationalisierung
83
und einen Effekt auf intergenerationale Transfers aufweisen, sofern diese bedarfsgesteuert sind. Familiale Strukturen beinhalten die Geschlechterkombination von Grosseltern und Kindern (Eltern der Enkel), die Wohnentfernung zwischen den Generationen, die Anzahl der Kinder sowie die Anzahl der Enkelkinder. Tabelle 4.1:
Operationalisierung der Opportunitäten, Bedürfnisse und familialen Strukturen
Beschreibung
Kodierung
Anmerkung
Opportunitäts- und Bedürfnisstrukturen Alter des Grosselternteils
50 bis 104 Jahre
Gesundheitszustand
1 (sehr schlecht) bis
Selbsteinschätzung durch den Befragten
5 (sehr gut) Aktivität
0 (an keiner Aktivität teilgenommen) bis 6 (an sechs Aktivitäten teilgenommen)
Bildung
1 (tief) 2 (mittel)
Aktivitäten im letzten Monat: ehrenamtliche Tätigkeiten, Betreuung eines kranken oder behinderten Erwachsenen, Teilnahme an einem Fort- oder Weiterbildungskurs, Teilnahme an Aktivitäten von Vereinen (z.B. Sport- oder Heimatverein), Teilnahme an kirchlichen Aktivitäten, Teilnahme an Aktivitäten einer politischen Organisation oder Bürgerinitiative
Zusammenfassung der Standard Classification of Education (ISCED)
3 (hoch) Einkommen
metrisch
Logarithmiertes kaufkraftbereinigtes Haushaltsäquivalenzeinkommen
84
4 Datensatz und Methoden
Fortsetzung von Tabelle 4.1 Haushaltsauskommen
1 (mit grossen Schwierigkeiten) 2 (mit einigen Schwierigkeiten) 3 (einigermassen leicht)
Eigeneinschätzung des financial respondent über das finanzielle Haushaltsauskommen (Wie kommt der Haushalt über die Runden?). Werte werden auf alle Haushaltsmitglieder übertragen
4 (leicht) Partner
0 (nein) 1 (ja)
Erwerbstätigkeit des Grosselternteils
0 (nicht erwerbstätig) 1 (erwerbstätig)
Erwerbstätigkeit des Kindes
0 (nicht erwerbstätig) 1 (erwerbstätig)
Alter des jüngsten Enkels
0 bis 65 Jahre
Partner des Kindes
0 (nein) 1 (ja)
Familiale Strukturen Anzahl der Enkelkinder
1 bis 20
Anzahl der Kinder
1 bis 17
Wohnentfernung
1 (weniger als 5 km) 2 (weniger als 100 km) 3 (mehr als 100 km)
Quelle: SHARE 2004, release 2.
Partner vorhanden beinhaltet: verheiratet und zusammenlebend mit Partner, eingetragene Partnerschaft. Kein Partner: verheiratet und getrennt lebend, noch nie verheiratet, geschieden, verwitwet Nicht erwerbstätig beinhaltet: im Ruhestand, arbeitslos, dauerhaft erwerbsunfähig wegen Krankheit oder Behinderung, Hausfrau/-mann Nicht erwerbstätig: arbeitslos, in Ausoder Weiterbildung beispielsweise Umschulung, in Elternurlaub, in Rente oder Frührente, dauerhaft krank oder behindert, nach der Familie oder dem Haushalt schauen
4.2 Operationalisierung
85
Die kulturell-kontextuellen Strukturen werden für die Analysen von Enkelbetreuung über staatliche Investitionen in Kinderbetreuungseinrichtungen, staatliche Familienausgaben, Ausgaben für Mutterschafts- und Elternurlaub sowie für Kindergeld jeweils in Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) operationalisiert. Für die Überprüfung des Einflusses der kulturell-kontextuellen Strukturen auf finanzielle Transfers an Enkelkinder werden folgende Indikatoren hinzugezogen: Kinderarmutsquoten, Jugendarbeitslosigkeitsraten, staatliche Ausgaben für Familien in Prozent am BIP sowie staatliche Ausgaben für Alters- und Hinterbliebenenrenten in Prozent am BIP. Kulturell-kontextuelle Strukturen auf der individuellen Ebene werden über Verantwortungsgefühle der Grosseltern für ihre Enkelkinder sowie über deren Religiosität gemessen: Die Grosseltern werden in einem Zusatzfragebogen (drop-off-Fragebogen) über unterschiedliche Aspekte ihrer familialen Werteinstellung befragt. Hierbei handelt es sich um Verpflichtungsgefühle gegenüber den Enkelkindern und deren Familien. Ausserdem wird abgefragt, inwiefern sich Grosseltern verantwortlich fühlen sollen, ihren Kindern bei der Betreuung der jungen Enkel zu helfen. Die Religiosität der Grosseltern wird über die Gebetshäufigkeit und die Erfahrung einer religiösen Erziehung gemessen. Als Beziehungsvariable zwischen den Generationen werden die Konflikte der Grosseltern mit ihren (Schwieger-)Kindern in die Analysen mit einbezogen. Tabelle 4.2 bietet einen Überblick über die Operationalisierung der kulturell-kontextuellen Strukturen. Tabelle 4.2:
Operationalisierung der kulturell-kontextuellen Strukturen
Beschreibung
Kodierung
Anmerkung
Investitionen in Kinderbetreuungseinrichtungen
0.29 - 1.616 Prozent
OECD (2007a): Öffentliche Ausgaben für Kinderbetreuung und Vorschule in Prozent am BIP, 2003
Familienausgaben in Prozent
1.1 - 3.4 Prozent
OECD (2007a): Öffentliche Ausgaben für Familie in Prozent am BIP, 2004
Ausgaben für Mutterschafts- und Elternurlaub
0 - 0.6 Prozent
OECD (2007a): Öffentliche Ausgaben für Mutterschaftsund Elternurlaub in Prozent am BIP, 2004
Ausgaben für Kindergeld
0.2 - 2.2 Prozent
OECD (2007a): Öffentliche Ausgaben für Kindergeld in Prozent am BIP, 2004
Kulturell-kontextuelle Strukturen
86
4 Datensatz und Methoden
Forsetzung von Tabelle 4.2 Kinderarmut
2.4 - 16.6 Prozent
UNICEF (2005): Prozentsatz an Haushalten mit Kindern mit einem Einkommen unter 50 Prozent des nationalen Median-Einkommens
Jugendarbeitslosigkeit
7.7 - 26.5 Prozent
OECD (2005): Arbeitslosenrate von Personen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren
Ausgaben für Renten
5.4 - 12.8 Prozent
OECD (2007b): Ausgaben für Alters- und Hinterbliebenenrenten in Prozent am BIP, 2004
Verpflichtungsgefühle gegenüber den Kindern in Bezug auf Kinderbetreuung
1 (stimme zu / voll zu)
Grosseltern sollten Eltern bei der Kinderbetreuung helfen, wenn diese noch klein sind.
2 (stimme weder zu noch nicht zu) 3 (stimme nicht zu / gar nicht zu)
Verpflichtungsgefühle gegenüber dem finanziellen Wohlergehen der Enkel
1 (stimme zu / voll zu) 2 (stimme weder zu noch nicht zu)
Grosseltern sollten zur wirtschaftlichen Absicherung ihrer Enkel und deren Familien beitragen.
3 (stimme nicht zu / gar nicht zu) Gebetshäufigkeit
1 (mehr als einmal täglich) bis
Wenn Sie an die Gegenwart denken – wie häufig beten Sie?
6 (niemals) Religiöse Erziehung
0 (nein) 1 (ja)
Konflikte bezüglich Erziehung der Enkelkinder
1 (oft oder manchmal) 2 (selten) 3 (nie)
Quelle: SHARE 2004, release 2.
Wurden Sie von Ihren Eltern religiös erzogen? Wie häufig kommt es mit Ihren Kindern oder Ihrer Schwiegertochter / Ihrem Schwiegersohn zu Konflikten, weil Sie sich in Fragen der Erziehung Ihrer Enkel nicht einig sind?
4.2 Operationalisierung
87
4.3 Mehrebenenanalyse Die Dyadendatensätze, die zur Analyse grosselterlicher Enkelbetreuung herangezogen werden, sind hierarchisch strukturiert, mit Dyaden auf der ersten Ebene, Personen auf der zweiten Ebene, die wiederum eingebettet sind in verschiedene Haushalte (dritte Ebene), welche in unterschiedlichen Ländern angesiedelt sind (vierte Ebene). Um diese vier unterschiedlichen Ebenen zu berücksichtigen, werden Mehrebenenmodelle geschätzt. Formal kann ein Vier-Ebenen-random intercept20-Modell mit einer binären abhängigen Variablen (y) folgendermassen beschrieben werden (vgl. Guo und Zhao 2000: 446ff.): log
Die Parameter
ǡ
und
pijkl ͳǦ
= Ⱦ0 + Ⱦ1 xijkl + u0jkl + v0kl + w0l
(a)
stellen die Residuen dar, die unabhängig
voneinander sind. Dabei steht der Index i für die erste Ebene, j für die zweite Ebene, k für die dritte Ebene, l für die vierte Ebene und Ⱦ0 für die Konstante, während pijkl die Wahrscheinlichkeit definiert, dass die abhängige Variable den Wert 1 annimmt: pijkl = prȋyijkl = ͳȌ
(b)
Die Interpretation der Koeffizienten der Gleichung (a) kann folgendermassen beschrieben werden: Die Veränderung von xijkl um eine Einheit verändert die logarithmierte Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis eintrifft um Ⱦ1 . Eine andere Interpretationsmöglichkeit kann erreicht werden, indem das Exponential von Ⱦ1 berechnet wird. Eine Veränderung von xijkl um eine Einheit wird dann als Veränderung der Chancenverhältnisse um den Faktor exp(Ⱦ1 ) interpretiert. Diese sogenannten Odds Ratios beschreiben einen negativen Effekt, wenn ihr Wert kleiner eins ist, während ein Wert grösser als eins auf einen positiven Effekt hindeutet. Nimmt das Odds Ratio den Wert Eins an, so ist kein Einfluss von xijkl auf die abhängige Variable festzustellen (Long und Freese 2006: 177ff). 20
Der Ausdruck random intercept bezeichnet ein Modell, bei dem die Steigung der einzelnen Regressionsgraden über die Gruppen konstant gehalten wird. Ein random slope Modell hingegen würde ein Freilaufen der Regressionsgraden ermöglichen (Langer 2009).
88
4 Datensatz und Methoden
Für eine korrekte Interpretation von Odds Ratios muss beachtet werden, dass die Werte von 0 bis + reichen können. Dies bedeutet, dass ein positives und ein negatives Odds Ratio, das die gleiche Effektstärke beschreibt, keinen symmetrischen Abstand zu 1 aufweisen. So würde sich zum Beispiel der negativ entsprechende Wert eines positiven Odds Ratios von 4.0 auf 0.25 belaufen (Monahan et al. 2007: 94). Das zusammengesetzte Mehrebenenmodell der Gleichung (a) kann mit den folgenden, ebenenspezifischen Gleichungen beschrieben werden: Ⱦ0jkl = Ⱦ0kl + u0jkl
(c)
Ⱦ0kl = Ⱦ0l + v0kl
(d)
Ⱦ0l = Ⱦ0 + w0l
(e)
Gleichungen (c), (d) und (e) zerlegen die Konstante in vier unabhängige Komponenten mit den dazugehörigen Residuen. Gleichung (c) erfasst dabei die Personenebene, (d) die Haushaltsebene und (e) die unerklärten Unterschiede auf der Länderebene. Dieses random intercept-Modell ermöglicht die Schätzung korrekter Standardfehler und unverzerrter Koeffizienten (Guo und Zhao 2000: 444ff.). In einem ersten Schritt wird ein sogenanntes Nullmodell geschätzt, das die Gesamtvariation der abhängigen Variablen auf die unterschiedlichen Ebenen aufteilt und die Berechnung der Intra Class Correlation (ICC) auf der Länderebene ermöglicht. Die ICC wird durch die Division der Variation auf der Länderebene mit der Gesamtvariation erhalten und gibt den Anteil der Gesamtvariation an, der auf der Länderebene lokalisiert werden kann (Rabe-Hesketh und Skrondal 2005: 224). In einem zweiten Schritt werden die individuellen und familialen Faktoren in das Modell eingeführt, und schliesslich wird der Makroindikator in das Modell aufgenommen. Bei diesem Vorgehen wird beobachtet, wie sich die Variation auf der Länderebene verändert: Verringert sich durch die Einführung des Makroindikators die Variation auf Länderebene, kann dies als Zeichen für seine Erklärungskraft gewertet werden. In den für die Analyse der finanziellen Transfers herangezogenen Personendatensätzen werden zwei Ebenen berücksichtigt, die Personenebene sowie die Länderebene. Die formalen Gleichungen der logistischen Mehrebenenanalyse reduzieren sich auf die Basisregressionsgleichung (a) und die Gleichung (c), in der der Index j nun nicht mehr die Personenebene beschreibt, sondern sich auf die Länderebene bezieht. Ein oft geäussertes Bedenken bezüglich der Anwendung von Mehrebenenmodellen bezieht sich auf die geringe Anzahl an Beobachtungsfällen pro Gruppe. Allerdings haben aktuelle Studien zur Mehrebenenanalyse den Nachweis er-
4.2 Operationalisierung
89
bracht, dass eine geringe Beobachtungsanzahl pro Gruppe die Zuverlässigkeit von Mehrebenenmodellen nicht untergräbt. Im Gegenteil, es wird dringend empfohlen, die hierarchische Struktur eines Datensatzes durch Mehrebenenmodellierung zu berücksichtigen, um verzerrte Standardfehler und Koeffizienten zu vermeiden (Clarke 2008; Gelman 2006). Eine akkurate Operationalisierung der kulturell-kontextuellen Strukturen ist für die korrekte Spezifizierung eines Mehrebenenmodells sehr wichtig. Der eingesetzte Makroindikator sollte dabei von allen Individuen, die im gleichen Kontext leben, geteilt werden (Teachman und Crowder 2002). Die in dieser Arbeit verwendeten Makroindikatoren messen daher makroökonomische und wohlfahrtsstaatliche Arrangements auf nationaler Ebene. Die Schätzungen werden für die Vier-Ebenen-Modelle mit MLwIN durchgeführt (Browne 2009; Rasbash et al. 2009), während für die Zwei-Ebenen-Modelle der STATA-Befehl GLLAMM zum Einsatz kommt (Rabe-Hesketh und Skrondal 2008).
5 Unterstützungspotentiale, Bedürfnisse und Kultur 5 Unterstützungspotentiale, Bedürfnisse und Kultur
Die Beziehung zwischen Grosseltern und Enkelkindern ist heutzutage nur sehr schwach durch gesellschaftliche Vorschriften geprägt, und die Leistung von funktionaler Unterstützung unterliegt demnach eher individuellen Aushandlungsprozessen als normativen Rollenbildern (Giarrusso, Silverstein und Bengtson 1996; Pruchno und Johnson 1996; Wilk 1993). Dadurch ergeben sich wie in Kapitel 2.1 aufgezeigt sehr unterschiedliche Beziehungsstile zwischen Grosseltern und ihren Enkelkindern (z.B. Cherlin und Furstenberg 1985; Herlyn und Lehmann 1998). So können Grosseltern ein eher loses und distanziertes Verhältnis zu der jüngeren Generation aufweisen oder aber sehr engagiert und pflichtbewusst gegenüber den Enkeln und deren Familien auftreten. Grosselterliche Beziehungsstile und damit einhergehende funktionale Unterstützungen können auf unterschiedliche familiale, individuelle und kulturelle Bedingungen zurückgeführt werden (Szydlik 2000). Damit Grosseltern Solidaritätsleistungen erbringen können, bedarf es einerseits gewisser Voraussetzungen wie beispielweise einer guten körperlichen Verfassung (Whitbeck, Hoyt und Huck 1993; Bengtson und Robertson 1991) oder ausreichender ökonomischer Mittel (Wolff 2000). Andererseits muss grosselterliche Hilfe nachgefragt werden, denn wo kein Bedürfnis nach Unterstützung besteht, können grosselterliche Transfers als Eingriff in die elterliche Autonomie erfahren oder gegebenenfalls nur unspezifisch eingesetzt werden. Ausserdem bestehen intergenerationale Beziehungen vor dem Hintergrund gewisser familialer und kultureller Strukturen wie beispielsweise der Wohnentfernung zwischen den Familienmitgliedern oder Verpflichtungsgefühlen gegenüber der jüngeren Generation. Im folgenden Kapitel wird eine deskriptive Beschreibung der Bedingungsfaktoren intergenerationaler Solidarität von Grosseltern an ihre Enkelkinder in ländervergleichender Perspektive vorgenommen. Dieses Vorgehen ermöglicht nicht nur, europäische Unterschiede auf individueller Ebene aufzuzeigen, sondern es werden gleichzeitig länderspezifische kulturelle Hintergründe abgebildet. So kann die Erwerbstätigkeitsrate von jungen Müttern einen Hinweis darauf liefern, inwiefern ein Land durch das klassische männliche Ernährermodell geprägt ist und ob die Familiengründung junge Frauen vom Arbeitsmarkt fernhält (siehe Kapitel 3), während Verpflichtungsgefühle der Grosseltern gegenüber der C. Igel, Großeltern in Europa, DOI 10.1007/978-3-531-93055-8_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
92
5 Unterstützungspotentiale, Bedürfnisse und Kultur
jüngeren Generation kulturelle Voraussetzungen intergenerationaler Solidarität beschreiben.
0
20
40
Prozent 60
80
100
5.1 Familiale Strukturen der Grosseltern 5.1 Familiale Strukturen der Grosseltern Europäische Grosseltern verfügen am häufigsten über ein oder zwei Kinder. Aber auch drei Kinder sind keine Seltenheit, während vier oder mehr Nachkommen in nur wenigen Fällen vorhanden sind (Abbildung 5.1).
SE
DK
NL
1 Kind 4 Kinder
BE
FR
DE 2 Kinder 5 Kinder
AU
CH
ES
IT
GR
3 Kinder 6 oder mehr Kinder
Abbildung 5.1: Kinderzahl Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Grosseltern) = 13,184.
Länderunterschiede lassen sich insofern ausmachen, als im europäischen Süden und in Mitteleuropa die Kinderzahlen generell etwas höher sind. Dies trifft vor allem auf Griechenland zu; hier verfügen über 70 Prozent aller Grosseltern über mindestens zwei Kinder, während in Schweden und Dänemark nur etwa 55 Prozent der Befragten auf eine Kinderzahl von zwei kommen. Spanien weist im europäischen Vergleich den höchsten Anteil an Grosseltern mit mehr als sechs Kindern auf. Dieses Muster lässt sich für die aktuelle Generation junger Erwach-
5.1 Familiale Strukturen der Grosseltern
93
0
20
40
Prozent 60
80
100
sener nicht mehr bestätigen. Im Jahre 2007 verfügten die skandinavischen Länder über eine höhere Fertilitätsrate als der europäische Süden (OECD 2009).
SE
DK
NL 1 Enkel 4 Enkel
BE
FR
DE 2 Enkel 5 Enkel
AU
CH
ES
IT
GR
3 Enkel 6 oder mehr Enkel
Abbildung 5.2: Enkelzahl Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Grosseltern) = 13,107.
Hinsichtlich der Anzahl an Enkelkindern (Abbildung 5.2) lässt sich kein deutlicher Unterschied zwischen Nord- und Südeuropa ausmachen. Lediglich italienische Grosseltern weisen eine höhere Anzahl an Enkeln auf als Grosseltern in Schweden und Dänemark, während die deutschen und österreichischen Befragten am wenigsten Enkel haben. Die Zahlen in Abbildung 5.2 bilden eher die aktuellen Fertilitätsraten ab. Allerdings zeigt Frankreich eine geringe Enkelzahl auf, während die aktuelle französische Fertilitätsrate eine der höchsten Europas ist (OECD 2009).
5 Unterstützungspotentiale, Bedürfnisse und Kultur
0
20
40
Prozent 60
80
100
94
SE
DK
NL
BE
unter 5 km 100 bis 500 km
FR
DE
AU
CH
5 bis 25 km mehr als 500 km
ES
IT
GR
26 bis 100 km
Abbildung 5.3: Wohnentfernung zum jüngsten Enkelkind Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Grosseltern) = 8,693.
Eine wichtige Voraussetzung für die Leistung von intergenerationalen zeitlichen Transfers sind möglichst geringe Opportunitätskosten (Hogen, Eggebeen und Clogg 1993; Marbach 1994a). Leben Familienmitglieder weit voneinander entfernt, steigen die Opportunitätskosten für instrumentelle Hilfen (z.B. durch Fahrtkosten) und die zusätzlich aufzubringende Zeit für Hin- und Rückweg stark an. So ist im Falle einer besonders grossen geographischen Distanz davon auszugehen, dass zeitliche Transfers wie zum Beispiel Kinderbetreuung schlichtweg nicht geleistet werden können. Über 50 Prozent der europäischen Grosseltern wohnen nicht weiter als 25 Kilometer von ihrem jüngsten Enkelkind entfernt (Abbildung 5.3). Besonders häufig nah beieinander wohnen dabei italienische und spanische Grosseltern und Enkelkinder. Die Mobilität der Kinder scheint in diesen Ländern am geringsten zu sein. In Schweden und Dänemark hingegen wohnen Grosseltern und ihr jüngstes Enkelkind weniger nah beieinander.
5.2 Opportunitätsstrukturen der Grosseltern
95
5.2 Opportunitätsstrukturen der Grosseltern 5.2 Opportunitätsstrukturen der Grosseltern Opportunitätsstrukturen der Grosseltern bilden deren Möglichkeiten ab, intergenerationale Transfers an die jüngere Generation zu leisten. Für die Betreuung von Enkelkindern ist es beispielsweise wichtig, dass die Grosseltern über einen guten Gesundheitszustand verfügen, während (Geld-)Geschenke eher von den finanziellen Ressourcen der Grosseltern abhängen.
SE DK NL BE FR DE AU CH ES IT GR
100
80
60
40
20
0
20
40
60
80
100
in Partnerschaft lebende Grosseltern (50 bis 70 Jahre) in Prozent in Partnerschaft lebende Grosseltern (71 bis 104 Jahre) in Prozent
Abbildung 5.4:Vorhandensein eines Partners oder einer Partnerin nach Alter Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Grosseltern) = 8,190/5,029.
Aber auch emotionale und praktische Unterstützung kann ausschlaggebend sein. Abbildung 5.4 zeigt auf, wie viele der Grosseltern im SHARE in einer Partnerschaft leben. Für die 50 bis 70 Jahre alten Befragten zeigt sich ein relativ homogenes Bild: Zwischen 70 und 82 Prozent dieser Altersgruppe verfügen über einen Partner. In der Altersgruppe der über 71-jährigen Grosseltern finden sich ebenfalls nur sehr schwach ausgeprägte Länderunterschiede. Lediglich in Spanien, der Schweiz, Frankreich und Belgien verfügen etwas mehr Grosseltern noch über einen Partner als im restlichen Europa. Insgesamt finden sich naturgemäss bei
96
5 Unterstützungspotentiale, Bedürfnisse und Kultur
0
20
40
Prozent 60
80
100
der älteren Gruppe weniger Grosseltern, die in einer Partnerschaft leben (etwa 50 Prozent). Die meisten Grosseltern der jüngeren Altersgruppe, die voraussichtlich am ehesten für Kinderbetreuungsaufgaben in Anspruch genommen werden, da sie über noch junge Enkel verfügen, können also grundsätzlich auf eine wichtige Unterstützungsquelle zählen. Andererseits kann Partnerschaft auch einen Hinderungsgrund für die Leistung zeitlicher Transfers darstellen, nämlich dann, wenn potentielle Unternehmungen mit dem Partner die Opportunitätskosten für intergenerationale Solidarität erhöhen.
SE
DK
NL
BE
sehr gut schlecht
FR
DE
AU
gut sehr schlecht
CH
ES
IT
GR
mittelmässig
Abbildung 5.5: Gesundheitszustand Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Grosseltern) = 13,217.
Eine weitere wichtige Opportunitätsstruktur der Grosseltern für die Erbringung von Kinderbetreuung ist deren Gesundheitszustand. Abbildung 5.5 lässt erkennen, dass europäische Grosseltern grundsätzlich über eine vergleichsweise gute Gesundheit verfügen. Lediglich ein bis zwei Prozent der Befragten berichten über starke gesundheitliche Probleme. Für Deutschland, Spanien und Italien ergeben sich etwas höhere Werte für die Angaben ,sehr schlecht ދund ,schlechtދ, in diesen Ländern fühlen sich mehr Grosseltern nach eigenen Angaben in einer schlechten gesundheitlichen Verfassung.
97
0
20
40
Prozent 60
80
100
5.2 Opportunitätsstrukturen der Grosseltern
SE
DK
NL
sehr gut
BE
FR gut
DE
AU
CH
mittelmässig
ES
IT
GR schlecht
Abbildung 5.6: Haushaltsauskommen Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Grosseltern) = 12,740.
Südeuropäische Grosseltern berichten über ein vergleichsweise schlechteres Auskommen mit den ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen, während in Nordeuropa sowie in Belgien und den Niederlanden die meisten Grosseltern ein gutes oder sehr gutes Auskommen mit dem Haushaltseinkommen angeben (Abbildung 5.6). Die finanziellen Haushaltsressourcen der südeuropäischen Grosseltern sind für 17 bis 30 Prozent nur ungenügend, um über ,die Runden zu kommenދ. Dieser Prozentsatz beläuft sich für Schweden und Dänemark lediglich auf vier beziehungsweise fünf Prozent. Auch Schweizer Grosseltern bewerten in nur vier Prozent der Fälle ihr Haushaltsauskommen als schlecht, während 41 Prozent über ein sehr gutes Auskommen berichten. Gerade für die Leistung finanzieller Transfers spielen ökonomische Ressourcen der Geber eine entscheidende Rolle. Zwar basieren grosselterliche direkte finanzielle Transfers an die Enkelkinder vormutlich stark auf Freiwilligkeit und weniger stark auf langfristiger ökonomischer Verantwortung. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass auch finanzielle Hilfen an die Enkelkinder zu einem gewissen Grad von den individuellen ökonomischen Ressourcen der
98
5 Unterstützungspotentiale, Bedürfnisse und Kultur
0
20
40
Prozent 60
80
100
Grosseltern beeinflusst werden. Eine statistische Überprüfung dieses Zusammenhangs wird in Kapitel 7 vorgenommen.
SE
DK
NL
BE
FR tief hoch
DE
AU
CH
ES
IT
GR
mittel
Abbildung 5.7: Bildungsstand Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Grosseltern) = 13,115, Zusammenfassung des Standard Classification of Education (ISCED).
Neben finanziellen Ressourcen spielt aber auch das kulturelle Kapital der Grosseltern eine Rolle bei deren Integration in intergenerationale Netzwerke (Eggebeen and Hogan 1990). Südeuropäische Grosseltern verfügen grösstenteils über eine tiefe Bildung, während Grosseltern in Deutschland, Dänemark und Österreich am häufigsten eine mittlere bis hohe Ausbildung aufweisen. In Schweden, den Niederlanden, Belgien und Frankreich besitzen etwa 40 Prozent der Grosseltern einen mittleren bis hohen Bildungsabschluss (Abbildung 5.7). 5.3 Bedürfnisstrukturen junger Familien in Europa 5.3 Bedürfnisstrukturen junger Familien in Europa Junge Familien erleben vielfältige gesellschaftliche und ökonomische Herausforderungen und sind dabei oftmals auf die Hilfe und Unterstützung von Famili-
5.3 Bedürfnisstrukturen junger Familien in Europa
99
enmitgliedern angewiesen. Steigende weibliche Erwerbsquoten führen zu begrenzten Zeitressourcen für Kindererziehungs- und Betreuungsaufgaben, so dass zeitliche Transfers von Grosseltern eine wichtige Rolle bei der täglichen Familienorganisation spielen können (BMFSFJ 2006). Vor allem wenn die Enkelkinder jung sind, fallen unterschiedliche Betreuungsaufgaben an. Europäische Grosseltern verfügen im Schnitt in 35 Prozent aller Fälle über mindestens ein Enkelkind im Alter bis drei Jahre, während für 17 Prozent der Befragten mindestens ein Enkelkind älter als drei und jünger als sieben Jahre ist (Abbildung 5.8). In Schweden, Dänemark und den Niederlanden sind mehr Enkelkinder zwischen null und sechs Jahren alt, während Grosseltern in Deutschland, Österreich und Griechenland eine höhere Anzahl an erwachsenen Enkelkindern haben. Grundsätzlich verfügen europäische Grosseltern also sehr häufig über junge Enkel. Aber auch jugendliche Enkel im Alter von zwölf bis 18 Jahren sind vorhanden (für zwischen elf und 21 Prozent aller Grosseltern) sowie junge erwachsene Enkel im Alter von 18 bis 30 Jahre (in acht bis 20 Prozent der Fälle). Es ist allerdings wichtig zu berücksichtigen, dass im SHARE-Datensatz nur das Alter des jüngsten Enkelkindes abgefragt wurde und deswegen von einer Verzerrung der Altersstruktur ausgegangen werden muss. Es ist zu erwarten, dass die Grosseltern grundsätzlich über mehr erwachsene Enkelkinder verfügen, als aus Abbildung 5.8 herausgelesen werden kann. Für Enkelbetreuungsaufgaben besteht allein aufgrund der Altersstruktur der Enkel grosses Potential, und es ist nicht erstaunlich, dass diese Unterstützung an Enkelkinder eine wichtige Form intergenerationaler Solidarität darstellt (Hoff 2007). In Bezug auf finanzielle Transfers lassen sich weniger stark ausgeprägte Bedürfnisstrukturen vermuten. Zumindest befinden sich die jüngsten Enkelkinder in einem Alter, in dem sie eher geringere Geldbedürfnisse aufweisen, und es kann davon ausgegangen werden, dass das finanzielle Wohlergehen der meisten Enkel durch die Elterngeneration gewährleistet wird. Andererseits können Grosseltern gerade bei jungen Enkeln langfristig angelegte (Geld-) Geschenke machen und durch beispielsweise sogenannte Ausbildungsfonds in die Zukunft ihrer Enkelkinder investieren (Ploeg et al. 2004).
5 Unterstützungspotentiale, Bedürfnisse und Kultur
0
20
40
Prozent 60
80
100
100
SE
DK
NL
BE
0-3 Jahre 12-18 Jahre
FR
DE
AU
4-6 Jahre 18-30 Jahre
CH
ES
IT
GR
7-12 Jahre älter als 30 Jahre
Abbildung 5.8: Jüngstes Enkelkind Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Personen) = 8,703.
Abbildung 5.9 zeigt auf, in wie vielen Grosseltern-Tochter-Beziehungen die Tochter in Teilzeit oder Vollzeit angestellt ist oder keiner Beschäftigung nachgeht. Die Gruppe wurde so eingeschränkt, dass das jüngste Kind der Töchter dabei nicht älter als sechs Jahre ist; es handelt sich also vorwiegend um junge Mütter mit Kindern oder Kleinkindern, die grundsätzlich einen hohen Betreuungsaufwand erfordern.21 In Schweden, Dänemark, Belgien und Frankreich, aber auch in Italien und Griechenland sind die meisten Töchter in Vollzeit erwerbstätig, während sich in den Niederlanden, Deutschland, Österreich und der Schweiz nur 16 beziehungsweise 22 Prozent der jungen Mütter in einem Vollzeitbeschäftigungsverhältnis befinden. In Spanien und Italien sowie in Deutschland, Österreich und der Schweiz finden sich ausserdem die höchsten Quoten von Frauen, die nicht erwerbstätig sind (zwischen 38 und 52 Prozent).
21
Elternurlaub wird vor dem theoretischen Hintergrund der Bedürfnisstrukturen junger Familien als Nichterwerbstätigkeit eingeordnet.
101
0
20
40
Prozent 60
80
100
5.3 Bedürfnisstrukturen junger Familien in Europa
SE
DK
NE
BE
FR
DE
Vollzeit erwerbstätig nicht erwerbstätig
AU
CH
ES
IT
GR
Teilzeit erwerbstätig
Abbildung 5.9: Erwerbstätigkeit der Töchter Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Grosseltern-Tochter-Dyaden) = 3,818.
Teilzeitarbeit ist bei Müttern in der Schweiz und in den Niederlanden am meisten verbreitet. Vergleicht man die Teilzeitquoten von Müttern aus dem SHAREDatensatz mit jenen der Gesamtbevölkerung (OECD 2009, siehe Kapitel 3, Tabelle 3.2) so kann man feststellen, dass die Erwerbszahlen für junge Mütter grundsätzlich etwas tiefer liegen und dass dieser Unterschied für Italien und Spanien besonders ausgeprägt ist. In den südeuropäischen Ländern sind allerdings gleichzeitig sehr viel mehr Mütter in Vollzeit erwerbstätig. Dieser überraschende Befund deckt sich mit anderen empirischen Analysen (z.B. Anttonen und Sipilä 1996; Blome, Keck und Alber 2008) zu der Erwerbstätigkeit junger Mütter in Europa: Auch in Ländern, in denen weniger gut ausgebaute Strukturen für die institutionelle Betreuung von Kindern bestehen, liegt die Erwerbsquote von Müttern nur knapp unter jenen der kinderlosen Frauen. Zwar ist die Gesamtbeschäftigungsquote von Frauen in Italien und Spanien tiefer als in den skandinavischen Ländern (OECD 2008b, siehe Kapitel 3, Tabelle 3.2), allerdings ver-
102
5 Unterstützungspotentiale, Bedürfnisse und Kultur
ändern junge Mütter in Südeuropa – trotz weniger staatlicher Unterstützung – ihr Erwerbsverhalten nicht wesentlich. Für italienische Mütter gilt beispielsweise, dass nach der Geburt der Kinder eine kurz- bis mittelfristige Reduktion der Arbeitszeit vorgenommen wird, allerdings werden die Arbeitszeiten mit dem Älterwerden des Kindes teilweise wieder nach oben angepasst (Blome, Keck und Alber 2008). So weisen italienische und griechische Mütter im SHARE mit dem jüngsten Kind unter sieben Jahren höhere Erwerbsraten auf als die nationalen Gesamtfrauenerwerbsquoten.22 Ein ähnliches Muster findet sich für Frankreich, auch hier liegt die Beschäftigungsquote junger Mütter nahe der weiblichen Gesamterwerbsrate. In Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigt sich ein ganz anderes Bild: Hier sind die Beschäftigungsquoten von jungen Müttern deutlich geringer. So weist die Schweiz eine Frauenerwerbstätigkeit von 71.6 Prozent auf (siehe Anhang Tabelle 2), während sich die Erwerbsrate von jungen Schweizer Müttern im SHARE auf nur noch 48 Prozent beläuft. Für Deutschland beträgt die Differenz zwischen der Gesamtquote und der Rate der SHARE Mütter minus 13.2 Prozentpunkte. Blome, Keck und Alber (2008: 303 ff.) finden anhand Auswertungen des European Community Houshold Panel sehr ähnliche Ergebnisse. So reduzieren junge deutsche Mütter nicht nur ihre Arbeitszeit, sondern ziehen sich auch oftmals komplett aus dem Arbeitsmarkt zurück (Blome, Keck und Alber 2008). 5.4 Kulturelle Strukturen 5.4 Kulturelle Strukturen Intergenerationale Unterstützungsleistungen von Grosseltern an die jüngere Generation sind neben individuellen und familialen Faktoren durch kulturellkontextuelle Strukturen beeinflusst. Zu den kulturellen Aspekten zählen beispielsweise die Religiosität der Grosseltern sowie deren Verpflichtungsgefühle gegenüber der jüngeren Generation. Zudem können Konflikte zwischen den Generationen auf unterschiedliche kulturelle Hintergründe in der Beziehung zwischen den Generationen hindeuten. Folgendes Kapitel liefert eine deskriptive Beschreibung der Religiosität von Grosseltern sowie deren Verpflichtungsgefühle gegenüber der jüngeren Generation sowie der Konflikthäufigkeit. Wohlfahrts22
Blome, Keck und Alber (2008) finden anhand Auswertungen des European Community Houshold Panel für Griechenland ebenfalls höhere Erwerbsquoten von jungen Müttern im Vergleich zu jenen der weiblichen Gesamtbeschäftigungsquote. Allerdings zeigen die Autoren ebenfalls auf, dass auch sieben Jahre nach der Geburt des Kindes das vorgeburtliche Beschäftigungsniveau in Italien und Frankreich im Durchschnitt nicht wieder erreicht wird. Der SHARE überschätzt somit eventuell die Erwerbsquoten der jungen Mütter, was auf die geringe Fallzahl dieser Analyse zurückgeführt werden könnte.
5.4 Kulturelle Strukturen
103
0
20
40
Prozent 60
80
100
staatliche und ökonomische Bedingungen werden zu einem späteren Zeitpunkt und im Rahmen der Analyse spezifischer Solidaritätsformen (Kapitel 6: Enkelbetreuung und Kapitel 7: Finanzielle Transfers) vorgestellt.
SE
DK
NL
BE
FR
DE
nie manchmal
AU
CH
ES
IT
GR
selten oft
Abbildung 5.10: Konflikte mit den (Schwieger-)Kindern Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, nur Grosseltern mit dem jüngsten Enkelkind unter 18 Jahren (Personen) = 8,101, Konflikte beziehen sich auf die Erziehung der Enkelkinder: „Wie häufig kommt es mit Ihren Kindern oder Ihrer Schwiegertochter / Ihrem Schwiegersohn zu Konflikten, weil Sie sich in Fragen der Erziehung Ihrer Enkel nicht einig sind?“
Abbildung 5.10 zeigt die Konflikthäufigkeit für europäische Grosseltern mit ihren Kindern oder Schwiegerkindern über Erziehungsfragen auf. Dabei werden nur Grosseltern berücksichtigt, die mindestens ein Enkelkind im Erziehungsalter haben. Bis zu ihrem 18. Lebensjahr sind die Enkelkinder – zumindest vom gesetzlichen Standpunkt aus – ihren Erziehungsberechtigten unterstellt, und es besteht verstärkt Potential für konflikthafte familiale Auseinandersetzungen. Grosseltern berichten, dass sie eher selten bis nie mit ihren Kindern oder ihren Schwiegerkindern über Erziehungsfragen streiten. Dieser Befund weist auf das Einhalten der sogenannten non interference norm hin (Aldous 1995; Höpflinger, Hummel und Hugentobler 2006; Kemp 2004): Es kann davon ausgegangen wer-
104
5 Unterstützungspotentiale, Bedürfnisse und Kultur
den, dass Grosseltern sich in erzieherische Belange oftmals nur wenig einmischen und so diese bedeutende Konfliktquelle relativ gut vermeiden. Länderunterschiede bestehen insofern im Süden Europas und besonders in Italien, wie auch in einigen mitteleuropäischen Staaten Konflikte etwas häufiger auftreten als im Nordeuropa und den Niederlanden. Dies kann einerseits kulturell bedingt sein, andererseits entstehen Konflikte zwischen Familienmitgliedern oftmals bei engen Beziehungen oder stark ausgeprägter intergenerationaler Solidarität (Szydlik 2000). Ob die höheren Konfliktwerte im Süden sowie in einigen Ländern Mitteleuropas in Zusammenhang mit erbrachten Kinderbetreuungsleistungen stehen, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden. In Kapitel 6 erfährt dieser mögliche Zusammenhang jedoch eine empirische Überprüfung. Abbildung 5.11 verdeutlicht, dass die durchschnittliche Gebetshäufigkeit der Grosseltern stark über die Länder hinweg variiert. Italienische, spanische und griechische Grossmütter weisen eine stärkere Verwurzelung in religiöse Praktiken auf, sie beten am häufigsten. Im Norden Europas spielt die religiöse Praktik des Betens im Leben der Befragten hingegen eine sehr viel schwächere Rolle: Nur etwa 20 Prozent geben an, mehrmals in der Woche zu beten, während in Griechenland ungefähr 80 Prozent der Grossväter und -mütter über eine Gebetshäufigkeit von mehrmals wöchentlich berichten. Diese länderspezifischen Muster lassen sich ebenfalls für die Erfahrung einer religiösen Erziehung feststellen. Im traditionalistischen, durch die Kirche geprägten Süden wuchsen sehr viel mehr Grosseltern im Rahmen einer an religiösen Prinzipien orientierten Erziehung auf. Der Norden Europas zeichnet sich hingegen durch eine höhere Modernisierung aus, und Säkularisierungsprozesse haben in den skandinavischen Ländern sehr viel stärker stattgefunden. Nordeuropäische Grosseltern verfügen beispielsweise über eine höhere Bildung als südeuropäische Grossväter und -mütter (siehe Kapitel 5, Abbildung 5.7). Auch dies kann als Erklärung herangezogen werden, warum im Norden Religion eine schwächere Bedeutung beigemessen wird. Höher gebildete Menschen tendieren dazu, sich für alltägliche Fragen des Lebens weniger an religiösen vorgegebenen Werten zu orientieren. Eher werden Entscheidungen auf Basis von selbstreflexiven Denkprozessen oder durch die Orientierung an rationalen – beispielsweise wissenschaftlichen – Kriterien getroffen (Gerhards und Hölscher 2005).
105
0
20
40
Prozent 60
80
100
5.4 Kulturelle Strukturen
SE
DK
NL
BE
FR
DE
AU
CH
Gebetshäufigkeit: mehrmals in der Woche
ES
IT
GR
religöse Erziehung
Abbildung 5.11: Gebetshäufigkeit und religiöse Erziehung Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, ohne Frankreich, n (Grosseltern) = 9,203/ 9,239
Grosseltern in Südeuropa fühlen sich stärker verpflichtet, ihren Kindern bei der Betreuung der Enkel behilflich zu sein (Abbildung 5.12). Dies spiegelt die starke familialistische Ausrichtung in den südeuropäischen Ländern. Aber auch in Belgien, Frankreich und Deutschland erachtet ein Grossteil der Grosseltern es als wichtig, sich an der Betreuung der Enkelkinder zu beteiligen. In den skandinavischen Ländern und den Niederlanden stimmen hingegen sehr viel weniger Grosseltern der Aussage zu, dass Grosseltern ihren Kindern bei der Betreuung der Enkel helfen sollen.
5 Unterstützungspotentiale, Bedürfnisse und Kultur
0
20
40
Prozent 60
80
100
106
SE
DK
NL
stimme voll zu stimme nicht zu
BE
FR
DE
AU
CH
ES
IT
GR
stimme zu stimme weder zu noch nicht zu stimme gar nicht zu
Abbildung 5.12: Pflichtgefühle Enkelbetreuung Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Grosseltern) = 9,894, Zustimmung beziehungsweise Ablehnung zu folgender Aussage: „Grosseltern sollten Eltern bei der Kinderbetreuung helfen, wenn diese noch klein sind“
Eine weitere wichtige kulturelle Bedingung für grosselterliche Gaben stellt das Verpflichtungsgefühl der Grosselterngeneration für ihre Enkelkinder dar (Abbildung 5.13). Im Süden Europas empfinden sehr viel mehr Grosseltern starke Verantwortungsgefühle gegenüber der jüngeren Generation als in Dänemark und den Niederlanden. Auch in Belgien, Frankreich und Schweden sind um die 50 Prozent aller Befragten der Meinung, dass Grosseltern sich für das finanzielle Wohlergehen ihrer Enkel einsetzen sollten. In Deutschland, Österreich und der Schweiz stimmen zwar nur relativ wenige ältere Menschen dem Grundsatz voll zu, dass Grosseltern für das finanzielle Wohlergehen von Enkelkindern und deren Familien verantwortlich sind, allerdings beantworten um die 30 Prozent der Befragten die Frage dennoch mit Zustimmung (,stimme zu)ދ.
107
0
20
40
Prozent 60
80
100
5.5 Zwischenfazit
SE
DK
NL
stimme voll zu stimme nicht zu
BE
FR
DE
AU
CH
ES
IT
GR
stimme zu stimme weder zu noch nicht zu stimme gar nicht zu
Abbildung 5.13: Pflichtgefühle finanzielle Unterstützung Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Grosseltern) = 9,894, Zustimmung beziehungsweise Ablehnung zu folgender Aussage: „Grosseltern sollten zur wirtschaftlichen Absicherung ihrer Enkel und deren Familien beitragen“
5.5 Zwischenfazit 5.5 Zwischenfazit In diesem Kapitel wurde der Frage nachgegangen, welche Potentiale die Grosseltern für die Leistung intergenerationaler Transfers mitbringen, welcher Bedarf bei den Nachkommen besteht und wie die kulturellen Strukturen von Grosselternschaft ausgestaltet sind. Es hat sich gezeigt, dass europäische Grosseltern insgesamt gute Voraussetzunge für die Erbringung intergenerationaler Transfers aufzeigen: Sie sind mehrheitlich gesund, leben oftmals in einer Partnerschaft und verfügen über ausreichend finanzielle Ressourcen. Gleichzeitig deuten die Bedürfnisstrukturen der Enkel und deren Eltern darauf hin, dass ein ausgeprägter Bedarf an intergenerationaler Solidarität zwischen Grosseltern und Enkelkindern besteht. So können europäische Grosseltern über die Erbringung von Kinder-
108
5 Unterstützungspotentiale, Bedürfnisse und Kultur
betreuung einen wichtigen Beitrag für die alltägliche Arbeits- und Haushaltsorganisation junger Familien leisten. Zudem bestehen grundsätzlich wenige Konflikte zwischen den Grosseltern und den (Schwieger-)Kindern in Bezug auf die Erziehung der Enkel; die sogenannte non interference norm (Aldous 1995; Kemp 2004) scheint somit Bestand zu haben. Als besonders interessant erweisen sich die Länderunterschiede, die einen Einblick in die verschiedenen strukturellen und kulturellen Hintergründe von europäischer Grosselternschaft liefern. Dabei zeichnen sich starke Nord-SüdUnterschiede ab. So ist in Südeuropa eine geringe Wohnentfernung zwischen den Generationen stark verbreitet. In Italien, Spanien und Griechenland wohnen mehr als die Hälfte der Grossväter und Grossmütter nahe bei ihren Enkelkindern; das heisst weniger als 25 Kilometer von diesen entfernt. In Nordeuropa trifft dies seltener zu. Dieser Befund kann als erster Hinweis auf einen stärkeren Familialismus und eine vermehrte Abhängigkeit südeuropäischer Familien von intergenerationalen Hilfen gedeutet werden. In den mediterranen Ländern ist die jüngere Generation weit weniger mobil, während in den sozial demokratischen Staaten stark ausgebaute wohlfahrtsstaatliche Strukturen weniger Abhängigkeiten von familialer instrumenteller Unterstützung hervorbringen und der Wegzug junger Familien von den Grosseltern unproblematischer ist. So sind auch die Koresidenzraten der erwachsenen Kinder und ihrer Eltern im Süden Europas sehr viel höher als in Nordeuropa, was auf eine stärkere ökonomische Abhängigkeit der jüngeren von der älteren Generation hindeutet (Cordon 1997; Isengard 2008). Doch nicht nur die junge Generation leidet im europäischen Vergleich unter finanziellen Schwierigkeiten. Viele Grosseltern in Spanien, Italien und Griechenland berichten über ein schlechtes Haushaltsauskommen. Diese Ergebnisse bestätigen Daten zur allgemeinen Wirtschaftslage in Südeuropa.23 Es stellt sich die Frage, ob für die Erklärung monetärer Unterstützung an Enkelkinder die Bedürfnisse der jüngeren Generation oder die Opportunitäten der Grosseltern im Vordergrund stehen. In Kapitel 7 wird dieser Frage nachgegangen und der Einfluss der finanziellen Lage der Grosseltern sowie der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die jüngere Generation auf intergenerationale Solidarität untersucht. Dabei wird insbesondere dem Umstand Rechnung getragen, dass ökonomische Ressourcen der älteren Generation vor allem über die soziale Alterssicherung zur Verfügung gestellt werden (Motel und Szydlik 1999). Weiter hat sich gezeigt, dass viele Frauen mit jungen Kindern erwerbstätig sind. Gerade in Spanien, Italien und Griechenland gehen etliche Mütter einer Vollzeitarbeit nach. Allerdings sind die Erwerbstätigkeitsraten von Frauen im Süden allgemein geringer als in Nordeuropa, was auch auf die fehlenden exter23
Spanien, Italien und Griechenland weisen im europäischen Vergleich die geringsten Pro-KopfEinkommen auf (International Monetary Fund 2008).
5.5 Zwischenfazit
109
nen Kinderbetreuungsmöglichkeiten zurückgeführt werden kann. Auch diese Befunde deuten auf eine starke Nachfrage nach grosselterlicher Hilfe und auf familiale Abhängigkeiten im Süden Europas hin. Mütter in Schweden und Dänemark sind ebenfalls sehr oft in Vollzeit beschäftigt, erfahren allerdings viel stärker staatliche Unterstützung, indem sie auf ein gut ausgebautes öffentliches Betreuungsangebot zurückgreifen können. Betrachtet man die kulturellen Hintergründe intergenerationaler Solidarität, fällt auf, dass Religiosität und Verpflichtungsgefühle gegenüber der jüngeren Generation vor allem bei südeuropäischen Grosseltern stark ausgeprägt sind. Diese empfinden es als ihre Pflicht, ihre Enkelkinder finanziell zu unterstützen und sich bei der Betreuung zu engagieren. In Nord- und Mitteleuropa ist die Beziehung zwischen Grosseltern und Enkelkindern hingegen weniger stark durch Verpflichtungsgefühle geprägt. Gleichzeitig berichten südeuropäische Grosseltern etwas häufiger von Konflikten mit der mittleren Generation, also den Eltern der Enkel. In weiteren Analysen gilt zu klären, ob ein möglicher Zusammenhang zwischen Enkelbetreuung und der Konflikthäufigkeit besteht (siehe Kapitel 6). Im Norden Europas empfinden zudem weniger Grosseltern starke Verpflichtungsgefühle gegenüber ihren Enkeln, und auch religiöse Gefühle sind weniger stark verbreitet. Zugleich sind schwedische und dänische Grosseltern sehr viel besser ausgebildet als italienische, spanische und griechische Grossmütter und -väter. Insgesamt spiegeln die genannten Befunde die individualistische Kultur Nordeuropas, in der die Freiheiten des Einzelnen stärker im Vordergrund stehen als normative Verpflichtungsgefühle. Zudem werden in Schweden und Nordeuropa eher rationale Entscheidungskriterien für soziales Handeln herangezogen und weniger stark religiöse Einstellungen. Grundsätzlich hat sich demnach gezeigt, dass im Süden Europas zwar weniger individuelle Ressourcen vorhanden sind (z.B. Bildung und Haushaltsauskommen), dass aber gleichzeitig südeuropäische gegenüber nord- und mitteleuropäischen Grosseltern stärkere kulturelle Voraussetzungen für die Leistung familialer Unterstützung aufweisen. Es kann demnach davon ausgegangen werden, dass die Beziehung zwischen Grosseltern und ihren (Enkel-)kindern in Südeuropa stärker bedürfnisgeleitet ist, als dies in Nord- oder Mitteleuropa der Fall ist. Dieses Muster hängt auch mit der Ausgestaltung wohlfahrtsstaatlicher Strukturen zusammen, denn südeuropäische Wohlfahrtsstaaten teilen die Verantwortung für verschiedene Unterstützungsleistungen, wie zum Beispiel Hilfe bei der Kinderbetreuung, primär der Familie zu, während in Nordeuropa die Kinderbetreuung verstärkt in den Aufgabenbereich des Staates fällt und somit eine Defamilialisierung stattgefunden hat.
6 Enkelbetreuung 6 Enkelbetreuung
Steigende Frauenerwerbstätigkeit (Fux 2005), ökonomische Unsicherheit sowie höhere Scheidungs- und Trennungsraten fordern viele junge Familien heraus (Gauthier 2002a; Hill und Kopp 2006). Besonders die Kombination von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit verlangt von jungen Eltern viel Organisationsgeschick und erfordert häufig zusätzliche Hilfe aus dem familialen Netzwerk (BMFSFJ 2006). Grosseltern fungieren dabei oftmals als wichtige familiale Kinderbetreuungshelfer (Attias-Donfut 2000). Ein Teil der Kinderbetreuung wird zudem von öffentlichen Institutionen übernommen. Diese beiden zentralen Betreuungsarrangements ergänzen sich und sind abhängig von Verfügbarkeit und Nachfrage (Johansen, Leibowitz und Waite 1996). In vielen europäischen Ländern stehen junge Eltern jedoch mehr oder weniger stark ausgeprägten Betreuungsengpässen gegenüber (z.B. Del Boca und Vuri 2006; Léon 2007; Tobío 2001), und die Europäische Union fordert ihre Mitgliedstaaten zu der vermehrten Bereitstellung von institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen auf (Europäischer Rat 2002). Diese Massnahmen dienen der Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen und der Stabilisierung beziehungsweise der Steigerung der Fertilitätsraten. In Europa erweisen sich familienpolitische Leistungen und damit die öffentlichen Ausgaben für Kinderbetreuung als sehr heterogen (Gauthier 2002b, siehe Kapitel 3). Es stellt sich deshalb die Frage, inwiefern Grosseltern vor dem Hintergrund unterschiedlicher wohlfahrtsstaatlicher Strukturen in die Betreuung von kleinen Kindern eingebunden sind. Wird grosselterliche Betreuung dabei durch öffentliche Kinderbetreuungsinstitutionen verdrängt oder wirkt sich die Entlastung der Familie durch staatliche Hilfe förderlich auf intergenerationale Solidarität aus? Die Beziehung zwischen Grosseltern und Enkelkindern wird vor allem in jungen Jahren der Enkelkinder durch die mittlere Generation, also den Eltern der Enkel, moderiert und gestaltet. Die Eltern, auch als sogenannte gatekeeper bezeichnet (Knipscheer 1988; Robertson 1975), organisieren und bestimmen Kontakte zwischen den Grosseltern und den Enkelkindern. Grosselterliche Kinderbetreuung ist dabei stark an die Bedürfnisstrukturen der jungen Eltern und vor allem der jungen Mütter gebunden. Bei der Analyse funktionaler grosselterlicher Solidarität ist die Berücksichtigung der Bedürfnisstrukturen der Eltern demnach
C. Igel, Großeltern in Europa, DOI 10.1007/978-3-531-93055-8_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
112
6 Enkelbetreuung
von zentraler Bedeutung und die Einnahme einer Dreigenerationenperspektive unerlässlich. Empirische Analysen haben gezeigt, dass starke Länderunterschiede bezüglich grosselterlicher Kinderbetreuungsleistungen ausgemacht werden können (Hank und Buber 2009). Im folgenden Kapitel werden diese länderspezifischen Unterschiede genauer beleuchtet und die Wirkung der kulturell-kontextuellen Strukturen auf intergenerationale Solidarität im Sinne von Kinderbetreuungshilfe analysiert. Kapitel 6.1 zeigt die Häufigkeit und Intensität von Enkelbetreuung für verschiedene europäische Länder auf. In Kapitel 6.2 werden die wohlfahrtsstaatlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf Kinderbetreuung diskutiert und die zur Anwendung kommenden Indikatoren vorgestellt. In Kapitel 6.3 werden anhand von Mehrebenenmodellen die Einflüsse der kulturell-kontextuellen Struktur auf intergenerationale Solidarität untersucht, während in Kapitel 6.4 eine Analyse der geschlechtsspezifischen Differenzen grosselterlicher Kinderbetreuung vorgenommen wird. In der Zusammenfassung (Kapitel 6.5) werden die Hauptergebnisse nochmals dargestellt und sozialpolitische Implikationen der Befunde diskutiert. 6.1 Häufigkeit und Intensität von Enkelbetreuung in Europa 6.1 Häufigkeit und Intensität von Enkelbetreuung in Europa Abbildung 6.1 verdeutlicht, dass in Bezug auf die Leistung von Enkelbetreuung starke Länderunterschiede ausgemacht werden können. Im Norden Europas, Frankreich und den Niederlanden betreuen sehr viel mehr Grosseltern ihre Enkelkinder (zwischen 50 und 58 Prozent) als im familialistischen Südeuropa (zwischen 41 und 43 Prozent). In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind ebenfalls eher wenige Grosseltern in die Betreuung ihrer Enkelkinder involviert; hier leisten zwischen 39 und 43 Prozent aller Grosseltern Kinderbetreuung.
6.1 Häufigkeit und Intensität von Enkelbetreuung in Europa
113
39 40 41 43 48 49 54 57 58
Abbildung 6.1: Häufigkeit von Enkelbetreuung im europäischen Vergleich Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Grosseltern) = 13,066, Angaben in Prozent.
Diese auf den ersten Blick widersprüchlichen Ergebnisse lassen sich durch Abbildung 6.2 ergänzen. In dieser Ländergraphik ist der Anteil an Grosseltern abgebildet, der mindestens einmal die Woche Kinderbetreuung leistet. Für die Intensität der Betreuungsleistung zeigt sich ein der Häufigkeitsverteilung entgegengesetztes Bild: Im Norden Europas betreuen Grosseltern ihre Enkelkinder sehr viel weniger intensiv als in Italien, Spanien und Griechenland. Auch in Frankreich und Belgien – beides Länder, in denen relativ viele Grosseltern ihre Enkelkinder betreuen – stehen im europäischen Vergleich nur wenige Grosseltern mindestens einmal wöchentlich für Betreuungsaufgaben zu Verfügung.
114
6 Enkelbetreuung 25 30 37 43 52 53 55 59 66 70 78
Abbildung 6.2: Intensität von Enkelbetreuung im europäischen Vergleich Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Grosseltern) = 6,740, Angaben in Prozent.
Abbildung 6.3 gibt Auskunft über die wöchentlich erbrachten Betreuungsstunden. Es zeigt sich, dass in Schweden, Dänemark und den Niederlanden für ungefähr 40 Prozent der Befragten die Betreuungsintensität lediglich zwei Stunden wöchentlich beträgt. In Spanien, Italien und Griechenland betreuen hingegen über 40 Prozent der Grosseltern ihre Enkelkinder mindesten neun Stunden pro Woche. Etwa 30 Prozent der südeuropäischen Grosseltern leisten mehr als 40 Stunden Betreuungszeit und decken damit in etwa den Gesamtbetreuungsbedarf, der anfällt, wenn beide Elternteile in Vollzeit erwerbstätig sind. Diese deskriptiven Ergebnisse verdeutlichen, dass sich im Norden Europas zwar mehr Grosseltern bereiterklären, Kinderbetreuung zu leisten, dass die Betreuungszeiten aber weit unter jenen der südeuropäischen Grosseltern liegen. Eine durchschnittliche Betreuungsleistung von zwei Stunden pro Woche deutet darauf hin, dass nordeuropäische Grosseltern eher sporadisch auf ihre Enkelkinder aufpassen. In Italien,
6.1 Häufigkeit und Intensität von Enkelbetreuung in Europa
115
0
20
40
Prozent 60
80
100
Spanien und Griechenland sind insgesamt weniger Grosseltern in die Betreuung ihrer Enkelkinder involviert. Jene Grosseltern, die Kinderbetreuung leisten, tun dies jedoch sehr intensiv. Betreuungszeiten von mehreren Arbeitstagen die Woche lassen vermuten, dass Grosseltern einen wesentlichen Beitrag zu der Erwerbstätigkeit jünger Mütter leisten.
SE
DK
NL
1-2 Std 17-24 Std
BE
FR
DE
3-4 Std 25-32 Std
AU
CH 5-8 Std 40-56 Std
ES
IT
GR 9-16 Std > 56 Std
Abbildung 6.3: Durchschnittliche wöchentliche Betreuungszeit im europäischen Vergleich Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Grosseltern) = 5,981
Wer jedoch übernimmt die Betreuung der Enkelkinder in den verschiedenen Ländern? Sind es vor allem Grossmütter, die Betreuungsaufgaben leisten, oder nutzen auch Grossväter ihre freie Zeit, um auf die Enkelkinder aufzupassen? In Abbildung 6.4 wird der Anteil an Grossvätern und Grossmüttern aufgezeigt, der Kinderbetreuungsaufgaben übernimmt. Es stellt sich heraus, dass nicht wesentlich weniger Grossväter auf ihre Enkel aufpassen als Grossmütter. Über die Länder hinweg liegt der Prozentsatz an betreuenden Grosseltern für beide Geschlechter sehr nahe beieinander. Lediglich in Schweden, Spanien und Italien betreut ein wesentlich grösserer Anteil an Grossmüttern ihre Enkelkinder. In
116
6 Enkelbetreuung
Österreich geben hingegen sogar mehr Grossväter als Grossmütter an, in die Betreuung von Enkelkindern involviert zu sein. SE DK NL BE FR DE AU CH ES IT GR 0
20 Grossmütter
Prozent
40
60
Grossväter
Abbildung 6.4: Häufigkeit von Enkelbetreuung im Geschlechtervergleich Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Grosseltern) = 13,066
Allerdings bezieht sich die Häufigkeit der Enkelbetreuung lediglich auf die Angabe, ob die Grossmutter oder der Grossvater in den letzten zwölf Monaten bei mindestens einer Gelegenheit auf ein oder mehrere Enkelkinder aufgepasst hat. Wichtig bei der Messung der Geschlechterunterschiede ist aber nicht nur, ob, sondern vor allem auch wie intensiv der jeweilige Grosselternteil geholfen hat. Ist die Höhe der geleisteten intergenerationalen Solidarität ebenfalls ,geschlechtsneutral?ދ Abbildung 6.5 zeigt auf, dass Grossmütter tendenziell häufiger einmal die Woche oder öfter Kinderbetreuung leisten. Die Betreuungszeiten der Grossväter sind jedoch nicht sehr viel kürzer als jene der Grossmütter. Lediglich in der Schweiz und in Frankreich sind die Abstände zwischen den Geschlechtern etwas ausgeprägter. Diese Ergebnisse deuten insgesamt darauf hin, dass sowohl Grossmütter als auch Grossväter in die Betreuung ihrer Enkelkinder eingebunden sind und als wichtige Helfer für junge Familien zur Verfügung stehen. Dabei
6.2 Kulturell-kontextuelle Strukturen und Enkelbetreuung
117
liegt die Vermutung nahe, dass Grosseltern Betreuungsaufgaben oftmals gemeinsam übernehmen und somit geschlechterspezifische Unterschiede nur schwach ausgeprägt sind. SE DK NL BE FR DE AU CH ES IT GR 0
20
40 Prozent Grossmütter
60
80
Grossväter
Abbildung 6.5: Intensität von Enkelbetreuung im Geschlechtervergleich Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Grosseltern) = 6,740
6.2 Kulturell-kontextuelle Strukturen und Enkelbetreuung 6.2 Kulturell-kontextuelle Strukturen und Enkelbetreuung Anhand logistischer Regressionen lässt sich überprüfen, ob die eben aufgezeigten Länderunterschiede auch unter Kontrolle der Opportunitäts- und Bedürfnisstrukturen sowie der familialen Strukturen bestehen bleiben. Um dabei sowohl die Grosselterneigenschaften als auch die Kindereigenschaften sowie das Alter der Enkelkinder berücksichtigen zu können, werden für die nachfolgenden Analysen Dyadendatensätze herangezogen. Dies bedeutet, dass die Fallbasis nicht durch die einzelnen Befragten gebildet wird, sondern durch die Beziehungen zwischen einem Grosselternteil und einem Kind (Elternteil der Enkel). Hat ein Grosselternpaar beispielsweise drei Kinder, von denen zwei Kinder eigene Kinder haben, werden vier Dyaden gebildet: zwei Grossmutter-Kind-Dyaden und
118
6 Enkelbetreuung
zwei Grossvater-Kind-Dyaden (nähere Ausführungen zu diesem Vorgehen finden sich in Kapitel 4). Zusätzlich werden in diese und den folgenden Modellen nur Grosseltern-Kind-Dyaden miteinbezogen, in denen das jüngste Enkelkind 12 Jahre oder jünger beziehungsweise sechs Jahre oder jünger ist. Damit richten sich die Analysen speziell auf jene Dyaden, in denen Betreuungsaufgaben tatsächlich anfallen und somit Potential für Enkelbetreuung besteht. Tabelle 6.1 zeigt die Koeffizienten der einzelnen Länderindikatoren unter Kontrolle der individuellen und familialen Eigenschaften der Grosseltern und (Enkel-)Kinder auf. Es stellt sich heraus, dass die Länderunterschiede Bestand haben: In Dänemark, den Niederlanden, Belgien und Frankreich lebende Grosseltern engagieren sich eher in der Betreuung ihrer Enkel als deutsche Grosseltern. In Österreich, der Schweiz, Spanien und Italien angesiedelte Befragte leisten dabei weniger häufig Enkelbetreuung. Hingegen betreuen vor allem südeuropäische, schweizer und belgische Grosseltern ihre Enkelkinder mindestens einmal die Woche, während für Nordeuropa und die Niederlande das Gegenteil festgestellt werden kann. In der Folge soll analysiert werden, anhand welcher Kontextfaktoren sich diese Länderunterschiede erklären lassen. Tabelle 6.1: Länderunterschiede in der Enkelbetreuung Häufigkeit (Betreuung ja oder nein) Schweden Dänemark Niederlande Belgien Frankreich Referenz: Deutschland Österreich Schweiz Spanien Italien Griechenland n (Grosseltern-Kind-Dyaden) Pseudo r2
1.00 1.58*** 1.45*** 1.36*** 1.35** .71*** .81* .66*** .57*** .91 16,120 0.15
Intensität (mind. einmal wöchentlich) .52*** .41*** .67*** 1.33** .82* 1.19 1.58** 1.01 2.57*** 1.81*** 8,314 0.20
Quelle: SHARE 2004 release 2, eigene Berechnungen, logistische Mehrebenenmodelle mit robusten Standardfehlern, unter Kontrolle der Bedürfnis- und Opportunitätsstrukturen sowie der familialen Strukturen, nur Grosseltern-Kind-Dyaden, in denen das Enkelkind 12 Jahre oder jünger ist, * p < 0.1, ** p < .05, *** p < .01
6.2 Kulturell-kontextuelle Strukturen und Enkelbetreuung
119
Viele junge Eltern nehmen neben der Kinderbetreuung durch Grosseltern ausserfamiliale Kinderbetreuungsangebote in Anspruch (Johansen, Leibowitz und Waite 1996). Die Bereitstellung von Kinderbetreuungseinrichtungen, welche nicht marktwirtschaftlichen Strukturen unterliegen, wird grösstenteils durch den Staat vorgenommen. Wie im dritten Kapitel aufgezeigt variieren das öffentliche Betreuungsangebot und die Dauer der bezahlten Elternzeit stark nach Land. Diese Unterschiede basieren auf der Heterogenität der öffentlichen Ausgaben für Familienleistungen in Europa (Abbildung 6.6). Mutterschafts- und Elternurlaub unterstützt junge Eltern vor allem dabei, Kinderbetreuungsaufgaben von Kleinkindern selbst übernehmen zu können. Besonders schwedische, dänische und französische Frauen profitieren von langen Elternurlauben und hohen Auszahlungen. Deutschland verfügt zwar über eine ähnlich lang bezahlte Elternzeit wie Schweden (siehe auch Kapitel 3), die monetäre Entschädigung während dieser Zeit fällt allerdings wesentlich geringer aus als in den skandinavischen Ländern. Dies lässt sich auch aus den staatlichen Ausgaben für Elternzeit herauslesen: In Deutschland investiert der Staat 0.2 Prozent des Bruttoinlandprodukts in die Finanzierung von Mutterschafts- und Elternurlauben, während in Schweden 0.6 Prozent aufgewendet werden. Die niedrigsten Ausgaben für die Unterstützung von Elternzeit weisen Spanien und Griechenland auf. Zwar können auch in Südeuropa junge Eltern bezahlte Elternzeit in Anspruch nehmen, die Lohnersatzquoten sind aber im europäischen Vergleich gering (Ray, Gornick und Schmitt 2008). In den Niederlanden und in Österreich finden keine staatlichen Ausgaben für Mutterschafts- und Elternurlaube statt. Dennoch verfügen Mütter auch hier über einen bezahlten Mutterschaftsurlaub. In den Niederlanden wird diese Mutterschaftszeit nicht über Steuern finanziert, sondern über Arbeitnehmer und Arbeitgeberbeiträge (Ray 2008). Auch besteht für niederländische Eltern kein gesetzlich bezahlter Elternurlaub. In Österreich wird die Finanzierung des Mutterschaftsurlaubes nicht als familienpolitische Massnahme eingeordnet, sondern fällt unter die Sozialversicherungsausgaben (Heitzmann und Österle 2008). Zudem steht auch in Österreich jungen Eltern kein bezahlter Elternurlaub zur Verfügung. In Bezug auf die Bereitstellung von Kindergeld erweist sich Österreich hingeben als sehr grosszügig, und auch in Belgien investiert der Staat stark in die Vergabe von Kindergeld. Im Süden Europas sind die staatlichen Ausgaben für Kindergeld ebenfalls schwach ausgeprägt, während im restlichen Europa mittelhohe Ausgaben getätigt werden. Eine wichtige Entlastung erwerbstätiger Mütter wird durch die öffentliche Bereitstellung von Kinderkrippen erreicht. In Schweden, Dänemark und Frankreich tätigt der Staat hohe Investitionen in Kinderbetreuungsinfrastrukturen, während in Österreich und der Schweiz die Ausgaben am niedrigsten sind. Auch in Südeuropa werden wenige Investitionen für die Bereitstellung von Betreu-
120
6 Enkelbetreuung
ungseinrichtungen getätigt. Die Verteilung der Gesamtausgaben für Familien folgt dem bereits bekannten Muster. Während im Süden Europas staatliche Leistungen schwach ausgebaut sind, verfügen Schweden und Dänemark über die höchsten Familienausgaben. Österreich weist ebenfalls hohe Ausgaben für Familien auf, was aber vor allem auf die Auszahlung eines hohen Kindergeldes zurückgeführt werden kann und nicht auf die Bereitstellung von öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen oder der Finanzierung von Elternzeit. Frankreich finanziert hingegen sowohl Elternzeit und Kinderbetreuungsstrukturen, so dass die französischen Familienausgaben im europäischen Vergleich zu den höchsten zählen. SE DK NE BE FR DE AU CH ES IT GR
SE DK NE BE FR DE AU CH ES IT GR
0
.2
.4
.6
0
.5
Mutterschafts- und Elternurlaub in % am BIP
SE DK NE BE FR DE AU CH ES IT GR
1
1.5
2
Kindergeld in % am BIP
SE DK NE BE FR DE AU CH ES IT GR
0
.5
1
1.5
Kinderbetreuungseinrichtungen in % am BIP
0
1
2
3
4
Gesamtausgaben für Familie in % am BIP
Abbildung 6.6: Wohlfahrtsstaatliche Bedingungen im Ländervergleich Quelle: OECD 2007a
Inwiefern können jedoch diese unterschiedlichen wohlfahrtsstaatlichen Arrangements in Zusammenhang mit grosselterlicher Kinderbetreuung gebracht werden? Abbildung 6.7 zeigt für die unterschiedlichen SHARE-Länder den Zusammenhang zwischen dem Prozentsatz an betreuenden Grosseltern und der Höhe der jeweiligen Makroindikatoren auf.
NL 40
DE SE
FR DK 0
.2
.4
55 ES 0
0
r=0.57*
ES CH .5
1
1.5
2
Kinderbetreuungseinrichtungen in % am BIP
1
AU
r=0.19
1.5
2
NL 55
BE
DK
r=0.59* 45
SE
.5
FR
GR IT ES
35
DE
GR IT
FR
DE CH
IT
Kindergeld in % am BIP
Häufigkeit von Enkelbetreuung
55 45
AU
35
Häufigkeit von Enkelbetreuung
DK
BE
FR
SE
.6
BE
DK
GR
Mutterschafts- und Elternurlaub in % am BIP
NL
121
NL
45
AU
r=0.31
35
ES BE CH
Häufigkeit von Enkelbetreuung
60
80
IT GR
20
Häufigkeit von Enkelbetreuung
6.2 Kulturell-kontextuelle Strukturen und Enkelbetreuung
0
1
CH
SE AU
DE 2
3
4
Familienausgaben in % am BIP
Abbildung 6.7: Wohlfahrtsstaatliche Bedingungen und Häufigkeit von Enkelbetreuung Quelle: OECD 2007a; SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Länder) = 11, Korrelation signifikant zum * p < 0.10 Niveau
Wohlfahrtsstaatliche Ausgaben für Elternzeit und Kindergeld scheinen nicht in Zusammenhang mit der Häufigkeit von Enkelbetreuung zu stehen. Zwischen den staatlichen Investitionen in Kinderbetreuungseinrichtungen und der Leistung von Enkelbetreuung besteht hingegen eine signifikant positive Beziehung. In Schweden, Dänemark und Frankreich findet sich – bei hohen bis mittleren staatlichen Ausgaben für Kinderbetreuungseinrichtungen – ein relativ grosser Anteil an Grosseltern, welche Enkelbetreuung leisten. Für die Intensität der erbrachten Leistungen ergibt sich ein gegenteiliges Bild (Abbildung 6.8): In Ländern mit einem schwachen staatlichen Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen betreuen Grosseltern ihre Enkel häufiger mindestens einmal die Woche, während in Schweden, Dänemark und Frankreich Grosseltern weniger intensiv auf ihre Enkel aufpassen. Österreich, die Niederlande und Deutschland weisen eine mittelhohe Betreuungsintensität auf bei niedrigen staatlichen Ausgaben für Betreuungseinrichtungen. In den Niederlanden
122
6 Enkelbetreuung
NL 40
DE
FR SE DK
0
.2
.4
0
.5
1
1.5
2
Kinderbetreuungseinrichtungen in % am BIP
Abbildung 6.8:
80 60
.5
1
1.5
2
Kindergeld in % am BIP
80
IT ES
60
r=-0.78***
GR
BE AU
CH DE
NL
FR
40
80 60
SE
AU
DK
SE
20
DK
BE
FR
SE
0
Intensität von Enkelbetreuung
FR
40
CH DE NL
BE
20
Intensität von Enkelbetreuung
AU
r=-0.76***
CH
NL
.6
IT ES
r=-0.27
DE
Mutterschafts- und Elternurlaub in % am BIP
GR
IT GR
40
AU
r=-0.72**
ES
20
ES BE CH
Intensität von Enkelbetreuung
60
80
IT GR
20
Intensität von Enkelbetreuung
wird ein grösserer Teil der Kinderbetreuungsmöglichkeiten von privaten Unternehmen zur Verfügung gestellt (Wetzels 2005) als im übrigen Europa. Zudem weisen österreichische, niederländische und deutsche Mütter wesentlich geringere Vollzeiterwerbsquoten als südeuropäische Mütter auf (siehe Kapitel 5, Abbildung 5.9), was das Bedürfnis junger Familien nach externer Kinderbetreuung verringert und die Intensität der grosselterlichen Hilfe beeinflussen kann.
0
1
2
3
DK 4
Familienausgaben in % am BIP
Wohlfahrtsstaatliche Bedingungen und Intensität von Enkelbetreuung
Quelle: OECD 2007a; SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Länder) = 11, Korrelationen signifikant zum ** p < .05 und *** < .01 Niveau.
Für die Beziehung zwischen staatlichen Investitionen in Mutterschafts- und Elternurlaub ergibt sich ebenfalls ein negativer Zusammenhang: Hohe staatliche Ausgaben gehen einher mit weniger intensiv betreuenden Grosseltern, während eine schwache staatliche Unterstützung Grosseltern häufiger dazu veranlasst, mindestens einmal die Woche auf ihre Enkelkinder aufzupassen. Der Zusammenhang zwischen den Gesamtausgaben für Familie und der Betreuungsintensität ist signifikant negativ und verdeutlicht nochmals, dass der Ausbau an staatlichen Dienstleistungen die Intensität grosselterlicher Hilfe abschwächt. Lediglich Belgien und Deutschland weichen von diesem Muster ab:
6.2 Kulturell-kontextuelle Strukturen und Enkelbetreuung
123
Hier passen zwischen 50 und 60 Prozent aller betreuenden Grosseltern mindestens einmal in der Woche auf ihre Enkelkinder auf, während die Gesamtausgaben für Familien auf einem relativ hohen Niveau liegen. Dies kann möglicherweise damit erklärt werden, dass ein Grossteil der belgischen und deutschen Familienausgaben in der Auszahlung von Kindergeld besteht; eine familienpolitische Massnahme, welche scheinbar nicht in Beziehung mit grosselterlicher Betreuungsintensität gebracht werden kann. Zwischen den Ausgaben für Kindergeld und der Intensität von Enkelbetreuung besteht kein statistisch signifikanter Zusammenhang. Somit engagieren sich in Länder in denen junge Familien vermehrt staatliche Unterstützungsleistungen erhalten, mehr Grosseltern in die Betreuung ihrer Enkel. Die Intensität der geleisteten Betreuung nimmt jedoch mit dem Grad an öffentlicher Unterstützung ab. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass wohlfahrtsstaatliche Leistungen zu einer Entlastung der älteren Generation beitragen können und sich diese demzufolge vermehrt bereiterklärt haben sporadische Betreuungsaufgaben zu übernehmen. Vor allem Familien in den südeuropäischen Wohlfahrtsstaaten, aber auch in Deutschland, Österreich oder der Schweiz sind verstärkt auf familiale Hilfe angewiesen. Besonders ausgeprägt sind die Bedürfnisse nach Enkelbetreuung in diesen Ländern dann, wenn die Mutter des Kindes erwerbstätig ist. Der geringere Anteil an betreuenden Grosseltern im Süden Europas kann darauf zurückgeführt werden, dass einerseits zwar weniger Frauen in diesen Ländern erwerbstätig sind, dass aber andererseits berufstätige Frauen sehr stark auf die Unterstützung der Grosseltern angewiesen sind. Grosseltern, welche sich also bereiterklären, ihren Kindern bei der Betreuung zu helfen und damit die Erwerbstätigkeit der Mutter zu unterstützen, gehen ein regelmässiges, zeitlich intensives Engagement ein, welches die Gefahr einer Überbelastung der älteren Menschen birgt (z.B. Guzman 1998; Bower und Myers 1999; Wheelock und Jones 2002). Bei der Inanspruchnahme von Enkelbetreuung sorgen sich die Kinder der Grosseltern (Eltern der Enkel) oftmals um mögliche Belastungserscheinungen bei der älteren Generation (Wheelock und Jones 2002). Es kann davon ausgegangen werden, dass erwerbstätige Frauen vor dem Hintergrund schwacher staatlicher Unterstützung und arbeitsrechtlichem Schutz sowie in Sorge um die Gesundheit der eigenen Eltern nach der Geburt eines Kindes oftmals ihre Arbeit aufgeben, um sich den Betreuungsaufgaben widmen zu können. Besonders in Länder wie Spanien, Italien und Griechenland, aber auch in Deutschland und Österreich spielen für diese Entscheidung sowohl struktureller als auch kultureller Familialismus eine Rolle; die Verantwortung für die Betreuung von Kleinkindern wird von staatlicher Seite vor dem Hintergrund kultureller Normen den Familien und besonders den Frauen zugesprochen (Huinink 2002). Dies bedeutet auch, dass als zweite Betreuungsinstanz im Falle der Erwerbstätigkeit der Mutter
124
6 Enkelbetreuung
familiale Betreuungshelfer herangezogen werden und die Grosseltern einen beträchtlichen Teil der Betreuungsaufgaben übernehmen. 6.3 Einflussfaktoren auf Enkelbetreuung 6.3 Einflussfaktoren auf Enkelbetreuung Die bisherigen Analysen haben gezeigt, dass Enkelbetreuung eine wichtige Form intergenerationaler Solidarität von der älteren an die jüngere Generation darstellt. Die Häufigkeit und Intensität grosselterlicher Kinderbetreuung weist länderspezifische Unterschiede auf. Dabei scheinen staatliche Ausgaben für Familien die Hilfebereitschaft von Grosseltern zu fördern, während die Intensität der geleisteten Unterstützung durch öffentliche Ausgaben abgeschwächt wird. Um sicherzustellen, dass die ermittelten bivariaten Zusammenhänge zwischen Familienausgaben und intergenerationaler Solidarität nicht auf einen Kompositionseffekt zurückzuführen sind, werden in der Folge logistische Mehrebenenmodelle geschätzt, welche sowohl die Opportunitäts- und Bedürfnisstrukturen, die familialen Rahmenbedingungen und die kulturell-kontextuellen Strukturen mit einbeziehen. Häufigkeit von Enkelbetreuung Die Entscheidung, Enkelbetreuung zu leisten, ist stark abhängig von den Opportunitätsstrukturen der Grosseltern (Tabelle 6.2). Grosseltern pflegen zwar auch im hohen Alter emotionale Beziehungen zu ihren Enkelkindern und sind stolz auf diese. Sie passen jedoch seltener auf ihre Enkel auf, denn mit zunehmendem Alter steigt die Gefahr einer Überlastung der älteren Menschen durch Kinderbetreuungsaufgaben an. Zudem leisten gesunde und aktive Grosseltern eher Kinderbetreuung, und auch die Bildung stimuliert Kinderbetreuungsaktivitäten: Höher gebildete Grosseltern sind oftmals aufgrund ihres kulturellen Kapitals stärker in Familiennetzwerke und intergenerationale Austauschprozesse integriert (Eggebeen und Hogan 1990) und passen eher auf ihre Enkel auf als weniger gut gebildete ältere Menschen. Dies hat womöglich auch damit zu tun, dass Grossväter und Grossmütter mit einer hohen Ausbildung vermehrt von ihren Kindern für Kinderbetreuungsleistungen angefragt werden. Finanzielle Ressourcen tragen ebenfalls dazu bei, dass Grosseltern bei der Betreuung ihrer Enkel helfen. Kinderbetreuungsaufgaben gehen einher mit verschiedenen Ausgaben, wie beispielweise die Versorgung des Kindes mit Mahlzeiten oder möglichen Fahrtkosten, und somit können gewisse finanzielle Voraussetzungen wichtig sein für die Leistung von Kinderbetreuung. Ausserdem erfahren Grosseltern, welche
6.3 Einflussfaktoren auf Enkelbetreuung
125
in einer Partnerschaft leben, eher Unterstützung bei der Enkelbetreuung und helfen eher. Die Erwerbstätigkeit eines Grosselternteils reduziert hingegen seine Möglichkeiten, Zeit für intergenerationale zeitliche Transfers aufzubringen, während die Erwerbstätigkeit der Eltern die Nachfrage nach externer Kinderbetreuung erhöht und sich positiv auf die Häufigkeit von Enkelbetreuung auswirkt. In den Modellen in Tabelle 6.2 ist eine kombinierte Erwerbstätigkeitsvariable integriert. Am ehesten wird Kinderbetreuung dann erbracht, wenn ein Grosselternteil keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, während das Elternteil berufstätig ist. Alle anderen Kombinationen weisen eine tiefere Wahrscheinlichkeit auf, dass Grosseltern auf ihre Enkel aufpassen. Zudem kann festgestellt werden, dass wenn beide Familienmitglieder erwerbstätig sind, eher Betreuung geleistet wird, als wenn beide nicht erwerbstätig sind. Wenn ein Elternteil arbeitet und das Elternteil der Enkel nicht arbeitet, erfährt die jüngere Generation hingegen verständlicherweise sehr viel weniger häufig Unterstützung bei der Kinderbetreuung. Aus diesen Befunden lässt sich entnehmen, dass für die Entscheidung, sich im Rahmen von Enkelbetreuungsaufgaben zu engagieren, die Erwerbstätigkeit des Kindes einen stärkeren Effekt hat als jene des Grosselternteils. Zusätzlich stellt das Alter des jüngsten Enkelkindes eine wichtige Bedürfnisstruktur dar: Kinder im Alter von vier bis sechs Jahren erhalten am häufigsten Betreuung, während Kleinkinder und Kinder älter als sechs Jahre weniger oft grosselterliche Fürsorge erfahren. Die Erbringung von grosselterlicher Kinderbetreuung ist demnach stark durch die Bedürfnisse der jüngeren Generation geleitet; sowohl die Erwerbstätigkeit der Eltern als auch das Alter des jüngsten Enkels beeinflussen die Enkelbetreuung massgeblich. Grosseltern, die sehr weit weg von ihren Enkeln wohnen, sind kaum in Betreuungsaufgaben eingebunden. Dies kann einerseits darauf zurückgeführt werden, dass eine grosse geographische Distanz zwischen den Generationen die Erbringung zeitlicher Transfers aufgrund höherer Opportunitätskosten erheblich erschwert (Szydlik 2000). Andererseits wirkt sich die räumliche Distanz zwischen Grosseltern und der jüngeren Generation auf deren Beziehung aus. Weit entfernt lebende Grosseltern weisen oftmals einen distanzierten Beziehungsstil zu ihren Enkeln auf (Neugarten und Weinstein 1964; Robertson 1977). Dabei ist emotionale Nähe eine wichtige Voraussetzung für die Bereitschaft, Betreuungsaufgaben zu übernehmen. Die Überprüfung des Einflusses der Geschlechterkonstellation bestätigt die sogenannte kin keeper-These (Spitze und Ward 1998); am häufigsten wird Enkelbetreuung zwischen Grossmüttern und Töchtern geleistet, während die schwächste Dyade die Grossvater-Sohn-Beziehung darstellt. Innerhalb der evolutionsbiologischen Forschung wird die Langlebigkeit von Frauen nach dem
126
6 Enkelbetreuung
Einsetzen der Menopause in Zusammenhang gebracht mit deren Grossmutterrolle. Grossmütter setzten sich für ihren Nachwuchs ein und sichern damit deren Überleben und das Weitergeben der eigenen Gene (z.B. Voland und Beise 2002). Aufgrund der Vaterschaftsunsicherheit bei den Söhnen erhalten dabei vor allem Töchter Unterstützung beim Grossziehen des Nachwuchses (Euler 2004). Die Einflüsse der Geschlechterkonstellation und der Partnerschaftsvariablen deuten einerseits darauf hin, dass Kinderbetreuung von Grosselternpaaren oftmals gemeinsam unternommen wird, und andererseits, dass vor allem die jungen Mütter für die Organisation von Kinderbetreuung verantwortlich sind und sich dabei an ihre eigenen Mütter wenden (Wheelock und Jones 2002). Die Kinderzahl senkt die Wahrscheinlichkeit eines zeitlichen Transfers, was als Hinweis gewertet werden kann, dass Kinder untereinander in Konkurrenz stehen, wenn es darum geht, Unterstützung für das Grossziehen ihres Nachwuchses von der älteren Generation zu erhalten (Coall et al. 2009; Walker et al. 2008). Enkelbetreuung und die Leistung von finanziellen Transfers stehen in engem Zusammenhang: Grosseltern, die ihre Kinder finanziell unterstützen, sind eher in Enkelbetreuungsaufgaben involviert. Dieser Befund bestätigt die von Templeton und Bauereiss (1994) aufgezeigten Ergebnisse, dass Enkelbetreuung auch andere Formen intergenerationaler Solidarität stimuliert. Grosseltern versuchen also nicht, fehlende zeitliche Hilfe durch die Leistung von (Geld-) Geschenken zu substituieren. Im Gegenteil: Unterstützt ein Grosselternteil die Familien ihrer Enkel, passiert dies an mehreren Fronten, und es werden sowohl zeitliche als auch finanzielle Transfers erbracht. Tabelle 6.2: Einflussfaktoren auf die Häufigkeit von Enkelbetreuung Opportunitäts- und Bedürfnisstrukturen Alter Bildung (Ref: tief) mittlere Bildung hohe Bildung Haushaltsauskommen Gesundheit Partner
M 1.1
M 1.2
M 1.3
M 1.4
0.98** 0.98** 0.96** 0.96*** * 1.05 1.06 1.33** 1.34** * 1.09** 1.09** * 1.13** 1.13** * 1.50** 1.50** *
1.07 1.33** * 1.07** * 1.14** * 1.41** *
1.07 1.33*** 1.07*** 1.14*** 1.41***
6.3 Einflussfaktoren auf Enkelbetreuung
127
Fortsetzung von Tabelle 6.2 Aktivität Alter des jüngsten Enkels (Ref: 0-3 Jahre) 4-6 Jahre 7-12 Jahre Erwerbstätigkeit (Ref: G1: arbeitet nicht / G2: arbeitet) G1: arbeitet nicht / G2: arbeitet nicht G1: arbeitet / G2: arbeitet nicht G1: arbeitet / G2: arbeitet
1.19** 1.19** 1.22** 1.22*** * * 1.08* /
1.08* /
1.14** 1.14*** * 0.68*** 0.68** *
0.68** 0.68** 0.65** 0.65*** * 0.51*** 0.59** 0.59** 0.51** 0.75*** * 0.86** 0.86** 0.75** *
Familiale Strukturen Wohnentfernung (Ref: weniger als 5 km) weniger als 100 km mehr als 100 km
Geschlechterkonstellation (Ref: Mutter-Tochter) Vater-Tochter Mutter-Sohn Vater-Sohn
0.53** * 0.17** *
0.57** * 0.17** *
0.57** * 0.17** *
0.53** * 0.17** *
0.50** * 0.48** * 0.27** *
0.50** * 0.48** * 0.27** *
0.58** 0.58*** * 0.52*** 0.52** 0.33*** * 0.33** *
Kinderzahl
0.77** 0.77** 0.74** 0.74*** * * *
Finanzieller Transfer an Kind
1.40** 1.40** 1.53** 1.53*** * * *
Kulturell-kontextuelle Strukturen Gebetshäufigkeit weniger als einmal wöchentlich (Ref: nie) einmal in der Woche mehrmals in der Woche oder öfters Religiöse Erziehung Konflikte (Ref: nie) selten oft oder manchmal
1.18* 1.17 0.96
1.18* 1.18 0.96
1.07 0.93 0.95
1.07 0.93 0.95
1.10
1.10
1.02
1.03
1.00 1.09
1.01 1.09
1.09 1.09
1.09 1.08
128
6 Enkelbetreuung
Fortsetzung von Tabelle 6.2 M 1.1 Verpflichtungsgefühle (Ref: stimme nicht/gar nicht zu) stimme weder zu noch nicht zu stimme zu/stimme voll zu Ausgaben für Mutterschafts- und Elternurlaub Ausgaben für Kinderbetreuungseinrichtungen Ausgaben für Kindergeld Gesamtausgaben für Familien
M 1.2
M 1.3
M 1.4
1.08 1.06 1.06 1.07 1.41** 1.41** 1.49** 1.49*** * * * 1.61 1.49 *
1.13 1.65* **
Modelleigenschaften ICC Länderebene (Nullmodell): 0.10 / 0.08 Varianz Länderebene ohne Makroindikator Varianz Länderebene mit Makroindikator n (Dyaden) n (Personen) n (Haushalte) n (Länder)
0.129 (0.060 ) 0.122 (0.057 ) 9,507 7,207 4,854 11
0.129 (0.060 ) 0.060 (0.050 ) 9,507 7,207 4,854 11
0.111 (0.050 ) 0.126 (0.195 ) 16,120 10,910 7,446 11
0.111 (0.050) 0.076 (0.035) 16,120 10,910 7,446 11
Quelle: SHARE 2004 release 2, eigene Berechnungen, logistische Mehrebenenmodelle mit robusten Standardfehlern, * p < 0.1, ** p < .05, *** p < .01. In den Modellen 1.1 und 1.2 sind nur Grosseltern mit einem jüngsten Enkelkind jünger als 6 Jahren berücksichtigt, für alle anderen Modelle besteht die Stichprobe aus Grosseltern mit einem jüngsten Enkel unter 12 Jahren.
Ein Blick auf die Kontextvariablen zeigt auf, dass religiöse Praktiken wie jene des Betens keinen Einfluss darauf haben, ob Grosseltern auf ihre Enkelkinder aufpassen oder nicht. Auch die Erfahrung einer religiösen Erziehung erweist sich als nicht relevant: Grosseltern, welche von ihren Eltern religiös erzogen wurden, leisten nicht eher Enkelbetreuung als die, die ohne religiöse Werte aufgewachsen sind. Verpflichtungsgefühle gegenüber den Kindern in Bezug auf die Betreuung von jungen Enkelkindern wirken sich hingegen positiv auf das grosselterliche Engagement aus. So engagieren sich Grossväter und Grossmütter, die angeben, dass sie es wichtig finden, ihren Kindern bei der Betreuung von kleinen Kindern zu helfen, tatsächlich eher als weniger pflichtbewusste Grosseltern. Intergenerationale Beziehungen bergen Konfliktpotential, und so kann es zwischen Grosseltern und Kindern zu Auseinandersetzungen über Erziehungs-
6.3 Einflussfaktoren auf Enkelbetreuung
129
fragen kommen. Vor allem die Verletzung der sogenannten non interference norm kann dabei Konflikte begünstigen, denn die Eltern der Enkel erwarten grundsätzlich von den Grosseltern eine Nichteinmischung in die Erziehung ihrer Kinder (Aldous 1995). Aus Tabelle 6.2 ist allerdings ersichtlich, dass kein Zusammenhang zwischen Konflikten über die Enkelerziehung und der Häufigkeit der Enkelbetreuung besteht. Um den Zusammenhang zwischen Konflikten innerhalb der Grosseltern-Kind-Beziehung und die Enkelbetreuung genauer erörtern zu können, wäre aber eine Längsschnittstudie sicherlich von Vorteil. Der Einbezug wohlfahrtsstaatlicher Indikatoren verdeutlicht die unterschiedliche Wirkung von familienpolitischen Massnahmen auf grosselterliche Kinderbetreuung und unterstützt die in Kapitel 6.2 aufgezeigten bivariaten Zusammenhänge: Während staatliche Investitionen in Kinderbetreuungseinrichtungen und die Gesamtausgaben für Familien einen positiven Effekt aufweisen, wirken sich öffentliche Ausgaben für die Bereitstellung von Kindergeld und die Finanzierung von Elternzeit nicht auf die Häufigkeit von Enkelbetreuung aus. Intensität von Enkelbetreuung Die Intensität der geleisteten Betreuung ist ebenfalls stark von den Opportunitäten der Grosseltern abhängig, allerdings ergeben sich andere Wirkungszusammenhänge. So zeigt die Gesundheit keinen signifikanten Effekt mehr auf, was darauf zurückgeführt werden kann, dass Grosseltern, welche in Betreuungsaktivitäten involviert sind, grundsätzlich über einen guten Gesundheitszustand verfügen. Auch die Aktivität und der Bildungsstand spielen für die Intensität der geleisteten Kinderbetreuung keine Rolle. Grosseltern, welche über ein gutes Haushaltsauskommen berichten, leisten allerdings weniger intensive Kinderbetreuung. Dieser Befund kann auf ausgeprägte Opportunitätskosten finanziell gut gestellter Grosseltern zurückgeführt werden. Ältere Menschen mit guten ökonomischen Ressourcen verfügen oftmals über viele Möglichkeiten der Lebensgestaltung, wie Reisen oder andere kostspielige Unternehmungen, deren Verzicht schwerfallen mag. Sie leisten folglich weniger zeitlich intensive Enkelbetreuung. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass jene Grosseltern durch finanzielle Transfers ihre schwachen Betreuungsleistungen kompensieren. Ein solches Vorgehen lässt sich jedoch nicht empirisch bestätigen; der Effekt von finanziellen Transfers an die Eltern der Enkel erweist sich als nicht signifikant. Das Vorhandensein eines Partners gilt auch weiterhin als wichtige Unterstützung für die Leistung von Kinderbetreuung: Grosseltern, welche in einer Partnerschaft leben, leisten eher mindestens einmal in der Woche Kinderbetreuung als Grosseltern ohne Partner.
130
6 Enkelbetreuung
In Bezug auf familiale Strukturen erweisen sich die Wohnentfernung und die Geschlechterkonstellation weiterhin als sehr starke Einflussfaktoren; am wenigsten intensiv wird zwischen Grossvätern und deren Söhne betreut, während in der Grossmutter-Tochter-Beziehung die intensivsten Betreuungsleistungen erfolgen. Die Anzahl der Kinder wirkt sich auch auf die Intensität der Betreuung negativ aus; die potentiellen Empfänger intergenerationaler Transfers stehen um die knappen Ressourcen der Grosseltern in Konkurrenz zueinander (Coall et al. 2009; Walker et al. 2008). Die Kombination der Erwerbstätigkeit des Grosselternteils und des Erwerbsstatus des Elternteils zeigt auf, dass am intensivsten Hilfe geleistet wird, wenn ein Grosselternteil nicht erwerbstätig ist und das Elternteil des Enkelkindes einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Auch hier spielt der Erwerbsstatus der Eltern eine entscheidende Rolle und die Intensität der geleisteten Betreuung erweist sich als stark bedürfnisorientiert. Die Gebetshäufigkeit hat grösstenteils keinen signifikanten Effekt auf die Intensität der Betreuung, und auch starke Verpflichtungsgefühle gehen nicht mit einem ausgeprägten zeitlichen Engagement einher. Lediglich in der Gruppe der Grosseltern mit kleinen Enkelkindern (Modelle 2.5 und 2.7) leisten stark religiöse Grosseltern weniger intensiv Betreuung. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass ein starker Glaube womöglich mit einem traditionellen Geschlechterbild einhergeht und vor allem für die Betreuung von Kleinkindern den Müttern die Verantwortung zugesprochen wird. Zudem werden die Gebete möglicherweise im Rahmen von religiösen Veranstaltungen gesprochen, was die Zeitressourcen für Betreuungsaufgaben einschränkt. Eine religiöse Erziehung veranlasst Grosseltern hingegen zu einer intensiveren Leistung zeitlicher Transfers an ihre Kinder. Ein Blick auf die Makroindikatoren zeigt, dass die staatliche Bereitstellung von Kinderkrippen einen starken Einfluss auf die Intensität der Enkelbetreuung ausübt. Je weniger öffentliche Ausgaben in Kinderbetreuungsinfrastrukturen fliessen, desto eher sind Grosseltern mindestens einmal die Woche in die Betreuung ihrer Enkelkinder involviert. Ebenfalls einen mächitg negativen Effekt weisen die Ausgaben für die Finanzierung von Mutterschafts- und Elternurlaub auf, und auch die hohen Gesamtausgaben für Familien reduzieren das zeitliche Betreuungsengagement von Grosseltern signifikant. Investitionen in die Vergabe von Kindergeld spielen auch für die Intensität von Enkelbetreuung keine Rolle.
6.3 Einflussfaktoren auf Enkelbetreuung
131
Tabelle 6.4: Einflussfaktoren auf die Intensität von Enkelbetreuung Opportunitäts- und Bedürfnisstrukturen Alter Gesundheit Aktivität Bildung (Ref: tief) mittlere Bildung hohe Bildung Haushaltsauskommen Partner Erwerbstätigkeit (Ref: G1: arbeitet nicht / G2: arbeitet) G1: arbeitet nicht / G2: arbeitet nicht G1: arbeitet / G2: arbeitet nicht G1: arbeitet / G2: arbeitet
Alter des jüngsten Enkels (Ref: 0-3 Jahre) 4-6 Jahre 7-12 Jahre
M 2.1
M 2.2
0.99* 1.01 0.98**
0.99* 0.99 1.02 1.05 0.98** 0.95*
0.89 0.89 0.85* 0.85* 0.84*** 0.84** * 1.42*** 1.42** *
M 3.3
0.91 0.92 0.84** * 1.40** *
M 3.4 0.98 1.05 0.95* 0.93 0.92 0.84*** 1.39***
0.69*** 0.68** 0.69** 0.69*** * 0.38*** 0.41*** 0.62** 0.41** 0.37** 0.60*** * 0.32** 0.60** * 0.86** /
0.86** 0.83** 0.83*** / * 0.57*** 0.57** *
Familiale Strukturen Wohnentfernung (Ref: weniger als 5 km) weniger als 100 km mehr als 100 km
Geschlechterkonstellation (Ref: Mutter-Tochter) Vater-Tochter Mutter-Sohn Vater-Sohn
0.34*** 0.34** 0.31** 0.04*** * * 0.04** 0.04** * *
0.31** * 0.04** *
0.67*** 0.67** 0.71** 0.71*** 0.56*** * 0.54*** * 0.49*** 0.54** 0.56** 0.47*** * * 0.49** 0.47** * *
Kinderzahl
0.79*** 0.79** 0.77** 0.79*** * *
Finanzieller Transfer an Kind
1.10
1.09
1.06
1.06
132
6 Enkelbetreuung
Fortsetzung von Tabelle 6.4 Kulturell-kontextuelle Strukturen Gebetshäufigkeit weniger als einmal wöchentlich (Ref: nie) einmal in der Woche mehrmals in der Woche oder öfters Religiöse Erziehung Konflikte (Ref: nie) selten oft oder manchmal Verpflichtungsgefühle (Ref: stimme nicht/gar nicht zu) stimme weder zu noch nicht zu stimme zu/stimme voll zu Ausgaben für Mutterschafts- und Elternurlaub Ausgaben für Kinderbetreuungseinrichtungen Ausgaben für Kindergeld Gesamtausgaben für Familien
0.98 1.28 0.83*
0.98 1.27 0.83*
0.93 0.93 1.21 1.21 0.81** 0.80**
1.25*** 1.26** 1.23* * *
1.23**
1.07 0.96
1.18 1.04
1.07 0.96
1.18 1.03
1.08 1.08 1.01 1.02 1.38*** 1.37** 1.40** 1.40*** * * 0.15* **
0.37** 0.92 0.65* **
Modelleigenschaften ICC Länderebene (Nullmodell): 0.28 / 0.30 Varianz Länderebene ohne Makroindikator
0.289 (0.132)
Varianz Länderebene mit Makroindikator
0.137 (0.068)
n (Dyaden) n (Personen) n (Haushalte) n (Länder)
5,117 4,449 3,204 11
0.289 (0.132 ) 0.125 (0.063 ) 5,117 4,449 3,204 11
0.285 (0.128 ) 0.284 (0.128 ) 8,317 6,646 4,814 11
0.285 (0.128) 0.154 (0.072) 8,317 6,646 4,814 11
Quelle: SHARE 2004 release 2, eigene Berechnungen, logistische Mehrebenenmodelle mit robusten Standardfehlern, * p < 0.1, ** p < .05, *** p < .01. In den Modellen 2.1 und 2.2 sind nur Grosseltern mit einem jüngsten Enkelkind jünger als 6 Jahren berücksichtigt, für alle anderen Modelle besteht die Stichprobe aus Grosseltern mit einem jüngsten Enkel unter 12 Jahren.
Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass die Entscheidung sich in Enkelbetreuungsaufgaben zu engagieren, durch einen ausgebauten Wohlfahrtsstaat und familienpolitische Massnahmen positiv beeinflusst wird. Dieses Ergebnis deutet auf ein crowding in intergenerationaler Solidarität durch staatliche
6.3 Einflussfaktoren auf Enkelbetreuung
133
Unterstützungsleistungen hin. Die Intensität grosselterlicher Kinderbetreuung wird hingegen durch wohlfahrtsstaatliche Leistungen abgeschwächt beziehungsweise substituiert; folglich kann von einem crowding out der Intensität familialer Solidarität ausgegangen werden. Theoretisch erklären lassen sich diese gegensätzlichen Befunde durch die sogenannte Komplementaritätsthese, welche besagt, dass der Staat intensive Leistungen, wie beispielsweise regelmässige Kinderbetreuung, übernimmt und gleichzeitig durch die Entlastung der Familien sporadische, weniger intensive Hilfe stimuliert (Attias-Donfut und Wolff 2000). Dies bedeutet, dass in südeuropäischen Wohlfahrtsstaaten betreuende Grosseltern einer sehr viel höheren Belastung ausgesetzt sind als Grossmütter und -väter in den sozialdemokratischen Ländern. Deshalb ist die Eintrittsbarriere für viele Grosseltern in Südeuropa sehr viel höher, und womöglich verweigern etliche Grosseltern ein derart intensives Engagement beziehungsweise die Eltern der Enkelkinder wollen die eigenen Eltern nicht derartig stark beanspruchen. Grosselterliche Betreuungsleistungen sind aufgrund von hohen Vollzeit-Beschäftigungsraten erwerbstätiger Mütter in Südeuropa (siehe Kapitel 5) von grosser Bedeutung. Vollzeit-Betreuungssituationen sind für italienische, spanische und griechische Grossväter und -mütter wohl eher die Regel als die Ausnahme. Grosseltern in Schweden und Dänemark unterliegen derweil keiner derart hohen Belastung in Bezug auf Kinderbetreuung. Sie können ohne weiteres ab und zu auf ihre Enkelkinder aufpassen, ohne die Verantwortung einer Ganztagsbetreuung übernehmen zu müssen. Ein Engagement ist für diese Grosseltern mit weit weniger Verantwortung und Belastungen verbunden als für südeuropäische Grosseltern. Dies bedeutet auch, dass sich die Mütter der Enkelkinder nicht gegen eine Erwerbstätigkeit entscheiden müssen, um so eine Überlastung der eigenen Eltern zu vermeiden. In den konservativ-korporatistischen Staaten bestehen sehr unterschiedliche familienpolitische Massnahmen. Während in Deutschland, Belgien und Österreich eher wenig in Kinderbetreuung investiert wird, verfügt Frankreich über hohe Ausgaben für Familien und Kinderbetreuungseinrichtungen. Wie die vorangegangenen Analysen aufgezeigt haben, tragen diese Massnahmen wesentlich dazu bei, einen strukturellen Familialismus zu vermeiden und dennoch die Grosseltern in familiale Betreuungsaufgaben involvieren zu können. Österreich hingegen tätigt starke Ausgaben für die Verteilung von Kindergeld; eine Massnahme, die keinen Einfluss auf intergenerationale Solidarität hat und nicht zu einer Entlastung der Grosseltern oder einer Förderung von Enkelbetreuungsaktivitäten beitragen kann.
134
6 Enkelbetreuung
6.4 Enkelbetreuung im Geschlechtervergleich 6.4 Enkelbetreuung im Geschlechtervergleich Wenn es darum geht, die eigenen Kinder bei der Betreuung der Enkel zu unterstützen, erweisen sich Grosseltern als besonders solidarisch gegenüber ihren Töchtern. Enkelbetreuung in Bezug auf Söhne wird weniger häufig geleistet, und es stellt sich die Frage, inwiefern sich die Bedingungen für intergenerationale Solidarität an Töchter und Söhne unterscheiden. Im folgenden Kapitel werden zur Beantwortung dieser Frage nach dem Geschlecht des Empfängers getrennte Modelle vorgestellt. In den Modellen der Tabelle 6.5 sind nur Grosseltern-Tochter-Dyaden einbezogen. Es stellt sich heraus, dass Enkelbetreuung für Töchter ebenfalls den Einflüssen der Opportunitäts- und Bedürfnisstrukturen intergenerationaler Solidarität unterliegt: Das Alter, die Gesundheit und die Aktivität der Grosseltern erweisen sich als wichtige Ressourcen für die Häufigkeit von Enkelbetreuung. Zudem betreuen gut gestellte Grosseltern aufgrund höherer Opportunitätskosten die Enkelkinder ihrer Töchter weniger intensiv. Ausserdem sinkt die Intensität der Betreuung mit zunehmendem Alter der Enkelkinder. Tabelle 6.5: Einflussfaktoren auf Enkelbetreuung für Töchter Häufigkeit
Intensität
Opportunitäts- und Bedürfnisstrukturen
M 4.1
M 4.2
M 4.3
M 4.4
Alter Gesundheit Aktivität Bildung (Ref: tief) mittlere Bildung hohe Bildung Haushaltsauskommen Partner Erwerbstätigkeit (Ref: G1: arbeitet nicht / G2: arbeitet) G1: arbeitet nicht / G2: arbeitet nicht G1: arbeitet / G2: arbeitet nicht G1: arbeitet / G2: arbeitet Alter des jüngsten Enkels (Ref: 0-3 Jahre) 4-6 Jahre 7-12 Jahre
0.98** 1.14*** 1.17***
0.96*** 1.12*** 1.16***
0.99 1.02 0.98
0.99 1.05 0.95
1.02 1.36*** 1.04 1.27***
1.03 1.34*** 1.03 1.25***
0.84 0.78** 0.77*** 1.38***
0.92 0.89* 0.79*** 1.36***
0.58*** 0.57*** 0.74***
0.62*** 0.53*** 0.67***
0.57*** 0.37*** 0.60***
0.63*** 0.32*** 0.53***
1.02 /
1.07 0.63***
0.75*** /
0.74*** 0.55****
6.4 Enkelbetreuung im Geschlechtervergleich
135
Fortsetzung von Tabelle 6.5 Familiale Strukturen Wohnentfernung (Ref: weniger als 5 km) weniger als 100 km mehr als 100 km
0.53*** 0.18***
0.55*** 0.20***
0.36*** 0.04***
0.32*** 0.04***
0.50***
0.62***
0.68***
0.72***
Kinderzahl
0.79***
0.77***
0.78***
0.78***
Finanzieller Transfer an Kind
1.48***
1.46***
1.12
1.11
1.13
1.07
0.97
0.97
1.02
0.97
1.06
1.14 0.77**
Geschlechterkonstellation Tochter) Vater-Tochter
(Ref:
Mutter-
Kulturell-kontextuelle Strukturen Gebetshäufigkeit: (Ref: nie) weniger als einmal wöchentlich einmal in der Woche mehrmals in der Woche oder öfters
0.91
0.92
0.73**
Religiöse Erziehung
1.55*
1.03
1.20
1.20
Konflikte (Ref: nie) selten oft oder manchmal
1.00 1.09
1.07 1.19
1.04 1.10
1.02 1.12
1.11 1.39***
1.12 1.49***
1.06 1.29*
1.04 1.33***
Ausgaben für Mutterschafts- und Elternurlaub Ausgaben für Kinderbetreuungseinrichtungen Ausgaben für Kindergeld Gesamtausgaben für Familien Modelleigenschaften
1.16 1.27
/ / 1.14 1.19**
0.14*** 0.35***
/ / 0.91 0.68***
n (Dyaden) n (Personen) n (Haushalte) n (Länder)
4,632 4,098 2,748 11
8,364 6,642 4,642 11
2,871 2,669 1,945 11
4,746 4,199 3,082 11
Verpflichtungsgefühle (Ref: stimme nicht/gar nicht zu) stimme weder zu noch nicht zu stimme zu/stimme voll zu
Quelle: SHARE 2004 release 2, eigene Berechnungen, logistische Mehrebenenmodelle mit robusten Standardfehlern, * p < 0.1, ** p < .05, *** p < .01. In den Modellen 4.1 und 4.2 sind nur Grosseltern mit einem jüngsten Enkelkind jünger als 6 Jahren berücksichtigt, für die Modelle 4.3 und 4.4 besteht die Stichprobe aus Grosseltern mit einem jüngsten Enkel unter 12 Jahren.
136
6 Enkelbetreuung
Die kombinierte Erwerbstätigkeitsvariable zeigt auf, dass die Intensität der Betreuung auch für zeitliche Transfers an Töchter stark bedürfnisorientiert ist. Auch familiale Strukturen erweisen sich als wichtige Einflussfaktoren für zeitliche Hilfen an Töchter. So reduzieren sich die Häufigkeit und die Intensität der Betreuung mit zunehmender Wohnentfernung und Kinderzahl. Töchter erhalten zudem eher Unterstützung von ihren Müttern als von ihren Vätern. Betreut ein Grosselternteil die Kinder ihrer Töchter, fliessen zusätzlich vermehrt finanzielle Transfers, während die Intensität der Betreuung unabhängig von der Leistung ökonomischer Unterstützung ist. Die Gebetshäufigkeit erweist sich als nicht relevant für die Häufigkeit von Enkelbetreuung, hat jedoch für stark religiöse Grosseltern einen negativen Effekt auf die geleistete Intensität: Grosseltern, die täglich oder mehrmals die Woche beten, unterstützen ihre Töchter weniger intensiv. Auch hier kann davon ausgegangen werden, dass stark religiöse Grosseltern ein traditionelles Familienbild bevorzugen und ihre Töchter weniger bei ausserhäuslichen Aktivitäten unterstützen. Grosseltern, welche sich verpflichtet fühlen, ihren Töchtern bei der Enkelbetreuung zu helfen sind eher in Betreuungsaufgaben involviert. Ob Grosseltern ihre Töchter bei der Betreuung kleiner Kinder unterstützen, kann nicht in Verbindung gebracht werden mit staatlichen Investitionen in Kinderbetreuungseinrichtungen oder Ausgaben für die Finanzierung von Elternzeit. Dabei ist zu beachten, dass in den Modellen 4.1 nur Grosseltern-Tochter-Dyaden enthalten sind, in denen der jüngste Enkel bis zu sechs Jahren alt ist. Die Beziehung zwischen Eltern und deren Töchter erfährt mit der Geburt eines Enkelkindes eine Intensivierung, was dazu führt, dass Kinderbetreuung der Enkelkinder in jungen Jahren – unabhängig von institutionellen Strukturen – sehr wahrscheinlich ist. In den Modellen zur Überprüfung des Einflusses der Gesamtausgaben für Familien sind hingegen die Enkel bis zu zwölf Jahre alt. Die Familienausgaben weisen einen positiven Effekt hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, Unterstützung bei der Kinderbetreuung zu erhalten, auf und deuten auf ein crowding in intergenerationaler Solidarität hin. Für die Intensität der geleisteten Betreuung spielen die Bereitstellung von Kinderkrippen und die staatliche Finanzierung von Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub hingegen eine wichtige Rolle. Hohe staatliche Ausgaben senken die Intensität des grosselterlichen Engagements beträchtlich, was das Konzept eines crowding out familialer Solidarität unterstützt.
6.4 Enkelbetreuung im Geschlechtervergleich
137
Tabelle 6.6: Einflussfaktoren auf Enkelbetreuung für Söhne Häufigkeit
Intensität
Opportunitäts- und Bedürfnisstrukturen
M 5.1
M 5.2
M 5.3
M 5.4
Alter Gesundheit Aktivität Bildung (Ref: tief) mittlere Bildung hohe Bildung Haushaltsauskommen Partner Erwerbstätigkeit (Ref: G1: arbeitet nicht / G2: arbeitet) G1: arbeitet nicht / G2: arbeitet nicht G1: arbeitet / G2: arbeitet nicht G1: arbeitet / G2: arbeitet Alter des jüngsten Enkels (Ref: 0-3 Jahre) 4-6 Jahre 7-12 Jahre Familiale Strukturen
0.98*** 1.13*** 1.21***
0.96*** 1.16*** 1.26***
1.01 1.01 0.96
1.00 1.04 0.95
1.12 1.34*** 1.14*** 1.72***
1.10 1.30*** 1.10*** 1.49***
0.94 0.97 0.93 1.41***
0.89 0.96 0.91* 1.38***
0.87 0.63 0.93
0.71*** 0.44*** 0.83***
1.92 0.76 0.68***
1.19 0.78 0.70***
1.09 /
1.17*** 0.76***
1.02 /
0.95 0.94***
0.62*** 0.17***
0.56*** 0.18***
Geschlechterkonstellation (Ref: Mutter-Sohn) Vater-Sohn
0.55***
0.63***
0.90
0.83**
Kinderzahl
0.75***
0.73***
0.81***
0.79***
Finanzieller Transfer an Kind
1.28**
1.49***
1.12
1.04*
1.19
1.06
1.01
0.93
1.34
0.89
1.67
1.41
Wohnentfernung (Ref: weniger als 5 km) weniger als 100 km mehr als 100 km
0.32*** 0.04***
0.32*** 0.04***
Kulturell-kontextuelle Strukturen Gebetshäufigkeit (Ref: nie) weniger als einmal wöchentlich einmal in der Woche mehrmals in der Woche oder öfters
1.01
0.98
0.97
0.89
Religiöse Erziehung
0.98
0.99
1.34
1.34
Konflikte (Ref: nie) selten oft oder manchmal
0.97 1.02
0.94 1.09
1.11 0.77
1.16 0.89
138
6 Enkelbetreuung
Fortsetzung von Tabelle 6.6 Häufigkeit Verpflichtungsgefühle (Ref: stimme nicht/gar nicht zu) stimme weder zu noch nicht zu stimme zu/stimme voll zu
Intensität
M 5.1
M 5.2
M 5.3
M 5.4
1.02 1.40***
1.03 1.48***
1.08 1.56***
0.91 1.49***
Ausgaben für Mutterschafts- und Elternurlaub Ausgaben für Kinderbetreuungseinrichtungen Ausgaben für Kindergeld Gesamtausgaben für Familien Modelleigenschaften
2.01* 1.65***
n (Dyaden) n (Personen) n (Haushalte) n (Länder)
4,486 2,676 3,963 11
0.18*** 0.41*** 0.94 0.64***
1.09 1.27***
7,756 6,376 4,353 11
2,246 2,093 1,508 11
3,568 3,197 2,320 11
Quelle: SHARE 2004 release 2, eigene Berechnungen, logistische Mehrebenenmodelle mit robusten Standardfehlern, * p < 0.1, ** p < .05, *** p < .001. In den Modellen 5.1 und 5.3 sind nur Grosseltern mit einem jüngsten Enkelkind jünger als 6 Jahren berücksichtigt, für die beiden anderen Modelle besteht die Stichprobe aus Grosseltern mit einem jüngsten Enkel jünger als 12 Jahre.
6.5 Zwischenfazit 6.5 Zwischenfazit Grosseltern fühlen nicht nur eine starke emotionale Verbundenheit mit ihren Enkelkindern (Gattai und Musatti 1999), sondern erbringen ebenfalls wichtige instrumentelle Unterstützungsleistungen (Hoff 2007; Szydlik 2000). Die empirischen Analysen dieses Kapitels zeigen, dass Enkelbetreuung eine weit verbreitete Hilfeleistung von Grosseltern für ihre (Enkel-)Kinder ist. Grosseltern sind demnach in Bezug auf die Leistung funktionaler Solidarität oftmals äusserst gut in das familiale Netzwerk eingebunden, was neben gesundem Altern auch auf eine veränderte gesellschaftliche Wahrnehmung von Grosselternschaft zurückgeführt werden kann (z. B. Meischner 1997). Kontakte der Enkelkinder mit den Grosseltern werden heute als förderlich für deren Entwicklung angesehen, und viele junge Mütter nehmen die Hilfe der Grosseltern gerne an (z.B. Höpflinger 2009). Zwischen Grosseltern und ihren Enkeln können unterschiedliche Beziehungsstile ausgemacht werden (z.B. Herlyn und Lehmann 1998). Funktionale Solidarität entwickelt sich innerhalb von diesen unterschiedlichen Grosseltern-
6.5 Zwischenfazit
139
Enkel-Beziehungen, wird aber gleichzeitig von der mittleren Generation beeinflusst (Knipscheer 1988). Das Modell intergenerationaler Solidarität (Szydlik 2000) ermöglicht die Bedingungen von Enkelbetreuung zu erörtern. Die empirischen Analysen haben gezeigt, dass Kinderbetreuung durch Grosseltern stark von den Opportunitäten der Geber und den Bedürfnissen der Empfänger sowie von familialen Strukturen abhängt. Einerseits stimulieren dabei grosselterliche Ressourcen die Häufigkeit von Enkelbetreuungsaktivitäten, andererseits erweisen sich diese Ressourcen für die Intensität der geleisteten Betreuung als irrelevant oder wirken sich – wie im Falle des Haushaltsauskommens – negativ aus. Dies kann auf erhöhte Opportunitätskosten zurückgeführt werden; gut gestellte Grosseltern verfügen über die Möglichkeit, an vielfältigen Freizeitaktivitäten teilzunehmen, und betreuen ihre Enkelkinder folglich weniger intensiv. Eine Substitution grosselterlicher Betreuung durch ökonomische Unterstützung kann jedoch nicht festgestellt werde. Im Gegenteil, die Häufigkeit von Enkelbetreuung geht einher mit der Leistung finanzieller Transfers. Dies deutet darauf hin, dass wenn Grosseltern zum Einsatz kommen, vielfältige Unterstützungen fliessen und keine Substitution verschiedener Formen intergenerationaler Solidarität stattfindet. Engagierte Grosseltern sind demnach Quelle für unterschiedliche Hilfen und Leistungen. Zusätzlich erweisen sich der Erwerbsstatus der Eltern und das Alter des Enkelkindes als wichtige Faktoren, welche die Bedürfnisstrukturen der mittleren Generation beeinflussen und folglich einen starken Effekt auf die Häufigkeit und die Intensität von Enkelbetreuung ausüben. Diese Befunde bestärken die Wichtigkeit der Einnahme einer Dreigenerationenperspektive bei der Untersuchung von Kinderbetreuung durch Grosseltern (Hagestad 2006). Intergenerationale Solidarität wird vor allem dann geleistet, wenn das jüngste Kind zwischen vier und sechs Jahren alt ist, während die Intensität bei Enkelkindern im Alter von null bis drei Jahren am stärksten ausgeprägt ist. Die bedeutet, dass weniger Mütter ihre Kleinkinder grosselterlicher Betreuung überlassen. Wenn Grosseltern jedoch sehr junge Enkel betreuen, werden längere Betreuungszeiten nachgefragt. Möglicherweise zögern junge Mütter, ihre kleinen Kinder in die Obhut von Betreuungseinrichtungen oder anderen Familienmitgliedern zu geben, und bevorzugen gerade für junge Enkel die Inanspruchnahme grosselterlicher Betreuung. Die Beziehung zwischen Grossmüttern und Töchtern erweist sich als besonders stimulierend auf grosselterliche Kinderbetreuung. Dieser Befund deutet auf eine Form ,weiblicher Solidarität ދhin, denn die Geschlechterkonstellation ist für die Leistung von Enkelbetreuung von grosser Bedeutung und bestätigt die sogenannte kin keeper-These (Rossi und Rossi 1990). Enkelbetreuung für Töchter und Söhne folgen dabei sehr ähnlichen Bedingungen. Auffällig ist allerdings,
140
6 Enkelbetreuung
dass die Bedürfnisstrukturen der Söhne weniger stark von deren Erwerbstätigkeit abhängen. Anhand von Mehrebenenmodellen konnten die kulturell-kontextuellen Strukturen und deren Einflüsse auf Enkelbetreuung explizit modelliert werden. Staatliche Ausgaben für Familien stimulieren die Häufigkeit von Enkelbetreuung. Dabei hat sich gezeigt, dass die Entscheidung, Töchtern bei der Betreuung der Kinder zu helfen, weniger von wohlfahrtsstaatlichen Strukturen abhängt, während die Unterstützung der Söhne hingegen sehr stark mit den öffentlichen Ausgaben für Familien in Zusammenhang gebracht werden können. Grosselterliche Ressourcen können demnach durch staatliche Leistungen geschont und auf mehr Familienmitglieder verteilt werden. Hiervon profitieren vor allem die Söhne der Grosseltern und deren Partnerinnen. Die Intensität der Hilfe bei Betreuungsaufgaben ist hingegen sowohl für Töchter als auch Söhne stark abhängig von wohlfahrtsstaatlichen Strukturen: In Ländern mit hohen Familienausgaben und gut ausgebauten Betreuungsinstitutionen helfen die Grosseltern sehr viel weniger intensiv. Diese Befunde unterstützen die Komplementaritätsthese (Attias-Donfut und Wolff 2000), welche besagt, dass intergenerationale Solidarität durch die staatliche Übernahme von zeitintensiven, regelmässigen Betreuungsaufgaben gefördert wird. Dieses Konzept einer gemischten Verantwortung zwischen Staat und Familie, welches auf zeitliche Transfers von Kindern an ihre älteren Eltern angewendet werden konnte (z.B. Brandt, Haberkern und Szydlik 2009, MotelKlingebiel, Tesch-Römer und Von Kondratowitz 2005), lässt sich demnach für die Leistung von grosselterlicher Kinderbetreuung ebenfalls bestätigen. Starke Wohlfahrtsstaaten motivieren und befähigen Familienmitglieder, einen Teil der Verantwortung zu übernehmen und wichtige zeitliche Transfers zu erbringen. Grosseltern, welche einen aktiven Lebensstil verfolgen oder erwerbstätig sind, werden dabei nicht durch die Leistung extensiver Enkelbetreuung eingeschränkt und sind in der Folge eher bereit, Kinderbetreuungsaufgaben zu übernehmen. Intensive Enkelbetreuung geht einher mit einer hohen Belastung der Grosseltern. Die Kombination von staatlicher und privater Kinderbetreuung reduziert Überbelastungsrisiken der älteren Generation, indem sie es ermöglicht, dass Grosseltern sporadische Betreuung leisten, während der Staat regelmässige zeitintensive Betreuungsaufgaben übernimmt. Dies befähigt zudem die Eltern der Enkel, freier entscheiden zu können, wie intensiv die Grosseltern in die Betreuung der Enkelkinder einbezogen werden sollen. Für erwerbstätige Mütter bedeutet dies, dass sie weniger stark auf familiale Hilfe angewiesen sind und ihre Entscheidung, berufstätig zu sein, freier treffen können. Die so erreichte Defamilialisierung ermöglicht eine bessere Gleichstellung der Geschlechter und reduziert die Abhängigkeit der Töchter von den Hilfeleistungen der eigenen Eltern.
7 Finanzielle Transfers 7 Finanzielle Transfers
Im Folgenden wird untersucht, inwiefern Grosseltern in Europa als Quelle finanzieller Transfers fungieren. Während die Beziehung zwischen Eltern und Kindern über den Lebenslauf hinweg durch regelmässige ökonomische Unterstützung geprägt ist (Wolff 2000), liegt die ökonomische Verantwortung für Enkelkinder meistens nicht in grosselterlichen Händen. Im Gegenteil, die Beziehung zwischen Grosseltern und Enkeln basiert in der Regel stark auf Freiwilligkeit (Wilk 1993), und es bestehen nur geringe gesellschaftliche Normen hinsichtlich der Erbringung funktionaler Unterstützung. Dennoch erbringen Grosseltern für ihre Enkel (Geld-)Geschenke und leisten damit ökonomischen Beistand bei deren Plänen und Anschaffungen. Wie ausgeprägt ist jedoch diese Art der grosselterlichen Unterstützung und welche Gründe hat die ältere Generation für finanzielle Hilfen für ihre Enkelkinder? Für die Schweiz konnten Höpflinger, Hummel und Hugentobler (2006) aufzeigen, dass Grosseltern die Unterstützung ihrer Enkel in finanziellen Notsituationen als wichtigen Bestandteil ihres grosselterlichen Rollenverständnisses wahrnehmen. Inwiefern diese Verpflichtungsnormen im internationalen Vergleich Bestand haben, wurde bislang wenig untersucht. Vor allem aber stellt sich die Frage, ob diese Verantwortungsgefühle eine Umsetzung in tatsächliche finanzielle Transfers an die jüngste Generation erfahren. Finanzielle Transfers zwischen Familienmitgliedern lassen sich anhand des sogenannten „Kaskadenmodells“ beschreiben (Fritzell und Lennartsson 2005; Kohli et al. 2005, siehe auch Kapitel 2): Sie fliessen meistens von der älteren an die jüngere Generation. Ältere Menschen können aber nur dann ökonomischen Beistand erbringen, wenn sie finanziell dazu in der Lage sind. Die Befähigung der älteren Generation für die Erbringung finanzieller Transfers kann sowohl durch persönliche Einkommen als auch durch wohlfahrtsstaatliche Unterstützung stattfinden. So können an ältere Menschen erfolgte staatliche Leistungen eine Grundlage für nach unten gerichtete private Transfers darstellen (Kohli et al. 2005). Finanzielle Transfers an Enkelkinder sind noch sehr wenig erforscht. Erste Befunde deuten jedoch darauf hin, dass auch sie – wie viele andere Formen intergenerationaler Solidarität (z.B. Albertini, Kohli und Vogel 2006; Brandt 2009; Deindl 2009; Haberkern und Szydlik 2008) – länderspezifische Unterschiede aufweisen (Hank und Buber 2009; Hoff 2007). Im folgenden Kapitel wird die C. Igel, Großeltern in Europa, DOI 10.1007/978-3-531-93055-8_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
142
7 Finanzielle Transfers
Häufigkeit finanzieller Transfers an Enkelkinder aus ländervergleichender Perspektive untersucht. Es stellt sich dabei die Frage, welche länderspezifischen Unterschiede ausgemacht und wie diese erklärt werden können. Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, werden die kulturell-kontextuellen Strukturen intergenerationaler Solidarität beleuchtet und neben makroökonomischen Bedingungen auch wohlfahrtsstaatliche Arrangements in die Analysen mit einbezogen. Haben wohlfahrtsstaatliche Leistungen eine Bedeutung für private Transfers an Enkelkinder? Und wenn ja, sprechen die Ergebnisse für ein crowding in oder ein crowding out intergenerationaler Solidarität? Spielen dabei Bedürfnisstrukturen der Enkel eine Rolle oder erfolgen Transfers an Enkelkinder eher als bedarfsunabhängige Geschenke? Die Untersuchung grosselterlicher Solidarität erfolgt anhand deskriptiver Auswertungen der Gründe und des Ausmasses finanzieller Transfers an Enkelkinder (Kapitel 7.1 und 7.2), während in einem weiteren Schritt der Einfluss kulturell-kontextueller Strukturen untersucht wird (Kapitel 7.3). Zudem werden in Kapitel 7.4 anhand von logistischen Mehrebenenmodellen die Einflüsse der Opportunitäts- und Bedürfnisstrukturen, der familialen Strukturen sowie der Kontextfaktoren auf finanzielle Transfers untersucht (Szydlik 2000, 2008). Das Kapitel schliesst mit einer Zusammenfassung der durchgeführten Analysen. 7.1 Finanzielle Transfers im familialen Vergleich 7.1 Finanzielle Transfers im familialen Vergleich Familienmitglieder erweisen sich als Haupttransferempfänger ökonomischer Unterstützung im sozialen Netzwerk (Abbildung 7.1): Von allen grosselterlichen Transferströmen gehen 93 Prozent an die Familie, während nur sieben Prozent an Freunde, Kollegen, Ex-Partner, Nachbarn oder andere Bekannte geleistet werden. 73 Prozent innerfamiliärer Transfers werden von Grosseltern an ihre Kinder, zwölf Prozent an die Enkelkinder geleistet. Die restlichen 15 Prozent erhalten andere Verwandte.
7.1 Finanzielle Transfers im familialen Vergleich
143
Alle Transferströme
Familie 93%
Kinder 73%
Enkelkinder 12%
Freunde
Andere Verwandte 15%
Abbildung 7.1: Empfänger nach unten gerichteter finanzieller Transfers Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, nur Grosseltern, (Geld-) Geschenke im Wert von 250 Euro oder mehr, n (Transfers) = 8,449
In Bezug auf nach unten gerichtete private Transfers nehmen Enkelkinder im familialen Gefüge die zweitwichtigste Position ein. Es erstaunt dabei nicht, dass die Kinder der Grosseltern am häufigsten finanzielle Transfers erhalten: Die Eltern-Kind-Beziehung ist durch eine starke ökonomische Verantwortung der Eltern für ihren Nachwuchs geprägt (Fritzell und Lennartsson 2005; Vaskovics 1993; Wolff 2000). Ausserdem wird intergenerationale Solidarität zwischen Eltern und ihren Kindern stärker von Reziprozitätsnormen und Austauschprozessen bestimmt. Durch die direkte generationale Abfolge erleben Eltern und ihre Kinder einen längeren gemeinsamen Lebensabschnitt. Oftmals leistet die ältere Generation über den Lebenslauf hinweg finanzielle Transfers an ihre Kinder und erhält im Gegenzug zu einem späteren Zeitpunkt Hilfe und Pflege (Brandt et al. 2008; Hollstein 2005). Bei Grosseltern und ihren Enkelkindern stehen solche Austauschprozesse hingegen nicht im Mittelpunkt der Beziehung (Hoff 2007). Warum aber leisten Grosseltern finanzielle Transfers an ihre Enkelkinder und welche Unterschiede bestehen im Vergleich zur ökonomischen Unterstützung von Kindern? In Abbildung 7.2 werden die Transfers der Grosseltern nach Gründen getrennt. (Geld-)Geschenke zur Unterstützung des Lebensunterhalts und dem Kauf, beispielsweise der Einrichtung eines Hauses oder einer Wohnung, werden häufiger an Kinder geleistet als an Enkel. Grosseltern unterstützen aber sowohl ihre Kinder als auch ihre Enkelkinder bei grösseren Anschaffungen. Grosse Unterschiede zeigen sich hinsichtlich Transfers, die im Rahmen von Familienfesten stattfinden: Hier liegen die Enkelkinder weit vor den Kindern. Von Kinderbetreuungskontakten abgesehen, treffen sich Grosseltern und Enkelkinder häufig im Rahmen familiärer Feste. Dies gilt vor allem für jugendliche und erwachsene Enkel (Höpflinger, Hummel und Hugentobler 2006: 50). Inner-
144
7 Finanzielle Transfers
halb dieser ritualisierten Kontaktgelegenheiten werden die meisten grosselterlichen Transfers realisiert. Es bleibt dabei unklar, für welche Zwecke die geleistete Unterstützung eingesetzt wird, es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die im Rahmen von Familienfesten gemachten (Geld-) Geschenke weniger stark bedürfnisgebunden sind als jene, für die die Grosseltern konkrete Einsatzgründe nennen (Lebensunterhalt, Kauf oder Einrichtung eines Hauses oder einer Wohnung, grössere Anschaffung). Ein verschwindend geringer Anteil der Transferströme fliesst explizit an die Enkelkinder, um diesen bei Arbeitslosigkeit ökonomisch unter die Arme zu greifen. Dies kann teilweise auf das Alter der Enkel zurückgeführt werden, denn ein Grossteil der Enkelkinder befindet sich noch nicht im erwerbsfähigen Alter. Allerdings wird Arbeitslosigkeit als Transfergrund auch im Falle von Leistungen an die Kinder nur sehr selten genannt. Bei Weiterbildungs- und Ausbildungsplänen unterstützen Grosseltern ihre Kinder und Enkelkinder hingegen vergleichsweise häufig. Ein grosser Anteil der Transfers wird jedoch ohne besonderen Grund an die Kinder wie auch an die Enkelkinder geleistet. Eine Scheidung wird von den Grosseltern kaum als Transfergrund angegeben. Demnach scheinen Grosseltern, die ihre Kinder und Enkelkinder im Rahmen eines Scheidungserlebnisses unterstützen wollen, dies nicht vorrangig über monetäre Transfers zu tun, sondern vielmehr steht der emotionale Beistand im Vordergrund (Guzman 1998). Lebensunterhalt Kauf/Einrichtung Haus oder Wohnung grössere Anschaffung familiäres Ereignis Scheidung Trauerfall oder Krankheit Arbeitslosigkeit Aus- oder Weiterbildung gesetzliche Verpflichtung kein besonderer Grund anderer Grund
30
20
10
Enkelkinder
0
10
20
30
Kinder
Abbildung 7.2: Gründe für finanzielle Transfers an Kinder und Enkelkinder Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, nur Grosseltern, n (Transfers) = 858/4,060
7.2 Häufigkeit und Höhen von finanziellen Transfers in Europa
145
7.2 Häufigkeit und Höhen von finanziellen Transfers in Europa 7.2 Häufigkeit und Höhen von finanziellen Transfers in Europa Enkelkinder erweisen sich zwar als die zweithäufigsten Empfänger von familialen Transfers, erhalten allerdings weit weniger häufig Unterstützung als die Kinder: 73 Prozent aller Transfers, die von Grosseltern an die Familie geleistet werden, fliessen an die eigenen Kinder, während Enkelkinder nur zwölf Prozent der finanziellen Transfers erhalten (vergleiche Abbildung 7.1). Wie viele europäische Grosseltern unterstützen demzufolge ihre Enkelkinder mit monetären (Geld)Geschenken? Abbildung 7.3 zeigt auf, dass zwischen einem und 15 Prozent aller Grosseltern mindestens ein Enkelkind ökonomisch unterstützen. Deutschland weist dabei die höchste Transferrate auf, gefolgt von Griechenland (13 Prozent), Italien (acht Prozent), Österreich (acht Prozent) und Schweden (sechs Prozent). In Spanien und den Niederlanden leistet nur ein Prozent aller Grosseltern Transfers, und auch in Frankreich, Belgien und der Schweiz unterstützen sehr wenige Grosseltern ihre Enkelkinder mit (Geld-)Geschenken (jeweils nur 3 Prozent). SE DK NL BE FR DE AU CH ES IT GR 0
10 Kinder
20
30
Enkelkinder
Abbildung 7.3: Häufigkeit finanzieller Transfers an Kinder und Enkelkinder Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, (Geld-)Geschenke im Wert von 250 Euro oder mehr, n (Grosseltern) = 11,192
146
7 Finanzielle Transfers
0
1000
Euro 2000
3000
4000
Über die Länder hinweg zeigt sich das gleiche Muster: Grosseltern geben häufiger an ihre Kinder als an ihre Enkel. Diese Ergebnisse bestätigen, dass Enkelkinder zwar an zweiter Stelle bei der Vergabe grosselterlicher Transfers stehen, dass aber der Abstand zu den Kindern sehr gross ist. Besonders ausgeprägt sind die Unterschiede dabei im Norden Europas sowie in Belgien, Frankreich und der Schweiz. In den südeuropäischen Ländern und in Deutschland ist die Differenz zwischen Transfers an Enkelkinder und Kinder am geringsten. Auch bei den Höhen der geleisteten Transfers können beträchtliche Unterschiede ausgemacht werden. Enkelkinder erhalten wesentlich geringere Beträge als Kinder. Nach Abbildung 7.4 liegt der Mittelwert der (Geld-)Geschenke an Kinder bei knapp über 4000 Euro, während sich der Durchschnittswert für die geleisteten Transfers an Enkelkinder auf lediglich etwa 1100 Euro beläuft. Bei der Interpretation der Transferhöhen muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass in verschiedenen Ländern die Fallzahlen sehr gering sind und die Transferhöhen eine hohe Varianz aufweisen. Dies gilt vor allem für Spanien und Österreich. Eine weitere Überprüfung der Transferhöhen kann anhand der Berechnung des Medianwertes vorgenommen werden. Die Medianwerte sind tiefer als die Durchschnittswerte und belaufen sich für Transfers an Kinder auf ungefähr 1300 Euro jährlich, für jene an Enkelkinder hingegen auf nur 700 Euro (Abbildung 7.4).
an Kinder
an Enkel
Mittelwert
an Kinder
an Enkel
Median
Abbildung 7.4: Höhe finanzieller Transfers an Kinder und Enkelkinder Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Grosseltern) = 2,810 / 683
7.3 Kulturell-kontextuelle Strukturen und finanzielle Transfers
147
0
10
Prozent 20
30
40
Abbildung 7.5 zeigt auf, dass Grosseltern ihren Enkelkindern mehrheitlich Beträge zwischen 250 und 1500 Euro zukommen lassen. Hohe Beiträge (mehr als 5000 Euro) werden hingegegen nur sehr selten an Enkelkinder geleistet. Transfers an Kinder bewegen sich am häufigsten zwischen 1500 und 3000 Euro, und auch höhere Kategorien sind im Vergleich zu den Enkelkindern noch relativ gut belegt.
250-500
501-1,500
1,501-3,000
an Kinder
3,001-5,000
5,001-10,000
>10,000
an Enkel
Abbildung 7.5: Finanzielle Transfers an Kinder und Enkelkinder im Vergleich Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Grosseltern) = 2,810 / 683
7.3 Kulturell-kontextuelle Strukturen und finanzielle Transfers 7.3 Kulturell-kontextuelle Strukturen und finanzielle Transfers Im folgenden Kapitel wird auf die kulturell-kontextuellen Strukturen von finanziellen Transfers an Enkelkinder eingegangen, die Transfers an Enkel beeinflussen sollten. Die Analyse der Kontextfaktoren liefert erste Einblicke in den Zusammenhang zwischen länderspezifischen Unterschieden grosselterlicher Solidarität und den kulturell-kontextuellen Bedingungen. Dabei werden auf der Makroebene zwei Arten von Indikatoren berücksichtigt. Einerseits bilden ausgewählte
148
7 Finanzielle Transfers
volkswirtschaftliche Kontextfaktoren (Kinderarmut und Jugendarbeitslosigkeit) die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sehr junger und jugendlicher Enkelkinder ab. Zusätzlich werden staatliche Investitionen in Familien als Indikatoren für die öffentliche Unterstützung junger Familien berücksichtigt. Andererseits liefern staatliche Investitionen in Alters- und Hinterbliebenenrenten Hinweise auf die gesamtgesellschaftliche Ressourcenlage älterer Menschen. Auf individueller Ebene wird das Verantwortungsgefühl der Grosseltern hinsichtlich des finanziellen Wohlergehens ihrer Enkelkinder und deren Familien, die Gebetshäufigkeit und die religiöse Erziehung berücksichtigt (siehe Kapitel 6). Neben gesellschaftlichen Faktoren, wie Wertehaltungen oder der Religiosität besteht intergenerationale Solidarität auch vor dem Hintergrund volkswirtschaftlicher und wohlfahrtsstaatlicher Bedingungen (Szydlik 2000: 50). In Abbildung 7.6 werden die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Empfängergeneration aufgezeigt. Bedürfnisstrukturen von Enkelkindern entwickeln sich innerhalb kontextueller Strukturen wie der Arbeitsmarktsituation oder den Armutsraten eines Landes. Andererseits können umfassende wohlfahrtsstaatliche Leistungen für die junge Generation eine Abschwächung von Bedürfnissen bewirken, grosselterliches solidarisches Handeln ist dadurch nicht mehr in gleichem Ausmass notwendig. Intergenerationale Solidarität wird jedoch nicht nur über Bedürfnisse der Empfängergeneration stimuliert. Neben individuellen Einkommensressourcen der älteren Generation können wohlfahrtsstaatliche Unterstützungsleistungen die Möglichkeiten der Grosseltern, finanzielle Transfers zu erbringen begünstigen. Während das individuelle Einkommen durch die berufliche Laufbahn eines Menschen bestimmt wird und die Unterschiede zwischen den Individuen über Altersklassen und den familialen Status hinweg bestehen, geben die staatlichen Ausgaben für Alters- und Hinterbliebenenrenten an, welche Position die älteren Menschen innerhalb des Wohlfahrtsstaatssystems einnehmen. Abbildung 7.6 verdeutlicht, dass Kinder im Süden Europas mit einer höheren Wahrscheinlichkeit in Armut aufwachsen. Italien, Spanien und Griechenland verfügen über die höchsten Kinderarmutsquoten in Europa. Am wenigsten häufig trifft man auf Kinderarmut im europäischen Norden sowie in der Schweiz, Belgien und Frankreich. Die Arbeitslosenraten für Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren sind besonders hoch für Deutschland, Griechenland und Spanien. Über zehn Prozent der Jugendlichen leiden in diesen Ländern unter Arbeitslosigkeit. Die niedrigsten Arbeitslosenquoten weisen Österreich und die Schweiz auf. Die Ausgaben für Familien in Prozent am BIP fallen für den Süden Europas relativ schwach aus, während der Staat in Frankreich, Belgien und Österreich sowie im nördlichen Europa hohe Ausgaben für Familienleistungen tätigt. Hohe öffentliche Ausgaben erlauben jungen Familien, gewisse staatliche Absiche-
7.3 Kulturell-kontextuelle Strukturen und finanzielle Transfers
149
rungsmechanismen in Anspruch zu nehmen, die die Familiengründung erleichtern und finanzielle Haushaltseinbussen mindern können. Dies erlaubt es den jungen Eltern, gut für ihre Kinder (die Enkelkinder der befragten Grosseltern) zu sorgen.
SE DK NL BE FR DE AU CH ES IT GR
SE DK NL BE FR DE AU CH ES IT GR
0
5
10
15
20
0
Kinderarmut
5
10
Jugendarbeitslosigkeit
SE DK NL BE FR DE AU CH ES IT GR
SE DK NL BE FR DE AU CH ES IT GR
0
1
2
Familienausgaben
3
4
0
5
10
15
Ausgaben für Alters- und Hinterbliebenenrenten
Abbildung 7.6: Wohlfahrtsstaatliche und makroökonomische Bedingungen Quelle: UNICEF 2005 (Kinderarmut); OECD 2005 (Jugendarbeitslosigkeit); OECD 2007a (Gesamtausgaben für Familie); OECD 2007b (Ausgaben für Alters- und Hinterbliebenenrenten)
Auch staatliche Ausgaben für Alters- und Hinterbliebenenrenten zeigen deutliche Länderunterschiede auf. So weisen Italien, Griechenland und Schweden die höchsten öffentlichen Ausgaben für Renten auf, während in der Schweiz und in den Niederlanden diese weniger stark ausgebaut sind. Griechenlands Wohlfahrtssystem ist sehr stark auf Leistungen an Rentner ausgerichtet (Papatheodorou 2008), während sich die Ausgaben für Familien wie auch in anderen südeuropäischen Staaten auf einem tiefen Niveau befinden. Im Süden Europas stehen familiale Netzwerke und ein traditionelles Familienbild im Vordergrund, so dass der Staat soziale Dienstleistungen für die Familie hauptsächlich als ein Instrument zur Armutsbekämpfung einsetzt. Auch in Italien stehen die Renten-
150
7 Finanzielle Transfers
beiträge im Zentrum der öffentlichen und politischen Diskussion und haben durch zahlreiche Reformprozesse eine wichtige Stellung innerhalb des italienischen Wohlfahrtssystems eingenommen (Natali 2008). Ältere Menschen sind in Italien gut abgesichert, während junge Familien nur schwache staatliche Unterstützungen erhalten. In Schweden, Österreich, Belgien und den Niederlanden finden sich keine derart stark ausgeprägten Leistungsunterschiede. In diesen Ländern investiert der Staat sowohl in die Familien als auch in die Renten. Weniger ausgeglichen erweisen sich die Schweiz und Deutschland; Investitionen in die Familie spielen in diesen Staaten eine eher untergeordnete Rolle. Vor allem die Schweiz zeichnet sich als liberaler Wohlfahrtsstaatentyp durch geringe familienorientierte Staatsausgaben aus. Abbildung 7.7 ermöglicht eine deskriptive Überprüfung des Zusammenhangs zwischen den beschriebenen Kontextfaktoren und der Häufigkeit finanzieller Transfers an Enkelkinder. Zwischen der Kinderarmut und der grosselterlichen intergenerationalen Solidarität eines Landes findet sich keine statistische signifikante Korrelation. Das Gleiche gilt für nationale Jugendarbeitslosigkeitsraten und Familienausgaben. Die volkswirtschaftliche Situation scheint demnach keine Auswirkungen auf die Häufigkeit grosselterlicher finanzieller Leistungen zu haben. Transfers an Enkelkinder finden nicht häufiger statt, wenn die Grosseltern in einem Land mit einer hohen Kinderarmutsquote oder ausgeprägter Jugendarbeitslosigkeit leben. So weist Spanien die höchste Kinderarmutsrate auf und verfügt gleichzeitig über den geringsten Anteil an transferleistenden Grosseltern. Zudem scheinen staatliche Unterstützungen für Familien die Grosseltern nicht dahingehend zu beeinflussen, dass diese seltener (Geld-) Geschenke an ihre Enkelkinder leisten. Staatliche Ausgaben für Alters- und Hinterbliebenenrenten üben hingegen einen Einfluss auf grosselterliche finanzielle Transfers aus. Länder, in denen der Staat mehr für die Bereitstellung von Renten ausgibt, weisen tendenziell einen höheren Anteil an Grosseltern auf, die ihren Enkelkindern finanzielle Unterstützung zukommen lassen. Dies gilt vor allem für Griechenland und Deutschland. Beide Länder tätigen hohe Ausgaben für die Bereitstellung von Alters- und Hinterbliebenenrenten und verfügen gleichzeitig über die meisten transferleistenden Grosseltern. Für die Niederlande, die Schweiz, Dänemark und Spanien gilt das Gegenteil: Hier sind staatliche Ausgaben für Renten schwach ausgebaut und finanzielle Transfers an Enkelkinder sind entsprechend seltener. Diese ersten Ergebnisse lassen vermuten, dass Grosseltern vor allem dann Transfers leisten, wenn sie über eine ausreichend hohe Alterssicherung verfügen. Staatliche Leistungen befähigen demnach Grosseltern dazu, ihren Enkelkindern finanzielle (Geld-)Geschenke zukommen zu lassen. Wirtschaftlich unsichere
7.4 Einflussfaktoren auf finanzielle Transfers
151
5
CH FR BE
DK
NL
ES
0
5
10
15 10
IT
AU CH
15
6
1.5
2
9
12
BE FR
SE DK
2.5
Familienausgaben
3
3.5
15
DE GR
10
r=.63+ SE DK
5
5 1
ES
NL
CH
BE
AU
IT
FR
ES
0
AU
Finanzielle Transfers an Enkel
15 10
r=-.21 IT
0
Finanzielle Transfers an Enkel
DE
NL
FR
Jugendarbeitslosigkeit
GR
CH
BE
NL
3
Kinderarmut
ES
IT
SE
DK
5
10
AU
SE
DE GR
r=.37
0
GR r=.11
Finanzielle Transfers an Enkel
15
DE
0
Finanzielle Transfers an Enkel
Rahmenbedingungen für die jüngere Generation verleiten hingegen nicht mehr Grosseltern zu finanziellen Transfers.
5
10
15
Ausgaben für Alters- und Hinterbliebenenrenten
Abbildung 7.7: Kulturell-kontextuelle Strukturen und finanzielle Transfers Quelle: SHARE 2004, release 2, gewichtet, eigene Berechnungen, n (Länder) = 11, Korrelation signifikant zum + p < 0.10 Niveau.
7.4 Einflussfaktoren auf finanzielle Transfers 7.4 Einflussfaktoren auf finanzielle Transfers Um eine genaue Überprüfung des Zusammenhangs zwischen kulturell-kontextuellen Strukturen und dem Erbringen finanzieller Transfers vornehmen zu können, ist es wichtig, die individuellen Eigenschaften der Grosseltern und die familialen Strukturen zu berücksichtigen, um so Kompositionseffekte ausschliessen zu können (Kemp 2004). In Tabelle 7.1 sind die Odds Ratios für einzelne logistische Mehrebenenmodelle dargestellt. Die abhängige Variable ist dummykodiert und mit einer Eins besetzt, wenn der befragte Grosselternteil in den letzen zwölf Monaten an mindestens ein Enkelkind finanzielle Transfers geleistet hat. Die Frage im SHARE bezüglich geleisteter finanzieller Transfers wird von dem sogenannten financial
152
7 Finanzielle Transfers
respondent beantwortet. Bei gemeinsamen Finanzen macht der financial respondent zu auf der Haushaltsebene geleisteten Transfers Angaben. Bei getrennten Finanzen werden hingegen beide Partner einzeln befragt. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, fliessen bei gemeinsamen Finanzen die durchschnittlichen Eigenschaften der Grosseltern eines Haushalts in die Regressionsanalysen ein, während bei getrennten Finanzen – und mehreren financial respondents pro Haushalt – die individuellen Eigenschaften jedes befragten Grosselternteils berücksichtigt werden. Das individuelle Einkommen weist einen signifikant positiven Effekt auf grosselterliche Transfers auf. Je höher die finanziellen Ressourcen der Grosseltern, desto eher leisten diese für mindestens ein Enkelkind finanzielle Unterstützung. Neben finanziellen Mitteln stimulieren aber auch kulturelle Ressourcen intergenerationale Solidarität: Grosseltern, die über einen hohen Bildungsstand verfügen, leisten oftmals häufiger finanzielle Transfers als weniger gut ausgebildete Grossväter und -mütter. Zudem weisen ältere Grosseltern in den Modellen 1 und 3 eine höhere Wahrscheinlichkeit auf, (Geld-)Geschenke zu erbringen. Die Ergebnisse von Hoff (2007), welche besagen, dass sehr alte Grosseltern weniger häufig Transfers leisten, können nicht bestätigt werden. Grundsätzlich dürften die Kontaktmöglichkeiten zwischen Grosseltern und Enkelkindern mit dem Alter der Grosseltern ansteigen: Ältere Menschen haben beispielsweise aufgrund ihrer Pensionierung mehr freie Zeit, und vor allem Grossväter nutzen diese neu gewonnenen Zeitressourcen oftmals aktiv, um sich mit ihren Enkelkindern zu beschäftigen (Kornhaber 1996), was eine Häufung von (Geld-)Geschenken zur Folge haben könnte. Das Geschlecht des Grosselternteils hat keine Auswirkung auf die Wahrscheinlichkeit der Erbringung finanzieller Transfers, und auch die Gesundheit stellt für ökonomische Leistungen an Enkelkinder keine wichtige Opportunitätsstruktur dar. Ob ein Grosselternteil in einem Single- oder Paarhaushalt wohnt, erweist sich ebenfalls als unbedeutend für die Entscheidung, intergenerationale Transfers zu erbringen. Ein Blick auf die familialen Strukturen lässt erkennen, dass die Enkelkinder keine Konkurrenten um grosselterliche Ressourcen darstellen; im Gegenteil, je mehr Enkelkinder vorhanden sind, desto eher werden Transfers geleistet. Die Anzahl der Kinder wirkt sich hingegen stark negativ auf die Wahrscheinlichkeit von (Geld-)Geschenken aus. Die Enkelkinder konkurrieren demnach nicht untereinander, sondern stehen im Wettbewerb mit ihren Tanten und Onkeln sowie den eigenen Eltern. Dies bestätigt die vorangegangenen Überlegungen und deskriptive Ergebnisse, die – erstens – die Kinder als Haupttransferempfänger grosselterlicher Leistungen identifizieren und – zweitens – auf eine durch starke ökonomische Verantwortung geprägte Eltern-Kind Beziehung hinweisen.
7.4 Einflussfaktoren auf finanzielle Transfers
153
In Modell 2 wird ersichtlich, dass das Alter des jüngsten Enkelkindes ebenfalls einen signifikant positiven Einfluss auf grosselterliche Solidarität hat. Dies bedeutet, dass Grosseltern auf die sich mit dem Alter der Enkelkinder verändernden Bedürfnisstrukturen reagieren. Hat der Grosselternteil in den letzten zwölf Monaten von mindestens einem Enkelkind zeitliche Transfers empfangen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines (Geld-)Geschenkes ebenfalls stark. Unter zeitlichen Transfers sind dabei Hilfe- oder Pflegeleistungen gefasst.24 Die Beziehung zwischen Grosseltern und Enkelkindern beruht, wie im Theorieteil dieser Arbeit aufgezeigt, auf einer starken „normativen Asymmetrie“ (Hoff 2007; Höpflinger, Hummel und Hugentobler 2006). Grosseltern fühlen sich gegenüber ihren Enkelkindern verpflichtet, erwarten aber seitens der Enkelkinder keine instrumentelle Unterstützung. Wird diese dennoch geleistet, empfinden Grosseltern möglicherweise hohe Schuld gegenüber ihren Enkeln, und Reziprozitätsnormen werden stimuliert. Die Gegenleistung in Form eines finanziellen Transfers erfolgt dabei im Regelfall zeitnah mit dem Empfang der instrumentellen Unterstützung, da der älteren Generation für unmittelbare Reziprozitätsprozesse oftmals keine Zeit bleibt. Auf der individuellen Ebene werden Einflüsse der Verpflichtungsgefühle der Befragten hinsichtlich des finanziellen Wohlergehens ihrer Enkelkinder und Familien sowie der Religiosität überprüft (Tabelle 7.1). Die religiöse Praktik des Betens weist keinen signifikanten Einfluss auf die Erbringung finanzieller Transfers auf. Selbst Grosseltern, die mehr als einmal wöchentlich beten, leisten nicht häufiger Transfers als Grosseltern, die angeben, nie zu beten. Das Erfahren einer religiösen Erziehung durch die eigenen Eltern erweist sich hingegen als relevant: Wurde ein Grosselternteil religiös erzogen, besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass er oder sie (Geld-)Geschenke an mindestens ein Enkelkind macht. In den Einzelmodellen in Tabelle 7.1 werden die Einflüsse ausgewählter Makroindikatoren auf finanzielle Transfers überprüft. Für die Modelle 1 bis 3 wurden Einschränkungen bezüglich des Alters des jüngsten Enkelkindes vorgenommen: In diesen Modellen werden die Auswirkungen der Kinderarmutsraten und der staatlichen Familienausgaben getestet. Die Stichprobe ist auf Grosseltern mit dem jüngsten Enkelkind unter 15 Jahren beschränkt. In dem Modell 2, in dem die Jugendarbeitslosigkeitsquote einbezogen wird, werden nur Grosseltern berücksichtigt, deren jüngstes Enkelkind zwischen 15 und 24 Jahre alt ist. Für das Modell 4 wird nach dem Alter des Grosselternteils eingeschränkt. Nur 24
Es handelt sich hierbei um 1. Hilfe im Haushalt (z.B. bei kleineren Reparaturen, bei der Gartenarbeit, beim Einkaufen oder bei der Hausarbeit), 2. Hilfe mit Behörden und Ämtern (z.B. beim Ausfüllen von Formularen, bei finanziellen oder rechtlichen Angelegenheiten) und um 3. Pflegedienste (Hilfe beim Anziehen, Duschen oder Baden, beim Essen, beim Hinlegen oder aus dem Aufstehen aus dem Bett sowie beim Benutzen der Toilette).
154
7 Finanzielle Transfers
Grosseltern, die sich im Pensionsalter befinden (über 65 Jahre), fliessen in die Stichprobe ein. Dieses Vorgehen soll gewährleisten, dass potentielle Empfänger der zu untersuchenden grosselterlichen Transfers überhaupt vorhanden sind oder im Fall von Modell 4, dass die Grosseltern tatsächlich bereits von wohlfahrtsstaatlichen Transfers profitieren können. Die Kinderarmutsquoten beeinflussen grosselterliche Unterstützung an Enkelkinder nicht, das Odds Ratio für diesen Makroindikator liegt nahe bei Eins und ist nicht signifikant. Dieses Ergebnis scheint auf den ersten Blick erstaunlich, dürfte doch in Ländern mit hohen Kinderarmutsquoten für mehr Grosseltern die Möglichkeit bestehen, in die Rolle der sogenannten silent saviors (Creighton 1991) zu schlüpfen und Unterstützung zu leisten. Andererseits haben die vorangegangenen Analysen und theoretischen Ergebnisse aufgezeigt, dass in erster Linie die Eltern die ökonomische Verantwortung für die Enkel tragen und Grosseltern nur in Ausnahmefällen als wichtige Versorger einspringen (Mutchler, Baker und Lee 2007). Es kann allerdings vermutet werden, dass viele Grosseltern durch Transfers an die Eltern ihre Enkelkinder indirekt unterstützen. Eine erhöhte Jugendarbeitslosigkeit in einem Land lässt die Grosseltern eher Transfers an die Enkelkinder leisten und deutet auf eine direkte, bedürfnisgeleitete Vergabe von (Geld-)Geschenken hin. In Länder mit wirtschaftlich schwierigen Rahmenbedingungen scheinen individuelle Notlagen einzelner Enkelkinder mit finanziellen Transfers durch Grosseltern abgefedert zu werden. Die staatlichen Leistungen an Familien schwächen hingegen finanzielle Transfers an Enkel ab. So leisten Grosseltern, die in Ländern mit gut ausgebauten wohlfahrtsstaatlichen Unterstüt-zungen für Familien wohnen, weniger häufig Transfers. Öffentliche Familienleistungen vermögen die Absicherung junger Familien zu gewährleisten und auch in finanzieller Hinsicht eine Defamilialisierung zu ermöglichen. Dieser Befund deutet auf ein crowding out grosselterlicher Unterstützung durch staatliche Leistungen hin.
7.4 Einflussfaktoren auf finanzielle Transfers
155
Tabelle 7.1: Einflussfaktoren auf finanzielle Transfers Opportunitäts- und Bedürfnisstrukturen
M 1a
M 2b
M 3c
M 4d
Alter: 66 - 80 Jahre (Ref: 50 - 65 Jahre) > 80 Jahre
1.55** 1.48 1.41 2.04**
1.55** / 0.84 2.01**
Geschlecht (Ref: weiblich)
1.12
0.94
1.13
Bildung:
1.44** * 2.00** * 1.28** * 1.02 0.82
1.66** 1.47** 1.49 1.75* * 1.81 2.05** * 1.15 1.28** 1.21** * 1.17 1.01 1.03 0.93 0.83 0.83
mittlere Bildung (Ref: tief) hohe Bildung Einkommen Gesundheit Paarhaushalt (Ref: Singlehaushalt)
1.04
Familiale Strukturen Anzahl an Kinder: 2 Kinder (Ref: 1 Kind) 3 oder mehr Kinder Anzahl an Enkel: 3 oder 4 Enkel (Ref: 1 oder 2 Enkel) mehr als 4 Enkel Jüngstes Enkelkind Zeitliche Transfers von Enkelkind(ern)
0.61** 0.61** 0.60** 0.71** * * 0.28** 0.28** 0.28** 0.41** * * * * 1.03
1.37
1.02** 0.96
1.44** 1.28** 1.42** * 1.06** 1.11** 1.06** * * 2.58** 0.93 2.62**
1.09 1.02** * 1.91**
1.00 1.17 0.99
1.05 1.24 0.98
Kulturell-kontextuelle Strukturen Gebetshäufigkeit: weniger als einmal wöchentlich (Ref: nie) einmal in der Woche mehrmals in der Woche oder öfters Religiöse Erziehung Verpflichtungsgefühle (Ref: stimme nicht/gar nicht zu) stimme weder zu noch nicht zu stimme zu/stimme voll zu
0.97 2.37 0.93
1.00 1.16 0.98
1.63** 1.25
1.43** 1.31
1.13 0.99 1.84** 1.10 *
1.16 0.89 1.90** 1.42** *
156
7 Finanzielle Transfers
Fortsetzung von Tabelle 7.1 Kinderarmut Jugendarbeitslosigkeit Ausgaben für Familien Ausgaben für Alters- und Hinterbliebenenrenten
1.01 1.09* 0.63** * 1.27** * M 4a
M 5b
M 6c
M 7d
Modelleigenschaften ICC Länderebene (Nullmodell): 0.27 Varianz Länderebene ohne Makroindikator
0.70 0.26 0.71 0.55 0 0 0 2 (0.130) (0.141) (0.133) (0.108)
Varianz Länderebene mit Makroindikator
0.67 9 (0.141) 7147 11
n (Personen) n (Länder)
1.07 4 (0.573) 1359 11
0.71 7 (0.166) 7147 11
0.24 0 (0.076) 5154 11
Quelle: SHARE 2004 release 2, eigene Berechnungen, logistische Mehrebenenmodelle mit robusten Standardfehlern, * p < 0.1, ** p < .05, *** p < .01; (a) und (c): In den Modellen 1 und 3 sind nur Grosseltern mit einem jüngsten Enkelkind jünger als 15 Jahren berücksichtigt. (b): Die Stichprobe für das Modell 2 besteht aus Grosseltern mit einem jüngsten Enkel zwischen 15 und 24 Jahren. (d): Im Modell 4 sind nur Grosseltern enthalten, welche älter als 65 Jahre sind. In diesem Modell fungieren deshalb die 66- bis 80-Jährige als Referenzkategorie, während die Kategorie der 50- bis 65-Jährigen wegfällt. Finanzielle Transfers sind operationalisiert als Leistung von (Geld-)Geschenke im Wert von 250 Euro oder mehr in den letzten zwölf Monaten.
Wie aber wirken sich wohlfahrtsstaatliche Transfers an die ältere Generation auf die Trans-ferwahrscheinlichkeit aus? Aus Modell 4 wird ersichtlich, dass höhere staatliche Ausgaben für Alters- und Hinterbliebenenrenten grosselterliche Transfers an die jüngere Generation stimulieren. Dieses Ergebnis lässt auf ein crowding in intergenerationaler Solidarität schliessen: Die ältere Generation wird durch staatliche Leistungen zur finanziellen Unterstützung an die jüngere Generation befähigt. Während also marktwirtschaftliche Risiken wie Arbeitslosigkeit die Leistung grosselterlicher Transfers eher stimulieren, haben wohlfahrtsstaatliche Ausgaben für Familien einen negativen Effekt auf die Wahrscheinlichkeit grosselterlicher finanzieller Transfers. Staatliche Ausgaben für Alters- und Hinterbliebenenrenten fördern die Fähigkeit der älteren Generation, Transfers zu leisten; Grosseltern, welche in Ländern leben, in denen sie von grosszügigen Rentenleistungen profitieren können, leisten eher finanzielle Hilfe an ihre Enkelkinder.
7.5 Zwischenfazit
157
7.5 Zwischenfazit 7.5 Zwischenfazit Enkelkinder erhalten neben den Kindern der Grosseltern am zweithäufigsten finanzielle Transfers. Allerdings liegen sie sowohl was die absolute Häufigkeit als auch die Transferhöhen betreffen relativ weit hinter den Kindern zurück. Die Betrachtung der Gründe für intergenerationale (Geld-)Geschenke liefert erste Hinweise für die Erklärung dieser Unterschiede: Transfers an Enkelkinder fliessen vor allem im Rahmen von Familienfesten, während die monetäre Unterstützung von Konsumaktivitäten und für die Bewältigung des Lebensunterhalts tendenziell seltener als Gründe für Transfers genannt werden. Die Erbringung von (Geld-)Geschenken ist für Grosseltern also stärker an ritualisierte Begegnungen mit den Enkelkindern geknüpft und in einem höheren Grad auf die Emotionalität der Beziehung begründet als bei Transfers an Kinder. Für die Eltern-KindBeziehung besteht eine weit höhere ökonomische Verantwortung der älteren für die jüngere Generation. Dennoch zeigen die genannten Gründe auch auf, dass ein Teil der grosselterlichen Transfers an die Bedürfnisse der Enkelkinder geknüpft ist, wie zum Beispiel Investitionen in die Ausbildung der Enkelkinder und die Unterstützung von Konsumaktivitäten. Die ungleiche Verteilung der Transfers zwischen Kindern und Enkelkindern besteht über die unterschiedlichen europäischen Länder hinweg. Allerdings finden sich Unterschiede im Ausmass der Differenz. Im Norden Europas werden die Kinder der Grosseltern sehr viel stärker bei der Vergabe von Transfers berücksichtigt als die Enkel. Dieses Schema trifft auf den Süden Europas nicht zu. Hier werden zwar insgesamt weniger Transfers geleistet, allerdings ähnlich häufig an Kinder wie auch an Enkelkinder. Es hat sich gezeigt, dass Grosseltern im Süden Europas stärkere Verpflichtungsgefühle für das finanzielle Wohlergehen ihrer Enkelkinder und deren Familien aufweisen. Südeuropäische Grosseltern verteilen ihre Ressourcen in Bezug auf die Häufigkeit der geleisteten Transfers homogener als nordeuropäische Grosseltern. Die Überprüfung der Einflussfaktoren auf grosselterliche Unterstützung für Enkelkinder ergibt, dass ökonomische und kulturelle Ressourcen der älteren Menschen die Wahrscheinlichkeit eines Transfers erhöhen. Zudem leisten ältere Grosseltern häufiger Transfers. Die Gesundheit der Grosseltern sowie deren Haushaltssituation spielen hingegen keine Rolle. Die Überprüfung der Auswirkungen der familialen Strukturen zeigt, dass Enkelkinder untereinander nicht im Wettbewerb um grosselterliche Transfers stehen. Die Enkelzahl hat keinen negativen Effekt auf die Wahrscheinlichkeit eines Transfers, sondern es zeigt sich, dass je mehr Enkelkinder vorhanden sind, desto eher wird für mindestens ein Enkelkind finanzielle Unterstützung geleistet. Je mehr Kinder ein Grosselternteil allerdings hat, desto weniger häufig fliessen monetäre Unterstützungen an min-
158
7 Finanzielle Transfers
destens ein Enkelkind. Diese Ergebnisse spiegeln einmal mehr die ungleiche Verteilung grosselterlicher finanzieller Leistungen zwischen der mittleren und der jüngsten Generation wider. Das Alter des jüngsten Enkelkindes wirkt sich grundsätzlich positiv auf die Erbringung von Transfers aus. Wenn davon ausgegangen wird, dass das Alter der Enkel Hinweise auf deren Bedürfnisstrukturen liefert, deutet dieser Befund auf eine bedarfsgeleitete Vergabe von grosselterlichen (Geld-)Geschenken. Eine weitere wichtige Variable stellt der Empfang von Hilfe und/oder Pflege von Enkelkindern dar. Grosseltern scheinen diese instrumentelle Unterstützung mit finanziellen Transfers zu vergüten und beugen so möglicherweise Schuldgefühlen vor. Diese Befunde lassen auf eine ausgeprägte „normative Asymmetrie“ zwischen Grosseltern und Enkelkindern schliessen (Höpflinger, Hummel und Hugentobler 2006: 10). Während an Enkelkinder keine normativen Unterstützungserwartungen gerichtet sind, berichten Grosseltern häufig, dass sie sich für das finanzielle Wohlergehen ihrer Enkel und deren Familien verantwortlich fühlen. Dabei sind im traditionalistisch orientierten Süden diese Verpflichtungsgefühle stärker ausgeprägt als im individualistischen Norden. Starke Verantwortungsgefühle gegenüber ihren Enkelkindern veranlassen Grosseltern zum Erbringen von finanziellen Transfers. Die religiöse Praxis des Betens zeigt hingegen keinen Effekt auf die Vergabe von (Geld-) Geschenken an die Enkelkinder, während aber religiös erzogene Grosseltern tendenziell eher Transfers leisten. Im Vordergrund der Wirkung religiöser Orientierung auf familiales solidarisches Handeln scheinen demzufolge nicht die Ausübung religiöser Praktiken wie jene des Betens zu stehen, sondern eher inkorporierte religiöse Werte, wie sie durch eine religiöse Erziehung vermittelt werden können. Die Überprüfung der Wirkung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen auf grosselterliche Solidarität zeigt, dass sich hohe Armutsquoten nicht auf die Vergabe von finanziellen Transfers auswirken, während eine hohe Jugendarbeitslosigkeit sehr wohl mehr Grosseltern dazu veranlasst, (Geld-)Geschenke zu machen. Auch weisen wohlfahrtsstaatliche Indikatoren starke Effekte auf. Staatliche Ausgaben für Familien reduzieren die Wahrscheinlichkeit ökonomischer Unterstützung an Enkelkinder und deuten auf ein crowding in intergenerationaler Solidarität hin. In Ländern, in denen die Familien der Enkel über hohe sozialstaatliche Absicherungen verfügen, kann von einer guten Versorgung der Enkelkinder ausgegangen werden, was die Notwendigkeit grosselterlicher Transfers reduziert. Bei den vorliegenden Analysen ist jedoch zu beachten, dass staatliche Ausgaben für die Familie universal für alle jungen Eltern eines Landes gelten und somit zu einer gesamtgesellschaftlichen Reduktion von Bedürfnissen führen. Ein erhöhtes Risiko für Arbeitslosigkeit oder Armut wirkt sich jedoch unmittelbar auf die Bedürfnisstrukturen einzelner Enkel aus. In den vorliegenden Analy-
7.5 Zwischenfazit
159
sen kann der Einfluss der individuellen Bedürfnisse der Enkel auf grosselterliche Unterstützung nicht mit einbezogen werden. Die Vermutung liegt jedoch nahe, dass Grosseltern neben gesamtgesellschaftlichen Risiken vor allem die spezifischen Lebenssituationen der jeweiligen Enkel und deren Familien berücksichtigen. Staatliche Investitionen in Alters- und Hinterbliebenenrenten wirken sich positiv auf die Leistungen von Grosseltern an ihre Enkelkinder aus und deuten auf ein crowding in intergenerationaler Transfers durch wohlfahrtsstaatliche Leistungen hin. Die Analyse der Entscheidungskriterien von Grosseltern, (Geld-)Geschenke an ihre Enkel zu leisten, liefert erste Hinweise auf eine Bedürfnisorientierung der geleisteten Transfers. Sehr wahrscheinlich ist jedoch ein Mix aus Bedürfnisorientierung und der Leistung von (Geld-)-Geschenken im Rahmen von emotionalen Bindungen und Ritualen. Grosseltern geniessen den Kontakt mit ihren Enkeln und könnten über Geschenke Anreize für diese Kontakte liefern. Zudem erfolgen über 30 Prozent der geleisteten Transfers an Enkelkinder in Europa im Rahmen von familiären Ereignissen. Diese Transfers werden womöglich wenig bedürfnisorientiert erbracht, sondern fliessen im Rahmen sozialer ritualisierter Anlässe (z.B. Geburt, Hochzeit). Andererseits gelten Grosseltern in der soziologischen Literatur als family watchdogs (Troll 1983) und silent saviors (Creighton 1991), die Enkelkinder und deren Familien in Notsituationen unterstützen. Um diesen Konzepten allerdings auf den Grund gehen zu können, ist die Berücksichtigung der individuellen Eigenschaften der Enkelkinder und deren Familien unerlässlich. Die Einnahme einer Dreigenerationenperspektive erweist sich auch für die Leistung finanzieller Transfers an Enkelkinder von grosser Bedeutung, kann hier jedoch leider nicht (ausreichend) erfolgen.
8 Fazit 8 Fazit 8 Fazit
Aufgrund einer höheren Lebenserwartung und zunehmend gesundem Altern stehen Familienmitglieder unterschiedlichsten Alters in regem Austausch miteinander (Rossi und Rossi 1990), wodurch multigenerationale Beziehungen – das heisst Beziehungen zwischen mehr als zwei Generationen – an Bedeutung gewinnen (Bengtson 2001). Ältere Menschen sind dabei nicht nur Empfänger von Hilfe- und Pflegeleistungen, sondern durchaus auch Quelle zeitlicher Transfers (Hoff 2007). Bis heute wurde funktionale intergenerationale Solidarität in soziologischen Studien vor allem anhand von Eltern-Kind-Beziehungen untersucht. Im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklungen gewinnen Grosseltern-EnkelBeziehungen und grosselterliche Transfers (auch für die vermittelnde ,Scharniergeneration )ދjedoch an Bedeutung. Die vorliegende Arbeit nimmt daher eine Erweiterung der Perspektive vor und rückt zwei wichtige Formen intergenerationaler Solidarität in den Vordergrund: Es geht einerseits um die Unterstützung, die Grosseltern ihren Kindern bei der Betreuung der Enkel zukommen lassen, und andererseits um grosselterliche (Geld-)Geschenke an Enkelkinder. Neben der Untersuchung der individuellen und familialen Bedingungen für intergenerationale Solidarität sind vor allem Länderunterschiede von Interesse für die zukünftige Gestaltung einer ,Generationenpolitikދ, weshalb in dieser Arbeit die Einflüsse ökonomischer Rahmenbedingungen und wohlfahrtsstaatlicher Arrangements auf funktionale Transfers an (Enkel-)kinder erarbeitet wurden. Grosselternschaft im gesellschaftlichen Wandel Die Integration von Grosseltern in das Unterstützungsnetzwerk von jungen Familien lässt sich auf die gestiegene Lebenserwartung und auf gesundes Altern älterer Menschen zurückführen. Parallel hierzu hat in den letzten Jahrzehnten ein Wandel des gesellschaftlichen Bildes von Grosselternschaft stattgefunden (z.B. Meischner 1997; Richter 1993). Während Anfang und Mitte des 20. Jahrhunderts Grosseltern eine marginale Rolle im familialen Netzwerk zugeteilt wurde, wird heute der Kontakt von Grosseltern mit ihren Enkeln als mehrheitlich positiv angesehen: Grosseltern stellen eine wichtige Bezugsperson für junge Kinder dar, weisen aber andererseits andere Verhaltensmuster auf als die Eltern, was förder-
C. Igel, Großeltern in Europa, DOI 10.1007/978-3-531-93055-8_8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
162
8 Fazit
lich für die Entwicklung und die Sozialisation des Kindes sein kann (z.B. Bertram 1994; Höpflinger 2009; Krappman 1997). Anstatt Grosselternschaft in Verbindung mit stereotypisierten Rollenbildern zu bringen, werden heute vielfältige und individuell ausgestaltete Beziehungsstile der Grosseltern zu ihren Enkeln wahrgenommen. Grosseltern können dabei eine stärkere intrafamiliale oder extrafamiliale Orientierung aufweisen (Robertson 1977), die sich auf die Art des Umgangs mit den Enkelkindern und deren Familien auswirkt. Dabei spielen neben Persönlichkeitsmerkmalen der Grosseltern sozioökonomische und familiale Strukturen eine massgebliche Rolle (z.B. Herlyn und Lehman 1998; Robertson 1977). Innerhalb unterschiedlicher Beziehungstypen entwickeln sich nicht nur das affektive Verhältnis der familialen Generationen zueinander, sondern ebenfalls die Ausgestaltung praktischer Unterstützung oder finanzieller Transfers. Moderiert wird die Beziehung dabei durch die mittlere Generation, den Eltern der Enkel. Sie fungieren als sogenannte gatekeeper (Knipscheer 1988; Robertson 1975) und koordinieren vor allem bei jüngeren Enkeln die gemeinsamen Aktivitäten der jüngeren mit der älteren Generation. Das Einbinden der Grosseltern in Betreuungsaufgaben wird dabei zu einer wichtigen Basis für deren spätere Beziehung zu den Enkelkindern (z.B. EvenZohar und Sharlin 2009). Die funktionale Dimension in der Beziehung zwischen Grosseltern und Enkelkindern wurde in der soziologischen Forschung bisher kaum beachtet. Vielmehr stehen die Emotionalität der Beziehung und damit die affektive oder assoziative Solidarität zwischen Grosseltern und Enkeln im Mittelpunkt des Forschungsinteresses (z.B. Cronsoe 2002; Höpflinger, Hummel und Hugentobler 2006). Dabei erweisen sich Grosseltern besonders hinsichtlich der Betreuung ihrer Enkel als wichtige Quelle intergenerationaler Unterstützung; zwischen 39 und 58 Prozent aller Grosseltern in den SHARE-Ländern unterstützen ihre Kinder – also die Eltern der Enkel – durch die Leistung von Kinderbetreuung. Funktionale Solidarität zwischen Grosseltern und Enkeln Das Modell intergenerationaler Solidarität identifiziert die Bedingungen zeitlicher und finanzieller Transfers von Grosseltern an ihre (Enkel)Kinder und postuliert, dass neben den Opportunitäten der Grosseltern auch die Bedürfnisse der Enkel und der Eltern der Enkel wichtige Erklärungsfaktoren sind (Szydlik 2000). Damit wird den heterogenen grosselterlichen Beziehungsstilen und der Rolle der mittleren Generation Rechnung getragen. Der für die vorliegende Arbeit verwendete SHARE-Datensatz ermöglicht den Einbezug sowohl der Eigenschaften der Enkel als auch der Eltern und gewährleistet die Einnahme einer Dreigenerationenperspektive. Neben den Opportunitäts- und Bedürfnisstrukturen der Gross-
8 Fazit
163
eltern erweisen sich die familiale Struktur sowie die kulturell-kontextuellen Bedingungen als relevant für intergenerationale Solidarität. Es zeigt sich, dass Grosseltern, die gesund und aktiv sind, in einer Partnerschaft leben und keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, eher Transfers an (Enkel-) Kinder leisten. Ob und wie intensiv Grosseltern Enkelbetreuung leisten, hängt zudem von ihrem Bildungsstand ab. Grosseltern mit einer hohen Bildung verfügen über mehr kulturelles Kapital und sind eher in die Betreuung ihrer Enkelkinder involviert. Andererseits weisen gut ausgebildete Grosseltern gleichzeitig höhere Opportunitätskosten für die Erbringung zeitlicher Transfers auf, was weniger zeitintensive Enkelbetreuung zur Folge haben kann. Enkelbetreuung wird zudem stark von den Bedürfnissen der mittleren Generation (den Eltern der Enkelkinder) beeinflusst. Vor allem die Erwerbstätigkeit von jungen Müttern und das Vorhandensein junger Enkel erfordert die Erbringung von grosselterlicher Kinderbetreuung. Enkelbetreuung wird dabei vor allem über die Matrilinie organisiert: Grossmütter leisten am häufigsten und intensivsten Enkelbetreuung für ihre Töchter. An zweiter Stelle steht die Grossvater-Tochter-Konstellation, während am seltensten Transfers zwischen Müttern und Söhnen sowie Vätern und Söhnen fliessen. Diese Befunde unterstützen die sogenannte kin keeper-These, die besagt, dass sich vor allem Frauen für den Zusammenhalt des Verwandtschaftsnetzwerks verantwortlich zeigen (Rossi und Rossi 1990). Sie deuten zudem darauf hin, dass hauptsächlich Mütter die Organisation von Kinderbetreuung übernehmen und sich zu diesem Zweck an ihre eigenen Eltern wenden. Grosseltern werden von Müttern oft als präferierte familiale Betreuungsperson in Anspruch genommen, was möglicherweise darauf zurückgeführt werden kann, dass die sogenannte non interference norm (Aldous 1995) grösstenteils Bestand hat. Es hat sich gezeigt, dass nur wenige Grosseltern mit ihren Kindern über Fragen zur Erziehung der Enkel in Konflikt geraten. Dabei kann kein Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Auseinandersetzungen und grosselterlichen Kinderbetreuungsaktivitäten aufgezeigt werden. Oftmals haben Grosseltern mehr als nur ein (Enkel-)Kind und sie müssen ihre Leistungen auf unterschiedliche Personen aufteilen. Insgesamt schwächt die Anzahl der Kinder die Häufigkeit und die Intensität intergenerationaler Solidarität ab. Dies zeigt sich sowohl für die Leistung von finanziellen Transfers als auch für die Erbringung von Kinderbetreuung und unterstreicht, dass die einzelnen Kinder in Bezug auf grosselterliche Unterstützung in Konkurrenz miteinander stehen (Coall et al. 2009; Walker et al. 2008). Neben instrumentellen Hilfeleistungen an die Eltern der Enkel stehen Grosseltern ihren Enkelkindern oftmals mit Rat und Tat zur Seite und helfen auch bei monetären Engpässen aus. Grundsätzlich hat die sozialwissenschaftli-
164
8 Fazit
che Forschung bisher kaum eine empirische Fundierung der viel zitierten Konzepte von Grosseltern als family watchdogs (Troll 1983) oder silent saviors (Creighton 1991) hervorgebracht. Vor allem finanzielle Transfers werden im Rahmen der Grosseltern-Enkelkind-Beziehung sehr selten untersucht. Diese Arbeit legt wichtige Ergebnisse bezüglich der ökonomischen Unterstützung von Enkelkindern vor. Das sogenannte „Kaskadenmodell“ (z.B. Kohli et al. 2005) finanzieller Transfers – welches besagt, dass ökonomische Unterstützung hauptsächlich von der älteren an die jüngere Generation fliesst – konnte dabei auch in dieser Studie aufgezeigt werden. Enkelkinder erweisen sich nach den Kindern der Grosseltern als zweitwichtigste Empfänger intergenerationaler finanzieller Transfers; sie erhalten jedoch sehr viel weniger oft (Geld-)Geschenke und die Höhe der geleisteten Transfers erweist sich als wesentlich tiefer. Bedeutsam für die Erbringung von finanzieller Unterstützung ist das individuelle Einkommen der Grosseltern; je mehr finanzielle Ressourcen vorhanden sind, desto eher werden (Geld-)Geschenke gegeben. Inwiefern genau die Bedürfnisse der Enkelkinder eine Rolle spielen, konnte in dieser Arbeit nicht vollständig geklärt werden. Einerseits wirkt sich das Alter des jüngsten Enkelkindes tendenziell positiv auf die Leistung finanzieller Transfers aus, und hohe Jugendarbeitslosigkeit veranlasst die Grosseltern eher dazu, (Geld-)Geschenke zu machen. Diese Ergebnisse könnten als Hinweis auf die bedarfsorientierte Vergabe von finanzieller Unterstützung gewertet werden, da Enkelkinder in der Regel mit steigendem Alter stärkere ökonomische Bedürfnisse aufweisen. Zudem gibt ein Teil der Grosseltern an, finanzielle Transfers zu leisten, um damit Konsumaktivitäten oder den Lebensunterhalt der Enkelkinder zu unterstützen. Andererseits werden die meisten (Geld-)Geschenke im Rahmen von Familienfesten erbracht, was auf eine ritualisierte, emotionsgebundene Vergabe hindeutet. Grosselterliche finanzielle Transfers basieren demnach auf der Emotionalität der Beziehung zwischen Grosseltern und Enkelkindern, scheinen aber auch zu einem gewissen Grad die materiellen Bedürfnisse der jüngsten Generation zu berücksichtigen. Um in dieser Frage mehr Klarheit zu schaffen, wird es für zukünftige Forschungsvorhaben zu finanziellen Transfers an Enkelkinder unerlässlich sein, eine Dreigenerationenperspektive einzunehmen und sowohl die Bedürfnisstruktur der jüngsten als auch der mittleren Generation mit einzubeziehen. (Geld-)Geschenke fliessen zudem sehr viel häufiger an Enkelkinder, wenn die Grosseltern intergenerationale Hilfe und Pflege von diesen erhalten. Dieser Befund unterstützt die These, dass die Beziehung zwischen Grosseltern und ihren Enkelkindern durch eine sogenannte „normative Asymmetrie“ gekennzeichnet ist (Höpflinger, Hummel und Hugentobler 2006: 10). Grosseltern erwarten von ihren Enkelkindern keine Hilfeleistungen, empfinden jedoch für das Wohlergehen ihrer Enkel eine starke Verantwortung. Wenn ein Enkelkind Hilfe oder
8 Fazit
165
Pflege in Bezug auf die Grosseltern leistet, fühlen diese sich verpflichtet, die empfangenen zeitlichen Transfers mit (Geld-)Geschenken zu kompensieren. Es setzen also Reziprozitätsnormen ein, wobei davon ausgegangen werden kann, dass im Falle der Unterstützung von Grosseltern durch Enkelkinder die Rückzahlung nicht im Sinne eines utilitaristischen Prozess stattfindet, sondern moralische Richtlinien im Vordergrund stehen (z.B. Gouldner 1960). Diese dienen dazu, die Verletzung des Grundsatzes der sogenannten „normativen Asymmetrie“ zwischen Grosseltern und Enkeln aufzuheben und den Gleichgewichtszustand zwischen Geben und Nehmen wieder herzustellen. Grosselternschaft im Wohlfahrtsstaat Grosselternschaft wird heutzutage zwar weniger stark von gesellschaftlichen Rollenbildern geprägt, dennoch lassen sich nationale Unterschiede in Bezug auf Unterstützungsleistungen zwischen Grosseltern und Enkelkindern finden. Dabei zeichnet sich der Süden Europas durch einen starken Familialismus aus, während im Norden ein individualistischer Denkstil vorherrscht (Fux 1994). Dementsprechend weisen in Italien, Spanien und Griechenland Grosseltern starke Verantwortungsgefühle gegenüber dem finanziellen Wohlergehen ihrer Enkel und deren Familien auf und sind zudem der Meinung, dass Grosseltern ihre Kinder bei der Betreuung der Enkel unterstützen sollen. Bei Grosseltern in Schweden und Dänemark herrschen hingegen weniger starke Verpflichtungsnormen. Diese kulturellen Normen spiegeln sich in den strukturellen Rahmenbedingungen und der Ausgestaltung der europäischen Wohlfahrtsstaaten. Es zeigt sich, dass in Nordeuropa, Frankreich und den Niederlanden mehr Grosseltern in die Betreuung ihrer Enkel involviert sind als in Südeuropa, Deutschland und der Schweiz. Betrachtet man hingegen die Intensität der Betreuungsaktivitäten, leisten südeuropäische Grosseltern sehr viel mehr wöchentliche Betreuungsstunden als Grosseltern in Nordeuropa. Enkelbetreuung in Europa kann also den Charakter einer gelegentlichen spontanen Hilfeleistung annehmen oder aber einer intensiven, stark an den Bedürfnissen der jungen Eltern orientierten Dienstleistung gleichen. Mit etwa 30 Prozent leistet ein beachtlicher Teil südeuropäischer Grosseltern mehr als 40 Stunden Betreuungszeit wöchentlich, was einer Vollzeitanstellung gleichkommt. Die Analysen zeigen, dass staatliche Ausgaben für Familien einerseits die Wahrscheinlichkeit grosselterlicher Kinderbetreuung positiv beeinflussen und andererseits die Intensität der erbrachten Enkelbetreuung reduzieren. Diese Befunde lassen auf ein crowding in der Häufigkeit grosselterlicher Transfers schliessen, während die Intensität der Enkelbetreuung einem crowding outEffekt unterliegt. In den sozialdemokratischen Ländern mit ausgebauten Fami-
166
8 Fazit
lienleistungen, wie zum Beispiel Kinderbetreuungseinrichtungen und langer Elternzeit, können mehr Kinder von grosselterlichen Leistungen profitieren. In südeuropäischen Wohlfahrtsstaaten mit geringen Investitionen für Familien wird zwar weniger oft Betreuung geleistet, wenn aber ein Grosselternteil zum Einsatz kommt, fallen sehr viel mehr Betreuungsstunden an. Diese Befunde unterstützen die sogenannte „Komplementaritätsthese“, die auf die Ergänzung staatlicher Leistungen durch familiale Unterstützungen hinweist (Attias-Donfut und Wolff 2000). Die helfenden Angehörigen werden dabei durch öffentliche Leistungen entlastet. Dadurch können sie einerseits viel ungebundener einen Teil der nachgefragten Unterstützung übernehmen und andererseits ihre Ressourcen auf mehr Familienmitglieder aufteilen. Enkelbetreuung in Italien, Griechenland und Spanien hat oftmals den Charakter einer Vollzeitaufgabe, was nicht zuletzt die Risiken für eine Überforderung der älteren Generation erhöht (z.B. Guzman 1998; Wheelock und Jones 2002). Von der Entlastung der Grosseltern durch öffentliche Kinderbetreuungsmassnahmen und der Finanzierung von Elternzeit profitieren oftmals die Familien der Söhne. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass Grosseltern in erster Linie ihren Töchtern bei Kinderbetreuungsaufgaben helfen und nur dann den Söhnen Unterstützung gewährleisten, wenn genügend freie Ressourcen vorhanden sind. Familienpolitische Massnahmen tragen folglich dazu bei, Grosseltern zu entlasten und ihre Hilfeleistungen auch den Söhnen zugutekommen zu lassen. Auch finanzielle Transfers an Enkelkinder werden nicht nur durch die individuellen Merkmale der Grosseltern beeinflusst, sondern unterliegen ebenfalls wohlfahrtsstaatlichen Strukturen. So weisen Griechenland, Italien, Österreich und Deutschland hohe staatliche Ausgaben für Alters- und Hinterbliebenenrenten auf, und gleichzeitig berichten in diesen Ländern mehr Grosseltern von (Geld-) Geschenken an ihre Enkelkinder. In den Niederlanden, der Schweiz und Dänemark investiert der Staat sehr viel weniger in die Finanzierung von Renten, und ein geringerer Anteil an Grosseltern lässt den Enkelkindern finanzielle Unterstützung zukommen. Der Einfluss der staatlichen Ausgaben deutet auf ein crowding in finanzieller Transfers an Enkelkinder durch staatliche Unterstützungsleistungen an die ältere Generation hin. Der Staat befähigt demnach die ältere Generation, durch stark ausgebaute Rentenleistungen finanzielle Transfers an Enkelkinder zu leisten. Wohlfahrtsstaatliche Ausgaben für Familien reduzieren hingegen die Bedürfnisse der jungen Generation und führen zu weniger finanziellen Transfers an Enkelkinder. Dieses Muster deutet auf ein crowding out grosselterlicher Solidarität hin: In Ländern, in denen familienpolitische Massnahmen der jüngeren Generation Unterstützung gewähren, werden seltener Transfers geleistet, da hier der Bedarf nach intergenerationaler Solidarität geringer ist.
8 Fazit
167
Sozialpolitische Implikationen In Europa hat in den letzten Jahrzehnten eine gesteigerte Nachfrage nach externer Kinderbetreuung eingesetzt. Die Europäische Union fordert ihre Mitgliedstaaten auf, das staatliche Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen auszubauen, um so die Erwerbstätigkeit von jungen Frauen zu erleichtern und gleichzeitig die europäischen Fertilitätsraten zumindest zu stabilisieren oder sogar zu fördern. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit dadurch tatsächlich die von vielen Stimmen kritisierte Verlagerung von Kinderbetreuungsaufgaben weg von der Familie hin zu staatlichen Institutionen stattfindet und ob Grosseltern demzufolge ihre Stellung im intergenerationalen Netzwerk einbüssen. Die Analysen in dieser Studie haben gezeigt, dass die Intensität grosselterlicher zeitlicher Transfers durch die Bereitstellung öffentlicher Kinderbetreuung verringert wird. Auf der anderen Seite wird intergenerationale Solidarität aber durch Entlastungsprozesse gefördert, und es erklären sich mehr Grosseltern bereit, Kinderbetreuungsaufgaben zu übernehmen. Zudem können sie ihre Unterstützung bei geringerer Beanspruchung durch einzelne Kinder auf mehr Kinder verteilen. Der steigenden Nachfrage nach externer Kinderbetreuung kann demnach durch eine effiziente Kooperation zwischen formalen Organisationen und Familienmitgliedern am besten Folge geleistet werden; denn auch wo stark ausgebaute Kinderbetreuungsstrukturen bestehen, sind Grosseltern wichtig. Öffentliche Kinderbetreuung kann den Betreuungsbedarf von erwerbstätigen Eltern nie gänzlich abdecken. Auch in Schweden und Dänemark springen Grosseltern sporadisch ein, zum Beispiel dann, wenn Enkel krank sind oder die Eltern spezielle zeitliche Engpässe haben. Je mehr die Grosseltern entlastet werden, desto eher können sie dabei ihre Ressourcen aufteilen, und je mehr Hilfe der Staat zur Verfügung stellt, desto leichter fällt die Kooperation zwischen familialer und institutioneller Betreuung. Eine Ergänzung institutioneller Betreuung durch grosselterliche Hilfe ermöglicht dabei einen qualitativ hohen Standard von Kinderbetreuung, denn der Einbezug von Grosseltern in die Fürsorge der Kinder bringt Vorteile mit sich. Erstens wird durch enge Grosseltern-Enkel-Beziehungen die Basis für spätere intergenerationale Unterstützungsleistungen gelegt (Silverstein, Giarrusso und Bengtson 2003) und zweitens erweist sich ein moderater und ausgewogener Einbezug älterer Menschen in Kinderbetreuungsaufgaben als vorteilhaft für alle Generationen: Enkelkinder profitieren von dem Kontakt zu den Grosseltern und deren Zuwendung, was sich positiv auf ihre psychologische Entwicklung auswirken kann (Bertram 1994; Krappman 1997). Die Eltern der Enkel erfahren eine wesentliche Entlastung bei der täglichen Haushaltsorganisation durch eine vertraute familiale Bezugsperson (Silverstein, Giarrusso und Bengtson 2003), und nicht zuletzt wird die ältere Generation unge-
168
8 Fazit
zwungen in das Familienleben integriert und kann die gewünschte emotionale Nähe zu den Enkelkindern geniessen.
Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis
Abrahamson, P. und Wehner, C. (2008). Current Issues of Family Policy in Denmark: In I. Ostner und C. Schmitt (Hrsg.), Family Policies in the Context of Family Change. The Nordic Countries in Comparative Perspective (pp. 57-74). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Adloff, F. und Sigmund, S. (2005). Die gift economy moderner Gesellschaften. Zur Soziologie der Philanthropie. In: F. Adloff und S. Mau (Hrsg.), Vom Geben und Nehmen (pp. 213-235). Frankfurt: Campus Verlag. Albertini, M., Kohli, M. und Vogel, C. (2006). Transfers of Time and Money among Elderly Europeans and Their Children: Common Patterns – Different Regimes? Berlin: Freie Universität Berlin. Aldous, J. (1995). New Views of Grandparents in Intergenerational Context. Journal of Family Issues, 16(1), 104-122. Allport, G. W. (1954). The Nature of Prejudice. Cambridge, MA: Perseus Books. Altonji, J. G., Hayashi, F. und Kotlikoff, L. J. (1992). Is the Extended Family Altruistically Linked? Direct Test Using Macro Data. American Economic Review, 82(5), 1177-1198. Altonji, J. G., Hayashi, F. und Kotlikoff, L. J. (1997). Parental Altruism and InterVivos Transfers: Theory and Evidence. Journal of Political Economy, 105(6), 1121-1166. Andreoni, J. (1989). Giving with Impure Altruism: Applications to Charity and Ricardian Equivalence. Journal of Public Economics, 97, 1447-1458. Antonucci, T. C. und Jackson, J. S. (1990). The Role of Reciprocity in Social Support. In: B. R. Sarason, I. G. Sarason und G. R. Pierce (Hrsg.), Social Support: An Interactional View. New York: John Wiley and Sons. Antonucci, T. C. und Jackson, J. S. (2003). Ethnic and Cultural Differences in Intergenerational Social Support. In: V. L. Bengtson und A. Lowenstein (Hrsg.), Global Aging and Challenges to Families (pp. 355-370). New York: Aldine de Gruyter. Anttonen, A., und Sipilä, J. (1996). European Social Care Services: Is It Possible To Identify Models ? Journal of European Social Policy, 6(2), 87-100. Attias-Donfut, C. (1995). Le double circuit des transmissions. In: C. AttiasDonfut (Hrsg.), Les solidarités entre générations. Vieillesse, familles, État (pp. 41-81). Paris: Éditions Nathan. C. Igel, Großeltern in Europa, DOI 10.1007/978-3-531-93055-8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
170
Literaturverzeichnis
Attias-Donfut, C. (2000). Rapports de générations: Transferts intrafamiliaux et dynamique macrosociale. Revue Francaise de Sociologie, 41(4), 643-684. Attias-Donfut, C. (2001). The Dynamics of Elderly Support: The Transmission of Solidarity Patterns between Generations. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 34, 9-15. Attias-Donfut, C. und Segalen, M. (2007). Grands-parents. La famille à travers les générations. Paris: Odile Jacob. Attias-Donfut, C. und Segalen, M. (2002). The Construction of Grandparenthood. Current Sociology, 50(2), 281-294. Attias-Donfut, C. und Wolff, F.-C. (2000). Complementarity between Private and Public Transfers In: C. Attias-Donfut und S. Arber (Hrsg.), The Myth of Generational Conflict: The Family and State in Ageing Societies London: Routledge. Attias-Donfut, C., Ogg, J. und Wolff, F.-C. (2005). European Patterns of Intergenerational Financial and Time Transfers. European Journal of Aging, 2, 161-173. Barranti, C. C. R. (1985). The Grandparent/Grandchild Relationship: Family Resource in an Era of Voluntary Bonds. Family Relations, 34, 343-352. Bass, S. A. und Caro, F. G. (1996). The Economic Value of Grandparental Assistance. Generations, 20(1), 29-33. Baude, A. (1992). Visionen om jämställdhet. Stockholm: SNS. Bawin-Legros, B. und Stassen, J. F. (2002). Intergenerational Solidarity: Between the Family and the State. Current Sociology, 50(2), 243-262. Baydar, N. und Brooks-Gunn, J. (1998). Profiles of Grandmothers Who Help Care for their Grandchildren in the United States. Family Relations, 47, 385-393. Beaujot, R. (1997). Parental Preferences for Work and Childcare. Canadian Public Policy, 23(3), 275-288. Becker, Gary S. (1991). A Treatise on the Family. Cambridge Massachusetts: Harvard University Press. Beckmann, P. (2001). Neue Väter braucht das Land! Wie stehen die Chancen für eine stärkere Beteiligung der Männer am Erziehungsurlaub. Nürnberg: IAB – Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Beckmann, P. (2002). Zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Tatsächliche und gewünschte Arbeitszeitmodelle von Frauen mit Kindern liegen noch weit auseinander. Nürnberg: IAB – Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Bengtson, V. L. (1985). Diversity and Symbolism in Grandparental Roles. In: V. L. Bengtson und J. F. Robertson (Hrsg.), Grandparenthood (pp. 11-25). Beverly Hills, CA: Sage.
Literaturverzeichnis
171
Bengtson, V. L. (2001). Beyond the Nuclear Family: The increasing importance of multigenerational bonds. Journal of Marriage and the Familiy, 63(1), 116. Bengtson, V. L., Rosenthal, C. und Burton, L. M. (1990). Families and Aging: Diversity and Heterogeneity. In: R. Binstock und L. George (Hrsg.), The Handbook of Aging and the Social Sciences (pp. 263-287). San Diego: Academic Press. Berger, M. und Black, D. (1992). Child Care Subsidies, Qualitiy of Care, and the Labor Supply of Low-Income, Single Mothers. Review of Economics and Statistics, 74(4), 635-642. Bernheim, D., Shleifer, A. und Summers, L. H. (1985). The Strategic Bequest Motive. The Journal of Political Economy, 93(6), 1045-1076. Bertram, H. (1994). Wertewandel und Werttradierung. In: W. Bien (Hrsg.), Eigeninteresse oder Solidarität. Beziehungen in modernen Mehrgenerationenfamilien (pp. 14-280). Opladen: Leske + Budrich. Bertram, H. (2000). Die verborgenen familiären Beziehungen in Deutschland: Die multilokale Mehrgenerationenfamilie. In M. Kohli und M. Szydlik (Hrsg.), Generationen in Familie und Gesellschaft (pp. 97-121). Opladen: Leske + Budrich. Bimbi, F. und Della Sala, V. (2003). Italy: Policy without Participation. In: J. Jenson und M. Sineau (Hrsg.), Who Cares? Women’s Work, Childcare, and Welfare State Redesign (pp. 118-145). Toronto: University of Toronto Press. Björnberg, U. und Latta, M. (2007). The Role of the Family and the Welfare State. Current Sociology, 55(3), 415-445. Björnberg, U. und Dahlgren, L. (2008). Family Policy. The Case of Sweden. In: I. Ostner und C. Schmitt (Hrsg.), Family Policies in the Context of Family Change (pp. 37-56). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Blome, A., Keck, W. und Alber, J. (2008). Generationenbeziehungen im Wohlfahrtsstaat. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. BMFSFJ (Hrsg.) (2006). Familie zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit. Perspektiven für eine lebenslaufbezogene Familienpolitik. Siebter Familienbericht. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, verfasst von Allmendinger, J., Bertram, H., Fthenakis, W. E., Krüger, H., Meier-Gräwe, U., Spieß, K. und Szydlik, M. Bonsang, E. (2007). How do Middle-Aged Children Allocate Time and Money Transfers to their Older Parents in Europe. Empirica, 34, 171-188. Bowers, B. F. und Myers, B. J. (1999). Grandmothers Providing Care for Grandchildren: Consequences of Various Levels of Caregiving. Family Relations, 48(3), 303-311.
172
Literaturverzeichnis
Brake, A. (2005). Intergenerationale Austauschprozesse und ihre Voraussetzungen in familialen Mehrgenerationennetzwerken. In: U. Otto und P. Bauer (Hrsg.), Mit Netzwerken professionell zusammenarbeiten. Band I: Soziale Netzwerke in Lebenslauf- und Lebenslagenperspektive. Fortschritte der Gemeindepsychologie und Gesundheitsförderung. Band 11-12 (pp. 209238). Tübingen: Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie. Brandis, J. (2003). Grandparents as Childcare Givers for Working Mothers. A Literature Review in Spain and other Advanced Societies. Madrid: Unversidad Carlos III de Madrid. Brandon, P. D. (2000). An Analysis of Kin-Provided Child Care in the Context of Intrafamily Exchanges: Linking Components of Family Support for Parents Raising Young Children. American Journal of Economics and Sociology, 59(2), 191-216. Brandt, M. (2009). Hilfe zwischen Generationen. Ein europäischer Vergleich. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Brandt, M., Haberkern, K. und Szydlik, M. (2009). Help and Care Between Generations in Europe. European Sociological Review, 25, 5, 585-601. Brandt, M., Deindl, C., Haberkern, K. und Szydlik, M. (2008). Reziprozität zwischen den Generationen: Familiale Transfers im Lebenslauf. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 41, 374-381. Browne, W.J. (2009). MCMC Estimation in MLwiN v2.1. Centre for Multilevel Modelling, University of Bristol. Blüher, S. (2003). Wie langlebig ist die Solidarität? Generationsbeziehungen in den späten Lebensjahren. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 36(2), 110-114. Cardia, E. und Ng, S. (2002). Intergenerational Time Transfers and Childcare. Review of Economic Dynamics, 6, 431-454. Carlos, M. P. (2000). The Politics of Family Policies: Greece, Spain, and Portugal Compared. In: A. Pfenning und T. Bahle (Hrsg.), Families and Family Policies in Europe (pp. 49-89). Frankfurt am Main: Peter Lang. Caspi, A. (1984). Contact Hypothesis and Inter-age Attitudes: A Field Study of Cross-age Contact. Psychology Quarterly, 47(1), 74-80. Cherlin, A. J. (1999). Public and Private Families. New York: McGraw-Hill. Cherlin, A. J. und Furstenberg, F. F. J. (1985). The New American Grandparent. A Place in the Family, a Life Apart. New York: Basic Books. Chvojka, E. (2003). Geschichte der Grosselternrollen vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Köln: Böhlau Verlag. Clarke, P. (2008). When Can Group Level Clustering Be Ignored? Multilevel Models versus Single-level Models with Sparse Data. Journal of Epidemiology and Community Health 62, 752-758.
Literaturverzeichnis
173
Clausen, J. (1993). Kontinuität und Wandel in familialen Generationenbeziehungen. In: K. Lüscher und F. Schultheis (Hrsg.), Generationenbeziehungen in „postmodernen“ Gesellschaften. Konstanz: Universitätsverlag. Clingempeel, W. G., Colyar, J. J., Brand, E. und Hetherington, E. M. (1992). Children’s Relationships with Maternal Grandparents: A Longitudinal Study of Family Structure and Pubertal Status Effects. Child Development, 63(6), 1404-1422. Coall, D. A., Meier, M., Hertwig, R., Wänke, M. und Höpflinger, F. (2009). Grandparental Investment: The Influece of Reproductive Timing and Family Size. American Journal of Human Biology, 21, 455-463. Copen, C. E., Biblarz, T. J., Silverstein, M. und Bengtson, V. L. (2005). The Ties That Bind: Intergenerational Transmission of Religious Values Within American Families. Paper presented at the Annual meeting of the American Sociological Association. Cordon, J. A. F. (1997). Youth Residential Independence and Autonomy: A Comparative Study. Journal of Family Issues, 18, 576-607. Cox, D. (1987). Motives for Private Income Transfers. Journal of Political Economy, 95(3), 508-546. Cox, D. und Jakubson, G. (1995). The Connection Between Public Transfers and Private Interfamily Transfers. Journal of Public Economics, 57, 129-167. Cox, D. und Rank, M. R. (1992). Inter-Vivos Tranfers and Intergenerational Exchange. The Review of Economics and Statistics, 74(2), 305-314. Creighton, L. L. (1991, December 15): Silent saviors. U.S. News and World Reports. Cronsoe, R. und Elder Jr., G. H. (2002). Life Course Transitions, the Generational Stake, and Grandparent-Grandchild Relationships. Journal of Marriage and Family, 64, 1089-1096. Cumming, E. und Henry, W. E. (1961). Growing Old. New York: Basic Books. Daatland, S. O. (2001). Ageing Families and Welfare Systems: Comparative Perspectives. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 34, 16-20. Dafflon, B. (2003). La politique familiale en Suisse: enjeux et défis. Lausanne: Éditions Réalités Sociales. Dahlström, E. (1962). Kvinnors liv och arbete. Stockholm: SNS. Daune-Richard, A.-M. und Mahon, R. (2003). Sweden: Models in Crisis. In: J. Jenson und M. Sineau (Hrsg.), Who Cares? Women’s Work, Childcare, and Welfare State Redesign (pp. 146-176). Toronto: University of Toronto. Deindl, C. (2009). Finanzielle Transfers zwischen Generationen: Ein europäischer Vergleich. Zürich, unveröffentlichte Dissertationsschrift. Dench, G. und Ogg, J. (2003). Grandparenting in Britain. A Baseline Study. London: Institute of Community Studies.
174
Literaturverzeichnis
Del Boca, D. und Vuri, D. (2006). The Mismatch Between Employment and Child Care in Italy: The Impact of Rationing. Turin: Centre for Household, Income, Labour and Demographic Economics. Delwit, P., De Waele, J.-M. und Magnette, P. (1999). Gouverner la Belgique: clivages et compromis dans une société complexe. Paris: Presses universitaires de France. Dimova, R. und Wolff, F.-C. (2006). Do Downwards Private Transfers Enhance Maternal Labor Supply? Evidence From around Europe. Bonn: Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA). Dimova, R. und Wolff, F.-C. (2008). Grandchild Care Transfers by Ageing Immigrants in France: Intra-household Allocation and Labour Market Implications. European Journal of Population, 24, 315-340. Eggebeen, D. J. und Hogan, D. P. (1990). Giving Between Generations in American Families. Human Nature, 1(3), 211-232. Elder Jr., G. H. (1994). Time, Human Agency, and Social Change: Perspectives on the Life Course. Social Psychology Quarterly, 54(1), 4-15. Esping-Andersen, G. (1990). The Three Worlds of Welfare Capitalism. Cambridge: Polity Press. Euler, H. A. (2004). Genspur aus der Steinzeit. Psychologie der Vaterschaftsungewissheit. In: H. Haas und C. Waldenmaier (Hrsg.), Der Kuckucksfaktor. Raffinierte Frauen? Verheimlichte Kinder? Zweifelnde Väter? (pp. 34-82 und 323-330). Prien: Gennethos e. K. Verlag. Europäischer Rat (2002). Schlussfolgerungen des Vorsitzes (15. und 16. März 2002). Barcelona. Even-Zohar, A. und Sharlin, S. (2009). Grandchildhood: Adult Grandchildren’s Perception of Their Role towards Their Grandparents from an Intergenerational Perspective. Journal of Comparative Family Studies, Spring 2009, (Special Issue), 167-185. Fabian, T. (1994). Grosseltern als Helfer in familialen Krisen. Neue Praxis, 24, 384-396. Ferrera, M. (1998). The Four “Social Europes”: Between Universalism and Selectivity. In: M. Rhodes und Y. Mény (Hrsg.), The Future of European Welfare. A New Social Contract? (pp. 79-96). London: Macmillan. Finch, J. (1989). Family Obligations and Social Change. Southampton: Camelot Press. Fingerman, K. L. (2004). The Role of Offspring and In-Laws in Grandparents’ Ties to Their Grandchildren. Journal of Family Issues, 25(8), 1026-1049. Flaquer, L. (2000). Is There a Southern European Model of Family Policies? In: A. Pfenning und T. Bahle (Hrsg.), Families and Family Policies in Europe (pp. 15-33). Frankfurt am Main: Peter Lang.
Literaturverzeichnis
175
Försäkringskasse Sverige (2008). Child allowance [Barnbidrag] and large family supplement [flerbarnstillägg]:http://www.forsakringskassan.se/pdfbroschyr/faktablad/andra_sprak /engelska/barnbidrag_flerbarnstillagg_eng.pdf, letzter Zugriff 22.02.2009 Fritzell, J. und Lennartsson, C. (2005). Financial Transfers Between Generations in Sweden. Ageing and Society, 25, 397-414. Fux, B. (1994). Der familienpolitische Diskurs: eine theoretische und empirische Untersuchung über das Zusammenwirken und den Wandel von Familienpolitik, Fertilität und Familie. Berlin : Duncker & Humblot. Fux, B. (2000). Family Change and Family Policies. Zurich: Final report submitted to the World Society Foundation. Fux, B. (2005). Familiale Lebensformen im Wandel. Neuchâtel: Bundesamt für Statistik. Gaunt, D. (1995). Esprit de clan dans les villes suédoises. In: M. Gullestad und M. Segalen (Hrsg.), La familles en Europe: parenté et perpétuation familiale (pp. 115-142). Paris: La Découverte. Gauthier, A. H. (2002a). The Role of Grandparents. Current Sociology, 50(2), 595-307. Gauthier, A. H. (2002b). Family Policies in Industrialized Countries: Is There Convergence? Population, 57(3), 447-474. Gattai, B. F. und Musatti, T. (1999). Grandmothers’ Involvement in Grandchildren’s Care: Attitudes, Feelings, and Emotions. Family Relations, 48(1), 3542. Gelman, A. (2006). Prior Distributions for Variance Parameters in Hierarchical Models. Baysesian Analysis, 3, 515-533. Gerhards, J. und Hölscher, M. (2005). Europäischer Verfassungspatriotismus und die Verbreitung zentraler Werte in den Mitglieds- und Beitrittsländern der EU und der Türkei. In: H. Heit (Hrsg.), Die Werte Europas. Verfassungspatriotismus und Wertegemeinschaft in der EU (pp. 96-107)? Münster: LIT Verlag. Giarrusso, R., Silverstein, M. und Bengtson, V. L. (1996). Family Complexity and the Grandparent Role. Generations, 20(1), 17-23. Giarrusso, R., Stallings, M. und Bengtson, V. L. (1995). The “Intergenerational Stake” Hypothesis Revisited: Parent-child Differences in Perceptions of Relationships 20 Years Later. In: V. L. Bengtson, W. K. Schaie und L. M. Burton (Hrsg.), Adult intergenerational relations. Effects of social change (pp. 227-263). New York: Springer. Giddens, A. (1984). The Constitution of Society. Cambridge: University Press. Gouldner, A. W. (1960). The Norm of Reciprocity: A Preliminary Statement. American Sociological Review, 25(2), 161-178.
176
Literaturverzeichnis
Gourdon, V. (1999). Are Grandparents Really Absent From the Family Tradition? Forbears in the Region of Vernon (France) around 1800. The History of the Family, 4(1), 77-91. Grattan, S. (2000). Women, Work, and Family: Ireland and the Netherlands. In A. Pfenning und T. Bahle (Hrsg.), Families and Family Policies in Europe (pp. 181-199). Frankfurt am Main: Peter Lang. Green-Pedersen, C. und Baggesen Klitgaard, M. (2008). Im Spannungsfeld von wirtschaftlichen Sachzwängen und öffentlichem Konservatismus: Das dänische Wohlfahrtssystem. In K. Schubert, S. Hegelich und U. Bazant (Hrsg.), Europäische Wohlfahrtssysteme. Ein Handbuch (pp. 149-168). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Greve, B. (2000). Family Policies in the Nordic Countries. In: A. Pfenning und T. Bahle (Hrsg.), Families and Family Policies in Europe (pp. 90-103). Frankfurt am Main: Peter Lang. Guo, G. und Zhao, H. (2000). Multilevel Modeling for Binary Data. Annual Review of Sociology, 26, 441-462. Guzman, L. (1998). The Use of Grandparents as Child Care Providers. Wisconsin-Madison: Center for Demography and Ecology. Haberkern, K. und Szydlik, M. (2008). Pflege der Eltern – ein europäischer Vergleich. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 60(1), 78101. Hagestad, G. O. (2006). Transfers Between Grandparents and Grandchildren: The Importance of Taking a Three-Generation Perspective. Zeitschrift für Familienforschung, 18(3), 315-332. Hagestad, G. O. und Neugarten, B. L. (1985). Age and the Life Course. In: R. H. Binstock und E. Shanas (Hrsg.), Aging and the Social Sciences. New York: Van Nostrand Reinhold. Hank, K. und Buber, I. (2009). Grandparents Caring for Their Grandchildren. Findings From the 2004 Survey of Health, Ageing, and Retirement in Europe Journal of Family Issues, 30(1), 53-73. Harwood, J., Hewstone, M., Paolini, S. und Voci, A. (2005). GrandparentGrandchild Contact and Attitudes Toward Older Adults: Moderator and Mediator Effects. Personality and Social Psychology Bulletin, 31, 393-406. Hawkes, K. und Blurton Jones, N. (2005). Human Age Structures, Paleodemography and the Grandmother Hypothesis. In: E. Voland, A. Chasiotis und W. Schiefenhövel (Hrsg.), Grandmotherhood. The Evolutionary Significance of the Second Half of Female Life (pp. 118-142). London: Rutgers University Press. Hawkes, K., und Blurton Jones, N. (2005). Human Age Structures, Paleodemography and the Grandmother Hypothesis. In: E. Voland, A. Chasiotis und
Literaturverzeichnis
177
W. Schiefenhövel (Hrsg.), Grandmotherhood. The Evolutionary Significance of the Second Half of Female Life (pp. 118-142). London: Rutgers University Press. Heitzmann, K. und Österle, A. (2008). Lange Traditionen und neue Herausforderungen: Das österreichische Wohlfahrtssystem. In: K. Schubert, S. Hegelich und U. Bazant (Hrsg.), Europäische Wohlfahrtssysteme. Ein Handbuch (pp. 47-69). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Herlyn, I. und Lehmann, B. (1998). Grossmutterschaft im Mehrgenerationenzusammenhang. Eine empirische Untersuchung aus der Perspektive der Grossmütter. Zeitschrift für Familienforschung, 10(1), 27-45. Hill, P.B. und Kopp, J. (2006). Familiensoziologie: Grundlagen und theoretische Perspektiven. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Hochschild, A. R. (1975). Disengagement Theory: A Critique and Proposal. American Sociological Review, 40, 553-569. Hoff, A. (2007). Patterns of Intergenerational Support in Grandparent-grandchild and Parent-child Relationships in Germany. Aging and Society, 27, 643665. Hofferth, S. L. und Wissoker, D. (1992). Price, Quality, and Income in Child Care Choice. Journal of Human Resources, 27(1), 70-11. Hofferth, S. L., Brayfield, A., Deich, S. und Holcomb, P. (1991). The National Child Care Survey of 1990. (Report No. 91/5). Washington D.C.: Urban Institute Press. Hofferth, S. L. und Collins, N. (2000). Child Care and Employment Turnover. Population Research and Policy Review, 19(4), 357-395. Hofstede, G. (1980). Culture’s Consequences. Beverly Hills, CA: Sage. Hogan, D. P., Eggebeen, D. J. und Clogg, C. C. (1993). The Structure of Intergenerational Exchanges in American Families. The American Journal of Sociology, 98(6), 1248-1458. Hollstein, B. (2005). Reziprozität in familialen Generationenbeziehungen. In: F. Adloff und S. Mau (Hrsg.), Vom Geben und Nehmen (pp. 187-209). Frankfurt: Campus Verlag. Höpflinger, F. (1993). Weibliche Erwerbsbiographien und Abhängigkeiten zwischen den Generationen. In: K. Lüscher und F. Schultheis (Hrsg.), Generationenbeziehungen in „postmodernen“ Gesellschaften (pp. 299-309). Konstanz: Universitätsverlag Konstanz. Höpflinger, F. (1997). Bevölkerungssoziologie: Eine Einführung in bevölkerungssoziologische Ansätze und demographische Prozesse. Weinheim: Juventus Verlag.
178
Literaturverzeichnis
Höpflinger, F. (1999). Generationenfrage – Konzepte, theoretische Ansätze und Betrachtungen zu Generationenbeziehungen in späteren Lebensphasen. Lausanne: Edition Réalités Sociales. Höpflinger, F. und Hummel, C. (2006). Heranwachsende Enkelkinder und ihre Großeltern – im Geschlechtervergleich. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 39, 33-40. Höpflinger, F., Hummel, C. und Hugentobler, V. (2006). Enkelkinder und ihre Grosseltern. Intergenerationelle Beziehungen im Wandel. Zürich: Seismo. Höpflinger, F. (2009). Beziehungen zwischen Grosseltern und Enkelkindern. In: K. Lenz und F. Nestmann (Hrsg.), Handbuch Persönliche Beziehungen (pp. 311-335). Weinheim: Juventa. Hrdy, B. S. (2005). Cooperative Breeders with an Ace in the Hole. In: E. Voland, A. Chasiotis und W. Schiefenhövel (Hrsg.), Grandmotherhood. The Evolutionary Significance of the Second Half of Female Life (pp. 295-317). London: Rutgers University Press. Huinink, J. (2002). Polarisierung der Familienentwicklung in europäischen Ländern im Vergleich. In: N.F. Schneider, H. Matthias-Bleck (Hrsg.): Elternschaft heute. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und individuelle Gestaltungsaufgaben. Zeitschrift für Familienforschung (pp. 49-73), Sonderheft 2. Opladen: Leske + Budrich. Huinink, J. und Konietzka, D. (2007). Familiensoziologie: Eine Einführung. Frankfurt am Main: Campus Verlag. Huinink, J. und Wagner, M. (1998). Individualisierung und die Pluralisierung von Lebensformen. In: J. Friedrichs (Hrsg.), Die Individualisierungs-These (pp. 85-106). Opladen: Leske + Budrich. International Monetary Fund (2008). World Economic Outlook database. http://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2008/02/weodata/download.aspx, letzter Zugriff 28.03.2009 Isengard, B. (2008). Living Apart (or) Together? Coresidence Patterns of Parents and Their Adult Children in Europe. AGES working paper. Zürich: Research Group AGES. Jenson, J. und Sineau, M. (2003). France: Reconciling Republican Equality with ދFreedom of Choice’. In: J. Jenson und M. Sineau (Hrsg.), Who Cares? Women’s Work, Childcare, and Welfare State Redesign (pp. 214-240). Toronto: University of Toronto Press. Jellal, M. und Wolff, F.-C. (2003). Solidarités familiales par démonstration. Revue économique, 54(4), 785-810. Jendrek, M. P. (1993). Grandparents Who Parent Their Grandchildren: Effects on Lifestyle. Journal of Marriage and the Family, 55(3), 609-621.
Literaturverzeichnis
179
Johansen, A. S., Leibowitz, A. und Waite, L. J. (1996). The Importance of ChildCare Characteristics to Choice of Care. Journal of Marriage and the Family, 58, 759-772. Kagitcibasi, C. (1996). Family and Human Develpoment across Cultures. A View From the other Side. Mahaw, New Jersey: Lawrence Erlbaum Associates. Kaufmann, F.-X. (1993). Generationsbeziehungen und Generationenverhältnisse im Wohlfahrtsstaat. In: K. Lüscher und F. Schultheis (Hrsg.), Generationenbeziehungen in „postmodernen“ Gesellschaften (pp. 95-108). Konstanz: Universitätsverlag. Kemp, C. L. (2004). “Grand” Expectations: The Experiences of Grandparents and Adult Grandchildren. Canadian Journal of Sociology, 29(4), 499-525. Kemp, C. L. (2005). Dimensions of Grandparent-Adult Relationships: From Family Ties to Intergenerational Friendship. Canadian Journal of Aging, 24(2), 161-178. King, V. und Elder, G. H. (1995). American Children View Their Grandparents: Linkes Lives Across Three Rural Generations. Journal of Marriage and the Family, 57, 165-178. Kivett, V. R. (1989). Transitions in Grandparents’ Lives: Effects on the Grandparent Role. In: M. E. Szinovacz (Hrsg.), Handbook on Grandparenthood. Westport: Greenwood Press. Kivett, V. R. (1993). Racial Comparisons of the Grandmother Role: Implications for Strengthening the Family Support System of Older Black Women. Family Relations, 42, 165-172. Kivnick, H. Q. (1982). Grandparenthood: An Overview of Meaning and Mental Health. The Gerontologist, 22(1), 59-66. Knipscheer, C. P. M. (1988). Temporal Embeddedness and Aging Within the Multigenerational Family: The Case of Grandparenting. In: J. E. Birren und V. L. Bengtson (Hrsg.), Emergent Theories of Aging (pp. 427-446). New York: Springer Publishing. Kohl, J. (1993). Der Wohlfahrtsstaat in vergleichender Perspektive. Anmerkungen zu Esping-Andersens´: The Three Worlds of Welfare Capitalism. In: Zeitschrift für Sozialreform 39, S. 67-82 Kohli, M., Freter, H.-J. und Langehennig, M. (1993). Engagement im Ruhestand. Rentner zwischen Erwerb, Ehrenamt und Hobby. Opladen: Leske + Budrich. Kohli, M. (1997). Beziehungen und Transfers zwischen den Generationen. In: L. A. Vaskovics (Hrsg.), Familienleitbilder und Familienrealitäten (pp. 278288). Opladen: Leske + Budrich.
180
Literaturverzeichnis
Kohli, M. (1999). Private and Public Transfers Between Generations: Linking the Family and the State. European Societies, 1, 81-104. Kohli, M. und Künemund, H. (2005). Gegenwart und Zukunft des Generationenkonflikts. In: M. Kohli und H. Künemund (Hrsg.), Die zweite Lebenshälfte. Gesellschaftliche Lage und Partizipation im Spiegel des Alters-Surveys. Opladen: Leske + Budrich. Kohli, M., Künemund, H., Motel-Klingebiel, A. und Szydlik, M. (2005). Generationenbeziehungen. In: M. Kohli und H. Künemund (Hrsg.), Die zweite Lebenshälfte. Gesellschaftliche Lage und Partizipation im Spiegel des AltersSurveys (pp. 176-211). Oplade: Leske + Budrich. Kornhaber, A. (1996). Contemporary Grandparenting. London: Sage Publications. Kornhaber, A. und Woodward, K. L. (1985). Grandparents/Grandchildren: The Vital Connection. New Brunswick: Transaction Books. Krappmann, L. (1997). Brauchen junge Menschen alte Menschen? In: L. Krappmann und A. Lepenies (Hrsg.), Alt und Jung. Spannung und Solidarität zwischen den Generationen (pp. 185-204). Frankfurt: Campus. Kronebusch, K. und Schlesinger, M. (1994). Intergenerational Transfers. In: V. L. Bengtson und R. A. Harootyan (Hrsg.), Intergenerational Linkages: Hidden Connections in American Society (pp. 112-151). New York: Springer. Künemund, H. (2000). „Produktive“ Tätigkeiten. In: M. Kohli und H. Künemund (Hrsg.), Die zweite Lebenshälfte. Gesellschaftliche Lage und Partizipation im Spiegel des Alters-Surveys (pp. 277-317). Opladen: Leske + Budrich. Künemund, H. (2006). Changing Welfare States and the “Sandwich Generation”: Increasing Burden for the Next Generation? International Journal of Ageing and Later Life, 1(2), 11-29. Künemund, H. und Motel, A. (2000). Verbreitung, Motivation und Entwicklungsperspektiven privater intergenerationeller Hilfeleistungen und Transfers. In: M. Kohli und M. Szydlik (Hrsg.), Generationen in Familie und Gesellschaft (pp. 122-137). Opladen: Leske + Budrich. Künemund, H. und Rein, M. (1999). There is More Receiving Than Needing: Theoretical Arguments and Empirical Explorations of Crowding In and Crowding Out. Ageing and Society, 19, 93-121. Künemund, H. und Vogel, C. (2006). Öffentliche und private Transfers und Unterstützungsleistungen im Alter – „crowding out“ oder „crowding in“? Zeitschrift für Familienforschung, 18, 269-289. Lahdenperä, M., Lummaa, V., Helle, S., Tremblay, M. und Russell, A. F. (2004). Fitness Benefits of Prolonged Post-reproductive Lifespan in Women. Nature, 428, 178-181.
Literaturverzeichnis
181
Lange, A. und Lauterbach, W. (1998). Aufwachsen mit oder ohne Grosseltern? Die gesellschaftliche Relevanz multilokaler Mehrgenerationsfamilien. Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation(18), 227-249. Langer, W. (2009). Mehrebenenanalyse: Eine Einführung in Forschung und Praxis. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Lauterbach, W. (2002). Grosselternschaft und Mehrgenerationenfamilien – soziale Realität oder demographischer Mythos. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 35(6), 540-555. Leibfried, S. (1992). Towards a European Welfare State? On Integrating Poverty Regimes into the European Community. In: Z. Ferge und J. E. Kolberg (Hrsg.), Social Policy in a Changing Europe (pp. 245-279). Frankfurt am Main: Campus. Leitner, S., Ostner, I. und Schmitt, C. (2008). Family Policies in Germany. In: I. Ostner und C. Schmitt (Hrsg.), Family Policies in the Context of Family Change (pp. 175-202). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Léon, M. (2007). Speeding Up or Holding Back? Institutional Factors in the Development of Childcare Provision in Spain. European Societies, 9(3), 315-337. Leonetti, D. L., Nath, D. C. und Hemam, N. S. (2005). Kinship Organization and the Impact of Grandmothers on Reproductive Success among the Matrilineal Khasi and Patrilineal Bengaly of Northeast India. In: E. Voland, A. Chasiotis und W. Schiefenhövel (Hrsg.), Grandmotherhood. The Evolutionary Significance of the Second Half of Female Life (pp. 194-214). London: Rutgers University Press. Lessenich, S. (1994). „Three Worlds of Welfare Capitalism“ – oder vier? Strukturwandel arbeits- und sozialpolitischer Regulierungsmuster in Spanien. Politische Vierteljahresschrift, 35, 224-244. Letablier, M.-T. und Jönsson, I. (2005). Caring for Children: The Logics of Public Action. In: U. Gerhard, T. Knijn und A. Weckwert (Hrsg.), Working Mothers in Europe. A Comparison of Policies and Practices (pp. 41-57). Cheltenham: Edward Elgar. Liebau, E. (1997). Generation – ein aktuelles Problem? In: E. Liebau (Hrsg.), Das Generationenverhältnis. Über das Zusammenleben in Familie und Gesellschaft (pp. 15-38). Weinheim und München: Juventa Verlag. Litwin, H., Vogel, C., Künemund, H. und Kohli, M. (2008). The Balance of Intergenerational Exchange: Correlates of Net Transfers in Germany and Israel. European Journal of Aging, 5, 91-102. Long, J. S. und Freese, J. (2006). Regression Models for Categorical Dependent Variables Using Stata. College Station, Texas: Stata Press.
182
Literaturverzeichnis
Longino, C. F. und Earle, J. R. (1996). Who Are the Grandparents at Century’s End. Generations, 20(1), 13-17. Lüscher, K. (2000). Die Ambivalenz von Generationenbeziehungen – eine allgemeine heuristische Hypothese. In M. Kohli und M. Szydlik (Hrsg.), Generationen in Familie und Gesellschaft. Opladen: Leske + Budrich. Mannheim, K. (1964). Wissenssoziologie: Auswahl aus dem Werk, eingeleitet und herausgegeben von K. H. Wolff (Hrsg.). Berlin: Luchterhand. Marbach, J. H. (1994a). Tauschbeziehungen zwischen Generationen: Kommunikation, Dienstleistungen und finanzielle Unterstützung in Dreigenerationenfamilien. In: W. Bien (Hrsg.), Eigeninteresse oder Solidarität – Beziehungen in modernen Mehrgenerationenfamilien. Opladen: Leske + Budrich. Marbach, J. H. (1994b). Der Einfluss von Kindern und Wohnentfernung auf die Beziehung zwischen Eltern und Grosseltern. Eine Prüfung des quasiexperimentellen Designs der Mehrgenerationenstudie. In W. Bien (Ed.), Eigeninteresse oder Solidarität. Beziehungen in modernen Mehrgenerationenfamilien. Opladen: Leske + Budrich. Marques-Pereira, B. und Paye, O. (2003). Belgium: The Vices and Virtues of Pragmatism. In: J. Jenson und M. Sineau (Hrsg.), Who Cares? Women’s Work, Childcare, and Welfare State Redesign (pp. 56-88). Toronto: University of Toronto Press. Mauss, M. (2005). Die Gabe. In: F. Adloff und S. Mau (Hrsg.), Vom Geben und Nehmen (pp. 61-72). Frankfurt: Campus Verlag. Mead, George H. (1934). Mind, Self and Society. Chicago: University of Chicago Press. Meil Landerwerlin, G. (2002). Interchanges among Generations in Spain. In: R. Nave-Herz (Hrsg.), Familie Change and Intergenerational Relations in Different Cultures (pp. 85-138). Würzburg: Ergon Verlag. Meischner, T. (1997). Transgenerationale Kontakte in Russland und Deutschland: Ist Babuschka anders als Grossmutter? In: B. Nauck und U. Schönpflug (Hrsg.), Familien in verschiedenen Kulturen (pp. 263-282). Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag. Meshel, D. und McGlynn, R. P. (2004). Intergenerational contact, attitudes, and stereotypes of adolescents and older people. Educational Gerontology, 30(6), 457-479. Meulders, D. und D’Dorchai, S. (2008). Childcare in Belgium. Bruxelles: Department of Applied Economics. Université Libre de Bruxelles. Mitchell, W. (2008). The Role Played by Grandparents in Family Support and Learning: Considerations for Mainstream and Special Schools. Support for Learning, 23(3), 126-135.
Literaturverzeichnis
183
Minkler, M. und Roe, K. M. (1996). Grandparents as Surrogate Parents. Generations, 20, 34-38. Monahan, P. O., McHorney, C. A., Stump, T. E. und Perkins, A. J. (2007). Odds Ratio, Delta, ETS Classification, and Standardization Measures of DIF Magnitude for Binary Logistic Regression. Journal of Educational and Behavioral Statistics, 32(1), 92-109. Monroe, K. R. (2001). Altruism and Self-Interest. In: N. J. Smelser und P. B. Baltes (Hrsg.), International Encyclopedia of the Social and Behavioral Sciences. Amsterdam: Elsevier Science. Monroe, K. R. (1994). A Fat Lady in a Corset: Altruism and Social Theory. American Journal of Political Science, 38(4), 861-893. Morgan, D. (1999). Risk and Family Practices: Accounting for Change and fluidity in Family live. In: B. Silvia und C. Smart (Hrsg.), The New Family? (pp. 13-30). London: Sage. Motel, A. und Szydlik, M. (1999). Private Transfers zwischen den Generationen. Zeitschrift für Soziologie, 28, 3-22. Motel-Klingebiel, A. und Tesch-Römer, C. (2006). Familie im Wohlfahrtsstaat – zwischen Verdrängung und gemischter Verantwortung. Zeitschrift für Familienforschung, 3, 290-314. Motel-Klingebiel, A., Tesch-Römer, C. und Von Kondratowitz, H.-J. (2005). Welfare Sates do not Crowd Out the family: Evidence for Mixed Responsibility From Comparative Analyses. Ageing and Society, 25, 863-882. Mueller, M. M., Wilhelm, B. und Elder Jr., G. H. (2002). Variations in Grandparenting. Research on Aging, 24(3), 360-388. Mutchler, J. E., Baker, L. A. und Lee, S. (2007). Grandparents Responsible for Grandchildren in Native-American Families. Social Sciences Quarterly, 88(4), 990-1009. Naumann, I. K. (2005). Child Care and Feminism in West Germany and Sweden in the 1960s and 1970s. Journal of European Social Policy, 15(47). Natali, D. (2008). Rekalibrierung von Sozialprogrammen und Flexibilisierung der Arbeitsmarktpolitk: Das italienische Wohlfahrtssystem. In: K. Schubert, S. Hegelich und U. Bazant (Hrsg.), Europäische Wohlfahrtssysteme. Ein Handbuch. Opladen: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Nave-Herz, R. (2005). Die Mehrgenerationenfamilie unter familienzyklischem Aspekt. In: A. Steinbach (Hrsg.), Generatives Verhalten und Generationenbeziehungen (pp. 47-60). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Neugarten, B. L. und Weinstein, K. K. (1964). The Changing American Grandparent. Journal of Marriage and the Familiy, 26(2), 199-204. Obinger, H. und Wagschal, U. (1998). Drei Welten des Wohlfahrtsstaates? Das Stratifizierungskonzept in der clusteranalytischen Überprüfung. In: S. Les-
184
Literaturverzeichnis
senich und I. Ostner (Hrsg.), Welten des Wohlfahrtskapitalismus. Der Sozialstaat in vergleichender Perspektive. Frankfurt: Campus. OECD (2004). Babies and Bosses: Reconciling Work and Family Life. New Zealand, Portugal and Switzerland. Paris. OECD (2006). Starting Strong II: Early Childhood Education and Care. Paris. OECD. (2007a). OECD Social Expenditure Data Base (SOCX). Paris OECD (2008a). OECD Family Database. Paris. OECD (2008b). OECD Employment Outlook. Paris. OECD (2009). Society at a Glance: OECD Social Indicators. Paris. Olbrich, E. (1997). Das Alter: Generationen auf dem Weg zu einer „neuen Altenkultur“? In: E. Liebau (Hrsg.), Das Generationenverhältnis. Über das Zusammenleben in Familie und Gesellschaft (pp. 175-194). Weinheim und München: Juventus Verlag. Orloff, A. S. (1993). Gender and Social Rights of Citizenship: the Comparative Analysis of Gender Relations and Welfare State. American Sociological Review, 58(3), 303-328. Ostner, I. und Schmitt, C. (2008). Family Policies in the Context of Family Change. The Nordic Countries in Comparative Perspective. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Papatheodorou, C. (2008). Verspätete Entwicklung der sozialen Sicherung: Das griechische Wohlfahrtssystem. In: K. Schubert, S. Hegelich und U. Bazant (Hrsg.), Europäische Wohlfahrtssysteme. Ein Handbuch (pp. 285-310). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Pearce, L. D. und Axinn, W. G. (1998). The Impact of Family Religious Life on the Quality of Mother-Child Relations. American Sociology Review, 63, 810-828. Pebley, A. R. und Rudkin, L. L. (1999). Grandparents Caring for Grandchildren. What Do We know? Journal of Family Issues, 20(2), 218-242. Perrig-Chiello, P., Höpflinger, F. und Suter, C. (2008). Generationen – Strukturen und Beziehungen. Generationenbericht Schweiz. Zürich: Seismo Verlag. Pierson, P. (2000). Increasing Returns, Path Dependence, and the Study of Politics. The American Political Science Review, 94(2), 251-267. Ploeg, J., Campbell, L., Denton, M., Joshi, A. und Davies, S. (2004). Helping to Build and Rebuild Secure Lives and Futures: Financial Transfers from Parents to Adult Children and Grandchildren. Canadian Journal of Aging, 23(Supplement), 113-125. Presser, H. B. (1989). Some Economic Complexities of Child Care Provided by Grandmothers. Journal of Marriage and the Family, 51(3), 581-591.
Literaturverzeichnis
185
Pruchno, R. A. und Johnson, K. W. (1996). Research on Grandparenting: Review of Current Studies and Future Needs. Generations, 20(1), 65-70. Pylkkänen, E. und Smith, N. (2004). The Impact of Family-Friendly Policies in Denmark and Sweden on Mothers’ Career Interruptions Due to Childbirth. Bonn: IZA – Institute for the Study of Labor. Rabe-Hesketh, S. und Skrondal, A. (2005). Multilevel and Longitudinal Modelling using Stata. College Station, Texas: Stata Press. Rabe-Hesketh, S. und Skrondal, A. (2008). Multilevel and Longitudinal Modelling using Stata. College Station, Texas: Stata Press. Rappaport, E. A. (1958). The Grandparent Syndrome. Psychoanalytic Quarterly, 27, 518-538. Rasbash, J., Charlton, C., Browne, W.J., Healy, M. und Cameron, B. (2009) MLwiN Version 2.1. Centre for Multilevel Modelling. University of Bristol. Ray, R. (2008). A Detailed Look at Parental Leave Policies in 21 European Countries. Washington, D.C.: Centre for Economic and Policy Research. Ray, R., Gornick, J.C. und Schmitt, J. (2008). Parental Leave Policies in 21 Countries. Assessing Generosity and Gender Equality. Washington, D.C.: Centre for Economic and Policy Research. Reher, D. S. (1998). Family Ties in Western Europe: Persistent Contrasts. Population and Development Review, 24(2), 203-234. Reil-Held, A. (2006). Crowding Out or Crowding In? Public and Private Transfers in Germany. European Journal of Population, 22, 263-280. Richter, U. (1993). Die neuen Grossmütter. Psychologie heute, 12, 30-35. Robertson, J. F. (1975). Interaction in Three Generation Families, Parents as Mediators: Toward a Theoretical Perspective. International Journal of Ageing and Human Development, 6(2), 103-110. Robertson, J. F. (1977). Grandmotherhood: A Study of Role Conceptions. Journal of Marriage and the Family, 39(1), 165-174. Rossi, A. S. und Rossi, P. H. (1990). Of Human Bonding. Parent-Child Relations Across the Life Time Course. New York: Alain de Gruyter. Roux, P., Gobet, P., Clémence, A. und Höpflinger, F. (1996). Generationenbeziehungen und Altersbilder. Ergebnisse einer empirischen Studie. Zürich: Nationales Forschungsprogramm 32: Alter. Schiefenhövel, W. und Grabolle, A. (2005). The Role of Maternal Grandmothers in Trobriand Adoptions. In: E. Voland, A. Chasiotis und W. Schiefenhövel (Hrsg.), Grandmotherhood. The Evolutionary Significance of the Second Half of Female Life (pp. 177-193). London: Rutgers University Press. Schultheis, F. (1995). Le maillon manquant: mémoire et identité familiales en Allemagne. In: M. Gullestad und M. Segalen (Hrsg.), La famille en Europe: parenté et perpétuation familiale. Paris: La Découverte.
186
Literaturverzeichnis
Schulze, H.-J. (1997). Trends and Developments in the Netherlands. In J. Bradshaw und J. Ditch (Hrsg.), Developments in Family Policies in Member States of the EU. York: University of York. Schwarz, B. und Trommsdorff, G. (2005). Intergenerationaler Austausch von Unterstützung und Reziprozität im Kulturvergleich. In: A. Steinbach (Hrsg.), Generatives Verhalten und Generationenbeziehungen (pp. 199212). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Silverstein, M. und Chen, X. (1999). The Impact of Acculturation in Mexican American Families on the Quality of Adult Grandchild-Grandparent Relationships. Journal of Marriage and the Family, 61, 188-198. Silverstein, M., Giarrusso, R. und Bengtson, V. L. (2003). Grandparents and Grandchildren in Family Systems. A Social-Developmental Perspective. In: V. L. Bengtson und A. Lowenstein (Hrsg.), Global Aging and Challenges to Families (pp. 75-103). New York: Aldine de Gruyter. Silverstein, M. und Long, J. D. (1998). Trajectories of Grandparents’ Perceived Solidarity with Adult Grandchildren: A Growth Curve Analysis over 23 Years. Journal of Marriage and the Family, 60, 912-923. Sommer-Himmel, R. (2000). Grosseltern heute. Betreuen, erziehen, verwöhnen. Eine qualitative Studie zum Betreuungsalltag mit Enkelkindern. Bielefeld: Kleine Verlag. Spitze, G. D. und Ward, R. A. (1998). Gender Variations. In: M. E. Szinovacz (Hrsg.), Handbook on Grandparenthood. Westport: Greenwood Press. Stegbauer, C. (2002). Reziprozität: Einführung in soziale Formen der Gegenseitigkeit. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Stern, S., Banfi, S. und Tassinari, S. (2006). Krippen und Tagesfamilien in der Schweiz. Aktuelle und zukünftige Nachfragepotenziale. Bern: Haupt. Stern, N. (2007). Familienpolitische Konzepte im Ländervergleich. Sprungbrett oder Stolperstein für erwerbstätige Mütter? Marburg: Tectum Verlag. Szinovacz, M. E. (1998). Grandparents Today: A Demographic Profile. The Gerontologist, 38(1), 37-52. Szydlik, M. (2000). Lebenslange Solidarität? Generationenbeziehungen zwischen erwachsenen Kindern und Eltern. Opladen: Leske + Budrich. Szydlik, M. (2008). Intergenerational Solidarity and Conflict. Journal of Comparative Family Studies, 39(1), 97-114. Taylor-Gooby, P. (2004). Making a European Welfare State? Oxford: Blackwell Publishing Ltd. Teachman, J. und Crowder, K. (2002). Multilevel Models in Family Research: Some Conceptual and Methodological Issues. Journal of Marriage and the Family, 64, 280-294.
Literaturverzeichnis
187
Templeton, R. und Bauereiss, R. (1994). Kinderbetreuung zwischen den Generationen. In: W. Bien (Hrsg.), Eigeninteresse oder Solidarität (pp. 249-266). Opladen: Leske + Budrich. Tinsley, B. J. und Parke, R. D. (1988). The Role of Grandfathers in the Context of the Family. In: P. Bornstein und C. P. Cowan (Hrsg.), Fatherhood Today: Men’s Changing Role in the Family (pp. 236-250). New York: John Wiley & Sons. Tobío, C. (2001). Working and Mothering. Women’s Strategies in Spain. European Societies, 3(3), 339-371. Troll, L. E. (1983). Grandparents: The family watchdogs. In: T. H. Brubaker (Hrsg.), Family relationships in later life (pp. 63-74). Beverly Hills. Sage. Tucker, L. (2006). The Grandparent Syndrome: A Case Study. Psychoanalytic Study of the Child, 61, 82-98. Uehara, E. S. (1995). Reciprocity Reconsidered: Gouldner’s “Moral Norm of Reciprocity” and Social Support. Journal of Social and Personal Relationships, 12(4), 483-502. Uhlenberg, P. und Hammill, B. G. (1998). Frequency of Grandparent Contact with Grandchild Sets: Six Factors that Make a Difference. The Gerontologist, 38(3), 276-285. Uhlenberg, P. und Kirby, J. B. (1998). Grandparenthood over Time: Historical and Demographic Trends. In: M. E. Szinovacz (Hrsg.), Handbook on Grandparenthood (pp. 23-39). Westport: Greenwood Press. UNICEF (2005). Child poverty in Rich Countries. Innocenti Report Card No.6. UNICEF Innocenti Research Centre. Florence. Uttal, L. (1999). Using Kin for Child Care: Embedment in the Socioeconomic Networks of Extended Families. Journal of Marriage and the Family, 61, 845-857. Vaskovics, L. A. (1993). Elterliche Solidarleistungen für junge Erwachsene. In K. Lüscher und F. Schultheis (Hrsg.), Generationenbeziehungen in „postmodernen“ Gesellschaften. Konstanz: Universitätsverlag. Villota Gil-Escoin, P. und Vázquez, S. (2008). Work in Progress: Das spanische Wohlfahrtssystem. In: K. Schubert, S. Hegelich und U. Bazant (Hrsg.), Europäische Wohlfahrtssysteme. Ein Handbuch (pp. 167-185). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Voland, E. und Beise, J. (2002). Opposite Effects of Maternal and Paternal Grandmothers on Infant Survival in Historic Krummhörn. Behavioral Ecology and Sociobiology, 52, 435-443. Voland, E. (2009). Altern und Lebenslauf – ein evolutionsbiologischer Aufriss. In: H. Künemund und M. Szydlik (Hrsg.), Generationen. Multidisziplinäre Perspektiven. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaft.
188
Literaturverzeichnis
Walker, R. S., Gurven, M., Burger, O. und Hamilton, M. J. (2008). The Tradeoff between Number and Size of Offspring in Humans and Other Primates. Proceedings of the Royal Society of London, 275, 827-833. Walter, W. (1993). Unterstützungsnetzwerke und Generationenbeziehungen. In: K. Lüscher und F. Schultheis (Hrsg.), Generationenbeziehungen in „postmodernen“ Gesellschaften. Konstanz: Universitätsverlag. Watson, J. A. und Koblinsky, S. A. (2000). Strengths and Needs of African American and European American Grandmothers in the Working and Middle Classes. Journal of Negro Education, 69(3), 199-214. Wentowski, G. J. (1981). Reciprocity and the Coping Strategies of Older People: Cultural Dimensions of Network Building. The Gerontologist, 21, 600-609. Wetzels, C. (2005). Supply and Price of Childcare and Female Labour Force Participation in the Netherlands. Labour 19 (Special Issue), 171-205. Wheelock, J. und Jones, K. (2002). “Grandparents Are the Next Best Thing”: Informal Childcare for Working Parents in Urban Britain. Journal of Social Policy, 31(3), 441-463. Whitbeck, L. B., Hoyt, D. R. und M. Huck, S. (1993). Family Relationship History, Contemporary Parent-Grandparent Relationship Quality, and the Grandparent-Grandchild Relationship. Journal of Marriage and the Family, 55(4), 1025-1035. Wilk, L. (1993). Grosseltern und Enkelkinder. In K. Lüscher und F. Schultheis (Hrsg.), Generationenbeziehungen in „postmodernen“ Gesellschaften. Konstanz: Universitätsverlag. Wilson, E. O. (1975). Sociobiology. Cambridge, MA: Harvard University Press. Wolff, F.-C. (2000). Transferts monétaires inter vivos et cycle de vie. Revue économique, 51(6), 1419-1452.