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von Reibnitz (Hrsg.) Homecare
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Verlag Hans Huber Programmbereich Pflege Beirat Wissenschaft Angelika Abt-Zegelin, Dortmund Silvia Käppeli, Zürich Doris Schaeffer, Bielefeld Beirat Ausbildung und Praxis Jürgen Osterbrink, Salzburg Christine Sowinski, Köln Franz Wagner, Berlin
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Bücher aus verwandten Sachgebieten Brobst et al. Der Pflegeprozess in der Praxis 2., vollst. überarb. u. akt. Auflage 2007. ISBN 978-3-456-83553-2 Diegmann-Hornig/Jungschart-Geer/Beine/Neufeld Pflegebegutachtung Lehrbuch für Sachverständige und Gutachter in der Pflege 2009. ISBN 978-3-456-84000-0 Domenig (Hrsg.) Transkulturelle Kompetenz 2., vollst. überarb. u. erw. Auflage 2007. ISBN 978-3-456-84256-1 Fernandez et al. Häusliche Pflege 1997. ISBN 978-3-456-82791-9 Fitzgerald Miller Coping fördern – Machtlosigkeit überwinden Hilfen zur Bewältigung chronischen Krankseins 2003. ISBN 978-3-456-83522-8 Garms-Homolová/InterRAI (Hrsg.) Assessment für die häusliche Versorgung und Pflege Resident Assessment Instrument – Home Care (RAI HC 2.0) 2002. ISBN 978-3-456-83593-8
Morof Lubkin Chronisch Kranksein Implikationen und Interventionen für Pflege- und Gesundheitsberufe 2002. ISBN 978-3-456-83349-1 Saba Pflegepraxisklassifikation (CCC®) 2009. ISBN 978-3-456-84461-9 Schaeffer/Ewers (Hrsg.) Ambulant vor stationär 2002. ISBN 978-3-456-83662-1 Sitzmann Hygiene daheim Professionelle Hygiene in der stationären und häuslichen Alten- und Langzeitpflege 2007. ISBN 978-3-456-84315-5 Wright/Leahey Familienzentrierte Pflege 2009. ISBN 978-3-456-84412-1 Zerwekh/Gaglione/Miller Pflegeassessment und körperliche Untersuchung 2008. ISBN 978-3-456-84548-7
Jaffe/Skidmore Roth Pflegeassessment, Pflegediagnosen und Pflegeinterventionen in der ambulanten Pflege 2000. ISBN 978-3-456-83313-2 Kaye/Davitt Hoch technisierte häusliche Pflege Hightech Home Care (HTHC) 2006. ISBN 978-3-456-83830-4 Klug Redman Selbstmanagement chronisch Kranker 2008. ISBN 978-3-456-84503-6 Loffing/Geise (Hrsg.) Management und Betriebswirtschaft in der ambulanten und stationären Altenpflege 2. Auflage 2009. ISBN 978-3-456-84662-0
Weitere Informationen über unsere Neuerscheinungen finden Sie im Internet unter www.verlag-hanshuber.com
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Dr. Christine von Reibnitz Herausgeberin
Homecare 2., überarbeitete und ergänzte Auflage Unter Mitarbeit von Angelika Abt-Zegelin Norbert Bertram Thomas Ecker Uwe Enenkel Katrin Grüber Anette Harbord Dietmar Hegeholz Andrea Hornstein Jana Künstner Julia Lademann Elke Mohr Monika Müller-Hutter Jörg Nielandt Gerda Nussbaumer Klaus-Jürgen Preuß Michael Schanz Sophie von Uslar-Gleichen
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Christine von Reibnitz. MPH, Dr. sc. agr., Berlin E-Mail:
[email protected]
Lektorat: Jürgen Georg, Gaby Burgermeister Herstellung: Daniel Berger Titelillustration: pinx. Winterwerb und Partner, Design-Büro, Wiesbaden Umschlag: Ateleier Mühlberg, Basel Satz: ns prestampa sagl, Castione Druck und buchbinderische Verarbeitung: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Printed in Germany Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtes ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Kopien und Vervielfältigungen zu Lehr- und Unterrichtszwecken, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Verfasser haben größte Mühe darauf verwandt, dass die therapeutischen Angaben insbesondere von Medikamenten, ihre Dosierungen und Applikationen dem jeweiligen Wissensstand bei der Fertigstellung des Werkes entsprechen. Da jedoch die Pflege und Medizin als Wissenschaft ständig im Fluss sind, da menschliche Irrtümer und Druckfehler nie völlig auszuschließen sind, übernimmt der Verlag für derartige Angaben keine Gewähr. Jeder Anwender ist daher dringend aufgefordert, alle Angaben in eigener Verantwortung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen oder Warenbezeichnungen in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen-Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Anregungen und Zuschriften bitte an: Verlag Hans Huber Lektorat: Pflege z.Hd.: Jürgen Georg Länggass-Strasse 76 CH-3000 Bern 9 Tel: 0041 (0)31 300 45 00 Fax: 0041 (0)31 300 45 93 2. Auflage 2009 © 2009 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern 1. Auflage 2005 Economica, Heidelberg ISBN 978-3-456-84639-2
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Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 11 12 13 15 16 17
1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6
Grundlagen von Homecare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homecare in der Patientenversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versorgungsbereiche von Homecare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was unterscheidet Homecare von häuslicher Krankenpflege? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 Rechtliche Grundlagen und Finanzierung von Homecare . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsgrundlagen für Homecare in der GKV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzierung in der Homecare-Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 Patientensteuerung in der Homecare-Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansatzpunkte für Krankenhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallvergütung zwischen «right- und up-coding» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Case Management als effizientes und effektives Instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quintessenz und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 Integrierte Versorgung – eine Perspektive für Homecare . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homecare in der Hilfsmittelbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Integrierte Versorgung im Zusammenspiel mit Homecare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Stellenwert von Homecare in der integrierten Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 Ernährung in der ambulanten häuslichen Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 5.2 5.3 5.4
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interventionsursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernährungstherapieformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schnittstelle Klinik und ambulante Ernährungstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19 19 19 23 25 27 28 29 29 30 30 32 35 36 37 37 37 39 40 43 44 44 47 47 47 48 54
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5.5 5.6 5.7 5.8 5.9
Rahmenbedingungen der ambulanten Ernährungstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen in der ambulanten Ernährungstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzierung der ambulanten Ernährungstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6 Rechtliche Aspekte der künstlichen Ernährung in der häuslichen Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die enterale und parenterale Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Versorgungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgehalt der «enteralen» Arzneimittelrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Richtlinien für die häusliche Krankenpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitsteiliges Zusammenwirken und Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 Case Management in der spezialisierten ambulanten Versorgung Schwerstkranker und Sterbender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 7.2 7.3 7.4
Was ist Case Management? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Case Management in der spezialisierten ambulanten Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8 Case Management optimiert Patientenüberleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Warum eignet sich Case Management? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben des Case Managers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was beinhaltet Überleitungsmanagement? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der praktische Ablauf von Überleitungsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 Homecare in der Palliativmedizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Palliativversorgung – Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homecare als integraler Bestandteil der Überleitungspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10 Homecare: Häusliche Versorgung schwer chronisch kranker Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Bedeutung und Verlauf chronischer Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Gesundheitliche Unterstützungsangebote für schwer chronisch kranke Menschen . . . 10.3 Homecare: Eine umfassende und integrierte Versorgung chronisch kranker Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55 56 56 58 58
59 59 59 61 62 66 66 68 68
71 71 73 80 81 83 83 84 85 87 88 89 89 91 91 91 92 94 98 98
99 99 101 104
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10.4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105 106
11 Versorgungspfade unterstützen die Homecare-Versorgung . . . . . . . . . . . . .
109 109 110 114 117 118
11.1 11.2 11.3 11.4 11.5
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was ist unter Versorgungspfaden zu verstehen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versorgungspfade in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12 Patientenrechte und Patientensouveränität in der Homecare-Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Krankenhausbehandlung und Überleitung in die ambulante Weiterbetreuung – Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Entwicklung vom paternalistischen Arzt-Patienten-Verhältnis zu partnerschaftlichen Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4 Patientenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5 Patientensouveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 Die Rolle der Angehörigen in der Homecare-Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . 13.1 13.2 13.3 13.4 13.5 13.6
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wahrnehmung von Angehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschiede zwischen Patienten und Angehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14 Homecare – eine Perspektive für die ambulante Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1 14.2 14.3 14.4 14.5 14.6 14.7
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ambulante Pflege in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patientenedukation als pflegerische Aufgabe in Homecare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homecare als Modell für sektorübergreifende Versorgung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homecare als Dienstleistung der Medical-Branche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 Spitex – Hilfe und Pflege zu Hause. Ambulante Grundversorgung in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1 15.2 15.3 15.4 15.5 15.6 15.7 15.8
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie arbeitet die Spitex in der Schweiz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Spitex-Organisationen in ihrem Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spitex im Leistungsauftrag der Stadt St. Gallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallbeispiel mit Bezug auf den Dienstleistungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungsmöglichkeiten der Spitex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119 119 119 120 122 125 127 127 129 129 129 130 132 134 134 137 137 137 139 140 142 143 144
145 145 145 146 147 150 152 154 155
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Homecare
16 Homecare-Spezialisierung ambulanter Pflegedienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1 16.2 16.3 16.4 16.5 16.6
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einflussfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Förderliche und hemmende Aspekte der Spezialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Breites Fachwissen mit gezielten Spezialisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 Interdisziplinäre Weiterbildungskonzepte für Homecare . . . . . . . . . . . . . . . . 17.1 17.2 17.3 17.4 17.5 17.6
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiele von Interdisziplinarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interdisziplinäre Lehr- und Lernmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung von PBL in der Homecare-Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18 Rehabilitation braucht Homecare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.1 18.2 18.3 18.4 18.5 18.6
Homecare und medizinische Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medizinische Rehabilitation als Integrationsbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rehabilitation und Homecare als Teile vernetzter Gesundheitssicherung . . . . . . . . . . . Homecare als Integrationsbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19 Weiterentwicklung der Homecare-Versorgung in Deutschland . . . . . . . . . .
157 157 158 160 164 165 165 167 167 168 170 174 177 177 179 179 180 181 182 184 185
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schnittstellenkoordination – eine notwendige Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vernetzte Patientenversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
187 187 188 196 198 198
Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
200
Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
203
19.1 19.2 19.3 19.4 19.5
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Vorwort In Deutschland gewinnt der Begriff Homecare im Gesundheitssystem zunehmend an Bedeutung. Besonders in den Fachkreisen hat sich der Begriff Homecare als relativ neuer Versorgungsbereich etabliert, teils mit sehr unterschiedlichen Assoziationen über den Tätigkeitsbereich. Über die Definition und Ausgestaltung von Homecare gab es in der Vergangenheit eine kontroverse Diskussion. Hintergrund dieser Kontroverse war oder ist die Annahme, dass die Patientenbegleitung insbesondere während der Entlassungsplanung eine entscheidende Rolle bei der Inanspruchnahme und Verteilung von Dienstleistungen oder Produkten haben wird. Als Ursprung dieser Kontroverse ist die Funktion der als «Anwalt des Patienten» verstandenen Rolle einer Homecare-Fachkraft zu sehen. In dieser Funktion sollen neben der Versorgung mit Pflegedienstleistungen und Medizinprodukten auch die Anliegen und Rechte des Patienten unterstützt werden. Um diese Schlüsselrolle kommt es zu Spannungen und damit zu Schnittstellenverlusten zwischen Ärzten, Pflegekräften und Sozialarbeitern, aber auch mit Homecare-Experten und neuerdings auch mit Leistungsträgern. Homecare versorgt schwerpunktmäßig chronisch erkrankte und/oder multimorbide Patienten, die die Unterstützung und Pflege durch Dritte benötigen. Die Komplexität der Krankheitsbilder, die individuellen Fähigkeiten der Patienten und das Zusammenwirken der unterschiedlichen verordneten Therapien erfordern eine Begleitung dieser Patienten durch medizinisch qualifiziertes Fachpersonal. Homecare grenzt sich somit von der klassischen Pflege mit Grund- und Behandlungspflege ab. Dabei ist nicht auszuschließen, dass sich zukünftig auch ambulante Pflegedienste dahingehend qualifizieren können, Homecare-Leistungen zu erbringen. Die Weiterentwicklung der Krankenpflegeaus-
bildung in Deutschland setzt hier erste Maßstäbe. Homecare als ein junger Bereich im deutschen Gesundheitswesen hat sich in den letzten 10 bis 15 Jahren zu einem mittlerweile unersetzlichen Bestandteil der ambulanten Patientenversorgung entwickelt. Homecare stellt eine übergreifende Betreuungsform dar, die sich nach den individuellen Bedürfnissen des Menschen in medizinischen, pflegerischen, sozialen und rehabilitativen Maßnahmen richtet und nach dem Grundsatz ambulant vor stationär arbeitet. Diese Versorgungsform zeigt wachsende Bedeutung, insbesondere aufgrund der demografischen Entwicklung und damit einhergehend der Zunahme an hochbetagten Menschen, die sowohl pflegebedürftig als auch oftmals multimorbid und chronisch krank sind und somit auf eine Betreuung angewiesen sind, die die unterschiedlichen Versorgungsbereiche koordiniert und den Patienten im souveränen Umgang mit seiner Krankheit unterstützt. Um Wiedereinweisungen der Patienten nach Entlassung aus dem Krankenhaus zu vermeiden, werden Krankenhäuser nach geeigneten Kooperationspartnern im ambulanten Bereich suchen, die eine qualitativ hochwertige poststationäre Patientenversorgung koordinieren und sicherstellen. Die gleichzeitige Spezialisierung der Krankenhäuser auf ihre Kernkompetenzen wird auch im Homecare-Bereich eine Spezialisierung zur ambulanten Nachbehandlung bestimmter Krankheitsbilder nach sich ziehen und somit neue Anforderungen an das Entlassungsmanagement und die fachliche Qualifikation von Homecare-Unternehmen stellen. Der Stellenwert von Homecare im Gesundheitswesen, speziell innerhalb von Projekten zur integrierten Versorgung, steigt aufgrund der gesundheitspolitischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen kontinuierlich an. Die bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen und
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Homecare
die derzeitige Honorarverteilungspolitik innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung verzögern jedoch die Umsetzung effizienter integrierter Versorgungsmodelle, bei denen Homecare eine tragende Rolle einnehmen kann und muss. In diesem Sammelband stellen Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen Konzepte, Beteiligte und ihre Aufgaben in der Homecareversorgung vor, zeigen praktische Beispiele auf,
beleuchten Kompetenzanforderungen an Homecare-Leistungserbringer und diskutieren Lösungsansätze für eine nachhaltige Umsetzung dieser Versorgungsform. Allen, die zum Gelingen des Buches beigetragen haben, sei an dieser Stelle gedankt! Berlin, Oktober 2008
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Einführung
Christine von Reibnitz
1.1
Grundlagen von Homecare In den letzten Jahren hat sich Homecare schon fast zu einem Modebegriff entwickelt, der unter den typischen Symptomen leidet, dass ihn jeder gebraucht, aber jeder etwas anderes darunter versteht. Umso wichtiger ist eine klare und eindeutige Begriffsbestimmung, um die Bedeutung von Homecare für das deutsche Gesundheitswesen herauszustellen und dessen Rahmenbedingungen zu bewerten. Eine klare Definition von Homecare, die sich auch im Gesetzestext wiederfindet, existiert in Deutschland bislang nicht. Bei Homecare denkt jeder zunächst – in Anlehnung an die Übersetzung aus dem Englischen – an häusliche Pflege. In Deutschland wird allerdings unter «häuslicher Pflege» die Betreuung von pflegebedürftigen, aber grundsätzlich gesunden Menschen verstanden. Seit gut 20 Jahren hat sich in Deutschland unter dem Begriff Homecare eine sich von der häuslichen Pflege abgrenzende Versorgungsstruktur etabliert. Unter Homecare versteht man häusliche Therapie und damit ärztlich verordnete Leistungen, die von der Krankenversicherung und nicht der Pflegeversicherung finanziert werden. Durch den medizintechnischen Fortschritt und die Entwicklung von einfach handhabbaren Medizinprodukten ist es möglich, Krankenbehandlungen, die früher ausschließlich auf die stationäre Behandlung (Krankenhaus) beschränkt waren, mittlerweile im häuslichen Bereich durch-
zuführen. Homecare umfasst die Versorgung eines Patienten zu Hause mit erklärungsbedürftigen Hilfsmitteln/Medizinprodukten, Verbandmitteln und Arzneimitteln. Im Fokus steht also nicht die reine Produktversorgung, sondern auch die Dienstleistung, insbesondere die Betreuung, Beratung und Schulung der Patienten durch qualifiziertes Fachpersonal im Rahmen einer ärztlich verordneten, ambulanten Therapie (s. Abb. 1-1). Homecare benötigen v. a. Menschen, die chronisch krank sind. Nicht selten handelt es sich dabei um multimorbide Patienten, die oft aufgrund ihrer schweren Erkrankungen nicht mehr
Homecare
Dienstleistung
Produkt
Organisieren Einweisen Beraten Versorgen
Hilfsmittel Verbandmittel Arzneimittel
Abbildung 1-1: Homecare ist die Verbindung von Pro-
dukt und Dienstleistung. (Quelle: BVMed, 2007)
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Homecare
in der Lage sind, ihren Alltag selbstständig zu meistern, und somit auf die Unterstützung und Pflege durch Dritte angewiesen sind. Somit kann es schnell zu Überschneidungen zwischen Homecare und Pflege kommen. Umso wichtiger ist es, an dieser Stelle nochmals hervorzuheben, dass Homecare sich auf die indikationsbezogene und ärztlich verordnete Therapie bezieht. Die Komplexität der Krankheitsbilder, die individuellen Fähigkeiten der Patienten und das Zusammenwirken der unterschiedlichen verordneten Therapien erfordern eine Begleitung des Patienten durch medizinisch qualifiziertes Fachpersonal. Homecare grenzt sich somit von der klassischen Pflege mit Grund- und Behandlungspflege ab. Dabei ist nicht auszuschließen, dass sich zukünftig auch ambulante Pflegedienste dahingehend qualifizieren können, HomecareLeistungen zu erbringen (s. Kap. 14 und 17). Die Weiterentwicklung der Krankenpflegeausbildung in Deutschland setzt hier erste Maßstäbe.
Der Bedarf wächst Männer
Alter in Jahren
Frauen
100 95 90 85 80 75 70 65
verstärkt pflegebedürftig
60 55 50 45 40
2001
35 30
2050
25 20 15 10 5 0
1000 800 600 400 200
Tausend Personen
1.2
Homecare in der Patientenversorgung Ein typisches Kennzeichen der entwickelten Industrieländer ist eine stetig älter werdende Bevölkerung. Wesentliche Faktoren hierfür sind eine bessere Bildung, die Verbesserung der Arbeitsplatzverhältnisse und eine bewusstere Lebensführung und nicht zuletzt der medizintechnische Fortschritt, der neue Therapiemöglichkeiten eröffnet und damit sowohl die Lebenserwartung als auch die Lebensqualität der Bevölkerung erheblich steigern konnte. Bereits 1999 kam die Berliner Altersstudie (Mayer/Baltes, 1999) zu dem Ergebnis, dass insbesondere hochbetagte Menschen multimorbid sind. Diese Korrelation zwischen Krankheit und Pflegebedürftigkeit im Alter zeigt vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung (Oberender/Fleckenstein, 2004) den wachsenden Bedarf an neuen Konzepten im Gesundheitswesen (vgl. Abb. 1-2, insbesondere Altersgruppe zwischen 75 und 90 Jahre).
0
0
200 400 600 800 1000
Tausend Personen Demografische Entwicklung in Deutschland
Abbildung 1-2: Prognostizierte demografische Entwick-
lung in Deutschland von 2001 bis 2050 unter Berücksichtigung der Pflegebedürftigkeit. (Quelle: BVMed, 2007)
Daraus ergeben sich für die zukünftige Entwicklung und Finanzierung des Gesundheitswesens erhebliche Herausforderungen. Trotz stetig wachsender Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung (2006 lag der durchschnittliche Beitragssatz bei 13,8 % des Bruttoeinkommens), konnte das Defizit in der Finanzierung des Gesundheitswesens von mehr als 1,9 Milliarden Euro 2006 nicht ausgeglichen werden (STJB, 2007). Gründe hierfür sind die insgesamt abnehmende Zahl an beitragszahlenden Versicherten bei gleichzeitig anwachsender Zahl älterer Menschen und der damit steigende Bedarf an Gesundheitsleistungen. Den größten Anteil an den Ausgaben machen nicht Akutbehandlungen im Krankenhaus aus, sondern vielmehr die Behandlung chronischer
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1. Einführung
Krankheiten. So gehen Schätzungen in Deutschland davon aus, dass rund 60 % der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung die Behandlung chronisch kranker Patienten ausmachen, die wiederum nur rund 10 % der Versicherten darstellen (Adomeit et al., 2002: 27). Die Knappheit der finanziellen Mittel im Gesundheitswesen verlangt nach rationalem, wirtschaftlichem Handeln.
Im Mittelpunkt steht dabei der Patient. Es ist mittlerweile mehrfach belegt, dass durch die aktive Einbindung des Patienten die Compliance und damit der Erfolg der Krankenbehandlung erhöht wird (SVR, 2007: 40). Dazu leistet Homecare einen wesentlichen Beitrag, indem eine auf die jeweilige Therapie hin qualifizierte Fachkraft, z. B. ein/e examinierte/r Krankenschwester/-pfleger oder Altenpfleger/-in, den Patienten und dessen Betreuer unterstützt durch:
In diesem Zusammenhang werden in der Literatur Ansätze beschrieben, wie die Qualität der Behandlung chronischer Krankheiten zu verbessern und gleichzeitig Kosten einzusparen sind, indem Patienten effektiver durch ihre Versorgung geleitet werden. In diesem Zusammenhang treten Begriffe wie Managed Care, DiseaseManagement-Programme oder integrierte Versorgung auf; Homecare-Versorgung wird hier immer noch vernachlässigt. Hier ist es ein Ziel, die wichtige Rolle der Homecare-Versorgung auch als Mittel der Kostensenkung herauszustellen.
Informationen zum Krankheitsbild, zu den Therapiemöglichkeiten Bildung einer Vertrauensperson, insbesondere bei psychisch belastenden Erkrankungen Anleitung des Patienten zur Selbsthilfe kontinuierliche Betreuung des Patienten.
1.3
Versorgungsbereiche von Homecare Homecare setzt in der Regel eine im Krankenhaus begonnene Therapie im häuslichen Umfeld fort. Bei der Entlassung aus dem Krankenhaus sind viele der Patienten auf sich alleine gestellt, können aber aufgrund ihrer meist chronischen Erkrankung und möglicherweise Pflegebedürftigkeit die Fortführung der Krankenbehandlung nicht selbst koordinieren. Kenntnisse über weiterführende oder ergänzende Therapieformen, zuständige Kostenträger (Kranken-, Pflegeversicherung oder Rentenversicherung), Einrichtungen zur Weiterversorgung und Fachexperten fehlen in der Regel. Homecare-Unternehmen übernehmen daher zwei wesentliche Aufgaben: 1. Versorgung des Patienten mit Produkten (inkl. Beratung, Betreuung) 2. Koordination der ambulanten Behandlung.
Als weitere Aufgaben von Homecare sind zu nennen: Organisation der notwendigen Maßnahmen zur Fortsetzung der Therapie im ambulanten Bereich (Kontaktaufnahme mit dem zuständigen niedergelassenen Arzt) unverzügliche Bereitstellung der benötigten Produkte Überprüfung der häuslichen Infrastruktur, Koordination mit ambulantem Pflegedienst und betreuenden Angehörigen Einweisung in die Handhabung der Produkte und Schulung Anpassung an die patientenindividuellen Bedürfnisse kontinuierliche Kontrolle der richtigen Produkthandhabung Empfehlung zur Therapieanpassung oder Produktumstellung Information des Patienten über Begleitkosten der Versorgung (z. B. Zuzahlungen; Eigenanteile; Produkte, die nicht von der Krankenkasse erstattet werden). Zu den wichtigsten Therapie-Bereichen von Homecare zählen somit:
enterale und parenterale Ernährung Heim- und Peritonealdialyse Stoma- und Inkontinenzversorgung moderne Wundversorgung
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Homecare
Versorgung bei Tracheostomie- und Laryngektomie Infusions- und Schmerztherapie respiratorische Heimtherapie. Am Versorgungsprozess sind verschiedene Leistungserbringer (Arzt, Klinik, Rehabilitationseinrichtung, ambulante Pflege, Pflegeheim, usw.) sowie pflegende Angehörige und Kostenträger beteiligt (s. Abb. 1-3). Homecare-Unternehmen koordinieren die Aktivitäten der an der Patientenversorgung beteiligten Leistungserbringer. Welche Rolle Homecare-Unternehmen dabei für die einzelnen Leistungserbringer spielen, wird nachfolgend kurz skizziert.
Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus oder der Rehabilitationseinrichtung
Zusammenarbeit mit dem Arzt Die komplexen Krankheitsbilder der HomecarePatienten zählen nicht zum typischen Patientenprofil einer Hausarztpraxis. Hinzu kommt ein sehr heterogenes und vielseitiges Angebot an Hilfsmitteln. Weit mehr als 30 000 Hilfsmittel sind auf dem deutschen Markt verfügbar. Fundierte Kenntnisse und praktische Erfahrungen beim Einsatz dieser Produkte sind daher für den Arzt eine wichtige Hilfestellung, die Homecare
Wer sind die Beteiligten an der Patientenversorgung?
Krankenhaus
RehaEinrichtung
Hausarzt
Homecare-Leistungserbringer
Pflegeheim
Angehörige
Patient
ambulanter Pflegedienst
leistet. Unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten des Patienten wird der Arzt durch zielgerichtete Produktinformation (z. B. Mengenberechnung, Anwendungsintervalle) in der wirtschaftlichen Therapieplanung unterstützt. Mit Informationen zur Erstattungsfähigkeit von Produkten, Vorgaben der Krankenkassen zur Ausstellung der Verordnung oder Genehmigungspflichten bei den Krankenkassen entlasten Homecare-Unternehmen den Arzt von Verwaltungsaufgaben. Die Dokumentation der Patientenversorgung, die kontinuierliche Betreuung und psychosoziale Beratung des Patienten unterstützen den Arzt in der Sicherung des Behandlungserfolges.
Facharzt
Krankenkasse/ Versicherungsträger
Abbildung 1-3: Koordination der Patientenversorgung durch Homecare-Unternehmen. (Quelle: von Reibnitz, 2007)
Für die Weiterführung der in einer stationären Einrichtung begonnenen Therapie im häuslichen Bereich planen Homecare-Unternehmen frühzeitig die Entlassung aus dem Krankenhaus. Eine enge Zusammenarbeit mit allen am Prozess Beteiligten ist dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Die frühzeitige Planung des Entlassungszeitpunktes gewährleistet den reibungslosen Anschluss der in der stationären Einrichtung begonnenen Therapie. Durch die Kontaktaufnahme zum weiterbehandelnden Arzt entlastet das Homecare-Unternehmen die Sozialstationen der Einrichtungen und stimmt die poststationäre Versorgung ab: Kontaktaufnahme zu den nachsorgenden Institutionen (Alten-/Pflegeheim, Pflegedienst) und/oder den betreuenden Angehörigen Einholung der ärztlichen Verordnungen Auswahl und Koordination von weiteren geeigneten ambulanten Leistungserbringern. Während der Betreuungszeit des Patienten werden standardisierte Patientendokumentationen geführt, um bei Komplikationen und eventuell stationärer Wiederaufnahme einen schnellen Informationsaustausch sicherzustellen und eine unverzügliche Therapieanpassung zu erleichtern.
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1. Einführung
Zusammenarbeit mit Pflegeheimen und Pflegediensten Homecare-Unternehmen ersetzen nicht den Pflegedienst. Pflegeheime und ambulante Pflegedienste sind für die Pflege des Patienten (Körperhygiene, hauswirtschaftliche Versorgung, Unterstützung bei der Verrichtung von Alltagsgeschäften usw.) zuständig. Partnerschaftlich wird der Pflegedienst durch den HomecareLeistungserbringer unterstützt und in die Versorgung integriert, indem eine interdisziplinäre Planung zur Weiterversorgung des Patienten stattfindet: Abstimmung und Terminplanung zur Patientenübernahme Erläuterung der vom Hausarzt verordneten Therapien Einweisung in die Bedienung und Handhabung von Medizinprodukten. Darüber hinaus übernehmen Homecare-Unternehmen die Organisation der Hilfsmittelversorgung in Alten-/Pflegeheime und nehmen an Mikrovisiten teil. Die Homecare-Versorgung zeichnet sich neben der medizinisch qualifizierten Betreuung der Patienten und der Versorgung mit den notwendigen Produkten auch durch die sektorübergreifende Koordination und Information der am Versorgungsprozess Mitwirkenden aus. Krankenkassen Homecare-Unternehmen arbeiten partnerschaftlich mit den Kostenträgern zusammen. Die Krankenkassen profitieren insbesondere von einem umfassenden Produktangebot und ausgeprägter Kundenorientierung. Die qualifizierte Betreuung und Beratung des Versicherten vermeidet unnötige Krankenhauseinweisungen oder -aufenthalte. Dies erhöht nicht nur die Zufriedenheit des Versicherten, sondern senkt auch die Therapiekosten.
1.4
Was unterscheidet Homecare von häuslicher Krankenpflege? Man unterscheidet in der häuslichen Krankenpflege in der Regel die Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung im erforderlichen Umfang. Die Unterscheidung zwischen Grund- und Behandlungspflege kann man aus praktischen Gesichtspunkten wie folgt definieren (s. Tab. 1-1 auf S. 16). Leistungen der häuslichen Krankenpflege werden nur im Haushalt des Versicherten erbracht. Kann durch häusliche Krankenpflege ein Krankenhausaufenthalt vermieden oder verkürzt werden, übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für Behandlung und Versorgung von bis zu vier Wochen, in begründeten Ausnahmefällen auch länger. Voraussetzung: Im Haushalt leben keine Personen, die die Patientin oder den Patienten im erforderlichen Umfang pflegen können. Andernfalls sind Pflegeleistungen Aufgabe der Pflegeversicherung. Bisher wird in Alten- und Pflegeheimen Behandlungspflege von der Pflegeversicherung (§ 43 SGB XI) im begrenzten Rahmen ihrer budgetierten Leistungsbeträge übernommen, so dass die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen bei Dauerpflegeversorgung hohe Eigenanteile zu tragen haben, die sehr häufig die Finanzkraft der Betroffenen überfordern und in der Praxis häufig zu Krankenhauseinweisungen führen. Um zukünftig vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, wird der Haushaltsbegriff erweitert und die häusliche Krankenpflege/Behandlungspflege auch in Wohngemeinschaften oder neuen Wohnformen (z. B. Betreutes Wohnen) sowie in besonderen Ausnahmefällen in Heimen als Leistung gewährt. Die Verordnung von häuslicher Krankenpflege oder auch von Arzneimitteln bei Entlassung aus dem Krankenhaus muss bislang ein Vertragsarzt (niedergelassener Arzt, z. B. Hausarzt) vornehmen. Zukünftig kann der Krankenhausarzt, der als zuletzt Behandelnder die Situation des Patienten am besten einschätzt, für maximal drei Tage häusliche Krankenpflege verordnen, die notwendigen Medikamente mit-
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Homecare
Tabelle 1-1: Abgrenzung von Behandlungs- und Grundpflege. Behandlungspflege
Durchführung von medizinischen (diagnostischen und technischen) Leistungen nach § 37 SGB V des Gesundheitsreformgesetzes wie z. B. Blutentnahmen, Injektionen, Medikamentengaben, Vitalzeichenkontrollen etc. – ausschließlich zu erbringen von geschultem/examiniertem Fachpersonal nach ärztlicher Delegation
Grundpflege
Pflege und Versorgung von Patienten (Waschen, Ankleiden, Nahrung zubereiten, Zahn- und Mundhygiene, Lagern etc.) durch Pflegekräfte, erbringbar auch von Angelernten oder anderen Hilfskräften
geben, aber gleichzeitig den zuständigen niedergelassenen Kollegen (z. B. Hausarzt) darüber informieren. Somit ist die Versorgung des Patienten zumindest für die ersten Tage zu Hause sichergestellt – Zeit genug für den niedergelassenen Kollegen, alle weiteren Schritte einzuleiten und die Pflege zu organisieren. Für die ambulanten Pflegedienste bedeutet diese Neuregelung eine wichtige Verwaltungsentlastung. 1.5
Fazit Homecare steht im Spannungsfeld zwischen steigender Nachfrage und gleichzeitigem Kostendruck in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund: der demografischen Entwicklung mit einer starken Zunahme an hochbetagten und multimorbiden oder chronisch Kranken der politischen Forderung nach «ambulant vor stationär» und des zunehmenden Behandlungsbedarfs im ambulanten Bereich infolge der DRG-Einführung im Krankenhaus. Darüber hinaus erschweren unzureichende gesetzliche Vorgaben bzw. die fehlende Einbindung von Homecare-Leistungen im SGB V eine Weiterentwicklung und weitreichende Umsetzung dieses Versorgungskonzeptes im Gesundheitswesen. Die derzeitigen Vergütungsstrukturen im Homecare-Bereich, insbesondere die Orientierung am Produktpreis ohne ausreichende Berücksichtigung der gleichzeitig erbrachten Dienstleistungen, können zu Rationierungen in der Versorgung chronisch Kranker führen.
Neben den oben genannten Gründen spricht weiterhin für die Stärkung von Homecare im deutschen Gesundheitswesen die Aufhebung der strikten Trennung zwischen stationärem und ambulantem Sektor und die Forcierung übergreifender Versorgungsformen. Hier können Homecare-Unternehmen sich zukünftig im Markt positionieren und als Koordinatoren der einzelnen Behandlungssegmente auftreten und Patienten-Management-Systeme entwickeln. Notwendig sind hierfür die Entwicklung von Curricula für die Ausbildung und Qualifizierung von Homecare-Personal in enger Kooperation mit den Krankenpflegeausbildungsgesetzen. Gesundheitspolitische Zielsetzungen sollten konsequenterweise dahingehend umgesetzt werden, dass die Lehrpläne der Pflegeausbildung den steigenden Bedarf an qualifizierter Homecare-Versorgung integrieren und damit eine Spezialisierung auf die medizinische Behandlungspflege im Rahmen von Homecare-Therapien legen. Zukünftig wird die Weiterentwicklung und Umsetzung von interdisziplinären Versorgungspfaden (Clinical Pathways) mit einem standardisierten Überleitungsmanagement einen hohen Stellenwert haben. Hier gewinnt insbesondere die Förderung der Professionalisierung einer sektorübergreifenden Versorgung mit Homecare-Experten große Bedeutung. Ferner werden sich zwischen Krankenhaus und Homecare-Unternehmen feste Kooperationsstrukturen entwickeln, da für beide Partner aufgrund des steigenden Kostendrucks und des zunehmenden Wettbewerbs auf dem Gesundheitsmarkt eine Fokussierung auf ihre Kernkompetenzen notwendig werden wird. Die professio-
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1. Einführung
nelle Überleitung des Patienten vom stationären in den ambulanten Bereich zählt bereits heute zu einer der Kernaufgaben von Homecare. Eine enge Zusammenarbeit der Homecare-Leistungserbringer mit den Krankenhäusern kann sich somit zu einer echten Win-win-Situation entwickeln.
1.6
Literatur Adomeit, A.; Baur, A.; Salfeld, R.: Neue Chancen für Disease-Management. In: McKinsey & Company Inc (Hrsg.): McKinseay Health – Management-Wissen für die Gesundheitsbranche. Eigenverlag, München 2002: 2–12. Bundessozialgericht: www. bundessozialgericht.de BVMed – Bundesverband Medizintechnologie e. V.: Homecare. Broschüre, Eigenverlag, Berlin 2007.
CW Haarfeld GmbH: SGB – Sozialgesetzbuch. Fachverlag CW Haarfeld, Essen 2004. Mayer, K-U.; Baltes, P. B. (Hrsg.): Die Berliner Altersstudie: Das höhere Alter in interdisziplinärer Perspektive. Eigenverlag, Lappersdorf 1999. Oberender, P.; Fleckenstein, J.: Reform der Sozialen Pflegeversicherung – Entschärfung einer Zeitbombe. Diskussionspapier 05/04, Lehrstuhl VWLIV, Universität Bayreuth 2004. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) (Hrsg.): Kooperation und Verantwortung. Nomos, Baden-Baden 2007. Verfügbar unter: http://www.svr-gesundheit.de. [Datum der letzten Einsichtnahme: 10. April 2008]. Statistisches Jahrbuch (STJB): Ausgabe 2007. Verfügbar unter: http://www.destatis.de/. [Datum der letzten Einsichtnahme: 19. Mai 2008]. Teltower Kreis (Hrsg.) Umbau der Sozialsysteme. 7. Symposium des Teltower Kreises am 8. November 2003 in Dresden. Einhorn Presse Verlag, Reinbek 2004. von Reibnitz, C.: Sektorübergreifende Patientenversorgung Homecare: Was braucht der Patient? Heilberufe, 3 (2007): 2–5.
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Rechtliche Grundlagen und Finanzierung von Homecare Jana Künstner
2.1
Einleitung Der Begriff Homecare bedarf zunächst einer Definition, um die rechtlichen Grundlagen und die Finanzierung dieses Versorgungsbereiches in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Kontext betrachten zu können. Geht man von einer wörtlichen Interpretation aus, ist Homecare schlicht die Versorgung zu Hause. Diese wörtliche Darstellung ist zu weit gefasst, da es sich um eine rein medizinische Versorgung handelt und die Dienstleistungen, die das Leben erleichtern, bei der Begriffsbestimmung außen vor gelassen werden sollten. Nach der Definition des Bundesverbandes Medizintechnologie e. V. (BVMed) ist Homecare ein unersetzlicher Bestandteil ambulanter Patientenversorgung. Homecare steht für eine sektorenverbindende Versorgungsform, die nach dem Grundsatz ambulant vor stationär arbeitet. Homecare ist daher die Versorgung von Patienten mit beratungsintensiven und erklärungsbedürftigen Hilfsmitteln/ Medizinprodukten, Verbandmitteln und Arzneimitteln durch geschultes, speziell ausgebildetes Fachpersonal mit nachgewiesenen Ausbildungsqualifikationen und medizinischen Kenntnissen im Rahmen einer ärztlichen ambulanten Therapie in ihrer häuslichen Umgebung oder im Pflegeheim (http://www.bvmed.de/themen/Homecare/ article/Homecare-Flyer_Bedeutung_und_Nutzen _ im_deutschen_Gesundheitssystem.html).
Kurz zusammengefasst ist Homecare daher eine Form der Krankenbehandlung. Homecare ist nicht häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V. Da der überwiegende Teil der deutschen Bevölkerung gesetzlich krankenversichert ist, sind die Rechtsgrundlagen von Homecare im Sozialgesetzbuch (SGB) geregelt. Die Finanzierung der Leistungen ist Bestandteil der GKV. Im Folgenden soll dies näher ausgeführt werden.
2.2
Rechtsgrundlagen für Homecare in der GKV Sucht man in den Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuches nach dem Begriff Homecare, wird man nicht fündig. Homecare ist als Begriff weder im SGB V (Krankenversicherungsrecht) noch im SGB XI (Pflegeversicherungsrecht) geregelt. Folgt man der Definition des BVMed (was im Folgenden des Beitrages vorausgesetzt wird), ist es sinnvoll, sich über die betroffenen Produkte in einer Homecare-Versorgung und die gesetzlichen Regelungen für die Erstattung durch die GKV Gedanken zu machen. Typische Homecare-Versorgungen sind u. a.:
enterale und parenterale Ernährungstherapien onkologische Therapien Infusionstherapien Stoma- und Inkontinenzversorgung
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moderne Wundversorgung Dekubitusprophylaxe Tracheostoma- und Laryngektomietherapie Sauerstofflangzeittherapie Beatmung Kompressionstherapie Hilfsmittel, die die Mobilität des Patienten unterstützen (Mobilitätstherapien).
Bei den betroffenen Produkten handelt es sich daher im Wesentlichen um Medizinprodukte, Arzneimittel und Ernährungstherapeutika. Aufgrund der Komplexität der Erstattung von Arzneimitteln in der GKV beschränken sich diese Ausführungen auf die Medizinprodukte und die Ernährungstherapeutika (enterale Ernährung). Bei den Medizinprodukten gibt es zwei unterschiedliche Kategorien, die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen im SGB V unterliegen. Das eine sind die Verbandmittel, die nach § 31 SGB V erstattungsfähig sind. Das andere sind die Hilfsmittel. Der Anspruch des Versicherten auf die Versorgung mit Hilfsmitteln ist in § 33 SGB V geregelt. Bei den Ernährungstherapeutika gibt es eine Sonderregelung für bestimmte Produkte in § 31 Absatz 1 Satz 1 und 2 SGB V in Verbindung mit der Arzneimittelrichtlinie. Die §§ 31 und 33 SGB V gewähren dem gesetzlich Versicherten noch keinen individuellen Einzelanspruch gegenüber seiner Krankenkasse. Vielmehr ist dies zunächst die generelle Möglichkeit des Versicherten, im Bedarfsfall zu Lasten seiner gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen zu erhalten. Diese generelle Möglichkeit muss dann noch individuell durch eine Einzelfallentscheidung des jeweils behandelnden Vertragsarztes konkretisiert werden. Erst danach kann es sich zu einem Leistungsanspruch gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung verdichten (Bundessozialgericht AZ.: 4 RK 5/92 vom 16.12.1993). Voraussetzung für den Anspruch des Homecare-Patienten ist daher die ärztliche Verordnung der benötigten Produkte. Die einzelnen Bestimmungen zu den Produkten sehen im Wesentlichen wie folgt aus:
2.2.1
Homecare-Versorgung mit Hilfsmitteln Der Anspruch des Versicherten zur Versorgung mit Hilfsmitteln ist in § 33 SGB V geregelt. Der Gesetzestext in der derzeit gültigen Fassung lautet auszugsweise wie folgt: «Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind […].» Neben dem Anspruch auf das eigentliche Hilfsmittel umfasst der Anspruch des Versicherten gegenüber seiner Krankenkasse auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung, Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel und Wartung und technische Kontrollen (sofern erforderlich). Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbes in der GKV zum 1. April 2007 haben sich die Grundlagen der Versorgung im Hilfsmittelbereich wesentlich geändert. Das bisherige System, dass sich Versicherte der GKV von zugelassenen Leistungserbringern mit Hilfsmitteln versorgen lassen können, wurde auf ein Vertragssystem umgestellt. Seit dem 1. April 2007 ist Voraussetzung für die Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln durch die Krankenkasse, dass der in Anspruch genommene Leistungserbringer über einen Vertrag mit der jeweiligen Krankenkasse verfügt. Lediglich für einen Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2008 können sich Versicherte noch von Leistungserbringern versorgen lassen, die «nur» über die alte Zulassung verfügen und keinen Vertrag mit einer Krankenkasse vereinbart haben. Ab dem 1. Januar 2009 gilt ausschließlich das Vertragssystem. Bestehende Zulassungen entfallen – mit der Folge, dass sich das Recht des Versicherten auf freie Wahl des Leistungserbringers auf das Recht auf freie Wahl zwischen den Vertragspartnern reduziert.
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2.2.2
Was genau sind nun Hilfsmittel? Der Begriff des Hilfsmittels ist vielschichtig. Es existieren unterschiedliche Definitionen in den einzelnen Sozialgesetzbüchern. Welcher Hilfsmittelbegriff für den Versicherten einschlägig ist, richtet sich danach, in welchem Zusammenhang der Bedarf an dem Hilfsmittel entstanden ist. Zunächst soll der Begriff des Hilfsmittels nach dem Krankenversicherungsrecht näher beleuchtet werden. Der sich aus § 33 Absatz 1 Satz 1 SGB V ergebende Anspruch auf ein konkretes Hilfsmittel setzt voraus, dass das begehrte Produkt auch ein Hilfsmittel im Sinne der Krankenversicherung ist. Da der Hilfsmittelbegriff im SGB V nicht definiert wurde, hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 3. August 2006 (B 3 KR 25/05 R) ausgeführt, dass Maßstab für den Hilfsmittelbegriff die Definition in § 31 SGB IX ist. Dieses Sozialgesetzbuch regelt die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Gemäß § 31 SGB IX sind Hilfsmittel solche Gegenstände, die von den Leistungsempfängern getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen, den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind. Lediglich fest eingebaute Inventarbestandteile einer Wohnung oder auch einer Praxis sind gemäß § 31 SGB IX damit keine Hilfsmittel. Zu den Hilfsmitteln gehören beispielsweise Stomaartikel, Hörgeräte, Kompressionsstrümpfe, Inkontinenzprodukte, Rollstühle, orthopädische Schuhe und Blutzuckermessgeräte. Hilfsmittel sind demnach immer Geräte, Gegenstände oder Apparate aber keine Dienstleistungen. Dazu zählen auch die erforderlichen Zubehörteile, ohne die die Basisprodukte nicht benutzt werden können. Sie haben die Aufgabe, ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunk-
tionen wiederherzustellen, zu ersetzen, zu erleichtern, zu ergänzen, vor den Folgen eines plötzlichen Funktionsausfalles zu schützen oder einen Funktionsausfall zu vermeiden bzw. den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern. Entscheidend ist, ob das Produkt im Einzelfall der behinderten Person dadurch zugute kommt, dass die Auswirkungen der Behinderung behoben oder gemildert werden, selbst wenn dies dadurch geschieht, dass die Pflege durch Dritte erleichtert wird. Es spielt damit keine Rolle, ob die Gegenstände von professionellen Anwendern oder von Laien benutzt werden, ob die Hilfsmittel unmittelbar am Körper der kranken oder behinderten Personen wirken und dadurch den ärztlichen Behandlungserfolg sichern oder eine Behinderung ausgleichen oder ob dies mittelbar dadurch erfolgt, dass eine Hilfsperson in die Lage versetzt wird, die beabsichtigten Ziele zu erreichen. Diese Aspekte hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 3. August 2006, AZ: B 3 KR 25/05 R entwickelt. Umstritten ist derzeit, ob auch Produkte, die ausschließlich vom Arzt angelegt werden oder vom Arzt in den Körper eingeführt werden, als Hilfsmittel verordnet werden können. Die Leistung des Arztes gilt in dem Fall nach Auffassung der Krankenkassen als nicht delegationsfähig und die entsprechenden Produkte folglich nicht als Hilfsmittel gemäß § 33 SGB V. Dazu zählen beispielsweise Ports, die für die Versorgung eines Versicherten mit enteraler Ernährung benötigt werden, und auch suprapubische Katheter. Suprapubische Katheter ersetzen die gestörte Körperfunktion der Blasenleerung. Die diesbezügliche Rechtslage ist damit unklar. Es ist allerdings keine gesetzliche Grundlage ersichtlich, dass die Hilfsmitteleigenschaft eines Medizinproduktes nach der Delegationsfähigkeit der mit der Verwendung einhergehenden ärztlichen Tätigkeit zu bestimmen ist. Auch der sozialrechtlichen Rechtsprechung ist ein solcher Zusammenhang fremd. Ebenso wenig kommt den Krankenkassen die Befugnis zu, abschließend über die rechtliche Qualifikation eines Medizinproduktes als Hilfsmittel im Sinne von § 33 SGB V zu bestimmen. Ob eine ärztliche Tätigkeit delegationsfähig ist oder nicht,
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ist für die Frage der Hilfsmitteleigenschaft von Produkten daher von vornherein ohne jede Bedeutung. Vielmehr ist allein maßgeblich, ob die Voraussetzungen des Paragrafen 33 SGB V erfüllt werden (Hartmann et al., 2008: 19 ff.). Der Hilfsmittelbegriff ist daher sehr weit zu fassen. Bei Pflegebedürftigkeit gilt der Anspruch des Versicherten auf Versorgung mit Hilfsmitteln im Sinne des Paragrafen 33 SGB V fort, und zwar unabhängig davon, in welchem Umfang eine Teilnahme am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist. Hilfsmittel sind für den Arzt nicht richtgrößenrelevant, und es gibt auch keine Budgetierung. 2.2.3
Homecare-Versorgung mit Ernährungstherapeutika Unter dem Begriff Ernährungstherapeutika wird im Folgenden die enterale Ernährung definiert. Enterale Ernährung ist die Zufuhr von industriell gefertigten Nahrungssubstraten unter Nutzung des verbliebenen Verdauungstrakts. Eine enterale Ernährung kann mittels Sondennahrung über Applikationssysteme (Sonden und Überleitgeräte) direkt in den Magen oder Dünndarm erfolgen, aber auch mittels Trinknahrung, sofern der betroffene Patient noch schlucken kann, verabreicht werden. In erster Linie sind jene Patienten auf eine enterale Ernährung angewiesen, die nicht oder nicht in ausreichender Menge Nahrung auf normalem Wege zu sich nehmen können. Darüber hinaus kann es auch erforderlich sein, Patienten in speziellen Krankheitssituationen und/oder während besonderer Behandlungsstadien ergänzend oder sogar ausschließlich künstliche Nahrung zuzuführen. Eine stetig steigende Anzahl solcher Patienten – derzeit wohl bereits über 100 000 – wird nicht nur in Krankenhäusern sondern auch ambulant (zu Hause) versorgt (Großkopf/Schanz, 2006: 70 ff.). Die zentrale gesetzliche Bestimmung für die enterale Ernährung lautet in § 31 Absatz 1 Satz 1 und 2 SGB V wie folgt: «Versicherte haben Anspruch auf die Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln […] und
auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen ausnahmsweise in die Arzneimittelverordnung einbezogen werden: Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate; Elementardiäten und Sondennahrung, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen […].» Neben der gesetzlichen Regelung in § 31 SGB V ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) durch den Gesetzgeber damit beauftragt worden, eine Richtlinie dafür zu erstellen, in welchen Fällen welche Produkte ausnahmsweise verordnungsfähig sind. Ernährungstherapeutika sind weder Arzneimittel noch Verbandmittel oder Hilfsmittel und schon gar keine Heilmittel. Die Ernährungstherapeutika als besondere eigene Leistungskategorie wurden ausnahmsweise in die bestehende Richtlinie zur Arzneimittelversorgung einbezogen (Schütze, 2007: 11). Nach der derzeit gültigen Fassung der Arzneimittelrichtlinie gelten folgende allgemeine Verordnungsvoraussetzungen für Ernährungstherapeutika: Ein medizinisch notwendiger Fall für die Verordnung liegt vor bei fehlender oder eingeschränkter Fähigkeit zur ausreichenden normalen Ernährung, wenn eine Modifizierung der normalen Ernährung und/oder sonstige ärztliche, pflegerische oder ernährungstherapeutische Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation nicht ausreichen. Enterale Ernährung und sonstige Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation schließen einander nicht aus, sondern sind erforderlichenfalls miteinander zu kombinieren. Verordnungsfähige Produkte sind Standardprodukte, die bei der überwiegenden Zahl der Indikationen als normoder hochkalorische Trink- und Sondennahrung einsetzbar sind. Hierzu zählen auch Produkte, die speziell mit Ballaststoffen und mittelkettigen Triglyzeriden (MCT-Fette) angereichert sind, soweit damit keine Mehrkosten verbunden sind. Gleichzeitig sind Spezialprodukte, die krankheitsadaptiert für bestimmte Indikationen einsetzbar
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sind, ebenfalls verordnungsfähig. Beispiele für verordnungsfähige Spezialprodukte sind: Produkte mit Anpassung für Niereninsuffiziente, altersadaptierte Produkte für Säuglinge und Kleinkinder Elementardiäten («Trinknahrung») mit hochhydrolysierten Eiweißen oder Aminosäuremischungen für Säuglinge und Kleinkinder mit Kuhmilcheiweißallergie oder Patienten mit multiplen Nahrungsmittelallergien niedermolekulare oder speziell mit mittelkettigen Triglyzeriden (MCT-Fette) angereicherte Spezialprodukte bei Patienten mit dokumentierten Fettverwertungsstörungen oder Malassimilationssyndromen (z. B. Kurzdarmsyndrom, AIDS-assoziierten Diarrhöen, Mukoviszidose), auch wenn damit Mehrkosten verbunden sind defektspezifische Aminosäuremischungen (auch fett- und kohlenhydrathaltige Produkte) für Patienten mit Phenylketonurie oder weiteren angeborenen Enzymdefekten, die mit speziellen Aminosäuremischungen behandelt werden ketogene Diäten für Patienten mit Epilepsien, wenn trotz optimierter antikonvulsiver Therapie eine ausreichende Anfallskontrolle nicht gelingt. (http://www.bvmed.de/themen/Hilfsmittel/ article/Erstattung_enterale_Ernaehrungstherapie. html) Ernährungstherapeutika sind für den Arzt richtgrößenrelevant. Zu einer Versorgung gehören aber auch Produkte, die benötigt werden, um die enterale Ernährung in den Körper zu applizieren. Diese sind Hilfsmittel und folgen den unter Punkt 2.2.1. dargestellten Rahmenbedingungen.
Behandlung von Wunden bzw. der Stabilisierung, Immobilisation, funktionalen Mobilisation und/oder Kompression von Körperteilen zu dienen bestimmt sind. Insbesondere können sie Blutungen stillen, Sekrete aufsaugen, Wunden reinigen, Granulation fördern, vor äußeren Einflüssen schützen, heilungsförderndes Mikroklima schaffen, bewahren und/oder wiederherstellen, Arzneimittel applizieren und Körperteile stützen, verbinden, umhüllen, komprimieren (http://www.bvmed.de/themen/Arztpraxis/ article/Verordnungs-_und_Erstattungsfaehigkeit _von_Verbandmitteln.html). Verbandmittel sind verordnungsfähig, und nach § 31 Absatz 1 SGB V haben GKV-Versicherte Anspruch auf die Versorgung mit Verbandmitteln. Sie fallen nicht unter die Ausschlussregelung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Beispiele von Verbandmitteln sind: traditionelle Wundauflagen, z. B. Kompressen, Tamponaden Binden und Verbände, z. B. Kompressionsund Zinkleimbinden Pflaster, z. B. Fixierpflaster, Wundschnellpflaster Verbandsets Verbandwatte moderne Wundversorgungsprodukte, z. B. Alginate, Hydrogele, Hydrokolloide, Schäume, silberhaltige Wundauflagen. Verbandmittel werden durch einen zugelassenen Vertragsarzt verordnet und sind für diesen richtgrößenrelevant.
2.3
Rechtsbeziehungen 2.3.1
2.2.4
Homecare-Versorgung mit Verbandmitteln Der Begriff des Verbandmittels ist im SGB V nicht definiert. Verbandmittel sind Medizinprodukte, die der Verhütung, Versorgung und/oder
Verhältnis «Patient – Krankenversicherung» Das Rechtssystem der GKV ist gekennzeichnet durch das «Leistungsdreieck» zwischen Versichertem, Kostenträger und Leistungserbringer. Der Versicherte hat Ansprüche gegenüber seiner
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Versicherung, die diese durch Dritte (Leistungserbringer) zur Verfügung stellt (Schneider, 1998: 273).
erbringer ab, so dass dieser direkt mit der Krankenkasse abrechnen kann (Hagemeier/von Reibnitz, 2005: 16).
In der GKV gilt grundsätzlich das Sachleistungsprinzip. Bezogen auf Homecare beschränken sich die Ansprüche des Versicherten daher im Wesentlichen auf die Arznei-, Verband- und Hilfsmittel sowie die Ernährungstherapeutika. In einigen wenigen Ausnahmen ist es zulässig, dass der Patient vom Sachleistungsprinzip abweicht und sich für das Kostenerstattungsprinzip entscheidet. In der Homecare-Versorgung ist dies derzeit jedoch noch nicht sehr weit verbreitet.
Grundsätzlich kann der Patient seinen Leistungserbringer in der GKV frei wählen. Für den Bereich der Hilfsmittelversorgung gibt es eine spezielle Regelung, die diesen Grundsatz einschränkt. In § 33 Absatz 6 ist Folgendes geregelt. «Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse oder nach § 126 Abs. 2 versorgungsberechtigt sind. Hat die Krankenkasse Verträge nach § 127 Abs. 1 über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln geschlossen, erfolgt die Versorgung durch einen Vertragspartner, der den Versicherten von der Krankenkasse zu benennen ist. Abweichend von Satz 2 können Versicherte ausnahmsweise einen anderen Leistungserbringer wählen, wenn ein berechtigtes Interesse besteht; dadurch entstehende Mehrkosten haben sie selbst zu tragen.» Kurz zusammengefasst: Der Patient kann keinen Leistungserbringer in Anspruch nehmen, der nicht Vertragspartner seiner Krankenkasse ist.
2.3.2
Verhältnis «Krankenversicherung – Homecare-Leistungserbringer» Die Leistungserbringer erfüllen den Anspruch des Patienten in der Homecare-Versorgung gegenüber seiner Krankenkasse. Dabei handelt es sich ausschließlich um vertragliche Regelungen zwischen der Krankenkasse und dem Leistungserbringer. Einen Verwaltungsakt der Zulassung eines Homecare-Unternehmens für die Versorgung der Versicherten im Homecare-Bereich gibt es seit dem 1. April 2007 nicht mehr. Wie die einzelnen vertraglichen Regelungen aussehen und welche gesetzlichen Regelungen es dazu gibt, ist in Abschnitt 2.4 Finanzierung näher dargestellt. 2.3.3
Verhältnis «Patient – HomecareLeistungserbringer» Zwischen Patient und Leistungserbringer besteht ein zivilrechtliches Rechtsverhältnis. In der Praxis werden aber nur selten Verträge zwischen Leistungserbringern und Versicherten abgeschlossen. Hintergrund sind die vertraglichen Regelungen zwischen den Leistungsanbietern und den Kostenträgern. Wählt der Patient ausnahmsweise das Prinzip der Kostenerstattung, tritt er seine Ansprüche gegenüber seiner Versicherung an den Leistungs-
Einzige Ausnahme: Der Versicherte macht ein berechtigtes Interesse geltend. Ein berechtigtes Interesse kann gemäß Gesetzesbegründung auch im Falle der Entscheidung des Versicherten für eine aufwändigere Versorgung gegen Aufzahlung vorliegen, wenn der benannte Vertragspartner das aus berechtigten Gründen begehrte Hilfsmittel nicht vorhält. Weitere Hinweise darauf, was ein berechtigtes Interesse des Versicherten sein kann, gibt es nicht. Im Einzelfall empfiehlt es sich für den Homecare-Patienten, frühzeitig Rücksprache mit seinem Leistungserbringer und seiner Krankenkasse zu halten. Diese Einschränkung des Patientenwahlrechtes gibt es für Verbandmittel und Ernährungstherapeutika in der Form nicht. Allgemein lässt sich feststellen, dass den Wünschen des Versicherten im GKV-System entsprochen werden soll, soweit sie angemessen sind. Gleichzeitig haben die Krankenkassen bei der Auswahl der Leistungserbringer nach § 2 Absatz 3 SGB deren Vielfalt zu beachten.
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2.4
Finanzierung in der HomecareVersorgung Wie bereits dargestellt, handelt es sich bei einem Großteil der Patienten in der Homecare-Versorgung um gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Finanzierung der Homecare-Versorgung erfolgt daher zum größten Teil über die Beiträge in der GKV. Dem Anbieter der Homecare-Leistungen wird lediglich der Produktpreis durch die GKV vergütet. Für die Höhe der Vergütung ist dann wieder danach zu differenzieren, welches Produkt der Patient in der Homecare-Versorgung benötigt. 2.4.1
Hilfsmittel Für den Bereich der Hilfsmittelversorgung gibt es zwei Möglichkeiten, die Höhe der Erstattung zu regeln. Zum einen gibt es bundesweite Festbeträge, die als absolute Obergrenze für die Erstattung geregelt sind. In § 33 Absatz 7 SGB V heißt es dazu: «Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise. Erfolgt die Versorgung auf der Grundlage des Paragrafen 126 Abs. 2 durch einen Leistungserbringer, der nicht Vertragspartner der Krankenkasse ist, trägt die Krankenkasse die Kosten in Höhe des niedrigsten Preises, der für eine vergleichbare Leistung mit anderen Leistungserbringern vereinbart wurde, bei Hilfsmitteln, für die ein Festbetrag festgesetzt wurde, höchstens bis zur Höhe des Festbetrags.» Es wurden für insgesamt sechs Produktgruppen des Hilfsmittelverzeichnisses Festbeträge festgesetzt. Das sind Inkontinenzhilfen, Stomaartikel, Anti-Dekubitus-Produkte, Einlagen, Kompressionsstrümpfe, Seh- und Hörhilfen. Gemäß § 36 Absatz 1 SGB V sollen «unter Berücksichtigung des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 in ihrer Funktion gleichartige und gleichwertige Mittel in Gruppen zusammengefasst und die Einzelheiten der Versorgung festgelegt werden» wenn die Festbeträge für Hilfsmittel festgesetzt werden. Festgelegt werden die Festbeträge seit dem 1. Juli 2008 vom Spitzenverband Bund. Allerdings legt bereits der
Gesetzestext nahe, dass das Festbetragssystem neben dem Vertragssystem existiert. Der Festbetrag ist lediglich eine Obergrenze für die Erstattung der Hilfsmittel in der GKV. Die zweite Möglichkeit, die Höhe der Erstattung von Hilfsmitteln in der GKV festzulegen, ist der Vertragspreis. Dieser ergibt sich aus den Vereinbarungen zwischen den Homecare-Leistungserbringern und der jeweiligen Krankenkasse des Versicherten. Wie derartige Verträge geschlossen werden, ist in § 127 SGB V geregelt. Dort heißt es: Absatz 1 «Soweit dies zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen und in der Qualität gesicherten Versorgung zweckmäßig ist, sollen die Krankenkassen, ihre Verbände [bis 30. Juni 2008; ab 01. Juli 2008: Landesverbände; Anm. d. Autorin] oder Arbeitsgemeinschaften im Wege der Ausschreibung Verträge mit Leistungserbringern oder zu diesem Zweck gebildeten Zusammenschlüssen der Leistungserbringer über die Lieferung einer bestimmten Menge von Hilfsmitteln, die Durchführung einer bestimmten Anzahl von Versorgungen oder die Versorgung für einen bestimmten Zeitraum schließen. Dabei haben sie die Qualität der Hilfsmittel sowie die notwendige Beratung der Versicherten und sonstige erforderliche Dienstleistungen sicherzustellen und für eine wohnortnahe Versorgung der Versicherten zu sorgen. Die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte sind zu beachten. Für Hilfsmittel, die für einen bestimmten Versicherten individuell angefertigt werden, oder Versorgungen mit hohem Dienstleistungsanteil sind Ausschreibungen in der Regel nicht zweckmäßig. Absatz 2 Soweit Ausschreibungen nach Absatz 1 nicht zweckmäßig sind, schließen die Krankenkassen, ihre Verbände [bis 30. Juni 2008; ab 01. Juli 2008: Landesverbände; Anm. d. Autorin] oder Arbeitsgemeinschaften Verträge mit Leistungs-
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erbringern oder Verbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer über die Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln, deren Wiedereinsatz, die Qualität der Hilfsmittel und zusätzlich zu erbringender Leistungen, die Anforderungen an die Fortbildung der Leistungserbringer, die Preise und die Abrechnung. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend. Die Absicht, über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln Verträge zu schließen, ist in geeigneter Weise öffentlich bekannt zu machen. Absatz 3 Soweit für ein erforderliches Hilfsmittel keine Verträge der Krankenkasse nach Absatz 1 und 2 mit Leistungserbringern bestehen oder durch Vertragspartner eine Versorgung der Versicherten in einer für sie zumutbaren Weise nicht möglich ist, trifft die Krankenkasse eine Vereinbarung im Einzelfall mit einem Leistungserbringer. Sie kann vorher auch bei anderen Leistungserbringern in pseudonymisierter Form Preisangebote einholen. In den Fällen des Paragrafen 33 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 6 Satz 3 gilt Satz 1 entsprechend. Absatz 4 Für Hilfsmittel, für die ein Festbetrag festgesetzt wurde, können in den Verträgen nach den Absätzen 1, 2 und 3 Preise höchstens bis zur Höhe des Festbetrags vereinbart werden. Absatz 5 Die Krankenkassen haben ihre Versicherten über die zur Versorgung berechtigten Vertragspartner und auf Nachfrage über die wesentlichen Inhalte der Verträge zu informieren. Sie können auch den Vertragsärzten entsprechende Informationen zur Verfügung stellen.» Kurz zusammengefasst lässt sich sagen, dass es im Wesentlichen zwei Wege für die HomecareLeistungserbringer gibt, Verträge zu schließen. Entweder schreibt die Krankenkasse die Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln einer bestimmten Produktgruppe aus oder es werden
Vertragsabsichten bekanntgegeben, und die Krankenkasse und der Leistungserbringer verhandeln einen individuellen Vertrag. Rund um diese gesetzliche Regelung gibt es zahlreiche Fragen, die noch nicht abschließend geklärt sind. Es seien beispielhaft zwei davon genannt: 1. Findet bei Ausschreibungen das europäische Vergaberecht Anwendung? 2. Können interessierte Leistungserbringer den abgeschlossenen Verträgen, die nicht im Wege der Ausschreibung geschlossen worden sind, beitreten? Für die erste Frage liefert die Gesetzesbegründung einen Hinweis. Dort ist hinterlegt, dass das Vergaberecht Anwendung finden soll. Formaljuristisch gibt es drei Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit das europäische Vergaberecht Anwendung findet. Es muss sich um einen öffentlichen Auftraggeber handeln, der einen öffentlichen Auftrag zu vergeben hat und der Auftragswert muss oberhalb des Schwellenwertes (gegenwärtig 206 000 Euro) liegen. Die Frage, ob Krankenkassen öffentliche Auftraggeber sind, liegt zurzeit beim Europäischen Gerichtshof zur Klärung vor. Eine Entscheidung dazu wird voraussichtlich 2009 erwartet. In der Praxis geht die Tendenz derzeit in die Richtung, dass Ausschreibungen, die von den Krankenkassen veröffentlicht werden, nach europäischen Vorgaben durchgeführt werden. Die zweite Frage abschließend zu klären, würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Es gibt zurzeit noch keine Rechtsprechung dazu, aber gute Argumente dafür und dagegen. In der Praxis verhalten sich die Krankenkassen unterschiedlich. Nun stellt sich die Frage, in welchem Fall die Krankenkasse die Versorgung mit Hilfsmitteln ausschreiben muss (§ 127 Abs. 1) und wann die Krankenkasse die Verträge individuell verhandeln kann (§ 127 Abs. 2). Dazu gibt es eine Regelung im Gesetz, die besagt, dass bei Hilfsmitteln, die für einen bestimmten Versicherten individuell angefertigt werden, oder Versorgungen mit hohem Dienstleistungsanteil, Ausschreibungen in der Regel nicht zweckmäßig
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sind. Nach einer gemeinsamen Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen sind bei der Bewertung, ob es sich um eine dienstleistungsträchtige Versorgung handelt, verschiedene Kriterien heranzuziehen. So ist zu prüfen, ob neben der standardmäßigen Auswahl, Anpassung und Abgabe der Hilfsmittel umfangreiche zusätzliche Arbeiten wie umfassende handwerkliche Zurichtung, Nachbetreuung oder nicht standardisierbare Anpassungen anfallen, die den Charakter der Gesamtleistung maßgeblich prägen. Dabei kommt es nicht auf den monetären Wert der Sach- oder Dienstleistung an. Weitere Ausnahmefälle für den Verzicht auf eine Ausschreibung nehmen die Spitzenverbände der Krankenkassen an, wenn es in strukturschwachen Regionen nur einen einzigen geeigneten Leistungserbringer gibt, der für den betreffenden Bereich liefern kann, oder wenn wegen eines besonders geringen Bedarfs der Aufwand des Ausschreibungsverfahrens in einem offensichtlichen Missverhältnis zu dem möglichen Ergebnis steht (Gemeinsame Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen zur Umsetzung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes im Hilfsmittelbereich vom 27. März 2007, 16 ff.). Damit sind auch die wirtschaftlichen Missverhältnisse gemeint. In der Praxis gibt es auch hier unterschiedliche Ausgestaltungen. Urteile liegen dazu noch nicht vor. Die Entscheidung für das eine oder andere Vertragsinstrument obliegt derzeit allein den Krankenkassen.
2.4.2
Verbandmittel und Ernährungstherapeutika In § 31 Absatz 2 Satz 1 SGB V ist Folgendes geregelt: «Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 oder § 35 a festgesetzt ist, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, für andere Arzneioder Verbandmittel die vollen Kosten, jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach den Paragrafen 130, 130 a und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler.» Weder für Verbandmittel noch
für die Ernährungstherapeutika gibt es gegenwärtig Festbeträge. Die Höhe der Erstattung richtet sich bei diesen Produkten daher nach den individuellen vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Krankenkasse und dem Leistungserbringer.
2.5
Fazit Die Versorgung von Patienten im ambulanten Bereich in der häuslichen Umgebung mit Hilfsmitteln, Verbandmitteln und Ernährungstherapeutika ist und bleibt ein Zukunftsmarkt. Grund sind steigende Fallzahlen. Kritisch zu betrachten sind jedoch die ständig fallenden Vergütungssätze für die Produkte durch die GKV in diesem Bereich. Dies könnte langfristig zu einer Veränderung der Qualität der Dienstleistungen rund um das Produkt in der Homecare-Versorgung führen. Da die Dienstleistung über den Produktpreis finanziert wird, stellt sich die Frage, wie viel Dienstleistung sich noch erbringen und wie sie sich zukünftig kalkulieren lässt. Da der Gesetzgeber diesen Bereich mit zahlreichen Neuregelungen konfrontiert, wird dies zwangsläufig zu einer Veränderung der Anbieterstruktur führen. Die politischen Vorgaben sahen eine Ersparnis für den Bereich der Hilfsmittel von 300 Millionen Euro vor. Dem stehen Ausgaben im Jahr 2006 in Höhe von 4,5 Milliarden Euro entgegen. Ständige politische Veränderungen zwingen den Homecare-Markt, sich auf die Herausforderungen einzustellen und innovative Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Die Entwicklungen sind schwer vorhersehbar. Fakt ist, die Fallzahlen werden aufgrund der demografischen Entwicklung steigen. Der Markt wird dazu Antworten finden, und der Patient wird in Zukunft um einen eigenständigen finanziellen Beitrag zu einer qualitativ hochwertigen Versorgung wahrscheinlich nicht herumkommen.
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2.6
Literatur BVMed – Bundesverband Medizintechnologie e. V.: Informationskarten Verbandmittel, Hilfsmittel. Eigenverlag, Berlin 2008. Verfügbar unter: http://www. bvmed.de/themen/Arztpraxis/article/Verordnungs_und_Erstattungsfaehigkeit_von_Verbandmitteln.ht ml. [Datum der letzten Einsichtnahme: 23. Juli 2008]. Bundessozialgericht: www.bundessozialgericht.de. Gemeinsame Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen zur Umsetzung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes im Hilfsmittelbereich vom 27. März 2007. Verfügbar unter: http://www.ikk.de/ ikk/generator/ikk/fuer-medizinberufe/hilfs-undpflegehilfsmittel/3364,i=l.html. [Datum der letzten Einsichtnahme: 10. April 2008].
Großkopf, V.; Schanz, M.: Enterale Ernährung im Überblick. Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen, 3 (2006): 70–73. Hagemeier, O.; von Reibnitz, C.: Homecare – eine Einführung. In: Hagemeier, O.; von Reibnitz, C. (Hrsg.): Homecare. Ein Versorgungskonzept der Zukunft. Economica, Heidelberg 2005: 5–21. Hartmann, P.; Hackstein, J.; Seidel, T.; Piossek, D.; Künstner, J.: Leitfaden zur ambulanten Versorgung. MedInform Informations- und Seminarservice, Berlin 2008. Schneider, A.: Rechts- und Berufskunde für die Fachberufe im Gesundheitswesen. Springer, Berlin 1998. Schütze, R.: Die ambulante Versorgung mit künstlicher Nahrung. Eine Abhandlung über die rechtlichen Rahmenbedingungen. Kölner Schriften für das Gesundheitswesen, G & S Verlag, Köln 2007.
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Patientensteuerung in der Homecare-Versorgung
Klaus-Jürgen Preuß; Thomas Ecker
3.1
Einführung Haben die Krankenhäuser früher ihre Vergütung nach der Verweildauer eines Patienten erhalten, bekommen sie seit dem Jahre 2004 eine Fallpauschale, die sich nach den Besonderheiten des jeweiligen Falles (u. a. Diagnosen und erbrachte Prozeduren) richtet. Intention der Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs) ist es, über fallabhängige, pauschale Vergütungen überflüssige Prozeduren zu vermeiden und prozessbedingte Optimierungspotenziale zu heben; das wiederum führt zu einer Verweildauerverkürzung von durchschnittlich –20 bis –30 % (Hehner, 2002). Erfahrungen aus den USA haben gezeigt, dass durch die Einführung der DRGs seit 1983 die Patienten nicht immer nur früher, sondern auch «quicker and sicker» (Arras, 1995) entlassen werden, wodurch die Anforderungen an die häusliche medizinische Nachversorgung ansteigen. Daher stiegen im Gefolge der DRG-Einführung die Zahl und der Umfang von HomecareDienstleistern stark an (Hartig et al., 2002). Zwischen 1983 und 1995 wuchs die Zahl der Homecare-Unternehmen in den USA von 1100 auf mehr als 18 800 an. Früher wurde Homecare eher als eine obskure Erscheinung betrachtet (Arras, 1995). Inzwischen gilt Hightech Home Care (HTHC) als Katalysator für den Wandlungsprozess in Richtung auf eine häuslich zentrierte Versorgung. Einige Autoren sprechen mit
Fokus auf den Homecare-Sektor sogar von einer überraschenden Explosion technikintensiver Versorgungsleistungen (Kaye/Davitt, 1999). An der Spitze der erbrachten technikintensiven Leistungen im Homecare-Sektor steht immer noch unangefochten die häusliche Infusionstherapie. Hierbei reicht das Spektrum von der einfachen Ernährungs- und Flüssigkeitssubstitution bis hin zur anspruchsvollen Antibiotika-, Chemo- oder Schmerztherapie. In Deutschland wachsen überdies die Segmente Beatmungstherapie und häusliche Dialyse. Ein spezifisches Instrumentarium der HomecareDienstleister stellt dabei das Case Management (CM) dar (s. Abb. 3-1 auf S. 30). Case Management im Zeitalter der DRGs umfasst die Phase vor der Krankenhauseinweisung (prästationäres CM), die Phase während des eigentlichen Krankenhaus-Aufenthaltes (stationäres CM) und die Phase nach der Entlassung aus dem Krankenhaus (poststationäres CM). Wurden diese Phasen des Case Managements in den vergangenen Jahren durch unterschiedliche Anbieter erbracht, so haben sich heute spezialisierte Anbieter etabliert, die Case Management im Krankenhaus aus einer Hand über alle drei Phasen anbieten. Dieses holistische oder integrale CM bedarf, um wirklich effizient und effektiv sein zu können, eines qualifizierten ITSupports.
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prästationäres CM
stationäres CM
poststationäres CM
Abbildung 3-1: Case Management im Krankenhaus. (Eigene Darstellung)
Die gesundheitspolitisch gewollte Maßnahme der flächendeckenden DRG-Einführung in Deutschland hat nun aber eine Reihe von Nebenwirkungen, die sich erheblich auf die Geschäftsmodelle von Homecare-Versorgern auswirken werden. Unter dem Begriff des Homecare-Versorgers lassen sich insbesondere Unternehmen definieren, die sich auf die medizinische (Arzneimittel, Medizinprodukte und Gerätschaften, etc.) und pflegerische Betreuung von Patienten nach einem Krankenhausaufenthalt spezialisiert haben. Sie koordinieren hierbei die gesamte Leistungskette. Im folgenden Beitrag werden die beabsichtigten und unbeabsichtigten Konsequenzen der Einführung eines DRG-Systems erst allgemein erläutert und dann die speziellen Chancen und Risiken für die Anbieter von Homecare-Dienstleistungen hergeleitet.
3. Sind Vergütung (Fallpauschale) und Kosten pro Fall bekannt, können Hospitäler den jeweiligen Deckungsbeitrag ermitteln und beliebig nach DRGs, Abteilungen, Einweisern, etc. zusammenfassen. Mit dem Ergebnis lassen sich Portfolioüberlegungen anstellen, z. B.: Auf welche DRGs soll sich ein Krankenhaus langfristig konzentrieren? Soll und kann es auf bestimmte Leistungen langfristig verzichten? Welche Abteilungen sollte das Krankenhaus ausbauen und welche verringern? Welche Einweiser bringen den Gewinn für das Krankenhaus? Welche zusätzlichen Einweiser könnten attraktiv sein? Für welche Indikationen respektive DRGs benötige ich eine qualitäts-gesicherte Anschlussversorgung, damit es nicht zu einer Wiederaufnahme kommt?
3.2
Ansatzpunkte für Krankenhäuser Erhalten Krankenhäuser eine klar definierte Pauschal-Vergütung pro Fall, dann stellen sich ihnen die folgenden drei Herausforderungen: 1. Sie können die Fallvergütung beeinflussen – also bei unterschiedlich vergüteten Eingriffsalternativen für dieselbe Grunderkrankung die besser vergütete wählen oder vergütungsrelevante Zusatzleistungen erbringen oder zumindest behaupten, diese zu erbringen. 2. Sie können die Fallkosten verringern, also Leistungen schneller erbringen, Gehälter kürzen, Leistungen auslagern oder Vorleistungen billiger einkaufen. Dabei kann auch ein Anreiz zur Verringerung der Qualität entstehen, sofern sich hierdurch Kosten einsparen lassen.
Konsequenzen für die Homecare-Versorgung resultieren aus dem zweiten Ansatzpunkt, falls Krankenhäuser Patienten systematisch früher entlassen, sowie aus dem dritten Ansatzpunkt, da sich dieser direkt auf den Bedarf an prä- und poststationären Leistungen des Case Managements auswirkt; allerdings kann es auch für das Krankenhaus wirtschaftliche und wettbewerbliche Folgen haben. 3.3
Fallvergütung zwischen «right- und up-coding» Die richtige und angemessene Vergütung für eine bestimmte DRG wir in großem Ausmaß von der richtigen Kodierung durch das Krankenhaus bestimmt. Aus den USA sind hier zwei Begriffe
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3. Patientensteuerung in der Homecare-Versorgung
in die Krankenhauswelt vorgedrungen, das «upcoding», (eine bewusste Höhergruppierung eines Falles) und das «right-coding» (eine zwar optimierte, aber medizinisch begründete Kodierung eines Falles).Viele DRGs unterscheiden sich erfahrungsgemäß von der Schwere des Falles, d. h. bei bestimmten Komplikationen oder Komorbiditäten gibt es mehr Geld. Eine in den USA zuerst beobachtete Strategie war die des «DRGCreep», d. h. die bewusste Höher-Kodierung im DRG-System, ohne dass entsprechende Leistungen veranlasst wurden bzw. die Veranlassung medizinisch nicht indizierter Leistungen, um damit die Vergütung zu steigern (Simbourg, 1981). Hängt die Vergütung aber von den Besonderheiten eines Falles ab, dann kommt der Erfassung dieser Besonderheiten – der Kodierung – große Bedeutung zu. Krankenhäuser werden versuchen, alle vergütungsrelevanten Tatbestände zu erfassen, um so eine höchstmögliche Vergütung zu erreichen («right-coding»). Dagegen ist nichts einzuwenden. 3.3.1
Steuerung der Fallkosten Bisher hatte die Kostenrechnung im Krankenhaus die Aufgabe, alle Kosten im Laufe eines Jahres zu dokumentieren und zusammenzufassen, um auf dieser Grundlage den Vergütungsanspruch abzuleiten. Genügte bislang also eine Kostenartenrechnung, ist im DRG-System eine Kostenträgerrechnung auf Fallebene zwingende Voraussetzung für betriebswirtschaftlichen Erfolg. Sind die Fallkosten bekannt, ist zu prüfen, wie sich diese ggf. reduzieren lassen. Gleichzeitig sind die Kosten von heute Grundlage für die Vergütung von morgen. Da das DRG-System als ein Kostenerstattungssystem auf Basis von durchschnittlichen Fallkosten angelegt ist, besteht die Gefahr, dass jeder seine Fallkosten optimiert und zudem überdurchschnittlich teure Anbieter vom Markt verdrängt werden. Infolgedessen sinken die Durchschnittskosten über die verbleibenden Krankenhäuser und damit die zukünftige Vergütung pro Fall. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erwarten, dass sich die Fallkosten nach einer Umstellungsphase wieder stabilisieren werden; im
Gegenteil: Der Druck bleibt bestehen und damit auch die beschriebenen Anreize – sowohl zur Vergütungsoptimierung als auch zur Kostenminderung durch eine immer frühere Übergabe der Patienten zum Homecare-Anbieter. Große Aufmerksamkeit im Zuge der DRGEinführung hat natürlich auch das Thema des Qualitätswettbewerbs. Um zu verhindern, dass Krankenhäuser ihre Kosten zu Lasten der Qualität verringern, wurde im DRG-System eine ganze Reihe von ergänzenden Regelungen geschaffen: Wiederaufnahmeregel, Qualitätstransparenz, Mindestfallzahlen etc.
3.3.2
Gründe für eine Verkürzung der Verweildauern Für die in allen Ländern beobachtete Verkürzung der Verweildauern im Krankenhaus, unabhängig von der Art des DRG-Systems, können mehrere Gründe verantwortlich gemacht werden: Die Krankenhäuser versuchen, Patienten mit geringeren Schweregraden aufzunehmen, was eine frühere Entlassung mit sich bringt und daher Kosteneinsparungen ermöglicht. Das setzt allerdings voraus, um wirklich quantitativ relevante Wirkungen zu erzielen, dass man die wichtigsten Einweiser der zur Diskussion stehenden Abteilungen entsprechend instruiert und selektiert hat. Patienten werden in einem medizinisch frühen Stadium in andere Pflegeeinrichtungen, Reha-Stationen oder nach Hause verlegt. Der medizinische Fortschritt, hier oftmals die Methoden der minimal-invasiven Chirurgie, ermöglichen eine frühere Entlassung, ohne medizinische Risiken für die Patienten. Überweisung von Patienten mit einem hohen medizinischen Risiko in andere stationäre Einrichtungen. Dieses Phänomen wurde besonders in den USA beobachtet (Russell, 1989). Um es wirksam anwenden zu können, setzt es sehr gute Transparenz über die durchschnittlichen Verläufe in den relevanten DRGs voraus.
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Die Ausweitung der vor- und nachstationären Behandlung. Im Prinzip eine Integration der Behandlungskette im Sinne des «episodes of care»-Ansatzes. Die Implementierung eines professionellen Case Managements in den Krankenhäusern. Neben den oben genannten hauptsächlichen Ursachen gibt es noch eine Reihe weiterer Faktoren, die zu dem Effekt der Verweildauerverkürzung unter einem DRG-System beitragen, welche hier allerdings nicht weiter diskutiert werden sollen. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass nach der Einführung eines DRGSystems zunächst sehr starke initiale Absenkungen der Verweildauern auftreten, denen sich später nur noch mäßige Absenkungen hinzufügen. Dies lässt den Schluss zu, das die initialen starken Reduktionen der Verweildauern durch die rasch mobilisierbaren Ressourcen eines professionellen Case Managements bedingt waren, während die sich dann anschließenden längerfristigen, aber nicht so dramatischen Reduktionen der Krankenhausaufenthalte durch den medizinischen Fortschritt bedingt sind. Dafür spricht auch die Tatsache, dass Hospitäler mit bereits sehr kurzer Verweildauer vor Einführung der DRGs in den USA dennoch eine weitere Verkürzung realisieren konnten. Die relativen Abstände zwischen den Krankenhäusern blieben auch nach der Einführung der DRGs bestehen. Wir sehen inzwischen eine ähnliche Entwicklung in Deutschland.
3.3.3
Relevante DRGs für eine Kombination von Case Management und Homecare-Versorgung Grundsätzlich haben unterschiedliche DRGs ein unterschiedliches Potenzial für einen CaseManagement-Ansatz und ein entsprechendes Homecare-Betreuungskonzept. Zunächst gilt es, der Frage nachzugehen, welche Einsparpotenziale sich durch ein entsprechend integral ausgerichtetes Case Management für die Klinik im Bereich der Prozesskosten für ausgewählte DRGs realisieren lassen?
Dabei lohnt es sich, sich auf diejenigen Fälle (definiert als DRGs oder International Classification of Diseases (ICDs) zu konzentrieren, die besonders starke Abweichungen aufweisen. Grundlage hierfür sind in Deutschland zumeist die vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) veröffentlichten Daten, die ein Benchmarking erlauben. Ergänzend sollte man eine Analyse der Wiedereinweisungen anschließen. Die Vorgehensweise orientiert sich an den folgenden Schritten: Ermittlung von Indikatoren für eine drohende Wiedereinweisungen Ermittlung von DRGs mit häufigen Überschreitungen Ermittlung von DRGs mit sehr langen Überschreitungen. Die über diese Filter identifizierten Fälle lassen sich dann hinsichtlich ihres Homecare-Potenzials differenzieren.
3.4
Case Management als effizientes und effektives Instrument Grundsätzlich ist Case Management keine Zauberei. In Übereinstimmung mit der Zielvorstellung der WHO von einer kontinuierlichen und integrierten Versorgung (engl. continuum of care) intendiert Case Management auf der Ebene des unmittelbaren Versorgungsgeschehens und ausgerichtet auf einen individuellen Fall die Überwindung von Grenzen von Organisationen, Zuständigkeiten und Professionen sowie die Fokussierung arbeitsteilig handelnder Akteure auf ein gemeinsames Ziel (Rothmann, 1991). Auf der Basis einer möglichst multidimensionalen Bedarfserhebung (Assessment) werden alle erforderlichen Versorgungsangebote und flankierenden Dienstleistungen geplant, implementiert, koordiniert, überwacht und anschließend evaluiert. Hierdurch soll letztendlich die Versorgungsqualität gefördert, Ressourcen optimal zugewiesen, die Kosten wenn möglich gesenkt und die medizinischen Ergebnisse (engl. outcomes) verbessert werden (CMSA, 1994). Um diese Ziele
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3. Patientensteuerung in der Homecare-Versorgung
wirklich erreichen zu können, bedarf es einerseits einer überragenden Persönlichkeit des Case Managers und andererseits der gezielten ITUnterstützung auf mehreren Ebenen. Die Tätigkeiten des Case Managers umfassen folgende Kernelemente: initiales Assessment allgemeine und indikationsbezogene Maßnahmen insbesondere an der Schnittstelle zur Homecare-Versorgung (z. B. Ernährung, Kontinenz- und Wund-Management, etc.) Evaluation nach Abschluss. Erfahrungsgemäß liegt die Herausforderung in der Koordination der verschiedenen Aktivitäten und Beteiligten. Je nach Fallbesonderheiten sind schnell ein halbes Dutzend Personen beteiligt. Nur wenn es gelingt, die erforderlichen Maßnahmen rechtzeitig und in der erforderlichen Qualität zu erbringen, kann der Fall sowohl medizinisch als auch betriebswirtschaftlich erfolgreich abgeschlossen werden. Heute allerdings arbeiten noch viele Case Manager quasi per Hand an ihren Aufgaben. Die Unterstützung durch leistungsstarke Software ist eher die Ausnahme als die Regel. Wie soll jedoch der für ein mittleres Krankenhaus oder für mehrere Abteilungen eines großen Schwerpunkt-Krankenhauses zuständige Case Manager den Überblick behalten, wenn er die benötigten
Daten und Informationen per Hand zusammentragen muss? Die Zukunft liegt in einer gezielten Datenaufbereitung und prozessorientierten Software-Unterstützung mit Komponenten des «document managements», um hier wirkliche Effektivität entstehen zu lassen (s. Abb. 3-2). Das zentrale Argument für ein datenbankgestütztes Überleitungsmanagement ist ein Vorsprung bei der Qualitätssicherung durch entsprechend geringeren Übertragungsaufwand und den Einsatz von automatischen Prüfroutinen. Zugleich wird die Informationstransparenz für den Case Manager wie für das HomecareUnternehmen gesteigert. Nicht zu unterschätzen ist die Arbeitserleichterung durch einen verminderten Übertragungsaufwand und ein erleichtertes Follow-up sowie eine automatische Erinnerung an fehlende Dokumente in der Prozesskette des Case Managements. Das durch Datenbanken und Software unterstützte Case Management trägt in sich bereits die Basis für den Aufbau eines entsprechenden Benchmarking-Panels. Aus den Daten des systematischen Case Managements lassen sich für das Management der Ein- bzw. Zuweiser entsprechende Schlüsse ziehen und so das prästationäre Case Management optimieren. Von essentieller Bedeutung ist die möglichst abteilungsspezifische Analyse der Top-Einweiser eines Krankenhauses nach Potenzial (Fallzahl und Fallschwere). Sie sollte für alle Fachabteilungen regelmäßig und periodisch
Das papierbasierte Case Management ist aufwändiger und birgt Gefahren für die Qualität. Papierbasiertes CM hoher Übertragungsaufwand / Übertragungsfehler
Datenbankgestütztes CM automatische Datenübertragung (wo möglich); Eingabeplausibilisierung
hoher Aufwand für Follow-up Follow-up automatisch periodische Auswertungen nur mit hohem Aufwand machbar
periodische Auswertungen auf Tastendruck
keine automatische Qualitätssicherung
eingebaute Qualitätssicherung, auch für Zentrale
Abbildung 3-2: Papier- vs. datenbankgestütztes Case Management. (Eigene Darstellung)
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verfügbar sein. Mittels der in der Datenbank verfügbaren Informationen lässt sich dann ein differenziertes Einweiser-Profiling aufstellen. Dieses Einweiser-Profiling sollte dann durch ein spezielles Einweiser-Bindungsprogramm flankiert werden. Gleiches gilt für den Abschnitt nach der Entlassung bzw. mit dem professionellen Überleitungs-Management in die nachstationäre Versorgung (poststationäres Case Management). Hier lassen sich aus der Datenbank dann Profilings der aufnehmenden Reha-Einrichtungen, der ambulanten Pflegedienste oder der die medizinische Betreuung im häuslichen Bereich sicherstellenden Homecare-Unternehmen ziehen. Ziel ist es, bei dem poststationären Case Management die Qualität der erforderlichen Anschlussbetreuung sicherzustellen und vor allem medizinisch aber auch sozial begründete Wiedereinweisungen zu vermeiden, denn das schlägt direkt auf die Erlössituation des Krankenhauses durch. Durch unterschiedliche Ansätze kann in einem DRG-System an den Fallkosten gespart werden. Nach unseren Einschätzungen liegt das größte Potenzial in der Einhaltung oder wenn möglich
Die Verweildauerreduktion ist nur einer der Effekte eines optimierten Case Managements. Einsparung durch Reduktion der Verweildauer
Einsparung durch bessere Koordination
bisherige Fallkosten
Einsparung durch bessere Einsparung Kommunikation durch bessere Dokumentation
Fallkosten mit optimiertem Case Management
Abbildung 3-3: Effekte eines optimierten Case Managements. (Eigene Darstellung)
Unterschreitung der Grenzverweildauer (GVD). Diese ist nur durch ein professionelles und integrales Case Management realisierbar. Das Case Management muss hierzu alle Phasen des «continuum of care» umfassen, d. h. auch die prästationäre Phase muss optimiert werden, ebenso wie die poststationäre Phase, denn nur dann lassen sich die entsprechenden Potenziale wirklich heben. Kurz: Ein integrales, datengestütztes Case Management ist die effektivste Lösung (s. Abb. 3-3). Grundsätzlich lassen sich auf Basis des Datensatzes nach § 21 KHEntgG (Krankenhausentgelt-Gesetz) die relevanten Indikationen identifizieren, bei denen sich ein integraler Case-Management-Ansatz besonders lohnt (s. Abb. 3-4). Bei dem Filter nach den relevanten DRGs für einen integralen Case-Management-Ansatz und hoher Relevanz für den Einsatz von sich anschließenden Hightech-Homecare-Dienstleistungen wird zuerst mit einer Art von Rasterfahndung und mehrstufigen Filteranalysen auf die am meisten interessierenden DRGs verdichtet (s. Abb. 3-5). Erfahrungsgemäß lassen sich auf diesem Weg etwa zehn DRGs mit einem auf die Verweildauer bezogenen Problem identifizieren, das über ein integrales Case Management potenziell gelöst werden kann. Häufig handelt es sich um Patienten mit Versorgungsproblemen im Bereich Stoma, Kontinenz, Wundversorgung, etc., allesamt typische Hindernisse beim Übergang in die poststationäre Versorgung. Bei durchschnittlichen Kosten von rund 400 Euro pro Tag im Krankenhaus lassen sich auf diese Weise erhebliche Einsparpotenziale darstellen, die leicht einen sechsstelligen Betrag ausmachen können. Ein fokussiertes, integrales Case Management bietet also erhebliche Einsparpotenziale, die sich kein Krankenhaus in Zeiten von Fallpauschalen entgehen lassen kann. Die Anforderungen an die Homecare-Anbieter werden also weiter zunehmen.
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3. Patientensteuerung in der Homecare-Versorgung
Das integrale Case Management fokussiert auf ausgewählte DRGs mit einem Verweildauerproblem.
andere DRGs CM-relevante DRGs
Fallzahl 2005
Ansatzpunkte für CM
Abbildung 3-4:
Ansatzpunkte für ein gezieltes Case Management. (Eigene Darstellung)
Abweichung der Verweildauer vom Bundesdurchschnitt Basis: §21-Datendatz einer Klinik für das Jahr 2005; Kalkulationsdaten des InEK für das Jahr 2005
Über eine ABC-Logik lassen sich die CM-relevanten DRGs mit dem größten Einsparpotenzial identifizieren.
VD-Überschreitung
(kumuliert)
IQ-relevante DRGs (2005)
VD-Überschreitung
Abbildung 3-5:
Anzahl Tage (2005) Basis: §21-Datendatz einer Klinik für das Jahr 2005; Kalkulationsdaten des InEK für das Jahr 2005
3.5
Quintessenz und Ausblick Auch in Deutschland vollzieht sich die medizinische Versorgung zunehmend unter der gesundheitspolitischen Prämisse «ambulant vor statio-
Eingrenzung des Handlungsfeldes für Case Management. (Eigene Darstellung)
när». Seit den letzten Gesundheitsreformen sind die Bemühungen darauf gerichtet, die Grenzen zwischen ambulanter und stationärer sowie allgemeiner und spezifischer medizinischer Versorgung flexibler zu gestalten. Hierzu wurden in der Gesundheitsreform 2000, dem Gesund-
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heits-Modernisierungs-Gesetz, dem Vertragsarztrechtsänderungs-Gesetz und zuletzt im GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen. Dennoch waren die meist von oben stimulierten gesundheitspolitischen Impulse zur Ambulantisierung (Schaeffer/Ewers, 2001) nur von bescheidenem Erfolg gekrönt. Dies gilt insbesondere, wenn es um die Einführung von anspruchsvollen technikintensiven Formen der medizinischen Versorgung im häuslichen Umfeld geht. Der jetzt in den deutschen Krankenhäusern durch die Einführung der DRG ausgelöste Rationalisierungsdruck und die damit einhergehende Verkürzung der mittleren Verweildauern verlangt nach entsprechend qualifizierten Auffang-Diensten. Hierbei werden Homecare-Unternehmen und die von ihnen angebotenen medizinischen Dienstleistungen eine entscheidende Rolle spielen, denn nur sie können die gebotene Anschlussversorgung in der häuslichen Umgebung sicherstellen und damit kostenträchtige Wiedereinweisungen vermeiden. Das Instrumentarium hierzu ist ein durch Daten und Informationen unterstütztes Case Management, ihm wird hierbei eine Schlüsselfunktion zufallen. Traditionelle Pflegedienste werden nicht in diese Rolle hineinwachsen, denn einerseits haben sie ein anders gelagertes Rollenverständnis in Richtung des «care»-Ansatzes, mit dem Fokus auf die pflegerische Betreuung. Dem vorwiegend medizinisch ausgerichteten Ansatz des «cure» sind eher die Reha-Einrichtungen und vor allem die innovativen Hightech-Homecare-Unternehmen verpflichtet. Durch eine medizinisch vernünftige, d. h. evidenzbasierte Integration von prä-, trans- und poststationärer Behandlung mit abgestuften Leistungsanbietern lassen sich sowohl die Qualität der Versorgung erhöhen als auch die durch sie verursachten Kosten vermindern. Unbeantwortet bleibt die Frage nach der Finanzierung von Hightech-Homecare-Leistungen. Die heute geltende Teilung der Finanzierung nach Grundpflege als Aufgabe der Pflegeversicherung und medizinisch induzierter Pflege als Aufgabe der Krankenversicherung ist zwar auf dem Papier trennscharf, führt aber in der medizinischen Praxis zu vielfältigen Abgrenzungskonflikten und sollte neu definiert wer-
den. Langfristig wird der Gesetzgeber sich nicht mehr darum herummogeln können, den Homecare-Sektor eindeutig zu definieren, ihn nicht mehr der Gefahr der Unterfinanzierung im Spannungsfeld zwischen SGB V und SGB XI auszusetzen und die Überlegenheit des Ansatzes durch eine entsprechende gesetzliche Legitimation zu dokumentieren.
3.6
Literatur Arras, J. D.: Preface. In: Arras, J. D.; Porterfield, H. E.; Obenauf, M.; Porterfield, L. (Eds.): Bringing the Hospital Home. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1995: xiii–xvii. CMSA (Case Management Society of America): CMSA proposes standards of practice. The Case Manager, 5 (1994) 1: 59–70. Hartig, W.; Richter, U.; Schmoll, H.J.; Thul, P.; Wiedemann, B.; Wolf, H. H.: Home-care-Konzepte. Zuckerschwerdt, München 2002: 3. Hehner, S.; Jaeger, H.; Krishnan, H. S.; Messemer, J.: Neubeginn mit DRG: Fitness-Kur für Deutschlands Krankenhäuser. Health: Management-Wissen für die Gesundheitsbranche, 1 (2002): 7–13. Kaye, L. W.; Davitt, J. K.: Current Practices in High-Tech Home Care: Springer Publishing, New York 1999. dt.: Hoch technisierte häusliche Pflege. Hightech Home Care (HTHC). Verlag Hans Huber, Bern 2006. Rothman, J.: A model of Case Management. Toward empirically based practice. Social Work, 36 (1991) 6: 520–528. Russell, L. B.: Medicare’s New Hospital Payment System. Is it Working? Brookings Institution, Washington DC 1989. Schaeffer, D.; Ewers, M.: Ambulantisierung. Konsequenzen für die Pflege. Gesundheit + Gesellschaft Wissenschaft, 1 (2001) 1: 13–20. Simbourg, D. W.: DRG creep: a new hospital-acquired disease. N Engl J Med, 304 (1981) 26: 1602–1604.
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Integrierte Versorgung – eine Perspektive für Homecare Norbert Bertram
4.1
Einführung Das Gesundheitswesen in Deutschland befindet sich im Spannungsfeld vieler Einflussfaktoren. Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur, medizinischer und medizintechnischer Fortschritt, ein Wandel der Erwartungen an das Gesundheitssystem in Deutschland aber auch schon der geplante Gesundheitsfonds haben Einfluss auf das Nachfrageverhalten gesetzlich Versicherter bzw. das Leistungsverhalten gesetzlicher Krankenkassen. Muss alles, was medizinisch möglich und machbar ist, noch von der Solidargemeinschaft der Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherungen finanziert werden? Spätestens an diesem Punkt muss die Frage nach einem effizienten Einsatz und einer gerechten Verteilung der vorhandenen Mittel gestellt werden. Hier ist immer wieder die Gesundheitspolitik mit ihrer Steuerungsfunktion, aber auch jeder Einzelne im Gesundheitswesen angesprochen (Deutsche Gesellschaft für Rehabilitation, 2002). So sind in Anbetracht des wachsenden wirtschaftlichen Drucks in den Krankenhäusern, forciert durch die umfassende Einführung eines pauschalierten Entgeltsystems, die Krankenhäuser inzwischen grundsätzlich daran interessiert, Kooperationen mit weiteren Leistungserbringern im Gesundheitswesen zu prüfen und einzugehen.
Diese Kooperationen der Leistungserbringer und die Koordination der vom Versicherten/Patienten in Anspruch genommenen medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Dienstleistungen sollen bei einer fachübergreifenden und interdisziplinären Patientenbehandlung dazu beitragen, die Qualität der Versorgung zu verbessern sowie mögliche Wirtschaftlichkeitsreserven zu erschließen (Riedel et al., 2005). Hier kommen nun Homecare-Unternehmen ins Spiel, die als Kooperationspartner im ambulanten Bereich eine qualitativ hochwertige poststationäre Patientenversorgung sicherstellen und damit z. B. eine Wiedereinweisung von Patienten in ein Krankenhaus verhindern. Therapien unter Berücksichtigung des Einsatzes von Hilfsmitteln, die im Krankenhaus begonnen wurden, werden mit gleicher Qualität im häuslichen Bereich fortgesetzt und tragen so zur Vermeidung von Komplikationen und Folgekosten bei.
4.2
Rechtliche Regelungen Einführung der integrierten Versorgung in das SGB Durch die Gesundheitsreform 2000 wurden die gesetzlichen Regelungen über die integrierte Versorgung in den Paragrafen 140 a–h SGB V (Sozial-
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gesetzbuch V) eingeführt. Neben den bereits seit 1997 bestehenden Möglichkeiten zur Durchführung und Vereinbarung von Modellvorhaben wurden somit erstmals weitreichende gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen, die es ermöglichen sollten, Managed-Care-Strukturen auf das deutsche Gesundheitswesen zu übertragen. Erstmals wurde auch den so genannten sonstigen Leistungserbringern wie z. B. Homecare-Unternehmen oder Sanitätshäusern die gesetzliche Möglichkeit eingeräumt, Vertragspartner innerhalb möglicher transsektoraler Versorgungsmodelle zu werden.1 Die Intention des Gesetzgebers war es, in integrierten Versorgungsformen die Prinzipien «ambulant vor stationär» und «Rehabilitation vor Pflege» konsequent umzusetzen, um die Patienten qualitätsorientiert und effizient zu versorgen. Die Bildung und Umsetzung integrierter Versorgungsmodelle blieb jedoch im traditionell gewachsenen Interessenkonflikt der Leistungserbringer und Krankenkassen stecken. Ein maßgebendes Problem lag auch darin, dass der Gesetzgeber zwar die Möglichkeiten alternativer Versorgungsstrukturen zugelassen hatte, die Beantwortung der wohl wichtigsten Frage nach möglichen finanziellen Anreizen für die Beteiligten im Wesentlichen jedoch den beteiligten Leistungserbringern und Krankenkassen selbst überließ (BVMed, 2002). Modifizierung der gesetzlichen Grundlagen für die integrierte Versorgung Mit dem Gesetz zur Modernisierung der Krankenversicherung (GMG) wurde der Rahmen für die Erbringung von integrierten Versorgungsformen mit Wirkung ab dem 1. April 2004 neu abgesteckt. Die rechtlichen Grundlagen der integrierten Versorgung für gesetzlich Krankenversicherte wurden in den Paragrafen 140 a–d SGB V neu gefasst und ersetzen die für die integrierte Versorgung bisher geltenden Regelungen der Paragrafen 140 a–h SGB V (Bundesministerium für Gesundheit, 2003). Ziel des Gesetzgebers war es, dass alternative sektorübergreifende Versorgungsstrukturen mit
verbesserter Qualität und Effizienz auf der Grundlage eines eigenständigen Einzelvertragssystems endlich stärker etabliert werden. Als einer der signifikantesten Änderungen gegenüber der Regelung aus dem Jahr 2000 wurden Integrationsbudgets auf Kassenebene (1-%-Regelung) mit einem Volumen von insgesamt zirka 660 Mio. Euro eingeführt. Die Krankenkassen waren angehalten, in den Jahren 2004 bis 2006 jeweils bis zu 1 % von den an die Kassenärztlichen Vereinigungen zu zahlenden Gesamtvergütungen sowie von den Rechnungen der Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Leistungen einzubehalten. Diese Mittel sollten zur Umsetzung von Integrationsverträgen (§ 140 a ff. SGB V) verwendet werden (BVMed, o. J.). Vertragspartner für die integrierte Versorgung können auf der Kostenträgerseite einzelne Krankenkassen oder mehrere gemeinsam sein. Die Vertragspartner auf der Leistungserbringerseite sind in § 140 b SGB V abschließend aufgeführt. Es handelt sich dabei um: einzelne, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Ärzte und Zahnärzte und einzelne sonstige, nach dem vierten Kapitel des SGB V zur Versorgung der Versicherten berechtigte Leistungserbringer oder deren Gemeinschaften Träger zugelassener Krankenhäuser, soweit sie zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind, Träger von stationären Vorsorgeund Rehabilitationseinrichtungen, soweit mit ihnen ein Versorgungsvertrag nach § 111 Abs. 2 SGB V besteht, Träger von ambulanten Rehabilitationseinrichtungen oder deren Gemeinschaften Träger von Einrichtungen nach § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V (Medizinische Versorgungszentren) oder deren Gemeinschaften Träger von Einrichtungen, die eine integrierte Versorgung nach § 140 a SGB V durch zur Versorgung der Versicherten nach dem vier-
1 weiterführend hier: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht. Elfter Abschnitt: Beziehungen zu Leistungserbringern in der integrierten Versorgung, Vorbemerkungen zu § 140 a, Rn 1
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4. Integrierte Versorgung – eine Perspektive für Homecare
ten Kapitel des SGB V berechtigte Leistungserbringer anbieten Gemeinschaften der vorgenannten Leistungserbringer und deren Gemeinschaften. Verändert zu der Vorgängerregelung wurde die Bestimmung, dass Kassenärztliche Vereinigungen per Gesetz nicht mehr Vertragspartner sind. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass sich Kassenärztliche Vereinigungen im Einzelfall ermächtigen lassen, Verträge abzuschließen. Sie können aber nur als Vertreter handeln. Vertragspartner des konkreten Integrationsvertrags sind in jedem Fall die Krankenkassen und Leistungserbringer selbst. Die Neufassung der gesetzlichen Regelungen für die integrierte Versorgung umfasst neben einer vertikalen Vernetzung der Leistungserbringer nun auch die Möglichkeit, eine interdisziplinärfachübergreifende Versorgung zu vereinbaren. Das Versorgungsangebot integrierter Versorgungsmodelle und die Voraussetzungen seiner Inanspruchnahme ergeben sich im Einzelnen aus dem jeweiligen Vertrag zur Integrationsversorgung (vgl. hierzu Biersack/Toepffer, 2004: 199). Mit dem GKV-WSG (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz), das zum 1. April 2007 in Kraft getreten ist, wird die integrierte Versorgung als Instrument zur besseren Verzahnung zwischen den verschiedenen Leistungsbereichen konsequent fortgeführt und ausgebaut. So soll die Fokussierung der integrierten Versorgung auf einer bevölkerungsbezogenen Flächendeckung liegen. Zwar sind auch Verträge weiterhin ohne eine bevölkerungsbezogene Flächendeckung möglich, nur stehen hier dann keine Mittel der Anschubfinanzierung zur Verfügung. Zukünftig können integrierte Versorgungsverträge auch mit Pflegekassen und zugelassenen Pflegeinrichtungen auf der Grundlage des Paragrafen 92 b SGB XI geschlossen werden. Mit dieser Erweiterung der möglichen Vertragspartner wird eine die Sozialversicherungszweige übergreifende Leistungserbringung im Rahmen von integrierten Versorgungsverträgen möglich. Eine wichtige Neuregelung für Krankenhäuser wurde
im Paragrafen 140 b Abs. 4 Satz 4 SGB V definiert. So erhalten diese die Möglichkeit, auch im Rahmen von Integrationsverträgen Leistungen nach § 116 b Abs. 3 SGB V (ambulante Behandlung mit hochspezialisierten Leistungen, seltene Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen) zu erbringen. Bezüglich der Anschubfinanzierung, die nach dem GKV-WSG bis zum 31. Dezember 2008 vorgesehen ist, dürfen diese Mittel nach § 140 d Abs. 1 Satz 2 künftig nur für voll- oder teilstationäre und ambulante Leistungen der Krankenhäuser und für ambulante vertragsärztliche Leistungen verwendet werden. Für Altverträge, die vor dem 1. April 2007 abgeschlossen wurden, bleibt es bei der bisherigen Anschubfinanzierung.
4.3
Homecare in der Hilfsmittelbranche Bedeutung und Entwicklung Aus der Sicht so genannter sonstiger Leistungserbringer in der Hilfsmittelbranche und gemäß der Definition des Bundesverbands Medizintechnologie e. V. steht Homecare für die Betreuung und therapeutische Versorgung von Patienten zu Hause mit vergleichbarer Qualität wie in der Klinik mit beratungsintensiven medizinischen Produkten und Hilfsmitteln. Verankert in dieser Definition ist der Grundsatz, dass Homecare eine übergreifende Betreuungsform ist, die nach dem bereits genannten Grundsatz «ambulant vor stationär» arbeitet und sich nach den individuellen Bedürfnissen des Menschen in medizinischen, pflegerischen, sozialen und rehabilitativen Maßnahmen richtet. In der Homecare-Versorgung sind Menschen angesprochen, die nach medizinischer Erkenntnis zwingend auf die aktive und kontinuierliche Unterstützung qualifizierter Fachkräfte im ambulanten Bereich angewiesen sind. Je nach Betrachtung und Verständnis wird der Begriff Homecare unterschiedlich interpretiert bzw.
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ausgelegt. Aus der Sicht der so genannten sonstigen Leistungserbringer fallen insbesondere folgende Versorgungsbereiche unter den Begriff Homecare:
Stomaversorgung Inkontinenzversorgung künstliche Ernährung intravenöse Therapien (z. B. Schmerztherapie) Wundversorgung Sauerstofftherapie Tracheostomieversorgung.
Homecare im bereits definierten Sinne existiert seit zirka 20 Jahren und hat sich zu einer nicht mehr wegzudenkenden «Versorgungsinstitution» in der ambulanten Patientenversorgung entwickelt. Der Grundgedanke, die Abgabe von beratungsintensiven medizinischen Produkten und Hilfsmitteln mit der persönlichen Dienstleistung am Patienten in dessen häuslichen Bereich vorzunehmen, hat sich umfassend durchgesetzt (von Reibnitz, 2007). Leistungen von Homecare für integrierte Versorgungsmodelle Die grundsätzlichen Leistungen von Homecare, die in integrierte Versorgungsmodelle einfließen können, sind wie folgt zu definieren: Versorgung außerklinischer Patienten mit Gesundheitsgütern und Serviceleistungen Versorgung gemäß der gesetzlichen Vorgaben (Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit) bei hoher Qualität im Produkt- und Dienstleistungsbereich sowie Unterstützung von Ergebnispotenzialen und Eingrenzung von Risikopotenzialen. Maßgebend für die Umsetzung der Leistungsinhalte ist, dass Homecare-Unternehmen mit qualifiziertem Personal arbeiten. So gehören zum examinierten Fachpersonal u. a. folgende Berufsgruppen:
Krankenschwestern/-pfleger Intensivfachschwestern/-pfleger Enterostomatherapeutinnen/-therapeuten Kontinenztherapeutinnen/-therapeuten
Altenpflegerinnen/-pfleger Diätassistentinnen/-assistenten Ökotrophologinnen/-trophologen.
4.4
Integrierte Versorgung im Zusammenspiel mit Homecare Versuch einer Definition für integrierte Versorgung Die zahlreichen Definitionen, die es für den Begriff «integrierte Versorgung» gibt, können wie folgt zusammengefasst werden: «Integrierte Versorgung bedeutet, das Zusammenspiel unterschiedlicher Versorgungsebenen, beispielhaft der haus- und fachärztlichen Versorgung, der stationären Versorgung, der Rehabilitation, der Pflege sowie der Versorgung mit Hilfsmitteln, in der Versorgungskette durch Koordination und Kooperation zu optimieren.» Es handelt sich also um eine interdisziplinäre, fachübergreifende Versorgung eines Patienten durch die koordinierte Zusammenarbeit verschiedener, am Versorgungsgeschehen beteiligter Partner. Mit der integrierten Versorgung sollen die Versorgungsprozesse in ihrer Qualität verbessert und effizienter gestaltet werden. Den Patienten kann, bei entsprechender Umsetzung der integrierten Versorgung in der Versorgungsrealität, eine abgestimmte Versorgung angeboten werden, bei der alle Leistungserbringer im ambulanten und stationären Bereich koordiniert zusammenwirken. Homecare-Unternehmen als potenzielle Vertragspartner Im vierten Kapitel des SGB V ist in § 126 geregelt, dass Hilfsmittel an Versicherte nur auf der Grundlage von Verträgen nach § 127 Abs. 1, 2 und 3 SGB V abgegeben werden dürfen. Vertragspartner der Krankenkassen können nur Leistungserbringer sein, die die Voraussetzungen für eine ausreichende, zweckmäßige und funktionsgerechte Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel erfüllen (SGB V, 2007: 35722).
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Homecare-Unternehmen erfüllen damit grundsätzlich die gesetzlichen Voraussetzungen des Paragrafen 140 b Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Sonstige Leistungserbringer wie Homecare-Unternehmen sind somit vom Gesetzgeber eindeutig definiert und gesetzlich legitimiert, Vertragspartner für integrierte Vertragsmodelle zu werden. In der Konsequenz der gesetzlichen Regelungen folgt daraus für die Praxis, dass durch eine enge Kooperation von Krankenhäusern mit Homecare-Unternehmen ein umfassendes Produktportfolio an beratungsintensiven medizinischen Produkten, Hilfsmitteln und Versorgungsdienstleistungen zur Verfügung gestellt werden kann. Der Patient erhält z. B. alle notwendigen Hilfsmittel zeitnah, entweder bereits im Krankenhaus oder nach seiner Entlassung zu Hause. Dafür ist es Voraussetzung, dass bereits heute bestehende informelle Kooperationen zwischen HomecareUnternehmen und Krankenhäusern an die neuen Versorgungsrahmenbedingungen insbesondere nach dem GKV-WSG angepasst werden. 4.4.1
Mögliche Formen der Vergütung für Homecare-Unternehmen in der integrierten Versorgung Innerhalb der integrierten Versorgung besteht der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Das gilt auch für die Vergütungsform innerhalb eines integrierten Versorgungsmodells. Da eine selektive Einzelvergütung von Einzelleistungen dem Grundgedanken der integrierten Versorgung widerspricht, bieten sich in solchen Fällen Komplexfallpauschalen an. Diese decken vollständig die im Vertrag zur Integrationsversorgung geregelten Leistungen ab. Im nächsten Schritt muss eine Verteilung der Komplexfallpauschale unter den beteiligten Leistungserbringern erfolgen. Es ist also im Vertrag zur Integrationsversorgung verbindlich zu regeln, wer die Komplexfallpauschale erhält, wer diese verteilt und in welchem Verhältnis die Komplexfallpauschale auf die beteiligten Leistungserbringer aufgeteilt wird. Die Aufteilung der Komplexfallpauschale betrifft auch Homecare-Unternehmen. Zum einen
können Homecare-Unternehmen Empfänger des Pauschalbetrages sein und die Verteilung selbst vornehmen. Zum anderen können sie als vertraglich Beteiligte für alle erbrachten Leistungen Empfänger eines pauschalierten Teilbetrages sein. Eine solche Regelung bedeutet für viele Homecare-Unternehmen Neuland, da in der Vergangenheit gegenüber den Krankenkassen grundsätzlich erbrachte Einzelleistungen unpauschaliert abgerechnet wurden. In diesem Zusammenhang ist ein weiterer Aspekt zu erörtern. Während die gegenüber den Krankenkassen abgerechneten Einzelleistungen bisher auf konkreten Produkten und Produktpreisen basierten, erfolgt die Vergütung innerhalb eines integrierten Versorgungsmodells nicht unmittelbar auf der konkreten Produkt- und Produktpreisbasis. Hier muss vielmehr definiert werden, welche Produkt- und Dienstleistungen pro Patient in welchem Versorgungszeitraum erbracht werden und wie diese ökonomisch abgebildet werden können. Die tägliche praktische Anwendung von Homecare Homecare-Unternehmen sind Dienstleistungsunternehmen für den Handel mit beratungsintensiven medizinischen Produkten und Hilfsmitteln. Homecare-Unternehmen haben es mit Patienten zu tun, die nach medizinischer Erkenntnis zwingend auf die aktive kontinuierliche Unterstützung qualifizierter Fachkräfte im ambulanten Bereich angewiesen sind. Im Mittelpunkt des Handelns eines HomecareUnternehmens steht die Herausforderung, die Qualität der ambulanten medizinischen Nachversorgung zu steigern. Die wachsenden Möglichkeiten in Diagnostik und Therapie werden bei der Versorgung speziell auf die Bedürfnisse chronisch Betroffener abgestimmt und wirtschaftlich eingesetzt. Diese Fachbereiche fordern ein hohes Maß an Verständnis und Aufmerksamkeit, die menschliche Seite spielt eine entscheidende Rolle. Homecare-Unternehmen bieten qualitätsorientierte Versorgungslösungen, die sich nicht an die Masse, sondern gezielt auf die einzelne betroffene Person richten.
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4.4.3
Allgemeine Leistungsinhalte von Homecare für integrierte Versorgungsmodelle
Beispiel Stomaversorgung
Die allgemeinen, grundsätzlichen Leistungen von Homecare, die in integrierte Versorgungsmodelle einfließen können, sind wie folgt zu definieren (von Reibnitz/Henrich, 2007): Entlassungs- und Überleitungsmanagement aus dem stationären in den ambulanten Sektor bereits in der Klinik Patientenmanagement an der Schnittstelle ambulant/stationär für eine optimale Versorgung während des Entlassungszeitraums Versorgung der Patienten im häuslichen Bereich mit beratungsintensiven medizinischen Produkten, Hilfsmitteln und Serviceleistungen gemäß den gesetzlichen Vorgaben (Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit) Unterstützung und Zusammenarbeit mit ambulanten Pflegeeinrichtungen, stationären Pflegeeinrichtungen, Apotheken, Sanitätsfachhändlern, Haus- und Fachärzten etc. Integration aller beteiligten Leistungserbringer auf der Basis einheitlich definierter Qualitätsstandards, Richtlinien und Behandlungspfade Dokumentation und Evaluation aller erbrachten Leistungen. Zu den persönlichen Dienstleistungen, die im direkten Zusammenhang mit dem Einsatz beratungsintensiver medizinischer Produkte und Hilfsmittel am Patienten stehen, gehören insbesondere folgende Tätigkeiten: fachkompetente Hilfe bei der Versorgungsauswahl mit kontinuierlicher Verlaufskontrolle und Verlaufsdokumentation sowie Schulung der Angehörigen herstellerneutrale Produktauswahl bedarfsgerechte, diskrete und zuverlässige Frei-Haus-Lieferung Zusammenarbeit mit den Kostenträgern kostenloses Service-Telefon für Fragen Schulungsangebote und Informationsveranstaltungen in allen Fachbereichen.
Was ist ein Stoma? Das Wort «Stoma» (Mehrzahl = Stomata) kommt aus dem Griechischen und bedeutet «Mund», «Öffnung». In der Medizin wird damit eine chirurgisch angelegte «künstliche» Öffnung am Körper bezeichnet (Deutsche ILCO). Hierzu wird ein gesunder Darmabschnitt nach außen geleitet und dort mit der Bauchhaut vernäht. Die Aufgabe eines Stomas besteht dabei vor allem darin, die durch die Grundkrankheit endgültig verlorengegangenen Körperfunktionen zu ersetzen. Ein Stoma ist somit ein künstlicher Darmausgang, durch den die Darmausscheidungen über eine Stomaanlage in einen Beutel abgeleitet werden, den der Patient auf dem Bauch trägt (Fördergemeinschaft für Krebskranke und Stomapatienten, 2004). Leistungsinhalte in der präoperativen Phase Bereits in der präoperativen Phase (z. B. bei Darmkrebs) und einer erforderlichen Stomaanlage erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Klinikpersonal. Zu den Betroffenen und Angehörigen wird Kontakt aufgenommen, der Verlauf des Krankheitsbildes wird besprochen, die neue Lebenssituation und die damit eintretenden Veränderungen im Alltagsleben werden erörtert. Das zuständige Pflegepersonal in der Klinik erhält zudem Unterstützung bei der medizinischen Vorbereitung auf den Eingriff. Ergänzend werden alle Leistungen dokumentiert. All diese Tätigkeiten erfolgen natürlich nur unter dem Vorbehalt, dass sowohl die Klinik als auch der Patient entsprechend zustimmen. Dies kann bei einem integrierten Versorgungsmodell mit entsprechender «Einschreibung» des Patienten vorausgesetzt werden. Leistungsinhalte in der postoperativen Phase In der postoperativen Phase erfolgt die individuelle Anpassung und detaillierte Einweisung des Patienten und der Angehörigen in die Hand-
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habung der Hilfsmittel zur zukünftigen eigenständigen Stomaversorgung im häuslichen Bereich. Gleichzeitig erfolgt eine enge Kommunikation aller beteiligten Leistungserbringer bei Fachfragen zur bedarfsgerechten Versorgung. Leistungsinhalte beim Überleitungsmanagement und der Nachversorgung In der Überleitungs- und Nachversorgungsphase stellen Homecare-Unternehmen die fachkompetente, überleitende Weiterbetreuung ab dem Entlassungstag in die häusliche Umgebung bzw. den ambulanten Versorgungsbereich sicher (von Reibnitz, 2007). Zu den Leistungen in dieser Versorgungsphase gehören insbesondere: Kontaktaufnahme mit allen an der Nachversorgung Beteiligten (bei einem integrierten Modell die entsprechenden Vertragspartner) zur optimalen Patientenversorgung laufende Dokumentation bei regelmäßiger Stomakontrolle frühzeitiges Erkennen einer veränderten Versorgungssituation und Einleitung notwendiger versorgungsrelevanter Maßnahmen Hilfestellung auch in psychischer und physischer Hinsicht bedarfsgerechte Versorgung mit Hilfsmitteln nach ärztlicher Verordnung. 4.4.4
Anforderung an eine qualitätsgesicherte Versorgung Notwendig ist eine qualitätsgesicherte Versorgung der Patienten von der Diagnose bis zum Abschluss der Therapie. Insbesondere der Begriff Qualität ist zu definieren. Benötigt werden festgelegte Versorgungsstandards, Leistungsvergleiche der Homecare-Anbieter sowie Transparenz der erbrachten Leistungen durch Dokumentation. Notwendig ist ein effektives Schnittstellenmanagement zur Prozessoptimierung, in dem die Krankenkassen als Partner im Versorgungsprozess mitwirken. Dabei ist eine wirtschaftliche Versorgung nicht über den Stückpreis eines Hilfsmittels zu definieren, sondern unter mittel- und langfristiger Betrachtung über
die Prozesskosten. Hier sind, wie bereits beschrieben, innerhalb integrativer Versorgungsmodelle besondere Anforderungen an die Strukturqualität (Ausstattung des Unternehmens, personelle Qualifikation) Prozessqualität (Festlegung des Versorgungsprozesses, Inhalte und Umfang der Betreuung, Dokumentation) und Ergebnisqualität (Patientenzufriedenheit, Morbiditätsindikatoren, Versorgungskosten) zu stellen.
4.5
Der Stellenwert von Homecare in der integrierten Versorgung Der potenzielle Stellenwert von Homecare in der integrierten Versorgung unter Berücksichtigung der bisherigen Ausführungen ist sehr hoch, da die Homecare-Versorgung das Bindeglied zwischen dem stationären und ambulanten Bereich darstellt. Der Stellenwert von Homecare heute in der täglichen Versorgungspraxis ist ebenfalls sehr hoch, da HomecareUnternehmen bereits heute, obwohl es im eigentlichen Sinne kaum Modelle zur integrierten Versorgung mit Beteiligung von HomecareUnternehmen gibt, «informell» die Aufgabe des Schnittstellen-Managements übernehmen. Bei der Überleitung vom Krankenhaus in den ambulanten Bereich werden zum einen die Besonderheiten des sozialen Umfelds und die medizinischen/pflegerischen Anforderungen beachtet. Zum anderen werden alle notwendigen Aktivitäten gegenüber dem Krankenhaus, der zuständigen Krankenkasse, dem behandelnden Arzt, dem Pflegedienst, weiteren Leistungserbringern sowie den Angehörigen eingeleitet und begleitet. Auch unter ökonomischen Gesichtspunkten ist der Homecare-Versorgung ein hoher Stellenwert zuzusprechen. Durch die Gewährleistung einer patientenindividuellen Versorgungssicherheit unterstützen Homecare-Unternehmen das Versorgungsgeschehen in folgenden Bereichen: Verkürzung der Krankenhausliegezeit Abbau von Krankenhaustagekosten
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Reduzierung von Sachkosten durch den sofortigen fachgerechten und wirtschaftlichen Einsatz von Hilfsmitteln Rückgang auftretender Nachversorgungskosten Einsparung von Extraleistungen im Zusammenhang mit der Nachversorgung kontinuierliche persönliche Begleitung des Patienten Sicherheit des Patienten durch persönliche Ansprechpartner transparente Versorgungsprozesse. 4.6
Ausblick Der Stellenwert der Homecare-Versorgung innerhalb des Gesundheitswesens, speziell innerhalb von Projekten zur integrierten Versorgung, wird aufgrund (oder gerade trotz) der bestehenden gesundheitspolitischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen kontinuierlich steigen. Unabhängig davon wird in der Versorgungsrealität der Homecare-Gedanke bereits mit Leben erfüllt, da es aktive Homecare-Unternehmen gibt, die qualitätsorientierte Versorgungslösungen anbieten, die speziell auf die Bedürfnisse chronisch Betroffener abgestimmt sind und wirtschaftlich eingesetzt werden. Der Übergang vom stationären in den ambulanten Bereich wird persönlich begleitet, die bestmögliche medizinische/therapeutische Versorgung zu Hause frühzeitig initiiert. Damit unterstützen Homecare-Unternehmen in Deutschland aktiv die Erweiterung der Ergebnispotenziale bei gleichzeitiger Eingrenzung der Risikopotenziale. Wenn die «gelebte» integrierte Versorgung von den Krankenkassen akzeptiert wird und die Vorzüge erkannt werden, kann auch an die Umsetzung innerhalb der Vergütungsstrukturen gedacht werden. Die vielfältigen Vertragsstrukturen und Überschneidungen der Aufgabengebiete erfordern dann ein effektives Schnittstellen-Management zur Prozessoptimierung; hier handelt es sich im Bereich Homecare um eine aktive Aufgabe für Homecare-Unterneh-
men. Wichtig ist letztendlich, unabhängig von jeglichen Rahmenbedingungen, der aktive Gestaltungswille der im Gesundheitswesen Beteiligten, um Integrationsversorgungsmodelle unter Berücksichtigung der Homecare-Versorgung systematisch und professionell umzusetzen.
4.7
Literatur Biersack, K.; Toepffer, C. Leistungserbringer und Krankenkassen werden direkte Vertragspartner: juristische Aspekte der Neufassung der Integrierten Versorgung nach §§ 140 a ff. SGB V. Die BKK 2004/5, 199–205. Bundesministerium für Gesundheit: Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG). Bundesgesetzblatt Jahrgang 2003 Teil I Nr. 55, ausgegeben zu Bonn am 19. November 2003. Verfügbar unter: http://www.bmg.bund.de/cln_043/nn_1200434/Sha redDocs/Downloads/DE/GV/GT/GKV/Gesetze/18Gesetz-zur-Modernisierung-der-,templateId=raw, property=publicationFile.pdf/18-Gesetz-zur-Modernisierung-der-.pdf. [Datum der letzten Einsichtnahme: 22. Mai 2008] oder unter: http//www.bmg. bund.de > Gesetze > zur gesetzlichen Krankenversicherung, 2. Änderungsgesetze. BVMed (Bundesverband Medizintechnologie e. V.) (Hrsg.): Finanzierung (§ 140d SGB V). In: Informationen zur sektorübergreifenden Versorgung – Integrierte Versorgung (§ 140a ff. SGB V). Merkblatt IV (o. J.). Verfügbar unter: http://www.bvmed.de/ publikationen/Infokarten_Merkblaetter/. [Datum der letzten Einsichtnahme: 21. Mai 2008]. BVMed (Bundesverband Medizintechnologie e. V.) (Hrsg.): Auswirkungen der transsektoral integrierten Gesundheitsversorgung auf die Medizinprodukteindustrie. Studiendokumentation. Roland Berger Strategy Consultants, 2002. Verfügbar unter: http:// www.bvmed.de/linebreak4/mod/netmedia_pdf/data/ langfassung.pdf. [Datum der letzten Einsichtnahme 10. April 2008]. Deutsche Gesellschaft für Rehabilitation e. V.; Institut für Medizinische Soziologie (Hrsg.): Rehabilitation und Pflege im Spannungsfeld des demografischen Wandels, Veröffentlichung der Vorträge einer gemeinsamen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation e. V. und des Instituts für Medizinische Soziologie im Zentrum für Humanund Gesundheitswissenschaften der Berliner Hochschulmedizin (ZHGB) am 13. September 2002 in Berlin (Tagungsband): 72.
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Deutsche ILCO (Vereinigung für Stomaträger und für Menschen mit Darmkrebs) http://www.ilco.de/ Stomaarten.33.0.html. [Datum der letzten Einsichtnahme: 22. Mai 2008]. Fördergemeinschaft für Krebskranke und Stomapatienten (Hrsg.): Die Stomaversorgung von Industrie und Handel. Präsentationsmappe, Auflage 2004, MedInform c/o BVMed, Berlin 2004: 3. Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht. Verlag C. H. Beck, München, 45. Ergänzungslieferung 2004. Krauskopf, D.: Gesetzliche Krankenversicherung [vom 20. Dezember 1988: zuletzt geändert durch Art. 4 G zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB v. 27. 12. 2003]. Sonderausg., 12., überarb. Aufl., Stand
4. März 2004. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2004 (= Beck-Texte im dtv). Riedel, R.; Schmidt, J.; Hefner, H. (Hrsg.): Leitfaden zur Integrierten Versorgung aus der Praxis. Einbindung von Sanitätshäusern in die IGV. Rheinische Fachhochschule Köln, Köln 2005. SGB Sozialgesetzbuch. Haarfeld Fachverlag, Essen 2007: 35722. von Reibnitz, C.; Henrich, C.: Überleitungsprozesse optimieren – Integratives Qualitätsmanagement. Heilberufe, 11 (2007): 26–28. von Reibnitz, C.: Professionell lückenlos: Homecare Versorgung von Stomapatienten. Heilberufe, 5 (2007): 22–23.
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Ernährung in der ambulanten häuslichen Versorgung Anette Harbord
5.1
Einleitung Innerhalb der letzten Jahre hat sich die Verweildauer in Krankenhäusern drastisch verkürzt, und neue Therapiekonzepte sowie ökonomische Gesichtspunkte werden voraussichtlich auch künftig eine weitere Liegezeitverkürzung nach sich ziehen. In der Folge werden immer häufiger Patienten entlassen, die in der Klinik künstlich ernährt wurden und sich für absehbare Zeit oder auch dauerhaft mit einer ambulanten häuslichen Ernährungstherapie arrangieren müssen. Dieser Übergang vom Krankenhaus in das private Umfeld ist für Patienten, die im Krankenhaus künstlich ernährt wurden, jedoch oft mit Schwierigkeiten verbunden. Alleine mit der Versorgung zurechtzukommen, erweist sich für die Patienten und ihre Angehörigen häufig als problematisch. Hier kommt «Homecare» als einer übergreifenden ambulanten Betreuungsform, die sich nach den individuellen Bedürfnissen des Menschen in medizinischen, pflegerischen, sozialen und rehabilitativen Maßnahmen richtet, stetig wachsende Bedeutung zu. Das Ziel der ambulanten Homecare-Versorgung ist es, eine in der Klinik begonnene Therapie, beispielsweise eine Ernährungstherapie, konsequent und auf dem gleichen Qualitätsniveau fortzusetzen bzw. bei der Ernährungstherapie einer bestehenden oder drohenden Mangelernährung frühzeitig entgegenzuwirken, so dass ein neuer-
licher Klinikaufenthalt aufgrund dieser Indikation nicht erforderlich wird und die Rehabilitation des Patienten fortschreitet (von Reibnitz, 2007). Die Ursachen und Therapieansätze in der künstlichen Ernährung können sehr differenziert betrachtet werden. Mit welchen Formen der Ernährungstherapie Patienten aus der Klinik nach Hause entlassen werden, ist ebenfalls sehr unterschiedlich. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die «künstliche Ernährung», d. h. die Ernährungsformen für Kranke, die oral keine Nahrung mehr zu sich nehmen können, in den verschiedenen Ausprägungen gegeben, und es werden Rahmenbedingungen für eine komplikationsfreie ambulante Therapie aufgeführt. 5.2
Interventionsursachen Die Ursachen für die Störung der Nahrungsaufnahme bei Patienten können sehr vielfältig sein (s. Tab. 5-1 auf S. 48). Dabei kann einerseits eine Erkrankung bei den Betroffenen Appetitlosigkeit oder Geschmacksveränderungen auslösen, in deren Folge sich die Patienten nicht mehr ausreichend ernähren. Andererseits kann es bei Patienten aufgrund einer Krankheit dazu kommen, dass Kau- und Schluckstörungen eine orale Nahrungsaufnahme unmöglich machen
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Tabelle 5-1: Ursachen der Mangelernährung. körperliche Behinderungen
Kau- und Schluckstörungen motorische Fehlfunktionen, die die Nahrungszubereitung, z. B. das Schneiden von Lebensmitteln, behindern
soziale Faktoren
Einsamkeit Armut
Appetitlosigkeit
Geschmacksstörungen, Medikamente, Schmerzen, Mundtrockenheit ungewohnte Umgebung, unbekanntes Essen
geistige Beeinträchtigungen
Demenz, Verwirrtheit Depression
physiologische Beeinträchtigungen
Gastroenterologie, z. B. Morbus Crohn, Mukoviszidose, Zöliakie oder Kurzdarmsyndrom Onkologie, z. B. Tumorkachexie
(Quellen: Brandstätter, 2007; Cordes, 2001)
oder sie keine herkömmliche Nahrung zu sich nehmen können, weil z. B. eine akute Phase einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung vorliegt. Durch die gestörte Nahrungsaufnahme sind all diese Patienten in der Regel von einer Mangelernährung bedroht. Dabei kann zwischen quantitativer und qualitativer Mangelernährung unterschieden werden. Die Folge quantitativer Mangelernährung ist Gewichtsverlust. Qualitative Mangelernährung zeichnet sich durch das Fehlen essentieller Nährstoffe aus, die zu Komplikationen bei der Wundheilung oder zu Störungen der Infektabwehr führen können (Fresenius, 2008). Daraus lässt sich folgern, dass eine bedarfsgerechte Ernährungstherapie einen wesentlichen Beitrag zum Wohl der Patienten, zum günstigen Verlauf der Erkrankung, zur Senkung des Komplikationsrisikos und Förderung des Therapieerfolgs leisten kann. 5.3
Ernährungstherapieformen Die künstliche Ernährung unterscheidet sich von der normalen Ernährung durch die Wahl des Zugangsweges, d. h. enteral über Sonden- oder parenteral über Kathetersysteme, den Applika-
tionsmodus und die Verabreichung von Nährlösungen (Müller, 2007). Die enterale Ernährung bezeichnet die Zufuhr von Nährsubstraten als Trink- und Sondennahrung unter Einbeziehung des Magen-DarmTraktes und wird deshalb als die physiologischere Form der künstlichen Ernährung angesehen. Durch die Applikation von Nährstoffen über den Gastrointestinaltrakt werden physiologische Regelmechanismen des Körpers genutzt und aufrechterhalten. So bewirkt beispielsweise die enterale Ernährung eine Erhaltung der Dünndarmschleimhaut als natürliche Bakterienschranke und eine Stimulation der gastrointestinalen Hormone. Die parenterale Ernährung führt dem Körper die Nährstoffe direkt über zentral- oder periphervenöse Katheter zu. Hier entfällt die Verdauungsleistung des Gastrointestinaltraktes ganz. Dementsprechend müssen alle Nährstoffe etc. in für den Körper verwertbarer Form vorliegen (z. B. Aminosäuren, Lipide), damit sie dem Stoffwechsel zur Verfügung stehen können. Da die enterale Ernährung grundsätzlich die physiologischere Form der Nährstoffzufuhr darstellt und damit geringere Risiken verbunden sind, sollte sie bei Patienten mit funktionstüchtigem Gastrointestinaltrakt immer vorrangig gewählt werden (Fresenius, 2008; Müller, 2007).
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5. Ernährung in der ambulanten häuslichen Versorgung
Die Entscheidungskaskade bezügliche einer geeigneten Form der Ernährungstherapie während eines bzw. nach einem Klinikaufenthalt macht Abbildung 5-1 deutlich. Wird die Ernährungstherapie in der häuslichen Umgebung fortgesetzt, so werden die Formen der künstlichen Nahrungsverabreichung auch als «heimenterale» und «heimparenterale» Ernährung bezeichnet. 5.3.1
Enterale Ernährung Grundsätzlich wird die enterale Ernährung angewandt, wenn eine normale orale Nahrungsaufnahme aufgrund von Störungen der Nahrungspassage oder Verdauungsleistung nicht oder nicht ausreichend möglich ist oder der Ernährungszustand mit der oralen Ernährung nicht aufrechterhalten werden kann (s. Tab. 5-2 auf S. 50).
Voraussetzung für die Nährstoffzufuhr mittels enteraler Ernährung ist eine stabile Stoffwechsellage des Patienten, d. h. es sind keine akuten metabolischen Entgleisungen oder akute Organinsuffizienzen zu befürchten, und die Motilität und Resorption des Gastrointestinaltraktes ist weitgehend intakt. Die Wahl der Applikationsform der enteralen Ernährungstherapie wird in erster Linie durch die Grunderkrankung des Patienten und durch die vorliegende Krankheitssymptomatik bestimmt. Für die diversen Erkrankungs- und Stoffwechselsituationen stehen eine Vielzahl unterschiedlichster, indikationsspezifischer Nährlösungen und -substrate in verschiedenen Konsistenzen zur Verfügung. Dabei umfasst der Begriff der enteralen Ernährung per Definition (EG-Richtlinie 1999/21/ EG der Kommission vom 25. März 1999) nicht nur die Sondenernährung, sondern auch orale
Ist der Gastrointestinaltrakt funktionstüchtig?
JA
Enterale Ernährung
Ist eine Spezialdiät notwendig?
JA
NEIN
Spezialdiäten
NEIN Kann Nahrung verabreicht werden?
JA
Trinknahrung
NEIN
Dauer der Ernährungstherapie? - längerfristig -
NEIN
Periphervenöse Ernährungstherapie
Sondennahrung
Dauer der Ernährungstherapie? - längerfristig -
Parenterale Ernährung
NEIN
JA
JA
Zentralvenöse Ernährungstherapie
enterale Sonde PEG-Sonde/ PEJ-Sonde
Abbildung 5-1: Auswahl einer geeigneten Ernährungstherapieform. (Quellen: Suter, 2008; Müller, 2007)
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Tabelle 5-2: Indikationen und Kontraindikationen der enteralen Ernährung. Indikationen
bestehende oder drohende Mangelernährung inadäquate orale Nahrungszufuhr (< 500 kcal/Tag) voraussichtlich über mehr als sieben Tage
Kontraindikationen
schwere Störungen der gastrointestinalen Funktion (z. B. unstillbares Erbrechen infolge einer Chemotherapie) metabolische Instabilität (z. B. diabetische Ketoazidose) akute Organinsuffizienz instabile Stoffwechsellage
(Quellen: Bott, 2007; Cordes, 2001)
Trink- und Zusatznahrungen für besondere medizinische Zwecke. Trinknahrung wird vorwiegend als Zusatznahrung eingesetzt, wenn Patienten zwar noch Nahrung oral aufnehmen, aber nicht mehr in ausreichender Menge. Die Trinknahrung bietet die Möglichkeit, gezielt Nährstoffe zu supplementieren, kann aber auch die vollständige Nährstoffzufuhr sichern. Dies erlaubt Patienten eine bedarfsgerechte Ernährung (z. B. bei Kauund Schluckstörungen), ohne auf eine Sonde angewiesen zu sein. Sondennahrung wird über eine transnasale oder perkutane Sonde zugeführt. Wenn Trinknahrung aufgrund des Krankheitsbildes nicht angezeigt ist oder durch mangelnde Akzeptanz keine ausreichende Menge an Trinknahrung aufgenommen wird, ist die Sondenernährung eine sinnvolle Alternative, um eine sichere Nährstoffversorgung zu erreichen (Fresenius, 2008; Müller 2007). Die Verabreichung der Sondennahrung mittels Ernährungssonde kann nun wiederum nach der Platzierung der Ernährungssonde und der Applikationstechnik differenziert werden.
nach der Funktionsfähigkeit des Gastrointestinaltraktes des Patienten und damit nach der Grunderkrankung sowie nach der voraussichtlichen Dauer der anzuwendenden Ernährungstherapie.
naltraktes des Patienten entschieden. Es kann zwischen gastraler, duodenaler und jejunaler Lage unterschieden werden. Die gastrale Sondenlage ist bei stoffwechselstabilen Patienten mit intakter Magenentleerung und ohne erhöhte Aspirationsgefahr angezeigt. Hier erfolgt die Applikation der Sondennahrung über eine Magensonde direkt in den Magen. Bei der gastralen Sondenlage wird (fast) der gesamte Verdauungstrakt genutzt und entspricht im Prinzip dem physiologischen Verdauungsprozess. Die portionsweise Weiterleitung der Nahrung an den Darm wird gewährleistet, und die Produktion gastrointestinaler Hormone wird angeregt. Die Applikation der Nahrung über eine gastrale Sonde ist relativ unkompliziert, da hier sowohl über Schwerkraftsysteme als auch über Ernährungspumpen (Bolus, d. h. Portionseinheiten oder kontinuierliche bzw. intermittierende Zufuhr) Substrate verabreicht werden können (s. unten). Die duodenale oder jejunale Sondenlage ist eine enterale Ernährung, die in verschiedene Abschnitte des Dünndarms erfolgt. Sie wird immer dann gewählt, wenn davon auszugehen ist, dass der Patient eine gestörte Magenentleerung, eine erhöhte Aspirations- und/oder Refluxneigung hat. Die Applikation der Nahrung erfolgt bei duodenalen oder jejunalen Ernährungssonden kontinuierlich pumpengesteuert, um ein Dumping-Syndrom zu vermeiden (Brandstätter/RoosLiegmann, 2005; Fresenius 2008; Suter, 2008).
Über die Sondenlage wird immer in Abhängigkeit des Funktionszustands des Gastrointesti-
Zusätzlich wird die Art der Ernährungssonde in Abhängigkeit von der voraussichtlichen Dauer
Die Auswahl der geeigneten Sondensysteme richtet sich:
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der Ernährungstherapie bestimmt. Bei einer kurzbis mittelfristigen enteralen Sondenernährung bis zu vier Wochen können transnasale Ernährungssonden eingesetzt werden. Perkutane Ernährungssonden, wie z. B. eine PEG (perkutane endoskopisch-kontrollierte Gastrostomie), sollten immer dann eingesetzt werden, wenn abzusehen ist, dass der Patient über einen längeren Zeitraum (länger als vier Wochen) auf eine enterale Sondenernährung angewiesen ist. Sowohl bei transnasalen als auch perkutanen Sonden besteht die Möglichkeit, das Sondenende gastral, duodenal oder jejunal zu platzieren. Die langfristige enterale Versorgung von Patienten birgt aber auch Gefahren. So haben Untersuchungen zur Versorgungsrealität älterer Patienten gezeigt, dass einmal gelegte PEGSonden in der Regel nicht wieder entfernt werden, denn durch die enterale Ernährung wurde die Kaumuskulatur nicht beansprucht und hat sich zurückgebildet. Der Patient ist nun nicht mehr in der Lage, sich oral zu ernähren. Dem sollte entgegengewirkt werden, indem parallel zur Ernährung über die Sonde ein Schlucktraining durchgeführt wird (Cordes, 2001; Müller, 2007; Suter, 2008; von Reibnitz, 2007). Die Verträglichkeit und Akzeptanz der enteralen Ernährung wird neben der indikationsgerechten Auswahl der Sondennahrung auch durch die Art der Applikationstechnik bestimmt. Es lässt sich zwischen Schwerkraft- und Pumpen-Applikation unterscheiden. Die Applikation der Sondennahrung per Schwerkraft sollte nur bei gastralen Ernährungssonden stattfinden. Der Patient sollte sich in einem stoffwechselstabilen Zustand befinden und eine ungestörte Magenentleerung haben. Bei der Schwerkraft-Applikation ist eine exakte Einstellung der Zufuhrmenge nicht möglich. Die Pumpen-Applikation ist bei allen Ernährungssonden indiziert, insbesondere bei duodenaler bzw. jejunaler Sondenlage. Mit einer Ernährungspumpe lässt sich die bedarfsgerechte Dosierung über den gewünschten Zeitraum konstant halten. Besonders empfehlenswert ist der Einsatz einer Ernährungspumpe für Patienten, die auf eine stufenweise Intensivierung der
Nährstoff- und Flüssigkeitszufuhr angewiesen sind: Durch eine an die individuelle Situation des Patienten angepasste Applikationsgeschwindigkeit können gastrointestinale Unverträglichkeiten wie beispielsweise Übelkeit, Erbrechen und Durchfall deutlich gemindert werden. Die Applikation der Sondennahrung per Ernährungspumpe dient entscheidend zur Komplikationsprophylaxe. Nur mithilfe einer Ernährungspumpe lassen sich exakte Zufuhrmengen der Sondennahrung in einem bestimmten Zeitintervall einstellen (Brandstätter/Roos-Liegmann, 2005; Fresenius 2008; Müller, 2007). In Abhängigkeit der Zielsetzung und der Grunderkrankung des Patienten erfolgt die Auswahl der geeigneten Diät bzw. der geeigneten Nährsubstrate. Eine unzureichende Nährstoffzufuhr führt beispielsweise bei Kindern schneller zu einer Mangelernährung als bei Erwachsenen. Deshalb muss immer der einzelne Patient mit seinen individuellen Bedürfnissen im Fokus der angemessenen Auswahl der jeweiligen Trinkund/oder Sondennahrung stehen (Brandstätter/ Roos-Liegmann, 2005). Die Ziele der Ernährungstherapie: Deckung des Energiebedarfs, entsprechend dem Energie- und Nährstoffbedarf des Patienten Vermeidung bzw. Besserung der Mangelernährung Erhaltung bzw. Änderung des Ernährungszustands Bewahrung der Funktionalität und Lebensqualität beeinflussen auch die Auswahl der Nährsubstrate (Brandstätter, 2007). Als «diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke» muss industriell hergestellte Trink- und Sondennahrung gemäß DiätVerordnung bzw. EG-Richtlinie 1999/21/EG der Kommission vom 25. März 1999 in ihrer Nährstoffformulierung zulässige Mindest- und Höchstmengen pro Tag einhalten, d. h. in der Zusammensetzung bilanziert sein, um eine ausreichende Nährstoffversorgung des Patienten zu
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gewährleisten. Diese Mindest- und Höchstmengen sind nach Altersgruppen (z. B. Säuglinge, Kleinkinder etc.) unterschiedlich definiert. Die Diät-Verordnung unterscheidet wiederum zwischen bilanzierten Diäten zur ausschließlichen bzw. vollständigen Ernährung und bilanzierten Diäten zur ergänzenden Ernährung. In diesem Zusammenhang wird von vollbilanzierter und teilbilanzierter Nahrung gesprochen. Vollbilanzierte Substrate müssen in ihrem Energie- und Nährstoffgehalt so zusammengesetzt sein, dass sie auch bei dauerhafter Ernährung eine bedarfsgerechte Nährstoffzufuhr gewährleisten, d. h. alle Makronährstoffe also z. B. Aminosäuren, aber auch alle Mikronährstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente enthalten. Teilbilanzierte Nährsubstrate sind zur Verwendung als ergänzende Diät bestimmt, d. h. sie sind nicht geeignet, den gesamten Energie- und Nährstoffbedarf des Patienten dauerhaft zu decken. Da Patienten, die eine Ernährungssonde benötigen, in der Regel nicht in der Lage sind, auch nur teilweise ihre Nahrungsaufnahme auf oralem Wege zu decken, sind alle angebotenen Sondennahrungen auf dem deutschsprachigen Markt vollbilanziert. Orale Nährsubstrate, die sowohl in Form von Trinknahrungen als auch in «Dessert-Form» hergestellt werden, können sowohl voll- als auch teilbilanziert sein. Der Großteil der angebotenen Trinknahrungen ist vollbilanziert und eignet sich gleichermaßen zur ausschließlichen wie zur ergänzenden Ernährungstherapie. Die bilanzierten Nährstofflösungen setzen sich in der Regel aus definierten Einzelkomponenten der Mikro- und Makronährstoffe in weitgehend natürlichen Verbindungen (z. B. Milcheiweiß) bzw. in leicht modifizierter Form (z. B. Oligopeptide) zusammen. Diese Form der Nährstoffe wird vom noch funktionstüchtigen Verdauungstrakt ganz oder teilweise weiter abgebaut und im Dünndarm in den Blutkreislauf aufgenommen. Nur wenige Hersteller bieten auch Diäten an, die auf gewohnten Lebensmitteln wie Fleisch, Milch, Getreide etc. basieren. Diese Nährsubstrate eignen sich besonders für Patienten mit einer ablehnenden Haltung gegenüber einer
«künstlichen Ernährung». Ihr Einsatz setzt jedoch eine gute Verdauungs- und Resorptionsleistung voraus (Bott, 2007; Cordes, 2001). Neben den gängigen Substraten werden immer mehr spezielle krankheitsadaptierte Diäten angeboten. Spezialsubstrate zur Behandlung spezieller Erkrankungen müssen zusätzlich zu den in der Diät-Verordnung bzw. EG-Richtlinie 1999/21/EG der Kommission vom 25. März 1999 festgelegten Mindest- und Höchstmengen pro Tag die spezifischen diätetischen Anforderungen erfüllen (Bott, 2007; Cordes, 2001), so dass eine endgültige Auswahl der optimalen Trinkoder Sondennahrung nach den individuellen Bedürfnissen der Patienten auf der Basis folgender Kriterien erfolgt: Grund- und Begleiterkrankungen und damit verbundene spezifische Anforderungen an die Substrate Alter des Patienten aktueller Ernährungszustand Nährstoff- und Flüssigkeitsbedarf und gastrointestinale Funktion (Brandstätter, 2007). Immer wieder gibt es von Seiten fürsorglicher Angehöriger Überlegung, die Nährsubstrate für die ambulante häusliche Versorgung selbst herzustellen. Aber selbst hergestellte Trink- und Sondennahrung ist in der Regel nicht dazu geeignet, die ernährungsmedizinischen und -physiologischen, technischen und hygienischen Anforderungen, die insbesondere an Sondenkost gestellt werden, zu erfüllen. Aus ernährungsmedizinischer Sicht muss die enterale Ernährung eine gleichbleibende bedarfsgerechte Zufuhr und Zusammensetzung der Nährsubstrate gewährleisten. Industriell gefertigte Nahrungen erfüllen den Anspruch einer konstanten und reproduzierbaren Zusammensetzung an Makro- und Mikronährstoffen, d. h. ihr Nährstoffgehalt ist bilanziert. Darüber hinaus muss Sondennahrung bestimmte technologische Anforderungen erfüllen: keine Festpartikel, die Sonden verstopfen angemessene Viskosität Stabilität der Emulsion.
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Diese Bedingungen können selbst hergestellte Substrate kaum erfüllen. Außerdem bietet die industrielle Herstellung einen höheren Schutz vor bakterieller Kontamination, wodurch die Gefahr einer zusätzlichen gastrointestinalen Infektion minimiert wird. Aus den genannten Gründen sollte selbst hergestellte Sondennahrung auch in der ambulanten Ernährungstherapie keine Anwendung mehr finden (Bott, 2007). 5.3.2
Parenterale Ernährung Die enterale Ernährung ist im klinischen Alltag am weitesten verbreitet, da sie die physiologischere und komplikationsärmere Form der künstlichen Ernährung darstellt. Die parenterale Ernährung sollte immer als letzte Stufe der Ernährungstherapie verstanden werden. Bei der parenteralen Ernährung erfolgt die Nährstoff- und Energiezufuhr unter Umgehung des Gastrointestinaltraktes. Die Verabreichung der Nährlösungen geschieht über die Blutbahn mittels intravenöser Infusion. Das Ziel der parenteralen Ernährung besteht vor allem darin, einer Mangelernährung vorzubeugen, den Ernährungszustand zu stabilisieren oder durch gezielte Nährstoffgaben die Primärtherapie positiv zu beeinflussen, z. B. eine schnellere postoperative Genesung und insbesondere verbesserte Wundheilung zu erreichen. Die parenterale Ernährung ist immer dann indiziert (s. Tab. 5-3), wenn eine orale oder ente-
rale Ernährung nicht oder nur unzureichend möglich ist. Dies ist z. B. bei diversen Störungen des Gastrointestinaltraktes wie akuter Bauchspeicheldrüsenentzündung, Kurzdarmsyndrom oder Darmlähmung der Fall. Eine Indikation kann beispielsweise auch bei Tumorpatienten gegeben sein, die im Verlauf ihrer Erkrankung häufig eine Tumorkachexie ausbilden. Infolgedessen können sie den täglichen Energiebedarf über mehrere Wochen hinweg nur noch unzureichend durch orale Ernährung decken. Hier kann durch die zusätzliche Gabe von Nährstoffen mittels parenteraler Ernährung die Aufnahme des tatsächlichen Kalorienbedarfs sichergestellt und der unfreiwillige Gewichtsverlust gestoppt werden (Baxter, 2007; Cordes, 2001; Müller, 2007; von Reibnitz, 2007). In der heimparenteralen Versorgung werden am häufigsten Tumorpatienten (39 %) ernährt, gefolgt von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (19 %), mit tumorunabhängigem Kurzdarmsyndrom (15 %) und mit Strahlenschäden an Schluck- und Verdauungsorganen (7 %). Gerade Krebskranke weisen meist eine funktionelle Darminsuffizienz oder auch zusätzliches Krankheitsgeschehen auf, die bei ihnen eine parenterale Ernährung und deren Fortführung zu Hause indizieren (Baxter, 2007). Die Applikationsformen der parenteralen Ernährungstherapie werden nach den zwei Applikationswegen unterschieden. Der periphervenöse Zugang wird bei kurzfristiger Dauer der parenteralen Therapie gewählt. Der zentralvenöse
Tabelle 5-3: Indikationen und Kontraindikationen der parenteralen Ernährung. Indikationen
bestehende oder drohende Mangelernährung keine bedarfsdeckende enterale Ernährung möglich, z. B. durch Störungen der gastrointestinalen Funktion instabile Stoffwechsellage Therapieunterstützung durch Optimierung der Nährstoffzufuhr, z. B. chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, postoperativ oder bei Verbrennungen
Kontraindikationen
funktionstüchtiger Gastrointestinaltrakt instabiler Kreislauf, Schock akute Organinsuffizienz
(Quellen: Müller, 2007; Suter 2008)
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Zugang ist bei einer längerfristigen Therapie, ab ca. ein oder zwei Wochen, angezeigt. Die Nährlösung wird jeweils kontinuierlich mittels Infusionspumpen oder durch Schwerkraftinfusionen verabreicht (Jauch et al., 2007; Suter, 2008). Ein wichtiges Kriterium bei der Applikation parenteraler Substrate ist die Infusionsgeschwindigkeit. Wird die Nährlösung zu schnell infundiert, erhöht sich das Risiko für metabolische Komplikationen, etwa einer Hyperglykämie. Während in der Klinik gewöhnlich mittels Schwerkraftinfusion gearbeitet wird, eignet sich für die langfristige häusliche Versorgung eine programmierbare Infusionspumpe mit integrierten Alarmvorkehrungen. Dadurch wird zum einen das Komplikationsrisiko durch eine zu schnelle Infusion gesenkt, zum anderen ermöglicht eine Datenspeicherung die nachträgliche Kontrolle der Mengen etc. (Baxter, 2007). Die Verabreichungsfrequenz der Nährlösung richtet sich bei der parenteralen Ernährung nach dem benötigten Energiebedarf. Müssen weniger als 30 % des täglichen Energiebedarfs ausgeglichen werden, können die Infusionen auf wenige Tage pro Woche verteilt werden. Müssen jedoch mehr als 70 % zugeführt werden, sind tägliche Infusionen notwendig. Der Infusionszeitraum kann dabei 24 h betragen oder auf eine Infusionsperiode von 12 bis 16 h beschränkt werden (Baxter, 2007; Müller, 2007). Die Applikationstechniken sind bei der parenteralen Ernährung nicht ganz so differenziert wie bei der enteralen. Periphervenöse Zugänge werden in der Regel mittels Kanüle in eine oberflächliche Armvene gelegt. Die zentralvenöse parenterale Ernährung erfolgt mittels Katheter in die obere Hohlvene. Bei der heimparenteralen Ernährung werden implantierbare Verweilkatheter, z. B. vollständig unter die Haut implantierte Portkatheter, verwendet (Brandstätter/ Roos-Liegmann, 2005; Müller, 2007).
5.4
Schnittstelle Klinik und ambulante Ernährungstherapie Nimmt bereits heute die enterale und parenterale Ernährung einen sehr hohen Stellenwert in der ambulanten Versorgung ein, so ist dies nicht zuletzt auf die relativ komplikationsarme Durchführung der Ernährungstherapie zu Hause zurückzuführen. Doch die Entlassung bzw. Überleitung von der Klinik in das häusliche Umfeld muss frühzeitig vorbereitet werden, wenn sie komplikationslos erfolgen soll. Meistens sind die Patienten bei der Entlassung noch pflegebedürftig und benötigen eine intensive medizinische Zuwendung. Der zuständige Hausarzt ist häufig mit der Durchführung einer qualifizierten Ernährungstherapie unerfahren oder wird nicht ausreichend über die in der Klinik begonnene Therapie informiert. An dieser Stelle setzt professionelles Überleitungsmanagement an. Homecare-Konzepten kommt hierbei die Aufgabe zu, den Übergang vom stationären in den privaten Bereich zu organisieren. Unter Homecare sind dabei alle Maßnahmen zu verstehen, die die Versorgung von Patienten in der häuslichen Umgebung sicherstellen. Dazu gehören insbesondere Beratung, Schulung und Versorgung des Patienten unter Einbeziehung der Angehörigen. Zudem müssen der Hausarzt, evtl. der Pflegedienst und eine Apotheke in das Gesamtkonzept «ambulante Ernährung» eingebunden werden. Damit nehmen Homecare-Fachkräfte in erster Linie eine Kommunikations- und Koordinationsaufgabe wahr, denn Überleitung erfordert einen hohen logistischen Aufwand sowie die optimale Kommunikation aller Beteiligten. Für die Koordination dieser unterschiedlichen Akteure bedarf es einer qualifizierten Homecare-Expertise und eines Case Managements (von Reibnitz, 2007). Beispiel eines idealtypischen Versorgungsverlaufs Im Krankenhaus wählen die Patienten oder, je nach Gesundheitszustand, die Angehörigen den Nachversorger, ein Homecare-Unternehmen, selbst aus.
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Daraufhin nimmt das Krankenhaus Kontakt mit dem jeweiligen Unternehmen auf. Der Patient lernt seinen Nachversorger schon im Krankenhaus kennen. Im Patientengespräch werden der Bedarf und die Wünsche ermittelt, die Versorgung individuell auf die Patientenbedürfnisse und -wünsche abgestimmt. Das Homecare-Unternehmen organisiert nun die ambulante Versorgung. Je nach Zustand des Patienten und den Möglichkeiten der Versorgung wählen die Patienten bzw. die Angehörigen einen Pflegedienst aus. Das Homecare-Unternehmen kontaktiert alle anderen Ansprechpartner (Arzt, Pflege, Sozialdienst). Nach der Entlassung bespricht die Ernährungsfachkraft mit dem Hausarzt die weitere Vorgehensweise. Während des Überleitungsprozesses steht das Homecare-Unternehmen mit allen Beteiligten in Kontakt und hilft bei Fragen oder Problemen. Vor Ort gibt die Ernährungsfachkraft allen Pflegepersonen eine Einweisung in sämtliche für die weitere Versorgung relevanten Produkte, schult die Mitarbeiter des ambulanten Dienstes und die Angehörigen im Umgang mit den Produkten sowie der Handhabung der Medizintechnik. Alle wichtigen Vorgänge werden dokumentiert. So kann man zum einen Ärzten und Krankenkassen Auskünfte geben, und zum anderen lassen sich dadurch eventuelle Probleme schneller erkennen und beseitigen. Daraufhin liefert der Nachversorger bedarfsgerecht die benötigte Nahrung und die Materialien und klärt die Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Die Ernährungsfachkraft kontrolliert regelmäßig, ob die Nahrungsplanung noch aktuell ist und ob sich der Verbrauch verändert hat. Bei Veränderungen kontaktiert die Ernährungsfachkraft den Hausarzt und bespricht mit ihm die weitere Vorgehensweise. Beratung und Belieferung nach Hause erfolgen kostenfrei. Die Patienten zahlen lediglich die gesetzliche Zuzahlung zu den Produkten.
Damit schlägt Homecare die Brücke zwischen stationärer und ambulanter Versorgung und führt so zu einer Sicherung des Therapieerfolgs und zu mehr Lebensqualität für die Patienten.
5.5
Rahmenbedingungen der ambulanten Ernährungstherapie Künstlich ernährte Patienten benötigen eine intensive Betreuung, das stellt jedoch nicht nur an die Ernährungstherapie selbst besondere Anforderungen, sondern auch an Organisation und Pflege. Deshalb ist die Kooperationsbereitschaft aller Versorgungsakteure unabdingbar, und infolgedessen sollten frühzeitig spezialisierte Behandlungsteams mit den Betroffenen und Angehörigen zusammenarbeiten, am besten bereits in der Phase des Überleitungsmanagements (s. oben), denn kommt es zum Bruch zwischen stationärer und ambulanter Versorgung und wird die in der Klinik begonnene Therapie nicht adäquat fortgesetzt, droht die erneute Einweisung ins Krankenhaus, der so genannte «Drehtüreffekt» entsteht. Mittels eines professionellen Überleitungsmanagements können aber der Therapieerfolg in der ambulanten Versorgung gesichert und die obligate und engmaschige Überwachung und Dokumentation des Ernährungsund Gesundheitszustandes qualifiziert fortgeführt werden. In regelmäßigen Abständen erfolgt dann auch eine Beurteilung des Ernährungszustands durch eine eingehende körperliche Untersuchung und ein ausführliches Anamnesegespräch sowie die Überprüfung des Körpergewichts, um frühzeitig drohende oder bestehende Ernährungsdefizite aufzuzeigen. Mit Hilfe von Ernährungsfachkräften kann anschließend anhand des Ist-/Soll-Vergleichs daraus gegebenenfalls eine adäquate Umstellung bzw. Anpassung der Ernährungstherapie resultieren. Im Rahmen eines funktionierenden Überleitungsmanagements werden auch die wesentlichen häuslichen Voraussetzungen für die ambulante Ernährungstherapie geschaffen. Eine essentielle technische Voraussetzung ist, dass für die langfristige enterale oder parenterale Ernäh-
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rungstherapie dem Patienten ein geeigneter Langzeitkatheter bzw. ein geeignetes Sondensystem implantiert wird. Gleichzeitig muss eine vollständige Ausstattung mit den notwendigen medizinisch-technischen Hilfsmitteln zu Hause vorhanden sein, wie z. B. Überleitungssysteme, Verbandsmaterial und Desinfektionsmittel. Neben den technischen Gegebenheiten ist für die heimenterale oder heimparenterale Ernährung auch eine qualifizierte Schulung der Patienten und Angehörigen unverzichtbar. Die Durchführung von Schulungen für die Betroffenen und Angehörigen sowie regelmäßige Wiederholungsschulungen ermöglichen ihnen eine weitgehend selbstständige Versorgung, sensibilisiert sie, Veränderungen im Allgemeinbefinden des Patienten zu registrieren, und versetzt sie in die Lage, auf Komplikationen und Notfallsituationen vorbereitet zu sein und angemessene Notfallmaßnahmen zu ergreifen. Schulungsinhalte sollten sich auch immer mit Fragen der Hygiene befassen, denn sorgfältige Hygiene ist bei der Durchführung der enteralen und vor allem der parenteralen Ernährung unbedingt erforderlich. In der Regel befinden sich die Patienten infolge der Grunderkrankungen in einem relativ schlechten Allgemeinzustand und sind damit in ihrer Infektabwehr beeinträchtigt. Daher sollten die räumlichen Gegebenheiten ein weitestgehend keimarmes Arbeiten ermöglichen, d. h. für Kinder und Haustiere unzugänglich sein. Außerdem sollte während der Vorbereitung der Infusion im Höchstmaß hygienisch gearbeitet werden, um zu vermeiden, dass die Patienten durch die Ernährung zusätzlich mit Keimen konfrontiert werden. Hinzu kommt, dass die Sondennahrung ein guter Nährboden für Keime ist und es bei unzureichender Hygiene zu einer schnellen Vermehrung von Bakterien kommen kann. Mit einem vorher definierten Kathetermanagement und einer standardisierten Sondenpflege lässt sich das Risiko infektiöser und mechanischer Komplikationen minimieren. Gleichzeitig baut die Standardisierung Unsicherheiten ab und beeinflusst die Therapiesicherheit und Qualität positiv (Brandstätter, 2007; Brandstätter/RoosLiegmann, 2005; Baxter, 2007; Fresenius, 2008; Müller, 2007; Suter, 2008; von Reibnitz, 2007).
5.6
Komplikationen in der ambulanten Ernährungstherapie Werden die Voraussetzungen einer ambulanten Ernährungstherapie beachtet (s. unten) und erfolgt eine optimale Zusammenarbeit zwischen dem Patienten und seinen Angehörigen sowie dem Arzt und Ernährungsteam, so ist in der Regel eine komplikationsarme ambulante Ernährungstherapie möglich. Sollten dennoch Probleme auftreten, bewirkt die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten eine schnelle Diagnose und Gegensteuerung. Mögliche Komplikationen in der enteralen und damit auch heimenteralen Ernährung sind Erbrechen, Aspiration, Diarrhöen und Obstipation. Die Probleme treten vornehmlich im Zusammenhang mit der Sonde oder der Sondenkost (s. Tab. 5-4) oder deren Applikationsgeschwindigkeit auf und können in der Regel durch Anpassung gelöst werden, d. h. sie zwingen selten zum Abbruch der enteralen Ernährungstherapie. Bei der Durchführung der parenteralen und heimparenteralen Ernährung können infektiöse, mechanische und metabolische Komplikationen auftreten. Hierzu zählen z. B. Kathetersepsis, die falsche Position des Zugangs, Katheterbruch, katheterinduzierte Thrombosen und Embolien sowie Substratüberdosierungen oder Substratmangel in den verschiedensten Ausprägungen. Dieses Komplikationsrisiko ist durch eine gute medizinische Begleitung des Patienten zu reduzieren (Brandstätter/Roos-Liegmann, 2005; Jauch et al., 2007; Suter, 2008).
5.7
Finanzierung der ambulanten Ernährungstherapie Im Allgemeinen übernehmen die Krankenkassen die Kosten für die heimenterale und heimparenterale Ernährung. Rechtliche Grundlage dafür ist § 31 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit
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Tabelle 5-4: Mögliche Problembereiche bei der enteralen Ernährung. sondenbedingte Probleme
falsches Sondenmaterial Sondenfehllagerung mangelnde Sondenpflege, damit verbundene lokale oder systemische Infektionen diverse mechanische Komplikationen wie Sondenruptur
sondenkostbedingte Probleme
falscher Applikationsmodus ungeeignete Sondenkost fehlender Kostaufbau zu hochkalorische Ernährung Nichtbeachtung des Ernährungszustands und des Energiebedarfs Nichtberücksichtigung des Flüssigkeits- und Natriumbedarfs ungeeignete Begleitmedikamentation bakterielle Kontamination
(Quellen: Brandstätter, 2007; Müller 2007)
den Arzneimittelrichtlinien, Kapitel E, Ziffer 15.1–15.4 vom 1. Oktober 2005. Enterale Ernährung ist bei fehlender oder eingeschränkter Fähigkeit zur ausreichenden normalen Ernährung verordnungsfähig, wenn eine Modifizierung der normalen Ernährung oder sonstige ärztliche, pflegerische oder ernährungstherapeutische Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation nicht ausreichen. (§ 31 Abs. 1 SGB V) Gleiches gilt für die parenterale Ernährung, die ein Vielfaches der enteralen Versorgung kostet. Verordnungsfähig sind beispielsweise folgende Produktgruppen: niedermolekulare Produkte für Fettverwertungsstörungen oder Malassimilationssyndrom altersadaptierte Produkte Produkte mit Anpassung für Niereninsuffizienz spezielle Produkte bei angeborenen Defekten im Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel. Heimernährung und sonstige Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation schließen einander nicht aus, sondern sind erforderlichenfalls miteinander zu kombinieren. Grundsätzlich ist ambulante Ernährungstherapie vom behandelnden Arzt zu verordnen. Die Zuzahlung berechnet sich je verordneter Rezeptzeile (10 %
des Abgabepreises, mindestens 5 Euro maximal 10 Euro jedoch nicht mehr als die Kosten des Mittels). Da für die enterale und parenterale Ernährung auch Hilfsmittel (Überleitungssysteme) benötigt werden, fällt eine weitere Zuzahlung an. Diese beträgt für die zum Verbrauch bestimmten Überleitungsgeräte 10 % je Packung, höchstens jedoch 10 Euro für den Bedarf im Kalendermonat. Fällt die ambulante Ernährungstherapie für Patienten mit einer Eingruppierung in eine der drei Pflegestufen an, können Ansprüche gegenüber der Pflegekasse geltend gemacht werden. Beispielsweise haben die Pflegekassen bisher vielfach bei Leistungsbewilligungen von zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln für die Pflege (nach § 40 Abs. 2 Sozialgesetzbuch XI) eine Erstattung des im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrags von 31 Euro zu Gunsten ihrer Versicherten vorgenommen, mit der Begründung, dass diese Pflegehilfsmittel (z. B. Desinfektionsmittel, Einmal-Handschuhe) als Sachleistung zu erbringen und nur über zugelassene Vertragspartner abzugeben sind. Die entsprechenden Vertragspartner sind den Pflegekassen bekanntgegeben worden. Benötigt der Versicherte für seine Versorgung Pflegehilfsmittel, die zum Verbrauch bestimmt sind, muss er bei seiner Pflegekasse erfragen, welcher Leistungserbringer/Lieferant (Apotheke, Sanitätshaus, etc.) Vertragspartner der Kasse ist, und diese dann dort beziehen (Brandstätter, 2007; Müller, 2007; von Reibnitz, 2007).
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5.9
Fazit
Literatur
Die heimparenterale und heimenterale Ernährung ermöglicht vielen Patienten, in ihrer vertrauten häuslichen Umgebung und in der Geborgenheit ihrer Familie zu leben. Moderne Katheter- und Sondensysteme, wie z. B. tragbare Pumpen, geben dem Patienten zusätzlich größtmögliche Flexibilität und gestatten ihm, weiterhin mobil zu sein und am Alltagsleben teilzunehmen. Insbesondere den Wechsel von der häufig als bedrückend empfundenen Krankenhausatmosphäre in das gewohnte Umfeld empfinden viele Patienten als große Entlastung, die sich in der Regel positiv auf die Lebensqualität und das subjektive Wohlbefinden auswirkt.
Baxter Deutschland GmbH (Hrsg.): Mangelernährung heimenteral behandeln. http://www.baxter.de (Home > Über Baxter > Presseforum). [Datum der letzten Einsichtnahme 10. April 2008]. Bott C.: Enterale Ernährung. Ernährungs Umschau, 9 (2007): 528–536. Brandstätter M.: Enterale Ernährungstherapie bei drohenden oder bestehenden Ernährungsdefiziten. Ernährungs Umschau, 12 (2007): 710–719. Brandstätter M., Roos-Liegmann B.: Künstliche Ernährung bei Kindern. Urban & Fischer, München 2005. Cordes K.: Enterale Ernährung. In: Müller S.-D. (Hrsg.): Praxis der Diätetik und Ernährungsberatung. Hippokrates Verlag, Stuttgart 2001. Eich A.: Enterale Ernährung. Verlag Hans Huber, Bern 1997. Fresenius Kabi AG (Hrsg.): Enterale Ernährung. Fresenius Kabi AG, Bad Homburg 2006. Verfügbar unter: http://www.enterale-ernaehrung.de. [Datum der letzten Einsichtnahme: 10. April 2008]. Fresenius Kabi AG (Hrsg.): Ernährungstherapie. Fresenius Kabi AG, Bad Homburg 2008. Verfügbar unter: http://www.fresenius-kabi.de/internet/kabi/de/fkintpub.nsf/Content/Ernaehrungstherapie+LOGIN. [Datum der letzten Einsichtnahme: 10. April 2008]. Jauch, K. W.; Schregel, W.; Stanga, Z.; Bischoff, S. C.; Braß, P.; Hartl, W.; Mühlebach, S.; Pscheidl, S.; Thul, P.; Volk, O.: Technik und Probleme der Zugänge in der parenteralen Ernährung. Aktuelle Ernährungsmedizin, Supplement 1 (2007): S41–S53. Müller, M.: Ernährungsmedizinische Praxis. Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2007. Suter, P.: Ernährung. Thieme Verlag, Stuttgart, New York 2008. von Reibnitz C.: Das geht auch zu Hause! Enterale und parenterale Ernährung. Heilberufe, 4 (2007): 48–49.
Für den reibungslosen und komplikationsfreien Übergang ist die Einbindung von Fachkräften aus dem Homecare-Bereich ratsam. Homecare wird durch die verkürzten Liegezeiten im Krankenhaus und damit vermehrte Entlassung von Patienten in eine ambulante Ernährungstherapie noch weiter an Bedeutung gewinnen. Für die enterale und parenterale Ernährung organisiert Homecare eine koordinierte Überleitung vom stationären in den ambulanten Bereich, d. h. den kompletten Verlauf von der Entlassung aus dem Krankenhaus über die Koordinierung aller am Versorgungsprozess Beteiligten, wie z. B. Pflegedienste, Ärzte und Ernährungsteams, bis hin zur Versorgung des Patienten mit den Nährsubstraten sowie die fortlaufende Therapiekontrolle. Homecare-Konzepte ermöglichen es demzufolge, Patienten in eine vorbereitete häusliche Umgebung zu entlassen. Dies verkürzt den Klinikaufenthalt und reduziert direkte und indirekte Krankheitskosten.
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Rechtliche Aspekte der künstlichen Ernährung in der häuslichen Versorgung
Michael Schanz
6.1
Einleitung Gesunde Menschen können aus einem großen Nahrungsangebot schöpfen und sich ihrem persönlichen Geschmack entsprechend ernähren. Der bewusste Umgang mit Lebensmitteln und Getränken zählt zu den festen Bestandteilen des sozialen Lebens. Diesen Anspruch haben auch kranke, alte und pflegebedürftige Menschen. Bei bestimmten Erkrankungen kann jedoch die orale Kostzufuhr überhaupt nicht oder nur eingeschränkt möglich sein, so dass eine künstliche Ernährung erforderlich wird. Das bedeutet für den Patienten zusätzlich zu seiner Erkrankung eine weitere schwerwiegende Einschränkung der Lebensqualität. Unter dem Oberbegriff «künstliche Ernährung» oder «klinische Ernährung» werden zwei Ernährungsformen zusammengefasst.
6.2
Die enterale und parenterale Ernährung Bei der parenteralen Ernährung werden die Nährstoffe unter Umgehung des Verdauungstraktes mittels eines venösen Katheters direkt über die Blutbahn zugeführt. Die hierzu verwendeten hochkonzentrierten Lösungen mit den Bestandteilen
Wasser Elektrolyten Kohlenhydraten (meist in Form von Glucose) Aminosäuren Fett Vitaminen
werden als Arzneimittel qualifiziert und sind in diesem Beitrag nicht berücksichtigt. Unter enteraler Ernährung (griechisch: enteron – der Darm) versteht man die Zufuhr flüssiger Nährsubstrate als Trink- oder Sondernahrung durch Mund, Nase oder mithilfe einer Sonde unter Einbeziehung des Magen-Darm-Traktes. Die enterale Ernährung ist gegenüber einer gleichartigen parenteralen Ernährung deutlich risikoärmer und kostengünstiger. Aus diesen Gründen sollte die Nährstoffversorgung nur dann parenteral erfolgen, wenn der Zustand des Patienten und die Stoffwechsellage eine enterale Ernährung nicht zulassen. Die Anfang der 1980er-Jahre eingeführte perkutane endoskopische Gastroskopie (PEG) und die perkutane endoskopische Jejunostomie (PEJ) ermöglichen es, Patienten langfristig künstlich zu ernähren. Durch diesen medizintechnologischen Fortschritt entstand ein großer Markt auf dem Gebiet der Trink- und Sondennahrung, der von erheblicher medizinischer, aber auch wirtschaftlicher Bedeutung ist.
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Nach Hintergrundinformationen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) werden in Deutschland pro Jahr alleine zirka 140 000 PEGSonden gelegt (Strätling et al., 2005; Großkopf/ Schanz, 2006: 70 ff.). Die Ursachen für die Krankenbehandlung mit Sondennahrung sind vielfältiger Natur. Hauptindikationen für eine künstliche Ernährung sind: Schluckstörungen, bedingt durch einen Schlaganfall oder neurodegenerative Erkrankungen (z. B. Multiple Sklerose, Morbus Parkinson) onkologische Erkrankungen (z. B. stenoisierendes HNO-Speiseröhrenkarzinom oder Tumor des oberen Magen-Darm-Trakts) neuropsychiatrische Erkrankungen (z. B. Demenz oder Depressionen) Stoffwechselerkrankungen (z. B. KuhmilchEiweiß-Allergie) drohende und manifeste Mangelernährung (z. B. bei Tumorkachexie oder Radio- und Chemotherapie). Ohne Zweifel sind die Angehörigen dieser Patientengruppen lebensnotwendig auf die Zufuhr von künstlichen Nahrungsmitteln angewiesen. Derartige Bedarfslagen verpflichten den Gesetzgeber zum sozialen Schutz: Das Leben, die Menschenwürde und die Mindestvoraussetzungen der Grundrechte dürfen nicht angetastet werden. 6.2.1
Die Bedeutung des Sozialrechts in der enteralen Versorgung Ausprägung erfährt dieser sozialstaatliche Auftrag durch das Sozialrecht. Wenngleich im gesetzlichen Krankenversicherungsrecht die grundsätzliche Wertung getroffen worden ist, dass Nicht-Arzneimittel (z. B. Lebensmittel) nicht zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden dürfen (§ 27 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V), sieht § 31 Abs. 1 Satz 1 u. 2 SGB V für bestimmte Produkte, die als Lebensmittel zu charakterisieren sind, ungeachtet ihrer Eigenschaften den Einbezug in die Arzneimittelversorgung vor. Diesen Sondersta-
tus genießen Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate, Elementardiäten und Sondennahrung. 6.2.2
Aminosäuremischungen Aminosäuremischungen sind diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten im Sinne der Diätverordnung). Sie bestehen überwiegend aus qualitativ und quantitativ definierten Gemischen von Aminosäuren und sind nicht für die Verwendung als einzige Nahrungsquelle geeignet. Entsprechend der Zweckbestimmung können gesetzlich vorgeschriebene Mineralstoffe, Vitamine, Spurenelemente sowie zugelassene Zusatz- und Aromastoffe und Kohlenhydrate als Füll- oder Geschmacksstoffe enthalten sein. Soweit dies medizinisch notwendig ist, können Aminosäuremischungen auch Fette und Kohlenhydrate enthalten. 6.2.3
Eiweißhydrolysate Eiweißhydrolysate sind diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten im Sinne der Diätverordnung), bestehend aus abgebauten Proteinen (niedermolekularen Proteinkomponenten in Form von freien Aminosäuren, Oligopeptiden [zwei bis zehn Aminosäuren] und Peptiden). Sie sind nicht für die Verwendung als einzige Nahrungsquelle geeignet. Enthalten sein können entsprechend ihrer Zweckbestimmung gesetzlich vorgeschriebene Mineralstoffe, Vitamine, Spurenelemente sowie zugelassene Zusatz- und Aromastoffe und Kohlenhydrate als Füll- oder Geschmacksstoffe. 6.2.4
Elementardiäten und Sondennahrung Elementardiäten sind diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten im Sinne der Diätverordnung), die – unabhängig von der Molekulargröße – oral zuzuführende Gemische aus Proteinen (auch hochhydrolysierte Proteine), Aminosäuren, Kohlen-
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hydraten, Fetten, Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen enthalten, und die als einzige Nahrungsquelle geeignet sind (so genannte Trinknahrung). Sondennahrungen sind diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten im Sinne der Diätverordnung), die bei einer individuell gewählten Zusammensetzung und Dosierung als einzige Nahrungsquelle zur Ernährung über die Sonde bestimmt sind (zur Begriffsdefinition der «Sondennahrung» vgl. Schütze, 2007: 19 ff.).
6.3
Der Versorgungsanspruch Paragraf 31 SGB V gewährt dem gesetzlich versicherten Patienten allerdings noch keinen individuellen Versorgungsanspruch auf diese Nahrungsmittel gegenüber seiner Krankenkasse, sondern bietet ihm als so genanntes Rahmenrecht zunächst nur die generelle Möglichkeit zu Lasten der Kasse im Bedarfsfall Leistungen zu erhalten – also gegebenenfalls auch ambulant künstlich ernährt zu werden. Dieses Rahmenrecht muss dann noch individuell durch eine Einzelfallentscheidung des jeweils behandelnden Vertragsarztes ausgefüllt werden. Erst nach der vertragsärztlichen Verordnung kann es sich zu einem Leistungsanspruch gegenüber den Krankenkassen verdichten (vgl. BSG vom 16. Dezember 1993 [Az.: 4 RK 5/92]) 2, Schütze, 2007: 11). Zwischen dem sozialrechtlichen Leistungsanspruch über die zu erbringende therapeutische Leistung steht also das gesetzlich strukturierte und vor allem von den Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen ausgefüllte Leistungserbringungsrecht. Dort wird konkretisiert, welche Therapien und Therapiebestandteile als wirksam und notwendig gelten können. Mit anderen Worten: Eine Leistung, die vom Leistungserbringer nicht erbracht werden darf, kann von dem Versicherten nicht in Anspruch genommen werden. Insoweit folgt also das Recht des einzelnen Patienten an der Teilhabe der kassenärztlichen Versorgung der Berechtigung der
Leistungserbringer in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Erbringung der jeweiligen Leistung. Nach der Gesetzessystematik des SGB V wird diese Konkretisierung der Leistungen in der öffentlichen Gesundheitsversorgung – unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes von § 12 SGB V – von dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) wahrgenommen. Der G-BA kann kraft seiner Richtlinienkompetenz festlegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen welche Produktgruppen in die Versorgung einbezogen werden können (§ 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V). Umgekehrt bedeutet dies, dass der G-BA die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen kann, wenn nach dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind. Der G-BA ist diesem Auftrag im Bereich der enteralen Nahrung nachgekommen und hat einen Richtlinien-Entwurf zur enteralen Ernährung erarbeitet. Nach der Beschlussfassung vom 15. Februar 2005 hat der G-BA die Richtlinie gemäß § 94 SGB V dem Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung (BMGS 3) vorgelegt. Im Rahmen der ministeriellen Prüfungspflicht wurde die Richtlinie beanstandet und der G-BA zur Änderung aufgefordert. Nach der Veröffentlichung des Richtlinien-Entwurfes des G-BA schlossen sich auch zahlreiche Verbände (u. a. Diätverband, Deutsche Seniorenliga, Elterninitiative mit neurologisch kranken und behinderten Kindern) der Kritik des BMGS an. Im Wesentlichen wurde der Vorwurf erhoben, dass die Richtlinien der Normklarheit entbehren und damit beim Arzt, den Versicherten und den Krankenkassen den irrtümlichen Eindruck erwecken, die medizinisch notwendige enterale
2 Urteile sind am Bundessozialgericht (BSG) oder beim Autor einsehbar. 3 Nach der vorgezogenen Bundestagswahl und der anschließenden Neuordnung der Bundesministerien im Jahre 2005 nur noch Bundesministerium für Gesundheit (BMG)
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Ernährung sei nicht mehr verordnungsfähig. Zudem bestand die Befürchtung, dass erst eine lebensbedrohliche Mangelernährung eine Verordnung rechtfertige. Nachdem der G-BA der geforderten Abänderung nicht nachgekommen ist, hat das BMGS mittels Ersatzvornahme am 25. August 2005 die Arzneimittelrichtlinie zur enteralen Ernährung im Bundesanzeiger (BAnz) bekanntgegeben (BAnz vom 1. September 2005: 13241–13242). Beim G-BA stieß die Beanstandung des Beschlusses zur enteralen Ernährung auf Unverständnis. Daher hat der G-BA beim Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben. Das SG Köln hat am 21. März 2007 (Az.: S 19 KA 27/05) entschieden, dass die Beanstandung des BMGS vom 27. April 2005, durch die das Inkrafttreten der vom G-BA beschlossenen neuen Fassung der Arzneimittelrichtlinie verhindert wurde, rechtswidrig gewesen sei. Weiter wurde ausgeführt, dass dem Gesundheitsministerium hinsichtlich seiner Beanstandungspflicht gemäß § 94 Abs. 1 S. 2 SGB V über den G-BA nur eine (maßvolle) Rechtsaufsicht zusteht. Dieses Urteil ist indessen bisher nicht rechtskräftig geworden, weil vom BMG Berufung eingelegt worden ist. Das Verfahren ist derzeit vor dem zuständigen Landessozialgericht (LSG) Essen unter dem Aktenzeichen L 10 KA 40/07 anhängig.
6.4
Regelungsgehalt der «enteralen» Arzneimittelrichtlinie Seit dem 1. Oktober 2005 ist – vorbehaltlich des oben genannten Rechtstreits um die Kompetenzverteilung zwischen dem G-BA und dem BMG – auf der Basis der Ersatzvornahme des Gesundheitsministerium durch die enterale Arzneimittelrichtlinie geregelt, welche Produkte unter welchen Voraussetzungen verordnet werden können. Verordnungsfähig sind hiernach unter anderen: Standardsonden- und Standardtrinknahrung Produkte für Niereninsuffiziente Produkte mit MCT-Fetten
erstmals Elementardiäten mit hochdydrolisierten Eiweißen Produkte für Patienten mit angeborenen Defekten im Kohlenhydrat- oder Fettstoffwechsel sowie ketogene Diäten für Patienten mit Epilepsien, soweit eine Modifizierung der normalen Ernährung oder sonstige ärztliche, pflegerische oder ernährungstherapeutische Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation nicht ausreichen. Im Kern ist diese (notwendige) Klarheit über die Verordnungsfähigkeit von Trink- und Sondennahrung zu begrüßen. Tatsächlich unterliegt die gesamte enterale Versorgungssituation der betroffenen Patienten jedoch zahlreichen weiteren Regelungen (s. Tab. 6-1). 6.4.1
Die gesamte Versorgungssituation Die enteralen Versorgungsleistungen werden auf der Grundlage des Arztvorbehalts (§ 15 Abs. 1 SGB V) und der ärztlichen Verordnung erbracht (vgl. § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V). Insoweit nimmt der Arzt im enteralen Behandlungsszenario der gesetzlich krankenversicherten Patienten eine Schlüsselfunktion wahr, die ihm auch obliegt, wenn die Leistungen nicht von ihm persönlich erbracht werden. Andere, nichtärztliche Personen dürfen mithin ärztliche Hilfsleistungen nur erbringen, wenn diese vom Arzt angeordnet und verantwortet werden. Neben den geänderten Arzneimittelrichtlinien sind insbesondere das Hilfsmittelverzeichnis, der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) und die Richtlinien für häusliche Krankenpflege (vgl. Tab. 6-3, S. 67) erstattungsrelevant. 6.4.2
Hilfsmittel Die Versorgung von erkrankten und pflegebedürftigen Menschen mit den notwendigen Hilfsmitteln ist eine zentrale Leistung der gesetzlichen Krankenversicherer und gewährleistet die
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Tabelle 6-1: Rechtsanspruch im SGB V. Verbandmittel
Arzneimittel
Diätetika
Hilfsmittel
Rechtsanspruch
§ 31 Abs. 1 S. 1 SGB V
§ 31 Abs. 1 S. 1 SGB V
§ 31 Abs. 1 S. 2 SGB V
§ 33 Abs. 1 SGB V
Definition
Verbandmittel sind Gegenstände, die Blutungen stillen, Sekrete aufsaugen, Wunden reinigen, Granulation fördern, Wunden vor äußeren Einflüssen schützen, heilungsförderndes Mikroklima schaffen oder bewahren, Körperteile stützen, verbinden, umhüllen, fixieren und/oder komprimieren.
Arzneimittel sind diejenigen Mittel, die im wesentlichen auf den inneren Organismus des Körpers (im Sinne der Heilung und Besserung eines Krankheitszustandes) einwirken, indem sie in geeigneter Weise – durch Einnehmen, Einlauf, Einspritzen und dergleichen – zugeführt werden.
Diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke sind Erzeugnisse, die auf besondere Weise verarbeitet oder formuliert und für die diätetische Behandlung von Patienten bestimmt sind.
Hilfsmittel sind alle ärztlich verordneten Gegenstände, die den Erfolg der Heilbehandlung sichern oder eine Behinderung ausgleichen.
Beispiel
Wund- und Heftpflaster Kompressen Mullbinden Tamponaden
Fertigarzneimittel individuelle Rezepturen
Aminosäuremischungen Eiweißhydrolysate Elementardiäten Sondennahrung
Versorgungsqualität. Die Verträglichkeit und Akzeptanz der enteralen Sondenernährung wird daher nicht nur durch die indikationsgerechte Auswahl der Sondennahrung bestimmt; von entscheidender Bedeutung ist auch die Art der Applikation. Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Applikationstechniken, bei denen unterschiedliche Materialien zu Einsatz kommen: 1. die Schwerkraftapplikation und 2. die Pumpenapplikation. Bei der Applikation durch Schwerkraft sollte sich der Patient in einem stoffwechselstabilen Zustand befinden und eine ungestörte Magenentleerung haben (Wiegand-Pradel, 2005: IX.1). Wenngleich der Materialaufwand bei dieser Applikationsform relativ gering ist, können in der Praxis Probleme auftreten, weil die Tropfgeschwindigkeit der Nahrung nicht exakt eingestellt werden kann. Für den Patienten können dadurch gastrointestinale Komplikationen und metabolische Störungen wie Blutzuckerschwankungen entstehen.
transnasale Sonden perkutane Sonden Überleitsysteme Infusions-/ Ernährungsbeutel
Die Pumpenapplikation von enteralen Nahrungsmitteln ist demgegenüber mit einem größeren Materialaufwand verbunden. Mit einer Ernährungspumpe lässt sich jedoch im direkten Vergleich zur Schwerkraftapplikation eine konstantere und patientengerechtere Dosierung der Nährstoff- und Flüssigkeitsversorgung erzielen. Dem Patienten wird hierbei über Nase, Magen oder Darm eine Sonde eingeführt, die mit einem Schlauchsystem (Überleitungsgerät) verbunden ist, über das die spezielle Nahrung (Sondennahrung) verabreicht wird. Die Ernährungspumpe regelt die Fließgeschwindigkeit der Nahrung durch Kompression des Schlauchsystems. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V umfasst die Krankenbehandlung der gesetzlich versicherten Patienten auch die Versorgung mit den erforderlichen Hilfsmitteln. Hilfsmittel sind ärztlich verordnete sächliche Mittel, die individuell gefertigt oder als serienmäßig hergestellte Ware oder als Basisprodukt mit handwerklicher Zurichtung, Ergänzung oder Abänderung von den Leistungserbringern (z. B. Sanitätshäuser, Homecare-Unternehmen) abgegeben werden.
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Grundsätzlich werden zu den Hilfsmitteln im Sinne des Paragrafen 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V Seh- und Hörhilfen Körperersatzstücke orthopädische und andere Hilfsmittel gezählt, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts besteht kein Zweifel, dass eine Ernährungspumpe und die dazugehörigen Überleitungsgeräte «andere Hilfsmittel» im vorgenannten Sinne sind vgl. BSG vom 6. Juni 2002 (Az.: B 3 KR 67/01). Sie gleichen die durch Krankheit oder Behinderung fehlende natürliche Fähigkeit zur selbstständigen Nahrungsaufnahme, zum Schlucken und zur Verarbeitung fester Speisen aus. Die Ernährungspumpe nebst Überleitungsgeräten ist auch kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, weil sie von Gesunden nicht benutzt wird. (Aber z. B. Aufbewahrungs- und Kühlbehältnisse für Nahrungsmittel oder Medikamente werden zu den Mitteln gezählt, die allgemein Verwendung finden und üblicherweise in einem Haushalt vorhanden sind.) Auch sind Ernährungspumpe und Überleitungsgeräte nicht nach § 34 SGB V aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, so dass an der Bereitstellung bzw. der Erstattungsfähigkeit dieser Gegenstände grundsätzlich keine Bedenken begegnen. 6.4.3
Das Hilfsmittelverzeichnis Seitens der Krankenkassen wird für die Anspruchsprüfung das so genannte Hilfsmittelverzeichnis herangezogen, das von dem verordnenden Vertragsarzt zu beachten ist. Das Hilfsmittelverzeichnis hat insbesondere die Aufgabe, den Kreis der verordnungsfähigen Hilfsmittel von den nicht verordnungsfähigen Gegenständen abzugrenzen. In diesem Sinne dient es nach der überwiegenden Auffassung (Quaas/Zuck, 2005,
§ 69, Randnotiz 11 mit weiteren Nennungen) den Krankenkassen als Auslegungshilfe für die Leistungsgewährung. In der Verordnungspraxis kommt dem Hilfsmittelverzeichnis eine große Bedeutung zu, denn gemäß Nr. 8.1 der Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung («Hilfsmittel-Richtlinien» siehe: www. g-ba.de > Informations-Archiv > Richtlinien) sollen die Krankenkassen sicherstellen, dass bei der Abgabe von Hilfsmitteln das Hilfsmittelverzeichnis beachtet wird. Insgesamt umfasst das gemäß § 128 SGB V von den Spitzenverbänden der Krankenkassen regelmäßig fortzuschreibende Hilfsmittelverzeichnis 33 Produktgruppen (s. Tab. 6-2). Maßgeblich für die Erstattung von Hilfsmitteln für enterale Versorgungsmaßnahmen ist die Produktgruppe 03 «Applikationshilfen» des Hilfsmittelverzeichnisses. Applikationshilfen sind Instrumente oder Geräte, die die Verabreichung von medizinisch indizierten Ernährungslösungen ermöglichen oder unterstützen. Hierbei handelt es sich um: Spritzen, Anwendungshilfen für Spritzen, Pens Infusionspumpen und Zubehör Infusionsbestecke und Zubehör für Schwerkraft- bzw. Pumpsysteme. Darüber hinaus werden in der Produktgruppe 03 auch Spülsysteme aufgeführt. Wenn ein Produkt nicht im Hilfsmittelverzeichnis benannt ist, muss dies jedoch nicht unbedingt dem Leistungsanspruch des Versicherten entgegenstehen. Das Bundessozialgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass dem Hilfsmittelverzeichnis nur eine allgemeine Orientierungsfunktion zugerechnet werden kann (BSG vom 23. August 1995 [Az.: 3 RK 7/95]). In einer sozialgerichtlichen Streitigkeit kommt dem Verzeichnis daher keine Bindungswirkung im Sinne einer Positivliste zu; es dient den Sozialrichtern lediglich als unverbindliche Auslegungshilfe. Folglich kann trotz einer ablehnenden Entscheidung durch die Krankenkasse im Wege einer sozialgerichtlichen Entscheidung dennoch die Leistung eines nicht im Hilfsmittelverzeichnis
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Tabelle 6-2: Produktgruppen im Hilfsmittelverzeichnis. Produktgruppen 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16
Absauggeräte Adaptionshilfen Applikationshilfen Badehilfen Bandagen Bestrahlungsgeräte Blindenhilfsmittel Einlagen Elektrostimulationstherapiegeräte Gehhilfen Hilfsmittel gegen Dekubitus Hilfsmittel für Tracheostoma Hörhilfen Inhalations- und Atemtherapiegeräte Inkontinenzhilfen Kommunikationshilfen
gelisteten Mittels erwirkt werden. Allerdings wird die Verordnung von Ernährungspumpen in der Verordnungspraxis der Krankenkassen oftmals auf Konstellationen beschränkt, in denen andere Applikationsformen (z. B. die Schwerkraftinfusion) nicht ausreichend sind. 6.4.4
Ärztliche Vergütung – GOÄ und EBM Der Behandlungsvertrag zwischen dem Patienten und dem Arzt ist ein Dienstvertrag, in dem sich der Arzt zur Erbringung der ärztlichen Leistung nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft mit der gebotenen Sorgfalt verpflichtet. Rechtsgrundlage für den ärztlichen Vergütungsanspruch ist § 611 Abs. 1 BGB. Danach ist der Patient zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Soweit eine ärztliche Leistung nicht im Rahmen der vertragsärztlichen Leistung erfolgt, bestimmt sich die Vergütung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Die Gebührenordnung wird Bestandteil des Behandlungsvertrages zwischen Arzt und Selbstzahler (Privatpatient). In den Leistungslegenden der GOÄ finden sich unterschiedliche Gebührenpositionen, nach denen die Maßnahmen in der enteralen Versorgungssituation für privatversicherte Patienten berechnet werden können.
17 18 19 20 21 22 24 25 26 27 28 29 31 32 33
Hilfsmittel zur Kompressionstherapie Kranken-/Behindertenfahrzeuge Krankenpflegeartikel Lagerungshilfen Messgeräte für Körperzustände/-funktionen Mobilitätshilfen Prothesen Sehhilfen Sitzhilfen Sprechhilfen Stehhilfen Stomaartikel Schuhe therapeutische Bewegungsgeräte Toilettenhilfen
Die GOÄ gilt allerdings nicht für die Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen, die die ärztliche Leistung als Sachleistung im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung in Anspruch nehmen (Uleer et al.: 1 ff.). Wenngleich auch hier die privatrechtliche Beziehung zwischen Arzt und Patient die Grundlage für den Behandlungsvertrag bildet, erfährt der privatrechtliche Arztvertrag mit einem Kassenpatienten eine sozialrechtliche Modifikation, indem in der Regel der Vergütungsanspruch des Vertragsarztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung (KV) an die Stelle des Honoraranspruchs gegen den Patienten tritt. Mit anderen Worten: Die Krankenkasse des Versicherten und die Interessenvertretung der Kassenärzte schieben sich in das Behandlungsverhältnis hinein. Die einzelne Krankenkasse entrichtet mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung an die KV, aus der diese die Leistungen der vertragsärztlichen Versorgung im Wege der Honorarverteilung zu vergüten hat (vgl. § 75 Abs. 1 SGB V). Gemäß § 87 Abs. 2 SGB V bestimmt der so genannte Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander. Der EBM dient also dem Vertragsarzt und allen übrigen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringern – auch in der enteralen Versor-
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gung – als bundeseinheitliche Abrechnungsgrundlage. Die allgemeine ernährungsmedizinische ärztliche Beratung gehört zu den Beratungs- und Betreuungsleistungen des EBM. Diese werden pauschal honoriert. Je nach kassenärztlichem Vereinigungsgebiet und zuständiger Krankenkasse können zudem außerhalb des EBM einzelne Verträge über die Erbringung ernährungstherapeutischer Leistungen bestehen. Die Kosten für die enterale Ernährung werden auf die Richtgröße der Vertragsarztpraxis angerechnet.
6.5
Richtlinien für die häusliche Krankenpflege Versicherte können in ihrem Haushalt oder ihrer Familie neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte erhalten, wenn eine Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist oder durch häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt werden kann (§ 37 Abs. 1 SGB V). Die häusliche Krankenpflege umfasst: Maßnahmen der ärztlichen Behandlung, die dazu dienen, Krankheiten zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern und die üblicherweise an Pflegefachkräfte/Pflegekräfte delegiert werden können (Behandlungspflege) Grundverrichtungen des täglichen Lebens (Grundpflege) und Maßnahmen, die zur Aufrechterhaltung der grundlegenden Anforderungen einer eigenständigen Haushaltsführung allgemein notwendig sind (hauswirtschaftliche Versorgung). Sie wird in der Regel je Krankheitsfall bis zu vier Wochen gewährt; die Verlängerung der Leistungsdauer kann in begründeten Ausnahmefällen erfolgen, wenn der medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) dies für erforderlich hält. Die Krankenkasse muss die häusliche Krankenpflege als Sachleistung in Natur gewähren, indem sie eine Pflegekraft stellt. Konkreti-
siert wird die Sachleistung «häusliche Krankenpflege» durch die Richtlinien über die Verordnung von «häuslicher Krankenpflege» nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V. Die Richtlinien häusliche Krankenpflege nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V (vgl. Schanz, 2005: 98) regeln die Voraussetzungen für die Verordnung von häuslicher Krankenpflege, deren Dauer und deren Genehmigung durch die Krankenkassen sowie die Zusammenarbeit der Vertragsärzte mit den ambulanten Pflegediensten und Krankenhäusern. Zu den grundpflegerischen Leistungen im Rahmen der Ernährung kommen Hilfen bei der Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr, sowie die Verabreichung von Sondennahrung über Sonden in Betracht (s. Nr. 3 in Tab. 6-3). Zu den behandlungspflegerischen Leistungen (s. Tab. 6-3) werden demgegenüber das Legen und Wechseln der Verweilsonden sowie deren Überprüfung und Wartung gezählt (s. Nr. 25 u. 27 in Tab. 6-3). Zur Sicherstellung der Leistungserbringung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege muss der Vertragsarzt eng mit dem Pflegedienst und der Krankenkasse des Versicherten zusammenarbeiten. Über Veränderungen in der häuslichen Pflegesituation aufgrund der häuslichen Krankenpflege berichtet der Pflegedienst dem behandelnden Vertragsarzt. Dieser entscheidet sodann über die zu ergreifenden Maßnahmen.
6.6
Arbeitsteiliges Zusammenwirken und Dokumentation In die häusliche Behandlungssituation eines enteral ernährten Patienten sind viele Akteure eingebunden: der niedergelassene Arzt, die Angehörigen, der Pflegedienst, Hersteller von Nahrungsund Hilfsmitteln, Apotheken oder Sanitätshäuser und die Krankenkassen, die die Leistungen genehmigen und finanzieren. Die sorgfältige Durchführung aller Maßnahmen zur enteralen Ernährung erfordert daher klare Organisationsstrukturen. Regelmäßig wird die Versorgung des Patienten in einer arbeitsteiligen Struktur zwischen ärztlichem und nichtärztlichem Personal
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Tabelle 6-3: Richtlinien für häusliche Krankenpflege (Auszug). Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung Leistungsbeschreibung* Nr. 3 Ernährung beinhaltet: – Hilfe bei der Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr – Verabreichen von Sondennahrung über Magensonde, Katheter-Jejunostomie (z. B. Witzel-Fistel), perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) mittels Spritze, Schwerkraft oder Pumpe, Überprüfung der Lage der Sonde, Spülen der Sonde nach Applikation, ggf. Reinigung des verwendeten Mehrfachsystems, ggf. einschließlich pflegerischer Prophylaxen (pflegerische Maßnahmen zur Vorbeugung von Kontraktur, Obstipation, Parotitis, Pneumonie, Soor, Thrombose, Hornhautaustrocknung, Intertrigo), Dekubitusprophylaxe wenn Hautdefekt noch nicht besteht (z. B. wirksame Druckentlastung, Hautpflege, ausreichende Flüssigkeitszufuhr), Lagern (Flachlagerung, Oberkörperhochlagerung, Bauchlagerung, Beintieflagerung, Beinhochlagerung oder Seitenlagerung (30, 90, 135 Grad), ggf. unter Verwendung von Lagerungshilfsmitteln), Hilfe zur Verbesserung der Mobilität, (im Rahmen der aktivierenden Pflege z. B.: Aufstehen aus liegender oder sitzender Position in Form von Aufrichten bis zum Stand, Gehen und Stehen, Treppensteigen, Transfer/Umsetzen, Hinsetzen und Hinlegen, Betten eines immobilen Patienten, Lagern, allgemeine Bewegungsübungen) Leistungen der Behandlungspflege* Nr. 25 Legen und Wechseln einer Magensonde Legen und Wechseln einer Verweilsonde durch die Nase/den Mund zur Ableitung des Magensaftes oder zur Sicherstellung der enteralen Ernährung, wenn die normale Nahrungsaufnahme nicht mehr möglich ist Leistungen der Behandlungspflege* Nr. 27 Versorgung bei perkutaner endoskopischer Gastrostomie (PEG) Wechsel der Schutzauflage, Kontrolle der Fixierung und Durchgängigkeit, einschließlich Reinigung der Sonde, Desinfektion der Wunde, ggf. Wundversorgung, und Anwendung ärztlich verordneter Medikamente
Bemerkung
s. Versorgung bei PEG (Nr. 27) s. Medikamentengabe (Nr. 26)
Ist aus medizinischer Sicht eine besondere Lagerungsform erforderlich, ist dies auf der Verordnung einer anderen Leistung anzugeben.
Bemerkung
s. Ernährung (Nr. 3) s. Ausscheidungen (Nr. 2)
Bemerkung
s. Ernährung (Nr. 3)
* Pflegerische Prophylaxen, Lagern und Hilfen bei der Mobilität sind Bestandteil der verordneten Leistungen in dem Umfang, wie sie zur Wirksamkeit der verordneten Leistungen notwendig sind, auch wenn die Häufigkeit, in der sie nach Maßgabe der individuellen Pflegesituation erbracht werden müssen, von der Frequenz der verordneten Pflegeleistungen abweicht. Die allgemeine Krankenbeobachtung ist Bestandteil jeder einzelnen Leistung der häuslichen Krankenpflege und daher nicht gesondert verordnungsfähig. Quelle: Schanz (2005)
erbracht. Die Qualität und Güte der enteralen Versorgungsmaßnahmen hängt entscheidend von der Koordination und Kommunikation der beteiligten Disziplinen ab.
Dem Arzt obliegt die verantwortliche Leitung und Betreuung des «enteralen Ernährungsteams», d. h. er hat dem Risiko von Kommunikationsund Koordinationsmängeln vorzubeugen und
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die erforderlichen Kontrollmechanismen einzurichten und zu gebrauchen. Die Zubereitung der Ernährungslösungen, deren Verabreichung an den Patienten, die Erfassung des Ernährungszustandes und der Verbandwechsel bei der PEG wird demgegenüber meist von Pflegekräften durchgeführt. Die Auswahl der Sondenkost, die Ernährungsberatung des Patienten und die Auswertung des Ernährungsprotokolls erfolgen idealerweise durch einen Ökotrophologen oder Diätassistenten. Werden die ernährungsmedizinischen Maßnahmen im häuslichen Bereich erbracht, ist eine besonders intensive Planung und rechtzeitige Vorbereitung aller Aspekte der künstlichen Ernährung erforderlich. Verlangt ist die reibungslose Aufgabenkoordination zwischen Krankenhaus, Hausarzt, ambulantem Pflegedienst und Kostenträgern. Über die medizinischen Anforderungen hinaus müssen die Ernährungsteams die logistischen Voraussetzungen zur adäquaten und sachgerechten Versorgung des Patienten sicherstellen. Daneben kommt der Krankenbeobachtung bei dieser Versorgungsoption eine besondere Bedeutung zu: Lässt beispielsweise der Gewichtsverlauf oder die Inspektion der Sondeneinstichstelle Rückschlüsse auf eine mangelnde Compliance des Patienten zu, ist die unverzügliche Mitteilung dieses Defizits an den Hausarzt erforderlich. Dieser hat sodann den geordneten Behandlungsablauf im Sinne des Schutzes vor Mangelernährung wiederherzustellen. Die reibungslose interdisziplinäre Zusammenarbeit auf dem Gebiet der enteralen Ernährungsmedizin setzt eine lückenlose Ernährungsdokumentation und Verlaufskontrolle voraus. In einem Erhebungsbogen wird die verordnete Sondenkosttherapie zunächst schriftlich fixiert. Festgehalten werden sollten folgende Parameter: der individuelle Energie- und Flüssigkeitsbedarf die Art und Gesamtmenge der täglich zu verabreichenden Sondenkost der Flüssigkeitsgehalt der täglich zu verabreichenden Sondenkost die Verabreichungsform und -technik der ausgewählten Sondenkost
zusätzlich verabreichte Flüssigkeitsmengen (oral oder auch via Sonde) zusätzlich verabreichte Trink- und Aufbaunahrung und/oder verzehrte Lebensmittel die Gesamtflüssigkeitszufuhr. Die sich anschließende Verlaufskontrolle sollte Angaben
zur Verträglichkeit der enteralen Ernährung beobachtete Unverträglichkeiten Gewichtsverluste besondere Behandlungsmaßnahmen in Problemsituationen
erfassen. Das täglich auszufüllende Ess- und Trinkprotokoll und die Gewichtsverlaufskurve sind schließlich entscheidende Instrumente für den Erfolg der ernährungstherapeutischen Maßnahme.
6.7
Fazit Die erfolgreiche Durchführung der enteralen Ernährung erfordert ein behutsames Vorgehen, eine regelmäßige Betreuung und Überwachung durch entsprechend geschultes ärztliches und pflegerisches Personal, durch Ökotrophologen und Diätassistenten. Wenngleich das Sozialrecht dieses Zusammenwirken nicht unmittelbar steuert, setzt es dennoch wirkungsvolle Rahmenbedingungen. Die Verabreichung von Trinkund Sondenkost stellt einen wichtigen medizinischen Fortschritt dar, der für viele Patienten von existenzieller Bedeutung ist. Insoweit darf die ökonomisch motivierte Versorgungsfrage nicht die Mindestvoraussetzungen der Grundrechte antasten: das Existenzrecht.
6.8
Literatur Eibach, U.: Künstliche Ernährung um jeden Preis? Medizinische Rundschau 20 (2002): 123–127. Großkopf, V.; Schanz, M.: Enterale Ernährung im Überblick. Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen 3 (2006): 70–75.
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Heseker, H.; Odenbach, V.: Ernährung von Senioren und Pflegebedürftigen. Behr’s, Hamburg 2006. [Loseblattsammlung]. Quaas, M.; Zuck, R.: Medizinrecht. Beck, München 2005. Schanz, M.: Zusammenfassung der Richtlinien über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege. Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen, 4 (2005): 98. Schnapp, F.; Wigge, P.: Handbuch des Vertragsarztrechts. Beck, München 2006. Schütze, R.: Die ambulante Versorgung mit künstlicher Nahrung. GS Verlag, Köln 2007.
Strätling, M.; Schmucker, P.; Bartmann, F.-J.: Künstliche Ernährung: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Deutsches Ärzteblatt, 102 (2005) 31/32: A 2153– 2154. Uleer, Ch.; Miebach, J.; Patt, J.: Abrechnung von Arztund Krankenhausleistungen. Beck, München 2006. Weimann. A; Bischoff, S.: Künstliche Ernährung. Urban und Fischer, München 2001. Wiegand-Pradel, B.: Sondenkost. In: Heseker, H.; Odenbach V.: Ernährung von Senioren und Pflegebedürftigen. Behr’s Verlag, Hamburg 2005.
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Case Management in der spezialisierten ambulanten Versorgung Schwerstkranker und Sterbender
Uwe Enenkel
7.1
Was ist Case Management? Unter Case Management ist eine Arbeitsweise ursprünglich im Sozial- und Gesundheitsbereich zu verstehen, die es ermöglicht, strukturiert komplexe Prozesse (Fälle) zu handhaben und zu lenken. Die Sichtweise auf «den Fall» und nicht auf die einzelne Person des Betroffenen sorgt bei dieser Arbeitsweise für das Wahrnehmen weiterer beteiligter Personen, von Zusammenhängen und Verknüpfungen und erlaubt dem Case Manager so, eine freiere, sachliche und damit professionellere Sichtweise und Haltung einzunehmen. «Ein Fall (engl.: case) ist ein abgrenzbarer Sachverhalt.» (Wendt, 2001: 32). Nach Wendt sind eine einzelne Beratung, die medizinische Akutversorgung oder die soziale Nothilfe nicht Gegenstand von Case Management da hier klar ist, was zu tun ist, und man keine Strategie für das richtige Nacheinander und Miteinander braucht. 7.1.1
Die Entwicklung und Verbreitung von Case Management Mitte der 1970er-Jahre wurden in den USA im Rahmen einer Reorganisation stationäre Einrichtungen für psychisch kranke, geistig behin-
derte und pflegebedürftige Menschen geschlossen. Die Patienten und Klienten wurden entlassen und zum Teil relativ unversorgt sich selbst überlassen (Wendt, 2001). Dies führte zu einer Überforderung des ambulanten Sektors, in dem bis dahin die Versorgung aus unkoordinierten, nicht abgestimmten Leistungen verschiedenster Träger bestand. Daraufhin wurden staatlicherseits verschiedenste Modelle und Programme entwickelt, um den betroffenen Bürgern die vorhandenen Versorgungsangebote zugänglich zu machen und neue Angebote zu entwickeln. Gesetzlich wurde eine verbindliche Planung der Hilfe durch entsprechende Stellen verankert. Unter dem Eindruck der offensichtlichen Not vieler betroffener Menschen kamen Programme hinzu, die eine vernetzte Versorgung auf lokaler Ebene ermöglichen sollten. So sah ein Konzept beispielsweise vor, dass eine Fachkraft oder ein Team mit dem Klienten Kontakt hält, egal wie viele Dienste bei ihm tätig werden (Wendt, 2001). In Großbritannien wurde Anfang der 1980erJahre unter der Regierung von Margaret Thatcher die politische Forderung an Sozial- und Gesundheitsdienste gestellt, sich an unternehmerischen Grundsätzen der freien Wirtschaft zu orientieren und produktiver zu werden. Als Ausdruck hierfür entstand auf nationaler Ebene
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das gemeindegestützte Versorgungssystem von community care, das mit den Instrumenten des Case Managements arbeitete. Es folgten Diskussionen und Modellversuche. Im Jahre 1990 wurde vom britischen Parlament der «National Health Service and Community Care Act» beschlossen. Dieses Gesetz sieht u. a. amtliche Care Manager als Ansprechpartner für die Bürger vor. Diese Manager sind zuständig für die Bedarfsprüfung, Hilfeplanung und die Überwachung der durchgeführten Hilfe. In manchen Bereichen verfügen die Care Manager über ein eigenes Budget und «kaufen» die erforderlichen Leistungen für die Bürger eigenverantwortlich ein. In Großbritannien wurde von amtlicher Seite bewusst der Begriff «Care Manager» gewählt und vorgegeben. Als Begründung wurde u. a. genannt, dass man zum Ausdruck bringen wolle, dass der Prozess der Versorgung und nicht die einzelne Person (Fall) zu managen sei. In den USA entdeckte die professionelle Krankenpflege Mitte der 1980er-Jahre das neue Case Management. Unter dem Begriff «Nursing Case Management» begann die Umsetzung in Krankenhäusern. Hier übernahmen Pflegende die Rolle der Case Manager und waren dafür zuständig, die Pflege mit allen Beteiligten abzustimmen und Versorgungspläne zu erstellen. Insbesondere in der Betreuung und Pflege alter Menschen hat die Arbeitsweise auch in anderen als den angloamerikanischen Ländern Fuß gefasst. Als Beispiele nennt Wendt Holland, Schweden und Frankreich. In den Vereinigten Staaten arbeiten heute Case Manager als eigenständige Berufsgruppe anerkannt freiberuflich und bieten ihre Dienstleistungen sowohl Einrichtungen wie auch Privatpersonen an (Wendt, 2001). 7.1.2
Die Ziele von Case Management Im Case Management können zwei Ebenen unterschieden werden. Wendt schreibt dazu: «Es gibt also zum Case Management als methodischem Konzept auf der personalen Handlungsebene ein Case Management als Organisations-
oder Systemkonzept in administrativer Funktion. Beides gehört in der Mehrebenenstrategie des Case Management zusammen. Hier wie dort geht es um die wirksame Handhabung und Gestaltung von Prozessen.» (Wendt, 2001: III). Damit ist für beide Ebenen ein Oberziel genannt, nämlich gestalten und steuern von komplexen Prozessen. Bei der Betrachtung weiterer Ziele von Case Management beschränke ich mich hier auf die personale Handlungsebene. Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ziele von Case Management auf der personalen Handlungsebene sind: Klienten den Zugang zu erforderlichen Dienstleistungen u. U. auch aktiv ermöglichen Klienten und ihre Entscheidungen in die Prozessgestaltung als erkennbare Grundhaltung einbeziehen Situation des Klienten verbessern festgelegte Ziele erreichen bei komplexen Sachverhalten und Problemlagen ordnen und strukturieren auf der Grundlage von getroffenen Vereinbarungen, nach ethischen sowie gesellschaftlich anerkannten Grundsätzen strukturiert arbeiten Qualität sichern und Mittel ökonomisch einsetzen (vgl. Wendt, 2001). 7.1.3
Die unterschiedlichen Rollen im Case Management Ausgehend von der Fallebene und dem Case Management als Handlungskonzept können dem Case Manager im Laufe des Prozesses unterschiedliche Rollen zukommen, die er aktiv einnimmt. Wendt zählt hierzu: Der Case Manager als «implementer» nimmt eine «Sache in die Hand» und geleitet sachwaltend den Klienten aus seiner Krise oder Not heraus. der Case Manager als Lehrmeister oder Instrukteur, der etwas vormacht und Fähigkeiten entwickeln hilft der Case Manager als «guide», als beratender Begleiter bei der Erschließung von Ressourcen
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und der Nutzung diverser Dienste im Verlauf der Hilfe Der Case Manager als «processor» leistet eine Art technischer Assistenz; er hilft den Klienten, geeignete Hilfen auszuwählen und in der Problemlösung voranzukommen; der Case Manager bringt auf diese Weise sein Expertenwissen instrumentell zum Einsatz. der Case Manager als Spezialist für Informationen über das Sozialleistungssystem Der Case Manager als «supporter» hält den Klienten dazu an, sich selbst fähiger zur Situationsbewältigung und Problemlösung zu machen (Wendt, 2001: 42; vgl. auch Ewers/ Schaeffer, 2005: 79 ff.). Auf der System- bzw. Organisationsebene erfüllt der Case Manager weitere Funktionen, die dem Nutzer direkt und indirekt zu Gute kommen. Hierzu lassen sich zählen: Dienste oder andere Ressourcen vermitteln («brokering») Klienten an andere Dienste und Einrichtungen überweisen Dienstleistungen im Einzelfall über die Grenzen einer Organisation hinweg koordinieren anwaltschaftliches Handeln für Klienten beim Korrigieren mangelhafter oder unpassender Dienstleistungen («advocating») soziale Netze knüpfen, die verantwortlich Unterstützung für den Klienten übernehmen können technischen Beistand und Rat anbieten (Wendt, 2001). Je nach Fall und Prozessverlauf wird es erforderlich, dass der Case Manager die oben dargestellten Rollen und Funktionen einnimmt und die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten beherrscht. 7.1.4
Die Phasen im Case Management Wendt weist in seinen Ausführungen darauf hin, dass zu jeder der Phasen im Case Management Konzepte, Handlungsempfehlungen und methodische Varianten gehören und die einzel-
nen Phasen auch selbstständig und unabhängig von einander außerhalb von Case Management anwendbar sind. Case Management bindet sie ganz oder teilweise in die zielgerichtete Steuerung von Unterstützungs-, Behandlungs- und anderen Versorgungsprozessen ein. Demnach besteht die Vorgehensweise im Case Management aus einer Reihe von Schritten, Phasen oder Dimensionen. Als Phasen oder Funktionen können unterschieden werden (vgl. Ewers/Schaeffer, 2005: 73 ff.): «assessment» (Einschätzung, Abklärung, Bedarfserhebung) «planning» (Versorgungsplanung) «implementation» (Umsetzung) «monitoring» (Kontrolle, Überwachung der Leistungserbringung) «evaluation» (Bewertung, Auswertung des Versorgungsplanes). Als Phase vor dem eigentlichen Assessment kann noch das so genannte «intake», also die Identifikation einzelner Personen als Klienten, Patienten und ihre Aufnahme oder Nichtaufnahme in das entsprechende Hilfesystem gesehen und unterschieden werden. Als Anbieter von Dienstleistungen sollte man sich im Vorfeld darüber Klarheit verschaffen, wie weit das Einzugsgebiet der eigenen Einrichtung reicht, wie bekannt und erreichbar der Dienst für potenzielle Nutzer ist («outreach»).
7.2
Case Management in der spezialisierten ambulanten Versorgung Zu berücksichtigen ist, dass das Konzept des Case Managements in den Vereinigten Staaten von Amerika entstanden und entwickelt wurde. Da sowohl die Traditionen der bürgerlichen Selbsthilfe (Siedlertradition in den USA) wie auch die Strukturen der staatlich organisierten Versorgungssysteme zwischen Nordamerika und Deutschland sehr unterschiedlich sind, darf das methodische Konzept des Case Managements
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nicht unreflektiert und unangepasst übernommen werden, soll es seinem ursprünglichen Sinn der Patientenorientierung gerecht werden. Die Gefahren, die mit einer ungeprüften und unangepassten Übernahme auf unsere Versorgungssysteme verbunden sind, sieht auch Ewers; er schreibt (Ewers/Schaeffer, 2005: 47): «Eine unbedachte Übertragung des neuen oder modernen Case Management auf die bundesdeutsche Versorgungslandschaft birgt somit die Gefahr, dass angesichts des aktuellen Innovations- und Handlungsdrucks und unter ideologisiertem Kostendruck auch hierzulande hauptsächlich nach kurzfristigen Rationalisierungs- und Rationierungspotenzialen Ausschau gehalten wird und die patientenorientierten Implikationen für das Versorgungsgeschehen übersehen werden.» Das Konzept des patientenorientierten Case Managements kann durchaus auch zu Kostenreduzierungen führen. Allerdings sollten diese ökonomischen Effekte nur als ein Ergebnis der Umsetzung und nicht als primäre Zielvorgabe für die Einführung von Case Management verstanden werden. 7.2.1
Erschwerende Faktoren für das Sterben zu Hause Jährlich sterben in Deutschland rund 850 000 Menschen. Bei den Todesursachen erfasste das Statistische Bundesamt im Jahr 2001 Krankheiten des Kreislaufsystems (54 %), Krebserkrankungen (29 %), Atemwegserkrankungen (7 %),
Krankheiten des Verdauungssystems (5 %) und Unfälle und Suizide (5 %) mit (Deutsche Hospizstiftung, 2003). Die Annahme, dass die meisten Menschen zu Hause in ihrer gewohnten Umgebung sterben möchten, wird durch Befragung der Bevölkerung gestützt. Bis zu 77 % äußern dabei den Wunsch, zu Hause zu sterben. In der Realität sind es jedoch zwischen 25 und 30 % (vgl. Jaspers und Schindler, 2004: 19 ff.). Nachfolgend einige Bedingungen, die nach eigener langjähriger Erfahrung die Versorgung Schwerstkranker und Sterbender zu Hause erschweren oder im Verlauf sogar unmöglich werden lassen (vgl. Ewers, 2006: 18 ff.). Tabelle 7-1 zeigt die Bedingungen, die das Sterben zu Hause erschweren. Um den seitens der Politik immer wieder formulierten Grundsatz «ambulant vor stationär» zu stärken und, so ist zumindest mein Eindruck, um der neu aufgekommenen öffentlichen Diskussion über aktive Sterbehilfe in Deutschland zu begegnen, nahm die Bundesregierung Elemente zur Verbesserung der ambulanten Versorgung Schwerstkranker und Sterbender in das am 1. April 2007 in Kraft getretene «Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung» mit auf. So wurde zum ersten Mal ein Anspruch für gesetzlich Versicherte auf eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung begründet und wie folgt im Sozialgesetzbuch (SGB) V formuliert (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2007 Teil I Nr. 11, ausgegeben zu Bonn am 30. März 2007, S. 385):
§ 37b Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (1) Versicherte mit einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung, die eine besonders aufwändige Versorgung benötigen, haben Anspruch auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Die Leistung ist von einem Vertragsarzt oder Krankenhausarzt zu verordnen. Die spezialisierte ambulante Palliativversorgung umfasst ärztliche und pflegerische Leistungen einschließlich ihrer Koordination insbesondere zur Schmerztherapie und Symptomkontrolle und zielt darauf ab, die Betreuung der Versicherten nach Satz 1 in der vertrauten häuslichen Umgebung zu ermöglichen. Dabei sind die besonderen Belange von Kindern zu berücksichtigen. (2) Versicherte in stationären Pflegeeinrichtungen im Sinne von § 72 Abs. 1 des Elften Buches haben in entsprechender Anwendung des Absatzes 1 einen Anspruch auf spezialisierte Palliativversorgung. Die
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Verträge nach § 132 d Abs. 1 regeln, ob die Leistung nach Absatz 1 durch Vertragspartner der Krankenkassen in der Pflegeeinrichtung oder durch Personal der Pflegeeinrichtung erbracht wird; § 132 d Abs. 2 gilt entsprechend. (3) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 Abs. 4 bestimmt in den Richtlinien nach § 92 bis zum 30. September 2007 das Nähere über die Leistungen, insbesondere 1. die Anforderungen an die Erkrankungen nach Absatz 1 Satz 1 sowie an den besonderen Versorgungsbedarf der Versicherten, 2. Inhalt und Umfang der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung einschließlich von deren Verhältnis zur ambulanten Versorgung und der Zusammenarbeit der Leistungserbringer mit den bestehenden ambulanten Hospizdiensten und stationären Hospizen (integrativer Ansatz); die gewachsenen Versorgungsstrukturen sind zu berücksichtigen, 3. Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Arztes mit dem Leistungserbringer.
Tabelle 7-1: Erschwerende Bedingungen für ein Sterben zu Hause. Familiäre Unterstützer wie Partner, Angehörige, Freunde und Nachbarn …
… fehlen, sind selbst alt oder krank, fühlen sich mit der Situation überfordert, werden nicht als «Patienten zweiter Ordnung» gesehen und mitbetreut.
Wissen und Aufklärung
Es fehlt den Betroffenen an Wissen über den Krankheitsverlauf, über mögliche Komplikationen und Krisen sowie über die vorhandenen ambulanten Hilfs- und Unterstützungsangebote in der Region.
Symptomkontrolle
Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Angst- oder Panikzustände und weitere Krankheitssymptome werden ambulant unzureichend behandelt und/oder nicht professionell begleitet, es fehlt an Krisenplänen.
Professionelle Helfer (das Ehrenamt verstehe ich hier auch als Profession) und Hilfssysteme …
… fehlen oder werden zu spät oder gar nicht hinzugezogen, sind kaum oder nicht vernetzt, stehen in Konkurrenz zueinander, sind starr und unflexibel, werden nicht kostendeckend vergütet, sind unzureichend spezialisiert oder für diese Aufgaben mangelhaft ausgebildet.
Die Finanzierung der ambulanten Versorgung durch die Kostenträger …
… ist in der Regel nicht kostendeckend, in weiten Teilen aufwändig und zu bürokratisch, um Einzelleistungen zu beantragen; ist starr und lässt kaum Spielraum, um auf die sich schnell ändernden Bedürfnisse der Betroffenen zu reagieren, fördert durch ihre Struktur eine Mangelversorgung oder den Übertritt in das stationäre Hilfssystem.
Die ambulante Versorgung in der Nacht und während Krisensituationen …
… ist lückenhaft oder lässt sich auf Dauer schwer durchhalten bzw. vorausplanen, es fehlt teilweise an bezahlten 24-Stunden-Rufbereitschaften des ambulanten Hilfssystems.
Gemeinsame Versorgungsstrukturen und Konzepte von ambulanten und stationären Bereichen …
… fehlen gänzlich oder beschränken sich auf wenige Verträge der «Integrierten Versorgung» zwischen einzelnen Leistungserbringern und Krankenkassen.
Wohnraumverhältnisse …
… erschweren die Versorgung zu Hause oder schränken diese zunehmend ein, lassen sich nur bedingt an die veränderte Lebenssituation anpassen.
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Die zur Umsetzung in die Praxis nötige Richtlinie über die Verordnung spezialisierter ambulanter Palliativversorgung, die der gemeinsame Bundesausschuss der Krankenkassen erlassen musste (SAPV-Richtlinie), wurde am 20. Dezember 2007 verabschiedet. Es bleibt abzuwarten, wie sich die ambulante Versorgung Schwerstkranker und Sterbender einschließlich der Koordination von Hilfeleistungen unter diesen neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen weiterentwickeln lässt. Case Management als Handlungskonzept bietet für die Umsetzung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung gute Grundlagen an, die nachfolgend in Kürze dargestellt werden. 7.2.2
Case-Management-Elemente auf der direkten Patientenebene Outreach Im Kontext zur spezialisierten ambulanten Palliativversorgung kann man hierunter die Reichweitenbestimmung verstehen. Dies beinhaltet z. B. das Einzugsgebiet, mögliche räumliche Abgrenzung zu anderen Leistungserbringern, eine Zielgruppendefinition und die inhaltliche Beschreibung dessen, was die Leistung für die Klienten ausmacht. Für Leistungen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung im Rahmen des Sozialgesetzbuchs V (SGB V) finden sich hierüber auch Vorgaben, z. B. in der Richtlinie zur Verordnung spezialisierter ambulanter Palliativversorgung des gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenkassen. Intake Beim Intake geht es darum, im Erstkontakt zu klären, ob ein Patient das für ihn geeignete und für seine Bedürfnisse passende Versorgungsangebot gewählt hat und ob er in diese Versorgungsstruktur aufgenommen werden kann. Erscheint während des Intake eine andere Versorgungsform geeigneter und ist der Anfrager damit einverstanden, wird er weitergeleitet. Zum Intake gehört die spezifische Information über die Struktur und die Arbeitsweise des Hilfesystems, um
das es geht. Damit erhält auch der Hilfesuchende vor seiner Aufnahme die Möglichkeit, eine Entscheidung zu treffen, ob er diese Versorgungsform möchte oder nicht. Assessment und Planung Beim Assessment geht es um eine möglichst vollständige Erfassung und Einschätzung des IstZustandes und der konkreten Lebenssituation des Patienten. Zur Informationssammlung bieten sich beispielsweise spezielle Erhebungs- und Erfassungsbögen an, die die Informationsbedürfnisse der unterschiedlichen Professionen, die am Versorgungsgeschehen beteiligt sind, berücksichtigen. Meist müssen diese Erfassungsinstrumente selbst durch die Dienstleister erarbeitet werden, oder es sind vorhandene Bögen an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Erfasst werden sollten im Assessment mindestens Informationen:
zur Krankengeschichte zur Pflegeanamnese zur individuellen Symptomlage zur derzeitigen Versorgungssituation und bereits genutzten Hilfe-Systemen zu psychischen Zuständen und inneren Auseinandersetzungen zur äußeren Lebenssituation, sozialen Netzwerken und Beziehungen zu Teilbereichen der Lebensgeschichte, spirituellen Einstellungen und Werten zu Bedürfnissen, Wünschen und Zielen des Patienten.
Grundsätzlich sind die vorhandenen Fähigkeiten und Kompetenzen des Patienten, Assessment der Selbsthilfe, und seines sozialen Netzwerks, Assessment der Netzwerkhilfe, mit zu erfassen (vgl. van Riet/ Wouters, 2002: 109). Aus den gewonnenen Informationen lassen sich neben einer Prognose eine Problem- und Bedarfsanalyse erstellen und die nötigen Maßnahmen («planning») zur Patientenunterstützung daraus ableiten und vorläufig festlegen. Die endgültige Versorgungsplanung soll, soweit dies möglich ist, gemeinsam mit dem Patienten, seinen Angehörigen und den an der Versorgung beteiligten professionellen Helfern abgestimmt und vereinbart werden. Auf
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der Grundlage dieses «übergeordneten» Versorgungsplans werden von den Professionen für die Durchführung der Maßnahmen erforderliche Ausführungspläne erstellt, für deren fachliche Überwachung sie selbst verantwortlich sind. Als Beispiel seien hier die Pflegeplanung nach dem Prozessmodell oder ärztliche Therapiepläne genannt (Wendt, 2001: 122 ff.). In der Planung sollten mindestens Aussagen gemacht werden über: Ziele der Maßnahmen (wohin?), Aufgabenverteilung, «Nahtstellen» der Akteure (wer mit wem?), Inhalte und Art der Hilfeleistungen (was und wie?), Zeitplanung, Ort (wann und wo?), Erreichbarkeit der Helfer (wann und wie?), Verhalten bei möglichen Notfällen, Krisen und Komplikationen (wie, wer und was?) und einen festen Zeitpunkt für eine Überprüfung und ggf. Anpassung der Maßnahmen (wann und was?). Implementation Bei der Umsetzung (Implementierung) des vereinbarten Versorgungsplans können dem Case Management, je nach Aufbaustruktur und übernommenen Rollen im System, unterschiedliche Aufgaben und Funktionen zukommen. Das Case Management leistet einzelne Hilfen oder Behandlungen nicht selbst, sondern führt diese zusammen, koordiniert sie und lenkt Abläufe (Wendt, 2001: 124). Nora van Riet spricht in diesem Zusammenhang von «Linking» und schreibt: «Nach der Anfertigung eines Hilfeplanes ist der nächste Schritt dessen Implementierung. Das bedeutet für den Case-Manager/die Case-Managerin das Knüpfen von Verbindungen (Linking) zwischen und mit allen Personen und/oder Instanzen, die am Hilfeplan beteiligt sind. Konkret sind das: Klientel, Mitglieder des sozialen Netzes und (eventuell) Fachkräfte.» (van Riet/Wouters, 2002: 205). Im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung ist es ratsam, die Zuordnung (intern/extern), die Aufgaben, Rollen und Kompetenzen des Case Managements im jeweiligen System (z. B. Pallia-
tive Care Team) mit allen an dieser Versorgung Beteiligten verbindlich in Kooperationsvereinbarungen festzulegen. Abbildung 7-1 zeigt eine beispielhafte Auswahl von Akteuren eines solchen, durch das Case Management gelenkten Zusammenwirkens. Monitoring Das kontrollierende Begleiten (Monitoring) der Hilfeleistungen während der Umsetzung ist eine weitere Aufgabe des Case Managements innerhalb des Gesamtprozesses. Hierbei orientiert sich die Case Managerin oder der Case Manager an dem schriftlich vereinbarten Versorgungsplan. Dieser sollte neben den Hauptzielen auch Kriterien für die Durchführung der Leistungen, die Zielerreichung, die Wünsche und Bedürfnisse des Patienten und weitere getroffene Absprachen und Vereinbarungen enthalten. Zusätzlich zu dem Monitoring des Case Managements führt jede beteiligte Profession ihrerseits ein Monitoring durch. Dieses «Teilmonitoring» ist Bestandteil eigener Versorgungskonzepte (z. B. Pflegeplanung) und der interprofessionellen Ausführungsplanung. Stellt die Case Managerin
weitere Therapeuten/ Psychologie KG/ Ergotherapeuten
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zugehörige soziale Netze
Patient/ Angehörige
Case Management
Hausarzt/ Facharzt
stationärer Bereich z.B. Hospiz Klinik Pflegeheim
Ehrenamt/ Hospizdienst Pflege Sozialarbeit Seelsorge Abbildung 7-1: Mögliche Akteure eines Versorgungs-
teams der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung.
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oder der Case Manager Abweichungen zwischen dem «Soll» im Versorgungsplan und dem «Ist» in der Durchführung oder den erzielten Ergebnissen fest, ist es ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Versorgung nach bestehender Planung im Sinne des Patienten eingehalten bzw. an neue Bedarfe angepasst wird (s. auch Abschnitt 7.1.3). Man könnte an dieser Stelle auch von der Einleitung notwendiger Korrekturmaßnahmen im Rahmen einer Qualitätssicherung sprechen. Dies macht die Vielschichtigkeit von Monitoring deutlich und lässt erkennen, wie wichtig für den Erfolg von Case Management eine eindeutige und akzeptierte Aufbau- und Ablaufstruktur ist. Zusätzlich müssen die handelnden Personen über hohe methodisch-fachliche wie persönlichsoziale Kompetenzen verfügen. Für alle Elemente des Case-Management-Konzeptes gilt, dass zu deren Anwendung weitere «Werkzeuge» und Methoden zum Einsatz kommen. In Tabelle 7-2 sind Monitoring-Werkzeuge aufgeführt. Evaluation Evaluation und Monitoring sind ähnliche Funktionen im Case Management. Nicht alle Autoren treffen eine derartige Unterscheidung zwischen Monitoring und Evaluation (vgl. van Riet/ Wouters, 2002). Feststellen lässt sich jedoch, dass das Monitoring ausschließlich während des laufenden Versorgungsgeschehens durchgeführt wird und eine Kontrollfunktion hat (vgl. Wendt, 2001: 128), während die Evaluation zusätzlich als rückblickende Abschlussanalyse beim «Austritt» des Patienten aus dem System erfolgt und umfassender sein kann. Monitoring und Eva-
luation sind unverzichtbare Funktionen für eine ständige Verbesserung der Versorgung. Erfolgt eine eigene Analyse und Bewertung, spricht man von Selbstevaluation. Im Gegensatz dazu erfolgt eine Fremdevaluation durch andere Personen. Nach Wendt ist die Patientenzufriedenheit ein zentrales Kriterium in der Versorgungsevaluation von Kranken (Wendt, 2001: 129). Neben den subjektiven lassen sich objektive Kriterien ausmachen und bewerten. Objektive, messbare Kriterien lassen sich z. B. aus dem Versorgungsplan (Soll/Ist) ableiten, oder sie ergeben sich aus anderen Absprachen, Vorgaben, Verträgen und Vereinbahrungen. Zahlen, Daten und Fakten für eine Evaluation lassen sich während des gesamten Versorgungsprozesses erheben und sammeln. Gegenstände einer Evaluation im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung könnten beispielsweise sein: Patientenzufriedenheit (einschließlich Symptommanagement) Angehörigenzufriedenheit Prozesse, Leistungserbringung, Versorgungsplanung Zusammenarbeit im Versorgungsteam Kommunikationssysteme – Aufbau, Verlauf, Ergebnisse soziale Netze Entwicklung und Veränderung. Als Hilfsmittel für eine Evaluation kommen auch die im Abschnitt Monitoring genannten «Werkzeuge» und Methoden in Betracht. In Abbildung 7-2 ist der Ablauf der Versorgung in den einzelnen Phasen zusammengefasst.
Tabelle 7-2: Werkzeuge des Monitorings.
strukturierte Fallbesprechungen mit dem Versorgungsteam Inaugenscheinnahme durch Hausbesuche beim Patienten und Dokumentation der Ergebnisse (Visitenprotokolle) Hausbesuche auch während der Versorgung durch die Leistungserbringer Auswertung der Dokumentationen Befragung der Patienten und Angehörigen, persönlich/mittels Fragebögen/telefonisch Beschreibung festgestellter Soll-/Ist-Abweichungen und ihrer möglichen Ursachen Rückmeldung der Ergebnisse an die Beteiligten/Feedbackrunden-Bögen Korrekturmaßnahmen einleiten/Einzel-Fallbesprechung Umsetzung der vereinbarten Korrekturen überwachen
(Quelle: van Riet/Wouters, 2002: 227 ff.)
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Beispiel für die Ablauforganisation einer speziellen ambulanten Palliativversorgung auf direkter Patientenebene
Auftrag an das Case Management
vorläufiger Versorgungsplan
Erstkontakt und Aufnahme in die spezielle Versorgung
(Re)Assessment und Bedarfserhebung durch das CM
1 Beim Erstkontakt werden dem Anfrager Informationen über das spezielle Angebot dieser Versorgung gegeben. Es wird abgeklärt, ob der Hilfesuchende hier für seine individuellen Anliegen «richtig ist» oder ob eine andere Versorgung für ihn besser geeignet erscheint. Es folgt entweder die Aufnahme in dieses Versorgungssystem oder, auf Wunsch, die Weitervermittlung.
1
2
2 Beim Assessment werden die für eine Versorgungsplanung benötigten Informationen und Daten gesammelt. Auf Grundlage dieser Daten erfolgt eine erste Einschätzung und Bedarfsklärung. Ein vorläufiger Versorgungsplan wird erstellt. Er ist Grundlage für die gemeinsame, endgültige Versorgungsplanung im Team.
3 Versorgungsplan
«Fallkonferenz» im Versorgungsteam
4
Dokumentation
Dokumentation
Hilfeleistung durch das Team und Monitoring durch das Case Management
Patient scheidet aus der Versorgung aus
kontinuierliche Verlaufsschleife
4 Das Netzwerk (z.B. Palliative Care Team) besteht aus unterschiedlichen Berufsgruppen, die sich an der Versorgung beteiligen. Alle Beteiligten arbeiten nach gleichen, übergeordneten Qualitätsgrundsätzen. Sie sind für ihr Fachgebiet verantwortlich und führen hierfür selbständig ein Teilmonitoring durch. Das Monitoring des Gesamtprozesses erfolgt durch das Case Management.
5
5 Scheidet der Patient aus der Versorgung aus, erfolgt die abschließende Evaluation der Versorgung.
6 Abschlussbericht
3 In der Fallkonferenz tragen die Teammitglieder ihr jeweiliges Fachwissen zusammen und erstellen eine an den Bedürfnissen des Patienten orientierte und verbindliche Versorgungsplanung. Dieser Versorgungsplan ist auch die «Richtschnur» für evtl. benötigte Ausführungspläne der einzelnen Professionen.
Evaluation der Versorgung. Nachsorge der Angehörigen
Abbildung 7-2: Ablauforganisation in der Palliativ-Versorgung.
6 Ist ein Patient durch Tod ausgeschieden, findet, so weit möglich, eine «Nachsorge» der Angehörigen statt. Diese kann auch in der Vermittlung spezieller Angebote, z.B. Trauergruppen o.ä. bestehen.
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7.2.3
Case Management auf der indirekten Patientenebene Die in Abschnitt 7.1.3 angeführten Rollen und Funktionen sind auch in der speziellen ambulanten Palliativversorgung unverzichtbare Bestandteile eines erfolgreichen Case Managements. Auf dieser Ebene wirkt der Case Manager in der wichtigen Rolle eines «networker». Er regt die Bildung von notwendigen Netzwerken an und unterstützt aktiv deren Implementierung, Steuerung und Verbreitung. Er kennt die relevanten und bestehenden Versorgungsstrukturen und bezieht diese in die spezialisierte Patientenversorgung mit ein. Er agiert offen, nachvollziehbar und transparent und sorgt auch so für eine wachsende Akzeptanz des Case Managements im Sinne der Patienteninteressen. Er wirkt auf die Etablierung und Vernetzung des Versorgungsangebotes innerhalb der Kommune und Region hin und beobachtet und begleitet die spezifischen gesellschaftlichen und fachlichen Diskussionen und Entwicklungen.
7.3
Schlussbetrachtung Die ambulante Versorgung Schwerstkranker und Sterbender im Sinne von Palliative Care ist ein komplexes Handlungsgeschehen, an dem eine Vielzahl von Akteuren unterschiedlicher Disziplinen beteiligt sind oder sein können. Neben den spezifisch fachlichen Inhalten zeichnet sich diese Versorgungsform auch durch ihre strikte patientenorientierte Haltung und Arbeitsweise, eine unverzichtbare Teamstruktur und vernetztes Arbeiten aus. Case Management bietet für diese Form der professionellen Zusammenarbeit ein umfassendes Handlungskonzept an, das theoretisch fundiert und nachvollziehbar, erprobt und in weiten Teilen mit der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (Ethik, Haltung, Patientenorientierung, Werte, Struktur) zielkonform ist. Allerdings weisen manche Autoren zu Recht darauf hin, dass die Erwartungen an ein Case Management häufig unrealistisch hoch gesteckt und somit Enttäuschungen
programmiert sind. Ein Handlungskonzept allein schafft noch keine positiven Versorgungsergebnisse für Schwerstkranke und Sterbende. Es bedarf zudem fähiger, geschulter und auch durch ihre Haltung geeigneter Personen. Auch eine abgesicherte Finanzierung, Zeit und der Wille der Akteure, gewachsene Versorgungsstrukturen so anzupassen, dass sie in diese Form der Patientenversorgung einbindungsfähig sind, sind unerlässlich. Hilfreich für das Verstehen von Case Management und seine erfolgreiche Einführung ist das Wissen um seine Entstehung und Herkunft. Dieses Verständnis erleichtert einen undogmatischen Umgang mit dem Konzept und ermöglicht die notwendigen Anpassungen an die Bundesdeutschen Gegebenheiten und die lokalen Strukturen der Versorgungssysteme. Die Aufbaustruktur des dargestellten Handlungskonzeptes lässt meines Erachtens auch eine Einführung in «kleinen Schritten» zu. So kann Element für Element nacheinander erprobt und mit dem Ziel umgesetzt werden, dass am Ende der Einführung ein funktionierender CaseManagement-Gesamtprozess steht.
7.4
Literatur Ewers, M.: Palliative Praxis. Sichtweisen und Unterstützungsbedürfnisse von Mitarbeitern der ambulanten und stationären Altenhilfe und Altenpflege. Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW), Eigenverlag, Bielefeld 2006. Ewers, M.; Schaeffer, D. (Hrsg.): Case Management in Theorie und Praxis. Verlag Hans Huber, Bern 2005. Deutsche Hospizstiftung (Hrsg.): Was denken die Deutschen über Palliative-Care? Neues Konzept für menschenwürdiges Sterben. Emnid-Umfrage 2003. Verfügbar unter: http://www.hospize.de/docs/stellungnahmen/ 14.pdf. [Datum der letzten Einsichtnahme: 1. Oktober 2008]. Jaspers, B.; Schindler, Th.: Stand der Palliativmedizin und Hospizarbeit in Deutschland und im Vergleich zu ausgewählten Staaten (Belgien, Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Schweden, Schweiz, Spanien). Gutachten im Auftrag der Enquete-Kommission des Bundestages «Ethik und Recht der modernen Medizin», 2004. Verfügbar unter: http://www.dgpalliativmedizin.de/pdf/Gutachten %20Jaspers-Schindler%20Endfassung%2050209.pdf. [Datum der letzten Einsichtnahme: 2. Juni 2008].
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van Riet, N.; Wouters, H.: Case Management: Ein Lehrund Arbeitsbuch über die Organisation und Koordination von Leistungen im Sozial- und Gesundheitswesen. Interact-Verlag für Soziales und Kulturelles, Luzern 2002.
Wendt, W. R.: Case Management im Sozial- und Gesundheitswesen. Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau 2001.
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Case Management optimiert Patientenüberleitung
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8.1
Einführung Die Abkehr von den klassischen Versorgungsstrukturen hin zu Versorgungsketten macht die Überleitung von Patienten aus dem ambulanten in den stationären Bereich und umgekehrt zunehmend wichtiger. Für die Klinik resultieren aus dem System der DRG (Diagnosis Related Group) neue Herausforderungen an das Risikomanagement und die Haftung für die Patientenbehandlung. Risikofaktoren für das Krankenhaus sind im Wesentlichen ein längerer Patientenaufenthalt als die Grenzverweildauer, kein ausreichendes Nachsorgeangebot und die Entlassung in labilem Zustand sowie die Wiedereinweisung ins Krankenhaus mit derselben Diagnose. Optimierung und geplanter Ressourceneinsatz beeinflussen die Erlössituation für eine DRG. Hier kann eine Standardisierung von Versorgungsprozessen zu Kosteneinsparungen führen. Die Entlassung eines Patienten aus dem Krankenhaus stellt somit ein qualitätsrelevantes Problem in der medizinischen und pflegerischen Versorgung dar. Es besteht die dringende Notwendigkeit, bereits während des Krankenhausaufenthaltes die Nachsorge des Patienten systematisch zu planen. Eine standardisierte Überleitung von Patienten senkt die Rehospitalisierungsrate. Im Zuge des DRG-Systems reicht die herkömmliche Patientenüberleitung nicht mehr aus, son-
dern die Schnittstellen zur Aufnahme und Entlassung aus der Klinik müssen integriert werden. Innerhalb des gesamten Krankenhausbetriebes zählt das «Aufnahme- und Entlassungsmanagement» zu jenen Bereichen, die ein Maximum an Schnittstellen zu externen PartnerInnen aufweisen. Dabei erfordert gerade die Zusammenarbeit mit PatientInnen, ihren Angehörigen bzw. Kontaktpersonen, niedergelassenen ÄrztInnen, ambulanten Betreuungseinrichtungen, Ambulanzen, Rettungsdiensten, etc. ein hohes Maß an Kooperation. Aufgrund der starken Verflechtung zwischen diesen unterschiedlichen Professionen, die gemeinsam mit den PatientInnen zum Gesamterfolg der Betreuung beitragen, können qualitätsfördernde Maßnahmen in diesem Bereich nicht auf einzelne LeistungsanbieterInnen beschränkt sein, sondern müssen auf die Verbesserung der Zusammenarbeit im gesamten Betreuungsprozess abzielen. Es sind gerade die PatientInnen mit chronisch-degenerativen Erkrankungen, die mehrfach zwischen stationärer und ambulanter Versorgung wechseln und damit besonders häufig eine Schwachstelle des Gesundheitssystems passieren. Ein wichtiges Ziel, das durch die Einführung der DRGs erreicht werden soll, ist die Senkung der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer im Krankenhaus. Da die Abrechnung nach DRGs vom Prinzip her pauschal erfolgt, erwartet man, dass die Patienten so schnell wie möglich entlassen werden.
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Case Management hat zum Ziel, im individuellen Fall prozesshaft die zeitlichen und räumlichen Dimensionen des Versorgungsgeschehens zu erfassen, mit den unterschiedlichen Akteuren gemeinsame Ziele festzulegen und über eine bestimmte Zeitspanne oder den gesamten Betreuungsverlauf hinweg die Koordination der Versorgung eines Patienten sicherzustellen. In Deutschland wird die Übernahme der neu entdeckten Aufgabe deshalb nicht nur von Homecare-Unternehmen, Sozialarbeitern, Pflegefachkräften und Hausärzten angestrebt. Auch die Krankenkassen sehen es als ihre Aufgabe an. Schwerpunkte des pflegerischen Case Managements sind die Entwicklung von Behandlungsplänen zum optimierten Ablauf von Interventionen für bestimmte Patientengruppen sowie die Sicherung der Kooperation und Koordination nach innen und außen. Homecare-Unternehmen haben sich vielerorts auf Case Management fokussiert, um den steigenden Versorgungsbedarf der Patienten in Kooperation mit anderen Leistungserbringern abzudecken. 8.2
Warum eignet sich Case Management? Case Management wurde im 19. Jahrhundert in den USA erstmals von Wohlfahrtsorganisationen angewandt. Der medizinische Bereich übernahm die Methode in den 1940er-Jahren, jedoch erst in den 1970er-Jahren gewann sie die heutige Bedeutung. Case Management ist mittlerweile in den USA als Dienstleistung anerkannt. In den 1990er-Jahren gewann diese Methode auch im deutschsprachigen Raum an Bedeutung. Case Management findet Anwendung im Schnittstellenmanagement. Es gewährleistet die Kontinuität der Versorgung und vernetzt alle in die Betreuung von Patienten involvierten Berufsgruppen. Die bedürfnis- und bedarfsorientierte Versorgung sorgt für einen effizienten Umgang mit den vorhandenen, mittlerweile knappen Ressourcen. Case Manager arbeiten aktiv im Bereich der Weiterentwicklung und der Qualitätssicherung der Versorgungsleistungen mit (Ewers, 1996).
Über die Notwendigkeit und Ausgestaltung von Case Management gibt es derzeit eine sehr kontroverse Diskussion (Löcherbach, 2002). Hintergrund ist die nicht abwegige Erwartung, dass die Patientenbegleiter eine entscheidende Rolle bei der Inanspruchnahme und Verteilung von Dienstleistungen haben werden. Diese Annahme begründet sich durch die anwaltschaftliche Funktion der Patientenbegleiter, deren Aufgabe die Durchsetzung der Anliegen von Patienten und Angehörigen ist. In Deutschland wird die Übernahme der neu entdeckten Aufgabe deshalb nicht nur von Sozialarbeitern, Pflegefachkräften und Hausärzten angestrebt (Wendt, 2002). Ein Lösungsansatz für diese wenig hilfreiche Diskussion wäre, das Fallmanagement ressourcenbezogen immer der Berufsgruppe zu übertragen, deren inhaltliche Versorgung den Schwerpunkt bildet. Unabhängig hiervon und streng aus Patientensicht gäbe es genügend sachliche Gründe, die Patientenführung und Begleitung in erster Linie der Pflege zu übertragen. Das Pflegepersonal ist laut der American Nurses Association die geeignete Berufsgruppe, die Dienstleistungen des Case Managements bei Patienten mit multiplen Gesundheitsproblemen zu erbringen (ANA, 1991). Darüber hinaus legt die Pflege den Schwerpunkt stärker auf die Förderung der individuellen Gesundheit unter Einbezug der soziokulturellen und ökonomischen Umgebung. In den USA gehören die Tätigkeiten des Case Managements seit über 30 Jahren zu den Aufgaben der Pflegenden. Schwerpunkt des pflegerischen Case Managements ist die Entwicklung von Behandlungsplänen und die Optimierung von Abläufen von Interventionen für bestimmte Patientengruppen. Kooperation und Koordination nach innen und außen ist zu sichern. Durch die effiziente Verzahnung aller pflegerisch-medizinischen Maßnahmen für den Patienten, die Organisation der poststationären Versorgung und die Realisierung eines optimalen Entlassungszeitpunktes wird der Faktor Wirtschaftlichkeit mit Versorgungsqualität und Patientenzufriedenheit gekoppelt.
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8. Case Management optimiert Patientenüberleitung
8.3
Aufgaben des Case Managers Die Auswahl der Patienten erfolgt fast ausschließlich vom stationären, interdisziplinären Betreuungsteam (Arzt, Stationsschwester). Es handelt sich um Patienten mit poststationärem Betreuungsbedarf. Die Aufgaben im interdisziplinären Überleitungsmanagement lassen sich analog den Phasen des Case Managements (s. Abb. 8-1) wie folgt darstellen (von Reibnitz, 2005 a). 8.3.1
Auswahl der Patienten nach Versorgungsbedarf Die Auswahl der Patienten erfolgt fast ausschließlich vom stationären, interdisziplinären Betreuungsteam (Arzt, Stationsschwester). Es handelt sich um Patienten mit poststationärem Betreuungsbedarf, wie z. B. Patienten mit chronischen Wunden. Auf Stationen mit regelmäßig stattfindenden interdisziplinären Besprechungen entscheidet das multiprofessionelle Team, wer aus medizinischer, therapeutischer und pflegerischer Sicht entlassen werden kann. Besprechungen, an denen alle in die Betreuung involvierten Berufsgruppen teilnehmen, ermöglichen eine ganzheitliche Sichtweise und einen auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten abgestimmten Therapieplan (z. B. Schlaganfall, Patienten mit chronischen Wunden). 8.3.2
Assessment – Erhebung des Versorgungsbedarfs Ein Case Manager ermittelt den notwendigen Betreuungsbedarf (Assessment). AssessmentInstrumente dienen dazu, auf der Basis gesicherter Wissensbestände den Gesundheitszustand und die für die Lebensqualität relevanten sozialen Gesichtspunkte systematisch abzubilden und Hilfebedarfe und Unterstützungsnotwendigkeiten sichtbar werden zu lassen. Dabei wer-
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den Selbstversorgungsdefizite und Ressourcen der Patienten berücksichtigt, aber auch das persönliche Umfeld. Die Organisation der notwendigen Dienstleistungsangebote von ambulanter Pflege und Homecare sowie Hilfsmaßnahmen stehen im Vordergrund. Case Manager unterstützen den Betroffenen, aus der Vielzahl der Gesundheitsangebote die individuell hilfreichen herauszufinden. Dieser Arbeitsschritt ist von zentraler Bedeutung. Dieser Prozess passiert großteils in Kooperation mit den PatientInnen. Als Unterstützung dient meist ein Erhebungsinstrument, indem der physische, psychosoziale und funktionale Status der PatientInnen erhoben wird. Das Assessment stellt die Grundlage für eine bedarfsorientierte Versorgungsplanung dar und kann mithilfe von statistischen Methoden allgemeinere Aussagen über die Gestaltung des Versorgungsprozesses bestimmter Zielgruppen erlauben und somit auch als Entscheidungshilfe für Steuerungsaufgaben im Versorgungsprozess genutzt werden. Es gibt Instrumente, die versuchen, ein breites Spektrum der Pflegebedürftigkeit zu erfassen, wie z. B. das Resident Assessment Instrument (RAI), das aus dem Amerikanischen für die stationäre Altenpflege übernommen wurde und inzwischen für andere Settings ebenfalls auf Deutsch zu haben ist (Garms-Homolová, 2002). Andere Instrumente sind als Screening-Instrumente angelegt und geben einen ersten Überblick über wichtige Aspekte von Pflegebedürftigkeit. Hierzu zählen z. B. die Pflegeabhängigkeitsskala
Abschlussevaluation Versorgungsziel erreicht
Auswahl des Patienten nach Versorgungsbedarf
Evaluation das Versorgungsbedarfs Case Management Monitoring des Versorgungsplans
Assessment Erhebung Versorgungsbedarf
interdisziplinäre Entwicklung des Versorgungsplans Implementierung des Versorgungsplans
Abbildung 8-1: Aufgaben im Case Management.
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PAS (Bartholomeyczik/Halek, 2004), die auf dem Strukturmodell von Henderson aufbaut. Am längsten verbreitet in der Pflege sind standardisierte Instrumente in eingegrenzten Bereichen, vor allem in der Risikodiagnostik. Bereits seit über 20 Jahren ist die Nutzung der NortonSkala zur Diagnostik des Dekubitusrisikos in deutschen Krankenhäusern üblich. Inzwischen wurde in diesem Gebiet viel Entwicklungsarbeit geleistet. Die Anzahl pflegebezogener Assessment-Instrumente ist sehr hoch. Allerdings fehlt es an normierten und validierten deutschsprachigen Verfahren. Bei der Systematisierung von Assessment-Instrumenten wird nochmals deutlich, eine möglichst weite Definition des Begriffs Pflege-Assessment zu verwenden. Hiermit ist es möglich, dass das Assessment zur Risikoabschätzung einer Thrombose ebenso aufgenommen wird wie Messverfahren, die pflegerische Teamstruktur oder die Bewerbereignung für die Pflege messen. (Zur Systematik und Anwendung von Assessement-Instrumenten, insbesondere PflegeAssessment s. www.pflegeassessment.de sowie Bartholomeyczik/Hunstein (2006).) 8.3.3
Interdisziplinäre Entwicklung eines Versorgungsplans Auf Basis des Assessments wird der Versorgungsplan erstellt. Der Patient wird nach Hause begleitet, um ihn bei seinem gewohnten Tagesablauf zu beobachten. Es erfolgt eine Einschätzung und Beratung, ob und in welcher Weise Veränderungen in der Wohnung notwendig sind und in welchen Bereichen der Patient und seine Angehörigen Unterstützung benötigen. Der Patient entscheidet, welche Leistungen er in Anspruch nehmen möchte und in welchem Ausmaß. Übernehmen die Angehörigen nach der Entlassung des Patienten die Pflege, haben sie unter Anleitung einer professionellen Pflegekraft die Möglichkeit, ihre Angehörigen noch während des Krankenhausaufenthaltes zu versorgen und spezielle Pflegetechniken zu üben. Bei komplexen medizinischen, pflegerischen und sozialen Problemen der Patienten wird die Durchführung von Erstbesuchen der ambulanten häuslichen Pflege im Krankenhaus verein-
bart. Wenn bereits vor der Aufnahme ambulante Betreuung bestand, wird auch die betreuende Institution/Organisation kontaktiert. Nach einem ausführlichen Gespräch mit dem Patienten und den Angehörigen entwickelt der Case Manager in Abstimmung mit den Betroffenen und Nachversorgern einen differenzierten Versorgungsplan, der festlegt, in welchem Ausmaß Betreuung erforderlich ist. Wer erbringt welche Leistung (professionelle Anbieter, Laienpflege)? Welche Heil- und Hilfsmittel müssen besorgt werden, damit der Patient zu Hause leben kann? 8.3.4
Implementierung des Versorgungsplans Wenn Patienten dem Betreuungsvorschlag zustimmen, kümmert sich der Case Manager um die notwendigen Bewilligungen, nimmt Kontakt zu den Apotheken und Homecare-Versorgern auf, organisiert Heil- und Hilfsmittel, Medikamente und Verbandmaterialien. Die Informationsweitergabe an die weiter betreuenden Institutionen wird durch Case Manager fachbereichsübergreifend koordiniert (von Reibnitz, 2005 b). Der Patient wird am Entlassungstag vom Case Manager nach Hause begleitet. Angehörige/Vertrauenspersonen und die ambulante Pflege werden hinsichtlich des weiteren Betreuungsbedarfs koordiniert und zusammengeführt. Um den so genannten Drehtüreffekt zu vermeiden, ist es erforderlich, pflegenden Angehörigen Sicherheit und Hilfe nach der Entlassung des Patienten zu bieten. Ist ein Angehöriger, trotz vorheriger Einschätzung, akut mit der Pflege überfordert oder steht er vor einem für ihn unlösbaren Pflegeproblem, wird der Angehörige erneut angeleitet sowie eine Verlaufsbesprechung und die weitere Nachbetreuung erörtert. Am Tag nach der Entlassung erkundigt sich der Case Manager z. B. telefonisch nach dem Befinden des Patienten. Am darauf folgenden Tag erfolgt ein Besuch. Je nach Bedarf werden daraus resultierend weitere Visiten vereinbart. Während der Versorgung erfolgen regelmäßig ein Monitoring der Leistungserbringung und eine Evaluation des Versorgungsplans durch ein interdisziplinäres Team, um zu ermitteln, ob das Ziel
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der Betreuung erreicht wurde. Monitoring umfasst dabei die Prüfung, Revision, Informationsverarbeitung und Berichterstattung. Dies bezieht sich auf die Zusammenarbeit der Dienste untereinander, die Arbeitsbeziehungen zwischen PatientInnen und Dienstleistern und die Qualität der Dienstleistung. Außerdem wird überprüft, ob die Durchführung der Hilfe entsprechend der Ziele, Leistungen und geplanten Zeiträume eingehalten werden kann. Es kann auch eine Veränderung der Ziele, der Dienstleistungen oder der zeitlichen Planung erfolgen, wenn sich während des laufenden Arbeitsprozesses erhebliche Veränderungen ergeben. Unter Evaluation versteht man die Bewertung der Wirkungen von Maßnahmen oder Verfahren hinsichtlich vorher festgelegter Kriterien. Um evaluieren zu können, ist ein Bewertungsmaßstab notwendig. Der Festlegung dieses Maßstabes bezogen auf die zu evaluierenden Kriterien dienen Bewertungsindikatoren. Für eine aussagekräftige Evaluation im Case Management ist es notwendig, diese Indikatoren vor der Implementierungsphase festzulegen. Ohne diese Festlegung kann keine professionelle Bewertung einer Maßnahme vorgenommen werden. Aus Sicht des Case Managements sind Indikatoren vor allem wichtig, um drohende oder entstehende Abweichungen vom geplanten Maßnahmenverlauf frühzeitig zu entdecken. Dazu ist es notwendig, Beratungs- und Therapieprozesse so zu definieren, dass Abweichungen von dem geplanten Vorgehen und von den angestrebten Ergebnissen wahrgenommen werden. Der Case Manager hat eine wichtige Funktion im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Prozessbegleitung. Er kennt die Auswirkungen der DRGs auf das Klinikbudget, die Kostenstrukturen für die überleitungsrelevanten Diagnosen, die Verweildauern und Therapien, die auf die relevanten Diagnosen zutreffen.
8.4
Was beinhaltet Überleitungsmanagement? Der Case Manager erfüllt im Rahmen des Überleitungsmanagements zahlreiche Aufgaben, die eine ganzheitliche Patientenversorgung und ein effizientes Schnittstellenmanagement ermöglichen: Implementierung des Überleitungsmanagements und Information aller beteiligten Berufsgruppen Präsentation und Optimierung oder Anpassung der Dokumente für die Überleitung Ermittlung des poststationären Versorgungsbedarfs der Patienten durch mehrere Assessments Dokumentation der Daten und medizinischen Informationen der Patienten Ermittlung des optimalen Entlassungszeitraums Zusammenführung aller an der Entlassung des Patienten beteiligten Berufsgruppen inklusive der nachversorgenden Einrichtungen Organisation, Koordination und Steuerung der Nachversorgung des Patienten Evaluation des poststationären Versorgungsprozesses. Überleitungsmanagement garantiert eine hohe fachliche Kompetenz durch qualifizierte Case Manager mit folgenden Qualifikationen: abgeschlossene Ausbildung in der Gesundheits-, Alten- und/oder Krankenpflege Weiterbildung im Bereich Care- und Case Management oder Studium im Gesundheitswesen umfassende Praxiserfahrung im stationären und ambulanten Sektor strukturierte Vorgehensweise, zeitliche Flexibilität und hohes persönliches Engagement kommunikative Fähigkeiten und Beratungskompetenzen Fähigkeiten zur interdisziplinären Zusammenarbeit sowie EDV-Kenntnisse.
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Für eine erfolgreiche Implementierung des Überleitungsmanagements ist die Planungsphase von besonderer Bedeutung, da hier die bestehenden Strukturen des Krankenhauses analysiert werden. Aufbauend auf diesen Ergebnissen wird in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Berufsgruppen der Klinik das theoretische Versorgungskonzept an die Prozesse und Strukturen der Klinik angepasst. Im Anschluss daran erfolgt eine detaillierte Information und Schulung aller an der Überleitung des Patienten beteiligten Berufsgruppen, wie z. B. Ärzte, Pflegekräfte, Mitarbeiter des Sozialdienstes und externe Versorgungspartner. Überleitungsmanagement arbeitet mit Patienten, die einen hohen poststationären Versorgungsbedarf aufweisen. Im Rahmen eines stationsoder abteilungsbezogenen Qualitätszirkels können sich alle Berufsgruppen an der Optimierung der Überleitungsprozesse beteiligen. Die Handhabbarkeit der Dokumente und die Abläufe der Überleitung werden kontinuierlich überprüft und auch verbessert (s. hierzu Kap. 3 in diesem Band).
8.5
Der praktische Ablauf von Überleitungsmanagement Nach der Aufnahme des Patienten in das Krankenhaus stellen Ärzte und Pflegekräfte anhand allgemeiner Risikoparameter fest, ob der Patient eine Überleitung benötigt. Kriterien sind hierbei z. B. die Wiedereinweisung des Patienten in die Klinik, ein Pflegebedarf, den der Patient nicht selbstständig bewältigen kann, sowie ein bestehender Hilfsmittelbedarf. Anhand eines Konsilscheins wird der Case Manager über den Überleitungsbedarf eines Patienten informiert und erhebt anhand eines Assessments den differenzierten Versorgungsbedarf. Auf der Grundlage des Assessments involviert der Case Manager die erforderlichen Berufsgrup-
pen und koordiniert den individuellen Versorgungsplan für den Patienten. Der Case Manager hat dabei eine organisierende und übergeordnete Funktion; die operative Ebene bleibt bei den beteiligten Berufsgruppen des Krankenhauses. Durch die koordinierende Funktion des Case Managers werden die Verweildauern optimiert, so dass die Patienten im optimalen Entlassungszeitraum aus der Klinik entlassen werden. Auch poststationäre Versorgungspartner, wie z. B. ambulante Pflegedienste, stationäre Pflegeeinrichtungen und niedergelassene Ärzte werden im Vorfeld über die Entlassung des Patienten und die organisierte poststationäre Versorgung informiert. Nach der Entlassung des Patienten erfolgt an zwei Zeitpunkten eine Evaluation, wobei sowohl der Patient als auch die Versorgungspartner einbezogen werden. Die Evaluation verfolgt das Ziel, die Überleitungsprozesse zu überprüfen und zu verbessern, Probleme aufzudecken und bei Bedarf weitere ambulante Hilfen aufzuzeigen. Somit wird auch auf diesem Weg die Wiedereinweisung der Patienten in die Klinik vermieden. Die wichtigsten Hauptdiagnosengruppen (HDG) für Case Management sind: HDG 04 (E) Krankheiten der Atmungsorgane HDG 05 (F) Krankheiten des Kreislaufsystems HDG 07 (H) Krankheiten des hepatobiliären Systems und des Pankreas HDG 08 (I) Krankheiten des Muskel- und Skelettsystems HDG 11 (L) Krankheiten der Niere und der ableitenden Harnwege HDG 06 (G) Krankheiten des Verdauungssystems HDG 01 (B) Krankheiten des Nervensystems. So fallen durchschnittlich in einem bundesdeutschen Krankenhaus 10 % aller Fälle in diese Hauptdiagnosegruppen. Krankenhausfälle aus diesen Hauptdiagnosegruppen zeigen erfahrungsgemäß einen Bedarf an poststationärer Versorgung. Die Analyse von relevanten Krankenhausdaten (§ 21-Datensatz) ermöglicht z. B. Aussagen über den Zusammenhang von Verweildauer und Diagnose, Schweregrad und Case-Mix-
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Entwicklung zu treffen. Das Einsparpotenzial kann in Tagen und als kumulierte Durchschnittskosten auf Basis von Verweildauerüberschreitungen und Schweregrad-Zuordnung analysiert werden. Potenzielle Ansatzpunkte für Case Management zeigen sich bei DRGs mit überdurchschnittlicher Verweildauer und bei Fällen mit Verweildauer-Überschreitung bei unterdurchschnittlichem Schweregrad, z. B. in chirurgischen Abteilungen.
Aufgrund der neuen Vorgaben des Wettbewerbsstärkungsgesetzes ist die Funktion des Case Managers umso wichtiger, denn nicht nur die Kontrolle der Liegezeiten, sondern auch die Überweisung der Patienten in die poststationäre Versorgung wird gesteuert. Ein gut funktionierendes Case Management muss in die Behandlungsstrukturen eines Krankenhauses einbezogen werden. Die Entlassung des Patienten wird koordiniert, und alle nachversorgenden Einrichtungen werden informiert.
8.6
Für die stationäre Versorgung resultieren Vorteile durch die Einbindung von Homecare, da rechtzeitige Information über die Entlassung der Patienten genügend Vorbereitungszeit für die Einsatzplanung der Dienste gewährleistet und der Einsatz der Betreuung bei Entlassung der Patienten erfolgen kann. Aus Sicht des Klinikpersonals können Case Manager anhand ihrer einschlägigen ambulanten Erfahrung die Patienten und Angehörigen besser über die Betreuungsmöglichkeiten zu Hause informieren und sie in ihren Entscheidungsprozessen kompetenter begleiten.
Fazit Überleitungsmanagement als Element des Case Managements dient nicht nur der Einsparung von Kosten, sondern heißt für die Patienten mehr Lebensqualität. Aufgrund der Begleitung und Betreuung des Patienten durch einen Case Manager kann der Patient trotz vorhandener Einschränkung und Versorgungsbedürftigkeit vermehrt in die Häuslichkeit zurückkehren, und dauerhafte Hospitalisierungen können vermieden werden. Unter ökonomischen Gesichtspunkten ist dem Überleitungsmanagement ein hoher Stellenwert zuzusprechen. Durch die Gewährleistung einer patientenindividuellen Versorgungssicherheit wird das sektorübergreifende Versorgungsgeschehen unterstützt: Case Management optimiert die Patientenüberleitung und ermöglicht eine verweildauerorientierte Kostensteuerung. Die Integration der beteiligten Akteure und der komplette Prozess der Patientenversorgung stehen im Mittelpunkt. Eine ökonomische Verweildaueranalyse unterstützt den Case Manager bei der Planung und Kontrolle des Entlasszeitpunktes sowie in der Koordination und Organisation der Überleitung des Patienten in die häusliche Versorgung. Abgestimmtes Überleitungsmanagement schafft im Krankenhaus Transparenz hinsichtlich der Versorgungsprozesse. Durch regelmäßige Besprechungen zwischen Case Manager und Ärzten, die Weitergabe von Informationen und Fallbesprechungen wird ein interdisziplinäres Team aufgebaut, das die optimale Entlassung des Patienten im Blick hat.
8.7
Literatur American Nurses Association: Standards of Clinical Nursing Practice. ANA, Kansas City MO 1991. Bartholomeyczik, S.; Halek, M.: Assessmentinstrumente in der Pflege. Schlütersche Verlagsanstalt, Hannover 2004. Bartholomeyczik, S.; Hunstein, D.: Standardisierte Assessmentinstrumente – Möglichkeiten und Grenzen. Printernet, 05 (2006): 315–316. Ewers, M.; Schaeffer, D. (Hrsg.): Case Management in Theorie und Praxis. Verlag Hans Huber, Bern 2000. Ewers, M.: Case Management in der Pflege. Versuch einer Bestandsaufnahme. In: Wendt, W. R.; Löcherbach, P.: Case Management in der Entwicklung. Stand und Perspektiven in der Praxis. Hüthig, Jehle und Rehm, Heidelberg 1996: 57–71. Garms-Homolová, V.: Assessment für die häusliche Versorgung und Pflege. Verlag Hans Huber, Bern 2002. Löcherbach, P.: Qualifizierung im Bereich Case Management – Bedarf und Angebote. In: Löcherbach, P.; Klug, W.; Remmel-Faßbender, R.; Wendt, W. (Hrsg.).: Case Management. Fall- und Systemsteuerung in Theorie und Praxis. Luchterhand, Neuwied 2002: 201–226.
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von Reibnitz, C.: Homecare-Zukunft in Deutschland. In: Hagemeier, O.; von Reibnitz, C. (Hrsg.): Homecare. Ein Versorgungskonzept der Zukunft. Economica, Heidelberg 2005 a: 207–224. von Reibnitz, C.: Kompetenzen der Pflege in der Überleitung. Heilberufe 57 (2005 b): 856–858.
Wendt, W. R.: Case Management – Stand und Positionen in der Bundesrepublik. In: Löcherbach, P.; Klug, W.; Remmel-Faßbender, R.; Wendt, W. R. (Hrsg): Case Management. Fall- und Systemsteuerung in Theorie und Praxis. Luchterhand, Neuwied 2002: 13–36. www:pflegeassessment.de. [Datum der letzten Einsichtnahme: 10. April 2008].
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Homecare in der Palliativmedizin
Dietmar Hegeholz
9.1
Einleitung In der Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens sind in den letzten Jahren in den Bereichen Prävention, Kuration und Rehabilitation große Fortschritte in der Diagnostik und Therapie erzielt worden.
sehr junge, aber auch sehr bedeutende Fachdisziplin. Das vorliegende Kapitel zeigt Möglichkeiten der Einbringung der Fachdisziplin und damit der besseren Vernetzung der Versorgungsbereiche.
9.2
Im Bereich der letzten Phase der Versorgung, der unheilbaren Krankheiten, fehlt hingegen ein breit angelegtes, ausreichendes ambulantes und stationäres Versorgungsangebot. Bisher vorhandene Strukturen in der ambulanten und stationären palliativmedizinischen Versorgung sind noch keine Garantie für eine effektive Patientenversorgung. Ausdruck dieser Situation ist die Separiertheit der einzelnen Berufsgruppen; weder interdisziplinär noch sektoren- oder fachübergreifend findet die erforderliche Kommunikation statt. Diese Defizite, aber auch Herausforderungen betrachtend, ist es ein Meilenstein in der Geschichte des deutschen Gesundheitswesens, dass die Palliativmedizin im Sozialgesetzbuch V seit 2007 rechtsverbindlich geregelt wurde. Präventiv, Kurativ, Rehabilitativ und eben auch Palliativ sind nun die Begriffe, die einen festen Platz im Gesundheitswesen haben. Nach der Bildung von Palliativ-Care-Teams in Deutschland in den letzten Jahren verbessert sich die Versorgungssituation systematisch. Homecare ist in diesem Fachbereich jedoch noch eine
Palliativversorgung – Begriffsbestimmung Palliation steht für eine lindernde Behandlung im Gegensatz zur kurativen oder vorbeugenden Behandlung. Der Begriff leitet sich vom Lateinischen pallium (Mantel) und palliare (lindern) her. Durchgesetzt hat sich mittlerweile der international gebräuchliche Begriff Palliative Care. Es finden sich jedoch noch weitere Definitionen (Klaschik 2006): Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Palliativmedizin ist ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit den Problemen konfrontiert sind, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen, und zwar durch Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen, gewissenhafte Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen belastenden Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art.
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Definition der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin e. V. Palliative Care ist der international übliche Fachausdruck. Als deutsche Übertragungen werden verwendet: Palliativmedizin, Palliativbetreuung oder Palliativversorgung. Die Begriffe Palliativpflege und Hospizarbeit beinhalten wichtige Teilaspekte von Palliative Care. Supportivtherapie Supportivtherapie ist die «unterstützende» Therapie, die die Nebenwirkungen einer notwendigen Behandlung mildert. In der Onkologie sollen Belastungen der tumorspezifischen Behandlungen (Chemo-, Strahlentherapie oder Operation) durch den Einsatz supportiver Maßnahmen möglichst gering bleiben. Anfänglich verstand man Palliative Care als den Handlungsansatz der Hospizarbeit. Hierbei handelt es sich um eine Methode der umfassenden Linderung von Beschwerden hinsichtlich ihrer körperlichen, sozialen, psychischen und spirituellen Dimension. Formuliert wurden diese Anforderungen von Cicely Saunders, die als Begründerin der modernen Palliativmedizin gilt. Eine Auswahl an Prinzipien verdeutlicht den Ansatz: Die Behandlung des Patienten erfolgt in der Umgebung seiner Wahl (ambulant, stationär, zu Hause, Pflegeheim o. a.). Die physischen, psychischen, sozialen und spirituellen Bedürfnisse von Patienten, Angehörigen und Behandlungsteam werden beachtet (ganzheitlicher Ansatz). Es gilt der Grundsatz «high person, low technology», d. h. das Menschliche tritt in den Vordergrund, das medizinisch mit viel technischem Aufwand Machbare in den Hintergrund. Ziel der Therapie ist die Lebensqualität des Patienten. Individuelle Behandlung jedes Patienten erfolgt durch ein multidisziplinäres Team. fachliche Pflege durch speziell geschulte Pflegekräfte Das Behandlungsteam wird zentral koordiniert.
Unterricht und Ausbildung von Ärzten, Pflegekräften, Sozialarbeitern, Seelsorgern und Ehrenamtlichen. Ursprünglich war Palliative Care vor allem für Menschen entwickelt worden, deren Krankheit in ein unheilbares Stadium eingetreten war. In der heutigen Zeit profitieren von diesem Ansatz auch ganz allgemein Menschen mit schwerer Krankheit. Bei ihnen werden die belastenden Symptome gelindert – auch wenn parallel noch lebensverlängernde Maßnahmen verwendet werden. Ausgehend von diesen Definitionen muss als Erstes mit dem alten Vorurteil aufgeräumt werden, dass Palliativmedizin eine Sterbemedizin sei. Palliativmedizinische Methoden und Einstellungen sind bereits in früheren Krankheitsstadien erforderlich, gegebenenfalls bereits in der Phase der Diagnosestellung. Unter Berücksichtigung dieser bisher getroffenen Aussagen erlangt Homecare im System der Palliativmedizin eine mehrdimensionale Bedeutung. Homecare findet sich in allen Versorgungsstufen, von der stationären, teilstationären bis hin zur ambulanten Versorgung.
9.3
Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung Im Dezember 2007 hat der Gemeinsame Bundesausschuss eine Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung erlassen. Neben der Dokumentation der Bedeutung der Palliativversorgung regelt das Papier auch die Verordnung von palliativmedizinischen Leistungen. Für die Kooperation zwischen Palliativmedizin, Palliativpflege und Homecare sind folgende Aussagen von Bedeutung: § 1 Grundlagen und Ziele (1) Die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) gemäß § 37 b SGB V dient
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9. Homecare in der Palliativmedizin
dem Ziel, die Lebensqualität und die Selbstbestimmung schwerstkranker Menschen zu erhalten, zu fördern und zu verbessern und ihnen ein menschenwürdiges Leben bis zum Tod in ihrer vertrauten häuslichen Umgebung oder in stationären Pflegeeinrichtungen (§ 72 Abs. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch – SGB XI) zu ermöglichen. Im Vordergrund steht anstelle eines kurativen Ansatzes die medizinisch-pflegerische Zielsetzung, Symptome und Leiden einzelfallgerecht zu lindern. (2) Den besonderen Belangen von Kindern ist Rechnung zu tragen. (3) Die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Patientin oder des Patienten sowie die Belange ihrer oder seiner vertrauten Personen stehen im Mittelpunkt der Versorgung. Der Patientenwille, der auch durch Patientenverfügungen zum Ausdruck kommen kann, ist zu beachten. (4) Die SAPV ergänzt das bestehende Versorgungsangebot, insbesondere das der Vertragsärzte, Krankenhäuser und Pflegedienste. Sie kann als alleinige Beratungsleistung, additiv unterstützende Teilversorgung oder vollständige Patientenbetreuung erbracht werden. Andere Sozialleistungsansprüche bleiben unberührt. § 4 Besonders aufwändige Versorgung Bedarf nach einer besonders aufwändigen Versorgung besteht, soweit die anderweitigen ambulanten Versorgungsformen sowie ggf. die Leistungen des ambulanten Hospizdienstes nicht oder nur unter besonderer Koordination ausreichen würden, um die Ziele nach § 1 Abs. 1 zu erreichen. Anhaltspunkt dafür ist das Vorliegen eines komplexen Symptomgeschehens, dessen Behandlung spezifische palliativmedizinische und/oder palliativpflegerische Kenntnisse und Erfahrungen sowie ein interdisziplinär, insbesondere zwischen Ärzten und Pflegekräften in besonderem Maße abgestimmtes Konzept voraussetzt. Ein Symptomgeschehen ist in der Regel komplex, wenn mindestens eines der nachstehenden Kriterien erfüllt ist: ausgeprägte Schmerzsymptomatik
ausgeprägte neurologische/psychiatrische/ psychische Symptomatik ausgeprägte respiratorische/kardiale Symptomatik ausgeprägte gastrointestinale Symptomatik ausgeprägte ulzerierende/exulzerierende Wunden oder Tumore ausgeprägte urogenitale Symptomatik. § 6 Zusammenarbeit der Leistungserbringer (1) Im Rahmen der SAPV ist zu gewährleisten, dass die an der Versorgung beteiligten Leistungserbringer die erforderlichen Maßnahmen aufeinander abgestimmt und bedarfsgerecht erbringen; die diesbezügliche Koordination ist sicherzustellen. Hierüber sind verbindliche Kooperationsvereinbarungen schriftlich oder mündlich zu treffen. Kooperationspartner ist auch der ambulante Hospizdienst, der auf Wunsch der Patientin oder des Patienten an der Versorgung beteiligt wird. Bei Bedarf und entsprechender Qualifikation kann die dauerbehandelnde Ärztin oder der dauerbehandelnde Arzt im Einzelfall Kooperationspartnerin oder Kooperationspartner werden. Das Nähere regeln die Verträge nach § 132 d SGB V. (2) Die vorhandenen Versorgungsstrukturen sind zu beachten. (3) Es ist zu gewährleisten, dass zwischen den an der Patientenversorgung beteiligten Leistungserbringern zeitnah alle notwendigen Informationen über die vorhergehende Behandlung unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Regelungen ausgetauscht werden. (4) Bei der SAPV ist der ärztlich und pflegerisch erforderliche Entscheidungsspielraum für die Anpassung der Palliativversorgung an die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. Für die notwendigen koordinativen Maßnahmen ist vernetztes Arbeiten innerhalb der gewachsenen Strukturen der Palliativversorgung unabdingbar. Dieses ist unter Berücksichtigung medizinischer, pflegerischer, physiotherapeutischer, psychologischer, psychosozialer und spiritueller Anforderungen zur lückenlosen Versorgung
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über die Sektorengrenzen hinweg zu fördern und auszubauen. Auch wenn der Bereich Homecare in dem Papier nicht explizit ausgewiesen wird, finden sich in den aufgeführten Paragrafen die identischen Zielsetzungen. Gerade palliativmedizinische und palliativpflegerische Interventionen erfordern ein breites Spektrum an Hilfsmittelversorgungen. Schmerztherapie, Stoma-, Wund-, Kontinenzund Tracheostomaversorgungen erfordern Spezialistenwissen, das durch den Bereich Homecare bereitgestellt werden kann. An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass die Mitarbeiter des Bereiches Homecare ihr Leistungsspektrum aktiv anbieten müssen. Gerade in bevölkerungsarmen Gebieten muss davon ausgegangen werden, dass durch eine geringere Anzahl von Patienten palliativmedizinische Angebote nicht hinreichend bekannt sind, was für den Bereich Homecare weniger zutreffend ist. Aus diesem Umstand ergeben sich zwingend Synergieeffekte, die es zu nutzen gilt. Der Fachbereich Homecare ist andererseits gut beraten, wenn er neben seinem Spezialwissen in der Hilfsmittelversorgung dafür sorgt, dass die Mitarbeiter über eine gewisse Grundqualifikation im Bereich Palliativmedizin verfügen.
9.4
Homecare als integraler Bestandteil der Überleitungspflege Im Rahmen der Palliativversorgung von Menschen wird gerade im Prozess der Überleitung von der stationären in die ambulante Versorgung ein hohes Organisationsniveau erwartet. In der heutigen ambulanten palliativmedizinischen Betreuung finden sich hauptsächlich die Bereiche Brückenärzte, Brückenpflege und ambulante Hospizdienste (s. Abb. 9-1).
Neben der Organisation von in der Palliativmedizin spezialisierten ambulanten Pflegediensten, Ärzten und anderen Diensten muss natürlich auch die Hilfsmittelversorgung und Hilfsmittellogistik koordiniert werden. Ein weiterer Bestandteil des Systems muss folglich die Schulung und Beratung von Fachpersonal, aber auch von Angehörigen im Umgang mit verschiedenen Hilfsmitteln sein. Wichtig ist an dieser Stelle, dass der Bereich Homecare nicht als eine Art ambulanter Pflegedienst gesehen wird, sondern als spezialisierte Einrichtung, die medizinische Leistungen auf Anordnung des behandelnden Arztes übernimmt. Gut strukturierte Homecare-Unternehmen übernehmen den Patienten bereits in der Klinik. Neben der Hilfsmittelberatung für den Patienten bzw. seine Angehörigen steht hier natürlich auch die Hilfsmittelberatung für das Behandlungsteam im Vordergrund. Hilfsmittel, die – bedingt durch gelistete Vorratshaltung – im Krankenhaus oft eingesetzt werden, können für die häusliche Versorgung völlig ungeeignet sein. Eine Beratung des Fachpersonals ist weiterhin erforderlich, da in einer stationären Einrichtung in der Regel keine Informationen über das häusliche Umfeld vorliegen. Dem Grundsystem der Abbildung 9-1 folgend stellt sich das Versorgungsnetz unter Einbeziehung von Homecare wie in Abbildung 9-2 dar. Um diese komplexen Systeme funktionieren zu lassen, ist es besonders wichtig, bereits in der behandelnden klinischen Einrichtung von einem linearen zu einem parallelisierten Entlassungsmanagement zu wechseln (s. Abb. 9-3). Beim linearen Entlassungsverlauf erfolgt ein Handlungsschritt nach dem anderen. In diesem System ist die Reaktionszeit von der Entlassung aus der stationären Versorgung in die häusliche Versorgung extrem zeitkritisch. In der Praxis stellt sich die Situation dann wie folgt dar: Es ist erforderlich, dass ein ambulanter Pflegedienst eingeschaltet wird. Dieser kann die Versorgung jedoch erst Tage später wie geplant übernehmen, da eine entsprechende Personaleinsatzplanung kurzfristig nicht möglich ist.
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9. Homecare in der Palliativmedizin
Abbildung 9-1: System der ambulanten palliativmedizi-
nischen Betreuung ohne Homecare.
Brückenpflege
pflegerische Betreuung (Palliativpflege)
Brückenarzt
ärztliche Betreuung (Palliativmedizin)
Hospizdienst
ehrenamtliche Mitarbeiter (psychosoziale Betreuung)
PATIENT
Krankenhaus Brückenpflege
pflegerische Betreuung (Palliativpflege)
Brückenarzt
ärztliche Betreuung (Palliativmedizin)
Hospizdienst
ehrenamtliche Mitarbeiter (psychosoziale Betreuung)
PATIENT
Angehörige
HOMECARE
Kostenträger Abbildung 9-2: System der ambulanten palliativmedizinischen Betreuung mit Homecare.
Entlassung
Linearer Verlauf Identifikation
Assessment
Ziele
Intervention
Evaluation
Ziele
Intervention
Evaluation
Parallelisierter Verlauf Identifikation
Assessment
Entlassungsmanagement
Entlassung
Feedback
Abbildung 9-3: Linearer und parallelisierter Entlassungs-
verlauf, modifiziert nach Bellmann (2007).
Gleiches gilt für die Hilfsmittelausstattung. Erfolgt die Entlassungsplanung sehr zeitkritisch, besteht die Gefahr, dass die erforderlichen Hilfsmittel am Entlassungstag nicht zur Verfügung stehen. Trotz der heutigen logistischen Möglichkeiten (Belieferung innerhalb 24 Stunden), kann dies ein Problem darstellen. Enttäuschend für
Entlassungsmanagement
den Patienten wird es dann, wenn aufgrund dieses linearen Verlaufes die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus verlängert wird. Unterzieht man dieses Vorgehen einer ökonomischen Betrachtung, werden nur allein durch die Verweildauerverlängerung bereits finanzielle Mittel vernichtet. Vor Jahren übernahm gerade im Bereich der
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Homecare
Hilfsmittelversorgung das Krankenhaus die Bereitstellung einer «Notration» für einige Tage. Mit den heutigen, modernen Finanzierungsformen ist dies jedoch auch ein wirtschaftlicher Verlust für das Krankenhaus. Ziel muss es also sein, die verschiedenen professionellen Akteure und ihre Handlungsbedingungen mittels einer «anschlussfähigen Schnittstellengestaltung» in einen reibungslosen Versorgungsablauf zu integrieren. Wo man bislang sequentiell und linear hintereinander arbeiten konnte, muss der Behandlungsprozess nun so organisiert werden, dass die nächsten Leistungserbringer in der Versorgungskette möglichst schon arbeiten, bevor die ihr vorhergehende Stelle ihre Arbeit sicher abgeschlossen hat. Begriffe wie «Kooperation» und «Koordination» gewinnen in diesem Kontext an Bedeutung. Mit Kooperation sind die zielkonforme inter- und intradisziplinäre Abstimmung der Leistungserbringer durch die Festlegung geeigneter Kooperationsbeziehungen sowie die Definition von Kooperationsregeln gemeint. Koordination hat die Intention, die verschiedenen nebeneinander verlaufenden Aktivitäten der professionellen Akteure, die das gleiche Ziel verfolgen, miteinander abzustimmen. 9.4.1
Was kann Homecare im Rahmen der Palliativversorgung leisten? Unter der Voraussetzung einer strukturierten Behandlung, beginnend mit der stationären Aufnahme, bis hin zur geplanten Entlassung (parallelisierter Verlauf), kann Homecare die entscheidende Schnittstelle im Behandlungsprozess darstellen. Ein «klassischer» Weg am Beispiel eines Patienten mit einem inoperablen Tumor der Wirbelsäule Nennen wir unseren Patienten klassisch Herrn Z. Herr Z. besuchte seinen Hausarzt, weil er eine Schwäche in seinen Beinen feststellte, die ihn nur kurze Gehstrecken absolvieren lässt. In einem
Alter von 68 Jahren verspürt er zunehmend, dass seine Blase nicht richtig entleert wird und er zudem auch noch an Verstopfung leidet. Die geschilderten Symptome lassen Verdachtsdiagnosen wie benigne Prostatahyperplasie (BPH), periphere arterielle Verschlusskrankheit (AVK) und eine chronische Obstipation ersichtlich werden. Nach der Einweisung des Patienten durch den ambulant tätigen Arzt wird in der Regel die Bestätigung der Verdachtsdiagnose in einem umfassenden diagnostischen Prozess erwartet. Gehen wir einmal davon aus, dass nun primär die Einweisung zum Urologen erfolgt, da die periphere AVK in einer Antikoagulationstherapie münden könnte. Die BPH wird in der Urologie nicht bestätigt, jedoch eine neurogene Blasenfunktionsstörung, die trotz erforderlicher weiterer diagnostischer Abklärung den intermittierenden Einmalkatheterismus erfordert. An dieser Stelle greift erstmals die Konsultation der Homecare-Fachkraft. Sie übernimmt jetzt die Anleitung des Patienten in der Katheterisierungstechnik in Absprache mit dem Klinikpersonal, da sie das entsprechende Material an die Lebensgewohnheiten des Patienten anpassen wird. Während die Anleitung noch im Krankenhaus erfolgt, können im Zuge der Entlassungsplanung nun schon die Rezeptierung durch den Arzt, die Kostenübernahme durch die Krankenkasse und Materiallogistik in die häusliche Umgebung in der Verantwortung der Homecare-Fachkraft organisiert werden. Im weiteren Verlauf wird die Diagnose metastasierender Wirbelsäulentumor gestellt. Da eine Operation keine Heilung ermöglicht, sondern eine Querschnittlähmung nach sich ziehen wird, entscheidet sich Herr Z. dagegen. Da die Anleitung im Katheterismus bereits erfolgreich durchgeführt wurde, die Kostenübernahme durch die Krankenkasse vorliegt und die Materiallogistik sowie die fachliche Kontrolle durch die Homecare-Fachkraft gesichert ist, kann Herr Z. nun zügig in die häusliche Umgebung entlassen werden.
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9. Homecare in der Palliativmedizin
Die Dramatik der Diagnose erfordert inzwischen eine Aktivrollstuhlversorgung. Diese veränderte Situation bedeutet auch eine Anpassung des Harnableitungssystems – eine Aufgabe, die von der Homecare-Fachkraft übernommen werden kann, ohne dass eine erneute Einweisung in die Klinik erforderlich wird. Die Abstimmung erfolgt zwischen Homecare-Fachkraft und Hausarzt, da sich am therapeutischen Prinzip nichts geändert hat. Der weitere, in seiner Dramatik nicht mehr umkehrbare Krankheitsverlauf wird nun durch den permanenten Mobilitätsverlust eine ständige Hilfsmittelanpassung erforderlich machen. Diese bezieht sich in unserem Fall nicht nur auf das Harnableitungssystem, sondern auch auf das Thema parenterale Ernährung oder Wundversorgung. Durch den Selbstständigkeitsverlust von Herrn Z. wird es nun erforderlich, die Ehefrau in die Technik des intermittierenden Katheterismus einzuweisen. Identisches gilt nun für den inzwischen konsultierten ambulanten Pflegedienst. Gerade durch die hohe Spezialisierung von Homecare-Fachkräften in den Bereichen Continence Care, Stomaversorgung, Wundversorgung, Schmerztherapie, parenterale Ernährung und Tracheostomaversorgung werden sie zu unverzichtbaren Partnern im Versorgungssystem. 9.4.2
Was leistet nun Homecare im Fachbereich Palliative Care? Grundsätzlich muss Homecare als wichtiger Bestandteil eines strukturierten Betreuungsprozesses gesehen werden. Die Bereitstellung und Anpassung der richtigen, die Lebenssituation nicht absolut beeinträchtigenden Hilfsmittelversorgung erleichtert die Erledigung der noch wichtigen Aufgaben und Wünsche des Patienten. Im ersten Schritt unterstützt Homecare den ärztlichen Bereich durch die Hilfsmittelauswahl, Hilfsmittelanpassung und das Anwendungstraining mit dem Patienten, seinen Angehörigen und gegebenenfalls von weiteren ambulant nachversorgenden Diensten.
Mit der Erfüllung dieser Aufgabe wird ein wichtiger Beitrag in der Vermeidung unnötiger Krankenhauseinweisungen geleistet. Ein reibungsloser Übergang von der stationären in die ambulante Versorgung wird gewährleistet. Dies bedeutet gleichzeitig eine nicht zu unterschätzende Entlastung der Familienangehörigen. Als Beispiel sei an dieser Stelle nur das teilweise sehr aufwändige Hilfsmittelkostenübernahmeverfahren genannt. Homecare steht in diesem Prozess auch für Spezialistenwissen. Von diesem Prozess profitieren in erster Linie vor allem ambulante Pflegedienste oder Mitarbeiter von Alten- und Pflegeheimen. In der Regel handelt es sich bei HomecareUnternehmen um zertifizierte Firmen, die einen hohen Qualitätsstandard ermöglichen. Dies trifft nicht nur für die Versorgung des Patienten zu, sondern auch für die Dokumentation der erbrachten Leistung. Mit diesen bestehenden Informationen an alle im Prozess involvierten Bereiche, wird ein Informationsverlust vermieden. Kritisch anzumerken sei der Umstand, dass es in Deutschland für die Beratung und Anleitung von Patienten, Angehörigen und anderen Versorgungsdiensten keinerlei Honorierung durch die Krankenkassen gibt. Die heute durchaus sehr gute Versorgungsqualität wird zudem durch Festbetragsregelungen in der Hilfsmittelversorgung und Patientenreglementierung durch Ausschreibungsverfahren gefährdet. Die Zerstörung oder Einschränkung von Versorgungsleistungen bedeutet natürlich auch einen Anstieg von Komplikationen mit der Folge der Behandlungsverteuerung. Im Bereich Palliativversorgung führt dies für den Patienten zu einer vermehrten Institutseinweisung. Der letzte Behandlungsprozess – das würdevolle Sterben – würde durch die Reduzierung der Homecare-Leistung drastisch eingeschränkt oder aufgehoben. Palliative Care ist in Deutschland noch eine sehr junge Fachdisziplin. Für den Bereich Homecare bedeutet dies, dass sich die Mitarbeiter intensiv zum Thema Palliative Care weiterbilden müssen.
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Es besteht ein wesentlicher Unterschied in der Versorgung zur Reintegration in das gesellschaftliche Leben gegenüber der Begleitung schwerstkranker, sterbender Menschen.
9.5
Zusammenfassung Mit den vorausgegangenen Ausführungen ergeben sich unterschiedliche Aufgabenfelder für den Bereich Homecare. Nach von Reibnitz (2008) sind diese Aufgaben wie folgt sehr treffend dargestellt: Unterstützung der Ärzte Vermeidung unnötiger Einweisungen von Palliativpatienten in das stationäre Versorgungssystem Vorbereitung des Übergangs vom stationären zum ambulanten Versorgungssystem für Betroffene, ihre Angehörigen und Pflegedienste Entlastung und Stabilisierung pflegender Angehöriger Unterstützung des Selbstbestimmungsrechtes Sterbender Anleitung und Unterstützung ambulanter Pflegedienste Anleitung und Unterstützung der Krankenund Altenpflegekräfte in geriatrischen Einrichtungen Hilfe bei der Umsetzung gesundheitspolitischer Forderungen wie beispielsweise «ambulant vor stationär» Sterben in Würde und frei von Ängsten, Schmerzen und anderen Symptomen zu Hause ermöglichen Vernetzung aller Professionen und dokumentierter Informationsaustausch über Maßnahmen Dokumentation und jährliche Evaluation zum Nachweis von Bedarf und Effizienz sowie möglicher Kosteneinsparung Organisation von Fort- und Weiterbildung der verschiedenen Berufsgruppen, ihre weitere Unterstützung in palliativmedizinischer Arbeit Verbreitung palliativen Gedankengutes in der Öffentlichkeit.
9.6
Literatur Bellmann, B.: Entlassungsmanagement. Ablauf und Prozessgestaltung. Bericht aus den Helios Kliniken, Berlin. [unveröffentlichtes Manuskript] Feuerstein, G.: Schnittstellen im Gesundheitswesen. Zur (Des-) Integration medizinischer Handlungsstrukturen. In: Badura, B.; Feuerstein, G. (Hrsg.): Systemgestaltung im Gesundheitswesen. Zur Versorgungskrise der hochtechnisierten Medizin und den Möglichkeiten ihrer Bewältigung. Juventa, Weinheim und München 1994. Gemeinsamer Bundesausschuss: Richtlinie Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (Neufassung), Bundesanzeiger Nr. 39 vom 11. März 2008, S. 911. Verfügbar unter: http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/ 582/. [Datum der letzten Einsichtnahme: 10. April 2008]. Klaschik, E.: Palliativmedizin Praxis. Leitfaden für die palliativmedizinische Alltagsarbeit. 3., überarbeitete Auflage, Pallia Med Verlag, Bonn 2006. von Reibnitz, C.: Zuhause sterben. Heilberufe, 3 (2008): 15–16.
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Homecare: Häusliche Versorgung schwer chronisch kranker Menschen
Julia Lademann
10.1
Bedeutung und Verlauf chronischer Krankheit In den industrialisierten Ländern konzentriert sich die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung neben der Behandlung von akut erkrankten Menschen zunehmend auf die Versorgung chronisch kranker Menschen. Die Bewältigung chronischer Krankheit kann bereits im jungen und mittleren Lebensalter beginnen und wird zunehmend im hohen Alter möglich und notwendig sein. Da chronische Krankheiten von langer Dauer sind und eine vollständige Heilung zumeist nicht eintritt, müssen Betroffene sich oft lebenslang damit einrichten. Chronisch Kranke sind daher kontinuierlich und für einen unabsehbar langen Zeitraum auf die Nutzung von Leistungen des Gesundheitssystems angewiesen. Dabei wird ihre Versorgung zunehmend ambulant stattfinden, und eine stationäre Betreuung wird lediglich in akuten Krankheitsphasen notwendig sein. Homecare, d. h. die ambulante bzw. häusliche Betreuung schwer chronisch kranker Menschen, die dauerhafter Pflege und therapeutischer Behandlungen bedürfen, ermöglicht den Betroffenen, trotz ihrer Erkrankung zu Hause zu leben. Der Wunsch vieler schwer erkrankter Menschen, dauerhaft in ihrem eigenen Zuhause zu leben
und dort betreut zu werden, zielt in erster Linie auf einen Zuwachs an Lebensqualität: Im Idealfall kann eine häusliche Versorgung individueller gestaltet werden als beispielsweise in einer Pflegeeinrichtung und ermöglicht den Betroffenen eine Beteiligung an ihrem gewohnten sozialen Leben. Darüber hinaus können gerade im Rahmen von Homecare die zunehmend geforderten Empowerment-Konzepte beim Versorgungsgeschehen chronisch erkrankter Menschen umgesetzt werden. Eine der wichtigsten Herausforderungen innerhalb der Gesundheitsversorgung industrialisierter Länder besteht im Umgang mit chronischen Krankheiten. Aufgrund der deutlich verbesserten Lebensbedingungen in den Wohlstandsgesellschaften des 20. Jahrhunderts – durch ausreichende Ernährung, Hygiene und eine Verbesserung allgemeiner Lebens- und Arbeitsbedingungen – hat die Lebenserwartung in Deutschland innerhalb der letzten 100 Jahre stark zugenommen: Während im Jahr 1911 Männer im Schnitt 47 Jahre und Frauen 51 Jahre alt wurden, beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung im Jahr 2006 für Männer knapp 77 und für Frauen 82 Jahre (RKI, 2001). Heute können mithilfe moderner medizinisch-technischer und pharmazeutischer Therapien viele akute und lebensbedrohliche Krankheiten entweder ganz
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geheilt oder zumindest gelindert oder in ihrem Verlauf verzögert werden. Daher werden in den Industrienationen des 21. Jahrhunderts zunehmend Erkrankungen im Fokus der gesundheitlichen Versorgung stehen, die nicht mehr unmittelbar zum Tode führen, sondern mehr oder weniger stark das Leben der Betroffenen über einen längeren Zeitraum beeinträchtigen. Diese als chronisch (d. h. langsam verlaufend, langwierig) bezeichneten Krankheiten prägen die Morbidität der Bevölkerung Deutschlands entscheidend. Ungefähr die Hälfte aller ambulant und stationär behandelten Patienten und Patientinnen leidet an einer chronischen Krankheit (Gerste, Niemeyer und Lauterberg, 2000), und nach Einschätzungen des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen beträgt der Anteil chronisch Kranker in der deutschen Bevölkerung etwa 40 % (SVR, 2000/2001). Neben den zunächst weitgehend symptomfrei verlaufenden chronischen Erkrankungen wie Hyperlipidämie (erhöhte Cholesterin- bzw. Blutfettwerte) oder Bluthochdruck zählen zu den häufigsten schwerwiegenden chronischen Krankheiten die folgenden (RKI, 2006): Krankheiten des Skeletts, der Muskeln und des Bindegewebes z. B. Arthrosen (mechanische Abnutzungserscheinungen an Gelenken), Dorsopathien (mit Schmerzen einhergehende, den Rücken betreffende Veränderungen), rheumatoide Arthritis (rheumatisch-entzündliche Gelenkerkrankungen), Osteoporose (Knochenschwund) die meisten Krebserkrankungen, z. B. Brust-, Prostata-, Darmkrebs Herz- und Kreislauferkrankungen, z. B. Zustand nach Herzinfarkt, Schlaganfall psychiatrische Krankheiten oder Krankheiten des Nervensystems, z. B. Altersdemenz, Depression und Suchterkrankungen sowie Stoffwechselerkrankungen, z. B. Diabetes mellitus. Chronizität bildet innerhalb der medizinischen Systematik von Krankheiten kein konstitutives Element: Die oben genannten Beispiele zeigen, dass viele verschiedene Krankheitsbilder chro-
nisch verlaufen können. Ursachen dieser Erkrankungen stehen zumeist im Zusammenhang mit dem Lebensstil oder den Lebensbedingungen (z. B. Arbeits- und Wohnverhältnisse) und gesundheitsbezogenem Verhalten (wie Ernährung, Bewegung, Konsum von Alkohol und Tabak). Diese können zu nicht reversiblen pathologischen Veränderungen und damit zu den genannten Krankheitsbildern führen. Im Jahr 2004 hat der Gemeinsame Bundesausschuss erstmals eine Richtlinie «zur Definition schwerwiegender chronischer Krankheiten im Sinne des § 62 SGB V» (Gemeinsamer Bundesausschuss, 2007) vorgelegt, die zuletzt 2007 hinsichtlich der Zuzahlungsregelungen verändert wurde. Danach gilt als schwerwiegend chronisch krank, wer aufgrund der gleichen Erkrankung seit wenigstens einem Jahr mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde und zusätzlich eines der folgenden Merkmale aufweist: Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2 oder 3 nach dem SGB XI, einen Behinderungsgrad von mindestens 60 % oder eine kontinuierliche Versorgung durch ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Behandlungspflege oder Versorgung mit Heilund Hilfsmitteln. Dennoch bleibt die Definition chronischer Krankheit aufgrund ihres breiten Spektrums an Ausprägungen und Folgen unscharf, was vor allem den Überblick über bestehende Versorgungs- und Unterstützungsangebote für die Betroffenen erschwert (Mattern, 2007). Der Verlauf chronischer Krankheiten zeigt sich in einer Reihe von Merkmalen (SVR, 2000/ 2001; Schaeffer/Moers, 2000). Sie entwickeln sich langsam und meist zunächst latent; sie sind von langer Dauer – nicht selten lebenslang – und in ihrem individuellen Verlauf schwer voraussagbar. Dieser kann chronisch-progredient, also fortschreitend sich verschlechternd, chronisch-rezidivierend, d. h. schubweise immer wieder auftretend oder chronisch-stabil und damit eher gleich bleibend sein. Unterschieden werden auch diejenigen Erkrankungen, welche nicht lebensbedrohlich sind (z. B. entzündliche rheumatische Erkrankungen), Krankheiten, die potenziell lebensbedrohlich sind (z. B. Herz-
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erkrankungen), und die als lebensbedrohlich geltenden Erkrankungen (z. B. Krebserkrankungen). Da die pathologischen Veränderungen vieler chronischer Krankheiten irreversibel sind, bedeutet dies, dass sie in der Regel nicht vollständig heilbar sind und daher oftmals eine lebenslange Behandlung erforderlich machen. Die Auswirkungen chronischer Krankheit auf das Leben von Betroffenen können daher beträchtlich sein. Notwendig sind nicht nur viele Anpassungsleistungen der Erkrankten, sondern auch ihrer sozialen Netzwerke und Umgebung. Daher ist es bei Überlegungen bezüglich einer adäquaten Versorgung chronisch Kranker sinnvoll, nicht nur den physiologischen Ablauf einer Erkrankung zu berücksichtigen, sondern das gesamte Spektrum zu bewältigender Anpassungsleistungen. Der von Corbin und Strauss (1988, 2004) geprägte Begriff der Krankheitsverlaufskurve (engl.: illness trajectory) bezieht sich auf die Gesamtorganisation der Arbeit, die geleistet werden muss, um chronische Krankheit zu bewältigen, und ist daher in der Versorgungsplanung von praktischer Bedeutung. Im Umgang mit einer chronischen Erkrankung sind Krankheitsverlaufskurven geprägt von Phasen der Normalisierung, in denen sich die Betroffenen von einem akuten Schub erholen können und sich ihre Situation verbessern kann, sowie von stabilen und instabilen Phasen, in denen ein Zustand aufrechterhalten oder aus dem Gleichgewicht geraten kann und nicht zuletzt von Abwärtsphasen, in denen sich der Zustand irreversibel verschlechtern kann – bis hin zum Tode. Mit der Diagnose einer chronischen Krankheit beginnt für die Betroffenen ein neuer Lebensabschnitt, der nun aufgrund von mehr oder weniger stark ausgeprägten physiologischen Phänomenen der Erkrankung (z. B. Schmerzen, Behinderung) nicht nur körperliche Anpassungen erforderlich macht, sondern damit verbunden auch soziale und biografische. Für das gesundheitliche Versorgungssystem und die darin tätigen Professionellen bedeutet das, dass nicht nur somatische, sondern auch psychosoziale Faktoren zu berücksichtigen sind, um die Betreuung schwer chronisch Kranker gemäß ihrer individuellen Krankheitsverlaufskurve effektiv gestalten zu können.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen bemängelt in seinem Gutachten von 2000/2001 die «somatische Fixierung» des Gesundheitssystems und damit den verengten Blick auf körperliche Belange aufgrund eines einseitig biomedizinischen Krankheitsverständnisses. Dies reicht laut Sachverständigenrat zur Bewältigung chronischer Krankheit nicht aus, sondern es ist vielmehr eine Erweiterung um die lebensweltbezogene Perspektive der Betroffenen notwendig. In dieser Einschätzung spiegeln sich die Erkenntnisse von Corbin und Strauss (1988, 2004) wider; sie werden mittlerweile auch im deutschsprachigen Raum im Rahmen von Versorgungsfragen chronisch Kranker breit diskutiert. So weist Mattern (2007) auf die für chronisch Erkrankte bedeutsamen Komponenten der Kommunikation, Mobilität und Alltagsbewältigung hin, deren Berücksichtigung im Rahmen der gesundheitlichen Versorgung immer noch vernachlässigt wird. Schaeffer (2006) hebt die Alltagsbewältigung sowie die Bedeutung sozialer Konsequenzen bei Betroffenen von chronischer Krankheit vor allem im Rahmen ihrer pflegerischen Versorgung hervor. Im Hinblick auf das DiseaseManagement, die Effektivität neuer Behandlungsprogramme chronischer Krankheiten, kommen Blättner und Wachtlin (2005) zu dem Schluss, dass auch diese Versorgungsstruktur psychosoziale Faktoren weitgehend unberücksichtigt lässt, indem sie der lebensgeschichtlichen Arbeit der Betroffenen und damit ihrem Bedarf an biografischer Neuorientierung bei chronischer Krankheit nicht Rechnung trägt.
10.2
Gesundheitliche Unterstützungsangebote für schwer chronisch kranke Menschen Eine Heilung der meisten chronisch-degenerativen und progredienten Erkrankungen ist zwar nicht möglich, sie können aber in ihrem Verlauf mittels medizinisch-technischer und pharmakologischer Behandlungsmöglichkeiten deutlich verlangsamt und gelindert werden. Die Versor-
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gung chronisch kranker Menschen wird sich dabei künftig zunehmend auf den ambulanten Bereich konzentrieren, und eine Behandlung im stationären Sektor wird lediglich in akuten Phasen der Erkrankung notwendig sein. Dafür spricht beispielsweise der trotz Zunahme chronischer Krankheiten international und auch für Deutschland dokumentierte Trend der Verkürzungen der Krankenhausverweildauer. Hierzulande ist die mittlere Verweildauer in Krankenhäusern in den Jahren zwischen 1991 und 2000 von fast 15 auf knapp 10 Tage zurückgegangen (Rosenow/Steinberg, 2002) und liegt im Jahr 2006 bei 8,5 Tagen (Statistisches Bundesamt 2008). Das Angebot und die Entwicklung ambulanter Versorgungsoptionen ist nicht nur aufgrund medizinischer Fortschritte machbar, sondern ist auch aus Sicht der Betroffenen erwünscht, die trotz chronischer Krankheit möglichst lange selbstständig und unabhängig leben möchten. Dazu zählt für die meisten an erster Stelle die Möglichkeit, zu Hause zu leben und stationäre Aufenthalte zu vermeiden oder möglichst kurz zu halten. Die schon seit längerem deklarierte gesundheitspolitische Prämisse «ambulant vor stationär» soll aber nicht nur diesem Bedarf Rechnung tragen, sondern beruht auch auf handfesten finanziellen Überlegungen: Eine schwerpunktmäßig stationäre Versorgung chronisch Kranker kann sich ein Gesundheitssystem allein aus ökonomischen Erwägungen nicht leisten. So weist der Sachverständigenrat (2000/ 2001) auf die durch chronische Krankheit und ihre stationäre Behandlung verursachten hohen Krankheitskosten hin, wobei allerdings indirekte Kosten ambulanter Versorgungsformen auf Seiten familiärer und sozialer Netze (z. B. durch unbezahlte Pflegearbeit) bislang unberücksichtigt bleiben (Camenzind/Meier 2004; O’Brien/ Nelson, 2002). Hinzu kommt, dass in der aktuellen Diskussion zur Umsetzung eines patientenbzw. bürgerorientierten Gesundheitssystems den ambulanten und häuslichen Versorgungsformen eine besondere Bedeutung beigemessen wird, da Autonomie und Selbstbestimmungsvermögen der Betroffenen in diesen besser realisiert werden können als innerhalb stationärer Settings.
Die bislang unzureichende Partizipation von Patientinnen und Patienten und ihren Angehörigen in der gesundheitlichen Versorgung führt dazu, dass diese in einer eher passiven Haltung von Leistungsempfängerinnen und -empfängern verbleiben und eigenes Potenzial und Ressourcen der Krankheitsbewältigung ungenutzt bleibt. Werden chronisch Kranke schwerpunktmäßig im eigenen Zuhause betreut, ergeben sich eine Reihe lebensweltlicher Anknüpfungspunkte, die eine Aktivierung und Steigerung ihres Selbstbestimmungsvermögens möglich machen (Lademann, 2007). So breit das Spektrum und die Ausprägungen chronischer Krankheiten sind, so sehr variiert auch der Versorgungsbedarf chronischer kranker Menschen. Während eine Reihe der Betroffenen in erster Linie Unterstützung in den Bereichen Hauswirtschaft und Pflege benötigt, um zu Hause leben zu können, brauchen andere außerdem eine engmaschige intensivpflegerische, ärztliche und weitere therapeutische Betreuung sowie eine kontinuierliche Versorgung mit medizinisch-technischen Gerätschaften und Hilfsmitteln. Mit dem Fortschreiten einer chronisch-degenerativen Erkrankung kommt es vor allem im zunehmenden Alter zu Pflegebedürftigkeit, weshalb die Betroffenen auf Unterstützung angewiesen sind, um weiterhin zu Hause leben zu können. Diese Unterstützungsleistungen werden in Deutschland zum überwiegenden Teil von Angehörigen erbracht: Von den nach SGB XI als pflegebedürftig geltenden 2,13 Millionen Menschen im Jahr 2005 wurden 46 % ausschließlich von Angehörigen und 22 % von ambulanten Pflegediensten und zumeist gleichzeitig auch von pflegenden Angehörigen versorgt (Statistisches Bundesamt, 2007). 10.2.1
Dienstleistungen und Hilfsmittel Neben der informellen Unterstützung durch pflegende Angehörige, die zumeist die Basis der häuslichen Versorgung chronisch Kranker bildet, sind professionelle wie pflegerische und ärztliche Dienstleistungen notwendig; hinzu kommen oftmals weitere therapeutische Leistungen,
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z. B. Krankengymnastik oder Logopädie. Darüber hinaus sind meist noch eine Reihe weiterer Versorgungsbedarfe zu decken. Dazu zählen die bereits erwähnten hauswirtschaftlichen Leistungen, inklusive der Versorgung mit Nahrung (z. B. «Essen auf Rädern») und in diesem Rahmen möglicherweise auch eine ernährungsbezogene Beratung und Betreuung. Handelt es sich um sozial isolierte Menschen bzw. solche aus sozial benachteiligten Gruppen, kann eine sozialarbeiterische Betreuung dazu beitragen, den häuslichen Verbleib im Sinne der Betroffenen zu gewährleisten. Wenn pflegende Angehörige den Großteil der Versorgung chronisch Kranker leisten, sollten diese im Gesundheitssystem nicht als unendlich belastbare Ressource eingeplant werden, sondern vielmehr gezielte Entlastungs- und Unterstützungsmöglichkeiten angeboten bekommen. Dazu zählt neben dem Einbinden ambulanter Pflege- und Hospizdienste beispielsweise das Angebot an Tages-, Nachtund Kurzzeitpflege. Eine gezielte Entlastung pflegender Angehöriger dient nicht nur der Erhaltung von deren eigener Gesundheit, sondern auch einer möglichst langen Erhaltung der häuslichen Versorgung der Pflegebedürftigen. Neben dem Einsatz personenbezogener Dienstleistungen ist oftmals auch eine Versorgung mit Arzneimitteln, medizinisch-technischen Gerätschaften und anderen Hilfsmitteln notwendig. Daher sind auch Apotheken, Sanitätshäuser und andere Anbieter medizinisch-technischer Geräte und Hilfsmittel oder die entsprechenden Herstellerfirmen in der Versorgung chronisch Kranker eingebunden. Hilfs- und Verbandmittel werden beispielsweise zur Versorgung chronischer Wunden und bei Inkontinenz benötigt, ebenso bei künstlichem Darmausgang (Stoma) und dauerhaftem Luftröhrenschnitt (Tracheostoma). Andere Hilfsmittel dienen dazu, dass die Betroffenen möglichst lange selber mobil sein können, z. B. mittels Gehhilfen und Rollstühlen, oder sie dienen der Unterstützung bei der Pflege, wie Lifter- und Hebesysteme, um Pflegebedürftige (passiv) zu mobilisieren. Darüber hinaus werden zunehmend medizinische Geräte im häuslichen Bereich eingesetzt, die beispielsweise der Kontrolle von Blutdruck oder
Blutzucker dienen, die zur Verabreichung von Sauerstoff oder zum Absaugen von Atemwegssekreten benötigt werden, bis hin zu Infusions-, Schmerz- und Ernährungspumpen sowie Vorrichtungen zur Durchführung von Heimdialyse und Beatmungsgeräten (Lademann, 2005, 2007). 10.2.2
Technikintensive häusliche Versorgung Während ein Teil der medizinisch-technischen Gerätschaften schon seit längerem in der ambulanten Versorgung zum Einsatz kommt, werden Infusions-, Ernährungs- und Beatmungstherapien in Deutschland noch nicht regelmäßig im häuslichen Bereich eingesetzt (Lademann, 2007; Ewers, 2002). Hinzu kommen telematikgestützte Systeme, die als Alarm- und Notrufsysteme und zunehmend auch einem Datentransfer zwischen dem Zuhause der Patientinnen oder Patienten und Einrichtungen des Gesundheitswesens dienen (Liddy et al., 2008; Hillienhof, 2006). Daher kann zwischen therapiebezogenem und umweltbezogenem Technikeinsatz unterschieden werden (Ewers, 2003). Bislang wurden die therapiebezogenen Techniken ausschließlich im stationären Sektor eingesetzt. Durch entsprechende Entwicklungen werden solche Gerätschaften zunehmend «kompatibel» für den Hausgebrauch, d. h. sie sind transportabel, sicher und relativ einfach in der Bedienung. So ist eine künstliche Ernährung mittlerweile über einen langen Zeitraum möglich und im häuslichen Bereich einfach durchzuführen, indem Flüssignahrung über eine Sonde direkt in den Magen oder Darm verabreicht wird. Auch die ambulante Schmerztherapie ist mittlerweile bei weit fortgeschrittenen Krankheitsstadien (beispielsweise bei einer Krebserkrankung) möglich, indem hoch wirksame Medikamente über handliche Pumpsysteme verabreicht werden, die von den Patientinnen und Patienten selber, von ihren Angehörigen oder von professionellen Pflegekräften gehandhabt werden können. Handelt es sich um Säuglinge oder Kleinkinder mit schweren und mehrfachen Behinderungen, die eine dauerhafte medizinische und pflegerische Versorgung benötigen, sind oftmals Monitorsysteme im Einsatz, die einer ständigen Überwachung der
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Herzkreislauf- und Atemfunktionen dienen, was vormals ausschließlich im intensivstationären Bereich üblich war. Das Gleiche gilt für die künstliche Beatmung, mit der Betroffene heutzutage durchaus zu Hause leben können, die allerdings – wenn es sich um eine Dauerbeatmung handelt – eine intensivpflegerische Betreuung rund um die Uhr notwendig macht. Infusionen, die der Verabreichung von Flüssigkeit oder so genannter parenteraler Ernährung oder von Medikamenten dienen, werden in Deutschland im häuslichen Bereich bislang eher zurückhaltend eingesetzt (Ewers, 2003). Nicht zuletzt ist auch eine Form der Dialyse in der häuslichen Umgebung möglich: Es handelt sich dabei um die Bauchfell- oder Peritonealdialyse (auch Heimdialyse genannt), die wie alle anderen Formen von Hightech-Homecare eine Reihe an Gerätschaften und entsprechendes Know-how über den richtigen Umgang notwendig machen. Unter den chronisch Kranken werden gerade die Schwerstpflegebedürftigen, die eine Versorgung in Form von Hightech-Homecare benötigen, aufgrund des medizinisch-technischen Fortschrittes zunehmen. Die Möglichkeiten und Voraussetzungen zur Realisierung von (Hightech-) Homecare in Deutschland sind zwar gegeben, dennoch mangelt es hierzulande an der praktischen Umsetzung adäquater und tragfähiger häuslicher Versorgungskonzepte für schwer chronisch kranke Menschen (Lademann, 2007; Schaeffer/Ewers, 2002).
können. Schon lange ist bekannt, dass Patientinnen und Patienten, die nach einer stationären Behandlung zu Hause nicht ausreichend versorgt werden, mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder in ein Krankenhaus eingewiesen werden (SVR, 2000/2001). Daher gilt es, diese Versorgungslücke zu schließen und ein Homecare-Angebot bereitzustellen, das den Betroffenen einen langfristigen häuslichen Verbleib ermöglicht. Um dies zu gewährleisten, ist nicht nur der Einsatz einzelner Fachkräfte einer Berufsgruppe im häuslichen Bereich notwendig, sondern es sind in der Regel mehrere einzubinden. Je nach Bedarfsprofil kann das erforderliche Leistungspaket mit pflegerischen, ärztlichen und anderen therapeutischen Angeboten, hauswirtschaftlichen und psychosozialen Betreuungsleistungen sowie dem Bedarf an Arznei-, Verband- und Hilfsmitteln und medizinisch-technischen Gerätschaften sehr umfassend sein.
Homecare: Eine umfassende und integrierte Versorgung chronisch kranker Menschen
Mit einem multidisziplinären Versorgungskonzept geht Homecare über traditionelle häusliche Versorgungsformen hinaus, was vor allem eine große Herausforderung bezüglich einer koordinierten Organisation darstellt. In seinem neuen Gutachten betont der Sachverständigenrat Gesundheit vor dem Hintergrund zunehmender chronisch und multimorbid erkrankter Patientinnen und Patienten ausdrücklich die Notwendigkeit der engeren Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe (SVR, 2007). Empfohlen wird eine stärkere Einbeziehung der nichtärztlichen Gesundheitsberufe, was gerade im Bereich der häuslichen Versorgung aufgrund der oben genannten Betreuungsleistungen sinnvoll ist. Darüber hinaus muss die Betreuung in angemessener Dichte erfolgen, damit keine Betreuungslücken entstehen. So können beispielsweise stationäre Aufenthalte deutlich verkürzt oder ganz vermieden werden.
Chronisch kranke Menschen benötigen eine Langzeitversorgung, die auf den häuslichen Bereich zu konzentrieren ist. Es reicht nicht aus, akute Phasen einer chronischen Erkrankung im stationären Bereich zu behandeln, wenn dabei nicht berücksichtigt wird, wie die Betroffenen im Alltag mit ihrer Erkrankung zurechtkommen
Wie das Modell der Krankheitsverlaufskurve chronischer Krankheiten zeigt, sind neben den pflegerischen, ärztlichen und anderen therapeutischen Interventionen auch soziale und biografische Anpassungsleistungen notwendig. Diese müssen von den professionellen Dienstleistern gerade im Rahmen von Homecare berücksich-
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tigt werden, damit ihre Maßnahmen an der Lebenswelt und dem Alltag der Betroffenen anknüpfen und die gewünschte Wirkung – nämlich der Verbleib im häuslichen Bereich unter tragfähigen Umständen für alle Betroffenen – auch erzielen können. Eine solchermaßen angepasste Versorgung muss mit einer gewissen Kontinuität angeboten werden und dem umfassenden Versorgungsbedarf Rechnung tragen. Das bedeutet, dass die von den verschiedenen Anbietern im Rahmen von Homecare erbrachten Leistungen sinnvoll aufeinander abgestimmt werden (Schaeffer, 2006, 2000; SVR, 2005). Die Schaffung integrierter Versorgungsformen stellt daher für den ambulanten Bereich eine besondere Herausforderung dar, da die Leistungserbringer nicht über den gesamten Betreuungszeitraum am Ort der Versorgung bereitstehen, wie dies z. B. in Krankenhäusern der Fall ist. Von dem Problem einer fragmentierten Versorgungslandschaft sind gerade diejenigen betroffen, die einer umfassenden und langfristigen gesundheitlichen Betreuung bedürfen. Deshalb stellt eine integrierte Leistungserbringung ein wichtiges konzeptionelles Merkmal von Homecare dar. Notwendig ist dazu insbesondere die Schaffung funktionierender Informations- und Kommunikationsstrategien zwischen den verschiedenen Anbietern sowie die Etablierung effektiver Organisationsstrukturen. Die Grundlage einer koordinierten Versorgung im Rahmen der multi- bzw. interdisziplinären Zusammenarbeit von Homecare bilden Absprachen bezüglich Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten aller Beteiligten – sowohl der professionellen Dienstleister als auch der chronisch Kranken selbst und ihrer Angehörigen. Die Organisation einer integrierten Versorgung kann mithilfe gezielter Management-Strategien, beispielsweise in Form eines fallorientierten Vorgehens, wie dem Case Management realisiert werden. International wird der Berufsgruppe der Pflegenden die Schlüsselrolle in der Versorgungsgestaltung chronisch kranker Menschen eingeräumt (Schaeffer, 2006). Gemäß ihrem – im Vergleich zum bundesdeutschen – erweiterten
Selbst- und Aufgabenverständnis vor allem im angloamerikanischen Raum wird die Organisation und Koordination von Homecare international von Pflegekräften übernommen. Dies begründet sich mit Blick auf das gesamte Versorgungssystem sowohl auf ökonomische Überlegungen als auch auf fachliche Aspekte: Pflegekräfte verfügen über umfassende Kenntnisse zu den von ihnen Betreuten und zwar sowohl bezogen auf krankheitsbedingte Einschränkungen als auch auf gesundheitliche Ressourcen. Außerdem können sie sich gerade in der häuslichen Versorgung aufgrund der engen Beziehung zu den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen einen guten Einblick in soziale und alltagsbezogene Aspekte verschaffen. Die meist lebenslange Ausprägung chronischer Krankheiten sowie ihre wechselhaften und unsicheren Verläufe erfordern nicht nur eine entsprechende Anpassung der gesundheitlichen Versorgungsangebote, sondern auch die Notwendigkeit einer Stärkung der SelbstmanagementFähigkeiten auf Seiten der Betroffenen und ihrer sozialen Netze (Haslbeck/Schaeffer, 2007; Schaeffer, 2006). Dies ist wiederum ebenfalls eine professionelle Aufgabe und gerade im Rahmen von häuslichen Versorgungskonzepten gut umsetzbar. Allerdings gilt es, hierfür bestimmte strukturelle Gegebenheiten zu schaffen, wie beispielsweise die Ausbildung entsprechender Qualifikationen der Gesundheitsberufe und die Anerkennung von Empowerment-Maßnahmen als notwendige gesundheitsbezogene und soziale Dienstleistung (Lademann, 2007). 10.4
Fazit Aufgrund der Zunahme chronischer Krankheitsfälle und ihres länger werdenden Verlaufs wird der zukünftige Versorgungsschwerpunkt für Patientinnen und Patienten das häusliche Setting sein, was sowohl im Sinne der Betroffenen als auch gesundheitspolitisch gewollt ist. Die bislang bestehende Dominanz der akutmedizinischen Betreuung im Gesundheitswesen führt dazu, dass es im Bereich der Akutversorgung teilweise
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zur Überversorgung kommt, während chronisch kranke Patienten eher unterversorgt bleiben. Außerdem kann die gesundheitliche Versorgung mit dem bisherigen Fokus auf die somatische Komponente und ihre Behandlung dem Versorgungsbedarf chronisch Kranker nicht gerecht werden. Die Berücksichtigung psychosozialer, lebensweltlicher und biografischer Belange ist gerade bei der Bewältigung (lebens-) langer Krankheit notwendig, die möglichst lange im eigenen Zuhause gemanagt werden soll. Von der Entwicklung häuslicher Versorgungskonzepte unter Berücksichtigung der oben skizzierten Merkmale von Homecare – mit einer intelligenten Steuerung von evidenzbasierten Versorgungsabläufen, die der Krankheitsverlaufskurve chronisch Kranker individuell anzupassen sind – können sowohl die Betroffenen als auch das Gesundheitssystem im Sinne einer bedarfsgerechten und wirksamen Versorgung profitieren.
10.5
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Die Vollversion des Gutachtens 2005 steht auch als Bundestags-Drucksache 15-5670 unter http://dip. bundestag.de/parfors/parfors.htm(=Drucksachen) zum Download im pdf-Format zur Verfügung (392 Seiten). Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen: Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit. Band III: Über-, Unter- und Fehlversorgung. Gutachten 2000/2001. Ausführliche Zusammenfassung verfügbar unter: http://www.svr-gesundheit.de/ > Gutachten [Datum der letzten Einsichtnahme: 10. Juni 2008]. Die Vollversion des Gutachtens 2000/2001 steht auch als Bundestags-Drucksache 14-5660 (Bd. I), 14-5661 (Bd. II) und 14-6871 (Bd. III) unter http://dip.bundestag.de/parfors/parfors.htm(=Drucksachen) zum Download im pdf-Format zur Verfügung. Schaeffer, D.: Bewältigung chronischer Erkrankung. Konsequenzen für die Versorgungsgestaltung und die Pflege. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 39 (2006): 192–201. Schaeffer, D.: Versorgungsintegration und -kontinuität. Implikationen für eine prioritär ambulante Versorgung chronisch Kranker. Pflege und Gesellschaft 5, (2000) 2: 33–36.
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Versorgungspfade unterstützen die Homecare-Versorgung Christine von Reibnitz
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Einführung Die Gesundheitspolitik fordert zunehmend eine kostengünstige Patientenversorgung. Lösungsansätze hierfür liegen u. a. in der Nutzung von interdisziplinären Versorgungspfaden bei gleichzeitiger Integration eines Überleitungsmanagements. Die Abkehr von den klassischen Versorgungsstrukturen hin zu Versorgungsnetzen macht die Überleitung von Patienten, z. B. mit chronischen Wunden, aus dem ambulanten in den stationären Bereich und umgekehrt zunehmend wichtiger. Für die Klinik resultieren aus dem System der DRG (Diagnosis Related Groups) neue Herausforderungen an das Risikomanagement und Haftung für die Patientenbehandlung. Risikofaktoren für das Krankenhaus stellen ein längerer Patientenaufenthalt als die Grenzverweildauer, kein ausreichendes Nachsorgeangebot und die Entlassung in labilem Zustand sowie die Wiedereinweisung ins Krankenhaus mit derselben Diagnose dar. Optimierung und geplanter Ressourceneinsatz beeinflussen die Erlössituation für eine DRG. Hier kann eine Standardisierung von Versorgungsprozessen zu Kostensenkungen führen. Eine standardisierte Überleitung von Patienten und gesicherte ambulante Nachversorgung, z. B. durch qualifizierte Homecare-Experten, kann die Rehospitalisierungsrate senken. Gerade für Kliniken und Homecare-Unternehmen, die sich an der inte-
grierten Versorgung nach § 140 SGB V beteiligen wollen, ist die Anwendung interdisziplinärer Pfade mit entsprechendem Überleitungsmanagement im Hinblick auf Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit sowie für die Verhandlungen mit Kostenträgern von Bedeutung. Die Patientenkarriere beginnt mit dem Aufnahmemanagement als Modul eines interdisziplinären Pfades. Der Behandlungsprozess lässt sich indikationsspezifisch auf einem Pfad abbilden. Das Entlassungsmanagement bildet das abschließende Modul eines interdisziplinären Pfades. Das Überleitungsmanagement umfasst daher sowohl die Aufnahme als auch die Entlassung (s. Abb. 11-1).
Behandlungsprozess Aufnahmemanagement
Entlassungsmanagement interdisziplinärer Versorgungspfad
ambulanter Bereich
stationärer Bereich
ambulanter Bereich
sektorübergreifende Versorgung Überleitungsmanagement
Abbildung 11-1: Überleitung – Element eines Versor-
gungspfades.
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Bislang wurden mit Versorgungspfaden Behandlungsschritte während des stationären Aufenthaltes abgebildet. Im Zuge des DRG-Systems reicht das aber nicht aus, sondern die Schnittstellen zur Aufnahme und Entlassung aus der Klinik müssen integriert werden. Standardisierung und Controlling der Behandlungsprozesse, z. B. chronischer Wunden, hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und Qualität können mithilfe interdisziplinärer Versorgungspfade und Einbindung von entsprechenden Homecare-Leistungen das Risiko der Wiedereinweisung senken und einen nachhaltigen Erfolg der in der Klinik begonnenen Behandlung sichern (von Reibnitz/ Hermanns, 2004).
11.2
Was ist unter Versorgungspfaden zu verstehen? Der Begriff «Versorgungspfad» (engl.: pathway) stammt aus dem nordamerikanischen Sprachraum und ist auch als Clinical Pathway oder Behandlungspfad bekannt. In den USA wurden Versorgungspfade aufgrund von Kostendruck und DRG-Einführung entwickelt. Sie haben ihre Grundlage in der Industrie als kritische Pfade, die den kürzesten Weg zwischen Ursprung und Ziel der Produkterstellung beschreiben. In Deutschland wird im Zuge neuer Leistungsanforderungen und Finanzierungskonzepte in Krankenhäusern zunehmend intensiver der Einsatz und Nutzen von Versorgungspfaden diskutiert. Inhalte der Diskussion sind die Anwendung von Versorgungspfaden als Konzept zur Optimierung der Qualität von Behandlungsprozessen und Ablaufstrukturen sowie Wirtschaftlichkeitsaspekten. Auch im ambulanten Bereich im Rahmen von Qualitätssicherung und unter dem Zwang einer ökonomischen Entwicklung der Gebührenordnung der gesetzlichen Krankenkassen arbeiten KBV (Kassenärztliche Bundesvereinigung) und Kassen schon an Versorgungspfaden. Der Begriff «Versorgungspfad» wird in Deutschland aber sehr unterschiedlich definiert, was
eine Zuordnung erschwert. In der internationalen und auch deutschen Literatur finden sich völlig verschiedene Begriffe inhaltlich gleich und wieder gleiche Begriffe inhaltlich verschieden definiert. Clinical Pathways, Patientenpfade, Behandlungspfade, Leitlinien, Behandlungsrichtlinien, Standard Procedures werden synonym und divergent verwendet (Roeder et al., 2003). Interdisziplinäre Versorgungspfade gehen über den Begriff der Behandlungspfade hinaus, da hier die berufsgruppenübergreifende Versorgung Hauptmerkmal bildet (Dykes, 2000). Zur Vereinfachung wird im Folgenden mehrheitlich der Begriff «interdisziplinärer Versorgungspfad» verwendet. Das Konzept der Versorgungspfade strebt eine höhere Standardisierung der klinischen Behandlung an. Grundlage sollen einerseits die wissenschaftliche und anderseits die wirtschaftliche Effizienz bilden. Ziel ist die Erhöhung der Behandlungsqualität und der Ressourceneffizienz, was gerade vor dem Hintergrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation vieler Krankenhäuser und nachsorgender Einrichtungen an Bedeutung gewinnt. In Abgrenzung zu den DRGs, die Sammelgruppen von Fällen ähnlicher Erkrankungen mit vergleichbarem ökonomischem Aufwand bilden, geben Versorgungspfade Auskunft über Qualität und gute klinische Praxis. Sie beziehen sich auf definierte Krankheitsbilder und ihre Diagnostik und ermöglichen die Messung von Qualität und Leistung. Hingegen variieren die Behandlungsoptionen bei den DRGs erheblich, und nur selten bildet eine DRG eine Behandlungsoption ab. Daher kann es innerhalb einer DRG unterschiedliche Pfade geben und auch ein Behandlungspfad mehrere DRGs durchlaufen. 11.2.1
Wie arbeiten interdisziplinäre Versorgungspfade? Ein interdisziplinärer Versorgungspfad ist keine medizinische oder pflegerische Leitlinie mit Darstellung verschiedener diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen, keine Arbeitsanweisung, die die ärztliche oder pflegerische Entschei-
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dungsfreiheit beschränkt oder eine Behandlung ohne Abweichungen vorgibt. Vielmehr stellt ein Pfad einen Behandlungskorridor dar, der sich an Diagnostik und Therapie für den Patienten mit einem bestimmten Krankheitsbild oder einer bestimmten Symptomatik orientiert und die Ablauforganisation sowie Patientenüberleitung mit Entscheidungsalternativen abbildet. Grundlage sind immer die klinikinterne Organisation, die poststationäre Versorgung sowie die patientenindividuellen Konstellationen. Ein Pfad sollte daher stets auf diese abgestimmt sein und nicht von extern aufgesetzt werden. Er bildet kein starres Ablaufschema, und die eventuell auftretenden Probleme (Komplikationen, Nebenerkrankungen des Patienten) für die Behandlung und damit die erforderlichen Abweichungen von einem festen Schema müssen immer berücksichtigt werden. Grundlegende Voraussetzungen für die Anwendung des Konzeptes der interdisziplinären Versorgungspfade sind: die Schaffung von Transparenz über die Prozessstrukturen und -leistungen der Behandlung im Krankenhaus und die Aufnahme von Daten über Behandlungsergebnisse mithilfe einer Prozessanalyse. Die Transparenz erlaubt die wissenschaftliche und ökonomische Evaluation der Effizienz von Behandlungen. Die Auswahl eines optimalen Versorgungspfades erfolgt unter Kostengesichtspunkten. Durch sie könnten Kosten- und Ressourcentransparenz geschaffen werden vor dem Hintergrund, dass ungefähr 60 bis 70 % der Behandlungsfälle in gleichen Fachabteilungen, aber unterschiedlichen Krankenhäusern einem typischen Krankheitsverlauf folgen (von Reibnitz/ Hermanns, 2004). Der Pfad mit der besten Kosten-Nutzen-Relation wird als Standard definiert. Die Vorgabe von Standards kann im Ergebnis die Verweildauer senken und auch zu einer Reduzierung des Dokumentations- und Organisationsaufwandes beitragen. Der Pfad wird daher nicht nur als Vorgabe für die Behandlung, sondern auch als Dokumentationsinstrument eingesetzt, indem er selbst die Basis für die behandlungsbegleitende Dokumentation darstellt. Versorgungspfade bilden das zentrale Element
des gesamten Behandlungsprozesses und die Grundlage für die Definition von Qualitätszielen, Kostendarstellung und die Festlegung benötigter Ressourcen (Wheeler, 2000). Die Zieldefinition ist für die Entwicklung von Versorgungspfaden zwingend. Bei diesen Zielen sind Haupt- und Nebenziel (s. Tab. 11-1 auf S. 112) zu unterscheiden. Ein wichtiger Erfolgsfaktor liegt in der Auswahl der richtigen Patientengruppe, für die ein Versorgungspfad erstellt wird (Hildebrandt, 2003). Hierbei sollte es sich um häufig vorkommende Fälle mit hohen Kosten handeln, bei denen eine Verbesserung der Qualität und ein Kostensenkungspotenzial besteht. Im Pfad werden klinische Erfahrungen und medizinische Leitlinien an die lokalen Verhältnisse eines Krankenhauses oder einer Abteilung angepasst. Die Patientengruppe, für die ein Pfad erstellt wird, sollte hinsichtlich der klinischen Parameter und Ressourcenaufwendungen relativ homogen sein, d. h. eine Gruppe von Patienten, die auf die gleiche Art und Weise behandelt wird. Der Pfad sollte während des Einsatzes regelmäßig evaluiert werden, was zur Beseitigung von Defiziten im Behandlungsablauf führt. Aus den kontinuierlichen Evaluationen resultieren kontinuierliche Verbesserungsprozesse. Sie sind nicht auf einzelne Abteilungen begrenzt, sondern interdisziplinär für den gesamten Behandlungsfall gültig und begleiten damit auch häufig organisatorische Veränderungsprozesse (Müller et al., 2001). 11.2.2
Pfadentwicklung Die Erstellung und Pflege von Versorgungspfaden ist ressourcenbindend, so dass nicht jede Indikation entsprechend beschrieben werden kann. Häufige, z. B. über eine ABC-Analyse der ICD-10-Codes (International Classification of Diseases) zu identifizierende Indikationen oder auch Hauptdiagnosen eignen sich zur Entwicklung, wie z. B. Indikationen für Krankheiten mit interdisziplinärem Ansatz (z. B. Sepsis, Tumorerkrankungen, diabetischer Fuß), Krankheiten mit interdisziplinärem und transsektoralem An-
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Tabelle 11-1: Ziele von Versorgungspfaden. Hauptziele
Nebenziele
1. Steigerung der Behandlungsqualität (Qualitätsmanagement)
1. Verbesserung der Teamarbeit (therapeutisches Team) 2. Dokumentationsverbesserung
2. Standardisierung auf hohem Niveau (Qualitätssicherung) in den Bereichen Diagnostik, Therapie, Rehabilitation, Sekundärprävention (Empowerment, Patientenedukation) und paramedizinische Leistungen (Information, Aufklärung) 3. Optimierung des Behandlungsablaufs (Organisation, Vermeidung nichtklinisch bedingter langer Verweildauern)
3. Führungs- und Ausbildungsinstrument (z. B. Einarbeitung neuer Mitarbeiter/innen) 4. Erhalt des Wissens auch bei Personalfluktuation 5. Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen ambulantem und stationärem Bereich 6. Wettbewerbsfähigkeit und Marketing gegenüber Leistungserbringern und Leistungsfinanzierern
4. Kostenkontrolle und Kostenoptimierung 7. Benchmarking-Instrument (Monitoring, Vergleich und Marktpositionierung, z. B. Fallzahlentwicklung) 8. externe Qualitätssicherung (Vermeidung von Behandlungsfehlern, Nachweisfunktion) (Quelle: von Reibnitz/Hermanns, 2004: 437)
satz (Polytrauma, Schlaganfall), Krankheiten mit hohen Behandlungskosten oder auch Krankheiten der Disease-Management-Programme. Die Entwicklung von Versorgungspfaden erfordert die Beachtung wichtiger Grundsätze wie z. B. Transparenz, Prozessorientierung, Einfachheit und Nützlichkeit, Orientierung an übergeordneten Leitlinien (z. B. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V., AWMF) und Standards, situative Vorgehensweise und Zeitbezug (Vogel et al., 2002). Die Entwicklung von interdisziplinären Versorgungspfaden beginnt mit einer Analyse des Ist-Zustandes. Was wird gemacht? Warum wird es gemacht? Ist eine Maßnahme zweckmäßig? Die Entwicklung durchläuft die in Tabelle 11-2 dargestellten Schritte. Die Pfaderstellung ist für jedes Diagnosefeld immer wieder gleich und unterteilt sich in die Erfassung der durchzuführenden Untersuchungen, Labor- und Behandlungsleistungen, Medikation, Konsile, Ernährung, Physiotherapie, Patientenschulung, psychosoziale Nachsorge und Überleitungsplanung. Zur Pfadentwicklung gehört auch die Festlegung von Ein- und Aus-
schlusskriterien. Ziel ist, eine relativ homogene Patientengruppe zu erhalten in Bezug auf Risiko und notwendige Behandlung. Einschlusskriterien legen die Grenzen des Pfades konkret fest, z. B. akuter Myokardinfarkt bei unbekanntem Koronarstatus. Ausschlusskriterien selektieren das Patientengut. Mögliche Ausschlusskriterien sind z. B. bekannte maligne Erkrankungen, hohes Anästhesierisiko oder Schwangerschaft. Wichtig ist, dass das bisherige Prozedere des Behandlungsablaufs detailliert erfasst und dokumentiert wird. Dieser umfasst in der Regel den Zeitraum von der Aufnahme des Patienten bis zu seiner Entlassung aus der Einrichtung oder der Überleitung in die Nachversorgung. Im Rahmen der DRG-Einführung und der damit zu erwartenden Entwicklung erscheint es sinnvoll, den Zeitraum der präoperativen/ambulanten Vorbereitungen sowie die nachstationäre Behandlung mit in den Versorgungspfad aufzunehmen. Besonderes Augenmerk ist auf eine adäquate Einbindung der Leistungen von Pflege und Homecare-Versorgern zu setzen, da sie neben der ärztlichen Seite Prozessverantwortung trägt.
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Tabelle 11-2: Schritte der Pfadentwicklung. I.
Die beteiligten Berufsgruppen und Disziplinen definieren getrennt oder gemeinsam den Ist-Zustand des Behandlungsablaufs. IST-ANALYSE
II.
Abgleich mit folgender Definition eines Soll-Zustandes, der formuliert und auf seine Praktikabilität geprüft werden muss – SOLL-KONZEPT
III.
Behandlungsinhalte aller Prozessphasen (prästationäre Phase, Aufnahme, intensivstationäre Versorgung, normalstationäre Versorgung, Operation, Entlassung, poststationäre Phase), indikationsbezogene Behandlungsziele, Lehrbuchauszüge; Hinweise zu ICD-10- und OPS-301-Ziffern, Kodierrichtlinien und DRG-Gruppen
IV.
Krankheits- und Behandlungsvarianten oder Behandlung von Begleiterkrankungen können in Co-Pfaden dargestellt werden.
V.
Nach Definition der klinischen Vorgehensweise können kostenkalkulatorische Aspekte bearbeitet werden.
VI.
Alternativ kann die Prozesskostenrechnung nach Evaluation des Pfades in der Praxis angeschlossen werden, was die Akzeptanz bei den Behandelnden erhöhen dürfte.
VII.
Für jeden Pfad werden Qualitätsindikatoren festgelegt, die medizinischer (z. B. Belastbarkeit), organisatorischer (z. B. Wartezeiten im Bereich der Diagnostik) oder ökonomischer Natur (z. B. Medikamentenkosten) sein können.
VIII. Vorlegung des Pfades zur Freigabe bei den jeweiligen Leitungen des ärztlichen, pflegerischen und sonstigen Bereichs IX.
Vorstellung des Pfades innerhalb der betroffenen Bereiche und Schulung der Mitarbeiter
X.
Verbindliche Behandlung der Patienten nach den Grundsätzen des Pfades, soweit nicht dokumentierte Gründe entgegenstehen (z. B. Anpassung des Pfades)
Die Ist-Analyse des bestehenden Behandlungsablaufes kann durch Interviewen der Verantwortlichen der einzelnen Bereiche, die der Patient durchläuft, mit relativ geringem Aufwand durchgeführt werden. Durch die gewonnenen Daten über den Behandlungsablauf werden einerseits Schnittstellen im Behandlungsablauf deutlich und andererseits die Personen offenbar, die an der Behandlung des Patienten beteiligt sind. Notwendigerweise muss für einen Versorgungspfad Pfadbeginn und Pfadende definiert werden. Diese können (müssen aber nicht) mit dem stationären Aufenthalt gleichgesetzt werden. Pfadaustrittspunkte können entweder zu einem anderen Pfad oder ganz zum Austritt aus einer Pfadbehandlung führen (z. B. Komplikation wie Lungenembolie, Sepsis; Widerlegung der Aufnahmediagnose). Hier ist die Integration der Überleitung wichtig und setzt die Einbindung der Homecare-Versorger in die Definition der Schnittstellen voraus (Jackson et al., 2000).
11.2.3
Implementierung eines Versorgungspfades Die Formulierung eines Soll-Konzeptes orientiert sich an der Optimierung des Behandlungsprozesses, der Festlegung von Standards und der Bereitstellung weiterführender Dokumentationen. Das Konzept zielt ebenso auf eine Verbesserung der Zusammenarbeit insbesondere an den Schnittstellen im Behandlungsprozess ab. Grundsätzlich bilden die Leitlinien als Systemteil des Versorgungspfads das Herz des SollKonzeptes. Hier können verschiedene Leitlinien eingesetzt werden. Leitlinien werden definiert als «systemisch entwickelte Darstellungen und Empfehlungen – meist von medizinischen Fachgesellschaften – mit dem Zweck, Ärzte und Patienten bei der Entscheidung über angemessene Maßnahmen (Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge) der Krankenversorgung unter spezifischen medizinischen Umständen
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zu unterstützen». Hausinterne Leitlinien, Richtlinien oder Standards werden auch verwendet. Versorgungspfade können unterschiedlich detailliert erstellt werden. Die Form der Ausgestaltung ist nicht festgelegt und sollte auf die Krankheit und die Nutzer des Pfades ausgerichtet sein. Es stehen hierzu verschiedene Methoden zur Visualisierung des Versorgungspfads, wie Text und Tabellen, Diagramme (Flussdiagramme, Algorithmen), Zeichnungen, Grafiken und Photos zur Verfügung. Amerikanische Ansätze nutzen den Versorgungspfad als Dokumentationsvorlage der Behandlung (z. B. im Sinne von Checklisten). Sie beinhalten eine genaue tagesbezogene Terminierung von Behandlungsabschnitten, die allerdings abhängig von der Variabilität des Krankheitsverlaufs zum Teil häufig unter- oder überschritten wird. Bedeutend sind Benutzerfreundlichkeit und die Vermeidung von Redundanzen durch zusätzliche Verlaufspläne oder sonstige Ausweitung der Dokumentation. Zukünftig unterstützt die elektronische Patientenakte die Abbildung von Versorgungspfaden. Ein wichtiges Dokument für die Homecare-Versorgung ist ein standardisierter Überleitungsbogen, der die relevanten Behandlungsschritte zusammenfasst und Angaben zur Nachversorgung der Patienten enthält. Ein neu erstellter Pfad ist vorerst für zwei bis drei Monate einzusetzen. In dieser Zeit werden Konformität und Abweichungen in der Behandlung, d. h. bei wie viel Prozent der Fälle sich der Pfad unverändert anwenden lässt, erfasst, diskutiert und zurückgemeldet. Diese Abweichungsstatistik stellt ein wichtiges Kontroll- und Steuerungsinstrument dar. Erst danach kann ein Pfad dauerhaft eingesetzt werden. Eine regelmäßige Kontrolle der Abweichungen gehört zur Pfadroutine. Sie gibt ergänzend Auskunft über Besonderheiten im klinischen Ablauf, ebenso wie über patientenspezifische Besonderheiten. Die Ergebnisse der Abweichungsanalyse können zur kontinuierlichen Verbesserung des Prozesses und des Pfades eingesetzt werden. Probleme wie z. B. Komplikationsraten lassen sich an Daten darstellen und diskutieren. Die Inhalte des Pfades mit Überleitungsdokumentation werden dar-
über hinaus an die Hausärzte, Rettungsdienste, zuweisende oder übernehmende Einrichtungen vermittelt, um Transparenz zu schaffen, Zusammenarbeit zu ermöglichen und Schnittstellenprobleme zu minimieren. Neben einer strukturierten Kommunikation kann aus dieser Vorgehensweise auch die Intensivierung der Kooperation (horizontal, vertikal) folgen.
11.3
Versorgungspfade in der Praxis Beispiel Versorgung chronischer Wunden Chronische Wunden stellen für Krankenhäuser und Pflegeheime insbesondere durch die DRGEinführung erhebliche Versorgungsprobleme dar. Traditionell werden chronische Wunden von mehreren Disziplinen betreut. Erste Anlaufstelle ist oft der Grundversorger (Hausarzt), gefolgt von vielen Fachdisziplinen, die über einen ganz spezifischen Erfahrungsschatz in der Wundbehandlung verfügen. Unzureichende Standardisierung und Koordination dieses Versorgungsprozesses haben zu hohen volkswirtschaftlichen Belastungen für die Kostenträger und die Gesellschaft geführt. In den letzten Jahren hat sich zunehmend gezeigt, dass gerade diese Patienten von multidisziplinärer Betreuung profitieren können. Das Wettbewerbstärkungsgesetz (WSG) 2006 und Gesundheitsmodernisierungs-Gesetz (GMG) 2004 schaffen Vorgaben zur Implementierung integrierter Versorgungskonzepte und bieten Ansätze zu multidisziplinärer Betreuung (von Reibnitz, 2004). Mithilfe eines interdisziplinären Versorgungspfades mit einem Modul zum Überleitungsmanagement lässt sich der Behandlungsablauf detailliert beschreiben und festlegen. Dies beinhaltet sowohl die stationäre als auch die ambulante prä- und poststationäre Behandlung. Interdisziplinäre Versorgungspfade dienen damit auch als Kommunikationsinstrument, mit dem die Klinik ihren Qualitätsstandard gegenüber dem Kostenträger definiert. Die Verhandlungspartner orientieren sich bei den Gesprächen am Pfadinhalt. Für die integrierte Versorgung dient der Versorgungspfad auch zur Kalkulation von Komplexpauschalen, die die
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Kosten der gesamten stationären und poststationären Behandlung abbilden. Damit stellt er einen wesentlichen Bestandteil der Vertragsverhandlungen mit den Kostenträgern dar. Darüber hinaus lassen sich je nach Bedarf zusätzlich andere Leitungserbringer wie z. B. Sanitätshäuser, Homecare-Unternehmen und Apotheken vertraglich gemäß den definierten Behandlungsstandards für das Wundmanagement einbinden. Abbildung 11-2 zeigt einen Ausschnitt aus einem interdisziplinären Versorgungspfad mit nachstationärer Betreuung für Ulcus cruris.
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11.3.1
Prozessbeschreibung Ein Überleitungsmanagement, z. B. für die Versorgung chronischer Wunden, erfordert eine interdisziplinäre Konzeption, um eine ganzheitliche, qualitätsorientierte und wirtschaftliche Nachversorgung im Rahmen des Wundmanagements zu gewährleisten. Ziele hierbei sind (von Reibnitz, 2004): auf Basis einer Ist-Analyse Konzeption eines poststationären Versorgungsplans (s. Abb. 11-3 auf S. 116). den Heilerfolg der Wundbehandlung durch vorausschauende, interdisziplinär abgestimmte Planung der Versorgung nach dem Krankenhausaufenthalt zu sichern
Überleitungsmanagement am Beispiel Ulcus cruris vereinfachte Darstellung stationärer Bereich Patienten-Assessment
Wunde
Wundbeurteilung Messung Fotografie Biopsie usw. Labor Beratung Ernährung Podiatrie usw.
nachstationäre Versorgung weiterführende Therapie Protokoll Wundauflagen Case Management Daten-/Outcome Management Sozialdienste Homecare Patientenedukation Angehörigenschulung Risikoassessment Mobilität Inkontinenz Ernährung usw.
Assessment Infektion Zellkulturen klinische Parameter Labor
nein normale Durchblutung
ja
nein
Wundmanagement Wundexzision wöchentl. Débridement adjunktive Therapie Druckentlastung Hautpflege Ernährung Inkontinenzkontrolle
GefäßSprechstunde Arzt GefäßAssessment Laser Doppler Druckmessung usw.
Wiederherstellung Gefäßversorgung
ja
Wundverschluss
Erfolg
Heilung nein
Infektion ja
Behandlung chirurg. Débridement Antibiotika topisch/enteral
Abbruch
Reassessment
Woche 1–2
Woche 3–8
über 8 Wochen
Abbildung 11-2: Vereinfachte Darstellung eines interdisziplinären Versorgungspfads für Ulcus cruris. (Quelle: von
Reibnitz, 2005)
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die individuellen Lebensumstände des Patienten rechtzeitig in die Planung einzubeziehen, insbesondere die medizinischen, pflegerischen und sozialen Bedingungen den Informationsfluss zwischen niedergelassenen und stationär behandelnden Ärzten zu sichern eine angemessene pflegerische Weiterversorgung des Patienten durch einen gemeinsamen Wundversorgungsstandard zu sichern eine qualitativ hochwertige Versorgung mit Verbänden und Hilfsmitteln durch Kooperationsvereinbarungen mit ambulanten und stationären Einrichtungen zu gewährleisten die Versorgungskette zur Steigerung der Versorgungsqualität und zur Kostensenkung zu schließen. Bislang basierte die Überleitung von Patienten auf den herkömmlichen Pflegebriefen und Arztberichten, die den Anforderungen der integrierten Versorgung nicht mehr gerecht werden. Zu den Anforderungen gehören u. a. die Nutzung eines standardisierten Überleitungsbogens, der auch speziell die Situation des zu Versorgenden abbildet, und eine gute Dokumentation des bisherigen Versorgungsverlaufs (z. B. Wunddokumentation), Therapieempfehlungen für die Nachversorgung sowie die Nutzung des Angebotes von Experten wie Pflegedienste, Sanitätshäuser, Homecare-Unternehmen, die den Patien-
Überleitungsmanagement
Ist-Analyse des Versorgungsbedarfs
Patientenüberleitung
Verlegung/Entlassung ohne Unterstützung/Beratung
(alle Verlegungen und Entlassungen von Patienten mit individuellem Pflege-, Beratungs-, Hilfe-, Behandlungsbedarf)
einfache Überleitung komplexe Überleitung (Beratung)
stationär ambulant
umfangreicher Beratungsund Hilfsbedarf
koordinierte Überleitung
Abbildung 11-3: Modul Überleitungsmanagement im
Versorgungspfad.
ten in der poststationären Versorgung begleiten. Die im Krankenhaus begonnene Therapie sollte unter Verantwortung des betreuenden Arztes im poststationären Bereich konsequent weitergeführt werden, um schnelle Abheilungsraten und Genesung der betroffenen Patienten zu erreichen (von Reibnitz, 2006). Oftmals wird argumentiert, dass die moderne Wundversorgungstherapie zu teuer ist, aber sie rechnet sich betriebswirtschaftlich durch Einsparungen der täglichen Salbenverbände und des erhöhten pflegerischen Personalaufwandes. Für die Kostenträger sind volkswirtschaftlich die schnelleren Abheilungsraten und eine Verringerung der Versorgungskosten von Bedeutung und die frühzeitigere Reintegration in das Arbeitsleben oder den Alltag (s. dazu auch Abb. 11-2). 11.3.2
Anforderungen an die Überleitung Überleitungsmanagement zielt, neben den hinreichend bekannten ökonomischen Gründen, auch auf eine Steigerung der Lebensqualität der Patienten ab. Dazu gehört eine qualifizierte pflegerische und medizinische Versorgung sowie die psycho-soziale Unterstützung von Patienten und Angehörigen. Zur Vermeidung von Betreuungslücken muss die Versorgung in einer dem Betreuungsbedarf angemessenen Dichte erfolgen (s. Abb. 11-4). Prozessbeteiligte sollten folgende Anforderungen erfüllen: Arzt mit erweiterter Ausbildung in modernem Wundmanagement Pflege- und Homecare-Personal mit speziellen Kenntnissen der Wundversorgung und des Wundmanagements sowie Homecare und weitere Experten mit Kenntnissen der Ernährung und Hilfsmittelversorgung. Eine kontinuierliche standardisierte Überleitung und Informationsvermittlung innerhalb und zwischen den beteiligten Professionen spielt eine wesentliche Rolle. Ein standardisiertes Überleitungsmanagement erfordert eine interdisziplinäre Konzeption, um
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eine ganzheitliche, qualitätsorientierte und wirtschaftliche Nachversorgung im Rahmen des Wundmanagements zu gewährleisten. 11.4
Schlussfolgerungen Insbesondere die Verzahnung der verschiedenen Organisationseinheiten während des stationären Aufenthaltes des Patienten und die Kooperation zwischen stationärem und ambulantem Bereich bedürfen bei der Implementierung von interdisziplinären Behandlungspfaden einer Optimierung und oft einer neuen Einsicht bei Klinikleitern, dass ohne Arbeit im Team (Abteilungen, Ärzte, Pflegekräfte, weiteres medizinisches Fachpersonal) nichts – weder medizinisch noch ökonomisch – optimal laufen wird. Die mangelnde Transparenz der Prozesse, ein zurzeit oder nur teilweise vorhandenes Kostenbewusstsein der Beteiligten sowie berufsgruppenspezifische Abgrenzungen verhindern hier noch eine optimale Nutzung vorhandener Ressourcen. Ein Versorgungspfad ist ein Steuerungsinstrument und beschreibt den optimalen Weg eines speziellen Patiententyps mit seinen entscheidenden diagnostischen und therapeutischen Leistungen und seiner zeitlichen Abfolge. Interdisziplinäre und interprofessionelle Aspekte finden ebenso Berücksichtigung wie Elemente zur Umsetzung, Steuerung und ökonomischen Bewertung. Behandlungsprozesse müssen in Zukunft nach klaren Ablaufplänen und transparenten Konzepten stattfinden. Die Zusammenarbeit unterschiedlicher Berufsgruppen muss zielgerichtet und strukturiert erfolgen. Versorgungspfade orientieren sich an den Grundsätzen des Qualitätsmanagements. Die Steuerung des medizinisch-pflegerischen Behandlungsablaufs erfolgt auf der Basis von evidence-based medicine und evidence-based nursing. Nicht alle Patienten eines Krankenhauses sind einem Versorgungspfad zuzuordnen. Die Pfadinhalte befassen sich mit einzelnen Maßnahmen des Behandlungsablaufs, der dahinter liegenden Zeit und den benötigten Ressourcen. Mit interdisziplinären Versorgungspfaden kann eine detaillierte Prozesssteuerung und Kostenreduktion gut dar-
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gestellt werden. Medizinische Leitlinien/Pflegestandards der Einrichtung sind das Rückgrat der Versorgungspfade. Mit Hilfe eines interdisziplinären Versorgungspfades lässt sich der Behandlungsablauf detailliert beschreiben und festlegen. Dies beinhaltet sowohl die stationäre als auch die ambulante prä- und poststationäre Behandlung. Interdisziplinäre Versorgungspfade dienen damit auch als Kommunikationsinstrument, mit dem die Klinik ihren Qualitätsstandard gegenüber dem Kostenträger definiert. Die Verhandlungspartner orientieren sich bei den Gesprächen am Pfadinhalt. Für die integrierte Versorgung dient der interdisziplinäre Pfad auch zur Kalkulation von Komplexpauschalen, die die Kosten der gesamten stationären und poststationären Behandlung abbilden. Damit stellt er einen wesentlichen Bestandteil der Vertragsverhandlungen mit den Kostenträgern dar. Darüber hinaus lassen sich in Abhängigkeit des Bedarfs zusätzlich andere Leitungserbringer wie z. B. Sanitätshäuser, Homecare-Unternehmen und Apotheken vertraglich
Integration von Leistungen in umfassende, multiprofessionelle Angebote
Es ist notwendig, medizinische und pflegerische Leistungen miteinander zu verbinden, aber auch Heil- und Pflegemittel bereitzustellen, denen gerade bei komplexer ambulanter Nachsorge eine besondere Bedeutung zukommt.
Integration der Anbieter und Kontinuität der Versorgungskette
Koordination und Sicherstellung der lückenlosen Versorgung durch vertragliche Bindung der Leistungserbringer
Integration der Qualitätssicherung in die Versorgung
Die Qualitätssicherung umfasst dabei das Qualifikations- und Ausstattungsniveau der Leistungserbringer und auch die Qualitätssicherung der Leistungen.
Abbildung 11-4: Anforderungen an eine koordinierte Überleitung. (Quelle: von Reibnitz, 2006)
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Homecare
gemäß der definierten Behandlungsstandards einbinden.
11.5
Voraussetzung für die erfolgreiche Erstellung und Einführung von Versorgungspfaden ist die Bereitschaft aller beteiligten Berufsgruppen und Abteilungen zu einem intensiven Dialog, zur Kooperation sowie zum horizontalen Management und zum Abbau von Hierarchien. Die Einführung von interdisziplinären Versorgungspfaden unterstützt den Abbau von Informationsdefiziten und Bürokratie im Krankenhaus und steigert die Qualität der Krankenhausleistungen. Es gibt aber kein Kochbuchrezept mit Erfolgsgarantie, sondern Versorgungspfade müssen krankenhausindividuell entwickelt werden. Dies erfordert die Bereitschaft und den Willen zu Veränderungen, und diese müssen primär in den Köpfen und nicht auf dem Papier erfolgen. Die Nutzung eines interdisziplinären Versorgungspfades mit einem Überleitungsmanagement in nachgelagerte Versorgungsformen hilft, stationäre Verweildauern zu senken sowie Wiederaufnahmen ins Krankenhaus und Kosten zu reduzieren. Eine weiterführende und nachhaltige Umsetzung dieses Konzeptes erfordert:
Dykes, P. C.: Interdisziplinäre Versorgungspfade im ambulanten Bereich. In: Dykes, P. C.; Wheeler, K.: Critical Pathways – Interdisziplinäre Versorgungspfade. Verlag Hans Huber, Bern 2000: 123–134. Hildebrandt, R.: Ziele und Nutzen klinischer Pfade. In: Hellmann, W. (Hrsg.): Praxis klinischer Pfade. Verlag Ecomed, Landsberg 2003. Jackson, C. L.; de Jong, I.; Oats, J.: Clinical pathways involving general practice – a new approach to integrated health care? Australian Health Care, 23 (2000): 88–95. Müller, H.P.; Schmid, K.; Conen, D.: Interne Leitlinien und Patientenpfade. Medizinische Klinik, 96 (2001): 692–697. Roeder, N.; Hindle, D.; Loskamp, N.; Juhra, C.; Hensen, P.; Bunzemeier, H.; Rochell, B.: Frischer Wind mit klinischen Behandlungspfaden II. Das Krankenhaus, 2 (2003): 124–130. Royal College of Nursing (Ed.): Clinical Practice Guidelines. The Management of Patients with Venous Leg Ulcers. London 2000. Verfügbar unter: http://www. rcn.org.uk/__data/assets/pdf_file/0004/107941/0012 69.pdf. [Datum der letzten Einsichtnahme: 21. Juli 2008]. Vogel, S.; Buchecker, P.; Seyfarth-Metzger, I.: Patientenpfade im Krankenhaus München-Schwabing (KMS). Das Krankenhaus, 10 (2002): 787–793. von Reibnitz, C.: Grenzen überschreiten. Integrierte Versorgung unterstützt modernes Wundmanagement. Doppelpunkt, 3 (2004) 8: 12–15. von Reibnitz, C.; Hermanns, P. M.: Clinical Pathways. In: Hermanns, P. M. (Hrsg.): drg-line 2004. G-DRGKommentar. Ratiopharm Medicaltext, Ulm 2004: 425–457. von Reibnitz, C.: Interdisziplinäres Konzept einer ambulanten Patientenversorgung. Die Schwester/der Pfleger, 7 (2006): 36–40. Wheeler, K.: Interdisziplinäre Versorgungspfade in der ambulanten Pflege. In: Dykes, P. C.; Wheeler, K.: Critical Pathways – Interdisziplinäre Versorgungspfade. Verlag Hans Huber, Bern 2000: 137–158. Wuttke, R.: Behandlungspfade führen Patienten, Personal und die Klinik zum Erfolg. In: Führen und Wirtschaften im Krankenhaus, 1 (2001): 60–64.
die standardisierte, interdisziplinäre Überleitung der Patienten in den poststationären Bereich den Ausbau der Versorgungsberatung für Patienten, pflegende Angehörige die Weiterentwicklung der Therapiestandards z. B. für die Wundversorgung die Verbesserung der Aus- und Weiterbildung der beteiligten Professionen die Profilbildung und Überwindung tradierter postmoderner Pflegeauffassung die Weiterentwicklung der Qualitätssicherung in der poststationären Versorgung sowie die stärkere Kooperation der Leistungserbringer.
Literatur
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Patientenrechte und Patientensouveränität in der HomecareVersorgung Elke Mohr
12.1
Einführung Die Rahmenbedingungen für die ärztliche und pflegerische Behandlung von Patienten in Krankenhäusern und im ambulanten Bereich haben sich in Deutschland in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert. Kostendämpfung und Transparenz im Gesundheitswesen stehen derzeit ganz im Mittelpunkt der sozialpolitischen Diskussion und bei der Planung weiterer Reformen. Insbesondere die Krankenhäuser befinden sich in einem einschneidenden Veränderungs- und Konzentrationsprozess. Dies hat auch erhebliche Auswirkungen auf die ambulante Weiterbehandlung nach erfolgter Krankenhaus-Behandlung. 12.2
Krankenhausbehandlung und Überleitung in die ambulante Weiterbetreuung – Rückblick 12.2.1
Krankenhausbehandlung und Entlassung aus dem Krankenhaus War es in den 1970er-Jahren noch möglich und üblich, bei der Dauer der Krankenhausbehandlung und Festlegung des Entlassungstermins
neben dem gesundheitlichen Zustand auch die soziale Situation zu berücksichtigen und einen Patienten z. B. nach einer Operation so lange stationär zu behandeln, bis er in der Lage war, sein gewohntes Leben zu Hause wieder aufzunehmen, so kann heutzutage der Entlassungstermin nicht davon abhängig gemacht werden, ob ein noch hilfsbedürftiger Patient allein lebt oder ob Angehörige, Nachbarn oder Freunde ihn nach der Entlassung unterstützen können. Seit der Einführung des pauschalierten Entgeltsystems in den Krankenhäusern werden Operationen bei jüngeren Menschen, soweit medizinisch vertretbar und abrechnungstechnisch möglich, ambulant durchgeführt. Stationär im Krankenhaus behandelt werden in fast allen medizinischen Fachgebieten überwiegend ältere, chronisch kranke und multimorbide Menschen. Die Verweildauer im Krankenhaus wurde bereits erheblich reduziert. Da aber in Deutschland die mittlere Krankenhaus-Verweildauer im Vergleich zu anderen EU-Ländern nach wie vor relativ hoch ist, wird eine weitere Reduzierung auf durchschnittlich sieben Tage angestrebt. Bisher wurde der Entlassungsprozess ausschließlich von den Krankenhausärzten zusammen mit Mitarbeitern der Sozialdienste organisiert. Patienten-Wünsche und Patienten-Interessen
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wurden wenig oder gar nicht in die anstehenden Entscheidungen einbezogen. Der nahtlose Übergang vom Krankenhaus in den ambulanten Bereich und damit die Versorgungskontinuität wird bei den jetzigen gesellschaftlichen und sozialpolitischen Veränderungen jedoch immer wichtiger, um z. B. Wiedereinweisungen von Patienten oder den so genannten Drehtüreffekt zu vermeiden. Versorgungsbrüche und Schnittstellenprobleme können nur durch mehr Transparenz und gegenseitige Information aller beteiligten Berufsgruppen unter Einbeziehung des Patienten vermieden werden. 12.2.2
Ambulante Versorgung In den 1960er-Jahren wurden für die Weiterbetreuung hilfsbedürftiger Menschen, die nach der Krankenhaus-Entlassung in der Häuslichkeit nicht auf Angehörige, Nachbarn oder Freunde zurückgreifen konnten, Gemeindeschwestern eingesetzt. Durch die demografische Entwicklung mit steigender Lebenserwartung und Zunahme der Zahl älterer hilfs- und pflegebedürftiger Menschen wurde im Laufe der 1980er-Jahre eine Ausweitung des Angebots an ambulanter pflegerischer Betreuung erforderlich. Zunächst wurden Sozialstationen, weitere freigemeinnützige ambulante Pflegedienste und ab 1990 zunehmend auch private Pflegedienste gegründet, die sowohl die behandlungspflegerische als auch die grundpflegerische Versorgung der Patienten im Rahmen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 1 und 2 SGB V und ab 1995 auch im Rahmen der Sachleistungen aus der inzwischen eingeführten sozialen Pflegeversicherung übernahmen. Wegen der heutzutage schnelleren Entlassung hat die Beteiligung der Pflegekräfte im Krankenhaus an der Überleitung in die ambulante oder stationäre Heimversorgung erheblich an Bedeutung gewonnen, muss doch bereits im Krankenhaus der pflegerische Hilfebedarf eingeschätzt werden, um poststationäre Hilfen organisieren zu können. Die Pflegeprofession hat 2003 auf diese neuen Anforderungen reagiert. Das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der
Pflege (DNQP) in Osnabrück hat den Expertenstandard Pflegerisches Entlassungsmanagement erarbeitet und 2004 verabschiedet. Dieser befindet sich in der Umsetzungsphase und trägt dazu bei, den Überleitungsprozess zu vereinfachen und übersichtlicher zu gestalten. Trotz mehrerer Reformen in der gesetzlichen Krankenversicherung seit 1989 wurde das Ziel der Kostentransparenz und Kostendämpfung im Gesundheitswesen besonders im Krankenhauswesen noch immer nicht erreicht. Die Möglichkeit, Verträge für eine integrierte Versorgung mit den Krankenkassen und Leistungserbringern abzuschließen, wurde auch noch nicht umfassend genutzt. Die Homecare-Versorgung hat sich aber seit 10 bis 15 Jahren als berufsgruppenübergreifende Versorgungsform in der Häuslichkeit bewährt.
12.3
Entwicklung vom paternalistischen Arzt-PatientenVerhältnis zu partnerschaftlichen Beziehungen 12.3.1
Bisheriges Arzt-Patienten-Verhältnis Das Arzt-Patienten-Verhältnis war in Deutschland bisher überwiegend paternalistisch geprägt. Der Arzt trat als der aktiv Handelnde auf, der Patient ließ die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen weitgehend passiv über sich ergehen und befand sich damit oftmals in der Rolle des Leidenden und Erduldenden. Die gesundheitspolitischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen waren in Deutschland insgesamt wenig patienten- und nutzerorientiert. Dies betraf auch das Vorgehen bei der Entlassung aus dem Krankenhaus und bei der Festlegung der weiteren Versorgung in der Häuslichkeit. Deshalb wird bei den derzeitigen Änderungsprozessen in der gesundheitlichen Versorgung besonderer Wert auf die Entwicklung einer
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gleichberechtigten Partnerschaft zwischen Arzt und Patient gelegt. Diese kann jedoch nur erreicht werden, wenn der Patient von den behandelnden Ärzten, den Pflegekräften und anderen an der gesundheitlichen Versorgung beteiligten Berufsgruppen über die vorgesehenen Maßnahmen ausreichend und umfassend informiert wird, seine Rechte und Pflichten kennt und diese auch wahrnehmen kann. Dafür müssen auch den beteiligten Berufsgruppen die Rechte des Patienten bekannt sein; sie müssen sowohl diese als auch die individuellen Wünsche und Vorlieben der Patienten ausreichend berücksichtigen. 12.3.2
Versorgung chronisch kranker Menschen Der Fortschritt in der Medizin hat in den letzten 50 Jahren dazu geführt, dass die Menschen zunehmend von akuten Erkrankungen genesen und anschließend gegebenenfalls mit chronischen Krankheiten und dadurch ausgelösten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen leben und ihren privaten und beruflichen Alltag darauf einrichten müssen. Die Lebenserwartung ist dabei in den letzten Jahrzehnten erheblich gestiegen. Damit ist allerdings auch ein Anstieg der Zahl der auf Dauer hilfe- und pflegebedürftigen älteren Menschen verbunden. Besonders für diesen Personenkreis ist es häufig schwierig, bei akuter Krankheit, bei Bedarf an Rehabilitation oder im Falle der hinzutretenden Pflegebedürftigkeit einzuschätzen, ob und wie sie ihr Leben in den eigenen vier Wänden weiterhin bewältigen können. Der Verbleib in der bisherigen Wohnung erfordert zahlreiche Änderungen im Ablauf des täglichen Lebens und der individuellen Verhaltensmuster. Ohne Unterstützung z. B. durch Familienangehörige oder ehrenamtliche Helfer und ohne ausreichende Kenntnisse der Hilfsangebote in dem komplizierten, für Laien schwer durchschaubaren Versorgungssystem ist diese Aufgabe kaum zu bewältigen. Von einem gesundheitlich beeinträchtigten Menschen wird heutzutage in Deutschland erwartet, dass er durch ein an die Beeinträchtigungen angepasstes Verhalten dazu beiträgt, eine
Verschlimmerung der bestehenden Erkrankungen zu verhindern und z. B. durch Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen und Präventionsprogrammen die Entstehung neuer Erkrankungen zu vermeiden. Die gesetzlichen und privaten Krankenkassen versuchen, diese Entwicklung der Versicherten zum selbstbestimmten Patienten durch zahlreiche Maßnahmen wie z. B. Vorsorge- und Präventionsprogramme und durch Veröffentlichungen und Veranstaltungen zu fördern und zu unterstützen. Dem Patienten wird somit eine Mitverantwortung für die Erhaltung oder Wiedergewinnung seiner Gesundheit übertragen, und er wird verpflichtet, diesen Prozess aktiv mitzugestalten. Dieses Ziel wird auch mit dem 2007 verabschiedeten Vertragsarzt-Änderungsgesetz verfolgt, mit dem eine stärkere Nutzerorientierung bei der ärztlichen Versorgung eingeführt, die Sicherheit der Patienten erhöht und Fehler soweit möglich vermieden werden sollen. Diesem Ziel dient auch die Einführung einer unabhängigen Patienten-Beratungsstelle. 12.3.3
Versorgungsmanagement zur Lösung von Schnittstellenproblemen Ebenfalls 2007 wurde im Zuge der aktuellen Gesundheitsreform in § 11 SGB V festgelegt (Thorsen-Vitt et. al., 2007), dass Versicherte Anspruch auf ein Versorgungsmanagement insbesondere zur Lösung von Schnittstellenproblemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche haben, da wegen der mangelnden Versorgungskontinuität zwischen Akutversorgung, Rehabilitation und Pflege Patienten oftmals nicht optimal versorgt werden. Deshalb wird von den beteiligten Berufsgruppen die Gewährung eines reibungslosen Übergangs eingefordert. Die Leistungserbringer sollen dafür sorgen und die notwendigen Informationen austauschen. Sie müssen auch dem Patienten unmittelbar die notwendige Unterstützung gewähren und Hilfen vermitteln, die beispielsweise nach der Entlassung aus dem Krankenhaus oder beim Übergang in eine Homecare-Versorgung erforderlich sind. So wird derzeit in Rahmen eines Projektes in zwei norddeutschen Kliniken
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die Nützlichkeit eines zusätzlichen Patientenbriefes zum Arztbrief geprüft. Der behandelnde Arzt sollte also nicht mehr wie bisher allein über das weitere Vorgehen nach der Akutbehandlung entscheiden, sondern den Patienten selbst, dessen Angehörige und eventuell weitere Berufsgruppen des Gesundheitswesens in diesen Prozess einbeziehen.
12.3.4
Aktive Beteiligung am Behandlungsprozess aus der Sicht der Patienten Wenn eine aktive Beteiligung des Patienten bei der Versorgung gefordert wird, so ist es von grundsätzlichem Interesse herauszufinden, ob die Patienten ebenfalls Veränderungen wünschen und anstreben oder ob sie mit der bisherigen Versorgung zufrieden waren. Die Patienten wurden bisher noch selten nach ihrer Meinung zur Versorgungsqualität durch die Ärzte und Pflegekräfte gefragt. Erst seit den 1980er-Jahren wurden Interviews, initiiert von den Bundesministerien und den Krankenkassen, von Pflegewissenschaftlern durchgeführt. Dabei wurde von den befragten Patienten insbesondere die mangelnde Information über geplante Maßnahmen und deren Risiken sowie über die Prognose des weiteren Krankheitsverlaufes durch die Ärzte und andere an der Versorgung beteiligte Berufsgruppen im Gesundheitswesen bemängelt und insgesamt tatsächlich eine geringe Zufriedenheit mit dem derzeitigen deutschen Gesundheitssystem geäußert. Die Patienten erwarten eine gute Versorgungsqualität sowie nachvollziehbare, mit ihnen abgestimmte Behandlungsziele (Thorsen-Vitt et. al., 2007). Soll also eine Partnerschaft zwischen Patienten und Leistungserbringern in der ärztlichen und pflegerischen Versorgung insgesamt und auch bei der Homecare-Versorgung in der Häuslichkeit gelingen, so müssen die Patienten umfassend informiert und aufgeklärt werden. Denn nur gut informierte Patienten können als selbstbewusste Partner auftreten und entscheiden, wie sie ihr zukünftiges Leben mit den Beeinträch-
tigungen durch chronische Erkrankungen und dauernde Pflegebedürftigkeit gestalten möchten. Um dieses Ziel erreichen zu können, ist es besonders wichtig, dass die Patienten über ihre Rechte und Pflichten im derzeitigen deutschen Gesundheitssystem informiert sind. Es wird somit vorausgesetzt und erwartet, dass ein informierter Patient auch bereit sein wird, sich an der weiteren Verbesserung seines Gesundheitszustandes zu beteiligen und als mündiger Patient vertrauensvoll mit seinem Arzt und den Pflegekräften zusammenzuarbeiten und sich dabei gegebenenfalls auch wirtschaftlich zu verhalten. Es ist aber davon auszugehen, dass es auch Patienten geben wird, die entweder aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder wegen mangelnder Einsicht sich nicht angemessen an diesem Prozess beteiligen können oder wollen.
12.4
Patientenrechte Auch mit den Gesundheitsreformen 2000 und 2004 sollten mehr Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen sowie eine stärkere Patientenorientierung und eine stärkere Berücksichtigung des Patientenschutzes erreicht werden. Die Rechte von Patienten gegenüber Ärzten und anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen waren in Deutschland bisher nicht in einem gesonderten Gesetz niedergelegt, sondern wurden aus dem Grundgesetz, dem Bürgerlichen Gesetzbuch und den Sozialgesetzbüchern abgeleitet. Im Jahre 2003 wurden die Patientenrechte von Vertretern der Patienten, Ärzte und Krankenhäuser, der Bundesländer und Krankenkassen in der Charta der Patientenrechte in Deutschland zusammengefasst und vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung zusammen mit dem Bundesministerium der Justiz veröffentlicht (BMGS, 2003). Im Jahre 2005 folgte auf Initiative des Runden Tisches Pflege als Ergänzung die Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen (BMGS, 2005).
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12. Patientenrechte und Patientensouveränität in der Homecare-Versorgung
Die Charta der Patientenrechte wendet sich gleichermaßen an gesunde und kranke Menschen und will diese über ihre wichtigsten Rechte als Patienten und als Versicherte gesetzlicher oder privater Krankenkassen informieren. Für ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Patient und Arzt ist es notwendig, dass nicht nur dem Patienten, sondern auch dem behandelnden Arzt die Rechte des Patienten bekannt sind und dass er sie im Behandlungsprozess berücksichtigt.
12.4.1
Charta der Patientenrechte In der Präambel der Charta wird betont, dass natürlich auch kranke Menschen und jene, die Hilfe und Pflege benötigen, einen uneingeschränkten Anspruch auf Respektierung ihrer Würde und Einzigartigkeit haben und in ihrer besonderen Lebenssituation nicht benachteiligt werden dürfen. In der Charta wird darüber hinaus noch darauf hingewiesen, dass der Staat und die Gesellschaft eine besondere Verantwortung für diese Menschen tragen, da sie ihre Interessen häufig nicht mehr selbst vertreten können. Des Weiteren wird ausgeführt, dass Patienten, Ärzte und nichtärztliches Personal das gemeinsame Ziel haben, die persönliche, individuelle Gesundheit des Patienten zu erhalten, Krankheiten vorzubeugen, sie zu erkennen, zu lindern und zu heilen. Dieses Ziel sei nur durch eine gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten zu erreichen. Durch das Gespräch mit dem behandelnden Arzt soll der informierte Patient in die Lage versetzt werden, die für ihn individuell richtige Entscheidung zu treffen. Zu den allgemeinen Grundsätzen der Patientenrechte gehört u. a. auch das Diskriminierungsverbot, das besagt, dass niemand bei Behandlung und Pflege in der medizinischen Versorgung wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner politischen und religiösen Anschauungen, seines Alters, seiner Lebensumstände, seines Lebensstils oder seiner Behinderung diskriminiert werden darf.
Es wird den Patienten außerdem das Recht auf eine gute und sichere medizinische Behandlung durch gut ausgebildete Angehörige der Heilberufe in gut ausgestatteten und organisierten Praxen, Krankenhäusern und sonstigen Gesundheitseinrichtungen zugesichert (BMGS, 2003). Entsprechend der Charta der Patientenrechte hat der Patient im Einzelnen ein Recht auf: 1. freie Arzt- und Krankenhauswahl, wobei dieses Recht bei gesetzlich Versicherten auf die Wahl zwischen zur Behandlung zugelassenen Vertragsärzten beschränkt ist. 2. Wahl zwischen Behandlungsmethoden, deren Vor- und Nachteile ihm vom behandelnden Arzt erläutert worden sind; wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass ein Patient nicht zu einer Behandlung gezwungen werden darf, sondern eine solche auch ablehnen kann. Außerdem hat der Patient grundsätzlich Anspruch auf Einholung einer ärztlichen Zweitmeinung. 3. eine gute und sichere Pflege, bei der wissenschaftlich anerkannte Methoden angewandt und die Regeln der ärztlichen Kunst und Behandlungsleitlinien berücksichtigt werden 4. Selbstbestimmung. Er kann also über Art und Umfang der medizinischen Versorgung im Rahmen des Versicherungsrechts selbst bestimmen oder zumindest mitbestimmen. 5. gute Pflege sowohl während der ambulanten als auch der stationären Behandlung. Diese umfasst auch eine angemessene und sichere Unterbringung und Versorgung, den Schutz der Privatsphäre und die Möglichkeit, Besuche zu empfangen. 6. Ausstellung einer Vorsorgevollmacht, die bei der ärztlichen und pflegerischen Behandlung grundsätzlich zu beachten ist. Dies scheint bei der Versorgung von multimorbiden älteren Patienten sowohl im Krankenhaus als auch in der häuslichen Betreuung immer wichtiger zu werden, und es befassen sich derzeit sowohl die Bundesärztekammer als auch das Bundesgesundheits- und das Bundesjustizministerium mit dieser Thematik. 7. Aufklärung und Beratung durch den behandelnden Arzt; der Patient ist aber auch dazu verpflichtet, dem Arzt alle Informatio-
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nen zu geben, die sein subjektives Befinden und den bisherigen Krankheitsverlauf betreffen. Vertraulichkeit der Informationen; der Arzt muss gegebenenfalls das Einverständnis des Patienten einholen, wenn im Rahmen des Überleitungsmanagements Informationen an zusätzliche Adressaten weitergegeben werden sollen. ordnungsgemäße Dokumentation sämtlicher ärztlichen und pflegerischen, diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, wie sie in den Berufsordnungen der Ärzte und Pflegekräfte festgelegt wurden, und auf Einsichtnahme in dieselben, ohne ein besonderes Interesse daran erklären zu müssen. In den 1960er-Jahren war es beispielsweise noch üblich, dem Patienten einen Arztbrief entweder in einem geschlossenen Umschlag bei der Entlassung aus dem Krankenhaus mitzugeben oder ihn ohne Kenntnis durch den Patienten an den weiterbehandelnden Arzt per Post zu senden. Dem Patienten wurde die Öffnung des Briefes oftmals ausdrücklich untersagt. Informationen über die Kostenübernahme durch die gesetzlichen oder privaten Krankenversicherungen sowie den Sozialhilfeträger ein vertrauensvolles Gespräch mit dem Arzt, in dem ihm umfassende Informationen und Beratung erteilt werden. Die Informationen sollen sich beziehen auf geeignete Vorbeugung von Erkrankungen, die Diagnose der Erkrankung, den Nutzen und die Risiken von diagnostischen Maßnahmen, die Behandlung im Vergleich zum Verlauf ohne Behandlung, die Behandlung der Erkrankung und ihre Alternativen, den Nutzen und die Risiken der Behandlung und eine eventuelle Nachbehandlung. Der Arzt hat zusätzlich die Verpflichtung, die mündlich gegebenen Informationen z. B. durch Aufklärungsbroschüren zu untermauern, und er muss sich auch davon überzeugen, dass der Patient die Erläuterungen verstanden hat. Nach der Aufklärung muss der Patient eine Einwilligungserklärung abgeben, da sämtliche ärztlichen Behandlungen und dia-
gnostischen Maßnahmen den Tatbestand einer Körperverletzung erfüllen und deshalb der Einwilligung durch den Patienten bedürfen. So hat bereits 1894 das deutsche Reichsgericht entschieden, dass es sich bei jeder Heilbehandlung um eine tatbestandsmäßige Körperverletzung handelt, und dass es als Rechtsfertigungsgrund für die Heilbehandlung einer Einwilligung nach vorheriger gehöriger Aufklärung bedarf. Letztendlich erhalten die Patienten mit der Charta auch das Recht auf Schadensersatz bei ärztlichen oder pflegerischen Behandlungsfehlern und auf Unterstützung durch die Krankenkasse bei der Prüfung eines Behandlungs- oder Pflegefehlerverdachts gemäß § 66 SGB V.
12.4.3
Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen In der Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen (BMGS, 2005) werden zusätzlich zu den selbstverständlich auch im Pflegefall geltenden Patientenrechten darüber hinausgehende spezielle Rechte für pflegebedürftige Menschen genannt: So wird z. B. die Selbstbestimmung sowie die Hilfe zur Selbsthilfe erwähnt, damit der Pflegebedürftige ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen kann; das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit, Freiheit und Sicherheit; das Anrecht auf Privatheit und Schutz der Privatsphäre und der Intimsphäre. Außerdem hat der pflegebedürftige Mensch einen Anspruch auf eine an seinem persönlichen Bedarf ausgerichtete gesundheitsfördernde und qualifizierte Pflege und auch ein Recht auf umfassende Informationen über Möglichkeiten und Angebote der Beratung, der Hilfe, der Pflege sowie der Behandlung. Letztendlich wird das Recht auf Wertschätzung, Austausch mit anderen Menschen und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausdrücklich erwähnt.
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12. Patientenrechte und Patientensouveränität in der Homecare-Versorgung
12.4.4
Maßnahmen zur Durchsetzung der Patientenrechte und der Rechte der pflegebedürftigen Menschen Für die Durchsetzung der in der PatientenCharta beschriebenen individuellen und allgemeinen Rechte der Patienten wurde 2004 eine Patientenbeauftragte (Ombudsfrau, zurzeit Helga Kühn-Mengel) eingesetzt, die im Auftrag der Bundesregierung tätig wird. Ombudsleute sind unabhängige Personen, die die Anliegen und Beschwerden von Patienten unterstützen sollen, in unabhängiger und beratender Funktion die Weiterentwicklung der Patientenrechte fördern und Wünsche und Vorstellungen der Patienten an die zuständigen Gremien weiterleiten sollen (http://www.patientenbeauftragte.de/). Laut § 140 h SGB V ist die Patientenbeauftragte von den Bundesministerien bei allen Gesetzen, Verordnungen und sonstigen Belangen angemessen zu beteiligen, und kann z. B. auch im Gemeinsamen Bundesausschuss beratend mitwirken. Der Europarat hat sich mit dem Thema der Patientenrechte ebenfalls beschäftigt und eine Empfehlung dazu abgegeben. Die Patientenbeauftragten (Ombudsleute) haben auch die Aufgabe, darauf hinzuwirken, dass die Belange der Patienten im Hinblick auf ihr in der Charta festgelegtes Recht auf umfassende und unabhängige Beratung und objektive Information durch Leistungserbringer, Kostenträger und Gesundheitsbehörden und die Beteiligung an den Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden. Patienten können sich mit ihren Anliegen an die Patientenbeauftragte persönlich wenden. Zum Umgang mit den für Laien unübersichtlichen Strukturen und Prozessen im Gesundheitswesen sollen zusätzlich institutionenübergreifende Beratungsstellen eingerichtet und Verbraucherzentralen und Selbsthilfeorganisationen einbezogen werden. In diesem Zusammenhang seien auch die im Rahmen der Pflegereform 2008 geplanten Pflegestützpunkte und die Pflegeberatung durch die Pflegekassen er-
wähnt, für die Projekte in den einzelnen Bundesländern Anfang 2008 gestartet wurden. Neben der vom Bund beauftragten Ombudsfrau wurden seit 2004 auch Ombudsleute gesondert für einzelne Bundesländer (Berlin und SchleswigHolstein) eingeführt. 12.5
Patientensouveränität Wie oben dargelegt, ist die Förderung der Patientensouveränität ein zentraler Punkt im Wandel des deutschen Gesundheitssystems. Der Kenntnisstand der Bürger über Versorgungswege ist aber noch sehr lückenhaft. Deswegen benötigen die Patienten Anleitung, und es müssen ihnen zahlreiche Kompetenzen übertragen werden. Insbesondere jetzt alte Menschen hatten aber im Laufe ihres Lebens kaum Gelegenheit, sich solche Kompetenzen anzueignen. Deshalb ist es für nachfolgende Generationen unerlässlich, dass ihnen bereits in der Jugend entsprechende Grundlagen vermittelt werden (s. auch: www.gesundheitsziele.de). So sollten sie den Umgang mit der eigenen Gesundheit, insbesondere mit Stress und krank machenden Einflüssen, den Umgang mit Krankheiten und mit dem deutschen Gesundheitssystem erlernen können (Nagel, 2007). Unter diesen Bedingungen wäre es möglich, dass sich Patienten zu mündigen Patienten entwickeln, die ihre Rechte kennen, diese einfordern, aber auch ihre Pflichten wahrnehmen und sich dadurch souverän und aktiv in die ärztliche Behandlung und pflegerische Versorgung einbringen. Souveränität bedeutet in diesem Zusammenhang somit Überlegenheit und Unabhängigkeit bei Entscheidungen, die im Rahmen der gesundheitlichen Versorgung zu treffen sind. Das Arzt-Patienten-Verhältnis soll in Zukunft durch gegenseitigen Respekt, Vertrauen und Zusammenarbeit geprägt sein (Pschyrembel, 2007).
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Homecare
12.5.1
Die Rolle des kranken Menschen in der Gesellschaft Der kranke Mensch hat im Rahmen seiner Patientenrolle in unserer Gesellschaft aber auch Verpflichtungen, so soll er alle notwendigen und zumutbaren Untersuchungen und Behandlungen tolerieren, dem behandelnden Arzt alle zur Diagnose und Therapie erforderlichen Informationen geben und alles tun, was einer schnellen Gesundung zuträglich ist, schädigende Einflüsse vermeiden und die Anweisungen der Ärzte und des Pflegepersonals sowie Angehöriger weiterer Berufsgruppen im Gesundheitswesen im Sinne einer guten Compliance gewissenhaft befolgen. Der Patient soll sich zum Experten in der eigenen Sache entwickeln. Es ist die Aufgabe der Pflegekräfte und der Ärzte, ihn auf diesem Wege zu begleiten. Dies kann erfolgen sowohl im Rahmen des Entlassungsmanagements im Krankenhaus als auch in der ambulanten Versorgung, in der ärztlichen Praxis sowie bei der Versorgung in der Häuslichkeit z. B. im Rahmen einer Homecare-Versorgung. Die an der Versorgung Beteiligten sollten dem Patienten Sicherheit geben, ihn als Leidenden respektieren, partnerschaftlich informieren und ernstnehmen. Nur so kann den derzeitigen Herausforderungen im Gesundheitswesen und in der Gesellschaft angemessen begegnet werden. 12.5.2
Entwicklung zum mündigen Patienten Der Patient selbst muss bei der Entwicklung zum mündigen Patienten und Partner bei den Entscheidungsprozessen abzuschätzen lernen, welche Probleme er in seinem Alltag haben wird und wie er sie bewältigen kann, wie er seine Lebensgewohnheiten umstellen und auf die Erkrankung einstellen muss, um eine Verschlimmerung derselben zu verhüten. Der Patient muss die Mitverantwortung für seine Genesung übernehmen und als Koproduzent im Heilungsprozess auftreten. Es ist davon auszugehen, dass die Übernahme von Eigenverantwortung zu
einer Steigerung der Patientenzufriedenheit führen wird, und dass es dadurch zu einer Verbesserung der Gesundheitsergebnisse kommen wird (s. auch www.gesundheitsziele.de). Bei der Entwicklung des Patienten zu einem «Insider-Experten» sind mehrere Phasen zu durchlaufen. Zunächst muss eine Beziehung zwischen den Professionellen wie Pflegekräften und Ärzten und eventuell auch Ehrenamtlichen und dem Patienten hergestellt werden. Danach können die Zusammenarbeit von Patient und Professionellen begonnen und Veränderungen im Verhalten und im Umfeld des Patienten eingeleitet werden mit dem Ziel der zukünftigen eigenständigen Entscheidungen des Patienten (Ewers/Schaeffer, 2005).
12.5.3
Zukünftige ambulante Versorgung Es wird sich zeigen, inwieweit es bei der Berücksichtigung der Patientenrechte und der Entwicklung der Patientensouveränität gelingen wird, die ambulante Versorgung in der Häuslichkeit auch im Rahmen der Homecare-Versorgung weiter zu optimieren. Nicht alle Patienten werden die ihnen zugewiesene neue Patientenrolle angemessen wahrnehmen können. Grundsätzliche Zielgruppen wären Patienten mit nicht nur vorübergehendem Unterstützungsbedarf, mit bereits anerkannter oder beantragter Pflegebedürftigkeit, mit chronischen, fortschreitenden Erkrankungen, mit bösartigen Erkrankungen und Bedarf an palliativer Behandlung und Pflege. Die Mitwirkungsmöglichkeiten des Patienten werden aber trotz der Festschreibung der Patientenrechte mit dem Ziel der Patientensouveränität von Menschen im Endstadium von progredienten Erkrankungen (z. B. Krebserkrankungen im Endstadium) und bei psychischen Erkrankungen (insbesondere fortgeschrittenen Demenzerkrankungen) nur eingeschränkt wahrgenommen werden können. Bei fehlender Einsichts- und Handlungsfähigkeit müssen Angehörige oder Betreuer die Rechte der Patienten wahrnehmen. Insbesondere in den Endstadien sind dabei auch ethische Aspekte zu berücksichtigen.
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Zusammenfassung
Literatur
Um die gesundheitspolitischen Forderungen nach mehr Transparenz und Kostendämpfung im Gesundheitswesen, Förderung der Patientenrechte und der Patientensouveränität umzusetzen, bedarf es gemeinsamer Anstrengungen sämtlicher am Gesundheitswesen beteiligten Berufsgruppen unter aktiver Einbeziehung der Patienten. Im ambulanten Bereich erscheint die Homecare-Versorgung mit ihrem integrativen Ansatz geeignet, diese Entwicklung zu befördern.
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS): Charta der Patientenrechte, Berlin 2003. Verfügbar unter: http://infomed.mds-ev.de/ sindbad.nsf/778bf5d6b54bb45fc1256e9f004097fb/d5 9b517f2cc6872c80256c56002d7965?OpenDocument. [Datum der letzten Einsichtnahme: 10. April 2008]. Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS): Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen, Berlin 2005. Verfügbar unter: http://www.vdk.de/cms/mime/999D1126524744.pdf. [Datum der letzten Einsichtnahme: 10. April 2008]. Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege: Expertenstandard Entlassungsmanagement in der Pflege. Eigenverlag, Osnabrück 2004. Ewers, M.; Schaeffer, D.: Case Management in Theorie und Praxis. Verlag Hans Huber, Bern 2005. Gesundheitsziele.de. Gesundheitliche Kompetenz erhöhen, Patientensouveränität stärken. 2003. Verfügbar unter: www.gesundheitsziele.de (Nationale Gesundheitsziele > Patientensouveränität). [Datum der letzten Einsichtnahme: 10. April 2008]. Nagel, E.: Das Gesundheitswesen in Deutschland. Deutscher Ärzteverlag, Köln 2007. Pschyrembel : Sozialmedizin. De Gruyter Berlin, New York 2007. Thorsen-Vitt, S.; Vitt, K.; Rüther, W.: Der Patientenbrief. Nachhaltige Information zur Verbesserung des Heilerfolgs. Mabuse-Verlag, Frankfurt/Main 2007.
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Die Rolle der Angehörigen in der Homecare-Versorgung Katrin Grüber
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13.2
Einführung
Definitionen
Vor zehn Jahren beschrieb Steiner-Hummel die historische Entwicklung der Wahrnehmung von pflegenden Angehörigen wie folgt: «Pflegende Angehörige als gesellschaftliche Gruppe spielten im öffentlichen und im fachlichen Bewusstsein nur eine marginale Rolle.» (Steiner-Hummel, 1998: 38). Es spricht einiges dafür, dass SteinerHummel zu optimistisch war. Nach wie vor kämpfen Angehörige um gesellschaftliche Anerkennung und sind noch nicht lange ein Thema der Pflegeforschung. Sehr häufig werden sie entweder gar nicht erwähnt oder in einem Atemzug mit Patienten genannt. Noch im Jahr 2003 war es Ziel einer Veranstaltung im Landtag NRW, pflegende Angehörige für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen, ein Zeichen, dass Nachholbedarf gesehen wurde (Landesseniorenvertretung NRW 2004).
13.2.1
Im Folgenden soll beschrieben werden, welche Rolle Angehörige spielen und welche Bedeutung sie haben können und haben sollen, damit in Zukunft mehr Menschen nicht nur zu Hause gepflegt, sondern im Rahmen von HomecareKonzepten auch ärztlich versorgt werden können. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Wahrnehmung aus ärztlicher und aus pflegerischer Sicht.
Homecare Hagemeier und von Reibnitz (2005) merken kritisch an, dass es unterschiedliche Definitionen über Homecare gibt. Dies ist allerdings für einen relativ jungen Begriff eher selbstverständlich. Die beiden folgenden Definitionen zeigen die unterschiedlichen Perspektiven aus medizinischer/medizintechnischer und pflegerischer Sicht auf Homecare. «Unter Homecare versteht man häusliche Therapie und ärztlich verordnete Leistungen, die von der Krankenversicherung nach SGB V und nicht der Pflegeversicherung (SGB XI) finanziert werden.» (Hagemeier/von Reibnitz, 2005: 3). «Der englischsprachige Begriff ‹Home Care› bezeichnet aus der Sicht der Pflege/Pflegewissenschaft das Gebiet der häuslichen Pflege und umfasst sowohl die Pflege durch Angehörige als auch das Angebot ambulanter Pflegdienste und weiterer Leistungsanbieter.» (Abt-Zegelin, 2005: 145). In diesem Kapitel wird folgende Definition zugrunde gelegt, um die Einordnung von Homecare-Angeboten in ein Gesamtkonzept deutlich zu machen:
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Homecare
«Homecare stellt eine übergreifende Betreuungsform dar, die sich nach den individuellen Bedürfnissen des Menschen in medizinischen, pflegerischen, sozialen und rehabilitativen Maßnahmen richtet und nach dem Grundsatz ambulant vor stationär arbeitet.» (Homecare) Allerdings wird die Definition abgewandelt, damit deutlich wird, dass den Angehörigen eine eigenständige Bedeutung zukommt: Homecare ist ein umfassendes Konzept, das über die häusliche Pflege hinausgeht und medizinische, soziale und rehabilitative Maßnahmen einschließt. Es arbeitet nach dem Grundsatz ambulant vor stationär und ist ausgerichtet nach den individuellen Bedürfnissen der zu pflegenden Menschen und ihrer Angehörigen. 13.2.2
Angehörige Der Brockhaus definiert Angehörige als «der zu einer Familie gehörende Personenkreis» (Brockhaus 2004). Bereits das mittelhochdeutsche Wort des Angehörigen beschreibt eine «formlose, passive Zugehörigkeit. … Für eine Angehörigkeit kann man sich nicht entscheiden, sondern man wird in sie hineingeboren, die Zugehörigkeit zum Ganzen wird nicht durch das Selbst, sondern von Anderen her bestimmt» (Mitzkat, 2007: 18). Das Wort Angehörige stehe in der Kant’schen Tradition, in der die vertragsmäßige Verpflichtung betont werde, während das englische Wort relative eher der Hegel’schen Sichtweise, bei der die emotional-soziale Bindung im Vordergrund stehe, zuzuordnen sei (Mitzkat, 2007).
13.3
Die Wahrnehmung von Angehörigen 13.3.1
Die Wahrnehmung von Angehörigen durch den Arzt Nach den Beobachtungen von Klaus Dörner nehmen Ärzte Angehörige eines akut Kranken «bestenfalls» als «Anhängsel des Patienten» wahr. Wenn überhaupt, dann hätten Angehörige von chronisch Kranken die Chance, als eigenständiges Subjekt wahrgenommen zu werden (Dörner, 2001: 134). Er empfiehlt dem Arzt, die ärztliche Situation als «Arzt-Patienten-Angehörigen-Beziehung» zu begreifen (Dörner, 2001: 155) und konsequenterweise keine dialogische, sondern eine trialogische Beziehung zu führen. Diese schließt den Angehörigen mit ein und erkennt seine eigenständige Rolle an. Über diesen wichtigen Schritt hinaus sei es notwendig, das gesamte persönliche Umfeld des Patienten im Blick zu haben, denn schließlich lebe (fast) jeder in einem familiären Netz oder Beziehungsnetz von Verwandten. Es sei ein Fehler, dieses System zu ignorieren. «Wenn ich einem neuen Patienten in der Praxis oder auf der Station zur Begrüßung die Hand gebe, muss ich wissen, dass dies schon mein erster Irrtum ist. In Wirklichkeit gebe ich damit einer Familie die Hand, für die ich damit Zuständigkeit und Verantwortlichkeit in unterschiedlicher, aber noch unbekannter Intensität übernehme.» (Dörner, 2001: 139). Teil der Familie könnten auch «Wahlverwandte» und Freunde sein, wie sich bei den «Pflegebündnisse[n] zwischen Familien, Freunden und Profis zur Begleitung einer sterbenden Aids-Kranken» (Dörner, 2001: 135) gezeigt habe. Hierbei handelt es sich eher um Angehörige in der Tradition Hegels, bei der die emotionalsoziale Bindung im Vordergrund steht und nicht die Verpflichtung. Damit Ärzte mehr Zeit und Mühe auch für die Angehörigen aufbringen können, muss dies auch bei der Vergütung durch die Krankenkassen berücksichtigt werden (Wilke, 2007). Der in Berlin
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1993 gegründete Verein Homecare e. V. für die ärztliche Versorgung von Krebspatienten hat dies gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Berlins erreicht (Home Care Berlin). 13.3.2
Die Wahrnehmung von Angehörigen in der Pflege Die Rollen des Angehörigen Mitzkat hat das Prinzip des Trialogs aus der Medizin auf die familiäre Pflege von Menschen im Wachkoma übertragen. Nach ihrer Analyse gibt es drei verschiedene Möglichkeiten, pflegende Angehörige wahrzunehmen (Mitzkat, 2007): 1. Angehöriger als Hauptperson: Angehöriger als Patient, als Hauptverantwortlicher 2. Angehöriger als Nebenperson: Angehöriger als Teil des Systems, als Anhängsel oder als Mittler zwischen Normalität und Pathologie 3. Angehöriger als Partner: Angehöriger als Hilfskraft oder als Experte. Angehöriger als Hauptperson Nimmt der pflegende Angehörige die Rolle als Hauptperson ein oder wird sie ihm zugesprochen, bedeutet das gleichzeitig, dass der gepflegte Angehörige zurücktritt. Eine Ausprägung kann dabei die Rolle des Pflegenden als Patient sein, entweder als gegenwärtiger oder als zukünftiger. In verschiedenen Artikeln wird die Belastung der Angehörigen angesprochen, die mit einem erhöhten Risiko, selbst zu erkranken, verbunden sei (vgl. Kohler und Döhner, 2007). Im öffentlichen Diskurs um Menschen mit Demenz wird häufig der Begriff «zweites Opfer» (engl.: second victim) verwandt (Naue, 2008). Die Leitlinie der DEGAM (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin) für Pflegende Angehörige soll die Ärztinnen und Ärzte dabei unterstützen zu erkennen, wenn die Gesundheit der pflegenden Angehörigen gefährdet ist oder wenn sie krank geworden sind, um dann notwendige Maßnahmen vorschlagen zu können. Eine solche Konstellation hat Auswirkungen auf die Sichtweise auf den gepflegten Angehörigen: Er wird zum Gesundheitsrisiko (Mitzkat, 2007).
Eine andere Möglichkeit für pflegende Angehörige, als Hauptperson wahrgenommen zu werden oder zu handeln, ist es, die Fäden in der Hand zu halten und die Entscheidungen darüber zu treffen, welcher der Dienste, sei es von Seiten der Ärzte oder von Seiten der professionell Pflegenden, in Anspruch zu nehmen sei. Nehmen pflegende Angehörige diese Rolle ein, so sind sie gleichzeitig häufig in Selbsthilfegruppen aktiv. Die Bedeutung der Angehörigen wird auch von Ärzten gesehen. In Interviews äußerten sie die Einschätzung, dass Angehörige als Bindeglied zwischen dem Patienten und dem Hausarzt oder anderen professionell Unterstützenden fungieren können (Wilke, 2007). Wie wichtig ihre Rolle ist, sieht man daran, dass es oft eher sie als die Patienten sind, die um Begleitung und Hilfe bitten, wenn es dem Patienten schlechter geht (Bäumner, 2007). Angehöriger als Nebenperson Wird ein Angehöriger als Nebenperson wahrgenommen, so wird er mit dem zu pflegenden Angehörigen mitgedacht. Auch hier gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine Perspektive betrachtet das System Familie, in dem der Angehörige agiert. Das bedeutet, dass die Angehörigen nicht auffallen oder nur dann auffallen, wenn sie plötzlich fehlen oder wenn etwas nicht mehr funktioniert. Zwischen den gepflegten und den pflegenden Angehörigen wird kein Unterschied gemacht. Er kann aber auch als Anhängsel wahrgenommen und auch so behandelt werden, weil er stört und weil er als pflegerischer Mehraufwand empfunden wird, der vermieden werden sollte (Mitzkat, 2007). Dies kommt im folgenden Zitat eines Arztes zum Ausdruck: «Man kommt … mit den Kranken oder den Sterbenden allein immer sehr gut zurecht … aber die Familie macht es problematisch.» (Wilke, 2007: 44). Der pflegende Angehörige spielt auch dann eine Nebenrolle, wenn er die Funktion wahrnimmt, zwischen dem Vorher und Jetzt und dem Außen und Innen zu vermitteln. Vorher war der nun zu pflegende Angehörige nicht krank und nicht
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eingeschränkt; außerhalb des familiären Umfeldes mit einem zu pflegenden Angehörigen gelten andere Regeln als innerhalb. Je nach Sichtweise gelten das Vorher und Außen als normal und das Jetzt und Innen als pathologisch. Der pflegende Angehörige hat aber auch die Möglichkeit, eine neue, andere Normalität zu definieren und zu leben. Angehöriger als Partner Der Angehörige kann auch als Partner wahrgenommen werden, dann, wenn im Vordergrund sein Verhältnis zu Mitgliedern des Gesundheitssystems steht (Mitzkat 2007). Eine Möglichkeit ist die der Hilfskraft, also einer Person, die eine Funktion erfüllt. Dies wird in den Äußerungen eines Arztes deutlich: «Wir brauchen irgendwo eben in der Familie jemand, der mitmacht. Wenn ich das nicht habe, klappt es meistens nicht [mit der Sterbebegleitung].» (Wilke, 2007: 44). Selten wird der Angehörige als Experte wahrgenommen, und es erscheinen sowohl die Kompetenzen unklar als auch, wie er diese erlangt hat (Mitzkat, 2007). 13.3.3
Eigenwahrnehmung Brechbühler verwendet für die Aufgabe der Pflege für Familienangehörige das Bild der Expedition, die in sechs Phasen verläuft, für die Tätigkeit, auf die sich pflegende Familienangehörige einlassen. Allein dies anzuerkennen, könne schon hilfreich sein. Die Entwicklung laufe von der «zukünftigen Pflegenden» über die «Einsteigerin», die neues erlernt, die «eingespannte Pflegende» über die «abgeklärte Pflegende» mit einer abgeklärten Routine bis hin zur «Pflegenden im Übergang», die sich damit auseinandersetzen muss, dass sich der Gesundheitszustand des Angehörigen dramatisch verschlechtert hat, dass der Tod absehbar ist. Danach nimmt dann die pflegende Angehörige die Rolle der «scheidenden» Angehörigen ein (Brechbühler, 2004). Der erste Schritt wäre allerdings, dass sich Angehörige als pflegende Angehörige wahrnehmen, was nicht selbstverständlich ist.
Wie eine europaweit durchgeführte Studie gezeigt hat, nehmen viele Menschen, die Angehörige pflegen, ihr Handeln als selbstverständliche Unterstützung wahr und sehen sich nicht als «pflegende Angehörige». Dies hat Konsequenzen. So fühlen sie sich von entsprechenden entlastenden Angeboten beispielsweise der Altenhilfe, die sich an «pflegende Angehörige» richten, nicht angesprochen (Kohler/Döhner, 2007). Allerdings gibt es in den letzten Jahren eine wachsende Zahl von Angehörigengruppen, insbesondere von Angehörigen, die Menschen mit Demenz in ihrer Familie haben. Dies bedeutet dreierlei. Erstens nehmen sich diese Angehörigen als solche wahr und sie haben zweitens begriffen, dass sie mit ihrer Situation nicht allein sind, dass es andere gibt, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Drittens bedeutet es, dass ihnen bewusst ist, dass es notwendig ist, die Rahmenbedingungen zu verbessern, damit es ihnen und den zu pflegenden Angehörigen besser geht. Auch deshalb ist ihnen die Rolle des pflegenden Angehörigen wichtiger als die Rolle des pflegenden Angehörigen eines Menschen mit einem bestimmten Krankheitsbild. In anderen Ländern gibt es seit vielen Jahren nationale Organisationen von pflegenden Angehörigen, die sich nicht auf bestimmte Krankheitsbilder konzentrieren, sondern die übergeordnete Aspekte aufgreifen, Angehörige beraten und auf die politische Agenda bringen. In Deutschland steht die Gründung noch aus. Seit wenigen Jahren gibt es das europäische Netzwerk EUROCARERS (Kohler/Döhner, 2007).
13.4
Unterschiede zwischen Patienten und Angehörigen Die Wünsche von Patienten und Angehörigen nach dem Aufenthaltsort sind nicht kongruent. Während die meisten Patienten zu Hause bleiben wollen, ziehen die meisten Angehörigen einen Krankenhausaufenthalt ihrer erkrankten Angehörigen vor. Dies hat folgende Gründe: Angst vor der Verantwortung, vor Überforderung, Fehlern
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in der Pflege, allgemeine Auseinandersetzung mit der Situation, Hilflosigkeitsgefühle, familiäre Konflikte. Eine andere wichtige Herausforderung stellt die Berufstätigkeit dar (Wilke, 2007: 47). Bei sterbenden Patienten kommt noch ein weiteres Entscheidungskriterium hinzu: Der Weg ins Krankenhaus ist verbunden mit der Hoffnung auf Therapie. Die Entscheidung, zu Hause zu verbleiben, ist dann gleichbedeutend damit, aufzugeben bzw. mit der Erkenntnis, dass die Hoffnung auf den Erfolg der Therapie nicht länger begründet ist. Diese Haltung dazu ist unabhängig von der Rolle des Patienten bzw. des Angehörigen und kann unterschiedlich ausfallen (vgl. Wilke, 2007: 58). Die Haltungen können Auswirkungen auf konkrete Entscheidungen haben. Nach Wilkes (1984) hängt die Entscheidung, ob ein Patient ins Krankenhaus eingeliefert wird oder zu Hause verbleibt, sogar mehr von der Situation der Angehörigen als der des Patienten ab. Wären Angehörige besser vorbereitet, so wären Einweisungen in der Terminalphase möglicherweise zu vermeiden (Grant, 1997). Dies wäre auch deshalb wünschenswert, weil der Transport zum Krankenhaus und der dortige Aufenthalt für den Patienten oft zusätzlich belastend sind. Dies gilt auch für die Überleitung von Patienten aus dem Krankenhaus in die häusliche Umgebung (vgl. von Reibnitz, 2004). Es handelt sich allerdings um keine gängige Praxis (vgl. dazu auch Dörner, 2001). Kesselring empfiehlt Ärzten und Pflegenden, pflegende und gepflegte Angehörige als System zu begreifen, indem «die subjektiv erfahrene Situation und der Gesundheitszustand der Angehörigen von zentraler Bedeutung der Pflege zu Hause sind» (Kesselring, 2004: 505). Diese Untersuchungen sind für die Umsetzung von Homecare-Konzepten entscheidend und zeigen, wie wichtig es ist, die Angehörigen als eigenständige Akteure wahr- und ernstzunehmen und nach Möglichkeiten der Unterstützung zu suchen.
13.4.1
Belastung von Angehörigen Kesselring (2004) warnt einerseits zu Recht davor, bei so komplexen Phänomenen wie Gesundheit und Pflege eine kausale Beziehung herstellen zu wollen, weist aber andererseits auf die Ergebnisse zweier Studien hin, die nahelegen, dass pflegende Angehörige einer erhöhten Belastung ausgesetzt sind, die Auswirkungen auf ihre Gesundheit hat. «Dennoch: Viele pflegende Angehörige leiden signifikant häufiger an Depressionen und Schlafstörungen sowie unter Kopf-, Rücken und Gelenkschmerzen als Gleichaltrige, die nicht pflegen.» (Kesselring, 2004: 505). Für Ärzte und Pflegende bedeutet dies, auch den Gesundheitszustand der pflegenden Angehörigen mit im Blick zu haben. Je besser pflegende Angehörige entlastet werden und je mehr ihre Gesundheit erhalten bleibt, umso wahrscheinlicher ist es, dass der zu pflegende Mensch möglichst lange im häuslichen Umfeld verbleibt (Lademann, 2005; vgl. auch Wilke, 2007). 13.4.2
Unterstützung von Angehörigen In den vergangenen Jahren wurden einige Konzepte entwickelt, wenn auch noch nicht breit eingesetzt. Dazu gehören die weiter oben von Dörner beschriebenen Angehörigen-Gruppen die seit 1972 das Angehörigenschulungsprogramm für Demenz-Erkrankte anbieten. In Frankfurt wurde ein ambulanter Palliativdienst für Schwerstranke eingerichtet (Bäumner, 2007) und in Berlin der Homecare-Verein für Krebskranke gegründet. Die Erfahrungen von Dörner, der mit anderen zusammen bereits 1992 Angehörigengruppen in unterschiedlichen psychiatrischen Einrichtungen eingeführt hat, können auch auf andere Krankheiten und Einschränkungen übertragen werden. Ziel der Angehörigengruppen ist der Austausch untereinander, die Erfahrung, dass andere in einer ähnlichen oder vergleichbaren Situation leben, das Lernen voneinander bis hin zur gegenseitigen konkreten Unterstützung. Die
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meisten Angehörigengruppen haben nach einer begrenzten Zeit ihren Zweck erfüllt, andere existieren länger oder entwickeln sich zu Selbsthilfegruppen. Wie groß der Nachholbedarf ist, zeigen Diskussionen auf einer Veranstaltung im Landtag NRW, auf der unter anderem vorgeschlagen wurde, eine landesweite Anlaufstelle einzurichten, die einerseits Angehörige beraten, andererseits aber auch ihre Interessen vertreten solle (Landesseniorenvertretung, 2004). Inzwischen wurde diese Anlaufstelle Landesstelle Pflegende Angehörige als Informationspool eingerichtet. Dies ist eine Antwort auf das Problem, dass Angehörige Hilfen nicht in Anspruch nehmen können, weil es ihnen nicht möglich ist, die unterschiedlichen Angebote zu kennen. Es bleibt abzuwarten, ob die Pflegestützpunkte, die auf der Grundlage des im März 2008 vom Bundestag verabschiedeten Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz) eingerichtet werden sollen, diese Funktion wahrnehmen können. Allerdings richten diese Stützpunkte sich sowohl an die Patienten als auch an die Angehörigen, und möglicherweise gibt es einen gewissen Bedarf für getrennte Strukturen. Die in verschiedenen europäischen Ländern agierenden Organisationen wollen durch Lobbyarbeit ihre Situation als pflegende Angehörige verbessern. Dazu gehören, dass Pflege und Erwerbstätigkeit besser vereinbar werden (bessere finanzielle Absicherung, Ermöglichung von Auszeiten). Das im März 2008 vom Bundestag verabschiedete Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung (PflegeWeiterentwicklungsgesetz) hat unter anderem das Ziel, die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege zu verbessern. Arbeitnehmer sollen künftig eine bis zu sechs Monate lange, unbezahlte Auszeit nehmen können, um Angehörige zu pflegen, und können bis zu zehn Arbeitstage freigestellt werden, um die Pflege zu organisieren. Tatsächlich geht es nicht ausschließlich um praktische Unterstützung. Allein die Leistung pflegender Angehöriger anzuerkennen, kann schon ein wichtiger Beitrag sein (Kesselring, 2004).
13.5
Fazit Steiner-Hummel lässt eine pflegende Angehörige persönlich zu Wort kommen: «Wir brauchen weder Mitleid noch Bewunderung. Wir hoffen auf Mitmenschen, die uns als eigenständige Person respektieren und uns zum Eingeständnis eigener Überforderung ermutigen. Wir brauchen Freiräume, um uns – trotz und während der Situation – eigene Lebensbezüge oder ergänzende Lebensbezüge oder ergänzende Aufgaben zu erhalten, als Stabilisierung für die nicht freiwillig gewählte, aber bejahte Pflegeaufgabe und als Brücke für das Danach.» (SteinerHummel, 1998: 42). Dieses Zitat, das sich eher auf die «klassische» häusliche Pflege bezieht, kann auch auf das Homecare-Konzept übertragen werden. Es zeigt die Bedeutung sozialer Aspekte für die erfolgreiche Umsetzung von HomecareKonzepten. Homecare-Konzepte können nur erfolgreich sein, wenn sie die Angehörigen als Menschen wahrnehmen, deren Wünschen und Bedürfnisse denen der Patienten gleich sein können, aber nicht müssen. Es ist notwendig, diese Unterschiede wahr- und ernstzunehmen. Wie eingangs ausgeführt, ist Homecare ein umfassendes Konzept, das über die häusliche Pflege hinausgeht und medizinische, soziale und rehabilitative Maßnahmen einschließt. Es arbeitet nach dem Grundsatz ambulant vor stationär und ist ausgerichtet nach den individuellen Bedürfnissen der zu pflegenden Menschen und ihrer Angehörigen.
13.6
Literatur Abt-Zegelin, A.: Home Care und die Rolle der Pflege. In: Hagemeier, O.; von Reibnitz, C.: Homecare. Ein Versorgungskonzept der Zukunft. Economica, Heidelberg 2005: 155–167. Bäumner, M.: Ratgeber, Moderator oder einfach nur Zuhörer – Erfahrungen aus der Beratung Angehöriger von Palliativpatienten. Dr. med. Mabuse, 167 (2007): 32–34.
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13. Die Rolle der Angehörigen in der Homecare-Versorgung
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Angelika Abt-Zegelin
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Einführung Der englischsprachige Begriff home care bezeichnet aus der Sicht der Pflege/Pflegewissenschaft das gesamte Gebiet der häuslichen Pflege und umfasst sowohl die Pflege durch Angehörige oder freiwillige Helfer als auch das Angebot ambulanter Pflegedienste und weiterer Leistungsanbieter. In Deutschland wird unter «Homecare» eher das Segment der Versorgung durch Produkte/Service kommerzieller Anbieter verstanden. Dabei wird nicht nur die häusliche Pflege adressiert, sondern zunehmend auch Kliniken und Altenheime, welche spezialisierte Leistungen auslagern. Mit dem «Homecare»-Begriff sind international alle gesundheitsrelevanten Dienstleistungen in der Häuslichkeit gemeint. Pflegeleistungen umfassen in diesem Sinn auch Prävention und Gesundheitsförderung, es sind Sozialdienste und Serviceleistungen angesprochen. Homecare ist in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich organisiert, gemeinsam ist allerdings die steigende Nachfrage in allen Industrienationen. Verantwortlich dafür sind die kürzeren Aufenthaltszeiten in Institutionen (Kostendämpfung), der Wunsch der Betroffenen, zu Hause versorgt zu werden, und die Zunahme an langfristigen chronischen Krankheiten. Verschiedene Untersuchungen zur Klientel, zur häuslichen Pflegesituation und zur Inan-
spruchnahme ambulanter Pflegedienste beleuchten die Situation (Schneekloth/Müller, 2000; BMFSFJ, 2002; Statistisches Bundesamt, 2005). Durch den Rückgang an familiären Pflegepotenzialen werden vermehrt professionelle Dienstleistungen angefragt, in Zukunft werden weiterhin nichtfamiliäre Netzwerke der Nachbarschaftshilfe o. ä. deutlicher aufgebaut werden müssen, auch hierzu liegen diverse Vorschläge vor (Klie et al., 2002).
14.2
Ambulante Pflege in Deutschland In Deutschland ist der Bereich der ambulanten Pflege noch jung, erst seit Einführung der Pflegeversicherung 1995 hat die ambulante Pflegearbeit hinsichtlich der Versorgungsdichte einen großen Aufschwung genommen. Die Angebote liegen in unterschiedlichster Trägerschaft, stark zugenommen haben private Anbieter. Die Arbeitsmarktchancen für die Pflegeberufe sind durch den Ausbau der häuslichen Pflege enorm gewachsen, ein großer Teil der Ausbildungsabsolventen wird hier früher oder später tätig werden. Die neu geschaffenen Ausbildungsbestimmungen in der Alten- und Krankenpflege berücksichtigen den Bereich der häuslichen Pflege etwas mehr als in den Vorläufer-Versionen,
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allerdings sind die Pflegeausbildungen nach wie vor überwiegend krankenhauszentriert. In der häuslichen Versorgung handelt es sich oft um langfristige Begleitungen, es kommen viele Besonderheiten auf die beruflich Pflegenden zu. Zunächst einmal nehmen sie eher die Rolle eines Gastes ein, sie haben die Lebenswelt der Menschen und die Spezialitäten der jeweiligen Situation zu respektieren. In den letzten Jahren ist besonders in der ambulanten Pflege der Begriff «Kunde» eingeführt worden, dies soll den neuen Status der Nutzer deutlich machen. Allerdings gibt es etliche Stimmen aus der Pflegewissenschaft, die davor warnen, kranke Menschen mit «Kunden» gleichzusetzen. Sicher ist ein Patient auch ein bisschen Kunde, viele Attribute einer Konsumentenrolle treffen jedoch nicht auf ihn zu. Beruflich Pflegende brauchen in der häuslichen Versorgung «einen systemischen Blick», sie müssen in der Lage sein, einfühlsam mit dem gesamten Setting umzugehen, sie benötigen Improvisationstalent und ein breites Spektrum an Fachwissen. Die Situation, alleinverantwortlich zu arbeiten, ohne ein Team vor Ort Entscheidungen zu fällen, ist nicht jedermanns Sache. Aus diesem Grund wird gefordert, in der häuslichen Pflege vor allem berufserfahrene Pflegende einzusetzen, zu versuchen, die qualifikatorische Zuweisung je nach Komplexität der Problemlage vorzunehmen. Bedauerlicherweise wird mancherorts geglaubt, die häusliche Pflege sei nicht sehr anspruchsvoll, Pflegediensten bleibt oft nichts anderes übrig, als einen Teil des Personalbedarfs mit Hilfskräften abzudecken. Es ist kein Wunder, dass durch viele Vorschriften sowohl Gesetzgeber als auch Kostenträger wenigstens Mindestnormen in Bezug auf Qualität gesichert haben wollen. Der Bereich der ambulanten Pflege zeigt in Deutschland, trotz des quantitativen Ausbaus, noch viele Schwächen und Lücken. Der Professionalisierungsrückstand der Pflege ist den vielen Änderungen im Gesundheitswesen nicht gewachsen. Im Wesentlichen zeigt sich die ambulante Pflege adaptiert an die Bestimmungen des SGB XI, und die Pflegedienste konzentrieren sich auf den klassischen «Pflegeversicherungs-Patienten». Hier werden nach einem eingeschränkten Pflegebe-
dürftigkeitsbegriff nur bestimmte «Verrichtungen» refinanziert. Der Bedarf der Klienten entspricht in der Regel kaum den vorgegebenen Maßnahmen (Büscher et al., 2005). Aus dieser Einsicht heraus sind in den letzten Jahren Modellversuche gestartet, um durch eine Budgetorientierung spezifische Angebote machen zu können (u. a. www.pflegebudget.de). Die zersplitterte Finanzierung bei komplexem Versorgungsbedarf, überhaupt das enge Finanzgerüst (Schaeffer, 2002), die unsinnige Teilung in Grund- und Behandlungspflege und die Statuierung als «Halbmarkt» erschweren die Entwicklung dieses immer wichtiger werdenden Versorgungsbereiches. Die Vergütungssätze sind seit vielen Jahren eingefroren. Die Leistungssätze werden zwischen Ärzten und den Pflegekassen/ Krankenkassen ausgehandelt, in den letzten Jahren ist eine Verschiebung der Leistungsvergütung von der Kranken- in die (kostengünstigere) Pflegeversicherung festzustellen. Die Unterschiede von Kasse zu Kasse und von Land zu Land, ja sogar bis in die Region hinein, erschweren die Transparenz. Bis heute sind Definitionen professioneller Pflege, ein entsprechendes Assessment und die Zuweisung passender Leistungen und Pflegepersonen nicht auf den Weg gebracht, geschweige denn, dass ein Nachweis der Sinnhaftigkeit und Ökonomie dieses Vorgehens gelungen ist. Ansätze der Prävention und Rehabilitation sind in der ambulanten Pflege bisher nicht vorgesehen. Seit 2007 wird der Entwurf des Pflege- (Versicherungs-) Weiterentwicklungsgesetzes diskutiert, die Neuerungen werden mit Spannung erwartet. Heftig umstritten ist der Aufbau von so genannten «Pflegestützpunkten», ein Vernetzungsort regionaler Strukturen als Anlaufstelle für alle Fragen rundum Pflegebedürftigkeit. Menschen mit Pflegebedarf sehen sich einem unübersichtlichen und zersplitterten System gegenüber, Angehörige laufen von «Pontius zu Pilatus», um die Pflege sicherzustellen. Vergleichbare Strukturen wie bei der medizinischen Versorgung mit dem Hausarzt als «Gatekeeper» fehlen. In den Pflegestützpunkten sollen alle erforderlichen Kompetenzen, auch die Hilfsmit-
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telversorgung, gebündelt werden. Im Zuge der Reformen wird auch der Pflegebedürftigkeitsbegriff neu definiert und ein neues Verfahren der Pflegebegutachtung entwickelt werden. Es ist damit zu rechnen, dass die Ungerechtigkeit der Einstufungen/ Leistungsgewährungen zwischen körperlichen und psychisch-geistigen Leiden zumindest abgemildert wird und die unsinnige Minutenzählerei bei vier definierten «Verrichtungen» überwunden werden kann. Kaum entwickelt in der ambulanten Pflege sind ebenfalls Konzepte der übergreifenden Begleitung, des Case Managements durch die professionelle Pflege im ambulanten Feld. Die Managementstrukturen der Dienste halten der Entwicklung kaum Schritt. Der Trend geht eher, aus finanziellen Gründen, in Richtung Beschäftigung von Billigkräften, da der politische Druck zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit zunimmt. Eine der prioritären Aufgaben im Pflegefeld ist eine Differenzierung der Anforderungsprofile und Leistungen. Die Abschottung durch die Grenzen der Leistungsträger erschwert eine regionale Zusammenarbeit, und insgesamt fehlen eine gemeindenahe Ausrichtung der Pflegearbeit (engl.: community nursing) sowie die Etablierung von familienstützenden Pflegekonzepten.
14.3
Patientenedukation als pflegerische Aufgabe in Homecare Die Gutachten des Sachverständigenrates im Gesundheitswesen (2003 und 2007) weisen den Pflegeberufen ausdrücklich eine Rolle in der Beratung und Begleitung der Patienten und Angehörigen zu. Im letzten Gutachten wird die Bedeutung von Pflegeexpertise in der Begleitung der Patienten und Angehörigen hervorgehoben, zudem wird eine neue Aufgabenverteilung zwischen Medizin und Pflege andiskutiert. Diese internationale Bewegung in Richtung «Advanced Nursing Practice» wird inzwischen auch in Deutschland unter «erweiterter Pflegepraxis» diskutiert (DBfK, 2007). Zentrale Aufgaben die-
ser PflegeexpertInnen sind die Patientenberatung und -schulung, die Begleitung der Familien und das Case Management. Der Ausbau edukativer und beratender Aufgaben ist in den klassischen Feldern der Pflege bisher vernachlässigt worden. Erst in den letzten Jahren wird der Ruf nach pflegebezogener «Patienten-Edukation» deutlicher (Abt-Zegelin, 2003). Im Homecare-Sektor stehen diese Aufgaben im Vordergrund der Tätigkeit, umfangreiches Fachwissen soll hier maßgeschneidert in Fallarbeit an den Klienten gebracht werden. Diese Arbeit erfordert viele Kompetenzen und eine Offenheit für interdisziplinäre Kooperation. Das vermittelte Wissen muss dem neuesten Stand der Technik resp. Wissenschaft (engl.: state-ofthe-art) entsprechen und möglichst wissenschaftlich gestützt, am besten evidenzbasiert sein. Auch aus diesem Grund wird in vielen Ländern für PflegeexpertInnen eine akademische Ausbildung gefordert. In der US-amerikanischen Pflege ist der Beitrag von «Klinischen Pflegespezialisten» (engl.: clinical nurse specialists) nicht mehr verzichtbar, die auf Master-Stufe vorbereiteten Pflegenden erwerben Expertise in einem Praxisfeld von Pflege/Medizin. Sie sind mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet, in vielen Fällen obliegt ihnen auch die Verordnungskompetenz für pflegebezogene Heil- und Hilfsmittel. In den deutschsprachigen Ländern wurden bisher «Pflegeexperten» im Weiterbildungsbereich vorbereitet, besonders in der Schweiz hat sich die Vertiefung durch eine zweistufige «Höhere Fachausbildung» bewährt und durchgesetzt. In Deutschland ist die Notwendigkeit erkannt, die Pflegeberufe mehr für Aufgaben der Beratung und Schulung vorzubereiten, die neuen Ausbildungsverordnungen sehen das vor, dennoch sind die Barrieren unendlich groß. Abgesehen von Fragen der Aus- und Weiterbildung ist es die klassische Sozialisation der Pflegenden, die einer Erweiterung des Aufgabenspektrums im Wege steht. Vielfach werden Gesprächstätigkeiten nicht als «richtige Arbeit» empfunden, vordergründig wird Zeitmangel angegeben, die
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Pflegenden scheuen die Übernahme der Verantwortung, sie beklagen ihre mangelnde Wissensvertiefung oder fühlen sich in rechtlich unsicherer Lage. Das Informationsmonopol liegt vermeintlich bei der Ärzteschaft, Dokumente wie die «Patientenrechtscharta» suggerieren auch weiterhin diesen Umstand. Dabei geht es bei den hier gemeinten Beratungs- und Schulungstätigkeiten nicht um die ärztliche Aufklärung in Bezug auf die Krankheit, es geht vielmehr um den alltäglichen Umgang mit den Einschränkungen, um Fragen der Versorgung und der Selbstpflege. In der Regel sind dies Tätigkeiten, die in akuten Krankheitsphasen ohnehin von den Berufspflegenden stellvertretend für den Kranken durchgeführt werden. Nun geht es um eine Pädagogisierung, so dass die Patienten und die Angehörigen lernen, ihren Alltag zu managen. Auf der anderen Seite eignen sich gerade die Pflegeberufe für Aufgaben der Patienten-/Familienedukation, sie arbeiten klientennah, wissen etwas über den Patienten, sind informiert über die Umstände, sie arbeiten beziehungsorientiert und genießen das Vertrauen der Pflegebedürftigen. Außerdem sind sie als Berufsgruppe ständig oder oft präsent und sprechen die gleiche Sprache wie die Kranken. Im Institut für Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke sind in den letzten Jahren verschiedene Aktivitäten zur pflegebezogenen Patientenedukation entwickelt worden. Unter dem Oberbegriff «Patientenedukation» werden Information, Schulung und Beratung verstanden, in der Regel richten sich die Angebote an individuelle Adressaten (und weniger an Gruppen), an Patienten und Angehörige. Von «Mikroschulungen», etwa zum Thema «Subkutane Injektion» bis hin zu umfangreichen Dossiers, zum Beispiel zur Anleitung kehlkopfoperierter Patienten, von «Edukationskarten Epilepsie» bis hin zu einem Angehörigenschulungsprogramm bei Demenz oder einem Programm zur pflegerischen Begleitung von Brustkrebspatientinnen sind Konzepte auf den Weg gebracht worden. Für Familien, die zu Hause pflegen, wurden mehrere umfangreiche Begleitprogramme in Modulen entwickelt.
Insgesamt ist immer wieder festzustellen, dass es an gut geeignetem (Lehr-) Material für Pflegethemen in der Patientenbegleitung fehlt (auch im Homecare-Bereich). Die Betroffenen brauchen keinen «verkleinerten Wissenskanon» der Professionellen, meist haben die Patienten ganz andere Fragen! Die Entwicklung von Patienteninformationsmaterial und auch die Bewertung von Informationsbroschüren sind wichtige Aufgaben. Hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit des Wissens bei einigen Themen können die Arbeiten des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) genutzt werden. Weiter sollte darauf geachtet werden, dass Konzepte und Materialien erwachsenenorientiert ausgerichtet sind, dass die Leser sich ernstgenommen fühlen und den Text gut verstehen. Im Mittelpunkt steht Alltagsbewältigung und nicht Symptomkontrolle, das Ziel ist nicht eine naive «Compliance», sondern informierte Entscheidung. Die «Wittener-Liste» stellt einige Bewertungskriterien zusammen (www. patientenedukation.de). Alle Angebote sollten standardisiert werden, sie sollen systematisch und nicht zufällig erfolgen, Evaluation sollte immer dazu gehören. Auch im Homecare-Bereich sollten Umsetzungsprogramme gut beschrieben und evaluiert sein. Einen wichtigen Bereich im Feld Patientenedukation nimmt die Entwicklung von «trainthe-trainer»-Programmen ein. Vor einigen Jahren wurden dazu im Institut für Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke verschiedene Angebote entwickelt.
14.4
Homecare als Modell für sektorübergreifende Versorgung? Nach wie vor schwierig ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Akteure im HomecareFeld. Versorgungsbrüche und Informationsdefizite kennzeichnen die Versorgungsverläufe (Höhmann et al., 1999). Auch fehlt es an Angeboten für spezielle Patientengruppen, z. B. im Hinblick auf technikintensive Leistungen.
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Schaeffer (2002) stellt besonders die Probleme für Schwerstkranke in der häuslichen Pflege heraus, die Vormachtsstellung der Krankenhäuser und die Dominanz der Medizin haben lange Jahre andere Versorgungswege verstellt. Abgesehen von Körperkrankheiten müssten auch Homecare-Konzepte für Menschen mit seelischen bzw. kognitiven Problemen vermehrt bereitgestellt werden – in den letzten Jahren stellt etwa die Versorgung von dementen Menschen im häuslichen Umfeld eine große Herausforderung dar. Ein Grundproblem scheint auch zu sein, dass die Nutzer häuslicher beruflicher Pflege die Fachlichkeit der Leistungen nicht deutlich erkennen bzw. die Angebote in einen allgemeinen Rahmen mitmenschlicher und karitativer Hilfe ansiedeln («Oma können wir auch selbst versorgen.»). In der Regel werden lediglich die finanzierten Leistungen der Pflegekasse in Anspruch genommen, die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen sind nicht bereit, darüber hinaus selbst zu zahlen. Die Pflegeanbieter müssen sich fragen lassen, ob sie die Professionalität ihrer Leistungen überhaupt deutlich machen und genug Expertise für spezielle Situationen vorhalten. In Pflege und Pflegewissenschaft wird unter «Homecare» der gesamte Bereich ambulanter Versorgung gemeint, davon unabhängig haben sich weitere und spezialisierte Bedeutungen in Deutschland etabliert. Angeregt durch die Entwicklungen eines sektorübergreifenden «Case Managements» und durch die Vorhaben einer «integrierten Versorgung» (GKV-Modernisierungsgesetz) sind überall in Deutschland Modellprojekte mit dem Auftrag einer besseren Kooperation in Gang gekommen. Insbesondere das Programm «Altenhilfestrukturen der Zukunft» (BMFSFJ) brachte eine Reihe von Vernetzungsaktivitäten auf den Weg. Als Beispiel soll hier das Projekt «Homecare Nürnberg» genannt werden. Es wurde von einem Ärzteverbund mit etwa 140 Mitgliedern, dem Praxisnetz Nürnberg Nord, organisiert. Erhal-
tung der häuslichen Lebensqualität ist eine wichtige Zielsetzung. Die berufliche Pflege spielte hier eine nachgeordnete Rolle, sie tauchte als ein Akteur unter vielen auf. Die Bezeichnung «Virtuelles Altenheim» soll anzeigen, das alle Dienstleistungen eines zentralen Anbieters in vernetzter Form auch in der häuslichen Situation inzwischen möglich sind, auch umfassende Krankenhausleistungen können durchaus «virtuell» und dezentral angeboten werden. Vorhandene Dienste werden vernetzt und in einem gemeinsamen, interdisziplinären Qualitätsmanagement zusammengefasst. Das Nürnberger Netz hält dazu eine moderne Informations- und Kommunikationstechnologie vor, eine Koordinierungsstelle sitzt im Zentrum. Stichworte sind: Anlaufpraxis, fachärztliche Zuarbeit, PatientenGesundheitspass, Überweisungsbegleitbrief, Qualitätszirkel, Netzkonferenzen, Verzahnung der Ärzte mit ambulanten Pflegediensten und dem stationären Sektor, alltagspraktische Hilfen, qualifizierte und umfassende Beratungen (Wohnraumanpassung, soziokulturelle und psychosoziale Unterstützung, Besuchsdienste, Seniorentreff, Nachbarschaftskontakte). Ähnliche Aktivitäten tauchen auch in anderen Projekten multiprofessioneller und integrierter Versorgung auf: Ambulante geriatrische Teams entstehen an vielen Orten, aufsuchende Dienste proben in Modellprojekten zum präventiven Hausbesuch ihre Wirksamkeit. Typisch für die Pflege sind Bestrebungen, die Überleitung vom Kliniksektor zur häuslichen Pflege zu erleichtern. Der «Nationale Expertenstandard Entlassungsmanagement» hat hier Entwicklungen angestoßen. Allerdings taucht die ambulante Pflege in Projekten integrierter Versorgung (wenn überhaupt) eher als sekundärer Dienstleister und nicht als Vertragspartner oder gar Impulsgeber auf.
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14.5
Homecare als Dienstleistung der Medical-Branche In den USA wird die Bezeichnung «Homecare» auch synonym für die Akut- und Intensivversorgung zu Hause verstanden. Dabei handelt es sich oft um High-Tech-Situationen, die mit telematikgestützten Systemen und Expertenkontakt aufrechterhalten werden können («Hospital at Home»). Möglicherweise ist diese Statuierung der Grund, dass international tätige Medical-Firmen diese Bezeichnung für ihren Versorgungsbereich auch nach Deutschland transferiert haben. In diesem Sinne wird darunter ein Dienstleistungssegment der Produktanbieter verstanden, auch einige Versicherer nutzen diese Bezeichnung für ihre Aktivitäten in der häuslichen Versorgung. Unter «Homecare» wird also auch ein Segment der Medical-Industrie verstanden. Gemeint ist produktorientierte Versorgung der Nutzer im häuslichen Bereich, verbunden mit beratungsintensiven Hilfen. Als Wachstumsbranche ist die Gesundheitswirtschaft seit Jahren im Zentrum der Aufmerksamkeit. Anbieter verstehen sich als Case Manager entlang der gesamten Versorgungskette, sie wähnen sich frei von partikularen Ansichten, abgesehen natürlich von kommerziellen Interessen. Damit werden neoliberale Ausrichtungen im Gesundheitswesen verstärkt. In der Regel sind die Aktivitäten der Homecare-Branche an Diagnosen/Krankheiten ausgerichtet und entsprechen daher eher einer häuslichen «Therapie» durch fachgerechten Einsatz von Medizinprodukten, Hilfsmitteln und Medikamenten. Pflege bedeutet hingegen Stärkung der Alltagskompetenz, sie ist eher an komplexen Problemlagen orientiert (obwohl dies durchaus von der Verrichtungsorientierung der Pflegeversicherung konterkariert wird). Begrüßenswert ist, dass heutzutage eine umfassende häusliche Versorgung viel eher möglich ist als noch vor 10 oder 15 Jahren. Parenterale und enterale Ernährung, Stoma-, Inkontinenz-
versorgung, Tracheostomapflege, Wundversorgung, Dekubitusprävention durch Lagerungssysteme sind gut bearbeitete Felder dieser Art der Homecare-Versorgung, selbst aufwändige Situationen der Heimdialyse und der apparativen Beatmung sind inzwischen zu organisieren. Die Angebote werden zunehmend in Anspruch genommen. Die Menschen möchten in ihrer Häuslichkeit bleiben, chronische Krankheiten zeigen lange Verläufe mit häufig komplexen und widersprüchlichen Problemlagen. Der Wissenszuwachs steigt in den Fachgebieten an, die verordnenden Ärzte und auch die Kassen können die Entwicklung kaum überblicken. Aus Kostengründen gliedern Institutionen diese spezialisierten Dienste aus. Kliniken und Altenheime öffnen die Türen für externe Fachleute, ambulante Pflegedienste nutzen die Hilfen von Experten. Homecare-Dienste werden in zwei Formen angeboten: durch den ambulanten Fachhandel (Sanitätshaus) und direkt durch MedicalFirmen, in der letzteren Form besteht natürlich die Vorgabe, die Produkte der jeweiligen Firma anzubieten. Mittelfristig werden sich Qualität und Inanspruchnahme dann durchsetzen, wenn es gelingt, die Orientierung an einzelnen Problemen/ Produktlinien zu überwinden und an den Alltagsbedürfnissen der Nachfrager zu orientieren. Homecare-Anbieter treten mit dem (richtigen) Argument an, die ungute sektorale Trennung überwinden und Netzwerke aufbauen zu wollen – entlang der gesamten Versorgungskette. Es besteht allerdings die Gefahr, neue Barrieren durch enge Produktorientierungen aufzubauen. Pflegebedürftigkeit liegt sozusagen quer zu medizinischen Konzepten, im ungünstigsten Fall müssen Kranke täglich bis zu fünf «Spezialisten» in ihrer Häuslichkeit kontaktieren, ein Zustand der untragbar ist. Eventuell ist ein Angebot umfassender häuslicher Versorgung durch Pflegedienste in Zusammenarbeit mit Firmen eine Lösung – mittlerweile existieren über 12 000 ambulante Pflegedienste in Deutschland. Eine Kooperation ist anzustreben. Unter dem Blickwinkel der Erweiterung pflegerischer Aufgaben ist jegliche Erweiterung der
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Klinikorientierung begrüßenswert. Durch die Verlagerung professioneller Pflege in den häuslichen Sektor hat sich für die Pflegeberufe in Deutschland in den letzten 15 Jahren ein neues Aufgabenspektrum ergeben. Begrüßenswert ist auch, dass beruflich Pflegende interessante Arbeitsplätze bei Krankenund Pflegekassen und bei Firmen der MedicalBranche einnehmen. Diese Arbeitsplätze finden sich sowohl im direkten Klientenkontakt als auch mittelbar über Begleitung der Professionellen. Ein hervorragendes Merkmal der Versorgung, neben Produkten und Service, sollten die Information, Schulung und Beratung der Klienten darstellen. Dabei wird sich zeigen, ob die konsequente Unterstützung in Richtung Selbstmanagement bei den Nutzern konkurriert mit Anliegen der Kundenbindung bei den Anbietern. Bei Produktanbietern könnten Verträge auf Provisionsbasis ein Problem für eine patientenorientierte Beratung darstellen, die Akteure sind dann interessiert, gewinnbringend Zusatzartikel zu verkaufen (auch wenn sie nicht unbedingt nötig sind). Im Homecare-Bereich ist das Know-how der Spezialisten, ihre Beratungsleistung in den Erstattungsbeträgen für die Produkte enthalten. Insgesamt beklagenswert ist der Umstand, dass sehr gut ausgebildetes Pflege-Fachpersonal in der Regelversorgung bisher kaum anzusiedeln ist. Expertenwissen und Beratungsleistungen werden von extern «eingekauft» und dies in zunehmendem Maße. Hier ist wünschenswert, dass Expertise klientennah und prozessbegleitend zur Verfügung gestellt wird und die Anzahl von Schnittstellen klein gehalten wird. Dabei sind Experten mit spezialisierten Zusatz- und Weiterbildungen durchaus vorhanden, es gibt Stomatherapeuten, Wundexperten usw. Allerdings werden sie in den Einrichtungen kaum (teil-) freigestellt für spezielle Aufgaben. Bei den klassischen Anbietern ambulanter Pflege sind sie eine absolute Rarität. Im nach SGB XI finanzierten Bereich geht es eher um Abbau der Qualifikationen und um die vermehrte Beschäftigung von Minderqualifizierten bis hin zu Ungelernten. Fachkompetenz wird in der üblichen
pflegerischen Versorgung bisher nicht finanziert. 14.6
Fazit In wenigen Jahren wird sich die Schere zwischen Pflegebedarf der Bevölkerung und Möglichkeiten einer direkten professionellen Betreuung weiter öffnen: Rein zahlenmäßig stehen nicht mehr genug Ausgebildete zur Verfügung. Die Profis werden dann mittelbar tätig sein, steuern, überwachen, mehr Kompetenzen auf die Betroffenen selbst und auch Helfer übertragen müssen. Hotline-Dienste und Video-Überwachung werden normal werden. Mit den veränderten Aufgaben müssten sich aber auch die Rahmenbedingungen im Gesundheits- und Pflegewesen ändern, die Schritte hin zu einer integrierten Versorgung weisen in die richtige Richtung. Die Abschottung der Versorgungsbereiche, die zersplitterte Kostenträgerlandschaft, der Lobbyismus und eine Regelungswut mit vielerlei unsinnigen Bestimmungen erschweren eine gute und kontinuierliche Begleitung. Die Pflegeberufe spielen bisher in der Gestaltung der Rahmenbedingungen nur eine nachgeordnete Rolle, mit zunehmender Professionalisierung wird eine Mitsprache und Mitverantwortung wahrscheinlicher. Eine maßvolle Deregulierung des Gesundheitswesens wird gefordert, dabei sind eine gewisse staatliche Aufsicht und Qualitätsauflagen sicher unverzichtbar. Gesundheitsfragen sollten eine hoheitliche Aufgabe bleiben, Patienten und ihre Angehörigen benötigen Lotsendienste. Eine vollständige Statuierung nach Marktgesetzen wäre der Gesundheitsversorgung abträglich, die Nutzer sind kaum in der Lage, informierte Entscheidungen zu treffen. Resultieren würde ein deutliches Mehrklassensystem, indem viele Bürger «durch die Maschen fallen» würden. Abschließend soll noch einmal auf eine ganz andere Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen Homecare-Bereich und Pflege/Pflegewis-
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senschaft eingegangen werden. Schon jetzt gehen die Erfahrungen der Pflegenden «vor Ort» in die Produktentwicklung der Medical-Industrie ein. In den letzten zehn Jahren hat sich in Deutschland die Pflegewissenschaft zögerlich etabliert, an mehreren Orten sind Forschungsinstitute entstanden. Förderlich wäre eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen der Pflegewissenschaft und den verschiedenen Anbietern im Medizinund Pflegefeld, sei es bei der Produktentwicklung oder auch bei der (pädagogischen) Programmentwicklung. Der Homecare-Bereich wird dabei weiterhin eine Wachstumszone bleiben.
14.7
Literatur Abt-Zegelin, A.: Patienten- und Familienedukation in der Pflege. In: Deutscher Verein für Pflegewissenschaft (Hrsg.): Das Originäre der Pflege entdecken. Sonderausgabe Pflege und Gesellschaft. Mabuse, Frankfurt 2003: 103–115. Braun, U.; Schmidt, R. (Hrsg.): Entwicklung einer lebensweltlichen Pflegekultur. Transfer, Regensburg 1997. Büscher, A.; Boes, C.; Budroni, H.; Hartenstein, A.; Holle, B.: Finanzierungsfragen der häuslichen Pflege. Eine qualitative Untersuchung zur Einführung personenbezogener Budgets. Abschlussbericht. Institut für Pflegewissenschaft, der privaten Universität Witten/ Herdecke, Witten 2005. Verfügbar unter: http://www. uni-bielefeld.de/gesundhw/ag6/mitarbeiter/buescher. html. [Datum der letzten Einsichtnahme: 10. April 2008]. Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen, und Jugend (BMFSFJ): Möglichkeiten und Grenzen selbstständiger Lebensführung in privaten Haushalten III. BMFSFJ 2002. Verfügbar unter: http://www.bmfsfj.de/ Publikationen/mug/. [Datum der letzten Einsichtnahme: 10. April 2008].
Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK): Advanced Nursing Practice, die Chance für eine bessere Gesundheitsversorgung in Deutschland. Eigenverlag, Bad Soden 2007. Deutsches Netzwerk Qualitätsentwicklung in der Pflege (Hrsg.): Expertenstandard Entlassungsmanagement in der Pflege. Eigenverlag, Osnabrück 2004. Gehring, M.; Kean, S.; Hackmann, M.; Büscher, A. (Hrsg.): Familienbezogene Pflege. Verlag Hans Huber, Bern 2001. Höhmann, U.; Müller-Mundt, G.; Schulz, B.: Qualität durch Kooperation. Mabuse, Frankfurt, 2. Aufl. 1999. Klie, T.; Buhl, A.; Entzian, H.; Schmidt, R. (Hrsg.): Das Pflegewesen und die Pflegebedürftigen. Mabuse, Frankfurt 2002. Roth, G.: Qualitätsmängel und Regelungsdefizite der Qualitätssicherung in der ambulanten Pflege. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen, und Jugend (BMFSFJ), Band 226. Kohlhammer, Stuttgart 2001. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Hrsg.): Finanzierung, Nutzerorientierung und Qualität, Band 1. Nomos, BadenBaden 2003. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Hrsg.) Kooperation und Verantwortung. Nomos, Baden-Baden, 2007. Verfügbar unter: http://www.svr-gesundheit.de. [Datum der letzten Einsichtnahme: 10. April 2008]. Schaeffer, D.; Ewers, M.: Ambulant vor stationär. Verlag Hans Huber, Bern 2002. Schmidt, R.; Entzian, H.; Giercke, K. I.; Klie, T. (Hrsg.): Die Versorgung pflegebedürftiger alter Menschen in der Kommune. Mabuse, Frankfurt 1999. Schneekloth, U.; Müller, U.: Wirkungen der Pflegeversicherung. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Gesundheit, Band 1279. Nomos, Baden-Baden 2000. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Pflegestatistik 2005. Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung. Deutschlandergebnisse. Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2005. Verfügbar unter: http://www.kritischebioethik. de/pflegestatistik-2005.pdf. [Datum der letzten Einsichtnahme 10. April 2008].
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Spitex – Hilfe und Pflege zu Hause. Ambulante Grundversorgung in der Schweiz Andrea Hornstein; Monika Müller-Hutter
15.1
Einleitung Die Schweiz hat ein relativ einheitliches SpitexSystem 4. Im Krankenversicherungsgesetz (KVG) sind viele Bestimmungen festgesetzt, die in der ganzen Schweiz gelten. Der Spitex-Verband Schweiz (Dachverband der Non-Profit-SpitexOrganisationen) und die Santésuisse Schweiz (Verband der Krankenversicherer) steuern die Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen. Trotzdem gibt es in der schweizerischen SpitexLandschaft Unterschiede, die sich hauptsächlich in der Größe der Spitex-Organisationen und der Versorgungsgebiete zeigen. In der Westschweiz und im Tessin versorgt die Spitex ganze Regionen. In der deutschsprachigen Schweiz gibt es vor allem in Städten große Spitex Vereine. In den Dörfern existieren kleinere Spitex-Angebote. Je nachdem zeigen sich unterschiedliche Strukturen und Abläufe. Eine Spitex-Organisation mit vier Mitarbeitenden stellt andere Anforderungen an die Organisationsabläufe als eine mit dreihundert. Es ist zu bemerken, dass auch im ländlichen Umfeld eine Tendenz zu kommunalen oder gar zu regionalen Zusammenschlüssen steigt. Gründe dafür liegen im Bedarf nach Effizienz- und Qualitätssteigerung sowie nach Kostensenkung in der Gesundheitsversorgung. Um trotz der Vielfalt in der Spitex-Landschaft ein
Bild über die Schweizer Spitex aufzuzeigen, wird in Abschnitt 15.2 aufgrund statistischer Kennzahlen aus dem Jahre 2006 die Dimension der Spitex-Leistungen in der Schweiz dargestellt. In Abschnitt 15.3 wird das Umfeld der SpitexOrganisationen beleuchtet, und in Abschnitt 15.4 wird ein Beispiel aus der Stadt St. Gallen abgebildet. In Abschnitt 15.5 werden das Organisationsprofil und der Dienstleistungsprozess einer Spitex-Organisation anhand eines Fallbeispiels erläutert. Der Beitrag wird mit kritischen Betrachtungen und Gedanken über Entwicklungsperspektiven abgeschlossen. Der vorliegende Beitrag beschreibt die Situation der gemeinnützigen Spitex mit öffentlichem Leistungsauftrag.
15.2
Wie arbeitet die Spitex in der Schweiz? Spitex ist eine Sammelbezeichnung für ambulante Angebote der Gesundheitsversorgung, insbesondere für die Hilfe und Pflege zu Hause,
4 Spitex: schweiz. f. spitalexterne Pflege
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Homecare
welche sich im deutschsprachigen Raum etabliert hat. Die Spitex ist in der Schweiz föderalistisch strukturiert. Die Leistungen werden von lokalen oder regionalen Anbietern in der Regel im Auftrag der Gemeinden erbracht. Die Spitex-Organisationen fördern, unterstützen und ermöglichen das Wohnen und Leben zu Hause für Menschen aller Altersgruppen, die der Hilfe, Pflege, Betreuung, Begleitung und Beratung bedürfen. Sie arbeiten auch aktiv bei der Gesundheitsförderung mit. Ziel der Spitex ist, die Selbstständigkeit des Klienten und der Klientin zu erhalten und zu fördern. Dabei versuchen die Mitarbeitenden der Spitex, das private Umfeld der Betroffenen, wenn immer möglich, in die Hilfe und Pflege mit einzubeziehen. Seit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) am 1. Januar 1996 und der Verordnung über die Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (KLV) sind diejenigen Pflegeleistungen gesetzlich definiert, welche durch die Krankenversicherer bezahlt werden. So lässt sich das Spitex-Angebot in Pflicht- und Nichtpflichtleistungen unterteilen. Die Krankenversicherer übernehmen die Kosten der Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemaßnahmen zu Hause, die auf ärztliche Anordnung hin erbracht werden. Die Pflichtleistungen umfassen neben der Behandlung und Pflege auch die Abklärung des Pflegebedarfs sowie die Beratung und Anleitung zur Pflege. Die Auswertung der SpitexStatistik 2006 des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) ergab folgendes Bild über die Spitex-Landschaft Schweiz: Die Rechtsform der Spitex-Organisationen ist zu 90 % der privatrechtlich gemeinnützige Verein, dies sind 606 Vereine. Fünf Prozent sind Stiftungen, 4 % der erfassten Organisationen sind öffentlich-rechtliche Gemeindeorganisationen und 2 % sind andere öffentlich-rechtliche Organisationen. Große Unterschiede gibt es in der Versorgungsdichte. Diese schwankt zwischen den Kantonen zwischen 0,9 bis zu 3,1 Vollzeitstellen pro 1000 Einwohnerinnen und Einwohner, bei einem Durchschnitt von 1,5 Vollzeitstellen. Im Jahr 2006 leisteten in der Schweiz 27 600 Personen mit umgerechnet 11 500 Vollzeitstellen in 677 Organisationen Hilfe und Pflege
zu Hause. Rund 3500 Vollzeitstellen werden durch diplomierte Pflegefachpersonen besetzt. Von den 200 300 gepflegten oder betreuten Personen sind 139 900 weiblich und 81 % sind im Rentenalter. Gesamthaft wurden 11 829 300 Mio. Stunden Hilfe und Pflege zu Hause in Rechnung gestellt. Davon waren 40 % hauswirtschaftliche Leistungen und 60 % Pflegeleistungen. Die Kosten für Dienstleistungen der Spitex betragen nur 2 % der nationalen Gesundheitsausgaben. Durch Subventionen wurden mit 528 Mio. Franken 47 % der Einnahmen gedeckt. Die Gemeinden leisteten 16 %, die Kantone 14 % und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) im Rahmen der Förderung der offenen Altershilfe (Art. 101 bis Bundesgesetz über die Altersund Hinterlassenenversicherung, AHVG) 16 %. Fünf- zig Prozent der Einnahmen wurden durch die Spitex-Organisationen mittels Verrechnung der Dienstleistung eingebracht. Vier Prozent der Einnahmen kamen aus Mitgliederbeiträgen, Spenden, Kapitalerträgen und übrigen Erträgen.
15.3
Die Spitex-Organisationen in ihrem Umfeld Die Spitex-Organisationen sind in einem vielfältigen Umfeld eingebettet. In den Abbildungen 15-1 und 15-2 wird einerseits das politische und andererseits das professionelle Umfeld der Spitex-Organisationen dargestellt. Im politischen Umfeld zeichnet sich mit der Einführung der Neugestaltung des Finanzausgleichs (NFA) per 1. Januar 2008 auch eine Entflechtung zwischen Bund und Kantonen ab. Mit Inkrafttreten des NFA sind neu die Kantone für die Spitex zuständig, der Bund beteiligt sich nicht mehr an der Subvention der Spitex-Organisationen. Es liegt an den Kantonen, die Finanzierung der Spitex-Organisationen sicherzustellen. Die Umsetzung in den Kantonen erfolgt unterschiedlich. In einzelnen Kantonen bleibt ein Teil der Verantwortung bei diesen und wird mit den Gemeinden zusammen getragen, in einem andern Teil wird die Verantwortung ganz den Gemeinden übertragen. Das System ist äußerst kom-
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plex, und eine gute Vernetzung und Koordination werden immer wichtiger. Der SpitexVerband ist als Dachverband diesbezüglich ein wichtiger Partner für die Spitex-Organisationen. Zwischen den Verbänden und den Krankenversicherern werden Tarifverträge ausgehandelt, die durch die Regierung verabschiedet werden und denen die Spitex-Organisationen beitreten können. Dies führt zu kantonaler Einheitlichkeit der Tarife. Auch die fachliche Ausrichtung wird durch die Verbände gesteuert, sei es durch eine starke Rolle in der Ausbildung oder bei der Entwicklung von branchenspezifischen, validen Arbeitsinstrumenten.
147
Spitex-Verband Schweiz www.spitex.ch
Gesundheitsgesetz KVG / KLV / KVV www.admin.ch
Santésuisse Schweiz Verband der Krankenversicherer www.santesuisse.ch
Spitex-Verband Kanton St. Gallen www.spitexsg.ch
Gesundheitsgesetz Kanton St. Gallen www.sg.ch
Santésuisse St. Gallen-Thurgau-Glarus
Gemeinde Leistungsauftraggeber
65 SpitexOrganisationen im Kanton St. Gallen Patientinnen/ Patienten soziales Umfeld
Abbildung 15-1: Das politische Umfeld der Spitex.
15.4
Spitex im Leistungsauftrag der Stadt St. Gallen St. Gallen ist eine Stadt mit rund 70 000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Als politische Gemeinde hat St. Gallen nach Art. 23 des kantonalen Gesundheitsgesetzes eine fachgerechte, bedarfsorientierte Hilfe und Pflege zu Hause für die Einwohnerinnen und Einwohner zu gewährleisten. Für die Stadtkreise Ost, West und Zentrum gibt es vier Spitex-Organisationen, die mit der Stadt St. Gallen eine Leistungsvereinbarung abgeschlossen haben. Diese Leistungsvereinbarung definiert die Ziele, Aufgaben und Leistungen und legt den Finanzierungsmodus fest. Eine Bedingung dabei ist das Angebot von Pflege und Hauswirtschaft, das durch interprofessionelle Teams geleistet wird.
15.4.1
Organisationsprofil Es handelt sich um eine mittelgroße Non-ProfitOrganisation, welche ein für die Schweiz typisches Bild zeigt. Die Trägerschaft ist ein privatrechtlich-gemeinnütziger Verein. Das oberste Organ ist die Mitgliederversammlung. Ein ehrenamtlich tätiger Vorstand nimmt die strategische Führung war. Für die operative Führung ist die Geschäftsführerin zuständig. In dieser Organi-
Kooperationspartner Spezialdienste
stationäre Einrichtungen
65 SpitexOrganisationen im Kanton St. Gallen
Bildungsanbieter
Patientinnen/ Patienten soziales Umfeld Hausärztinnen, Hausärzte
Beratungsstellen Krankenversicherer
Abbildung 15-2: Das professionelle Umfeld der Spitex.
sation wird großer Wert auf Partizipation, Teamarbeit und Eigenverantwortung gelegt. Die Grundwerte und das Führungsverständnis sind im Leitbild definiert. Zudem richtet sich die Pflege nach dem «Leitbild Pflege» des Gesundheitsdepartementes des Kantons St. Gallen. In der Spitex St. Gallen-Ost arbeiten 40 Mitarbeiterinnen und 2 Mitarbeiter, total sind dies 26 Vollzeitstellen. Das Einsatzgebiet umfasst zirka 26 000 Einwohnerinnen und Einwohner. Die Geschäftsführerin ist eine diplomierte Pflegefachperson HF mit Nachdiplomstudium in Management (s. Abb. 15-3 auf S. 148).
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rative Führung des Betriebes, Personalmanagement, Public Relation, Entwicklung, Controlling, Beisitz in Vorstandssitzungen; Zusammenarbeit mit dem Spitex-Umfeld und die punktuelle Mitarbeit in der Dienstleistung gehören ebenso zum Zuständigkeitsbereich.
Organigramm A Mitgliederversammlung 1800 Mitglieder B Vorstand 7 Personen C Betriebsleiter/in 100 % D Steuergruppe Entwicklung E Bereichsleiter/in Pflege 90 %
F Bereichsleiter/in Hauswirtschaft 80 %
G Bereichsleiter/in Administration 80%
H Pflegefachpersonen Praktikant/innen 19 Personen, 11 Stellen
I Hauspfleger/innen Pflegeheifer/innen 11 Personen, 6,4 Stellen
K Mitarbeiter/in Administration 20%
Abbildung 15-3: Organigramm Spitex St. Gallen-Ost.
15.4.2
Organisationsstruktur und -mitglieder A) Mitgliederversammlung Mitglieder des Spitex-Vereins sind 1800 Personen, vorwiegend im Rentenalter und Familien. Der Mitgliederbeitrag beträgt zurzeit 30 Franken pro Haushalt und Jahr. Die jährliche Mitgliederversammlung wird neben dem üblichen Vereinsbericht und den Abstimmungen zur Kontaktpflege genutzt. Motivation zur Mitgliedschaft sind die Unterstützung einer Non-ProfitOrganisation, die jährliche Information über Gesundheitsthemen und das Leistungsangebot. Außerdem werden die Mitglieder darüber informiert, wohin sie sich im Krankheitsfall wenden können. B) Vorstand Der Vorstand setzt sich aus sieben Mitgliedern zusammen und arbeitet ehrenamtlich. Der Aufgabenbereich betrifft die strategische Führung und das Controlling. C) Geschäftsführung Die Geschäftsführung ist zuständig für die ope-
D) Qualitätsmanagement-Team (QM-Team) Einzelne Mitarbeitende aus den Organisationseinheiten Führung, Dienstleistung und Administration bilden ein QM-Team mit definiertem Auftrag. Das QM-Team ist vernetzt mit den Regionalen Entwicklungsteams (RETeams), die wiederum mit der Fachstelle für Spitex-Entwicklung des kantonalen Spitex-Verbandes zusammenarbeiten. E/F) Bereichsleitung Pflege und Bereichsleitung Hauswirtschaft Sie tragen die Verantwortung für die Sicherstellung und Entwicklung der professionellen Dienstleistung in ihrem entsprechenden Aufgabenbereich. G) Bereichsleitung Administration Sie trägt die Verantwortung für den Bereich Administration, Finanz- und Personalwesen, Statistik und allgemeine Sekretariatsaufgaben. H) Diplomierte Pflegefachfrauen HF und diplomierte Pflegefachmänner HF Die Pflegefachpersonen erbringen Leistungen im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege. Dazu gehören auch die Bedarfsabklärung, Beratung und Prävention sowie die Begleitung von Auszubildenden. Pflegespezialistinnen für Palliative Care, Diabetes, Gerontologie und Wundmanagement gehören ebenfalls zum Team. I) Fachangestellte Gesundheit (FaGe), Hauspfleger/innen, Pflegehelfer/innen des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) Die Fachangestellte Gesundheit und die Hauspflegerin sind zuständig für die selbstständige Führung des Haushaltes und für die Betreuung von Kindern. Zudem führen sie Pflege in einfacher, stabiler Situation aus. Die FaGe wird auch für Assistenzaufgaben im Sekretariat und in der Logistik eingesetzt. Die Pflegehelferinnen
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SRK unterstützen Patientinnen und Patienten bei den Haushaltsarbeiten, führen ebenso Pflege in einfacher, stabiler Situation aus und übernehmen sozialbegleitende Aufgaben. Diese Mitarbeitenden werden in den pflegerischen Leistungen durch das Pflegefachpersonal kontrolliert und unterstützt.
Einnahmen 2007 übrige Einnahmen 8% Subventionen öffentliche Hand 33 % Leistungen Hauswirtschaft 8%
15.4.3
Finanzierung und Infrastruktur
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Mitgliederbeiträge, Spenden 5%
Leistungen Pflege 46 %
Abbildung 15-4: Einnahmen 2007.
Finanzen Die Finanzierung der Spitex St. Gallen-Ost ist komplex. Beteiligt sind die verschiedenen Krankenversicherer, die Stadt St. Gallen, Mitglieder, Patientinnen und Patienten. Die Tarife für die krankenkassenpflichtigen Pflegeleistungen werden zwischen dem Kantonalverband der Krankenversicherer (Santésuisse Ostschweiz) und dem Spitex-Verband Kanton St. Gallen ausgehandelt. Die Tarife für die hauswirtschaftlichen Leistungen setzt die Direktion für Soziales und Sicherheit der Stadt St. Gallen fest. Alle Tarife sind für die Spitex-Organisation verbindlich. Abbildung 15-4 stellt die Einnahmen im Jahre 2007
dar. Haupteinnahmequellen sind mit 54 % die Erträge aus den Dienstleistungen. Abbildung 15-5 stellt die Ausgaben im Jahr 2007 dar. Der Personalaufwand dominiert mit 89 % die Ausgaben. Infrastruktur Die Spitex St. Gallen-Ost befindet sich an zentraler Lage, hat fünf Büroräume, ein Sitzungszimmer und diverse Lagerräume für Material und Mobilien. Der Verein besitzt elf Autos und verfügt über eigene Parkplätze. Zur EDV-Ausstattung gehören spezifische Programme für die Leistungserfassung, die Bedarfsabklärung sowie für die Kostenrechnung. 15.4.4
Leistungsangebote und -prozesse Leistungsangebot Die Hilfe und Pflege gilt physisch und/oder psychisch kranken Menschen aller Altersgruppen
Ausgaben 2007 Sachaufwand 11 %
Personalaufwand 89 % Abbildung 15-5: Ausgaben 2007.
sowie Menschen mit Beeinträchtigung, die zu Hause in ihrem vertrauten Umfeld leben. Die Spitex St. Gallen-Ost erbringt folgende Leistungen:
Beratung und Bedarfsabklärung Case Management Begleitung in Krisensituationen Palliativpflege Beteiligung an Rehabilitations- und Präventionsprogrammen Unterstützung bei der Körperpflege und bei der Mobilisation Pflegetechniken wie Wundmanagement, Injektionen, Infusionen, Verabreichen von Medikamenten, Puls-, Blutdruck- und Blutzuckermessung, Einbinden der Beine, Kompressionsstrümpfe anlegen, Stomapflege, Katheterisieren, parenterale Ernährung, Maßnahmen der Atemtherapie usw. psychiatrische Pflege
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hauswirtschaftliche Unterstützung oder Übernahme der Haushaltführung wie Wohnungsreinigung, Wäschebesorgung, Einkaufen und Kochen Kinderbetreuung in der Familie Unterstützung während der Schwangerschaft und im Wochenbett unterstützende Hilfe für Seniorinnen und Senioren sowie für Menschen mit Beeinträchtigung Fußpflege Vermietung von Hilfsmitteln Verkauf von Pflegematerialien. Die Einsatzzeiten sind von Montag bis Sonntag, 7.00 Uhr bis 21.00 Uhr. Täglich leisten die Mitarbeitenden zirka 160 Einsätze. Pro Monat werden rund 350 verschiedene Patientinnen und Patienten betreut und gepflegt. Diese werden von einmal wöchentlich bis zu dreimal täglich besucht, je nach Intensität des Hilfe- und Pflegebedarfs. Ein Pflegeeinsatz dauert in der Regel zwischen 10 und 90 Minuten. Für hauswirtschaftliche Leistungen werden eine Stunde bis vier Stunden geplant. Pro Arbeitstag sind elf diplomierte Pflegefachpersonen HF und acht Fachangestellte Gesundheit, Hauspflegerinnen, Pflegehelferinnen SRK im Einsatz. Dienstleistungsprozess Alle Patientinnen und Patienten, welche Pflege oder hauswirtschaftliche Leistungen beziehen, durchlaufen zusammen mit der Leistungserbringerin den Dienstleistungsprozess (s. Abb. 15-6). In der Regel wird dieser Prozess durch eine Bezugsperson in enger Zusammenarbeit mit der Klientin und dem Klienten, deren sozialem Netz und dem Pflegeteam geführt. Ein zentraler Meilenstein im Dienstleistungsprozess ist die Bedarfsabklärung, die sich mit dem Ist-Zustand der Patientinnen und Patienten beschäftigt und eine prospektive Interventionseinschätzung beinhaltet. Darauf folgt die Hilfe- und Pflegeplanung mit den Pflegediagnosen, den Pflegezielen und den Interventionen. Bei der Einsatzplanung müssen die Mindestanforderungen an das Spitex-Personal, die Art der notwendigen Dienstleistung, die erforderliche Zeit und der Wohnort
I. Anmeldung entgegennehmen
II. Bedarfsabklärung durchführen
III. Hilfe- und Pflegeplanung durchführen IV. Einsatzplanung durchführen
V. Dienstleistung erbringen
VI. Kontrolle, Auswertung durchführen
Situation unverändert
VII. Veränderung nötig?
Situation verbessert oder verschlechtert
Genesung oder Umzug oder Todesfall
VIII. Abschluss
Abbildung 15-6: Dienstleistungsprozess.
der Klientin oder des Klienten berücksichtigt werden. Für diese Planung werden vielerorts übersichtliche Wandplansysteme verwendet. Im Dienstleistungsprozess ist auch eine Reflexionsschleife eingebaut. Dadurch wird sichergestellt, dass die Pflegeziele evaluiert und wenn notwendig angepasst werden. 15.5
Fallbeispiel mit Bezug auf den Dienstleistungsprozess 1. Frau K. ruft uns an. Ihr Ehemann hat ein Lungenkarzinom und kann nur noch mit Hilfe aufstehen. Bei jeder Anstrengung atmet
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er schwer, er hat keinen Appetit und leidet chronisch unter Schmerzen. Frau K. braucht in der Pflege ihres Ehemannes dringend Unterstützung. Sie selbst leidet unter Rückenbeschwerden und Schlaflosigkeit. Die Mitarbeiterin der Administration nimmt die Anmeldung entgegen und notiert die Personalien im Formular «Administrative Daten und Anfrage» des Bedarfsabklärungsinstrumentes RAI-Home-Care Schweiz (Resident Assessment Instrument, in der Folge RAI-HC genannt). 2. Die diplomierte Pflegefachfrau HF vereinbart mit dem Ehepaar K. auf den nächsten Nachmittag einen Gesprächstermin zur Klärung des Hilfe- und Pflegebedarfs. Die Tochter des Ehepaars aus dem benachbarten Dorf nimmt ebenfalls teil. Die Pflegefachfrau führt die Bedarfsabklärung mit dem RAI-HC durch. Sie erkundigt sich nach der momentanen Gesundheitssituation von Herrn K. und stellt an alle die Frage, wer sich wie an der Pflege und Betreuung beteiligen kann. Herr K. möchte so lange wie möglich zu Hause gepflegt werden, dabei wird er auch von seiner Ehefrau und Tochter unterstützt. Die Pflegefachfrau orientiert über das Leistungsangebot und berät die Familie über Entlastungsangebote und den Einsatz von Hilfsmitteln wie Pflegebett, Nachtstuhl und Duschbrett. Gemeinsam formulieren sie die Pflegeziele und den SpitexAuftrag. Die Pflegefachfrau fasst zusammen und dokumentiert die Vereinbarung schriftlich. 3. Die Pflegefachfrau erstellt die Pflegediagnosen. Sie führt die Hilfe- und Pflegeplanung durch, formuliert die Pflegeziele und die Maßnahmen. Die Pflegesituation wird als komplex eingestuft, da der Gesundheitszustand von Herrn K. instabil ist und täglich neu eingeschätzt werden muss. 4. Die Pflegefachfrau informiert ihre Teamkolleginnen über die neue Pflegesituation. Sie plant Herrn K. täglich am Vormittag zwischen 8.00 und 9.00 Uhr für 45 Minuten ein. Zur Entlastung von Frau K. plant die Bereichsleiterin Hauswirtschaft wöchentlich einen zweistündigen Einsatz für die Unterstützung im Haushalt.
5. Die Pflegefachfrau, welche die Bedarfsabklärung durchführte, ist Bezugsperson. Sie wechselt aus organisatorischen Gründen die Einsätze alternierend mit den anderen Pflegefachpersonen. Damit eine Mobilisation von Herrn K. möglich wird und die Pflegefachpersonen rückenschonend arbeiten können, entschließt sich die Familie K., ein elektrisches Pflegebett zu mieten. Die Pflegefachfrau stellt den Kontakt mit einer Firma für medizinische Hilfsmittel her und wickelt die Bestellung des Pflegebettes ab. 6. Täglich hilft eine Pflegefachperson Herrn K. bei der Körperpflege. Die Pflegefachperson führt nur diejenigen Maßnahmen durch, die Herr K. nicht selbst übernehmen kann. Der Grundsatz lautet, Hilfe zur Selbsthilfe und Erhaltung der Selbstständigkeit. In dieser Palliativsituation ist es wichtig, Herrn K. so zu unterstützen, dass er sich nicht körperlich überfordert. Zweimal in der Woche hilft die Pflegefachperson Herrn K. beim Duschen. Das Duschbrett erleichtert den Ein- und Ausstieg aus der Badewanne, ermöglicht das Sitzen während des Duschens und sorgt für eine erhöhte Sicherheit. Herr K. muss sich dabei weniger anstrengen und leidet folglich weniger unter Atemnot. Damit die Schmerzen gezielt bekämpft werden können, instruiert die Pflegefachperson das Ehepaar K. über das Führen eines Schmerzprotokolls. In Zusammenarbeit mit dem Hausarzt werden die Schmerzmittel entsprechend angepasst. Die Pflegefachperson führt täglich Beratungsgespräche und erkundigt sich regelmäßig auch nach dem Wohlbefinden von Frau K. Die Hauspflegerin unterstützt Frau K. bei den hauswirtschaftlichen Tätigkeiten wie Wäsche bügeln, Staub saugen und bei der Reinigung von Küche und Badezimmer. Ebenfalls zur Entlastung der Ehefrau übernimmt die Tochter das Einkaufen und die Betreuung des Vaters an einem Nachmittag pro Woche. 7. Zur Qualitätssicherung werden Ziele und Wirksamkeit der Pflege überprüft. Beim Teamrapport wird die Pflege- und Betreuungssituation ausgewertet. 8. Herrn Ks. Gesundheitszustand verschlechtert sich. Deshalb wird eine Standortbestimmung
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in Form eines Reassessments durchgeführt, und die Pflegemaßnahmen werden entsprechend angepasst. Herr K. ist nun bettlägerig und benötigt für die Körperpflege und die Lagerung zusätzlich am Abend nochmals einen Spitex-Einsatz. Damit die Schmerzen erträglich sind, bekommt Herr K. eine Schmerzpumpe, welche die Pflegefachperson einstellt und überwacht. Sie instruiert die Ehefrau, damit sie weiss, wie sie sich bei einem Alarm der Schmerzpumpe verhalten muss. Der Hausarzt macht nun täglich einen Hausbesuch. Ein Pflegedossier mit einem Verlaufsblatt vor Ort dient dem interprofessionellen Informationsfluss. 9. Nach drei Wochen stirbt Herr K. Eine brennende Kerze im Spitex-Büro erinnert an diesem Tag an Herrn K. Dieses Ritual wird immer bei einem Todesfall durchgeführt. Die Pflegefachperson vereinbart mit Frau K. einen Termin für das Abschlussgespräch und holt das Pflegematerial ab. Administrative Tätigkeiten wie Abschluss der Pflegedokumentation und Rechnungsstellung werden erledigt.
licher Teil der Administration, insbesondere das Personal- und Finanzwesen sowie die Statistik und Qualitätsentwicklung durch Vorstandsmitglieder durchgeführt. Diese verfügen nicht überall über das aktuelle Fachwissen. Positiv bei diesem System ist, dass dieser karitative Charakter dazu beiträgt, dass mit der ideellen und finanziellen Unterstützung in Form von Mitgliedschaften und Spenden aus der Bevölkerung gerechnet werden kann. Die Bereitschaft kompetenter Personen, sich für die anspruchsvolle Aufgabe der strategischen Führung ehrenamtlich zu engagieren, ist jedoch abnehmend. Die Führung einer Spitex-Organisation stellt heute Anforderungen, denen dieses Milizsystem nicht in jedem Fall gewachsen ist. Um der Komplexität dieser Branche und auch der gesundheitspolitischen Einbettung der Spitex gerecht zu werden, bedarf es differenzierter Managementkenntnisse. Aufgrund der stetigen Veränderungen und der steigenden Anforderungen im Gesundheitswesen wird eine flächendeckende Professionalisierung in der Führung der SpitexOrganisationen in absehbarer Zeit unumgänglich sein.
15.6
15.6.2
Entwicklungsmöglichkeiten der Spitex Durch die große Anzahl kleiner Spitex-Vereine entsteht wenig gemeinsame Kraft, und dadurch werden Ressourcen nicht optimal gebündelt. Die Anforderungen an den ambulanten Teil des Gesundheitswesens sind unter anderem aufgrund der demografischen Entwicklung im Steigen begriffen. Deshalb werden in der Folge drei Themen beleuchtet, die schlussendlich einen Entwicklungsbedarf in den Strukturen der SpitexOrganisationen aufzeigen. 15.6.1
Steigende Komplexität erfordert professionelles Management In der Regel sind auf der strategischen Ebene ehrenamtliche Vorstandsmitglieder tätig. Oft wird in kleineren Organisationen ein wesent-
Spitex als starke Partnerin im Gesundheitswesen «In der Politik setzt sich vermehrt die Erkenntnis durch, dass das größte Entwicklungspotenzial für eine bedarfsgerechte und kostengünstige Gesundheits- und Altersbetreuung in der ambulanten Versorgung liegt.» (Gmür/Rüfenacht, 2007: 363). Die Spitex als Non-Profit-Organisation ist als ein wichtiger Zweig des Schweizer Service public 5 zu verstehen. Durch die Leistungsaufträge der öffentlichen Hand und durch das KVG ist heute noch gewährleistet, dass es allen Bevölkerungsschichten möglich ist, Spitex-Leistungen zu beziehen und zu finanzieren. Dieser Situation muss
5 Service public: schweiz. für vom Staat erbrachte und zu erbringende Dienstleistung
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trotz des Spardrucks Sorge getragen werden. Politische Diskurse beispielsweise über die Pflegefinanzierung oder neue Finanzierungsmodelle streben eine finanzielle Entlastung des Gesundheitswesens an. In der Schweiz ist die Spitex mit 2 % der gesamten Gesundheitskosten bei Weitem die günstigste Leistungserbringerin in der gesamten Gesundheitsversorgung. In der Mehrheit der europäischen Staaten fallen 30 % der öffentlichen Ausgaben für die Langzeitpflege im ambulanten Bereich an. In der Schweiz beträgt dieser Anteil nur 14 % (vgl. Pellegrini et al., 2006). Es ist für die Zukunft wesentlich, dass die öffentliche Hand Kostentransparenz im Gesundheitswesen schafft und damit die ambulante Hilfe und Pflege fördert, ausbaut und die Finanzierung sicherstellt. Mit den zur Verfügung stehenden differenzierten Programmen zur Leistungserfassung, den einheitlichen Instrumenten für die Bedarfsabklärung und Indikatorenmessung sowie der schweizerisch einheitlichen Kostenrechnung sind Grundlagen vorhanden, die Daten- und Kostentransparenz ermöglichen, den Benchmark zwischen Einrichtungen fördern und somit auch das Entwicklungspotenzial sichtbar machen. Diese Instrumente sollten flächendeckend von allen Spitex-Organisationen angewendet werden. Dadurch würde sich die Spitex gemeinsam weiter entwickeln und könnte auch als gesamte Branche abgebildet werden, was eine stärkere Positionierung der Spitex im Gesundheitswesen bewirken würde. Die Spitex ist gefordert, rechtzeitig auf Veränderungen in der Gesellschaft und im Gesundheitswesen einzugehen. Das Dienstleistungsangebot darf nicht auf den Ansprüchen der heutigen Klientel fixiert werden. Auf die veränderten Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten wie auch auf die demografische Entwicklung gilt es Rücksicht zu nehmen. Gewinnorientierte Spitex-Anbieter drängen auf den Markt, diese richten sich vorwiegend an eine Klientel mit hoher Kaufkraft. Die gemeinnützige Spitex soll aber immer eine Dienstleisterin für Menschen aller sozialen Schichten sein.
15.6.3
Bündelung der Kräfte durch Regionalisierung und Netzwerke Mit der Veränderung des Spitex-Bedarfes aufgrund der demografischen Entwicklung und der Entwicklungen im Gesundheitswesen werden sich auch die Spitex-Organisationen zu größeren Einheiten oder zu thematischen Kooperationen zusammenschließen müssen. Zentrale Themenbereiche, die für größere Organisationseinheiten sprechen, sind: Der prognostizierte Rückgang von Auszubildenden und von jüngeren Arbeitnehmenden wird die Spitex vermehrt fordern, attraktive Lehr- und Ausbildungsplätze für Fachangestellte Gesundheit, für diplomierte Pflegefachpersonen HF und für Studierende der Fachhochschule Gesundheit anzubieten. Es wird notwendig werden, dass sich alle Organisationen an der Ausbildung beteiligen. Im Moment sind nicht alle Organisationen dazu in der Lage, deshalb werden Ausbildungsverbünde Zukunft haben. Die steigende Multimorbidität im sehr hohen Lebensalter und somit die Komplexitätssteigerung der Pflegesituationen erfordert neben gut ausgebildetem Pflegepersonal auch Pflegespezialistinnen und -spezialisten. Die in den Spitälern eingeführten Fallpauschalen (DRGs, Diagnosis Related Groups) führen zu früheren Entlassungen nach Hause. Diese Verschiebung von stationären Leistungen zu ambulanten Leistungen erfordert von der Spitex strukturelle Veränderungen, eine hohe Flexibilität sowie die Verfügbarkeit von genügend Pflegefachpersonal. Damit eine Organisation in der Einsatzplanung flexibel handeln kann und auch das erforderliche Fachpersonal zur Verfügung hat, ist eine gewisse Organisationsgröße erforderlich. «Ein Einzugsgebiet von 30 000 bis 50 000 Einwohnerinnen/Einwohnern braucht es, damit notwendige Spitex-Leistungen während 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr erbracht werden können. Pflegeleistungen rund um die Uhr erhöhen die Attraktivität von Spitex.» (Mazenauer/Dubois, 2004: 288).
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Homecare
Die Individualisierung der Gesellschaft führt dazu, dass immer mehr Menschen bei Erkrankung oder in der Sterbephase zu Hause behandelt und gepflegt werden möchten. In vielen Fachbereichen wird sich die Spitex spezialisieren müssen. Genannt seien hier Palliative Care, Kinderkrankenpflege, psychiatrische Pflege, Betreuung von Menschen mit einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung. Es werden nicht alle Spitex-Organisationen alle Spezialleistungen anbieten können. Regionalisierungen, Netzwerke oder Kooperationspartnerschaften haben hier Zukunft. Beatrice Mazenauer, Geschäftsführerin des Spitex-Verbandes Schweiz, stellte am 4. Nationalen Spitex-Kongress 2003 die Idee vor, dass sich die regionalen Spitex-Organisationen ähnlich wie die Lebensmittel Großhändler (Migros, Coop) zu größeren Einheiten zusammenschließen. In den Gemeinden und Quartieren ist die Spitex mit einer «Filiale» und einem Kernangebot präsent, Spezialitäten werden in der Region nur in größeren Spitex-Zentren angeboten. Sie erläutert, dass größere Organisationen eine Spezialisierung im Bereich der Administration wie auch im Bereich der Dienstleistungen erlauben (vgl. Mazenauer, 2003). Die kostensenkende Wirkung von Präventivprogrammen, insbesondere bei Menschen mit demenziellen oder depressiven Störungen, ist bekannt. In Zukunft sollte die Spitex vermehrt mit anderen Partnern aus dem Gesundheitsund Sozialwesen zusammen Leistungsaufträge für Gesundheitsförderung erhalten. Solche Kooperationen erfordern ein professionelles Case Management. Es deutet vieles darauf hin, dass die SpitexOrganisationen ihre zukünftig an sie gestellten Anforderungen effizienter und umfassender erfüllen können, wenn sie sich zu großen regionalen Organisationen zusammenschließen und für spezielle Situationen geeignete Netzwerk- und Kooperationspartner suchen. Eine gut organisierte Kooperation und Vernetzung hilft neben der Professionalisierung auch, Doppelspurigkeiten zu vermeiden und Lücken zu erkennen. Zukunftsszenarien deuten sogar darauf hin, dass im Gesundheitswesen interdisziplinäre Versor-
gungszentren die einzelnen Anbieter wie Spitäler, Heime, Spitex, Ärztinnen und Ärzte ablösen könnten.
15.7
Fazit Ein erklärtes Ziel der Gesundheitspolitik ist heute, älteren Menschen zu ermöglichen, so lange wie möglich in ihrer vertrauten Umgebung zu leben, um damit die Lebensqualität bis ins hohe Alter zu verbessern (vgl. BSV, 2007). Ältere Menschen bewerten Eigenverantwortung und Selbstständigkeit heute höher. Die Spitex trägt dazu bei, dass die soziale Unabhängigkeit der betagten Menschen erhalten bleibt. Aufgrund demografischer Veränderungen (wachsender Anteil kinderloser Personen, höhere Scheidungsrate, Einzelhaushalte, Zunahme der Erwerbstätigkeit bei Frauen, Zunahme der Hochbetagten, Multimorbidität im hohen Lebensalter, Migration) wird es längerfristig eine wachsende Anzahl Personen geben, die nicht auf familiäre Unterstützung zählen können. Generationenhaushalte sind seltener geworden. Zur Kompensation des familiären Funktionsverlustes und zur Unterstützung eines belasteten sozialen Umfeldes braucht es eine Stärkung der professionellen Spitex. Die Veränderungen im stationären Bereich, die durch die Einführung der DRGs hervorgerufen werden, bewirken einen neuen Bedarf im ambulanten Bereich. Die Spitex wird mehr als heute auch jüngere kranke Menschen zu pflegen haben, und dies erfordert ein flexibles und effizientes Übertrittsmanagement. Die Schweizer Spitex, Hilfe und Pflege zu Hause, ist eine nicht mehr wegzudenkende Institution, welche sich in einem permanenten Wandel befindet. Dieser Bedarf an Veränderung, das Sichern von Bewährtem und die evidenzbasierte Pflege erfordern einen vermehrten Einsatz finanzieller Ressourcen durch die öffentliche Hand, aber auch einen hohen Einsatz von Vorständen und Spitex-Fachpersonen. Hier sei allen gedankt, die die Spitex aktiv mitgestalten und weiterentwickeln.
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15.8
Literatur Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV): Statistiken zur Sozialen Sicherheit. Spitex-Statistik 2006. BSV, Bern 2007. Bundesgesetz über die Krankenversicherung. Verfügbar unter: URL=http://www.admin.ch/ch/d/sr/8/832.10. de.pdf. [Datum der letzten Einsichtnahme 10. April 2008]. Gesundheitsgesetz Kanton St. Gallen vom 28. Juni 1979: Verfügbar unter: URL=http://www.gallex.ch/gallex/ 3/fs311.1.html. [Datum der letzten Einsichtnahme: 10. April 2008]. Gmür, R.; Rüfenacht M.): Spitex. In: Kocher G.; Oggier, W. (Hrsg.): Gesundheitswesen Schweiz 2007–2009. Eine aktuelle Übersicht. Verlag Hans Huber, Bern 2007.
Malk, R.; Kampmann, T.; Indra, P.: DRG-Handbuch Schweiz. Verlag Hans Huber, Bern 2006. Mazenauer, B.: Versorgungsnetze im Gesundheitswesen und Spitex. 4. Nationaler Spitex-Kongress 2003. Handout o. Ortsangabe 2003. Mazenauer B.; Dubois, M.: Spitex. In: Kocher G.; Oggier W. (Hrsg.): Gesundheitswesen Schweiz 2004–2006 Eine aktuelle Übersicht. Verlag Hans Huber, Bern 2004. Niederberger-Burgherr, J.: Spitex. In: Carigiet, E.; Mäder, U.; Bonvin, J. (Hrsg.): Wörterbuch der Sozialpolitik. Rotpunktverlag, Zürich 2003. Pellegrini, S.; Jaccard-Ruedin, H.; Jeanrenaud, C.: Coûts des établissements médico-sociaux et des services d’aide et de soins à domicile. Prévisions à l’horizon 2030. Observatoire suisse de la santé (Obsan), document de travail no 18, Neuchâtel, avril 2006.
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Homecare-Spezialisierung ambulanter Pflegedienste
Sophie von Uslar-Gleichen
16.1
Einleitung Ambulante Pflegedienste werden im Gesetz definiert (§ 71 I SGB XI) als: «Ambulante Pflegeeinrichtungen (Pflegedienste) … sind selbstständig wirtschaftende Einrichtungen, die unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft Pflegebedürftige in ihrer Wohnung pflegen und hauswirtschaftlich versorgen.» In Abgrenzung zum ambulanten Pflegedienst versteht man unter Homecare die «häusliche Therapie und damit ärztlich verordnete Leistungen» und die «Versorgung eines Patienten zu Hause mit erklärungsbedürftigen Hilfsmitteln/Medizinprodukten» inklusive der «Betreuung, Beratung und Schulung der Patienten». (Hagemeier/von Reibnitz, 2005: 3) Das Angebot an ambulanten Pflegediensten in Deutschland ist groß. Laut Gesundheitsberichterstattung des Bundes gab es im Jahr 2005 in Deutschland 10 977 ambulante Pflegeeinrichtungen. (Gesundheitsberichterstattung des Bundes, 2008). Allein auf der Preisvergleichsliste der Hamburger Pflegegesellschaft e. V. sind 348 Pflegedienste im Stadtgebiet von Hamburg gelistet (Hamburger Pflegegesellschaft e. V., 2008). Diesem großen Angebot an Pflegediensten steht eine stetig wachsende Zahl pflegebedürftiger Menschen gegenüber. Von den 2 128 330
Menschen in Deutschland, die im Jahre 2005 über 65-jährig waren, wurden 471 543 Menschen von ambulanten Pflegediensten versorgt (Gesundheitsberichterstattung des Bundes, 2008). Dieser Bedarf an Pflege wächst aufgrund der kritischen Alterspyramide unserer Gesellschaft auch mittelfristig stetig an. Parallel zu diesem wachsenden Bedarf wächst die Konkurrenz im ambulanten Pflegedienst, sei es durch Neugründung von Pflegediensten, sei es durch Zuzug von Pflegekräften aus den neuen EU-Ländern, die häusliche Einzelpflegen übernehmen. Angesichts dieser Spirale von wachsendem Bedarf an Pflege einerseits und steigendem Angebot an Pflegediensten andererseits stellt sich die Frage, ob die ambulante Pflege vor einem Wandel steht, ob sie sich den Veränderungen unserer Gesellschaft flexibel anpassen muss. In diesem Kapitel soll erörtert werden, ob es für einen ambulanten Pflegedienst fachlich, wirtschaftlich und organisatorisch sinnvoll und umsetzbar ist, sich auf ein einziges Fachgebiet zu spezialisieren, d. h. sich ausschließlich auf Patienten zu konzentrieren, deren Art der Pflegebedürftigkeit identisch ist. Die Antwort auf diese Frage unterliegt einer Reihe von Einflussfaktoren, die im Folgenden aufgezeigt und erläutert werden.
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Homecare
16.2
Einflussfaktoren Ein ambulanter Pflegedienst, der sich mit der Frage beschäftigt, ob eine Spezialisierung aus fachlicher, wirtschaftlicher und organisatorischer Sicht umsetzbar ist, muss sich mit folgenden Fragen auseinandersetzen: 1. Für welche Pflegemaßnahmen /Krankheitsbilder kommt eine Spezialisierung – mit oder ohne Zusatzqualifikation der Pflegekräfte – in Betracht? 2. Welcher Typ und welche Größe von Pflegedienst ist für eine Spezialisierung geeignet? 3. In welcher Region ist dieser Pflegedienst tätig? Welche Infrastruktur herrscht dort vor für Patientenvorkommen, Wegezeiten und Mitarbeiterverfügbarkeit? 4. Welche betriebswirtschaftlichen Einflussfaktoren sind zu beachten, insbesondere aus gesetzlicher Sicht der Leistungs- und Kostenvergütung (SGB V vs. SGB XI)? 16.2.1
Spektrum der Expertise Es ist zu unterscheiden zwischen den ambulanten Pflegediensten, die sich thematisch breit aufstellen, also jede Art von Pflege anbieten, und jenen, die neben der allgemeinen Pflege auch spezielle Expertise aufweisen oder gar solchen Pflegediensten, die sich vollständig auf ein Fachgebiet spezialisiert haben, deren Mitarbeiter also eine Zusatzausbildung benötigen (etwa für die häusliche Intensivpflege). Die Spezialisierung, die einer Zusatzqualifikation bedarf, wie etwa die Pflege psychiatrischer Patienten, die häusliche Intensivpflege oder die Kinderkrankenpflege, ist als Sonderform der Pflege nicht Gegenstand der Überlegungen dieses Kapitels. Wir wenden uns vielmehr der Spezialisierung auf einen Patientenstamm zu, der an einer spezifischen Grunderkrankung leidet und dessen Pflege keiner vorgeschriebenen Zusatzausbildung bedarf. Beispiele hierfür sind Diabetes, Multiple Sklerose (MS) und demenzielle Erkrankungen.
Es wurden bewusst diese drei Beispiele für eine mögliche Spezialisierung gewählt, weil sie wichtige Gemeinsamkeiten aufweisen. Allen drei Krankheitsbildern ist gemeinsam, dass die Pflege grundsätzlich zu Hause durchgeführt werden kann und dass die Diagnose für den Patienten einen großen Einschnitt in seine Lebenssituation darstellt, sowohl für ihn selber als auch für sein gesamtes soziales Umfeld. Und schließlich ist den drei Krankheiten gemeinsam, dass die Patienten oder die Angehörigen fachkundiger Beratung und Anleitung bedürfen. Insulinpflichtiger Diabetes Bei einem insulinpflichtigen Diabetes gehört hierzu die Umstellung der Nahrung, das Erlernen der Blutzucker-Messung und des Insulinspritzens sowie das Wissen über die möglichen schwerwiegenden Folgeschäden, wie Gefäß- und Nervenschädigungen, den diabetischen Fuß und weitere chronische, schlechtheilende Wunden (vgl. Herold, 2002: 80). Multiple Sklerose Auch die Diagnose der Multiplen Sklerose führt zu einschneidenden Veränderungen, wenn diese auch im Gegensatz zum insulinpflichtigen Diabetes zunächst eher psychischer als praktischer Art sind. Der Mensch erfährt, dass seine Krankheit nicht heilbar ist, in unvorhersehbaren Schüben verläuft und je nach Verlauf zum frühen Tod führen kann. Diese Erkenntnis des Patienten führt häufig zu depressiven Begleiterscheinungen, die seine Beziehung zu seinen Angehörigen oder seinem sonstigen sozialen Umfeld schwer belasten können. Eine professionelle Beratung und Begleitung ist in dieser Situation sehr wichtig (vgl. Herold, 2002: 83). Der Verlauf der Krankheit führt unausweichlich zur Pflegebedürftigkeit, wobei die aktivierende und selbstfähigkeitserhaltende Pflege eine große Rolle spielt; denn dem MS-Patienten soll so lange wie möglich seine Eigenständigkeit erhalten bleiben.
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Demenz Auch bei demenziellen Erkrankungen ist die aktivierende Pflege in Form von Anleitung entscheidend. Körperlich ist der demente Patient noch fähig, sich selbst zu versorgen, die Demenz führt jedoch dazu, dass er geistig nicht mehr in der Lage dazu ist. Dies stellt vor allem für die pflegenden und versorgenden Personen eine große Herausforderung dar. Bei allen drei Krankheitsbildern spielt die Beratung sowohl der Patienten als auch ihrer Angehörigen durch Fachkräfte eine große Rolle. Diese kann die praktischen Pflegetätigkeiten beinhalten, aber auch die Wissensvermittlung der zukünftigen Krankheitsentwicklung sowie Hinweise auf Selbsthilfegruppen und sonstige Betreuungsmöglichkeiten. 16.2.2
Typ und Größe des Pflegedienstes Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal der ambulanten Pflegedienste ist deren Typ und Größe. Auf der einen Seite gibt es kleine private Pflegedienste, die mit kleinem Team auf eine kleine Region beschränkt sind. Auf der anderen Seite gibt es die großen überregionalen Verbände, denen ambulante Pflegedienste angeschlossen sind, etwa der Deutsche Caritasverband, der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband und das Deutsche Rote Kreuz (s. Abb. 16-1). Die kleinen regionalen Pflegedienste müssen sich gegenüber den großen, bekannten Pflegeeinrichtungen dadurch behaupten, dass sie mit objektiv wahrnehmbaren und messbaren Alleinstellungsmerkmalen werben. Hier könnte die Spezialisierung ein wichtiger Baustein sein.
Die großen überregionalen Pflegedienste haben betriebswirtschaftliche Vorteile, die eine Spezialisierung für bestimmte Pflegeleistungen erleichtern. Dank ihres hohen Bekanntheitsgrades ist für sie nicht nur die Akquisition von Patienten einfacher, sondern sie sind auch für die Mitarbeiter attraktiv, die sich geplante Weiterbildung und attraktives berufliches Fortkommen wünschen. Da sie überregional aufgestellt sind, nutzen sie kostensparende Synergieeffekte, weil sie bestimmte Positionen zentral nur einmal besetzen müssen, so beispielsweise ihre Personalabteilung. Sie haben Dank ihrer Größe naturgemäß eine bessere Verhandlungsposition und stärkere Durchsetzungskraft bei den Krankenund Pflegekassen. Aufgrund ihrer flächendeckenden Präsenz können sie Strukturschwächen der einen Gegend mit Stärken anderer Gegenden kompensieren, können also beim Einsatz von Mitarbeitern mit Spezialfähigkeiten eine vorübergehende regionale Unterbeschäftigung überregional ausgleichen. 16.2.3
Region des Pflegedienstes Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Region, in der ein ambulanter Pflegedienst tätig ist. In ländlichen Bereichen mit schwacher Infrastruktur stellen sich bei geplanter Spezialisierung von Pflegeleistungen andere Fragen als in strukturstarken urbanen Regionen. So etwa die Frage, ob es in der großen ländlichen Fläche genügend potenzielle Pflegepatienten aus der geplanten Zielgruppe gibt oder ob die nur pauschal vergüteten Wegstrecken zwischen den einzelnen Pflegeeinsätzen das Geschäft unrentabel machen, weil sie zu lang und damit zu zeitaufwändig sind. Auch in dicht besiedelten Gebieten ist genau zu prüfen, ob es genügend Patienten der Zielgruppe gibt. Zwar sind hier die Wege zwischen den Einsätzen kürzer, aber die Konkurrenz ist deutlich größer.
Abbildung 16-1: Die Logos einiger Verbände der Freien
Wohlfahrtspflege. (Quelle: Herold, 2002: 279)
Die Verfügbarkeit von ausgebildeten Pflegekräften schließlich muss bei diesem Punkt mitbe-
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rücksichtigt werden. Ein ländlicher Pflegedienst hat nicht die Möglichkeit, auf eine größere Auswahl von Pflegekräften zurückzugreifen, wie dies einem ambulanten Dienst in der Stadt möglich ist. 16.2.4
Betriebswirtschaftliche Einflussfaktoren Bei der häuslichen Pflege wird unterschieden zwischen Leistungen nach dem Krankenpflegegesetz (SGB V) und nach dem Pflegegesetz (SGB XI). Die Leistungen nach dem SGB V umfassen «als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist» (§ 37 (2) SGB V). Ambulante Pflegedienste schließen mit den Krankenkassen Versorgungsverträge ab, die festlegen, wie hoch die Vergütung durch die Krankenkasse sein wird, etwa für bestimmte Leistungen wie Verbandwechsel, Spritzengabe und das Stellen von Medikamenten. Im Vergleich zur ambulanten häuslichen Pflege, bei der ein ambulanter Pflegedienst aufgrund seines Versorgungsvertrages Pflegeleistungen mit der Krankenkasse abrechnen kann, kann ein Homecare-Unternehmen nicht die Behandlung und Versorgung des Patienten, sondern nur benötigte Hilfsmittel und unter Umständen Medikamente und Ernährungsprodukte abrechnen (vgl. Hagemeier/von Reibnitz, 2005: 17). Nach dem SGB XI rechnet ein ambulanter Dienst die körperliche Pflege nach so genannten Leistungskomplexen ab, die bestimmte Tätigkeiten umfassen wie etwa die große Grundpflege oder das Lagern eines Patienten. Der Pflegedienst kann seine Kosten mit den Pflegekassen nur dann abrechnen, wenn er mit diesen einen Versorgungsvertrag geschlossen hat. Ein ambulanter Pflegedienst, der sich über die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen einer Spezialisierung Gedanken macht, muss berücksichtigen, dass die Zeiteinheit pro Pflegeeinsatz nach SGB V besser vergütet wird als nach SGB XI. In der Regel sind dies bei der Behand-
lungspflege (SGB V) kurze Einsätze, während die körperliche Pflege nach SGB XI meist mehr Zeit in Anspruch nimmt. Die Versorgungsverträge sowohl mit den Kranken- als auch mit den Pflegekassen haben die standardisierte, allgemeine Pflege vor Augen; Spezialisierungen werden folglich nicht gesondert geregelt. Pflegedienste, die mit einer Spezialisierung werben, müssen sich vor Augen halten, dass sowohl die Patienten als auch ihre Angehörigen wie selbstverständlich erwarten, dass sie kompetent beraten und – je nach Krankheitsbild – angeleitet werden. Darüber hinaus wird auch die aktivierende Pflege gefordert, die eine möglichst lange Eigenständigkeit des Patienten fördern soll. Diese Erwartungshaltung steht jedoch im Widerspruch zur Vergütungspraxis der Kassen: Weder die Beratung noch die aktivierende Pflege wird bezahlt. Das Anleiten von Patienten oder ihren Angehörigen für bestimmte Handgriffe/Maßnahmen (z. B. das Spritzen von Insulin) wird von den Krankenkassen zwar vergütet, jedoch nur, sofern durch diese Sonderleistungen der pauschal vergütete Zeitrahmen pro Einsatz nicht überschritten wird. Bei der anschließenden Diskussion müssen diese Punkte berücksichtigt werden, da es bei der Wahl für eine Spezialisierung von Bedeutung ist, ob sich ein Pflegedienst beispielsweise auf das Erkrankungsbild der Multiplen Sklerose (Pflege nach SGB XI) oder das des Diabetes (Behandlungspflege nach SGB V) spezialisieren will.
16.3
Förderliche und hemmende Aspekte der Spezialisierung Eine Recherche ergab, dass von den in Abschnitt 16.1 genannten 348 gelisteten Hamburger Pflegediensten 256 das breite Spektrum umfassender Pflege anbieten und hierbei ihre Versorgungsqualität anpreisen, die unabhängig vom speziel-
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len Pflegebedarf oder Krankheitsbild geleistet werde. Nur 43 der in Abschnitt 16.1 genannten 348 gelisteten Hamburger Pflegedienste geben an, dass sie neben der allgemeinen Pflege auch Spezialgebiete abdecken, wie z. B. die professionelle Pflege bei Multiple Sklerose, bei moderner Wundversorgung und Diabetes. Keiner der Hamburger Pflegedienste konzentriert sich ausschließlich auf ein einziges Pflegefachgebiet, also auf ein einzelnes Krankheitsbild und den sich daraus ergebenden speziellen Pflegebedarf. Im Folgenden wollen wir untersuchen, ob eine derartige Spezialisierung sinnvoll wäre oder ob eine andere Form des Pflegedienstes der Professionalität und der Wirtschaftlichkeit des Pflegedienstes besser gerecht würde. Ein ambulanter Pflegedienst, der seine Spezialisierung auf ein einzelnes konkretes Krankheitsbild in Erwägung zieht, muss sich sorgfältig mit den Vor- und Nachteilen auseinandersetzen. Da je nach Entscheidung hohe Investitionen in Arbeitskräfte, in Aus- und Weiterbildung sowie in Sachkosten anfallen, ist eine Fehlentscheidung nicht ohne Verluste zu korrigieren. 16.3.1
Tiefe gegen Breite des Fachwissens Ein ambulanter Pflegedienst, der nur eine bestimmte Zielgruppe versorgt, hat den Vorteil, dass er im Laufe der Zeit genau zu diesem Krankheitsbild ein fundiertes Fachwissen und einen großen Erfahrungsschatz ansammeln kann. Dieses Wissen können die Mitarbeiter z. B. in der Beratung und bei der Anleitung von Patienten und ihren Angehörigen nutzen. Die Mitarbeiter sind im Idealfall in diesem Krankheitsbild immer auf dem neuesten Wissensstand, können schnell auf Veränderungen des Krankheitszustandes eines Patienten reagieren und ihre Pflege entsprechend anpassen. Patienten können sich auf das spezialisierte Wissen der Pflegenden verlassen, weil ihre Pflegebedürfnisse schnell erkannt werden und professionell reagiert wird. Insbesondere bei komplexen Krankheitsverläufen bietet ein solcher Pflegedienst den Vorteil gezielter Pflege- und Heilmethoden. Am Beispiel der Wundversorgung soll dies verdeutlicht
werden: Eine Wundmanagerin kann aufgrund ihres Wissens und ihrer Erfahrung die Pflege an den aktuellen Wundgegebenheiten ausrichten, während eine nur allgemein ausgebildete Pflegekraft Gefahr läuft, Veränderungen am Patienten nicht adäquat zu erkennen und die Versorgung der Wunden nicht bedarfsgerecht anzupassen. Umgekehrt ergibt sich für den spezialisierten Pflegedienst ein Problem, wenn sich die Grunderkrankung des Patienten verlagert und sich eine andere Erkrankung in den Vordergrund schiebt, etwa in dem Fall, in dem ein Patient mit demenzieller Erkrankung zusätzlich an Diabetes erkrankt. In derartigen Fällen müsste entweder der Patient den Pflegedienst wechseln, oder es müssen zusätzliche Pflegekräfte hinzugezogen werden, die in der Versorgung von Diabetikern erfahren sind. 16.3.2
Vor- und Nachteile bei Patienten-Akquisition Grundsätzlich ist die Idee der Spezialisierung auf eine Zielgruppe interessant für kleine ambulante Pflegedienste in der Stadt, die dadurch die Möglichkeit haben, mit diesem differenzierten Angebot ihre Einzigartigkeit herauszustellen. Sie heben sich von der allgemeinen Pflege für «Jedermann» ab. Um mit diesem Konzept erfolgreich sein zu können, muss es ihnen gelingen, auf ihre Spezialisierung, auf ihre Einzigartigkeit aufmerksam zu machen und ihre Zielgruppe zu erreichen. Dies kann beispielsweise durch einen Anschluss an einen Verband gelingen, der über Broschüren, Vorträge oder Internetauftritte eine gezielte Verbindung zur Zielgruppe herstellt. Oder es werden Kooperationen mit Krankenhäusern oder Arztpraxen vereinbart, um z. B. die häusliche Weiterbehandlung von chronischen Wunden sicherzustellen und die Wiedereinweisung der Patienten durch sachgerechte Versorgung zu verhindern. Beim Thema Überleitungsmanagement aus dem Krankenhaus ist eine Zusammenarbeit mit einem Homecare-Unternehmen von Vorteil. Nicht nur, dass das Homecare-Unternehmen
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den Patienten mit den richtigen Produkten versorgt, es hat auch gleichzeitig den Auftrag, die ambulante Behandlung zu koordinieren und die Mitarbeiter eines Pflegedienstes in die «Bedienung und Handhabung von Medizinprodukten» einzuweisen (Hagemeier/von Reibnitz, 2005: 10). Bei der zusätzlichen Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt ist somit die optimale Versorgung eines Patienten gesichert, und eine Wiedereinweisung ins Krankenhaus kann verhindert werden. Die Problematik einer solchen Spezialisierung besteht darin, dass sich ein solcher Pflegedienst von seiner gewählten Zielgruppe abhängig macht. Er ist darauf angewiesen, genügend Patienten seiner Zielgruppe zu akquirieren, um wirtschaftlich erfolgreich sein zu können. Hier liegt ein Risiko, weil die Anzahl potenzieller Klienten viel begrenzter ist als bei einem allgemein ausgerichteten Pflegedienst. Aus diesem Grund ist eine sorgfältige Analyse des Marktes erforderlich mit besonderem Augenmerk auf folgende Punkte:
meinen Pflegedienst. Tatsächlich ist es jedoch anders: Es gibt weder ein Forum noch einen besonderen Pool für hoch spezialisierte Bewerber, vielmehr ist generell der Bewerbermarkt für den Pflegeberuf so klein, dass es schon schwer genug ist, für die allgemeine Pflege im ambulanten Dienst Mitarbeiter zu finden. Hochspezialisiertes Pflegepersonal zu finden, ist demzufolge noch viel schwieriger. Sollte sich die Spezialisierung von Pflegediensten in Deutschland fest etablieren und sich auch in der Vergütung von der allgemeinen Pflege abgrenzen, dann würde sich sicherlich ein Markt für die Rekrutierung geeigneter Mitarbeiter bilden. Natürlich könnte ein Pflegedienst bereits jetzt alle Mitarbeiter seines Teams auf dem Spezialgebiet aus- und weiterbilden, jedoch verbietet sich dies zumindest für die kleinen privaten ambulanten Pflegedienste aufgrund der erheblichen Kosten. 16.3.4
Mit welchen Alleinstellungsmerkmalen kann sich ein ambulanter Pflegedienst von der Konkurrenz abheben? Wie viele potenzielle Klienten mit dem definierten Krankheitsbild gibt es in der Region (unter Berücksichtigung von sich eventuell überlappenden Krankheitsbildern wie dem Zusammentreffen von Diabetes und chronischen Wunden)? Wie schnell schreitet die Krankheit fort oder wie lange dauert die Genesung? Wie hoch ist die Fluktuation der Patienten aus sonstigen Gründen? Wie ist die Konkurrenzsituation in der Region?
Betriebswirtschaftliche Aspekte
16.3.3
Im Folgenden soll die Frage der Wirtschaftlichkeit am Beispiel der oben erwähnten drei Krankheitsbilder geprüft werden.
Mitarbeiter-Akquisition Theoretisch müsste es für einen spezialisierten ambulanten Dienst leichter und kostengünstiger sein, geeignete Pflegefachkräfte zu gewinnen, weil die Zielgruppe speziell qualifizierter Bewerber naturgemäß kleiner ist als bei dem breit angelegten Anforderungsprofil für den allge-
Entscheidendes Kriterium für die Frage, ob sich eine ausschließliche Spezialisierung lohnt, ist deren Wirtschaftlichkeit. Einflussfaktoren hierbei sind: Häufigkeit des Krankheitsbildes in der Bevölkerung Wegstrecken zwischen den einzelnen pflegerischen Einsätzen Vergütung pro Zeiteinheit des Pflegeeinsatzes von Patienten erwartete Tätigkeiten, die jedoch nicht vergütet werden Konkurrenzsituation.
Krankheitsbild Diabetes Von den drei genannten Erkrankungen ist der Diabetes am stärksten verbreitet. Bei Diabetes kommt eine Pflegespezialisierung nur bei insu-
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linpflichtigen Patienten in Betracht, weil die Krankheit ohne Insulinverabreichung keiner abrechenbaren Pflegetätigkeit bedarf und eine reine Beratung zwar Kosten verursacht, jedoch nicht vergütet wird; bestenfalls könnte man sie als kostenintensive Werbung bei potenziellen zukünftigen Pflegekunden betrachten. Der insulinpflichtige Diabetes tritt in Deutschland in etwa 1 900 000 Fällen auf (Deutsche Diabetes-Union, 2008: 8). Dieser Grad der Häufigkeit könnte in urbanen Gebieten eine Spezialisierung rechtfertigen, wenn es die Konkurrenzsituation zulässt. Die Verabreichung von Insulin ist eine Leistung, die von den Krankenkassen vergütet wird, folglich pro Einsatzzeit lohnender ist als etwa die Körperpflege. Nicht bezahlte Tätigkeiten wie die Beratung halten sich bei dieser Erkrankung in engem Rahmen, weil sie meist im Laufe der abrechenbaren Pflegebehandlung erfolgen kann. Trotz dieser oberflächlich betrachtet günstigen Rahmenbedingungen ist eine ausschließliche Spezialisierung auf dieses Krankheitsbild aus folgenden Gründen nicht zu empfehlen: In schwach besiedelten Gebieten ist die Patientendichte zu gering und die Wege sind zu lang. In städtischen Gebieten ist die Konkurrenzsituation prohibitiv, weil die Insulinversorgung in das Repertoire eines jeden ambulanten Pflegedienstes gehört. Die Förderung der Eigenständigkeit der Patienten durch Anleitung zum Insulinspritzen führt den Pflegedienst in absehbarer Zeit zum Verlust des Kunden. Je professioneller die Anleitung ist, desto schneller macht sich der Pflegedienst bei diesem Patienten überflüssig; das ist betriebswirtschaftlich nachteilig, aber ansonsten natürlich wünschenswert. Krankheitsbild Demenz Auch die Erkrankung der Altersdemenz ist in Deutschland stark vertreten. Die Alzheimergesellschaft geht von einer Millionen demenziell erkrankten Menschen in Deutschland aus (Robert Koch-Institut, 2005: 7). Für die strategische Planung eines Pflegedienstes bedeutet dies, dass sich eine Spezialisie-
rung auf diese Krankheit unter dem Aspekt der Erscheinungshäufigkeit anbieten könnte. Sofern nicht eine zu starke Konkurrenz den Markt bereits abdeckt, könnte man von einer guten flächendeckenden Auslastung des Pflegeteams ausgehen. Auch die Wegezeiten zwischen den Pflegeeinsätzen stünden angesichts der hohen Krankheitsdichte in angemessenem Verhältnis zur vergüteten Pflegedauer. Problematisch bei der Versorgung Demenzkranker ist jedoch die geringe Vergütung der erforderlichen und erwarteten Pflegetätigkeiten. Die Körperpflege, die bei Demenzkranken im Vordergrund steht, wird von den Pflegekassen gering vergütet. Der enge, pauschal vorgesehene Zeitrahmen reicht weder aus, die Eigenständigkeit des Patienten durch Anleitung oder aktivierende Pflege (z. B. beim Waschen) zu fördern, noch besteht die Möglichkeit, kostendeckend die Angehörigen so zu beraten, dass sie bei der Pflege eine sinnvolle Hilfe sein könnten. Fazit: Eine Spezialisierung auf die Pflege von Demenzkranken ist nicht zu empfehlen, solange die Kassen einen Teil der von der Zielgruppe erwarteten Pflegedienstleistungen nicht vergüten. Krankheitsbild Multiple Sklerose Die Spezialisierung auf die Pflege von Patienten mit Multipler Sklerose ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht noch problematischer als in den beiden vorgenannten Krankheitsfeldern. Zum einen ist die Krankheit mit geschätzten 67 000 bis 138 000 Fällen in Deutschland viel seltener (Flachenecker/Zettl, 2002), so dass die nur pauschal vergüteten langen Wegezeiten einen Verlust programmieren. Zum anderen steht bei dieser Krankheit die pflegerische Tätigkeit nach SGB XI im Vordergrund. Die reinen Pflegeleistungen sind gering vergütet, und die dringend nötigen Tätigkeiten wie Beratung und aktivierende Pflege sind sehr zeitaufwändig und können nicht abgerechnet werden. Folglich sprechen alle Rahmenbedingungen gegen eine ausschließliche Spezialisierung auf die Pflege von Patienten mit Multipler Sklerose.
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Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine Spezialisierung ausschließlich auf ein Krankheitsbild unter den heutigen Voraussetzungen wirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Entweder sind die zu gering vergüteten Wegezeiten ein Hindernis, oder Leistungen werden zu gering vergütet (z. B. Körperpflege), oder die von der Zielgruppe eingeforderten Hilfestellungen (wie aktivierende Pflege) werden nicht vergütet, oder schließlich werden die wenigen adäquat vergüteten Leistungen nach SGB V auch von allen nicht spezialisierten Pflegediensten angeboten, so dass die Konkurrenz eine Spezialisierung wirtschaftlich unattraktiv macht. Da jedoch eine Spezialisierung unbestreitbare Vorteile sowohl für die betroffenen Patienten als auch für die ambulanten Pflegedienste hat, wollen wir im Folgenden untersuchen, ob es einen gangbaren Mittelweg gibt zwischen der Spezialisierung auf lediglich ein Kerngebiet einerseits und der allgemeinen Pflege ohne jegliche Spezialisierung andererseits.
16.4
Breites Fachwissen mit gezielten Spezialisierungen Ein ambulanter Pflegedienst, der allgemein Hilfsbedürftige versorgt, also einen «Allround-Pflegedienst» anbietet, läuft Gefahr, dass seine Pflege in ihrer Professionalität mittelmäßig ist, weil sich die Mitarbeiter zwar durch Ausbildung und allmähliche Erfahrung ein breites Wissen angeeignet haben, sich dieses Wissen jedoch nicht vertieft hat. Sobald sich dieser Mangel herumgesprochen hat, wird dieser Pflegedienst an Akzeptanz verlieren. Hier bietet es sich an, einzelne Mitarbeiter im Team aufzunehmen, die sich zusätzlich zu ihrer Grundausbildung auf ein Fachgebiet spezialisiert haben. So kann man die Vorteile des spezialisierten Pflegedienstes mit denen eines allgemeinen Pflegedienstes verbinden. Der spezialisierte Mitarbeiter ist für die Patienten seines Fachgebietes verantwortlich und
kann die anderen Mitarbeiter seines Teams intern weiterbilden und sie auf die Besonderheiten «seiner» Patienten aufmerksam machen. So ist gewährleistet, dass die Patienten auch dann optimal versorgt sind, wenn die primär verantwortliche Pflegefachkraft nicht im Einsatz ist. Gleichzeitig werden die Kosten des Pflegedienstes für die Fortbildung reduziert, da nur ein Mitarbeiter extern weitergebildet werden muss, der dieses Wissen dann intern an sein Team weitergibt. Eine Voraussetzung für den Erfolg dieses Konzeptes ist natürlich, dass der für das eine Krankheitsbild verantwortliche Mitarbeiter regelmäßig auf seinem Fachgebiet weitergebildet wird, um immer auf dem neuesten fachlichen Wissensstand zu sein. Ein derart breit aufgestellter Pflegedienst, der sowohl die allgemeine als auch die spezialisierte Pflege anbietet, hat objektiv messbare Vorteile im Markt. Aufgrund der diversen Spezialisierungen auf mehrere Krankheitsbilder muss er keine Patienten ablehnen, nur weil das Knowhow nicht vorhanden ist. Auch die Verlagerung der Grunderkrankung eines Patienten führt nicht notwendigerweise zu dessen Abgabe an einen anderen Pflegedienst, weil das spezielle Wissen auch für diese neue Grunderkrankung von einem Mitarbeiter des Teams abgedeckt werden kann. Der Pflegedienst kann kostenintensive Pflegeeinsätze durch vergütungsgünstigere Einsätze bei anderen Patienten ausgleichen oder dies auch bei ein und demselben Patienten verknüpfen (z. B. bei der Pflege von Patienten mit Demenz und Diabetes). Aufgrund der potenziell großen Kundenzahl kann sich das Patientennetz in der betreuten Region so verdichten, dass sich die Wegezeiten zwischen den Einsatzorten deutlich verkürzen und dadurch ihren Kostennachteil verlieren. Da ein solcher Pflegeanbieter praktisch alle Arten von Patienten in seine ambulante Pflege aufnehmen kann, besteht für ihn keine Abhängigkeit von einer besonderen Zielgruppe. Er kann sich vielmehr von der Konkurrenz absetzen, indem
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er sich je nach Marktsituation für neue Krankheitsbilder Spezialwissen in sein Team holt, sei es durch neue Mitarbeiter von außen, sei es durch gezielte Fortbildung. Einige größere Verbände bieten bereits jetzt gezielt Fortbildungen an, um Pflegefachkräfte auf ausgewählten Gebieten zu spezialisieren. Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft bietet beispielsweise Fort- und Weiterbildungen für Pflegefachkräfte an, um die Pflegequalität und Pflegesituation von MS-Erkrankten zu verbessern (Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband e. V., 2008 a). Spezialwissen im Team kann ein Pflegedienst nutzen, um sich mit einem erworbenen Siegel von anderen Pflegediensten abzuheben. Laut der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft kann eine Pflegeeinrichtung mit mindestens zwei Mitarbeitern, die erfolgreich an der DMSGFachfortbildung «Pflege bei MS» teilgenommen haben, eine Auszeichnung als «DMSG-geprüfter Pflegedienst/DMSG-geprüfte Pflegestation» beantragen (Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband e. V., 2008 a). Ein solchermaßen aufgestellter Pflegedienst hat jedoch nicht nur objektiv wahrnehmbare Vorteile, sondern auch subjektiv wird sich diese Erweiterung des Tätigkeitsrahmens positiv auf die Mitarbeiter auswirken. Der Pflegedienst wird vielseitiger, weil sich Mitarbeiter – je nach Neigung und Begabung – zu Spezialisten ausbilden lassen können und dadurch der Gefahr entgehen, sich in allzu einseitiger Tätigkeit zu verschleißen, wie dies bei körperlich und psychisch sehr anstrengender Pflege (z. B. bei MSKranken) geschehen könnte. Die Möglichkeit, sich Expertenwissen anzueignen und sich dauerhaft weiterzubilden, kann ebenso motivierend wirken wie die Aufgabe, dieses Spezialwissen an die anderen Mitarbeiter weiterzugeben. Wichtig für den ambulanten Dienst ist, dass sein vielfältiges Spezialwissen im Markt bekannt ist. So kann er bei Ärzten, Krankenhäusern und auch bei Verbänden wie der Alzheimer Gesellschaft oder der Multiple Sklerose Gesellschaft
mit seinem Spezialwissen werben und über diese Foren an potenzielle Kunden herantreten. Es gibt bereits ambulante Pflegedienste, die dies nutzen und die z. B. von der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft auf der Internetseite empfohlen werden (Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband e. V., 2008 b).
16.5
Fazit Die Anreicherung eines ambulanten Pflegedienstes, der ein breit gefächertes Wissen und Erfahrungsspektrum hat, durch gezielte Spezialisierungen ist folglich das Konzept der Zukunft. Betriebswirtschaftlich ist es für einen Pflegedienst vorteilhaft, und auch für die Patienten ist es wünschenswert. Es ist zu hoffen, dass der Arbeitsmarkt der Zukunft genügend geeignete Fachpflegekräfte zur Verfügung stellen kann. Bei deren Auswahl ist darauf zu achten, dass die Pflegekräfte trotz ihrer Spezialisierung noch die Wichtigkeit vor Augen behalten, den Patienten die notwendige menschliche Zuwendung zukommen zu lassen.
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Literatur Deutsche Diabetes-Union (Hrsg.): Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2008. Kirchheim & Co GmbH, Mainz 2008. Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband (DMSG) e. V.: Fort- und Weiterbildungen. DMSG 2008 a. Verfügbar unter: http://www.dmsg.de/service/ index.php?kategorie=mspflegedienste&kategorie2=f ortbildungen. [Datum der letzten Einsichtnahme: 10. April 2008]. Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband (DMSG) e. V.: Pflegedienste-Verzeichnis. DMSG 2008 b. Verfügbar unter: http://www.dmsg.de/service/ index.php?kategorie=mspflegedienste&kategorie2=p flegediensteverzeichnis. [Datum der letzten Einsichtnahme: 10. April 2008]. Flachenecker, P.; Zettl, U. K.: Epidemiologie. In: Schmidt, R. M.; Hofmann, F. (Hrsg.): Multiple Sklerose. Urban & Fischer, München 2002. Gesundheitsberichterstattung des Bundes: Ambulante Pflegedienste (Anzahl) und von ambulanten Pflegediensten Betreute (Anzahl und Dichte). Gliederungs-
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merkmale: Jahre, Region, Träger für das Jahr 2005. Verfügbar unter: http://www.gbe-bund.de/oowa921install/servlet/oowa/aw92/dboowasys921.xwdevkit/ xwd_init?gbe.isgbetol/xs_start_neu/333817829/7224 163. [Datum der letzten Einsichtnahme: 21. Juli 2008]. Hagemeier, O.; von Reibnitz, C.: Homecare – eine Einführung. In: Hagemeier, O.; von Reibnitz, C. (Hrsg.): Homecare. Ein Versorgungskonzept der Zukunft. Economica, Heidelberg, 2005: 5–21.
Hamburger Pflegegesellschaft e. V.: Preisvergleichsliste der ambulanten Pflegedienste nach SGB XI in Hamburg – gesamt. Stand 1. Januar 2008. Verfügbar unter: http://www.hpg-ev.de/download/Preisvergleich-amb080101.pdf. [Datum der letzten Einsichtnahme: 10. April 2008]. Herold, E.: Ambulante Pflege. Band 3. Schlüter, Hannover, 2002. Robert Koch-Institut (Hrsg.): Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Heft 28 Altersdemenz. Oktoberdruck, Berlin 2005.
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Interdisziplinäre Weiterbildungskonzepte für Homecare Gerda Nussbaumer
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Einleitung Die Qualifikationsanforderungen an das Pflegepersonal verändern sich in den letzten Jahren laufend aufgrund neuer Marktstrukturen und ständig novellierter gesetzlicher Rahmenbedingungen in der Gesundheitsversorgung und Medizin. Die demografische Entwicklung trägt dazu bei, dass ein wachsender Bedarf an Pflegefachkräften und Altenpflegerinnen mit besonderen Kenntnissen der Homecare-Versorgung besteht. Hierzu zählen z. B. Wundversorgung, Ernährung und Stomaversorgung. Darüber hinaus fallen im Rahmen einer Homecare-Versorgung viele spezielle pflegerische Maßnahmen an, wie Überwachung und Kontrolle der Vitalzeichen, das Verabreichen von Medikamenten, moderne Wundversorgung, Handhabung und Kontrolle von Sonden, Kathetern und Drainagen, Einsatz medizinisch-technischer Geräte, Durchführung diagnostischer Maßnahmen und vieles mehr. Aus den genannten Aufgabenfeldern der Homecare-Versorgung resultiert, dass das zukünftige Kompetenzprofil weitestgehend aus einer pflegerischen Ausbildung mit Spezialisierung auf die häusliche Versorgung bestehen sollte. Das Pflegepersonal in der Homecare-Versorgung muss dazu über ein breites Spektrum an Wissen und fachpflegerischen Fertigkeiten verfügen, die auf die häusliche Versorgung abge-
stimmt sind. Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, dass der komplexe häusliche Versorgungsbedarf von schwer kranken und intensivpflegebedürftigen Patienten im Sinne einer integrierten Versorgung zu erfolgen hat, um Versorgungseinbrüche zu vermeiden. Homecare-Versorgung soll idealerweise die Lücke zwischen stationärer und ambulanter Versorgung mit einer weiteren Versorgungssäule füllen und im ambulanten Bereich angesiedelt sein. So wird die Chance wahrgenommen, eine Brücke zwischen diesen beiden Sektoren zu etablieren. Aufgrund der veränderten Strukturen des Gesundheits- und Sozialwesens müssen auch die Anforderungen an die Ausbildung von Pflegenden insbesondere für die Homecare-Versorgung angepasst werden. Im Zusammenhang mit der Pflegeversicherung und dem Grundsatz «ambulant vor stationär» erhöht sich auf der einen Seite der Bedarf für eine eigenständige, selbstverantwortliche Versorgung der Patienten, auf der anderen Seite aber auch die Anforderungen an koordinierendes, kooperierendes interdisziplinäres Arbeiten. Aus den gesetzlichen Vorgaben des SGB XI und des SGB V ergeben sich neue, anspruchsvolle Aufgaben im Bereich der Kontrolle und Sicherung von Versorgungs- und Pflegequalität. Und nicht zuletzt erfordert die wachsende Vielfalt von Versorgungssystemen im stationären, teilstationären und ambulanten Bereich, dass die Pflegenden in immer mehr
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Arbeitsfeldern zurechtkommen, mit den dort Beschäftigten kooperieren und die Pflege von Menschen, die diese verschiedenen Einrichtungen durchlaufen, koordinieren können (Deutscher Pflegerat, 2004). An das Homecare-Personal werden darüber hinaus vielfältige Anforderungen gestellt. Neben einer Ausbildung im medizinischen Bereich (Sachkompetenzen) sollten die Mitarbeiter vor allem Organisations- und Verhandlungsgeschick sowie marktorientiertes Denken mitbringen. Neben den genannten formalen Voraussetzungen sollten sie aber auch über so genannte Softskills (Sozialkompetenz) verfügen. Neben guten Kommunikations- und Überzeugungsfähigkeiten wird zunehmend eine hohe räumliche Mobilität und Flexibilität gefordert, muss doch der zukünftige Homecare-Mitarbeiter den Kontakt zu den Kunden pflegen und die medizinische Grundversorgung beim Patienten sicherstellen (Methodenkompetenz). Die Bereitschaft zur kollegialen Zusammenarbeit ist ebenso Voraussetzung wie Eigeninitiative und Durchhaltevermögen, um in diesem Marktsegment erfolgreich zu sein.
17.2
Beispiele von Interdisziplinarität Die Ausbildungen in den Gesundheitsberufen haben sich laufend angepasst, differenziert und spezialisiert. Dies führt zwar einerseits zu wissenschaftlichem Fortschritt und vertieftem Wissen, kann aber andererseits auch zum Verlust von fachübergreifendem Wissen und ganzheitlicher Betrachtung führen, welches gerade in den Gesundheits- und Medizinalberufen notwendige Voraussetzung ist. Je länger je mehr geht man daher in den Ausbildungen dazu über, die Lehrund Lernkonzepte so zu gestalten, dass das Verständnis der für verschiedene Disziplinen typischen Perspektiven entwickelt wird. Beispiel Medizin: Bereits 2004 wurde in der Abteilung für kardiovaskuläre Chirurgie der Universitätsklinik Bern ein interdisziplinäres Projekt durchgeführt. Dieses Projekt wurde konzipiert, weil Patienten mit kardiovaskulären Erkran-
kungen in hohem Maße internistische Zusatzerkrankungen aufweisen, die im Rahmen eines geplanten Eingriffs in der präoperativen Operabilitätsabklärung und in der Behandlung beachtet werden müssen. Alle betreuenden Ärzte sollten über fundierte Kenntnisse der Inneren Medizin und der Chirurgie verfügen. Somit realisierte die Klinik ein interdisziplinäres Lehrkonzept, welches die Vernetzung unter Spezialisten fördert, Klinik und Forschung stärker verbindet und zusätzlich der Verkürzung von Arbeitszeit Rechnung trägt (Widmer, 2004). Beispiel Pflegefachpersonen: Die Diplomausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege vermittelt die Grundlagen für die Berufspraxis bei der Pflege von gesunden und kranken Menschen, von Menschen in der akuten Phase ihrer Krankheit, von kranken und belasteten Menschen in der Rehabilitations- und Wiedereingliederungsphase und von kranken und belasteten Menschen in verschiedenen Tätigkeitsgebieten der Pflege. Die Ausbildung muss somit alle Aspekte des Pflegeberufs abdecken, wie: Gesundheitsförderung, Pflegeauffassung, Berufsethik, Kommunikation, transkulturelle Kompetenz, Pflegeanamnese, Pflegediagnostik, Pflegeprozess, ganzheitliche Heilmethoden, Pflegeforschung, Entwicklung der Pflege, Chirurgie, Medizin, Soziologie, Psychologie, Pädagogik, Anatomie, Physiologie, Pathologie, Ökologie, Gerontologie und Pflegeverrichtungen. Ziel ist es nun, und daran arbeiten schon einige Schulen, sich nicht wie bisher auf die wesentlichen spezifischen Fachinhalte zu beschränken, sondern die Lernumgebung dahingehend aufzubauen, dass sie dem Lernenden eine umfassende Darstellung eines Patienten vermittelt – unter Betrachtung nicht nur eines Krankheitsbildes und nur einer Fachdisziplin, sondern vielmehr als integratives Gesamtkonzept zur Patientenbetreuung. Hierfür wäre die Entwicklung eines multimedialen, fallbasierten, interaktiven und interdisziplinären Lernprogramms angezeigt: Besonders in der Schweiz haben sich bereits viele Höhere Fachschulen (HF) diesem Entwicklungsprozess unterzogen, indem sie die Curricula anpassten und sowohl das problemorientierte Lernen (POL, engl.: Problem Based Learning [PBL]) wie auch
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die Skillsunits (praktische Trainingseinheiten, die den Theorie-Praxis-Transfer sichern) implementiert haben. Über äußerst erfolgreiche Ergebnisse darf die Höhere Fachschule Pflege in St. Gallen berichten: Die Umsetzung des PBLCurriculums, das die Fachstelle Careum Zürich entwickelte, wurde bereits wissenschaftlich evaluiert (Urfer-Schumacher, 2007) – ein absolutes Novum für die Pflege im deutschen Sprachraum. Beispiel Homecare-Fachpersonal: Dieses ist insbesondere gefordert, weil es dem Patienten eine übergreifende Betreuung gewährleistet und individuelle Maßnahmen auf die Bedürfnisse des Menschen in medizinischer, pflegerischer, sozialer und rehabilitativer Hinsicht vornimmt. Das Homecare-Fachpersonal wird in den typischen Homecare-Therapien geschult, weil diese in den Curricula der Grundausbildungen nicht oder unvollständig verankert sind: Enterale und parenterale Ernährung, Heimdialyse, Stoma- und Inkontinenzversorgung, moderne Wundversorgung, Tracheostomieversorgung, Infusions- und Schmerztherapie sowie respiratorische Heimtherapie (BVMed, 2007). Auch diese Themen sollten interdisziplinär vermittelt und erarbeitet werden, um bei den Lernenden ganzheitliches Denken und Handeln zu vermitteln und zu fördern. Als moderne Lehr- und Lernformen, mit welchen die Studierenden Wissen eigenständig erarbeiten und verankern sowie Sicherheit in ihrer Handlungskompetenz trainieren, bieten sich besonders an: E-Learning, Problem Based Learning und Skillstraining im Skillslab (praktisches Übungsfeld, Laborsituation). 17.2.1
Kompetenzprofil für das Fachpersonal in der Homecare-Versorgung Die Anforderungen, die eine Homecare-Fachperson erfüllen muss, sind überaus hoch, vielseitiger Natur und können von einer Behandlung zur nächsten variieren und an Komplexität zunehmen. Von einer Homecare-Fachperson wird eine nahezu polyvalente, kompetente Arbeitsweise erwartet, deshalb ist sie nicht nur unverzichtbar, sondern auch schwer austausch-
bar. Die Schulungen müssen so ausgerichtet sein, dass die Homecare-Lernenden die erforderlichen Kompetenzen erlangen können. Im Detail heißt das: Fachliche Kompetenz: Übergreifend zählen hierzu alle Einsichten, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die erforderlich sind, um Versorgungskonzepte so anzuwenden, dass sie der jeweiligen Situation des Pflegebedürftigen – seiner Gesundung und Selbstständigkeit, Aktivierung oder Schonung, seiner Gebrechlichkeit oder seinem bevorstehenden Tod – entsprechen. Sozial-kommunikative Kompetenz: Ein zentrales Ziel der Entwicklung sozialer Kompetenz ist es, die Lernenden in der Fähigkeit zu stärken, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen, zu halten und zu beenden (interaktive Kompetenz). Ein weiteres Ziel besteht darin, dass sie lernen, die Welt des Versorgungsbedürftigen bzw. der Patientin zu verstehen und aus seiner bzw. ihrer Perspektive zu sehen, dass sie also empathische Fähigkeiten auf- bzw. ausbauen. Methodische Kompetenz: Um Versorgung als Prozess planen, durchführen und evaluieren zu können, um Versorgungsqualität zu sichern oder um Aufgaben im Rahmen von Koordination und einrichtungs- bzw. berufsgruppenübergreifender Kooperation erfüllen zu können, benötigen Pflegende verschiedene methodische Kompetenzen. Dies bedeutet insbesondere mit Fokus auf die zu Versorgenden (Patienten) und die Zusammenarbeit mit anderen Berufstätigen, Informationen einzuholen und zu verarbeiten, Entscheidungen zu treffen, Prioritäten zu setzen sowie Probleme gezielt und systematisch zu bearbeiten. Hier kommt der Förderung kognitiver Fähigkeiten, wie dem analytischen, vorausschauenden und abstrahierenden Denken sowie der Problemlösungs- und Beurteilungsfähigkeit eine bedeutsame Rolle zu. Kompetenzen kann man jedoch nicht einfach erwerben, sich aneignen oder auswendig lernen, sondern es ist ein eigentlicher Prozess notwen-
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dig, um mit einer Flut von Informationen, Vorwissen, Austausch- und Expertenwissen Voraussetzungen zu schaffen, die das eigenständige Lernen ermöglichen und fördern. Kompetent ist man dann, wenn man fähig ist, verankertes Wissen dann zu generieren, wenn die Situation eine entsprechende Handlung abfordert. 17.2.2
Weiterbildung – aber wie? Infolge der soziodemografischen Entwicklung und des gewandelten Krankheitspanoramas werden beruflich Pflegende immer mehr ältere, insbesondere sehr alte, multimorbide Menschen und solche mit chronisch-degenerativen Erkrankungen pflegen. Diese Klientel, zu der auch die Angehörigen der Pflegebedürftigen zählen, setzt ein vorrangig auf Unterstützung und Begleitung, Hilfe bei der Lebensbewältigung, Förderung, Beratung und Anleitung ausgerichtetes pflegerisches Selbstverständnis und Handeln voraus, das sich deutlich von der traditionellen Orientierung an somatischer Behandlung bzw. medizinischer Kuration akuter Krankheit unterscheidet. Die veränderte Situation der Versorgung von Patienten im häuslichen Umfeld zeigt bereits jetzt, dass Pflegende sehr viel mehr in ihrer kommunikativen und empathischen Kompetenz gestärkt werden müssen, um die von ihnen gepflegten Menschen in ihrer Selbstbestimmung und -verantwortung, ihrer Aktivierung von Selbstpflegepotenzialen und individuellen Ressourcen zu fördern, gleichzeitig jedoch nicht zu überfordern. Die zukünftige Gestaltung der Ausbildung in den Pflegeberufen mit Schwerpunkt auf die Homecare-Versorgung erfordert, Lernprozesse so zu planen und zu gestalten, dass die Lernenden als aktiv und kritisch in ihrer Handlungskompetenz gestärkt werden. Eine solche Leitvorstellung geht mit einer Abkehr vom traditionellen Lernbegriff einher, nach dem Lernen vorrangig Reproduktion überprüfbaren Wissens ist, und rückt stattdessen die Konzipierung und Umsetzung von Lernsituationen in den Vordergrund, in denen die Fragen, Erfahrungen und Probleme der Auszubildenden eine wichtige Rolle spielen
und die auf den Erwerb von Fähigkeiten, Einstellungen und Strategien im Sinne umfassender beruflicher und persönlicher Kompetenzen abzielen. Konstruktivistische Lehrmethoden fordern und fördern selbstgesteuertes und selbstverantwortetes Lernen. 17.3
Interdisziplinäre Lehr- und Lernmethoden Ebenso wie der Lernende Verantwortung für sein Lernen übernimmt sind der Lehrende und das Lehrinstitut gefordert, optimale (Lern-) Bedingungen zu schaffen, Unterstützung zu bieten und die Lernenden in die verschiedene Lehr-, Lern- und Arbeitsmethodik einzuführen und zu begleiten. Interdisziplinär (lat.: inter = «zwischen», disciplina = «Schule; Wissenschaft») bedeutet «zwischen zwei oder mehr Disziplinen bestehend/ zwei oder mehr Disziplinen betreffend. Interdisziplinäres Lernen erfordert aber neue Lehr- und Lernmethoden und unterscheidet sich wesentlich von den traditionellen Unterrichtsmethoden (Vorlesungen, Frontalunterricht). Die Lernenden sind oft in der passiven Rolle der «NichtWissenden» und hören eher zu, als selber zu reden. Eine Analyse innerhalb einer Maturandenklasse (Abitur) zeigte, dass sich fünf Schüler aktiv am Unterricht beteiligten, zehn Schüler langweilten sich und der Rest (weitere fünf Schüler) waren gedanklich ohnehin weit weg (Santer 2004). Auch herkömmlicher Kleingruppenunterricht ist eher geprägt von Interaktionen seitens des Lehrenden als der Lernenden. Die Ausbildung in den Gesundheitsberufen orientiert sich in den einzelnen Lehrfächern oftmals an den Interessen der Lehrenden, viel zu selten an den Ausbildungsbedürfnissen der Lernenden bzw. an deren künftigen Problemen in ihrer Berufspraxis oder an interdisziplinären Anforderungen. Dadurch fehlen den Lernenden insbesondere wesentliche Anteile der Fach-, Sachund Methodenkompetenz. Die didaktischen Grundsätze der Ausbildungen in den Gesundheitsberufen sollten sich daher
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zukünftig an den bereits erwähnten Zielen orientieren: Vermittlung von Fachkompetenz, verbunden mit methodischen und sozialen Fähigkeiten, der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Kernproblemen unserer Zeit sowie der Förderung des Theorie-Praxis-Transfers durch handlungsorientierten Unterricht. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Kompetenzvermittlung zur Problemlösung mit Problemstellungen, in denen die praktische Anwendung von erworbenem Wissen in beruflichen Handlungssituationen im Vordergrund steht, führt zu einer nachhaltigen Verankerung des Gelernten (Eisenstaedt et al., 1990). Lernen braucht zudem seine Zeit. Der Lernzuwachs ist kein linearer messbarer Prozess. Informations-Aufnahme und -Verarbeitung finden ständig statt, sind jedoch nicht beobachtbar. Lernen entsteht in einem selbstgewählten, selbstgestalteten und selbstunterhaltenden Prozess, zum Beispiel mittels E-Learning und/oder im Skillslab. Für die Homecare-Ausbildung ist der Praxisbezug notwendige Voraussetzung. Dieser wird durch entsprechende Fallbeispiele im PBL geschaffen, und der Transfer von der Theorie zur Praxis findet primär mittels Skillstraining statt. Dies sollte ein verbindlicher Ausbildungsstandard sein – die Lernenden können so unter realen Arbeitsbedingungen ihre Handlungen erstmalig am Übungspatienten (Dummies oder Standardisierter Patient) vornehmen. Zusätzliches Absolvieren von verschiedenen Praktika unter Begleitung einer Praxisausbilderin ermöglicht hiermit die optimale Umsetzung der Lerninhalte am dritten Lernort. 17.3.1
E-Learning E-Learning (elektronisches Lernen) ist selbst aus den Grundschulen und Grundausbildungen nicht mehr wegzudenken. Sämtliches Lernen mit elektronischen, multimedialen und interaktiven Informations- und Kommunikationstechnologien bezeichnet man als E-Learning. Die Ausbildung für die Homecare-Fachperson kann zu einem wesentlichen Anteil per E-Learning er-
folgen, da diese Methode folgende Vorteile beinhaltet: Der E-Learner muss sich weder an fixe Lernzeiten noch spezifische Lernorte binden und kann so die Grenzen zwischen Lernen und beruflicher Tätigkeit auflösen. Der E-Learner profitiert von interdisziplinärem, kontextbezogenem Lernen, dank jederzeit zugänglichen, aktuellen und vernetzten Lernressourcen. Er übernimmt zudem selbstgesteuert die Verantwortung für interessen- und nachfrageabhängiges, individualisiertes Lernen und entscheidet so, wann und ob er die Teilnahme am Massenunterricht vermeiden kann. Kooperatives und soziales Lernen in virtuellen Lerngemeinschaften mit gleichen Interessen und Neigungen sind weitere Vorteile. Zudem wird der Umgang mit großen, komplexen Informationsmengen sowie mit moderner Informations- und Kommunikationstechnologie erlernt, was der Förderung von Schlüsselqualifikationen gleichkommt. Nicht zuletzt profitiert der E-Learner oder das Unternehmen, das die Ausbildung finanziert, von effektivem, effizientem und kostengünstigem Lernen. Die Homecare-Weiterbildung erfordert in der Regel, die «alten» Anatomiekenntnisse aufzufrischen. Dafür eignet sich eine Anatomie-DVD oder CD-ROM, die durch ihr übersichtliches Programm besticht und somit eine gute und einfache Navigation erlaubt. Der E-Learner soll so sein Wissen per Interaktivität ständig überprüfen und entscheiden, welche Selbsttests er absolvieren will. Für pflegerische Verrichtungen gibt es mittlerweile viele sehr gute Programme auf DVD, die auf die bevorstehenden Trainingseinheit im Skillslab vorbereiten, z. B. Temperatur messen, Intimwäsche (Mann/Frau), Mundtoilette u. v. m.6 Auch Medizin- und Verbrauchsproduktefirmen sowie Hersteller technischer Geräte verfügen oft über CD-ROMs oder DVDs, mit welchen sich der Anwender selbstgesteuert Wissen und Bedienung von Apparaturen oder bestimmte Techniken aneignen kann.
6 zu erwerben beispielsweise unter: www.bzpflege.ch oder www.verlag-careum.ch
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Idealerweise bildet der E-Learner virtuelle Lerngemeinschaften und lässt sich von einer Fachperson betreuen, wobei Fragestellungen geklärt und der Lernprozess verfolgt und gesichert wird. Im Internet werden aber auch Web Based Training (WBT) und Web Based Learning (WBL) angeboten. Die Ausgestaltung kann dabei von Multiple-Choice-Fragen bis hin zu komplexen, hypermedial aufbereiteten Simulationsspielen reichen. Meistens stehen zusätzliche Kommunikationsdienste synchron (Chat) oder asynchron (E-Mail, Newsgroups) zur Verfügung, mit denen wiederum Lerngemeinschaften gebildet werden können oder die Unterstützung eines Referenten und Fachexperten beigezogen werden kann (Nussbaumer 2006). Sowohl das Aneignen wie auch Auffrischen von Grundwissen (z. B. Anatomie, Pathologie, Pflegestandards etc.) kann idealerweise mittels E-Learning erfolgen. Das so erworbene Wissen bildet die Grundlage für den weiterführenden, konstruktivistischen Unterricht im Tutorat des PBL und auf jeder Stufe von Problemlösungsstrategien. Ebenso kommt dem E-Learning ein bedeutender Anteil vor den praktischen Sequenzen im Skillslab zu: Die Lernenden müssen sich mit der vorgegebenen, aufgezeichneten Situation (DVD) auseinandersetzen, um die neue Lerneinheit in der praktischen Übungssituation umzusetzen. 17.3.2
Problem Based Learning (PBL) Als innovative Lehr- und Lernform wird sie bezeichnet und ist trotzdem schon fast 40 Jahre alt: Problem Based Learning wurde 1969 an der McMaster University in Hamilton, Toronto (Kanada), für das Medizinstudium entwickelt. Mittlerweile ist die Methode in nahezu allen Ländern und Fakultäten fest etabliert. Dass die schweizerische Pflegeausbildung mit PBL konfrontiert wurde, ist dem pflegewissenschaftlichen Studium der Universität Maastricht (Niederlande) zu verdanken bzw. der Kooperation zum Studiengang für den «Master in Nursing Science». Im Jahre 2004 fand dann die Umsetzung des ersten ausschließlich problembasierten Curriculums für Pflege an der Höheren Fach-
schule in St. Gallen (Schweiz) statt – ein Novum im deutschsprachigen Europa! PBL trainiert Schlüsselqualifikationen, die in anderen Lernkonzepten vernachlässigt werden, obgleich sie als «Softskills» maßgeblich zum Berufserfolg beitragen. Die zentralen Merkmale von PBL sind die veränderten Anforderungen an die Lehrperson (sie agiert als Tutor) und an die Lernenden, die Anteile des Unterrichts übernehmen, die früher von einer Lehrperson ausgeführt wurden. Lehrende müssen ein neues Verständnis für selbstgesteuertes und selbstverantwortetes Lernen entwickeln – eigentlich müssen sie verlernen zu lehren! Und die Lernenden nehmen von ihren Erwartungen Abschied, dass die Lehrperson die Lernprobleme für sie löst. Die lerntheoretische Grundlage des Konzepts ist der Konstruktivismus, der die handelnde Auseinandersetzung mit der Umwelt als Basis erfolgreichen Lernens betrachtet. Die Methode erhöht die Problemlösungskompetenz und das notwendige interdisziplinäre Agieren, wie es in der Homecare-Versorgung gefordert wird. Der Transfer des Wissens in die berufliche Praxis wird gefördert. 17.3.3
Skillslab Die beiden vorhergehenden Abschnitte haben den theoretischen Rahmen behandelt, in dem Wissen angeeignet und verankert wird. Nun muss die Theorie in die Praxis einfließen. Walton und Matthews (1989) stellen fest, dass trotz bestandener Prüfungen, die aufzeigen, dass Wissen vorhanden ist, viele Studierende nicht in der Lage sind, das Gelernte im professionellen Kontext und Berufsumfeld anzuwenden. Studierende selber bemängeln immer wieder den mangelhaften Transfer zwischen Theorie und Praxis, so dass sie während der praktischen Arbeit oft hilflos realen Situationen gegenüberstehen, obwohl sie unter der Obhut von PraxisanleiterInnen und AusbilderInnen kontrollierte Verrichtungen am Patienten vornehmen. Diese, für alle Beteiligten nicht stressfreien Übungssequenzen lassen sich deutlich verbessern, indem in einem realistischen Kontext Lernsituationen geschaffen werden, die für die Lernenden
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ein reflektierendes Zusammenspiel von Handeln und Interaktion erfordern. Das Skillslab kann dies bieten – praxisnah und lernfördernd! Wie ist nun das Vorgehen für ein SkillslabProjekt? Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt werden? Die Skillslab-Ausbildungsmethode wurde in den Niederlanden für die Pflege entwickelt (Weber, 2000) und wird in der Regel mit theoretischen Unterrichtsformen (PBL, Vorlesungen, E-Learning etc.) kombiniert. In diesem Übungsraum (Labor; engl. Kurzform: lab) werden die pflegerischen Fähigkeiten und Fertigkeiten (engl.: skills) erlernt sowie die kommunikativen Aspekte geübt. Denn das Feedback von Mitlernenden, Beteiligten (Simulationspatient) und Lehrpersonen ist ein zentrales Element. Ein Skillslab wird wie ein Standard-Krankenhauszimmer eingerichtet und sollte demzufolge über die identische Infrastruktur verfügen. Das bedingt einmalige Investitionen, welche jedoch langfristig keine oder geringe weitere Kosten verursachen. Die Ausbildungsverantwortlichen haben sich dabei zu überlegen, wer die Rolle der Patienten übernehmen soll. Bis anhin kamen für Übungszwecke entweder Dummies (Gummipuppen) zum Einsatz (Anschaffungskosten!), oder die Lernenden mimten die Patienten. Beides bietet keine befriedigenden Ergebnisse. Heutzutage setzen fortschrittliche Schulen auf Simulationspatienten oder Standardisierte Patienten. Das sind in der Regel Schauspieler oder Laiendarsteller, die für die jeweilige Patientenrolle geschult und für den Skillslab-Einsatz bezahlt werden. Zunächst gilt es, die Drehbücher zu schreiben, Schauspieler zu akquirieren und auszubilden. Dies kann die Skillstrainerin übernehmen: Sie ist pädagogisch wie pflegerisch ausgebildet und muss auch eine Ausbildung zur Skillstrainerin absolviert haben, um die Lernenden im Skillslab zu coachen (dreitägige Ausbildungen z. B. in der Schweiz kosten etwa 900 Schweizer Franken). Demzufolge sollen die Lernenden von allen Skillstrainerinnen (sofern es mehrere davon gibt) mit der gleichen pädagogischen Grundhaltung zum selbstgesteuertem, selbstverantwortetem Lernen gefördert und gefordert werden.
Vor der Skillslab-Sequenz bereiten sich die Lernenden mit verschiedenen Lernmaterialien kognitiv auf die praktische Umsetzung vor. Dabei stehen ihnen auch DVDs mit den demonstrierten Skills (muss von der Schule käuflich erworben oder selbst produziert werden) zur Verfügung. Es ist darauf zu achten, falls die Schule die DVD selbst produzieren will (was einen enormen Aufwand bedeutet), dass die darauf demonstrierten Skills fehlerfrei sind. Einfacher ist es, die DVDs käuflich zu erwerben, es sind viele standardisierte Pflegethemen von hervorragender Qualität und zu moderaten Preisen (ab 20 Euro) erhältlich (z. B. bei www.verlagcareum.ch; oder www.bzpflege.ch, dann weiter zu «Bestellung»). Die Nachteile eines Skillslab bestehen vor allem im hohen Kostenaufwand für Anschaffungen, Installationen, Dummies oder gespielte «echte» Patienten. Zudem kann nicht jede Krankheitssituation simuliert werden, und eine Simulation gibt trotz aller Realitätsnähe nie die Wirklichkeit wieder. Trotzdem wird gerade mit dem Einsatz von Standardisierten Patienten eine Verbesserung der Ausbildung ermöglicht (Weber, 2000). Aber immerhin, es überwiegen die Vorteile: Mit dem Einsatz von Standardisierten Patienten als Skillslab-Lehrmethode können Lernende ihre psychomotorischen, interaktiven und affektiven Fähigkeiten in schulischem Rahmen und unter Betreuung üben und reflektieren. Das Trainieren ihrer Fähigkeiten hilft, die Angst vor der Praxis zu verringern, und lässt eine sicherere Interaktion zwischen Lernender und Patienten zu. Wer sich für die Skillslab-Methode entscheidet, hat Großes, aber Innovatives vor sich und nimmt vorgängig am besten Kontakt mit Fachschulen (z. B. www.careum.ch; www.bzpflege. ch) oder Universitäten (z. B. Charité Berlin) auf, die sowohl über Skillslabs wie auch über eine breite Erfahrung verfügen. Vielleicht entstehen so auch Synergien, wie Zusammenarbeit/ Austausch von Lehrpersonal oder temporäre/ gemeinschaftliche Nutzung von Räumlichkeiten/ Infrastruktur (Skillslabs).
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Anwendung von PBL in der Homecare-Weiterbildung Aus der Vielzahl von Unterrichtskonzepten, deren sich die Ausbildung von Gesundheitsberufen bedient, zielt PBL auf die Vermittlung praxisnaher wissenschaftlicher Erkenntnis und Fähigkeiten ab. Durch die Beschäftigung mit möglichst authentischen Problemen aus dem späteren Berufsalltag soll der Homecare-Lernende in seiner fachlichen Kompetenz gefördert und gefordert werden. PBL in der Ausbildung zur Homecare-Fachperson zeichnet sich dadurch aus, dass die Lernenden Regeln, Methoden und ihr medizinisches Grundwissen auf einen Fall anwenden. Es hat keinen Sinn, die Lernenden einen Praxisfall lösen zu lassen, wenn sie noch nicht über einen gewissen Bestand an medizinischem Wissen verfügen, der es ihnen ermöglicht, einen Problembezug herzustellen. Der Berufsalltag einer Homecare-Fachperson besteht in der Regel aus einer Mischung unterschiedlicher Probleme und erfordert dementsprechend unterschiedliche Kompetenzen für deren Lösung. Das Handlungsfeld von Homecare verlangt nach interdisziplinären Kenntnissen und Fähigkeiten (physiologische, ethische, medizinische, psychologische etc.) sowie Kernkompetenzen. PBL gibt den Homecare-Lernenden ein Gespür für die praktische Relevanz und das Problemlösen mittels wissenschaftlicher Methoden und Erkenntnisse. Das Erarbeiten von Problemlösungskompetenz ermöglicht interdisziplinäres Denken und Handeln. Übergreifende Ziele der Ausbildung für Homecare im Kontext zu PBL sind daher die Vermittlung von: Sachkomptenz/Sachwissen als Fähigkeit zur logischen Erkenntnis (Begriffe erläutern, Folgen von Lösungen vorhersagen, Lösungen entwickeln). Beispiel: Die Homecare-Fachperson legt dar, wie sie eine spezifische Wunde versorgen muss. Methodenkompetenz/Methodenwissen als Fähigkeit, im Hinblick auf ein definiertes Ziel wirksame Handlungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen (wissen, wann was getan werden muss und wie es getan werden muss).
Beispiel: Die Homecare-Fachperson entwickelt bezüglich der Versorgung einer spezifischen Wunde ein Wundmanagementkonzept. Sozialkompetenz/ethisch-moralisches Wissen als Fähigkeit, für andere verständliche Absichten zu äußern und selbst von anderen geäußerte Absichten zu verstehen sowie die Richtigkeit von Normen zu kritisieren und zu begründen. Beispiel: Die Homecare-Fachperson bezieht den Patienten in die Verantwortlichkeit zum Krankheitsverlauf, zur Genesung und zur Prophylaxe mit ein, indem sie ihm notwendiges Wissen vermittelt und begründet sowie Erwartungen und Aufgaben stellt. Gleichzeitig muss sie die Patientenbedürfnisse erkennen, darauf eingehen und sie im Procedere berücksichtigen. Folgende Merkmale charakterisieren die PBLMethode (Nussbaumer/von Reibnitz 2005): Im Zentrum steht ein reales Problem. Zur Problemlösung führen mehrere mögliche Wege. Arbeiten und Lernen erfolgt in Kleingruppen von vier bis acht Teilnehmern. Lerntempo und Vorgehensweise werden in dem vorgegebenen Zeitrahmen ausschließlich selbst bestimmt. Die Lernenden suchen sich selbst Informationen zur Lösung. Das Vorwissen der Lernenden wird in die Problemlösung einbezogen. Die erbrachte Leistung wird authentisch beurteilt, also möglichst nach Kriterien, die auch in der realen Welt bei Problemlösungen gelten. Im Zentrum steht die Anwendung des fortwährend neu erworbenen Wissens. Der Lehrende (Tutor) begleitet und unterstützt die Lernenden bei der Problemlösung. Weder dirigiert, noch belehrt, noch steuert er fertige Lösungen bei. Problemorientiertes Lernen erfordert eine umfassende Vorbereitung und Schulung des Lehrenden, der seinerseits die Lernenden in die Methodik einführt. Im Vergleich zu konventionellen Kleingruppen sind Gruppen, die nach
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PBL arbeiten, auf den Lernenden und nicht auf den Dozenten zentriert. In PBL-Gruppen sind die Teilnehmenden gefordert, untereinander zu interagieren, der Tutor fungiert lediglich als Vermittler. Die Vorgehensweise des PBL basiert grundsätzlich auf den drei Phasen Problemanalyse, Problembearbeitung und Problemlösung. Lernende generieren ihr Wissen und Können im Prozess der Problembearbeitung. Lernen wird als generatives Problemlösen geplant und initiiert. 17.4.1
Das Fallbeispiel Der Tutor oder der Case Designer erstellt für die Homecare-Ausbildung verschiedene PBL Aufgaben, die vor allem folgende Versorgungsbereiche von Homecare abdecken sollten:
Wundmanagement Stomaversorgung Inkontinenzversorgung Heimdialyse Enterale und parenterale Ernährung Infusionstherapie Schmerzmanagement soziale und psychosoziale Faktoren.
Somit könnte die Aufgabe folgendermaßen lauten:
Der erste Besuch Der ambulante Pflegedienst übernimmt ab sofort die Versorgung der 79-jährigen Frau Moritz. Beim ersten Hausbesuch findet die examinierte Fachkraft Frau Moritz, entgegen dem Überweisungsprotokoll, im inmobilen, leicht verwirrten Zustand vor. Die Grundpflegeverrichtungen und Inkontinenzversorgung nehmen dadurch mehr Zeit in Anspruch und erfordern ein anderes Kommunikationsverständnis. Zurück in der Zentrale hält die Homecare-Fachkraft fest: «Frau Moritz ist in vielen Aktivitäten des täglichen Lebens eingeschränkt, das erfordert eine angepasste Ressourcenplanung.»
Grobziel: Die Lernende zeigt die Bedeutung der ATL (Aktivitäten des täglichen Lebens) im Zu-
sammenhang mit der häuslichen Pflegeversorgung auf. Die Gruppe begibt sich nun auf den Lernparcours und wickelt die Problembearbeitungsphasen nach dem so genannten Siebensprung ab (s. Tab. 17-1 auf S. 178). Generell setzt sich eine PBL-Gruppe aus vier bis acht Lernenden zusammen, die das Fallbeispiel über einige Tage bearbeiten. Je nach Komplexität der Problemstellung und ganz am Anfang der Ausbildung benötigen sie bis zu fünf Tage für die sieben Schritte. Im Laufe der Ausbildung, ganz nach dem Grundsatz «Übung macht den Meister», absolvieren die Studierenden den Siebensprung dann in der Hälfte der Zeit, was dazu führt, dass nun eigentlich zwei Problemaufgaben pro Woche bearbeitet werden können. Während der Bearbeitung erhalten die Lernenden begrenzte Unterstützung durch die Tutorin, indem diese die Sicherung des Lernprozesses in die beabsichtigte Richtung überwacht. Die Tutorin ist für einen zielerreichenden Lernprozess verantwortlich, ohne während den Gruppensitzungen viel sagen zu können oder zu dürfen, vielmehr stellt sie Fragen, macht Anregungen, beobachtet und erteilt Feedback, überlässt aber die Lösungssuche weitestgehend den Lernenden. Ein wesentliches Ergebnis soll dann der Schritt 5 liefern: Die Lernziele werden formuliert. Bei dieser Aufgabe werden von den Lernenden folgende Lernziele erwartet: die ATL ermitteln und in einen Zusammenhang zum Homecare-Pflegebedarf bringen die Merkmale von Inkontinenz und deren Behandlungsansätze beschreiben die psychologischen Aspekte von pflegebedürftigen verwirrten Patienten in der Homecare-Versorgung diskutieren. Hier soll nun die Tutorin einschreiten, falls die Lernziele nicht korrekt formuliert wurden. Dabei darf sie keine Lösungsvorschläge einbringen, sondern soll die Gruppe lenken, z. B. auch mittels einer Suggestivfrage. Danach wird der Lerninhalt individuell erarbeitet (Schritt 6): Literaturstudium, Internet-
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Tabelle 17-1: Der Siebensprung im problemorientierten Lernen. Schritt
Ziel
Problemanalyse 1. Klärung grundsätzlicher Verständnisfragen
Der erste Schritt dient der Informationsaufnahme des Problems und der Klärung unbekannter Begriffe.
2. zentrale Fragestellung zur Problemaufgabe
Im zweiten Schritt ruft man sich den Ausgangs- und Endpunkt der Bearbeitung ins Bewusstsein. Dabei sollten unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt werden.
3. Hypothesengenerierung mittels Brainstorming
Im dritten Schritt erfolgt die Aktivierung und Vernetzung des Vorwissens, aufgrund dessen Hypothesen gebildet werden sollen. Der Lernende muss Bewusstsein über das Verständnis des Falls entwickeln.
4. Zusammenfassung und systematische Ordnung der Ideen und Lösungsansätze
Im vierten Schritt sollten die gesammelten Hypothesen geprüft, geordnet und diskutiert werden. Es gilt, sich von manchen Ideen des Brainstormings zu trennen.
5. Formulierung der Lernziele
Im fünften Schritt werden auftauchende Wissenslücken und problematische Punkte, die in der Diskussionsphase gesammelt wurden, zu eng gefassten Lernzielen formuliert. Es sollten möglichst spezielle Fragen formuliert werden. Alle Anwesenden müssen bei der Erstellung der Lernziele beteiligt sein und miterleben, aufgrund welcher Ideen oder Vermutungen ein Lernziel entsteht.
Problembearbeitung 6. Erarbeitung der Lerninhalte und Studium der verschiedenen Quellen
Im sechsten Schritt sind die Quellen für das benötigte Wissen und Können selbstständig zu erschließen. Ein wichtiger Nebeneffekt hierbei ist das Erlernen eines effektiven Umgangs mit Quellenmaterial. Auch die Befragung von Experten auf dem zu bearbeitenden Gebiet ist erwünscht.
Problemlösung 7. Synthese und Präsentation der zusammengetragenen Lerninhalte
Im siebten Schritt erfolgt die Präsentation des erarbeiteten Wissens, aufgrund dessen das Problem erneut in der Gruppe diskutiert wird. Die Lernenden überprüfen, ob das nun vorhandene Wissen ausreicht, um ein tiefes Verständnis für die im Fall angesprochenen Problemkreise zu erlangen. Schließlich kommt es zum Abschluss des Falles. Dabei steht die Lösung des Problems nicht im Vordergrund. Oftmals sind verschiedene Lösungen möglich.
(Quelle: Nussbaumer/von Reibnitz, 2005)
recherche, Expertenbefragung oder Besuch einer Vorlesung zu einem Lernziel stehen an. Das Erarbeitete wird dokumentiert und im Schritt 7, wo die Gruppe wieder zusammentrifft, präsentiert. Gemeinsam wird geprüft, ob die Endergebnisse ausreichend sind. Denn früher oder später ist eine formative oder summative Prüfung über den Lehrstoff fällig. Dabei ist erwiesen, dass diese Art von selbst erarbeitetem Wissen eine hohe Retention aufweist und sehr gut im Gedächtnis behalten wird, um so auch später noch in reale
Problemsituationen transferiert zu werden und Handlungsrelevanz zu beweisen. Weitere Aspekte, die die Arbeit des Tutors beeinflussen: Im Tutorat halten sich Tutoren eher im Hintergrund. Dafür ist das spezielle Tutorenwissen dann bei der Entwicklung von Fallbeispielen gefordert (Schwarz-Govaers, 2002), sofern dies dieselbe Person vornimmt. Oft ist dafür eine Gruppe oder Person vorgesehen, die Unterrichtsinhalte entwickelt. Im PBL nennt man diese
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17. Interdisziplinäre Weiterbildungskonzepte für Homecare
Personen Case Designer. Die Qualifikation zum Case Designer oder Tutor muss selbstverständlich erworben werden. Kurse dafür werden in allen PBL-Institutionen angeboten (Charité Berlin, McMaster University, Hamilton, Toronto (Kanada), University of New Mexico, Albuquerque (USA), University of Illinois at Chicago (USA), University of Dundee (Schottland), Fachstelle Careum Zürich). In der Regel können dreitägige Kurse gebucht werden, sofern schon PBL-Vorwissen vorhanden ist. Diese kosten beispielsweise in den USA etwa 600 Dollar.
17.5
Fazit Der Prozess des Lernens ist in erster Linie ein kognitiver Vorgang zur Einprägung von Gedächtnisinhalten. Es ist jedoch ein Unterschied, wie diese Gedächtnisinhalte zustande gekommen sind und welche Art von Wissen abgerufen werden muss. Von einer Homecare-Fachperson werden komplexes Fachwissen, hohe Sozialkompetenz und methodische Kompetenz erwartet. Um diese Fähigkeiten und Fertigkeiten in der Homecare-Weiterbildung zu vermitteln, sollten neue interdisziplinäre Lehr- und Lernmethoden wie PBL mit Skillslab und E-Learning eingesetzt werden. Problem Based Learning verbindet optimale Lernbedingungen mit Praxisorientierung und fächerübergreifender Relevanz. Gerade hierin ist ein Vorteil der Methode zu sehen, denn es gibt kaum ein gesundheitsbezogenes Problem, welches ausschließlich aus einem einzigen Blickwinkel einer Disziplin zu betrachten ist. Zudem werden notwendige Brücken zwischen theoretischen Grundlagen und Fächern geschaffen, die sich der Lernende zum Beispiel mittels E-Learning erarbeitet hat und so sein Grundwissen bei der Fallbearbeitung generiert. Ebenso ist der ausgiebige Umgang mit Informationsquellen aller Art ein willkommener Nebeneffekt. Denn Lehrbücher genügen oft nicht, so dass die HomecareLernenden besonders mittels E-Learning (Lernsoftware, Internet) aber auch Fachzeitschriften (vielfach auch aus dem Internet abrufbar) ihr Wissen komplettieren. Die Arbeit und der Austausch in persönlichen wie auch virtuellen Lern-
gruppen sowie der Erwerb von Expertenwissen durch E-Learning oder PBL bieten eine große Vielseitigkeit, ergänzen einander bestens und fördern Selbst- und Sozialkompetenzen. Im Skillslab, der realitätsnahen Lernumgebung, kommt dann das Methodenwissen zum Zuge, indem der Transfer zum beruflichen Alltag geschaffen und schwierige Pflegesituationen so oft wie nötig unter optimalen Bedingungen geübt werden dürfen. Die Lernenden sind sich einig: Das Skillslab-Training wirkt lernfördernd und praxisnah. Die größten Lernerfolge im affektiven und interaktiven Bereich werden (im Vergleich zu traditionellen Lehrprogrammen) mit Standardisierten Patienten erzielt (Schlegel/Shaha, 2007). All dies sollte in eine professionelle Aus- und Weiterbildung für Pflegefachkräfte in der Homecare-Versorgung einfließen. Die Anforderungen im Homecare-Bereich werden nicht weniger und nicht einfacher, zumal der medizinische Fortschritt unaufhaltsam ist und der Erwerb von Wissen kontinuierlich stattfindet – ganz nach dem Grundsatz des lebenslangen Lernens.
17.6
Literatur Bundesverband Medizintechnikindustrie (BVMed) (Hrsg.): Homecare. Infobroschüre. Eigenverlag, Berlin 2007. Deutscher Pflegerat e. V. (Hrsg.): Rahmenberufsordnung für professionell Pflegende. Deutscher Pflegerat e. V., Berlin. Verfügbar unter: http://www.deutscherpflegerat.de/balk.nsf/3F6CE4D95D84F8EDC12572B 9003A1EF2/$File/Rahmenberufsordnung.pdf. [Datum der letzten Einsichtnahme: 10. April 2008]. Eisenstaedt, R. S.; Barry, W. E.; Glanz, K.: Problem-based learning: Cognitive retention and cohort traits of randomly selected participants and decliners. Academic Medicine, 65 (1990) 9 (suppl.): 11–12. Nussbaumer, G.: E-Learning and Social Effects. Pflegepädagogik, 12 (2006): 680–684. Nussbaumer, G.; von Reibnitz, C: Problemorientiertes Lernen. Die Schwester/der Pfleger, 44 (2005) 10: 756– 759. Santer, N.: Reifeprüfung für Kantischüler (Maturanden). Tages-Anzeiger Zürich, 29. August 2004: 19. Schlegel, C.; Shaha, M: Pilotprojekt: Praxisnahes Unterrichten in der Pflegeausbildung mit Standardisierten Patienten – Ein Gewinn für alle! Pflegepädagogik, 3 (2007): 167–171. Schwarz-Govaers, R.: Problemorientiertes Lernen in der Pflegeausbildung. Pflegepädagogik, 2 (2002): 30–45.
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Homecare
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Rehabilitation braucht Homecare
Jörg Nielandt
18.1
Homecare und medizinische Rehabilitation Kraft ihres Auftrages und ihrer Tradition verkörpert die medizinische Rehabilitation in Deutschland mehr als jeder andere Bereich der Gesundheitssicherung einen ganzheitlichen, das Akutereignis oder die akute Behandlungsbedürftigkeit weit übergreifenden Therapieansatz, insbesondere für chronisch kranke oder behinderte Menschen. Dieser Ansatz umfasst die Anwendung komplex verzahnter Maßnahmen ärztlicher, pflegerischer, physiotherapeutischer, ergotherapeutischer, psychotherapeutischer, logopädischer und diätetischer Art. Derart organisiert sich medizinische Rehabilitation als eine synergetische Zusammenfassung einer Vielzahl von Professionen, die ihren sichtbaren Ausdruck im multidisziplinären Rehabilitationsteam findet. «Homecare» ist – bei aller Unbestimmtheit des Begriffs innerhalb des deutschen Sprachraumes – im Kern bezogen auf ärztlich verordnete, indikationsspezifische therapeutische Leistungen für meist langfristig zu versorgende, chronisch kranke Menschen. «Homecare» steht für deren Begleitung, Betreuung und (therapeutische) Versorgung – insbesondere beim Übergang vom stationären in den ambulanten Bereich und – nachsorgend – in der häuslichen Umgebung,
einem Pflegeheim oder anderen situativ geprägten Lebensmittelpunkten (Hagemeier/von Reibnitz, 2005; Bertram, 2005). Für das Bezugsfeld Rehabilitation mit der gemeinsamen Schnittmenge chronisch, in diesem Sinne unheilbar Kranker ist Homecare folglich bedeutsam vor allem beim Übergang von einer stationären Maßnahme in die akut-ambulante Anschlussversorgung sowie in der weitergehenden Nachsorge. Hier fungiert Homecare wesentlich als Bestandteil eines intersektoralen Überleitungsmanagements (§ 11 Absatz 4 SGB IX) sowie als längerfristige Nachsorge in häuslichen oder anderen (Lebens-) Bereichen, orientiert an den Anforderungen rehabilitativer Pflege. Dass sich Rehabilitation und Homecare aufeinander beziehen, zeigt auch die Begriffsgeschichte. Etymologisch gesehen leitet sich «Rehabilitation» vom mittellateinischen «rehabilitare» oder der «rehabilitatio» her – dem im damaligen rechtlichen Sprachgebrauch verwendeten Synomym für das Wort restitutio, die Wiedereinsetzung in innegehabtes Recht oder früheren Besitzstand. Aktivisch wird «Rehabilitation» ohne seine Vorsilbe re- (= wieder) als «Habilitation» mit habilis (befähigt, passend, tauglich, geschickt, handhabbar) und habilitare (geschickt machen) in Verbindung gebracht, «wohl etymologisch unzutreffend auch mit dem Verb habitare > wohnen, bewohnen, sich niederlassen, sesshaft werden» (Welti, 2005: 120). Doch ob dies unzutreffend
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Homecare
ist oder nicht – schon über die Assoziation von habilitare und habitare hängen «Rehabilitation» und «Homecare» eng zusammen. 18.2
Medizinische Rehabilitation als Integrationsbeziehung Unser heutiges Verständnis von Rehabilitation entstand demnach – wie Welti es formuliert hat – «durch die Übertragung eines Rechtsbegriffs auf das Feld der Sozialpolitik» und ist dort «wieder zum Begriff des Sozialrechts, aber auch der Medizin, Pädagogik und Arbeitswissenschaft geworden» (Welti, 2005: 174). «Rehabilitation» ist in ihrer modernen Worttradition kein Alltagsbegriff, den das Recht im Nachhinein aufgegriffen hätte; vielmehr «hat die rechtliche Zielbestimmung» des Begriffes «prägende Wirkung für die genannten Lebensbereiche» entfaltet (Welti, 2005: 175). Darum wird «Rehabilitation» heute vorrangig als ein Begriff des Sozialrechts verstanden, implementiert erstmalig mit dem «Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation» von 1974, dem so genannten «Reha-Angleichungsgesetz», Vorläufer des seit 2001 geltenden Neunten Buches (IX) des Sozialgesetzbuchs (SGB), und seinem Titel «Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen». Der Sache nach erzeugt Rehabilitation Teilhabebefähigung, ist sie Einübung in Alltäglichkeit und steht sie deshalb als Oberbegriff für alle Maßnahmen zur (Wieder-) Eingliederung von Menschen mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen in Familie, Gesellschaft und Beruf. In diesem Sinne umfasst Rehabilitation medizinische Heilleistungen für RehabilitandInnen ebenso wie Leistungen zu ihrer beruflichen oder sozialen (Re-)Integration. Jede der drei Ausübungs-Formen – die medizinisch, beruflich oder sozial geförderte Teilhabeaktivierung – basiert, entsprechend ihrer jeweiligen Zweckbestimmung, auf speziellen Trägern und Einrichtungen, die über jeweils eigens institutionalisierte Infrastrukturen entsprechender Teilhabesicherung verfügen, sachlich begründet in der mit Rehabilitation stets verknüpften Be-
ziehung verschiedener gesellschaftlicher Felder aufeinander und untereinander: Gesundheitswesen, Arbeitsmarkt und Wirtschaft, Bildung, Soziales. Diese Felder verfügen über je eigene Reproduktionslogiken und im Einzelfall oft divergente, Rehabilitation und Teilhabe weit übergreifende Zweck- und Zielbestimmungen, und sie agieren mit so verschiedenen Institutionen wie Krankenhäusern und Fachkliniken, Betrieben, Schulen, Förderungswerken, Heimen und sozialen Diensten (Welti, 2005: 361). Deshalb sind, von der Sache her gesehen, bei der Rehabilitation Kooperation und Integration per definitionem einbegriffen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschloss 2001 die «International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF), deren deutsche Übersetzung als «Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit» betitelt ist. Sie liegt dem SGB IX zugrunde und beschreibt die Behinderung eines Menschen als die soziale Folge einer medizinischen Normabweichung aufgrund individueller und gesellschaftlicher Kontextfaktoren. Einstufungen von Gesundheit oder Behinderung erfolgen darin nicht eindimensional medizinisch, sondern mehrdimensional: als Beeinträchtigungen der Funktionen und Strukturen des menschlichen Organismus, der Aktivitäten einer Person und ihrer Teilnahme an Lebensbereichen und sozialer Umwelt. Was «Behinderung» ist, orientiert sich deshalb nicht mehr alleine an der Krankheitsfolge, sondern daran, in welcher Weise aufgrund konkreter Schädigungen die Teilhabe in einem bestimmten Lebensbereich beeinträchtigt ist. Im sozialmedizinischen Geschehen der Rehabilitation rückt Teilhabe gegenüber (zumeist unmöglicher) Heilung oder vollkommener Wiederherstellung der Gesundheit (restitutio ad integrum) in den Vordergrund: Das Rehabilitationsziel ist auch dann erreicht, wenn eine bestmögliche Wiederherstellung (restitutio ad optimum), eine Kompensation (Einsatz von Ersatzleistungen) oder Adaption (Anpassung der Umweltbedingungen an die Fähigkeitsstörung/Beeinträchtigung des Rehabilitanden) bewirkt wurde.
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18.3
Rehabilitation und Homecare als Teile vernetzter Gesundheitssicherung Infolgedessen stellt die medizinische Rehabilitation nicht einfach einen medizinischen Teilversorgungsbereich unter anderen dar. Vielmehr konstituiert sie innerhalb des Gesundheitswesens neben und gleichzeitig in Verbindung mit Prävention, Akutbehandlung und Pflege einen systematisch-methodisch spezialisierten Bereich mit dem Ziel, «1. Behinderungen, einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder 2. Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern, eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug von laufenden Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern» (§ 26 Absatz 1 Nr. 1 und 2 SGB IX). Sie ist, obgleich ein Bestandteil des Medizinsystems, nicht bloße Krankheitsbekämpfung mit einer primären Orientierung auf die Beseitigung von Gesundheitsschäden, sondern die (diagnostische und) therapeutische Minderung einer Behinderung unter funktionalen, biopsycho-sozialen Behandlungsaspekten, d. h. aus der Sicht des Leistungsvermögens eines ganzen Menschen in seinem Alltags- bzw. Berufsleben. Als eigenständige Erscheinungsform gesundheitlich determinierter Problemlagen bedeuten chronische, mit akutmedizinischen Mitteln nicht umfassend kurierbare Erkrankungen für viele Betroffene ein mehr oder minder langes «Leben mit der Rehabilitation». Für sie wird Rehabilitation zur – teilweise lebenslangen, jedenfalls periodisch wiederkehrenden – eigenständigen (Lebens-) Sequenz, mit oder ohne weitere erforderliche, kurative Maßnahmen. Chronische Erkrankungen, die einen immer stärkeren Anteil an den Gesundheitsstörungen und an den Ursachen von Erwerbsminderung oder Pflegebedürftigkeit ausmachen, verdeutlichen eindringlich die Notwendigkeit eines koordinierenden, integrativen Ziels der Krankheitsbekämpfung,
wie es die Rehabilitation mit ihrem auf Aktivitäten und Teilhabe abzielenden, ganzheitlichsozialmedizinischen Ansatz als Leitsystem verbürgen kann. Es bedarf einer «Rehabilisierung des Gesundheitswesens» (Heine, 2004: 462). Der medizinisch-technische Fortschritt, der Bevölkerungswandel (Alterung), die epidemiologische Zunahme chronisch-degenerativer Erkrankungen und die Ökonomisierung des Gesundheitswesens bedingen veränderte Versorgungsnotwendigkeiten. Sie bieten gute Gründe für eine zwischen den sektoralen Gliederungen des Gesundheitswesens (Prävention, Kuration, Rehabilitation und Pflege) verstärkte Vernetzung mit rehabilitativer Ausrichtung. Entsprechend schreibt § 27 SGB IX vor, dass die Ziele der medizinischen Rehabilitation in der gesamten ambulanten wie stationären Krankenbehandlung (§ 27 ff. SGB V) verbindlich zu berücksichtigen und der Vorrang der Prävention einerseits (§ 3 SGB IX), der Vorrang der Rehabilitation vor und in der Pflege andererseits (§ 5 SGB IX) ernstzunehmen sind – ob in der ärztlichen oder der para-medizinischen Berufsausübung. Das gilt auch für den mit «Homecare» angesprochenen, nachsorgenden Bereich. «Auch nach einer stationären Rehabilitationsmaßnahme ist das Rehabilitationsziel nicht erreicht. Nötig ist vielmehr eine umfassende Nachsorge, für die wiederum spezielle Kompetenz erforderlich ist und die mit einer weiteren Krankenbehandlung verknüpft sein muss. Daraus folgt, dass Rehabilitation eine Tätigkeits- oder Zielbeschreibung des gesamten Gesundheitssystems sein muss, die entweder neben – ggf. in Konkurrenz zu – den klassischen kurativen Zielvorstellungen der Medizin steht oder diese sogar mit umfasst.» (Welti, 2005: 144). Rücken auf diese Weise die Ziele der medizinischen Rehabilitation in den Orientierungsfokus sämtlicher Sektoren der Gesundheitssicherung, werden zielorientierte Kooperation und Koordination zwischen der medizinischen Rehabilitation als Kernkompetenz einerseits und allen weiteren Sektoren von Prävention, Akutbehandlung und Pflege andererseits unabdingbar. Welti
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Homecare
geht deshalb von einer Funktionserweiterung gegenüber der Krankenbehandlung als Kernfunktion des Gesundheitswesens durch Rehabilitation, Pflege und Prävention aus. «Während Krankenbehandlung im Kern nur dem Gesundheitswesen zuzurechnen ist, beinhalten Rehabilitation und Prävention auch Funktionen des Bildungswesens und der Arbeitswelt. Rehabilitation und Pflege, jedenfalls soweit sie in stationären Einrichtungen stattfinden, haben auch Funktionen der Wohnung und der Privatsphäre sicherzustellen, ja können sich mit dem familiären System überschneiden.» (Welti, 2006: 11).
18.4
Damit wird die Differenz zwischen Rehabilitation – als einer auf Besserung oder Wiederherstellung hin ausgerichteten Veranstaltung – und Pflege in Richtung einer rehabilitativen Pflege relativiert. Diese Pflege unterteilt sich in eine akute Behandlungspflege, die Krankenbehandlungen begleitet, und eine dauerhafte Grundpflege (den Hilfen bei Verrichtungen des alltäglichen Lebens) und ist als aktivierende Pflege an der Erzeugung von Teilhabebefähigung im Sinne des Rehabilitationsziels orientiert. In der Pflegepraxis wiederum muss das Spektrum dieser Pflegehandlungen noch einmal unterschieden werden, nämlich von dem einer rehabilitativen Pflege innerhalb und außerhalb der medizinischen Rehabilitation.
Homecare als Integrationsbeziehung
18.4.2
In diesem Beziehungsgeflecht ist Homecare platziert – über Verbindungslinien zwischen Pflege und Rehabilitation (18.4.1), über die Besonderheiten rehabilitativer Pflege (18.4.2) und spezifische Formen eines intersektoralen Case Managements (18.4.3). 18.4.1
Pflege und Rehabilitation Verbindungslinien zwischen Pflege und Rehabilitation bestehen zum einen darin, dass das Sozialgesetzbuch die medizinische Rehabilitation gegenüber der ambulanten und stationären Pflege als vorrangig definiert, um die Verhütung, Minderung oder Aufhebung von Pflegebedürftigkeit als besonders intensiver Form einer Behinderung so weit und so oft als möglich zu erreichen (Rehabilitation vor und in der Pflege). Zum anderen ist jede professionelle Betätigung im Rahmen der Leistungen der Pflegeversicherung zu aktivierender Pflege verpflichtet, um vorhandene Fähigkeiten der Pflegebedürftigen zu erhalten oder verlorengegangene Fähigkeiten zurückzugewinnen (§ 28 Absatz 4 Satz 1 SGB XI) und dadurch ein der Würde des Menschen entsprechendes, selbstständiges und selbstbestimmtes Leben soweit es geht zu ermöglichen (§ 2 Absatz 1 Satz 1 SGB XI).
Rehabilitative Pflege Die Rolle der Pflege in der Rehabilitation ist wesentlich durch die stationären Einrichtungen medizinischer Rehabilitation bestimmt, da die Erfordernisse der Rehabilitationsklinik bis heute das Hauptbetätigungsfeld von Pflegekräften in der medizinischen Rehabilitation definieren. Allgemein ist rehabilitationsspezifisches Pflegehandlungswissen bislang wenig expliziert, es findet eher am Rande der Pflegewissenschaft Beachtung und wird mehr implizit in praktischer Ausübung durch Pflegekräfte in den Rehabilitationskliniken gelebt. Auch wenn die Pflege in der Rehabilitation zunehmende Aufmerksamkeit erfährt, existieren bis heute lediglich vier Monografien zu diesem Thema (Hotze, 1997 und 2001; Müller, 2000; Hotze/Winter, 2000). Die Besonderheiten der Rehabilitationspflege gründen im traditionell nichtinvasiven, das Akutereignis ganzheitlich überformenden medizinischen Handeln der Rehabilitation selbst. Ausgerichtet auf die teilhabeorientierten Pflegeerfordernisse für eine (zumeist) akutmedizinisch versorgte oder chronisch erkrankte (ältere) Patientenklientel kommt der Pflege in der Rehabilitation eine sowohl therapeutische wie auch komplementäre Rolle zu. Sie agiert «zum einen pflegetherapeutisch (z. B. mit dem Einsatz von Kinästhetik), unterstützt und verstetigt zum ande-
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ren z. B. ergotherapeutisch geübte Handlungsabläufe komplementär im Rückbezug auf zu bewältigende Alltagssituationen und integriert damit therapeutische Strategien in den Alltag des Patienten» (Arbeitskreis Reha und Pflege, 2008: 2). Trotz etlicher Überschneidungen mit Tätigkeitsfeldern der Pflege im Akutversorgungsbereich weicht deshalb die Pflege innerhalb der medizinischen Rehabilitation qualitativ von der Akutpflege ab. In der Rehabilitation spielt die traditionelle Grund- und Behandlungspflege bettlägeriger Patienten eine untergeordnete Rolle, auch wenn der Zeitaufwand für körperorientierte kompensatorische oder teilkompensatorische Pflege wegen frühzeitigerer Verlegungen aus Akutkrankenhäusern in Rehabilitationseinrichtungen infolge der DRG-Finanzierung tendenziell zunimmt (vgl. DEGEMED/WIGG, 2007). Demgegenüber erhalten Beratung, Schulung und Motivationsvermittlung für ein angemessenes Krankheitsverständnis und leidensadäquate, eigenverantwortliche Lebensführung ein größeres Gewicht. Zum pflegerischen Handeln in der Rehabilitation gehören ferner eine stärkere Bindegliedfunktion des Pflegepersonals zwischen verschiedenen Therapiebereichen innerhalb des multidisziplinären Rehabilitationsteams sowie immer mehr die Übernahme nicht pflegetypischer Tätigkeiten (vgl. DEGEMED, 2007). Die Erklärung und sektorenübergreifende Verallgemeinerung rehabilitativer Pflege und rehabilitationsspezifischen Pflegehandlungswissens findet vermehrt öffentliche Aufmerksamkeit und wird in Ausbildungsgängen institutionalisiert, so z. B. in dem «Certified Rehabilitation Registered Nurse (CRRN®)» in den USA oder, daran angelehnt, in Deutschland erstmalig in einem Fort- und Weiterbildungsgang «Pflegeexpertin/ Pflegeexperte für integrative Rehabilitation». Gemeinsam von der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation (DEGEMED) mit der Deutschen Gesellschaft für Gesundheitsund Pflegewissenschaft (DGGP) als modulare Fortbildung konzipiert, ermöglicht diese Weiterbildung den im Rehabilitations-, Kranken-
haus- oder Pflegebereich tätigen Pflegekräften eine rehabilitationsspezifische Kompetenzerweiterung in institutionalisierter Form. Langfristig hätte sich rehabilitative Pflege als Gegenstand weiterer Forschungen und als fester Baustein pflegewissenschaftlicher Ausbildung zu etablieren. Einen Beitrag zur Professionalisierung und Profilierung rehabilitativer Pflege in der und angrenzend an die Rehabilitation leistet ebenfalls Homecare, verpflichtet und orientiert, wie im Folgenden noch deutlich werden wird, an den Anforderungen rehabilitativer Pflege. 18.4.3
Homecare Homecare, definitionsgemäß eine medizinisch verordnete, indikationsbezogene therapeutische Leistung für Patienten mit eher hausarztuntypischen komplexen Krankheitsbildern, kann als Fortsetzung einer im Krankenhaus oder in der Rehabilitationsklinik begonnenen Therapie innerhalb des häuslichen Umfeldes verstanden werden. Die Definition knüpft an die Leistungen von Akteuren des Hilfsmittelmarktes an, dem Grundgedanken verpflichtet, «die Abgabe von beratungsintensiven medizinischen Produkten und Hilfsmitteln mit der persönlichen Dienstleistung am Patienten in dessen häuslichen Bereich» zu verbinden (Bertram, 2005: 45). Zur häuslichen Versorgung des Patienten mit Produkten (Hilfsmittel, Verband- und Arzneimittel) sowie entsprechender Beratung und Betreuung tritt die Koordination der ambulanten Behandlung selbst hinzu. In diesem Aufgabenprofil bedeutet «Homecare» nicht, wie eine direkte begriffliche Übersetzung ins Deutsche als «häusliche Versorgung» es unspezifisch assoziiert, die Grund- und Behandlungspflege im häuslichen Umfeld. «Homecare» zeichnen vielmehr die über die Pflegedienstleistung oder Hilfsmittelversorgung hinausgehenden, zusätzlichen Dienstleistungen aus, wie z. B. die Planung und Durchführung der Entlassung eines Patienten aus dem Krankenhaus oder einer Rehabilitationsklinik, die Bündelung sächlicher Ansprüche, die Koordination von Leistungserbringern sowie die Klärung der Kosten-
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Homecare
übernahme und der Patientenversorgung einschließlich der Produkteinweisung und Therapiekontrolle. In diesem Sinne beinhaltet Homecare alle Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung von Patienten in ihrer häuslichen Umgebung, einschließlich der Beratung, Schulung und Versorgung, auch unter Einbeziehung der Angehörigen. So kann Homecare in der Funktion eines sektorenübergreifenden Schnittstellenmanagements als Übergangs- oder Fallmanagement zwischen stationärer und ambulanter Versorgung resp. Nachsorge verortet werden. Vor diesem Hintergrund schlossen der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) und die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation (DEGEMED) im Dezember 2006, noch vor dem Inkrafttreten der Gesundheitsreform 2007 mit deren verstärkter Betonung von Überleitungsmanagementverfahren, einen «Rahmenvertrag über die Etablierung eines strukturierten Überleitungsmanagements auf Basis eines Qualitätsmanagement-Systems». Die Vereinbarung verfolgt das Ziel, durch das Schaffen bundesweit einheitlicher Standards im Bereich des integrativen Schnittstellenmanagements zwischen medizinischer Rehabilitation und Homecare die Nachsorge für Patienten mit einem speziellen Bedarf an Hilfsmitteln oder Pflege zu optimieren. Der Rahmenvertrag definiert Qualitätsstandards zu folgenden Therapiefeldern der Homecare-Versorgung: ableitende Inkontinenzversorgung, Tracheostomie und Laryngektomie, Enterale Ernährung, Hilfsmittel gegen Dekubitus, Wundversorgung und Stomaversorgung. Der Vertrag wird durch die Einbeziehung der ambulanten Pflege mit entsprechenden Standards komplettiert. Die Zielgruppe der Homecare-Versorgung in diesem Sinne umfasst einen besonderen Personenkreis mit komplexem, post-stationärem ambulantem Versorgungsbedarf – z. B. Patienten mit einem Bedarf an ambulanten medizinischen und pflegerischen Überleitungsdiensten, an Grund- oder Behandlungspflege, an sozialen Unterstützungsdiensten, an Rückführung in ambulante pflegerische Dienstleistungen, Patienten, die sich eigenständig mit Heil- und Hilfsmitteln versorgen können oder solche, die
nichtprofessionell durch Angehörige zu Hause gepflegt werden. Hier wird der Bezug zur rehabilitativen Pflege ersichtlich, in dem Sinne, dass sich zwischen Rehabilitation und Homecare ein wechselseitiges Stützungs- und Kompetenzverhältnis konstituiert.
18.5
Fazit Die Ziele der Rehabilitation sind nicht nur bei rehabilitationsspezifischen, sondern bei allen medizinisch orientierten Leistungen zu berücksichtigen, wenn Behinderungen bestehen oder einzutreten drohen (§ 27 SGB IX). Darum ergänzt rehabilitative Homecare stationäre Rehabilitationsleistungen und führt sie, gleichsam in nahtloser Fortsetzung der Rehabilitationskette, bis in die Häuslichkeit des Patienten hinein – als eine komplementäre, postrehabilitative Stützung individueller Rehabilitationsziele. Homecare als eine Form der rehabilitativen Pflege zeichnet sich, wie die Pflege in der Rehabilitation, durch eine therapeutische und therapiekomplementäre Rolle aus, welche fall- und situationsadäquate Strategien in den Alltag der Patienten mit implementiert und integriert. Darin liegt die spezifische Distinktion von Homecare gegenüber häuslichen (Regel-) Pflegeleistungen. Vor diesem Hintergrund bleibt die Einsicht wesentlich, dass Versorgungs- und Fallmanagement inter- und multidisziplinäre Aufgaben sind. Orientiert am Reha-Leitbild des multiprofessionellen Teams ist es der Komplexität eines Versorgungs- und Fallmanagements sowie des Findens tragfähiger Lösungswege angemessen, dass ein breiter Konsens der zu beteiligenden Berufsgruppen und ihrer handlungsleitenden Wissenschaften herbeigeführt wird – ein Spektrum beteiligter Berufsgruppen aus den Handlungsfeldern Medizin, Psychologie, Pädagogik, Pflege und sozialer Arbeit, deren Diskurs sich der «Richtlinienkompetenz» des SGB IX unterwirft. «Koordination und Fallmanagement sind eine inter- und multidisziplinäre Aufgabe. Auch wenn diese Aufgabe von spezialisierten Managern an-
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18. Rehabilitation braucht Homecare
geleitet wird, sollte sie Gegenstand interdisziplinärer Leitlinien und Qualitätsstandards sein.» (Welti, 2008: 8)
18.6
Literatur Arbeitskreis der Leitenden Ärzte der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), Arbeitsgruppe Pflege (Koordiniert durch Dr. R. Doßmann, Klinik Taubertal, Bad Mergentheim): Pflege in der Rehabilitation. Papier der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 10. Januar 2003. Arbeitskreis «Reha und Pflege» in der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation (DEGEMED): Positionspapier «Pflege in der Rehabilitation». Beilage in DEGEMED-news, Nr. 25, Februar 2008. Bertram, N.: Potenzial für die Integrierte Versorgung. In: Hagemeier, O.; von Reibnitz, C: Homecare. Ein Versorgungskonzept der Zukunft. Economica, Heidelberg 2005: 39–57. Deutsche Gesellschaft für medizinische Rehabilitation (DEGEMED); Wolfsburger Institut für Gesundheitsforschung und Gesundheitsförderung (WIGG) (Hrsg.): Rehabilitation und Pflege. Ursachen und Konsequenzen veränderter Patientenstrukturen für die Pflege in der Rehabilitation. Veröffentlichung der Vorträge einer gemeinsamen Tagung am 10. November 2004 in Wolfsburg in Kooperation mit der Fachhochschule Braunschweig-Wolfenbüttel und der Deutschen BKK. DEGEMED, Berlin 2005. Deutsche Gesellschaft für medizinische Rehabilitation (DEGEMED) (Hrsg.): Die Rolle der Pflege in der Rehabilitation. Der pflegerische Beitrag zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Veröffentlichung der Vorträge einer Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation e. V. und des Wolfsburger Instituts für Gesundheitsforschung und Gesundheitsförderung e. V. am 9. November 2006 im Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf. DEGEMED, Berlin 2007.
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Weiterentwicklung der Homecare-Versorgung in Deutschland
Christine von Reibnitz
19.1
Einleitung Das deutsche Gesundheitswesen ist zum einen kennzeichnet durch die sektorale Trennung zwischen stationärer und ambulanter Behandlung; zum anderen existieren weitestgehend unkoordinierte Einzelsysteme, die Gesundheitsleistungen anbieten und sich bisher ohne Rücksicht auf die ganzheitlichen Bedürfnisse des Kunden/ Patienten entwickelt haben. Der medizinische und pflegerische Versorgungsbedarf wird generell bestimmt von demografischen und epidemiologischen Faktoren. Die Art und Reichweite des Bedarfs sind darüber hinaus abhängig von kulturellen, sozialen und ökonomischen Faktoren. Prognosen über das zukünftige Potenzial der Pflege- und Versorgungsbedürftigen basieren in der Regel auf dem im SGB XI festgelegten Pflegebedürftigkeitsbegriff der gesetzlichen Pflegeversicherung vor dem Hintergrund der Entwicklung von Morbidität und Lebenserwartung. Diese Schätzgrößen sind unter dem Vorbehalt von Änderungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen in der Pflegeversicherung, wie die Einstufung der Pflegebedürftigen in die Pflegestufen, zu betrachten. Der zukünftige steigende Bedarf an professioneller Pflege- und Homecare-Versorgung wird darüber hinaus auch durch die Entwicklung der Familienstrukturen, gerade durch den Rück-
gang der Pflege durch pflegende Angehörige, beeinflusst. Mit zunehmendem Lebensalter steigt nicht nur das Vorkommen chronischer Erkrankungen an, sondern das Krankheitsgeschehen wird durch das Phänomen der Multimorbidität geprägt. Rund jeder fünfte ältere Mensch über 60 Jahre litt 1998 laut Wohlfahrts-Survey an einer andauernden Krankheit oder Behinderung. Fast alle Erkrankten (89 %) jenseits des 65. Lebensjahres leiden an einer chronischen Erkrankung (vgl. Zank/Wilms/Baltes, 1997). Unter kostenspezifischen Gesichtspunkten zeigt sich, dass vor allem stationär erbrachte medizinische Leistungen besonders kostenintensiv sind. Allerdings sind die Ausgaben für Krankenhausbehandlungen stark altersabhängig: Über 90-jährige Krankenhauspatienten verursachen im Vergleich zu 65- bis 69-jährigen Patienten fast nur halb so hohe Krankenhauskosten (vgl. Brockmann, 2002). Die höhere Kontakthäufigkeit alter Menschen zum medizinischen Versorgungssystem führt aber zu überdurchschnittlich hohen Kosten im Heil-, Hilfs- und Arzneimittelverbrauch sowie für die ambulante ärztliche Behandlung. Die Höhe ambulanter Behandlungskosten wird weniger durch die Art der Erkrankung als vielmehr durch das Alter der Patienten bestimmt (vgl. Brenner et al., 2000). Diese Befunde zeigen, dass insbesondere alte Menschen das Versorgungssystem frequentieren und deshalb insgesamt hohe Kosten entstehen.
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Es stellt sich die Frage, inwieweit eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Homecare-Versorgung der Nachfrageänderung entgegenwirken kann. Profilbildung und spezialisierte Versorgung erfordern geeignete organisatorische Rahmenbedingungen und einen hohen Grad der Professionalisierung, gleichermaßen wie Kooperation, Arbeitsteilung und Spezialisierung der Versorgungsangebote. Für die Umsetzung von Homecare, die die Versorgung zwischen stationärer und ambulanter Behandlung integriert, ergeben sich aus dieser Zersplitterung eine Vielzahl von Problemen, die nachfolgend aufgezeigt werden. 19.2
Schnittstellenkoordination – eine notwendige Voraussetzung 19.2.1
Koordination der Kostenträger SGB V und SGB XI Homecare-Versorgung basiert auf einer Vielzahl von unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, die sich überwiegend auf die sächlichen Anspruchsgrundlagen der Versicherten gegenüber ihrer Krankenversicherung beziehen. Ein Anspruch des Versicherten auf Dienstleistungen wie regelmäßige Betreuung und Beratung, Koordination der Leistungserbringung, Entlassung aus dem Krankenhaus etc. sieht das SGB V nicht vor. Die komplexen Bedarfssituationen im Pflegeund Versorgungsbereich, die vor allem im Alter durch die Zunahme von Multimorbidität und chronischen Erkrankungen auftreten, verlangen nach einem differenzierten Versorgungssystem, in dem unterschiedliche Angebote und Strukturen zusammenwirken. Gemessen an diesem Ziel weisen die Versorgungsstrukturen in Deutschland Defizite auf. Trotz eines hohen Leistungsstandards in einzelnen Hilfebereichen hat die Infrastruktur der häuslichen Therapie (Homecare) und pflegerischen Versorgung einen erheblichen Nachholbedarf. Dies betrifft vor allem die folgenden Bereiche:
Kostenträger, Leistungserbringer und Berufsgruppen arbeiten nur unzureichend zusammen. Die Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung hat die Pflegekassen als einen weiteren Kostenträger in das System eingeführt. Abstimmungsprobleme und Fehlsteuerungen treten in erster Linie im ambulanten Bereich auf, ergeben sich aber auch an den Schnittstellen zwischen häuslicher Versorgung, Heimversorgung und Krankenhaus. Nunmehr müsste auch Homecare in das Versorgungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung und gesetzlichen Pflegeversicherung integriert werden. Die mangelnde Transparenz des Gesamtsystems (Versorgungsleistungen, Kostenträger und Leistungserbringer) verhindert, dass die Hilfebedürftigen und ihre Angehörigen mögliche Angebote auch tatsächlich in Anspruch nehmen. Mangels Beratung bleibt es Versicherten häufig selbst bei einem komplexen Versorgungsbedarf, der mit unterschiedlichen Leistungsanbietern gedeckt werden muss, überlassen, sich die notwendigen Leistungen selbst zu organisieren. Intransparenz und Komplexität des Angebots kann auch dazu führen, dass Versorgungsbedürftige und deren Angehörige auf Inanspruchnahme notwendiger Leistungen verzichten (Gefahr der Unterversorgung). Eine Vernetzung von Versorgungsangeboten scheitert häufig an den historisch gewachsenen leistungsrechtlichen und institutionellen Fragmentierungen sowie Schnittstellenproblemen. Dies betrifft insbesondere die institutionelle Trennung zwischen Gesundheitssektor und Pflegebereich, die eine ganzheitliche Versorgung und dafür unabdingbare Abstimmung zwischen Arzt, Homecare-Fachkraft, Pflegekraft, Krankenhaus und Altenheim erheblich erschwert. Es herrscht auch ein Mangel an individuellen Betreuungskonzepten für besondere Bedarfskonstellationen. Für die Bedürfnisse spezieller Gruppen wie Demenzkranke oder Schwerstpflegebedürftige sind Versorgungsstrukturen entweder nicht in ausreichendem Maße vorhanden, oder sie werden suboptimal eingesetzt. Ansätze zur Berücksichtigung finden sich in dem neuen
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19.Weiterentwicklung der Homecare-Versorgung in Deutschland
Pflege-Weiterentwicklungsgesetz, das am 1. Juli 2008 in Kraft getreten ist. Zukünftig wird die Umstellung der Krankenhausversorgung auf DRG-Basis die Versorgung der Patienten sowohl im häuslichen als auch im stationären Bereich weiter ausdifferenzieren. Pflegeeinrichtungen nach SGB XI werden durch die Reform des Krankenhausfinanzierungsgesetzes tangiert, was insbesondere dann bedeutsam ist, wenn – wie in der vollstationären und Kurzzeitpflege – ein erhöhter Bedarf an Leistungen der medizinischen Behandlungspflege entsteht. Die medizinische Behandlungspflege zählt zu den Vertragsleistungen der Pflegeinrichtung und ist mit den pauschalen Vergütungen abgegolten. Hier können für die Pflegeeinrichtungen erhebliche Finanzierungsprobleme entstehen. Diese Defizite lassen sich zu einem großen Teil auf eine fehlende Abstimmung bei der Einführung der DRGs mit der gesetzlichen Pflegeversicherung zurückführen. Durch die Einführung der Pflegeversicherung hat sich die Kompetenzverteilung im Bereich der Pflege und häuslichen Versorgung grundlegend verändert. Die Rechtslage vor der Einführung der Pflegeversicherung war wenig präzise, und die Verantwortung für die pflegerischen Dienste und Einrichtungen lag letztlich bei den Kommunen. Der § 8 SGB XI bezeichnet die pflegerische Versorgung der Bevölkerung nunmehr als eine «gesamtgesellschaftliche Aufgabe», die durch ein enges Zusammenwirken von Ländern, Kommunen, Pflegeeinrichtungen, Pflegekassen, Homecare-Versorgern und dem medizinischen Dienst der Krankenkassen erfüllt werden muss. Die ambulante Versorgungsstruktur im Pflegebereich und in der Homecare-Versorgung sind geprägt vom Vertragsarztrecht des SGB V auf der einen Seite und dem mit der Pflegeversicherung geschaffenen Zulassungs- und Vergütungsrecht auf der anderen Seite. Die Verordnungen über häusliche Krankenpflege erfolgen über den Arzt als Leistungen des SGB V, wohingegen ambulante Pflegedienste bei den Pflegekassen selbst Anträge auf Pflegeleistungen (SGB XI) für ihre Patienten stellen können. Während im
Rahmen des SGB V Ärzte und Krankenkassen Bedarfstatbestände (z. B. Hilfsmittelbedarf) definieren und Patientenkarrieren steuern, reguliert sich die Versorgung im Rahmen des SGB XI auf der Grundlage der vorhandenen Nachfrage und Zuordnung in die jeweiligen Pflegestufen. Die bisherigen Erfahrungen mit der Pflegeversicherung zeigen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Pflege- und Versorgungsbedürftigen von den durch die Pflegeversicherung eröffneten Wahlmöglichkeiten (Pflege durch ambulante Pflegedienste oder Laienpflege) überfordert ist und das Marktangebot nicht zu überschauen vermag. Homecare-Experten, die den Betroffenen auf dem Weg durch das Versorgungswesen und bei der Steuerung ihrer Versorgungssituation behilflich sind, können hier ein wichtiges Bindeglied darstellen. Die Umsetzung der in SGB V, SGB XI und BSHG (eingeschränkt) niedergelegten Prinzipien eines Vorrangs ambulanter vor stationärer Hilfe und rehabilitativer vor pflegerischer und häuslicher Versorgung hängt im hohen Maße davon ab, wie die Nachfrage mit den pluralen Angebotsstrukturen koordiniert wird. Nur auf diese Weise lassen sich Substitutionspotenziale, Kosteneinsparungen und Qualitätsverbesserungen, die im Verhältnis von ambulanter häuslicher und stationärer Versorgung bestehen, erkennen und in Versorgungskonzepte umsetzen. Homecare unterstützt die Koordination durch Übernahme ambulanter professioneller Leistungsangebote. Dies bedingt aber eine Integration der Finanzierung von Homecare-Leistungen in den Kontext der Pflege- und Krankenversicherung. 19.2.2
Einbindung von Homecare-Leistungen in die Sozialversicherung Die gesetzliche Krankenversicherung und die Soziale Pflegeversicherung sind institutionell getrennt und in sozialrechtlicher Hinsicht unterschiedlich ausgestaltet, aber fachlich eng miteinander verknüpft. Dies führt zu Abstimmungsund Schnittstellenproblemen in der Finanzierung und Leistungserbringung. In der gesetzlichen
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Pflegeversicherung sind je nach Pflegestufe feste Pauschalbeträge ausgewiesen, mit denen die Leistungen abgegolten sind. gibt einen Überblick über die Pauschalbeträge der gesetzlichen Pflegeversicherung.
Tabelle 19-1
gibt einen Ausblick auf die zukünftige Finanzierung durch die gesetzliche Pflegeversicherung. Tabelle 19-2
Der MDK (Medizinische Dienst der Krankenund Pflegekassen) ermittelt den Bedarf gemäß
der Zuordnung in eine Pflegestufe. Hingegen stellt im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung der Arzt den Bedarf an Leistungen fest, wobei die Kosten der Versorgung im Vorfeld nicht bekannt sind. Strukturell stehen das Sachleistungsprinzip und das offene, dem Bedarfsprinzip folgende Leistungsprogramm der gesetzlichen Krankenversicherung dem Zuschusscharakter und dem geschlossenen, am Budgetprinzip orientierten Leistungsprogramm der Sozialen Pflegeversicherung entgegen. Die unterschiedliche Ausgestal-
Tabelle 19-1: Pauschalbeiträge der gesetzlichen Pflegeversicherung. Pflegestufe I
Pflegestufe II
Pflegestufe III
Häusl. Pflege Pflegesachleistungen bis … Euro monatlich
384
921
1432
Pflegegeld Euro monatlich
205
410
665
Kurzzeitpflege Aufwendungen bis … Euro im Kalenderjahr
1432
1432
1432
384
921
1432
460
460
460
1023
1279
1432
Teilstationäre Tagesund Nachtpflege Aufwendungen bis … Euro monatlich Ergänzende Leistungen für Pflegebedürftige mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf Leistungsbetrag bis … Euro im Kalenderjahr Vollstationäre Pflege Aufwendungen bis … Euro monatlich pauschal Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen Aufwendungen in Höhe von
10 % des Heimentgeltes, höchstens 256 Euro monatlich
Hilfsmittel, die zum Verbrauch bestimmt sind Aufwendungen bis … Euro monatlich Technische Hilfsmittel
31 90 % der Kosten, unter Berücksichtigung von höchstens 25 Euro Eigenbeteiligung je Hilfsmittel
(Quelle: Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V. 2004, http://www.vdk.de/de6777)
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19.Weiterentwicklung der Homecare-Versorgung in Deutschland
Tabelle 19-2: Leistungen der Pflegeversicherung (seit Juli 2008) Sachleistungen Pflegestufe
bisher €
2008
2010
2012
Stufe I
384
420
440
450
Stufe II
921
980
1040
1100
Stufe III*
1432
1470
1510
1550
Pflegestufe
bisher €
2008
2010
2012
Stufe I
205
215
225
235
Stufe II
410
420
430
440
Stufe III
665
675
685
700
Pflegestufe
bisher €
2008
2010
2012
Stufe III
1432
1470
1510
1550
Stufe III Härtefall
1688
1750
1825
1918
Pflegegeld
Vollstationäre Versorgung
(Quelle: Eigene Darstellung nach BMGS 2008) * Die Stufe III für Härtefälle im ambulanten Bereich in Höhe von 1918 Euro monatlich bleibt unberührt.
tung der beiden Sozialleistungssysteme führt in ihrem praktischen Zusammenwirken zu Schnittstellenproblemen, die einer effizienten Versorgung im Wege stehen. Dies gilt insbesondere bei chronisch kranken und multimorbiden Menschen, die «simultane Versorgungsbedarfe» aufweisen, welche aus bislang getrennten Versorgungssegmenten gedeckt werden. Pauschalbeträge gewährleisten hier keine optimale Versorgung. Eine Schätzung des Bedarfs an Versorgungsleistungen auf Basis der Pflegestufen ist daher schwierig. Die heute starren Systemgrenzen und die differierenden Steuerungen zwischen SGB V und SGB XI sind derzeit nicht aufeinander abgestimmt. Unkoordiniertes Verhalten, unklare Finanzierung und nicht geregelte Rechte bzw. Pflichten führen zu schlechterer Qualität und vermeidbaren Kosten, insbesondere bei der Versorgung chronisch erkrankter Menschen. Zur
Optimierung von Strukturen und Pfaden, insbesondere in der Versorgung pflegebedürftiger chronisch Kranker, ist ein systemübergreifendes Arbeiten wichtig. Aufgrund der vorhandenen Abstimmungs- und Schnittstellenprobleme zwischen Kranken- und Pflegeversicherung, die von der Definition der jeweiligen Bedarfstatbestände bis zu Fragen der Finanzierungs- und Leistungserbringung reichen, erscheint eine Abstimmung oder sogar Integration von Homecare in SGB V wünschenswert. Die Vergütung der Homecare-Versorgung erfolgt derzeit ausschließlich über das Produkt (Hilfsmittel), mit der Erstattung/Zahlung der Kosten sind gleichzeitig die Kosten für notwendige Dienstleistungen (Hilfe bei der Entlassung aus dem Krankenhaus, Koordination der sonstigen beteiligten Leistungserbringer, Hausbesuche, Therapiekontrollen und Anleitung zur Selbsthilfe) abgegolten. Hierbei liegt die sächliche Leistungsvergütung der gesetzlichen Krankenversi-
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cherung zugrunde (s. Kap. 1). Das Patientenprofil benötigt aber über das Produkt hinaus therapiebegleitende, umfangreiche Dienstleistungen, die über eine ausschließliche Vergütung des Produktpreises nicht finanzierbar sind. Es sind Voraussetzungen für einen Finanzierungsmix, bestehend aus Leistungsanteilen des SGB V, des SGB XI und aus Selbstbeteiligungen im Rahmen der ambulanten Versorgung chronisch Kranker zu schaffen. So könnte für das Vergütungssystem des SGB XI (wie im BSHG) eine Leistungsvereinbarung zwischen Pflegeeinrichtung und Pflegekassen bzw. ihren Landesverbänden sowie Homecare-Unternehmen eingeführt werden, in der Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen für bestimmte Indikationen, wie beispielsweise Schmerztherapie, Wund- und Stomaversorgung sowie enterale Ernährungstherapie, beschrieben werden und damit eine Verknüpfung von qualitätshinterlegten Leistungen mit Entgelten erfolgt. Entgegen der von der Bundesregierung vertretenen Auffassung über die derzeit bestehende Homecare-Versorgung 7 wären eine Erweiterung des § 33 SGB V um einen Absatz (a), der den Anspruch auf Homecare-Versorgung niederlegt und eine Erweiterung des § 126 SGB V mit einem Absatz (a) «Zulassungsbedingungen für Homecare-Unternehmen» denkbar. Die Einbindung von Homecare-Leistungen in das SGB V gewährleistet damit den versorgungsrechtlichen Anspruch der Versicherten und die Übernahme der Kosten für diese Versorgungsleistungen. Voraussetzung sind hierfür aber allgemein verbindliche Qualitätsstandards und Regelungen zur Qualitätssicherung. Die Schnittstellen in einer sektorübergreifenden Versorgung zwischen Krankenhaus und vollstationärer Pflegeeinrichtung sind, gerade bei sinkenden Verweildauern auch pflegebedürftiger Patienten im Krankenhaus, durch systemübergreifende finanzielle Verrechnungsmöglichkeiten (vor allem besonderer medizinischer behandlungspflegerischer Bedarf) und systemübergreifende Qualitätssicherungsverpflichtungen auszugestalten.
19.2.3
Verbindliche Qualitätssicherung in der Homecare-Versorgung Qualitätssicherung erfolgt im Gesundheitswesen auf verschiedenen Ebenen. Die gesetzlichen Grundlagen finden sich hierzu im SGB V, z. B. § 128 und § 139 sowie im SGB XI, z. B. im Pflegequalitätssicherungsgesetz (PQSG). Zurzeit wird Qualitätssicherung in der häuslichen pflegerischen Versorgung und den Pflegereinrichtungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) kontrolliert, die aber für eine qualitätsorientierte Vergütung von Versorgungsleistungen nicht ausreichend ist. Trotz Prüfung sind folgende Perspektiven der Qualitätssicherung bislang noch nicht berücksichtigt. Anreize zur Qualitätssicherung Zur internen Qualitätssicherung auf der Anbieterseite (z. B. ambulante Pflegedienste und stationäre Pflegeinrichtungen) gibt es unterschiedliche Anreize. Zum einen sollten Anreize für die Anbieter entwickelt werden, über einrichtungsbezogen abgeschlossene Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen eigenverantwortlich qualitätsgesicherte Leistungen zu erbringen. Nötig sind Impulse, die auch einen Wettbewerb um Qualität ermöglichen. Dies erfordert geeignete Rahmenbedingungen für einen Qualitätswettbewerb. Qualifikationsanforderungen an die Ausbildung des Fachpersonals von Homecare-Unternehmen sowie eine Integration von Homecare-Versorgung als Lernmodul in die Pflegeausbildung bilden einen wichtigen Punkt in der Qualitätssicherung. Daneben könnten auch von den Anbietern der Versorgungsleistungen unabhängige Beratungsstellen (z. B. Verbraucherzentralen) die Versorgungsbedürftigen und Angehörigen über Angebote informieren. Ein weiterer sinnvoller Weg wäre, der Beurteilung von Qualität und der Qualitätskontrolle stärker als bislang die Zufriedenheit des Versorgungsbedürftigen zu Grunde zu legen. Da der Erfolg und die
7 http://www.bundestag.de/aktuell/hib/2004/2004_ 096/07.html
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19.Weiterentwicklung der Homecare-Versorgung in Deutschland
Qualität der Homecare-Versorgung entscheidend von der Akzeptanz und der subjektiven Gesundheitsaussicht des Versorgungsbedürftigen abhängen, sollte die Kundenbefragung als Instrument der internen Qualitätssicherung intensiv genutzt werden. Qualitätsstandards Das SGB XI und SGB V verpflichten auf verschiedene Weise die an der Versorgung Beteiligten zur Entwicklung und Kontrolle von Qualität. Diese Vorschriften stehen jedoch bislang weitgehend isoliert nebeneinander. Während es für die professionelle Pflege vielversprechende Ansatzpunkte gibt, Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung voranzutreiben, gestaltet sich dies im Bereich der Homecare-Versorgung wesentlich schwieriger. Es fehlen Qualitätsstandards für die häusliche Versorgung und die von Homecare erbrachten Dienstleistungen und Festlegungen einer Vorgehensweise zu ihrer Evaluation. Diese können auf Kostenträgerseite die Akzeptanz der Homecare-Leistungen erhöhen. Die Pflegeversicherung hat zur Entwicklung von Wettbewerbsstrukturen mit einem vielfältigen Angebot an Leistungen und Leistungsanbietern geführt. Dies darf aber keinesfalls zu einer Reduzierung der Qualität der Pflege führen, sondern sollte vielmehr eine qualitätsgesicherte Leistung garantieren. Hierzu bedarf es einer Klärung der Leistungen und Kriterien der Überprüfbarkeit dieser Leistungen ebenso wie einer Definition der Leistungen im Versorgungsprozess. Die Formulierung von entsprechenden, auf die Versorgungsart abgestimmten Qualitätsstandards ist hier hilfreich. Eine therapiebezogene Festlegung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität wird gegenwärtig diskutiert. Die Versorgung nach verbindlichen Qualitätsstandards kann am Beispiel der Dekubitustherapie aufgezeigt werden. Die Dekubitustherapie umfasst die Versorgung des Patienten mit Antidekubitus-Hilfsmitteln aber auch mit unterstützenden oder ergänzenden Ernährungstherapeutika, weiteren Hilfsmitteln und Wundversorgungsprodukten. Die jeweils
geltenden Qualitätsstandards sind in diesen Fällen zu beachten. In diesem Qualitätsstandard soll lediglich die Versorgung mit Anti-Dekubitus-Sitzkissen und Matratzensystemen sowie sonstigen technischen Hilfsmitteln zur Druckentlastung bzw. Druckverteilung berücksichtigt werden. Die Abrechnung erfolgt ausschließlich gemäß § 302 SGB V. Die Erstversorgung der Patienten kann häufig eine Notfallversorgung darstellen, wenn Patienten kurzfristig aus dem Krankenhaus entlassen werden. Dies ist beim Verwaltungsablauf und Abrechnungsverfahren zu berücksichtigen. Die Versorgung der Versicherten erfolgt gemäß der ärztlichen Verordnung, abweichende Versorgungen sind nur nach Rücksprache mit dem Arzt zulässig. Aufgrund der medizinischen und pflegerischen Anforderungen verpflichten sich die Leistungserbringer im Bundesverband Medizintechnologie e. V. (BVMed) zur Einhaltung der in Abbildung 19-1 auf S. 196 dargestellten Qualitätsstandards. Im Unterschied zu Qualitätsstandards, die auf Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität fokussieren, definieren Expertenstandards Hilfe- und Pflegeprobleme und differenzieren sie nach Bedarfslagen. Sie sollten von den an der Versorgung des Patienten beteiligten Berufsgruppen interdisziplinär im Team (z. B. Pflege, Medizin, Homecare-Experten, Sozialarbeit) erfolgen. Bislang sind die Ausformulierungen von Expertenstandards noch völlig unzureichend, da interdisziplinäre Teams nicht angemessen beteiligt sind. Um dem pflegerischen und medizinischen Versorgungsprozess in seiner Gesamtheit, also den individuellen Versorgungsproblemen und -schritten sowie den Versorgungszielen, zu entsprechen, sollten Expertenstandards nicht auf Fragen der Strukturqualität und auf professionelle Handlungsstandards im Sinne handwerklicher Vorgaben zielen. Vielmehr beziehen sie sich auf die Prozess- und vor allem auf die Ergebnisqualität. Dabei ist zu beachten, dass Ergebnisqualität sich nicht ausschließlich an der Qualität der Pflegeleistungen messen lässt, sondern aus der Kooperation und dem Zusammenwirken von professionell und informell erbrachten Hilfe- und Versorgungsleistungen resultiert. So können Standards für die Patientenüber-
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1. STRUKTURQUALITÄT 1.1 Institutionelle Standards Betriebliche Ausstattung Dokumentationssystem zur Rückverfolgbarkeit der gelieferten Hilfsmittel gem. MPG Lager/Notlager entsprechend den Herstellervorgaben (Bemusterungsmöglichkeit) Zertifizierung nach DIN ISO 9000 bzw. DIN ISO 9001 oder DIN EN ISO 9000/2000 ff. sowie DIN EN 13485 bzw. 13488 (Übergangsfrist von drei Jahren ab Vertragsabschluss) Nachweis eines Hygienemanagements gemäß RKI-Richtlinien im Rahmen der ISO 9000 1.2 Personelle Standards Für den Einsatz am Patienten verfügen die Unternehmen über Medizinproduktberater gemäß § 31 MPG mit zusätzlicher nachgewiesener Schulung und zweijähriger Berufserfahrung im o. g. Bereich oder darüber hinaus examinierte Krankenschwestern/-pfleger, Altenpfleger, Kinderkrankenschwester oder eine vergleichbare medizinische Ausbildung (z. B. GesundheitspflegerIn, ErgotherapeutIn) 1.3 Fort- und Weiterbildung 1.3.1 Herstellerspezifische Produktschulung gem. MPG, Nachweiserbringung und Auffrischung alle zwei Jahre epidemiologische Grundlagen Grundlagen Dekubitus Prävalenz und Inzidenz des Dekubitus 1.3.2 Pathophysiologische Grundlagen, Krankheitsbilder Aufbau der Haut Funktion der Haut Physiologie der Altershaut Druck-Schmerz-Mechanismus Pathophysiologie des Dekubitus Beschreibung des Krankheitsbildes 1.3.3 Assesmentinstrumente zur Dekubitusrisikoeinschätzung Forschungslage: allgemeine Anforderungen an den Einsatz von Skalen zur Einschätzung des Dekubitusrisikos Norton-/Braden-/Medley-/Waterlow-Skala 1.3.4 Allgemein anerkannter Stand der pflegerischen Erkenntnisse zur Dekubitusprophylaxe Mobilisation Bewegungsförderung/Lagerung Erhaltung und Förderung der Gewebetoleranz (z. B. Ernährung, Feuchtigkeit) 1.3.5 Allgemein anerkannter Stand der medizinisch-pflegerischen Erkenntnisse zur Dekubitustherapie Ziele der Dekubitusbehandlung allgemeine Behandlungsgrundsätze (z. B. phasengerechte Wundtherapie, Druckmanagement, Mobilisation, Schmerzmanagement) spezielle Behandlungsmethoden (Medikamentöse und lokale Behandlungen) spezielle Medizinprodukte (Vakuum-Versiegelung, Elektrostimulation) 1.3.6 Druckentlastende Hilfsmittel zur Prophylaxe und Therapie von Druckgeschwüren Sitzkissen Auflagen zur Teil- und Ganzkörperentlastung Matratzensysteme 1.3.7 Anforderungen an die Pflegedokumentation und die Umsetzung des Pflegeprozesses Was und warum muss dokumentiert werden? der Pflegeprozess Anforderungen an die Inhalte der Pflegedokumentation 1.3.8 Juristische Aspekte Sozialgesetzgebung SGB V Pflegeversicherungsgesetz SGB XI
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19.Weiterentwicklung der Homecare-Versorgung in Deutschland
Medizin-Produkte-Gesetz Hilfsmittel-Richtlinien Datenschutzgesetz 1.3.9 Standards Die Pflegestandards wurden in Zusammenarbeit mit Pflege-Forschungszentren erstellt. Sie umfassen: Expertenstandard «Dekubitusprophylaxe» (Osnabrücker Standard) Expertenstandard «Entlassungsmanagement» (Osnabrücker Standard) Expertenstandard «Schmerzmanagement in der Pflege» (Osnabrücker Standard) MDS Grundsatzstellungnahme Dekubitus Anleitung von Pflegepersonal (Krankenhaus, Altenheim, Pflegedienste, Sozialstationen) Bereits erstellte Standards der jeweiligen Pflegeeinrichtungen sind zu berücksichtigen.
2. PROZESSQUALITÄT 2.1 Institutionelle Standards Betriebliche Organisation der Leistungserstellungsprozesse Koordination der bedarfsgerechten Belieferung in Abstimmung mit den Ärzten unter Verwendung des Erhebungsbogens Prozessabwicklung – Dokumentation des Wundzustandes zwischen Antrag und Versorgung – in Absprache mit den Kostenträgern Personaleinsatz (Krankheits- und Urlaubsvertretung) vierstündige Erreichbarkeit über Servicetelefon mit Notfallservice vor Ort 2.2 Betreuung und Beratung frühzeitige Planung der Entlassung aus dem Krankenhaus (Kontaktaufnahme zu Angehörigen, Hausarzt, Sozialdienst und Alten-/Pflegeheimen) bedarfsgerechte Einweisung und Schulung der Anwender in Handhabung und Gebrauch der verwendeten Produkte Kontaktaufnahme mit den Patienten und deren versorgenden Angehörigen 48 Stunden nach der Erstversorgung (z. B. Anruf) weitere Besuche bei Bedarf
3. ERGEBNISQUALITÄT Dokumentation Personal personelle Fort- und Weiterbildung Arbeitsanweisung zur Versorgung von Patienten Patient Patientenakte Stammdaten, Diagnose/Anamnese gem. Erhebungsbogen Dekubitus-Prophylaxe oder Therapie Besuchsdokumentation med. Verlaufsdokumentation (u. a. Veränderungen der Wunde sowie des Allgemeinzustandes, Komplikationen, Unverträglichkeiten, Notfälle, Krankenhauseinweisungen) Patientenzufriedenheit Bestelldokumentation Evaluierung der dokumentierten Ergebnisqualität Herstellung von Versorgungskontinuität, ggf. Verbesserung der Versorgung durch Evaluierung der: Patientenzufriedenheit Wundheilungsraten Reklamationsraten Abbildung 19-1: Qualitätsstandards in der Dekubitusversorgung. (Quelle: Eigene Darstellung nach BVMed, 2007)
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leitung ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung auch in der Homecare-Versorgung darstellen (von Reibnitz, 2004). Die weitere Entwicklung und Implementierung von Expertenstandards bilden auch für die häusliche Therapie, z. B. Wundversorgung und Schmerztherapie, eine zukünftig wichtige Verhandlungsgrundlage für die angemessene Leistungsfinanzierung von Homecare. Dem Preiswettbewerb unter den Leistungserbringern müssen im Sinne einer optimalen und sachgerechten Patientenversorgung allgemeinverbindliche Qualitätsstandards gegenübergestellt werden. Diese existieren bislang nicht. Gleichzeitig muss ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Preis und Qualität gefunden werden, um eine Fortführung der Finanzierung von Homecare über die Produkterstattung hinaus zu gewährleisten. Partnerschaftliche Qualitätssicherung Zurzeit wird die Qualitätsdebatte noch weitgehend isoliert von einzelnen Berufsgruppen und Institutionen geführt. Qualität und ihre Sicherung sind aber nur durch eine Kooperation aller an der Versorgung Beteiligten zu erreichen. Als sinnvoll erweist sich in der ambulanten Versorgung eine Kooperationsförderung zwischen Hausärzten, Pflegediensten, Homecare und Angehörigen von weiteren Therapieberufen wie Physio- und Ergotherapeuten. Auf der Ebene der stationären Pflege ist die Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Krankenhäusern bzw. Pflegeheimen zu verbessern. Das Ergebnis der Kooperation ist eine aufeinander abgestimmte ärztliche Heilbehandlung und zielorientierte häusliche Versorgung durch Homecare und Pflege. Wenn es gelingt, Formen der kooperativen Qualitätssicherung zu entwickeln, umzusetzen und somit die Qualitätsdebatte zu vernetzen, könnte ein umfassendes qualitätsorientiertes Versorgungssystem entstehen, das dem Anspruch von pflegerischer und medizinischer Versorgung als gemeinschaftlicher Verantwortung gerecht würde. Das Ergebnis einer umfassenden Koordination und Kooperation bei der Qualitäts-
entwicklung und Qualitätssicherung könnte die Schaffung eines integrierten und umfassenden nationalen Qualitätssicherungssystems sein. Die unterschiedlichen Qualitätsanforderungen und -sicherungsansätze der Unternehmen, der Professionen, Kostenträger sowie des Verbraucherschutzes wären durch eine übergreifende, von einrichtungsträgerspezifischen Entwicklungen unabhängige, Institution verbunden.
19.3
Vernetzte Patientenversorgung Bereits mit der Gesundheitsreform 2000 hat sich der Gesetzgeber das Ziel «ambulant vor stationär» gesetzt. Dieses Ziel spricht grundsätzlich für eine Stärkung des Homecare-Marktes. Die «Integrierte Versorgung» (§ 140 a ff. SGB V) soll eine stärkere Vernetzung des ambulanten und stationären Sektors herbeiführen. Vorgesehen sind übergreifende Vertragskonzepte mit eigener Budgetverantwortung zwischen Krankenhäusern, niedergelassenen Ärzten und sonstigen Leistungserbringern. Aufgrund der noch sehr konträren Interessenslage sind integrierte Versorgungskonzepte auf der Grundlage des Paragrafen 140 a ff. SGB V bislang schwerpunktmäßig für einzelne Indikationen und in einzelnen Regionen ohne eine transsektorale Vernetzung im Sinne einer ganzheitlichen Patientenversorgung umgesetzt worden. Voraussetzung für eine Umsetzung des Leitgedankens «ambulant vor stationär» ist die Definition der qualitativen Anforderungen an Homecare-Leistungen und deren unterschiedliche Anbindungsformen z. B. an Pflege- oder Krankenkassen oder andere Leistungserbringer (Pflegedienste, Physiotherapeuten usw.), die an der häuslichen Versorgung beteiligt sind. Die Finanzierung einer ganzheitlichen Patientenversorgung, an der Homecare und Pflege beteiligt sind, sollte partnerschaftlich in SGB V und auch SGB XI harmonisiert werden.
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19.Weiterentwicklung der Homecare-Versorgung in Deutschland
Vernetzung sicherstellen Integrierte Versorgungsformen forcieren die Auslagerung behandlungsintensiver Versorgungen aus dem Krankenhaus. Hier spielen zukünftig interdisziplinäre Behandlungszentren eine wichtige Rolle. Gerade chronisch Erkrankte, wie z. B. Krebserkrankte, weisen einen erheblichen Bedarf an interdisziplinären Therapien auf, die mit einem hohen Koordinationsbedarf verbunden sind. Interdisziplinäre Behandlungszentren können hier folgende Vorteile bieten: effektive Gestaltung der Behandlungsschritte in interdisziplinärer Koordination Interdisziplinäre Abteilungsstrukturen ermöglichen ganzheitliche Behandlung des Patienten. Kosteneinsparungen durch den Wegfall von Doppeluntersuchungen Patientenmanagement in der prä- und poststationären Phase der Behandlung durch Koordination zwischen Klinik und ambulant behandelndem Arzt Integration von Homecare in die poststationäre Versorgung Umsetzung von interdisziplinären Versorgungspfaden usw. Der demografische Wandel und die Umstellung der Krankenhausfinanzierung auf ein fallpauschalenbasiertes Entgelt lässt die Anforderungen an die ambulante Versorgung der Patienten zukünftig steigen und stellt neue Herausforderungen an die häusliche Versorgung. Die Teilnahme an vernetzter ambulanter Versorgung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die Abstimmung von der Aufnahme des Patienten im Krankenhaus über die Therapie bis zur Entlassung (Beteiligung bei Entlassungsplanung, Übernahme des Patienten in die Betreuung von Homecare und Pflege, Fortführung der Medikation, Überwachung des weiteren Behandlungsfortschritts) ist künftig eine der wesentlichen Voraussetzungen für eine qualitativ hochwertige ambulante Versorgung. Bislang übernehmen hier Pflegedienste einen großen Teil der Versorgung, und Homecare-Unternehmen werden noch unzureichend integriert.
So bedarf es für die Zukunft einer stärkeren Verzahnung und Harmonisierung hinsichtlich der Ausbildungsinhalte für die Kranken- und Altenpflege und der Qualifikationsanforderungen an Homecare-Fachkräfte. Die fallbezogene Vergütung der Krankenhausleistung hat zur Folge, dass Leistungen, die nicht unmittelbar der stationären Versorgung zuzuordnen sind, künftig nicht mehr im Krankenhaus erbracht werden. Mit der zu erwartenden Verkürzung der Verweildauer ist ein Abbau von Fehlbelegungen verbunden, der zu einer effizienteren Auslastung der ambulanten Versorgungskapazitäten von Pflege und Homecare führt. Eine frühzeitige Entlassung entspricht in der Regel dem Wunsch der meisten Patienten. Eine entsprechend qualifizierte Nachversorgung kann in vielen Fällen durch Homecare-Anbieter sichergestellt werden (Wundversorgung, Medikamentengabe etc.). Homecare-Versorger müssen diesem Bedarf durch Qualifikation und entsprechende betreuerische Leistungsangebote gerecht werden. Spezialisierung auf Kernkompetenzen Krankenhäuser werden nach geeigneten Kooperationspartnern im ambulanten Bereich suchen, die eine qualitativ hochwertige poststationäre Patientenversorgung sicherstellen und damit die Wiedereinweisung des Patienten verhindern. Die Fokussierung der Krankenhäuser auf ihre Kernkompetenzen und bestimmte DRGs wird auch im Homecare-Bereich eine Spezialisierung zur ambulanten Nachbehandlung bestimmter Krankheitsbilder nach sich ziehen. HomecareUnternehmen erhalten so die Möglichkeit, sich bei der Versorgung chronisch Kranker auf dem Gesundheitsmarkt verbindlich zu integrieren. In den bisherigen Vorgaben zu Disease-Management-Programme (DMP) und zur integrierten Versorgung finden sich Leitlinien für die ärztliche Behandlung; wer letztlich aber den Patienten «managt», ist nicht konkret festgelegt. An diesem Punkt kann Homecare als Bindeglied für den Patienten zwischen Krankenhaus, Arzt und Kostenträger ansetzen. Mit der Einweisung des Patienten in die richtige Handhabung der Therapiegeräte, einer kontinuierlichen Therapie-
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begleitung und dessen Unterstützung, bei seiner chronischen Krankheit einen normalen Lebensablauf zu finden, leistet Homecare einen erheblichen Beitrag zur Compliance und senkt damit die Therapiekosten. Dies ist für die Sozialversicherungsträger ein wichtiger Aspekt, mit dem Homecare-Unternehmen sich einen Marktvorteil gegenüber Leistungserbringern ohne Dienstleistungsangebot (Versand- und Internethandel) sichern.
Daneben sind für eine Integration von Homecare in das System der ambulanten Versorgung die Schaffung von Qualitätskriterien in Verbindung mit entsprechenden Expertenstandards notwendig. Gerade im Hinblick auf die Schnittstellenprobleme im Übergang der Versorgung von stationär zu ambulant spielen anerkannte interdisziplinäre Standards zum Überleitungsmanagement eine wichtige Rolle. Die Akzeptanz bei den Kostenträgern wird damit gefördert.
Die Rationalisierung der Versorgungsstrukturen ist ohne systematisch angelegte Regelungen für eine häusliche Therapie durch Homecare nicht zu erreichen. Notwendig wären insbesondere die Ausweitung des Angebots an professionellem Homecare-Personal, spezialisierten Pflegekräften, die Kooperationen mit ambulanten und teilstationären Pflegeeinrichtungen sowie eine zielgenauere Ausrichtung des Homecare-Angebots und seiner Finanzierung. Wie viel stationäre Versorgung zukünftig notwendig sein wird, hängt entscheidend von der Qualität der ambulanten Versorgung ab. Vorausschauende Gesundheitspolitik verbindet die Rationalisierung der gesundheitlichen, pflegerischen und sozialen Dienstleistungen zum Aufbau von häuslichen Versorgungsnetzwerken.
Auch die verbindliche Definition von Ausbildungsanforderungen für das Homecare-Fachpersonal fördert die Weiterentwicklung von Homecare. Hier besteht noch erheblicher konzeptioneller Entwicklungsbedarf, wozu dieses Buch weiterführende Hinweise gibt. Die Aufhebung der strikten Trennung zwischen stationärem und ambulantem Sektor und die Forcierung übergreifender Versorgungsformen schaffen Angebotsstrukturen für Homecare-Unternehmen, denn sie spielen eine wichtige Rolle bei der Koordination der einzelnen Behandlungsbereiche. Homecare trägt maßgeblich zur Unterstützung des Patienten in der ambulanten Versorgung bei. Der Stellenwert der Homecare-Versorgung innerhalb des Gesundheitswesens, gerade in der vom Gesetzgeber geforderten integrierten Versorgung, wird aufgrund der bestehenden gesundheitspolitischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen kontinuierlich steigen.
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Fazit Die bisherigen gesetzlichen Grundlagen, insbesondere die Trennung von Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung, berücksichtigen die Homecare-Leistungen nur unzureichend, so dass eine gesetzliche Verankerung von Homecare im SGB V erforderlich ist. Die Anspruchsgrundlage des Versicherten muss differenziert werden zwischen reiner Produktabgabe einerseits und einer damit in Verbindung stehenden qualifizierten Beratung und Betreuung durch Homecare-Unternehmen andererseits. Die Zukunft der Homecare-Versorgung und die Weiterentwicklung der ambulanten Versorgungsstrukturen hängen daher im Wesentlichen von der Harmonisierung der Finanzierung ab.
19.5
Literatur Behrend, C.: Geriatrische Rehabilitation zwischen Kranken- und Pflegeversicherung. Möglichkeiten und Umsetzungsprobleme. In: Kondratowitz, H.-J. von; Schmidt, R. (Hrsg.): Sozialgerontologische Beiträge zur Neuorganisation und zu Perspektiven der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung im Alter. Transfer-Verlag, Regensburg 1999: 39–53. Brenner, G.; Koch, H.; Kerek-Bodden, H.; Heuer, J.: Was kostet welche Krankheit? Morbiditäts- und Kostenbelastung durch chronisch kranke Dauerpatienten in Arztpraxen. Der Allgemeinarzt, 16 (2000): 1204–1210. Brockmann, H.: Why is less money spent on health care for the elderly than for the rest of the population? Health care rationing in German hospitals. Social Science & Medicine, 55 (2002): 593–608.
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19.Weiterentwicklung der Homecare-Versorgung in Deutschland
Bundeskonferenz zur Qualitätssicherung im Gesundheits- und Pflegewesen e. V.: Berliner Memorandum Berlin, 14. Januar 2000. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Modellprogramm «Altenhilfestrukturen der Zukunft». BMFSFJ, Berlin 2000. BMG (2008). Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Pflegereform. Verfügbar unter: http://www.bmg. bund.de/cln_043/nn_1168248/SharedDocs/Downloads/ DE/Neu/Fragen-und-Antworten-zur-Pflegereform __Pdf,templateId=raw,property=publicationFile.pdf /Fragen-und-Antworten-zur-Pflegereform_Pdf.pdf. [Datum der letzten Einsichtnahme: 23. Juli 2008]. BVMed 2007 – Bundesverband Medizintechnologie e. V.: BVMed-/DEGEMED-Konferenz zum Überleitungsmanagement: Patienten besser auf den Übergang von der Rehaklinik in die ambulante Homecare-Versorgung vorbereiten. Berlin 2007. Verfügbar unter: http: //www.bvmed.de/presse/pressearchiv_2007/pressemit-
teilung/BVMed-DEGEMED-Konferenz_zum_Ueberleitungsmanagement_Patienten_besser_auf_Uebergang_ in_ambulante_Homecare-Versorgung_vorbereiten. html?search=medizinproduktehersteller. [Datum der letzten Einsichtnahme 13. Oktober 2008]. Schulz-Nieswandt, F.: Zum sozio-demographisch und sozialepidemiologisch notwendigen «Umbau» des bundesdeutschen Sozialstaates unter Beachtung internationaler Befunde. Ein Beitrag zur Debatte «Vom Transfersozialstaat zum Sozialstaat sozialer Dienste». In: Hauser, R. (Hrsg.): Reform des Sozialstaats II. Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Bd. 251/II. Dunker und Humblot, Berlin 1998: 53–80. von Reibnitz, C.: Koordinierte Überleitung unterstützt sektorübergreifendes Wundmanagement. Wundforum, 3 (2004): 5–7. Zank, S.; Wilms, H.-U.; Baltes M. M. (1997): Gesundheit und Alter. In: Schwarzer, R. (Hrsg.): Gesundheitspsychologie. Ein Lehrbuch. Hogrefe, Göttingen: 2.
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Autorenverzeichnis Herausgeberin
Dr. sc. agr. Christine von Reibnitz, MPH, studierte in Kiel und Bielefeld. Es folgte eine mehrjährige Berufstätigkeit im Bereich Marketing und Marktforschung im Gesundheitswesen sowie eine wissenschaftliche Assistenzstelle an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften an der Universität in Bielefeld. Seit mehreren Jahren ist die Autorin in verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens tätig, u. a. als Referentin Gesundheitspolitik in der Medizinprodukteindustrie sowie als Lehrbeauftragte an der Universität Witten/Herdecke. Zu ihren zahlreichen Publikationen gehören auch mehrere Bücher v. a. im Bereich Gesundheitsmanagement, Homecare, strategische Planung im Krankenhaus und Ausbildung von Gesundheitsberufen. Mitautoren Dr. Angelika Abt-Zegelin ist Pflegewissenschaftlerin. Als Krankenschwester, Lehrerin für Pflegeberufe engagierte sie sich nach langjähriger Tätigkeit in der Aus- und Weiterbildung berufspolitisch für die Pflege. Seit 1996 ist sie Curriculumsbeauftragte am Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Witten/Herdecke. Ihre Arbeitsschwerpunkte und zahlreichen Publikationen befassen sich mit Patientenedukation, Sprache und Pflege, Demenz, Entwicklung und Professionalisierung der Pflegeberufe.
Norbert Bertram ist als Krankenkassenfachwirt bei der HSC Beteiligungs-GmbH der Leiter des Krankenkassen-Managements. Von 1993 bis 2000 leitete er das Referat Gesundheitspolitik beim Bundesverband Medizintechnologie (BVMed). Dr. Thomas Ecker ist Gründungspartner von EPC HealthCare GmbH, Hamburg. Er ist ausgebildeter Betriebs- und Volkswirt mit dem Schwerpunkt Gesundheitsökonomie. Der Focus seiner Arbeit liegt derzeit in der Entwicklung evidenzbasierter, gesundheitsökonomischer und -politischer Strategien für Unternehmen im Gesundheitswesen. Uwe Enenkel ist diplomierter Pflegemanager, Case Manager (DGCC) und Fachkraft für Palliative Care. Er leitet eine Diakonie-Sozialstation in Lübeck und arbeitet nebenberuflich als Organisationsberater und Coach. Als Gründungsund Vorstandsmitglied von Horizonte (Verein zur Förderung ambulanter Palliativversorgung Lübeck) fördert er deren Vernetzung und Verbreitung. Dr. rer. nat. Katrin Grüber ist Leiterin des Institutes Mensch, Ethik und Wissenschaft. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Politikwissenschaft, Wissenschaftskritik und Forschungspolitik auf nationaler und europäischer Ebene. Zahlreiche Publikationen, auch zu Gentechnik, Technikfolgenabschätzung, Medizin, Ethik und Disability Studies, zählen zu ihrem Repertoire. Anette Harbord ist Diplom-Ökotrophologin (FH) und war an verschiedenen Aufgaben in der Marktforschung und in Forschungsprojekten beteiligt sowie als Umweltmanagementbeauftragte in einem Altenzentrum tätig. Zurzeit ist
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sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der Fachhochschule Osnabrück für den Studiengang Ökotrophologie. Dietmar Hegeholz ist Leiter des Bereichs Rehabilitation in der Medizinprodukteindustrie. Er erlernte den Beruf des Krankenpflegers und absolvierte ein Fernstudium zum Qualitätsmanager. Er ist seit mehreren Jahren international in der Aus- und Weiterbildung sowohl als Fachreferent wie -autor tätig. Andrea Hornstein absolvierte als dipl. Pflegefachfrau die Höhere Fachausbildung Spitex Pflege und Leitung. Seit 1999 ist sie Betriebsleiterin der Spitex St. Gallen-Ost. Sie ist als Dozentin und Ausbilderin tätig und Fachkommissionsmitglied Qualitätsentwicklung der Spitex im Kanton St. Gallen. Jana Künstner ist Juristin und war nach ihrem Referendariat an einem Landgericht ab 2003 als juristische Referentin der Fresenius Kabi für den Bereich Kassenmanagement/Gesundheitswesen sowie Vertragswesen zuständig. Seit 2006 ist sie Leiterin Referat Homecare beim Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) mit den Schwerpunkten Leistungsrecht (SGB V/SGB XI), Gesundheitspolitik, Marktperspektiven der HomecareTherapien und Telematik. Dr. P. H. Julia Lademann ist examinierte Pflegekraft, Diplom-Biologin, Diplom-Gesundheitswissenschaftlerin (Master of Public Health, MPH); seit 2001 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bremen, am Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP). Arbeitsschwerpunkte: Versorgungsforschung im Bereich der ambulanten Pflege und ambulanten Schwerstkrankenpflege (Hightech-Homecare), pflegende Angehörige als NutzerInnen und LeistungserbringerInnen im gesundheitlichen Versorgungssystem; Geschlecht und Gesundheit, geschlechterdifferenzierende Gesundheitsberichterstattung; qualitative Forschung in den Gesundheits- und Pflegewissenschaften. Dr. med. Elke Mohr ist Ärztin für Chirurgie und Sozialmedizin und war von 1995 bis 2005 zu-
ständig für den Aufbau und die Leitung der Abteilung Pflege beim MDK Hamburg. Seit 2006 ist sie international tätig als freiberufliche Referentin zum Thema Pflegeversicherung. Monika Müller-Hutter, MSc ist diplomierte Pflegefachfrau mit Führungsausbildung und einem Diplom in Qualitätsorganisation. Sie leitete während zwölf Jahren eine Spitex-Organisation in der Stadt St. Gallen. Weitere Tätigkeiten: Dozentin, Beraterin und Qualitätskommissionsmitglied Spitex-Verband Schweiz. Seit 2005 ist sie im Fachbereich Spitex-Entwicklung tätig. Jörg Nielandt ist Sozialwirt und Soziologe mit Arbeitsschwerpunkten Industrie- und Arbeitssoziologie, Sozialstaat, soziale Infrastruktur und öffentliche Versorgung. Er übt Beratungs- und Referententätigkeiten für Non-Profit-Organisationen aus und ist Koordinator im Sozialmanagement des Berliner Mobilitätshilfedienstes beim Sozialverband VdK Berlin-Brandenburg. Sei 2005 ist er Referent der Deutschen Gesellschaft für medizinische Rehabilitation und übt Lehrtätigkeiten an der FH für Wirtschaft in Berlin u. a. zu strategischem Management aus. Gerda Nussbaumer ist Master of Medical Education (MME) in Bern und arbeitet an verschiedenen Curricula von Gesundheitsberufen in der Schweiz und in Deutschland. Sie publiziert regelmäßig zum Thema Ausbildung und Lehrkonzepte, wobei sie als Dozentin in der Medizin- und Pflegedidaktik besonders die innovativen Ansätze des problembasierten Lernens und des E-Learnings unterstützt. Dr. med. Klaus-Jürgen Preuß ist Gründungspartner von EPC HealthCare GmbH, Hamburg. Als Arzt und Apothekerassistent war er international im Pharma- und Medizinproduktevertrieb tätig und ist ein Fachmann für Case-, Disease-, Homecare- und GesundheitsmanagementKonzepte. Er hat viele Fachartikel publiziert und Bücher zu den Themen Pharmamanagement, Managed Care und anderen mit herausgegeben. Michael Schanz ist Jurist und Mitinhaber des gesundheitsrechtlichen G & S Verlages in Köln.
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Er ist Chefredakteur der Fachzeitschrift Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen und leitet das Veranstaltungsmanagement des Fortbildungsinstituts «PWG-Seminare». Sein Spezialgebiet ist das Arzt- und Pflegerecht. Er publiziert regelmäßig in diversen Fachzeitschriften und ist Mitautor von Lehrbüchern im Gesundheitswesen.
Sophie Freiin von Uslar-Gleichen ist Diplompflegewirtin und Krankenschwester. Seit 2006 hat sie die Pflegedienstleitung einer Sozialstation des Arbeiter-Samariter-Bundes (ABS) in Hamburg-Langenhorn inne.
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Sachwortverzeichnis A Ablauforganisation 78 Abweichungsanalyse 114 Adaptation 180 Advanced Nursing Practice 139 Advocating 73 Allround-Pflegedienst 164 Altenheim, virtuelles 141 Aminosäuremischungen 60 Angehörige 129 ff., 159 Anhängsel 131 Anschubfinanzierung 39 Applikationsformen 53 Applikationsgeschwindigkeit 51, 56 Applikationshilfen 64 Applikationstechnik 51, 54, 63 Arbeitsverhältnisse 12 Arzneimittelrichtlinie 20, 62 Arzneimittelversorgung 60 Arzt-Patienten-Angehörigen-Beziehungen 130 Arzt-Patienten-Verhältnis 120 f., 125 Aspiration 56 Assessment 32, 73, 76, 85 Aufnahmemanagement 83, 109
B Beatmung 20, 104 Bedarfsbestände 189, 191 Bedarfserhebung 73 Bedarfsprinzip 190 Bedarfsprüfung 72 Bedarfssituation 188 Bedürfnisse, patientenindividuelle 13 Behandlungsbedarf 16 Behandlungskorridor 111 Behandlungspfad 110 Behandlungspflege 12, 15 f., 66 f. Behandlungsprozess 122 Behandlungsvertrag 65 Beitragssätze 12 Berufsgruppen 188 Bewertung 73 Bewertungsmaßstab, Einheitlicher (EBM) 62, 65 f. Beziehungen, partnerschaftliche 120 f. Bildung 12 Blutzuckerschwankungen 63
BMGS siehe Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung Brokering 73 Brückenarzt 94 f. Brückenpflege 94 f. Budgetprinzip 190 Bundesausschuss, Gemeinsamer (GBA) 22, 61 f., 92 Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung (BMGS) 61 f. Bundesverband Medizintechnologie e. V. (BVMed) 19, 39 C Care 36 Care Manager 72 Caritasverband, Deutscher 159 Case Designer 177 Case Management (CM) 29 f., 32 ff., 54, 71 ff. 83 ff., 182 – Ansatz 34 –, datenbankgeschütztes 33 –, integrales 34 f. –, optimiertes 34 –, papierbasiertes 33 – Phasen 73 – Rollen 72 – Schwerstkranke 71 – Sterbende 71 – Ziele 72 Case Manager 83 ff., 86 f. – Aufgaben 85 Charta der Patientenrechte 122 ff. – Grundsätze 123 – Rechte hilfs- und pflegebedürftiger Menschen 124 f. Chat 172 Chronizität 100 Clinical Nurse Specialists 139 Clinical Pathway 16, 110 CM siehe Case Management Community Care 72 Community Nursing 139 Continuum of Care 32, 34 Cure 36 D Dauerpflegeversorgung 15 Dekubitusprophylaxe 20 Demenz 159, 163
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Dessert-Form 52 Diabetes mellitus 158, 162 f. Diagnosis Related Groups (DRGs) 29 f., 32, 34, 83, 109 f. – Basis 189 – Creep 31 Diäten, 52, 62 – Verordnung 51 f. Dienst, medizinischer (MDK) 66, 190, 192 Dienstleistung 11, 36, 40, 102 f., 142 f., 191 f. Dienstleistungsangebot 198 Dienstleistungsunternehmen 41 Disease-Management-Programme 13 Document Management 33 Dokumentation 42, 66 f., 87 Drehtür-Effekt 55, 86, 120 DRGs siehe Diagnosis Related Groups E EBM siehe Bewertungsmaßstab, Einheitlicher Eigenwahrnehmung 132 Einschätzung 73 Einsichtsfähigkeit 126 Einweiser – Bindungsprogramm 34 – Profiling 34 Eiweiße 62 Eiweißhydrolysate 60 E-Learning 170 f. Elementardiäten 60 f. Entlassungsmanagement 42, 83, 109 Entlassungsverlauf 95 Entlassungszeitpunkt 14 Entwicklung, demographische 12, 16 Episodes-of-care-Ansatz 32 Erbrechen 56 Erfolgsfaktor 14 Ergebnisqualität 43, 195 Ernährung 47 ff., 67 – Applikationsform 49 – Aspekte, rechtliche 59 –, enterale 13, 48 ff., 56 ff. –, heimenterale 49, 56, 58 –, heimparenterale 49, 56, 58 –, künstliche 40, 47, 52, 59 ff. –, parenterale 13, 48 f., 53 ff., 56 ff. Ernährungsdokumentation 68 Ernährungsprotokoll 68 Ernährungspumpe 64 Ernährungssonde 51 Ernährungsteam 67 Ernährungstherapeutika 22 f., 27 Ernährungstherapie 19, 47 ff. –, ambulante 54 – Finanzierung 56 f. – Formen 48 – Komplikationen 56 – Rahmenbedingungen 55 – Ziele 51
Erstattungsfähigkeit 14 Evaluation 73, 78 Expertenstandards 193, 196 F Fachausbildung 139 Fachhandel 142 Fachkompetenz 171 Fachkraft 13 Fachpersonal 192 Fachschule, Höhere 169, 172 Fachwissen 161, 164 f. Fallebene 72 Fallkosten 31 Fallpauschalen 29, 34 Fallvergütung 30 Festbeträge 25 ff. Finanzierung 19 ff., 25 f. – des Gesundheitswesens 12 Fließgeschwindigkeit 63 Fortbildung 194 Funktionsausfall 21 G Gastrostomie, perkutane endoskopisch kontrollierte (PEG) 51, 59 f. Gatekeeper 138 GBA siehe Bundesausschuss, Gemeinsamer Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) 65 Genehmigungspflicht 14 Gesellschaft 126 Gesetz zur Modernisierung der Krankenversicherung (GMG) 38 Gesundheitsgüter 40 Gesundheitsleistungen 12 Gesundheitsreform 37 Gesundheitssicherung 181 GKV siehe Krankenversicherung, gesetzliche GMG siehe Gesetz zur Modernisierung der Krankenversicherung GOÄ siehe Gebührenordnung für Ärzte Grenzverweildauer (GVD) 34, 83 Grundlagen 11 ff. –, rechtliche 19 ff. Grundpflege 12, 15 f., 66 Grundversorgung –, ambulante 145 ff. – in der Schweiz 145 ff. – Spitex 145 ff. GVD siehe Grenzverweildauer H Halbmarkt 138 Handlungsfähigkeit 126 Hauptdiagnosegruppen (HDG) 88 Heimtherapie 14 Hightech Home Care (HTHC) 29, 35 f., 104 Hilfeplanung 72
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Sachwortverzeichnis
Hilfsmittel 14, 21, 25 ff., 57, 63 f., 102 f., 191 – Definition 21 Hilfsmittelbedarf 189 Hilfsmittelbranche 39 Hilfsmittelversorgung 15, 25 Hilfsmittelverzeichnis 25, 62, 64 f. – Produktgruppenliste 65 Höhergruppierung 31 Homecare – Aspekte, förderliche 160 – Aspekte, hemmende 160 – Definition 129 f. – Dienste 142 – Einflussfaktoren 158 – Fachpersonal 170 – Fachwissen 164 – Nürnberg 141 – Patientenversorgung, vernetzte 196 ff. – Schnittstellenkoordination 188 ff. – Spezialisierung 157 ff. – Unternehmen 41 – Vergütung 41 – Versorger 30 – Versorgung 13 – Weiterentwicklung 187 ff. Hörhilfen 25, 64 Hospizdienst 94 f. HTHC siehe Hightech Home Care I, J Implementation 73, 77 Implementierung 86 ff. InEK siehe Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus Information 13 Informationsaustausch 14 Infusionsbestecke 64 Infusionsgeschwindigkeit 54 Infusionspumpe 54, 64 Infusionstherapie 14, 19, 40 Inkontinenzversorgung 13, 19, 40 Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) 32 Intake 76 Integrationsbeziehung 180, 182 Integrationsverträge 38 f. Interdisziplinarität 168 f. International Classification of Diseases (ICDs) 32 Jejunostomie, perkutane endoskopische (PEJ) 59 K Kernkompetenzen 197 KHEntG siehe Krankenhausentgelt-Gesetz Kleingruppenunterricht 170 Klinikorientierung 143 Kompensation 180 Kompetenz 170 f. Kompetenzprofil 170
Komplexfallpauschale 41 Kompressionsstrümpfe 25 Kompressionstherapie 20 Konsumentenrolle 138 Kontinuität 105 Kontrolle 73 Kontrollfunktion 78 Kontrollmechanismen 68 Kooperationsvereinbarungen 77 Körperersatzstücke 64 Kosteneinsparung 31 Kostenerstattungsprinzip 24 Kostenerstattungssystem 31 Kostenrechnung 31 Kostensenkung 13 Kostenträger 188 Krankenbehandlung 19 Krankenbeobachtung 68 Krankenhaus 13, 30 Krankenhausbehandlung 119 Krankenhausentgelt-Gesetz (KHEntG) 34 Krankenhausverweildauer 119 Krankenkasse 23 f. Krankenpflege, häusliche 15, 19, 66 f. – Richtlinien 66 f. Krankenpflegegesetz 160 Krankenverlaufskurve 104 Krankenversicherung 11, 23 f. –, gesetzliche (GKV) 19, 25, 60 Krankenversicherungsrecht 19 Krankheit – Bedeutung 99 –, chronische 99 ff. – Homecare 104 – Unterstützungsangebote 101 – Verlauf 99 Krankheitsverlauskurve 101 Kunden 138 L Laryngektomie 14 Laryngektomietherapie 20 Lebenserwartung 12 Lebensführung 12 Lebensmittel, diätetische 51, 60 Lebensqualität 12 Lehrmethoden, interdisziplinäre 170 Leistungsanspruch 20, 61 Leistungsdreieck 23 Leistungserbringer 14 f., 24, 37, 93, 188 Leistungserstellungsprozesse 195 Leistungsvereinbarung 192 Leistungsvergütung 138 Lernen –, elektronisches 171 –, problemorientiertes (POL) 169, 176 Lernmethoden, interdisziplinäre 170 ff. Linking 77
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M Makronährstoffe 52 Managed Care 13 – Strukturen 38 Mangelernährung 48, 60 MCT siehe Triglyzeride, mittelkettige MDK siehe Dienst, medizinischer Medical-Branche 142 f. Medizinprodukte 20 Menschen –, chronisch kranke 121 –, pflegebedürftige 125 Methodenkompetenz 168, 174 Mikronährstoffe 52 Mikroschulungen 140 Mikrovisiten 15 Mitarbeiter-Akquisition 162 Mitwirkungsmöglichkeit 126 Mobilitätstherapie 20 Monitoring 73, 77 f. Multiple Sklerose 158, 163 f. N Nachsorgeangebot 83 Nährstoffformulierung 51 Nährsubstrate 51 Norton-Skala 86 Notrufsysteme 103 Nursing Case Management 72 Nutzerorientierung 121 O Obstipation 56 Ombudsleute 125 Organisationsebene 73 Outcome 32 Outreach 76 P Palliation 91 Palliative Care 97 Palliativmedizin 91 ff. – Begriffsbestimmung 91 – Homecare 94 – Richtlinien 92 Palliativversorgung 91 ff. – Ablauforganisation 79 – Begriffsbestimmung 91 –, spezialisierte ambulante 74, 76, 92 – Ziele 92 f. PAS siehe Pflegeabhängigkeitsskala Pathway 110 Patienten 23 f. –, multimorbide 11 –, mündige 126 Patienten-Akquisition 161 Patientenbeauftragte 125 Patientenbegleiter 84
Patientendokumentation 14 Patientenebene –, direkte 76 –, indirekte 80 Patientenedukation 139 f. Patientenmanagement 42 – Systeme 16 Patientenrechte 119, 122 ff. Patientensouveränität 119, 125 ff. Patientensteuerung 29 ff. Patientenüberleitung 83 ff. Patientenübernahme 15 Patientenversorgung 12 –, vernetzte 196 f. Patientenwahlrecht 24 Patientenzufriedenheit 78, 84, 126 Pauschalbeiträge 190 f. PBL siehe Problem Based Learning PEG siehe Gastrostomie, perkutane endoskopisch kontrollierte PEJ siehe Jejunostomie, perkutane endoskopische Pens 64 Peritonealdialyse 13 Pfadentwicklung 111 f. Pflege 12 –, ambulante 137 ff. –, ambulante häusliche 160 – in Deutschland 137 Pflegeabhängigkeitsskala (PAS) 85 f. Pflegeausbildung 16 Pflegebedürftigkeit 13, 85, 158 Pflegedienste –, ambulante 15, 157, 160 – Einflussfaktoren, betriebswirtschaftliche 160 – Größe 159 – Region 159 f. – Typ 159 Pflegeexperten 139 Pflegegesetz 160 Pflegehilfsmittel 57 Pflegekassen 57 Pflegeleistung 15, 189 Pflegepraxis, erweiterte 139 Pflegespezialisten, klinische 139 Pflegestufen 190 f. Pflegestützpunkte 138 Pflegeversicherung 11, 15, 137 f., 189 f. – Leistungen 191 Pflegeversicherungsrecht 19 Planning 73, 76 POL siehe Lernen, problemorientiertes Privatsphäre 182 Problem Based Learning (PBL) 169, 171 f., 174 ff. – Curriculum 170 – Fallbeispiel 175 – Merkmale 174 f. Problemanalyse 175 f. Problembearbeitung 175 f.
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Sachwortverzeichnis
Problemlösungskompetenz 172 Produkthandhabung 13 Produktversorgung 11 Professionalisierung 16 Prozessoptimierung 44 Prozessqualität 43, 195 Pumpenapplikation 51, 63 f. Q Qualifikationsanforderungen 192 Qualitätsanforderung 167 Qualitätskontrolle 192 Qualitätssicherung 78, 192 f. – Anreize 192 –, partnerschaftliche 196 Qualitätsstandards 193 ff. Qualitätswettbewerb 31, 192 R RAI siehe Resident Assessment Instrument Rationalisierung 198 Rationalisierungsdruck 36 Rechtsanspruch 63 Rechtsbeziehungen 23 Rehabilitation 179 ff. Rehabilitationspflege 182 Rehabilitationsziel 180 f. Resident Assessment Instrument (RAI) 85 Right-coding 30 f. Rolle der Angehörigen 129 ff. Rotes Kreuz, Deutsches 159 S Sachkompetenz 174 Sachleistungsprinzip 24, 190 Sauerstofflangzeittherapie 20 Sauerstofftherapie 40 Schluckstörungen 60 Schlucktraining 51 Schmerztherapie 14, 40 Schnittstelle 54, 110 Schnittstellenkoordination 188 ff. Schnittstellenmanagement 43 f., 87, 184 Schnittstellenprobleme 121, 191 Schwerkraftapplikation 51, 63 f. Schwerstkranke 71, 74 Sehhilfen 25, 64 Selbstbeteiligung 192 Selbsthilfe 13 Serviceleistungen 40, 42 Simulationspatient 173 Skillslab 171 ff. Skillstraining 170 Skillsunit 170 Softskills 168, 172 Sondenlage 50 f. Sondennahrung 50 f., 59 ff.
Sondensysteme 50 Sozialgesetzbuch 19 Sozialkompetenz 168, 174 Sozialrecht 60 Sozialversicherung 190 Spitex 145 ff. – Dienstleistungsprozesse 150 – Entwicklungsmöglichkeiten 152 – Fallbeispiel 150 ff. – Finanzierung 149 – Infrastruktur 149 – Leistungsangebote 149 f. – Leistungsauftrag 147 – Leistungsprozesse 149 f. – Netzwerke 153 f. – Organisation 145 f. – Organisationsmitglieder 148 – Organisationsprofil 147 – Organisationsstruktur 148 – Rechtsform 146 – Regionalisierung 153 f. – Umfeld 146 Spritzen 64 Spülsysteme 64 Standards 194 f. Standardsondennahrung 62 Standardtrinknahrung 62 State-of-the-art 139 Sterbende 71, 74 Stoffwechselerkrankungen 60 Stomaartikel 25 Stomaversorgung 13, 19, 40, 42 f. Strukturqualität 43, 194 Substrate 48 ff., 51 ff., 56, 58 Supportivtherapie 92 Systemebene 73 T Teilhabe 180 Teilmonitoring 77 Theorie-Praxis-Transfer 171 Therapie, onkologische 19 Therapieanpassung 14 Thrombosen 56 Tracheostomatherapie 20 Tracheostomie 14 Tracheostomieversorgung 40 Trainingseinheiten, praktische 170 Train-the-trainer-Programme 140 Transparenz 111, 188 Triglyzeride, mittelkettige 22 Trinknahrung 50, 59 Tropfgeschwindigkeit 63 U Überleitung 87 –, koordinierte 117 Überleitungsdienste 184
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Homecare
Überleitungsmanagement 34, 42, 54 f., 85, 87 ff., 109, 115 f., 184 – Ablauf 88 Überleitungspflege 94 Überleitungssysteme 57 Überwachung 72 f. Übungspatient 171 Ulcus cruris 115 Unterrichtsmethoden 170 ff. Unterstützungsdienste 184 Unterversorgung 188 Up-coding 30 f. V Verbandmittel 23, 27 Vergaberecht, europäisches 26 Vergütung 191 –, ärztliche 65 Vergütungssätze 27 Vergütungsstrukturen 16, 44 Verlaufskontrolle 68 Versorgung –, ambulante 120 –, besonders aufwändige 74, 93 –, enterale 60 –, häusliche 47 ff., 183 –, hauswirtschaftliche 15, 66 –, integrierte 13, 37 ff., 43, 104, 196 – mit Ernährungstherapeutika 22 f. – mit Hilfsmitteln 20 – mit Verbandmitteln 23 –, poststationäre 14 –, qualitätsgesicherte 43 –, sektorübergreifende 140 f. –, technikintensive 103 Versorgungsangebote 188 Versorgungsanspruch 61 Versorgungsbedarf 85, 87, 184 Versorgungskontinuität 120 Versorgungsmanagement 121 Versorgungsmodelle, integrierte 40 – Leistungsinhalte 42 Versorgungspfade 109 ff. – Definition 110 – Implementierung 113
–, interdisziplinäre 16, 110 f., 115, 117 – Praxis 114 – Ziele 112 Versorgungsplan 77, 86, 115 Versorgungsplanung 73 Versorgungsprozess 14 Versorgungsqualität 63, 84, 122 Versorgungssituation 62 Versorgungsstrukturen 188 Versorgungsverträge 160 Vertragspartner 24, 39 Vertrauensperson 13 Verwaltungsaufgaben 14 Verweildauerproblem 35 Verweildauerreduktion 34 Verweildauerverkürzung 31 f. W Wahrnehmung 129 ff., 132 Web Based Learning (WBL) 172 Web Based Training (WBT) 172 Weiterbildung 170, 194 Weiterbildungskonzepte – Beispiele 168 –, interdisziplinäre 167 ff. – Lehrmethoden 170 – Lernmethoden 170 – PBL 174 Weiterversorgung 15 Wiedereinweisung 83 Wiederherstellung 180 Wirtschaftlichkeit 84 Wirtschaftlichkeitsgebot 61 Wirtschaftlichkeitsreserven 37 Wittener-Liste 140 Wohlfahrtsverband, Deutscher Paritätischer 159 Wunden, chronische 114 Wundversorgung 13, 20, 40 Z Zusammenarbeit 14 f. –, interdisziplinäre 680 Zusatzausbildung 158 Zusatzleistungen 30