Indigene Völker in Lateinamerika und Entwicklungszusammenarbeit
Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH
Eschborn 2004
Impressum Der Inhalt dieser Publikation gibt nicht unbedingt die Meinung der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) wieder. Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH Dag-Hammarskjöld-Weg 1-5 Postfach 5180 65726 Eschborn Verantwortlich: Dr. Edgar Köpsell Regionalgruppe Andenländer OE 2120 Koordinationsstelle Indigene Völker in Lateinamerika & der Karibik (KIVLAK) Tel: 06196 79 2362 Fax: 06196 7980 2362 E-mail:
[email protected] Internet: www.gtz.de/indigenas Autoren: Dr. Matthias Abram, Heidi Feldt, Klas Heising, Dr. Edgar Köpsell, Christoph Kohl, Dr. Karin Naase, Dr. Theodor Rathgeber, Sylvia Reinhardt, René Rodriguez Heredia, Dr. Lioba Rossbach de Olmos, Dr. Sabine Speiser, Silke Spohn, Dr. Juliana Ströbele-Gregor Redaktion: Heidi Feldt, Dr. Edgar Köpsell, Sylvia Reinhardt, Dr. Sabine Speiser, Silke Spohn Layout: Sylvia Reinhardt Fotos auf dem Umschlag: Dr. Anita Krainer, KfW-Archiv, Sylvia Reinhardt, Silke Spohn ISBN 3-925064-39-7 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titelsatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich. Druck: Kasparek-Verlag, Heidelberg
Oktober, 2004
Inhaltsverzeichnis Vorwort Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x
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Dr. Juliana Ströbele-Gregor
Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x
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Dr. Sabine Speiser
Indigene Völker und Staat x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x
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Heidi Feldt
Indigene Völker und Landrechte
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Dr. Theodor Rathgeber
Reiche Natur, natürliche Reichtümer und indigene Völker
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100
Dr. Lioba Rossbach de Olmos
Bodenschätze auf indigenem Land Heidi Feldt
Indigene Völker, Bildung und Kultur: Interkulturelle zweisprachige Erziehung
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118
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134
Dr. Matthias Abram
Indigene Völker und Gesundheit Klas Heising & Sylvia Reinhardt
Indigene Völker und Wirtschaftsentwicklung
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Pueblos indígenas y fondos de inversión social: Descuentros, herejías y otros éxitos x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x
159
Heidi Feldt, Silke Spohn & Dr. Karin Naase
René Rodriguez Heredia
Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen
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Dr. Sabine Speiser
Hinweise für die Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern in Lateinamerika x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x 189 Dr. Edgar Köpsell
Anhang Anhang 1: Überblick: Indigene Bevölkerung in den Staaten Lateinamerikas und der Karibik Dr. Sabine Speiser und Christoph Kohl
Anhang 2: Organisationen indigener Völker – eine Auswahl Christoph Kohl
Abkürzungsverzeichnis Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Vorwort
Der Anstoß für das vorliegende Buch – Indigene Völker in Lateinamerika und Entwicklungszusammenarbeit – ergab sich aus der Arbeit der “Koordinationsstelle Indigene Völker in Lateinamerika und der Karibik“ (KIVLAK), die in der Regionalgruppe Andenländer der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) beheimatet ist. KIVLAK vertritt das Thema Indigene Völker im interinstitutionellen und internationalen Dialog, koordiniert den Erfahrungsaustausch unter den Vorhaben der Technischen Zusammenarbeit mit indigenen Völkern und unterstützt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in der Thematik. Das BMZ hat bereits zu Beginn der von den Vereinten Nationen ausgerufenen indigenen Dekade (1994 – 2004) ein Konzept zur Zusammenarbeit mit indianischen Bevölkerungsgruppen erarbeitet, das für die GTZ und KFW Entwicklungsbank verbindlichen und für NROs orientierenden Charakter hat. Dieses Konzept ist die Richtschnur für die Zusammenarbeit mit indigenen Völkern und ihre adäquate Berücksichtigung in den Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit (EZ). Damit lag relativ früh ein Grundlagenpapier vor. Davon ausgehend beleuchtet der vorliegende Reader die indigene Thematik im Kontext der deutschen EZ aus verschiedenen Perspektiven. Die Beiträge der Autoren und Autorinnen und die in ihnen genannten Beispiele konzentrieren sich auf Erfahrungen in der deutschen Technischen Zusammenarbeit, greifen aber auch solche aus anderen Institutionen der internationalen Zusammenarbeit auf. Ein Beitrag der KFW Entwicklungsbank ergänzt die Palette um die Erfahrungen der Finanziellen Zusammenarbeit mit indigenen Völkern und den Sozialinvestitionsfonds. Das vorliegende Buch möchte Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der EZ und anderen Interessierten eine Einführung und einen Überblick zur Thematik geben. Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern eine spannende Lektüre und die Bereicherung, möglicherweise auch Veränderung ihrer Arbeit mit indigenen Völkern in Lateinamerika und der Karibik. Anregungen und Rückmeldungen aller Art sind erwünscht und KIVLAK wird sie in zukünftigen Veröffentlichungen, Rundbriefen und anderen Medien gerne aufgreifen. Abschließend möchten wir noch einmal darauf hinweisen, dass der Inhalt der einzelnen Kapitel die Meinung der Autorinnen und Autoren und nicht notwendigerweise die des Herausgebers widerspiegelt.
Dr. Sigrid Möller Leiterin Regionalgruppe Andenländer OE 2120 (GTZ)
Dr. Edgar Köpsell Koordinationsstelle Indigene Völker in Lateinamerika & der Karibik (KIVLAK) Regionalgruppe Andenländer OE 2120 (GTZ)
Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie
Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie DR. JULIANA STRÖBELE-GREGOR
“Es ist falsch, wenn wir vom “Problem der indigenen Völker in unseren Staaten“ sprechen, denn nicht die indigenen Völker sind das Problem, sondern das Problem sind die Mängel einer unvollständigen Demokratie.“ Führungsmitglied der CONAIE (Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador)
Seit den 1980er Jahren werden indigene Völker als politische Akteure in Lateinamerika deutlich sichtbar. In einigen Ländern wurden Reformen eingeleitet, mit denen ihr gesellschaftlicher Ausschluss überwunden werden sollte. Dennoch zeigt sich, dass sich wenig an den realen Lebensbedingungen verbessert hat, dass die Interessen, Rechtsansprüche und Belange indigener Bevölkerung in den Demokratisierungsprozessen, der Staatsmodernisierung und den Strategien zur Wirtschaftsentwicklung bisher noch kaum berücksichtigt werden. Doch indigene Völker fordern nicht nur ihre vollen Bürgerrechte, Verbesserung ihrer allgemeinen Lebenslage und Anerkennung ihrer Kulturen ein, sie machen darüber hinaus deutlich, dass ihre Kulturen Potenziale enthalten, deren Bedeutung für eine nachhaltigen Entwicklung zwar in (internationalen) Deklarationen anerkannt, aber in der Realität kaum berücksichtigt werden. Oft werden die Potenziale vielmehr zerstört. Um dem entgegenzuwirken ist die Entwicklungspolitik gefordert, im Rahmen der Förderung von Demokratie, wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung in Lateinamerika, die indigenen Völker als gesellschaftliche Akteure zu stärken und ihre Lebensbedingungen zu verbessern.
1. Diversität und Identität “Eine Geschichte der Zahlen“ nennt BARIÉ (2003:43-46) zu Recht die Vielfalt der demographischen Angaben über indigene Bevölkerung in Lateinamerika. Die Erhebungen und Schätzungen variieren nicht nur für jedes Land, sondern die erheblichen Zunahmen innerhalb eines Jahrzehntes (1990er Jahre)
verweisen auch auf die wesentlichen Ursachen der Schwankungen: erstens gibt es keine einheitlichen Standards bei den Erhebungen; zweitens verändern sich die Definitionen wer als indigen gilt. Drittens variieren auch die Selbstbezeichnungen, und dies ist stark davon abhängig, welche Stellung Staat und Gesellschaft Angehörigen eines indigenen Volkes zuweisen. Wo die nationalstaatliche Ideologie des “mestizischen“ Staates vorherrscht, wirkt der Assimilationsdruck, wo es jedoch Vorteile beinhaltet (z.B. Landrechte), sich als Angehöriger einer ethnischen Gruppe zu bezeichnen, lässt sich eine Steigerung der Anzahl jener feststellen, die sich zu ihrer indigenen Herkunft bekennen. Viertens gibt es politische Interessen seitens der dominanten “weißen“ und mestizischen Gesellschaftsgruppen, die Zahlen niedrig zu halten, denn damit lässt sich die These der homogenen, mestizischen Nation unter Beweis stellen. Wir werden darauf zurückkommen. Sicher sind sich die Demographen über allgemeine Tendenzen: Der Anteil der indigenen Bevölkerung nimmt erkennbar zu. Der Gesamtanteil an der amerikanischen Bevölkerung liegt zwischen 8-12%, das entspricht etwa 40 und 50 Mio. Personen. Es gibt über 400 ethnische Gruppen und Völker und 917 gesprochene indigene Sprachen in Lateinamerika (LASR, 2003:2)1, ein Zeichen der außerordentlichen kulturellen Vielfalt der indigenen Völker. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass nicht 1
BARIÉ (2003:45) kommt auf der Grundlage von nationalen Zensi auf 657 ethnolinguistische Gruppen.
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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie
zahlreiche kleine indigene Gemeinschaften, insbesondere in ökologisch sensiblen Regionen mit wertvollen Naturressourcen, vom Aussterben bedroht sind, weil ihre Lebensgrundlagen zerstört werden. Einigkeit herrscht bei den Demographen auch darüber, in welchen Ländern der prozentuale Anteil indigener Bevölkerung besonders hoch ist.2 Dies sind die Länder Bolivien, Guatemala, Peru und Ecuador. Die Bevölkerungszahlen variieren allerdings erheblich. In Bolivien beispielsweise liegt der Anteil der indigenen Bevölkerung nach offizieller Schätzung aus dem Jahre 1992 bei 81,2% bzw. laut Zensus liegt sie jedoch wesentlich niedriger bei 59,0%. Eine detaillierte Bevölkerungsstatistik aller lateinamerikanischen Länder befindet sich im Anhang des Bandes. Charakteristisch für diese Länder ist nicht nur eine starke Präsenz der indigenen Bevölkerung auf dem Land, wo die Mehrheit noch immer als Kleinbauern lebt, sondern auch in den Städten. In neun weiteren Ländern Lateinamerikas liegt der Anteil indigener Bevölkerung zwischen 5% und 20%: Belize, Honduras, Chile, El Salvador, Guayana, Panama, Surinam, Nicaragua und Mexiko. Ihre Präsenz konzentriert sich in einzelnen Regionen, in denen die indigene Bevölkerung die Mehrheit darstellt oder in rechtlich ausgewiesenen Territorien. Obgleich sie weit unter 20% der Gesamtbevölkerung ausmacht, ist die kulturell und ethnisch sehr vielfältige indigene Bevölkerung Mexikos die größte in einem Nationalstaat des Subkontinents: Die Zahlen bewegen sich hier zwischen 7,4% und 12,6% Anteil an der mexikanischen Bevölkerung. Im größten Land Lateinamerikas, in Brasilien, gibt es zwar 210 indigene Völker, doch stellen diese überwiegend in Amazonien lebenden Völker mit ca. 370 000 Personen nur 0,5% der brasilianischen Bevölkerung dar. Zugleich ist Brasilien mit 170 indigenen Sprachen das
2 BARIÉ 2003:45 auf der Grundlage von CELAD, 1999:361. Für die abweichenden offiziellen Schätzungen wird keine Erklärung gegeben. Zu vermuten ist, dass CELAD Daten auf den Stand von 1999 hochgerechnet und andere Quellen berücksichtigt hat.
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Land mit der größten Sprachenvielfalt. In Länder wie Brasilien, Venezuela und zum Teil auch Kolumbien, in denen die indigene Bevölkerung weniger als 5% der Gesamtbevölkerung ausmacht, handelt es sich zum einen um campesinos, zum anderen um Gruppen, die in kleinen Gemeinschaften als Jäger, Sammler und Waldbauern in ihren Lebensformen noch stark an ihren Lebensraum angepasst leben und die nur einen geringen, zum Teil auch gar keinen Kontakt zur Mehrheitsgesellschaft haben. Das Vordringen der nationalen Gesellschaft und die Durchsetzung von Wirtschaftsinteressen externer Akteure bedrohen ihre Lebensräume und damit ihre Existenz als indigene Gemeinschaften.
Wer ist ein indio? Die Bezeichnungen indio und indígena (deutsch: “Indianer“) entstammen der kolonialen Herrschaftsideologie und sind alles andere als eine präzise Bezeichnungen von Bevölkerungsgruppen oder Kulturen. “Indio“ ist ein politisches und soziales Konstrukt, das es den Eroberern ermöglichte, die unterworfenen Völker rechtlich und ideologisch zu einer Gruppe zu homogenisieren. Die Beziehungen der sozialen Gruppen in der Kolonie waren streng nach unterschiedlicher ethnischer Herkunft geregelt. Auf der einen Seite standen die Spanier, sonstige Europäer sowie ihre in Lateinamerika geborenen Nachkommen (criollos, “Kreolen“), auf der andern die indigene Bevölkerung und verschleppte schwarze Sklaven. Die förmliche Trennung in die “Republik der Spanier“ und “Republik der Indios“ war der begriffliche Ausdruck für die tiefe Spaltung, die die Kolonialgesellschaft von Beginn an kennzeichnete. In den nach der Unabhängigkeit Anfang des 19. Jahrhunderts neu gegründeten Republiken änderte sich im Kern wenig am realen Status der vormals als indios klassifizierten Landbevölkerung, auch wenn sie nun zu Bürgern erklärt wurden. Die europäischstämmigen Oligarchien, die im Besitz des Landes und der Bergwerke waren, begriffen sich als criollos, als rechtmäßige Bewohner und Besitzer des amerikanischen Kontinents und damit legiti-
Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie
miert, in den neu gegründeten Staatswesen die alleinige Macht beanspruchen zu können. Landraub und extreme Ausbeutung verschärften sich sowohl seitens des jeweiligen Staats als auch der herrschenden Oligarchien. Allerdings hatte sich am Vorabend der Unabhängigkeitskriege der Diskurs über den indio in einem Aspekt gewandelt: Es entstand eine neue Hinwendung zum “Eingeborenen“ und zur Vergangenheit des indio, die allerdings in einem engen Zusammenhang mit den politischen Interessen der criollos stand. Zur ideologischen Legitimierung der Ablösung von Spanien diente ihnen das Konstrukt des “ei-
genständigen amerikanischen Wesens“, das die indigenen Elemente der amerikanischen Kulturen betonte. Dies geschah allerdings mit Rückgriff auf die Glanzzeit der präkolumbinischen “Hochkulturen“ der Inka, Maya oder Azteken, nicht auf deren elend lebenden Nachkommen und nicht auf jene Völker, die nicht von den “Hochkulturen“ abstammten, etwa die Bewohner der Regenwälder, Savannen oder Wüsten. Sie galten den Herrschenden als “Wilde“, die es zu zivilisieren galt, in dem man sie als Sklaven ausbeutete, oder bei Widerstand bekämpfte und tötete.
Foto 1: Demonstration von Indigenen Schüler/innen in Cuzco (Peru) (S. Reinhardt)
Bei dieser Hinwendung zu den vorspanischen Kulturen ging es darum, eine historische Kontinuität von den Inka und Azteken zu den neuen Amerikanern herzustellen, in der Spanien als Usurpator erschien, was – an Europa gerichtet – die Unabhängigkeitskriege als Befreiungskämpfe legitimieren sollte. Sehr deutlich wird diese Argumentation gerade auch bei
dem Führer des Unabhängigkeitskampfes, Simón Bolívar.3 Trotz der Rezeption aufklärerischen und revolutionären Gedankenguts aus Europa ging es den um ihre politische Selbst3
BOLÍVAr, SIMÓN, 1815: Brief aus Jamaika an einen ungenannten Amerikaner vom 6. September 1815. In: KONETZKE, R., 1970, Dokument Nr. 54.
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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie
ständigkeit kämpfenden criollos keinesfalls um die politische Gleichstellung aller Bewohner des Kontinents. Vielmehr instrumentalisierten criollos und Mestizen die “indianische Vergangenheit“ ebenso wie die auf ihrer Seite kämpfenden indios für die eigenen Interessen. In den ersten Verfassungen, die nach der Unabhängigkeit entstanden, wurden zwar die Begriffe indio, mestizo etc. aufgehoben. Jedoch sehr bald erfanden die neuen Administrationen den neuen Terminus “indígena“ für jene ehemaligen indios, deren Integration in die Nationalgesellschaft zunächst nicht stattfand. Wie sich zeigte, waren sich die Machthaber, kleine kreolische Eliten, durchaus nicht einig in ihren politischen und wirtschaftlichen Ideen. Das schlug sich nicht nur in der Gründung konservativer und liberaler Parteien nieder, sondern auch in politischer Instabilität, Caudillismus d.h. der Herrschaft von Kriegsherrn und zahlreichen – auch innerstaatlichen – Kriegen in den neugegründeten Staaten, in die die indigene Bevölkerung zwangsweise einbezogen wurde. In den meisten Ländern unterlag die indio-Bevölkerung weiterhin einem gesonderten rechtlichen Status, der sie auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens benachteiligte. So galt in zahlreichen Staaten noch bis weit in das 20. Jahrhundert der Ausschluss vom Wahlrecht für Analphabeten, in Peru beispielsweise bis 1979, was bedeutete, dass fast die gesamten Aymara, Quechua und die amazonische Bevölkerung sich nicht politisch beteiligen durfte. Auf dem Land wiederum wurden kaum Schulen eingerichtet, vielfach unterdrückten Grundherrn und Kirche gewaltsam Bildungsinitiativen der indios (Beispiele für Peru siehe u.a. LÓPEZ, 1988; für Bolivien CARTER & MAMANI, 1982). Mit der Absicht, die rechtliche Benachteiligung, soziale Ausgrenzung und Ausbeutung in einem Staatswesen mit einer republikanischen Verfassungen zu legitimieren, wurde den indios mit rassistischen Argumenten
eine biologische und soziale Minderwertigkeit zugeschrieben.4 In der mexikanischen Revolution 1910/ 1911 entstand ein Gesellschaftsprojekt, das in den kommenden Jahrzehnten in zahlreichen weiteren lateinamerikanischen Ländern Fuß fassen sollte: das Projekt des mestizischen Nationalstaats. Mit diesem Konzept eng verbunden ist der integrationistische indigenismo, eine modernisierungstheoretische Vorstellung, der zufolge der Prozess der "nation-buildung" eine homogenisierende Wirkung in einem evolutionistischen Sinne haben werde. Es wird davon ausgegangen, dass ethnische Identität (welcher Definition auch immer) in einer modernen Gesellschaft eine Übergangssituation sei.5 Weiterbestehende ethnisch-kulturelle Ausdrucksformen werden als Traditionen hingenommen oder als Folklore gefördert (URBAN & SHERZER, 1991:11f), sofern sie nicht einer Integration in das Nationalstaatkonzept entgegenstehen. Seit dem ersten Interamerikanischen Indigenisten-Kongress 1940 im mexikanischen Pátzcuaro wurde die staatliche Politik in Mexiko gegenüber den indio-Gemeinschaften vom Konzept des integrationistischen indigenismo bestimmt. Von Mexiko aus verbreitete es sich auf dem gesamten Kontinent, wobei dem in Mexiko gegründeten Instituto Indigenista Interamericano eine besondere Rolle des politischen und wissenschaftlichen Austauschs und der Kooperation zufiel. Bei dieser indigenismo-Politik ging und geht es weiterhin nicht darum, die indigenen Kulturen als gleichwertig neben anderen Kulturen innerhalb der jeweiligen Staaten anzuerkennen. Ethnischer Pluralismus wird zwar von den Staaten als Faktum konstatiert, jedoch nicht als ein Gesellschaftsmodell der Zukunft angesehen (BONFIL, 1981:15). Der mexikanische Anthropologe BONFIL BATALLA stellt vielmehr fest, dass es seitens der Staaten, Kirchen und
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DEMELAS, 1981 belegt dies vorzüglich am Beispiel Bolivien. 5 In Lateinamerika gehört diese Position zum Mestizaje-Modell (siehe AGUIRRE BELTRÁN, 1956), eine Übersicht der mexikanischen Diskussion in MAIHOLD, 1986.
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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie
Parteien in Lateinamerika Bemühungen gab, eigenständige Organisierungsprozesse der indigenen Bevölkerung zu verhindern. Je nach politischer Situation geschah dies entweder durch Konfrontation oder durch Manipulation indigener Organisationen (BONFIL, 1981:13ff), etwa von z.B. Gemeindeorganisationen, Verbänden unabhängiger campesinos oder auch ethnisch-politischer Organisationen, wie sie im 20. Jahrhundert entstanden waren. Dass die Strategie der Assimilation oder Vereinnahmung von Organisationen vielfach nicht langfristig erfolgreich war – wie die Beispiele der Kuna in Panama (HOWE, 1991), der Shuar in Ecuador (HENDRICKS, 1991), der Mapuche in Chile u.a. zeigen – lässt sich als ein Beweis für die kulturelle Stärke dieser Völker bewerten. In ihrer Auseinandersetzung mit den Folgen des integrationistischen indigenismo entwickelten kritische Anthropologen in Mexiko (die wichtigsten Vertreter waren Bonfil Batalla, Stefano Varese und Arturo Warmann), ab Ende der 60er Jahre mit dem etnodesarrollo ein eigenes neo-indigenistisches Modernisierungskonzept, das schnell auch in den anderen lateinamerikanischen Ländern bei eher kritischen Intellektuellen Verbreitung fand: Dieses Konzept zielte auf Anerkennung der ethnischen Gruppen und ihrer Kulturen innerhalb der Nationalstaaten. Statt staatlich geplanter Entwicklungsstrategien für die indigenen Völker sollte der Staat selbstbestimmte Entwicklungsprozesse fördern und lokale Autonomie zulassen. In entsprechenden Entwicklungsprojekten der Vertreter des etnodesarrollo lagen die Schwerpunkte auf der Förderung der indigenen Sprachen und der zweisprachigen Schulbildung, des indigenen Wissens und traditioneller Gesundheitsversorgung. Bedeutungsvoll war, dass die Forderung, den “indianischen Stimmen Gehör zu verschaffen“ praktische Konsequenzen hatte. Auf nationaler und internationaler Ebene fanden Kongresse mit Repräsentanten von Organisationen statt, die sich selbst als “indigen“ bezeichneten und eigene Konzepte vertraten, die als indianismo zusammengefasst werden können. Im Unterschied zum Begriff indigenisimo, der sich histo-
risch aus dem Konzept des integrationsistischem indigensimo ableitet, drückt der Begriff indianismo eine eigenständige ideologische Konstruktionen der indigenen Völker aus, in denen ethnische bzw. kulturelle Aspekte vorrangig sind (siehe MORIN, 1982; BONFIL BATALLA, 1991). Ein geschichtlicher Meilenstein wurde der 2. Kongress von Barbados 1977. Die Dokumentation der politischen Positionen und Forderungen indigener Aktivisten (Sammlungen in BONFIL BATALLA, 1981; GRÜNBERG, 1982; MÜNZEL, 1980) sowie gesellschaftskritischer Schriften einzelner indianistischer Intellektueller, die teilweise bereits aus den 60er Jahren stammten (z.B. des bolivianischen Quechua FAUSTO REINAGA, 1969 und seines Sohnes RAMIRO REYNAGA, 1972 und des Maya POP CAAL, 1974)6, zeigen nicht nur, wie gesellschaftliche Zustände aus indianistischer Position wahrgenommen wurden. Sie vermitteln darüber hinaus einen Eindruck des politischen Denkens und der politischen Redeweisen, die sich als indigen verstehen. Dass derartige indigene politische Diskurse nicht “das ganz andere“ Denken und Sprechen sind, sondern sich sowohl in einer dialektischen Form auf die hegemonialen Ideologien beziehen, wie auch mit westlichen Begriffen und Konzepten arbeiten, ist nicht zuletzt Produkt des Bildungsweges dieser Intellektuellen innerhalb christlich-abendländischer Normen. Hinzu kommt die externe Einflussnahme (Anthropologen, Solidaritätsbewegung, politikerfahrene nordamerikanische indianische Organisationen etc.). In der Aktualität werden die Begriffe indio und indígena von Staat zu Staat und teilweise auch innerhalb eines Staates unterschiedlich verwendet, sie drücken aber eine weitgehend paternalistische Einstellung im Umgang mit der so bezeichneten Bevölkerung aus, die bisweilen nicht frei ist von rassistischen Zügen. Im Bewusstsein der als indio bezeichneten Akteure ist der pejorative Gehalt dieses Begriffes fest verankert. Doch während die einen, wie der indianistische Ideologe Ramiro Reynaga, die abwertende Kennzeichnung zum Kampfbegriff ummünzen (“Nos aplastaron con el 6
Sämtliche Dokumente in BONFIL BATALLA, 1981
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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie
nombre de indios y con ese nombre nos vamos a levantar“, so der Titel der Schrift von REYNAGA, 1990) und Parteien mit dem Zusatz “Partido Indio“ gründen, lehnen andere diese Bezeichnung strikt ab. Wenn sie sagen: “ya no somos indios“, verweisen sie damit auf die Geschichte ihrer grausamen Unterdrückung. Hier zeigen sich bereits Differenzen, die nicht nur ein Streit um Worte sind. Wenn sich heute in der internationale Gemeinschaft der Begriff “indigen“ durchgesetzt hat, dann ist dies der Versuch, eine “neutrale“ Bezeichnung für die einheimischen Völker Amerikas und auch der anderen Kontinente zu finden (siehe ILO-Konvention7). Der “verschwommene Begriff des Ethnischen“ (MÜNZEL, 1985:6f) wird zum Angelpunkt der Erklärungsansätze “indianischer“ Bewegungen und politischer Organisierung, die die kulturelle Identität in den Mittelpunkt ihrer Selbstdefinition und ihrer Diskurse stellen. Die nicht-europäisch-stämmigen Akteure haben zwar durchaus keine einheitliche politische Position und kein gemeinsames Selbstverständnis. Dennoch gewinnt das Konstrukt indígena, das soziale und kulturelle Gemeinsamkeit gegenüber europäisch-stämmigen und mestizischen Machtgruppen konstruiert, zunehmend an politischer Bedeutung. Im Alltagsleben fällt die Antwort auf die Frage nach dem Selbstverständnis und der Identität indigener Bevölkerung viel komplexer aus als in den ethnisch-politischen Diskursen. Zwar ist all denjenigen, die sich als indígenas oder originarios definieren gemeinsam, dass sie Gesellschaftsschichten angehören, die aufgrund der kolonialen und postkolonialen Geschichte von gesellschaftlicher Macht ausgeschlossen waren. Zu Recht aber verweist DEGREGORI (1993) mit Bezug auf das Konzept multipler Identitäten darauf, dass indígenaSein ein soziales Konstrukt ist, welches in der Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Bedingungen und in Interaktion mit anderen Identitäten konstruiert wird – mit der regionalen Identität, der Zugehörigkeit zu einer Klasse, 7
Das Dokument kann u.a. auf der Website www.gtz.de/indigenas/deutsch/internationaleinstrumente/ilo169.htm eingesehen werden.
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einer Generation, dem Geschlecht und als Bürger eines Landes – und diese Identitäten je nach gesellschaftlichem Kontext vom Individuum gewichtet werden. Die Konstruktion eines neuen politischen Subjektes, das sich pueblo indígena, pueblo originario oder nacionalidad nennt, entsteht also im Rahmen gesellschaftlicher Prozesse, in denen kolonial verwurzelte Strukturen der Ausgrenzung und Benachteiligung der indios – trotz demokratischer Staatsverfassungen – noch nicht überwunden sind. Die Diskrepanz zwischen dem nationalstaatlichen Integrationsversprechen und der von Rassismus geprägten Lebenswirklichkeit der ländlichen und städtischen Bevölkerung indigener Herkunft begründet eine Identitätssuche und den Erfolg des indianistischen Diskurses (vgl. STRÖBELE-GREGOR, 1992, 1997; DISKIN, 1992). Dass dabei der Begriff nacionalidad bei der nicht-indigenen Bevölkerung nicht selten Ängste vor separatistischen Bewegungen schürt bzw. einigen Politikern als Begründung der Ablehnung eines politischen Dialoges mit ethnisch-politischen Organisationen dient, zeigt das Spannungsverhältnis zwischen den gesellschaftlichen Gruppen. Die neuen ethnisch-politischen Diskurse und Definitionen finden auch Eingang in internationale Organisationen. MARTÍNEZ-COBO (1987) kam in seiner Studie im Auftrag der UN zu einer Definition, die zum internationalen Standard wurde: “Indigenous communities, peoples and nations are those which, having a historical continuity with pre-invasion and pre-colonial societies that developed on their territories, consider themselves distinct from other sectors of the societies now prevailing in those territories, or parts of them. They form at present non-dominant sectors of societies and are determined to preserve, develop and transmit to future generations their ancestral territories, and their ethnic identity, as the basis of their continued existence as peoples, in accordance with their own cultural patterns, social institutions and legal systems“ (MARTÍNEZ-COBO, 1987:379ff). Die 1989 von der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) vorgelegte Konvention 169 über
Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie
“eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Staaten“, die mittlerweile ein Meilenstein im Hinblick auf die Anerkennung neuer rechtlicher Schutzstandards bezüglicher dieser Völker und zum wichtigsten Mobilisierungsinstrument geworden ist (KUPPE, 2002:108), stellt zudem klar, dass der hier verwendete Terminus Volk nicht das Selbstbestimmungsrecht im Sinne des Völkerrechts meint.
chen Entwicklungen im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts in Lateinamerika zu sehr unterschiedlichen Ausformungen in deren Lebenswelten geführt. Damit verbieten sich Verallgemeinerungen. Das gilt für die Lebensstile in den Städten ebenso wie für die Lebensmuster in den unterschiedlichen ländlichen Regionen. Wenngleich die städtische indigene Bevölkerung stetig anwächst, lebt ein Großteil immer noch auf dem Land.8
Die ILO-Konvention 169 definiert folgende Grundrechte:
Die Wirtschafts- und Arbeitsformen, sozialen Strukturen und politischen Organisationen unterscheiden sich erheblich bei den jeweiligen Kulturen.9 Sie sind – außer bei Völkern in geografisch entlegenen Regionen, die viele ihrer traditionellen Lebensmuster bis in die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts erhalten haben – ein Amalgam aus kolonialzeitlichen, republikanischen und kulturell eigenständigen Strukturen. Wandlungsprozesse finden in einem zunehmend beschleunigten Tempo statt, betreffen viele Lebensbereiche und haben Einfluss auf die sozialen Beziehungen und Geschlechterrollen. Sie eröffnen den Zugang zu neuen Kenntnissen und Technologien, zugleich ist der Verlust an traditionellem Wissen und Praktiken beispielsweise in der Medizin, in der
Das Recht auf traditionelles Land und Territorien (siehe RATHGEBER in diesem Band)
Die Gewährleistung der örtlichen Kontrolle bzw. Mitbestimmung über die Nutzung natürlicher Ressourcen
Das Recht auf Selbstbestimmung im Sinne interner Selbstverwaltung
Das Recht auf Erhalt der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systeme indigener Völker
Schaffung allgemeiner Arbeitnehmerrechte Förderung lokaler Produktion Adäquate soziale Absicherung Zugang zu Schul- und Ausbildung - unter Berücksichtigung indigener Sprachen sowie zum Gesundheitswesen
2. Gesellschaftliche Lage – Gemeinsamkeiten und Unterschiede Die folgenden Abschnitte befassen sich mit der Wirtschafts- und Arbeitswelt, mit Glaubensvorstellungen, sozialen Strukturen und Organisationen sowie den wesentlichen Aspekten des gesellschaftspolitischen Kontextes, in denen indigene Völker Lateinamerikas leben. Auf diese Weise sollen Eckpfeiler der indigenen Lebenswelten knapp umrissen werden. In den weiteren Kapiteln des Bandes werden viele der hier angesprochenen Fragen vertieft, darüber hinaus auch weitere Themen in den Blick gerückt.
Allgemeine Merkmale Vor dem Hintergrund der großen kulturellen Diversität der jeweiligen indigenen Völker haben die Folgen der allgemeinen gesellschaftli-
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Verlässliche Daten liegen kaum vor. Erschwerend für einen Vergleich ist zudem die Uneinheitlichkeit in den Zensi, ab wann eine Lokalität als städtisch („urbano“) bezeichnet wird. 9 Der hier verwendete Begriff der Kultur basiert auf der Definition der Kulturanthropologie (HARRIS, 1989; VIVELO, 1988) und bezeichnet die Gesamtheit der „Lebensweise“ eines Volkes. Es ist die von den Mitgliedern einer bestimmten Gesellschaft sozial erlernte Weise des Denkens, Empfindens und Handeln, die Artefakte, Institutionen, Ideologien und ihrer Organisation sowie die gesamte Breite gebräuchlicher Verhaltensweisen, mit denen eine Gesellschaft für die Ausbeutung ihrer besonderen Umwelt ausgestattet ist. Die Kontinuität von Lebensformen erfolgt durch Enkulturation, d.h. durch teils bewusste, teils unbewusste Lernprozesse. Lernen beinhaltet auch Veränderung. Kulturen sind nicht statisch. Die Kulturanthropologie betont die Funktion der Kultur als Anpassungsmechanismus. In der Auseinandersetzung mit der natürlichen und sozialen Umwelt sowie durch Übernahme oder Übertragung von kulturellen Verhaltensweisen anderer Kulturen oder Gesellschaften vollziehen sich einfache Innovationen oder auch komplexe Wandlungsprozesse. Eine Gesellschaft wird in diesem Ansatz als eine Gruppe oder Population von Menschen bezeichnet, die entweder physisch oder durch ihre Kultur von anderen, ähnlichen Einheiten getrennt ist.
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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie
nachhaltigen Landwirtschaft und im Umgang mit der Natur unübersehbar. Armut und extreme Armut kennzeichnen die Lebenssituation der Mehrheit der indigenen Völker Lateinamerikas, wie internationale Studien z.B. der Weltbank (PSACHAROPOULOS & PATRINOS, 1994) und der Interamerikanischen Entwicklungsbank (DERUYTTERE, 1997) belegen. Das gilt für die städtische, aber mehr noch für die ländliche Bevölkerung. Als ein besonders aussagekräftiges Beispiel führt DEL ALAMO (2003:10) die Munizipien in Mexiko an. Das Armutsniveau ist in Munizipien mit erhöhter indigener Bevölkerung (über 80%) 4-mal so hoch wie in Munizipien mit geringem Anteil und der Anteil von extremer Armut liegt fast 20-mal höher. In Bolivien gelten 50% der Gesamtbevölkerung als arm, davon sind zwei Drittel indigene Völker. In Guatemala leben zwei Drittel der Gesamtbevölkerung unter der Armutsgrenze, davon sind über 90% Indigene (DEL ALAMO, 2003:11). Zu den Armen gehören insbesondere auch die Landlosen, die in Abhängigkeitsverhältnissen auf großen Landgütern (hacienda) leben oder Saisonarbeiter, die von einer Arbeitsstelle zur anderen ziehen müssen, um ihr Überleben zu fristen. Armut ist dabei nicht nur am Einkommen zu messen, sondern auch an weiteren Sozialdaten wie u.a. der Zugang zum Schulwesen, zur Gesundheitsversorgung, der Ausbildungsstand sowie gesellschaftliche Teilhabe an Entscheidungen über Ressourcenverteilung und -nutzung. Doch die jeweiligen nationalen Gesellschaften ziehen aus diesen Analysen bisher kaum ausreichende Konsequenzen, um die Situation grundlegend zu verändern. Rassismus – offen oder verdeckt – spielt dabei eine nicht unerhebliche Rolle. Denn die Marginalisierung und der Ausschluss der indigenen Bevölkerung, sind weiterhin im gesellschaftlichen Leben präsent. Das gilt auch für jene Staaten, die im Verlauf der 80er und 90er Jahre Rechtsreformen zugunsten der indigenen Bevölkerung verabschiedet haben. Im Prozess von Staatsmodernisierung und Dezentralisierung kam es in mehreren Ländern zwar zur Stärkung von Selbstverwaltungs-
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strukturen (siehe FELDT in diesem Band), jedoch zeigt der Aufstand in Bolivien im Oktober 2003, dass sich die indigene Bevölkerung noch weiterhin von den maßgeblichen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen fühlt.
Komplexe Wirtschaftsstrategien der ländlichen Bevölkerung Ein Großteil der indigenen Völker lebt von der kleinbäuerlichen Subsistenzwirtschaft, die je nach Region ganz unterschiedliche Formen und Ausprägungen hat und eine Markteinbindung auf niederem Niveau einschließt. Hinzu kommen Strategien, die auf vorspanischer Tradition beruhen: etwa bestimmte Formen der Kollektivarbeit, der Gegenseitigkeits- und Austauschbeziehungen sowie soziale Netzwerke, die auf Verwandtschafts- und Patenbeziehungen basieren. Die Kombination dieser beiden Produktionssphären ist ebenfalls ein Ausdruck für das kulturelle Amalgam: Eine “traditionelle“ nicht-kapitalistische Agrarproduktion auf der Grundlage von Familienwirtschaft samt Austausch von Gütern und Arbeitskraft innerhalb der Gemeinschaft wird verbunden mit Lohnarbeit innerhalb der Gemeinschaft, dem Verkauf von Produktionsüberschüssen oder mit der Produktion für den lokalen oder städtischen Markt. Dies erlaubt den Zugang zur Geldwirtschaft und zu anderen Produkten (siehe NAASE, FELDT & SPOHN in diesem Band). In einigen Ländern, in denen im Verlauf des 20. Jahrhunderts Landreformen durchgeführt wurden (Mexiko, Bolivien, Peru, z.T. Ecuador), erhielten indigene Bauern im Hochland zwar eigenes Land – sei es als individuelles Privateigentum, in Form von Kollektivbesitz oder kollektiver Nutzungsrechte – doch aufgrund des Bevölkerungswachstums bot dies bereits für die folgenden Generationen kaum mehr eine ausreichende Lebensgrundlage. Zudem ist der größte Teil des für die Landwirtschaft gut geeigneten Bodens zumeist im Besitz von wenigen Großgrundbesitzern – auch in Ländern, in denen Agrarreformen durchgeführt wurden.
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Foto: Partizipativer Taller in einer Mapuche Gemeinde in Chile (S. HESS-KALCHER, Proyecto GAR)
Zu den Ursachen, die die Armutssituation seit den 80er Jahren verschärft haben, gehören die Wirtschaftskrise der 80er Jahre, nationale und internationale Wirtschaftspolitiken sowie die Interessen einzelner Machtgruppen z.B. Großgrundbesitzer, internationale Großunternehmen, bisweilen auch das Militär (Guatemala). So unterschiedlich die geografischen und kulturellen Kontexte auch sind, etwa zwischen Kleinbauern-Gemeinschaften im Hochland, Küsten-Fischern und Waldbauern in Amazonien oder Zentralamerika, die negativen wirtschaftlichen Folgen des Raubbaus an natürlichen Ressourcen und die Auswirkungen neoliberaler Wirtschaftspolitik ähneln sich (ALTVATER, 1992). Denn das Zusammenwirken von Deregulierung, Privatisierung der Wirtschaft und staatlicher Kompetenzen, so zeigen zahlreiche Untersuchungen, belasten insbesondere arme Bevölkerungsgruppen (ALTVATER & MAHNKOPF, 2004), vor allem auch die indigenen Völker (zu neoliberaler Wirtschaftspolitik in Lateinamerika siehe u.a. DIRMOSER ET AL., 1993). So bedeutet beispielsweise der Vorrang weltmarktorientierer Produktion vor Nahrungssicherung im eigenen
Land (FELDT & KRÄMER, 1997; WINDFUHR, 1997) auch für viele Kleinbauern eine schlechtere Versorgung mit Grundnahrungsmitteln; und die großflächige Verseuchung von Böden und Gewässern als Folgen der Aluminiumproduktion, die internationale Unternehmen nach Brasilien ausgelagert haben, führen zu Gesundheitsschäden der Anwohner und Verlust von landwirtschaftlich bewirtschaftbaren Böden (MÜLLER-PLANTENBERG, 1992) (siehe auch ROSSBACH DE OLMOS in diesem Band). Das Wirtschaften von indigenen Kleinbauern muss notwendigerweise verschiedene einkommensschaffende Tätigkeiten kombinieren, um das Überleben zu sichern. Dazu gehört u.a. der Handel, das Handwerk, die Saisonarbeit in anderen Landesteilen oder Ländern etwa in der Kaffee- oder Zuckerrohrernte, im Bergbau und in – meist schlecht bezahlten – Aushilfsarbeiten. Von den, verglichen mit Industriegütern, niedrigen Preisen für ihre traditionellen landwirtschaftlichen Produkte können die campesinos ihre Familie immer weniger ernähren. Verschärft wurde die wirtschaftliche Situation der campesinos durch die Öffnung der nationalen Märkte, verbunden mit einer
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Senkung der Zollschranken u.a. für Importprodukte, eine Maßnahme der wirtschaftspolitischen Anpassung seit Mitte der 80er Jahre. Die niedrigen Einkommen aus der Landwirtschaft und die Schwäche des Arbeitsmarktes erfordern also eine kombinierte Wirtschaftsform, einschließlich der Aufrechterhaltung “traditioneller“ ökonomischer und sozialer Handlungsmuster. Im Kontext dieser widrigen ökonomischen Bedingungen werden auf lokaler Ebene durchaus auch Wirtschaftsstrategien erprobt, die nicht nur das knappe Überleben sichern sollen, sondern ein nachhaltiges Wirtschaften als Grundlage für eine eigenständige Entwicklung (RATHGEBER, 2002). Dabei werden überlieferte gemeinschaftliche Wirtschaftsformen und kulturell tradiertes landwirtschaftliches Wissen zur Nutzung der natürlichen Ressourcen wieder belebt und experimentell weiter entwickelt unter Einbeziehung von “neuem“ Wissen und Verfahren. Die neuen Strategien beinhalten u.a. eine Kombination von Nahrungssicherheit, wirtschaftliche Diversifizierung einschließlich kommerzieller Anbaukulturen z.B. im Bereich der Bioprodukte oder anderer Nischenprodukte für den externen Markt (siehe auch NAASE, FELDT & SPOHN in diesem Band). Oftmals stehen das Fehlen von Infrastruktur, der Mangel an Krediten und an technischer Aus- und Fortbildung u.s.w. dem Erfolg entgegen. Dann werden häufig andere Einkommensquellen gesucht. Das reicht von Ethnound Öko-Tourismus bis hin zur der illegalen Koka-Produktion. Eine weitere Strategie ist die Abwanderung in andere Regionen des Landes z.B. in Urwaldregionen (Kolonisationsmigration) oder in die Städte, in denen die Migranten das Heer der Arbeitssuchenden in den marginalen Stadtrandsiedlungen ständig vergrößern, aber auch dem informellen Sektor Auftrieb geben (siehe weiter unten sowie GOLTE & ADAMS, 1987; STEINHAUF, 1991). Neben der Charakterisierung als “Ärmste der Armen“ werden die indigenen Völker insbesondere im internationalen Diskurs (z.B. die “Resolution of 30 November 1998“ der EU) als Schützer der Natur bezeichnet, weil sie – und
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damit sind in Lateinamerika vor allem die Waldvölker Amazoniens und des mittelamerikanischen Biokorridors gemeint – in besonderer Weise in ihren Lebensformen mit der Natur verbunden sind. Daher ergibt sich, so der internationale Tenor, die Notwendigkeit ihres besonderen Schutzes und der Förderung ihrer Kulturen. Es ist höchste Zeit wirksame Schutzmaßnahmen zu ergreifen. In vielen Ländern raubt der Zugriff von Unternehmen und Händlern auf indigenes Gemeinschaftsland, auf traditionelles indigenes Wissen und marktattraktive Naturressourcen sowie verseuchte Gewässer, Wassermangel und Erosionen als Folge von Bergbau oder Großprojekten etc. den ansässigen Gemeinschaften ihre Lebensgrundlage (hierzu siehe die Artikel von FELDT, ROSSBACH DE OLMOS UND RATHGEBER in diesem Band. Auch wenn dem Einzelnen oder der indigenen Gemeinschaft mittlerweile der Weg der rechtlichen Klage offen steht – und auch immer häufiger beschritten wird – so bedeutet dies längst nicht, dass sie damit ihren Lebensraum unbeschadet erhalten können. Mit der Verknappung von bewirtschaftbarem Land und überlebensnotwendigen Ressourcen nehmen auch die Konflikte zwischen Nachbargemeinschaften und ethnischen Gruppen in erheblichem Maße zu. Kleinere und schwächere Gemeinschaften werden durch das Vordringen von Siedlern – seien es Mestizen oder indigene Migranten – von ihrem Territorium verdrängt. Landlose und jene, deren kleiner Landbesitz nicht zur Ernährung der Familie ausreicht, suchen Arbeit bei Großgrundbesitzern oder in Agrounternehmen. Berichten von Menschenrechtsorganisationen zufolge gibt es weiterhin landwirtschaftliche Großunternehmen, AgroIndustrien und Plantagen mit miserablen Arbeits- und Lebensbedingungen, Gewaltstrukturen, unzureichenden oder fehlenden Sozialleistungen und Unterschreitung der Mindestlöhne, beispielsweise in Zentralamerika (WOLPOLD-BOSIEN, 1999). Schuldknechtschaft und sklavereiähnliche Bedingungen entgehen den Augen der Öffentlichkeit, auch wenn es sich nicht um extrem abgelegene Regionen handelt. Unter solchen Bedingungen leben
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zahlreiche Guaraní in Ostbolivien (ALBÓ, 1990:202f). Wirtschaftliche Abhängigkeit und Ausbeutung kennzeichnete zumindest bis in die 80er Jahre die Situation der Maya in Chiapas (LEBOT, 1997:34f) und der Saisonarbeiter in der Agro-Industrie an der Pazifikküste in Guatemala. Nicht selten hat sie Verschuldung in Lohnknechtschaft getrieben, die sich auch auf ihre Kinder überträgt. In der wissenschaftlichen Diskussion ist es mittlerweile Mehrheitsmeinung, dass das Wohlergehen vieler indigener Gemeinschaften und die Respektierung ihrer Menschenrechte zu einem wesentlichen Teil davon abhängen, dass der permanente Besitz des Territoriums und dessen Selbstverwaltung garantiert sind (BARIÉ, 2002:556). Diese Hypothese über kulturelle Reproduktion geht von einer direkten Beziehung zwischen kollektiven Territorialrechten, Autonomie, Menschenrechten und nachhaltiger menschlicher Entwicklung aus (STAVENHAGEN, 2002:57). Zahlreiche Beispiele belegen dies insbesondere für Völker der Tieflandregionen, aber auch für Hirten und Ackerbauern. Die Landvertreibung bzw. -zerstörung bedeutet daher in vielen Fällen ein Menschenrechtsverbrechen. Allerdings gibt es auch Beispiele, wie Migranten eigenständige kulturelle Muster im städtischen Kontext oder in Kolonisationszonen erhalten, sie kreativ den neuen Bedingungen anpassen oder sogar besonders stark ihre kulturelle Identität betonen (siehe auch SPEISER in diesem Band).
Verschiedene kulturelle Wurzeln der indigenen Lebenswelten Die eigenständigen indigenen Kulturen der Gegenwart haben verschiedene Wurzeln. Wesentliche Elemente der vorspanischen Kulturen konnten sich in vielen Gemeinschaften erhalten. Es sind die ländlichen indigenen Gemeinschaften im ehemaligen unmittelbaren Einflussgebiet der spanischen Herrschaft, in denen die Amalgame zwischen vorspanischer und kolonialspanisch-mittelalterlicher Kultur noch am stärksten gegenwärtig sind. Aber auch hier finden ständige Prozesse der Integration neuer kultureller Elemente und der In-
teraktion statt. Die weitgehend autonomen Völker Amazoniens konnten noch am stärksten einen Großteil ihrer kulturellen Lebensformen und Glaubenswelt bis in die Gegenwart bewahren – sofern sie nicht in den letzten Jahrzehnten von protestantischen Evangelikalen missioniert wurden. Dies ist ein kultureller Zugriff, dem viele Küstenvölker der zentralamerikanischen Atlantikküste schon in den vergangenen Jahrhunderten ausgesetzt waren und der, wie bei den Misquito und Mayagna die eigene Lebenswelt sehr durchdrungen hat (ROSSBACH, 1987; VON OERTZEN, 1999). Autochthone religiöse Vorstellungen und Praktiken wurden während der Kolonialzeit verschleiert oder im Verborgenen praktiziert. Andere Elemente, wie beispielsweise die andine Rationalität der sozialen Organisation der Arbeit (GOLTE, 1980), in deren Rahmen Gemeinschaftsarbeiten und der Austausch von Arbeitskraft innerhalb der comunidad nach kulturell festgelegten Regeln organisiert wurden, wussten koloniale und postkoloniale Grundherrn zu ihrem Profit auszubeuten. Wurzeln geschlagen haben vor allem die Sozialstrukturen der Kolonialzeit, sie sind im Bewusstsein der indigenen Bevölkerung zu Ausdrucksformen der eigenen Kultur geworden: Bereits die als typisch indigen angesehene comunidad, die Dorfgemeinschaft, ist ein Amalgam aus vorkolonialen Strukturen, beispielsweise dem ayllu in den Anden, mit spanischen Organisationsstrukturen der Kolonialzeit. Gleiches gilt für die malerischen Trachten der Frauen und Männer in Mexiko, Guatemala oder den Andenländern. Die Jesuiten schufen in ihren Reduktionen10 eine eigene religiöse Tradition und Kultur und begründeten vielerorts neue ethnische Gemeinschaften, in dem sie Angehörige verschiedener Ethnien zu einer einzigen Gemeinschaft zwangshomogenisierten. Solche Neo-Ethnien sind beispielsweise 10
Es handelt sich um Dorfgründungen, in die ausschließlich Angehörige indigener Ethnien gebracht wurden. Ziel war die “Zivilisierung“ und “Christianisierung“ durch Erziehung zu einer christlichen Lebensführung und Arbeit in einer sich selbst tragenden Wirtschaftsgemeinschaft. Das bedeutete auch “Schutz“ der Ethnien vor dem direkten “Kontakt“ mit der kolonialspanischen Außenwelt (vgl. HAUSBERGER, 2000; KONNETZKE, 1970; PRIEN, 1985).
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die Chiquitano und Moxeño in Ostbolivien. In anderen Regionen gelang den Jesuiten der Bruch mit der Herkunftskultur weniger vollständig, jedoch sind auch bei den Guaraní (Paraguay) oder den einstigen Jäger- und Sammlervölkern Nordwest-Mexikos die Spuren der katholischen Missionierung nicht zu übersehen (HAUSBERGER, 2000). Zu den Bereichen, auf denen Amalgamisierungsprozesse zu folgenreichen interkulturellen Missverständnissen führen können, gehört die politische Kultur. Außenstehende haben oft Schwierigkeiten, die verschiedenen Strukturen der Repräsentanz bzw. den Umgang von Indigenen mit westlichen sozialen Organisationsformen zu begreifen: Für die akephal, d.h. ohne zentrale politische Instanzen und ohne Herrschaft organisierten Völker Amazoniens ist ein dirigente oder líder kein Repräsentant, der verbindlich für “seine“ Gruppe sprechen oder gar Verträge abschließen kann, an die sich alle gebunden fühlen. Auch in Verbänden, die äußerlich westlichen Strukturen entsprechen – etwa ein sindicato (Gewerkschaft), eine asociación (Vereinigung) oder confederación (Verband) – herrschen eigene kulturelle Normen (STRÖBELE-GREGOR, 1992) (siehe weiter unten sowie FELDT in diesem Band). Ein weiteres Amalgam verschiedener Kulturen ist das Geschlechterverhältnis und die Rolle der Frau, zumindest in den Regionen unter ehemals direktem kolonial-katholischem Einfluss. Zwar wurden die herrschenden konservativ-katholischen Rollenbilder, Moralvorstellungen und Praktiken in den indigenen Gesellschaften, selbst dort, wo der Missionierungsdruck, wie in den Jesuitenreduktionen, besonders groß war, nie vollständig übernommen. So genoss Jungfräulichkeit in vielen Gemeinschaften keine besondere gesellschaftliche Wertschätzung. Aber christliche Rollenbilder förderten asymmetrische Geschlechterbeziehungen und Überlegenheitsansprüche von Männern. Dass dieser Einfluss das Geschlechterverhältnis aber nicht überall einschneidend verändern konnte, zeigen Kulturen in Amazonien und die Kultur der Raramuri (Mexiko). Hier konnten die Frauen ihren sehr weitgehenden autonomen
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Status bewahren. Sie haben gleiche Landbesitzrechte wie die Männer, in der Ehe behalten sie ihren Individualbesitz, bestimmen die häusliche Wirtschaft maßgeblich mit und Eheauseinandersetzungen können in der Öffentlichkeit verhandelt werden. Ungleich ist ihr Zugang zu religiösen und politischen Ämtern – davon sind sie, mit Ausnahme auf dem Land, weitgehend ausgeschlossen (KUMMELS, 2001). Zaghaft beginnen sich die Geschlechterbeziehungen auch in jenen Kulturen, die sich durch starke Geschlechterasymmetrie auszeichnen, zu wandeln. Die Frauenrollen haben sich unter den Anforderungen des Überlebenskampfes innerhalb des gesamtgesellschaftlichen Strukturwandels und von Verarmungsprozessen bereits verändert: Wenn die Männer zu Zeitarbeiten die comunidad verlassen, sind indigene Frauen gezwungen, jene Arbeiten in der Landwirtschaft zu übernehmen, die in der traditionellen Arbeitsteilung den Männern zukamen. Indigene Frauen auf dem Land organisieren sich auf lokaler und lokalübergreifender Ebene, um Erfahrungen auszutauschen und ihre Interessen öffentlich zu machen. Der Anstoß dazu kommt zwar oftmals von außen, von NRO, Kirchen oder Entwicklungsprojekten, wird aber von den Frauen interessiert aufgegriffen. Männer sehen das nicht immer mit wohlwollenden Augen, auch wenn sich indigene Organisationen unter dem Einfluss internationaler Diskurse für die Gleichstellung der Geschlechter aussprechen. Indigene Frauen haben dennoch seit Mitte der 80er Jahre begonnen, sich in ethnisch-politischen oder Produzentenvereinigungen zu engagieren. Sie haben Frauenteilorganisationen in indigenen Verbänden aufgebaut, wie den Landfrauenverband Bartolina Sisa in Bolivien oder den Verband der indigenen Frauen Amazoniens in enger Kooperation mit COICA (Coordinadora de Organizaciones Indígenas de la Cuenca Amazónica). Wesentliche Repräsentanten der Verteidigung der Menschenrechte in Guatemala sind heute Frauen. Internationales Renomée erwarb sich Rigoberta Menchú, die Angehörige des Volkes der Maya-Quiché, die für ihren Einsatz für die Menschenrechte und Rechte der indigenen Völker 1992 den Friedensnobelpreis erhielt.
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Handeln im Rahmen religiöser Weltbilder Die sozialen Organisationsformen, die Ordnungssysteme, ethische Normen und Werte sind eingebunden in religiöse Glaubenssysteme und Weltbilder. Diese Glaubenssysteme sind so vielfältig, unterschiedlich und zahlreich wie die indigenen Kulturen, weshalb eine systematische Beschreibung kaum möglich ist. Einzelne Beispiele können das Gewicht indigener religiöser Leitsysteme im Alltagsleben aufzeigen. Die Religionen im amazonischen Tiefland und jener Völker, deren Wirtschaftsweise traditionell auf der Sammelwirtschaft und Jagd basierten, wie der Ayoreode (Paraguay, Bolivien) oder der Yaqui in Nord-Mexiko, wurden – allen Missionierungsversuchen zum Trotz – nur in Ausnahmefällen von christlichen Religionen überlagert. Die Präsenz und Unmittelbarkeit ihrer Religionen manifestiert sich in der Bedeutung von Mythen zur Erklärung und Orientierung im Alltagshandeln sowie in den Vorstellungen von Gesundheit, Krankheit und Heilungspraktiken, bei denen der Schamanismus eine hervorragende Bedeutung hat. Sie drückt sich aus in der Definition der Geschlechterrollen und -beziehungen, in der Vorstellung von der “beseelten“ natürlichen Umwelt und einer Einordnung des Menschen als deren Teil. Dieses Ordnungssystem kennt keine grundsätzliche Überlegenheit des Menschen gegenüber der natürlichen Umwelt und einen Willen zu ihrer Beherrschung (VON BREMEN, 1990:309) und hat es ermöglicht, dass diese Völker die natürlichen Ressourcen in beispielhafter Weise nachhaltig nutzen. Dort, wo die Marktwirtschaft oder neue Produktionsweisen vordringen, wo der Lebensraum beschränkt wird und Lebensweisen sich freiwillig oder unter Druck wandeln, hat dies auch Konsequenzen auf den Umgang indigener Bevölkerung mit der Natur: Mit neuen Wirtschaftsweisen wie der Viehzucht oder als Lohnarbeiter für Holzunternehmen beginnen so manche von ihnen, selbst an der Zerstörung ihrer natürlichen Umwelt teilzunehmen. Wo christliche Missionierung erfolgreicher war, etwa in den Anden, den Küsten Südamerikas
oder in Zentralamerika und Mexiko, hat dies zu Synkretismen und/oder zu dualen religiösen Praktiken geführt. Ganz offensichtlich aber lebt bei der Landbevölkerung die enge Verbindung zur natürlich “beseelten“ Umwelt fort. Dies manifestiert sich in Agrarriten, beispielsweise wenn die Andenvölker Pacha Mama (Mutter Erde) als Machtwesen, zuständig für die Fruchtbarkeit des Bodens und der Frauen, verehren. Der Naturraum wird durch Machtorte wie Seen oder Bergen strukturiert. In der traditionellen Medizin vieler indigener Völker herrscht die Überzeugung, dass solche Orte Heilung oder Erkrankung erzeugen können. Die strengen Riten, mit denen bestimmte Berge als Sitze der Ahnen um Schutz gebeten werden und die Überzeugung, dass Wettereinbrüche oder anderes Unbill, welches die Familien oder die comunidad trifft, das Werk dieser zürnenden Ahnen ist, verdeutlichen, wie stark das animistische Weltbild und die Beziehung zur Natur das Leben der campesinos in den Anden und anderen Regionen prägen (siehe VAN DEN BERG & SCHIFFERS, 1992). Ahnenverehrung und eine vergleichbare Beziehung zur Natur kennen auch viele andere Völker, etwa die Mapuche in Chile und Argentinien oder die Maya-Völker. Bei den Maya sind Geistwesen “Eigentümer“ jeweils bestimmter Naturphänomene wie der Wälder, der Berge, des Regens, des Maises etc. und greifen unmittelbar als ferne “Götter“ ins Leben der Bauern ein. Deshalb sind sie Gegenstand besonders intensiver Beachtung und Verehrung. Für die immer von neuem zu stärkende Gruppenidentität der Maya ist die Verehrung von Schutzpatronen jeweils einzelner indigener Gemeinschaften grundlegend. Sie tragen zwar die Namen christlicher Heiliger, dahinter stehen jedoch alte “Lokalgottheiten“ (LINDIG & MÜNZEL, 1978:296). Wie stark diese Beziehungen sind, zeigt sich daran, dass der Krieg in Guatemala die Menschen zwar zeitweise von ihren Lokalgottheiten getrennt hat, sie damit daran hinderte, die rituellen Verpflichtungen zu erfüllen, die notwendig sind, um die spirituelle Beziehung in positiver Weise aufrechtzuhalten, aber er konnte diese Beziehung nicht zerstören. SIEDER (2001) berichtet, dass der Umstand, die Toten im Bürgerkrieg nicht entspre-
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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie
chend der Riten und an “ihrem Ort“ begraben zu haben, zu schweren Belastungen in den Gemeinschaften führt (siehe auch RATHGEBER in diesem Band). Einen sehr weitgehenden Wandel im Glaubenssystem und im Gemeinschaftsleben bewirken die zahlreichen protestantischen evangelikalen und fundamentalistischen Glaubensgemeinschaften. Bei den Misquito und Mayagna in Nicaragua setzte dieser Prozess bereits im 19. Jahrhundert ein, als die Herrenhuter Brüdergemeinde und die Baptisten an der zentralamerikanischen Atlantikküste ihre Missionierung verstärkten. Seit den 1960er Jahren missionieren die unterschiedlichsten evangelikalen Religionsgruppen systematisch bei der indigenen und afroamerikanischen Bevölkerung und finden eine zunehmend große Anhängerschaft sowohl auf dem Land als auch in der Stadt. Die Ursachen für diesen Zuspruch sind vielfältig. Dazu gehören der anhaltende Rassismus, der Ausschluss und die Marginalisierung der indigenen Bevölkerung, die Suche nach moralischen und zugleich pragmatischen Leitlinien, dort wo alte Weltbilder an Gültigkeit verloren haben. Dazu gehört auch die Suche nach Handlungsmustern, die ein erfolgreicheres Leben und Wirtschaften in Aussicht stellen und nicht zuletzt die Erwartung, zu den Auserwählten Gottes zu gehören. Die Bereitschaft, mit der überlieferten Kultur zu brechen, wächst. Doch selbst diese kulturelle Entfremdung vermag es nicht, tief in den Menschen verwurzelte kulturelle Strukturen auszulöschen – sie verwandelt sie vielmehr (STRÖBELEGREGOR, 1988; 1989; 2002).
Lokale Selbstverwaltung Selbstorganisation und lokale Selbstverwaltung sind ein wesentliches Merkmal der indigenen Völker Lateinamerikas, wobei auch hier die Vielfalt und die Unterschiede groß sind. Die politische Organisation der Völker östlich der Anden reicht von weitgehend egalitär-dezentralistischen Strukturen, die auf der Entscheidungsmacht der Kernfamilie und der mit ihr verbundenen (häufig) patrilinearen Verwandtschaft basieren, über verschiedene Formen von Häuptlingstümern, in denen bei man-
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chen Gruppen Führungspositionen von zwei Häuptlingen oder dem Schamanen neben dem Häuptling eingenommen werden. Wieweit diese traditionellen Selbstverwaltungsstrukturen erhalten bleiben, hängt auch davon ab, welche indigenen Rechte der Nationalstaat anerkennt und schützt. Bei den meisten indigenen bäuerlichen Völkern in Lateinamerika basiert die lokale Organisation auf den Strukturen der comunidad, der Dorfgemeinschaft. Diese Dorfgemeinschaften können unterschiedliche Ursprünge haben: Sie können auf einer langen lokalen Tradition beruhen, können von Migranten neu gegründet oder Ergebnis von Teilungen der Gemeinschaften bzw. Vertreibung sein. Die Formen der soziopolitischen Organisation sind eine Mischung kolonialspanischer Strukturen, sowie vorspanischer Strukturen (wie beispielsweise des ayllu in den Anden) und „moderner“ Organisationsformen (wie sie vom Nationalstaat vorgegeben werden). Dazu gehört das sindicato in Bolivien, ein Produkt der Nationalen Revolution von 1952, in dem die dorfgemeinschaftliche Organisation mit einer gewerkschaftlichen Struktur verbunden wurde. Fundament lokaler Organisation vieler Dorfgemeinschaften der Anden und Guatemalas ist das aus der Kolonialzeit überlieferte hierarchisch gegliederte Ämtersystem (cargo-System) mit dem jährlichen Wechsel der Amtsinhaber und in Mexiko und Guatemala auch die religiösen Bruderschaften (cofradías). Die Versammlung der Autoritäten und der männlichen Haushaltsvorstände der Dorfgemeinschaft regeln alle internen Angelegenheiten. Dabei werden überliefertes Recht und Brauchtum, modernes nationales Recht und staatliche Vorgaben, sowie die unterschiedlichen lokalen aktuellen Bedingungen pragmatisch und situationsbezogen kombiniert. Frauen haben nur Stimmrecht, wenn sie verwitwet sind oder einen abwesenden Lebenspartner vertreten. Die Selbstverwaltung umfasst u.a. die Organisation von Gemeinschaftsarbeiten, Regelung der Landnutzungsrechte bei Kollektivland, Wahrnehmung der Beziehungen zu staatlichen Institutionen, die Durchführung religiöser Zeremonien und Feste.
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In der Stadt Nicht nur in Ländern mit starkem indigenen Bevölkerungsanteil lebt mittlerweile ein Großteil dieser Bevölkerung in den Städten. Zum Teil gilt dies auch für jene Länder mit einem indigenen Bevölkerungsanteil von weniger als 20%. San Cristóbal de Las Casas in Chiapas (Mexiko) ist eine Stadt der Maya, Mexiko-Stadt und Buenos Aires sind Sammelbecken zahlreicher indigener Zuwanderer. Viele leben schon seit Generationen in den Städten und einige haben einen gewissen sozialen und ökonomischen Aufstieg erreicht (GOLTE & ADAMS, 1987; STEINHAUF, 1991; ALBÓ, GREAVES & SANDOVAL, 1981-1987; siehe auch SPEISER in diesem Band). Seit den 80er Jahren wurde die wirtschaftliche Integration für die große Mehrheit der Zuwanderer aufgrund von Wirtschaftskrisen und Strukturwandel unter neoliberalem Vorzeichen ungleich schwerer. Die weitgehende Marktöffnung und Verminderung von Zöllen hat zu einem Wandel auf dem Arbeitsmarkt geführt, unter anderem zu den modernen, exportorientierten Weltmarktfabriken der schnell anwachsenden Freihandelszonen, den Maquilas, in denen zunehmend auch indigene Frauen beschäftigt werden. Aber auch zum Abbau von Arbeitsplätzen, Schließung von Unternehmen und Aufhebung der Mindestlohngrenzen (z.B. Bolivien). Die Armutsgürtel um die Großstädte haben sich seitdem ausgedehnt und der gewünschte Aufstieg gestaltete sich immer schwieriger. Gleichwohl hält die Landflucht an; die Migranten hoffen auf eine einkommensschaffende Arbeit, auf einen besseren Zugang zum Bildungs- und Gesundheitswesen, auf soziale Anerkennung. Viele die aus Kriegsoder Konfliktzonen flohen, wie in Guatemala und Peru, oder noch fliehen, wie in Kolumbien oder auch Chiapas, suchen das nackte Überleben. Bei der Migration spielen Verwandtschaftsund Patenbeziehungen eine zentrale Rolle, und die Beziehungen zwischen Stadt und Land werden meist über Generationen aufrechterhalten. Bei der Zuwanderung fungieren städtische Verwandte oder Leute aus der Dorfgemeinschaft als Informationsträger über das
Leben in der Stadt, sind Arbeits- und Wohnungsvermittler. Andere wichtige Informationsträger sind indigene Mittler, nicht selten männliche und weibliche Händler, Lehrer, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, NRO oder Kirchen. Für die Städter ist die Verbindung in ihre Herkunftsgemeinde oft ein wesentlicher strategischer Bestandteil ihrer Überlebenswirtschaft. Tauschhandel und vielseitige Kooperationen zwischen Dörflern und Städtern ergänzen das notwendige Einkommen. Dass diese sehr komplexen Stadt-Landbeziehungen einen wesentlichen Einfluss auf das kulturelle Leben in den ländlichen Gemeinden, auf Normen und Werte, Zukunftsvorstellungen und -erwartungen, auf das Familienleben, das Geschlechterverhältnis und die Beziehungen zwischen den Generationen hat, ist unübersehbar. In immer schnellerem Tempo führt dies zu vielfältigen Veränderungen. Der Wandel macht sich nicht zuletzt an der Rolle von Frauen, ihren Positionen in der Gemeinschaft und ihren Erwartungen bemerkbar. Diese Entwicklungen verlaufen allerdings nicht konfliktfrei. Wohl die stärkste sichtbarste Präsenz indigener Stadtkultur findet sich in den Andenländern. Hier sind die Lebensformen der indigenen Bevölkerung stark geprägt von Kulturelementen, deren Wurzeln im ländlichen Raum liegen und sich insbesondere in den sozialen Organisationsformen und Handlungsnormen ausdrücken. Innerhalb dieser städtischen indigenen Bevölkerung hat eine erhebliche soziale Stratifizierung und Ausdifferenzierung stattgefunden, einschließlich der Herausbildung indigener Mittelschichten. Das findet auch seinen äußeren Ausdruck in den jeweiligen Wohnvierteln. Die Pflege der Festkultur, der Musik, des Tanzes, der traditionellen Kleidung, der eigenen Sprache, die Wiederbelebung religiöser andiner Vorstellungen und Praktiken unterstreichen die kulturelle Identität und konstruieren sie zugleich neu (ALBÓ, 1985). Besonders die Aymara haben eine differenzierte städtische indigene Kultur entwickelt (Bolivien, Peru), die vor allem das Leben in den eigenen Stadtteilen und der Stadt El Alto bestimmen
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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie
(SANDOVAL & SOSTRES, GREGOR, 1989).
1989;
STRÖBELE-
In Lima, wohin der ständige Zuzug von indigenen Zuwanderern vom Hochland – und weniger aus Tieflandregionen – insgesamt mehrere Millionen Menschen ausmacht, sind riesige Elendsviertel an den Rändern der Stadt entstanden, die sich vor allem durch prekäre Lebensbedingungen auszeichnen. Arme Migranten bauen sich auch kleine Siedlungen innerhalb bürgerlicher Viertel. Darüber hinaus gibt es in Lima innerstädtische Stadtteile mit einer älteren Zuwanderungsgeneration aus dem Hochland, von denen es einige zu einem gewissen Aufstieg gebracht haben (siehe auch SPEISER in diesem Band).
Überleben und Tod in Zeiten des Krieges Indigene Völker waren nicht nur im Verlauf der kolonialen und postkolonialen Epochen in besonderem Maße Opfer von Bürgerkriegen, Ethnozid, Vertreibung, und schweren Menschenrechtsverletzungen, sondern auch in den letzten Jahrzehnten. Das grausamste Beispiel ist gewiss Guatemala. Der Krieg dauerte 36 Jahre. 1996 kam es zum Friedensabkommen. Den Wahrheitskommissionen der UN und des erzbischöflichen Amtes zufolge, die die Menschenrechtsverletzungen untersuchten (CEH, 1999; ODAHG, 1998), gehörten Terror und Menschenrechtsverletzungen zur Aufstandsbekämpfungsstrategie des Staates. Systematische Massaker an der indigenen Bevölkerung waren integrales Element der “Doktrin der Nationalen Sicherheit“. Mehr als 400 Maya-Dörfer wurden im Rahmen der “Strategie der verbrannten Erde“ (1978-1983) zerstört oder vollkommen ausgelöscht. Mindestens 1 Mio. Menschen mussten ihre Gemeinschaften verlassen, versteckten sich in den Bergen oder flüchteten in die Städte. Jedes vierte Gewaltopfer war eine Frau; es fanden massenhafte und systematische Vergewaltigungen statt (CEH, 1999a:28; ODHAG, 1998:210). Das Friedensabkommen beinhaltet die rechtliche Anerkennung der Existenz der indigenen Bevölkerung sowie Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Rechte, ihrer wirtschaftlichen Förde-
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rung und politischen Mitsprache. Sogar eine Ombudsstelle für indigene Frauen (Defensoría de la Mujer Indígena) wurde eingerichtet. Gleichwohl wurden zentrale Teilabkommen bisher nicht umgesetzt. Die wirtschaftliche Situation der indigenen Völker Guatemalas hat sich kaum verbessert (MINUGUA, 2003). Die ungelösten Probleme der nationalen Versöhnung, ländliche Armut, Landkonflikte, ethnische und geschlechtsspezifische Diskriminierung schränken die Entwicklungsmöglichkeiten insbesondere der indigenen Bevölkerung des Landes und die Transformation zur Demokratie erheblich ein. Ein weiteres Land, in dem besonders die indigene Bevölkerung unter dem bewaffneten Kampf zu leiden hatte, war Peru. Im Guerillakrieg des “Leuchtenden Pfades“ (Sendero Luminoso) und der Revolutionären Bewegung Tupac Amaru (MRTKA) handelten Militär und Guerilla nach der Devise “wer nicht für uns ist, ist gegen uns“. In Dorfgemeinschaften, die das Pech hatten, sich in der Kampfregion zu befinden, fanden Massaker, Mord, Verschleppung, Vertreibung und Lynchjustiz statt. Die permanente Angst trieb die Menschen aus den Kampfgebieten in den Anden und die Ashaninka der Sierra Central zur massenhaften Flucht. Nach den Erfolgen der Regierung Fujimoris bei der Guerillabekämpfung 1992 sind zahlreiche Flüchtlinge – mit Unterstützung der UN und von NRO – in ihre alte Heimat zurückgekehrt (HUHLE, 1997). Die heimgekehrten Ashaninka müssen jedoch erneut erleben, dass Drogenanbau und - handel, illegale Ausbeutung natürlicher Ressourcen und ein Wiederauftauchen des Sendero ihre Region äußerst unsicher machen. Zu den Opfern von Krieg und Drogenwirtschaft in Kolumbien, wo sich Guerilla, Militär, rechte Paramilitärs und Drogenhändler seit Jahren bekämpfen, gehören auch viele der indigenen Völker. Auch sie werden zwischen den Fronten aufgerieben, werden getötet, vertrieben, zwangsrekrutiert oder geraten unter die Herrschaft einer der Kriegsparteien. In Bolivien hat die von den USA seit Jahren massiv durchgesetzte Bekämpfung des Coca-Anbaus zur Militarisierung der Chapare-Region und damit zu
Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie
einem permanenten Konfliktherd mit blutigen Auseinandersetzungen zwischen Militär und Bauern geführt. Nicht vergessen werden sollte, wie im kurzen Krieg zwischen Ecuador und Peru 1995 beide Staaten die beiderseits der Grenzen lebenden Shuar und Achuar für ihre Zwecke instrumentalisierten und zur Verteidigung des jeweiligen Staates aufeinander hetzten.
3. Spannungsfeld indigenes Recht – Menschenrechte und Frauenrechte11 Wie die meisten ehemaligen kolonialen Gesellschaften kennzeichnet faktischer Rechtspluralismus die Länder Lateinamerikas. Damit ist das Nebeneinander mehrerer Rechtssysteme in einem Staatsgebiet gemeint, wobei sich ein nationales, an bürgerlich-republikanischen Grundsätzen verpflichtetes Recht überlagert mit aus der Kolonialzeit ererbtem Recht, mit autoritärem Recht diktatorischer Regime, Kriegsrecht herrschender Militärregierungen oder lokaler Kriegsherrn bzw. der Drogenmafia sowie mit lokalen Rechtssystemen ethnischer Gruppen, d.h. der indigenen Völker und der Afroamerikaner. Im Recht und in den Definitionen von “richtigem” und “falschem” Verhalten kommen die zugrunde liegenden gesellschaftlichen Konzepte, Wertesysteme, sozialen Organisationsformen und Weltbilder zum Ausdruck. Überlagerungen lassen duale Rechtsauffassungen, Neudefinitionen, Manipulationen von Recht zu. Indigene Rechtssysteme sind “zeitgenössische Erscheinungen, die zwar in einer historischen Kontinuität zu vorkolonialen Rechtssystemen stehen, sich aber in einer langen Geschichte im Zuge einer – meist konfliktiven – Auseinandersetzung mit dem dominanten System verändert haben” (KUPPE, 2001:63). Die Rechtspraxis lokaler Gesellschaften sowie die dieser Rechtspraxis zugrunde liegenden Werte und Formen der Streitschlichtung als legitim zu betrachten, und als komplementär zum nationalen Rechtssystem in der Verfassung zu verankern, ist allerdings bisher erst in einzelnen Ländern festzustellen. In Bolivien 11
ausführlich dazu STRÖBELE-GREGOR, 2002
sieht die Reform des Rechtssystems, die 1995 eingeleitet wurde, die zukünftige Institutionalisierung des überlieferten Rechts vor (“Justicia tradicional o comunitaria”). Zu diesem Zweck wurden Feldstudien über das lokale Recht bei zahlreichen ethnischen Gruppen durchgeführt (MJDDHH Bd.1-10, 1997/ 98) und ein Gesetzesentwurf erarbeitet, der dem Parlament vorliegt. Gegenwärtig ist in fünf Ländern, Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Peru und Venezuela, die Anwendung des indigenen Rechts verfassungsmäßig verankert. Diese offizielle Anerkennung von Rechtspluralismus12 ist jeweils Ergebnis des politischen Kampfes indigener Bewegungen und der Erfolg von Debatten, die sie ausgelöst haben. Keine Betrachtung über indigene Rechtsforderungen kann von der Rechtswirklichkeit und den bereits geschilderten gesellschaftlichen Rahmenbedingen abstrahieren. Trotz Konsolidierung von formalen Demokratien ist die Divergenz zwischen Rechtsnormen und Rechtspraxis unübersehbar, ebenso wie vielerorts weiterhin Amtspersonen indigene Bürger diskriminieren. Auch Menschenrechtsverletzungen gehören noch nicht der Vergangenheit an. Sie beschränken sich nicht auf die indigene Bevölkerung, doch diese ist häufig in besonderem Maße betroffen. Die Verletzungen betreffen sowohl die individuellen wie die sozialen Menschenrechte, das Recht auf politische Beteiligung ebenso wie auf körperliche Unversehrtheit und Gesundheit. Wenn Regierungen in den Andenländern die massiven Sprühaktionen mit Glyphosat und anderen Chemikalien, die im Zuge der Drogenbekämpfung zum Einsatz kommen, genehmigen, wohlwissend, dass diese schwere Gesundheitsschäden hervorrufen und die Gewässer und Böden vergiften, dann verletzen sie damit nicht nur das individuelle Recht auf körperliche Unversehrtheit, 12
Unter spanischer Kolonialherrschaft, in der die Gesellschaft unterteilt war in die “Republik der Spanier“ und “Republik der indios“, gab es bereits eine offizielle Anerkennung von Rechtspluralismus. Die jeweiligen ethnischen Gruppen unterstanden eigenem Recht, wobei das spanische Rechtssystem die Institutionen der indios in vielen Bereichen einschränkte.
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sondern auch auf Ernährung, saubere Umwelt und damit auf die Zukunftsfähigkeit der davon Betroffenen, überwiegend indigenen Gemeinwesen (RÖMPCZYK, 2001). Menschenrechtsverletzungen bei Landkonflikten – dazu gehören Morde im Zuge von Landvertreibung – geschehen nicht nur in Brasilien (RANKIN, 1996; siehe auch RATHGEBER in diesem Band). Staatliche Instanzen erweisen sich, wenn es um Rechts- oder gar Menschenrechtsverletzungen an Indigenen geht, nicht immer als Durchführungsorgane des Rechtsstaats, wie die Klagen von indigenen Repräsentanten vor der Arbeitsgruppe der UN immer wieder zeigten (SIEBERT, 1997). Vertrauen bringen Indigene daher eher unabhängigen Vermittlern, beispielsweise den Menschenrechts-Ombudsstellen, Menschenrechtseinrichtungen der katholischen Kirche und unabhängigen Menschenrechtsinstitutionen (NRO) entgegen. Diese sind es, die neben den indigenen Organisationen Öffentlichkeit herstellen und versuchen, auf Regierungshandeln Einfluss zu nehmen, damit die Rechte indigener Bevölkerung respektiert und Rechtsverletzungen geahndet werden.
den Rechtsempfindens innerhalb indigener Gemeinschaften. Auf der einen Seite existieren in den indigenen Rechtssystemen Straftatbestände und Strafen, die zu den Menschenrechten im Widerspruch stehen – beispielsweise ist bei einigen Völkern Ehebruch, insbesondere von Frauen, strafbar und wird schwer bestraft (ALBÓ & MAMANI, 1980). Eigentumsdelikte werden bei fast allen Völkern mit nach westlicher Rechtsauffassung unverhältnismäßig schweren Sanktionen – harten körperlichen oder sozialen Strafen – geahndet. Solche Strafen sind mit dem nationalen Recht der jeweiligen Länder nicht vereinbar. In den Staaten, die das traditionelle Recht anerkennen, gibt es Bemühungen, die Vereinbarkeit von indigenem Recht und nationalem Recht zu regeln, wobei die Menschenrechte als höherrangiges Recht Berücksichtigung finden sollen. In Kolumbien, Bolivien, Ecuador und Peru liegen Entwürfe für “Koordinationsgesetze” vor.
Interne Ordnungs-, Regelungs- und Schlichtungsinstanzen auf lokaler Ebene sind die eigenen indigenen Autoritäten. In ihrer Kultur verhaftet, sozial anerkannt und respektiert, üben sie ihr Amt aus. Überlieferte Werte und Normen leiten sie, aber neuere Rechtsvorstellungen sind ihnen nicht fremd. Wesentliches Kriterium ihrer Schlichtung ist es, den Konsens und die Harmonie in der Gemeinschaft wieder herzustellen. Die Legitimität der eigenen Rechtssysteme ist innerhalb der jeweiligen indigenen Gemeinschaft weitgehend unumstritten.
Auf der anderen Seite lassen sich im Rahmen der Wandlungsprozesse in den indigenen Gemeinschaften und durch den Einfluss externer Akteure (staatliche und private Bildungsinitiativen, Entwicklungsprojekte, Menschenrechtsbüros etc.) auch Veränderungen im Rechtsempfinden und in Rechtsvorstellungen beobachten. Die rechtliche Situation von Frauen und die Rechtspraxis, der sie unterworfen sind, ist hier ein besonders aussagekräftiges Beispiel. Denn Recht reflektiert Machtverhältnisse, und das Geschlechterverhältnis ist eingebettet in das jeweilige Gesellschaftskonzept und die Machtverhältnisse einer Gesellschaft. Je stärker die Idee von politischer Teilhabe und Bürgerrechten Verbreitung findet, desto mehr beginnen auch Frauen diese Rechte für sich zu reklamieren, wenn auch zunächst zaghaft.
Wo liegen also die Probleme? Sie liegen in der Frage der Verbindlichkeit von Menschenrechten in nicht-westlichen Kulturen. Diese Frage stellt sich zum einen rechtssystematisch, wenn verfassungsmäßig Rechtsautonomie und Anerkennung sowie Schutz kultureller und ethnischer Vielfalt zugesichert werden, zugleich aber die Menschenrechte Bestandteil des nationalen Rechtssystems sind. Und die Frage stellt sich auch angesichts eines sich wandeln-
Bisher ist Frauendiskriminierung, d.h. massive Benachteiligung sowohl in den Grundrechten, wie im Erbrecht und Landrecht, im Zugang zu Bildung und in der Behinderung autonomer Lebensentscheidungen eine Realität und provoziert Debatten und Konflikte in indigenen Gemeinwesen. Frauen legitimieren ihre Forderungen nicht selten mit dem Bezug auf die traditionellen indigenen Geschlechterkonzepte, wie z.B. die Komplementarität der Geschlech-
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ter in den andinen und Maya-Kulturen. Damit stoßen sie eine Debatte über die Geschlechterrollen in der eigenen Kultur an und darüber, in welcher Weise die Konzepte im Alltagsleben umgesetzt werden. Indirekt ist dies auch eine kritische Auseinandersetzung mit indigener Rechtspraxis (CAMUS, 2002).
zu machen, was wiederum die Voraussetzung für einen Wandel in der Rechtspraxis im Gemeinwesen ist. Häusliche Gewalt wird dann nicht mehr als eine “Privatangelegenheit”, sondern als Gegenstand der öffentlichen Sphäre verstanden und sanktioniert (STRÖBELEGREGOR, 1999a & b).
In diesem Zusammenhang beginnen indigene Frauen auch Gewalterfahrungen innerhalb der eigenen Lebenswelt zur Sprache zu bringen. Wie vereinzelte Studien zeigen (u.a. ALBÓ & MAMANI, 1980; [DE LA] TORRE ARAUJO, 1995 & 1980; GÖBELS, 1997; HARRIS, 1985), sind diese Gewalterfahrungen sehr weit verbreitet und z.T. eingebettet in kulturelle Handlungsmuster. Überliefertes indigenes Recht greift in der Regel im Fall häuslicher Gewalt nicht ein, begreift dies als intrafamiliäre Angelegenheit, die zwischen den Eheleuten, den Familien bzw. Paten – compadres, comadres – zu regeln ist. Rechtsinformationen über Menschenrechte ermöglichen demgegenüber, auch dieses Thema zum Gegenstand öffentlicher Debatte
Bisher ist es eine offene Frage, wie Vertreter des indigenen Rechts mit diesen Wandlungen im Rechtsbewusstsein von Frauen und mit der Überwindung ihrer Diskriminierung umgehen. Nicht selten verstecken sich indigene Männer hinter einem Diskurs, der Frauenrechtsforderungen als westlichen Feminismus ablehnt, da dies eine Entfremdung von der eigenen Kultur sei. In den indigenen Kulturen, so das Argument, gäbe es keine Frauendiskriminierung. Gewalt wird als Folge von Entfremdung und Unterdrückungserfahrungen durch die dominante Gesellschaft erklärt. Notwendig sei daher die Stärkung der eigenen Kultur. So manche indigene Frau der jungen Generation befriedigt diese Antwort jedoch nicht.
Foto: Jugendliche auf dem Weg zur Schule in Ngöbe-Buglé, Panama (K. LECKEBUSCH)
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4. Eigenständige Organisierungsprozesse13 Indigenenbewegungen gehören seit den 80er Jahren zu den wichtigsten sozialen Bewegungen in Lateinamerika. Während der US-amerikanische Geheimdienst CIA sie als potentiellen Destabilisierungsfaktor sieht (ALEMANCIA, 2001), werden sie von anderen als innovative Kraft geschätzt, die neue historische Akzente setzt und die Frage der Demokratie neu stellt. Diesem Urteil liegt nicht nur die Bedeutungszunahme von ethnisch-politischen Organisationen, ihren Konstruktionen von indigener Identität und von Ethnizität als Legitimationsargument für soziale, kulturelle und politische Forderungen sowie der ansteigende Mobilisierungsgrad zugrunde. Verstärkt mischen sich die indigenen Organisationen auch in politische Themen von nationaler und internationaler Tragweite ein. Einige wesentliche Aspekte, die die indigene Politikgestaltung in den letzten Jahrzehnten beeinflusst haben, sollen knapp skizziert werden. Der Legitimationsverlust linker Parteien nach dem Ende der Sowjetunion verstärkte Tendenzen – wie auch in anderen Teilen der Welt – Konflikte immer stärker in ethnischen, nationalistischen und religiösen Legitimierungsdiskursen zu begründen. Der Bezug auf Ethnizität erhielt bei sozial, kulturell, wirtschaftlich und politisch benachteiligten Gesellschaftsgruppen ein zunehmendes Gewicht. Die Forderungen indigener Organisationen zielten (bisher) nicht auf den revolutionären Umsturz, richteten sich aber auf die Transformation herrschender Verhältnisse in den jeweiligen Ländern. Zu den grundlegenden Forderungen gehört die Anerkennung eigener Territorien (ausdrücklich!), Autonomie und Selbstbestimmung im Rahmen der jeweiligen Staatsgrenzen. Auch wenn ihre politischen Strategien und Staatsvorstellungen durchaus unterschiedlich sind, teilen die meisten indigenen Bewegungen Lateinamerikas die Vision einer multiethnischen und plurikulturellen Gesellschaft innerhalb einer sozial gerechten und 13
Dieser Abschnitt ist ein Ausschnitt aus der Analyse der Organisierungsprozesse in den Andenländern (STRÖBELE-GREGOR, 2004).
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partizipativen Demokratie. Selbstverwaltung, das Recht auf die natürlichen Ressourcen innerhalb eigener Territorien, die Respektierung ihrer Menschenrechte und der jeweiligen Kulturen – einschließlich einer kulturell angepassten Gesundheitsversorgung und interkultureller zweisprachiger Schulbildung – sind dabei die Grundpfeiler. Wichtige Unterstützung erfahren diese Visionen und Forderungen von der internationalen Ebene. Deutlich zeichnen sich damit im Vergleich zu den 1960er und 1970er Jahren Veränderungen im Handlungsfeld und im politischen Selbstverständnis von indigenen Organisationen ab. Das betrifft sowohl die politischen Diskurse, Zielsetzungen, Handlungsfelder als auch den politischen Mobilisierungsradius. Seinerzeit erfolgte die Mobilisierung der indigenen Landbevölkerung als Bauernbewegung und ihre Gravitationsachse war die Landfrage (weiterhin auch heute noch ein zentrales Thema). Für einen Großteil der Bevölkerung indigener Herkunft jener Zeit bestand der Wunsch nach vollständiger Integration in die nationale Gesellschaft. Gleichwohl gab es bereits Organisationen, die eine indigene Identität vertraten und die Anerkennung der eigenen Kulturen forderten. Doch deren Gewicht war begrenzt. Seit Ende der 1980er Jahre nimmt der Bezug auf die ethnische Identität zu, in politischen Mobilisierungs- und Organisierungsprozessen gewinnen ethnisch-politische Diskurse zunehmend an Gewicht. Mittlerweile gibt es ein breites Spektrum von Organisationen mit verschiedenen Wirkungsfeldern und durchaus unterschiedlichen Zielen. Dazu gehören u.a. indigene Lokalverbände, Bauerngewerkschaften, Produzenten- und Kulturvereine und Vereinigungen indigener Frauen. Zur Interessensvertretung gegenüber dem Staat und nationalen Machtgruppen wurden regionale Organisationsstrukturen und nationale Dachverbände aufgebaut. Länderübergreifende Organisationen wie der Dachverband der indigenen Organisationen Amazoniens (COICA) vertreten die Interessen indigener Völker auf internationaler Ebene. Lokale, regionale oder nationale Verbände mobilisieren für Protestmärsche, organisieren
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die Besetzungen von Erdölbohrstellen und Staudamm-Großprojekten, bringen in Zusammenarbeit mit NROs Biopiraterie, illegalen Holzeinschlag und Umweltzerstörungen ans Licht der Öffentlichkeit und decken die Komplizenschaft staatlicher Institutionen auf. Sie artikulieren die politischen wirtschaftlichen und kulturellen Forderungen. Zum Angelpunkt werden zunehmend die Territorial- und Autonomieforderungen. Als Beispiel dafür gelten u. a. die Kuna in Panama, die ihre Autonomie der comarcas schon vor Jahrzehnten durchsetzen (allerdings in einem bewaffneten Aufstand). Bezugspunkte sind auch das Autonomiegesetz der Atlantikküste von Nicaragua, das noch aus der Kolonialzeit stammende Recht der Resguardos Indígenas in Kolumbien und die Territorialgesetze für die amazonischen Völker Brasiliens. In Ländern wie Mexiko, Chile, Bolivien steht die Durchsetzung der Forderung nach selbstverwalteten Territorien noch auf der politischen Agenda indigener Organisationen. Zugleich setzte Ende der 1980er Jahre mit der Ausweitung des politischen Aktionsradius der Organisationen eine neue Entwicklung ein. In Mexiko, Guatemala und in den Andenstaaten Ecuador, Bolivien und Kolumbien treten indigene Organisationen als Sprachrohr der
Benachteiligten und Unzufriedenen auf und sind in der Lage, soziales Protestpotenzial über die eigenen Reihen hinaus zu mobilisieren. Umgekehrt beteiligen sich indigene Organisationen an Protesten und Opposition gegen soziale, ökonomische oder politische Maßnahmen, die nicht nur Indigene betreffen. Hinzu kommt die Strategie des parlamentarischen Weges sowie die Übernahme von Verantwortung und von Funktionen in der lokalen und regionalen Verwaltung. Seit den 1980er Jahren wurden verstärkt eigene politische Parteien gegründet; zunächst hielten sie sich nicht sehr lange, weil es nicht gelang, eine größere Akzeptanz bei der indigenen Bevölkerung aufzubauen. Das hat sich in den 1990er Jahren geändert. Mittlerweile gibt es indigene Parlamentarier, Minister, Bürgermeister, Kreisverwaltungen, Senatoren. In Quetzaltenango stellt die indigene Partei Xel-Ju seit 1995 die Departementsregierung. In Bolivien wurde 1994 erstmals ein Mann indigener Herkunft Vizepräsident, und Ende der 1990er Jahre war der Gouverneur des Departements Cauca in Kolumbien ein Angehöriger des indigenen Volkes der Guambiano (siehe auch FELDT in diesem Band).
Kasten 1: In Ecuador wurde das Wahlbündnis „Movimiento Plurinacional Pachakutik - Nuevo País“ vom indigenen Dachverband CONAIE 1996 zur Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen gegründet. Bis dahin hatte die CONAIE stets zum Wahlboykott aufgerufen, aber angesichts des unerwarteten Zuspruchs der Bevölkerung bei einer massiven Kampagne 1995 gegen die Privatisierungspläne des staatlichen Sektors, an der sich Gewerkschaften, linke Parteien und die CONAIE beteiligt hatten, entstand der Plan einer eigenen Partei. Der große Erfolg von Pachakutik bei seiner ersten Wahlbeteiligung (1996) gab der Strategie recht. Erstmals wurde eine indigene Frau, die Rechtsanwältin Nina Pacari, Vizepräsidentin des Parlaments. In den darauffolgenden Jahren konnte Pachakutik seinen politischen Einfluss ausbauen bis hin zu einer Regierungsbeteiligung 2002. Diese Beteiligung an einer Koalitionsregierung stellte sich jedoch, so ACOSTA (2004), als eine politische Fehlentscheidung heraus. Pachakutik fehlte es zum einen an einer der schwierigen Wirtschaftslage angemessenen Programmatik, zum anderen hatte das Wahlbündnis seine politische Durchsetzungskraft in der Koalition nicht richtig eingeschätzt. Sowohl der Druck des Präsidenten wie auch von CONAIE und der Basis zwang die Pachakutik-Minister 2003 von ihren Ämtern zurückzutreten.
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Trotz der gemeinsamen Forderung nach Anerkennung der Rechte der indigenen Völker und der Berufung auf die Konvention 169 der ILO sind die ideologischen Unterschiede im breiten Spektrum der indigenen Organisationen und persönlichen Profilierungsinteressen von Führungspersonen nicht zu übersehen. Dass dies gemeinsames politisches Handeln zur Verbesserung der Lebensbedingungen verhindern kann und Gegnern oder Interessengruppen in die Hände spielt, zeigt das Beispiel in Peru, wo zwei Dachverbände der Tieflandvölker, AIDESEP (Asociación Interétnica para el Desarrollo de la Selva Peruana) und CONAP (Confederación de Nacionalidades Amazónicas del Perú) miteinander um internationale Gelder und Anerkennung als Verhandlungspartner der Regierungen konkurrieren. Mit Bezug auf die von Regierungen und internationalen Gebern entworfenen Entwicklungsstrategien stellen Indigene klar, dass ihre Vorstellungen von einem würdigen Leben nicht deckungsgleich mit Entwicklungsprogrammen sind, die ihnen von außen vorgegeben werden. Viele indigene Organisationen sprechen von einer „eigenständigen Entwicklung“, die nicht eine Kopie westlicher Lebensstile sein soll. Gleichwohl bleibt hier noch vieles vage, fehlt es an klaren Visionen und an Programmatik. Es besteht dringender Diskussionsbedarf innerhalb der indigenen Organisationen und bei den Völkern darüber, wie denn ein „Leben in Würde“ oder ein „gutes Leben“, wie es die indigenen Völker anstreben (vgl. MEDINA, 2001 & 2002), zu gestalten ist. Auch wenn der Einzug in die Parlamente innerhalb der indigenen Völker vieler Staaten als ein wichtiger und notwendiger Schritt auf dem Weg zur politischen Teilhabe gewürdigt wird, sind die Erfahrungen, die indigene Bewegungen dabei machen, mehr als ambivalent. Zwar sind sie stärker an den politischen Debatten beteiligt, gleichwohl müssen sie erleben, dass die herrschende politische Kultur und die Durchsetzungskraft von Machtgruppen sie daran hindert, Einfluss auf politische Entscheidungen von Tragweite zu nehmen. Ecuador ist ein Lehrstück. Die Beteiligung von Pachakutik an der Koalitionsregierung in Ecuador verdeut-
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licht, vor welchen Herausforderungen indigene Bewegungen stehen, wenn sie sich an einer Regierung beteiligen.
5. Erste Teilerfolge auf nationaler und internationaler Ebene Politische Diskurse und Strategien der indigenen Organisationen zeigen Wirkungen. Regierungen geraten unter Legitimitätsdruck, da zunehmend breitere Teile der Bevölkerung sowie Gewerkschaften und Oppositionsparteien die Forderungen unterstützen. Zu den Teilerfolgen auf der politischen Ebene gehört, dass einige Staaten Rechts- und Verfassungsreformen verabschiedet haben, in denen die kulturelle und ethnische Diversität bzw. der multikulturelle und pluriethnische Charakter der lateinamerikanischen Staaten14 sowie die indigenen Sprachen und Kulturen anerkannt wurden (siehe auch ABRAM in diesem Band), die ILO-Konvention 169 ratifiziert wurde und damit Rechtsstatus erhielt15 und zahlreiche Einzelrechte reformierten16 (siehe auch RATHGEBER in diesem Band). In einigen Staaten wurden – wie dargestellt – weitreichende territoriale Rechte zugestanden.
Indigene Verbände auf dem internationalen Parkett Maßgeblich gefördert wurde die Reformbereitschaft der Regierungen durch die internationale Konjunktur. Da war die kritische Bestandsaufnahme von Geschichte und Gegenwart anlässlich des Gedenkens an die Eroberung vor 500 Jahren und da waren das von den Vereinten Nationen erklärte Jahr der Indigenen Völker 1993 und die UN-Dekade für Indigene Völker ab 1995, die internen Kolonialismus, Rassismus, Unterdrückung, Ausbeu-
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Argentinien 1994, Bolivien 1994, Brasilien 1988, Kolumbien 1991, Costa Rica 1977, Ecuador 1998, Guatemala 1985, Nicaragua 1986, Panamá 1972 und 1983, Paraguay 1992, Peru 1993, Mexiko 1992. 15 In Lateinamerika sind dies: Mexiko 1990, Kolumbien 1991, Bolivien 1991, Costa Rica 1993, Paraguay 1993, Peru 1994, Honduras 1995, Guatemala 1996, Ecuador 1998, Argentinien 2000, Venezuela 2002. 16 Eine aktuelle Analyse der Rechtssituation in den verschiedenen Staaten bietet BARIÈ, 2003 (über www.indigenista.org)
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tung, religiöse und kulturelle Intoleranz in einer breiten Öffentlichkeit thematisierten. Zugleich hatte die beharrliche, jahrelange Arbeit von Menschenrechtsgruppen gemeinsam mit Organisationen indigener Völker weltweit in der ILO sowie in der “Arbeitsgruppe für indigene Fragen“ in der Unterkommission für Menschenrechte der UN erreicht, dass internationale Organisationen das Thema "Rechte indigener Völker" auf die Tagesordnung setzten. Die Konvention 169 der ILO wurde zur Grundlage und Argumentationshilfe für Forderungen gegenüber den Regierungen – und ist es weiterhin. Zudem verbinden die ethno-politischen Organisationen ihre Forderungen argumentativ auf internationaler Ebene mit Prinzipien von Demokratie, Partizipation und guter Regierungsführung und beziehen sich auf international gültige Rechte, Konventionen und Vereinbarungen (siehe auch SPEISER in diesem Band). Damit stärken sie nicht nur ihre Legitimität auf nationaler Ebene. Es gelingt ihnen damit auch, internationale Öffentlichkeit für die Problemlage und Forderungen indigener Völker herzustellen, und Bündnispartner zu gewinnen. Es war die Zapatistenbewegung EZLN in Chiapas (Mexiko), die mit ihren Aktionen nicht nur internationale Aufmerksamkeit für ihre eigene Situation und gesellschaftliche Forderungen erzeugte. Ihre unorthodoxen Methoden und Nutzung modernster Kommunikationstechnik bewirkten in der internationalen Öffentlichkeit ein gesteigertes Interesse an der Lage indigener Völker Lateinamerikas insgesamt. Und die Forderungen nach Anerkennung kultureller Diversität, Autonomie und Demokratisierung der Gesellschaft trafen auf Zustimmung einer breiten internationalen Öffentlichkeit. Seit Mitte der 1990er Jahre fehlt in kaum einem globalisierungskritischen Diskurs die Bezugnahme auf indigene Visionen über eine “andere Welt” und alternative Lebensformen; es gibt kaum eine internationale Veranstaltung zum Thema Neuordnung der Welt, auf der nicht indigene Organisationen aus Lateinamerika präsent sind und ihre kritische Stimme erheben, sei es in Sevilla im Juni 2002 bei der Gegenveranstaltung zum G7-Gipfel, sei es bei den verschiedenen internationalen Sozialforen. Indi-
rekt stärkt diese internationale Präsenz zweifelsohne auch die Position auf der heimischen politischen Bühne, weil es den Regierungen damit schwerer fällt, die Legitimität der Forderungen der Indigenen zu negieren. Diese Entwicklung zeigt nicht nur, dass es den indigenen Völkern gelang, in der internationalen Öffentlichkeit Gehör zu finden, sondern dass dies geschieht, weil sich mit ihren Forderungen zentrale Fragen von Demokratie und der Menschenrechte verbinden. Und es zeigt zugleich, dass sie in der internationalen Öffentlichkeit immer mehr Unterstützer und auch Verbündete finden. Wenig spektakulär, dafür von großer Bedeutung ist die Lobbyarbeit auf dem Parkett der Vereinten Nationen, auf dem Vertreter indigener Völker seit über fünfzehn Jahren dafür kämpfen, eine Deklaration zu den Rechten der indigenen Völker zu verabschieden und einen international anerkannten Status zu bekommen, womit ihre Rechtsposition und damit auch ihre Verhandlungsmacht gegenüber Regierungen gestärkt würde (SIEBERT, 1997; COICA, 2000; JUÁREZ, 2000). Bisher ist dies am Widerstand der nationalen Regierungen gescheitert. Am 13. Mai 2002 kam es endlich zur Gründung des “Ständigen Forums für Indigene Fragen“ bei den Vereinten Nationen. Dieses beratende Gremium ist dem Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) der UN angegliedert. Seine 16 Mitglieder setzen sich zur Hälfte aus Vertretern der Nationalstaaten und indigenen Organisationen zusammen. Ihr Mandat beschränkt sich allerdings auf Empfehlungen für UN-Gremien und Entscheidungen müssen nach dem Konsensprinzip gefällt werden, was Regierungen stets die Möglichkeit gibt, Forderungen und Klagen indigener Völker zu verhindern. Dennoch wird die Schaffung dieses Gremiums als ein wichtiger Schritt zur gleichberechtigten Anerkennung indigener Völker bewertet, da ihre Vertreter damit endlich einen offiziellen Status in der UN erhalten (GFBV Newsletter 122, 13.5.02). Das Thema “Rechte Indigener Völker und ihre Forderungen” erhält damit mehr Gewicht auf der internationalen Tagesordnung.
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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie
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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit
Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit DR. SABINE SPEISER
Welche Rolle spielen indigene Völker für die internationale Zusammenarbeit (IZ) im Zeitalter der Globalisierung, der IZ als globaler Strukturpolitik? Welche Rolle spielt dabei die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) mit immer weniger Ressourcen, einer wachsenden Konzentration auf Beratung nationalstaatlicher oder transnationaler Institutionen und Förderung makroökonomischer Prozesse für die indigenen Völker Lateinamerikas und der Karibik mit einer Gesamtzahl von 40 bis 50 Millionen Menschen (8 bis 10% der Bevölkerung)?1 Wer braucht wen? Braucht man sich? Wer definiert die Regeln der Zusammenarbeit und wie wird deren Einhaltung beobachtet? Sind Indigene einfach “mit gemeint“? Nehmen sie sich selbst als Adressaten, d.h. Teilzielgruppe der internationalen Zusammenarbeit wahr? Partizipieren sie an den positiven Wirkungen der Maßnahmen – als Arme in Armutsminderungsprojekten, als Bauern und Bäuerinnen in Maßnahmen der ländlichen Entwicklung, als Klein- und Mittelunternehmer/innen, als Lehrkräfte usw.? Diesen Fragen widmet sich das Kapitel in gebotener Kürze in 4 Schritten: (1) einem Rückblick auf das Verhältnis indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit, (2) dem Hintergrund der Diskussion: indigene Völker auf der internationalen Ebene, (3) der deutschen EZ mit indigenen Völkern und (4) einer abschließenden Reflektion.
1. Indigene Völker und Entwicklungszusammenarbeit: eine schwierige Geschichte Die Entwicklungspolitik, ein relativ junges Politikfeld, folgt meist Vorgaben anderer Politikfelder und durchlief in ihrer kurzen Geschichte
1
Nach Schätzung der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB): www.iadb.org/sds/ind/index_ind_e.htm; vgl. hierzu die Zusammenstellung von BARIÉ, 2004 und in Anhang 1
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einige konzeptionelle und strategische Wandlungen. Dies betrifft auch die Zielorientierung und die Rolle, die Zielgruppen und zivilgesellschaftliche Akteure bei der Konzipierung des Politikfeldes und bei dessen Umsetzung in Projekten und Programmen spielen. Indigene Völker waren nicht von Anfang an Thema der deutschen, europäischen oder internationalen Zusammenarbeit. Diese stand vielmehr seit Ende des 2. Weltkrieges und damit zu Beginn der Entwicklungszusammenarbeit unter den Prämissen der Systemkonkurrenz zwischen Ost und West. Während dieser ersten Dekaden der EZ leisteten die Industrieländer Beiträge zu einer “nachholenden Entwicklung und Modernisierung“ der jeweiligen Partnerländer. In dieser Zeit, in die ebenfalls die Unabhängigkeit ehemaliger afrikanischer Kolonien fiel, war die entwicklungstheoretische Diskussion bestimmt vom Paradigma des Wachstums und der Erwartung einer schnellen Angleichung des Südens an die wirtschaftlichen Standards des Nordens. Dieser Ansatz ist mittlerweile gescheitert, eine nachholende Entwicklung der Länder des Südens fand nur höchst unvollständig statt und implizierte für die Gesellschaften, insbesondere für arme und marginalisierte Bevölkerungsgruppen, hohe soziale Kosten, einschließlich der direkten Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen. Letzteres gilt insbesondere für große Infrastrukturmaßnahmen, die nicht nur durch die IZ sondern auch durch die Nationalregierungen selbst realisiert wurden, wie beispielsweise durch den Abbau von Bodenschätzen (siehe auch FELDT in diesem Band). Als Gegenentwurf zum Paradigma der Modernisierung entwickelte sich vor allem in Lateinamerika die Dependenztheorie, die “Unterentwicklung“ als Folge von Abhängigkeiten des Südens vom Norden interpretierte und andere, vornehmlich politische “Entwicklungsentwürfe“ vorlegte. Die Dependenztheorie nahm mit ihrem ökonomistischen Ansatz die Realität der
Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit
indigenen Völker ebenfalls nicht wahr. Seit den späten 1950er Jahren war der lateinamerikanische Kontinent von revolutionären Umbrüchen und den Reaktionen darauf bestimmt. Dennoch fanden ab den 1970er Jahren auch indigene Völker Lateinamerikas, insbesondere des Tieflandes internationale Aufmerksamkeit. Eine besondere Rolle nimmt dabei der von Sozialwissenschaftlern getragene Aufruf der ersten Konferenz von Barbados (“Symposium on Inter-Ethnic Conflict in South America“, 1971) ein: Indigene sollten vor entfremdenden Außeneinflüssen bewahrt und ihr Recht, die eigene Entwicklung zu definieren und umzusetzen anerkannt werden. Die konsequente Empfehlung war der Rückzug weitgehend aller Außeneinflüsse (Declaration of Barbados, 1971, Internetveröffentlichung).2 Die noch stellvertretend für die indigenen Völker sprechende Konferenz (Barbados I) wurde 1977 gefolgt von Barbados II mit intensiverer Teilnahme und unter Leitung indigener Vertreter/innen. Die Erklärung von Barbados II fasst die Situation indigener Völker u.a. in der folgenden Schlussfolgerung zusammen (CONTRERAS, 1988:179): “Los pueblos indoamericanos están divididos internamente o entre sí por la acción de las políticas de integración, educativas, de desarrollo, los sistemas religiosos occidentales, las categorías económicas y las fronteras de los estados nacionales.“ Die hierzu international geführte Diskussion begann die Wahrnehmung der Entwicklungsagenturen und Geberländer hinsichtlich ihrer Einflüsse auf indigene Völker und deren Rolle in der Gesellschaft der Partnerländer zu schärfen. Von größerem Einfluss auf die Orientierung in der EZ waren jedoch die Prozesse der Sichtbarwerdung indigener Völker auf der internationalen Bühne der UN. In der vierten Entwicklungsdekade (19912000) erfolgte ein umfassender Paradigmenwechsel hin zum “Leitbild nachhaltiger Entwicklung, das soziale, kulturelle, wirtschaftliche, politische und ökologische Aspekte zu einem Gesamtkonzept integriert“ (KLEMP, 2000:61). Erst in diesem Prozess gelang es den Entwicklungsagenturen, die Zielgruppen
2
http://www.nativeweb.org/papers/statements/ state/barbados1.php
und ihre sozialen, sozio-kulturellen und kulturellen Potenziale und Konditionen in den Blick zu bekommen: Männer und Frauen, Angehörige verschiedener sozialer Schichten und ethnischer Gruppen. Diese Entwicklungen finden ihren Ausdruck in entsprechenden Veröffentlichungen, wie z.B. durch das BMZ: Soziokulturelle Kriterien für Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit (1992), Sektorübergreifendes Zielgruppenkonzept (1995) und 1999 das Partizipationskonzept. Das Jahr 1992 – das Gedenken an 500 Jahre Eroberung oder “Begegnung der Kulturen“ – und die Organisation dieses Gedenkens durch indigene Völker in Lateinamerika erleichterte ihre internationale Wahrnehmung. Einen Ausdruck finden diese Reflektionen auch in der Verabschiedung des Papiers “Förderung von Waldvölkern im Rahmen des Tropenwaldprogramms“ und des “Konzepts zur Zusammenarbeit mit indianischen Bevölkerungsgruppen in Lateinamerika“ durch das BMZ (beide 1996). Auch andere bilaterale Geber und multilaterale Agenturen legten in der Dekade der 1990er Jahre entsprechende Konzepte vor. Die Diskussion war von zweierlei Interesse geleitet: Vorrangig war das Interesse an der nachweislichen Wirksamkeit des eigenen entwicklungspolitischen Tuns, d.h. der Projekte und Programme der EZ und damit auch an der Sicherung positiver Wirkungen auf indigene Bevölkerungsgruppen. Wenn dies nicht nachweisbar war, so sollte doch zumindest abgesichert werden, dass indigenen Zielgruppen kein Schaden zugefügt wurde.3 Diese frühen Ansätze zur Wahrnehmung indigener Völker – von deutscher Seite auf Lateinamerika und die Karibik konzentriert – bezogen sich vor allem auf die indigenen Völker in Tieflandregionen, meist in Waldregionen mit labilem ökologischen Gleichgewicht. Im Zusammenhang mit der ökologisch orientierten Nachhaltigkeitsdiskussion kamen indigene Völker und ihre Formen angepasster Ressourcennutzung und damit ihre Funktionalität für 3
Im “Do-no-harm“-Ansatz im Kontext der Forderung von Konfliktbearbeitung und Friedensentwicklung wurde dieses Interesse außerhalb des spezifischen Zielgruppenbezugs auf indigene Völker zum methodischen Ansatz weiterentwickelt.
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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit
Maßnahmen des Natur- und Ressourcenschutzes in den Blick. Die Verknüpfung des ethnischen mit dem ökologischen Diskurs erfolgte international nach langen und schwierigen Debatten insbesondere zum Konzept des Schutzes natürlicher Ressourcen, an denen auch indigene Organisationen aktiv beteiligt waren. Dies findet in den Erklärungen des “Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung“ 1992 in Rio de Janeiro seinen prominentesten Ausdruck. Da der ökologische Diskurs international mehr Aufmerksamkeit auslöste als die Forderungen nach Anerkennung indigener Völker führte die gelungene Verknüpfung beider zu einer international größeren Aufmerksamkeit für indigene Völker in ihrer Rolle als Bewahrer natürlicher Ressourcen und labiler ökologischer Gleichgewichte. Auf Grund seiner Bedeutung wird dieser Ansatz bis heute verfolgt.4
Foto: Saraguro- Bevölkerung im Hochland Ecuadors (S. REINHARDT)
Die Wahrnehmung indigener Völker durch die Institutionen der EZ korreliert auch mit den Rollen, die indigene Völker innerhalb ihrer Nationalstaaten einnahmen. Noch in den 1970er Jahren herrschte der Diskurs des “mestizaje“ (Mestizisierung) vor, der die direkte Ausgrenzung indigener Bevölkerung ablöste, selbst jedoch ebenfalls eine Spielart von Ausgrenzung darstellt: Indigene Völker werden durch die Einebnung und Verleugnung ethnischer und kultureller Charakteristika nur als Mestizen sozial anerkannt. Internationale Ent4
Vgl. die Arbeitsgruppe “Indigene Völker des Fachverbundes Ländliche Entwicklung“ der GTZ (FORO DE PROYECTOS “DESAROLLO RURAL EN LATINOAMÉRICA Y CARIBE“, 2002; 2003) und das Positionspapier im TZ - Pilotvorhaben Umwelt und Ressourcenschutz der GTZ, 1993.
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wicklungen, v.a. auf der UN-Ebene, haben die allmähliche Anerkennung in den einzelnen Ländern beeinflusst. In den 1980er Jahren wurden in vielen lateinamerikanischen Ländern indigene Völker, ihre Kulturen und Sprachen, ihre damit verbundenen spezifischen Forderungen zur Kenntnis genommen und in Gesetzen, teilweise auch in neuen Verfassungen aufgegriffen. Dieser Prozess verband sich in vielen lateinamerikanischen Staaten mit der Demokratisierung nach Phasen der Militärdiktatur. Aktueller Endpunkt dieser Entwicklung ist die Verankerung des Konzepts einer multiethnischen oder multikulturellen Gesellschaft (teilweise pluriethnisch und plurinational genannt) in der Verfassung wie in Bolivien, Brasilien, Ecuador, Guatemala, Kolumbien, Nicaragua, Panama, Paraguay und Venezuela (vgl. die zusammenfassende Analyse lateinamerikanischer Rechtssysteme durch BARIÉ, 2004). Die einzelnen Stränge dieses Prozesses der Sichtbarwerdung indigener Völker, ihre Anerkennung in ihren Nationalstaaten, der Aufbau von Vertretungsstrukturen auf unterschiedlichen Ebenen bis hin zu den UN und ihre “Berücksichtigung“ in den Agenturen und Instanzen der Entwicklungszusammenarbeit ist voneinander nicht zu lösen. Der Präsenz indigener Vertreter auf UN-Ebene kommt dabei erhebliche Bedeutung zu. Mittlerweile ist IZ für indigene Völker und ihre Organisationen eine der Umfeldbedingungen, die sie in ihren Strategien aufgreifen und an deren Gestaltung sie sich beteiligen (wollen). Ein wesentliches Element dieses neuen Verhältnisses Indigene Völker – Internationale Zusammenarbeit ist die Anerkennung der jeweiligen Kompetenzen und Interessen sowie ein dialogischer Prozess. Die gesamtgesellschaftlichen Bedingungen in den Partnerländern, die Positionen und Situationen indigener Völker, ihre Kulturen und Lebensweisen sind ebenso wie die Konzepte und Positionen der Institutionen der IZ permanentem Wandel unterworfen. Angesichts dieses Wandels sind alle Beteiligte immer wieder neu
Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit
zu einer eigenen Positionierung im Dialog aufgefordert.5
2. Hintergrund der Diskussion: Indigene Völker auf internationaler Ebene Hauptunterstützer im Prozess der Sichtbarwerdung indigener Völker waren die Vereinten Nationen mit ihren Verlautbarungen mit weltweiter Gültigkeit. Indigene Völker aus Lateinamerika und der Karibik waren ihrerseits wichtige Motoren dieser Entwicklung auf UNEbene.
International Labour Organisation (ILO) Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO, International Labour Organisation) ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Sie wurde bereits 1919 gegründet und 1946 in die UN eingegliedert. Ihre Themen sind seit nahezu 100 Jahren soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte und Arbeitsrechte. Die ILO ist das erste supranationale Gremium, das die Thematik der indigenen Völker aufgriff und bis heute die einzigen internationalen Regelwerke hierzu verantwortet. Bereits 1957 wurde die ILO Konvention 107 “Convention Concerning the Protection and Integration of Indigenous and other Tribal and Semi-Tribal Populations in Independent Countries“ erarbeitet und verabschiedet, entsprechend dem damaligen Diskussionsstand in einer durch Integration und Assimilation geprägten Sicht auf die indigenen und in Stämmen lebenden Völker. Nach der im Auftrag der UN durch MARTÍNEZ COBO (1987) durchgeführten Studie, der Einrichtung einer Arbeitsgruppe zu indigenen Bevölkerungen und dem Paradigmenwechsel in der internationalen Diskussion forderten auch indigene Vertreter zunehmend die Überarbeitung der Konvention. Die Konvention 169 “Indigenous and Tribal Peoples Convention“ ist Produkt dieser Überarbeitung. Sie wurde 1989 verabschiedet und trat 1991 in Kraft. Sie ist aktuell der Ausgangspunkt aller internationalen Dokumente, Erklärungen und Übereinkünfte sowie der EZ5
Das BMZ bereitet aktuell in Zusammenarbeit mit Entwicklungsagenturen und NRO die Fortschreibung seines Konzeptes zur Zusammenarbeit mit indigenen Völkern vor, das mit indigenen Vertreter/innen abgestimmt werden soll.
Konzepte zu indigenen Völkern. Sie ist auch wichtigster Bezugspunkt für indigene Organisationen und ihre politischen Forderungen. Die Konvention 169 garantiert als einziges internationales Regelwerk mit völkerrechtlicher Verbindlichkeit den indigenen Völkern das Recht auf eigenes, meist historisch begründetes Land,6 auf ihre Kultur und Sprache, und verpflichtet die unterzeichnenden Regierungen auf Mindeststandards bei der Umsetzung dieser Rechte. Sie betont den besonderen Beitrag indigener Völker zur kulturellen Vielfalt. Die Konvention verwendet den Begriff “Völker“, schließt jedoch die damit verbundenen völkerrechtlichen Ansprüche explizit aus. Die Diskussion um diese Begrifflichkeit wird immer wieder geführt. Auf deutscher Seite hat man bislang den Begriff der “Bevölkerungen“ bzw. “Bevölkerungsgruppen“ verwandt. In Anlehnung an internationale Vereinbarungen und indigene Erwartungen wird in dieser Veröffentlichung von “Völkern“ im o.g. eingeschränkten Sinn gesprochen. Mit Relevanz für die Entwicklungszusammenarbeit spricht die Konvention 169 den indigenen Völkern das Recht zu, “ihre eigenen Prioritäten für den Entwicklungsprozess“ festzulegen und bei der “Aufstellung, Durchführung und Bewertung von Plänen und Programmen für die nationale und regionale Entwicklung mitzuwirken“. Damit verpflichtet sie auch die Geberländer sowie die multilateralen Organisationen zu dieser partizipativen Vorgehensweise. Bisher wurde die Konvention von den folgenden lateinamerikanischen Staaten ratifiziert: Argentinien, Bolivien, Brasilien, Costa Rica, Dominikanische Republik, Ecuador, Guatemala, Honduras, Kolumbien, Mexiko, Paraguay, Peru, Venezuela. Darüber hinaus haben Fidschi, die Niederlande und Dänemark die Konvention ratifiziert.7 Für Panama und El Salva6
Zur Diskussion um Land, Territorium, Habitat und die Implikationen dieser Konzepte, siehe auch RATHGEBER in diesem Band. 7 Das EU Parlament hat die Mitgliedsstaaten 2002 aufgefordert, dem Beispiel Dänemarks und der Niederlande zu folgen und die Konvention zu ratifizieren, vgl. A5-0451/23002.
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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit
dor, die die Konvention 107, nicht aber die Konvention 169 ratifizierten, bleibt erstere verbindlich. Nach einer Analyse der IDB wird die Konvention im jeweils nationalen Recht höchst unterschiedlich, zum Teil jedoch auch von Ländern umgesetzt, die sie nicht ratifiziert haben.8 Auf der Grundlage einer qualitativen Analyse der für Indigene relevanten Gesetzeswerke reicht die Spannbreite der Implementierung von über 80% in Mexiko und Kolumbien bis zu 20% in Guatemala. Daneben sind indigene Völker und ihre Rechte auch von anderen ILO Standards betroffen, beispielsweise in der Konvention 29 zur Zwangsarbeit (1930), Konvention 111 zu Diskriminierung in Arbeit und Beschäftigung (1958) und der “UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (1965).“ In diesem Zusammenhang ist auch die “American Declaration on the Rights of Indigenous Peoples“ zu erwähnen, die auf Ebene der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) bearbeitet wird, aber noch nicht verabschiedet ist. Erst 1999 wurde der von den Staaten erarbeitete Erklärungsentwurf für die Kommentierung durch indigene Vertreter/innen geöffnet und 2001 gemeinsam diskutiert. Die Kontroversen sind noch nicht ausgeräumt.
Arbeitsgruppe zu indigenen Völkern Für die Präsenz indigener Völker war daneben insbesondere seit 1982 die Arbeitsgruppe zu indigenen Bevölkerungen von Bedeutung. Die Arbeitsgruppe wurde im September 1981 von der Unterkommission für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte vorgeschlagen, im März 1982 von der UNMenschenrechtskommission angenommen und im Mai 1982 von ECOSOC (Wirtschaftsund Sozialrat der UN) gebilligt. Sie hält seit 20 Jahren ein jährliches Arbeitstreffen ab. Diese Arbeitsgruppe ist die offenste der UN-Gremien für indigene Völker: auch Vertreter/innnen von indigenen Organisationen können daran teilnehmen. Sie ist aktuell in ihrem Fortbestand in die Diskussion geraten. 8
Vgl. entsprechende Details unter http://www.iadb.org/sds/ind
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Indigene Dekade (1995-2004) Einer Empfehlung der Weltkonferenz über Menschenrechte (1993 in Wien) folgend, die ebenfalls die indigenen Völker mit ihrem “einzigartigen Beitrag zu gesellschaftlicher Entwicklung und Pluralismus“ würdigte, rief die UN-Generalversammlung (Resolution 48/163 of 21 Dezember 1993) die “Internationale Dekade der autochthonen Bevölkerungsgruppen der Welt 1995-2004“ (im folgenden “indigene Dekade“) aus. Ziel der Dekade war es u.a. die internationale Zusammenarbeit auf die Lösung der Probleme, mit denen indigene Völker konfrontiert sind (Umwelt, Menschenrechte, Entwicklung, Bildung, Gesundheit u.a.) zu orientieren. In ihrem Verlauf sollte außerdem eine UNErklärung zu indigenen Rechten verabschiedet werden.
“Respecto a demandas de cooperación internacional puedo señalar lo siguiente. Derechos, Democracia y Ciudadanía, Recursos naturales renovables y no renovables, Fomento Económico, Educación.” FROILAN CONDORI (CSUTCB) Bolivien (Quelle: persönliche Kommunikation)
Mit Beginn der indigenen Dekade berief die Kommission eine weitere Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines Textentwurfs ein, mit dem Ziel, im Rahmen der Indigenen Dekade der UN-Vollversammlung einen konsensfähigen Erklärungsentwurf vorzulegen: “Open Ended Working Group on the Draft Declaration on the Rights of Indigenous Peoples“ (WGDD). Diese Arbeitsgruppe mit einer feststehenden Mitgliedschaft hat 1993 einen Entwurf zu einer UN-Erklärung zu Rechten der indigenen Völker erarbeitet, der seit 1994 der Menschenrechtskommission zur weiteren Bearbeitung vorliegt. Der Vorschlag ist sehr weitreichend: “(…) covers rights and freedoms including the preservation and development of ethnic and cultural characteristics and distinct identities; protection against genocide and ethnocide; rights related to religions, languages and educational institutions; ownership, possession or use of indigenous lands and natural resources; protection of cultural and intellectual property;
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maintenance of traditional economic structures and ways of life, including hunting, fishing, herding, gathering, timber-sawing and cultivation; environmental protection; participation in the political, economic and social life of the States concerned, in particular in matters which may affect indigenous people's lives and destinies; self-determination; self-government or autonomy in matters relating to indigenous peoples' internal and local affairs; traditional contacts and cooperation across State boundaries; and the honouring of treaties and agreements concluded with indigenous peoples. The draft declaration also foresees mutually acceptable and fair procedures for resolving conflicts or disputes between indigenous peoples and States, involving means such as negotiations, mediation, arbitration, national courts, and international and regional human rights review and complaints mechanisms” (UNHCHR, 1995, Internetveröffentlichung). Hauptschwierigkeit ist die kontroverse Diskussion um das Selbstbestimmungsrecht indigener Völker. Zum Ende der Dekade muss aktuell festgestellt werden, dass die Ziele nicht zufriedenstellend erreicht worden sind. Die Auswertung der Wirkungen der Dekade durch Vertreter/innen indigener Organisationen weltweit kommt ebenfalls zu einem nur eingeschränkt positiven Ergebnis (vgl. CONFERENCIA DEL MILENIO DE LOS PUEBLOS INDÍGENAS, 2001). Die Arbeitsgruppe hatte daher vorgeschlagen, die Dekade um weitere 10 Jahre zu verlängern. Dies wurde jedoch bisher abgelehnt.
Sonderberichterstatter der UNMenschenrechtskommission Neben der Durchführung von international beachteten Studien (vgl. MARTÍNEZ COBO, 1987 und DAES, 2000) und der Einrichtung der Arbeitsgruppen und Diskussionsforen benannte die UN-Menschenrechtskommission einen Sonderberichterstatter für indigene Angelegenheiten, Dr. Rodolfo Stavenhagen. Jährlich legt der Sonderberichterstatter der UNMenschenrechtskommission einen Bericht über die Situation indigener Völker vor, mit besonderer Relevanz für die Länder, die er im
Laufe des Jahres besuchte und für die er eigene nationale Berichte erstellte, so zum Beispiel für Chile (2003) und Kolumbien (2004). Außerdem ist er Ansprechpartner für alle indigenen Völker, Organisationen und Individuen, die sich direkt an ihn wenden können.
Ständiges Forum für indigene Fragen Einer weiteren Empfehlung der Weltkonferenz zu Menschenrechten (Wien, 1993) folgend, beschlossen die UN die Einrichtung des “Ständigen Forums für indigene Fragen“, das seit 2002 direkt an den ECOSOC angegliedert ist. Es nimmt die Forderung indigener Organisationen auf, offiziell im UN-System verankert zu sein. Mitglieder des Ständigen Forums sind 16 unabhängige Experten, die als Personen in dieses Gremium berufen werden. Acht Mitglieder werden von den Regierungen vorgeschlagen und weitere acht setzen sich aus Angehörigen indigener Völker zusammen, die vom Präsidenten des ECOSOC bestimmt, d.h. nicht direkt von indigenen Organisationen ernannt werden. Aufgabe des Forums ist die Beratung der Vereinten Nationen bei Angelegenheiten, die indigene Völker betreffen. Befugnisse (Beratung oder Entscheidung), Zusammensetzung (berufen oder entsandt) und der Name des Forums (“für indigene Völker“ oder “für indigene Fragen“) wurden lange diskutiert und nicht zur Zufriedenheit der indigenen Vertreter/innen gelöst. Das Forum tagt seit 2002 einmal im Jahr und wird 2007 evaluiert werden.
Weltkonferenzen Die grundlegenden Positionen der UN zum Schutz und zur Förderung indigener Völker wurden in den einschlägigen Weltkonferenzen seit der 1990er Dekade jeweils auf die spezifische Thematik und ihre Relevanz für indigene Völker ausformuliert. Die jeweiligen Erklärungen werden auch in der Entwicklungszusammenarbeit als sektorale Richtwerte und Empfehlungen aufgegriffen. Die Empfehlungen der Weltkonferenz zu Menschenrechten 1993 in Wien wurden bereits genannt. Die beiden “Weltkonferenzen zur Bekämpfung des Rassismus und Rassendiskriminierung“ (1978 und 1983) haben die spe-
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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit
zifische Diskriminierung indigener Völker und in ihrer Abschusserklärung einige der im Entwurf der WGDD genannten Prinzipien thematisiert. Ausführlich und eindrücklich finden sich die Interessen und Rechte indigener Völker in der “Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz“ (2001 in Durban) und deren Schlusserklärung wieder (UNHCHR, 2001). Von besonderer Bedeutung für die Entwicklungszusammenarbeit aber auch für die Situation indigener Völker war der erste “Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung“ 1992 in Rio de Janeiro. Insbesondere die Agenda 21 identifiziert indigene Völker neben Frauen und Gewerkschaften als relevante Gruppen und stellt in ihrem Kapitel 26 deren wichtige Rolle für die nachhaltige Entwicklung heraus. Dies wurde im Jahr 2002 in der Erklärung von Johannesburg über nachhaltige Entwicklung (Rio plus 10; Artikel 25) erneut bestätigt. Das “Übereinkommen über die biologische Vielfalt“ (Biodiversitätskonvention) wurde ebenfalls 1992 in Rio de Janeiro erarbeitet und bisher von 186 Staaten und der EU unterzeichnet. Mit dem Artikel 8j (In-situ-Erhaltung) der Konvention wird erstmals Existenz und Bedeutung traditionellen Wissens als allgemeines Kulturgut indigener Gemeinschaften anerkannt. Damit wird auch das Einverständnis indigener Wissensträger zur breiten Nutzung traditionellen Wissens und ihre Beteiligung am dabei entstehenden Gewinn festgelegt. Die schwierige konkrete Umsetzung dieser Rechtsgrundlage beschäftigt nicht nur die darauf spezialisierte UN-Sonderorganisation WIPO (Weltorganisation für geistiges Eigentum), sondern ebenfalls die Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS) (siehe auch ROSSBACH DE OLMOS in diesem Band). Auch die Weltbevölkerungskonferenz in Kairo (1994), die Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking und Habitat II (1996) in Istanbul griffen die Thematik auf, konstatierten die spezifische Problematik indigener Völker und bestätigten ihre Rechte und Rolle für eine nachhaltige Entwicklung ihrer Gesellschaften.
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“Support should be targeted directly to indigenous peoples organisations rather than the creation of complex organisational structures which serve as obstacles to decisionmaking, disbursement and implementation. The partnership model (...) provides a useful potential model for such an approach (...)” MARCIAL ARIAS (Direktor der Stiftung zur Förderung traditionellen Wissens, Panama) (Quelle: ARIAS, 2002:23)
Indigene Völker sind ebenfalls bei den Weltkongressen zu Naturschutzgebieten (IUCN) seit 1996 beteiligt und werden in den jeweiligen Erklärungen und Empfehlungen zuletzt 2003 in Durban entsprechend gewürdigt; ihre grundlegenden Forderungen nach Land, Ressourcen und Beteiligung werden explizit anerkannt (siehe auch ROSSBACH DE OLMOS in diesem Band).
Andere UN-Organisationen Auch andere spezialisierte UN-Organisationen haben sektorspezifische Positionierungen hinsichtlich indigener Völker vorgenommen. Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) hat über die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (PAHO) mit spezifischem Fokus auf Lateinamerika 1997 die Initiative “Strategic Orientations for the Implementation of the Health of the Indigenous Peoples“ lanciert (siehe auch HEISING & REINHARDT in diesem Band). Die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) hat in ihrer jüngsten Erklärung zur kulturellen Vielfalt9 im vierten Artikel verdeutlicht: “The defence of cultural diversity is an ethical imperative, inseperable from respect for human dignity. It implies a commitment to human rights and fundamental freedoms, in particular the rights of persons belonging to minorities and those of indigenous peoples.“ Aber auch in Vorläuferdokumenten mit weniger verbindlichem Charakter, wie dem Bericht “Unsere kreative Vielfalt“ (1995) der “Weltkommission Kultur und Entwicklung“ unter Leitung von Pérez de Cuellar wird auf die Bedeutung kultureller Diversität 9
“This is a legal instrument, which recognizes, for the first time, cultural diversity as a common heritage of humanity” (UNESCO, 2001).
Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit
und die Rolle, die indigene Völker dabei spielen, aufmerksam gemacht. Diese international relevanten Verlautbarungen werden als Begründung für den Schutz indigener Völker und der von ihnen verbürgten Vielfalt herangezogen. Auch UNEP (Umweltprogramm der Vereinten Nationen) bearbeitet die Thematik indigene Völker und hebt dabei besonders ihre Rechte, Zwangsumsiedlung zu vermeiden, und sich an Entscheidungsfindungen und im Sinne eigener Prioritäten zu beteiligen, hervor. Dabei sollen vor allem indigene Frauen und Indigene in Konflikt- und Postkonfliktsituationen unterstützt werden.
UNDP (Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen) verabschiedete erst im Jahr 2001 nach mehreren Konsultationsrunden auch mit indigenen Organisationen das Konzept “UNDP and Indigenous Peoples – A Policy of Engagement“. UNDP fokussiert in seiner Kooperation mit indigenen Völkern auf intellektuelle Eigentumsrechte, Armutsreduzierung sowie Konfliktprävention und Friedensförderung, und will Perspektiven und Entwicklungskonzepte indigener Völker in die eigene Arbeit integrieren. Damit soll langfristig die Beteiligung indigener Völker auf allen Entscheidungsebenen erreicht werden.
Foto: Maya Kinder in Guatemala (A. BEGEMANN)
Mit diesen verbindlichen Vereinbarungen der Völkergemeinschaft wird für die Entwicklungszusammenarbeit ein Rahmen vorgegeben und sektoral präzisiert, der für multi- und bilaterale Geber und Entwicklungsagenturen nicht nur eine hilfreiche Orientierung sein kann, sondern Standards definiert und bindenden Charakter hat. Die auf UN-Ebene vereinbarten Rechte indigener Völker betreffen nicht nur die Vertragsstaaten der ILO Konvention 169 und die Staaten mit indigenem Bevölkerungsanteil, sondern auch all jene Staaten und Institutio-
nen, die mit ihrem Einfluss die Entwicklung anderer Länder und damit auch die Chancen und Möglichkeiten dort lebender indigener Völker mitbestimmen. Die Gremien indigener Völker auf UN-Ebene greifen ihrerseits die international diskutierten Themen in ihren Sitzungen auf, und versuchen damit Synergien mit anderen mehr beachteten Institutionen des UN-Systems zu erwirken. So war das zentrale Thema des “Ständigen Forums für indigene Fragen“ 2003 “Indigene Kin-
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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit
der und Jugendliche“. Damit ergab sich 2003 eine inhaltliche Synergie mit den Bemühungen um die Anerkennung der Kinderrechte durch das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF (Kinderrechtskonvention von 1989, insbesondere Artikel 30: Rechte indigener Kinder). UNICEF, 2003 wiederum hatte die Thematik indigener Kinder zum Jahresthema erklärt und die Veröffentlichung “Ensuring the Rights of Indigenous Children“ vorgelegt. Die Bedeutung dieser Synergien kann nicht überschätzt werden: Wenn UNICEF die Thematik indigener Kinder und Jugendlicher aufgreift, und die Rechte der entsprechenden Konvention spezifisch für diese Zielgruppe thematisiert, hat das eine breitere Wirkung als die Diskussionen im eher intern wahrgenommenen “Ständigen Forum“.10 Eine ähnlich strategische Verknüpfung von Themen und politischen Forderungen leistet die WGDD mit dem zentralen Thema für 2004 “Indigene Völker und Konfliktbearbeitung“, angesichts der zunehmenden Relevanz, die das Thema der Konfliktbearbeitung international und in der IZ gewinnt.
Weltbank Als eine der ersten multilateralen Institutionen hat die Weltbank – auch auf Grund der spezifischen Kritik gegen bankenfinanzierte Großprojekte vor allem im Bereich von Infrastrukturmaßnahmen – im September 1991 ihre Leitlinien für die Zusammenarbeit mit indigenen Völkern, die “Operational Directive (OD) 4.20“ veröffentlicht, mit dem Ziel
sicherzustellen, dass indigene Völker von Entwicklungsprojekten profitieren und,
Das Konzept definiert indigene Völker nach den Kriterien der Selbstidentifizierung und Identifizierung durch andere, Sprache, eigener sozialer Institutionen, einer engen Bindung an ihr traditionelles Land und ihre Umwelt und einer an Subsistenzwirtschaft orientierten Produktion. Diese Definition schließt weite Teile indigener Bevölkerung aus, explizit die Indigenen, die nicht in der Landwirtschaft tätig, bzw. in Städte migriert sind. Das Konzept befindet sich in Überarbeitung. Die neue Version wird als Operational Policy/ Bank Procedures 4.10 “World Bank Draft Indigenous Peoples Policy“ seit 2001 mit Regierungen, Nichtregierungsorganisationen (NRO), Experten und indigenen Organisationen diskutiert. Gleich bleibt in der neuen Version die Fokussierung auf indigene Völker im ländlichen Raum, einschließlich der Anerkennung individueller und kollektiver Landrechte und der Betonung indigenen Wissens. Indigene Migrant/innen werden von diesem Konzept weiterhin explizit ausgeschlossen (siehe auch SPEISER in diesem Band). Positiv ist eine stärkere Beteiligung der indigenen Gemeinschaften bei der Entwicklung und Umsetzung von Projekten, Konsultations- und Beteiligungsrechten vor allem auch indigener Frauen. Die Umsetzung des Konzeptes in den Vorhaben der Bank soll stärker operationalisiert werden, beispielsweise im empfohlenen “Poverty and Social Impact Analysis“.11
Interamerikanische Entwicklungsbank
Hierzu soll ein “Indigenous People's Development Plan“ verhelfen, in dessen Rahmen Fragen mit Relevanz für indigene Völker als Teil des Dialogs zwischen Bank und den Empfängerländern festgeschrieben werden.
Bereits seit Mitte der 1980 Jahre war es erklärtes Ziel der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB), auf eine größtmögliche Vermeidung negativer Neben- und Folgewirkungen ihrer Arbeit auf die indigenen Völker Lateinamerikas zu achten. Folgerichtig wurden die Anliegen indigener Völker seit Beginn der 1990er Jahre verstärkt in den Maßnahmen der IDB berücksichtigt.
10
Im Februar 2004 hat die IDB nun eine eigene Indigenenpolitik in zwei Entwürfen (2004a;
mögliche negative Auswirkungen der Aktivitäten der Bank auf indigene Völker zu vermeiden oder zu überwinden.
Als Indikator für die unterschiedliche Bedeutung und Bekanntheit der Konventionen sei auf die Anzahl der unterzeichnenden Staaten hingewiesen: ILO Konvention 169: 16 und Kinderrechtskonvention: 192.
36
11
Vgl. http://lnweb18.worldbank.org/ESSD/ sdvext.nsf/81ByDocName/PSIAintheWorldBank
Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit
2004b) zur weiteren Diskussion vorgelegt: “Strategic Framework for Indigenous Development“ und “Operational Policy on Indigenous Peoples”. Fokus ist dabei ”development with identity“, “(…) a concept that recognizes the conditions of material poverty, inequality and exclusion of indigenous peoples, as well as the potential of their cultural, natural and social assets, with a view to increasing their access, with gender equality, to the opportunities for socioeconomic development, at the same time as strengthening their identity, culture, territoriality, natural resources and social organization, under the premise that sustainable development requires the initiative and empowerment of the beneficiaries, respect for their individual and collective rights, and the recognition that indigenous peoples’ development significantly benefits society as a whole.”12 Dieser Fokus soll in Projekten, Richtlinien, Instrumenten etc. der Interamerikanischen Entwicklungsbank verbreitet und zur Umsetzung gebracht werden.13 Weltbank und IDB unterhalten zusammen mit anderen Entwicklungsorganisationen seit 1991 das Netzwerk “Interagency network on indigenous issues“, das erstmalig in Washington 1991, danach vier weitere Male, zuletzt im Mai 2002 in Santa Cruz, Bolivien, organisiert durch den Fondo Indígena, zusammentrat. Hauptsächliches Ziel des Netzwerks sind der Informationsaustausch und die wechselseitige Unterstützung bei der Verbesserung der eigenen Arbeit mit indigenen Völkern.14
Europäische Union Für die europäische Entwicklungszusammenarbeit, auch für die bilaterale Kooperation der europäischen Länder, ist die Position der Europäischen Union (EU) von besonderer Relevanz, auch wenn sie für die Mitgliedsstaaten
12
Vgl. http://www.iadb.org/sds/doc/ind-GN2296E.pdf Eine Reihe von Studien, die für Umsetzung und Monitoring der neuen Politik von Bedeutung sind, sind auf der spezialisierten Internetseite der IDB einsehbar: http://www.iadb.org/sds/ind 14 Vgl. http://wbln0018.worldbank.org/ESSD/ indigenous.nsf/Control?OpenView&DN=1&SC=QUE +ES+LA+RED+INDIGENA?& 13
und die EU-Administration nicht bindend ist.15 Grundlage der EU-Position ist eine Resolution des Europäischen Parlaments von 1994, in der die UN-Standards für die Kooperation mit indigenen Völkern anerkannt werden (A30059/94). Berücksichtigt wurden ebenfalls die Ergebnisse einer 1995 von der “European Alliance with Indigenous Peoples“ durchgeführten Studie zu den Auswirkungen von EU finanzierten Entwicklungsvorhaben auf indigene Völker. Ausgehend von einer Initiative Dänemarks und Spaniens hat die Europäische Union ihre Politik der Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern im “Working Document of the Commission on support for indigenous peoples in the development co-operation of the Community and the Member States“ vom 11. Mai 1998 und in der für die Mitgliedsstaaten bindenden Resolution des Europäischen Rats vom November des gleichen Jahres definiert (EUROPÄISCHE UNION, 1998a, 1998b). Das Ziel der entwicklungspolitischen Kooperation der EU mit indigenen Völkern ist die Stärkung ihrer Rechte und Fähigkeiten, eine eigene soziale, ökonomische und kulturelle Entwicklung zu gestalten. In diesem Sinne soll der Wirkungsgrad der europäischen Entwicklungspolitik erhöht und die Förderung indigener Völker als Querschnittsaufgabe der EU in alle Vorhaben integriert werden. In Fragen der Anerkennung des Widerspruchsrechts indigener Völker bei Projekten geht das EUArbeitsdokument über die internationalen Vorgaben hinaus: “Indigene Völker haben das Recht, ihren eigenen Entwicklungsweg zu wählen, was das Widerspruchsrecht bei Projekten beinhaltet, speziell auf ihren traditionellen Gebieten. Dies umfasst auch Kompensationen, wo Projekte negative Auswirkungen auf die Lebensumstände von indigenen Völkern haben“ (Art. 6). Hinsichtlich der Maßnahmen in Einzugsgebieten von und mit Auswirkungen auf indigene Völker verweist das Arbeitsdokument auf das Konzept des “freien, frühzeitigen und infor15
Die EU ist einschließlich der bilateralen Kooperation der EU Mitgliedsstaaten weltweit der größte Geber (GRIFFITHS, 2003:30).
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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit
mierten Konsens“16. In Genehmigungsprozessen ist die Zustimmung indigener Völker bei Projekten, die sie betreffen, rechtzeitig und umfassend einzuholen. Die Koordination der Zusammenarbeit mit indigenen Völkern ist in der Generaldirektion “Auswärtige Beziehungen“ angesiedelt. In einem Bericht der Kommission an den Rat wurden im Juni 2002 die Fortschritte bei der Umsetzung der Politik in konkrete Leitlinien und Projekte zusammengefasst. Belange und Rechte indigener Völker werden im Rahmen eines Trainingsprogramms zu Menschenrechten für das Personal der EU-Kommission thematisiert. Die EU-Kommission stellte im internationalen Workshop (SPEAKING OUT, 2002) ihren Bericht zur Diskussion. Die beteiligten indigenen Vertreter/innen formulierten ihre Empfehlungen für die weitere Arbeit. Hieraus soll neben den Forderungen nach einer verbindlichen Politik und der besonderen Betonung indigener Landrechte hervorgehoben werden: “It is necessary to include the concerns of indigenous peoples in the elaboration of Country Strategies and in thematic strategies, taking into account the Convention of Cotonou between the EU and the ACP countries which contemplates the participation of non-State actors in the elaboration of country strategies“. Diese Empfehlung verdeutlicht zweierlei: Zum einen die Notwendigkeit, Leitlinien der spezifischen Vereinbarungen zu indigenen Völkern in die übrigen Strategien einzuführen, und zum anderen dabei die direkte Beteiligung indigener Vertreter zu ermöglichen. Die indigenen Vertreter/innen machten klar, dass die von ihnen angestrebte langfristig orientierte Partnerschaft über die Projektebene hinausgeht (vgl. SPEAKING OUT, 2002: Conclusions, Pkt. 3). Dabei wird die Bedeutung der Reziprozität unterstrichen: “Mutuality means that there is a recognition that each party brings something distinct and special to the relationship, and therefore have different roles in the relationship. (...) on the basis of equality, taking into account the historical reality of each of the actors in this co-operation“ (SPEAKING
16
Eigene Übersetzung, (“free, prior and informed consent“), siehe auch unten.
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OUT, 2002: Conclusions, Pkt. 5). Des weiteren wird die EU nachdrücklich aufgefordert, ihre Prinzipien der Zusammenarbeit mit indigenen Völkern in einer umfassenden und für die Mitgliedsstaaten und die eigene Administration bindenden Politik weiter zu bearbeiten, und dabei die Vertreter/innen indigener Völker zu beteiligen. Dieser Ansatz spiegelt sich ebenfalls in den Empfehlungen des “Ständigen Forums für indigene Fragen“ bei den UN an bi- und multilaterale Institutionen der EZ wider. Aus indigener Sicht ist es eine doppelte Strategie, die zum Einsatz kommt: die Verankerung des Themas und der indigenen Völker als Partner über eigene Strukturen, möglichst mit einem hohen Anteil an Partizipationsmöglichkeiten der indigenen Organisationen, und gleichzeitig die Verknüpfung mit bestehenden Strukturen. Dem kommen die Entwicklungsagenturen nicht in ausreichendem Maße nach, da sie sich zwar in einzelnen Dokumenten und Rahmenrichtlinien auf die Achtung und Förderung indigener Völker verpflichtet haben, das Mainstreaming der Blickrichtung auf indigene Völker aber nicht überzeugend und nachvollziehbar in ihren Projekten und Programmen umsetzen. Aktuell kann diese Verknüpfung in den neuen Armutsminderungsstrategien (Poverty Reduction Strategy Process PRSP) beobachtet werden. Das “Poverty Reduction Strategy Paper“ Boliviens vom Mai 2001 beispielsweise greift die Thematik indigener Völker und ihre Anforderungen und Potenziale zur Armutsminderung auf. Es ist somit ein Beispiel gelungenen Mainstreaming. Hinweise finden sich auch in den PRSP (PRS Paper) für Honduras vom Dezember 2003. Wie sich dies in der Umsetzung auswirkt, wird beobachtet werden müssen. Auch außerhalb der EZ thematisieren die Gipfeltreffen zwischen der EU und den lateinamerikanischen Staaten die Belange indigener Völker und bestätigen deren Recht auf Anerkennung einschließlich ihrer Sprachen und
Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit
Kulturen und auf den Schutz ihrer traditionellen Wissensbestände (OEI, 1999; 2002; 2004).17
3. Deutsche EZ und indigene Völker Im europäischen Kontext haben folgende Länder ein eigenes Konzept für ihre bilaterale EZ mit indigenen Völkern verabschiedet: Niederlande 1993, Dänemark 1994, Spanien 1997, Schweiz 1998. Im November 1996 verabschiedete das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sein “Konzept zur Entwicklungszusammenarbeit mit indianischen Bevölkerungsgruppen in Lateinamerika“18, das anders als Konzepte anderer Geber sich ausschließlich auf Lateinamerika und die Karibik bezieht. Diese geografische Konzentration, die sich im Konzept der spanischen EZ ebenfalls wiederfindet, nicht jedoch im dänischen und im EU-Konzept, wird mit dem Organisationsgrad indigener Völker in Lateinamerika und der Erarbeitung eigener Entwicklungsoptionen begründet, die die Umsetzung eines spezifischen Förderansatzes in Lateinamerika erfolgversprechender erscheinen lassen. Grundlage für die Erarbeitung des Konzeptes waren die internationalen Konventionen und Empfehlungen der UN sowie die bis dato in der Kooperation mit den indigenen Völkern und den Ländern bzw. Regierungen gewonnenen Erfahrungen. Das Konzept gilt seither als verbindliche Orientierung für die Durchführungsorganisationen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, wurde 1999/ 2000 evaluiert und soll in Kürze auf der Grundlage der Ergebnisse weiterer Fallstudien in ausgewählten Ländern (Guatemala, Bolivien, Ecuador, 2004) überarbeitet und fortgeschrieben werden. Anders als in seiner ersten Version (1996), in der Nicht-RegierungsOrganisationen, nicht aber indigene Vertre17
Internetveröffentlichung http://www.oei.es/rio2.htm ; http://www.oei.es/ueal2002b.htm und http://www.oei.es/guadalajara.pdf 18 Das BMZ-Konzept von 1996 spricht von “indianischer Bevölkerung“ oder “indianischen Bevölkerungsgruppen“. Inzwischen besteht Einverständnis darüber, von “indigenen Völkern“ zu sprechen, wobei der Begriff “Volk“ nicht im völkerrechtlichen Sinn gebraucht wird. Eine terminologische Angleichung an den internationalen Sprachgebrauch ist für die Fortschreibung des Konzeptes zu erwarten.
ter/innen an den Diskussionen beteiligt waren, sollen jetzt auch indigene Vertreter/innen aktiv an der Fortschreibung der Konzeption mitwirken. Das BMZ Konzept zielt auf die “Verstärkung des EZ Engagements zugunsten indigener Bevölkerungsgruppen“, beinhaltet aber explizit “keine einseitige Privilegierung indigener Zielgruppen oder die Unterstützung ethnisch orientierter separatistischer Bestrebungen“ (BMZ, 1996b:3). Begründet wird der Fokus auf indigene Völker mit einer zusammenfassenden Analyse ihrer anhaltenden Benachteiligungen, und der in der Praxis unzureichenden Umsetzung internationaler Verpflichtungen (ILO Konvention 169). Trotz dieser Missachtungen der Rechte indigener Völker sieht das BMZ Konzept Anknüpfungspunkte in den lateinamerikanischen Staaten “zu grundlegenden Veränderungen in ihrem Verhältnis zu der eigenen indianischen Bevölkerung“ (BMZ, 1996b:6). Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit unterstützt indigene Völker bei der Formulierung, Durchsetzung und Anerkennung ihrer legitimen Rechte im Kontext ihrer Zielsetzungen, wie:
Armutsbekämpfung Wahrung der Menschenrechte Konsolidierung demokratischer
Gesell-
schaftsstrukturen
Politische Partizipation aller Bevölkerungsgruppen
Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen am gesellschaftlichen Wohlstand
Anerkennung traditioneller Kenntnisse und Anerkennung nachhaltiger Bewirtschaftungsformen in sensiblen Ökosystemen In Regionen mit hohem indianischem Bevölkerungsanteil in den Andenländern, im ChacoGebiet (Paraguay/ Bolivien), im Amazonasbecken und in Mittelamerika konzentriert sich die bisherige Förderung. Eine einseitige Konzentration auf im Tropenwald ansässige indianische Bevölkerungsgruppen soll explizit vermieden werden. Das BMZ fördert Ansätze der Zusammenarbeit auf regionaler Ebene, u.a.
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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit
auch durch die länderübergreifende Kooperation und Vernetzung von Einzelvorhaben.
“(…) como mujer, indígena y ex-dirigenta del movimiento indígena, a nombre de los pueblos indígenas del Ecuador agradezco el trabajo de la Cooperación Alemana en el Ecuador, y decir que ahora más que nunca, en esta nueva coyuntura que viven las comunidades y organizaciones exhortar a que sigan cooperando como lo vienen haciendo en todos los campos: educativo, ambiental, procesos participativos y democráticos, fortalecimiento de economías territoriales y formación de líderes.” LOURDES TIBÁN, CONAIE, Ecuador (Quelle. persönliche Kommunikation)
Indigene Zielgruppen sollen laut BMZ Konzept sektorunabhängig immer einbezogen werden, wenn sie von einem Projekt direkt oder indirekt betroffen sind. Darüber hinaus nennt das Konzept spezifische Schwerpunkte der direkten Kooperation mit indigenen Völkern wie z.B.:
Gesetzliche Absicherung der tradierten Rechtsansprüche (individuelle und gemeinschaftliche Eigentums-, Besitz- und Nutzungsrechte)
Schutz vor Zwangsumsiedlung, entschädigungsloser Enteignung und sonstigen Eingriffen in ihren Lebens- und Wirtschaftsraum
Diese Schwerpunkte finden sich weitgehend in der Projektwirklichkeit wieder. Insbesondere werden Projekte mit explizitem Bezug zu indigenen Völkern in den Bereichen ländliche Entwicklung, Erhaltung des Tropenwaldes, Verbesserung von Primarschulbildung und – momentan weitgehend abgeschlossen – auch von Basisgesundheitsdiensten durchgeführt. Im Einklang mit der internationalen Diskussion betont das Konzept des BMZ die Notwendigkeit, die indigene Bevölkerung bei der Projektfindung über den gesamten Projektzyklus frühzeitig und dauerhaft einzubeziehen, und die Vorhaben auch an den Vorstellungen und der Bereitschaft zur Mitarbeit der indigenen Gemeinschaften zu orientieren. Dabei muss mit der gebotenen Vorsicht eine Überforderung der indigenen Organisationen vermieden werden. Eine wesentliche Bedeutung nimmt die Qualifizierung indigener Fach- und Führungskräfte und die Förderung lokaler Trägerstrukturen, insbesondere indigener Organisationen ein.
“Otro tipo de cooperación ha sido la cooperación solidaria, la cual ha generado procesos con el pueblo. Estos procesos han sido participativos y la contraparte nacional se ha transformado en una fuente permanente de consultoría para que las políticas de estado se mantengan a largo plazo.” ANGEL RAMÍREZ, DINEIB, Ecuador (Quelle: persönliche Kommunikation)
Sicherung des Zugangs zu Krediten, Beratungsdiensten und Landverteilung
Stärkung der lokalen Vertretungs- und Selbsthilfestrukturen der indianischen Gemeinschaften in Projekten zur Dezentralisierung
Berücksichtigung des indianischen Gewohnheitsrechts und von Konfliktregelungen im Rahmen von Kooperationen im Rechts- und Justizbereich
Grundbildung – hier insbesondere interkulturelle zweisprachige Erziehung (IZE)
Medien Rechtsberatungs- und Selbsthilfeeinrichtungen
Gender
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Auf der Ebene des Politikdialogs mit den Partnerregierungen mahnt das Konzept die Einbeziehung indigener Belange an. In die jeweiligen Konzepte, die für die Entwicklungszusammenarbeit mit den einzelnen Ländern und für verschiedene Sektoren vom BMZ erarbeitet werden, sollen für Indigene relevante Themen und Projekte aufgenommen werden. Das Lateinamerikakonzept des BMZ ist ein Beispiel hierfür. Die Thematik und Belange indigener Völker sind auch in den folgenden Konzepten und Veröffentlichungen des BMZ präsent:
Zugang zu genetischen Ressourcen und Vorteilsausgleich (2001)
Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit
Sektorkonzept Wald und nachhaltige Entwicklung (2002)
Halbierung der Armut – Zweiter Zwischenbericht (2002)
Entwicklungszusammenarbeit mit Zentralamerika (2002)
Sektorkonzept Förderung der Grundbildung in Entwicklungsländern (1999) Aber in den jüngeren Veröffentlichungen des BMZ nach 1996 werden die Belange indigener Völker nicht durchgängig thematisiert. Die daraus entstehende Inkohärenz zwischen den Konzepten schwächt jedes einzelne, insbesondere aber die Konzepte, die weniger Beachtung finden. Die Evaluierung des BMZ Konzeptes “Entwicklungszusammenarbeit mit indianischen Bevölkerungsgruppen in Lateinamerika“ in den Jahren 1999 und 2000 stellte u.a. kritisch fest, dass die verschiedenen Bemühungen um eine Orientierung der Vorhaben auf indigene Völker, und ihre aktive Einbindung in die Projekte und Programme untereinander zu wenig vernetzt sind, so dass Synergien auf regionaler Ebene kaum greifbar werden. Eine Arbeitsgruppe im Fachverbund ländliche Entwicklung der GTZ hat mittlerweile Abhilfe geschaffen und koordiniert die “grünen TZ Vorhaben“ mit Bezug zu indigenen Völkern.19 Insgesamt scheint die Ebene der Koordination, wie sie z.B. im PPG7 (Pilotprogramm zur Bewahrung der tropischen Wälder)20 erreicht wurde, nicht generalisierbar zu sein. Die Arbeit der Koordinationsstelle Indigene Völker in Lateinamerika und der Karibik (KIVLAK) in der GTZ-Zentrale zielt u.a. auf die wirksamere Vernetzung und Ausrichtung der Förderansätze der deutschen EZ für indigene Völker in Lateinamerika.21 Die Evaluierung des BMZ Konzepts machte weiterhin deutlich, dass dieses eine Vielzahl von Strategieelementen aufgreift und dabei über die entsprechenden Konzepte anderer Geber hinausgeht, allerdings hinsichtlich sei19
Foro de Proyectos „Desarollo Rural en Latinoamérica y Caribe“, 2002; 2003. 20 Vgl. http://www.worldbank.org/rfpp/ (die Websites von GTZ und KfW zu PPG7 sind nicht mehr verfügbar) 21 siehe www.gtz.de/indigenas
ner Operationalisierung und konkreten Umsetzung in Maßnahmen der EZ und in dem sie begleitenden Politikdialog zu vage bleibt. Das BMZ Konzept nennt keine verbindlichen Instrumente und Kriterien, die in die Planung und Umsetzung der Vorhaben eingeführt werden müssen, um eine entsprechende “Berücksichtigung“ indigener Völker sicher zu stellen. Daraus resultiert eine fehlende oder unzureichende Einbeziehung indigener Völker in den Vorhaben, die sich nicht explizit auf sie beziehen, jedoch in ihren Siedlungsgebieten, bzw. in Ländern mit hohem indigenem Bevölkerungsanteil durchgeführt werden. Auch für den Politikdialog wurde das Konzept des BMZ laut Evaluierung nur selten genutzt. Die Evaluierung konstatiert, dass Projekte und Programme insbesondere in Ländern mit hohem indigenen Bevölkerungsanteil bzw. in Sektoren, die für indigene Völker besonders relevant sind, das Konzept als Referenzrahmen anerkennen, es aber nur eingeschränkt umsetzen. Außerhalb dieser Vorhaben ist das Konzept häufig nicht bekannt. Dagegen fällt die Bewertung des BMZ Konzepts im Vergleich verschiedener Konzepte für die Zusammenarbeit mit indigenen Völkern laut GRIFFITHS (2003:7 und 86-92) weniger kritisch aus.
Foto: Seminar für indigene Kleinhandwerker in Santiago de Chile (S. HESS-KALCHER, Proyecto GAR)
Die Fallstudie bestätigt den relativ geringen Bekanntheits- und Umsetzungsgrad des Konzeptes und den Nischencharakter der Thematik. Empfehlungen und Vorschläge werden entwickelt, den Diskurs der EZ zu indigenen Völkern zu schärfen, verstärkt innereuropäisch abzustimmen, und für die jeweiligen nationalen und regionalen Kontexte zu spezifizieren. Besonders hervorgehoben werden der Charakter der indigenen Organisationen als Akteure (und
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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit
nicht nur als Zielgruppen) sowie die Bezüge des Konzeptes zu Themen der Friedensentwicklung und der Förderung demokratischer und offener Gesellschaften. Um ein Mainstreaming der Thematik zu erreichen, ist es notwendig, gezielter als bisher Erfahrungen der EZ mit indigenen Völkern auszuwerten und zugänglich zu machen. Zusammengefasst wird die Ausrichtung von Vorhaben auf indigene Völker und ihre Einbeziehung als relevante Akteure in Planung, Durchführung und Evaluierung von EZ Maßnahmen immer dort mit Bezug auf das Konzept des BMZ umgesetzt, wo indigene Völker die direkte, zu weiten Teilen auch exklusive Zielgruppe von Vorhaben sind. In den meisten nicht eindeutig auf indigene Völker ausgerichteten Vorhaben ist das Konzept des BMZ nicht in der Lage, ein Mainstreaming der Orientierung und eine durchgängige Partizipation indigener Vertreter/innen sicher zu stellen. Die Umsetzung eines Konzeptes des BMZ bedarf grundsätzlich einer internen Lobbyarbeit, die im Fall der indigenen Völker hauptsächlich von deutschen NRO übernommen wurde. Mit der Evaluierung des BMZ Konzeptes (2000) und verstärkt zum Ende der Indigenen Dekade (2004) lässt sich ein wachsendes Interesse an indigenen Völkern sowohl im BMZ als auch in den großen Vorfeldorganisationen, insbesondere in der GTZ feststellen. Ohne eine solche Lobbyarbeit laufen Konzepte mit einem breit angelegten Charakter angesichts der Vielzahl der Querschnittsthemen und zu berücksichtigenden Vorgaben Gefahr, im Arbeitsalltag der EZ unterzugehen, und damit ein Schattendasein zu führen. Diese Gefahr wird durch die Programm- und Schwerpunktbildung in der TZ noch verstärkt, da explizite Zielgruppen in Projekten häufig zu “Querschnittsorientierungen“ in komplexen Programmen werden.
4. Indigene Völker in der aktuellen Entwicklungsdiskussion Eine der zentralen Forderungen indigener Völker und ihrer Organisationen gegenüber der Entwicklungszusammenarbeit ist der “freie, frühzeitige und informierte Konsens“ als Voraussetzung für Allokationsentscheidungen,
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sowohl für Entwicklungsprojekte als auch für Wirtschaftsmaßnahmen. Die einschlägigen Konzepte internationaler Organisationen – wie die Weltbank, die Interamerikanische Entwicklungsbank oder Institutionen der UN – ebenso wie das BMZ kennen dieses Prinzip und stimmen ihm zu. Dennoch konstatiert das “Ständige Forum für indigene Fragen” in seiner Sitzung von Mai 2003: “(…) concern over development practices that do not take into account the particular characteristics of indigenous communities as groups, with their distinct cultural identities and often their own system of representation, thus significantly undermining meaningful ways of participation” (E/2003/43E/C.19/2003/ 22:I.B.2). Deshalb schlägt das Forum dem Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) die Einrichtung einer auf drei Jahre angelegten spezifischen Arbeitsgruppe mit breiter staatlicher und zivilgesellschaftlicher, indigener und nicht indigener Beteiligung vor, um das Prinzip des freien, frühzeitigen und informierten Konsens insbesondere im Bezug auf Vorhaben zum Schutz von Naturressourcen und intellektuellem Eigentum zu bearbeiten.
Indigene Völker, Armut und die Millennium Development Goals (MDGs) Indigene Völker sind innerhalb der meisten nationalen Gesellschaften Minderheiten. Selbst da, wo sie wie in Bolivien und Guatemala die Bevölkerungsmehrheit bilden, sind sie in unterschiedlichem Grad aus den Gesellschaften und deren Entwicklung ausgeschlossen. Sie verstehen sich in Differenz zur Mehrheitsgesellschaft, sind in diese mangelhaft integriert, bzw. wehren sich gegen bestimmte “Integrationskonzepte“. Offen ist, wie diejenigen Indigenen einzuordnen sind, die sich selbst zwar als Mestizen verstehen und deklarieren, sich aktiv um entsprechende Integration und Anerkennung bemühen, aber von Seiten der nichtindigenen Gesellschaft weiterhin als indios ausgegrenzt werden. Es ist anzunehmen, dass es den Folgegenerationen vollständiger gelingt, diese Anerkennung zu erwirken. Viele indigene Familien sprechen beispielsweise selbst im häuslichen Kontext in Städten nicht mehr ihre Muttersprache, um diesen Prozess
Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit
der Anerkennung und “Unsichtbarkeit“ zu beschleunigen. Im Folgenden beziehen sich die Überlegungen gemäß dem Kriterium der Selbstidentifikation im wesentlichen auf die Indigenen, die sich selbst als solche verstehen und zu erkennen geben.
“Igualmente considero, aunque la cooperación internacional muchas de las veces, tiene por intermedio a los estados, que imponen parámetros contrarios al de los pueblos y comunidades indígenas o que bloquean la participación directa y efectiva de estos pueblos, que la cooperación debería crear redes directas con las organizaciones, pueblos y comunidades indígenas, que les permita a ellos definir sus propios modelos de cooperación internacional, así como demostrar sus capacidades administrativas, de control y participación efectiva.” JOSÉ LUIS GONZÁLEZ, indigener Abgeordneter in der Asamblea Nacional, Venezuela
Auf die gesellschaftliche Positionierung indigener Völker sowohl in der Eigen- als auch der Fremdwahrnehmung nehmen die unterschiedlichen internationalen Leitlinien Bezug. Auf Grund des gesellschaftlichen Ausschlusses sind Indigene in ihrer Mehrheit arm. Der Anteil der Armen unter den Indigenen übersteigt vor allem in Ländern mit einem hohen indigenen Bevölkerungsanteil den Anteil Armer in der nicht indigenen Bevölkerung. PSACHAROPULOS & PATRINOS (1994) haben dies für ausgewählte Länder eindrucksvoll nachgewiesen, wenn auch solche ökonometrischen Untersuchungen immer mit der Unsicherheit der unzureichend ethnisch differenzierten offiziellen Statistiken behaftet sind. Aktuellere Untersuchungen finden sich hierzu auch unter den Länderprofilen des Sektorprojektes zur Armutsminderung der GTZ für Bolivien und Guatemala22 sowie in entsprechenden Länderstudien, die im Auftrag der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank durchgeführt wurden (IDB, 2004a:3). Die indigenen Frauen betonen bei ihrer 4. kontinentalen Begegnung indigener Frauen Amerikas im April 2004, dass die Armut nicht nur indigen, sondern auch weiblich 22
Vgl. www.gtz.de/forum_armut/deutsch/c03.htm
ist: “Las mujeres no sólo tenemos mayores dificultadas para acceder a los servicios educativos, sino más dificultades para salir de la pobreza por las responsabilidades familiares y el cuidado de los niños, la discriminación para acceder al mercado de trabajo, la segmentación de las ocupaciones y los menores salarios“ (IV. Encuentro Continental de Mujeres Indígenas de las Américas, 2004).23 In diesem Sinne sind indigene Arme durchaus auch eingeschlossen, wenn die Millennium Entwicklungsziele24 die Halbierung der Armut bis 2015 als Halbierung der Anzahl der Menschen mit durchschnittlich 1 US$ pro Tag anstreben. Indigene Organisationen von der lokalen bis zur UN-Ebene betonen die Armut, unter der indigene Völker leiden, als Beleg von Exklusion und Unrecht, oft auch als Konsequenz fehlgeleiteter Entwicklungsmaßnahmen, insbesondere bei Strukturanpassungsprogrammen. Andererseits gibt es Indigene, für die dieses Kriterium der Armut (weniger als 1 US$ pro Tag) subjektiv nicht relevant ist. Sie stufen sich selbst nicht auf Grund dieses Kriteriums als arm ein bzw. sie stufen sich teilweise überhaupt nicht als arm ein, obwohl das Kriterium auf sie zutrifft. Andere lehnen diese Art von Kategorisierung für sich, ihre Gemeinschaften oder ihre Organisation grundsätzlich ab. Hier müssen die international auf die MDG orientierten Anstrengungen flexibel gehandhabt werden, um nicht erneut Exklusionen zu reproduzieren. MEENTZEN (2001:iv) bestätigt dies in ihrer Studie zu indigenen Frauen: “Se puede afirmar que las mujeres de las comunidades no se consideran pobres, porque cuentan con la riqueza espiritual de su cultura y pueblo indígena.”
23
Internetveröffentlichung http://munixela.com/infomaya/?view=sections&mod =25&id=137 24 Vgl.: http://www.developmentgoals.org/ http://millenniumindicators.un.org/unsd/mi/mi_goals. asp ; Millennium Entwicklungsziele (MDG) – beschlossen auf dem UN-Millenniumsgipfel 2000 in New York und von 189 UN-Mitgliedern unterzeichnet – sind die Agenda der internationalen Staatengemeinschaft zur weltweiten Bekämpfung der Armut und Ermöglichung von Entwicklung.
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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit
Sie betont in diesem Kontext die Erwartung indigener Frauen nicht in Abhängigkeit dieses Armutskriteriums, sondern auf Grund eines eigenständigen Rechts, spezifisch und aktiv in die Projekte und Programme einbezogen zu werden. Nur mit dieser aktiven Teilnahme scheint eine tatsächliche Beteiligung an den Wirkungen zu Armutsminderung von indigenen Zielgruppen möglich zu werden.
Spezifischer Fokus oder Querschnitt? Dieser Diskussion folgend lässt sich auch die breitere Debatte führen: Sind Indigene “mit gemeint“ wenn sich Entwicklungszusammenarbeit auf “Arme“ bezieht, auf “Menschen in bestimmten Naturschutzgebieten“ auf “Subsistenzbauern und –bäuerinnen“ etc.? Oder sind sie nur dann einbezogen, wenn sie und damit ihre spezifischen Lebensbedingungen bzw. das, was sie selbst als solche wahrnehmen und identifizieren, explizit benannt werden? Sind indigene Völker nur dann an Entwicklungsvorhaben beteiligt, wenn damit ihre eigenen Entwicklungsoptionen (“etnodesarrollo“, siehe auch STRÖBELE-GREGOR in diesem Band) verfolgt werden? Diese Fragen lassen sich nicht für alle indigenen Völker Lateinamerikas beantworten und müssen mit den einzelnen Völkern und Organisationen an Hand konkreter Projekte und Maßnahmen ausgehandelt werden. Von daher wird die Entwicklungszusammenarbeit immer verschiedene Strategien zur Einbeziehung indigener Völker bereithalten müssen:
die allerdings explizite Einbeziehung in breit angelegten und nicht zielgruppenspezifisch bzw. ethnisch orientierten Vorhaben
die Fokussierung auf spezifische Bedürfnisse indigener Völker und Organisationen Eine Voraussetzung für die Einbeziehung indigener Völker in Vorhaben der internationalen Zusammenarbeit ist der o.g. “freie, frühzeitige und informierte Konsens“, d.h. die aktive Beteiligung indigener Vertreter/innen als Akteure. Daneben bleibt als grundsätzliche Schlussfolgerung für die Entwicklungszusammenarbeit der direkte, frühzeitig und dauerhaft geführte Dialog einzufordern, unabhängig davon, ob es sich um staatliche, nicht staatliche, bi- oder
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multilaterale Entwicklungsagenturen handelt und abhängig allein von der Tatsache, dass ein Entwicklungsvorhaben die aktuelle Situation und zukünftige Perspektiven indigener Bevölkerung betrifft. Voraussetzung für diesen Dialog ist auf der Grundlage der internationalen Vereinbarungen die Anerkennung indigener Völker in ihrer Besonderheit, in ihrem Status und damit in ihrem Anspruch auf spezifische Berücksichtigung, bei gleichzeitigem Einschluss in übergeordnete Zielgruppen. Eine wichtige Rolle kommt für diesen Dialog den Organisationen indigener Völker zu, die direkte Gesprächspartner der Entwicklungsagenturen und Geber sowie auch ihrer nationalstaatlichen Instanzen sind (vgl. ARIAS, 2002:22).
Wessen Entwicklung, wessen Visionen? Welche Rolle wird indigenen Völkern von der Entwicklungszusammenarbeit zugemessen bzw. zugestanden? Sind sie Arme, Zielgruppe, “vulnerable groups“? Oder sind sie, wie bei der gemeinsamen Tagung zur Evaluation des EUKonzepts (SPEAKING OUT, 2002) gefordert, politische Gesprächspartner, die in ihrer Zuständigkeit und Entscheidungsbefugnis über eigene Entwicklungsprozesse ernst genommen werden? Damit sind die Regierungen der Geberländer und die multilateralen Institutionen noch in anderer Weise gefordert: Die Anerkennung indigener Völker in ihrer Eigenständigkeit lässt sich nicht auf Projekte und Programme der Entwicklungszusammenarbeit begrenzen. Die Diskussion in Brüssel (SPEAKING OUT, 2002: Conclusions) beleuchtet auch die schwierige Beziehung Geber – Regierung – indigene Völker: “Governments can play a role in constructing these partnerships (mit Gebern, S. Speiser). The main challenge for them is to provide legal recognition of indigenous peoples’ rights. This can then provide the basis for successful engagements between indigenous peoples and other parties” (SPEAKING OUT, 2002: Conclusions, Pkt. 7). Umgekehrt muss die EZ mit indigenen Völkern darauf orientiert sein, die aktive und kompetente Beteiligung indigener Organisationen und Gemeinschaften an den Entwicklungen ihrer Gesellschaften und Nationen auf den unterschiedlichen Ebenen zu stärken.
Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit
Welche Entwicklung für indigene Völker? Diese Frage lässt sich auf der generellen Ebene nicht beantworten, außer mit dem Hinweis: “ihre eigene“, wie dies auch die meisten Grundlagendokumente und die politischen Empfehlungen der internationalen Gemeinschaft und der Geberländer anerkennen. “Ihre eigene“, das schließt die Teilhabe an der zielgruppenunspezifischen Entwicklung einer Region oder eines Berufsstandes ebenso ein, wie die spezifischen Entwicklungsoptionen für ein bestimmtes indigenes Volk oder vermittelt über eine indigene Organisation. Damit eröffnet sich eine enorme Vielseitigkeit und Unterschiedlichkeit von Maßnahmen, Strategien und Optionen.
ters durch diese Gesellschaften. Dies kann sich auch in der Beteiligung indigener Organisationen an klassischen Instanzen politischer Willensbildung, den Parteien ausdrücken, wie in jüngster Zeit die Vorgänge in Bolivien und Ecuador gezeigt haben. Überall da, wo Indigene sich in ihre Gesellschaften nur integrieren wollen, werden sie Teil der nicht ethnisch definierten Zielgruppen, wie Arme, Unternehmer/innen, Bauern und Bäuerinnen, etc. Die deutsche EZ vertritt dabei keine Positionen, die diese Integration im Sinne des Verlustes einer spezifischen kulturellen und ethnischen Identität negativ konnotiert. Sie fordert vielmehr im Einklang mit internationalen Vereinbarungen die Bekämpfung des Rassismus der Mehrheitsgesellschaft gegenüber Minderheiten, und unterstützt die Schaffung von Rahmenbedingungen für den Aufbau multikultureller Gesellschaften, die eine unfreiwillige Integration nicht mehr nötig erscheinen lassen. Die Förderung in den eigenen Nischen ist ein Konzept, das teilweise für die indigenen Völker der Regenwälder und im Kontext von Vorhaben zum Schutz natürlicher Ressourcen verfolgt wird. Dabei werden die Völker respektiert, die für sich diese Option des freiwilligen Rückzugs gewählt haben. Aus heutiger Sicht ist nicht absehbar wie lange dies angesichts des Tempos von Prozessen der Globalisierung aufrechterhalten werden kann.
Zu wessen Nutzen?
Foto: Workshop indigener Organisationen Perus (S. REINHARDT)
Optionen und Visionen indigener Völker erstrecken sich von einer vollständigen Integration, teilweise unter Wahrung ihrer spezifischen Kulturen bis hin zu einer spezifischen Nischenentwicklung. Die staatlich vermittelte EZ favorisiert dabei im Diskurs die kultursensible Integration indigener Völker und Gemeinschaften in ihren Gesellschaften bei gleichzeitiger Anerkennung ihres spezifischen Charakters durch diese Gesellschaften. Dies
Welche Entwicklung wurde für die indigenen Völker durch die EZ erleichtert? Diese Frage lässt sich hier nicht abschließend beantworten. Es ließen sich aus der Fülle der Projekte und Programme der Entwicklungszusammenarbeit Beispiele für eine gelungene Förderung, für die Unterstützung auf dem Weg zur selbstbestimmten Entwicklung, für gemeinsame Gestaltung ebenso finden wie Beispiele für die Ignoranz der Geber mit entsprechend negativen Auswirkungen auf indigene Völker, Beispiele für die falschen Konzepte, das falsche Verständnis von Entwicklungsoptionen und Beispiele für die Abwesenheit einer “advocacy“ Haltung der EZ auf politischer Ebene. Generell lässt sich vermuten, dass immer dann, wenn die Interessen indigener Völker mit anderen
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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit
wirtschaftlichen und politischen Interessen wichtiger nicht indigener Akteure ihrer Länder konkurrieren, auch die Institutionen der Internationalen Zusammenarbeit in einen Interessenskonflikt geraten, dessen Ausgang nicht vorhersehbar ist. Unterschieden werden muss hier zwischen Vorhaben der NRO, die direkt mit indigenen Organisationen und Gemeinschaften kooperieren, und auf der Mikroebene interessante und für die indigenen Zielgruppen zufrieden stellende, aber kaum breitenwirksame und strukturell wenig relevante Ergebnisse der Verbesserung ihrer Situation zeigen. Dies erfolgt meist, ohne dass die staatlichen Ebenen des Partnerlandes eingeschaltet werden müssen. Nicht umsonst haben die indigenen Gesprächspartner die NRO als “longterm partners“ (SPEAKING OUT, 2002) bezeichnet und ihnen damit eine wichtige Funktion zugewiesen. Diese Anerkennung mindert jedoch nicht die Kritik indigener Organisationen an NRO, wo diese “stellvertretend“ doch mittlerweile häufig ungebeten als Vermittler auftreten. In diesen Fällen ist die Position indigener Organisation eindeutig: sie fordern die eigene direkte Beteiligung im Dialog. Ganz anders gestaltet sich die zwischenstaatliche bilaterale Kooperation, wie sie im Auftrag des BMZ hauptsächlich durch die beiden großen Vorfeldorganisationen GTZ und KfW durchgeführt wird. Ihre direkten Partner sind fast ausschließlich Regierungen der Partnerländer. Diese Vorhaben sind hinsichtlich ihrer Wirkungen auf indigene Völker in gewisser Weise auch abhängig von dem Platz, den die nationale Regierung den indigenen Völkern zuweist. Wie die Evaluierung des BMZ Konzeptes anmahnt, können die Potenziale des Politikdialogs noch weiter ausgeschöpft werden. Indigene Organisationen fordern ihre direkte Beteiligung in den Dialogprozessen der EZ zusammen mit, aber auch ohne die Vertreter/innen ihrer Regierungen.
Strategien und Allianzen indigener Organisationen Indigene Organisationen spielen eine wichtige Rolle im Entwicklungsdialog. Sie sind die An-
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sprechpartner, mit denen sich die Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit, ebenso wie die Regierungen der Partnerländer direkt auseinander setzen können. Sie vertreten ihre Völker, auch wenn gerade in diesem Vertretungscharakter Anspruch und Wirklichkeit auseinander fallen können, und verschiedene auch kulturell bedingte Modelle von Repräsentativität schwierig in Einklang zu bringen sind (siehe auch FELDT in diesem Band). Im Sinne der Beteiligung indigener Völker an Entscheidungen zur Ressourcenallokationen, zur Definition von Entwicklungsprojekten und programmen haben die Geber und Agenturen der IZ keine Alternative zum Dialog mit den indigenen Organisationen. Nur in der Umsetzung basisnaher Projekte ist es möglich, neben dem Dialog mit den Organisationen direkt mit Teilen der Zielgruppe selbst zu verhandeln. Die Anforderungen an indigene Organisationen steigen angesichts wachsender Komplexität in einer globalisierten Welt, auch die unterschiedlicher Instanzen der IZ. Dies führt zu einer gewissen Bürokratisierung der Organisationen und der Frage, ob die Positionen der Organisationen in ihren Hauptstadtbüros tatsächlich kompatibel oder repräsentativ sind für die Positionen der indigenen Völker in den dörflichen Gemeinschaften und Vorstadtvierteln. Die Frage kann von außen nicht beantwortet werden, auch nicht mit stichpunktartigen partizipativen Befragungen an der Basis. Sie ist Anlass zu entsprechender Förderung indigener Organisationen, insbesondere hinsichtlich einer kontinuierlichen Rückkopplung an ihre Basis, und damit auch der Absicherung ihrer Repräsentativität.
Schlussbetrachtung Zusammenfassend wird deutlich, dass die internationale Zusammenarbeit den Anforderungen und Erwartungen indigener Völker, so wie sie durch indigene Organisationen artikuliert werden, bislang noch nicht zufriedenstellend Rechnung trägt. Dabei unterscheiden die indigenen Organisationen deutlich zwischen den verschiedenen Gebern und Entwicklungsagenturen. Die deutlichste Kritik wird gegenüber großen Infrastrukturprojekten geäußert, in deren Entscheidungsprozesse weder die loka-
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le Bevölkerung, einschließlich der indigenen Völker der Region, noch deren Vertretungsstrukturen involviert waren. Diese mangelnde Teilhabe ist häufig durch die Strukturen der Partnerregierung bedingt, wird aber im Laufe des Politikdialogs nicht ausreichend von den Gebern thematisiert. Positives Echo erfahren Fondsvorhaben, die indigenen Gruppen die Umsetzung konkreter Projekte und Maßnahmen erlauben, und durch die indigenen Organisationen selbst gesteuert sind (siehe auch RODRÍGUEZ in diesem Band). Themen wie die zweisprachige Grundbildung sind Beispiele für das positive Einwirken von Entwicklungszusammenarbeit, in diesem Fall insbesondere der deutschen TZ, auf Veränderungen nationalstaatlicher Politik im Sinne indigener Forderungen. Radikalere Positionen, wie die Forderung des Rückzugs der EZ aus dem Bereich indigener Völker, wie noch in den 1970er Jahren formuliert, werden nicht mehr aufrechterhalten. Vielmehr geht es den indigenen Vertreter/innen darum, die internationale Zusammenarbeit als eine der Umfeldbedingungen mitgestalten zu können, um dadurch auch die Wirkungen zu erzielen, die sie und ihre Völker im Sinne eigener Entwicklung anstreben. Mit den Worten der UN-Arbeitsgruppe WGDD lassen sich die Erwartungen an die IZ folgendermaßen zusammenfassen: ”En sustancia se trata de que el hombre y su dignidad constituyen el fundamento del desarollo sostenible e integran a fin de conciliar cuatro grandes ejes, a saber: el crecimiento económico razonablemente planificado, la justicia social, una política ambiental sostenible y una distribución equitativa de la riqueza“ (UNHCHR, 2001a).
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Indigene Völker und Staat
Indigene Völker und Staat HEIDI FELDT Das Verhältnis zwischen Staat und indigenen Völkern ist seit Gründung der Nationalstaaten in Lateinamerika spannungsgeladen. Indigene waren in der post-kolonialen Geschichte Lateinamerikas politisch, sozial und wirtschaftlich marginalisiert, und der Staat reagierte auf ihre Forderungen mit Repression und versuchte im Namen der Nationenbildung, ethnische Unterschiede zu negieren, und indigene Völker einer Assimilierungspolitik zu unterwerfen. Erst in den letzten Jahren beginnt sich dieses Verhältnis zwischen Nationalstaat und indigenen Völkern zu wandeln. Interessanterweise manifestiert sich dieser Wandel vor allem in den reformierten Verfassungen der lateinamerikanischen Ländern, während die politischinstitutionelle Umsetzung neuer Beziehungsmodelle zwischen Indigenen und Staat noch wenig ausgereift ist.
1. Wandel der Verfassungsnormen In den letzten 20 Jahren hat sich allerdings ein grundlegender Wandel in der rechtlichen Wahrnehmung indigener Völker auf lateinamerikanischer und internationaler Ebene vollzogen. Im Rahmen dieser Entwicklung haben viele Staaten Lateinamerikas den Ansatz des einheitlichen Staates zugunsten eines auf Pluralismus/ Multikulturalismus beruhenden Staatsverständnisses verlassen (KUPPE, 2002; STAVENHAGEN, 2002). In den Verfassungen dieser Länder wird der plurikulturelle und multiethnische Charakter der Nationalstaaten anerkannt und den indigenen Völkern kollektive Rechte zugestanden. Die Entwicklung der Staatsmodelle gliedert KUPPE (2002) in drei Etappen: 1. Derecho Indiano (von der Eroberung Lateinamerikas bis 1820) Indigene werden als Indios mit eigenem Rechtssystem und Autoritäten anerkannt, allerdings sind sie diskriminierenden Verpflichtungen unterworfen.
2. Recht der Nationalstaaten (1820 bis ca. 1990, von KUPPE als Monismus mit Diskriminierung der Andersartigkeit definiert) Diese Etappe unterteilt KUPPE in vier Phasen, die sich über die Entmündigung der Indigenen und einer repressiven Politik hin zu der staatlichen Integrationspolitik ab Mitte des letzten Jahrhunderts zieht. Im Rahmen dieser Politik werden Indigene als campesino wahrgenommen. 3. Multiethnische und plurikulturelle Staatlichkeit (seit 1985, die Andersartigkeit wird als gleichberechtigt anerkannt) Indigene Völker gewinnen verfassungsrechtliche Relevanz, sie werden im Nationalstaat als Völker mit eigener Identität anerkannt. Diese Veränderungen in Verfassungsnormen ermöglichen eine Neubestimmung des Verhältnisses von Staat und Indigenen und eröffnen neue Perspektiven ihrer politischen, rechtlich abgesicherten Partizipation. In den nächsten Jahren wird es sehr wichtig sein, ob und wie diese Verfassungsnormen in Gesetzen ausgestaltet und politisch-institutionell umgesetzt werden, denn allein mit der Anerkennung in den Verfassungen ist die Marginalisierung der Indigenen durch die dominierende Gesellschaft noch längst nicht überwunden. Die indigenen Organisationen sind sich dessen bewusst. Der indigene Aufstand und die darauf folgenden Aktionen 1990 in Ecuador, der “Marsch für Territorium und Würde“ 1990 in Bolivien, der Aufstand in Chiapas, Mexico, die wiederholte Lähmung der gesamten Wirtschaft in Ecuador und Bolivien in den letzten Jahren und der “Erdgasaufstand“ 2003 in Bolivien zeigen nicht nur das große Mobilisierungspotenzial indigener Organisationen sondern auch, dass diese Organisationen, dort, wo Indigene die Mehrheit oder einen großen Teil der Bevölkerung bilden, die Frage nach gesellschaftlicher Macht stellen.
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Indigene Völker und Staat
2. Die neue indigene Bewegung Das Organisationsmodell der neuen indigenen Bewegung hat seinen Ursprung in der Federación de Centros Shuar in Ecuador, dem Consejo Regional Indígena del Cauca (CRIC) in Kolumbien und dem Movimiento Katarista in Bolivien, die sich in den 1970er Jahren des letzten Jahrhunderts herausbildeten (ASSIES, 1999). Ihnen gemein war, dass sie ihre Organisation auf der Zugehörigkeit zu Ethnien gründeten und die bis dato verbreitete Einordnung Indigener als campesinos ablehnten. Die indigenen Organisationen des Tieflandes sind aus diesen Anfängen entstanden. Sie sind kleinteilig auf der Ebene von Ethnien oder Regionen organisiert, haben sich aber zu regionalen, nationalen und internationalen Förderationen und Konföderationen wie der Koordination der indigenen Organisationen des Amazonasbeckens (COICA)1 zusammengeschlossen. Aus einer anderen Tradition kommen die indigenen Organisationen des Hochlands. Ihr Ursprung beziehungsweise die Organisationserfahrung vieler ihrer Führungspersonen kommt aus der gewerkschaftlich geprägten Campesino-Bewegung und verknüpft heute Forderungen der Bauernbewegung, wie Zugang zum Markt, zu Krediten, allgemeine Kritik des neoliberalen Wirtschaftsmodells mit Forderungen nach zweisprachiger interkultureller Bildung und politischer Beteiligung als Indigene an den Entscheidungsprozessen des Staates. Einige Vertreter wie Felipe Quispe in Bolivien fordern sogar die Rückkehr zu traditionellen Gemeindestrukturen, den Ayllu (GOEDEKING, 2002) oder die Wiederbelebung alter Inka Strukturen. Sie ähneln Heilsversprechungen, in dem sie die alten Strukturen der Andenvölker glorifizieren. Diese Strukturen werden allerdings nicht gelebt, und von daher werden sich auch die Heilsversprechen nicht einlösen lassen. Die Forderungen haben keine große Anhängerschaft, allerdings gewinnt der Wunsch zurück zur Ayllu -Struktur in Bolivien, Peru und Ecuador an Popularität. Die Beziehung zwischen indigenen Organisationen des Tief- und des Hochlandes ist nicht 1
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konfliktfrei. Zum einen sind die Organisationsund Konflikterfahrungen unterschiedlich, zum anderen haben sie andersartige Konzepte von Territorialität. Daraus leiten sich verschiedene Forderungen und Schwerpunkte für die Organisationen ab. Am weitesten ist der Annäherungsprozess zwischen Tiefland- und Hochlandorganisationen vielleicht in Ecuador, da durch die Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador (CONAIE) ein gemeinsamer Organisationsrahmen gegeben ist. Die Entwicklung der indigenen Organisationen in Guatemala hat zeitverzögert eingesetzt. Bis Mitte der 1990er Jahre herrschte Bürgerkrieg in dem Land, zu dessen Opfern vor allem die Maya Bevölkerung zählte. Der Krieg hatte durchaus Züge eines Ethnozids. Erst mit der Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen Regierung und Guerilla 1996 und vor allem durch den “Acuerdo sobre Identidad y Derechos de los Pueblos Indígenas“ wurden die vollen Bürgerrechte, die soziale, politische und wirtschaftliche Teilhabe und die kulturellen Rechte der indigenen Bevölkerung anerkannt und der Abbau der Diskriminierung der Maya Bevölkerung beschlossen. Zwar hatten sich schon während des Krieges einige wenige Maya Organisationen gegründet, aber erst nach Friedensschluss hatten sie die Möglichkeit offen zu arbeiten. Viele der heute existierenden Maya Organisationen sind im Foro Maya zusammengeschlossen. Ein großes Problem der Organisationen ist, dass sie auf die Hauptstadt konzentriert sind und wenig Anbindung an die Maya Bevölkerung auf dem Land haben, die weitgehend von allem politischen Partizipations- und wirtschaftlichen Entwicklungsprozessen ausgeschlossen ist. Die deutsche EZ setzt über das Projekt “Interkultureller Dialog und politische Beteiligung der Indígena-Bevölkerung Guatemalas“ an diesem Problem an, und versucht mit den Maya Organisationen Politikstrategien für eine kulturell differenzierte Entwicklung zu erarbeiten, und zur Verbesserung der Chancengleichheit der indigenen Bevölkerung beizutragen.
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3. Selbstbestimmung, Autonomie und Partizipation Zentrale Anliegen der indigenen Organisationen, unabhängig ob aus dem Tiefland des Amazonas, der Küstenregion oder aus dem Andenhochland, sind die Forderungen nach Autonomie, nach dem Zugang zu den politischen Entscheidungsebenen auf nationaler wie regionaler Ebene des Staates sowie die Selbstbestimmung in allen Belangen, die sie und ihr Territorium betreffen. Autonomie und Selbstbestimmung sind Konzepte, die in unterschiedlichen Zusammenhängen unterschiedlich verstanden werden. Auch die indigenen Organisationen verbinden damit unterschiedlich weitreichende Vorstellungen. Deshalb soll an dieser Stelle eine Begriffsklärung vorgenommen werden.
Selbstbestimmung Das Recht auf Selbstbestimmung der Völker ist eines der grundlegenden Prinzipien der internationalen Staatengemeinschaft. Im Internationalen Pakt der Vereinten Nationen über wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte (1966) und im Pakt über zivile und politische Rechte (1966) wird dieses Recht festgehalten. Im gemeinsamen Art.1 steht: (1) “Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung. (2) Alle Völker können für ihre eigenen Zwecke frei über ihre natürlichen Reichtümer und Mittel verfügen, unbeschadet aller Verpflichtungen, die aus der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit auf der Grundlage des gegenseitigen Wohles sowie aus dem Völkerrecht erwachsen. In keinem Fall darf ein Volk seiner eigenen Existenz beraubt werden.“ Dieses Recht auf Selbstbestimmung war ein sehr wichtiges Prinzip in dem Prozess der Unabhängigkeitsbestrebungen vieler Kolonialstaaten und spielte in der Anerkennung der neuen Nationalstaaten durch die Vereinten
Nationen eine große Rolle. Das Recht auf Selbstbestimmung findet nach dem Völkerrecht bisher seine Anwendung nur bei Nationalstaaten. Inwieweit dieses Konzept auch auf indigene Völker angewendet werden kann, ist Gegenstand einer kontroversen Debatte. Kern dieser Debatte ist die Definition des Begriffs “indigene Völker“ (siehe auch STRÖBELEGREGOR in diesem Band). Die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die die entscheidende Grundlage für alle internationalen Vereinbarungen bezüglich indigener Völker bildet, spricht zwar von indigenen Völkern schränkt aber in Art. 1.3 ein: “Die Verwendung des Ausdrucks “Völker“ in diesem Übereinkommen darf nicht so ausgelegt werden, als hätte er irgendwelche Auswirkungen hinsichtlich der Rechte, die nach dem Völkerrecht mit diesem Ausdruck verbunden sein können.“ Der Begriff “indigene Völker“ beinhaltet also keinen Rechtsanspruch als Volk im völkerrechtlichen Sinne und die ILOKonvention 169 vermeidet konsequent den Begriff der Selbstbestimmung. Damit soll vor allem verhindert werden, dass Separationsbewegungen indigener Völker sich auf die ILOKonvention berufen können. Im lateinamerikanischen Kontext kann dieser Gesichtspunkt der Separationsbewegungen vernachlässigt werden. Es gibt kaum ernstzunehmende Forderungen nach nationalstaatlicher Selbstständigkeit.2 Auch die indigenen Völker, die sich selbst als “Nationen“ bezeichnen wie in Ecuador, definieren sich als indigene Nationen innerhalb eines unabhängigen Nationalstaates. Selbstbestimmung wird in erster Linie gefordert als das Recht, über das Land und seine Ressourcen selbst zu bestimmen, die eigene Kultur, die eigenen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systeme zu erhalten und weiterzuentwickeln (COICA, 2004). Diese Forderungen stehen im Einklang mit dem Artikel 3 der Draft United Nations Declaration on the Rights 2
Eine Ausnahme bildet das Movimiento Indígena Pachakutik (MIP) des Felipe Quispe in Bolivien, das einen eigenen Aymara und Quechua Staat fordert. ”Nosotros vemos en el MIP el instrumento idelógico de otro estado, de la nación Qullasuyana. No podemos tener relaciones con la otra Bolivia“ (Interview mit F. Quispe, o.J.). Internetveröffentlichung: http://www.nodo50.org/resumen/resumen51/ quispe.htm
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of Indigenous Peoples: “Indigenous Peoples have the right of self-determination. By virtue of that right they freely determine their political status and freely pursue their economic, social and cultural development.“ Über diesen Artikel konnte bisher keine Einigung unter den Mitgliedsstaaten3 erzielt werden. Das Recht auf Selbstbestimmung ist auch in der vorgeschlagenen Erklärung zu indigenen Rechten der Organisation der amerikanischen Staaten (OAS) umstritten. Auf der Sitzung Ende 2003 der Arbeitsgruppe der OAS zu dieser Erklärung wurde von Seiten der Delegation der USA der Begriff der ‚internen oder qualifizierten Selbstbestimmung’ eingeführt. Dies wurde von der COICA vehement zurückgewiesen: “Nosotros consideramos que la ”calificación“ dada al derecho a la libre determinación es una expresión de discriminación grave pues todos los pueblos del mundo tenemos derecho a ella, sin distinción...“ (COICA, 2004). Laut COICA wurde sie in ihrem Anliegen durch die Regierungen von Guatemala, Peru, Ecuador und Venezuela gestützt.
Foto: Demonstration für Landrechte in Ngöbe-Bugle, Panama (Proyecto Agroforestal Ngöbe)
In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass sich einige wenige indigene Völker vor allem aus dem Tiefland de facto den herrschenden Strukturen entziehen und so ihr Selbstbestimmungsrecht wahrnehmen. Dazu gehören die Völker, die in Isolation leben wie die Tagaeri, Taromane und OĖamenane 3
Seit 1995 arbeitet eine Arbeitsgruppe der UNKommission für Menschenrechte an der Überarbeitung der Erklärung. Bisher konnte nur über zwei der 45 Artikel eine Übereinstimmung erzielt werden (siehe auch SPEISER in diesem Band).
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im Amazonasgebiet von Peru, Brasilien und Ecuador. Fraglich ist jedoch, wie lange dies aufgrund des zunehmenden Wirtschaftsdrucks auch auf diese Region noch möglich sein wird. Die Debatte, ob indigene Völker ein Recht auf Selbstbestimmung als Völker haben oder nicht und wenn ja, wie dieses definiert wäre, ist noch nicht beendet. Häufig wird der Ausweg in der Unterscheidung zwischen interner und externer Selbstbestimmung gesucht, wobei die Inhalte der internen Selbstbestimmung dem Konzept der Autonomie entsprechen (SIEDER, 2002). Die Forderung nach Autonomie vieler indigener Organisationen scheint demzufolge auch leichter durchsetzbar, da der (liberale) Staat viele Formen der Autonomie innerhalb seines politischen Systems kennt.
Autonomie Nach GARCIA SERRANO (2002) umfasst Autonomie für indigene Völker: Die “Anerkennung der Territorien, Nutzungs- und Nießrecht über die Ressourcen, Anerkennung der eigenen Autoritäten im Einklang mit der Tradition, Jurisdiktion im Einklang mit “Gewohnheiten und Normen", die eigene Sprache sowie die Ausübung kultureller Praktiken wie z.B. Medizin, Bildung.“ GONZALEZ, indigener Abgeordneter in Venezuela, definiert Autonomie wie folgt:4 “La autonomia de los pueblos indígenas debe entenderse como el derecho que tienen estos pueblos de decidir libremente sobre sus asuntos internos, el ejercicio de sus sistemas de organización propia social, económica, cultural y política, así como el manejo, control y administración de sus tierras. Es condición esencial para el entendimiento de este concepto el previo reconocimiento de los pueblos en la constitución del estado con la finalidad de que entrevenga la unidad y la indivisibilidad de la Republica. Bajo esta premisa debe entenderse que la autonomía planteada, es al interior de los estados nacionales.“ Beide Beschreibungen gehen von autonomen Einheiten innerhalb eines souveränen Staates aus. Die Autonomie ist durch das indigene 4
Email Nachricht 2004
Indigene Völker und Staat
Territorium und seine Grenzen sowie durch das soziale Gefüge des indigenen Volkes bestimmt. Die Autonomie richtet sich im Wesentlichen nach innen, es werden keine hoheitlichen Aufgaben des Staates im Rahmen der Sicherheits-5 und Außenpolitik beansprucht. Eine besondere Situation ist die der indigenen Völker, die in zwei oder mehreren Staaten leben. Im Krieg zwischen Peru und Ecuador wurde diese spezielle Problematik offensichtlich. Daher wurde im Waffenstillstandsabkommen der spezifischen Situation Rechnung getragen und eine spezielle Vereinbarung für die indigenen Völker in der Grenzregion aufgenommen, die ihnen die freie Kommunikation untereinander erlaubt. Grundvoraussetzung für die Autonomie ist den Definitionen zufolge ein abgrenzbares Territorium, das ausschließlich oder mehrheitlich von einem indigenen Volk bewohnt wird. Dies ist im Tiefland Amazoniens, im Chaco, in Teilen Zentralamerikas und in Panama möglich, wo Territorien eindeutig abgrenzbar sind. Im Hochland der Anden oder aber in den Städten des Kontinents sieht die Realität anders aus. ROLDÁN erweitert daher den Autonomiebegriff auf “Autonomie umfasst die Fähigkeit, die Kommunen, Regionen, Provinzen oder andere Einheiten innerhalb eines Staates ausüben können, um mittels Normen und einer eigenen Regierung ihre Interesse im Inneren regeln zu können. Außerdem beinhaltet sie die Möglichkeit eines Volkes, politische Unabhängigkeit zu leben und die eines Individuums, in einigen Aspekten seines Lebens unabhängig von anderen zu sein. Im Falle der indigenen Völker und Gemeinschaften trifft ersteres zu. Die Autonomie ist relativ und variiert von Land zu Land“ (ROLDÁN, 2004). Dies ist der konzeptionelle Rahmen, aber wie sieht die Praxis aus? In einigen Ländern wie Kolumbien, Nicaragua, Panama wird den indigenen Völkern rechtlich die politischadministrative Autonomie über ihre Territorien zugestanden. Einschränkendes Merkmal auf der rechtlichen Ebene ist in allen Ländern die 5
In Kolumbien wird zur Zeit eine Diskussion geführt, ob oder ob nicht Indigene den Militärdienst leisten müssen (siehe unter www.etniasdecolombia.org)
Verfügungsgewalt über die Bodenschätze, die sich der Staat vorbehält (zu den erneuerbaren Ressourcen siehe ROSSBACH DE OLMOS in diesem Band). In der Realität werden die rechtlichen Vorgaben jedoch wenig beachtet. So kommt es immer wieder zu tiefgreifenden Konflikten zwischen indigenen Völkern und dem Staat, Siedlern und Unternehmen, die die Ausübung der Autonomie entscheidend beeinträchtigen: Erdöl in Ecuador, Kohle in Kolumbien, Drogenanbau bzw. Drogenbekämpfung in Peru, Kolumbien und Bolivien, Gold und Holzeinschlag in Brasilien, Peru und Ecuador sind nur einige Beispiele für Konflikte um Ressourcen, die die Autonomie indigener Territorien bedrohen. In anderen Ländern wie in Bolivien und Guatemala wurden keine indigenen Territorien eingerichtet, sondern die Regierungen bevorzugten im Rahmen der Staatsmodernisierung und Dezentralisierung der staatlichen Funktionen die Einrichtung indigener Gebietskörperschaften (Munizipien). Diese lokalen Verwaltungseinheiten können in indigenen Siedlungsgebieten durchaus Besonderheiten indigener Völker aufgreifen, wie z.B. einen eigenen Wahlmodus oder spezifische Prozesse der Entscheidungsfindung. Sie sind aber in die staatliche Struktur der Lokalverwaltungen eingebunden. KUPPE (2002) sieht es daher als fraglich an, ob die “Munizipalisierung“ indigener Selbstregierung, in der Tat Regierungsprinzipien indigener Völker stärken oder ob hier – wie zum Beispiel in Bolivien teilweise ersichtlich – nicht die bisher entlegenen indigenen Siedlungsgebiete endgültig mit Prinzipien staatlicher Lokalverwaltung überlagert werden. SIEDER (2002) sieht jedoch auch, dass die Stärkung munizipaler Strukturen, die Privatisierung und Dezentralisierung von Dienstleistungen und die Stärkung der sogenannten Zivilgesellschaft und lokaler Partizipationsinstrumente den Spielraum der indigenen Bewegung vergrößert. Andererseits: “In some cases, decentralisation has mitigated against democratisation, reinforcing local power elites, clientelist politics und unequal access to power. In others, the increased penetration of the logic of political parties into rural areas has increased
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the fragmentation and division of indigenous authorities“ (SIEDER, 2002:8). Zur Ausübung der autonomen Verwaltung eines indigenen Territoriums gehört auch die Anwendung eigener Normen zur Regelung der internen Beziehungen, das Gewohnheitsrecht. Unter Gewohnheitsrecht versteht man nicht schriftlich fixierte rechtliche Normen, die sich aus der Tradition entwickelt haben. Im öffentlichen Recht (derecho público) der Länder findet das Gewohnheitsrecht keine Anwendung, im Zivilrecht nur in ganz wenigen Ausnahmefällen. Innerhalb der indigenen Völker jedoch regelt das Gewohnheitsrecht die Beziehungen nach innen und nach außen (ROLDÁN, 2004). In Bolivien, Peru, Ecuador, Kolumbien und Venezuela wird das Gewohnheitsrecht indigener Völker als Rechtsnorm zur Regelung interner Angelegenheiten auf ihrem Gebiet anerkannt. In Guatemala kommt das Derecho Maya bei Streitschlichtungsverfahren zum Einsatz. Allerdings herrscht in allen Ländern Unsicherheit, wie weit der Anspruch auf autonome Rechtsausübung reicht (ROLDÁN, 2004). Dies ist vor allem dann kritisch, wenn die indigene Rechtsauffassung gravierend von der staatlich ausgeübten Gesetzeslage und Rechtssprechung abweicht. So strafen einige Völker schon bei relativ leichten Vergehen mit drastischen Maßnahmen, zum Beispiel das Verstoßen aus einer Gemeinschaft im Falle von Diebstahl. In der Rechtsauffassung herrscht dann zwar der Grundsatz vor, dass die Menschenrechte und das nationale Recht dem Gewohnheitsrecht übergeordnet sind, aber in der Praxis ist dies nicht immer eindeutig und es fehlt an entsprechenden Gesetzen und Institutionen, um die Normenbereiche zu harmonisieren. Abschließend sei noch erwähnt, dass die rechtlich verankerte Autonomie einzelner Völker an den Landesgrenzen endet. Indigene Völker, die in zwei oder mehreren Ländern leben, haben keine gemeinsame anerkannte autonome politische Struktur. Dies gilt zum Beispiel für die Völker im Chaco, der sich in die drei Länder Bolivien, Paraguay und Argentinien erstreckt.
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Partizipation Das Recht auf Partizipation indigener Völker bezieht sich laut ILO-Konvention auf alle Entscheidungen, die sie direkt betreffen (Art. 7.1). Die Konvention verpflichtet daher die Regierungen, “Mittel zu schaffen, durch die diese Völker sich im mindestens gleichen Umfang wie andere Teile der Bevölkerung ungehindert auf allen Entscheidungsebenen an auf dem Wahlprinzip beruhenden Einrichtungen sowie an Verwaltungs- und sonstigen Organen beteiligen können, die für sie betreffende Maßnahmen und Programme verantwortlich sind“ (Art.6). Allgemein setzt eine wirkungsvolle Partizipation die rechtliche Verankerung, die Einbettung in die politischen Strukturen des Landes, die politische Legitimität und eine hinreichend große Handlungsfähigkeit der zu beteiligenden Akteure voraus (EBERLEI, 2003). Partizipation ist also nicht die staatlich gewährte Teilnahme an Entscheidungsprozessen, sondern die rechtlich abgesicherte Teilhabe. Im Folgenden geht es im wesentlichen um die Partizipationsmöglichkeiten indigener Völker an den politischen Entscheidungen auf den unterschiedlichen staatlichen Ebenen.
Foto: Indigener Gender - Dialog im urbanen Kontext (S. HESS-KALCHER, PROENCUENTRO)
Die Antwort der lateinamerikanischen Staaten auf die Forderung indigener Organisationen nach politischer Teilhabe und Zugang zu den politischen Entscheidungsstrukturen war in den meisten Ländern die Einrichtung staatlicher oder autonomer Stellen für “indigene Angelegenheiten“ wie des Ministerio de Asuntos In-
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dígenas y Pueblos Originarios (MAIPO), der Consejo de Desarrollo de las Nacionalidades y Pueblos Indígenas (CODENPE) in Ecuador oder die Corporación Nacional de Desarrollo Indígena (CONADI) in Chile. Der politische Einfluss dieser Institutionen ist gering. Die Indigenen haben zwar in den meisten Fällen ein Mitspracherecht, was die personelle Besetzung der Institutionen und deren Politik anbelangt, bestimmen diese Politik aber nicht. Von daher erfüllen diese Institutionen den Anspruch indigener Partizipation an den Entscheidungen des Staates nicht. Um sich die politische Partizipation in den Ländern zu erkämpfen, haben Indigene unterschiedliche Optionen entwickelt. Grundvoraussetzung all dieser Optionen ist die Existenz starker regionaler und/ oder nationaler indigener Organisationen.
Die Bildung einer eigenständigen indigenen Partei: Ein Beispiel dafür ist Pachakutik6 in Ecuador, die das erste Mal 1996 an den Kongresswahlen teilgenommen und 8 Sitze gewonnen hat. Pachakutik hat eine wichtige Rolle in der Diskussion um die Ratifizierung der ILO-Konvention 169 und der neuen ecuadorianischen Verfassung gespielt. Mit Nina Pacari und Luis Macas hatten sie 2003 sogar kurzzeitig zwei Ministerposten in der neuen Regierung inne. Pachakutik hat innerhalb kurzer Zeit eine wichtige Stellung für Indigene im parlamentarischen Raum einnehmen können. Dieser Erfolg war jedoch nur durch die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Organisationen und Indigenen aus dem Andenraum und dem Amazonas möglich.7
Die Nutzung munizipaler Strukturen wie in Guatemala: In Guatemala gibt es neben der alcaldía (Kommune) indigene Gebietskörperschaften (municipios indígenas). In ländlichen Gebieten mit absoluter indigener Mehrheit wählen die Bewohner der indigenen Weiler (Cantones) ihre eigenen Bürgermeister (in einigen wenigen Orten wie Zolola sind es Bürgermeisterinnen) nach einem eigenen Wahlverfahren. Zwar verfügen diese indigenen Gebietskörperschaften über eine gewisse Autonomie, sind aber der alcaldía, die zum Beispiel das Geld verwaltet, nachgeordnet. Auch in Städten wie Quezaltenango haben sich comités civicos, eine Art Wahlverein, der indigenen Bevölkerung gebildet mit dem Ziel, die Bürgermeister des Ortes zu stellen, und so ein poder local aufzubauen. Da das guatemaltekische Wahlsystem nur Parteien und comités civicos anerkennt, haben sich die indigenen Organisationen entschlossen lokal über die comités civicos in das “normale“ Wahlgeschehen einzugreifen.8 Die lokalen indigenen Strukturen sind relativ schwach und weitgehend auf externe Unterstützung durch die staatliche oder nichtstaatliche Entwicklungszusammenarbeit zur Durchführung von Projekten angewiesen. Auch in den Andenländern wie in Peru und Ecuador beteiligen sich die indigenen Organisationen mit eigenen Kandidaten an den Bürgermeisterwahlen, unter den gleichen Bedingungen wie alle anderen Kandidaten. In Peru, wo bis vor einigen Jahren Bürgermeister noch vom Staat ernannt wurden, haben sie bei den letzten Bürgermeisterwahlen einige Erfolge erzielen können.
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Movimiento de Unidad Plurinacional Pachakutik – Nuevo Pais ist ein Bündnis von Indigenen und anderen Sektoren der Gesellschaft 7 Allerdings scheint Pachakutik zur Zeit das gewonnene politische Ansehen wieder zu verspielen. So beklagt LUIS MACAS, 2003 Landwirtschaftsminister in der Regierung Gutiérrez: “Pachakutik verfügt über kein Regierungsprogramm, das in den eigenen Reihen abgestimmt wäre.... Die politische Krise beinhaltet für Pachakutik das Risiko, aus der politischen Landschaft zu verschwinden, wenn keine tiefgehende Auswertung vorgenommen wird, die einen politischen Wandel und eine geänderte Stra-
tegie, wie ein wirklich plurinationaler Staat erreicht werden kann, beinhaltet“ (zitiert aus ILA, Mai 2004). 8 Zwar wurde in Guatemala Ende der 1990er die Bildung eigenständiger Indigenenpartei diskutiert. In Guatemala wurde dieser Plan jedoch wieder verworfen, da die Organisationen zu schwach, zu zerstritten waren und zu wenig Basis hatten.
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Der Aufbau autonomer völkerübergreifender Selbstverwaltungsstrukturen: Ansätze gibt es dazu in Ecuador mit dem “indigenen Parlament“. Allerdings sind die Abgrenzungen zwischen den indigenen Organisationen CONAIE (Consejo de Nacionalidades Indígenas del Ecuador) und CONFENIAE (Confederación de Nacionalidades Indigenas de la Amazonía Ecuatoriana) einerseits und dem indigenen Parlament andererseits unscharf, so dass an dieser Stelle wenig darüber gesagt werden kann, welchen Beitrag das Parlament zur politischen Teilhabe und Selbstverwaltung leistet bzw. leisten kann.
Das “klassische Mittel“ des sozialen Protestes: Beispiele dafür sind die sozialen Protestbewegungen in Bolivien und Ecuador oder die (bewaffnete) Widerstandsbewegung der Zapatisten in Mexiko, die maßgeblich von indigenen Völkern beziehungsweise deren Organisationen getragen werden. Diese Proteste haben in Ecuador und Bolivien zu tiefen Regierungskrisen bis hin zur Absetzung der amtierenden Regierung geführt und national wie international das Augenmerk auf die soziale und politische Marginalisierung der indigenen Völker gerichtet.
Bildung von Interessenvertretungen und Nichtregierungsorganisationen auf überregionale Ebene: Die gewachsene Präsenz indigener Organisationen auf den internationalen Foren sollte in diesem Zusammenhang nicht unterschätzt werden. Die internationale Debatte um die Rechte indigener Völker hat zur Stärkung der indigenen Organisationen und ihren Partizipationsmöglichkeiten beigetragen. In der Praxis schließen sich die einzelnen Optionen nicht aus sondern ergänzen sich vielmehr. Die indigenen Organisationen kombinieren daher gleichzeitig mehrere Ansätze in ihrer Politik. Die oben genannten Optionen beziehen sich alle auf Länder, in denen indigene Völker einen hohen Anteil an der Bevölkerung oder die Bevölkerungsmehrheit bilden. Anders sieht
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es in den Ländern aus, in denen Indigene eine kleine Minderheit sind wie in Kolumbien oder Venezuela.
Das Beispiel Venezuela Die indigenen Organisationen Venezuelas stehen vor einer enormen Herausforderung. Innerhalb kürzester Zeit haben sich nach Jahrhunderten der Negierung mit dem Regierungswechsel 1998 Möglichkeiten der aktiven politischen Partizipation und Interessenvertretung ergeben. Diese ist in der Verfassung verankert, deren rechtlich-administrative Umsetzung jedoch noch durch Gesetze geregelt werden muss. Die Indigenen können sich dabei im wesentlichen nur auf eine politische Kraft innerhalb der Mehrheitsgesellschaft stützen: den Präsidenten und Teile seiner Partei. Nach wie vor handelt der überwiegende Teil der Mehrheitsgesellschaft einschließlich des Verwaltungsapparates diskriminierend. So stieß das Gesetz zur Demarkierung des habitat, einem in anderen lateinamerikanischen Ländern ungebräuchlichen Begriff für indigenes Land und das Resultat eines Kompromisses der Parteien im Parlament, auf erhebliche Widerstände. Großgrundbesitzer und Militärs starteten eine Gegenkampagne, in der sie Landkarten Venezuelas veröffentlichten, die das ganze Land in der Hand von einigen wenigen Indigenen zeigte, während sich die Millionen von Venezolanern in ein paar Städten zusammendrängen mussten. Die indigenen Organisationen, die noch relativ jung und schwach sind, stehen also vor der großen Herausforderung den neuen Spielraum optimal zu nutzen, und die erreichten Reformen zu sichern. Sie benötigen dafür eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung. Dementsprechend setzen sie auf Dialog und weniger auf Konfrontation. Ein Beispiel für den Umgang im Konfliktfall ist die umstrittene Stromleitung von Ciudad Guayana nach Brasilien und das Einlenken der indigenen Organisationen, die im Endeffekt dem Bau der Stromleitung zustimmten, im Versprechen auf einen regionalen Entwicklungsfonds und der Aussicht auf eine rechtliche Verankerung indigener Territorien auf nationaler Ebene. Die Auseinandersetzung um die Stromleitung hat fast zur Spaltung der regi-
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onalen Indigenenorganisation im venezolanischen Bundesstaat Bolívar geführt. Durch die neue Verfassung haben die Indigenen das Recht, drei Parlamentsabgeordnete zu stellen, Parlamentarier und Stadträte in die Provinz- und Kommunalparlamente zu entsenden, und Institutionen für indigene Belange personell zu besetzen. Das stellt die indigenen Organisationen vor große Herausforderungen, da sie nicht über viele ausgebildete Führungspersönlichkeiten verfügen und keine politischen Erfahrungen in der parlamentarischen Arbeit haben. Sie müssen nicht nur eigene Gesetzesvorschläge erarbeiten, sondern auch gleichzeitig den politischen Druck oder Spielraum entwickeln, um sie durchzusetzen. Das ist für eine relativ junge Organisation wie CONIVE, der nationalen Indigenenorganisation Venezuelas, für die indigenen Parlamentarier und die kleine Gruppe von Beratern eine sehr große Aufgabe. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit hat die indigenen Organisationen in der Erarbeitung der relevanten Verfassungsartikel unterstützt, in dem sie ihnen die Möglichkeit gegeben hat, Konsultationsworkshops mit der Basis durchzuführen. In einer zweiten Phase, die mittlerweile abgeschlossen ist, wurde dann die Rückkoppelung über die gesetzgeberischen Vorschläge zwischen den indigenen Parlamentariern und der indigenen Basis unterstützt. Weiterer Bestandteil des Projektes war die rechtliche Beratung bei Gesetzesvorschlägen. Dieses Projekt ist ausgelaufen, ohne dass neue Vereinbarungen getroffen wurden. Dies ist bedauerlich, da es für die Indigenen in Venezuela notwendig wäre – auch angesichts der Polarisierung der Gesellschaft – einen kontinuierlichen angepassten Konsultationsprozess zwischen indigenen Parlamentariern und der Basis über ihre Arbeit und neue Gesetzesinitiativen durchzuführen. Dies ist umso dringender, da die parteipolitische Vereinnahmung der indigenen Bewegung und damit der Verlust ihrer Unabhängigkeit droht, was langfristig zu einer Schwächung der indigenen Bewegung Venezuelas führen kann.
Das Beispiel Kolumbien In Kolumbien stehen die indigenen Völker und deren Organisationen vor anderen Herausforderungen. Obwohl die Indigenen nur ca. 3% der Gesamtbevölkerung ausmachen, haben sie bereits Anfang der 1990er Jahre eine weitgehende Anerkennung ihrer Rechte durchsetzen können. So wurden bereits in der Verfassung von 1991 indigene Territorien, so genannte resguardos anerkannt, und ihnen auf der politischen Ebene die direkte Interessenvertretung im Senat durch zwei Mitglieder zugesichert. Die rechtliche Anerkennung indigener Völker ist in Kolumbien weiter fortgeschritten als in den anderen lateinamerikanischen Ländern. In der Realität wird allerdings dieser Rechtsanspruch durch die Realität des Krieges in den indigenen Territorien überlagert. Die bewaffneten Gruppen, Guerilla, Paramilitär und Militär kämpfen um die territoriale Kontrolle und, eine indigene Selbstverwaltung der resguardos ist unmöglich. Die Aussage von AIDA SUÁREZ SANTOS von der regionalen Indigenenorganisation in Antioquia beschreibt den eingeschränkten Handlungsspielraum der Indigenen: “Unser Vorschlag sind Schutzzonen innerhalb des Territoriums, wo die indigenen Gemeinden leben. Diese Zonen müssen aber außerhalb der strategischen Korridore der bewaffneten Akteure liegen. Es soll bestimmte Orte geben, wo Gemeinden Zuflucht suchen können, wenn ihnen in ihrem eigenen Gebiet Vertreibung droht oder Kämpfe zu befürchten sind.“ (BRAßEL, ILA, 2004). Angesichts der permanenten Bedrohung des Lebens und der Vertreibung ist es fast unmöglich, indigene Selbstverwaltungs- und Beteiligungsstrukturen aufzubauen – trotz weitreichender rechtlicher Absicherung.
Fazit Trotz einiger Verbesserungen hin zu mehr Partizipation und damit zu mehr Demokratie ist die politische Marginalisierung indigener Völker längst nicht überwunden. Es wird daher wichtig sein, die Ansätze, die sich in den einzelnen Ländern zeigen, zu nutzen und auszubauen. Dazu gehört auch die Begleitung und Beratung indigener Organisationen in der Ausgestaltung
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der Partizipationsmöglichkeiten und der Wahrnehmung ihrer Rechte. Für indigene Organisationen und ihre Vertreter/innen besteht die Gefahr in dem bestehenden System der lateinamerikanischen Länder kooptiert und korrumpiert zu werden. Dieses Problem wird nur
durch eine regelmäßige und systematische Rückkoppelung der parlamentarischen Vertretung mit der Basis vermeidbar sein. Für die Entwicklungszusammenarbeit bieten sich hier in der Beratung und Unterstützung viele Ansatzpunkte.
Foto: Indigene Bevölkerung im Andenhochland (K. HEISING)
Legitimität von Repräsentant/innen Oft diskutiert wird die wichtige Frage der Repräsentanz: Wer ist berechtigt für die Belange indigener Völker, indigener Gemeinschaften zu sprechen? Sind es nur die traditionellen Autoritäten oder die jungen “modernen“ Organisationen oder gar nicht-indigene Nichtregierungsorganisationen? Von indigener Seite wird die Vermittlung oder Vertretung indigener Belange durch nicht-indigene NRO abgelehnt. Schwieriger ist jedoch das Verhältnis zwischen traditionellen und “modernen“ Organisationsstrukturen. Ohne Frage haben sich vor allem im Tiefland aber auch im Hochland Lateinamerikas
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parallele Machtstrukturen herausgebildet. In vielen Orten stehen die Organisationen neben den traditionellen Strukturen und eine gute Verbindung dieser beiden Macht- und Entscheidungsstrukturen gibt es nur in wenigen Fällen (z.B. bei den Kuna in Panama oder dem CRIC in Kolumbien). Allerdings reagieren die beiden Strukturen auf unterschiedliche Anforderungen und Bedürfnisse: die traditionellen Machtstrukturen bestimmen im wesentlichen das Innenverhältnis der Gemeinschaften, während die “modernen“ Organisationen im wesentlichen die Funktion der Außenrepräsentanz und Durchsetzung von Interessen haben. Na-
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türlich ist diese Aufteilung der Funktionen idealistisch, in der Praxis finden viele Überschneidungen und Überlagerungen statt, die zu Konflikten führen. Für die EZ ist es wichtig, die Strukturen gut zu kennen, um durch Interventionen keine neuen Konflikte zu schüren. Außerdem ist zu beachten, dass die indigenen Organisationen sich als Mittler zwischen Geberorganisationen und indigenen Gemeinschaften verstehen und nicht auf die Mittlerfunktion von Kirche und/ oder NRO angewiesen sind. Die Mittlerfunktion Dritter wird von indigener Seite sogar vehement abgelehnt. Mit dieser “Mittlerfunktion“ ist jedoch nicht die Beraterfunktion, die vor allem bei rechtlichen Fragen eine große Rolle spielt, gemeint. Es ist wichtig, Spannung zwischen traditionellen und westlichen Strukturen nicht zu verstärken. Die EZ sollte daher die internen Abstimmungsprozesse der indigenen Völker respektieren.
Entwicklungszusammenarbeit Wie sieht nun der Beitrag der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Kontext von Demokratisierung – Anerkennung und Ausgestaltung autonomer Selbstverwaltungsstrukturen – Partizipation aus? Das Konzept des BMZ zur Entwicklungszusammenarbeit mit indianischen Bevölkerungsgruppen in Lateinamerika (1996:6) sieht in den verbesserten rechtlichen Rahmenbedingungen Möglichkeiten “sowohl im Bereich der nichtstaatlichen als auch im Bereich der zwischenstaatlichen EZ verstärkt tätig zu werden…“ und fährt fort: “Die Bundesregierung nutzt diese Möglichkeiten und wird ihre Bemühungen intensivieren, indianische Bevölkerungsgruppen in der Artikulierung, Durchsetzung und Wahrnehmung ihrer Rechte zu unterstützen. Sie sieht ein solches Engagement nicht nur als unverzichtbaren Bestandteil ernst gemeinter Anstrengungen zur Armutsbekämpfung in Lateinamerika, sondern auch als wichtigen Beitrag zur Wahrung der Menschenrechte und zur Konsolidierung demokratischer Gesellschaftsstrukturen, die allen Bevölkerungsgruppen politische Partizipation und Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand garantieren.“ Die Unterstützung indigener Völ-
ker in der Wahrnehmung ihrer Rechte und die Partizipation Indigener im Sinne einer Konsolidierung demokratischer Gesellschaftsstrukturen steht demzufolge an prominenter Stelle in der EZ mit indigenen Völkern. Dies wird durch das “Partizipationskonzept“ des BMZ (1999) verstärkt. In der Zieldefinition heißt es: “Ziel ist es, allen Beteiligten – Frauen wie Männern – zu ermöglichen, an einem transparenten Dialog- und Entscheidungsprozess teilzunehmen. Im Vordergrund dieses Partizipationskonzeptes stehen gesellschaftliche Gruppen, deren Beteiligungsmöglichkeiten u.a. aufgrund der Verteilung von Macht und wirtschaftlichen Möglichkeiten unzureichend sind.“ Dies bezieht sich nicht nur auf die partizipative Gestaltung der Projekte und Programme der Entwicklungszusammenarbeit. So heißt es weiter unten “(...) wirkt die EZ auf verbesserte gesellschaftliche Partizipation im Partnerland hin, z.B. durch die Unterstützung der Zivilgesellschaft (...) und von dezentralen demokratischen Strukturen“ (1999:2). Erneut wurde dieser Ansatz in dem Sektorvorhaben: “Mainstreaming Partizipation der GTZ“ aufgegriffen, das drei Dimensionen der Partizipation im Kontext der EZ unterscheidet (MAENNLING, 2003): 1. die Beteiligung an den Arbeitsprozessen in Projekten und Programmen, 2. die demokratische Bürgerbeteiligung an Entscheidungs- und Steuerungsprozessen 3. und die Beteiligung an der Schaffung von Institutionen in Politik und Gesellschaft, die die Partizipation ermöglichen und gewährleisten. In Projekten und Programmen der EZ werden heute verstärkt indigene Völker als Zielgruppen wahrgenommen und einbezogen. Und zwar nicht nur auf der Ebene der Planungsabläufe der EZ sondern auch in der politischen Ausrichtung: Das bereits genannte Projekt “Interkultureller Dialog und politische Beteiligung der Indígena-Bevölkerung Guatemalas“, die institutionelle Förderung von AIDESEP in Peru und der COICA, die Unterstützung der indigenen Parlamentarier in Venezuela ebenso wie das InWEnt Trainingsprojekt zu indigenen Rechten
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zeigen Ansätze für eine veränderte Schwerpunktsetzung.
5. Schlussfolgerungen und Empfehlungen Die rechtlichen Fortschritte der letzen Jahre und die zunehmende politische Bedeutung indigener Organisationen auf nationaler und internationaler Ebene kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Alltag indigener Völker in Lateinamerika nach wie vor von sozialer, politischer und wirtschaftlicher Diskriminierung und Marginalisierung bestimmt ist. Die neuen rechtlichen Möglichkeiten und die Veränderung des politischen Diskurses beinhalten Chancen, Diskriminierung und Marginalisierung nachhaltig abzubauen. Eine wirkliche Anerkennung der Multiethnizität eines Landes beinhaltet durchaus die Restrukturierung des existierenden Staates und eine Neudefinition des Verhältnisses von Staat und indigenen Völkern. Die Entwicklungszusammenarbeit kann diesen Prozess im Sinne einer Demokratisierung der Länder unterstützen: durch die gezielte Förderung indigener Organisationen und Selbstverwaltungsstrukturen, durch das Training Indigener zu Rechtsfragen, zu Fragen der Verwaltung und des Finanzmanagements, sowie durch die Einbeziehung der indigenen Zielgruppe in die Programme von Staatsmodernisierung und Demokratisierung. Darüber hinaus bedarf es eines Prozesses, in dem die EZ und die indigenen Organisationen sich über Konzepte von Demokratisierung, Autonomie und Partizipation verständigen, um wirkungsvolle Ansätze für die EZ zu finden. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, auch staatliche Institutionen in diesen Dialog einzubinden.
Literatur ASSIES, W., van der HAAR, G., HOEKEMA, A. (Hrsg), 1999: The Challenge of Diversity, Indigenous Peoples and reform of the state in Latin America. Amsterdam, Niederlande BMZ, 1996: Konzept zur Entwicklungszusammenarbeit mit indianischen Bevölkerungsgruppen in Lateinamerika. BMZ Konzept Nr. 73
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BMZ, 1999: Partizipative Entwicklungszusammenarbeit. BMZ Konzept Nr.102 BRAßEL, F., 2004: Der Oberst hat niemand mehr, der ihn mag, ILA, Nr.275. Bonn COICA, 2004: Derechos Indígenas en la OEA, in Zeitschrift, Nuestra Amazonía, No.22. Quito EBERLEI, W., 2003: Partizipation und Ownership in der Armutsbekämpfung, in: Quo vadis Partizipation? GTZ, Gespräche im Club. Eschborn GARCIA SERRANO, F., 2002: Política, Estado y movimiento indígena: nuevas estrategias de negociación en tiempos de dolarización, in: STRÖBELE-GREGOR, J.: Dossier: Nuevas Tendencias de los movimientos indígenas en los Países Andinos y Guatemala al comienzo del nuevo siglo, INDIANA 17/18. Berlin GOEDEKING, U., 2002: Die Macht politischer Diskurse: Indigene Bewegung, lokale Proteste und die Politik indigener Führungspersönlichkeiten in Bolivien, in: STRÖBELE-GREGOR, J.: Dossier: Nuevas Tendencias de los movimientos indígenas en los Países Andinos y Guatemala al comienzo del nuevo siglo, INDIANA 17/18: 83104. Berlin KUPPE, R., 2002: Indianisches Recht und Partizipation im Rahmen der Verwirklichung eines plurikulturellen und multiethnischen Staates, in: STRÖBELE-GREGOR, J.: Dossier: Nuevas Tendencias de los movimientos indígenas en los Países Andinos y Guatemala al comienzo del nuevo siglo, INDIANA 17/18: 105-134. Berlin MAENNLING, C., 2003: Quo vadis partizipation? GTZ, Gespräche im Club. Eschbon ROLDÁN, R., 2004: Manual para la formación en derechos indígenas, territorios, recursos naturales y convenios internacionales, Ediciones Abya Yala. Quito SIEDER, R. (Hrsg.), 2002: Multiculturalism in Latin America, Institute of Latin American Studies. England STAVENHAGEN, R., 2002: Indigenous Peoples and the State in Latin America, in: SIEDER, R. (Hrsg.): Multiculturalism in Latin America, Institute of Latin American Studies. England
Indigene Völker und Landrechte
Indigene Völker und Landrechte DR. THEODOR RATHGEBER
“Der Ausgangspunkt für eine gerechte und humane Politik für solche Gruppen [indigene Gemeinschaften; T.R.] ist die Anerkennung und der Schutz ihrer traditionellen Rechte auf Land und andere Ressourcen, die sie zur Aufrechterhaltung ihrer Lebensweise brauchen – Rechte, die sie möglicherweise anders definieren als sie dem bisherigen Rechtsstandard entsprechen. Die eigenen Institutionen dieser Gruppen, die Rechte und Pflichten verteilen, sind grundlegend für die auf Ausgleich bedachte Wechselbeziehung zwischen Natur und Umweltbewusstsein, sind charakteristisch für diese traditionelle Lebensweise. Insofern muss die Anerkennung der traditionellen Rechte mit den Maßnahmen zum Schutz der lokalen Institutionen Hand in Hand gehen, um den verantwortlichen Ressourcenverbrauch zu stärken.“ 1
1. Der Bedeutungskontext indigener Territorien Territoriale Fragen sind für indigene Völker von grundsätzlicher, existenzieller Bedeutung. Die meisten indigenen Völker mussten – soweit sie nicht in entlegenen Gebieten leben – im Zuge von Eroberung und Kolonisierung Landverluste hinnehmen, die bis heute eine unabgegoltene Beschädigung souveräner Herrschaft darstellen. Wenngleich in Lateinamerika so gut wie keine indigene Organisation die Wiederherstellung einer vollen staatlichen Souveränität beansprucht oder separatistische Ziele anstrebt, schwingt in den Auseinandersetzungen um das traditionell besiedelte oder genutzte Land immer der Anspruch auf eine eigenständige Verfügung der Restbestände an Land mit. So gibt es kein nationales oder internationales Forum, auf dem Beiträge indigener Repräsentantinnen und Repräsentanten nicht wiederholt ihren zentralen Bezug auf Landrechte zum Ausdruck bringen, und das darin eingebettet Überleben als Kultur hervorheben (zur Ambivalenz des ‚Kultur‘-Begriffs im indigenen Kontext siehe auch STRÖBELE-GREGOR und ABRAM in diesem Band). In der jüngsten, über 30 Jahre dauernden, indigenen Landrechtsbewegung wurde in den politischen und rechtssys-
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tematischen Debatten zu den Landrechten indigener Völker der Begriff des ‚Territoriums‘ statt ‚Land‘ ins Spiel gebracht. In bewusster Anlehnung an den historischen Bedeutungsverlust sowie an die Vorstellung einer rechtlich abgesicherten Grundlage, die eine relativ souveräne Verfügung über Boden, Untergrund und Luftraum erlaubt. Indigene Völker und Gemeinschaften meinen mit Territorium allerdings nicht allein die materielle Verfügungsmöglichkeit über den Boden und die vorhandenen natürlichen Ressourcen (vgl. FELDT und ROSSBACH DE OLMOS in diesem Band), sondern den Versuch, sich eigenständige Lebensentwürfe wieder anzueignen und weiter zu entwickeln. Mit dem Begriff Territorium verknüpft sich der Anspruch auf eine kulturell normierte Existenz mit eigener Sprache, eigenen Rechtssystemen, spezifischer Versorgung in den Bereichen Gesundheit und Ausbildung sowie politisch autonomer, lokaler Verwaltung. Das Territorium stellt die Projektionsfläche für den spezifisch sozialen und kulturellen Verbund dar, mit eigenen Mitteln wenigstens ansatzweise eine Entwicklung nach eigenen kulturellen Leitbildern und Maßstäben zu ermöglichen. Nicht zuletzt verstehen indigene Völker ihr Territorium als den unverwechselba-
BRUNDTLAND, 1987; Übersetzung des Autors
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ren Ort ihrer spirituellen Rückverbindung (lat.: religere) zwischen der Tätigkeit in vertrauter Umgebung und dem Sinn des Lebens. Die Mythen, die Gräber der Ahnen, die spirituelle Verwurzelung mit der Umgebung, die auf den traditionell bewohnten und genutzten Territorien entstanden sind, verleihen den Gemeinschaften eine eigene, nicht von anderen abhängige oder abgeleitete Geschichte und Identität (RATHGEBER, 1994 und 2003; STAVENHAGEN, 2002). Was von dieser umfassenden Zuschreibung des Territoriums jeweils aufgenommen wird, richtet sich nach den Kräfteverhältnissen in der jeweiligen Region. Die Gewichtung einzelner Bestandteile ist ebenso offen für Veränderungen und korrespondiert mit der Frage bzw. Identifizierung, wer eigentlich indigene Völker sind. Die Vereinten Nationen und andere internationale Foren legen die Annahme zugrunde, dass von einem indigenen Volk dann gesprochen werden kann, wenn zum einen zumindest Teile aus einem Bündel an historischen, geographischen und sozialen Anhaltspunkten sowie ethnologische Kriterien vorliegen. Dies wären etwa die Nachfahren der ersten Siedler in einer Region sowie das Vorhandensein mindestens von Restbeständen an eigener Sprache, Religion oder spezifischer Formen der politischen und juristischen (Selbst-) Verwaltung. Zum anderen müssen sich die Angehörigen einer solchen Gemeinschaft selbst als indigen identifizieren. Die (Selbst-) Identifikation indigener Völker stellt insofern einen eher prozesshaften Vorgang denn eine abgeschlossene Definition dar – und bleibt offen für Veränderungen. Aus guten Gründen: Angehörige indigener Gemeinschaften etwa in Guatemala, Mexiko oder Kolumbien waren in der jüngeren Vergangenheit gut beraten, sich je nach Gefahrenlage oder drohender Diskriminierung einmal eher als Kleinbauern, das andere Mal eher als Angehörige einer indigenen Gemeinschaft zu erkennen zu geben. Entsprechend variiert nach außen der Charakter des besiedelten oder genutzten Landes. Der dem Völkerrecht entlehnte Begriffsteil ‚Volk‘ unterstreicht gleichzeitig den Anspruch auf das Territorium im Sinne eines historisch gewachsenen Rau-
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mes, der innerhalb des gegebenen Nationalstaates autonome Entscheidungen gegenüber anderen sozialen Gruppen beansprucht (STAVENHAGEN, 2002). Das Territorium als skizziertes, kleinräumliches ‚Universum‘ stellt Angel- und Zielpunkt selbst derjenigen dar, die lediglich Aspekte davon für sich einfordern. Es dürfte unter den Angehörigen indigener Gemeinschaften schwerlich jemand zu finden sein, der die vom BrundtlandReport (1987) dargelegte, konstitutive Wechselbeziehung zwischen Land, Ressourcen, eigenen Institutionen sowie dem Anspruch an die eigene Lebensweise in Abrede stellen wollte. Dies gilt selbst für Angehörige, die in Städten leben, dort aber über verwandt- und nachbarschaftliche oder lokal bezogene Vereinigungen vielfältige Beziehungen zu ihren Ursprungsorten aufrechterhalten und materiell wie ideell zur Existenzsicherung des Territoriums beitragen. Sie unterstreichen dessen umfassende Bedeutung für das Überleben und die Vitalität indigener Gemeinschaften. Die im Begriff Territorium mitschwingende, kollektive und kulturelle Dimension behält offensichtlich auch in städtischer Umgebung ihre über die einzelnen Generationen hinausweisende Bedeutung bei (RATHGEBER, 1994; HOLZINGER, 2003). Die Ausprägung der Wechselbeziehung von Land, Ressourcen, Institutionen und selbstbestimmter Lebensweise sowie die Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit fallen gleichwohl unterschiedlich aus; je nachdem, wie stark die einzelnen Gemeinschaften von den äußeren Eingriffen durchdrungen sind, und wie diskriminierend oder gar strafverfolgend die soziale Umgebung auf die öffentliche Darstellung reagiert. Bei indigenen Völkern im Tiefland des Amazonas trat diese enge Wechselbeziehung von Land und Selbstverwaltung immer schon ostentativer zutage als etwa bei Gemeinschaften im andinen Hochland. Letztere waren zum einen direkter dem unmittelbaren Machtbereich der kolonialen und später republikanischen Herrscher ausgesetzt. Zum anderen mussten sie unter diesen Bedingungen eine Entwicklung auf der Grundlage bäuerlicher Subsistenzökonomie einschlagen, so dass indigene Gemeinschaften im Hochland eher
Indigene Völker und Landrechte
als kleinbäuerliche Gemeinden in Erscheinung traten. Gleichwohl lassen sich heute noch bei näherem Hinsehen auch dort viele Elemente eines kulturell spezifischen Zusammenhanges entdecken, der durch die koloniale Dominanz in den Hintergrund rücken musste. Außerdem zielen etwa in Guatemala die Forderungen nicht allein auf die Rückgabe des im Bürgerkrieg von der Armee konfiszierten Landes, sondern auch auf die Rückgabe spirituell und kulturell bedeutsamer Stätten. Aufgrund der politisch und strafrechtlich polarisierten Situation konzentrieren in Chile manche Organisationen der Mapuche ihre Forderungen auf die Nutzung öffentlicher Räume zur Durchführung tradierter Zeremonien, vor allem in den Städten, oder die Einrichtung staatlich besonders geförderter Zonen für eine wie auch immer geartete ‚indigene Entwicklung‘. Es ist daher unabdingbar, die unterschiedliche Dynamik der Landrechtsauseinandersetzungen zu berücksichtigen; insbesondere im Tiefund Hochland. Gleichwohl scheint mir im Kontext der Fragestellung mindestens genauso interessant, dass gerade auch im kleinbäuerlich strukturierten, andinen Hochland immer wieder an tradierte Institutionen angeknüpft wird, um eine eigenständige, teilweise im Verborgenen stattfindende Entwicklung einzuleiten. Kollektive Formen der Arbeitsorganisation, gemeinschaftlich bewirtschaftete Flächen, die Einbettung staatlicher Verwaltungseinrichtungen in tradierte Formen der Selbstverwaltung oder die Wiederbelebung kulturell normierter Leitbilder in religiösen Zeremonien (Stichwort Synkretismus) offenbaren auch dort die im Vergleich zu nicht-indigenen Kleinbauern spezifische Dynamik, mit der Auseinandersetzungen um das Land geführt werden. Seitdem in Bolivien das Gesetz zu den Tierras Comunitarias de Origen (TCOs) für indigene Gemeinschaften nachvollziehbare Ergebnisse zustande bringt, zeigen auch die Hochlandbewohner ein starkes Interesse an dieser Möglichkeit, kommunalen Landbesitz mit kollektiven Rechtstiteln ausstatten zu lassen. Ein Gesetz, das ursprünglich mit Blick auf das Tiefland konzipiert wurde, schlägt also vermehrt auf das Hochland durch, aus dessen Regionen inzwischen zwei Drittel der Anträge eingegan-
gen sind. Die dortigen Bewohner sehen eine realistische Möglichkeit, an tradierte Institutionen anknüpfen und kommunale Landbesitzverwaltungen wieder einrichten zu können (RATHGEBER, 2003; siehe auch Abschnitt 4) Darüber hinaus entwickelten indigene Völker eine erstaunliche Fähigkeit, koloniale Strukturen und Formen der sozialen Organisation für eigene Zwecke zu nutzen. So ist der von den Spaniern eingeführte Cabildo (Dorfrat) etwa für indigene Gemeinschaften in Kolumbien zum Inbegriff der politischen Autonomie auf den traditionell besiedelten Territorien geworden. In gleicher Weise wurde das Resguardo (Reservation) als Eigentumsanspruch auf indigene Territorien und deren Verwaltung übernommen. Die neue kolumbianische Verfassung von 1991 bestätigte dieses Rechtsmodell, so dass hier indigene Völker als Rechtssubjekte in der autonomen Verwaltung ihres Lebensraums auftreten und ihr Gewohnheitsrecht ausüben (MEMBREÑO IDIAQUEZ, 1994; RATHGEBER, 1994; MUYUY JACANAMEJOY, 1997). Würden die in der kolumbianischen Verfassung vorgesehenen territorialen Körperschaften für indigene Gemeinschaften (Entidades Territoriales Indígenas) in Ausführungsgesetzen geregelt und umgesetzt, könnte dies dem skizzierten Anspruch auf territoriale Autonomie recht nahe kommen. Aus den bisherigen Ausführungen lässt sich mit den Worten von Robert A. Williams – einem renommierten Experten für indigene Landrechte, der in den 1990er Jahren in die UN-Unterkommission zur Förderung der Menschenrechte berufen wurde – feststellen, dass die tragenden materiellen, kulturellen und spirituellen Säulen indigener Identität unabdingbar mit dem Bezug zum jeweiligen Territorium verknüpft bleiben (zitiert nach DAES, 2000: Absatzziffer 12).
2. Indigene Landrechte im Kontext internationaler Standardsetzung Begriffliche und konzeptionelle Annäherungen an Bedeutung und Umfang des indigenen Territoriums sind in den einschlägigen internationalen Foren und vertraglichen Plattformen wie etwa bei internationalen Übereinkommen fast
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schon zur Selbstverständlichkeit geworden. In gleicher Weise sind im vergangenen Jahrzehnt in Lateinamerika Versuche zu beobachten, die Ergebnisse dieser Debatten und Standards im nationalstaatlichen Rahmen juristisch umzusetzen, und dem jeweiligen Staat einen der Bevölkerungsstruktur entsprechenden kulturellen Pluralismus zu verordnen. Stichworte wie spezifische Rechte oder Wahlkataster für Angehörige indigener Völker in einer demokratisch egalitären Gesellschaft, doppelte Staatsbürgerschaften für Grenzlandbewohner etwa in Kolumbien und Ecuador, ‚Selbstbestimmung‘
für regionale Teile einer Nation oder besondere Konsultationsverpflichtungen für Regierungen und Behörden reichen hier als Stichworte aus, um den Paradigmenwechsel der staatlichen Politik in Bezug auf indigene Völker zu verdeutlichen. Mindestens der Verfassung nach gilt in vielen Staaten Lateinamerikas die Verschiedenheit der Kulturen nicht mehr als zu überwindendes Relikt vormoderner Prinzipien, sondern als gleichwertiger Bestandteil der öffentlichen Ordnung (KUPPE, 2000:106ff; vgl. auch den folgenden Abschnitt 3).
Foto: Taller zur Zonifizierung eines Sektors in Mapuche-Gemeinden, Chile (S. HESS-KALCHER, Proyecto GAR)
Die Annäherung an eine konstruktive Behandlung indigener Landrechte erfolgte aus unterschiedlichen Beweggründen und in mehreren Zeitabschnitten. Den wesentlichen Anstoß gaben indigene Völker mit ihren Mobilisierungen ab den 1970er Jahren selber, die zumindest Teile der nationalen wie internationalen Öffentlichkeit auf ihre elende Lage aufmerksam machten. So wurden die vom Staat erzwungenen Maßnahmen, die sich gegen tra-
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dierte Formen indigener Lebensweise richteten und die Homogenisierung der nationalen Gesellschaft zum Ziel hatten, als systematische Menschenrechtsverletzungen eingestuft; teilweise in der Kategorie des Völkermords gemäß Artikel II der Konvention gegen Genozid. Dieser Artikel stellt Handlungen unter Strafe, die in der Absicht begangen werden, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zer-
Indigene Völker und Landrechte
stören. Umgekehrt erschien die auf indigenen Territorien praktizierte Lebensweise zunehmend weniger als entwicklungshemmend und rückwärtsgewandt, sondern als Ausdruck für das Bestreben, einen aus den eigenen kulturellen Werten abgeleiteten Lebensentwurf mit eigenen Möglichkeiten zu verwirklichen; d.h. ‚Glück‘ selbst zu bestimmen. Eine Bresche schlug der UN-Sonderberichterstatter für die UN-Unterkommission zur Förderung der Menschenrechte, der aus Ecuador stammende JOSÉ R. MARTÍNEZ COBO. Er fertigte in den 1970er Jahren im Auftrag der UNO eine umfangreiche Studie zur Lage indigener Völker an und stellte in Bezug auf die Landfrage fest, dass es unabdingbar sei, die tiefe spirituelle Beziehung zwischen indigenen Völkern und ihrem Land als Grundlage ihrer Existenz verstehen zu lernen (MARTÍNEZ COBO, 1987, Band V: Absatzziffern 190ff). Seine Studie bildete die Grundlage, um zum einen ab 1983 die Arbeitsgruppe für indigene Bevölkerungen bei der UN-Unterkommission einzurichten. Aus deren Arbeit entstand der 1994 fertiggestellte Entwurf einer Internationalen Erklärung zu den Rechten indigener Völker. Sowohl die Präambel als auch Artikel 25 des Entwurfs nehmen ausdrücklich Bezug auf den vom herkömmlichem Verständnis abweichenden Charakter der Beziehungen zwischen indigenen Völkern und ihrem Land. Außerdem wird festgehalten, dass diese besondere Beziehung per Gesetz zu schützen ist, und nicht etwa mit Verweis auf eine allgemeine Gleichheit diskriminiert werden darf. Die gleiche Arbeitsgruppe erteilte zweien ihrer Mitglieder den Auftrag, Studien über Land- und Territorialrechte durchzuführen. Zum einen erhielt der aus Kuba stammende MIGUEL ALFONSO MARTÍNEZ den Auftrag, eine Studie über völkerrechtlich relevante Verträge und Abkommen zwischen indigenen Völkern und Nationalstaaten anzufertigen. Aus dieser Studie geht hervor, dass die überwiegend im Zeitraum des 17. bis 19. Jahrhunderts zustande gekommenen Abkommen von Vertragsparteien – Kolonialmächte und indigene Völker – mit völkerrechtlicher Qualität abgeschlossen wurden. Mithin genossen die von den indigenen Völkern besiedelten und genutzten Ge-
biete den Status eines souverän verfügbaren Territoriums (MARTÍNEZ, 1999). Insbesondere indigene Repräsentantinnen und Repräsentanten aus Nordamerika, Australien und Neuseeland weisen in diesem Zusammenhang bis heute darauf hin, dass unbeschadet der unzähligen Vertragsbrüche durch Kolonialmächte und nachfolgende Nationalstaaten die völkerrechtliche Anspruchsgrundlage nicht ausgelöscht wurde. Demzufolge fordern sie die entsprechenden Territorien ein, und haben durch einige Entscheidungen oberster Gerichtshöfe in Kanada (Fall Delgamuukw) und Australien (Fälle Mabo und Wik) immerhin eine partielle Anerkennung ihrer historischen Besitzrechte erreicht (CARSTENS, 2000). Unbeschadet aller Kritik von Seiten indigener Organisationen ging die kanadische Bundesregierung dazu über, im Rahmen einer neuen bundesstaatlichen Aufteilung über die Landrechtsfrage nachzudenken. So richtete Kanada 1999 einen neuen Bundesstaat namens Nunavut ein, der den dort lebenden Inuit eine relative Autonomie einräumt. Den zweiten Auftrag erhielt ERICA-IRENE DAES, um eine Studie zum Recht auf Land zu erarbeiten. Frau DAES hob in ihrem abschließenden Bericht aus dem Jahr 2000 deutlich hervor, dass der Zugang zum Land und dessen Ressourcen für das Überleben indigener Völker von grundlegender Bedeutung ist (DAES, 2000). Im gleichen Tenor beurteilte Rodolfo Stavenhagen in seinem ersten Bericht als UNSonderberichterstatter für indigene Angelegenheiten, dass für indigene Völker das Territorium und die dort vorhandenen Ressourcen eine existenzielle, d.h. eine Frage der Menschenrechte darstellen (INTERNATIONAL CENTRE HUMAN RIGHTS AND DEMOCRATIC FOR DEVELOPMENT, 1996; STAVENHAGEN, 2002: Abschnitt II.B). Der Bericht und die Empfehlungen von Martínez Cobo trugen des weiteren wesentlich zur Ausarbeitung der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO; International Labour Organization) bei. Sie wurde 1989 beschlossen und löste die Vorgängerversion ab, die Konvention 107 aus dem Jahr 1957, die im Geiste der nachholenden Entwicklung ausfor-
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muliert worden war und auf die zwangsweise Integration (Assimilierung) indigener Völker zielte. Im Abschnitt II zu Grund und Boden führt Artikel 13 der Konvention 169 aus, dass Regierungen bei der Durchführung der Bestimmungen dieses Teils die besondere Bedeutung zu beachten haben, die der Wechselbeziehung indigener Völker und ihrer Kulturen sowie ihrer geistigen Werte mit dem von ihnen besiedelten oder genutzten Land inne wohnt. Wenngleich die Konvention 169 nichts darüber besagt, was rechtsverbindlich ‚Territorium‘ bedeutet und lediglich ausführt, dass die Begriffe ‚Gebiete‘ oder ‚Ländereien‘ das Konzept des Territoriums beinhalten. Aufgrund der wenigen - Vorgaben der Konvention und ihrer Kommentierungen schlussfolgert Roque Roldán, dass die Staaten in diesem Kontext verpflichtet sind, indigenen Völkern das uneingeschränkte Landeigentum zu übertragen sowie alle Ressourcen anzuerkennen, die traditionell die Lebensgrundlagen des indigenen Volkes bilden. Ebenso müsse indigenen Völkern ein vernünftiger, d.h. an der Aufrechterhaltung der spezifischen Existenz orientierter Grad an Autonomie für die Verwaltung und Nutzung der Territorien zugestanden werden (ROLDÁN ORTEGA, 2003:62f). Es liegt auf der Hand, dass indigene Organisationen und Regierungen um die Interpretation, wie weit das Landeigentum und die Ressourcenverfügbarkeit reichen, erbittert streiten (vgl. auch FELDT und ROSSBACH DE OLMOS in diesem Band). Schließlich unterstreicht die Präambel des von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission 1997 vorgelegten Entwurfs für eine Amerikanische Erklärung zu den Rechten Indigener Völker – den momentan der Ständige Rat der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) diskutiert – ebenfalls die besondere Beziehung indigener Völker zu ihren Territorien sowie den traditionellen kollektiven Systemen zur Kontrolle und zum Nießnutz des Landes. Ähnlich wie bei der ILO-Konvention 169 sind bei den beiden Entwürfen der UNO und der OAS zwar keine verbindlichen Erläuterungen zum Begriff Territorium vorhanden. Dafür liegt der OAS jedoch eine unüberschaubare Anzahl an schriftlichen und zu Protokoll gegebenen Kommentierungen durch indigene
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Völker und Organisationen vor, die diesen engen Verbund von Territorium und Gemeinschaft unterstreichen. Alle Normen und Debatten um Landrechte indigener Völker betonen den generationsübergreifenden Aspekt dieser besonderen Beziehung zum Territorium und weisen diese als einen wesentlichen Bezugspunkt für Identität und Fortbestand indigener Kulturen aus. Dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer beschleunigten Ökonomisierung aller Lebensbereiche zu werten (Stichwort Globalisierung), die nun den Zugriff auf verwertbar scheinende Territorien indigener Völker selbst in entferntesten Gebieten, die Ausbeutung von Naturressourcen an fast jedem Ort und jederzeit möglich macht. Sogenannte Strukturanpassungsprogramme greifen tief in die rechtlichen Garantieleistungen des Staates ein, die dieser etwa bei der Nutzung der Territorien und der dort befindlichen Ressourcen eingegangen war. Um so bedeutsamer erweisen sich die bisher schon entwickelten internationalen Standards nicht nur zur Landrechtsfrage.
3. Geschichte und Entwicklung der Landrechtsfrage für indigene Völker in Lateinamerika Die Anerkennung indigener Völker als eigenständige gesellschaftliche Verbände mit Rechten auf ihr traditionelles Land und selbstverwaltete Territorien waren vor 40 Jahren in kaum einem lateinamerikanischen Land absehbar, abgesehen von Nischenexistenzen wie der Comarca San Blás in Panama. Bis in die 1970er Jahre galten die Kulturen indigener Völker als rückwärtsgewandt und Hemmnis ihrer eigenen Entwicklung. Sie waren überwiegend Opfer fremdbestimmter politischer Zielsetzungen nach den Maßstäben einer sich industriell formierenden, nationalen Gesellschaft. Indigene Völker mussten in diese nationale Gesellschaft integriert werden. Im Zuge der nationalstaatlichen Integration sollte eine kulturell homogene Gesellschaft entstehen. Das Aufgehen der indigenen Bevölkerungsteile in diese Gesellschaft galt als bestmögliche Zukunft für sie. Wie in Bolivien schufen die Staaten komplexe Rechtssysteme zur Land-
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rechtsfrage, ohne dass sie die ethnische Bevölkerungsverteilung berücksichtigten; die etwa in Bolivien eine Mehrheit mit indigener Herkunft ausweist. Entsprechend dem kolonialen Denken behielten sich die Staaten das Recht vor, über die Verwertung der von Indigenen besiedelten oder genutzten Gebiete ausschließlich allein zu entscheiden, und etwa den Privatbesitz an Parzellen zu fördern. Mit der gleichen Denkstruktur gingen die Nationalstaaten an die Lösung von Landrechtskonflikten heran. Bis weit in die 1990er Jahre galten Landbesitznahmen durch Angehörige indigener Gemeinschaften als Symbol für die Infragestellung des gesamten jeweiligen Gesellschaftssystems und wurden entsprechend repressiv verfolgt. Entsprechend hoch war der Blutzoll auf indigener Seite; insbesondere in den 1970er Jahren, als Landrechtskonflikte noch nahezu ausschließlich mit Mitteln der Aufstandsbekämpfung unterdrückt wurden. Selbst gegenüber indigenen Gemeinschaften, die ihre Landansprüche nicht im Kontext radikaler Landrechtsbewegungen geltend machten. Landbesetzungen durch indigene Gemeinschaften werden zwar auch heute noch überwiegend durch den Einsatz staatlicher Sicherheitskräfte zu regeln versucht, und in Chile bemüht die Regierung sogar Anti-TerrorismusGesetze, um radikale Landrechtsbewegungen einzudämmen. Gleichwohl werden Landbesetzungen nicht mehr automatisch als ‚marxistische‘ Herausforderung und Unterwanderung der nationalen Gesellschaft interpretiert, sondern im Kontext der kulturellen Integrität einer indigenen Gemeinschaft bzw. eines indigenen Volkes. Zum repressiven Konfliktmanagement gesellten sich nach und nach Dialog und Rechtsstaat. Dieser Wandel eröffnete nicht zuletzt der Entwicklungszusammenarbeit Spielräume für aktive Beiträge zur Umsetzung von Landrechten indigener Gemeinschaften (vgl. Abschnitt 5). Erste Veränderungen in diese Richtung nahmen mit den Agrarreformen in den 1960er Jahren ihren Anfang, angestoßen durch kleinbäuerlichen Protest und eingebettet in die Allianz für den Fortschritt; das damalige Gegen-
programm der USA zur kubanischen Revolution. Im Zuge der kleinbäuerlichen Mobilisierung organisierten und mobilisierten sich zunächst die im gleichen sozialen Milieu angesiedelten indigenen Völker, vor allem im andinen Hochland in einem Ausmaß, das bald über kleinbäuerliche Formen der Verfügung und Nutzung von Land hinauswies. Ähnlich bekundeten die Nachfahren der Maya in Guatemala ihr Interesse an genossenschaftlichen Organisationen, um darüber wieder eine nach außen legitimierte, kollektive Verwaltung über ihr Land einzurichten zu können. Alsbald artikulierten die Mobilisierten nicht mehr nur den Anspruch auf ihr Land sondern mit dem Begriff Territorium auch den Anspruch auf lokale Selbstverwaltung durch eigene, tradierte oder unter eigenen Prämissen entwickelte Institutionen. Sie behaupteten sich damit nicht zuletzt gegen Vereinnahmungsversuche durch linke Gruppierungen oder Guerilla-Verbände (RATHGEBER, 1994: Kapitel 4; STAVENHAGEN, 1997:17ff und 2002). Die Diskussion und Formulierung neuer internationaler Rechtsstandards, wie der erwähnte Martínez Cobo-Bericht oder die ILO-Konvention 169, gaben diesen Prozessen die notwendige Rückendeckung. Das Einfordern indigener Landrechte gegenüber den Nationalstaaten war nicht mehr so einfach als illegitim vom Tisch zu wischen. Spiegelte sich in der Vorgängerversion, der ILO-Konvention 107, die soziale Wirklichkeit lateinamerikanischer Länder mit ihrem Integrationsansatz wider, so beeinflusste nun umgekehrt die Konvention 169 wesentlich die Gestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen für indigene Völker in Lateinamerika. Ein gewichtiger Teil der Länder Lateinamerikas hat die ILO-Konvention 169 ratifiziert: Argentinien, Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Costa Rica, Ecuador, Guatemala, Honduras, Mexiko, Paraguay, Peru und Venezuela. Andere Länder wie Nicaragua und Panama hatten wichtige Verfassungsreformen schon früher durchgeführt, die ähnliche Rechte einschlossen. Ein zweiter wesentlicher Schub entsprang den Mobilisierungen im Zuge der Gedenkfeiern zum Kolumbusjahr 1992 sowie dem im gleichen Jahr stattgefundenen Umweltgipfel in Rio
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de Janeiro, der indigenen Völkern im Kapitel 26 der Agenda 21 eine tragende Rolle beim Erhalt des natürlichen Reichtums der Erde zumaß. In diesem zeitlichen Kontext wurden von Mexiko bis zum Süden des Subkontinents neue Verfassungen geschrieben oder bestehende reformiert, die zum ersten Mal in der lateinamerikanischen Geschichte überhaupt einen politischen Anspruch auf eine plurikulturelle oder multiethnische Gesellschaftsverfassung formulierten. Vor dem Hintergrund der in Lateinamerika ausgeprägten Tradition des uniformen Nationalstaates mutierte die dezidierte Anerkennung indigener Gemeinschaften und Völker und ihrer Rechte zu einem Paradigmenwechsel in der Politik (vgl. auch FELDT zur Staatsmodernisierung in diesem Band). Schließlich ließ sich beobachten, dass die Entwürfe zur Internationalen sowie zur Amerikanischen Erklärung indigener Rechte national wie international Diskurs bildend wurden. Beide Entwürfe bauen auf den Normen der ILO-Konvention 169 auf, sprechen jedoch statt von ‚Verpflichtungen des Staates‘ gegenüber indigenen Völkern nunmehr von den ‚Rechten indigener Völker‘‘. Dabei ist zwar in Rechnung zu stellen, dass eine ‚Erklärung‘ keinen bindenden Charakter besitzt und insofern die Sprachregelung dort im Vergleich zur rechtlich verpflichtenden Konvention immer großzügiger ausfällt. Gleichwohl erbrachte die internationale Debatte um die Erklärungen und mithin um indigene Landrechte in den meisten Verfassungen Lateinamerikas eine Änderung zugunsten des eigenständigen Rechtsanspruches auf das traditionell besiedelte oder genutzte Land (KUPPE, 2000 UND 2004). Die Mehrheit der lateinamerikanischen Staaten akzeptiert mittlerweile in Gesetzen und Verwaltungsvorschriften, dass indigenen Völkern eine Reihe von Sonderrechten zustehen, so das Recht auf das traditionell bewohnte oder genutzte Land oder Territorium; die Begriffe wechseln in einzelnen Ländern. Aufgrund der veränderten internationalen Bedingungen und des Legitimationsdrucks gegenüber den ‚Opfern von 500 Jahren Unterdrückung‘ war es möglich geworden, indigene Lebensentwürfe und ihre materiellen Bedingungen prinzipiell zu akzeptieren, für ihre historisch begründete,
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unterschiedliche Identität sogar eine verfassungsrechtliche Garantie abzugeben, ohne dass dadurch die nationale Einheit oder Sicherheit verletzt oder gefährdet würde. Im Gegenteil, die neue Beziehung zwischen nationalen Gesellschaften und indigenen Völkern wird inzwischen sogar in der Kategorie eines grundlegenden Rechts angesiedelt. So spricht etwa die kolumbianische Verfassung von 1991 von elementaren Rechten indigener Völker auf die eigene Existenz als Volk, indigene Sprachen als weitere Verkehrssprachen, eine zweisprachige und multikulturelle Ausbildung, Schutz der kulturellen Traditionen, eigene Rechtsnormen und insbesondere die Unveräußerbarkeit der traditionellen Landbesitze sowie auf kollektive Landrechte (MUYUY JACANAMEJOY, 1997). Ein bemerkenswerter, rechtlicher und politischer Durchbruch nach langen Kämpfen mit vielen Opfern um die Erhaltung indigener Identität und Kultur.
“Zu den grundlegenden, eingeforderten und anerkannten Rechten durch die Verfassung gehören: Ausbildung in der eigenen Sprache, Land und Territorium, natürliche Ressourcen, Respekt gegenüber der Identität und Kultur sowie kollektiven Rechten.“ LOURDES TIBAN, CONAIE, Ecuador
Die heute bestehenden Normen, Ausführungsgesetze und Verwaltungsmaßnahmen übertragen indigenen Völkern in vielen Ländern Lateinamerikas eine weitgehende Zuständigkeit für ihr Territorium. Fortschritte in der Landrechtsfrage – gemessen an den Landforderungen indigener Gemeinschaften – lassen sich in Ländern wie Peru, Ecuador oder Costa Rica feststellen. Dort wurden auf der Grundlage der neuen Bestimmungen über 50% der Forderungen erfüllt. Bolivien und Paraguay weisen ebenfalls verstärkte Bemühungen dazu auf. Nachbessern müssten Länder wie Brasilien, Kolumbien oder Panama, die bislang lediglich 10% der indigenen Forderungen nach ihrem Territorium erfüllten. Dasselbe gilt für Venezuela, wo trotz deutlich verbesserter Anspruchsgrundlagen durch die Regierung Chávez gleichwohl so gut wie kein Landtitel zusätzlich
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übereignet wurde (MANSUTTI RODRÍGUEZ, 2003; ROLDÁN ORTEGA, 2004: Kapitel III und IV). Die Verabschiedung neuer oder die Reform bestehender Verfassungen ist das eine, die Umsetzung der Normen offensichtlich das andere. Die Unterschiedlichkeit der Politikansätze zur Umsetzung der Rechte auf Land und Ressourcen sowie die zögerliche Realisierung sind geradezu ein Kennzeichen für die Staaten in Lateinamerika geworden. Dazu kommt eine Vielfalt von teilweise sich widersprechenden Gesetzen und Verordnungen sowie das häufige Fehlen eindeutiger Bestimmungen zum kollektiven Eigentum an Land. Teilweise stehen noch alte Normen aus der Zeit der Integration- und Assimilierungspolitik neben den Verordnungen aus jüngerer Zeit, was insgesamt den verfassungsmäßigen Anspruch destabilisiert und verwässert. So sind in Peru von Indigenen bewohnte Gebiete vom Staat nicht anerkannt, weil ihnen das Land in früherer Zeit zwar zur Nutzung überlassen, aber kein Rechtstitel vergeben wurde. ROQUE ROLDÁN ORTEGA zieht daraus den Schluß, dass diese Mehrdeutigkeit und fehlende juristische Präzisierung politisch eher gewollt ist und dem Staat erlaubt, de facto weiterhin die Entscheidungsgewalt über indigene Territorien auszuüben, als handele es sich um staatliches Land (ROLDÁN ORTEGA, 2004:79f; vgl. auch MARÉS DE SOUZA FILHO, 2000).
4. Aktuelle Situation indigener Landrechte in ausgewählten Ländern Lateinamerikas Wie schon angedeutet, erkennt die Mehrzahl der lateinamerikanischen Länder durch ihre reformierten oder neuen Verfassungen die multiethnische Verfasstheit der nationalen Gesellschaften an und schafft so die Voraussetzungen für entsprechende Rechtsformen zu indigenen Territorien. Die bolivianische Verfassung von 1994 bricht mit der Politik der Assimilierung und gleichzeitigen Ausgrenzung seiner indigenen Mehrheit und postuliert einen multiethnischen und plurikulturellen Staat. Ähnlich verhält es sich in Chile, Ecuador, Kolumbien, Mexiko und Venezuela. Die argentinische Verfassung spricht von der originären ethnischen
und kulturellen Existenz indigener Völker. Paraguay erklärt sich zum zweisprachigen Vielvölkerstaat und betrachtet andere indigene Sprachen als nationales Kulturerbe. Peru dagegen erlaubt an der Seite des Spanischen nur eingeschränkt den offiziellen Gebrauch von Quechua, Aymara und anderen einheimischen Sprachen. Guatemala verabschiedete innerhalb der letzten sechs Jahrzehnte vier neue Verfassungen; 1945, 1956, 1965 und 1985 in der reformierten Fassung von 1993. Unbeschadet des hohen indigenen Bevölkerungsanteils erkannten Staat und Gesellschaft erst im Zuge der Friedensverhandlungen und mit dem vierten Verfassungstext die Existenz der Gemeinschaften der Maya-Nachfahren an. Angehörige der Garifuna und Xinka kommen allerdings auch jetzt noch nicht in der Verfassung vor (MELIÀ & TELESCA, 1997; SAQ NO´J CUPIL LÓPEZ, 2000). Im engeren Bereich der Landrechte besteht allerdings bis heute, unbeschadet aller gesetzgeberischer Aktivitäten, eine immer noch charakteristische Benachteiligung derjenigen indigenen Völker, die im Tiefland beheimatet sind. Aus verschiedensten Gründen verfügen sie faktisch zwar über das Land, auf dem sie leben, aber im Vergleich zum Hochland über weniger Rechtstitel. Die Agrarreformen in den 1960er und 1970er Jahren mit der Umwandlung des gemeinschaftlichen Landbesitzes in individuellen Privatbesitz konzentrierten sich auf die kleinbäuerlichen Gebiete im Hochland. Dieser Mangel konnte in den vergangenen 10 Jahren zwar vermindert werden, zeitigt aber nach wie vor gravierende Konsequenzen; wenn etwa die unklare Landrechtsfrage zu vermehrten und schneller einsetzbaren Konzessionen für Bodenschatzabbau oder Holzeinschlag führen. Unterschiedlich sind in den verschiedenen Ländern auch die Kategorien territorialer Verfügungsgewalt. Am eindeutigsten sind die Verhältnisse in Kolumbien, Panama oder Nicaragua. Das Resguardo (Reservation), die Comarca (eine Art Provinz) oder die Región Autónoma sind abschließend definiert und entsprechen dem skizzierten umfassenden Begriff des Territoriums. Wobei die zwei autonomen Regionen an der Atlantikküste Nicaraguas
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nicht per se ethnisch definiert sind. Gleichwohl erlaubt die dortige Bevölkerungsverteilung mit einer Mehrheit von Angehörigen der Miskito, Sumu, Mayagna und Rama eine politische Gestaltung der nördlichen und südlichen autonomen Teilregionen nach den Vorgaben der dortigen indigenen Bewohner. Was zusätzlich bemerkenswert ist, da erst im Zuge der Kolonisierung das Selbstverständnis der Miskitooder Sumu-Zugehörigkeit gereift ist. In anderen Ländern wie Brasilien gibt es neben den unterschiedlichen Stadien des Verwaltungsverfahrens auch verschiedene Nutzungsgrade, die unterschiedliche Verfügungsrechte über das Land bedingen.
die Comunidades Campesinas entwickelte. Frühzeitig setzte auch der brasilianische Staat eine neue Verfassung (1988) ein, die Indigenen ein originäres Recht auf das von ihnen bewohnte Land zusichert (Artikel 231). Allerdings erklärt sich Brasilien nicht zum multiethnischen und plurikulturellen Staat. Im Jahr 1996 unterzeichnete der damalige Justizminister Jobim das Dekret 1775, das die Demarkierung indigener Territorien für Einsprüche heutiger Besitzer zugänglich macht. Ein selbst offensichtlich widerrechtlich erworbener Besitz kann so gegen die ursprünglichen, indigenen Eigentümer geltend gemacht werden (MCDONAGH, 1996).
Länder wie Peru, Kolumbien und Panama haben insgesamt eine komplexe Gesetzgebung zu indigenen Territorien ausgearbeitet. Kolumbiens juristisches Normgerüst gehört dabei zu den detailliertesten und umfassendsten, ohne dass damit schon etwas über die Realität der Landrechte gesagt wäre. Panama weist einige Besonderheiten auf. Panama nahm bereits 1972 als eines der ersten lateinamerikanischen Länder kollektive Rechte in seine Verfassung auf, darunter das Recht auf das traditionell bewohnte Land. Das panamesische Parlament erließ auf dieser Grundlage ein Gesetz für indigene Völker, das die Gründung einer sogenannten Comarca (Provinz) ermöglicht. Bis zum Jahr 2002 wurden fünf solcher Comarcas mit einer Gesamtfläche von 16.347 km2 gebildet. Das entspricht ungefähr 20% des nationalen Territoriums. Die Comarca ermöglicht Landeigentum mit weitgehender Selbstverwaltung, die in der Carta Orgánica (eine Art spezifischer Gründungsurkunde für das neu eingerichtete Gebiet) festgelegt wird. Panama hat die ILO-Konvention 169 jedoch nicht ratifiziert (vgl. MUYUY JACANAMEJOY, 1997; ALEMANCIA, 2000:43ff; ROLDÁN ORTEGA, 2004:71f).
In Ländern wie Bolivien, Ecuador und Costa Rica verteilen sich indigene territoriale Rechte auf eine Vielzahl von Gesetzen und Ausführungsbestimmungen; etwa zu Naturschutzgebieten, Bergbau, Erdölförderung oder Konzessionen für den Holzeinschlag, die teilweise untereinander konkurrieren. Die unkoordinierte Vergabe der Landtitel führte in Ecuador dazu, dass die Übertragung von Land rechtlich nicht definiert war, soweit sie vor der Verfassungsreform von 1998 stattfand. Diese Besitztitel befinden sich in einem juristischen Schwebezustand. In der Praxis entstehen daraus schwerwiegende Konflikte vor allem in der Amazonasregion. Massive Besiedlung durch Angehörige indigener Gemeinschaften aus dem Hochland, die dort dem Landdruck zu entweichen suchen und die Präsenz von Unternehmen, die die natürlichen Ressourcen ausbeuten wollen, stellen die Landrechte faktisch wieder in Frage. Auch die Situation derjenigen Gemeinschaften ist kompliziert, die in Schutzgebieten leben. Die Regierung Ecuadors weigert sich, diese Gebiete als indigenes Eigentum anzuerkennen.
Peru gehörte ebenfalls zu den ersten Ländern in Lateinamerika, das sowohl Verfassungsnormen zur Anerkennung der besonderen Rechte indigener Völker entwarf, als auch spezifische Regelungen für die im Tiefland angesiedelten Gemeinschaften, die Comunidades Nativas, sowie für die im Hochland lebenden, kleinbäuerlich strukturierten Gemeinschaften,
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In Costa Rica gründete die Regierung 1973 die sogenannte nationale Kommission für indigene Angelegenheiten. Diese Institution ist Ansprechpartner für die Forderungen der indigenen Gemeinschaften einschließlich deren Landansprüche. Vier Jahre später legte das ‚Indigenen-Gesetz‘ von Costa Rica fest, dass indigene Gebiete unveräußerlich, nicht übertragbar und exklusiv für die dort lebenden Gemeinschaften bestimmt seien. Diese Gebiete
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bzw. Reservationen begründen also ein umfassendes Recht auf Eigentum am Territorium. Außerdem besagt das Gesetz, dass in den anerkannten Indigenengebieten die Gemeinschaften die volle Rechtsfähigkeit im Sinne einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzen (ROLDÁN ORTEGA, 2004). Bolivien, neben Guatemala das Land mit dem größten Anteil an indigener Bevölkerung auf dem amerikanischen Kontinent unternahm andererseits frühzeitig Schritte, durch Revolution (1952) und Agrarreform (1953) eine neue Landverteilung unter Berücksichtigung indigener Gemeinschaften zu erreichen. Im andinen Hochland wurde das Land der meisten Großgrundbesitzer (Hacienda) an indigene Tagelöhner zurückgegeben, und die Eigentumsrechte auf Quechua- und Aymara-Gemeinden ausgedehnt. Die Verteilung berücksichtigte jedoch die kollektive Form des Eigentums nicht und förderte stattdessen die individuelle Parzellierung. Im Laufe der Jahre begründete und beschleunigte dies den Kleinstgrundbesitz (Minifundien), der zur Abwanderung in die Städte oder in das Tiefland führte. Ebensowenig berücksichtigte damals der Staat die traditionelle Rechtsprechung der indigenen Gemeinden zu ihren Territorien. Während diese Gemeinden darauf achteten, dass ihre für diese Aufgabe bestimmten, traditionellen Amtsinhaber über das Organisationsvehikel einer kleinbäuerlichen (Campesino-) Gewerkschaft in diese Funktion kamen. Wobei sich diese Vereinigungen von klassischen Arbeitergewerkschaften grundlegend unterschieden (STRÖBELE-GREGOR, 1997:135f; ROGALSKY, 2003:117ff). In den östlichen Tiefländern Boliviens resultierte die Agrarreform dagegen in einem Erweiterungsprozess der Hacienda auf Kosten indigener Territorien. Im gesamten Gebiet des Guaraní-Chaco’ waren es die Gutsbesitzer, die Landrechte zugesprochen bekamen. Weiterhin vergab die Regierung Nutzungsrechte an Personen, die keiner indigenen Gemeinschaft angehörten, selbst in Gebieten, die bereits als indigene Territorien anerkannt waren. Mit der neuen Verfassung von 1994 und der Ratifizierung der ILO-Konvention 169 gab sich
der bolivianische Staat den Auftrag, ein neues Beziehungsmuster mit den indigenen Völkern des Landes zu entwickeln. Er behielt sich allerdings das Recht auf Eigentum am Boden und am Untergrund mit seinen reichen natürlichen Ressourcen vor. Gesetzliche Einschränkungen bei der Verfügung über Ressourcen finden sich im übrigen in allen Ländern Lateinamerikas (vgl. FELDT und ROSSBACH DE OLMOS in diesem Band). Das 1995 verabschiedete Gesetz Nr. 1615 über die Verfassungsreform (Ley de Reforma Constitucional) in Bolivien erkannte indigenen Völkern ihre Rechte insbesondere am ursprünglichen gemeinschaftlichen Land an. Vorausgegangen war u.a. der 1990 organisierte 34 Tage dauernde Fußmarsch “Für das Territorium und die Würde“ vom Tiefland nach La Paz. Die Regierung musste nach harten Verhandlungen das Recht indigener Gemeinschaften auf ihre Territorien anerkennen, und die Ausarbeitung eines ‚Gesetzes der indigenen Völker des Ostens und Amazoniens‘ in einer Frist von 120 Tagen zusagen. Später unterzeichnete die Regierung die Ausweisung weiterer Territorien, so dass auf dem Papier insgesamt 15 indigene Gemeinschaften mit insgesamt 2,9 Mio. ha begünstigt wurden. Fortschritte hatte es bereits bei der Modifizierung der Staatsverfassung gegeben, deren Neufassung 1994 abgeschlossen wurde. Unter anderem enthält sie Artikel 171, der wesentliche Bestandteile des Begriffs “Territorium“ anerkennt (CALVO, 2003:105ff). Das 1996 verabschiedete Gesetz Nr. 1715 (Ley del Servicio Nacional de Reforma Agraria) schuf die Grundlage zur Anerkennung indigener Territorien mit Rechtstiteln (Tierras Comunitarias de Origen; TCOs).Es handelt sich hier um Räume, in denen indigene Dorfgemeinschaften traditionell ihre eigenen Formen wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Organisation pflegen (Art. 41 Paragraph 1, Abschnitt 5). Das Gesetz definiert die TCOs als kollektiven Grundbesitz, der weder überschreibbar, verpfändbar noch veräußerbar ist. Innerhalb der TCOs haben die indigenen Völker das Recht, ihre Gebräuche zu betreiben, an der Umweltgestaltung mitzuwirken, und das Land unter den beteiligten Dorfge-
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meinschaften und Familien zu verteilen. Bis zum Jahr 2003 wurden im Amazonastiefland 16 TCOs demarkiert. Die demarkierten TCOs umfassen eine Fläche von ca. 5 Mio. ha. Das sind etwa 11% der Gesamtfläche des bolivianischen Amazonasgebietes; allerdings nur 35% der gesamten von den indigenen Völkern eingeforderten Fläche (CALVO, 2003). Abschließend sei Venezuela erwähnt, das sich bei der Umsetzung indigener Landrechte noch im Prozessstadium befindet. Wie in Ecuador wurde indigenen Völkern in der Vergangenheit Land unter Modalitäten zuerkannt, die ihnen keine juristische Sicherheit über den Landbesitz garantierten und keine Möglichkeit einräumten, das Land selbst zu verwalten. Nach der Verfassungsreform von 1999 änderte sich dies grundlegend. Mehrere Artikel und Verfügungen schreiben nun das Recht auf die gewohnte räumliche Umgebung, eigene Kultur, politische Partizipation, medizinische Versorgung, Ausbildung sowie Anerkennung der Sprachen als Amtssprachen fest. Verabschiedet wurde auch ein Gesetz zur Demarkierung und zur Garantie indigener Siedlungsräume. Allerdings ist fast fünf Jahre nach Verabschiedung der neuen Verfassung - nicht zuletzt aufgrund der politischen Unruhen - noch kein Land in nennenswertem Maße an indigene Gemeinschaften übereignet worden. Außerdem setzt sich die staatliche Entwicklungsund Industriepolitik ungebrochen fort und schätzt etwa die Region Guayana immer noch als unbewohnt und daher günstig für Großprojekte ein (MANSUTTI RODRÍGUEZ, 2003:139ff). Insgesamt lässt sich der wenig überraschende Schluss ziehen, dass die rechtlichen Garantien auf Land, Territorium und autonomer Verwaltung nur teilweise umgesetzt worden sind. Der geringste Teil davon geht auf staatliche Eigeninitiative zurück. Vielmehr haben die schon genannten Mobilisierungen der indigenen Gemeinschaften mit der Rückendeckung internationaler Standards im wesentlichen zu den ersten praktischen Schritten geführt. Die bislang hauptsächlich auf gesetzgeberische Maßnahmen beschränkte Aktivität der Staaten eröffnet gleichzeitig ein weites Feld für die internationale Entwicklungszusammenarbeit. Wenngleich die geringe Umsetzung natürlich
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mit politischen und wirtschaftlichen Interessen verknüpft ist, und nicht auf nur technische Verfahrenshindernisse zurückzuführen ist.
5. Beispiele der Sicherung von Landrechten im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit Einen ersten bedeutsamen Beitrag zur Sicherung indigener Landrechtsansprüche vollzog die Entwicklungszusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland mit der Konzeption, die Umsetzung der Menschenrechte in den Partnerländern als grundlegenden Maßstab für eine Zusammenarbeit einzuführen. Auch in die deutsche Entwicklungspolitik fanden nun die veränderten Koordinaten Eingang, wie sie zu den Veränderungen bei den internationalen Standards und zu Lateinamerika in den Abschnitten 2 und 3 beschrieben wurden. Folgerichtig stellte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) noch unter Minister Spranger Überlegungen an, wie die Beziehungen zu indigenen Völkern in Lateinamerika unter den national wie international veränderten Prämissen neu gestaltet werden sollten. Das nach außen dokumentierbare Ergebnis schlug sich vor allem in Form eines Sektorpapiers nieder, das im November 1996 unter dem Titel “Konzept zur Entwicklungszusammenarbeit mit indianischen Bevölkerungsgruppen in Lateinamerika“ veröffentlicht wurde. Das Sektorpapier diente in den folgenden Jahren allerdings eher als Bezugspunkt für Projekte und Projektkriterien denn für einen Politikdialog mit den Partnerländern im Rahmen der Entwicklungspolitik. Auf der Ebene der Projekte lassen sich einige messbare Ergebnisse feststellen. Die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) publizierte im Mai 2000 eine Übersicht über 26 ausgewählte Projekte zur Sicherung des Landeigentums indigener Völker. Die Kooperation umfasste zum einen die direkte Unterstützung indigener Gemeinschaften zur Demarkierung indigener Territorien in Brasilien. Mit Hilfe des im internationalen Vergleich großzügigen Einsatzes sowohl finanzieller als auch technischer Mittel durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau und der GTZ im Rahmen der Sicherung indi-
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gener Territorien im Amazonasgebiet (PPTAL; Projeto Integrado de Proteção às Populações e Terras Indígenas da Amazônia Legal), das wiederum in das PPG7-Projekt eingebettet ist
(Pilot Program for Protection of the Brazilian Rainforests), konnte ein erheblicher Beitrag zur Umsetzung der Landrechte geleistet werden.
Foto: Comarca in Ngöbe-Buglé, Panama (Proyecto Agroforestal Ngöbe)
Weitere Beiträge, vor allem im Rahmen der Technischen Zusammenarbeit, bestehen in der Förderung der indigenen Selbstorganisation in Bolivien und Nicaragua, der juristischen und technischen Vorbereitung und Umsetzung der Landrechtsforderung etwa in Peru, der Mediation, Rechtsberatung und Finanzierung von Fachanwälten in der Provinz Salta (Argentinien), Santa Cruz (Bolivien), Ecuador und Guatemala (Einrichtung eines Katasters), dem Schutz der biologischen Vielfalt oder der produktiven Verwertung rechtlich abgesicherter Gebiete in Honduras, der Sicherung von Wasserquellen, Wasserzugang und den Schutz natürlicher Ressourcen in der Comarca Ngöbe-Buglé (Panama) und nicht zuletzt in der Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen in Bolivien (GTZ, 2000).
Die GTZ lässt sich in diesen Beispielen grundsätzlich von der Annahme leiten, dass im Rahmen des Politikdialogs mit nationalen Regierungen und auf der Basis der ‚guten Regierungsführung‘ auch heikle Programmpunkte förderungsfähig sind. Auf diese Tendenz zu mehr Rechtsstaatlichkeit und menschenrechtlichen Standards, d.h. ein Interesse an einer entsprechenden gesellschaftlichen Ordnung verweist nicht zuletzt der vorliegende Artikel. In diesem Zusammenhang sind Projekte wie in Brasilien zur Landdemarkierung möglich. Dieser Bereich unerledigter Aufgaben ist gleichzeitig der umfangreichste und betrifft nicht nur Brasilien. In Brasilien kann die Zusammenarbeit im Vergleich etwa zu Nicaragua und Belize auf relativ ausgearbeitete und eindeutige Verfahrensschritte zurückgreifen, die Probleme bei der technischen Umsetzung vermeiden helfen.
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Die direkte Förderung indigener Institutionen im Kontext von Landrechtsfragen findet in Form der Unterstützung für den Antrags- und Verhandlungsprozess, oder die Bereitstellung von Fachanwälten ebenfalls statt; wie das in der GTZ-Dokumentation aufgeführte Beispiel zur Provinz Salta in Argentinien belegt. Mit dieser Hilfe soll die selbstverwaltete Kontrolle und nachhaltige Nutzung der auf indigenen Territorien vorfindbaren Ressourcen ausgeübt werden. Darüber hinaus wäre hier noch an eine muttersprachlich angemessene Beratung zu denken. Ebenso überlegenswert ist die Unterstützung der Regierungen bei der Ausarbeitung öffentlich-rechtlicher Normen für den Bereich indigener Völker. Dies betrifft etwa die juristischen Rahmenbedingungen auf Seiten des Staates wie der indigenen Gemeinschaft auszuarbeiten, damit die teilweise in den Verfassungen postulierten, indigenen Institutionen auch tatsächlich funktionieren können. Wie ausgeführt, fehlen in vielen Staaten die Ausführungsbestimmungen etwa zum rechtlichen Status der Territorien und der dort agierenden Selbstverwaltungsorgane. Eine weitere Möglichkeit der Zusammenarbeit liegt in der Unterstützung von öffentlichen Foren zur Debatte indigener Landforderungen unter dem Aspekt menschenrechtlicher Standards. Ein nächster Beitrag zur aktiven Beteiligung an der Sicherung indigener Landrechte läge darin, Diskussionen zum Spannungsverhältnis von vorkonstitutionellem Landrecht indigener Völker und dem Souveränitätsanspruch des Staates anzustoßen. Wenn der Auftrag internationaler Übereinkommen und der möglichen Erklärungen zu den Rechten indigener Völker ernst genommen wird, ist es unabdingbar, sich darüber Gedanken zu machen, wie der jeweilige Staat das Eigentum indigener Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in der gleichen Weise schützt und garantiert; wie das rechtssystematisch für das bürgerliche Recht seit langem selbstverständlich geworden ist. Ebenso müssen Fragen nach Typus und Umfang der Entwicklung sowie den politischen Rahmenbedingungen für Alternativen zu gängigen industriellen Leitbildern geklärt werden. In einigen Ländern können Angehörige indigener Gemeinschaften zwar mehr oder weniger
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ungehindert traditionellen Tätigkeiten wie Jagen oder Fischen nachgehen, ohne jedoch die Möglichkeit zu haben, Fragen zur Entwicklung ihres Gebietes im nationalen Staatsverband aufwerfen oder gar entscheiden zu können. Diese Fragestellung reicht bis in den Bereich der Armutsbekämpfung hinein und berührt mittelbar auch die Diskussionen zu Klimafragen, der Aufrechterhaltung der biologischen Vielfalt, sozialen Standards u.a. Entsprechend den vorgetragenen Überlegungen wäre auch ein organisiertes Nachdenken notwendig, um die vor allem international bislang vereinzelt auftretenden Rechtsbestimmungen zu kollektiven Rechtsformen zu einem systematischen Ansatz, einem indigenen Recht sui generis auszubauen. Die Erfahrungen des Autors etwa im Rahmen der Menschenrechtskommission bezeugen, dass hier noch ein weitgehend unbestellter Acker zu bearbeiten ist. Vorleistungen im nationalen Rahmen sind durchaus erbracht, wie einige Länder Lateinamerikas inzwischen belegen. Im internationalen Bereich sind weitere Beiträge erforderlich, um indigenen Völkern in Grenzregionen zu ihren Landrechten zu verhelfen. Die kolonialen Grenzziehungen etwa zwischen Kolumbien und Ecuador, Ecuador und Peru, Brasilien und seinen Nachbarstaaten oder Mexiko und Guatemala folgten selten den Siedlungsgrenzen der betroffenen indigenen Völker. Die Vielfalt an gesetzlichen, teilweise sich widersprechenden Normen ist in einem Land schon verunsichernd genug. Landrechte, territoriale Integrität und die institutionelle Weiterentwicklung werden für indigene Gemeinschaften vollends unwägbar, wenn die Landrechte für ein und dasselbe Territorium gleich in mehreren Staaten unterschiedlich behandelt werden. In gleicher Weise könnte die entwicklungspolitische Zusammenarbeit die Gründung eines internationalen Interessenverbandes der betroffenen indigenen Gemeinschaften fördern, wie er in spezifischer Form etwa bei den Inuit als Arctic Council inzwischen existiert, der Inuit aus acht Staaten organisiert. Für Lateinamerika würde sich die institutionelle Förderung etwa der COICA (Coordinadora de las Organizaciones Indígenas de la Cuenca Amazónica) anbieten.
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Schließlich besteht auch innerhalb der indigenen Landrechtsbewegungen ein großer Diskussionsbedarf zur Frage, in welchen zukünftigen Rollen Frauen und Männer die Territorien verwalten. In der Regel haben Frauen in gleicher Weise wie Männer an den Auseinandersetzungen um das eigene Territorium teilgenommen, und sind ebenso gleich bei der Zuteilung familiärer Nutzungsrechte am gemeinschaftlich verwalteten Territorium berücksichtigt worden. Gleichwohl ist nicht zu übersehen, dass ihnen der Zugang zu den politischen Ämtern nach wie vor nur begrenzt offen steht. Entgegen der faktisch tragenden Rolle von Frauen bei der Organisation des täglichen Überlebens und den vielfältigen Initiativen zur Organisation des Marktes in Form von Genossenschaften oder Produzentenvereinigungen. Entgegen auch den schon langjährigen Bemühungen, sich innerhalb der indigenen Organisationen mit Fraueninitiativen Gehör und Mitwirkungsrechte zu verschaffen. Mit der gebotenen Sensibilität eröffnet die Zusammenarbeit mit indigenen Gemeinschaften auch die Möglichkeit, die Debatten um die zukünftige Rolle von Frauen anzustoßen und zu begleiten (vgl. auch STRÖBELE-GREGOR in diesem Band).
6. Schlussbemerkung Über die auf die entwicklungspolitische Zusammenarbeit zentrierten Ausführungen sollte gleichwohl nicht vergessen werden, dass Auseinandersetzungen um indigene Landrechte in vielen Ländern recht vehement ausgetragen werden. In Chile gehen seit mehreren Jahren Angehörige der Mapuche auf die Straße, blockieren und torpedieren den Holzhandel in einzelnen Regionen. Ebenso hat es in Bolivien, Ecuador und Kolumbien bis in die jüngste Zeit große und teilweise robust ausgetragene Demonstrationen indigener Gemeinschaften gegeben. Außerdem werden im Kontext der skizzierten Globalisierung vormalige Rechte, insbesondere die autonome Verfügung über Land und Ressourcen wieder in Frage gestellt. Es ist also zu vermuten, dass Landrechte zu denjenigen Zielvorstellungen gehören, die ähnlich wie Autonomie oder Menschenrechte kaum jemals vollständig verwirklicht werden, sondern immer nur Annäherungen an optimale
Verhältnisse zulassen. Ein Grund mehr, in die Förderung und Umsetzung dieser Rechte mit Human- und Finanzkapital zu investieren.
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Reiche Natur, natürliche Reichtümer und indigene Völker
Reiche Natur, natürliche Reichtümer und indigene Völker DR. LIOBA ROSSBACH DE OLMOS
1. Erneuerbare natürliche Ressourcen: Was man darunter versteht.... “Erneuerbare natürliche Ressourcen“ sind fester Bestandteil heutigen entwicklungspolitischen Denkens und Handelns. Dennoch ist nicht klar, was im Detail darunter zu verstehen ist. Zum einen entstehen immer wieder neue Anforderungen an altbekannte Ressourcen. Heute kommt etwa Wäldern bzw. Aufforstungsmaßnahmen große Bedeutung als Kohlenstoffspeicher zu, die sie erst im Zuge des internationalen Klimaschutzes erlangten. Zum anderen verändern sich fortwährend Stellung und Gewichtung der erneuerbaren natürlichen Ressourcen in der Entwicklungszusammenarbeit. Wurde etwa “Wasser“ vormals eher unter Schutzaspekten betrachtet, sind heute Fragen des Süßwassers und des Trinkwasserzugangs ungleich bedeutender geworden. Schließlich ergeben sich immer wieder Neuerungen, wie etwa der holistische Ökosystemansatz in der Biodiversitätskonvention, der nicht mehr einzelne Ressourcen, sondern das integrierte Ganze der biologischen Vielfalt in den Mittelpunkt der (entwicklungspolitischen) Bemühungen rückt, einschließlich der Nutzung durch den Menschen. Vor allem aber trifft man, was die erneuerbaren natürlichen Ressourcen angeht, bei den indigenen Völkern Mittel- und Südamerikas auf eine ganze Reihe gemeinsamer Probleme, die u.a. Eigentums-, Nutzungs- und Verfügungsrechte betreffen. Dessen ungeachtet hängen die verschiedenen Völker in unterschiedlichem Maße von unterschiedlichen Ressourcen ab. Nicht immer treffen gängige Begriffsbestimmungen und Abgrenzungen die Bedeutung, die die indigenen Gemeinschaften ihren natürlichen Reichtümern beimessen. “Erneuerbare natürliche Ressourcen“ sind nach den herkömmlichen Definitionen jene Naturgüter, d.h. natürliche Stoffe tierischer
oder pflanzlicher Herkunft bzw. andere stoffliche Substanzen einschließlich ihrer chemisch-physikalischen und biologischen Prozesse, die der Mensch bei der Lebensbewältigung nutzt. Sie erneuern sich, sind also regenerationsfähig. Sie sind aber größtenteils nicht vermehrbar und können durch natürliche Einflüsse (z.B. Naturkatastrophen) oder Übernutzung in ihrem Bestand bedroht oder vernichtet werden. Sie befinden sich vorwiegend oberhalb der Erdoberfläche. Meist werden auch Luft, Wasser und Boden zu den erneuerbaren natürlichen Ressourcen gezählt.
.... und was man aus indigener Sicht dabei zu beachten hat Es ist unwahrscheinlich, dass die rund 650 indigenen Völker in Lateinamerika (BARIÉ, 2004) und der Karibik all jene Naturgüter unter einem Begriff zusammenfassen, der dem der “natürlichen Ressourcen“ entspricht. Zudem dürfte der utilitaristische Grundgehalt des Begriffs “Ressource“ für die indigene Vorstellungswelt unverständlich sein. Zumindest aber treten religiöse und mythologische Motive gleichrangig neben Nutzungserwägungen und können sogar – man denke etwa an Jagdtabus – die uneingeschränkte Ausbeute von Ressourcen unterbinden. Ungeachtet ihrer kulturspezifischen Vorstellungen jedoch sind auch indigene Völker kulturunabhängigen Rahmenbedingungen ausgesetzt. Die verfügbaren Ressourcen hängen von der vorgefundenen Umwelt ab, an die sich die jeweiligen Gemeinschaften in Kultur und Wirtschaftsweise anpassen mussten.
Nutzpflanzen- und tiergenetische Ressourcen Mit Ausnahme von Völkern, wie den Aché in Ostparaguay oder den Ayoré in Ostbolivien
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und Paraguay, bei denen traditionell Jagd, Fischfang und Sammeltätigkeiten eine größere Rolle spielten als der Feldbau, bestimmen bei den indigenen Völkern Lateinamerikas jene Ressourcen die Lebensgrundlage, die zusammenfassend nutzpflanzengenetische Ressourcen genannt werden. Nahrungspflanzen, die inzwischen auch für den Markt angebaut werden, sind Basis der Ernährung und Wirtschaft. Man erinnere sich, dass die ursprünglichen Bewohner der Neuen Welt mit ihren pflanzenzüchterischen Leistungen wichtige Beiträge zur Welternährung beigesteuert haben. Mais, Kartoffel und Maniok haben globale Verbreitung gefunden und zählen heute zu den weltweit wichtigsten Nahrungspflanzen. Man vermutet, dass Mais vor rund 7000 Jahren in Südmexiko erstmals aus Wildsorten gezüchtet wurde, wo Maya-Völker bis heute für die Bewahrung seiner Vielfalt Sorge tragen. Gleiches gilt für die Kartoffel im Andenraum, die selbst noch in Höhenlagen zwischen 3.900 m und 4.500 m gedeiht. Von ihr kennen die indigenen Bauern nahezu 5000 verschiedene Sorten und unterscheiden eine breite Palette von Konsistenzund Geschmacksunterschieden. Einzelne Familien bauen bis zu 31 Sorten an (GRAIN, 2000). Durch den “Internationalen Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft“ der FAO vom November 2001 wird den lokalen Bauern der Schutz ihres traditionellen Wissens, die Beteiligung an den Gewinnen aus der Vermarktung pflanzengenetischer Ressourcen und politische Mitsprache zugesichert. Das so genannte “Multilaterale System“ soll den Zugang zu nutzpflanzengenetischen Ressourcen sowie eine faire Gewinnverteilung erleichtern. Es erstreckt sich auf über 60 wichtige Nutzpflanzen, die nicht zu rein kommerziellen Zwecken verwendet oder patentrechtlich geschützt werden dürfen, ohne dass ein fairer Ausgleich fällig wird. Noch sind nicht alle Details geregelt, und der Internationale Vertrag ist erst am 29. Juni 2004 in Kraft getreten. Dennoch ist festzuhalten, dass den Bauern erstmals international eine verbindliche Anerkennung ihrer Züchterleistung und daraus sich ergebender Ansprüche zuteil wurde.
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Foto: Maniokernte im Hausgarten der Quichua, Ecuador (S. REINHARDT)
Bei vielen indigenen Völkern Lateinamerikas und der Karibik sind es vor allem die Frauen, die Anbau und Pflege der Nahrungspflanzen übernehmen. Bei den Völkern der östlichen Andenabhänge waren die Männer beim Anlegen neuer Felder vornehmlich für die Rodungsarbeiten und das Abbrennen der Pflanzenmasse zuständig, während die Frauen das Gros der Feldarbeit übernahmen, also pflanzten, jäteten und ernteten. Nicht immer nahmen frühere Vorstellungen von Entwicklung(spolitik) die Frauen als Inhaber traditioneller Kenntnisse und Praktiken wahr.1 Als Träger religiösen oder mythologischen Wissens wurden sie zumeist schlicht ignoriert. Dies gilt z.B. für die kulturell verwandten Ethnien der Aguaruna, Shuar und Achuar im Grenzgebiet von Peru und Ecuador. Nach ihrer Mythologie gab die Gottheit Nunkuí den Frauen einst den Maniok und wacht über das Gedeihen der Knollen, die 1
Dies hat sich in den letzten Jahren zu ändern begonnen vgl. Projekt “Förderung des lokalen Wissens zum Erhalt der Biodiversität aus der GenderPerspektive“, das von 2000 - 2003 vom GTZ Vorhaben “Umsetzung der Biodiversitätskonvention“ im Auftrag des BMZ gefördert wurde.
Reiche Natur, natürliche Reichtümer und indigene Völker
besungen und gepflegt werden wollen (MÜNZEL 1985:198ff; HARNER, 1978:66ff). Bei den Aguaruna aus Peru wurden in den 1970er Jahren mit Einführung der staatlich geförderten Cash Crop-Produktion die Frauen aus der Landwirtschaft gedrängt. Dies hatte Folgen für die geschlechtliche Arbeitsteilung, aber auch für das häusliche Leben sowie die Kultur insgesamt. Zudem ersetzten Monokulturen den diversifizierten Anbau der traditionellen Pflanzungen, der im Fall der Hausgärten soeben wieder als “Schatzkammer der Vielfalt“ rehabilitiert wird (GTZ, 2004). Selbst in vertraut anmutenden bäuerlichen Kulturen gilt es die Rolle der Frau differenziert zu betrachten, um z.B. den weiblichen Besitz an Land oder Ressourcen in einer Familie nicht unbesehen dem meist männlich gedachten “Haushaltsvorstand“ zuzuordnen. Geringere internationale Beachtung finden die tiergenetischen Ressourcen, auch weil sie für die Welternährung nicht dieselbe Bedeutung haben wie die Nahrungspflanzen. Dennoch werden die Kenntnisse und Zuchtpraktiken indigener Hirtenvölker bzw. Pastoralisten heute für den Erhalt der Biodiversität als wichtig erachtet. In Lateinamerika ist die Zahl der Hirtenvölker im Vergleich zu Afrika oder Asien jedoch gering. Es gibt nur wenige, die, wie die Wayú (Kolumbien und Venezuela), Rinder, Esel, Ziegen und Schafe züchten (FRIEDEMANN & AROCHA, 1982:308). Wie andere indigene Völker haben sie domestizierte Tiere europäischen Ursprungs übernommen, und zählen diese heute zu ihren Nutztieren. Die heimischen Nutztiere, z.B. der Truthahn, das Meerschweinchen, das Lama, das im Andenraum Lasten transportiert und Fleisch liefert, sowie das wegen seiner Wolle geschätzte Alpaka, sind durchweg kleiner als die europäischen Tierrassen. Der Bestand der wild lebenden Guanakas und Vikuñas, die wegen ihrer seidigen Wolle fast ausgerottet waren, hat sich inzwischen wieder erholt. Weitere Ressourcen sind die Wildtiere, insbesondere in den Wäldern, sowie die Fischbestände in Flüssen und Küstenregionen. In den an heimischem Großwild armen Waldgebieten Lateinamerikas ist Fisch für die indigenen Völker eine ungleich wichtigere Proteinquelle als Fleisch.
Biologische Vielfalt – Traditionelles Wissen Das “Übereinkommen über die biologische Vielfalt“, das 1992 auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro unterzeichnet wurde, und seit Inkrafttreten im Dezember 1993 188 Ratifikationen verzeichnete, setzt noch andere Akzente. Die Biodiversitätskonvention, wie sie auch genannt wird, will die weltweite Bedrohung der Artenvielfalt stoppen, dabei aber nicht nur einzelne Arten schützen, sondern die biologische Vielfalt als Ganzes in ihrer Fülle und Differenziertheit bewahren. Die nachhaltige Nutzung von Bestandteilen dieser Vielfalt ist ebenso vorgesehen wie Regelungen zum fairen Ausgleich zwischen dem an Biodiversität reichen Süden, der die genetischen Ressourcen liefert, und den an Biotechnologie reichen Ländern des Nordens, die diese Ressourcen verarbeiten (DER BUNDESUMWELTMINISTER, 1992). Da biogenetische Ressourcen einen großen Marktwert besitzen – er wird auf 75 bis 150 Mrd. US Dollar pro Jahr geschätzt, hoffte man, Bereitschaft zur Bewahrung dieser Ressourcen mobilisieren zu können. Indigene Gemeinschaften begann man mit anderen Augen zu sehen, als deutlich wurde, dass Regionen mit einer reichen natürlichen Artenvielfalt auch eine ausgeprägte kulturelle Vielfalt aufweisen. Es besteht demnach ein enger Zusammenhang von kultureller und biologischer Vielfalt. Auf dem südamerikanischen Kontinent ist dies im Besonderen in Amazonien festzustellen. Knapp 400 unterschiedliche Völker, die kleinste Gemeinschaften (z.B. die einige Hundert Menschen zählenden Zaparo in Ecuador und Peru) und Völker von mehreren 10 000 Menschen (z.B. Aguaruna in Peru oder Yanomami in Brasilien) umfassen, zählen zusammen rund 1 Mio. Menschen und machen 4,2% der Bewohner der Region aus (TRESIERRA, 2000:4). Sie leben in einem rund 7 Mio. km2 umfassenden Regenwaldgebiet, in dem man knapp 25% der weltweit vorkommenden Pflanzenarten vermutet, darunter 3000 heimische Baumarten. Die Tatsache, dass indigene Gemeinschaften seit Generationen im Regenwald leben, wirtschaften und seine Ressourcen nachhaltig nutzen, lässt auf Kenntnisse und Praktiken schließen, welche
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für einen nachhaltigen Umgang mit dem sensiblen Ökosystem von Bedeutung sind (DURNING, 1992; POSEY & BALÉE, 1989). In einer Zeit, in der die biologische Vielfalt schneller vernichtet wird, als die Wissenschaft sie erforschen kann, erfährt dieses Wissen neue Wertschätzung, obgleich es oft religiöse oder mythologische Züge trägt und nicht einfach naturwissenschaftlich abrufbar ist. Mit Artikel 8j der Biodiversitätskonvention, wird diesem Wissen Rechnung getragen. Er zielt darauf ab, die “traditionellen Kenntnisse und Praktiken“ indigener und lokaler Gemeinschaften zu schützen und zu fördern, aber auch mit Zustimmung der Wissensinhaber der (kommerziellen) Nutzung durch Dritte zuzuführen, woran die Inhaber (materiell) profitieren sollen. Hierbei ist an Heilpflanzen, Pflanzenwirkstoffe, Schamanenwissen und -praktiken zu denken, Wissen über genetische Ressourcen also, das für die pharmazeutische, kosmetische oder chemische Industrie von Interesse sein könnte. International ist die Biodiversitätskonvention zur wichtigsten umweltpolitischen Bühne der indigenen Völker geworden. Sie berührt Themen, die Bezüge zu Menschenrechtsfragen aufweisen, und reicht damit über den umweltund entwicklungspolitischen Kerngehalt der Konvention hinaus. Gegenwärtig steht die akute Bedrohung traditioneller Wissenssysteme (z.B. durch Sprachverlust) auf der Tagesordnung, und es ist ein Aktionsplan zum Erhalt traditionellen Wissens anvisiert. Darüber hinaus wird nicht vordringlich an Modellen zur kommerziellen Verwertung des traditionellen Wissens gearbeitet, auch wenn die Konvention dieses Ziel formuliert, sondern auf Drängen von Indigenenvertretern an legalen und anderen Mechanismen, die das mit dem traditionellen Wissen verbundene geistige Eigentum vor unlauterem Zugriff durch Dritte schützen. Datenbanken und Register, die traditionelle Wissensbestände erfassen und in den öffentlichen Raum stellen, zogen Kritik auf sich.2 Eine Veröffentlichung verhindert zwar, dass Ansprüche auf kommerzielle Exklusivnutzung im Sinne des Patentrechts geltend gemacht werden können, sie erleichtert aber zugleich den
Zugang zu diesen Wissensbeständen. Auch durch das Internet ist der Zugriff auf Informationen über Heilpflanzen und deren traditionelle Verwendung durch indigene Sachkundige einfacher geworden, so dass eine Forschung vor Ort zunächst nicht nötig ist. Kritik gibt es aber auch, wenn die Träger des traditionellen Wissens bei Einrichtung der Datenbank nicht einbezogen werden. Vorschläge für ein Regime eigener Art zum Schutz geistigen Eigentums an traditionellem Wissen, das an indigene Gewohnheitsrechte anknüpft, beschäftigen sowohl die Biodiversitätskonvention als auch die “Weltorganisation für geistiges Eigentum“ (WIPO). Die heikle Frage, die die Biodiversitätskonvention nicht aufgreift, sondern in der Kompetenz der Vertragsstaaten belässt, betrifft die Besitz-, Nutzungs- und Verfügungsrechte über die genetischen Ressourcen, an denen sich das traditionelle Wissen entwickelt hat. Nach der Konvention üben die Staaten die Oberhoheit über diese Ressourcen aus, und indigene Ansprüche werden in die nationale Gesetzgebung verwiesen. Neben diesem für sie zentralen Anliegen, erachten die indigenen Vertreter Fragen der Partizipation für wichtig, einschließlich der Mechanismen, die diese sicherstellen. “Full and effective participation“ sowie “prior informed consent“3 will das “Internationale Indigenenforum über die biologischen Vielfalt“, ein im Vorfeld der Biodiversitätskonferenzen tagender Zusammenschluss von Indigenenvertreter aller Erdteile, auf internationaler und nationaler Ebene garantiert sehen.
Wälder Spätestens seit die Biodiversitätskonvention im April 2002 ihr 130 Einzelpunkte umfassendes “Arbeitsprogramm zur waldbiologischen Vielfalt“ beschloss, ist sie eine Säule in den internationalen Verhandlungen zum Schutz der Wälder geworden. Diese haben eine kohärente Management-, Schutz- und Nachhaltigkeitspolitik für alle Waldarten zum Ziel und fußen auf den 1992 auf dem Erdgipfel in Rio verabschiedeten “Waldprinzipien“ und den Kapiteln 11 3
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Ein Beispiel wäre die Datenbank „Biozulua“ in Venezuela.
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Mechanismus der vorherigen Zustimmung der betroffenen indigenen Völker (siehe auch SPEISER in diesem Band).
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und 15 der Agenda 21. Es handelt sich um einen freiwilligen Prozess, da sich die internationale Staatengemeinschaft trotz mehrerer Vorstöße nicht zu einer verbindlichen Waldkonvention entschließen konnte. Aufbauend auf einem waldpolitischen Dialog mit relevanten gesellschaftlichen Gruppen und über 270 Aktionsvorschlägen wurde 2000 das UNWaldforum ins Leben gerufen. Es hat das Mandat, bis 2005 eine Kooperation mit allen waldrelevanten Organisationen und Konventionen zu bilden. In den Prozess waren zeitweise indigene Vertreter involviert. 1999 fand unter Mitwirkung von Indigenenvertretern aller Erdteile ein Workshop über die Ursachen der Waldzerstörung in Quito (Ecuador)4 statt. Eine Politik und Rechtslage, die oftmals indigene Belange der kommerziellen Nutzung der Naturressourcen unterordnet, wurde als durchgängiges Problem identifiziert, neben dem schwer zu unterbindenden illegalen Holzeinschlag. Die ökologische und sozio-ökonomische Bedeutung der Wälder ist immens und der Bedarf nach Schutz entsprechend groß. Wäldern kommen regulierende Funktionen in der Wasserversorgung, dem Bodenschutz und dem Klima zu. Sie beherbergen einen Großteil der terrestrischen Biodiversität. Dass ihre genetischen Ressourcen noch nicht ausreichend erforscht sind, sollte Anregung für neue Schutzanstrengungen, insbesondere der Primärwälder, sein. Wälder liefern zudem zahlreiche Produkte. Holz (als Bauholz, für Möbel, Papier und Pappe, als Brennholz und zur Holzkohlegewinnung) ist ein wichtiger, aber nicht der einzige Rohstoff. Andere Ressourcen, nämlich Nichtholzprodukte, wie Kautschuk, Harze, Nüsse, Wildfleisch, Honig, wilde Früchte und Heilpflanzen, kommen hinzu. Sie bergen nicht nur ein Vermarktungspotential, sondern tragen auch zur Deckung der Grundbedürfnisse von indigenen Völkern bei. Das auf den Wald bezogene traditionelle Wissen dieser Völker verdient Beachtung, da es Anregungen zum Schutz und der nachhaltigen Nutzung liefert. 4
Der Workshop war ein indigenes Vorbereitungstreffen zu einem größeren Workshop in Costa Rica, der Teil der internationalen Waldverhandlungen war (vgl. The Tides Center 1999).
Wie einleitend erwähnt ist die indigene Vorstellung von Wald nicht durch reine Funktionalität bestimmt, sondern es kommen mythische und religiöse Dimensionen hinzu. Über Bäume, Tiere, Pflanzen und Orte sind symbolische Sinnmuster gelegt, die Geister, Vorfahren oder die Urzeit repräsentieren. Dies ist die indigene Form, mit Natur umzugehen, d.h. Natur in Kultur zu überführen, wobei sich diese Umformung weniger physisch als symbolisch vollzieht (SEELAND, 1997).
Der Boden Der Boden soll hier nur in seiner Eigenschaft als Ressource vorgestellt werden, obwohl auch bodenrechtliche Fragen direkt damit verknüpft sind (siehe auch RATHGEBER in diesem Band). Er ist durch kein internationales Abkommen geregelt, wenngleich ein Vorschlag dazu vorliegt (TUTZINGER PROJEKT “ÖKOLOGIE DER ZEIT“, 1998). Es gibt jedoch das “UN-Übereinkommen zur Bekämpfung der Wüstenbildung und Dürrefolgen insbesondere in Afrika“. In Lateinamerika sind Wüsten und Halbwüsten mit indigener Bevölkerung rar. Die wenigen, die zu nennen sind, sind die Raramuri im mexikanischen Bundesstaat Chihuaha, die Atacameños der chilenischen Atacama-Wüste sowie die Wayú auf der Guajiro-Halbinsel (Kolumbien und Venezuela). Die größere entwicklungspolitische Herausforderung stellen Trockengebiete dar, die zum Teil von Desertifikation bedroht sind. In Lateinamerika machen sie rund 25% der Landflächen aus. Hierzu zählen z.B. der brasilianische Sertao, Teile des westlichen Gran Chaco oder Teile der Andenhochtäler (TOMASINI & PÉREZ-PARDO, 2002). Was zudem schwer wiegt, sind erodierte und degradierte Böden. Dies betrifft z.B. die Quechua- und Aymara-Bauern der dichter besiedelten Andengebiete, wo kleine Parzellen intensiv genutzt bzw. übernutzt werden. Wasserund Winderosion tragen die kahlen Böden ab, und die spärliche Vegetation muss neben Brennholz auch Viehfutter liefern. Bodendegradation entsteht in irreparablen Ausmaß auch als Folge von Entwaldung in Tropenwaldgebieten, wo die dünne Humusschicht ohne den Schutz der Vegetation in
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kurzer Zeit erodiert. Die indigenen Völker Amazoniens bewiesen also tropenökologische Weitsicht, als sie die Größe ihrer Felder in der Regel auf ca. 1 ha begrenzten, und die Integrität des Regenwaldes nicht verletzten. Dass der Brandrodungsfeldbau eine angepasste Methode sein kann, wenn die gerodete Fläche und die Bevölkerungsdichte klein und die Anbaupausen (Brachen) hingegen groß sind, ist mittlerweile bekannt. Außerdem folgt der traditionelle indigene Landbau eigenen verträglichen Paradigmen. Während die westliche Landnutzung die Landschaft in Flächen für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Schutzgebiete unterteilt, kombinieren und integrieren die indigenen Gemeinschaften diese räumlich und zeitlich. Sie bedienen sich der natürlichen Pflanzensukzessionen, also der Aufeinanderfolge der Pflanzengesellschaften, und nutzen in zeitlicher Abfolge die eigenen Anbauprodukte (z.B. Maniok, Kochbananen), die natürlich vorkommenden Pflanzen (z.B. Heilpflanzen) einschließlich jener Pflanzen, deren Samen durch Wind oder Tiere in die Pflanzung eingebracht werden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem Sukzessionsmanagement, das einen Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt leistet (TRESIERRA, 2000:6).
Das Wasser Wasser ist Grundlage allen Lebens. Sicher hat es deshalb als einzige erneuerbare natürliche Ressource direkt in die Millenniumsziele Eingang gefunden, nach denen bis 2015 50% mehr Menschen Trinkwasser zur Verfügung stehen soll als im Jahre 2000. An Wasser lässt sich die Neuorientierung der internationalen Entwicklungsbemühungen ablesen. Während früher Themen, wie Bewässerung, Fischerei, Schutz von Wassereinzugsgebieten im Mittelpunkt standen, ist es heute zudem der Zugang zu Trinkwasser. Diese Entwicklung lässt sich auch an der 1971 unterzeichneten RamsarKonvention zu Feuchtgebieten ablesen. Verschiedene internationale Wasserkonferenzen im Kontext des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung (26.8.-8.9.2002) in Johannesburg haben keine Einigung über die richtigen Maßnahmen erbracht.
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Auch indigene Organisationen haben sich in Kyoto am Rande des 3. Weltwasserforums (16.-23.2.2003) zu einer eigenen Konferenz getroffen. In ihrer “Indigenen Wassererklärung“ nahmen sie Stellung zu ihrer Beziehung zu Wasser, zum Zustand des Wassers, zum Recht auf Wasser und zu indigener Selbstbestimmung, zu traditionellem, auf Wasser bezogenem Wissen, zu Mitsprache und Handlungsmöglichkeiten (INDIGENOUS DECLARATION ON WATER, 2003). In Lateinamerika und der Karibik hat Wasser für indigene Völker viele traditionell religiöse wie auch aktuell politische Facetten. Große Schlangen, wie die Anakonda, in deren Körper die ersten Menschen wie in einem Boot den Fluss hinauffuhren, sind in den Mythen einiger Völker des nordwestlichen Amazonasgebietes überliefert. Wasserfälle, die bei Shuar und Aguaruna Lernorte der jungen Männer sind (HARNER, 1978), helfen in Visionen mit der übernatürlichen Welt in Kontakt zu treten. Der Fluss, dessen andere Uferseite das Tor zum Jenseits markiert, ist vielerorts Teil der indigenen Wassersymbolik. Es gibt aber auch die entzauberte Gegenwart. Der aufgestaute Fluss des Wasserkraftwerks kann indigene Gemeinschaften um ihr Land, ihre heiligen Stätten, Siedlungen und Ressourcen bringen. Dieses Schicksal teilen viele indigene Gemeinschaften, die in der Nähe von Wasserkraftwerken leben, wie z.B. die Emberá in Kolumbien im Falle des Wasserkraftwerks Urrá, die Pehuenche in Chile im Falle von BioBio oder die Kuna Panamas im Falle von Bayano. Kein Wasserkraftwerk, das sich nicht entsprechend der Empfehlungen der “Weltkommission für Dämme“ der Zustimmung der betroffenen indigenen Völker versichert hat, sollte noch gebaut werden dürfen, selbst wenn es z.B. aus Klimaschutzgründen als sinnvoll erschiene. Lateinamerika und die Karibik sind mit Wasser gut ausgestattet und verfügen über ein Drittel des weltweiten Süßwasserreservoirs. Dennoch kann dauerhafte Trockenheit, die, wie das Beispiel des Cochabamba-Tals in Bolivien und der dort lebenden Quechua- und Aymara-Bauern zeigt, eine nicht unwesentliche Ursache für die Landflucht darstellen.
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Foto: Shuar-Bevölkerung in Ecuador (S. REINHARDT)
Aber auch im Amazonasgebiet, das einen Großteil des Süßwassers in Südamerika beherbergt, gibt es Probleme mit der Verfügbarkeit von Trinkwasser. Ein Grund ist die steigende Zahl von Erdölförderstätten in vielen Anrainerstaaten, in denen übergelaufene Auffangbecken, lecke Pipelines und geborstene Pumpen zum Austritt von Rohöl und anderen giftigen Förderrückständen in die Umwelt führen (siehe auch FELDT in diesem Band). Dadurch werden Flüsse vergiftet, die oft die einzige Trinkwasserquelle der ansässigen Bewohner darstellen. Die Vergiftungen stehen denen durch Quecksilber, welches Goldwäscher zum Scheiden des Edelmetalls von Rückständen verwenden, in nichts nach. Sie lassen z.B. das Krebsrisiko um ein Vielfaches steigen.
Konkurrenten Indigene Völker müssen mit verschiedenen Akteuren um die erneuerbaren natürlichen Ressourcen konkurrieren und ihre älteren Ansprüche verteidigen. Wenngleich sich die Bodenrechtssituation in den meisten Ländern
verbessert hat, werden indigene Gemeinschaften weiterhin von ihrem Land in entlegene Rückzugsgebiete vertrieben (siehe auch RATHGEBER in diesem Band). Der klassische Konflikt des Landraubs an den indigenen Völkern Lateinamerikas findet hier seine Fortsetzung. Militärische Auseinandersetzungen, Bürgerkriege und bürgerkriegsähnliche Wirren begünstigten diese Entwicklung z.B. in Kolumbien und Guatemala. Außerdem ist der unkontrollierte Zuzug von landlosen Bauern in Gebiete der indigenen Gemeinschaften in Ländern wie Brasilien keineswegs gestoppt. Auch mit Privatunternehmen treten Indigene um die verfügbaren erneuerbaren natürlichen Ressourcen in Konkurrenz. Glücklicherweise gehören Verhältnisse wie während des Kautschukbooms an der Wende zum 20. Jahrhundert der Vergangenheit an. Damals wurden Angehörige des Huitoto-Volkes in der Putumayo-Region Kolumbiens in Schuldknechtschaft gehalten. Sie mussten Rohgummi sammeln und starben zu Tausenden. Heute ist der Holzeinschlag ein drängendes Problem, vor allem wenn er illegal betrieben wird. Aber auch der staatlich gebilligte Holzeinschlag stellt
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aus indigener Sicht ein Problem dar, wenn sich die erteilten Holzkonzessionen auf indigene Gebiete erstrecken. Vorhandene Instrumente, wie die Tropenholzzertifizierung nach den Kriterien des Forest Stewardship Council (FSC), haben bisher keine Kehrtwende einleiten können. Die hohen umwelt- und sozio-ökonomischen FSC-Standards setzen zwar anerkannte Landtitel voraus und garantieren eine nachhaltige Holzwirtschaft, doch die Marktanbindung ist oft nicht ausreichend gesichert (KRUEDENER, 2001), ganz abgesehen davon, dass indigener Forstbesitz noch immer selten ist. Auch die Gruppe der pharmazeutischen, chemischen und kosmetischen Industrie hat Interesse an bestimmten genetischen Ressourcen. Sie sucht Zugang zu Wirkstoffen und Eigenschaften von pflanzen- und tiergenetischem Material, wobei sich die Produktentwicklung meist an den Bedürfnissen von Konsumenten und Patienten der Industrieländer orientiert. Es gibt zudem Forschungsinstitute, die im Auftrag solcher Firmen in der Bioprospektion tätig sind, zum Teil aber auch ohne kommerzielles Verwertungsinteresse genetische Ressourcen untersuchen (dazu siehe unten Kapitel 3: “Bioprospektion, Biopiraterie“). Ein wichtiger Akteur ist der Staat. Alle Maßnahmen auf den unterschiedlichsten Ebenen haben Folgen für die indigenen Völker. Diese sind der Souveränität des jeweiligen Staates unterstellt, selbst wenn ihnen, wie im Falle der Atlantikküste Nicaraguas, Autonomie zugesichert wurde. Der Staat tritt als mächtiger Akteur in der Auseinandersetzung um die Kontrolle der erneuerbaren natürlichen Ressourcen auf. Er kann “nationale Interessen“ verfolgen, die aus wirtschaftlichen Gründen legitim sind, aber eine Bedrohung für die indigenen Gemeinschaften bedeuten, wie z.B. der Infrastrukturausbau, die Errichtung von Wasserkraftwerken zur Deckung des nationalen Strombedarfs etc. Darüber hinaus kann der Staat Schutzinteressen gegenüber den Nutzerinteressen der indigenen Gemeinschaften durchsetzen, wenn er Naturschutzgebiete oder Nationalparks einrichtet. Er kann sich selbst den Zugriff auf die erneuerbaren natürlichen
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Ressourcen sichern, um diese gegen Konzessionsgebühren und Lizenzabgaben Dritten zur kommerziellen Nutzung zu überlassen, und damit in Interessenkonflikte unterschiedlicher Natur einzugreifen, oder solche sogar erst zu schaffen. Auch indigene Völker können untereinander als Konkurrenten um bestimmte Ressourcen auftreten. So migrierten Aymara und Quechua aus dem bolivianischen Hochland und den alten Bergbauzentren in den Chapare (Tiefland). Dort sind die Yuracaré bereits infolge des Kokaanbaus, der Gegenwart von Drogenhändlern und Militärs stark eingrenzt, und müssen sich nun auch mit den Folgen des Zuzugs der Siedler auseinandersetzen. Ein anderes Beispiel ist das Maya-Volk der Kekchi, das zu einem Drittel – zuletzt aufgrund der Gewalt in den 1980er Jahren – in das Tiefland von Petén vordrang, wo andere Völker lebten (GRÜNBERG, 2000). Als weitere Konkurrenten um Ressourcen treten gelegentlich auch andere ethnische Gruppen auf, z.B. Afroamerikaner. Im kolumbianischen Chocó etwa teilten sich die schwarzen Nachkommen früherer Goldminensklaven und die an den Flussoberläufen beheimateten Emberá bestimmte Gebiete als Jagdrevier und Bezugsgebiet für Feuerholz. Als mit der Einrichtung indigener Resguardos5 am Ende der 1980 Jahre diese Gebiete eindeutig demarkiert und der indigenen Gemeinschaft zugeordnet werden sollten, kam es zu Spannungen zwischen den beiden lokalen Gruppen. Auch innerhalb einer Gemeinschaft entstehen Rivalitäten um natürliche Ressourcen: zwischen Lokalgruppen, Familien, unterschiedlichen Generationen oder auch den Geschlechtern. Die Gründe sind vielfältiger Natur: Es können interne Gründe existieren, wie Veränderungen der indigenen Wirtschaftsweise und Konsumgewohnheiten durch die Anbindung an den Markt. Es können aber auch traditionelle Konzepte und Vorstellungen eine Rolle spielen. Die Vielfalt der rund 650 Sprachgruppen in Lateinamerika und der Kari5
Ein seit der Kolonialzeit existierendes Schutzgebietsmodell für die indigene Bevölkerung im kolumbianischen Andenraum (siehe unten Kolumbien).
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bik hat auch eine Vielzahl von indigenen Vorstellungen über Eigentums-, Nutzungs- und Verfügungsrechte an natürlichen Ressourcen hervorgebracht, einschließlich der damit verbundenen Probleme.
Foto: Eine ins Amazonastiefland migrierte SaraguroFamilie aus dem ecuadorianischen Andenhochland (S. REINHARDT)
2. Erneuerbare natürliche Ressourcen und indigene Völker im Spiegel rechtlicher Rahmenbedingungen In Lateinamerika steigt die Bereitschaft, die Ansprüche indigener Gemeinschaften auf ihre Territorien6 und die natürlichen Ressourcen in diesen Territorien juristisch anzuerkennen (siehe auch RATHGEBER in diesem Band). Seit die Vereinten Nationen in den 1980er Jahren die Frage des völkerrechtlichen Status und der Rechte der indigenen Völker auf die Tagesordnung setzten, lassen sich bei der “Organisation Amerikanischer Staaten“ (OAS) und den Nationalstaaten ähnliche Entwicklungen feststellen (ORGANISATION OF AMERICAN STATES, 2003; GROTE, 1999).
Normen und Erklärungen Ein Meilenstein ist das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) 169 6
Die Anerkennung zusammenhängender “Territorien“ indigener Völker in Sinn eines “(...) habitat necessary for their collective life, activities, selfgovernment, and cultural and social reproduction“ (ORGANISATION OF AMERICAN STATES, 2003:3) ist eine politische Forderung, die keineswegs in allen Staaten verwirklicht ist. Es gibt gemeinschaftliche Landtitel unterschiedlichen Charakters, die aber durchaus nicht alle genannte Kriterien erfüllen.
über indigene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern von 1989. 14 der insgesamt 17 Unterzeichner sind Staaten aus Lateinamerika und der Karibik. Artikel 15 des Übereinkommens nimmt auf die natürlichen Ressourcen Bezug, ohne zwischen erneuerbaren und nicht-erneuerbaren Ressourcen zu unterscheiden. Neben Details zu Bergbau heißt es dort, dass die Rechte indigener Völker an den natürlichen Ressourcen ihres Landes besonders zu schützen, und sie an der Nutzung, Bewirtschaftung und Erhaltung dieser Ressourcen zu beteiligen seien. Die Formulierung ist vorsichtig gehalten und spricht nicht vom Recht auf Nutzung, Bewirtschaftung und Erhaltung, sondern vom Recht, an der Nutzung, Bewirtschaftung und Erhaltung beteiligt zu werden. Die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 stellte die enge Beziehung indigener Völker zu ihrer Umwelt heraus und regt im Kapitel 26 der Agenda 21 deren Anerkennung, Anpassung, Förderung und Stärkung an. Weitgehender ist die UN-Deklaration über die Rechte indigener Völker, die seit 1994 als Entwurf vorliegt. Artikel 26 erkennt den indigenen Völkern nicht nur das Recht an, ihr Land und ihre Territorien, einschließlich der gesamten Umwelt zu Lande und zu Wasser mit der Fauna und Flora und anderen Ressourcen zu besitzen, entwickeln, kontrollieren und zu nutzen, sondern sieht auch die Anerkennung traditioneller Besitz-, Nutzungs- und Zugangsrechte vor. Eine Umsetzung auf nationalstaatlicher Ebene setzte eine weitgehende politische Autonomie sowie ein beachtliches Maß an Rechtspluralismus voraus. Auch der Vorschlag für eine Amerikanische Erklärung über die Rechte indigener Völker der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) aus dem Jahre 1997 betont die respektvolle Beziehung indigener Völker zu ihrer natürlichen Umwelt und das Recht auf den Erhalt der Ressourcen. Die Erklärung ist pragmatisch formuliert. Sie anerkennt nicht das Recht indigener Völker auf ihre natürlichen Ressourcen, sondern das Recht auf eine Anerkennung derselben, das Recht auf effektive rechtliche
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Rahmenbedingungen, etc. Das Selbstbestimmungsrecht ist in Bezug auf das Ressourcenmanagement in der Erklärung enthalten, wenngleich vorsichtiger von “self government“ die Rede ist. Nicht alle, aber eine Reihe von Regierungen in Lateinamerika und der Karibik haben gesetzliche Änderungen vorgenommen, die sich an dem OAS-Vorschlag orientieren (ORGANISATION OF AMERICAN STATES, 1997). Allerdings ist nicht einmal auf der internationalen Ebene Kohärenz zwischen den verschiedenen Instrumenten gewährleistet. Beschlüsse und Regelungen der internationalen Menschenrechts- und der internationalen Umweltprozesse sind nicht aufeinander abgestimmt. Aus der Biodiversitätskonvention, stärker aber noch aus der Klimarahmenkonvention sucht man Menschenrechtsfragen herauszuhalten, da andere UN-Organe zuständig sind. Dies führt dazu, dass die Biodiversitätskonvention den Schutz, die Förderung und Nutzung traditionellen biodiversitätsbezogenen Wissens indigener Gemeinschaften zum Ziel hat, sich zu Fragen der Eigentums-, Nutzungsund Verfügungsrechte der Ressourcen, an die dieses Wissen geknüpft ist, aber nicht festlegt, sondern diese den nationalen Gesetzgebungen anheim stellt. In der Klimarahmenkonvention, die Aufforstungen zur Kohlenstoffdioxidspeicherung im Rahmen des “Mechanismus für saubere Entwicklung“ vorsieht, hat man, um die Wirtschaftlichkeit der Vorhaben nicht zu gefährden, indigene Belange nur marginal berücksichtigt, obwohl die entwaldeten Flächen, die für die so genannten “Senkenprojekte“ in Frage kommen, oft in indigenen Gebieten liegen.
Verfassungen und Gesetze In Lateinamerika schreitet die legale Verankerung indigener Rechtsgarantien weiter voran. In vielen Ländern haben indigene Rechte in die Verfassung Eingang gefunden. Lediglich Belize, Chile, Französisch Guyana, Surinam und Uruguay haben keine entsprechenden Normen in ihrer Verfassung verankert, sei es dass sie eine angelsächsische Rechtstradition mit vertraglichen Regelungen fortführen, sei es dass das nachwirkende Ideal vom freien und glei-
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chen Bürger kollektiven Rechtsgarantien im Wege steht (BARIÉ, 2004). In Costa Rica, El Salvador, Guyana und Honduras sind gewisse indigene Grundrechte unter Verfassungsschutz gestellt, während in Argentinien, Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Ecuador, Guatemala, Mexiko, Nicaragua, Panama, Paraguay, Peru und Venezuela elaborierte Verfassungsrechte für indigene Völker existieren (BARIÉ, 2004), darunter in allen Ländern des Andenraums und Mittelamerikas, in denen mit über 90% die große Mehrheit der indigenen Völker der Region lebt. Die Inter-Amerikanische Entwicklungsbank (INTER-AMERICAN DEVELOPMENT BANK, o.J.) sieht das Vorrecht der indigenen Gemeinschaften auf Nutzung der natürlichen Ressourcen in nahezu allen Ländern mit relevanter Indigenenbevölkerung gegeben. Ausnahmen sind Guatemala und Paraguay. Abgesehen von z.B. Chile gewährt nach derselben Quelle die Gesetzgebung in fast allen Ländern den indigenen Gemeinschaften in ihren Territorien unterschiedliche Eigentumsrechte über die natürlichen Ressourcen. Ähnliches gilt für das Recht auf Jagd und Fischfang, wobei hier Mexiko die Ausnahme bildet. Hinsichtlich der genetischen Ressourcen im Sinne der Biodiversitätskonvention ist die Rechtslage anders. Argentinien, Chile, Paraguay und Guatemala verfügen über keine Normen zugunsten indigener Völker und des Schutzes ihrer traditionellen Kenntnisse. Die meisten anderen Länder haben den Schutz der genetischen Ressourcen rechtlich verankert und erkennen in unterschiedlichem Maße die Bedeutung des biodiversitätsbezogenen traditionellen Wissens indigener Gemeinschaften an. Das Recht auf Schutz geistigen Eigentums über dieses Wissen ist in Ecuador und Peru explizit anerkannt. In Venezuela sind Patente, die auf traditionelles Wissen und traditionelle Ressourcen rekurrieren, ausdrücklich verboten. Allerdings bestehen selbst in Ländern mit fortgeschrittener Indigenengesetzgebung die Tücken der Rechtslage im Zusammenspiel unterschiedlicher Normen. Nicht immer setzt eine einfache gesetzliche Norm, etwa das Waldge-
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setz, um, was die Verfassungsbestimmung vorschreibt. Teilweise ist eine ältere Norm nicht mit der jüngeren Verfassung kompatibel. Oder es steht für eine Norm das entsprechende Ausführungsgesetz noch aus. Meist hat dies negative Folgen für die Rechtssubjekte. Indigene Gemeinschaften, denen die Verfassung Selbstverwaltung zusichert, müssen sich nach den Bestimmungen des Gesetzes für Naturschutzgebiete beispielsweise den Entscheidungen der Parkverwaltung unterwerfen. In jedem Falle ist die Rechtslage kompliziert und schwer durchschaubar. Eine Bewertung der Rechtslage im indigenen Interesse wird zwei Kriterien zu berücksichtigen haben: Zum einen sollten die Rechte an den erneuerbaren natürlichen Ressourcen auf den indigenen Territorien weit gefasst sein (Art. 26 der UN-Erklärung sowie Art XVIII der OAS-Erklärung). Zum anderen sollte ein selbstbestimmter Umgang mit diesen Ressourcen möglich sein (Art. 3 der UN-Erklärung bzw. Art. XV der OAS-Erklärung abgemildert als “Recht auf Selbstregierung“), der auch traditionelle Werte und Praktiken anerkennt und ihren Einsatz erlaubt. Dazu müssen sinnvollerweise Eigentumsrechte, Nutzungsrechte und Verfügungsgewalt geregelt sein (ROLDÁN ORTEGA, 2004). Etwas eingehender soll dies im folgenden für Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Peru und Venezuela betrachtet werden, die alle zu den Ratifiziererstaaten der ILO-Konvention 169 zählen und deshalb zu hohen Standards verpflichtet sind.
Bolivien In Bolivien setzt sich trotz Neoliberalismus in der Wirtschaft und Dezentralisierung in der Politik eine Tradition fort, die bis zur Verstaatlichungswelle der bolivianischen Revolution von 1952 zurückreichen dürfte und die staatliches Eigentum bevorzugt: Der Staat sichert sich nämlich das Recht auf die erneuerbaren natürlichen Ressourcen auf dem nationalen Territorium. Selbst auf dem Besitz Dritter, also der Privateigentümer, bleibt der Staat Eigentümer des Wassers und der Tierwelt. Aus dem Waldgesetz etwa lässt sich nicht einmal ein klarer Eigentumsanspruch des Besitzers auf die
Früchte seines Waldes ableiten. Es existiert auch keine Norm, aus der sich explizit ein Eigentumsanspruch der indigenen Völker auf die erneuerbaren natürlichen Ressourcen in ihren Gebieten ergibt. Dies gilt auch für Schutzgebiete und Nationalparks, in denen sich Ansiedlungen indigener Gemeinschaften befinden. Obschon beide juristische Figuren, d.h. staatliches Schutzgebiet und indianische Gemeinde, kompatibel sind, steht rechtlich nicht eindeutig fest, wer Eigentümer des Landes ist (ROLDÁN ORTEGA, 2004). Bei Management und Nutzung der erneuerbaren natürlichen Ressourcen sind die indigenen Gemeinschaften dem Staat und der übrigen Gesellschaft gleichgestellt, d.h. es sind alle gehalten, verantwortungsvoll mit den Naturreichtümern umzugehen, und die Ökosysteme zu schützen. Der Staat ist verpflichtet, durch die zuständigen Verwaltungsinstanzen technische Hilfe zur Verbesserung des indigenen Lebensstands zu leisten, die u.a. die Nachhaltigkeit der Ressourcen sicherstellt. Traditionelle Technologien, Arbeitsweisen und Nutzungsformen, die ihre Nachhaltigkeit unter Beweis gestellt haben, sollen erhalten und eingesetzt werden, sofern sie nicht gegen nationales Umweltrecht verstoßen. In den anerkannten indigenen Gebieten, den “Tierras comunitarias de origen“, wird den Gemeinschaften die freie und exklusive Nutzung der erneuerbaren natürlichen Ressourcen gewährt, sofern die geltenden Schutz- und Nachhaltigkeitsbestimmungen beachtet werden. Es ist dem Staat nicht gestattet, Dritten die Erlaubnis zur Ausbeute der natürlichen Ressourcen in diesen Gebieten zu erteilen. Gesetzlich sind die gemeinschaftlichen “Tierras comunitarias de origen“ mit den Schutzgebieten vereinbar. Indigene Ansiedlungen in den Schutzgebieten sind erlaubt wie auch die Ressourcennutzung, die aber durch den Staat wieder eingeschränkt werden kann, wenn Probleme entstehen, die einst zur Einrichtung des Schutzgebietes geführt hatten. Die indigenen Gemeinschaften können auf vertraglicher Grundlage in das Schutzgebietsmanagement einbezogen werden.
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Die Verfassung ist insofern eindeutig, als sie den indigenen Gemeinschaften eine den Traditionen gemäße Verwaltung ihre Gebiete gestattet. Da dies auch für erneuerbare natürliche Ressourcen gilt, darf man annehmen, dass die Gemeinschaften eine breite Verfügungsgewalt besitzen. Einfache gesetzliche Normen, wie das Forstgesetz, tragen aber den Geist der Verfassung nicht mit (vgl. HOEKEMA & ASSIS, o.J.:247ff). Sie beschränken die Nutzung der Waldprodukte, was einer Begrenzung der indigenen Verfügungsgewalt gleichkommt. Es gibt zudem eine ganze Reihe einschlägiger Verordnungen, in denen zwar von der Pflicht des Staates die Rede ist, die indigenen Gemeinschaften zu begleiten, nicht aber von den Rechten, die diese Gemeinschaften genießen. Die Verfassungsrechte wirken nicht mehr bis in diese Ebene hinein. Es kommen vielmehr die geltenden Schutzgebietsbestimmungen zum Tragen, die die ansässigen indigenen Gemeinschaften der Entscheidungsbefugnis der Schutzgebietsverwaltung unterordnen.
Kolumbien In Kolumbien übt der Staat keine Exklusivrechte über die erneuerbaren natürlichen Ressourcen auf dem nationalen Territorium aus. Er ist Eigentümer des Wassers zum öffentlichen Gebrauch, einschließlich der darin vorhandenen Ressourcen. Ihm gehören zudem die Naturreichtümer auf den staatseigenen Gebieten sowie, mit Einschränkungen, die Tierwelt. Ansonsten sind die Landeigentümer zugleich auch Eigentümer der natürlichen Ressourcen, einschließlich der Gewässer, des Waldes sowie des Jagdreviers und der Fischgründe. Dass Kolumbien über keine legalen Normen zur Anerkennung der Ressourcen zugunsten der indigene Gemeinschaften verfügt, liegt an der fest verankerten Institution des Resguardos, das von der Kolonialzeit bis in die Gegenwart überdauert hat. Es beinhaltet einen unveräußerlichen, unpfändbaren und nichtüberschreibbaren Eigentumstitel an Land zugunsten einer Gemeinschaft, wobei angenommen wird, dass die erneuerbaren natürlichen Ressourcen Bestandteil dieses Eigentumstitels sind. Dass die Nicht-Überschreibbarkeit der indigenen Gebiete in der neuen
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kolumbianischen Verfassung von 1991 verankert wurde, brachte all jenen indigenen Völkern die Anerkennung von Landrechten, die vormals über keine anerkannten Resguardos verfügt hatten. Dies gilt für indigene Gruppen in entlegenen Landesteilen z.B. des Amazonasgebietes, wo durch die geringe staatliche Präsenz keine Abgrenzung indigener Gebiete erfolgt war. Wie bei den alten Resguardos sind auch bei den neuen die vollen Eigentumsrechte über die erneuerbaren natürlichen Ressourcen eingeschlossen. Eine entsprechende Interpretation, die vor allem auch auf den Verpflichtungen Kolumbiens infolge des Beitritts zur ILO-Konvention 169 fußt, nahmen oberste Gerichtsinstanzen vor. Hinsichtlich der Verwaltung und Nutzung der Ressourcen schlägt erneut die Rechtsfigur des Resguardos zu Buche, die ein großes Maß an Selbstverwaltung einschließt, und zwar sowohl hinsichtlich der Landverteilung als auch der natürlichen Ressourcen. Seit Inkrafttreten der Verfassung von 1991 sind neue Anerkennungen indigener Territorien nur noch in Form des Resguardos erfolgt, dessen Befugnisse ausgeweitet wurden. Einbezogen sind auch Befugnisse für die Verwaltung und Bewahrung der natürlichen Ressourcen, die sich mit denen der kommunalen Selbstverwaltung vergleichen lassen. Dabei können Verwaltung und Management traditionellen Regeln und Praktiken folgen, soweit diese keine nationalen Naturschutzbestimmungen verletzen. Ungeklärt ist allerdings die Frage, wie Verwaltung und Nutzung zu regeln sind, wenn sich Resguardos mit Schutzgebieten überlagern. Das Gesetz akzeptiert die Koexistenz beider Rechtsfiguren, doch gibt es keine Regelungen, die beiden Zielsetzungen gerecht würden, der Wahrung indigener Eigentumsrechte und der Verwaltung von Schutzgebieten. Der Vorschlag indigener Organisationen, die Parkverwaltung in indigene Hände zu legen, wurde nicht angenommen. Hinsichtlich der Verfügungsgewalt über die natürlichen Ressourcen gibt es auch in Kolumbien Verordnungen, die vor der Verfassung von 1991 entstanden sind und zu ihr im Widerspruch stehen. Hierzu, aber auch zu den staat-
Reiche Natur, natürliche Reichtümer und indigene Völker
lichen Verpflichtungen, die sich aus der Ratifizierung der ILO-Konvention 169 ergeben, stellte das oberste Verfassungsgericht fest, dass das Fehlen gesetzlicher Normen den Staat nicht von seinen völkerrechtlichen bzw. verfassungsrechtlichen Verpflichtungen entbindet. Doch ändert dies nichts daran, dass die Gleichzeitigkeit nicht aufeinander abgestimmter Normen zu Verwirrung und Konflikten zwischen staatlich anerkannten Indigenenvertretern und staatlichen Funktionären Anlass gibt.
Ecuador Das Staatswesen Ecuadors will die erneuerbaren natürlichen Ressourcen und die Kontrolle über sie in den Händen behalten. Daran lassen die Gesetze keinen Zweifel. Die Verfassung hat zwar vorteilhafte Teilaspekte für die indigenen Gemeinschaften, doch gesteht sie ihnen kein Eigentum an den erneuerbaren natürlichen Ressourcen zu. Sie gewährt ihnen das Recht auf Beteiligung an der Nutzung, Verwaltung und Erhaltung der Ressourcen ihres Landes. Das Problem ist aber weitreichender. Denn das geltende Wald- und Naturschutzgesetz will die Schutzgebiete, in denen im östlichen Landesteil viele indigene Gemeinschaften leben, als “nationales Erbe“ “unverändert“ erhalten. Sie sollen weder übertragen, noch für die staatliche Agrarreformbehörde verfügbar gemacht werden können. Damit sind den indigenen Gemeinschaften die Eigentumsrechte verwehrt, und ihr Zugang zu den genetischen Ressourcen ist erheblich eingeschränkt. Auf Verfassungsebene und durch die Ratifizierung der ILO-Konvention 169 hat Ecuador die Verpflichtung, die indigenen Gemeinschaften innerhalb ihrer Gebiete mit der Befugnis zur Verwaltung und Nutzung der natürlichen Ressourcen auszustatten. Der Staat ist zudem verpflichtet, in seiner Umweltpolitik alle gesellschaftlichen Gruppen zu beteiligen, und auf der Verwaltungsebene Personen und Gemeinden mit Befugnissen auszustatten, um im Gefahrenfall öffentlich aktiv zu werden. Dadurch aber, dass der Verfassungsauftrag durch keine Gesetze und Verordnungen präzisiert wurde, fehlt den indigenen Gemeinschaften und ihren Vertretern jede Möglichkeit, die vorhandenen Bestimmungen wirksam werden zu lassen.
Bedenklich ist dies besonders im Amazonasgebiet, wo Umweltprobleme infolge der natürlichen Ressourcenausbeute durch Privatpersonen und Unternehmen auf der Tagesordnung stehen. Die Inkohärenz der gesetzlichen Regelungen und das Fehlen einheitlicher Richtlinien zur Landtitulierung schränken auch die Verfügungsgewalt über die natürlichen Ressourcen ein, die in einer Vielzahl divergierender Modelle koexistieren. Diese sind nicht nur weit von den traditionellen Verfügungsrechten entfernt, sondern stellen auch eher Einschränkungen als Befugnisse dar. Die indigenen Gemeinschaften können nicht einmal einen Status als juristische Person erlangen. Die Verfassungsrechte wurden in Ecuador nicht in gesetzliche Normen überführt und Ausführungsbestimmungen fehlen. Damit bleiben die verfassungsrechtlichen Garantien bloße Absichtserklärungen. Hinzu kommt, dass sich auch die staatliche Politik nicht geändert hat und die Kontrolle über Land und Ressourcen bei den zuständigen Behörden verbleiben. Einige Bestimmungen sind für die indigenen Gemeinschaften zwar vorteilhaft, etwa mit Erlaubnis des Landwirtschaftsministeriums die Holzbestände zu nutzen, sofern es sich nicht um staatlich bewirtschaftete Forste handelt, oder die Straffreiheit beim Fang geschützter Tierarten oder der Jagd mit verbotenen Fangmethoden. Sie sind aber nur ein schwacher Ausgleich für nicht gewährte Rechte.
Peru Wie in vielen Ländern Lateinamerikas sichert sich auch in Peru der Staat die Kontrolle über die natürlichen Ressourcen. Nach den einschlägigen Gesetzen jüngeren Datums können Waldflächen, die sich im staatlichen Besitz befinden, praktisch nicht mehr an Privatpersonen übertragen werden, wohl aber Dritten durch Konzessionen zur Nutzung überlassen werden. Für Waldflächen jedoch, die sich innerhalb der anerkannten Ländereien von indigenen Gemeinschaften befinden, können keine Konzessionen an Nicht-Indianer vergeben werden. Während frühere gesetzliche Regelungen den indigenen Gemeinden des Anden-
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hochlandes und des Amazonastieflandes die Eigentumsrechte auf ihr Land innerhalb von Schutzgebieten zusprachen, wurden diese später durch anders lautende Bestimmungen wieder aufgehoben. Peru hat nicht, wie meist üblich, das Recht der Bürger auf Information und der Teilhabe an der Politikgestaltung beim Schutz und der nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen in der Verfassung verankert, sondern in einem speziellen Gesetz geregelt, das auch für die indigene Bevölkerung und die ihr zuerkannten Ländereien gilt. Durch die geltende Verfassung sowie eine Reihe von Sonderregelungen aus den letzten Jahrzehnten genießen indigene Hochlandbauern und Amazonasvölker eine vergleichsweise große Autonomie bei der Regelung ihrer inneren Angelegenheiten, insbesondere was ihre Ländereien, aber auch was die Nutzung und Verwaltung der natürlichen Ressourcen betrifft. In Peru regelt ein eigenes Gesetz die Belange der indigenen Amazonasvölker. Danach liegen der Erhalt und Schutz sowie die Verbesserung und rationale Nutzung der erneuerbaren natürlichen Ressourcen im öffentlichen Interesse. Allerdings hat sich dieses Interesse weder in klaren Ausführungsbestimmungen noch in gemeinsamen Managementstrukturen von indigenen Gemeinschaften und staatlicher Verwaltung niedergeschlagen. Die Möglichkeiten der indigenen Gemeinschaften hinsichtlich der Verwaltung, des Schutzes und der Nutzung der natürlichen Ressourcen werden im Gegenteil eingeschränkt. So hat die Nutzung der natürlichen Ressourcen nur in solchen Gebieten zu erfolgen, die das Gesetz dafür ausweist. Zum anderen können indigene Völker zwar in Nationalparks leben, nicht aber Eigentumstitel erwirken. In Peru gibt es detaillierte Regelungen für viele Aspekte, die den Umgang indigener Völker mit ihrer natürlichen Umwelt betreffen. Dabei ist in allgemeiner Form vom Respekt die Rede, den die indigenen Kulturen verdienen. Aber es gibt keine Hinweise darauf, dass auch überlieferte indigene Praktiken und Einrichtungen die Grundlagen für einen Umgang mit den natürlichen Ressourcen bilden könnten. Ein entspre-
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chendes Anrecht ist nur indirekt durch die Ratifizierung der ILO-Konvention 169 seitens Perus gewährleistet. Deutlich ist auch, dass viele Bestimmungen auf eine wirtschaftliche Nutzung abzielen. Peru hat die Markteinbindung der indigenen Gemeinschaften mit größerem Nachdruck gefördert als andere Länder, und zwar auch was die natürlichen Ressourcen angeht.
Venezuela Die venezolanische Verfassung sichert dem Staat die Kontrolle über das Wasser, was sich auch in den Bestimmungen zur Fischerei und Aquakultur niederschlägt. Darüber hinaus ist die biologische Vielfalt, ganz im Sinne der gleichnamigen Konvention, der nationalen Oberhoheit unterstellt. Zum Eigentum an den erneuerbaren natürlichen Ressourcen in staatlich anerkannten indigenen Gebieten trifft die Verfassung keine Aussage, aber sie erkennt die indigenen Landrechte sowie, ebenfalls im Verfassungsrang, die kollektiven geistigen Eigentumsrechte am indigenen Wissen über die biologische Vielfalt an. Juristen ziehen hieraus den Schluss, dass der venezolanische Staat den indigenen Gemeinschaften die Eigentumsrechte an den erneuerbaren natürlichen Ressourcen innerhalb ihrer Gebiete, mit Ausnahme des Wassers, anerkennt. Da es vor der Verfassungsreform im Jahre 1999 kein Rechtsmodell mit klaren Richtlinien für die den indigenen Gemeinschaften übertragenen Ländereien gab, lassen sich auch keine rechtlich sanktionierten indigenen Verwaltungs- und Nutzungsformen konstatieren, die sich von denen privater Landbesitzer unterschieden hätten. Da bis heute die indigenen Ländereien noch nicht im Sinne der Verfassung zugewiesen wurden, hat sich daran bisher nichts geändert. Venezuela hat im übrigen – noch bevor die Verfassungsbestimmungen in Gesetze gegossen waren – Verordnungen zur Einrichtung von Biosphärenreservaten erlassen, die den indigenen Gemeinschaften zwar keine Befugnisse zur Verwaltung und Nutzung der Ressourcen erteilen, wohl aber Schutz gewähren für ihre traditionellen Rechte auf Land, Wald und Wasser, umweltverträgliche
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Wirtschaftsaktivitäten sowie ihr soziales, kulturelles und sprachliches Erbe. Die Verfassung sieht neben der Anerkennung der indigenen Ländereien die Verwaltung und Nutzung der natürlichen Ressourcen vor; das entsprechende Gesetz ist in Vorbereitung. Es enthält auch Bestimmungen zur Vereinbarkeit von indigenen Ländereien und Schutzgebieten. Die in solchen Schutzgebieten lebenden indigenen Gemeinschaften teilten bisher das Schicksal indigener Völker in anderen Ländern, die keine Verfügungsrechte auf die vorhandenen natürlichen Ressourcen besaßen. In Venezuela konnten in Nationalparks früher Umweltbildungsmaßnahmen, Tourismus oder Forschung durchgeführt werden, Jagd und Fang von Tieren oder die Sammlung von Pflanzenspezies waren hingegen verboten bzw. nur unter bestimmten Bedingungen mit Erlaubnis möglich.
3. Indigene Völker und ihre natürlichen Reichtümer im Spiegel der Wirklichkeit Große Teile der modernen Indigenenbewegung, die sich seit den 1970er Jahren in Lateinamerika und der Karibik formierte, führen einen legalistisch orientierten Kampf um Anerkennung und Durchsetzung von Rechten. Trotz Schwierigkeiten und Schwächen haben sie vieles erreicht. Allerdings sind die rechtlichen Rahmenbedingungen nur ein Aspekt einer komplexen Realität, die oftmals von Umständen beherrscht wird, welche sich gerade nicht an Gesetze halten. In Lateinamerika gibt es seit der frühen Kolonialzeit eine Tradition des Zur-Kenntnis-Nehmens aber Nicht-Befolgens von Gesetzen, die bis in die Gegenwart fortwirkt. So spielten etwa bei der Drogenbekämpfung in der kolumbianischen PutumayoRegion, wo Kokapflanzungen durch massive Luftbesprühungen mit dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat zerstört und in der Nähe lebende indigene Gemeinschaften in Mitleidenschaft gezogen wurden, Argumente eines gesetzlich verankerten Ressourcenschutzes keine Rolle. Die Wirklichkeit ist zwar durch Gesetze geregelt, zugleich aber werden vorhandene Inkohärenzen und Gesetzeslücken systematisch ausgenutzt oder Normen igno-
riert. Was die erneuerbaren natürlichen Ressourcen betrifft, lässt sich hierfür beispielhaft der illegale Holzeinschlag anführen, der kaum zu unterbinden ist.
Die Wirklichkeit in den Wäldern In Lateinamerika, wo sich mit Amazonien das größte zusammenhängende Regenwaldgebiet dieser Erde sowie mehrere Zentren biologischer Vielfalt befinden (d.h. über 1.500 endemische Arten, wie z.B. in Bolivien und Mittelamerika), schreitet der Verlust der Waldflächen ungehindert voran. Von 1990 bis zum Jahre 2000 hat Mittelamerika pro Jahr 1,2% seiner Waldbestände verloren und zählt damit zu den Spitzenreitern. Für Südamerika werden “nur“ 0,4% Waldverlust jährlich konstatiert, die allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass die Entwaldungsrate in Teilen Amazoniens bis zu 4% jährlich beträgt und dass mittlerweile 15% des Amazonasregenwaldes zerstört sind.
Holzeinschlag Der Holzeinschlag folgt dem Bedarf auf dem Markt, der in der Regel außerhalb des Waldes entsteht. So sind seine Ursachen oft externer Natur und können nicht nur für die Wälder, sondern auch für die indigenen Waldbewohner, ihre Rechte und Lebensweise eine Bedrohung darstellen. TRESIERRA (2000:8) spricht in diesem Zusammenhang von exogenen Faktoren. Neben dem Bergbau (siehe auch FELDT in diesem Band) ist die Ausbeutung der Holzbestände eine zentrale Ursache für den Waldverlust. Sie erfolgt zu einem beachtlichen Teil illegal. Der WWF geht davon aus, dass in Brasilien, Peru und Ecuador der Anteil an illegal geschlagenem Holz bis zu 80% des geernteten Holzes beträgt. Ein anderer Teil des Holzeinschlages gründet auf der Vergabe staatlicher Konzessionen. Allen Ressourcenschutzbemühungen zum Trotz werden dabei beträchtliche Waldflächen zerstört. Die großen Entwaldungsraten gehen oft auf einflussreiche Holzfirmen zurück. Beispielsweise hat eine Holzfirma an der an biologischer Vielfalt reichen kolumbianischen Pazifikküste operiert und im Zeitraum von über 30 Jahren in Teilen der Region 85% der Wälder
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zerstört. Für die ansässige indigene und afroamerikanische Bevölkerung haben die Holzausfuhren viele negative Auswirkungen, so wurde durch Holzeinschlag z.B. das 4000 ha große Gebiet der indigenen Gemeinde Chageradó zerstört (RÍOS, 1995:97). Dass illegaler Holzeinschlag gelegentlich mit Wissen und Billigung staatlicher Stellen geschieht, dafür steht der Chocó als Beispiel. Hier mussten sich im Jahre 2002 die Direktoren der Regionalen Entwicklungsbehörde “Codechocó“ wegen Komplizenschaft beim illegalen Holzeinschlag des Unternehmens “Maderas del Darien S.A.“ vor Gericht verantworten.7
von Panama die vormals homogenen CativoBestände (Prioria copaifera) stark dezimiert. Hier traten die indigenen Gemeinschaften selbst ihre Verfügungsrechte über die Waldressourcen an Holzhändler ab (TRESIERRA, 2000:10). Realität sind zudem die zum Teil gewalttätigen Konflikte der indigenen Gemeinschaften mit Holzfällern, die in Bolivien und Peru auf der Tagesordnung stehen. Nicht einmal Landesgrenzen stellen eine Hemmschwelle dar, wie der Fall der rund 450 Angehörigen der Ashaninka auf brasilianischem Staatsgebiet belegt. Seit 1999 dringen peruanische Holzfäller in ihr Gebiet vor und sollen nach Angaben der Ashaninka 7.000 des insgesamt 87.000 ha umfassenden indigenen Waldgebietes vernichtet haben.
Verkehrswege
Foto: „Tag der natürlichen Ressourcen“ in NgöbeBuglé, Panama (S. SPOHN)
In einigen Fällen ist die Rechtmäßigkeit der behördlichen Holzeinschlagkonzessionen zweifelhaft, weil sie zu den anerkannten Rechten der ansässigen indigenen Gemeinschaften im Widerspruch stehen. Zur Durchsetzung der indigenen Rechte braucht es in der Regel juristischen Beistand. Im Fall der MayagnaGemeinde Awas Tingni an der Atlantikküste Nicaraguas beschäftigte diese Frage die Interamerikanische Menschenrechtskommission, die Nicaragua am 30.10.1997 aufforderte, die Holzkonzession an das Unternehmen SOLCARSA auszusetzen (ACOSTA, o.J.). In anderen Fällen tragen auch indigene Gemeinschaften für den großflächigen Holzeinschlag Verantwortung. So wurden im Darien 7
Internetveröffentlichung http://www.procuraduria.gov.co/noticias/2002/dic/30/ B_410_%20Diciembre_%2030_2002_CAR_Choco. html
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Ob in der Selva Lacandona in Yucatán, an der Atlantikküste von Honduras oder im Amazonasregenwald: Waldzerstörung geht meist mit Infrastrukturmaßnahmen einher. Straßen sind zudem Pforten für die Akkulturation und die unkontrollierte Markteinbindung von indigenen Gemeinschaften, z.B. durch Händler. Trotz vieler Negativfolgen wird den Straßenbauprojekten nicht immer Widerstand entgegengesetzt. Die Existenz von Straßen ist noch immer Bedingung für Entwicklung, mehr noch in Zeiten globalisierter Märkte. Auch indigene Gemeinschaften können nicht umhin, die kürzlich eingeführten Cash-Crop-Produkte auf Lastwagen in die nächste Stadt zum Markt zu bringen. Aber es kommt immer wieder zu Protesten gegen den Straßenbau. Hier bietet sich wiederum der Chocó als Beispiel an, wo zu Beginn der 1990er Jahre große Infrastrukturprojekte zur Diskussion standen. Die nach Panama fortgeführte Panamericana, d.h. die ganz Amerika durchziehende Landstraße, sollte mit einer Hafenanlage, Bahnlinie, Landstraße, Pipeline, mit Wasserkraftwerken und einem so genannten Trockenkanal vernetzt werden (SÁNCHEZ, 1995). Gebiete der Völker der Emberá und Noanamá, die gerade in der neuen Verfassung von 1991 eine Anerkennung erfahren hatten, wären von Teilen der Vorhaben
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betroffen worden. Besorgnis erregten auch die zeitgleich einsetzenden Operationen von paramilitärischen Verbänden, die damals gerade aus jenen Gebieten die afrochocoanische und indigene Bevölkerung zu vertreiben begannen, in denen einige der Infrastrukturprojekte entstehen sollten. Dann aber wurde die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen in Frage gestellt, noch bevor die Planungsphase der Machbarkeitsprüfung erreicht war. Proteste der Indigenenorganisationen, die auch das Ausland erreichten, haben das Ihre dazu beitragen, dass die Pläne nicht zur Ausführung kamen. Schließlich mögen ökologische Argumente den Ausschlag gegeben haben, vor allem die reiche biologische Vielfalt mit vielen endemischen Arten.
Naturschutz Gut für die Wälder, aber schlecht für die ansässigen indigenen Völker war die Naturschutzdoktrin früherer Jahrzehnte, die keine menschliche Ressourcennutzung in Schutzgebieten duldete. Sie bedeutete nicht nur einen Angriff auf die Existenzgrundlagen der seit Generationen im Wald lebenden indigenen Gemeinschaften, sondern war auch unverständlich aus Sicht einer indigenen Kosmovision, die auf Ausgleich und eine harmonische Beziehung des Menschen mit seiner Umwelt abzielte. So wundert es nicht, dass eine der ersten großen internationalen Initiativen des 1984 gegründeten Dachverbandes der indigenen Organisationen des Amazonasbeckens COICA das “Erste Gipfeltreffen zwischen indigenen Völkern und Naturschützern“ im Jahre 1990 in der peruanischen Amazonasmetropole Iquitos war. Bei diesem hat die COICA die anwesenden Organisationen, in der Mehrheit nordamerikanischer Herkunft, auf eine indigenenverträglichere Haltung in Naturschutzfragen verpflichtet (COICA, 2001:196). Aus diesem Gipfeltreffen ist ein Bündnis entstanden, das bis heute andauert. Im gleichen Zeitraum begann sich auch die Haltung anderer Nichtregierungsorganisationen und der Entwicklungsorganisationen zu ändern. Zurückgreifen konnte man auf das Konzept des “Biosphärenreservats“, das die UNESCO 1971 aus der Taufe gehoben hatte und das den Naturschutz
mit einer nachhaltigen Nutzung der Natur durch den Menschen vereinte, und den Ökosystemansatz der Biodiversitätskonvention, der den Menschen “mitdenkt“. Man darf behaupten, dass sich mit Ausnahme bestimmter besonders sensibler Gebiete das Konzept des Schutzes bei gleichzeitiger nachhaltiger Nutzung durchgesetzt hat. Hat sich damit in gewisser Weise nicht eine indigene Grundphilosophie behauptet?
“Im Rahmen indigener Gemeinschaften von Umwelt zu sprechen, heißt, die konzeptionelle Bedeutung des Landes hervorzuheben. Land ist die elementare Grundlage für Subsistenz und Gesundheit, ist der Lebensraum mit Göttern,Geistern, Sonne, Wasser und Luft. Alle diese Elemente bilden eine eigene kleine Welt oder Kosmovision. Deshalb sind inidgene Völker die besten und zahlreichsten Verteidiger der Umwelt sowie der biologischen Vielfalt und nicht nur der erneuerbaren Ressourcen gewesen.“ GABRIEL MUYUY JACANAMEJOY, Abgehöriger des Inga-Volkes (Kolumbien) und ehemaliger indigener Senator
Kinder, Dörfer und Konsum Nach den exogenen seien noch kurz die endogenen Faktoren der Waldzerstörung angesprochen. Dabei kann das indigene Bevölkerungswachstum nicht unerwähnt bleiben, das im Zusammenspiel mit den exogenen Faktoren den Druck auf die verfügbaren natürlichen Ressourcen erhöht. Es liegt bei vielen indigenen Völkern höher als bei anderen Gruppen der Gesellschaft, wenngleich auch die Kindersterblichkeit ungleich größer ist und kleine Völker immer wieder akut vom Aussterben bedroht sind. Im peruanischen Amazonasgebiet beträgt etwa die durchschnittliche Geburtenzahl 7,9 und damit mehr als das Doppelte über dem Landesdurchschnitt von 3,4 Geburten (TRESIERRA, 2000:12). Die Bevölkerungsdichte vor Ort wird allerdings durch Migration und Abwanderung zumeist in die Städte herabgesetzt (siehe auch SPEISER in diesem Band). Doch schon die von den christlichen Missionaren verschiedener Glaubensrichtun-
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gen betriebene Zusammenführung und Ansiedlung indigener Gemeinschaften in Dörfern, die auch dem staatlichen Interesse nach besserer Kontrolle und Verwaltung entgegenkam, zeigt negative Wirkung. Sie begünstigt nicht nur die Übernutzung bei Jagdwild und Fischbeständen, sondern übt zusätzlichen Druck auf das zur Verfügung stehende Land aus. Die Landwirtschaft stößt an die Grenzen der geringen Fruchtbarkeit der Tropenwaldböden, die Abstände zwischen den Feldern werden geringer, die herkömmlichen Methoden des diversifizierten Anbaus und des Sukzessionsmanagements werden nicht länger befolgt. Der Brandrodungsfeldbau ist damit nicht länger ökologisch tragfähig. Unangepasste landwirtschaftliche Anbaumethoden kommen hinzu. Eine Hinwendung zur Geldwirtschaft und die Anbindung an den Markt sind damit meist auch schon vollzogen. Gleichzeitig kommt es zu einem Wertewandel. Westliche Konsummuster halten Einzug und wirtschaftliche Alternativen stehen nicht zur Verfügung.
Bioprospektion, Biopiraterie Die damit einhergehende Erosion der Biodiversität aufzuhalten, ist Ziel des Übereinkommens über die biologische Vielfalt. Wie bereits dargelegt sollen traditionelle Kenntnisse und Praktiken indigener Gemeinschaften bewahrt, gefördert und eingesetzt werden, sofern sie dem Schutz und der nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt dienlich sind. Sollten indigene Gemeinschaften ihr Wissen mit Dritten teilen, die daraus kommerziell verwertbare Ergebnisse erzielen, haben sie Anspruch auf faire Gewinnbeteiligung. Die Biodiversitätskonvention hoffte, dass eine durch indigenes Wissen bereicherte Bioprospektion für alle Beteiligten vorteilhaft wäre: für die biologische Vielfalt, die, in Wert gesetzt und nachhaltig genutzt, besser geschützt sei; für die indigenen Völker, deren Wissen eine Aufwertung und finanzielle Anerkennung erführe, und für den medizinischen und pharmazeutischen Fortschritt, der, wie schon in der Vergangenheit, neue medizinische Präparate aus den Wirkstoffen des Tropenwaldes gewinne. Allerdings haben sich die Hoffnungen bisher nicht erfüllt. Es hat in den 1990er Jahren einige Vereinba-
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rungen zur Bioprospektion mit indigenen Gemeinschaften gegeben, u.a. in Surinam, Peru und Ecuador. In den meisten Fällen handelte es sich vermutlich um bezahlte Aufträge zur Sammlung von Pflanzenmaterial. Bioprospektion wird gerade von den politischen Organisationen der Indigenen oft mit Biopiraterie gleichgesetzt, d.h. der unlauteren und unrechtmäßigen Aneignung biologischer Ressourcen und ethnobotanischen Wissens. Für den Dachverband der Indigenenorganisationen des Amazonasbeckens COICA steht hierfür exemplarisch das im Juni 1986 in den USA erteilte Patent auf die Pflanze Ayahuasca oder Yagé (Banisteriopsis caapi). Viele indigene Völker Amazoniens gewinnen hieraus einen berauschenden Sud, der den Schamanen die Kontaktaufnahme mit Geistern ermöglicht und ihnen die Ursachen von Krankheiten sowie die Mittel zu ihrer Behandlung erhellt (REINHARDT ET AL., 2001:23ff; ROSSBACH DE OLMOS, 2001:49). Der Inhaber der nordamerikanischen “International Plant Medicine Corporation“, Loren Miller hat die Pflanze von einem Secoya-Schamanen im ecuadorianischen Amazonasgebiet erhalten und ein Patent auf die Pflanze erwirkt. Heftige Proteste der COICA, die die Patentierung der vielleicht wichtigsten amazonischen Ritualpflanze als Sakrileg brandmarkte, führten zu Diskussionen auf internationaler Ebene. Der Versuch, beim USamerikanischen Patentamt die Aufhebung des Patents zu erwirken, scheiterte im April 2001. Ende 2002 ist das Patent zwar ausgelaufen, es schürte dennoch die Angst, dass eine Jahrhunderte lange Tradition der Ausbeutung natürlicher Ressourcen indigener Gemeinschaften fortgesetzt werden könnte. Aus ähnlichen Gründen brachte im November 2001 der “Rat der traditionellen indigenen Heiler und Hebammen von Chiapas (COMPITCH)“ ein großes Forschungsprojekt über den medizinischen Wert von Heilpflanzen bei den Hochland-Maya des Staates Chiapas zu Fall.
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rere Patente auf gentechnisch veränderte Kartoffelsorten hält. In Mexiko, der Wiege des Maises und dem Ort seiner größten genetischen Vielfalt, entdeckte man 2001, dass alte einheimische Maissorten genetisch kontaminiert waren, vermutlich durch Importe von transgenem Mais aus den USA. In Mexiko selbst ist der Anbau von gentechnisch verändertem Mais seit Jahren verboten.
Foto: Interview auf einem Workshop zu traditionellem Wissen in Peru (S. REINHARDT)
Die Wirklichkeit auf den Feldern Auch in die Wirklichkeit indigener Bauerngesellschaften dringen verwandte Probleme vor. Biopiraterie ist hier gleichfalls ein Thema. So hat in Bolivien der “Nationale Bolivianische Zusammenschluss der Quinoa-Produzenten“ ANAPQUI die Colorado State University aus den USA gezwungen, das Patent Nr. 5.304.718 auf “Apelawa“-Quinoa aufzugeben. Quinoa (Chenopodium quinoa) ist eine Getreideart andinen Ursprungs und zeichnet sich durch ein besonders ausgewogenes Verhältnis an Aminosäuren aus. Andere Probleme treten in Gestalt der Gentechnologie in Erscheinung, welche die großen Ernährungsfragen der Menschheit zu lösen verheißt und an die sogenannte Grüne Revolution der 1960iger Jahre anknüpft. Gegenstand gentechnischer Manipulation sind die bekannteren Ernährungspflanzen neuweltlichen Ursprungs. Zu ihnen zählt die Kartoffel, die aufgrund bestimmter Eigenschaften bis heute ein bevorzugtes Objekt der gentechnischen Veränderung ist. Federführend ist das Gentechnik-Unternehmen Monsanto, das meh-
Alte erprobte und angepasste Landsorten laufen aufgrund der Gentechnologie Gefahr verloren zugehen, und mit ihnen ihre genetische Vielfalt. Es ist in der Tat nach Schätzungen der FAO damit zu rechnen, dass in wenigen Jahrzehnten bis zu 75% nutzpflanzengenetische Diversität für die Menschheit verloren sein wird. Zwar lagert heute ein Großteil der genutzten und wilden Sorten von Ernährungspflanzen in Genbanken (ex situ) ein, doch haben sich die im Freiland (in situ) von Bauern erprobten Anbaukenntnisse und -praktiken als unverzichtbarer Beitrag zur Bewahrung der nutzpflanzengenetischen Vielfalt erwiesen. Auch deshalb wendet man sich heute wieder verstärkt dem Wissen und den Praktiken der Bauern und Bäuerinnen in den Ursprungsgebieten dieser Kulturpflanzen zu. Wie bereits in Kapitel 1 “Der Boden“ erläutert, stellt in einigen Gebieten die Bodenerosion ein ernsthaftes Problem auf den Feldern dar. Selbst indigene Bauern aus Bolivien oder Peru, wo vor einigen Jahrzehnten Bodenreformen erfolgten und Großgrundbesitz auf indigene Pächter umverteilt wurde, sind davon betroffen. Zudem hat das Bevölkerungswachstum die Parzellen für die Nachkommen schrumpfen lassen. Das vormalige Latifundium wurde in wenigen Generationen vom Minifundium abgelöst und trug neben der Bodenerosion auch zur Abwanderung in die Städte bei. In Bolivien gründeten die Bauern ihre Gegenstrategien auf andine gemeinschaftliche Traditionen und schlossen sich in Gemeinden zusammen. Sie sind damit flexibler in der Zuteilung der Ressource “Boden“, können andere Ressourcenprobleme, wie z.B. Vernichtung ihres Saatguts infolge von Dürre oder die Organisation der Bewässerung der Parzellen besser organisieren. Auch der auf vorkoloniale Zeiten zurückgehende terrassierte Anbau bietet Schutz vor
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Bodenerosion und, in gewissem Maße, vor Bergrutschen, doch ist seine Wiedereinführung bzw. Instandsetzung aufwendig und zeitintensiv.
65.000 Indianer rund 34 Mio. ha Fläche in den neun Amazonas-Staaten Brasiliens gesichert. Seit 1996 unterstützen GTZ und KfW im Auftrag des BMZ das Demarkierungsprojekt PPTAL.8
4. Indigene Strategien
Diese Strategie findet sich in vielen politischen Forderungen wieder. Sie hat eine lange Vorgeschichte und begann mit der Bekräftigung des engen Zusammenhangs von natürlichen Ressourcen und Landrechten in der ILO-Konvention 169 und der UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker. Sie setzte sich darin fort, dass international agierende Indigenenorganisationen (z.B. COICA, aber auch die “Internationale Allianz der indigenen und in Stämmen lebenden Völker der Regenwälder“) namhafte Umweltorganisationen, wie den WWF und IUCN, auf diese Linie einschworen. So verabschiedete der WWF 1993 sein “Statement of Principles on Indigenous Peoples and Conservation“, in dem er die indigenen Rechte auf das Land, die natürlichen Ressourcen und die Kontrolle über diese anerkennt und sich in seinen Projekten zur Berücksichtigung dieser Prinzipien verpflichtet (vgl. COICA, 2001:50ff). IUCN hat auf ihrem 1. Weltnaturschutzkongress 1996 in Montreal in ihrer Entschließung 1.53 “Indigenous Peoples and Protected Areas“ Ähnliches beschlossen (vgl. COICA, 2001:52ff). Seither sind Indigenenvertreter regelmäßige Teilnehmer an den IUCN-Kongressen, zuletzt 2003 auf dem Weltpark-Kongress in Durban (Südafrika), wo die indigenen Ansprüche auf Land und die natürlichen Ressourcen ein weiteres Mal im Rahmen der WPC-Empfehlung 5.24 zu “Indigenen Völkern und Schutzgebieten“ bekräftigt wurden.9
Auf lokaler und regionaler Ebene haben indigene Gemeinschaften eine Vielzahl von Strategien entwickelt, um dem Problem der Zerstörung der erneuerbaren natürlichen Ressourcen zu begegnen. Einige dieser Strategien fanden bereits Erwähnung, wie z.B. der Widerstand gegen Infrastrukturmaßnahmen als Ursache für Waldzerstörung, die Proteste gegen Biopiraterie oder die Wiederbelebung andiner Traditionen. Übergreifend und unabhängig von den Widrigkeiten der Rahmenbedingungen des jeweiligen Landes haben viele indigene Gemeinschaften dafür optiert, sich für die Anerkennung ihrer Landrechte einzusetzen, und damit Ansprüche auf die überirdischen Ressourcen geltend zu machen. Wenn Staaten ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Legalisierung indigener Gebiete nicht nachkommen konnten oder wollten, haben indigene Organisationen Mittel und Wege gesucht, Selbstdemarkierungen vorzunehmen, um die Anerkennung der Gebiete zu erzwingen. Mit Unterstützung von NRO oder anderen Partnern gelang es ihnen, ihr Land selbst zu vermessen. Sie schufen so die Voraussetzung für die Ausstellung von Landtiteln, die die zuständigen Behörden nicht mehr aufgrund politischer Widerstände oder finanzieller Engpässe verweigern konnten. Bei der Demarkierung des Gebietes der Waiãpí im brasilianischen Bundesstaat Amapá war erstmals die deutsche Entwicklungszusammenarbeit im Vorlauf des Pilotprogramms zur Erhaltung der tropischen Regenwälder (PPG7) an der Vermessung von Indianergebieten beteiligt und verfolgte in Abstimmung mit der staatlichen Behörde FUNAI den partizipativen Ansatz der Selbstdemarkierung. Daraus folgten in Zusammenarbeit mit der staatlichen Indianerbehörde FUNAI weitere partizipative Landregulierungen, die nicht nur die Vermessungen sondern den gesamten Prozess, von der Identifizierung der Gebiete bis zur Ratifizierung durch den Staatspräsidenten umfassen. So wurden bisher für rund
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Die politischen Interessenvertretungen der indigenen Völker werden stets die Eigentumsund Verfügungsrechte über die erneuerbaren natürlichen Ressourcen in den Mittelpunkt ihrer Strategie rücken. Dokumente der OAS bestätigen, dass das Recht auf die natürlichen Ressourcen einer der schwierigsten Fragen bei der 8
PPTAL ist das brasilianische Kürzel für das Projekt „Demarkierung von Indianerschutzgebieten in der Amazônia Legal“ und ist Teil des PPG7. 9 vgl. www.iucn.org/themes/wcpa/wpc2003/pdfs/outputs/r ecommendations/approved/english/pdf/r24.pdf9
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Anerkennung und Anwendung indigener Rechte ist und dass das “right to land and the recognition of indigenous habitat (must, d.V.) include the indigenous right to all surface resources necessary for their survival and for a sustainable development“ (ORGANISATION OF AMERICAN STATES, 2003:9). Noch einen Schritt weiter geht die Millenniumskonferenz der indigenen Völker, die im Mai 2001 in Panama stattfand. Sie steht nicht mit der UN-Millenniumskonferenz vom September 2000 in Zusammenhang, sondern stellt eine Fortschrittsanalyse der bis 2004 dauernden “UN-Dekade Indigener Völker“ dar. Dazu hatten sich neben indigenen Teilnehmer/innen aus Lateinamerika und der Karibik auch Vertreter/innen aus allen Erdteilen in Panama eingefunden. In ihrer gemeinsamen Erklärung heißt es hinsichtlich der erneuerbaren Ressourcen: “Reiterate further that it is time that States recognize the unique spiritual relationship between Indigenous Peoples and our land and territories, including submerged lands, waters and natural resources, and that the right to these resources is inseparably linked to our right to self-determination“ (FINAL REPORT, 2001:48). Was hier zu lesen steht, ist, dass die Rechte an den natürlichen Ressourcen untrennbar mit dem Recht auf Selbstbestimmung verbunden sind. Diese Feststellung geht weit über die Gesetzeslage selbst fortschrittlicher Staaten in Lateinamerika hinaus, doch sie gibt eine Debatte wieder, die in der “Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen über indigene Bevölkerungsgruppen“ zur “Ständigen Souveränität über die natürlichen Ressourcen“ geführt wird. Aus der Tatsache, dass die ständige Souveränität über die natürlichen Ressourcen nach Ende des Zweiten Weltkrieges zu einem zentralen Prinzip der Entkolonisierung und einem fundamentalen Aspekt der Selbstbestimmung wurde, leitet die anerkannte UN-Berichterstatterin ERICA-IRENE A. DAES (COMMISSION ON HUMAN RIGHTS, 2002) ab, dass man auch indigenen Völkern die “ständige Souveränität über die natürlichen Ressourcen“ zuerkennen müsse, da auch sie wirtschaftlich, politisch und
geschichtlich Kolonisierte seien. Die Frage der (erneuerbaren) natürlichen Ressourcen wird dadurch mit der Frage der (nachholenden) Entkolonisierung indigener Völker verknüpft, auch wenn dies zu einer Zeit geschieht, die schon als “postkolonial“ charakterisiert wird. Dass man die erneuerbaren natürlichen Ressourcen in den Kontext der (völker-)rechtlichen Anerkennung indigener Rechte stellen und nicht nur als technische Frage behandeln sollte, dafür gibt es neben anderen noch einen gewichtigen Grund: Die indigenen Völker hätten Anspruch auf die Ressourcen in ihren Gebieten, selbst wenn sie einmal nicht (mehr) der Vorstellung vom “Edlen Wilden“ als dem Schützer und Bewahrer der Umwelt entsprechen (BENDA-BECKMANN, 1997).
5. Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern Die Zusammenarbeit mit indigenen Völkern stellt für die Entwicklungspolitik eine besondere Herausforderung dar. Dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit die völkerrechtlichen Prozesse im Blick hat, belegt ihr von 1996 stammendes “Konzept zur Entwicklungszusammenarbeit mit indianischen Bevölkerungsgruppen in Lateinamerika“ (BMZ, 1996). Dies wurde ihr jüngst sogar noch einmal durch eine Nichtregierungsorganisation bestätigt (GRIFFITHS, 2003), die in einer Vergleichsstudie von 27 Geber- und Entwicklungsorganisationen nur drei identifizierte, darunter das BMZ, die in ihren Leitlinien die Frage der indigenen Rechte aufgenommen hatten. Dass sich diese Grundlage durch eine Ratifizierung der ILOKonvention 169 seitens der Bundesregierung spürbar verbessern würde, sei noch angefügt. Allerdings haben fast alle nationalen und multilateralen Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit, die die Studie untersucht, die Frage des Eigentums an Land und den Zugang zu sowie die Nutzung von natürlichen Ressourcen in irgendeiner Weise in ihre Politikstandards und Bedingungen integriert (GRIFFITHS, 2003:7).
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Reiche Natur, natürliche Reichtümer und indigene Völker
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99
Bodenschätze auf indigenem Land
Bodenschätze auf indigenem Land HEIDI FELDT
Obwohl die Auseinandersetzung um nichterneuerbare Ressourcen1 wie Erdöl, Erdgas oder Mineralien und deren Nutzung kein neues Thema in der lateinamerikanischen Geschichte ist, so hat es doch in den letzten 20 Jahren an Brisanz gewonnen. Dies liegt vor allem an zwei Faktoren:
Auf der Suche nach neuen Lagerstätten dringen Unternehmen und Staat immer weiter in die letzten Regenwaldregionen Lateinamerikas und auf indigene Territorien vor, und drohen diese zu zerstören.
Erdöl und Erdgas haben sich zu wichtigen Faktoren für die wirtschaftliche Entwicklung mehrerer lateinamerikanischer Staaten entwickelt. Neben Venezuela beruhen auch die Ökonomien von Mexiko und Ecuador weitgehend auf der Erdölproduktion. In Bolivien und Peru wird Erdgas in den nächsten Jahren eine immer wichtigere Rolle spielen. Welche Konsequenzen hat der Abbau von Bodenschätzen für indigene Völker? Wie verlaufen die Konfliktlinien zwischen den unterschiedlichen Interessensgruppen? Wie gestalten sich die Konflikte über die Nutzung der Rohstoffe? Wie sind die rechtlichen Grundlagen und deren Umsetzung? Welche Lösungen werden diskutiert? Gibt es überhaupt gute Verhandlungsergebnisse? Und welche Ansatzmöglichkeiten gibt es in diesem Kontext für die Entwicklungszusammenarbeit? Diesen Fragen soll im folgenden Beitrag nachgegangen werden, wobei die Großprojekte im Bergbau- und Erdölsektor im Vordergrund
stehen. Der Kleinbergbau, der oft von einzelnen Personen oder Kleinbetrieben durchgeführt wird, weist andere Charakteristika und Probleme auf, die hier nicht weiter behandelt werden können.
1. Nicht-erneuerbare natürliche Ressourcen auf Territorien indigener Völker Viele der Erdöl-, Erdgas- und mineralischen Lagerstätten, die in den letzten zwei Jahrzehnten in Südamerika gefunden wurden, befinden sich auf indigenen Territorien. Auf den Websites www.gtz.de/indigenas/deutsch/ service/reader.htm oder www.learn-line.de/ angebote/chatderwelten können interaktive Karten eingesehen werden, die diese Entwicklung für die Erdöl- und Erdgasförderung dokumentieren. Anhand dieser Karten lässt sich deutlich die Überlagerung von Erdöl-, Erdgas- und Bergbaukonzessionen mit indigenen Territorien ablesen. Allerdings ist zu beachten, dass ein Konzessionsgebiet größere Flächen umfasst als für den Abbau und Förderung effektiv genutzt werden. Die Auswirkungen von Bergbau und Erdöl/ Erdgas auf indigene Völker sind tief greifend. Vor allem aus dem Amazonastiefland sind schwerwiegende Einschnitte in das Leben der indigenen Völker beschrieben (KIMERLING, 1993; MÜLLER-PLANTENBERG, 2003; ONIC, 1999; FOREST PEOPLES PROGRAMMe, 2003):
Durch unsachgemäße Entsorgung von Abwässern werden die Flüsse verschmutzt, was zur Verseuchung des Trinkwassers der Bevölkerung und zum Fischsterben führt, aber auch Ursache vieler Erkrankungen ist. 2
1
Im folgenden Text werden die Begriffe nichterneuerbare natürliche Ressourcen, Bodenschätze und nicht-erneuerbare Rohstoffe synonym benutzt. Sie umfassen Erdöl, Erdgas, mineralische Rohstoffe wie Erze, Gold, Silber etc. Die Bergbau-, Erdöl- und Erdgasindustrie wird auch unter dem Begriff der “extraktiven Industrie“ zusammengefasst.
100
2
Das Centro de Derechos Económicos y Sociales (Ecuador) hat 1994 zusammen mit der Fakultät für Public Health (Harvard) die Auswirkungen der Erdölförderung auf die Gesundheit indigener
Bodenschätze auf indigenem Land
Durch Infrastrukturmaßnahmen wie Straßenbau, Einrichtung von Camps für die Arbeiter, Pipelinebau etc. wird das Ökosystem ge- oder zerstört, Tiere wandern z.B. in ungestörte Bereiche des Waldes ab. Falls die Bewohner der Region von der Jagd oder dem Fischfang leben, verändern sich ihre Ernährungsgrundlagen. Entlang der neugebauten Straßen ziehen neue Siedler in die Region.
In Folge von Bergbau- und Erdölvorhaben kommt es zur Konfrontation von traditionellen Wirtschaftsweisen mit der “modernen“ Welt. Dabei werden meist existierende soziale Beziehungen in den Gemeinschaften gestört. Einige dieser negativen Auswirkungen sind bei Bergbau- und Erdölvorhaben nicht zu vermeiden. So zerstört Bergbau fast immer die Oberfläche im Lagerstättenbereich. Dies ist offensichtlich beim Tagebau, aber auch wenn die Mineralien unter Tage abgebaut werden, werden Flächen zur Unterbringung der Arbeiter, für die Infrastruktur und den Abraum benötigt. Wie Bergbau eine ganze Landschaft zerstören kann, zeigt sich in der Region Carajas in Brasilien. Dort wird das größte Eisenerzlager der Welt (18 Mrd. Tonnen) seit 1984 im Tagebau abgebaut. Neben Eisenerz gibt es in der Region große Vorkommen an Mangan, Kupfer, Nickel, Zinn, Gold und Bauxit. In der Nähe hat sich die Aluminiumindustrie angesiedelt, die ihren Strom u.a. aus dem Wasserkraftwerk am Rio Tocantis bezieht. Für die indigenen Völker der Region hat nicht nur der Bergbau zu Vertreibungen aus ihren Gebieten geführt sondern auch die dazugehörige Infrastruktur, vor allem der Bau der großen Staudämme für die Stromerzeugung der Aluminiumindustrie. Zur Beurteilung der Schäden durch die extraktive Industrie sind daher nicht nur die unmittelbaren Förderanlagen zu betrachten, sondern auch die gesamte Infrastruktur, die für Bergbau und Erdöl-/Erdgasförderung eingesetzt wird.
“best-möglichen Technologie“ verringert werden. Dies gilt auch für die Verschmutzung der Gewässer und die Zerstörung durch Infrastrukturmaßnahmen. Natürlich verteuert der Einsatz dieser Technologien die Nutzung der nicht-erneuerbaren Ressourcen erheblich. Zwar gibt es in allen Ländern Umweltgesetze und Vorgaben zur Verringerung der Schäden, der Staat kontrolliert jedoch die Einhaltung dieser Auflagen nur partiell. Sanktionen gegen Unternehmen, die die Umweltgesetze nicht einhalten, werden nicht verhängt. Viele Firmen setzen daher die billigere Technologie ein.
2. Wirtschaftliche Bedeutung von Erdöl, Erdgas und Bergbau Die Einnahmen aus der Erdöl- und Erdgasproduktion haben mittlerweile eine große Bedeutung für die nationalen Ökonomien in mehreren Ländern Lateinamerikas. Die Produktion von Eisenerzen, Silber, Gold etc. hat demgegenüber relativ abgenommen.3 Zwar ist die Erzförderung in Bolivien nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil der Wirtschaft, doch gewinnt das Erdgas zunehmend an Bedeutung. In Venezuela kommt die Hälfte der Staatseinnahmen aus der Erdölproduktion. Erdöl macht 75% des Exports dieses Landes aus, in Ecuador sind es 44%. Der Erdölsektor in Mexiko erwirtschaftet ca. 1/3 der Staatseinnahmen. In den anderen Ländern ist der Erdöl- und Erdgasbereich weniger bedeutend. In Bolivien und Peru wird der Erdgassektor allerdings zur Zeit stark ausgebaut. In Peru haben sich die ökonomischen Erwartungen, die sich an das Erdöl knüpften, nicht erfüllt. Betrug der Exportanteil Anfang der 1980er Jahre noch 20%, so ist Peru heute ein Nettoimporteur von Erdöl. Die aktuelle Produktion und die gesicherten Reserven für Erdöl und Erdgas sind in der folgenden Tabelle wiedergegeben.
In vielen Fällen kann das Ausmaß der Schäden und Zerstörungen durch den Einsatz der 3
ölförderung auf die Gesundheit indigener Gemeinschaften im ecuadorianischen Tiefland untersucht.
Außer in Peru: hier machten die metallischen Bergbauprodukte 2002 44,9% des Exportvolumens aus.
101
Bodenschätze auf indigenem Land
Tabelle 1: Erdöl- und Erdgasproduktion und Reserven in Lateinamerika Land
Erdölproduktion in
Sichere Erdölreser-
Erdgasproduktion
10 000 Barrel pro
ven in 10 Mio. Bar-
in 10 Mio. m pro
Tag
rel
Jahr
Bolivien
37.4
126
6.261.0
149.5
Brasilien
968.5
7.400
9.769.0
227.6
Ecuador
390.5
4.460
1.520.0
22.0
Kolumbien
616.5
1.750
7.869.0
240.1
Mexico
3.600.0
12.600
6.080.0
485.0
Peru
115.6
323
1.109.0
197.1
Venezuela
3.120.0
77.071
44.099.0
4.120.8
4
3
Erdgasreserven in 3
10 Mrd. m
Quelle: OLADE 1999, EIA 2003, Alexander’s Gas and Oil Connections, 2003
Über die Verteilung der Erdöleinnahmen in den einzelnen Ländern gibt die folgende Tabelle Aufschluss. Wie aus der Tabelle ersichtlich, dezentralisieren Kolumbien und Peru einen größeren Teil ihrer Einnahmen aus dem Erdölgeschäft an die Gebietskörperschaften, in denen nach Erdöl gebohrt wird.
In Kolumbien gehören auch die eigenständigen indigenen Verwaltungsstrukturen (resguardos) dazu, allerdings ist nach Aussage der OPIAC bis 2002 noch kein Geld unmittelbar an die indigenen regionalen Autoritäten geflossen5.
Tabelle 2: Verteilung der Erdöleinnahmen (prozentual) Bolivien
Kolumbien
Ecuador
Peru
Durchschnitt
Zentralregierung
53,5
32,1
62,14
49,24
49,25
Provinzen
21,2
27,3
1,4
25,9
18,9
Kommunen
1,25
15,4
2,4
18,8
9,45
Fonds
23,1
22,1
3,3
0
12,13
Sozialfonds
0,2
2,55
0
1,06
0,95
Andere
0,8
0,6
30,9
5,1
9,35
Quelle: ESMAP 2002
4 5
Dazu kommen sehr schweres Erdöl und Bitumen Interview mit OPIAC, 2002
102
Bodenschätze auf indigenem Land
Trotz dieses relativen Reichtums an Rohstoffen in den genannten Ländern lebt die große Mehrheit der Menschen und vor allem der indigenen Völker in Armut. Zum Teil ist dies auf den Verfall der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt zurückzuführen. So ist z.B. der Preis für Kupfer zwischen 1970 und 1980 um 64% gefallen. Erst seit Ende 2001 beginnen die Rohstoffpreise wieder zusteigen6. Der Verfall des Goldpreises hat sogar dazu geführt, dass Placer Dome, ein kanadisches Bergbauunternehmen, seine Arbeiten auf dem größten Goldvorkommen des Kontinents, Las Cristinas in Venezuela, vorübergehend aussetzte. Die instabilen Rohstoffpreise lassen in den Produktionsländern nur ungefähre Berechnungen für die zu erwartenden Einnahmen des Staatshaushaltes zu. Dies ist allerdings nur ein Teil der Erklärung. In Ländern mit großen Vorkommen an Erdöl-, Erdgas- oder anderen Bodenschätzen wie in Venezuela oder in Ecuador lässt sich das sogenannte Paradox of Plenty beobachten.
Das “Paradox of Plenty” Das “Paradox of Plenty“7, der relative Rohstoffreichtum eines Landes bei gleichzeitig geringer wirtschaftlicher Entwicklung, hat in den letzten Jahren an Raum in der (entwicklungs-)politischen Debatte gewonnen. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit der Bergbau sowie die Entwicklung und Förderung von Erdöl- und Erdgasvorkommen zur nachhaltigen Entwicklung und zur Armutsbekämpfung eines Landes beitragen. Untersuchungen, die im Rahmen des Mining, Minerals and Sustainable Development Projektes des World Council for Sustainable Development (2002) und des Extractive Industry Review der Weltbank durchgeführt wurden, kommen zu unterschied-
6
Einige Analysten sehen in dem Anstieg der Rohstoffpreise eine langfristige Tendenz, die vor allem durch die hohe Nachfrage auf dem asiatischen Markt begründet ist, während andere in dem Anstieg ein eher kurzfristiges Phänomen, angeheizt durch spekulative Käufe, sehen (FAZ, 24.02.2004) 7 KARL (1997) hat eine vergleichende Untersuchung der Auswirkungen von Ressourcenreichtum auf unterschiedliche Länder wie Nigeria, Venezuela, Nicaragua und Indonesien durchgeführt und postuliert für alle das “Paradox of plenty“.
lichen Ergebnissen. So kommt die Evaluierung der Weltbankvorhaben im extraktiven Sektor (2003) zu dem Schluss: “Many resource-rich countries perform worse than resource-poor countries in key aspects of development, including economic, social, and governance“ (WORLD BANK 2003). Nach dem “Paradox of Plenty“ führt die schnelle Nutzung natürlicher Ressourcen zur Vernachlässigung anderer einheimischer Wirtschaftszweige, da lokale Ressourcen und Gelder z.B. aus der Landwirtschaft abgezogen und zur Entwicklung eines einzelnen Industriesektors genutzt werden. Der Staat wird von der Preisentwicklung einer einzigen Ware abhängig. Aufgrund des Rohstoffreichtums erhalten die Länder relativ leicht große Kredite zum Ausbau der Infrastruktur und zur Befriedigung von Konsumbedürfnissen. Dies führt innerhalb kurzer Zeit zu einer Auslandsverschuldung bei privaten und öffentlichen Banken und Finanzinstitutionen. So ist Ecuador heute auf den Abbau der Erdölvorkommen angewiesen, um den Schuldendienst zu tätigen. Rohstoffreichtum ist demzufolge ein zweifelhafter Segen für ein Land. Ein Problem sind dabei auch die schwachen staatlichen Institutionen und die unzureichenden demokratischen Strukturen (KARL, 1997; ROSS, 2001; SACHS & WARNER, 1995). In der Auseinandersetzung um die Kontrolle über die Ressourcen werden schwache demokratische Strukturen zusätzlich weiter geschwächt. ROSS (2001) stellt in seinem Beitrag “Does oil hinder democracy“ sogar die Frage, ob Ressourcenreichtum die Herausbildung demokratischer Strukturen in einem Land eher behindert als unterstützt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Erdöl und Bergbau einen negativen Effekt auf die Entwicklung einer Demokratie haben können – in armen Staaten stärker als in reichen. So habe in Staaten wie Indonesien, Malaysia, Mexiko, und Nigeria die Sicherung der Verfügungsgewalt über die Rohstoffe die demokratische Entwicklung verzögert. Regierungen rohstoffreicher Länder neigen dazu, die Kontrolle über die Rohstoffe militärisch zu sichern, repressiv auf Proteste zu reagieren und die Mo-
103
Bodenschätze auf indigenem Land
dernisierung und Diversifizierung der Wirtschaft zu vernachlässigen (vgl. FELDT, 2004). Auch in den lateinamerikanischen Staaten wie Venezuela und Ecuador wurde versäumt, andere Wirtschaftszweige frühzeitig zu fördern, so dass die wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder vom Erdöl abhängt, ohne dass die Einnahmen den Lebensstandard der breiten Bevölkerung verbessern.
3. Die Interessengruppen und ihre Strategien Im folgenden werden die wichtigsten Akteure (Konzerne, Bergbau- und Energieministerien, indigene Völker) kurz charakterisiert.
Staat In allen Ländern Lateinamerikas sind es die Energie- und Bergbauministerien, die für die Entwicklung einer nationalen Politik in dem Bereich Konzessionsvergabe, Kontrolle der Abbau- und Förderaktivitäten und der Energieversorgung zuständig sind. Im Bergbau haben sie eine direkte Kontrollfunktion über die Unternehmen. Etwas anders sieht es im Erdölsektor aus. Da dieser Sektor in vielen Staaten in den 1960er und 1970er Jahren verstaatlicht wurde, wurden eigene nationale Erdölunternehmen aufgebaut. Einige dieser Unternehmen wie Petroleos de Venezuela (PdVSA) vereinen sämtliche Bereiche der Erdölproduktion und -verarbeitung von der Erdölsuche bis zur Petrochemie unter einem Dach. Ähnlich operiert Petroecuador, obgleich dieser Konzern sehr viel kleiner und in der Exploration auf ausländische Unternehmen angewiesen ist. Außer in Venezuela werden seit Mitte der 1990er Jahre in allen Förderländern die staatlichen Erdölunternehmen und die Erdölförderung reprivatisiert. Das heißt, ausländische Konzerne können über joint ventures oder Kooperationsverträge mit den nationalen Unternehmen direkt in den Ländern Erdöl fördern. Die Vergabe von Konzessionen und die Überwachung der laufenden Aktivitäten im Bergbau und bei der Erdöl- und Erdgasförderung sind Angelegenheit des Zentralstaates, die Kommunen und Provinzregierungen spielen dabei eine untergeordnete Rolle.
104
Bis in die 1990er Jahre hat der Staat die Regelung der Beziehungen mit indigenen Gemeinschaften oder Siedlern vor Ort weitgehend den Unternehmen überlassen. Interessanterweise war dies auch dann der Fall, wenn das Unternehmen vor Ort in staatlicher Hand war. So ist es in Venezuela bisher PdVSA, die die Beziehungen zu den Kommunen, lokalen Organisationen und indigenen Völkern regelt und nicht das Bergbau- und Energieministerium, das eigentlich die staatliche Politik in dem Feld umsetzen soll. Nun ist das Machtgefälle zwischen Ministerium und PdVSA in Venezuela sehr groß, aber auch in den anderen Ländern der Hemisphäre sind es die staatlichen oder teilstaatlichen Unternehmen, die bisher wie Privatunternehmen in der Kommunikation mit den indigenen Völkern agieren. Das Hauptinteresse des Staates besteht in der reibungslosen Abwicklung von Bergbau- und Erdölaktivitäten8 und der Sicherung ausländischer Investitionen. So war die ecuadorianische Regierung vehement dagegen, dass Siedler und Vertreter des indigenen Volker der Secoya im ecuadorianischen Tiefland gegen Texaco vor einem US amerikanischen Gericht klagten: “(…) si la demanda es aceptada por una corte norteamericana se pondría en riesgo la soberanía nacional y la inversión extranjera“ (zitiert nach WRAY, 2000:39)9. Mittlerweile verlagert sich der Diskurs von der Konfrontation oder Negation indigener Interessen hin zu einem Diskurs der Konsultation, des Dialogs und der Verhandlungen. Damit werden die Vorgaben in der ILO-Konvention 169, die
8
Der Leiter der Umweltabteilung im Ministerium für Energie und Bergbau, Lima, Peru sagte mir 1997 in einem Interview: “Unsere Aufgabe ist für die reibungslose Durchführung der Aktivitäten zu sorgen, und nicht den Unternehmen Steine in den Weg zu legen.“ 9 Die Klage richtete sich gegen die Umweltverschmutzungen, die Texaco in Ecuador hinterlassen hatte und die negativen Auswirkungen auf die Cofán und Huaorani. 1995 schloss die ecuadorianische Regierung einen Vertrag über die Zahlung von Geldern für “Umweltreparaturen“ mit Texaco, um die Klage zu unterlaufen. Einige Führer der regionalen Indigenenorganisationen FOISE und FCUNAE unterstützten das Vorgehen der Regierung. Sie hatten ein Unternehmen (Corpesega) gegründet, das einige der Umweltreparaturen durchführen sollte.
Bodenschätze auf indigenem Land
Konsultation, Teilhabe an den Gewinnen und das Recht auf Entschädigung für die Schäden aus Bergbau- und Erdölvorhaben vorsieht, aufgegriffen. Neue Gesetze bzw. Gesetzentwürfen zur “consulta y participación“ in Peru, Ecuador, Bolivien, Kolumbien und Venezuela sind verabschiedet worden oder werden zur Zeit diskutiert (siehe Kap. 4).
Erdöl- und Bergbauindustrie Der Erdöl- und Bergbausektor Lateinamerikas wird einerseits von staatlichen Betrieben, die vor allem im Rahmen der Nationalisierung strategischer Industriebetriebe in den 1960er Jahren gegründet bzw. ausgebaut wurden, dominiert. Allerdings ist die ökonomische und gesellschaftliche Bedeutung der Erdölunternehmen sehr viel größer als die der Bergbaubetriebe. Andererseits sind seit Beginn der Reprivatisierung des Rohstoffsektors in allen Ländern Südamerikas Förder- und Abbaukonzessionen an private in- und ausländische Konzerne vergeben worden. Im Falle der Erdölindustrie schließen meist die staatlichen oder teilstaatlichen Unternehmen die Verträge über die Förderbedingungen mit den internationalen Unternehmen. Die häufigsten Vertragsarten sind neben joint ventures, Serviceverträge (contratos de prestación de servicios)10, Risiko- und Serviceverträge11 und Beteiligungsverträge (contratos de participación).12 Gegenstand der
Verträge sind u.a. die Leistungen, die das Unternehmen für die Bereitstellung der Infrastruktur und die Nutzung öffentlicher Einrichtungen zu zahlen hat, ebenso wie Entschädigungszahlungen. Von privaten Unternehmen wird bemängelt, dass in den Verträgen keine klaren Vorgaben bezüglich Kommunikation und Partizipation indigener Völker gemacht werden (EAP, 2003). Von Seiten der Unternehmen gibt es keine gemeinsame Strategie gegenüber indigenen Völkern und Gemeinschaften. Trotzdem lassen sich bestimmte Entwicklungen und Strategien beobachten. Wie sich die Beziehungen zwischen Erdölunternehmen und indigenen Völkern verändert haben, zeigt das Beispiel Ecuador. Es lassen sich im wesentlichen folgende Strategien beschreiben (siehe auch WRAY 2000:45-51):
“Gute Nachbarschaft“ Im Sinne einer guten Nachbarschaft versuchen Konzerne (wie Texaco in den 1970er Jahren), sich mittels Geschenke die Unterstützung der indigenen Gemeinschaften zu sichern. Die Geschenke werden meist individuell oder an einzelne Dorfgemeinschaften gegeben, und werden gezielt zur Spaltung von Gemeinschaften nach dem Motto “teile und herrsche“ eingesetzt. Dieses Vorgehen der Konzerne dominierte in den 1970er bis Ende der 1980er Jahre.
“Vom geschenkten Außenbordmotor zum 10
In diesem Fall führt ein privates Unternehmen die Erdölsuche und -produktion durch und für jeden Barrel, der gefördert wird, zahlt der Staat dem Unternehmen einen festgesetzten Beitrag. Das Öl selbst bleibt Eigentum des Staates und wird meist vom staatlichen Unternehmen vermarktet. 11 Ähnlich den Serviceverträgen, allerdings wird das Risiko der Erdölsuche zwischen Staat und Unternehmen nach einem festgelegten Anteilsverhältnis geteilt. 12 Dies sind Verträge zwischen Staat und Privatunternehmen, nach denen der Vertragnehmer (ein privates Unternehmen) in einem vertraglich vereinbarten Gebiet Erdöl suchen und fördern kann. Dafür übernimmt er das Risiko für die Investitionen der Exploration und Förderung. Wird die Produktion aufgenommen, steht dem Vertragnehmer eine Beteiligung an dem Erdöl zu. Die Höhe dieser Beteiligung wird in den Vertragsverhandlungen ausgehandelt, und hängt u.a. von dem zu erwartenden Volumen des Erdölvorkommens ab.
Projekt“ Die Phase wurde Mitte der 1980er Jahre durch die staatliche Firma CEPE (heute Petroecuador) eingeleitet, die auf der Grundlage des neuen Erdölgesetzes einen “Fondo de desarrollo comunal“ auflegte, der mit 0,3 % der Einnahmen von CEPE gespeist wurde. Zu der Zeit gründeten sich die ersten indigenen Organisationen in Ecuador, die von CEPE als Gesprächspartner für Projekte anerkannt wurden.
“Vom Projekt zur Corporate Social responsibility“ Heute setzen die meisten Unternehmen auf die Entwicklung längerfristiger Beziehungen zu den indigenen Gemeinschaften.
105
Bodenschätze auf indigenem Land
Der Diskurs der internationalen Erdölunternehmen ist geprägt von der internationalen Debatte um soziale Unternehmensverantwortung (“Corporate Social Responsibility“). In diesem Zusammenhang haben sich alle großen internationalen Erdölkonzerne Verhaltenskodizes für ihre Umweltund Sozialpolitik gegeben13. Einige Konzerne wie BP, Shell und PdVSA versuchen über Projekte regionale Entwicklung zu unterstützen und dadurch “best practice“ Beispiele zu geben. Für die Beziehung zu den indigenen Völkern und Gemeinschaften haben viele Unternehmen Ethnologen eingestellt und zuständige Abteilungen für die Kommunikation mit der lokalen Bevölkerung eingerichtet. So hat Shell ganz bewusst versucht, in Camisea, dem großen Erdgasprojekt in Peru, ein Beispiel guter Praxis durch frühzeitige Verhandlungen mit den indigenen Gemeinschaften über die Durchführung der Erdgasaktivitäten und begleitende (Entwicklungs-)Projekte durchzuführen, und somit einen Gegenpol zu ihrem negativen Image in Nigeria zu setzen. Da Shell sich jedoch aufgrund ökonomischer Überlegungen aus Camisea zurückgezogen hat, wurden die Ansätze nicht umgesetzt.14 Somit steht der Beweis in Lateinamerika noch aus, dass sich extraktive Industrie und nachhaltige Regionalentwicklung vereinbaren lassen. Inwieweit der veränderte Diskurs der Unternehmen tatsächlich auch zu einer veränderten Praxis führt, ist noch nicht absehbar. Dies wird stark von den Rahmenbedingungen, die der Staat setzen muss, und der Stärkung und Artikulationsfähigkeit der indigenen Organisationen sowie der Entwicklung der internationalen Diskussion um sozialverantwortliches Unter-
nehmenshandeln15, abhängen. Es wird jedoch auch dann nicht ausreichen, die Beziehung zwischen indigenen Völkern und Unternehmen dem (guten) Willen der Unternehmensleitung zu überlassen, sondern man wird die Beziehungen verrechtlichen müssen.
Indigene Völker und ihre Organisationen Es gibt keine einheitliche Position und Strategie indigener Völker und ihrer Organisationen gegenüber dem Rohstoffabbau. Der Widerstand gegen den Abbau und die Bedingungen, unter denen der Abbau erfolgt, ist meist auf die betroffene Region begrenzt und auch die Verhandlungen zwischen indigenem Volk und dem Unternehmen werden separat pro Region beziehungsweise pro Volk geführt. Es hat erst in den letzten Jahren ein reger Erfahrungsaustausch über die regionalen und nationalen Grenzen hinweg zur Verständigung und Diskussion zwischen den indigenen Organisationen eingesetzt. Eine wichtige Rolle spielt dabei für das Amazonasbecken die Koordination der indigenen Organisationen des Amazonasbeckens, COICA, und deren nationalen Mitgliedsorganisationen. Dieser Austausch und die Debatten zur Strategiefindung, Fortbildungsmaßnahmen über die rechtliche Situation und die Unterstützung in Verhandlungsprozessen wurden vor allem durch Organisationen wie Oxfam America, Ibis (Dänemark), aber auch durch die Weltbank, InWEnt und in jüngster Zeit auch durch die TZ gefördert. Zwischen Mittel- und Südamerika gibt es bisher kaum gemeinsame Foren zur Verständigung über Strategien im Bereich nicht-erneuerbare natürliche Ressourcen. Anhand der folgenden Beispiele werden die Unterschiede in der Herangehensweise und die Strategie der indigenen Völker und Organisationen verdeutlicht. Die Beispiele basieren weitgehend auf WRAY (2000) und eigenen Untersuchungen.
13
BP, 2002: Grundsätze der Geschäftspolitik, Shell, 2003: There is no alternative, Shell on sustainable development, Shell: Statement of General Principles, ENI, 1998: Codice di Comportamento, Für den Bergbau: United Nations, 2002: Guidelines for mining and sustainable development. 14 Die Anteile von Shell wurden von Tripetrol aus Argentinien übernommen, die allerdings zu einem paternalistischen Beziehungsstil zurückgekehrt sind.
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Von besonderen im Interesse ist im Zusammenhang die Entwicklung der Aarhus Konvention und der VN Normen zu Business and Human Rights, die in der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen diskutiert werden.
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Die Frente Indígena de Pastaza – ARCO, Pastaza (Ecuador) Die OPIP, Organisation der indigenen Völker in Pastaza, hat sich seit Ende der 1980er Jahre, als der Erdölkonzern ARCO die Konzession für den Block 10 übernahm16, gegen die Erdölförderung ausgesprochen. ARCO reagierte, indem der Konzern mit den indigenen Gemeinschaften im Operationsgebiet Kontakt aufnahm und aktiv die Gründung einer neuen indigenen Organisation (ASODIRA) betrieb. Mit dieser Organisation wurde dann ein Vertrag über den Bau von Schulen, Gesundheitszentren, Stipendien etc. geschlossen, die OPIP sollte bewusst isoliert werden. Die OPIP ihrerseits forderte eine nachhaltigere Art der Erdölförderung, basierend auf dem Respekt der indigenen Völker und der Umwelt durchzuführen. Ihre Hauptforderungen waren die Realisierung einer gemeinsamen Evaluation der sozialen und ökologischen Auswirkungen der Erdölaktivitäten, die Beteiligung indigener Organisationen an der Erarbeitung eines Umweltmanagementplans und die Einrichtung eines Sozialund Umweltfonds. Sie wollten ein ernsthaftes Dialogforum zwischen dem Unternehmen und den indigenen Organisationen unter Beteiligung des Staates. Dieses Dialogforum wurde eingerichtet, wobei der Staat durch Petroecuador vertreten wurde. Das Unternehmen zog sich aber bereits kurz darauf wieder zurück. 1994 wurde die Frente Indígena de Pastaza (FIP) aus den indigenen Organisationen OPIP und ASODIRA gegründet, die den Vertrag mit ARCO unterzeichneten. Da die beiden Organisationen aber ihre Rivalitäten nicht überwanden, blieb der Zusammenschluss ein künstliches Gebilde. Nach dem Rückzug von Petroecuador und der schleppenden Umsetzung der Beschlüsse durch ARCO kam es zu heftigen Reaktionen der indigenen Gemeinschaften: 1998 wurden drei Mitarbeiter von ARCO kurzzeitig entführt. Die FIP forderte die Evaluierung und die Erneuerung des Dialogs, die Aussetzung aller Erdölaktivitäten bis ein langfristiges
Übereinkommen geschlossen ist, die Entwicklung einer nachhaltigen Erdölpolitik und die Beteiligung der Provinz an den Gewinnen aus der Erdölproduktion. Ende 1998 wurde der Dialog wieder aufgenommen, ohne dass jedoch Ergebnisse erzielt wurden. Heute ist die FIP an ihren internen Widersprüchen auseinandergebrochen, ARCO hat sich aus Ecuador zurückgezogen17 und der Dialogprozess ist ausgesetzt. Trotzdem hat der Prozess eine besondere Bedeutung. Es war der erste institutionalisierte Dialog zwischen indigenen Organisationen, Unternehmen und Staat und es gelang den indigenen Organisationen, die Forderung nach einer gemeinsamen Kontrolle der Auswirkungen durchzusetzen. Zum ersten Mal wurden Alternativen zur herkömmlichen Art und Weise der Erdölförderung diskutiert und indigene Vorstellungen einer nachhaltigen Regionalentwicklung wurden in den Dialogprozess eingebracht. Eine genaue Analyse des Prozesses und der Gründe für das Scheitern liegt meines Wissens nicht vor, könnte aber für indigene Organisation eine gute Hilfestellung für andere Dialog- und Verhandlungsprozesse sein.
Der Widerstand der Achuar (Pastaza, Ecuador) Die FINAE vertritt die Achuar im Osten der Provinz Pastaza, wo neun Gemeinschaften im Konzessionsblock 24 leben, der früher von ARCO und heute von Burlington Resources Ltd., USA betrieben wird. Die Achuar der Region haben 1998 beschlossen, keine Erdölaktivitäten zu zulassen. Als Alternative haben sie eigene ökonomische Projekte aufgebaut. Dazu gehören ein Tourismuszentrum, ein Projekt zur Kommerzialisierung von Agrar- und Waldprodukten sowie ein Projekt zur Erforschung und Vermarktung von Waldprodukten (außer Holz). Um ihr Gebiet vor der Erdölförderung zu verschonen, hat die FINAE einen Vorschlag erarbeitet, das Gebiet unter dem Clean Development Mechanismus des Kyoto Protokolls zu verhandeln (zum Kyoto Protokoll siehe
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Die Konzessionsgebiete in Ecuador sind in sogenannte Blöcke unterteilt. Ein Block entspricht einem Konzessions-/ Fördergebiet. Block 10 liegt in der Provinz Pastaza.
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BP hat ARCO aufgekauft und in dem Zuge die Konzessionen in Ecuador verkauft. Der Block ist an die italienische Firma AGIP gegangen.
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ROSSBACH DE OLMOS in diesem Band). Da das Schicksal dieses Vorschlags mehr als ungewiss ist, versucht die FINAE gleichzeitig die rechtlichen Möglichkeiten in Ecuador auszunutzen, um die Erdölförderung zu verhindern.
Das Vorgehen der FINAE zeigt wie internationale Konventionen und Vereinbarungen von indigener Seite zum Schutz ihrer Territorien genutzt werden können.
Foto: Straßenbau im Amazonasgebiet von Ecuador (S. REINHARDT)
Gold bei den Shuar (Ecuador) Im Falle der Federación Interprovincial de Centros Shuar, FICSH, stellt der Goldbergbau ein großes Problem dar. Auch wenn die FICSH sich gegen den Goldabbau ausgesprochen hat, so war sie aufgrund der Interessenheterogenität in den Gemeinschaften nicht in der Lage, den Widerstand aufrecht zu halten. Die FICSH hat daher beschlossen, aktiv an dem Konsultationsprozess teilzunehmen und Indigene ausbilden zu lassen, die in der Lage sind, die Bergbauaktivitäten und ihre Auswirkungen zu überprüfen. Die FICSH fordert eine Teilhabe an den Einnahmen aus dem Bergbau. Dabei sehen sie sich nicht als Bittsteller sondern verstehen sich neben dem Konzern und dem Staat als weiterer Besitzer des Unternehmens, da sich das Gold auf ihrem Territorium befindet. Sie fordern einen “Fondo de reserva patrimonial de la nacionalidad Shuar“.
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Der Verhandlungsprozess ist noch nicht abgeschlossen.
Erdöl im Orinokodelta (Venezuela) Die Warao im Delta des Orinoko haben keine starke einheitliche Organisation. Wie in vielen anderen Fällen in Lateinamerika hat auch das Erdölkonsortium Delta Centro, das von mehreren Unternehmen unter der Leitung von Burlington Resources für die Erdölförderung gegründet wurde, nur mit den einzelnen Gemeinschaften verhandelt. 1999/ 2000 wurden in der betroffenen Deltaregion Informationsversammlungen über die geplanten Erdölprospektionen durch das Konsortium mit den Warao abgehalten. Der Staat war nicht präsent. Das Konsortium forderte die Warao auf ihre Bedürfnisse zu benennen – als Gegenleistung für die Durchführung der Erdölaktivitäten in ihrem Gebiet. Das Ergebnis war eine Wunschliste vom Bau einer Schule, über ein Gesund-
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heitszentrum bis zum Außenbordmotor. Die Warao hatten nur ihre unmittelbaren Bedürfnisse formuliert. In einer Region, die zu den ärmsten Venezuelas gehört und die seit Jahrzehnten vom Staat vernachlässigt wird, war es den Konzernen möglich, sich mit Geschenken den Zugang zu dem potenziellen Fördergebiet zu verschaffen. Mittlerweile hat sich das Konsortium aufgelöst und seine Installationen im Delta abgebrochen, da nach der ersten Probebohrung zu wenig Öl vermutet wurde. Damit sind auch die Projekte des Konsortiums im Delta eingestellt worden.
Der Dialogprozess “Energía - Ambiente Población“ (EAP) Der Dialogprozess findet auf Initiative der Weltbank und der Organisation der lateinamerikanischen Energieministerien (OLADE) seit 1996 zwischen indigenen Organisationen, Teilen der Erdölindustrie und Energieministerien in der Amazonasregion statt. Die Erdölindustrie ist durch die Vereinigung der lateinamerikanischen Erdölindustrie ARPEL und die indigenen Organisationen durch die COICA vertreten. Das Ziel ist u.a. die rechtliche Sicherheit für alle beteiligten Parteien zu verbessern (EAP, 2003). Die Ansprüche der drei Interessengruppen werden wie folgt gekennzeichnet (EAP, 2003:5): a) “Derechos de los pueblos indígenas, reconocidos como el derecho al hábitat ancestral, a la cultura, a la tradición y a un ambiente protegido; b) El derecho de la industria petrolera y gasífera a que se respeten los términos y condiciones de los contratos suscritos con los distintos estados; y c) El derecho de la sociedad en general a alcanzar un mejor nivel de vida y un mayor desarrollo económico sustentable, como consecuencia directa del desarrollo de la actividad hidrocarburífera con el consecuente hallazgo de nuevas reservas de petróleo y gas para el pais.“ Für die Erdölindustrie stehen die rechtliche Sicherheit und die Stabilität der einmal getrof-
fenen (vertraglichen) Vereinbarungen an erster Stelle. Sie drängt darauf, dass keine der Interessengruppen ein Vetorecht erhält. Sie wollen klare Richtlinien, wie das Verhältnis von Unternehmen zu den indigenen Völkern und Gemeinschaften in der betroffenen Region zu regeln ist. Da Zeit für Unternehmen ein wichtiger Faktor ist, drängen sie auf “procesos expéditos que en menor tiempo posible puedan conducir al desarrollo de proyectos.“ Für die COICA steht die Anerkennung der Völker mit ihren Kulturen und ihren Territorien im Mittelpunkt. Dazu gehört auch die Anerkennung der Indigenen, die in freiwilliger Isolation leben wie z.B. in der Region um Camisea in Peru. EAP ist ein Dialogprozess, das heißt es sind weder Verhandlungen noch wird versucht einen regionalen Kompromiss über die Erdölförderung zwischen den Parteien auszuhandeln. Es ist ein Gesprächsforum, das Themen anstoßen, Vorschläge erarbeiten und Empfehlungen diskutieren will. Auch die COICA stellt klar, dass ihre Teilnahme an dem Dialog nicht so verstanden wird, dass sie die Erdölförderung auf indigenen Territorien billigt. Nach einer Phase des gegenseitigen Kennenlernens und des Austauschs von Informationen und Konzepten steht der Dialogprozess jetzt an einem Scheidepunkt, an dem sich zeigen muss ob die realen Probleme in dem Dialog tatsächlich aufgegriffen werden können. Im Augenblick sieht es eher so aus, als wäre er an seine Grenzen gestoßen. So müssen die Dialogparteien sich entscheiden, ob sie die anstehenden Themen: Verteilung der Einnahmen aus der Erdölförderung, partizipative Monitoringsysteme der sozialen und ökologischen Auswirkungen sowie Empfehlungen für die Regelung der Beziehungen von Erdölindustrie, Staat und indigenen Völkern vor Ort, und Konfliktlösungen konstruktiv im Dialog behandeln wollen und können. Die Zeichen dafür stehen schlecht. So konnten sich die Interessensgruppen in der Diskussion zu dem letztgenannten Thema nicht auf gemeinsame Leitlinien verständigen. Und auch die Verteilung der Erdöleinnahmen in den Ländern konnte nicht weiter vertieft werden, da sich die Vertreter der
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Bodenschätze auf indigenem Land
Staaten weigerten, dieses Thema zu diskutieren. Sollte der Dialog scheitern, wäre eine Chance vergeben, wichtige Themen für das Verhältnis Staat – Industrie – indigene Völker konstruktiv zu bearbeiten.
4. Rechtliche Situation und Zuständigkeiten Nicht-erneuerbare natürliche Ressourcen und deren Nutzung sind in allen lateinamerikanischen Staaten Eigentum des Staates, dem auch das alleinige Nutzungsrecht vorbehalten ist. Dies ist in den jeweiligen Verfassungen festgeschrieben, wobei allerdings unterschiedliche Begrifflichkeiten verwendet werden: “el estado es proprietario del subsuelo y de los recursos naturales no renovables“ (Kolumbien), “pleno dominio“ (Bolivien) oder “patrimonio de la nación“ (Peru). Im folgenden ist die rechtliche Situation in Bolivien, Ecuador, Peru, Kolumbien und Venezuela basierend auf den jeweiligen Verfassungen, Erdöl- und Erdgasgesetzgebung, Bergbaurecht, Umweltgesetzgebung und Rechte indigener Völker zusammengefasst. Dies bezieht sich auf die rechtliche Ausgangslage und nicht auf die Umsetzungsrealität, die in den Ländern weit hinter der Rechtssituation zurückbleibt. Auf eine detaillierte Darstellung der Umweltgesetzgebung wird hier verzichtet, da die Bestimmungen für Erdöl, Erdgas und Bergbau sich in den genannten Ländern ähneln. So sind für alle Vorhaben zur Erschließung der Ressourcen Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) und Umweltmanagementpläne bindend vorgeschrieben. Bevor das Unternehmen mit den Explorationsarbeiten beginnt, muss es eine UVP in Auftrag geben, dessen Ergebnisse öffentlich sind18. Auf den Ergebnissen der UVP 18
In der Praxis wird dieser Informationspflicht seitens der Unternehmen und des Staates nur ungenügend nachgekommen. In Venezuela zum Beispiel ist die Zeit, in der die UVP eingesehen werden kann auf 14 Tage beschränkt. Danach wird die UVP in der Hauptstadt Caracas zentral im Umweltministerium archiviert. Dort kann man nur mit schriftlicher Genehmigung des Ministeriums die Unterlagen einsehen. Kopien dürfen nicht gemacht werden.
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und den zu erwartenden Umweltrisiken muss das Unternehmen dann einen Umweltmanagementplan erstellen, um vorausgesagte Umweltschäden zu verringern. Zuständig für die Genehmigung der UVP als auch für die Überwachung der Umweltmanagementpläne ist entweder das Umweltministerium oder die Umweltabteilung im Energie- und Bergbauministerium, wobei es zwischen beiden häufig zu Kompetenzüberschneidungen kommt. In Kolumbien wurde allerdings die Erdölexploration durch ein Dekret aus dem Jahre 2000 ausdrücklich aus dem Umweltgenehmigungsverfahren herausgenommen. Die Unternehmen müssen dort erst im Falle der Erdölproduktion eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen. In einigen Ländern wie Bolivien, Ecuador, Brasilien und Venezuela sind Standards für Erdölund Bergbauaktivitäten festgelegt (z.B. für Emissionen, Wasserqualität und Bodenverschmutzung), in anderen Ländern werden lediglich allgemeine Aussagen zur umweltverträglichen Erdölförderung und Bergbau gemacht (ESMAP, 1999). Grundlage für die Rechte indigener Völker bei der Nutzung von nicht-erneuerbaren natürlichen Ressourcen bildet die ILO-Konvention 169. Wichtig sind vor allem drei Aspekte: 1. die frühzeitige Konsultierung indigener Völker durch den Staat, bevor Vorhaben auf ihren Gebiet genehmigt werden 2. die Beteiligung der betroffenen indigenen Völker an den Gewinnen/ Vorteilen aus der Nutzung der Bodenschätze 3. das Recht indigener Völker auf Entschädigung
Kolumbien Bergbau- und Erdölgesetzgebung In Kolumbien wird die Verwaltung und Nutzung der nicht-erneuerbaren Ressourcen vom Staat durch das Ministerium für Bergbau und Energie, zu dessen Aufgabe die Überwachung des Erdölsektors gehört, wahrgenommen. Allerdings sind die Grenzen zu der Arbeit der staatlichen Erdölgesellschaft Ecopetrol fließend.
Bodenschätze auf indigenem Land
Das Unternehmen Ecopetrol funktioniert einerseits wie ein privates Unternehmen mit eigenständigen wirtschaftlichen Aktivitäten, für die es Steuern an den Staat zahlt. Auf der anderen Seite arbeitet es wie eine staatliche Behörde, d.h. es verhandelt im staatlichen Auftrag mit privaten in- und ausländischen Firmen über die Nutzung der Ressource Erdöl.
Indigene Rechte Das Dekret 1320 von 1998 schreibt eine Konsultation der indigenen und afrokolumbianischen Gemeinschaften vor dem Abbau der nicht-erneuerbaren natürlichen Rohstoffe auf ihren Territorien (resguardos19) bindend vor. Außerdem haben indigene Völker und Gemeinschaften Priorität bezüglich der Nutzung von Bodenschätzen, wenn sich diese auf ihren Territorien befinden (ROLDÁN, 2004:132). Dies gilt jedoch nicht für Erdöl.
Bolivien Bergbau- und Erdöl Der Staat hat ein umfassendes Eigentumsrecht über alle Bodenschätze. Die Verfassung sieht explizit vor, dass sowohl die mineralischen Rohstoffe als auch Erdöl und Erdgas im Besitz des Staates sind und diese nicht an Dritte veräußert werden können (ROLDÁN, 2004:125). Dies gilt für das ganze nationale Territorium inklusive der tierras comunitarias de origen, wie indigene Territorien in Bolivien bezeichnet werden. 1996 wurde in Bolivien ein neues Erdölgesetz (Ley de Hidrocarburos Nr. 1689) verabschiedet. Das Gesetz bildet die rechtliche Grundlage für die Verträge, die zwischen dem Staat und den privaten Unternehmen geschlossen werden. Es legt die Bedingungen fest, unter denen der Staat sein Eigentum, Erdöl und Erdgas, an die Unternehmen verkauft und die Rechte und Pflichten der Unternehmen, um auf bolivianischem Boden Erdöl fördern zu können. Es sieht unter anderem die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen vor, enthält aber keinerlei konkrete Bestimmungen über Kompensations-
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Zur rechtlichen Figur der resguardos siehe ROSSBACH DE OLMOS und FELDT in diesem Band)
zahlungen an die lokale Bevölkerung. Das Gesetz regelt lediglich die Verfahren zur Festlegung von Entschädigungszahlungen bei Landenteignungen. Artikel 63 verweist zwar auf Gebiete, die nicht enteignet werden dürfen, schränkt das Gebiet bezüglich der indigenen Völker jedoch auf den unmittelbaren Siedlungsort ein. “La expropiación no podrá comprender a las viviendas y sus dependencias incluyendo las de comunidades campesinas y las de pueblos indígenas, a los cementerios, carreteras, vías férreas, aeropuertos y cualquier otra construcción pública o privada que sea estable y permanente“.20 Es gibt zwei staatliche Institutionen, die für die Erdölpolitik der Regierung und deren Umsetzung zuständig sind: das Vizeministerium für Energie und Erdöl im Wirtschaftsministerium für den Bereich Prospektion und Förderung, und die Superintendencia de Hidrocarburos innerhalb des Sistema de Regulación Sectorial für den Bereich Transport und Verteilung. Das Vizeministerium ist für die Aushandlung der Verträge mit den privaten in- und ausländischen Erdölkonzernen zuständig. Bis 1997 war YPFB (Yacimientos Petroliferos Fiscales Bolivianos) ein staatliches Unternehmen. Mittlerweile wurden die Geschäftsbereiche Erdöl-, Erdgasprospektion und -förderung verkauft. Die Aufgaben von YPFB beschränken sich heute auf das Aushandeln und Überwachungen von Verträgen, wobei es allerdings Kompetenzüberschneidungen mit dem Vizeministerium für Energie und Erdöl gibt. Die Indigenen- und Bauernbewegung hat in den letzen Jahren, aber vor allem 2003, gegen die Privatisierung im Erdöl- und Erdgassektor demonstriert und fordert eine Überarbeitung des Ley de Hidrocarburos, in der die Erdölindustrie re-nationalisiert werden soll. Im Juli 2004 hat die bolivianische Bevölkerung in einem Referendum über die zukünftige Erdgasund Erdölpolitik abgestimmt. Demnach soll das Unternehmen YPFB wieder verstaatlicht werden. Die bestehenden Konzessionen zur Erdgasförderung sollen zwar nicht angetastet 20
http://www.superhid.gov.bo/leyes/1996/ Ley_Hidrocarburos.pdf
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Bodenschätze auf indigenem Land
werden, die Konzerne werden aber in Zukunft höher besteuert.
der Staat die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards (FELDT, 2003).
Indigene Rechte
Rechte indigener Völker
In der Verfassung von 1994 wird im ersten Artikel der multiethnische und plurikulturelle Charakter des Landes anerkannt. Außerdem werden die Rechte der indigenen Völker auf Identität, gemeinschaftlichen Landbesitz und soziale Entwicklung festgeschrieben.
Die Bergbau- und Erdölunternehmen sind gesetzlich verpflichtet die Rechte indigener Völker, wie sie im ecuadorianischen Gesetz und in den ratifizierten internationalen Normen festgelegt sind, zu respektieren.
Das Umweltschutzgesetz (Artikel 78) schreibt vor, das indigene Völker konsultiert werden müssen, wenn auf ihren Gebieten Erdöl gefördert werden soll. Von Seiten der indigenen Organisationen wird allerdings kritisiert, dass diese Konsultationen nicht oder nur unzureichend stattfinden. Zur Zeit wird ein Gesetzesvorschlag zu “Regulierungen für die Durchführung von Erdölaktivitäten auf kommunalen Territorien indigener Völker“ diskutiert. In dem Gesetz soll u.a. definiert werden, wie der Konsultationsprozess der indigenen Gemeinschaften zu gestalten ist.
Ecuador hat 2002 das “Reglamento de Consulta y Participación para la Realización de Actividades Hidrocarburíferas” (Dekret 3401, 2.12.2002) verabschiedet. Diese Umsetzungsbestimmung zum Recht auf Konsultation in der Verfassung definiert das Konsultationsverfahren sowie die Beteiligung der indigenen Völker “en los procesos relacionados con las consulta, la elaboración de los estudios de impacto ambiental, los planes de manejo ambiental, incluidos los planes de relaciones comunitarias, y de participación en los beneficios de las explotaciones” (ROLDÁN, 2004:134).
Peru
Ecuador
Bergbau- und Erdölgesetzgebung
Bergbau- und Erdölgesetzgebung
1993 wurde das Erdölgesetz in Peru überarbeitet und mit der Novelle wurde die Privatisierung des staatlichen Erölunternehmens Petroperu eingeleitet. Nach und nach wurden die Konzessionen und die Infrastruktur der Erdölfelder, die bis zu dem Zeitpunkt von Petroperu betrieben wurden, an private Unternehmen verkauft. Parallel zur Privatisierung gründete der peruanische Staat Perupetro als staatliches Unternehmen, zu dessen Aufgaben die Verhandlung und Überwachung von Verträgen mit privaten Erdöl- und Erdgasunternehmen gehört, das aber keine eigenen Aktivitäten im Produktionsbereich durchführt.
Die Verfassung erklärt die Bodenschätze zum Staatseigentum, und das Bergbau- und das Erdölgesetz, dessen Grundlagen aus dem Jahre 1932 stammen und das seither mehrmals reformiert wurde, legt das System der Konzessionsvergabe fest. Zuständig für die Definition der staatlichen Erdölpolitik ist das Ministerium für Energie und Bergbau. Vertragspartner für Erdölkonzerne, die in Ecuador arbeiten wollen, ist die staatliche Erdölgesellschaft Petroecuador. Ähnlich wie Ecopetrol betreibt Petroecuador eigene Erdölfelder und vertritt außerdem den Staat in den Vertragsverhandlungen mit den Privatunternehmen über die Erdölproduktion. Seit 1992 müssen die Firmen eine Umweltverträglichkeitsprüfung vor der Probebohrung erstellen lassen und einen Umweltmanagementplan vorlegen. Seit der siebten Vergaberunde für neue Konzessionen (1994) verlangt
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Das Ministerium für Energie und Bergbau ist die oberste Behörde für den Erdöl- und Bergbausektor. Innerhalb des Ministeriums gibt es eine Generaldirektion für Umwelt, die die Umweltverträglichkeitsprüfungen und die Managementpläne überprüfen soll.
Bodenschätze auf indigenem Land
Rechte indigener Völker Peru hat Ende 2002 das “Reglamento de consulta y participación ciudadana en el procedimiento de aprobación de los estudios ambientales en el sector Energía y Minas” (Resolución Ministerial No.596-2002, EM/DM, Ley Orgánica del sector Energía y Minas 25962) verabschiedet, dass das Konsultationsverfahren reguliert. Durch die Konsultation soll sichergestellt werden “que permitan el conocimiento más preciso y directo del pensamiento de los sectores sociales potencialmente afectados con las obras de explotación de recursos y otras actividades de previsible impacto sobre el ambiente y la vida de los pobladores de las áreas donde van a realizarse” (ROLDÁN, 2004:135). Hierbei wird nicht zwischen Indigenen und Nicht-Indigenen unterschieden. Im Gesetz über “Comunidades Campesinas” ist festgelegt, dass der Staat die Gemeinschaften und Dörfer, die die Bodenschätze (wiederum mit Ausnahme von Erdöl) auf ihrem eigenen Territorium ausbeuten wollen, unterstützten muss. Außerdem haben indigene wie nicht- indigene Gemeinschaften das Recht, vor Beginn der Aktivitäten, Kompensationsverhandlungen über zu erwartende Schäden mit den Unternehmen zu führen. Allerdings fehlt es an entsprechenden Umsetzungsbestimmungen.
Venezuela Bergbau- und Erdölgesetzgebung Nicht-erneuerbare Rohstoffe sind Besitz der Republik, es sind laut Verfassung von 1999 Werte im öffentlichen Eigentum und als solche unveräußerbar und nicht übertragbar. In Venezuela wurde am 13.11.2001 ein neues Erdölgesetz21 verabschiedet, das seit Anfang 2002 in Kraft ist. In diesem Gesetz wird die staatliche Dominanz im Erdölsektor festgeschrieben. Wenn Erdölaktivitäten im Bereich Förderung, Transport und Raffinerie nur von Unternehmen oder von Konsortien durchge-
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Für die Gasförderung wurde analog ebenfalls ein Gesetz beschlossen.
führt werden können, erhält der Staat eine Beteiligung von über 50%. Darüberhinaus legt das Gesetz die Höhe des Förderzins (Royality) fest, den die Unternehmen an den Staat zahlen müssen. Er liegt bei 30% des geförderten Volumens, das heißt, der Staat erhält 30% des geförderten Erdöls.22 Die zuständige staatliche Institution ist das Ministerium für Energie und Bergbau. Zwar ist das Ministerium laut Gesetz für die Politik und Planung des Staates im Erdölsektor zuständig und soll die Kontrolle über die Erdölaktivitäten und die Steuern ausüben, de facto wird der Erdölsektor in Venezuela aber durch den staatlichen Konzern Petroleos de Venezuela S.A. (PdVSA) kontrolliert. PdVSA finanziert den größten Teil des Staatshaushaltes und gehört zu den zehn größten Erdölkonzernen weltweit. Mit über 40 000 Angestellten und Arbeitern in Venezuela ist PdVSA fast ein “Staat im Staat“.
Rechte indigener Völker Venezuela stellt in der Verfassung (1999) klar, dass Aktivitäten wie die Nutzung natürlicher Ressourcen auf indigenen Gebieten23 nur durchgeführt werden können, wenn die soziale, ökonomische und kulturelle Integrität der Gemeinschaften nicht verletzt wird und sie frühzeitig informiert und konsultiert werden. Allerdings fehlt es in Venezuela an Umsetzungsbestimmungen. Bestimmungen zur Durchführung der Konsultationen befinden sich zur Zeit in der Diskussion.
Schlußbetrachtung Die Betrachtung der rechtlichen Situation in den Ländern zeigt, dass sich zumindest formal die Rechtsgrundlagen für indigene Völker in den letzten zehn Jahren entscheidend verbessert haben. Der entscheidende qualitative Schritt war die Ratifizierung der ILO-Konvention 169 durch die Länder. Damit waren die
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Wenn das Öl nur sehr schwer aufzuarbeiten ist wie im Fall des Schweröls im Orinoco Becken, kann dieser Anteil auf 20% sinken. 23 In Venezuela wird für indigene Territorien der Begriff “Habitat“ gewählt, der in anderen lateinamerikanischen Ländern eher unüblich ist.
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Bodenschätze auf indigenem Land
Regierungen verpflichtet, die Vorgaben der Konvention zum Konsultations- und Partizipationsrecht und das Recht auf Entschädigungen bei allen Vorhaben, die indigenes Territorium betreffen, in nationales Recht umzusetzen. Die
Länder haben in den letzten zwei bis drei Jahren begonnen diese Vorgaben durch Gesetze zu konkretisieren. Peru, Ecuador und Kolumbien haben bereits entsprechende Umsetzungsbestimmungen erlassen.
Foto: Erdölfirma im Amazonasgebiet Ecuadors, Provinz Napo (S. REINHARDT)
Allerdings wird von indigener Seite die unzureichende Information über geplante Vorhaben und der fehlende Zugang zu den Entscheidungsebenen beklagt. Es fehlt nach wie vor an klaren Regelungen für ein partizipatives, rechtlich abgesichertes Monitoringsystem der Aktivitäten und über Mechanismen der Konfliktlösung sowie der Kompensations- und Entschädigungszahlungen. In den Gesetzen zur Konsultation sind Verträge oder andere Übereinkünfte zwischen Unternehmen, und Indigenen oder Unternehmen, Staat und Indigenen nur auf freiwilliger Ebene vorgesehen. Dies dient in erster Linie den Unternehmen. Zu einer wirklichen Partizipation, die auf dem Recht der Partizipation auf der Entscheidungsebene basiert, ist es noch ein weiter Weg. Es ist daher wichtig, die bestehenden Ansätze zur Partizipation weiter zu entwickeln.
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5. Ansätze der EZ Der Extractive Industry Review Prozess der Weltbank Aufgrund der massiven Kritik vieler NRO an der Politik der Weltbankgruppe (WBG) bei Erdöl-, Erdgas- und Bergbauvorhaben (extraktive Industrie) und einer internen Evaluation, leitete der Weltbankpräsident Wolfensohn einen Prozess zur Revision der Weltbankpolitik im Bergbau, Erdöl- und Erdgassektor ein. Der Extractive Industry Review (EIR) wurde in einem zweijährigen Konsultationsprozess (20012003), der Vertreter der Weltbankgruppe, der Regierungen, der Industrie, der Gewerkschaften, Vertreter indigener Völker und Nichtregierungsorganisationen einschloss, erstellt. Das Ziel der EIR war die Untersuchung des Weltbankengagements im Erdöl-, Erdgas- und Bergbausektor, wobei die projektspezifischen
Bodenschätze auf indigenem Land
Investitionen und die länderbezogenen Kreditprogramme einbezogen wurden. Auf dieser Grundlage sollten Empfehlungen für die Weltbankgruppe erarbeitet werden, um ihre Arbeit in diesem Sektor mit dem Anspruch der Armutsminderung durch nachhaltige Entwicklung in Übereinstimmung zu bringen. Der Abschlussbericht beurteilt das bisherige Engagement der Weltbank im extraktiven Sektor sehr kritisch: Das Weltbankengagement hat in diesem Sektor weder zur Armutsminderung noch zur nachhaltigen Entwicklung beigetragen. Bereits zuvor hatte eine weltbankinterne Evaluation der Arbeit im extraktiven Bereich gravierende Probleme in der Integration des extraktiven Sektors in die Armutsbekämpfung festgestellt. Der Abschlussbericht empfiehlt daher der Weltbank, im Erdöl-, Erdgasund Bergbausektor “to promote pro-poor public and corporate governance.“ Dabei sollte der Schwerpunkt auf Transparenz, gute Regierungsführung und nachhaltiger Regionalentwicklung liegen.24 Für die Weltbank und auch gleichzeitig für die Geberländer ist der EIR Prozess und der Abschlussbericht eine Herausforderung, ihre Investitions- und Projektpolitik bei Erdöl- und Bergbauvorhaben grundlegend zu überdenken.
Interamerikanische Entwicklungsbank Die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB) hat eine eigene Kreditlinie in Anlehnung an den EAP Prozess (siehe Kap.3.4) aufgelegt. Mit diesen Krediten, die zu günstigen Konditionen vergeben werden, sollen die Staaten animiert werden, in die “Nachhaltigkeit“ von Erdölaktivitäten zu investieren. Außerdem fördert die IDB mit einem Kredit in Höhe von 50 Mio. US $ den Aufbau von AMAZON GAS. AMAZON GAS ist ein Unternehmen der CONFENIAE, der Konföderation der indigenen Organisation im ecuadorianischen Amazonasbecken, die von Petroecuador das Recht erhalten haben, das Erdgas, das bei der Erdölproduktion anfällt, kommer24
Angesichts knapper Mittel wird der Weltbank im Abschlussbericht empfohlen, bis 2008 aus Investitionen im Bereich fossiler Energieträger auszusteigen und dafür in regenerative Energie zu investieren.
ziell zu nutzen. Die CONFENIAE wird dabei von der kanadischen Entwicklungszusammenarbeit unterstützt, die auch die Kontakte zu kanadischen indigenen Unternehmen herstellten, die bereits über Erfahrungen im Gasgeschäft verfügen. Das Unternehmen AMAZON GAS war und ist innerhalb der Mitgliedsorganisationen der CONFENIAE umstritten, so haben sich bereits mehrere indigene Föderationen gegen das Unternehmen ausgesprochen. AMAZON GAS befindet sich noch im Aufbau, so dass keine Aussagen über die ökonomischen und sozialen Auswirkungen des Projektes gemacht werden können. Die CONFENIAE erhofft sich von AMAZON GAS die finanzielle Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von anderen Geldgebern. Ob diese Hoffnung erfüllt wird, ist offen. Auf jeden Fall wird AMAZON GAS große Auswirkungen auf die Entwicklung und Politik der CONFENIAE haben. Zum einen bricht AMAZON GAS mit dem Schema, dass indigene Wirtschaftsunternehmen entweder im Agrarsektor, im Kunsthandwerk oder im Tourismus liegen müssen, und das Vorhaben wird die CONFENIAE vor große Managementaufgaben stellen. Scheitert dieses Projekt wird die CONFENIAE hoch verschuldet sein. Zum anderen kann vermutet werden, dass der Einstieg in das Erdgasgeschäft nicht ohne Auswirkungen auf die politische Haltung der CONFENIAE gegenüber der Erdöl- und Erdgasförderung bleiben wird.
Ansätze der deutschen Entwicklungszusammenarbeit Nicht-erneuerbare Ressourcen sind bisher kaum Thema in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Einige Projekte der deutschen EZ im Bereich Nutzung nicht-erneuerbarer Rohstoffe werden von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover durchgeführt und beziehen sich meist auf die Verbesserung des Umweltmanagements, so zum Beispiel das Projekt zur Einführung der ISO 14001 (Umweltmanagement) im Bergbausektor Perus. Allerdings gibt es im Amazonasbecken mehrere interessante Projekte und Programme der deutschen EZ im Bereich Konfliktprävention
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Bodenschätze auf indigenem Land
und Unterstützung von Dialogansätzen (InWEnt, GTZ, DED). Die GTZ setzt an der Stärkung der indigenen Organisationen an und fördert sowohl den Zusammenschluss der indigenen Organisationen des Amazonasbeckens COICA als auch die Organisationen der Tieflandindianer Perus, vor allem AIDESEP (zu Landrechten und Projekten zur Landdemarkierung siehe RATHGEBER in diesem Band). InWEnt unterstützt durch Capacity Building seit 1996 die indigenen Organisationen in Peru, Ecuador, Bolivien, Venezuela und Kolumbien sowie die COICA in ihren Dialog- und Verhandlungsprozessen mit dem Staat und der Erdölindustrie. Im Rahmen des Erdöldialogs “Energía, Ambiente, Población“ hat InWEnt ein Training zum Dialog mit allen drei beteiligten Interessengruppen durchgeführt.
6. Schlussfolgerungen und Empfehlungen In der Auseinandersetzung um die Nutzung nicht-erneuerbarer natürlicher Ressourcen steht das Verhältnis indigene Völker, Staat und Unternehmen im Zentrum. Es sind vor allem vier Themenkomplexe, die der Debatte und Regelung bedürfen: 1. Konsultation und Partizipation vor, während und nach Beendigung der Förderaktivitäten von Bodenschätzen 2. Überwachung der Förderaktivitäten und Einhaltung der Managementpläne, Entwicklung von partizipativen Monitoringsystemen 3. Faire EntschädigungsKompensationszahlungen
und
4. Die Entwicklung von wirtschaftlichen Alternativen zu Erdöl-, Erdgas- und Bergbauprojekten, die indigene Ansätze von Wirtschaft ernst nehmen und Ansätze für eine nachhaltige Regionalentwicklung bieten. Darüber hinaus geht die Forderung der Indigenen nach Selbstbestimmung ihrer Entwicklung und das Recht, die Nutzung nicht-erneuerbarer Rohstoffe auf ihren Territorien verweigern zu dürfen. Dieses Recht wird ihnen in keiner Verfassung zugestanden, da das postulierte nationale Interesse den Interessen indigener Völ-
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ker übergeordnet wird. Wollen indigene Völker und ihre Organisationen die Förderung von Erdöl oder Bergbau auf ihren Territorien verhindern, bleibt ihnen nur die offene Auseinandersetzung mit dem Staat und den Unternehmen, wie im Fall der U’wa25 in Kolumbien. Für die vier oben genannten Themenkomplexe haben sich in den letzten Jahren die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert. Die indigenen Organisationen haben ihre Forderungen an Staat und Unternehmen konkretisiert, die staatlichen Institutionen beginnen vor Ort in den betroffenen Gebieten präsent zu sein, und eine aktive Rolle in Dialog- und Verhandlungsprozessen zu spielen, und zumindest einige Unternehmen stellen sich der Debatte um ihre soziale Unternehmensverantwortung. Da sich aber Dialog- und Verhandlungsprozesse nach wie vor in einem Rahmen bewegen, der vom Staat und den Unternehmen festgelegt wird, sind die indigenen Völker eindeutig im Nachteil. Sie bestimmen nicht die “Regeln des Spiels“. Zur Verbesserung der Verhandlungsposition und der Artikulation von Forderungen und Gegenvorschlägen im Bergbau- und Erdölsektor gehört wesentlich die Stärkung der indigenen Organisationen und die Ausbildung neuer Führungspersönlichkeiten. Die Entwicklungszusammenarbeit kann durch Fortbildung über die Rechte indigener Völker, über die Ökonomie von Bergbau und Erdöl, die Ausbildung im Monitoring von sozialen und Umweltschäden, indigene Völker in ihren Dialog- und Verhandlungspositionen stärken. Aber die Entwicklungszusammenarbeit sollte sich nicht nur auf Qualifizierungsmaßnahmen beschränken. Immer häufiger werden sogenannten Entwicklungsfonds für die regionale Entwicklung von Gebieten, die von Erdöl- und
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Die U’wa haben einerseits sämtliche ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel ausgeschöpft andererseits offenen Widerstand gegen die Erdölförderung geleistet, bis hin zu der Drohung kollektiven Selbstmord zu begehen. Die Erdölfirma Occidental hat sich mittlerweile aus dem Vorhaben zurückgezogen und die Erdölarbeiten sind ausgesetzt. Eigentümer der Konzession ist jetzt Ecopetrol und es ist noch nicht entschieden, was langfristig passieren wird.
Bodenschätze auf indigenem Land
Bergbauaktivitäten betroffen sind, eingerichtet. Hier könnte die EZ unterstützend in der Erarbeitung von Konzepten für die Umsetzung und Handhabung solcher Fonds und für eine nachhaltige Regionalentwicklung tätig werden.
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Indigene Völker, Bildung und Kultur: Interkulturelle zweisprachige Erziehung
Indigene Völker, Bildung und Kultur: Interkulturelle zweisprachige Erziehung DR. MATTHIAS ABRAM
“Die Sprache ist die Stimme unserer Vorfahren seit dem Beginn der Zeit. Unsere Sprachen zu bewahren, zu sichern und zu entwickeln ist äußerst dringend. Die Sprache ist Teil der Seele unserer Nationen und unseres Seins. Sie ist der Weg in die Zukunft.“ Erklärung von Kimberly, Gipfel der indigenen Völker, Südafrika, August 2002 (Übersetzung M. ABRAM).
In den letzten beiden Jahrzehnten haben nicht nur die indigenen sondern auch die nicht-indigenen Lateinamerikaner verstanden, dass sie in multilingualen und multikulturellen Gesellschaften leben: Diese Wirklichkeit wird nun auch von den meisten Verfassungen anerkannt. Im täglichen Leben ist der Weg zu einer mehrsprachigen, interkulturellen, demokratischen Gesellschaft mit gleichen Rechten und gleichen Chancen für alle aber noch weit. Ihr Funktionieren und ihre Nützlichkeit werden in zunehmendem Maße in ländlichen Zentren und Vorstadtsiedlungen erprobt, überall dort, wo Mestizen und indigene Bürger zusammenleben. Dabei wird allen Beteiligten deutlich, dass der Aufbau dieser multikulturellen, demokratischen Gesellschaft mit großen Schwierigkeiten verbunden ist. Bildung allgemein und insbesondere Schulbildung können einen entscheidenden Beitrag dazu leisten. Die indigenen Bürger Lateinamerikas gehören überproportional zu den Armen: ein Grund dafür ist unter anderem der geringere Zugang zu Bildung und Ausbildung. Weil indigene Kinder und Jugendliche nur wenige Bildungsangebote in der eigenen Sprache erhalten, können sie von den bestehenden Schulen oft nur unzureichend profitieren, sie brechen sie vorzeitig ab und haben nur geringe zusätzliche Kompetenzen erworben.
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“Alle stimmen überein, dass die wirksamste Einzelmaßnahme für Entwicklung und Armutsbekämpfung die Bildung ist“ sagte Wolfensohn, Präsident der Weltbank. Die von den UN aufgestellten und bis 2015 zu erreichenden acht Millennium Entwicklungsziele schließen an zweiter Stelle “Grundbildung für alle“ ein: bis zu diesem Jahr sollen alle Jungen und Mädchen auf der Welt eine Primarschulbildung vollständig abschließen können. In dem “Bericht über die menschliche Entwicklung 2003“ der Vereinten Nationen werden dazu drei große Problemfelder benannt: Unzureichende finanzielle Mittel: Die Entwicklungsländer geben im Vergleich zu den OECD Ländern wesentlich weniger für Bildung aus. Das heißt in Prozenten des Bruttosozialproduktes ausgedrückt: Guatemala ca. 2%, Ecuador 1,6% und Peru 3,3%; die EU verausgabt im Schnitt 5% für Bildung. Auch die Hilfe der Geberländer im Bildungsbereich ist in der letzten Dekade um etwa 30% zurückgegangen und betrug im Jahre 2000 4,1 Mrd. US$. Nur 1,5 Mrd. waren weltweit für Grundbildung bestimmt (UNDP, 2003:115). Ungleichheit: Die Reichen in den Entwicklungsländern sichern sich den Zugang zu den besten Erziehungseinrichtungen des Staates und unterhalten ein paralleles privates, mit öffentlichen Mitteln subventio-
Indigene Völker, Bildung und Kultur: Interkulturelle zweisprachige Erziehung
niertes Schulsystem. Die ärmsten 20% der Bevölkerung haben einen unzureichenden Zugang zur Grundschule. Signifikant weniger Mädchen als Jungen können die Grundschule besuchen. Länder, die annähernd 100% Einschulung erreicht haben (Chile, Kolumbien, Costa Rica), geben durchschnittlich 1,7% des BIP für Grundbildung aus. Ineffizienz: Der größte Teil der Mittel (meist über 90%) des Erziehungshaushaltes wird für Lehrergehälter verausgabt.1 Für Investitionen in die Verbesserung der Qualität des Unterrichts bleiben kaum Mittel übrig. Die hohen Wiederholungsraten verteuern das System. Kinder in ihrer eigenen Sprache zu unterrichten, verbessert hingegen die Bildungsergebnisse weltweit (Bericht über die menschliche Entwicklung 2003, UNDP, 2003). Im Folgenden scheint es sinnvoll den gesamten Komplex “Indigene Völker, Bildung und Kultur“ in diesem Kapitel anhand der interkulturellen, zweisprachigen Erziehung (IZE), an deren Konzipierung und Verbreitung insbesondere die deutsche Entwicklungszusammenarbeit seit über 25 Jahren beteiligt ist, beispielhaft darzustellen.
Foto: Grundschule in Guatemala (A. BEGEMANN)
Es soll die Entstehung der IZE im Kontext der formalen Bildung, zu der indigene Schüler/innen und Student/innen Zugang hatten, nachgezeichnet werden. Es wird auf die ver1
SCHIEFELBEIN weist nach, dass eine Erhöhung der Lehrergehälter keine Auswirkungen auf die Qualität des Unterrichts hat (SCHIEFELBEIN in: NAVARRO ET AL., 2000:317ff)
schiedenen Modelle eingegangen und der schwierige Dialog zwischen den indigenen Organisationen und den Staaten beleuchtet. Vor dem Hintergrund der einsprachigen und monokulturellen Ausbildungs- und Lernangebote werden Stärken und Schwächen des IZE Modells aufgezeigt und aus den gewonnenen Erfahrungen einige Empfehlungen abgeleitet.
1. Zugang der indigenen Völker Lateinamerikas zu Bildung und Ausbildung In den ersten Jahrzehnten der Kolonialzeit (etwa 1530 bis 1600), als die Kolonialverwaltungen noch auf die Kollaboration der indigenen Adeligen angewiesen waren, die als einzige genaue Kenntnisse über die komplizierte Verwaltung der besiegten Reiche der Azteken und Inkas bewahrten, durften deren Kinder mit den Kindern der Konquistadoren zur Schule gehen. In einigen Hauptstädten wurden gar eigene Schulen eingerichtet, so in Cuzco das Colegio de Caziques und in Mexiko eine Art höhere Schule für indigene Adelige, die bis ins 17. Jahrhundert hinein bestanden. Für die große Mehrheit der indigenen Kinder aber gab es unter kolonialen Bedingungen keinerlei Zugang zu Schule und formaler Bildung. In den Anden ist die öffentliche Schule erst mit der Unabhängigkeit eingeführt worden, zunächst meist nur für Jungen und nur in den Hauptstädten und größeren Zentren; auf dem Lande fand der einzige Unterricht als religiöse Unterweisung in den Pfarreien statt. Die wenigen Mädchenschulen waren fest in der Hand religiöser Frauenorden. Den indigenen Jugendlichen blieb als Ersatz für Schule und formale Bildung neben Katechismus und Predigt anlässlich religiöser Feste die Unterweisung durch ihre Gemeinschaft, durch die Ältesten und durch besonders angesehene Persönlichkeiten ihres Volkes. Schon während der frühen Kolonialzeit hatten sich die Mönche auf die moralische und religiöse Gewinnung der indigenen Gemeinschaften konzentriert und zahlreiche Grammatiken, Wörterbücher (Artes de la Lengua), aber vor allem Beichtspiegel in den indigenen Sprachen erstellt. Wenn die Predigten nicht in indigener Sprache stattfanden, gab es immer einen Jun-
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gen, der übersetzte. Die Sätze des Katechismus, die 10 Gebote und andere Texte wurden so lange in Spanisch wiederholt, bis sie von allen auswendig wiederholt werden konnten. Begabte Jungen wurden von Pfarrern zu Schreibern ausgebildet, manche Missionsstationen richteten Schulen ein. Die Quellen für den Aufstand in den Zentralanden von 1780/ 81 unter Führung von Túpac Amarú2, lassen erkennen, dass nicht wenige der Anführer des Lesens und Schreibens mächtig waren. Einige Mönchsorden waren dabei demokratischer als andere. Die Franziskaner hatten von Beginn an (die ersten 12 Mönche kamen 1524 nach Mexiko) Wert darauf gelegt, die indigenen Gemeinschaften in ihrer eigenen Sprache zu unterweisen. Bernardo de Sahagún hatte um die Mitte des 16. Jahrhundert in Mexiko eine Schreibakademie eingerichtet und begonnen, das gesamte Wissen des aztekischen Reiches in einem zweisprachigen, illustrierten Werk aufzuzeichnen (Codex Florentinus). Dafür hat er die jungen Adeligen ausführlich unterrichtet und ethnologisch vorgebildet, damit sie in der Lage waren, das Wissen ihrer Vorfahren zu erheben und zu erzählen. In den Städten gab es zudem Ausbildungsmöglichkeiten zum Handwerker und Kunsthandwerker. In Mexiko, Guatemala, Quito, Lima und Cuzco gab es blühende Malschulen und Bildhauerwerkstätten, die den Bedarf für Kirchen und Hauskapellen auf dem ganzen Kontinent deckten. Viele dieser Künstler und Kunsthandwerker waren indigener Herkunft. Die Ausbildung erfolgte im Meister – Schüler Verhältnis. Die meisten indigenen Kunsthandwerker blieben anonym. Im Amazonastiefland, außerhalb der ehemaligen großen indigenen Reiche, war (und ist zum Teil bis heute) Schule und Ausbildung an die Mission gebunden. Es waren die Missionare, die vereinzelt Schulen einrichteten, wie die Jesuiten in Maynas (Nord-Peru), in Para2
José Gabriel Condorcanqui, ein reicher Kaufmann adeliger indigener Abstammung, nahm den Namen des letzten Inka an und führte die Völker der Zentralanden in einem Aufstand gegen die spanische Kolonialverwaltung (Belagerung Cuzcos 1781). Er wurde verraten und in Cuzco hingerichtet.
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guay und im bolivianischen Tiefland oder die Franziskaner und Dominikaner in den Llanos Kolumbiens. Im 20. Jahrhundert haben sich die Missionsschulen allgemein eingebürgert; gegen Mitte des vergangenen Jahrhunderts wurden die ersten Mittelschulen und Lehrerausbildungsseminare eröffnet. Viele der praktischen und arbeitsweltbezogenen Ausbildungsangebote sind den Salesianern zu verdanken, die seit hundert Jahren in allen Ländern des Subkontinents Berufsschulen unterhalten und eine beachtliche Anzahl von Fachkräften ausgebildet haben, nicht zuletzt in graphischen Berufen (Druckerei). Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts, nach Abschaffung der Sklaverei und nach den Massakern der Kautschukbarone (Casa Arana im Amazonas), kam im Zuge der zögernden Industrialisierung allmählich die Nachfrage nach qualifizierter Arbeitskraft auf. Diese Nachfrage förderte die Eröffnung von Schulen für die indigene Bevölkerung. Einige Regierungen (unter García Moreno in Ecuador und Balmaceda in Chile beispielsweise) riefen auch Lehrerseminare für indigene Lehrkräfte ins Leben, zunächst mit der Idee, die Kinder in ihrer Muttersprache zu unterrichten. Es setzten sich aber die “Fortschrittsgläubigen“ und “Modernisierer“ durch, die verlangten, dass die indigenen Völker Spanisch lernen sollten, um sich zu “zivilisieren“ und hierfür ausschließlich in Spanisch zu unterrichten seien. Diese Forderungen gewannen immer mehr Anhänger und entwickelten sich innerhalb der herrschenden sozialen Ausgrenzung zum Kern der Politik der Mestizen gegenüber den indigenen Völkern, bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein. Die Skepsis und der Widerstand vieler indigener Gemeinschaften und Organisationen gegenüber der staatlichen Schule sind bis heute nicht vollständig ausgeräumt. Aber schon früh im 20. Jahrhundert forderten viele indigene Vertreter, Schulen auch in ihren Dörfern zu eröffnen, da sie erkannt hatten, dass die Schule ein möglicher Weg aus der Armut und der Diskriminierung sein könnte. So gab es in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den Anden Perus einen Aufstand zur
Indigene Völker, Bildung und Kultur: Interkulturelle zweisprachige Erziehung
Verteidigung der von den Adventisten eingeführten zweisprachigen Schulen und in Ecuador und Guatemala noch in den 60er Jahren auf dem Lande Mobilisierungen der indigenen Bevölkerung, um Schulen für ihre Landgemeinden zu erwirken. Es gibt aber bis heute keinen Konsens darüber, ob die staatliche Grundschule, wie sie in den meisten Ländern Lateinamerikas üblich ist, der beste Weg für die indigenen Völker ist, Bildung zu erwerben und gleichzeitig ihre Kultur und Sprache zu bewahren und zu entwickeln. Für diese Schule, insbesondere wenn sie interkulturelle zweisprachige Erziehung (IZE) anbietet, sprechen allerdings eine Reihe von Gründen: Die Elterngeneration sieht sich nicht mehr in der Lage, die gesamte Tradition zu vermitteln. Die Informationsmöglichkeiten sind enorm gewachsen und die indigenen Kinder sind einer ganzen Reihe von Einflüssen und Gesellschaftsmodellen ausgesetzt, was früher so nicht der Fall war. Kinder und Jugendliche übernehmen die Tradition nicht mehr en bloc und nicht hinterfragt. Die Schule kann in diesem Prozess neben den Eltern und der Gemeinschaft eine Rolle als Vermittlerin der Traditionen spielen. Die Schule bietet zudem die Möglichkeit, die Überlieferungen zu bearbeiten und zu erklären. In der Schule ist die systematische Unterrichtung in der indigenen Sprache möglich, so dass sie nicht nur Umgangssprache bleibt und sich der Schrift öffnet. Die Verschriftlichung ist eine der Voraussetzungen für den Erhalt der indigenen Sprachen neben der dominanten Sprache. Die Sprache hat eine grundlegende Bedeutung in der Bewahrung und Vermittlung der Kultur, der Weisheit, Kenntnisse und Geschichte indigener Völker. Aber auch in der Reproduktion dieses Wissens für die neue Generation ist die indigene Sprache unerlässlich. Der Verlust der Sprache bedeutet auch einen Verlust von Wissen, von Tradition und von Werten. Die Schule kann
zum Erhalt und zur Entwicklung der Kultur und der Sprache beitragen. Darüber hinaus bietet die Schule, insbesondere die Grundschule mit IZE eine angemessene Vermittlung von Grundtechniken (Lesen, Schreiben, Rechnen) und Informationen über die Gesamtgesellschaft, führt die Nationalsprache des Landes (spanisch bzw. portugiesisch) ein. Sie ist damit eine der wesentlichen Voraussetzungen für indigene Völker Ausgrenzung und Diskriminierung zu überwinden. Schließlich kann die Schule, vor allem wenn sie interkulturell gestaltet ist, dazu beitragen, Aufbauarbeit für die multikulturelle und multilinguale Gesellschaft zu leisten.
2. Die Situation heute Das Panorama ist positiver als noch vor 20 Jahren.3 Der Zugang zu Schule und Ausbildung hat sich auch für indigene Jugendliche sehr erweitert, allerdings bleibt ihre Bildungsbeteiligung immer noch hinter der der Mestizen zurück und ist in den Städten deutlich höher als in ländlichen Regionen. IZE gibt es als anerkannte Modalität der Grundbildung in allen Ländern, wenn auch nicht flächendeckend und nicht immer als integrierten Bestandteil des Schulsystems. In seltenen Fällen funktioniert die IZE als autonomes (Kolumbien) oder paralleles System (Ecuador). Weiterführende Schulen werden mehr und mehr als Folge der Nachfrage der Abgänger/innen der Grundbildung aufgebaut und in einzelnen Fällen führt IZE bis zum Abitur. Die berufliche Aus- und Weiterbildung für indigene Fachkräfte mit speziell interkulturellem oder zweisprachigem Curriculum ist noch spärlich. Vereinzelt bieten indigene Organisationen Lehrgänge an, oft in Zusammenarbeit mit NRO. Im Auftrag des BMZ unterstützt die GTZ in Quito einen Ausbildungsgang für die Handhabung ökologischer Ressourcen. In Ecuador, 3
http://topics.developmentgateway.org/ik bringt wöchentlich Nachrichten zu Bildung und Kultur der indigenen Völker Lateinamerikas. Unter anderem gibt es Nachrichten bei www.quechuanetwork.org und in den Websites der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank.
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Indigene Völker, Bildung und Kultur: Interkulturelle zweisprachige Erziehung
Guatemala, Panama und Costa Rica gibt es Angebote nonformaler Ausbildung für Fachkräfte im Öko-Tourismus in indigenen Territorien, v.a. im Tiefland. Diese Art von Ausbildung nimmt mit der Schaffung von Naturparks und dem von indigenen Gemeinden aufgebauten Ökotourismus zu. Innerhalb des Kunsthandwerks haben vor allem NRO Frauengenossenschaften ins Leben gerufen, in denen auch Ausbildung in Verwaltung, Vermarktung und Geschäftsführung in indigenen Sprachen stattfindet. In einigen Ländern Mittel- und Südamerikas ist die Sekundarschulbildung für indigene Jugendliche noch oft in den Händen der Kirche (Guatemala 72%). Es sind kirchliche Institute, die in vielen Ländern Ausbildungsgänge für indigene Mädchen (Haushaltsschulen, soziale Berufe, Lehrerinnenausbildung) und Jungen (Handwerk, Kunsthandwerk, technische Berufe, Landwirtschaft) anbieten. Dadurch bleibt der Einfluss der Kirche auf die indigenen Eliten weiterhin groß. In Guatemala bestehen alternativ dazu auch ca. 20 Sekundarschulen der Mayaorganisation ACEM mit Bildungsangeboten in IZE mit berufsorientiertem Abschluss, vor allem in der Ausbildung von Primarschullehrer/innen. Ein weiteres Bildungsangebot, das sich schon seit Jahrzehnten immer wieder an die ländliche Bevölkerung und insbesondere an die indigene Bevölkerung richtet, ist die Alphabetisierung von Erwachsenen. Dabei wird zweisprachiges Lernen besonders in der Alphabetisierung von Bauersfrauen erprobt. In der Auseinandersetzung um die ursprünglich nur in spanisch konzipierte Alphabetisierungskampagne der Sandinisten an der Atlantikküste von Nicaragua, konnten sich die Misquitos 1981/ 82 mit ihrer Forderung, in ihrer Sprache unterrichtet zu werden, durchsetzen. Viele andere Alphabetisierungskampagnen hatten zweisprachige Komponenten, so in Bolivien (SENALEP), in Ecuador und in Guatemala. In diesem letzten Land wurde 1999 mit Unterstützung von CEPAL eine “Bialphabetisierung“ unter der Mayabevölkerung erprobt. Diese Kampagnen folgten in verschiedener Intensität den Lehren des brasilianischen Befreiungspädagogen Paolo Freire von einer emanzipatorischen
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Bildung. Sie hatten oft eine praktische Seite und versuchten, die Frauen (und die weniger zahlreichen Männer) zur Bildung von Genossenschaften, Arbeitsgemeinschaften und Zusammenschlüssen für produktive Unternehmungen zu animieren. Wie in der Grundschule, ging man bei der eigentlichen Alphabetisierung zunächst von der Muttersprache aus und präsentierte dann zu den bekannten und zentralen indigenen Begriffen (“palabras generadoras“) die Übersetzung ins Spanische und das geschriebene Wort. Nicht alle Kampagnen waren mit Erfolg gekrönt und die Kritik an den massiven, oft generalstabsmäßig organisierten Aktionen ist nicht ausgeblieben. Vereinzelt hat es auch weniger spektakuläre Alphabetisierungen in Selbsthilfeorganisation gegeben, wobei die indigenen Organisationen meist indigene Lehrer und Schüler verpflichteten. Leider fehlt es an geeignetem Lesestoff für Neuleser, insbesondere in indigenen Sprachen und auf dem Lande, so dass erreichte Lernerfolge nicht dauerhaft gesichert werden können. Bis vor kurzem waren die überdurchschnittlich hohen Schulabbrecherraten unter der ländlichen indigenen Bevölkerung in der gesamten Region einer der Gründe, warum ein leicht zu vermeidender, sekundärer Analphabetismus nicht zurückging. Die Situation bessert sich in den einzelnen Ländern unterschiedlich schnell und ist abhängig von der noch unzureichenden Qualität der Grundbildung. Die Lehrerausbildung wird dort, wo IZE zum Bestandteil des Bildungssystems geworden ist, als zweisprachige und interkulturelle Vorbereitung auf das Lehramt organisiert und immer mehr universitäre Lehrgänge werden eingerichtet, die mit diesem Schwerpunkt arbeiten. So gab es beispielsweise 2003 in Brasilien 28 Kurse zur Lehrerfortbildung, in 15 Bundesstaaten und in 20 verschiedenen indigenen Sprachen.4 In den letzten Jahren entstanden mehr und mehr Lehrerseminare mit dem Fokus IZE, um den Bedarf an Lehrkräften für IZE zu decken, insbesondere in Ländern mit einem hohen Anteil indigener Völker und Sprecher 4
SUSANA GRILLO GUIMARAES, 4. Juni 2003, briefliche Mitteilung
Indigene Völker, Bildung und Kultur: Interkulturelle zweisprachige Erziehung
indigener Sprachen, wie Bolivien, Ecuador und Guatemala. Dabei werden vielfach die Fehler der Vergangenheit korrigiert und dieser Ausbildung ein zweisprachiges und interkulturelles Curriculum zu Grunde gelegt. Allerdings sind die Erfolge der Lehrerausbildung in IZE noch nicht überzeugend. Hierin liegt eine wesentliche Ursache für die mangelnde Qualität der Grundbildung.
indigene Schüler/innen und Student/innen. In den meisten dieser Studiengänge spielt die Herkunftssprache und -kultur eine nur untergeordnete Rolle. Indigene Organisationen fordern nun verstärkt, auch auf den übrigen Ausbildungsstufen den Jugendlichen eine Bildung anzubieten, die auf ihren Kulturen und ihrer Sprache basiert.
In mehreren Ländern wird über Projekte zur Schaffung von indigenen Universitäten5 beraten, so in Guatemala die Universidad Maya und in Ecuador die Universidad Indígena, die bereits ihre Tätigkeit aufgenommen hat. Der Fondo Indígena bereitet mit Unterstützung der Interamerikanischen Entwicklungsbank BID und der deutschen EZ eine interkulturelle Universität vor, die eine Vernetzung von Universitätsinstituten innerhalb Lateinamerikas mit spezieller Ausrichtung auf Themen, die für indigene Völker relevant sind, zum Ziel hat.
3. Frühere Politiken zum Thema “Bildung für indigene Völker“
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass trotz der nicht völlig ausgeräumten Zweifel und des Widerstands gegen die formelle staatliche Schulbildung von Seiten indigener Elterngemeinschaften, in vielen Ländern Lateinamerikas die indigenen Organisationen ihre Forderungen nach Bildung und Ausbildung – in ihren Sprachen und ausgehend von ihren Kulturen – über die Grundbildung hinaus ausgedehnt haben. Die Grundbildung, ob zweisprachig oder spanisch bzw. portugiesisch, ist in Lateinamerika im allgemeinen für indigene Kinder und Jugendlichen zugänglich, Versorgungsengpässe bestehen weiterhin in ländlichen Regionen. Es stellt sich zunehmend die Frage, wie die weitere Schulbildung gestaltet werden kann. Seitens der indigenen Völker besteht die Nachfrage nach berufsvorbereitenden Ausbildungsgängen in der Sekundarstufe als Alternative zu den eher kopflastigen Bildungsangeboten der weiterführenden Schulen. In den letzten Jahren wenden sich zunehmend Ausbildungen, Schulen, Fernstudien, Universitätskurse und Akademien an 5
vgl. dazu den interessanten Aufsatz von Andrea Repetto über die Benachteiligung indigener Studenten: Access barriers for poor indigenous peoples in chilean higher Education, LCSHD papers, Weltbank, 2002.
Im dritten und vierten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts machte sich in den MestizenGesellschaften Lateinamerikas die Überzeugung breit, die Modernisierung der Gesellschaften und des Staates setze eine gewisse Anzahl von Schuljahren voraus, um ganz bestimmte, dem Fortschritt und der Entwicklung dienliche Kenntnisse, Verhaltens- und Denkweisen einzuüben und zu verinnerlichen. In den Ländern mit starker indigener Bevölkerung wurde die Schulferne der indigenen Völker als Erklärung für deren “rückschrittliche“ Lage herangezogen. Länder wie Argentinien, das sich 1900 als “frei von Indios“ erklärt hatte, galten als Entwicklungsmodell.6 Die Allianz für den Fortschritt (1961) nahm diese Vorstellungen in ihre Modernisierungsideologie auf. Die Politik gegenüber den indigenen Völkern hieß nun “Integration“. Gemäß diesem Modell sollten indigene Jugendliche Grundbildung erhalten, als Arbeitskräfte in den nationalen Entwicklungsprozess eingebunden werden und somit mithelfen, den Fortschritt herbeizuführen. Dafür war es unerlässlich, dass sie ihre “atavistischen“ Bräuche und Gepflogenheiten und ihre vielen Sprachen aufgaben und sich in die Mestizen-Gesellschaft integrierten. Vorläufer dieser Integrationspolitik waren die Anstrengungen einiger Regierungen, wie der unter Juan José Arévalo in Guatemala (1944 bis 1948), Paz Estenssoro in Bolivien nach der 6
Heute versucht Argentinien gegenüber den indigenen Völkern im Norden (Missiones) und im Süden des Landes (Patagonien), die etwas mehr als 1% der Gesamtbevölkerung ausmachen, eine faire Politik zu verfolgen, was nicht immer gelingt. Es gibt eine eigene Direktion im Erziehungsministerium für “Etnoeducación“.
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Indigene Völker, Bildung und Kultur: Interkulturelle zweisprachige Erziehung
Revolution (ab 1952) und Galo Plaza in Ecuador (1948-52). Modernisierung bedeutete in dieser Politik für die indigenen Völker, ihre Identität aufzugeben, und sich einzureihen in das Heer der armen Mestizen und billigen Arbeitskräfte in den Städten. So ist es bezeichnend, dass im Auftrag der Allianz für den Fortschritt nationale Initiativen (wie etwa Misión Andina in den Anden) die staatlichen spanischsprachigen Schulen aufs Land brachten und dafür sorgten, dass die indigenen Kinder spanisch lernten. Die indigene Sprache und Kultur sollten als veraltet erkannt und aufgegeben werden, ihre Bedeutung im Lernprozess endete bei der Einführung der spanischen Sprache. Die Schule und der junge Mestize als Lehrer sowie die spanische Sprache wurden somit zum Sinnbild des Zugangs zur Gesamtgesellschaft, zu Fortschritt, Modernisierung, Technik und Konsum. Eine Institution, die diese Politik überall sinnfällig vorgeführt hat, ist die Sekte der “Wicliff Bible Translaters“, auch Summer Institut for Linguistics genannt (ILV). Ihre Missionare, unterstützt durch etliche sicher wohlmeinende und zum Teil auch kompetente Linguisten, drangen in die entlegensten Winkel vor und begannen, die Bibel in fast alle der in Lateinamerika noch vorhandenen über 500 indigenen Sprachen zu übersetzen. Anschließend wurden Schulen eingerichtet und Lehrerseminare gegründet. Dabei organisierten die Linguisten des ILV eine zweisprachige Schule, benutzten ein phonetisches Alphabet und eine ihnen eigene Methode des Spracherwerbs. Die Schüler wurden im zweiten Jahr von ihrer eigenen Sprache, in der sie alphabetisiert worden waren, weg und dem Spanischen zugeführt. In mehreren Ländern beriet das ILV mit großem Einfluss die Erziehungsministerien und hatte in der Erziehung indigener Kinder in entlegenen Urwaldgebieten praktisch ein Monopol inne. In Lima und in Bogotá besetzte es mit seinen Mitarbeitern ganze Stockwerke in den Ministerien. Sein Einfluss ist immer noch groß (z.B. in Peru). Das Modell, welches das ILV verbreitete, wird als Übergangs-Zweisprachigkeit (bilingüismo de transición, siehe unten) bezeichnet.
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Ein Merkmal der Beziehung zwischen den Mestizen-Gesellschaften und den indigenen Völkern in den Ländern Lateinamerikas war bislang die auffallende Unkenntnis der Kultur und der Sprache der jeweils anderen Seite. Die indigenen Lateinamerikaner unternehmen große Anstrengungen, um Spanisch zu erlernen und sich im “anderen“ mestizischen Lateinamerika zurechtzufinden, nicht zuletzt, um sich an den Institutionen und an der politischen Machtausübung auf allen Ebenen zu beteiligen. Das Interesse der Mestizen an den indigenen Kulturen und Sprachen wächst nur sehr langsam, selbst in Ländern, mit einer großen bis mehrheitlich indigenen Bevölkerung. Vorurteile und Rassismus sind noch immer weit verbreitet. Um eine in Frieden miteinander lebende Gesellschaft aufzubauen, kann eine interkulturelle Schule bei den Jugendlichen den Weg bereiten helfen.
4. Forderungen und Vorstellungen der indigenen Völker Im 20. Jahrhundert fand ein Bewusstseins- und Organisierungsprozess der indigenen Völker in allen Ländern Lateinamerikas statt (siehe auch STRÖBELE-GREGOR in diesem Band). Von den Aufständen in Peru in den 1920er Jahren bis zu dem Friedensschluss zwischen der Regierung und der Guerilla in Guatemala (1996) und dem Aufstand der CONAIE (Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador) im Februar 2002 in Ecuador gab es einen langen Weg von Widerstand, politischer Einflussnahme und Präzisierung verschiedener indigener politischer und sozialer Programme. Dabei wird ab Mitte des Jahrhunderts ein ausdrückliches Interesse an Bildung und Ausbildung deutlich, das sich zum ersten Mal in Peru als Forderung nach zweisprachiger Erziehung ausdrückt und seit den 1980er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den Forderungskatalogen fast aller indigenen Organisationen wiederkehrt. Im Folgenden sollen einige Beispiele diese Entwicklung belegen.
Indigene Völker, Bildung und Kultur: Interkulturelle zweisprachige Erziehung
Die Forderungen des ersten Aufstands von 1990 in Ecuador Der Aufstand des Inti Raimi (Sommersonnwendfest) 1990 hatte die ecuadorianische Mestizen-Gesellschaft überrascht. Die indigenen Völker aus dem Hoch- und Tiefland hatten mehrere Tage lang das gesamte Land blockiert und eine Liste von 16 Punkten vorgelegt, die u.a. Forderungen nach Land und Landreform enthielten, nach Durchführung von Infrastrukturmaßnahmen, nach Steuernachlass für ländliche Betriebe sowie die Forderung nach Mitteln und Stellen, um die IZE als paralleles indigenes Bildungssystem in den Provinzen zu organisieren. Der darauf folgende Erste Kontinentale Kongress Indigener Völker (1990) betont in Paragraph 3 in seiner Erklärung von Quito: “Wir unterstreichen die Entscheidung, unsere Kultur, Erziehung und Religion als grundlegende Basis unserer Identität als Völker zu verteidigen...“. Die ecuadorianische Verfassung von 1998 hat viele dieser von den indigenen Organisationen formulierten und von ihnen auf der verfassungsgebenden Versammlung vorgetragenen Forderungen aufgenommen und sowohl zusammenfassend in Artikel 84 wie auch einzeln in zahlreichen anderen Artikeln festgeschrieben. Artikel 84, Absatz 11 stellt fest: “Die indigenen Völker verfügen über ein eigenes interkulturelles und zweisprachiges Bildungssystem.“
Der Friedensvertrag von Guatemala Schon seit der Gründung der Akademie der Maya Sprachen (1990) besteht die Forderung nach einem eigenen Schulsystem in den 22 Maya Sprachen und organisiert nach den Werten und der Weltanschauung (Cosmovisión) der Maya Kultur. Diese Idee wird im Abkommen “Rechte und Identität der Indigenen Völker“ (Kapitel 3 des Friedensvertrages) aufgenommen und als ein Recht der Maya Bevölkerung festgeschrieben. Der Maya Rat für Erziehung (CNEM) wird beauftragt, ein solches System vorzubereiten. Das Ministerium für Erziehung soll den Maya bei dieser Aufgabe behilflich sein, die zweisprachige
Lehrerausbildung organisieren und die Curriculumreform auf gesamtstaatlicher Ebene vorbereiten. Für das gesamte System ist eine interkulturelle Erziehung vorgesehen, die versucht, Inhalte der Maya Kultur in die mestizischen Schulen zu bringen, um die verschiedenen Bevölkerungsgruppen einander anzunähern. Diese interkulturelle Erziehung wird ausdrücklich als Erziehung für den Frieden verstanden. In einzelnen Artikeln wird auf die Spiritualität der Maya eingegangen, auf die Gültigkeit ihres Gewohnheitsrechtes, auf die Anerkennung ihrer traditionellen Führungsstrukturen, auf den kollektiven Landbesitz und auf ihr Recht, die Verwaltung der heiligen Stätten mit dem Staat zu teilen. Auch wird von einer zukünftigen Maya Universität gesprochen. Die Erziehungsreform hat ab 1999 die IZE landesweit in allen von Maya besuchten Schulen gestattet, eine flächendeckende Umsetzung ist noch lange nicht erreicht. Der Maya Rat verfolgt die Einhaltung der Vereinbarungen von 1996, hat aber gegenüber dem Bildungsministerium nur eingeschränkte Möglichkeiten.
Die Praxis der selbstorganisierten Schulen In vielen Ländern haben indigene Organisationen und zum Teil auch einzelne Gemeinden selbst Schulen geschaffen. Die Modelle sind sehr unterschiedlich, ebenso ihr Erfolg. Es handelt sich um arme Schulen, die oft mit dem an sich schon bescheidenen Standard der staatlichen Landschulen nicht mithalten können. Das Curriculum besteht im wesentlichen im Alphabetisierungsprozess, erweitert um das Erlernen der vier Grundrechnungsarten. Dazu wurde versucht, die Kinder auf das Leben in der Gemeinschaft vorzubereiten. Dort, wo NRO oder religiöse Organisationen unterstützend eingriffen, war der Lernerfolg größer, weil die Lehrer fortgebildet und Lehr- und Lernmaterialien in den indigenen Sprachen bereitgestellt werden konnten. Es gibt in Kolumbien, Guatemala und Bolivien einige Beispiele von erfolgreichen autonomen Schulen, die zur Entwicklung der indigenen Gemeinden beigetragen haben.
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Indigene Völker, Bildung und Kultur: Interkulturelle zweisprachige Erziehung
Zu Lehrkräften bestanden und bestehen in den indigenen Gemeinden bis heute mehrere Positionen: Eine Position bevorzugt auf der Grundlage der Ablehnung von Staatsschulen als akkulturierend Lehrkräfte aus ihren eigenen Reihen (Promotorenmodell). Diese Lehrkräfte sind Gemeindemitglieder, die über anerkannte Kenntnisse verfügen und geeignet scheinen, die Kinder zu unterrichten. Oft werden sie von NRO fortgebildet. Die andere Position bevorzugt junge indigene Lehrer, die allerdings auf den Lehrerseminaren des Staates in spanisch und mit einem Curriculum ausgebildet worden sind, das die indigene Kultur und Sprache nicht berücksichtigt. Doch haben diese jungen Lehrer den Vorteil, den Unterricht so organisieren zu können, wie die Eltern dies in den Staatsschulen beobachten; dazu gehört vor allem der Unterricht des Spanischen. Zudem können auch sie, wenn sie aus der Region stammen, zwar oft mit anfänglichen Schwierigkeiten, in der indigenen Sprache unterrichten. Eine dritte Position, die weniger unter den Organisationen als unter der Elternschaft verbreitet ist, besteht auf einem Unterricht ausschließlich in Spanisch, um für ihre Kinder den Übergang in die Gesamtgesellschaft zu erleichtern, und ihre Ausgrenzung zu verringern. Hierfür werden Mestizen als Lehrkräfte bevorzugt. Bezüglich der ersten Gruppe haben die Erfahrungen gelehrt, dass das Promotoren-Modell den steigenden Anforderungen beispielsweise für einen Wechsel an weiterführende Schulen nicht gerecht wird. So forderten im Jahre 2003 auch die Paez in Kolumbien für ihre Schulen staatlich besoldete, indigene Lehrer unter Aufsicht der Organisation. Die mit der zweiten Gruppe bisher gemachten Erfahrungen sind gespalten. Viele dieser jungen Lehrer trugen zur Öffnung der Gemeinden, zum Einlass der spanischen Sprache und zu einer Entwicklung bei, die zu einer Minderung des Prestiges der indigenen Sprache und Kultur bei den Jugendlichen geführt hat.
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Bei aktiver Aufsicht und Mitarbeit der indigenen Organisationen konnten andere Ergebnisse erzielt werden. So in den Schulen der Paez im Cauca, Kolumbien; in einigen Maya Schulen in Guatemala; in den Gemeindeschulen in Cotopaxi, Ecuador und in einigen Schulen in indigener Selbstverwaltung der Mapuche in Chile. Die Mehrheit der Schulen für indigene Kinder entspricht noch immer der dritten Position, auch wenn diese nicht von allen betroffenen Dorfgemeinschaften und Stadtteilen geteilt wird. Diese Verteilung zeigt die noch immer nicht ausreichende Versorgung mit einem Angebot an IZE in den Schulen.
“Wir werden uns einsetzen, um die öffentlichen und privaten Bildungssysteme zu verändern, auf das sie die kulturelle Vielfalt eines jeden Landes anerkennen und unterrichten. Die Curricula müssen überarbeitet werden, die geschichtliche Wahrheit muss anerkannt (...) und unsere Sprachen müssen eingeführt werden.“ Aktionsplan der indigenen Völker, Johannesburg, September 2002
5. Ansätze der Entwicklungszusammenarbeit Die zweisprachige Erziehung, wie sie von den indigenen Organisationen gefordert wird, hat in den letzten zwei Jahrzehnten auch unter den indigenen Gemeinden und in den Bildungsministerien mehr Anhänger gewonnen. Erst in jüngster Zeit hat sich auch die Interkulturalität in diesem neuen Schulmodell herausgebildet. Die Schüler sollten nicht nur in zwei Sprachen beheimatet sein, sondern das Curriculum sollte aus den beiden Kulturen, der herrschenden gesamtgesellschaftlichen und der indigenen heraus gedacht und entwickelt werden. Sprache und Kultur sollten erhalten und, wo notwendig und möglich, auch entwickelt werden. Ziel ist einerseits die Verbesserung der Berufschancen der Schüler und Studierenden und eine bessere Ausgangsposition auf dem Arbeitsmarkt, andererseits aber nach wie vor die Festigung der eigenen Identität und das Erlernen und Verinnerlichen der eigenen Her-
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kunftskultur im Kontext und in der Auseinandersetzung mit der herrschenden Kultur. Seit Mitte der 1990er Jahre wurde die Diskussion erneut erweitert und in etlichen Ländern Interkulturalität als Strukturelement schulischer Bildung für alle Kinder einer multiethnischen Gesellschaft, d.h. auch für die nicht indigenen Schüler/innen eingeführt und gesetzlich verankert, vielleicht am sichtbarsten in der Bildungsreform in Bolivien. Dahinter steht die Anerkennung der verschiedenen Kulturen in einer Gesellschaft und in einem Nationalstaat als Potential und Bereicherung. Damit wird eine weitere Bedeutungsebene der IZE deutlich, nämlich der Beitrag, den Schule und Bildung zum Aufbau offener, multikultureller Gesellschaften leisten können. Eine besondere Bedeutung gewinnt diese Dimension in ehemaligen Bürgerkriegsländern, wie Nicaragua und Guatemala. Die Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere die deutsche EZ hat zur Entwicklung zweisprachiger interkultureller Schulmodelle in Lateinamerika entscheidend beigetragen.
Das Modell Puno (Peru) In Puno wurde seit 1975 vom peruanischen Erziehungsministerium mit Unterstützung der deutschen EZ ein zweisprachiges Grundschulmodell für Spanisch-Quechua und Spanisch-Aymara entwickelt. In seinen 20 Jahren hat dieses Projekt eine Vorreiterrolle eingenommen und Produkte hervorgebracht, die in anderen Projekten in Lateinamerika übernommen wurden und andere Modelle inspiriert haben. Wichtig und beispielhaft war die Erarbeitung von Lehr- und Lernmaterialien für sämtliche Fächer und für die sechs Grundschuljahre. Dabei spielte die schulgerechte Aufbereitung der Forschungsergebnisse über die Inhalte der beiden andinen Hauptkulturen eine große Rolle. So gab es Handbücher zur Aymara Mathematik, zur andinen Naturwissenschaft und Lesestoff, Legenden, Erzählungen und Sagen in den drei Sprachen. Für die Vermittlung von Spanisch als Zweitsprache für indigene Kinder wurde eine eigene Methodik entwickelt.
Neue Fachdidaktiken wurden eingeführt und Lehrer zweisprachig weitergebildet. Aus dieser Ausbildung entwickelte sich dann ein Postgraduiertenstudium an der Universität in Puno, in dem sich dank eines international zugänglichen Stipendiensystems zahlreiche Fachkräfte der IZE aus Bolivien und Ecuador qualifiziert haben.
Ansätze in Ecuador, Guatemala, Bolivien Das Projekt Educación Bilingüe Intercultural (Ministerio de Educación – GTZ) hat 1985 in den zentralen Hochlandprovinzen in Ecuador mit 75 Versuchsschulen angefangen. Jährlich wurden die Materialien und das Curriculum fortgeschrieben, zur Erstellung der Textbücher und Lehrerhandreichungen kam die Lehrerfortbildung, die handwerkliche Produktion von konkretem Lehr- und Lernmaterial, die Forschungsarbeit und die Herausgabe von Grammatiken und Wörterbüchern in kichwa7, sowie die Edition einer 13-bändigen Reihe zu Pädagogik, Schulgeschichte, Didaktik etc. hinzu (vgl. ABRAM, 1991; KÜPER-VALIENTE, 1993). Das Vorhaben entwickelte sich weiter zur Unterstützung des seit 1989 etablierten parallelen IZE Bildungssystems und wurde 2000 abgeschlossen. In Guatemala begann das Proyecto de Educacion Maya Bilingue Intercultural (MECGTZ), im Jahre 1995, mit einem Einstieg über die Lehrerausbildung in fünf Maya Lehrerseminaren. Versuchsschulen und eine Gruppe von weiteren 25 privaten Lehrerseminaren (ACEM) wurden ebenfalls in dem Vorhaben gefördert. Materialien für die zweisprachige Lehrerausbildung und ein Curriculum für die IZE Lehrerausbildung wurden in Zusammenarbeit mit mehreren Universitäten erarbeitet. Das Curriculum wurde an verschiedenen Instituten erprobt und als Grundlage für die gesamte IZE Lehrerausbildung des Landes befristet übernommen.
7
Die Sprache der Inkas, die sie selbst als runa shimi (Sprache der Menschen) bezeichnet haben, wird in Peru Quechua genannt. Die regionale Variante in Ecuador bedient sich nur der drei Vokale a i und u und wird folglich als Quichua (in der neuen Schreibweise: kichwa) bezeichnet.
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In Bolivien unterstützte die deutsche EZ die Bildungsreform durch ein Projekt zur IZE Lehrerausbildung. Die Reform ist unter den letzten beiden Regierungen nicht zügig fortgeführt worden. Grundlagen (Methoden, Texte und die Qualifizierung von Ausbildern) für die grundständige Ausbildung von Lehrkräften in IZE für Quechua und Aymara wurden in vier Ausbildungszentren erprobt und bei Beendigung des Projektes 2004 dem bolivianischen Bildungssystem übergeben.
Kurze Charakterisierung des von der deutschen TZ geförderten IZE Modells Die Projekte wurden in einer Dreiecksstruktur zwischen Erziehungsministerien, indigenen Organisationen und der deutschen Entwicklungszusammenarbeit organisiert. Absicht war dabei, sowohl in den Ministerialbürokratien wie in den indigenen Organisationen Fachpersonal auszubilden. Das im Rahmen der o.g. Projekte entwickelte Modell wendet sich vor allem an indigene Kinder und Jugendliche. Es besteht in einer IZE Grundbildung, in der der Unterricht und das Lernen in den beiden Sprachen und den beiden Kulturen zu einer koordinierten sprachlich-kulturellen Kompetenz der Schüler führt, ihre Identität und Selbstachtung stärkt, ihr Lernen fördert und sie befähigt, im interkulturellen Dialog mit Jugendlichen anderer Kulturen und Sprachen ihre Berufschancen und Lebensbedingungen zu verbessern. Dazu werden die Kinder in ihrer eigenen Muttersprache alphabetisiert und erlernen das Spanische (Portugiesische) als Zweitsprache, zunächst mündlich, dann, ab der zweiten Klasse, auch schriftlich. Ab der dritten und bis zur sechsten Klasse werden die einzelnen Fächer in beiden Sprachen unterrichtet. Die Inhalte der indigenen Kultur sind systematisch im Curriculum verankert. Das IZE Modell ist ohne pädagogische Reform nicht denkbar, es ist kindzentriert und nutzt aktive Methoden des entdeckenden Lernens. Das Curriculum soll möglichst praktisch ausgerichtet werden (Schule und Arbeit, Schulprojekte, berufliche Hinführung usw.).
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Die wissenschaftliche Begleitung durch Fachinstitute und Universitäten findet vor allem im Bereich der Evaluierung statt, um die Erfolge der Schüler zu messen.
Andere Modelle a) Zweisprachige Übergangserziehung (Bilingüismo de transición): Dies war das Modell der fünfziger und sechziger Jahre, vor allem vom ILV und anderen Missionen, z.T. auch von Staaten (Guatemala) favorisiert. Die Sprache der Kinder wird zur Alphabetisierung benutzt, um dann umso schneller und effektiver zur dominanten Sprache überzuleiten, und die Kinder “der Zivilisation zuzuführen“. Dabei wird die Herkunftskultur abgewertet. In den Ländern, in denen die Einführung von IZE grundsätzlich auf erheblichen Widerstand in der Bildungsverwaltung stößt, wird auch weiterhin dieses Modell als Minimalkonsens umgesetzt. b) Zweisprachige Erziehung: In diesem Modell werden die beiden Sprachen benutzt, meist auch bis zum Ende der Grundbildung. Das Curriculum ist aber das allgemeine und die Herkunftskultur der Kinder spielt keine besondere Rolle. Die Texte und Übungen sind fast immer Übersetzungen aus der dominanten Sprache in die Muttersprache, die somit nicht als Trägerin und Vermittlerin eigener, kulturell diverser Inhalte auftritt. Die andere Kultur ist also nicht gegenwärtig. Auch dieses Modell findet als Minimalkonsens Anwendung, u.a. weil es auf der Grundlage einfacher sprachlicher Übersetzungen von Curricula und Schulbüchern funktioniert und somit kostengünstiger ist als das Modell der IZE. c) Die indigene oder endogene Erziehung: Es ist die Schule für indigene Kinder, von den Dörfern, Gemeinden und indigenen Organisationen eingerichtet und geführt. Dieses Modell hat viele Namen und mehrere Varianten. Die Ältesten und die Führer spielen eine große Rolle in der Weitergabe des Wissens und der Kenntnisse der Kultur. Spiritualität und Tradition sind zentrale Themen. Große Anstrengungen werden unternommen, um das traditionelle Wissen zu erforschen und curricular zu vermitteln. Oft werden diese Schulen im Gegensatz zur akkulturierenden, mestizischen
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Staatsschule gegründet und mit viel Eigeninitiative am Leben erhalten. Die Lehrer sind meist pädagogisch befähigte Gemeindemitglieder, die über ein gewisses Wissen verfügen und oft durch NRO oder indigene Organisationen fortgebildet werden. Dieses Modell hat eine entscheidende Rolle in dem Prozess der indigenen Völker gespielt, sich gegenüber den Mehrheitsgesellschaften zu positionieren (Guatemala, Brasilien, Warisata in Bolivien in den 1950er Jahren, usw.) und ist heute weiterhin u.a. bei verschiedenen Völkern in Kolumbien, bei einzelnen Amazonasvölkern, Maya und Guarani von Bedeutung. Der Gedanke der “autonomen Schule“ wird auch in den Bildungssystemen anderer Länder diskutiert. So übernehmen in Ecuador die indigenen Völker die Verantwortung für die staatliche Schule in ihren Territorien.
6. Lessons learned Die IZE hat Erfolge aufzuweisen, die die Behauptung erlauben, dass sie ein besseres Modell darstellt als die einsprachige monokulturelle Land- oder Vorstadtschule für indigene Kinder (KÜPER & LOPEZ, 2002; ROCKWELL, 1989; MOYA, 1996). Die zentralen Erfolge der IZE sind die Stärkung der kulturellen Identität der Schüler/innen, bessere Lernleistungen und mehr Chancen für Mädchen.8 Die Verwendung der Muttersprache als Unterrichtssprache führt zu höheren Kompetenzen im Lesen, Mathematik, Naturwissenschaften und in der Zweitsprache (CUMMINS, 2000; BERGMANN, 1999). Insbesondere in Fächern mit hohem Verbalisierungsgrad wie Sprache und Mathematik führt IZE zu besseren Leistungen (ROCKWELL, 1989). Die IZE Schulen lassen eine Tendenz erkennen, die klassischen Differenzen zwischen Mädchen und Jungen bezüglich Einschulung, Wiederholung und Schulabbruch zu verringern: auch Mädchen, die traditionellerweise mit weniger Spanischkenntnissen als Jungen in die Schule kommen, lernen mit IZE länger und erfolgreicher. 8
Defizite bestehen in Methoden und Materialien. Bislang konzentrieren sich die methodischen Ansätze auf Schüler/innen mit bei Schuleintritt guten mündlichen Kenntnissen in der indigenen und geringen oder keinen Kenntnissen in der nationalen Sprache. Mit Kindern, die mit der dominanten Sprache aufwachsen und die indigene Sprache als Zweitsprache erwerben, gibt es noch wenige Erfahrungen. Ebenso wenig bestehen Modelle für IZE in Schulklassen mit mehr als zwei Sprachen, beispielsweise in Vorstadtschulen und mit heterogenen Sprachkenntnissen innerhalb einer Gruppe.
Die Rolle der Indigenen Organisationen Der Unterricht in der Muttersprache ist noch nicht selbstverständlicher Teil der allgemeinen Bildungspolitik in Lateinamerika. Zwischen dem Fehlen einer geeigneten Sprachpolitik von Seiten der Regierungen und dem Widerstand vieler Eltern versuchen die indigenen Organisationen ihre eigene Politik zur Verbreitung und flächendeckenden Anwendung der IZE voranzutreiben. Es hat sich sehr schnell herausgestellt, dass IZE Programme und Projekte ohne die Mitarbeit und Zusammenarbeit mit den maßgeblichen indigenen Organisationen nicht funktionieren. Die indigenen Völker haben ihre eigenen Autoritäten, deren aktive Beteiligung an IZE von großer Bedeutung ist. So ist die gesamte Umfeldarbeit am besten von den indigenen Organisationen zu leisten. Die zeitlichen Rhythmen der Entwicklungsprojekte und der indigenen Organisationen stimmen nicht überein. Indigene Organisationen benötigen mehr Zeit für Konsensbildung. Bei genauerem Eingehen auf die jeweiligen Bedingungen und bei partnerschaftlichem Planen erweist sich, dass Nachhaltigkeit in Regionen mit indigener Bevölkerung nur durch die Zusammenarbeit mit ihren Organisationen erreicht werden kann. Dies gilt nicht nur für Bildungsvorhaben, hier aber in besonderer Weise, da IZE sowohl in die Bildungsadministration als auch in die Elternschaft vermittelt werden muss.
Vgl. KÜPER & LOPEZ (2002)
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Indigene Völker, Bildung und Kultur: Interkulturelle zweisprachige Erziehung
Foto: Schule in Guatemala (A. BEGEMANN)
Die Elternarbeit IZE fördert die Teilnahme der Gemeinschaft und versetzt die Schule als den Ort intergenerationellen Lernens in deren Mittelpunkt. Die Arbeit mit der Gemeinde und mit den Eltern ist in der IZE eine wichtige Voraussetzung des Erfolgs. Der Lernprozess wird somit zu einem sozialen Ereignis und die Eltern lernen mit. Dies gilt insbesondere in ländlichen Regionen: Die Schule wird zu einer dorfeigenen Institution und kann weitere Funktionen übernehmen, wie Alphabetisierung der Erwachsenen, Weiterbildung, Initiation von Projekten im Kunsthandwerk, in der Landwirtschaft, in der Aufzucht von Kleintieren usw.
Notwendige Aus- und Weiterbildung Eine große Herausforderung an EZ-Projekte ist die Heranbildung, Ausbildung und Fortbildung indigener Führungskräfte und Fachkräfte. Diese sollen in die Lage versetzt werden, alle Aspekte einer Bildungsreform selbst in die Hand zu nehmen. Erst in den letzten Jahren gibt es vereinzelt auch indigene Funktionäre in den Ministerien und indigene Mitarbeiter/innen
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in verantwortlichen Positionen in den Projekten.
Lesestoff in indigener Sprache Damit Lesen und Schreiben in indigenen Sprachen als sinnvoll erfahren wird, brauchen die Neuleser Lesestoff. Bisher fehlen Texte und geeignetes Lesematerial in den indigenen Sprachen für die höheren Klassen, für die Sekundarstufe sowie für die Freizeit. Literatur in indigenen Sprache muss gefördert werden. Ob es sich um das bereits traditionelle Sammeln von Legenden, Sagen und Erzählungen handelt, um literarische Texte oder um die Edition von alten Texten, all dies belebt die Sprache und eröffnet die Möglichkeit, in der eigenen Sprache zu lesen. Auch das vielfältige Wissen indigener Völker, das vor allem für die Nutzung in Schulen noch systematisiert werden muss, kann in indigenen Sprachen vorgelegt werden. Daneben muss das Schreiben in den indigenen Sprachen allgemein gefördert werden, an Zeitschriften ist zu denken, und vielleicht auch an Zeitungen. Seminare zum Schreiben, die an allen Universitäten für das Spanische ab-
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gehalten werden und sich eines großen Interesses erfreuen, können auch für indigene Sprachen eingeführt werden.
Erforschung und Adaptation kultureigener Lern- und Lehrweisen Bislang ist es nicht gelungen, Elemente einer kulturgebundenen Pädagogik in die Modelle für IZE einzubauen. Meist bleibt es bei den sporadischen Auftritten von Ältesten und Weisen. Kultureigene Formen der Wissensvermittlung sind oft unbekannt. Jede Kultur besitzt eine ihr eigene Methode, Tradition, Wissen, Weisheit und Kenntnisse an die nächstfolgende Generation weiterzugeben und zu erreichen, dass diese die Tradition übernimmt und die in ihr enthaltenen Werte als die eigenen akzeptiert. Dies erfolgt in einem dialektischen Prozess von Annahme, Anpassung und Neuerfindung. Diese Methoden sollten erforscht und als pädagogische Ansätze für das Curriculum der IZE weiterentwickelt und umgesetzt werden.
gesamten und überaus reichhaltigen Bereich “Bildung, Kultur und indigene Völker“ vertreten. Dazu wurde der enorme, erst in Teilen erforschte Reichtum an Sprachen und Kulturen der indigenen Völker auf die Bildung der jungen Generationen verengt, auch deshalb, weil die EZ nur über IZE die Thematik bearbeitet. Die deutsche EZ ist in diesem Arbeitsfeld in Lateinamerika in einem Schlüsselbereich für das Überleben und die Entwicklung der indigenen Gesellschaften aktiv. Sie hat an der Entwicklung des IZE Modells entscheidend mitgearbeitet und es in verschiedenen Fällen erreicht, gemeinsam mit den indigenen Organisationen den Staat zur Wahrnehmung seiner Bildungsverantwortung den indigenen Völkern gegenüber zu bewegen. Dabei sollte auch aufgezeigt werden, dass die IZE zwar nur ein Teil des Bildungssystems ist, aber den Kernbereich der Bildung für indigene Jugendliche darstellt, in dem heute die pädagogischen und didaktischen Erneuerungen stattfinden und Aufbauarbeit für die demokratische, multikulturelle Gesellschaft von morgen geleistet wird.
Sprachenpolitik Ohne eine Sprachenpolitik, die den Gebrauch der beiden Sprachen auf alle Dimensionen des Lebens ausdehnt (soziale Zweisprachigkeit), ist die IZE mittelfristig zum Scheitern verurteilt. Wenn die herrschende Kultur und Sprache alle Bereiche des öffentlichen Lebens besetzt und die indigene Sprache auf die Familie und das häusliche Leben zurückgedrängt wird, selbst in mehrheitlich von indigenen Bürgern bewohnten Dörfern oder Stadtvierteln, kann keine Wiederbelebung der Sprache und keine Angleichung an das Prestige der dominanten Sprache stattfinden. Die Kinder und ihre Eltern merken schnell, ob das bewusste Sich-Aneignen der eigenen Kultur und Sprache außerhalb der Schule Bedeutung hat und Prestigegewinn einbringt. Das heißt, IZE ist nicht nur eine Angelegenheit der Bildungspolitik, sondern der allgemeinen Kultur- und Sprachenpolitik eines Landes.
7. Schlussbemerkung Dieser kurze Überblick über Interkulturelle Zweisprachige Bildung soll beispielhaft den
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“QA AT TJA QXNAQ´S IK TZAN TQAN Q´IJ NMEQ´SAN QE QWITZIK” Escuela, el sol que calienta los sueños – Educación autogestionada en Guatemala Llegar hasta la aldea Cruz Quemada Santa Bárbara no fue fácil, pero una vez que se llegó, la luz que se abría paso por entre las hojas de los árboles grandes y frondosos iluminó los rostros alegres e inquietos de niños y niñas quienes sabían que algo novedoso ocurría. Los adultos nos recibieron con un cálido apretón de manos impregnadas del color de la tierra que durante generaciones han trabajado. Ahí estaban todos, esperando la llegada de un grupo de desconocidos que les llevan la noticia que por años habían esperado: pronto podrían tener la escuela que tanto habían soñado. Más que la mitad de los casi 12 milliones de Guatemaltecos son indígenas. En el país se habla 21 idiomas mayas, el xinca y el garífuna. Los idiomas mayas mayoritarios son el Kíche´, el Mam, el Kaqchikel y el Qéqchi´, los cuales reúnen más de 2.7 millones de habitantes. Aproximadamente el 30% de los niños y niñas en su mayoría indígenas no tenían acceso a la educación básica en 1996 cuando se inició el Programa Nacional de Autogestión para el Desarrollo Educativo –PRONADE. Es un mecanismo que facilita el acceso de las comunidades a la educación, especialmente en áreas rurales lejanas y desatendidas. A la vez promueve modalidades de participación protagónica de las comunidades. La estrategia del trabajo de PRONADE consiste en organizar “Comités Educativos (COEDUCA)”, quienes cuentan con respaldo legal para administrar el servicio educativo en las comunidades. Instituciones privadas, denominadas Instituciones de Servicios Educativos –ISE– acompañan a los Comités Educativos en las tareas que desempeñan bajo lineamientos del Ministerio de Educación. Los logros están a la vista: hasta marzo del 2004, 444,917 niños y niñas son atendidas por 14,575 docentes en 4,559 comunidades. El 60% de la población atendida es indígena y como política interna del PRONADE se exige que sean atendidos por maestros y maestras que hablan el idioma de las comunidades. Para su labor, PRONADE cuenta con el apoyo de KfW y del Banco Mundial. A estas alturas del siglo XXI, no todos los niños y niñas son cobijados en una escuela; Guatemala tiene mayor déficit al respecto. Sin embargo, muchas personas siguen soñando con la diferencia que puede hacer en sus vidas el sólo tenerla. Quizá don Ramón López, padre de familia de la aldea Cruz Quemada Santa Bárbara tiene razón cuando dice en su idioma mam que “QA AT TJA QXNAQ´S IK TZAN TQAN Q´IJ NMEQ´SAN QE QWITZIK” (Tener escuela es como que el sol caliente los sueños). Podemos ayudar a que esos sueños se tornen realidad. ANTJE BEGEMANN, IPC/ KfW, Guatemala
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Indigene Völker und Gesundheit
Indigene Völker und Gesundheit KLAS HEISING & SYLVIA REINHARDT
In den letzten Jahrzehnten haben sich die Lebensweise und die Umwelt der indigenen Bevölkerung Lateinamerikas stark verändert. Die Gesundheitssituation ist in den meisten indigenen Gemeinden, insbesondere aufgrund der beträchtlichen Armut, als prekär einzustufen. Der häufig fehlende oder erschwerte Zugang zu Gesundheitsdiensten, soziale Probleme, Umweltverschmutzungen, mangelhafte Nahrungsversorgung, unzureichende Hygienepraktiken und fehlender Zugang zu (Trink-) Wasser sind oft der Grund für Krankheiten und Epidemien. Die heutige Gesundheits- und Hygienesituation der indigenen Bevölkerung wurde durch die jahrhundertelange Abhängigkeit und Marginalisierung verursacht, wie auch die Panamerikanische Gesundheitsorganisation PAHO (Panamerican Health Organization) bei ihrer Sitzung von Winnipeg im Jahre 1993 feststellte. Traditionelle Praktiken und Kenntnisse zur Gesundheitsvorsorge und Hygiene sowie zur Behandlung von Krankheiten etc. gehen verloren und werden kaum noch angewendet, weil sie in der heutigen Lebenssituation als nicht mehr angepasst empfunden werden. Meist haben indigene Bevölkerungsgruppen eine weit höhere Sterblichkeits- und Anfälligkeitsrate für Krankheiten als die übrige Bevölkerung der jeweiligen Nationalstaaten was ihren im Vergleich niedrigeren Lebensstandard und sozialen Status reflektiert (vgl. PAHO, 1993). So liegt die Lebenserwartung der indigenen Bevölkerung ca. 10 bis 20 Jahre unter der der übrigen Bevölkerung eines Landes (PAHO, 2004a). Bestehende staatliche Gesundheitsprogramme tragen den spezifischen soziokulturellen Rahmenbedingungen der indigenen Bevölkerung bisher kaum Rechnung. Oft fehlt neben den notwendigen ökonomischen Ressourcen auch der politische Wille (vgl. PAHO, 1993).
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Säuglings- und Müttersterblichkeit Als grober Indikator für die Gesundheitssituation eines Landes eignet sich die Säuglingssterblichkeit (Anzahl der Säuglinge, die im ersten Lebensjahr sterben pro 1000 Neugeburten), da diese von der Qualität und dem Zugang zur öffentlichen und privaten Gesundheitsversorgung, den Hygiene- und Gesundheitspraktiken und der allgemeinen Lebenssituation der Bevölkerung abhängt. Tabelle 1 zeigt Säuglingssterblichkeitsraten in Ländern Lateinamerikas, die zwischen 19 und 56 liegen, während eine beispielhafte Untersuchung verschiedener indigener Völker in den gleichen Ländern Zahlen zwischen 81 und 145 aufweist. Tabelle 1: Beispiele zur Säuglingssterblichkeit in ausgewählten Ländern (eigene Zusammenstellung) Land
Landesdurchschnitt der Säuglingssterblichkeit in 2003 (von 1000 Lebendgeburten)
Durchschnitt der Säuglingssterblichkeit der indigenen Bevölkerung (von 1000 Lebendgeburten)
Deutschland
4
Kolumbien
19
111 (Wayu)
Brasilien
31
106 (Xavante)
Ecuador
30
62 (Quichua, Provinz Cotopaxi)
Bolivien
56
145 (indigene Gruppen im Chaco)
Mexiko
40
81 (Tzotzil)
Peru
43
99 (Ashaninka)
Quelle: Gesundheitsministerien; UNO; PAHO; PIÑEROS-PETERSEN, 1998
Oft ist die Gesundheitssituation indigener Völker noch schlechter, als die auf Provinz-, Departement- oder nationaler Ebene aggregierten Daten vermuten lassen. Viele Todesfälle werden durch die generell unzureichenden Datenerhebungen der staatlichen Gesundheitsdienste nicht erfasst, da diese in den Ge-
Indigene Völker und Gesundheit
bieten der indigenen Bevölkerung wenig präsent sind. Eine neuere Studie der PAHO (2004b) belegt, dass die Raten der Säuglingsund Müttersterblichkeit in indigenen Gemeinden zu den höchsten Amerikas gehören. In Guatemala beispielsweise ist die Sterblichkeit indigener Frauen bei der Geburt 300% höher als der Landesdurchschnitt. Ursachen für die starken intranationalen Differenzen sieht PAHO u.a. in der geringen Sensibilität und dem unzureichenden Verständnis für traditionelle Praktiken der Gesundheitsarbeiter, im Kommunikationsmangel mit den indigenen Patienten, aber auch darin, dass die Ausdehnung der medizinischen Versorgung in indigenen Gemeinden keine Priorität in der Gesundheitspolitik hat.
von Risikofällen auf lokaler Ebene mit indigenen Hebammen zusammen. Entbindende Mütter geben Hebammen den Vorzug vor Krankenhäusern. Ihnen wird von den indigenen Frauen weit mehr Vertrauen entgegengebracht und damit verfügen sie wiederum über mehr Einflussmöglichkeiten. Außerdem soll im Rahmen des Projektes gemeinsam von Projektmitarbeitern der PAHO und Hebammen eine Strategie entwickelt werden, traditionelle Medizin und Praktiken in den öffentlichen Gesundheitsdienst zu integrieren, um den schwangeren Frauen kulturell angepasste und/ oder schulmedizinische Dienste anbieten zu können (PAHO, 2004b).
Ein Beispiel soll die kulturelle Barriere, die zwischen einem westlichen Mediziner und einer indigenen Frau bestehen kann, verdeutlichen: “Undressing during childbirth for us is synonymous with death“ says Gonzáles. "When a pregnant woman goes to a health center, the first instruction she is given, is ‘Take off your clothes.' At that moment, a barrier has been erected between the physician and the Aymara woman, because Aymara women believe that at the moment of delivery there is an opening of the entire body. If our body has opened, we should cover ourselves much more because the cold can penetrate us. Penetration of the cold will result in illness. Furthermore there is not only an opening of the physical body, but of the place where the spiritual body exits and enters, which will require other care..." (PAHO, 2004b).
Es treten eine Vielzahl von Krankheitsbildern auf, die von der Lebensweise, den klimatischen Bedingungen und der Verfügbarkeit und Qualität der öffentlichen und traditionellen Gesundheitsversorgung bei der indigenen Bevölkerung abhängen.
Um diesem Problem entgegenzutreten, arbeitet beispielsweise die PAHO in Bolivien zur Verbesserung der sanitären Verhältnisse während der Entbindung und zur Identifizierung
Krankheitsbilder
Für einige kleinere Völker, die manchmal erst seit einer oder zwei Generationen Kontakt mit der “westlichen“ Kultur haben, stellen neue übertragbare Krankheiten wie Virenerkrankungen etc. eine existenzielle Gefahr dar. Da sie weder die Möglichkeit hatten, biologisch eine Immunität noch kulturell Therapien gegen diese zu entwickeln, sind sie schutzlos. Insbesondere aufgrund ihrer sich wandelnden Umwelt, was u.a. die Auflösung sozialer Strukturen, Verarmung, Identitätskrise und Legitimationsverlust der traditionellen Autoritäten mit sich führt, befinden sich indigene Völker in einer schwierigen Orientierungssituation, die auch zu psychosomatischen Krankheitsbildern führen kann.
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Indigene Völker und Gesundheit
Kasten 1: Beispiele häufig auftretender Erkrankungen indigener Völker in Lateinamerika (Ausgewählt aus PAHO-Länderprofilen, 1998) Bolivien:
Bei den Indigenen des Chaco und des Oriente tritt Tuberkulose 5- bis 8-mal häufiger auf als im Landesdurchschnitt.
Magendarmerkrankungen sind die häufigste Todesursache bei Kindern Honduras:
95% der unter 14-jährigen Indigenen sind unterernährt. 68% der Todesfälle sind auf ansteckende Infektionskrankheiten zurückzuführen. Die Lebenserwartung indigener Männer wird auf 36 Jahre, die der Frauen auf 43 Jahre geschätzt. Panama:
Bei den Kuna in San Blas sind Lungenentzündungen 6-mal, Tuberkulose 80-mal häufiger als im Landesdurchschnitt Venezuela:
Studien des Tropeninstituts “Simon Bolivar“ weisen darauf hin, dass bis zu 84% der Yanomami sich im Laufe ihres Lebens mit Hepatitis B infizieren.
In einigen Dörfern sind bis zu 74% der Bevölkerung mit Flussblindheit (Onchozerkose) infiziert.
Armutskrankheiten? Ja, aber… Indigene leiden überproportional an sogenannten “Armutskrankheiten“ wie Diarrhoe, Lungenentzündungen, Mangelernährung, Masern, Bronchitis, Tuberkulose, Hauterkrankungen oder Parasiten. Im Rahmen einer Basisstudie im Jahre 2001 eines Umweltgesundheitsprojektes der GTZ (zusammen mit der PAHO) in zwei Hochland- und einer Amazonastieflandgemeinde Perus, wurde festgestellt, dass zwischen 66% und 94% der untersuchten Indigenen von einem oder mehreren Darmparasiten befallen waren. Die Vermutung liegt nahe, dass Indigene von diesen Krankheiten betroffen sind, weil sie besonders arm sind. Das ist zwar richtig, jedoch würde die Schlussfolgerung, dass mit einem Armutsbekämpfungsprogramm eben auch diese Krankheiten verschwinden würden, deutlich zu kurz greifen. Es gibt spezifische Faktoren, die wesentlich zur schlechten Gesundheitssituation der indigenen Bevölkerung beitragen und eine auf indigene Bevölkerung orientierte Gesundheitspolitik nahe legen. Dazu gehören u.a.: Veränderungen der Umwelt und der Lebensweisen der Indigenen: z.B. Ver-
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drängung traditioneller Praktiken, veränderte Ernährungsweisen aufgrund von Änderungen in der Bewirtschaftung oder durch Umweltverschmutzungen. Beispielsweise haben Indigene des Amazonastieflands ihren Proteinbedarf fast ausschließlich durch Fischfang gedeckt. In vielen Gemeinden ist das Fischaufkommen heute durch Übernutzung stark zurückgegangen oder die Fische sind durch Industrie- und Bergbauabwässer so stark belastet (Quecksilber), dass ihr Verzehr gesundheitsgefährdend geworden ist. Unzugängliche Lage vieler indigener Gemeinden, wodurch kein regelmäßiger Zugang zu Gesundheitsleistungen möglich ist. Ein anderes Verständnis der indigenen Völker von Gesundheit und Krankheit sowie die Existenz von komplexen traditionellen Gesundheitssystemen, die mit der Schulmedizin in Konflikt geraten (siehe unten). Konzeption staatlicher oder EZ geförderter Gesundheitsprogramme: Staatliche Programme tragen den spezifischen soziokulturellen Rahmenbedingungen oft nicht ausreichend Rechnung; sie
Indigene Völker und Gesundheit
sind meist sehr technisch (z.B. Trinkwasserversorgung) oder ausschließlich auf die Schulmedizin orientiert. Es gibt keine spezifischen, an die Anforderungen der indigenen Bevölkerung angepassten Angebote und Dienstleistungen. Die zentralistische Praxis, Programme in der Hauptstadt zu planen und von dort zu steuern, verstärkt diese Tendenz. Mangelhafte Einbeziehung der indigenen Bevölkerung, insbesondere der Frauen, in die Planung und Durchführung von Gesundheits- und Aufklärungskampagnen behindern die Akzeptanz und Nachhaltigkeit von Verbesserungen in den indigenen Gemeinden. Fehlende kulturell angepasste Gesundheitserziehung in den indigenen Gemeinden sowie unzureichende Ausbildung und fachliche Begleitung der indigenen Gesundheitsberater.
... und die Gesundheit indigener Frauen? Die Gesundheit indigener Frauen steht in Abhängigkeit zu ihrem meist noch untergeordneten sozialen Status sowohl in der ehelichen, familiären Beziehung als auch in der jeweiligen nationalen Gesellschaft. Aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihres Geschlechts und meist ländlichen Herkunft bzw. ihrer Armut sind sie dreifach benachteiligt. Frauen sind in ihrer sozialen Rolle verantwortlich für die Kindererziehung, die tägliche Haushaltsarbeit und in vielen Gemeinschaften auch für den Feldbau. Die schweren und zeitaufwendigen Arbeiten lassen selten andere Aktivitäten wie Bildung, Teilnahme an Gemeindeversammlungen oder Gesundheitsvorsorge für sie und ihre Kinder zu – was auf ihre Gesundheitssituation große Auswirkungen hat (PAHO, o.J.). Außerdem verschließt ihnen ihr gesellschaftlicher Status oft die Beteiligung. Gesundheitsprobleme von Frauen treten sehr oft in Verbindung mit der Reproduktion auf (u.a. frühe Schwangerschaften, Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, Anämie). Oft sind Frauen Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch, was zu psychischen Traumata, Ängsten führt (PAHO, o.J.).
Viele indigene Frauen bevorzugen bei der Geburt die Betreuung durch traditionelle Hebammen anstelle von Gesundheitsstationen und Krankenhäuser. Einige der ausschlaggebenden Faktoren sind größeres Vertrauen, muttersprachliche Betreuung während Schwangerschaft und Geburt, Geburt in der Hocke (anatomisch sinnvoller), Wahrung der Privatsphäre sowie die Möglichkeit Zeremonien beizubehalten. Zum Beispiel die Ehrerweisung an die Plazenta im andinen Raum: Der Plazenta wird in einer Zeremonie dafür gedankt, dass sie das Kind ernährt und begleitet hat, und sie wird in einigen Fällen rituell bestattet oder verbrannt. Die gängige Praxis der Gesundheitsstationen, die Plazenta entweder wegzuwerfen, oder an die Kosmetikindustrie zu verkaufen, ist für viele werdende Mütter ausschlaggebend, sich nicht an diese zu wenden. Außerdem setzen staatliche Programme und Fördermaßnahmen oft Mitarbeiter ein, die ausschließlich spanisch sprechen, und sich aufgrund der meist mangelnden Spanischkenntnisse der Frauen, eher an die Männer richten. So werden medizinische Behandlungen von dem technischen Personal oft im Vorfeld nicht erklärt bzw. das Recht der Patientin auf eine Aufklärung nicht respektiert.
Verständnis indigener Völker von Gesundheit und Krankheit und deren Behandlung Jede Kultur versteht etwas anders unter Krankheit und Gesundheit. Wann einer Missbefindlichkeit Krankheitswert beigemessen wird, hängt von individuellen und kulturellen Variablen ab. Unsere westlichen Definitionen, die auf das körperliche, geistige und seelische Wohlbefinden abzielen, gehen von einer christlichen Konzeption des Menschenbildes aus. Wenn Körper und Seele, entsprechend eines anderen Weltbildes, anders verstanden werden, passen diese Definitionen nicht mehr. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt Gesundheit als Zustand "of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity” (WHO, 1946).
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Indigene Völker und Gesundheit
Foto: Behandlung in einer indigenen Gemeinde in Peru (K. HEISING)
Viele indigene Völker sehen in Krankheiten die Folge eines Ungleichgewichtes des Geistes und der Seele des Einzelnen oder der Gemeinschaft, die z.B. durch bösen Zauber, Geister oder Dämonen verursacht werden können. Bei Krankheiten wird zwischen natürlichen und übernatürlichen Ursachen unterschieden, was sehr komplexe und ausdifferenzierte Behandlungssysteme hervorgebracht hat, die von verschiedenen Personen der Gemeinschaft wie z.B. Schamanen, Kräuterheilern, Pflanzenexperten, Knochenrichtern, Kräuterfrauen oder Heilkundigen praktiziert werden (siehe Kasten 2). Die Besonderheiten der lokalen Heiler liegen in ihrer Kompetenz, Autorität und Berufung. Meist haben sie eine lange Initiationszeit bis sie ihre Anerkennung als Heiler erfahren. Die Erklärungsmodelle des Heilers und des Patienten stammen meist aus demselben kulturellen Umfeld. Heiler beheben Gesundheitsstörungen indem sie kulturell akzeptierte und erprobte Methoden anwenden. Ihre Funktion ist meist umfassender als die der westlichen Ärzte, denn auch soziale, psychische, spirituelle Aspekte gehen in die Behandlung ein. Dabei wird der Heiler oft zum
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Mittler zwischen der Gemeinschaft und der übernatürlichen Welt. Bei Behandlungsmethoden gibt es einen entscheidenden und interessanten Unterschied: Während in der modernen Medizin z.B. bei psychischen Erkrankungen dem Patienten psychoaktive Substanzen verabreicht werden, ist es in der traditionellen Medizin meist der Heiler der diese zu sich nimmt, um die Diagnose zu erstellen, und die weitere Behandlung zu bestimmen. Es gibt auch Krankheiten, die in einem Volk so stark verbreitet sind (endemische Krankheiten), dass sie von diesem kaum mehr als Krankheit wahrgenommen werden. PAHO und GTZ begleiteten ein Programm unter Federführung des Gesundheitssekretariats von Chiapas (Mexiko), zur Reduzierung des Trachoms1 bei den Tzeltal (Hochchiapas). Hier war viel Überzeugungsarbeit zu leisten, damit der sehr allmähliche Krankheitsverlauf von der Bevölkerung als behandelbar erkannt wurde und nicht als natürlicher Lauf der Dinge. 1 eine
Bindehautentzündung, die, wenn unbehandelt, zur Blindheit führt
Indigene Völker und Gesundheit
Kasten 2: Beispiele indigener Heilerpersönlichkeiten in verschiedenen Gemeinschaften Indigene
Protagonisten des traditionellen Gesundheitssystems
Gemeinschaft Aymara
Yatiri (bedeutet “der Meister“): Er diagnostiziert die Krankheiten, konsultiert dabei Kokablätter
(Bolivien,
und behandelt mit Naturheilmitteln. In einigen Fällen wird eine komplizierte Opfergabe an die
Peru)
Kräfte und Geistwesen, die etwas mit der Krankheit zu tun haben, vorbereitet. Ch´amakani (bedeutet “der Herr der Dunkelheit“): Er nutzt die Dunkelheit, die Schatten und die Nacht, um sich mit den übernatürlichen Wesen in Verbindung zu setzen und mit Ihnen zu sprechen. Er ist Vermittler zwischen diesen Wesen und den Patienten, um die Gründe für eine Krankheit herauszufinden. Kallawaya oder Naturheiler: Neben der Anwendung von Medizin aus Flora, Fauna und Mineralien setzen sie spezifische Rituale für verschiedene Krankheitsbilder ein.
Ngöbe
Sukia: Heiler, Hellseher und Autorität in spirituellen und rituellen Angelegenheiten. Er ruft die
(Panama)
übernatürlichen Kräfte, redet mit ihnen und wendet Naturheilmittel an. Bicho: Frauen, die in Familiengesundheit kundig sind und ihr Wissen auf Familienebene oder auch Dorfebene anwenden.
Ashaninka
Sheripari (Schamane): Er hat Zugang zu Aspekten und Sphären der Wirklichkeit, die anderen
(Peru)
Ashaninka verborgen bleiben, und kann in Trance die Geistwesen der Natur und Herren der Tiere besuchen. Er hat außerdem besondere Beziehungen zu weiblichen Geistern bestimmter Pflanzen, die ihm bei der Anwendung von Naturheilmitteln den Weg weisen.
Tucano
Payés (Schamanen): Sie sind zuständig für das ökologische und soziale Gleichgewicht der
(Kolumbien)
Gemeinschaft. Cumus: Heiler, die neben traditionellen Methoden auch Elemente der westlichen Medizin verwenden.
Quellen: PAHO, 2002c; AIDESEP/ PSI, 2002; REICHEL-DOLMATOFF, 1997
Traditionelle Medizinsysteme in Lateinamerika Traditionelle Medizin ist das Gegenstück zur Schulmedizin. Die Traditionelle Medizin ist anders als die Schulmedizin von Region zu Region sehr verschieden. Der Begriff “Traditionelle Medizin“ bedeutet nicht, dass es zu keinen Neuerungen gekommen sei, sondern vielmehr, dass das Medizinsystem Teil der Kultur und direkt mit den jeweiligen Wertevorstellungen, Weltanschauungen, Theorien, Normen etc. verknüpft ist (GREIFELD, 2001:71). Dabei gibt es nicht nur eine Traditionelle Medizin, sondern vielmehr viele unterschiedliche sich gegenseitig beeinflussende Systeme. Medizinsysteme unterscheiden sich in den Erklärungskonzepten von Krankheitsursachen, in den Heilerpersönlichkeiten bzw. Experten und in den Behandlungen/ Therapien. Indiani-
sche Heilkunst wurde zur Kolonialzeit von den Missionaren und westlichen Wissenschaftlern als Aberglaube bekämpft. Heute wird dieses Wissen anders beurteilt: Viele westliche Wissenschaftler wenden sich Schamanen und ihrer Heilkunst mit großem Interesse zu. Zu den in Lateinamerika sowohl bei der indigenen als auch mestizischen Bevölkerung bekannten Konzepten in der traditionellen Medizin gehört z.B. das Warm-Kalt-System und Susto (siehe Kasten 3 und 4). Viele traditionelle Behandlungsweisen verraten eine sehr gute Kenntnis von Anatomie, (Heil-) Botanik und Neurologie. So sind die Tucanos des kolumbischen Amazonastieflands in der Lage geistige Aktivitäten im Gehirn korrekt zu verorten (REICHEL-DOLMATOFF, 1997).
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Indigene Völker und Gesundheit
Moderne und traditionelle Medizin werden von den Indigenen weniger als Konflikt empfunden sondern als verschiedene Optionen. Auf moderne Medizin wird gerne bei akuten Erkrankungen und Unfällen zurückgegriffen, während z.B. bei chronischen Erkrankungen eher die traditionelle Medizin geschätzt wird. Was letztlich als effektive Behandlung beurteilt wird, hängt vom Krankheitsverständnis ab. Als Entscheidungskriterien treten Vertrauen, Sym-
ptome, räumliche Distanz, erwartete Effektivität und Geld in den Vordergrund. Die Bedeutung der Kosten für eine Behandlung ist aber als Entscheidungskriterium zwischen traditioneller oder Schulmedizin eher gering einzuschätzen, da viele traditionelle Heiler mittlerweile monetäre Honorare verlangen (KNIPPER, 2000, 2001) bzw. auch bei nicht monetärer Bezahlung nicht mehr “billig“ sind.
Kasten 3: Das Warm-Kalt-System in Lateinamerika – ein Konzept der ausgewogenen Elemente Das Warm-Kalt-System ist ein Konzept innerhalb der traditionellen Medizin, das mit kulturellen und regionalen Unterschieden in ganz Mittel- und Südamerika zu finden ist. Grundsätzlich kann es als eine Art Harmonielehre nach dem Prinzip der ausgewogenen Elemente verstanden werden. Die Einteilung in Warm und Kalt ist ein wesentliches Merkmal der indigenen Kultur und bezieht sich auf eine Gruppierung verschiedener Substanzen (Nahrungsmittel, Pflanzen etc.). Warm und Kalt ist dabei die Benennung einer Energie, deren Komponenten sich gegenüberstehen, einander ergänzen bzw. zu einer Ausgewogenheit führen. Diese Lebensenergie muss vom Menschen ausgelotet werden, da eine Störung des Gleichgewichts zu Krankheit bzw. Missbefinden führt. Das WarmKalt-System ist Teil einer komplexen Weltanschauung. Als Verursacher kalter Krankheiten gelten u.a. Wasser, Geburt, Menstruation, Mond oder Regenbogen. Verursacher warmer Krankheiten sind u.a. Sonne, Schadenszauber oder unausgewogene Ernährung.
Kasten 4: “Susto“, der Seelenverlust Susto ist als Erkrankungskonzept in Süd- und Mittelamerika weit verbreitet und wird mit dem Warm-Kalt-System in Verbindung gebracht, d.h. es handelt sich ebenfalls um ein Ungleichgewicht. Susto bedeutet Schreck oder Erschrecken, was auf die Ursache der Krankheit verweist. Auch der natürliche Schreck als Folge von Unfällen, Albträumen und der Schreck nach der Begegnung mit Geistwesen jeglicher Art kann diese Erkrankung bewirken. Ein Schreck kann zum Seelenverlust bzw. zur Abwesenheit der Seele des Kranken führen. Symptome der Erkrankung umfassen Schwäche, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Depression, Unruhe, Fieber, epileptische Anfälle. Susto kann auch zum Tod führen. So vielfältig die Symptome und Auslöser der Krankheit sind, genauso vielfältig sind die Behandlungsmethoden: z.B. Zurückrufen der Schattenseele, Opfer an die Geister, die die Seele gefangen haben, Massagen, Bestreichen des Körpers mit rituellen Gegenständen und Pflanzen, Schwitzen bis hin zum erneuten Erschrecken des Kranken. Deutungsversuche im Sinne schulmedizinischer Kategorien sind schwierig.
Die Bedeutung traditionell verwendeter Heilpflanzen Bei den meisten indigenen Völkern haben Heilpflanzen und das Wissen um ihre Anwendung immer noch eine hohe Bedeutung für die Gesundheitsversorgung. Die traditionell verwendeten Naturheilmittel sind nicht nur billiger als moderne Medikamente sondern stellen in abgelegenen ländlichen Gebieten oft die einzig
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verfügbare Medizin dar (GTZ, 2001). In der traditionellen Medizin der Quichua des Amazonasgebietes in Ecuador beispielsweise haben viele Personen Kenntnisse und Fertigkeiten von der jeweils älteren Generation erlernt, die ihnen ermöglichen allgemeine Krankheiten wie Kopfschmerzen, Fieber und Erbrechen mit Hilfe von Medizinalpflanzen zu lindern oder zu heilen. Darüber hinaus gibt es auch noch Spezialist/innen mit besonderen Heilpflanzen-
Indigene Völker und Gesundheit
kenntnissen, die mehr als 70 Pflanzenspezies einzusetzen wissen (BORGTOFT ET AL., 1999). Heute werden viele Heilpflanzen bzw. deren Inhaltsstoffe, die ihre ursprüngliche Verwendung in indigenen Kulturen haben, wie z.B. das Curare (Strychnos toxifera) oder der Chinarindenbaum (Cinchona officinalis), weltweit erfolgreich eingesetzt und von der Pharmaindustrie vermarktet. Insbesondere die über Generationen gesammelten Pflanzenkenntnisse indigener Spezialisten (z.B. Schamanen) sind für Ethnobotaniker und die pharmazeutische Industrie interessant und versprechen eine wesentlich höhere Trefferrate bei der Entdeckung neuer Wirkstoffe (vgl. REINHARDT, 2002; siehe auch ROSSBACH DE OLMOS in diesem Band).
weniger angewendet wird, unterstützt. Das Projekt leistet einen Beitrag zur Erhaltung der traditionellen Kultur und zur Verbesserung der medizinischen Situation in den indigenen Gemeinden. Die Wiederbelebung traditioneller Heilmethoden kann die Bevölkerung für die Behandlung einiger Krankheiten unabhängig von der staatlichen medizinischen Versorgung machen. Die chilenische Regierung hat in den letzen Jahren das staatliche Gesundheitsnetz auch in die entlegenen ländlichen Gebiete der Mapuche ausgeweitet. Bisher bieten diese Einrichtungen jedoch den Mapuche selten eine adäquate Behandlung, die ihrer kulturellen Denkweise entspricht. Behandlungen können oft nicht durchgeführt werden, da viele Mapuche keine dazu nötige Krankenversicherung haben bzw. ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Diese Situation macht es notwendig, auf lokale Heilmethoden zurückzugreifen, und eine Verbindung und einen Austausch zwischen dem staatlichen Gesundheitswesen und den Kenntnissen traditioneller Medizin herzustellen. Viele der Hilfe suchenden Kranken würden keinen Arzt benötigen, wenn sie mit einer verbesserten Grundhygiene und mit natürlichen Heilmitteln den Krankheiten begegnen könnten. Auch im Rahmen des TZ-Projektes “Förderung des lokalen Wissens zum Erhalt der Biodiversität und zur Ernährungssicherung aus der Gender-Perspektive“ in Peru wurde das traditionelle Wissen zur Heilung von Krankheiten durch Pflanzen gestärkt. Ergebnisse des Projektes konnten in die nationale Politik einfließen und tragen sowohl zum Erhalt als auch zur Anerkennung des traditionellen Wissens der lokalen, meist indigenen Bevölkerung der Provinzen Ayacucho und San Martín (Peru) bei (GTZ, 2002).
Foto: Eine Shuar-Frau zeigt eine von ihr verwendete Heilpflanze (S. REINHARDT)
In Chile hat die GTZ im Auftrag des BMZ ein Projekt von Mapuche-Frauen zur Wiedergewinnung und zur Bewahrung des Wissens von Kräuterfrauen (Yerbareras), Hebammen (Parteras), Medizinfrauen und -männern (Machi) über traditionelle Medizin und Heilmittel, die aufgrund des starken Einflusses westlicher Kultur immer weiter verloren geht und immer
Internationale Ansätze zum Thema indigene Gesundheit Das grundlegende Dokument für die Rechte indigener Völker ist zweifellos die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von 1989 (siehe auch SPEISER in diesem Band). Artikel 24, 25 und 30 nehmen Bezug zum Thema Gesundheit indigener Völker. Die Unterzeichnerstaaten werden aufgefordert,
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Indigene Völker und Gesundheit
ihre Gesundheitsdienste progressiv so auszurichten, dass auch die indigene Bevölkerung erreicht wird. Die Gesundheitsdienste sollen kulturell angemessen und möglichst auf Gemeindeebene unter partizipativer Einbeziehung der Bevölkerung entwickelt werden, wobei ihrer traditionellen Gesundheitsvorsorge, ihren Heilverfahren und -mitteln Rechnung getragen werden soll. Auch durch die UN-Dekade für indigene Völker (199-2004) bei der Gesundheit ein Programmschwerpunkt bildete, bekam das Thema Aufschwung. Die WHO (World Health Organisation der UN) entwickelt ein Aktionsprogramm “Indigene und Gesundheit“, dessen Ziel die Bekämpfung der Ungleichbehandlung indigener Völker im Gesundheitsbereich ist. Die prekäre Gesundheitssituation indigener Völker soll in den WHO-Programmen auf nationaler, regionaler und globaler Ebene aufgegriffen werden.2 Weiterhin hat die WHO eine Strategie zu traditioneller Medizin (2002-2005) entwickelt. Ziel dieses Dokumentes ist es, u.a. die Bedeutung traditioneller Medizin in Gesundheitssystemen, aktuelle Möglichkeiten und Änderungen sowie die Rolle und Strategie der WHO zu traditioneller Medizin für die kommenden Jahre zu diskutieren. Auch die Panamerikanische Gesundheitsorganisation PAHO hat das Thema vertieft und für den Gesundheitsbereich auf dem lateinamerikanischen Kontinent ein umfassendes Konzept für die besondere Förderung indigener Gemeinschaften entwickelt. Aufgrund der Empfehlungen der “Sitzung von Winnipeg“, Kanada, im Jahre 1993 ist die Initiative “Gesundheit indigener Völker“ entstanden. Sie orientiert sich an den Prinzipien (PAHO, 1993): 1. Ganzheitliches Gesundheitsverständnis 2. Recht der indigenen Völker auf Selbstbestimmung 3. Respekt und Wiederbelebung der indigenen Kulturen 4. Reziprozität der Beziehung 2
Das Programm ist nicht veröffentlicht, kann aber auf Anfrage bezogen werden (siehe auch unter www.gtz.de/indigenas).
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5. Recht auf systematische Einbeziehung der indigenen Völker Die aktuelle Umsetzung erfährt diese Politik in dem strategischen Arbeitsplan 1999-2002: "Marco estratégico y plan de trabajo 19992002: Salud de los Pueblos Indígenas". Das Ziel der PAHO und ihrer Partner ist es, den Zugang zu Basisgesundheitsdiensten, und die Versorgung indigener Völker zu verbessern. Die drei Hauptkomponenten des Aktionsprogramms sind: a) Entwicklung von Gesundheitsplänen mit indigenen Gemeinschaften in ausgewählten Ländern; b) Entwicklung von Projekten, um die dringendsten Gesundheitsprobleme besonders gefährdeter indigener Gruppen anzugehen und c) Unterstützung und Stärkung traditioneller Medizin. Auch die Erreichung der UN Millennium Development Goals (4) "Senkung der Säuglingssterblichkeit", (5) "Verbesserung der Gesundheit von Müttern" und (6) "Bekämpfung von HIV/ Aids, Malaria und anderen Krankheiten" dürfte in einigen Ländern Lateinamerikas wie Guatemala, Bolivien, Peru und Ecuador ohne eine wirkungsvolle und speziell auf Indigene ausgerichtete Gesundheitspolitik sehr schwierig werden.
Staatliche Gesundheitspolitik und Gesundheitsdienste Vom Staat eingerichtete Gesundheitsposten gibt es in indigenen Gemeinden eher selten und wenn sie vorhanden sind, dann oft nur mit spärlicher Ausstattung. Auch das qualifizierte angestellte Personal ist nicht permanent anwesend. Viele der eingesetzten Ärzte sind Berufsanfänger, die ihr praktisches Jahr absolvieren und manche empfinden die Arbeit mit Indigenen als Bestrafung. Oft sind sie nur wenig oder überhaupt nicht mit der indigenen Sprache und den Gebräuchen der Bevölkerung vertraut und schlimmstenfalls mit starken Vorurteilen behaftet. Im Rahmen von staatlichen Gesundheitsprojekten werden aber auch speziell indigene Gemeindemitglieder mit schulmedizinischen Grundkenntnissen ausgebildet und praktizieren als Dorfgesundheitsarbeiter.
Indigene Völker und Gesundheit
In großen, von indigener Bevölkerung bewohnten Regionen sind traditionelle Heiler und Hebammen die einzigen Experten, die Gesundheitsdienstleistungen anbieten. Kampagnen zur Abwertung und Illegalität traditioneller Heilmethoden bei gleichzeitiger unzureichender Präsenz und Qualität von staatlichen Gesundheitsdiensten tragen zur Verwirrung und zur chronischen Unterversorgung der indigenen Patienten bei. In Peru z.B. lautet § 290 des Strafgesetzbuches: “Derjenige, der nicht über den entsprechenden (akademischen) Titel verfügt und Diagnosen oder (die Gesundheit betreffende) Gutachten erstellt und irgendwelche Mittel zur Erlangung der Gesundheit verschreibt oder verabreicht (und sei es kostenfrei), soll mit bis zu 2 Jahren Freiheitsstrafe oder 20 bis 50 Tagen gemeinnütziger Arbeit bestraft werden (…)“ (Übersetzung K. Heising). Dieses Gesetz wird zwar in den Gebieten mit mehrheitlich indigener Bevölkerung nicht angewandt, steht aber einer konstruktiven indigenen-orientierten Gesundheitspolitik im Weg. Auch in Ecuador ist das traditionelle Medizinsystem rechtlich nicht anerkannt und damit illegal, es wird jedoch vom Staat geduldet (BUÍTRON, 1999). Teilweise haben auch sehr aggressive Kampagnen im Bereich reproduktiver Gesundheit stattgefunden, die das Vertrauen der indigenen Bevölkerung in die staatlichen Gesundheitsdienste gebrochen haben: In einigen Ländern wurden systematisch Zwangssterilisierungen bei indigenen Frauen durchgeführt (v.a. Peru 1995-1998, aber auch Mexiko). Viele Indigene hatten bei anstehenden Impfkampagnen Angst vergiftet oder sterilisiert zu werden, so dass sie sich und vor allem ihre Kinder versteckten. Positive Ansätze einer auf die indigene Bevölkerung zugeschnittenen staatlichen Gesundheitspolitik sind u.a. in Panama, Chile und Brasilien sichtbar: Panama: In den autonomen Indigenen-Gebieten (Comarca) von Ngöbe-Bugle arbeiten traditionelle Heiler und Hebammen mit den staatlichen Gesundheitsdiensten zusammen. 1999 hat das Gesundheitsministerium den Bereich "Indigene Gesundheit" gegründet und versucht, Ansätze einer interkulturellen Ge-
sundheitspolitik umzusetzen. Die Verwaltung hat sich zum Ziel gesetzt, die traditionelle und moderne Medizin zu harmonisieren und zu fusionieren. Den traditionellen Heilern und Hebammen wird in diesem Rahmen innerhalb ihres Aufgabenbereichs das Recht zugestanden, zu diagnostizieren, zu behandeln und Medizin zu verabreichen. Einer effektiven Zusammenarbeit steht allerdings im Wege, dass die staatlichen Dienste wenig von den Behandlungs- und Wirkungsweisen, Effektivität, Grenzen und Möglichkeiten der traditionellen Medizin wissen. Umgekehrt fehlt den traditionellen Experten wiederum das Wissen über die Schulmedizin (PAHO, 2002a). Chile: Seit 1999 steht in der IX. Region das Makewe-Pelale Hospital erfolgreich unter der Verwaltung der gleichnamigen indigenen Organisation. Im Einzugsgebiet des Krankenhauses leben etwa 16 000 Mapuche. Das gesamte Personal spricht die Sprache der Mapuche, und beherrscht sowohl die traditionelle als auch die moderne Medizin. Die Behandlung orientiert sich an der Tradition der Mapuche: Empfang, Ablauf des Patientengesprächs, Diagnose, Behandlung mit moderner oder traditioneller Medizin oder komplementär, Überweisung an Fachärzte oder Machi etc.. Die Zusammenarbeit der beiden Behandlungssysteme scheint gut zu funktionieren, wenn es auch Barrieren gibt: Den Schulmedizinern fällt es schwer, zu verstehen, dass die Machi mit übernatürlichen Kräften in Verbindung stehen, sie gestehen aber ein, dass bei Patienten, die von den Machi behandelt werden, Erfolge erzielt werden, und dass diese heilen können (PAHO, 2002b). Brasilien: 1999 wurde die Zuständigkeit für die Gesundheit der indigenen Bevölkerung landesweit der Nationalen Stiftung für Gesundheit FUNASA (Fundação Nacional de Saúde) übertragen. Das Programm von FUNASA zielt auf die Einrichtung von speziellen indigenen Gesundheitsdistrikten (DSEI) und auf die Ausbildung und Untervertragnahme von Gesundheitspersonal indigener Herkunft, fördert den interinstitutionellen und partizipativen Ansatz, und versucht die Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit und Behandlungsmethoden
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Indigene Völker und Gesundheit
der jeweiligen Völker zu berücksichtigen (FUNASA, 2004).
Ansätze indigener Organisationen Obwohl politische Themen wie Landrechte, Menschenrechte und Bürgerrechte bei den Indigenen-Organisationen klare Priorität haben, haben einige Organisationen in den 1990er Jahren angefangen, sich für das Thema Gesundheit in den indigenen Gemeinden einzusetzen. Die Organisationen des Amazonastieflandes AIDESEP (Asociación Interétnica de Desarrollo de la Selva Peruana) in Peru, OPIAC (Organización de los peublos indígenas de la Amazonia Colombiana) in Kolumbien und COIAB (Coordenação das Organizações Indígenas da Amazônia) in Brasilien haben eigene Gesundheitsprogramme entwickelt und beziehen konstruktiv Stellung. Ihnen ist gemeinsam, dass sie eine Reform der staatlichen Gesundheitsdienste und die Zusammenarbeit mit ihnen vorschlagen. Das Programm Indigene Gesundheit (PSI) von AIDESEP (2004) umfasst: 1. “Wiederherstellung und Weiterentwicklung der indigenen Medizin als eine der Grundkomponenten der Kultur und menschlicher und materieller Ressourcen sowie spiritueller, magischer und anthropologischer Aspekte 2. Annäherung der wirkungsvollen Beiträge der westlichen Medizin an die indigenen Gesundheitssysteme 3. Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium um Epidemienkontrolle, Impfund andere Gesundheitskampagnen zu unterstützen 4. Vorschlag an das Gesundheitsministerium zur Einrichtung eines interkulturellen amazonischen Gesundheitsinstitutes“
Schlussbemerkung Respekt für die kulturelle Diversität und ein tiefes Verständnis der unterschiedlichen Bedürfnisse, sind nach Ansicht der PAHO3 Schlüsselelemente um die Gesundheitssitua3
Internetveröffentlichung. http://www.paho.org/English/DD/PIN/pr040809.htm
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tion der indigenen Bevölkerung nachhaltig zu verbessern. Insbesondere EZ-Vorhaben die eine Zusammenarbeit der lokalen Bevölkerung, traditionellen Heilern, Hebammen mit den staatlichen Gesundheitsdiensten fördern und somit dazu beitragen eine indigenen-orientierte Gesundheitspolitik in den jeweiligen Staaten zu verankern und umzusetzen, sind in diesem Kontext von besonderer Wichtigkeit. Dabei sollte auch an der Schaffung von (gesetzlichen) Rahmenbedingungen mitgewirkt werden, die eine Zusammenarbeit von indigenen Gesundheitssystemen und der Schulmedizin fördern. Meist werden indigene Gesundheitssysteme und Schulmedizin als schwer kompatibel betrachtet. Es gibt jedoch Beispiele dafür, dass durch eine komplementäre Behandlung bessere Heilerfolge erzielt werden können. Dabei ist es unverzichtbar, dass sowohl die traditionellen Heiler als auch das staatliche Personal die Grundzüge, Methoden, Behandlungsweisen, Möglichkeiten und Grenzen des jeweils anderen Systems kennen und dieses respektieren. Es sollte im Rahmen der bilateralen EZ auf beiden Seiten (Staat – Indigene) angesetzt werden. Zur Durchführung spezifischer Gesundheitsprojekte in der EZ sind sehr gute Kenntnisse der lokalen Zielgruppe und ihres Gesundheitssystems unabdingbar. Es wäre wünschenswert, dass diese Informationen und Daten zunehmend zur Verfügung stehen bzw. erhoben werden und insbesondere auch weitere Methodenkompetenz geschaffen und vermittelt werden.
Indigene Völker und Gesundheit
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Ressourcen
in
Lateinamerika.
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Indigene Völker und Wirtschaftsentwicklung
Indigene Völker und Wirtschaftsentwicklung KARIN MARITA NAASE, HEIDI FELDT & SILKE SPOHN
Indigene Völker in Lateinamerika haben angepasst an ihre jeweilige Umwelt vielfältige Produktions- und Reproduktionsmuster entwickelt. Ihre Integration in die nationalen Wirtschaftssysteme ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Ihre wirtschaftlichen Aktivitäten reichen vom Brandrodungsfeldbau in (tropischen) Waldgebieten und Viehzucht in den Hochplateaus der Anden, über kleinbäuerliche Landwirtschaft bis zu Lohnarbeit und Handel in den Städten. Aufgrund dieser Vielfalt gibt es nicht die Wirtschaft indigener Völker in Lateinamerika und es muss statt im Singular im Plural von Wirtschaften gesprochen werden. Wirtschaftsethnologen unterschieden zwischen indigener oder ethnischer Wirtschaft und den marktorientierten Wirtschaftsformen und –aktivitäten einer eher unternehmerischen indigenen Bevölkerung. Für die Wirtschaftsethnologen ist indigene Wirtschaft ein kulturelles Regelsystem, das weitgehend unabhängig von Marktprinzipien funktioniert. Indigene Wirtschaft existiert heutzutage in den wenigsten Fällen in Reinform. Ihre Aktivitäten sind in soziale und politische Beziehungen und Interaktionen eingebettet und es gibt keine ausgeprägten eigenen wirtschaftlichen Institutionen und Einheiten (POLANYI, 1979; PLATTNER, 1989; NAASE, 1998). Außerdem gibt es keine monetäre Lohnarbeit innerhalb dieses Systems und die Akkumulierung von Besitz in den Händen einiger weniger ist weitgehend ausgeschlossen. Besitzunterschiede innerhalb einer Gruppe kann es zwar geben, doch existieren zahlreiche Mechanismen, die diese Unterschiede nivellieren. Von den Personen, die über größeren Besitz als die Mehrheit verfügen, wird Großzügigkeit gegenüber den anderen Gruppenmitgliedern erwartet.
zes unterstützt. Zur Aufrechterhaltung dieses Netzes ist der konstante Austausch von Gütern und Leistungen notwendig. Der wechselseitige Austausch von Gütern und die Beantwortung von Leistungen wird als Reziprozität bezeichnet, da es sich um Transaktionen handelt, die auf Gegenseitigkeit basieren. Die mehr oder weniger intensive Integration in den Markt und in die jeweilige Nationalgesellschaft hat bei den indigenen Völkern zu einer Reihe von Anpassungsproblemen geführt. Die Marktmechanismen stellen die vorhandene moralische Ordnung der indigenen Gruppe infrage. So funktionieren zum Beispiel die Austauschregeln nicht mehr in vollem Masse und torpedieren das gute Funktionieren der Gemeinschaft (ENSMINGER, 1990; NAASE, 2001). Fortschreitende Integration in den Markt führt zum Widerspruch zwischen Werten und Normen der indigenen, vorrangig auf Subsistenz orientierten Wirtschaft und den Werten, Normen und Regeln der Marktwirtschaft. Dies führt zum Beispiel in Amazonien zu einer gewissen Orientierungslosigkeit bei der indigenen Bevölkerung (COICA, 1996)1. Andere indigene Völker, z.B. in Zentralamerika, scheinen die unterschiedlichen Logiken besser miteinander kombinieren zu können (ZARATE, 2002). In diesem Beitrag wird – beispielhaft – die aktuelle wirtschaftliche Situation der indigenen Völker, ihre Wirtschaftweisen und Vorstellungen sowie die nationale Wirtschaftspolitik einzelner Staaten und ihre Beachtung der Indigenen dargestellt. Daran schließt sich die Frage an, was die multi- und bi-laterale Entwicklungszusammenarbeit in diesem Zusammenhang leisten kann und ob eine gezielte Unter1
Die Sozialeinheiten wie der Haushalt oder die erweiterte Familie sind in ein Netzwerk von verwandtschaftlichen Beziehungen eingebunden, das die Mitglieder dieses Beziehungsnet-
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Eigentlich: Coordinadora de las Organizaciones Indígenas de la Cuenca Amazónica (COICA) & OXFAM América (1996) Amazonía: Economía indígena y mercado. Los desafíos del desarrollo autónomo, Quito. Um die Zitierung zu vereinfachen in Zukunft immer unter COICA 1996 aufgeführt.
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stützung indigener Wirtschaftsprojekte sinnvoll ist. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Situation der indigenen Gemeinschaften, die in
ländlichen Regionen leben (zur Situation der städtischen indigenen Bevölkerung siehe auch SPEISER in diesem Band).
Foto: Bearbeitung des Rohkaffees in Panama (S. SPOHN)
Die wirtschaftliche Situation der indigenen Völker in Lateinamerika Indigene Völker in Lateinamerika leben in Regionen mit sehr unterschiedlichen Ökosystemen, die ihre Wirtschaftsweisen maßgeblich bestimmen.
Amazonien Es ist für die indigenen Völker der Amazonasregion charakteristisch, dass sie relativ egalitär aufgebaut sind, solange sie nur marginal in die Nationalgesellschaft und in den Markt integriert sind. Produktion, Verteilung und Konsum sind dezentralisiert und es bestehen keine formalen (Wirtschafts-) Institutionen. Ihre wirtschaftlichen Aktivitäten zur Subsistenzsicherung setzen sich aus mehreren Tätigkeitsfeldern zusammen: Die wichtigste
Grundlage für die Nahrungssicherung bildet bei den meisten Völkern der Brandrodungsfeldbau. Weitere Tätigkeitsbereiche sind Jagd, Sammeln und der Fischfang, wobei Jagd weitgehend von Männern und Sammlertätigkeiten von Frauen betrieben werden. Was gesammelt wird (Früchte, Wurzeln, Insekten, Larven) richtet sich nach den jeweiligen Umweltgegebenheiten. Einige Völker sammeln Honig, der mittlerweile sowohl national als auch international nachgefragt ist. Die indigene Landwirtschaft Amazoniens nutzt eine große Vielfalt von Pflanzen. In den Hausgärten wurden bis zu 50 verschiedene Sorten vorgefunden. Auch ist die Variantenbreite bei ein und derselben Pflanzenart sehr groß. Auf einer einzigen Pflanzung indigener Produzenten in Acre (Bundesstaat in Amazonien, Brasilien) hat man rund 40 verschiedene Maniok-Arten vorgefun-
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den (SCHRÖDER, 2003:35-41). Dieser Artenreichtum ist jedoch durch zunehmende Marktorientierung bedroht. Die meisten Amazonasvölker erwirtschaften nur sehr geringe Überschüsse für die Vermarktung, können aber mit ihren Wirtschaftsweisen ihre Nahrungsgrundlage sichern, solange ihnen ein ausreichendes Territorium2 zu Verfügung steht. Nachhaltige Reproduktionszyklen sind in der Amazonasregion in größerem Umfang erhalten geblieben als in anderen Regionen. Das Ziel der Ökonomien der indigenen Völker im Amazonas definiert SMITH (in COICA 1996:154) wie folgt:
Befriedigung der Bedürfnisse des täglichen Lebens der lokalen Gemeinschaften wie Ernährung, Kleidung, Werkzeuge und kulturell bedingte Bedürfnisse,
Reproduktion der (erweiterten) Familie, Durch den Tausch von Waren Solidaritätsbeziehungen innerhalb der (Dorf-) Gemeinschaft und mit anderen Ansiedlungen zu knüpfen und zu festigen. In den meisten Regionen des Amazonas besteht heute eine Verflechtung zwischen Subsistenz- und Marktwirtschaft, wobei der Zugang zu den Märkten oft über Zwischenhändler erfolgt. Diese bestimmen Preis und Abnahmemenge der Produkte. Der ökonomische Druck, der von außen auf die Amazonasregion ausgeübt wird, hat sich in den letzten 50 Jahren enorm verstärkt. Holzeinschlag, Bergbau und Erdölförderung überlagern die indigenen Wirtschaftsweisen und verursachen einen Bruch mit den traditionellen Formen der Ernährungs- und Lebenssicherung. Möglichkeiten eigene Alternativen zu entwickeln, die ihren Kulturen und Wirtschaftsweisen entsprechen, bestehen kaum. Die extraktive Industrie zerstört die Jagd-, Fisch- und Sammelgebiete, schafft aber anderseits kaum alternative Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten für Indigene3. 2
Zur Bedeutung der Territorialfrage für indigene Völker siehe RATHGEBER in diesem Band 3 Zu den Auswirkungen der extraktiven Industrie auf indigene Völker siehe FELDT in diesem Band
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Ein anderes gravierendes Problem, mit dem die indigenen Völker konfrontiert sind, ist die Ausweitung des Drogenanbaus (vor allem Koka und Schlafmohn). Dieser hat zu weitreichenden sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Veränderungen in der Regionen geführt. In Bolivien sind zum Beispiel arbeitslose Minenarbeiter und verarmte Bauern aus der Andenregion in das Amazonastiefland abgewandert und haben dort Beschäftigung im Anbau von Koka und deren Verarbeitung gefunden (LEHM, 2002:10). Die Migranten stehen in direkter Konkurrenz zu der lokalen Bevölkerung und die einseitige Ausrichtung auf Drogenanbau führt zur Vernachlässigung des Anbaus von Nahrungsmitteln, was zu Engpässen bei der Eigenversorgung führt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die indigenen Völker in Amazonien durch Marktintegration verlieren. Im Prinzip bejaht SCHRÖDER diese Frage für Brasilien. Er kommt zu dem Ergebnis, dass bis jetzt noch kein Fall für Amazonien einer erfolgreichen und nachhaltigen Marktintegration dokumentiert ist. (SCHRÖDER, 2003:76f). Die Koordination der indigenen Organisationen des Amazonasbeckens (COICA) hat in einer Studie über “indigene Ökonomien und Markt“ zehn Projekte indigener Völker in Brasilien, Bolivien, Peru, Ecuador und Kolumbien untersucht (COICA, 1996) und kommt zu dem Schluss, dass die Amazonasvölker sich sehr schnell auf eine verstärkte Marktintegration hinbewegen und aber kaum eine wirkliche Vorstellung haben wie die Marktmechanismen funktionieren. Die untersuchten Projekte zeigten kaum langfristige Entwicklungsperspektiven und schienen dem Wunsch zu entsprechen “de lograr acceso a los regalos de generosas agencias extranjeras de financiamiento, antes que a un intento de encontrar una relación viable y duradera con el mercado“ (COICA, 1996:225)
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Die Andenregion Ungefähr 20 Mio. Indigene4, die mehrheitlich den Aymara und Quechua angehören, leben in den Anden. Sie sind meist Kleinbauern oder landwirtschaftliche Lohnarbeiter, wobei die meisten nur saisonal beschäftigt sind. Ihre Wirtschaftstruktur unterscheidet sich kaum von der anderer Kleinbauern im Hochland Lateinamerikas. Im Gegensatz zu den Tieflandvölkern sind sie bereits seit langem ein Teil des nationalen Wirtschaftssystems - allerdings unter schlechten Bedingungen. Die meisten Indigenen in der zentralandinen Region leben von dem, was die kargen Böden bis auf über 4000 m Höhe hervorbringen. Aus den fruchtbaren Tälern wurden sie bereits in der Kolonialzeit verdrängt. Wichtigstes Grundnahrungsmittel ist die Kartoffel, die es dort in 650 Varietäten gibt. Laut MÜNZEL betreiben die zentralandinen Indigenen eine Landwirtschaft, die an “Diversifikation und Produktivität der aller anderen amerikanischen Ureinwohner überlegen ist“. (MÜNZEL, 1985:92). Doch trotz dieser ausdifferenzierten Subsistenzwirtschaft ist die materielle Lage der indigenen Bauern in den Zentralanden schlecht. Gründe dafür sind unter anderem:
Ungenügender Zugang zu landwirtschaftlich nutzbarem Land;
Bodenerosion und Versteppung weiter Flächen aufgrund der Übernutzung der Böden, schwer zu bewirtschaffende Flächen können nicht weiter bearbeitet werden;
Schlechte Marktanbindung und Transportinfrastruktur, Probleme der Lagerhaltung, niedrige Preise für landwirtschaftliche Produkte;
Zu wenig alternative Einkommensmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft. Um das Überleben der Familien zu sichern, migrieren einzelne Familienmitglieder in die Städte, in andere landwirtschaftliche Regionen oder in die Nachbarländer, zum Beispiel im
Falle der Bolivianer nach Argentinien. Frauen und Mädchen arbeiten meist als Hauspersonal oder in anderen Bereichen des informellen Sektors in den Städten, Männer suchen eher auf den Plantagen oder auf dem Bau nach einer Beschäftigung. In der Andenregion selber sind Einkommensmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft sehr gering.
Das Beispiel Bolivien Die Mehrheit der bolivianischen Bevölkerung ist indigen. Trotzdem ist dieser Bevölkerung der Zugang zu wirtschaftlichem und sozialem Aufstieg meist verwehrt. 45% der indigenen Bevölkerung lebt in Städten, 55% in ländlichen Regionen. Die ärmsten Provinzen sind zugleich die Regionen mit dem höchsten Anteil indigener Bevölkerung. Ein Grund für die Armut ist die ungleiche Landverteilung, die den kleinbäuerlichen Familienbetrieben kaum die Subsistenz ermöglicht. 27% der landwirtschaftlichen Einheiten umfassen weniger als 0,66 ha und 43% sind nicht größer als zwei ha. Nur 26% der landwirtschaftlichen (Klein-) Betriebe haben Zugang zu Krediten. Der Staat hat sich aus der Vergabe von (Agrar-) Krediten weitgehend zurückgezogen und überlässt Kreditinstituten, die von NROs betrieben werden, die Aufgabe Kleinkreditprogramme durchzuführen.
Das Beispiel Ecuador Wie in Bolivien ist auch in Ecuador die indigene Hochlandbevölkerung vor allem landwirtschaftlich tätig und der Zugang zu der Ressource Land bleibt auch in absehbarer Zukunft ein wichtiger Faktor für die ökonomische Entwicklung. Allerdings haben die wenigsten Familien genügend Land zur Verfügung, da auch in Ecuador die indigenen campesinos an die erosionsbedrohten Hanglagen der Anden verdrängt wurden. Außerdem werden die kleinen Felder wegen des hohen Bevölkerungsdruckes (Erbteilung) immer weiter geteilt. 1998 lebten 85,8% der indigenen ländlichen Bevölkerung unter der Armutsgrenze5 (WELTBANK, 2004). 5
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Es gibt unterschiedliche Angaben zum Anteil der indigenen Bevölkerung in den einzelnen Ländern. Siehe dazu die Tabelle im Anhang.
Armutsgrenze ist hier definiert als ein monatliches Pro Kopf Einkommen von 48,30 US$ bzw. unter 243 $ pro Haushalt und dem mangelhaften Zugang zu sozialen Dienstleistungen.
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Arbeitsweise und Strategien zur Überlebenssicherung der indigenen Hochlandbauern in Ecuador sind ähnlich wie in Bolivien. Unter diesen Rahmenbedingungen gibt es wenig Möglichkeiten für die (indigenen) Kleinbauern ihre Produktion und Produktivität zu erhöhen. Der Zugang zu mehr und fruchtbarerem Land und zu einer besseren Markteinbindung sind wichtige Voraussetzungen, um die Armut zu überwinden. Allerdings ist das Entwicklungspotenzial in der Landwirtschaft auch bei besseren Voraussetzungen begrenzt.
Beispiele für eine erfolgreiche Markteinbindung sind bisher eher rar. Das Volk der Otavaleños hat ein eigenes erfolgreiches Produktions- und Vermarktungssystem für indigene Textilien und Kunsthandwerk aufgebaut. Dieses Beispiel lässt sich nicht beliebig reproduzieren, da der Markt für indigenes Kunsthandwerk ein Nischenmarkt ist und die Voraussetzungen in anderen Regionen bei anderen indigenen Völkern unterschiedlich sind.
Foto: Verkauf von Chacaras (traditionellen Netztaschen aus Naturfasern) in Panama (K. LECKEBUSCH)
Zentralamerika und Mexiko In Zentralamerika leben in den Staaten Guatemala und Nicaragua die meisten Angehörigen indigener Völker. Mexiko hat mit ca. 12 Mio. in absoluten Zahlen die größte indigene Bevölkerung Lateinamerikas. Der heutige Eindruck von relativem sozialen Gleichgewicht indigener Gemeinden in Mexiko resultiert in erster Linie aus den wirtschaftlichen Möglich-
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keiten der Migration in die USA und der damit einhergehenden finanziellen Unterstützung von Familienmitgliedern, die in Mexiko geblieben sind. Die “traditionelle“, d.h. zumeist subsistenzorientierte Landwirtschaft überlebt durch Transfers des Staats und durch Zahlungen der Migranten in den Städten und in den USA (ZARATE, 2002:10ff).
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Das Beispiel Guatemala Die Wirtschaft Guatemalas basiert auf der Agrarproduktion für den Export und den Eigenbedarf. Hauptprodukte sind Kaffee, Zuckerrohr, Bananen, Baumwolle und seit den 1980er Jahren sogenannte ‚nicht-traditionelle’ Agrarprodukte wie Blumen, Gemüse und Früchte. Auf der Basis dieser nicht-traditionellen Agrarprodukte hat sich eine Agrarindustrie herausgebildet, die für Verarbeitung, Vermarktung und Export der Produkte zuständig ist. Die kleinen und mittleren Bauern profitieren allerdings kaum davon. Die Landbevölkerung und vor allem die indigene Bevölkerung ist arm. Fast 60% aller Guatemalteken sind arm. 80% der indigenen Bevölkerung Guatemalas leben in Armut und 60% in extremer Armut (STEELE, 1994; TOVAR, 1999). Der Zugang zu Land ist für die indigene Bevölkerung nach wie vor lebenswichtig und der Landverteilungskonflikt hält an. 1950 waren 17% der Landbevölkerung ohne Land. Im Jahre 2000 ist dieser Anteil auf 29% gestiegen (LOPEZ RAQUEQ & CRISÓSTOMO, 2004). Nach wie vor besitzen 96% der Bauern nur 20% des Bodens während 4% über 80% des nutzbaren Landes verfügen (STAVENHAGEN, 2003). Indigene und andere arme Bauern haben nur Zugang zu den schlechtesten Böden, auf denen sie vor allem Bohnen und Mais für den Eigenbedarf, sowie Reis, Sorghum, Kartoffeln und auch Kaffee für den Markt anbauen. Die Kommerzialisierung der Produkte findet auf den regionalen Marktplätzen statt. In 44 von 331 Municipios ist die Ernährung nicht gesichert (TOVAR, 1999). Zusätzlich zur Subsistenz in der Landwirtschaft sind indigene und nichtindigene arme Bauern gezwungen als Wanderarbeiter auf Plantagen zu arbeiten oder in die Städte zu gehen, wo sie im informellen Sektor arbeiten und ihre Familien auf dem Land unterstützten. TOVAR (1999) weist auch nach, dass Indigene bei Arbeiten auf den Plantagen, als Dienstmädchen oder bei anderen Tätigkeiten, nur ein Drittel des üblichen Lohnes erhalten. Erschwerend ist für die indigenen und nichtindigenen Kleinbauern, die nicht nur für die
Subsistenz anbauen, dass sie kaum Zugang zu Krediten haben. Eine einzige Bank, die Banrural, vergibt Kredite an Klein- und mittlere Produzenten. Darüber hinaus gibt es kaum Zugang zu kommerziellen Krediten für Indigene. Um diesen Mangel zu überwinden, sind in den letzten Jahren in den Gemeinden kleine bancos comunales entstanden, die Rotationsfonds aufbauen. Trotz der Verschmelzung mit anderen Wirtschaftsformen seit der Kolonialisierung haben die Maya Teile ihres Weltbildes und ihrer Solidaritäts- und Austauschbeziehungen untereinander erhalten. Letztendlich sind es diese Beziehungen und Netzwerke, die die indigene Bevölkerung davor bewahren, in die endgültige Armut abzusinken.
Zusammenfassung Die indigenen Völker im Amazonasgebiet sind marginal in die Marktwirtschaft integriert und üben viele ihrer traditionellen Wirtschaftspraktiken (noch) aus. Sie unterscheiden sich in der Sicherung ihrer Ernährungsgrundlage deutlich von den Siedlern, die aus dem Hochland ins Tiefland abgewandert sind. Demgegenüber sind sich die Wirtschaftsweisen und Lebensbedingungen der indigenen und nicht-indigenen armen Landbevölkerung in den Anden und Zentralamerikas sehr ähnlich. Zwar leben die Aymara, Quichua, Maya und andere indigenen Völker (Teile) ihre Kultur. Ihre Wirtschaftspraktiken weisen aber strukturelle Gemeinsamkeiten mit denen anderer Kleinbauern in anderen Regionen der Welt auf. Bei der Frage nach Förderungsmöglichkeiten zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der indigenen Völker sollte daher unterschieden werden zwischen dem traditionellen Management natürlicher Ressourcen und der Teilnahme der indigenen Bevölkerung an der Volkswirtschaft. Während im Tiefland die Sicherung der Territorien und ihr Management sowie der Erhalt der natürlichen Umwelt lebenswichtig sind für die (wirtschaftliche) Entwicklung der dort lebenden Völker (PLANT, 2002; siehe auch RATHGEBER in diesem Band), müssen im Hochland, wo Indigene nicht über
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ausgedehnte Territorien verfügen, andere Maßnahmen entwickelt werden, um die wirtschaftliche Marginalisierung der indigenen und ländlichen Bevölkerung zu überwinden.
Wirtschaftliche Entwicklungskonzepte Konzepte des Staates Die Institutionen des Staates sind in den ländlichen Regionen Lateinamerikas meist nur schwach vertreten und in den staatlichen Konzepten regionaler Entwicklung haben indigene Völker bisher kaum eine Rolle gespielt. Dies scheint sich zu ändern. Beispiele dafür sind das Entwicklungsprojekt PRODEPINE (Proyecto de Desarrollo de los Pueblos Indígenas y Afroecuadorianos), das der ecuadorianische Staat mit Unterstützung der Weltbank und dem Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) zusammen mit indigenen und afro-ecuadorianischen Organisationen durchführt. Dies ist das erste große Projekt der ecuadorianischen Regierung, dass sich gezielt an die indigene Bevölkerung richtet und mit ihnen gemeinsam entwickelt wurde (s.u.). Ein weiteres Beispiel ist Bolivien. Bolivien hat in den letzten Jahren zusammen mit den internationalen Verhandlungen zum Schuldenerlass (HIPIC) eine Armutsreduzierungsstrategie entwickelt. In dieser Strategie werden gezielt Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation indigener Völker aufgegriffen. Das bolivianische Armutsreduzierungsstrategiepapier wird im Folgenden kurz vorgestellt.
Armutsreduzierungsstrategie in Bolivien Die Armutsreduzierungsstrategie des Landes wurde bereits 2001 erstellt. Kernstück sind vier miteinander verknüpfte Sektorstrategien:
Beschäftigungs- und Einkommenspolitik: die Produktionskapazität von Kleinbauern und Kleinunternehmern soll vor allem durch Investitionen in die Infrastruktur erhöht werden;
Verbesserung der sozialen Dienstleistungen: das Grundbildungssystem, die Basisgesundheitsversorgung sowie die Trink-
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wasserversorgung und Abwasserentsorgung sollen verbessert werden;
Schutz besonders gefährdeter Gruppen: für Bevölkerungsgruppen, die besonderen Risiken ausgesetzt sind, sollen Schutzprogramme entwickelt werden. Dazu gehören die Definition von Besitzrechten wie auch Maßnahmen zur Vorbeugung von Naturkatastrophen;
Soziale Integration und Partizipation: durch Trainingsmaßnahmen soll die Teilhabe der Bevölkerung an politischen Entscheidungen werden. Die Dezentralisierung der Verwaltung soll intensiviert werden.
Als Querschnittsaufgaben werden die Verbesserung der Möglichkeiten ethnischer Gruppen und indigener Völker, Schutz der Frauenrechte und Umweltmanagement und nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen genannt. (Armutsreduzierungsstrategie Bolivien, 2001: 58) Die wirtschaftliche Entwicklung der indigenen Völker Boliviens soll im Rahmen eines „nationalen indigenen Entwicklungsplans“ gefördert werden. Dieser Plan ist noch zu erstellen. Es sollen u.a. “culturally based micro-enterprises“ (Armutsreduzierungsstrategie Bolivien, 2001:119) aufgebaut und unterstützt werden, um zu zeigen, dass Kleinbauern und indigene Produzenten von Waren und Dienstleistungen Einkommen schaffen und Armut reduzieren können, wenn sie Zugang zu Finanzdienstleistungen, technischer Beratung und Training erhalten. Die Armutsreduzierungsstrategien in den lateinamerikanischen Ländern sind wichtige Ansatzpunkte für die Förderung indigener Völker im staatlichen Kontext. In Bolivien zeigen sich Ansätze dafür, in anderen Ländern wie Nicaragua und Honduras wurde die mangelnde Partizipation der indigenen Organisationen an der Erstellung der Armutsreduzierungsstrategie bemängelt (siehe www.prspwatch.de, 2004).
Indigene Konzepte Die Frage nach einem indigenen Konzept zur wirtschaftlichen Entwicklung ist schwer zu
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beantworten. So wie es keine einheitliche indigene Wirtschaftsweise gibt, so gibt es auch kein einheitliches Konzept, das die unterschiedlichen Weltanschauungen, Lebensumstände und –umwelten der Völker zusammenfassen könnte. Nach VITERI (2004) gibt es bei den indigenen Völker des Amazonastieflandes nicht die Vorstellung von Entwicklung als einem linearen Prozess: “En la cosmovision de las sociedades indígenas, en la comprensión del sentido que tiene y debe tener la vida de las personas no existe el concepto de desarrollo. Es decir, no existe la concepción de un proceso lineal de la vida que establezca un estado anterior o posterior, a saber, de subdesarrollo y desarrollo; dicotomía por los que deben transitar las personas para la consecución de bienestar, como ocurre en el mundo occidental. Tampoco existen conceptos de riqueza y pobreza determinado por la acumulación y carencia de bienes materiales.” (VITERI, 2004). Dem linearen Entwicklungskonzept setzt er daher einen ganzheitlichen Ansatz entgegen: “Mas existe una visión holística a cerca de lo que debe ser el objetivo o la misión de todo esfuerzo humano, que consiste en buscar y crear las condiciones materiales y espirituales para construir y mantener el ‘buen vivir’, que se define también como ‘vida armónica’, que en idiomas como el runa shimi (quichua) se define como el ‘alli káusai’ o ‘súmac káusai’.” (VITERI, 2004) Viteri kritisiert, dass sowohl Nichtregierungsorganisationen als auch die indigenen Organisationen selbst mit der Durchführung von sogenannten integrierten Entwicklungsprojekten den ‚Entwicklungsdiskurs’ übernommen haben und so dazu beitragen, dass die Fähigkeiten und das Wissen der Indigenen Völker, ihre Probleme autonom zu lösen, untergraben werden. Man muss hier allerdings anmerken, dass für viele Völker im Tiefland und für alle im südamerikanischen Hochland und in Zentralamerika die traditionellen „Entwicklungsoptionen“ nicht mehr greifen, weil durch Kolonialisierung und Marginalisierung die Bedingungen dafür
zerstört wurden und weil sich andere Bedürfnisse durch den Kontakt mit der Mehrheitsgesellschaft herausgebildet haben. Es gibt aber auch Beispiele, wo indigene Gemeinschaften und Organisationen den Spagat zwischen der Weiterentwicklung eigener Wirtschaftsweisen und den sich verändernden äußeren Bedingungen versuchen. Im Folgenden werden einige kurz skizziert.
Die Schwefelmine Puracé (Cauca) In Kolumbien leiden die indigenen Völker unter der politischen und wirtschaftlichen Ausgrenzung und dem seit Jahrzehnten dauernden Bürgerkrieg, der Gewalt der Drogenmafia und der Paramilitärs. Trotzdem haben indigene Völker eigene wirtschaftliche Alternativen entwickelt. Seit dem Jahre 2000 gibt es die Empresa Minera Indígena del Cauca. Der cabildo (Dorfrat) des resguardo (Gebiet unter indigener Verwaltung) hat die Schwefelmine im Cauca übernommen, nach dem der bisherige Betreiber Konkurs beantragte und damit über 300 Familien (von 1129 in dem Dorf) Einkommensverlust drohte. RATHGEBER (2002) hebt drei positive Effekte der Minenrettung hervor:
Ein neues Nachhaltigkeitskonzept soll die Betriebsrenten und die Arbeitsplätze sichern und die sozialen Beziehungen und die kulturelle Eigenständigkeit der Gemeinschaft garantieren.
Die Umweltschäden werden reduziert und die Altschäden sollen nach und nach beseitigt werden.
Der Betrieb soll so organisiert werden, dass “eine gemeinsame Schnittstelle von betriebswirtschaftlicher Notwendigkeiten und kulturell abgestimmter Arbeitsrhythmik gefunden wird, die gewinnorientiertes Produzieren zulässt.“ (RATHGEBER, 2002:176) Nach Übernahme der Mine hat sich der Produktionsablauf verändert, Arbeitsrhythmus und Produktausstoß wurden verlangsamt. Die Produktion soll so gestaltet werden, dass eine längerfristige Existenz der Mine und ein scho-
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nender Abbau der Ressource möglich ist. Für Rathgeber ist es ein Beispiel “vom Vermögen der Indígenas, Strategien zur Bewältigung einer sozialen und wirtschaftlichen Krise im Kontext ihrer kulturellen Leitbilder zu bewerkstelligen.“ (2002:176). Es wäre interessant zu beobachten, ob dies gelingt und sich eine indigene Vorstellung von Unternehmertum herausbilden kann oder ob diese Beispiel nur ein weiteres von mehr oder minder erfolgreichen Betriebsübernahmen, wie sie in vielen Teilen der Welt durch die Beschäftigten stattfinden, sein wird.
Amazon Gas Die Frage nach einem indigenen Unternehmertum wirft auch das Beispiel Amazon Gas auf, das sich noch in der Planungsphase befindet. Amazon Gas ist ein gemeinsames Unternehmen von der ecuadorianischen Konföderation der indigenen Völker des Tieflandes, CONFENIAE, und einem indigenen kanadischen Unternehmen. Ziel des Unternehmens ist die Nutzung und der Verkauf von Erdgas, das auf mehreren Erdölfeldern von Petroecuador als Nebenprodukt anfällt und bisher lediglich abgefackelt wurde. Amazon Gas ist momentan im Entstehungsprozess, so dass über Erfolg oder Misserfolg noch keine Bilanz gezogen werden kann. Es ist allerdings ein Experiment, das großen Einfluss auf die wirtschaftliche Situation der indigenen Organisation CONFENIAE und der nutznießenden indigenen Dörfer haben wird.
Weitere Beispiele Es gibt mehrer Beispiele über die Nutzung und Vermarktung von Waldprodukten, die über Nischenmärkte in den Ländern aber auch in den USA und Europa abgesetzt werden. So kauft die Kosmetikkette “Body Shop“ mit Hauptsitz in England Paranussöl direkt von den Kayapó Dörfern A-Ukre und Pukanuv in Brasilien für die Herstellung von Cremes und von den Nahnu aus Mexiko Sisalmassagehandschuh zum Verkauf in den Läden. Diese direkten Handelsbeziehungen laufen in der Außendarstellung von Body Shop unter dem Schlagwort “Hilfe durch Handel“: den Dörfern
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soll dadurch der Zugang zum Markt und zum Aufbau weiterer Geschäftsbeziehungen erleichtert werden. Allerdings wird von dem Unternehmen kritisch angemerkt, dass man das Interesse der Kundinnen an „Hilfe durch Handel“ Produkten überschätzt hat.6 Direkt vermarktete Produkte indigener Völker aus Lateinamerika bedienen in Europa nur einen sehr kleinen Markt. Andere Beispiele für indigene Wirtschaftsunternehmen sind lokale und regionale Tourismusprojekten, oder die Entwicklung von eigenen, zum Teil lokalen Kreditsystemen. PLANT (2002) kommt zu dem Schluss, dass in ganz Lateinamerika sich ein “indigenes“ Unternehmertum auszubilden beginnt. Damit ist in erster Linie die Herausbildung von eigenen Vermarktungsstrukturen wie bei den K’iche in Guatemala, der Aufbau von eigenen bancos communales in mehreren Ländern oder der Aufbau von eigenen kleinen Tourismusunternehmen in Ecuador gemeint. Der Aufbau eigener wirtschaftlicher Unternehmen in Lateinamerika hat weder das Ausmaß der indigenen Unternehmen in Kanada, Australien oder Neuseeland angenommen noch hat es die Unterstützung erfahren, die zum Beispiel die indigenen Unternehmen in Kanada durch die Regierung erhalten haben.
Ansätze der EZ Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit wurde von Seiten der Weltbank aber auch von der Interamerikanischen Entwicklungsbank das Konzept des “Ethnodevelopment“ oder auch “Development with identity“ zum Leitbild für die Zusammenarbeit mit indigenen Völkern erhoben. Dieses Konzept wurde ursprünglich von der UNESCO entwickelt und beinhaltet die Verbesserung der Lebensqualität indigener Völker durch folgende Elemente zu erreichen (PARTRIDGE & UQUILLAS, 1996). (1) Verbesserung des Zugangs zu sozialen Dienstleistungen und natürlichen Ressourcen unter besonderer Berücksichtigung indigener Formen der Landnutzung und des Landbesitzes, 6
Siehe www.the-body-shop.de.
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(2) Stärkung indigener Kulturen, Gemeinschaften und sozialen Organisationen, (3) Stärkung indigener Kapazitäten, ihre eigenen Entwicklungsprojekte zu entwerfen und zu managen.
Die Weltbank Im Rahmen dieses Ethnodevelopmentkonzeptes hat die Weltbank bisher einige wenige Projekte durchgeführt, die sich ausschließlich an die indigene Bevölkerung richten. Eines davon ist, PRODEPINE7 (Proyecto de Desarrollo de los Pueblos Indígenas y Afroecuadorianos in Ecuador), dessen erste Phase mittlerweile abgeschlossen ist. Inhalt des Projektes waren
Maßnahmen zur Stärkung der indigenen Organisationen und der staatlichen Institution für indigene Völker, dem Consejo de Desarrollo de las Nacionalidades y Pueblos Indígenas de Ecuador CODENPE;
Management natürlicher Ressourcen, vor allem Boden- und Wasserschutz, Wiederaufforstungen, Management der Mangrovengebiete, Sicherung von Landrechten. Im Hochland erfolgte die Sicherung von Landrechten durch den Kauf von Parzellen;
zur Armutsreduzierung von Indigenen beurteilt worden8 und soll in einer zweiten Phase weitergeführt werden.
Die deutsche EZ Die Zusammenarbeit der deutschen EZ mit indigenen Völkern ist nicht auf die direkte Förderung von Wirtschaftsprojekte ausgerichtet. Die Unterstützung von angepassten Wirtschaftsweisen ist jedoch integraler Bestandteil mehrerer Projekte. Im Folgenden werden beispielhaft einzelne Projekte erwähnt:
Pilotprogramm zur Bewahrung der tropischen Regenwälder Brasiliens (PPG 7) Das Pilotprogramms, das noch bis 2008 läuft, ist der Versuch, die wirtschaftlichen Interessen an der Entwicklung der brasilianischen Regenwaldregion mit dem Schutz des Waldes in Einklang zu bringen. In dem Programm werden Förder- und Schutzprogramme durchgeführt, die von der Demarkierung indigener Territorien, über die Förderung indigener wirtschaftlicher Kleinprojekte bis zu Initiativen zur Vermarktung organischer Produkte reicht.
Investitionen in ländliche Vorhaben, hier wurden unterschiedliche Kleinmaßnahmen sowie Vorstudien für langfristige Vorhaben finanziert. Das Projektmanagement lag in der Hand eines Steuerungsgremiums, dass sich aus Vertreter/innen der Regierung und der indigenen und afroecuadorianischen Organisationen zusammensetzte. Dies hat zwar den Planungs- und Umsetzungsprozess verlangsamt, aber entscheidend zur Nachhaltigkeit des Projektes beigetragen (UQUILLAS & NIEUWKOOP, 2003). Die indigenen Gemeinschaften und ihre Organisationen waren nicht nur die Zielgruppe sondern die zentralen Akteure des Projektes. Das Projekt ist von der Weltbank positiv als Beitrag
Foto: Vorbereitung des Kaffees für den Verkauf in Panama (S. SPOHN)
Ngöbe Buglé Das Projekt „Management der natürlichen Ressourcen im Gebiet Ngöbe“ der Nationalen Umweltbehörde (ANAM) mit technischer und finanzieller Unterstützung der GTZ arbeitete von 1993 bis 2004 in der Comarca NgöbeBuglé. Ziel des Projektes war es, einen Beitrag
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PRODEPINE wird von dem International Fund for Agricultural Development und der Inter- American Foundation kofinanziert.
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Zur weiteren Information über das Projekt siehe Uquillas & Nieuwkoop (2003) und Griffiths (2000)
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zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung zu leisten und die Bevölkerung zu unterstützen, sich in die politische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes unter Erhalt ihrer Identität zu integrieren. Über die Förderung von nachhaltigen Produktionssystemen, Qualitätsverbesserung der Produktion (hauptsächlich Kaffee und Kunsthandwerk), Unterstützung bei der Organisation in Erzeugergemeinschaften und bei der Suche nach Vermarktungsmöglichkeiten, wurden kurze Vermarktungsketten aufgebaut, die den indigenen Bauern und Bäuerinnen eine deutliche Einkommenssteigerung erbrachte. Die Vermarktung von Kaffee und Kunsthandwerk auf dem regionalen Markt und der Export von Bio-Kaffee sichern die Abnahme der Produktion. Neben den wirtschaftlichen Erfolgen ist das sichtbar gesteigerte Selbstbewusstsein und die verbesserte Verhandlungsfähigkeit der Ngöbe-Bevölkerung ein weiteres Ergebnis.
Die kanadische EZ Zum Schluss sei noch kurz auf die kanadische Entwicklungszusammenarbeit hingewiesen. Das spezifische der kanadischen EZ ist, dass sie im Rahmen des Indigenous Peoples Partnership Programme gezielt gemeinsame Vorhaben von indigenen kanadischen Organisationen und Unternehmen mit ihren lateinamerikanischen indigenen Partnern fördert. Indigene Organisationen in Lateinamerika sollen direkt von den Erfahrungen der indigenen Völker in Kanada profitieren und in ihre eigene Praxis umsetzen können. Es hat auf der einen Seite Elemente einer „Auslandsförderung“ kanadischer indigener Unternehmen, zum Beispiel von Beraterfirmen. Andererseits haben indigene Organisationen in Lateinamerika dadurch die Möglichkeit, Erfahrungen anderer indigener Organisationen im Aufbau von Unternehmen kennen zu lernen und eventuell produktiv für ihre Arbeit zu nutzen. So stellt sich die Frage, ob nicht die gezielte Förderung kanadischer indigener Betriebe durch die Regierung und die Unterstützung bei der (Auslands-)Vermarktung durch die Organisierung von Messen u.ä. nicht auch gangbare Maßnahmen in Lateinamerika wären.
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Schlussbetrachtung Zur Verbesserung der Chancen indigener Völker ist der erste Schritt, der notwendigerweise durch die Nationalstaaten erfolgen muss, die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Sicherung der Menschenrechte der indigenen Bevölkerung zu schaffen. Darüber hinaus muss das Eigentum an indigenem Land und seiner natürlichen Ressourcen eindeutig durch Gesetze und deren Umsetzung abgesichert sein. Das Vorhandensein von eindeutigen Grenzen und Landtiteln ist jedoch im Umkehrschluss keine ausreichende Voraussetzung für ökonomische Entwicklung. Der Staat ist die Institution, die die rechtlichen Mechanismen und die physische Infrastruktur bereitstellen muss, die notwendig sind, damit dauerhafte selbstbestimmte Entwicklung stattfinden kann. Auch wenn es vordringlich die Aufgabe des jeweiligen Staates ist, die indigene Rechte abzusichern und Voraussetzungen zu schaffen, um die (ökonomische) Benachteiligung indigener Völker zu überwinden, so kann die EZ – in bescheidenem Maße - dazu beitragen, die Marginalisierung der indigenen Völker zu verringern durch:
Unterstützung der indigenen Völker und ihrer Organisationen bei der Erarbeitung von strategischen Entwicklungsplänen, um Visionen und Wirtschaftsalternativen für ihre Regionen zu entwickeln; Schaffung von Foren für indigene und nicht-indigene Bewohner einer Region, auf denen über alternative Entwicklungsmöglichkeiten nachgedacht und debattiert werden kann.
Gezielte Förderung indigener Unternehmen, Kooperativen und Erzeugergemeinschaften. Dazu kann die Qualitätsverbesserung der Produktion und der Zugang zu einer verbesserten nationalen und internationalen Vermarktung genauso gehören wie die Weiterqualifizierung im Managementbereich zur Leitung von Unternehmen;
Beitrag zur verbesserten Bildung – neben der Grundbildung vor allem im Bereich der beruflichen Weiterbildung und universitä-
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Stipendienpro-
angepasste Aktivitäten für die indigene Bevölkerung berücksichtigen.
Eine gezielte Förderung indigener wirtschaftlicher Projekte ist dann sinnvoll, wenn sie die Anstrengungen zur Sicherung der Eigenversorgung unterstützen. Sie sind in marginalen Regionen sinnvoll, die mit besonders schwierigen Ausgangsbedingungen konfrontiert sind. Ferner sollten die indigene Völker privilegiert unterstützt werden, die nur über geringe Erfahrungen im Umgang mit dem Markt und seinen Mechanismen verfügen. Sie müssen bei ihren Versuchen sich in diese Mechanismen einzufinden begleitet werden. So bedarf es besonderen Wissens um indigene Produkte, wie Webtextilien und Keramiken auf dem Markt zu etablieren. Bei diesen Fördertypen stellen sich auch Fragen zum Schutz von indigenem intellektuellem, materiellem und nicht-materiellem Eigentum. Zahlreiche andere Maßnahmen, wie die Gewährung von speziellen Krediten oder Beratungsleistungen, die im Rahmen von Ressourcenschutzprogrammen oder im Rahmen von Kleinbauernförderung durchgeführt werden, sollten sensibel auf den Beratungsbedarf indigener (Dorf-) Gemeinschaften eingehen und mit deren besonderen Bedingungen bedenken. Gleichzeitig sollte das Empowerment und die Schulung von indigenen Organisationen gestärkt werden, damit sie in die Lage versetzt werden, selbst langfristig Maßnahmen zu steuern und zu begleiten.
Bleibt noch anzumerken, dass Projekte mit indigener Bevölkerung nicht kurzfristig nachhaltig sind, selbst dann nicht, wenn sie gut entworfen sind. Sie verlangen ein Engagement, das zumeist über den Zeit- und Planungshorizont von Entwicklungsprojekten hinausgeht.
ren Ausbildung gramme);
(z.B.
Im Andenhochland, wo die Lebenssituation der indigenen und nicht-indigenen Bevölkerung sich kaum voneinander unterscheidet, erscheint ein regionaler Ansatz erfolgversprechender als ein ethnisch begründeter. Aber auch in der Amazonasregion sollten Ansätze unterstützt werden, in denen indigene und nicht-indigene Bevölkerung gemeinsam Konzepte für die Entwicklung ihrer Region entwerfen. Wirtschaftsförderungsprojekte und Staatsmodernisierungsprogramme, die an sozial gerechteren Rahmenbedingungen arbeiten, sollten indigene Völker als zentrale Akteure wahrnehmen und in ihrer Planung und Umsetzung
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Pueblos Indígenas y Fondos de Inversión Social: Descuentros, herejías y otros éxitos
Pueblos Indígenas y Fondos de Inversión Social: Desencuentros, herejías y otros éxitos RENÉ RODRIGUEZ HEREDIA
La devolución de responsabilidades a los Pueblos Indígenas es un acto de justicia histórica Desde hace poco menos de seis años la Cooperación Financiera Oficial Alemana, a través del Grupo KfW, Banco Alemán de Desarrollo, juntamente con sus contrapartes nacionales, han iniciado en América Central el diseño y la ejecución de programas de desarrollo comunitario cuya característica principal es poner a las comunidades y a sus autoridades locales al mando de su propio desarrollo. Es lo que actualmente se está denominando la metodología participativa promotora del Desarrollo Local con Enfoque Indígena. Esta metodología tiene como pivote central la aplicación del principio de subsidiariedad y el respeto de la diversidad étnica, es decir, que los niveles superiores del gobierno no deben realizar aquello que los niveles inferiores pueden hacer si son convenientemente apoyados para asumir tal responsabilidad. Esta metodología, cuando se trata de trabajar con Pueblos Indígenas1, es más pertinente aún, pues se trata de promover el desarrollo pero un desarrollo con identidad.
sus autoridades todo el poder de decisión sobre los temas que directamente les conciernen y les afectan, con la menor intervención posible de las autoridades de los niveles centrales o intermedios. Con esta metodología los indígenas no son simples objetos de las intervenciones, ni tan siquiera sujetos de las mismas, sino los actores protagónicos y al mando de su desarrollo. De ahí que las principales herramientas de aplicación del Desarrollo Local sean: la planificación participativa, democrática e incluyente de cada pueblo indígena; la transferencia de recursos financieros y técnicos para que cada pueblo ejecute los programas y proyectos que implica su plan de desarrollo2; y el fortalecimiento organizativo tanto de las comunidades como de sus estructuras de gobierno tradicional.
En la promoción del Desarrollo Local el lugar privilegiado de transferencia de los recursos y responsabilidades son las autoridades locales y las comunidades, y, cuando se trata de comunidades indígenas, incluyendo a sus autoridades cuya legitimidad se sustenta en las tradiciones y prácticas ancestrales de estos (jus gentium o derecho consuetudinario).
Estas tres herramientas tienen como objetivo devolver de manera sistemática aquellas capacidades que los colonizadores, sus descendientes criollos y las democracias formales de manera igualmente sistemática expoliaron y casi siempre a golpe de látigo y fusil. La devolución preconizada por la Cooperación Financiera Oficial Alemana a través KfW Bankengruppe (Banco Alemán de Desarrollo), mayormente limitada a lo que se refiere la gerencia del propio desarrollo y del ciclo de proyectos, lo cual es un elemento primordial, pero no el único, de lo que debe ser un proceso integral de devolución histórica de todo aquello que los pueblos indígenas necesitan
El Desarrollo Local es fundamentalmente un proceso que devuelve a las comunidades y
2 Estos Programas están poniendo en práctica la
1 Pueblo Indígena es el conjunto de familias y
comunidades que se autoreconocen como diferentes a los demás por razones de idioma y cultura y que desde el comienzo de su historia habitan un territorio por ellos poseído.
ejecución de los proyectos por las comunidades en orgánica relación con sus autoridades. Es lo que se ha dado en llamar Desarrollo Guiado por la Comunidad y conocido por su sigla en Inglés como CDD (Community Driven Development), que se está ejecutando en nueve Programas financiados por el KfW y Banco Mundial en América Central.
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Pueblos Indígenas y Fondos de Inversión Social: Descuentros, herejías y otros éxitos
para retomar la senda de un desarrollo realizado con identidad. Esto último es todavía punto de agenda en los gobiernos que real-
mente deseen vivir dentro de la ”unidad con diversidad”.
Foto: Workshop indigener Organisationen Perus (S. REINHARDT)
Invertir sustantivamente en capacitación comunitaria y capacitación de las autoridades locales
nerar capacidades, habilitar organizaciones, empoderar a los Pueblos.
Consecuencia inmediata del anterior principio, es que los Programas de Desarrollo Local que financia el Gobierno de Alemania a través del KfW están diseñados para invertir sustantivamente en la capacitación de las comunidades, las autoridades locales y las unidades de proyectos de las organizaciones incluyendo las de los Pueblos Indígenas. No se trata solamente de capacitar a las comunidades y a los gobiernos municipales, como se hacía hasta hace poco, en el buen cuidado y uso de sus proyectos, sino en temas como la importancia del fortalecimiento organizativo, historia del pueblo indígena, la cuentadancia ciudadana, la planificación democrática, el manejo del ciclo de proyectos y temas tendientes a fomentar un desarrollo con identidad. Lejos están los días en los que el componente capacitación era la cenicienta de los presupuestos de los Programas, pues ahora de lo que se trata es de ge-
Fomento del capital social o prevención de conflictos
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Capital social es la capacidad que tienen los grupos humanos de poder concertar y trabajar por el bien común. Por ello se afirma que la prevención de conflictos y el fomento del capital social son sustantivamente complementarias entre sí. La experiencia muestra que el fomento del capital social es tal vez la más poderosa herramienta para la prevención y solución de conflictos, cuando los conflictos son principalmente a nivel local (comunitario o municipal). La prevención de conflictos puede convertirse en una categoría abstracta sino se la incrusta en el fomento del capital social, en la cuentadancia ciudadana, en los mecanismos de participación y todo ello en el ámbito de las comunidades y grupos de comunidades. De esta forma la prevención de los conflictos y
Pueblos Indígenas y Fondos de Inversión Social: Descuentros, herejías y otros éxitos
su resolución encuentran la contundencia de la vida cotidiana, al menos a nivel local. El capital social es el conjunto de tradiciones, instituciones y costumbres que facilitan el trabajo solidario para el bien común de una determinada comunidad o conjunto de comunidades y también de un Pueblo Indígena, cuando de indígenas se trata. No es cierto que el único capital de los pobres sean sus hijos y su fuerza de trabajo, sino que también es capital de los pobres, principalmente a nivel rural y periurbano, su capacidad de trabajar por el bien común. La Mita, Minka, Minya, Faina, son algunas de las modalidades de trabajo por el bien común y colectivo y que las sociedades modernas, las democracias formales y sus aparatos militares pretendieron debilitar, felizmente con éxito muy limitado. Todos aquellos que trabajan en el campo práctico del desarrollo local saben que los pobres tienen una gran riqueza y que ellos mejor que nadie la utilizan a su favor. Capital social es trabajo en común, pero es también negociación, parlamentarismo y llegada a soluciones concretas a problemas concretos. El capital social les permite a las comunidades y conjuntos de comunidades identificar sus problemas, priorizarlos, dilucidar soluciones y llevarlas a la práctica, todo ello de manera solidaria y disciplinada. Los ejercicios de planificación democrática local, la ejecución de los proyectos por las propias comunidades, la prestación colectiva de servicios sociales, la creación de comités especializados, los mecanismos de mantenimiento, etc. no son sino aplicaciones concretas del capital social de los pobres. Por ello es que se afirma que la prevención y solución de conflictos encuentra un caldo de cultivo de primer orden para la solidariedad y la paz, al menos a nivel local, en los Programas que sustentan su metodología en el fomento del capital social y el desarrollo local.
La trampa de la igualdad En países como Guatemala y Honduras todavía es frecuente escuchar en discusiones y publicaciones que no es necesario diseñar
Programas ni Proyectos especialmente dirigidos a los indígenas aduciendo que ello es atentar contra la igualdad de todos los ciudadanos y, peor aún, que es fomentar el divisionismo entre los ciudadanos. La peligrosidad de una falacia consiste precisamente en que utiliza las verdades a medias, los lugares comunes y los argumentos del sentido común (que en otras circunstancias serían totalmente válidos) para justificar lo injustificable. Pero cuando se trata de generar precisamente condiciones de igualdad y de generación de oportunidades en sociedades altamente marginadoras y con vestigios racistas, esos argumentos tienen que ser rechazados clara y fundamentadamente y a la vez proponer alternativas concretas, incluyendo la “discriminación positiva” y el fomento de la interculturalidad y el multilingüismo. Si el objetivo de las personas de buena voluntad es crear una sociedad verdaderamente creadora de oportunidades para todos y no solamente para los “iguales a nosotros” entonces la igualdad es una trampa, pues la igualdad no es un punto de partida sino de llegada en una sociedad signada por la democracia, la participación ciudadana y la equidad. Es pues necesario diseñar y poner en práctica medidas bien concretas que lleven el péndulo de la aceptación ciudadana a su nivel y ello solamente se logra con medidas de “discriminación positiva” de inmediato y largo plazo. Bajo esa aparente igualdad de que “todos somos iguales y no hay que estar dividiendo al pueblo”, se esconde la peor de las discriminaciones al ignorar la existencia de aquellos que son “diferentes” a nosotros; ignorar esto es declarar su muerte en cuanto ciudadanos con cultura, valores e instituciones diferentes. Esta es una de las lecciones que más ha costado aprender a los organismos nacionales promotores del desarrollo local y financiados – entre otros- por la Cooperación Alemana a través del KfW. Particularmente los Fondos de Inversión Social fueron reacios a entender que hay una estrecha y consubstancial relación entre lo que se pretende lograr (objetivo) y las normas y procedimientos utilizados (metodología). No se puede pretender fomentar la de-
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Pueblos Indígenas y Fondos de Inversión Social: Descuentros, herejías y otros éxitos
mocracia y la gobernanza, utilizando metodologías autoritarias y poco transparentes; no se puede pretender la sustentabilidad de una actividad o servicio, empleando métodos de ejecución paternalistas y poco “apropiantes” por los beneficiarios; por último, no se puede buscar el autodesarrollo y la práctica de la autogestión local, imponiendo ejecutores alejados de la realidad local.
Los proyectos como medio y no como fin En los programas de fomento del Desarrollo Local, el papel de los proyectos es más de instrumento que de fin en sí, pues de lo que se trata es de utilizar a la obra de infraestructura como un medio para prestar un servicio y a la vez generar capacidades económicas, sociales, políticas y de gobernabilidad entre los pobladores y sus autoridades formales y tradicionales. Considerar que las obras de ingeniería son el objetivo es desconocer el papel transformador que tiene una actividad concreta, bien diseñada y mejor ejecutada por sus propios actores y beneficiarios. No hay pues que confundir la obra física con el proyecto, pues mientras la primera es una herramienta (de alta calidad por cierto), el proyecto es el servicio que se desea brindar y el fortalecimiento de las organizaciones locales, responsables de operarlo sustentablemente es el fin. Aquí radica precisamente la gran ventaja comparativa de la Cooperación Financiera Oficial Alemana a través del KfW cuando promueve el Desarrollo Local: las ideas y los planes son llevados inmediatamente a la práctica por los propios interesados, siendo su principal valor agregado el empoderamiento y el incremento del capital social de los pobres y no solamente la satisfacción de una necesidad inmediata.
Los Fondos Sociales de Centroamérica y su proceso de trabajo con los Pueblos Indígenas Los Fondos de Inversión Social de tercera generación3 así lo han entendido y en Hondu3 Los Fondos de Inversión Social son organismos
que han venido evolucionando de simples compensadores a los efectos de los ajustes (Fondos de primera generación) a máquinas
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ras, Nicaragua y Guatemala se han vuelto los abanderados, entre los demás organismos estatales, del fomento del desarrollo local y de la opción preferencial por los pueblos indígenas. Por lo anterior es que en la Cooperación Financiera y el KfW se afirma que el Desarrollo Local en América Latina y el Caribe es a la vez un objetivo a lograr pero también una estrategia para lograrlo. La Cooperación Financiera (KfW) en América Central financia actualmente Programas con clara opción por la interculturalidad y el desarrollo con identidad. El FIS y el PRONADE de Guatemala, el FISE de Nicaragua y el FHIS de Honduras son los responsables de llevar a la práctica los principios mencionados y es precisamente sobre este último que a continuación se ejemplifica la opción del KfW por la devolución a los Pueblos Indígenas las riendas de su propio desarrollo, de una manera práctica y de inmediata ejecución. No es que los nueve Programas sean todos igualmente exitosos, ni que en todos se haya logrado con altos niveles de apropiación institucional la puesta en práctica los conceptos de Desarrollo Local y Fomento de la Interculturalidad, sino que los éxitos y fracasos realizados por los Fondos demuestran que por ahí va el camino. Los pueblos indígenas representan poco más de la mitad de la población de Guatemala, entre el 10 y el 20 por ciento en Honduras y Nicaragua y menos del 10 de por ciento en Panamá y El Salvador. Desgraciadamente, ser indígena y extremadamente pobres en esta parte del continente son casi sinónimos. En ninguno de los países existe una política nacional de alto nivel de tratamiento de la Cuestión Indígena, si bien en Guatemala y Honduras existen sendas instituciones oficiales responsables. Una vez reinstalados los gobiernos democráticos y habiéndose terminados los procesos de guerra interna, en todos los países, en unos más en otros menos, el tema de
contratistas de pequeñas y medianas obras de infraestructura social (Fondos de segunda generación). Finalmente, y como reacción a las limitaciones y deficiencias de las dos anteriores generaciones, los Fondos de tercera generación, se han convertido en instituciones fomentadoras del desarrollo local.
Pueblos Indígenas y Fondos de Inversión Social: Descuentros, herejías y otros éxitos
los Pueblos Indígenas ha sido puesto sobre la mesa y este artículo precisamente quiere poner a conocimiento de cómo la Cooperación Financiera Oficial Alemana y el KfW, en estrecha colaboración con el Banco Mundial, han contribuido con relativo éxito en el tema.
Foto: Wahltag in der Comarca Ngöbe-Buglé (Proyecto Agroforestal Ngöbe)
Los Fondos de Inversión Social de Honduras, Guatemala y de Nicaragua han sido los instrumentos para tal fin, pues en tales países fueron las únicas organizaciones que respondieron con reticencia al comienzo y con entusiasmo finalmente al reto de acomodar sus estructuras, normas y procedimientos a un trabajo sistemático y adecuado con los Pueblos Indígenas. Los Fondos de Inversión Social (FIS) son organizaciones estatales que nacieron a fines de los años 80 y hoy operan en 21 países latinoamericanos, si bien también existen en África, Asia y Europa del Este. Son instituciones que han sido modeladas como instrumentos modernos y eficientes para transferir fondos a las comunidades y gobiernos locales, con el fin de financiar procesos de autodesarrollo y a la vez pequeños y medianos proyectos de diferente naturaleza. Son instituciones/ instrumento de ejecución de las políticas sociales de los gobiernos y, desde hace unos años, también de las políticas de descentralización y modernización de las administraciones públicas. En sus más de 15 años de estar operando en América Central, muchos son los errores cometidos, muchos los éxitos, pero sobre todos destaca su tremenda capacidad de adecuarse a los nuevos retos y situaciones.
Por ello es que fueron escogidos por sus gobiernos y los bancos de desarrollo, para llevar a cabo Programas especialmente diseñados para trabajar con los Pueblos Indígenas.
El FHIS de Honduras, un caso de “herejía metodológica” hecho Programa Los pueblos indígenas en Honduras son nueve: Xicaques, Pech, Miskitos, Lencas, Tawahkas Chortíes, Nahoas, Garífuna y Negros de Habla Inglesa. El pueblo mayoritario es el Lenca (60% de los indígenas) y el minoritario el Tawahka (0.5%). El 86% de los indígenas hondureños está en el peor quintil de pobreza. Poco menos del 80% de las comunidades no tienen ni servicio de agua potable ni de disposición adecuada de excretas. Más de 85% de las mujeres mayores de 25 años son analfabetas. La mortalidad materna es de lejos la más alta de Honduras. Durante las dos décadas de guerra civil en América Central –años 75 a 95–, los Pueblos Indígenas no encontraron mejor modo para defenderse colectivamente de los embates de las fuerzas armadas y de su infaltable secuela de expoliaciones de tierras por parte de los militares y sus aliados, que optar por formas modernas de organización. Esta especial característica de los indígenas hondureños hizo del trabajo del Fondo Hondureño de Inversión Social (FHIS) una tarea exigente para la creatividad en el trabajo conjunto, la equidad social y el fomento del desarrollo con identidad. A pesar de su importancia numérica en la población de Honduras (12%) y de su condición de vivir en la extrema pobreza –es común la alta correlación entre extrema pobreza y ser indígena–, los pueblos indígenas no recibieron de las autoridades nacionales, casi siempre dictadores bananeros, más respuesta a sus reclamos que represión, expoliación de tierras y muchas veces la muerte de sus autoridades. Inclusive, ya bien entrada la democracia, la “cuestión indígena” no era reconocida ni por la sociedad ni por muchas autoridades hondureñas, y por ello es que en los comienzos de los años 80 los pueblos indígenas (ocho nativos y uno de migración forzada: los afro descen-
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Pueblos Indígenas y Fondos de Inversión Social: Descuentros, herejías y otros éxitos
dientes) tomaron una decisión de defensa colectiva, cuyas consecuencias aún no han sido convenientemente evaluadas al haberse organizado bajo la modalidad de federaciones campesinas de corte sindical reivindicativo. Los indígenas llegaron a la conclusión que sus organizaciones tradicionales, tales como los caciques, ancianos, consejos de tribus o fraternidades de pueblos, no eran los instrumentos más idóneos para defender sus intereses ante las autoridades estatales. Por ello es que se empiezan a formar las Federaciones Indígenas, las cuales asumen una estructura, reglamentos, virtudes y defectos propios de los organismos gremiales campesinos comúnmente conocidos en América Latina, casi siempre a la sombra de partidos políticos de izquierda. No es objetivo de este artículo realizar un balance de tal decisión, sino exponer sus consecuencias cuando el Fondo Hondureño de Inversión Social (FHIS) decide al fin trabajar de manera sistemática y con una estrategia de genuino indigenismo y no con un indigenismo folklórico y paternalista, convirtiéndose así en el primer, y hasta el momento único, organismo estatal hondureño en tomar tal decisión.
La gran decisión Para empezar, el año 2002 el FHIS hace un esfuerzo por asumir que lo indígena es un problema desde que los españoles llegaron a Honduras y que el tema debe ser, de una vez por todas, abordado de la manera más profesional posible y siguiendo los mejores cánones existentes. Por ello hecha mano al Convenio Nº 169 de las Naciones Unidas sobre “Pueblos Indígenas y Tribales”, hecho ley en Honduras el año 1996. Después de muchas discusiones se tomaron dos decisiones vitales: por un lado diseñar y poner en marcha un Programa especial a favor de los Pueblos Indígenas y por otro, que dicho Programa sea diseñado y ejecutado siguiendo los cánones del Convenio Nº 169, cuando norma la forma cómo los gobiernos deben trabajar con éstos y que fueron asimilados por el FHIS bajo los siguientes términos:
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”El FHIS debe ser la punta de lanza de entre las instituciones estatales y privadas sobre la forma de trabajar solidariamente con los Pueblos Indígenas”.
”Los indígenas tienen derecho a un Desarrollo con Identidad, es decir que sus características ancestrales y diferencias deben ser potenciados en su propio beneficio y de todo Honduras”.
”Es necesario impulsar la Discriminación Positiva, con el fin de asegurar que las ventajas del FHIS se dirijan exclusivamente a ellos. Otros hablan de compensación histórica”.
”Se tiene que reconocer que los pueblos indígenas existen, son numerosos y tienen mucho que aportar al desarrollo de Honduras, es decir que los pueblos indígenas tienen una Importancia Cuantitativa y Cualitativa en el país”.
”Las políticas, programas y proyectos que tengan directa o indirectamente que ver con los pueblos indígenas deben ser discutidos, ejecutados y evaluados con la participación ilustrada de las representaciones de estos pueblos”.
Democracia en pañales Fue precisamente este último principio, el de la participación democrática de los indígenas en su propio desarrollo, el que más costó cumplir, sin menospreciar la dificultad de los otros. El FHIS era una institución poco consciente que los indígenas hondureños son tan ciudadanos como los otros, como los más pobres, con iguales derechos, pero a la vez con culturas, valores y principios todos derivados de cosmogonías muy diferentes a las occidentales. Tales diferencias habían sido melladas por más de 500 años de intentos de culturización y exitosos esfuerzos de expoliación y represión, pero fundamentalmente habían quedado incólumes. “Cómo es que vamos a discutir con ellos el Programa si los indios son ignorantes”, preguntaba un funcionario; “si nosotros que somos profesionales universitarios no sabemos bien cómo sacar a Honduras de su subdesarrollo, menos lo va a saber esa gente ignorante.”
Pueblos Indígenas y Fondos de Inversión Social: Descuentros, herejías y otros éxitos
“Si el FHIS quiere trabajar con los pueblos indígenas está muy bien, pero esta vez no vamos a permitirle que venga con espejitos y collares y mucho menos con engaños, como lo ha venido haciendo. Si el FHIS acepta que el nuevo Programa sea trabajado desde el comienzo con plena participación de las Federaciones Indígenas, y, si ahora de trata de verdaderos proyectos y no solamente de regalitos, entonces estamos dispuestos a autorizar a nuestras bases para que participen. De otra manera no lo aceptamos, y más aún, denunciaremos ante los organismos internacionales que el FHIS y todo el gobierno de Honduras, están despreciando y marginando a los pueblos indígenas e incumpliendo el Convenio 169 que en Honduras es una ley muerta.” SILVESTRE GONZÁLEZ, Presidente de una Federación Lenca
Así se preguntaban los funcionarios del Fondo, reflejando de esta manera la mala relación interétnica existente en su país. Por ello es que el Ministro/ Director del FHIS tomó la decisión de convocar a tres representantes de cada una de las nueve Federaciones Campesinas para discutir abiertamente cómo trabajar juntos bajo la égida de los principios del Convenio 169. Fue una decisión difícil de aceptar por una Institución que en los pasados diez años había recorrido todo el país, como ninguna en Honduras, construyendo proyectos de infraestructura, pero ignorando que el desarrollo es mucho más que obras, y, que en el caso de los indígenas, éstos son ciudadanos diferentes y que no hay peor discriminación que tratar a los diferentes de manera igual.
El primer taller de trabajo Finalmente, después de casi cuatro meses de dudas y desconfianzas de todas las partes y con más de diez años de estrategias equivocadas, se llevó a cabo el 4 de febrero de 2003 un primer taller de trabajo, contándose con la participación de la totalidad de las Federaciones Indígenas y Negras de Honduras (27 dirigentes) y seis funcionarios del FHIS. Fue un total de 33 personas, la una más diferente de la otra, todos unidos por el temor y la desconfianza. No fue fácil iniciar las conversaciones, pues algunos dirigentes venían llenos de una
mezcla de ira contenida y timidez; otros no sabían bien de qué se trataba, otros hasta temor tenían (no están muy lejos los años en que los dirigentes indígenas eran citados o perseguidos por las autoridades militares y funcionarios gubernamentales y siempre para nada bueno; ahora no tenía por qué ser diferente). A partir de ese momento conjuntamente se comenzó a diseñar un Programa de Desarrollo Indígena a ser implementado también conjuntamente.
País pequeño, distancias grandes Algunos dirigentes, los con más suerte, venían de tan solo ocho horas de viaje en los ya conocidos ”autoabuses” (abuso y autobús son casi sinónimos en el interior de Honduras), y los más alejados, por ejemplo las autoridades Kawakas habían invertido más de 30 horas en llegar entre tramos a caballo, otros en canoa por los ríos fronterizos con Nicaragua, caminatas y siempre en los infaltables y desvencijados camiones rurales. Pero la democracia y la participación tienen otros costos y a veces muy grandes y esos costos tienen que ser pagados en aras de la eficacia y la justicia. En primer lugar fue necesario asegurarse que todos los participantes se entendieran entre sí. Fue necesario buscar dos intérpretes para el español, que felizmente se encontraron entre los asistentes, pues algunos de ellos, a empujones de una vida en lengua dominante, se habían profesionalizado en tal menester. Otro problema fue trabajar con dos tipos de dirigentes, los Federativos y los Ancestrales. Los Federativos con su calidad de luchadores sociales de la más prístina izquierda de las dirigencias campesinas y los Ancestrales, ancianos indígenas que jamás aceptan las voces en alto, el lenguaje altisonante de sus socios federativos y mucho menos que se les contradiga en público. Es menester decir que solamente una mujer participó en el primer taller, la hija de un jefe de tribu Pech quien debía ayudar a su padre con el idioma. Por su lado los funcionarios del FHIS estaban deslumbrados por la solemnidad que los ancianos impusieron al acto de inauguración y sin saber qué hacer, pues nunca habían participado en eventos con gente tan diferente y tan digna en su pobreza.
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Pueblos Indígenas y Fondos de Inversión Social: Descuentros, herejías y otros éxitos
”Es cierto que mi señorita hija no es dirigente, pero solicito a los señores presentes la autoricen a que les diga lo que yo desee decir, pues ella honra la presencia de todas las mujeres que aseguran la vida de nuestras familias y nuestras tierras; además, ella ha estudiado mucho en la escuela y sin ella yo no podría ser un buen dirigente ante ustedes.” CACIQUE TEODORO LUJXA, Miskito Hondureño/ Nicaragüense
Obviamente, pasada la primera impresión ante lo desconocido, en el taller se optó por dar la prioridad en la palabra y en la razón a los dirigentes Ancestrales, pues aquí no se trataba de ganar ninguna batalla política o sindical, sino de “diseñar conjuntamente un Programa de Desarrollo Indígena, en el que los propios indígenas debían participar sustantivamente en las tomas de decisión, en el manejo del dinero y en la organización de la ejecución de los proyectos y actividades”, como dijo el Ministro Director del FHIS al momento de la inauguración. Los dirigentes Federativos entendieron y aceptaron pasar a un segundo plano, como debe ser en los tiempos de paz y democracia.
Todo el dinero del Programa a las comunidades indígenas En segundo lugar fue necesario establecer claramente que la forma de ejecución del programa no solamente implicaba una codirección del mismo entre el FHIS y los dirigentes, sino que la democratización tenía que llegar hasta el fondo. Por ello es que se optó por una metodología de administración de los recursos financieros y técnicos en los que las comunidades y sus autoridades son los responsables y depositarios del poder de decisión. Los proyectos ejecutados por las propias comunidades son una nueva forma de procesar el ciclo de proyectos que están implementando los denominados Fondos Sociales de Tercera Generación. Esta modalidad consiste en entregar a las comunidades organizadas o en proceso de organización todos los recursos financieros y técnicos que ellas requieran para que ellas mismas planifiquen, formulen, eje-
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cuten, operen y den mantenimiento a sus proyectos. Esta modalidad se basa en el principio básico que los pobres saben mejor que nadie cómo solucionar sus problemas, si es que se les dota de los recursos técnicos y financieros necesarios. La autogestión comunitaria está probando, principalmente en el caso de los pueblos indígenas, que el desarrollo con identidad y cuentadancia es un poderoso instrumento de desarrollo social y económico en manos de los pobres.
“Nos parece muy bien que el dinero sea entregado a las comunidades y no a las grandes empresas constructoras. Nosotros contrataremos a los técnicos que necesitemos y vamos a hacer las obras de mejor calidad y más baratas”. DIÓMEDES SÁNCHEZ, dirigente Tawaka
Es también condición básica que los proyectos ejecutados por las comunidades sean procesados en orgánica relación con los respectivos gobiernos municipales y a la vez con la entidad representante de los Pueblos. Los proyectos mismos tenían que ser identificados, formulados, administrados y ejecutados por las propias tribus.
“Qué tanto temor tienen que nosotros manejemos esos dineritos de gobierno y que nos los robemos, si mucho más dinero se roban los políticos y sus amigotes empresarios y no les pasa nada. Además los controles que nosotros tenemos son mucho más duros y los castigos son terribles”. SANTIAGO CARPINCHE, dirigente Lenca
En consecuencia, se acordó que todos los proyectos fueran ejecutados bajo la modalidad de ejecución comunitaria, es decir por la comunidad y sus representantes. Se acordó también facilitarles los recursos para que contraten los consultores que consideren de su agrado. Se puso una sola condición: el FHIS será el responsable de supervisar la calidad de los proyectos y la corrección en el uso del dinero. La condición fue aceptada.
Pueblos Indígenas y Fondos de Inversión Social: Descuentros, herejías y otros éxitos
El manual de operaciones y la herejía sistemática Por último, para dar cuerpo y seriedad a un Programa de 15 millones de dólares, la tarea principal fue elaborar un Manual de Operaciones, específico para el Programa, a ser trabajado hasta en los más mínimos detalles entre el FHIS y las representaciones indígenas y para tal fin se organizó una comisión paritaria. A los encargados de asesorar el proceso correspondió asegurar que el manual indígena estuviera en concordancia con las normas del KfW y del Banco Mundial4, sabiendo bien que tales normas no fueron diseñadas teniendo en mente a los indígenas y sus particularidades. La indicación principal que recibieron fue que “el manual debía adecuarse a los principios generales de los bancos y que se fuera lo más creativo posible”. Sabia instrucción, pues se trataba de crear algo nuevo, que no fuera una repetición moderna de esa colonización cultural de más de quinientos años de “amaestramiento civilizador” e inventar de la nada un manual de inversiones a ser ejecutadas por los propios indígenas y a su manera. Por ello, una fría noche del mes de mayo de 2003, en el pueblo de Intibucá, ubicado en las montañas nor-orientales de Honduras en la frontera con El Salvador, ante los vítores y danzas de los indígenas asistentes, se hizo una hoguera con el actual manual de operaciones del FHIS: de alguna manera había que simbolizar el deseo de emprender un esfuerzo creativo y mancomunado, jugándose por un manual íntegramente consensuado con las dirigencias indígenas, hecho a la medida de los indígenas “aunque nos quede lleno de herejías y apostasías” afirmó el Ministro/ Director del FHIS. El principio metodológico adoptado consistió en que la imaginación prevalezca sobre los manuales y normas antiguos, con tal de hacer algo totalmente nuevo y en consenso con los indígenas y después veremos qué dicen en el KfW y en el Banco Mundial. Felizmente, una vez terminado el manual al cabo de casi seis meses de trabajo conjunto, el documento fue enviado a los dos Bancos para el famoso dic4 En América Central el Banco Mundial y el KfW
trabajan de manera coordinada sus programas de inversión social y fomento del desarrollo local.
tamen de conformidad. Después de muchas preguntas y repreguntas, las herejías fueron aceptadas y el manual entró en plena vigencia. Se tienen ya más de 200 proyectos en ejecución al calor de este tipo de manual. La mayor parte está siendo ejecutada con altos niveles de calidad y se sabe perfectamente dónde está el dinero. Contra las pruebas no valen los argumentos, decían los antiguos.
Lecciones metodológicas aprendidas Del proceso vivido con el FIS de Honduras se pueden sacar algunas conclusiones que podrían ser útiles para los profesionales que deben trabajar en Programas en los que de manera directa o indirecta tengan que ver poblaciones indígenas. No se trata solamente de instituciones como los Fondos Sociales, sino también de instituciones especializadas en dotación de agua y saneamiento rurales, en educación, en salud, en fomento de la producción y en general en todos aquellos programas en los que la comunidad indígena es o debería ser el sujeto principal de la acción. De manera más o menos esquemáticas las lecciones aprendidas serían las siguientes: En los ejercicios de microplanificación de inversiones, cuando se trate de comunidades o municipalidades mixtas (indígenas y no indígenas), se deben hacer dos planes paralelos y, posteriormente, unificarlos en uno solo, respetando la proporcionalidad por población (indígena y no indígena), para efectos de asignación de los recursos y de priorización de proyectos. Se requiere ser particularmente exigente en el respeto a los mapas de pobreza, con el fin de asegurar la equidad (sino la discriminación positiva) en la distribución de los recursos financieros y promotores de la entidad ejecutora. No es conveniente priorizar y financiar solamente proyectos comunitarios, sino también proyectos que beneficien al pueblo indígena en su conjunto, con el fin de fortalecerlo y contribuir a su desarrollo como pueblo y no solamente como conjunto de comunidades. Proyectos que sirvan a todo el Pueblo y no solamente a una
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Pueblos Indígenas y Fondos de Inversión Social: Descuentros, herejías y otros éxitos
comunidad (p.ej.: diccionario y gramática del idioma, historia y tradiciones del pueblo, protección legal ante expoliaciones de tierra, etc.). Es mejor que los comités y diferentes instancias de dirección sean conformados tanto por miembros de la organización tradicional (p.ej.: los ancianos), como por miembros de la organización reivindicativa (dirigentes modernos). En el caso de comunidades mixtas, es mejor tener dos comités (uno indígena y otro no indígena) y aplicar posteriormente técnicas de codirección paritaria para el caso del comité único que siempre se deberá formar. No se deben crear comités o instancias ad hoc para los proyectos, sino utilizar las organizaciones existentes y fortalecerlas. Menos aún imponer formas de organización solamente para poder cumplir con requisitos legales de detalle y que perfectamente pueden ser suplidas por las organizaciones tradicionales. En el caso en que algún o alguna indígena no domine la lecto/ escritura o las operaciones aritméticas básicas, ello no debe impedir que sean elegido a los puestos de dirección, pues éste puede ser apoyado por algún hijo o hija mayor de 12 años y menor de 18 que sea alfabetizado. La ejecución de los proyectos debe ser, por lo general, bajo la modalidad de autogestión, es decir la comunidad organizada debe ser la responsable de manejar los fondos y de organizar la ejecución del proyecto y del servicio, obviamente, contando con el apoyo técnico contratado por la propia comunidad. Hay que asegurar que los Facilitadores o Promotores de la entidad ejecutora dominen el idioma propio de la comunidad con la que se quiere trabajar. En el material de apoyo a la capacitación, además de estar en el idioma de la comunidad, los dibujos y fotografías deben corresponder al grupo indígena. Incluir en los módulos de capacitación comunitaria, un módulo sobre la historia,
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valores y cosmogonía correspondientes al respectivo pueblo indígena. Los diseños, materiales y técnicas constructivas de los proyectos de infraestructura deben ser modernizaciones y adecuaciones de las usadas tradicionalmente por la comunidad o pueblo. Cuando una comunidad no desea tener relaciones estrechas y continuas con las autoridades municipales, no se les debe obligar, si bien se les debe informar de las ventajas de tenerlas. Por último, es necesario concientizar a los alcaldes municipales y demás autoridades locales para que los indígenas de su territorio reciban el tratamiento especial que compense las discriminaciones del pasado. Son lecciones que quizás no se apliquen a todos los países que tengan la suerte de tener una riqueza multicultural, pluriétnica y multilingüe, como es el caso de Guatemala, Honduras y Nicaragua, pero aún así son derroteros aprendidos en la fatiga de la práctica y que en general pueden aplicarse en los programas de lucha contra la pobreza y en sociedades rurales y urbano marginales altamente conflictivas. Al menos en Centro América, el trabajo con los indígenas está pasando del ámbito de los buenos deseos y floridos discursos al campo de los hechos; de las tesis académicas a las prácticas cotidianas; de los proyectos paternalistas, a los programas de desarrollo con identidad. Por ello bien vale la pena recordar aquella frase que pronunció esa gran mujer indígena guatemalteca, Premio Nóbel de la Paz, Rigoberta Menchú, cuando afirmó no hace mucho tiempo que “si los pueblos mayas no son capaces de fortalecer sus valores y cosmogonías con programas y proyectos técnicamente diseñados y ejecutados, son pueblos condenados a desaparecer”.
Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen
Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen DR. SABINE SPEISER
Städte bestimmen zunehmend den Lebensraum der Menschen in allen Ländern. Die Entwicklung zu weiterer Verstädterung ist nicht aufzuhalten: Bis zum Jahr 2025 werden mehr als 60% der Weltbevölkerung in Städten leben. Neun von zehn dieser stark bevölkerten Städte werden in Entwicklungsländern liegen. In den nächsten zwanzig Jahren werden 2 Mrd. Menschen in die ohnehin schon extrem belasteten Städte der Entwicklungsländer ziehen (BMZ, 2002). Für Lateinamerika liegen diese Anteile höher, in einigen Ländern, wie beispielsweise Peru, leben bereits 70% der Bevölkerung in Städten. Weltweit leben bisher 30% der Armen in Städten, die Armut in ländlichen Regionen ist wesentlich ausgeprägter. Die Situation indigener Völker in Städten gewinnt vor diesem Hintergrund auch an Gewicht in der internationalen Diskussion. Die indigenen Siedlungsräume und deren Nutzung verändern sich ebenso wie die Zahlenverhältnisse zwischen ländlichen und städtischen Indigenen. Die Indigenen selbst machen auf diese Problematik aufmerksam, wie im Jahr 2003 in der Session des Ständigen Forums für indigene Fragen: “The Forum notes that indigenous peoples are increasingly confronted with issues and problems related to more urban characteristics such as access to adequate housing, services and infrastructure in human settlements” (STÄNDIGES FORUM FÜR INDIGENE FRAGEN, 2003:7). Land – Stadt Migrationen sind ein Massenphänomen der letzten 50 Jahre und haben sowohl die ländlichen Herkunftsregionen als auch die aufnehmenden Städte von ruralen Unterzentren bis zu den Megastädten verändert. Dies gilt auch für indigene Migrationen vom Land in die Städte, die generell ähnlichen Mustern folgen. Diese Wanderungsbewegungen haben sowohl ihre Auswirkungen auf indigene Völker in den ländlichen Herkunftsregionen selbst als
auch auf die Städte, in die sie migrieren, und die sie trotz Anpassung auch mitgestalten (“indigenisieren“). LESTAIGE (zitiert in BENGOA, 2000:53) beschreibt das für den Sonderfall indigener Migranten aus Mexiko in den USA folgendermaßen: “A miles de kilómetros de su región de procedencia, los migrantes (...) siguen percibiéndose como miembros de su grupo regional o étnico de origen y al mismo tiempo se adaptan a la sociedad que los recibe y recrean una comunidad parecida a la que dejaron.“ Ohne das Konzept der multiplen Identitäten lassen sich diese Prozesse nicht adäquat interpretieren (siehe auch STRÖBELEGREGOR in diesem Band). Trotz dieser Veränderungen des städtischen Raums hält sich hartnäckig das Bild der Stadt als Hort der Moderne, des schnellen Wandels und – in der jüngsten Diskussion – des Anschlusses an die Globalisierung. Mit diesem Bild scheint das bis heute ebenso hartnäckige Bild Indigener als traditioneller, eher rückwärts orientierter, und in jedem Fall ländlicher Bevölkerungsgruppen in Widerspruch zu stehen. Mit diesen vermeintlichen Widersprüchen beschäftigt sich dieses Kapitel in drei Schritten: (1) einer quantitativen Annäherung, (2) den Wegen in und aus den Städten und (3) den ggf. dort, bzw. im Migrationsprozess entstehenden neuen Identitäten. Diese Reflektionen werden (4) mit einer Durchsicht entsprechender Ansätze der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) und (5) den daraus entstehenden Empfehlungen ergänzt.
1. Indigene in Städten – eine quantitative Annäherung Gemeinhin assoziieren die meisten Menschen und Institutionen beim Stichwort “Indigene“ einen ländlichen, meist noch ökologisch sensiblen Kontext, häufig Tropenwald. Dies ist keine Assoziation, die im “Wesen“ indigener
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Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen
Völker begründet ist oder sich historisch belegen ließe, insbesondere nicht angesichts der indigenen Hochkulturen und ihrer wenn auch heute weitgehend unbekannten urbanen Strukturen1. Auch in den Städten der Kolonialzeit stellten indigene Siedler häufig die Bevölkerungsmehrheit. Vielmehr handelt es sich um eine Assoziation mit den Bildern und Vorstellungen gängiger Diskurse zu indigenen Völkern. Nach einer ersten Anerkennung indigener Völker und ihrer Ansprüche auf das Land, das sie bearbeiteten (1950er Jahre) kamen diese in jüngerer Zeit verstärkt mit der “Ökologiediskussion“ und insbesondere der Diskussion um Ressourcen- und Klimaschutz in den internationalen Blick. Dabei verselbstständigte sich u.a. das Bild der Indigenen als Schützer tropischer Regenwälder. Die indigenen Völker der Regenwälder, insbesondere im Amazonastiefland, stellen zwar die größte Vielzahl der Völker, aber gegenüber den wesentlich größeren indigenen Hochlandvölkern eine quantitative Minderheit dar. Die folgende bereits in der ersten Hälfte der 1990er Jahre vorgelegte Einschätzung (PÉREZ SAINZ, 1994:335) hat auch heute noch Gültigkeit und würde jetzt, 10 Jahre später mit dem Stichwort der Globalisierung verknüpft: “(...) una cómoda asociación entre indígena/ campesino(a) que, en el fondo, remite a una concepción de este mundo étnico en términos de tradicionalidad e inmovilidad. La otra cara de esa misma moneda es que los contextos urbanos, especialmente los metropolitanos, han sido caracterizados (...) como escenarios de modernización y donde, se ha pensado que identidades universalizantes, ligadas a procesos de abstracción y de mercantilización generalizada, acabarían diluyendo referentes concretos de identidad, como el de etnicidad.“ Viele Ethnolog/innen aber auch indigene Organisationen – einschließlich das bereits zitierte Ständige Forum – haben eine deutliche Tendenz, die Migration in die Städte als Verlust von Traditionalität, Kultur und Werten zu interpretieren, und damit eine Bedrohung zu
1 Die Veröffentlichung der GTZ zur Armutsbekämpfung in Städten (GTZ, 2003a:8) weist auf diese urbane Vorgeschichte für Lateinamerika hin.
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verbinden. Dahinter steht das beständige, empirisch allerdings nicht haltbare Bild von Kultur als monolithischer Einheit, die tradiert und bewahrt wird, wobei Veränderung negativ konnotiert ist (siehe auch STRÖBELE-GREGOR in diesem Band). Übersehen wird dabei nicht selten, dass auch die aktuell in ländlichen Gemeinschaften vorherrschende Kultur selbst das Produkt historischer Prozesse und auch ohne Migration ständigen Veränderungsprozessen ausgesetzt ist. Richtig dagegen ist der Hinweis auf die massive Ausgrenzung und den vorherrschenden Rassismus in den meisten lateinamerikanischen Städten, der eine nicht identifizierbare Anzahl indigener Migrant/innen dazu bringt oder zwingt, ihre Identität als Indigene zumindest in der Öffentlichkeit aufzugeben. Aber auch dann ist die nicht indigene Öffentlichkeit häufig nicht bereit, indigene Migrant/innen als Mestiz/innen gleichberechtigt anzuerkennen. Auch die eigenen Organisationsstrukturen indigener Völker reflektieren die enge Beziehung indigener Völker mit ländlichen Regionen, wenn beispielsweise die Hochlandindigenen (Aymara und Quechua) Boliviens in der Bauerngewerkschaft organisiert sind und sich mit campesinos durchaus angesprochen fühlen.
”(...) la mirada de las principales políticas públicas de Chile como de otros estados latinoamericanos contiene un fuerte sesgo ruralista... dejando de lado a una importante cantidad de personas y familias indígenas que habitan los espacios urbanos de nuestra América mestiza y particularmente las ciudades capitales.” CLAUDIO SAAVEDRA (CONADI) Chile
Die Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit, die “ihre Indigenen“ im Zuge des Ressourcenschutzes entdeckten, gehen zum Teil so weit, die Definition von “indigen“ im Sinne der eigenen Institution nur auf Indigene zu beziehen, die nicht in urbane Ballungszentren migriert sind (vgl. das Weltbankkonzept OD 4.20; WELTBANK, 1991). Dagegen widmet sich das Indigenenkonzept des Bundesministeri-
Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen
ums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) den Indigenen in Lateinamerika und der Karibik in größerer Breite und schließt explizit indigene Stadtbevölkerung ein. Will man sich nun dem Thema der indigenen Bevölkerung in der Stadt nähern, ist man zunächst mit zwei schwierigen Definitionsaufgaben konfrontiert: Wer sind Indigene? Und was ist Stadt? Die erste Frage wird mit Verweis auf die Definition von MARTÍNEZ COBO (1987:379-381) der Vereinten Nationen beantwortet (siehe auch SPEISER und STRÖBELE-GREGOR in diesem Band): Indigen ist eine soziale Kategorie auf der Grundlage von Eigen- und Fremdzuschreibung, wobei der Selbstidentifikation im Zusammenhang mit öffentlichen Erhebungen besondere Bedeutung zukommt. Bei dem Versuch, sich einen quantitativen Überblick zu verschaffen, ist die Frage, wer Indigene sind, gekoppelt an die Fragestellung der nationalen Statistikämter und ihrer Volkszählungen. Wenn jedoch schon insgesamt die Datenlage zu indigenen Völkern in Lateinamerika zu höchst unterschiedlichen Zahlen führt2, so gilt das umso mehr für die Indigenen in Städten (vgl. MEENTZEN, 2001:49). Die zweite Frage nach der Stadt kann ebenfalls im Rückgriff auf entsprechende internationale Diskussionen nur näherungsweise beantwortet werden: Eine allgemein anerkannte Definition für den Begriff ”Stadt“ gibt es auch im UN Kontext von Habitat noch nicht: “As the authoritative global agency on sustainable urban development, UN–HABITAT should first take the lead in ensuring that the definition of city is not limited by formalistic legal or geographical approaches, but captures the dynamic functional reality of the urbanisation process and places the city in its regional context.” (UN HABITAT, 2003, Internetveröffentli-
chung).3 Die Entwicklungszusammenarbeit greift diese komplexe Diskussion auf: “Die Abgrenzung urban – im Sinne von Mindesteinwohnerzahl – wird in den einzelnen Ländern auf recht verschiedene Weise vorgenommen. Unabhängig von diesem quantitativen Kriterium beinhaltet urban weitere Merkmale wie Siedlungsdichte, hoher Grad an Marktattraktionen und möglicherweise einige Verwaltungseigenschaften. Dabei deckt der Begriff urban ein Spektrum von Einheiten ab: von kleinen Städten zu mittelgroßen Städten über Großstädte bis hin zu den Megastädten, die sich jeweils unterschiedlichen Problemen gegenüber sehen und unterschiedliche institutionelle Kapazitäten aufweisen“ (GTZ, 2003b:33). Städte enden nicht einfach an der administrativ gezogenen Stadtgrenze, sondern setzen sich weit ins Hinterland fort. Die Zersiedlung des Umlandes, v.a. durch Zuordnung ländlicher Gebiete in städtische Verwaltungseinheiten und die damit einhergehende “Urbanisierung“, beeinflusst die Entwicklung ländlicher Regionen. Umgekehrt wirken ländliche Zusammenhänge auf Städte, wie sich beispielsweise an urban-ruralen Wirtschaftskreisläufen sowie an kulturellen und religiösen Darbietungen und Verhaltensweisen zeigen lässt. Im Rückgriff auf nationale Statistiken wird im Folgenden dieses differenzierte Bild von Stadt nicht aufrecht zu erhalten sein, vielmehr wird positivistisch da von Städten gesprochen werden, wo die jeweiligen Quellen von Städten sprechen, und das ist meist dann der Fall, wenn in Siedlungen mehr als 2000 Einwohner/innen leben. Die Uneinheitlichkeit dieser Definition erschwert quantitative Vergleiche. CELADE4 hat 1992 einen Überblick über die Volkszählungen ausgewählter lateinamerikanischer Länder erstellt und die jeweiligen Fragstellungen, mit denen die indigene Bevölkerung differenziert erhoben werden sollte, un3
2
Auf der Seite http://www.gtz.de/indigenas werden die Schätzungen des Instituto Interamericano Indigenista (III, Mexiko), der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) vorgestellt. Neueste Vergleiche vorliegenden Datenmaterials vgl. BARIÉ, 2004. Ein Überblick bietet die Tabelle im Anhang 1.
www.unhabitat.org/campaigns/tenure/articles/vision _strategic%20vision_1.asp; vgl. auch die Zusammenstellung von Stadtdefinitionen unter www.ifs.tudarmstadt.de/club/global/stadtbegriff.htm 4 Centro Latinoamericano y Caribeño de Demografía, Teilinstitution von CEPAL (Comisión Económica para América Latina y el Caribe).
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Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen
tersucht (TORRES-RIVAS, o.J.:8). Die im Anhang 1 angeführte Tabelle weitet die Analyse aus.
Foto: Workshop indigener Organisationen in Lima, Peru (S. REINHARDT)
Das häufigste Kriterium ist Selbstidentifikation, gefolgt von Sprache und Zugehörigkeit, zum Teil in Kombinationen. Diese Kriterien werden in manchen Ländern bis heute weiter genutzt, so zum Beispiel in Mexiko und Peru. Dabei kommt es aber zusätzlich auf eine sensible Fragestellung an. Die direkte Frage: “Sind sie Indianer?“ oder “Sprechen Sie eine der folgenden Dialekte/ Sprachen?“ führt mit Sicherheit zu Unterschätzungen. Eine genaue und vergleichende Analyse der Fragen zur Erfassung indigener Bevölkerung kann hier nicht vorgelegt werden. Wie wichtig die spezifische Formulierung der Fragen nach ethnischer Zugehörigkeit ist, stellt HESSKALCHER, 2004 überzeugend in ihrem Beitrag zu Chile dar, der hier ausführlich zitiert werden soll.5
“Laut der im Jahr 2002 durchgeführten Volkszählung beläuft sich der Anteil der indigenen Bevölkerung in Chile auf 692 192 Personen, also 4,6% der Gesamtbevölkerung. Diese Ergebnisse der Volkszählung von 2002 sind nicht vergleichbar mit denen der vorangegangenen Volkszählung aus dem Jahr 1992, nach der 10,3% der Gesamtbevölkerung zur indigenen Bevölkerung zählte. Diese Differenz erklärt sich aus der Art der unterschiedlichen Fragestellungen. Bei der Volkszählung von 1992 wurde gefragt: “Vorausgesetzt Sie sind Chilene: Fühlen Sie sich zu einer der folgenden Kulturen zugehörig?“ Als Alternativen wurden Mapuche, Aymara und Rapa Nui (Osterinsel) angegeben. Bei der Volkszählung von 2002 hingegen wurde gefragt: “Gehören Sie zu einer der originären oder indigenen Bevölkerungsgruppen?“ Als Alternativen wurden die acht gesetzlich definierten (Ley 19.253) indigenen Ethnien aufgeführt (Alacalufe, Atacameño, Aymara, Colla, Mapuche, Quechua, Rapa Nui und Yámana). Es wurde also von einem Konzept der Identifikation zu einem Konzept der Zugehörigkeit übergangen, was sich in einer deutlich niedrigeren statistischen Repräsentanz der indigenen Völker niederschlug. (...) Im Großraum Santiago konzentrieren sich 28% der indigenen Bevölkerung des Landes, (...) im Vergleich zu mehr als der Hälfte der Mapuchebevölkerung in Santiago de Chile (1992). Die Mapuche im Großraum Santiago leben in den 11 ärmsten Stadtteilen mit einem indigenen Bevölkerungsanteil zwischen 13% und 17% (...)“.6 Möglicherweise ist ein weiterer Faktor, der die indigene chilenische Bevölkerung zur vorsichtigeren Selbstidentifizierung motivierte, auch in dem medial breit vermittelten Widerstand der Mapuche, und damit verbundenen polizeilichen Maßnahmen zu suchen. Für die großen mexikanischen Städte konstatiert DE LA PEÑA (2003:97) das größte Bevölkerungswachstum unter der dort lebenden indigenen Bevölkerung. Eine andere interessante Herangehensweise stellt für Mexiko eine
5
Für Chile stellt auch SAAVEDRA PELAEZ (2002:18) ähnliche Überlegungen an. Die Fragen im Original lauteten: (1992) ”Si Ud es chileno, se considera perteneciente a una de las siguientes culturas: Mapuche, Aymara, Rapa Nui, ninguna?“; (2002)
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”Pertenece Ud a alguno de los siguientes pueblos originarios o indígenas?“ (Hervorhebungen SSp) 6 vgl. hierzu auch INE/ Chile (2002:23).
Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen
haushaltsgestützte Untersuchung dar (FERNÁNDEZ, GARCÍA & ÁVILA, 2002:171ff): Die Mitglieder eines Haushalts, in dem zumindest eine Person indigene Charakteristika hat, gelten als indigen. Damit kommt die Schätzung zu 2,55 Mio. indigenen Haushalten mit 12,4 Mio. Mitgliedern. Ausgenommen sind dabei die Haushalte mit indigenen Hausangestellten. In Paraguay (DIRECCIÓN GENERAL DE ESTADÍSTICA, ENCUESTAS Y CENSOS, 2003a:35) wird indigen definiert als: “Persona originaria del país. Se dice de la persona que se declara perteneciente a una etnia o pueblo originario y se manifiesta miembro de una comunidad, núcleo de familias o barrio indígena, independientemente de que siga hablando o no la lengua de origen.” Auf der Grundlage dieser Definition und der entsprechenden Selbstidentifikation gelangt das statistische Amt (DIRECCIÓN GENERAL DE ESTADÍSTICA, ENCUESTAS Y CENSOS, 2003b:563f) zu einem Verhältnis 1:10 zwischen der indigenen Bevölkerung in Stadt (7 407) und Land (79 692). Auf Grund der offiziellen Zweisprachigkeit in Paraguay (Guaraní und Spanisch) war es nötig geworden, ein von der Sprachkompetenz unabhängiges Kriterium zu identifizieren. Für Bolivien stellt VELASCO (2001:6)7 fest, dass nur 15% der städtischen Bevölkerung gegenüber 63% der ländlichen Bevölkerung gemäß dem Kriterium Sprachbeherrschung indigen ist. Sie schränkt dieses Ergebnis aber gleichzeitig mit dem Verweis ein, dass das Sprachenkriterium eine nicht definierbare Zahl von Indigenen insbesondere in Städten ausschießt, da die Migration in urbane Kontexte oftmals den Verlust der indigenen Sprache nach sich zieht. Die Schätzung des Nationalen Statistikinstituts beträgt 77,73% für die ländliche und 53,45% für die städtische Bevölkerung. Insgesamt spricht das INE/ Bolivien (2003:27) von 50% indigenem Bevölkerungsanteil, der zu 45% in Städten lebt. Das Instituto Interamericano Indigenista und ALBÓ & ANAYA (2004:71) geben mehr als 60% an.
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Auf der Grundlage einer Befragung des Instituto Nacional de Estadística (Encuesta Mecovi, 1999).
Für Peru lässt sich im Vergleich der Volkszählung von 1993 und der Encuesta Nacional de Hogares von 2000 zeigen, dass die absoluten Zahlen erheblich ansteigen, sobald anstatt der Muttersprache ein offeneres Kriterium benutzt wird, in diesem Fall: “Por sus antepasados y de acuerdo a sus costumbres, Usted se considera (...)?“. Mit dieser Fragestellung haben sich 38% der Gesamtbevölkerung und 31% der urbanen Bevölkerung als zugehörig zu “origen aymara“, “origen quechua“ oder “indígena de la Amazonía“ identifiziert, während die Volkszählung 1993 (Kriterium Sprache) nur 20% und 15% bezogen jeweils auf die Gesamt- bzw. Stadtbevölkerung erbrachte (GRADE, 2002:19-22). Diese Untersuchungen sind für Peru auch insofern besonders relevant, weil die peruanische Bevölkerung zu mehr als 70% bereits in Städten lebt. Auf welch unsicherem Boden man sich mit den quantitativen Annäherungen bewegt, zeigt der Verweis auf ALBÓ (zitiert nach BENGOA, 2000:56), der 1993 eine Gesamtzahl von 11 Mio. urbaner Indigener in Peru, doppelt so viele wie in den ländlichen Gemeinden schätzte. Gemäß der 2002 von GRADE im Auftrag der Weltbank vorgelegte Studie der Quechua Bevölkerung (85% der peruanischen Indigenen) in Lima (15% indigene Bevölkerung) und Cuzco (zwei Drittel indigene Bevölkerung) leben 30% der indigenen Bevölkerung mittlerweile in Städten, mehrheitlich in Lima. Allerdings sind die Zahlen vorsichtig zu interpretieren, da sich die Studie auf der Grundlage der Volkszählung von 1993 auf das ausschließliche Kriterium “indigene Sprache“ bezieht und damit von einer indigenen Gesamtbevölkerung von nur 3,5 Mio. ausgeht. Aber diese Unsicherheiten haben Tradition: BARRIG (2001:101) dokumentiert die Tendenz zur “Entindigenisierung“ unter vergleichendem Verweis auf die Volkszählungen seit 1908, insbesondere für die Städte Lima und Cuzco (Peru) sowie Quito (Ecuador). Dieser Prozess erklärt sich über die Bedeutung der Selbstidentifizierung. Diese reagiert besonders im multiethnischen Umfeld von Städten auf Ausgrenzung und Rassismus entweder über die Negation des eigenen ethnischen Bezugs und damit eine öffentlich sichtbare Assimilation an
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Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen
das Umfeld oder über indigene Selbstbehauptung. Häufig reagiert das gesellschaftliche Umfeld nicht erwartungskonform, d.h. viele Indigene, die sich nicht mehr als Indigene behaupten, sondern als Mestizen darstellen, werden weiterhin als Indigene wahrgenommen und ausgegrenzt.
2. Wege in und aus den Städten Migration Die Gründe für die Migration Indigener sind keine anderen als die, die auch nicht indigene Bevölkerung zur Migration vom Land in die Stadt bewegen. BELLO & RANGEL (2002:41) fassen die “Push-Faktoren“ wie folgt zusammen: ”El deterioro de las economías campesinas, la pérdida y disminución de las tierras comunitarias, la carencia general de recursos productivos, el crecimiento de la población, la ‚salarización’, la pobreza.“ Dem gegenüber wird mit dem Leben in Städten die Möglichkeit besserer Lebensbedingungen, insbesondere Arbeit und Einkommen und für Kinder und Jugendliche die Suche nach besseren (Aus-) Bildungsmöglichkeiten verbunden. Vertreibung als Folge von gewaltsamen Auseinandersetzungen (v.a. in Kolumbien, Guatemala und Peru) und von eklatanten Umweltzerstörungen (v.a. in der Amazonasregion) sind Sonderfälle. Die Migrationsbewegungen haben sich seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts intensiviert. Es gibt vielerlei Formen der Migration, die Stadt und Land, neuen Lebensmittelpunkt und Herkunft nachhaltig miteinander verknüpfen. Dies nimmt BENGOA (2000:76-81) vor allem für indigene Migrant/innen in Anspruch. Indigene Migrant/innen entwickeln eine Zugehörigkeit zu mehreren Wohnorten und damit auch mit einem städtisch-ländlichen Selbstverständnis. Dabei entstehen neue Wirtschaftszweige in der Verbindung von informeller Wirtschaft und Handel in Städten mit erweiterter Subsistenzlandwirtschaft der Herkunftsgemeinden. An Stelle einer eindeutigen Verortung entwickelt sich ein Kontinuum zwischen Stadt und Land, das unterschiedlich ausgestaltet sein kann: Migration findet statt in Pendlermodellen mit Rückkehr in bestimmten Rhythmen, als Projekt
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für einen Lebensabschnitt, zum Beispiel der Ausbildung, als vorübergehende Überlebensstrategie oder als endgültige Abwanderung. Die Option der Rückkehr ist dabei v.a. von sozialer und psychischer Bedeutung und wird weitgehend aufrechterhalten. Migration verläuft meist in Etappen aus der ländlichen Gemeinde über ländliche Unterzentren in die (Haupt-)städte der Provinzen oder Departamente und ggf. anschließend in die Megastädte des Landes, oder in ausländische Städte (v.a. USA). Für Lima zeigt die Studie von GRADE (2002:18) diese Etappen der Migrationsverläufe, da die Mehrheit der Quechuabevölkerung in Lima nicht direkt aus den Dörfern sondern aus kleineren Städten des Hochlandes nach Lima kam. Im Falle von Vertriebenen8 ist die Orientierung abhängig von der Sicherheitslage und von spezifischen Aufnahmeprogrammen. Am Beispiel von drei Städten kann die spezifische und sehr unterschiedliche Verarbeitung der Migration Indigener in Lateinamerika kurz dargestellt werden: El Alto (Bolivien), ursprünglich die Vorstadtregion von La Paz auf dem Altiplano, 1987 zur eigenen Stadt erklärt, ist in spezifischer Weise eine “Aymarastadt“, da sie vor allem die Migrationsströme aus dem Altiplano, d.h. dem ruralen Siedlungsgebiet der Aymara aufnimmt. El Alto ist in seinem Stadtbild geprägt von Aymaras, die selbstbewusst ihre Kultur (z.B. Kleidung und Sprache) ausdrücken, und in dieser Form und Größe sicher einmalig (vgl. STRÖBELE-GREGOR, 1990). Santiago de Chile ist eine auf den ersten Blick ganz “un-indigene“ Stadt, in der jedoch – nach der Volkszählung von 1992 – die Mehrheit der Indigenen des Landes lebt. Auch als Spiegel des nationalen Umgangs mit dem “indigenen Thema“ wurde hier immer die Anpassung aller an eine europäisch orientierte Metropole gefordert, was häufig ethnischem Rassismus gleich kam. In Vergessenheit geraten ist die
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GRADE (2002:31) weist beispielsweise nach, dass 70% der Vertriebenen in Peru Indigene sind. Auch in Kolumbien stellt die indigene Bevölkerung einen überproportional großen Anteil an den Vertriebenen.
Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen
vorkoloniale Mapuchevergangenheit des aktuellen Santiago de Chile. Nur der Süden des Landes, wo die Mapuchebevölkerung bis 1883 erfolgreich gegen die Kolonialisierung Widerstand leistete, gilt gemeinhin als “traditionelles Mapucheterritorium“. Nachdem die Mapuche Migrant/innen aus dem Süden sich zunächst jahrzehntelang in Santiago anzupassen versuchten, dennoch aber von der nicht indigenen Mehrheit der Stadt ausgegrenzt und diskriminiert wurden, sind in jüngster Zeit interessante sozio-organisative Entwicklungen zu beobachten. Vor allem jugendliche indigene Studierende, Migrant/innen der zweiten oder dritten Generation, befassen sich explizit mit der neuen Realität “urbaner Mapuche“ und entwickeln eine neue urbane indigene Identität. Auch ohne quantitative Untersuchungen dazu, ist zu vermuten, dass diese Dynamik eine Minderheit betrifft. Dagegen scheint sich die eher “angepasste Mehrheit“ der Mapuche in Santiago in der Volkszählung 2002 gegen eine indigene Zuordnung ausgesprochen zu haben. Das Indigenengesetz von 1993 definiert seinen Geltungsbereich explizit auch für den städtischen Raum. Die im Gesetz vorgesehenen administrativen Strukturen wie das Büro für indigene Angelegenheiten finden sich ebenfalls in Santiago mit einem an den städtischen Raum angepassten Angebot an Maßnahmen, wie beispielsweise der Förderung von indigenen Verbänden und Kleinunternehmer/innen (vgl. INSTITUTO DE ESTUDIOS INDÍGENAS, 2003:381ff). Lima (Peru) ist die lateinamerikanische Metropole, die am schnellsten von Migration aus dem ländlichen Andenraum “überrollt“ wurde und sich “ruralisierte“, teilweise auch “indigenisierte“. Die massiven Migrationen und die Strategien der Landnahmen führten zur Entwicklung eines neuen kollektiven Bewusstseins als “Städter“ und entsprechenden politischen Organisationsformen, die weniger an der Herkunft als an der aktuellen Situation in der Stadt und den damit verbundenen Forderungen und Erwartungen anknüpfen. Die Migrant/innen legen ihre indigene Identität ab, werden jedoch von den nicht indigenen Städtern weiterhin diskriminiert. Diese Veränderungsprozesse
lassen sich in Lima sowohl in den Siedlungsmodellen der Migrant/innen in den Armutsgürteln der Stadt als auch in ihrer Selbstdarstellung beobachten. Die Mehrheit der Migrant/innen findet nur im informellen Sektor eine meist prekäre Beschäftigung. Dies gilt auch für indigene Migrant/innen. In Lima ist der informelle Sektor besonders stark differenziert. Mittlerweile haben sich – wie auch in La Paz, El Alto und Santiago de Chile – indigene Mittelschichten aus der informellen Wirtschaft entwickelt und z.T. organisiert.
Foto: Kinder in Guatemala (A. BEGEMANN)
Urbanisierung Eine andere und unfreiwilligere Weise zum Städter zu werden ist die Dynamik, mit der sich Städte zunehmend in ihr ländliches Umland ausdehnen und dieses administrativ oder infrastrukturell eingemeinden. Indigene Gruppen, die eigentlich in der Nähe von Städten ländlich siedeln, finden sich dann unfreiwillig innerhalb der urbanen Parameter wieder. SCHRÖDER9 stellt dies für einige Orte in Brasilien fest, zum Beispiel für das Volk der Fulni-ô im Sertão Pernambucos, die ihr Dorf nicht verlassen haben, sich aber aktuell bereits in einem Stadtteil von Aguas Belas wiederfinden.
Wege zurück aus der Stadt Auch unter indigenen Migrant/innen haben sich vielfältige Weisen, Stadt und Land zu verknüpfen, entwickelt. Diese Dynamik ist abhängig von den Entfernungen, dem Wegenetz und der Verkehrsanbindung und lässt sich für die indigenen ruralen Siedlungen im Umfeld von
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Persönliche Kommunikation
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Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen
Städten, beispielsweise für La Paz, El Alto, Quito, Cuzco und viele andere nachweisen. Auch die Rückkehr in die Gemeinden zu kulturell relevanten Festen mit den entsprechenden ökonomischen Verpflichtungen ist ein wichtiger Faktor in der kulturellen Reproduktion der Migrant/innen, aber auch im sich wandelnden Konsumverhalten ländlicher Bevölkerungen. Teil von Rückkehr und Beziehungspflege zwischen Herkunftsgemeinde und neuem urbanen Umfeld sind wirtschaftliche Interessen und Überlebensstrategien, beispielsweise in der Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte der Herkunftsgemeinden in den Städten. Darin sehen einige Ethnologen eine aktuelle Variante der Strategie der Risikominimierung, die Hochlandindigene in der andinen Landwirtschaft mit der Verteilung ihrer Produktion auf verschiedene Höhenstufen praktizierten (z.B. Altiplano – Yungas in Bolivien). Auch PSACHADOPOULOS & PATRINOS (1994:217) verweisen in ihrer Studie für die Weltbank für die urbanen Indigenen Boliviens auf alte Muster wirtschaftlicher Rationalität. Die Herkunftsgemeinden sind abhängig von den Zuwendungen ihrer Migrant/innen und werden ebenso wie ländliche Gemeinden nicht indigener Bevölkerung durch diese Dynamik an die Wirtschaftsentwicklung urbaner Zentren, insbesondere ländlicher Unterzentren angeschlossen. Umgekehrt tragen sie durch die landwirtschaftliche Produktion zum Überleben der Städter bei. Mitglieder der Herkunftsgemeinde oder Verwandte in der Stadt sind darüber hinaus die erste Anlaufstelle für neue Migrant/innen. Trotz dieser verschiedenen Formen des Austausches pflegen zahlreiche Migrant/innen keinen Kontakt mehr zu ihrer Herkunftsgemeinde, bzw. reduzieren diesen auf die Unterstützung neu Ankommender in der Stadt. Dies ist umso mehr der Fall, wenn sich ihre Erwartungen an den Erfolg der Migration nicht erfüllen, bzw. wenn sie sich von der indigenen Herkunft “losgesagt“ haben.
tive der Migrant/innen. Abhängig sind diese Bilder immer von der konkreten Situation aus der heraus sie entwickelt werden, beispielsweise vom Erfolg der eigenen Migration. Gemeinsam mit nicht indigenen Migrant/innen haben auch indigene die Tendenz der “rosaroten Brille“ für den Blick zurück und den Traum von der idealisierten Heimkehr, wohin sie zwar zu Besuch gehen, aber sehr wahrscheinlich nicht mehr zurücksiedeln. Die Fiktion der Rückkehr in diese “bessere, reinere Welt“ wird aufrecht erhalten, auch als Gegengewicht gegenüber der Härte der Ausgrenzung in einer urbanen nicht indigenen Gesellschaft, selbst dann, wenn die Besuche in der Herkunftsgemeinde bereits unregelmäßig geworden sind. Diese Dynamik wurde in der Migrationssoziologie eingehend untersucht; indigene Migrant/innen stellen keinen Sonderfall dar.10 Wenn die Rückkehr nicht oder selten möglich ist und das Umfeld sich erheblich von der Herkunftssituation unterscheidet, wie beispielsweise für die Indigenen des Hochlandes in Lima, ist die Vorstellung der Herkunftsgemeinden ein Agglutinationspunkt für lokale Organisationen und spiegelt sich zusammen mit Verwandtschaft in der Siedlungsweise in den Vorstädten der Metropolen. Der Bezug auf die Herkunft verbindet die Migrant/innen untereinander (vgl. für Peru GRADE, 2002:48f.). MÉNDEZ DOMÍNGUEZ (1994:351f.) weist das anhand der vorherrschenden indigenen Sprachen in einzelnen Stadtteilen von Guatemala Stadt nach. Diese Dynamik reagiert teilweise auf ethnische Segregation in den Städten im Sinne der Selbstorganisation und Selbstbehauptung “in der Fremde". Dagegen ist es in Städten im indigenen Umland wie Cuzco noch möglich, die Beziehungen zu den Herkunftsgemeinden konkret und real aufrecht zu erhalten durch häufigere Reisen, Teilnahme an Festen, etc., und damit die Reproduktion kultureller Strukturen aus dem Herkunftsumfeld wieder zu aktualisieren. Auf Grund des realen Austausches mit den Her-
Das Bild des Landes aus Sicht der Städte Wenig verlässliche Auskunft gibt es über die Verschiebung von Deutungen der ländlichen Herkunftsregion aus der städtischen Perspek-
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Vgl. die Diskussionsbeiträge zur ADLAF (Arbeitsgemeinschaft Deutsche Lateinamerikaforschung) Jahrestagung 2003 zum Thema Migration in Freiburg (im Druck) und GABBERT ET AL., 1999.
Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen
kunftsgemeinden ist die symbolische Bedeutung der Herkunftsgemeinde als Strukturprinzip von Organisationen und Ansiedlung weniger relevant.
3. Neue Identitäten – Urbane Indigene oder Mestizen Die Diskussion der schwierigen quantitativen Bestimmung Indigener in urbanen Zentren erbrachte schon Verweise auf Prozesse der Anpassung und Mestizisierung, die in unterschiedlichem Maße wahrscheinlich die Mehrheit der Migrationsverläufe kennzeichnen, aber für weitere Veränderungen offen bleiben. Die eigene Identifizierung und “performance“ (die öffentlich sichtbare Form dieser Identifizierung) sind Reaktionen auf die Umfeldsituation, die meist bestimmt ist von Armut und Ausgrenzung. Weitere wesentliche Faktoren für die eigene Positionierung, die in dieser Form erst gefordert ist, wenn die Indigenen ihre dörflichen Strukturen verlassen bzw. mit dem nicht indigenen Umfeld konfrontiert sind, sind die Zugehörigkeit zu einer lokal vertretenen Minderheit oder Mehrheit, die gesellschaftliche Stellung Indigener im Allgemeinen, sowie die relevanten gesellschaftlichen Strömungen. Diese Reaktionen können grundsätzlich als Anpassung an das Umfeld oder als gegenläufige Selbstbehauptung erfolgen. Sie wirken sich unterschiedlich für Frauen, für Jugendliche und für Organisationen und ihre Leitungskader aus.
Wirtschaftliche Optionen, Unterschichtung und Marginalisierung Arbeitsplätze sind vor allem in Städten, die viel Migration anziehen und aufnehmen, eine Seltenheit. Wirtschaftlich findet sich die Mehrheit indigener Migrant/innen im informellen Sektor, wie ausgeführt z.T. unter Nutzung von Potenzialen aus den Herkunftsgemeinden wider. Ihr geringer Bildungsstand ist einer der Gründe für die ökonomische Ausgrenzung. Spezifische familiäre und soziale Strukturen der Zusammenarbeit, wie beispielsweise Familienmikrounternehmen haben sich dabei herausgebildet. Migrant/innen, die bereits länger in Städten leben, haben spezifische indigene Mittelschichten gebildet, beispielsweise erfolgreiche
Aymara Händlerinnen in El Alto und La Paz (Bolivien; vgl. STRÖBELE-GREGOR, 1990). Interessant ist auch das Phänomen professioneller Mapuche-Vereinigungen in Santiago de Chile, in denen sich Migrant/innen der Mittelschicht nach einer Phase der Anpassung nun im Sinne der Re-Ethnisierung öffentlich als Indigene organisieren. Diese gelungenen Migrationsverläufe stellen unter der indigenen Bevölkerung noch immer eine Minderheit dar, sind aber Teil der Motivation für vor allem junge Indigene. Der Anteil indigener Armer in Städten ist vor allem in den Städten der Andenländer höher als der nicht-indigenen Bevölkerung. Für Limaund die Quechua-Migranten in der Stadt lässt sich das Phänomen der Unterschichtung quantitativ nachweisen (GRADE, 2002:7): dreimal so viele Indigene als nicht Indigene leben in extremer Armut. Sowohl quantitative Analysen als auch Einzel- und Gruppeninterviews belegen repräsentativ für Lima und Cuzco den größeren Grad an Exklusion, dem die indigene Bevölkerungsgruppe unterliegt, eine verschärfte Armut, und einen geringeren Zugang zu staatlichen Dienstleistungen, allen voran Gesundheit und Bildung (vgl. GRADE, 2002:33ff). Bestätigt wird die größere indigene Armut auch durch die qualitativen Studien der Weltbank “Voces de los Pobres“ (DFID/ WELTBANK, 2003) in Peru an Hand von Untersuchungen aus Juliaca auf dem Altiplano. Die befragten Indigenen beider Untersuchungen stellten jedoch keinen expliziten Bezug zwischen Armut und Ethnizität her, sondern verwiesen auf Proxyindikatoren wie Sprache, Aussehen, traditionelle Kleidung oder die Wohngegend, die eine sozio-ökonomische Zuordnung erlauben. Ähnliche Verhältnisse lassen sich für andere Städte in anderen lateinamerikanischen Ländern vermuten. GRADE kommt zu dem Schluss, dass die schlechtere Position indigener Migranten in Lima gegenüber nicht indigenen hinsichtlich Arbeitsplätzen, Einkommen, Armut in einem Mangel an in der Stadt relevantem Sozialkapital begründet ist. Quechua-Migranten in Lima knüpfen an die Verwandtschaftsstrukturen aus den Herkunftsregionen, d.h. wieder bei Que-
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chua, an und nehmen an den Angeboten des Staates zur Minderung der Auswirkungen extremer Armut (Suppenküchen etc.) teil. Beides ist nicht geeignet, die Platzierung im Arbeitsmarkt oder für einkommensschaffende Selbstständigkeit zu verbessern. Erschwerend kommt dabei noch ihre signifikant geringere Bildung hinzu, auch weil Bildungseinrichtungen, v.a. Sekundarstufe II und Universität häufig der Ursprung professionell relevanter Netzwerke sind. Bereits 1994 analysierten WOOD & PATRINOS das urbane Bolivien und stellten auf der Grundlage der zensalen Daten von 1989 einen direkten Bezug zwischen Ethnizität und Armut her. Teilursachen für eine sehr eingeschränkte Teilhabe an gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten wurden in unzureichenden Spanischkenntnissen und Bildung identifiziert, insbesondere für indigene Frauen. Daneben wird festgestellt (1994:94): “Even after controlling for schooling attainment, indigenous individuals have a 16 percentage point greater probability of being poor than non-indigenous individuals.“ Die Ausgrenzung Indigener ist seitens der nicht indigenen Gesellschaft, der Mehrheitsgesellschaft in den meisten Städten, ethnisch motiviert und begründet. Indigene ihrerseits wollen diese Bezüge nicht öffentlich machen, wenn sie sich selbst bereits im Prozess der “Entindigenisierung“ befinden und um Anerkennung als “Gleiche“ bemüht sind. Sprache, Kleidung, etc. lassen sich ändern, damit aber nicht immer die erhoffte Teilhabe erwirken.
Entindigenisierung und Mestizisierung Hinsichtlich der unterschiedlichen Anpassungsleistungen indigener Migrant/innen unterscheiden sich bestimmte Städte ganz grundlegend: in El Alto, La Paz (Bolivien), auch Quetzaltenango (Guatemala), Otavalo und teilweise auch Quito (Ecuador), das heißt in Städten im Umland indigener Siedlungen und Traditionen, bewahren indigene Migrant/innen auch äußerlich sichtbare Anzeichen ihrer Positionierung als Indigene. In Städten wie Lima (Peru), Santa Cruz (Bolivien), Guayaquil (Ecuador) und den meisten mittelamerikanischen
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Hauptstädten mit Ausnahme von Guatemala Stadt wird diese Positionierung unsichtbarer, die Anpassung scheinbar intensiver. Diese Differenzierungen lassen sich auch für unterschiedliche Stadtteile in diesen und anderen lateinamerikanischen Städten beobachten. Im Folgenden werden nur einige untersuchte Beispiele kurz skizziert: Quechua in Lima (Peru) – und hierin ist die Studie nicht auf die Nachbarländer übertragbar – identifizieren sich weder als Quechua, noch als Indigene, sondern bevorzugen für sich den relativ neuen Sprachgebrauch provinciano, erkennen sich jedoch auch wieder in dem eigentlich pejorativ verwandten cholo (GRADE, 2002:73-79). Damit wird eine deutliche Orientierung hin zu regionalen statt ethnischen Bezügen zum Ausdruck gebracht. Der Begriff des cholo ist, v.a. unter den peruanischen Indigenen, insbesondere in Lima gebräuchlich, fasst diese Komplexität von (unvollständiger) Anpassung, verweigerter Anerkennung und Rückgriff auf die eigene Herkunft zusammen (BENGOA, 2000:55f): “Acholarse tiene dos sentidos, uno transformarse en “misti“, en blanco. Cambiarse la vestimenta y tratar de hablar en español. Como los blancos se dan cuenta de que la transformación ha sido parcial, se les denomina “cholos“. Término racial y despectivo. Pero “acholarse“ también tiene el sentido de ”timidez“, de retraimiento, de incapacidad de expresarse en forma decidida.“ Mit dieser Selbstidentifizierung kann die Quechua Migrantenbevölkerung in Lima als Beispiel für Anpassungsbestrebungen angeführt werden. Bestätigt wird dies im Vergleich mit der Selbstidentifizierung in Cuzco. GRADE (2002:67) stellt mit Blick auf den Urbanisierungsprozess Perus seit den 1950er Jahren einen Identitätswandel vom “indígena“ zum “poblador urbano“ fest, bei dem sich in den Armutsgürteln der Hauptstadt ein neues Selbstverständnis im Sinne der “cholificación“ als Vorstufe zu einer offeneren nationalen Identität bereits seit den 1980er Jahren entwickelt hat. Gegenüber GRADE stellen die Quechua in Lima und Cuzco ihre Wahrnehmung von Diskrimination und Ausschluss dar und begründen sie im wesentlichen mit Sprache,
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Herkunft, Aussehen und sozio-ökonomischer Schichtzugehörigkeit. Drei der vier Kriterien weisen einen deutlichen Bezug zu ethnischen Faktoren auf, der aber in der Interviewsituation verschwiegen wird. Die Konsequenzen aus dieser Wahrnehmung sind entweder eine verstärkte Anpassung oder eine bewusste Identifizierung mit den Kriterien, die den Ausschluss markieren und positiv für die Selbstbehauptung und -wahrnehmung umgedeutet werden können. Dieser Prozess zeigt umgekehrt auch eine spezifische Beeinflussung der sich entwickelnden urbanen Kulturen in den Armenvierteln, die im Falle von Lima mit cholo bzw. andin charakterisiert werden. Damit wird der indigenen Bevölkerung – möglicherweise gegen ihre eigene Verortung – ein kultureller Beitrag zugewiesen. Eines der kulturellen Elemente, die besonders stark unter Anpassungsdruck stehen, ist die indigene Sprache, die sich im allgemeinen in den Städten auch auf Grund des Schulsystems schneller verliert als in den ländlichen Kommunen, womit das Kriterium Sprachkompetenz in Volkszählungen kritisch hinterfragt werden muss. PATRINOS (1994:18) stellte für Guatemala die Bedeutung der Migration und des intensiveren “Kulturkontaktes” für Veränderungsprozesse unter der Mayabevölkerung fest: “(...) identification becomes a matter of social class rather than indigenous origins. The factors identified in the study that relate to change are: family structure, work/ economics, government policies, telecommunications and travel, education and religion.” Diese Faktoren spielen im urbanen Kontext eine gewichtigere Rolle als auf dem Land. Aus ihnen wird in Abhängigkeit vom Erfolg oder Misserfolg der Migration gewählt und damit die neue Selbstverortung erklärt: Mestize, poblador/a urbano/a provinciano/a oder auf der anderen Seite Indigene/r. In Bolivien dagegen haben sich gemäß ALBÓ, 1995 in den Städten des Hochlandes indigene urbane Kulturen neu entwickelt, die sich vor allem in La Paz und El Alto beobachten lassen. Indigene Selbstbehauptung ist hier verbunden mit einer erfolgreichen Anpassung an urbane Strukturen und ihre wirtschaftlichen Möglich-
keiten, vor allem im Handel. Die Kulturen der Aymara und Quechua in den Städten sind nicht die Konservierung der Kulturen ihres Herkunftsumfeldes, sondern vielmehr das Produkt einer Weiterentwicklung, d.h. neue urbane indigene Kulturen, die die Städte prägen und zurückwirken auf die ländlichen Herkunftsregionen.
Ethnisierung und Politisierung Eine Gegenbewegung zur anhaltenden Diskriminierung und Ausgrenzung als Indigene sind Prozesse der Re-Ethnisierung, wie sie interessanterweise insbesondere in der zweiten und dritten Generation von Migrant/innen zu beobachten sind. In Chile, vor allem im Großraum Santiago und angesichts der insgesamt wesentlich geringeren politischen und rechtlichen Anerkennung indigener Völker, lässt sich ein doppelter Prozess beobachten: Wie ausgeführt, lebt ein Großteil der Mapuche, der größten indigenen Bevölkerungsgruppe des Landes, bereits in Städten und bewegt sich dort “unauffällig“, d.h. positioniert sich nicht als indigen, sondern ist um Anpassung an “chilenische Standards“ bemüht. Erst in jüngster Zeit haben sich in Santiago ethnische Bewegungen insbesondere unter den Mapuche etabliert, in denen sich Migranten/innen als Mapuche “wiederentdecken“ und sich zu ethnisch strukturierten Organisationen zusammen finden. Diese Organisationen haben ein kulturelles, wirtschaftliches oder zur Selbsthilfe orientiertes Selbstverständnis. Eine von mehreren tausend ethnisch orientierten Organisationen in Santiago ist Kaxawaiñ, die auf ihrer Website11 stellvertretend für andere formulieren: “(...) nos reunimos buscando y luchando por la recuperación de nuestras tradiciones, sistematización de nuestros diálogos y reflexiones, nuestros ritos y memorias, teniendo la esperanza que la teoría y práctica abrirán un sendero para el respeto de la sabiduría del sistema cultural mapuche, (...)“ In diesem Prozess intensivierten sie auch die Beziehungen zu ihren Herkunftsregionen im Süden des Landes. 11
Vgl. beispielsweise eine Sammelseite http://mapuches-urbanos.tripod.com/
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Das unabhängige Centro de Documentación y Estudios Mapuche in Temuco ist ein weiteres Beispiel für diese Re-Ethnisierungsprozesse, in diesem Fall gekoppelt mit der Rückkehr in das historische Mapucheterritorium: Ihre Gründer kehrten aus Santiago de Chile zurück, nach eigenen Angaben nach einer persönlichen Identifizierung als Mapuche und bauten dieses Zentrum mit einer Gruppe Gleichgesinnter auf. Andere aus Santiago nach Temuco zurückkehrende Mapuche verfolgen eine andere Strategie und arbeiten in den staatlichen Strukturen indigener Vertretung (CONADI, Corporación Nacional de Desarollo Indígena bzw. Nationale Gesellschaft für indigene Entwicklung). Dies ist gleichzeitig ein Beispiel für die Gestaltung von Rückkehr, nicht eine Rückkehr auf das Land, sondern eine (Teil-) Rückkehr in Provinzstädte.
Die indigenen Händler und Händlerinnen aus Otavalo (Ecuador) sind dagegen ein interessantes Beispiel, wie die öffentlich sichtbare Positionierung über die Kleider- und Haartracht, d.h. die eigene Folklorisierung, ökonomisch erfolgreich eingesetzt wird. Sie hat national und international zum Erfolg des ecuadorianischen Kunsthandwerkshandels beigetragen und unterstützt den Wiedererkennungswert der entsprechenden Waren, die jedoch meist nicht aus der Kultur und Produktion der Händler/innen, sondern von Indigenen aus dem ganzen Land stammen, die möglicherweise wesentlich unsichtbarer und in jedem Fall im Handel weniger erfolgreich sind. Sichtbar indigene Händler/innen aus Otavalo bewegen sich dagegen auch außerhalb ihrer Kleinstadt erfolgreich bis in die Fußgängerzonen westeuropäischer Städte.
Ein weiteres Beispiel für eine Re-Ethnisierung nach gelungener Anpassung an urbane Kontexte und eher von nationalen Parametern bestimmte Kulturen sind die politischen Organisationen in El Alto (Bolivien), die sich allerdings im Unterschied zu Santiago de Chile in einem mehrheitlich indigenen Umfeld etablierten. Insbesondere die 1994 durch den “Compadre Palenque“ gegründete Partei CONDEPA (Conciencia de Patria) griff auf die Symbole der Aymarakultur zurück und positionierte sich als Partei der städtischen Aymara. Sie ist somit in besonderer Weise ein Produkt der Auseinandersetzung der Aymarabevölkerung mit ihrem nationalen Umfeld unter den spezifischen Bedingungen des städtischen Lebens. Auf Grund der geografisch begünstigten und intensiven Austauschbeziehungen zwischen der Aymarabevölkerung in El Alto und den Dörfern des umliegenden Altiplano übernahm die Partei auch die Vertretung der ländlichen Aymara. CONDEPA konnte aus dem Stand ein erhebliches Wählerpotenzial speziell unter der Aymarabevölkerung mobilisieren und war unter Präsident Banzer einige Jahre an der Regierung beteiligt, ist jedoch mittlerweile politisch bedeutungslos.12
Auch wo Phänomene der (Re-) Ethnisierung nicht deutlich beobachtbar oder noch nicht untersucht sind, wird ein gewisses Substrat an “kulturellen Werten“ aufrecht erhalten, das sich auf die Strukturen in der Herkunftsgesellschaft bezieht. Besonders hervorgehoben werden dabei Verwandtschaft und damit begründete Sozialbeziehungen, Feste, insbesondere religiöser Natur, und einige konkrete Manifestationen wie Küche und Musik. Dass diese kulturellen Werte und – in Abhängigkeit von den Mehrheitsverhältnissen – auch die indigene Sprache eine wichtige Rolle spielen können, zeigt ALBÓ, 1995 in seiner Mikroanalyse der Stadtteile bolivianischer Städte.
12
STRÖBELE-GREGOR hat dazu zahlreiche Veröffentlichungen vorgelegt, auf die sie im Einleitungskapitel verweist.
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Die indigene Kultur in den Städten unterscheidet sich von den Kulturen in den Herkunftsgemeinden und ist das sich ständig weiter wandelnde Produkt eines kontinuierlichen Prozesses der Re-Interpretationen bekannter und mitgebrachter Traditionen in Auseinandersetzung mit dem neuen Umfeld. Aktuell scheinen die Wiederbelebungen “alter Traditionen“ stärker dokumentiert zu werden, so stellt BENGOA (2000:58) ein Anwachsen von prehispanischen religiösen Phänomenen in lateinamerikanischen Städten fest. RÖSING (1987) untersuchte in den 1980er Jahren Manifestationen von Ethnomedizin in La Paz (Bolivien) und die Rolle traditioneller Callawaya-Heiler. Sie stellte ein
Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen
wachsendes Interesse an diesen rituellen Dienstleistungen, aber auch eine Gefährdung ihrer Komplexität im urbanen Raum fest und reflektierte ihre kulturelle und soziale Funktionalität. Ethnische oder ethnisch-professionelle Organisationsgründungen sind ein weiterer Ausdruck dieses kulturellen “Wiedererwachens“ und veränderter Wahrnehmung. Diese Prozesse der (Re-) Ethnisierung sind ebenso wenig abgeschlossen wie die kulturelle Weiterbearbeitung und Weiterentwicklung in den ländlichen Herkunftsgemeinden. Sie ver-
laufen allerdings in den Städten in einem urban angepassten Tempo. Sie setzen sich, unterstützt durch die breiter zugänglichen elektronischen Medien, zunehmend mit den Tendenzen der Globalisierung auseinander. Für die Entwicklungszusammenarbeit werden indigene Städter ebenfalls zunehmend relevant, da die Vertreter/innen indigener Völker und damit Gesprächspartner von EZ Institutionen ihre Büros in den lateinamerikanischen Hauptstädten unterhalten.
Foto: Näherin in Panama (K. LECKEBUSCH)
Neue Rolle für indigene Frauen “On the whole, women migrate more than men, and non-indigenous people more than indigenous people. Migrants are more likely to be young, female and non-indigenous” (PATRINOS, 1994:18). Diese allgemeine Aussage ist noch immer gültig. Indigene Frauen migrieren jedoch weniger als indigene Männer in die Städte der Provinzen oder die Metropolen. Eine Ausnahme stellen die gewaltsamen Vertreibungen dar, in denen Frauen und Kinder
auch unter Indigenen die Mehrheit bilden. BARRIG (2001:102-115) reflektiert diese Fakten mit dem Geschlechterverhältnis andiner indigener Gesellschaften und sieht in der Begrenzung von Frauen auf die dörfliche Gemeinschaft und die eigene traditionelle Kultur (beispielsweise die Nutzung von Trachten) einen Hinweis auf das Geschlechterungleichgewicht und eine deutliche Einschränkung von Frauen. Diese Ungleichheit zwischen den Geschlechtern wird häufig mit der Komplementarität an-
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diner Kulturen erklärt und legitimiert. Damit übernehmen indigene Frauen jedoch gleichzeitig eine funktionale Rolle für die Möglichkeit des Rückbezugs, als Bild des Eigenen, des Reinen, “der Kultur“. Auch im urbanen Kontext geben sich mit wenigen Ausnahmen die Frauen durch die Tracht öffentlich als Indigene zu erkennen: “Las mujeres son más indias“ (DE LA CADENA in BARRIG, 2001:108). Indigene Migrantinnen werden häufig in ihrem besonderen Beitrag zum Erhalt der Kultur auch unter den erschwerten Bedingungen der Stadt gewürdigt. Einen anderen Aspekt beleuchtet PÉREZ SAINZ (1994:338): In einem Vergleich indigener und nicht indigener Frauen in Guatemala Stadt konstatiert er die intensivere Beteiligung indigener Frauen im Vergleich zu nicht indigenen an Erwerbsarbeit bei gleichzeitig schlechteren Arbeitsbedingungen und geringerem Einkommen. Es gibt in diesem Zusammenhang auch Anzeichen, dass sich indigene Frauen über Migration eine intrakulturelle und intrafamiliäre Unabhängigkeit erwirken, vor allem in indigenen Kulturen mit einem stark patriarchalen Charakter. Die spezifische Problematik der Hausangestellten in noch häufig sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen, in denen vor allem junge Mädchen aus ländlichen Regionen, und damit auch junge indigene Mädchen und Frauen ausgebeutet werden, kann hier nicht im Einzelnen beleuchtet werden. Migration bringt sowohl für die Frauen in den Herkunftsgemeinden als auch für die migrierten Frauen in den Städten Veränderungen mit sich, da sie in beiden Kontexten neue Aufgaben übernehmen und dabei neue Rollenmuster entwickeln. In diesem Prozess ändert sich sowohl ihr Selbstbild als auch das Bild der indigenen Frau allmählich in Richtung auf eine größere und öffentlich sichtbare Gleichberechtigung.
Indigene Jugendliche – eine neue Subgruppe Jugendliche sind entweder eigenständige Migrant/innen – meist motiviert durch bessere Bildungsmöglichkeiten in den Städten, insbesondere nach abgeschlossener Grundbildung
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– Vertriebene oder bereits Migrant/innen der zweiten und dritten Generation. Sie vollziehen die genannten Optionen der Anpassung und Eigenständigkeit ebenfalls nach, kennen jedoch die ländliche Herkunftsregion, in der die indigene Kultur verbürgt ist, teilweise nur mittelbar. Jugend als Lebensabschnitt kommt verstärkt im städtischen Umfeld zum Tragen. Durch verbesserte und verlängerte Ausbildungszeiten gewinnt diese Etappe des Lebens einen eigenständigeren Charakter als in den Herkunftsgemeinden, wo Jugendliche schon früh geschlechtsspezifische Arbeiten übernehmen und schnell in die Rolle junger Erwachsener hineinwachsen. Allgemein ist der gesamte Jugend relevante Diskurs im wesentlichen städtisch. Die entsprechenden Instanzen sowohl staatlicher Jugendpolitik als auch nicht staatlicher Jugendarbeit und Jugendorganisation beginnen erst langsam die Wirklichkeit ländlicher Jugendlicher wahrzunehmen und einzubeziehen. Die Wahrnehmung indigener Jugendlicher erfolgt verzögert und analog zu dem allgemein verbreiteten Bild von Indigenen v.a. bezogen auf den ländlichen Kontext.13 Die Migrationsrealität gewinnt für jugendliche Indigene eine spezifische Relevanz. Darauf verweist auch das Ständige Forum in seiner Session vom Mai 2003 (vgl. STÄNDIGES FORUM FÜR INDIGENE FRAGEN, 2003) und interpretiert die Situation jugendlicher Migrant/innen vor allem unter der Perspektive des Kultur- und Identitätsverlustes und der erzwungenen Anpassung an eine neue und fremde Umwelt. Mittlerweile hat UNICEF (2003) eine vertiefende Studie zur Thematik indigener Kinder und Jugendliche durchgeführt. BARRIG (2001:102) zitiert eine Befragung unter jugendlichen Sekundarschüler/innen in Lima, die Kinder und Enkel andiner Migrant/innen sind. Mit großer Mehrheit beantworteten sie die Frage: “Wen hasst du?“ Mit: “Meine Großmut13 Das GTZ-Vorhaben zur Beratung der Jugendpolitik in Kolumbien hat in Zusammenarbeit mit dem kolumbianischen Partner Colombia Jovén und der landesweiten Organisation indigener Völker ONIC (Organización Nacional Indígena de Colombia) 2004 eine interessante Maßnahme hierzu eingeleitet.
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ter“ und begründeten ihre Wahl mit der Ablehnung gegenüber den indigenen Attributen, die die Großmutter noch verkörperte und die ihre Enkel noch immer zum Gespött der Mitschüler/innen werden lassen. Konsequent sagten 90% der Befragten, sie hätten keinerlei Kenntnisse zur Herkunftsregion der Familie. Hier wurde “der Zopf abgeschnitten“.
Neue Rollen und Organisationsformen Im bolivianischen “Erdgasaufstand“ im Jahr 2003 waren neben El Alto mit seinen indigenen Organisationsstrukturen auch Kleinstädte wie Achacachi mit indigener Führung der Stadtverwaltung Zentren der Organisation von strategischer Bedeutung. Sie konnten diese Funktion übernehmen, weil sie die Kommunikation mit den Aymaras der umliegenden Hochebene aufrechterhielten. Diese Kombination zwischen Stadt und Land wurde im legendären “levantamiento indígena“ 1990 in Ecuador auch besonders deutlich, als zeitgleich mit der Besetzung der ländlichen Zufahrtsstraßen und Teilen der Panamericana die Kirche Santo Domingo in Quito besetzt wurde (vgl. ALMEIDA ET AL., 1991). Die Erfahrung von Migration und Integration in urbanen “modernen“ Zusammenhängen hat ebenfalls Auswirkungen auf indigene Führungspersönlichkeiten und Organisationsstrukturen. Die Initiatoren und Präsidenten indigener Organisationen sind vermehrt keine Bauern mehr sondern Städter, die Realität der ländlichen Gemeinden jedoch ist noch immer Hauptgegenstand von Forderungen und Verhandlungen mit staatlichen Instanzen. Diese ländliche Realität kennen die Sprecher oft nur vermittelt, umgekehrt kennen sie jedoch das Umfeld und die Parameter ihrer nicht-indigenen Gesprächspartner. Sowohl indigene Gemeinden und Völker als auch ihre nicht-indigenen Gesprächspartner sind für ihren Dialog häufig auf Personen angewiesen, die diese Übersetzungs- und Vermittlungsarbeit leisten können. “(...) la fuerza política de este nuevo dirigente está en ser capaz de manejar todos los códigos occidentales y al mismo tiempo manejar la distinción, el hecho de ser indígena, (...)“ (BENGOA, 2000:83). In diesem Zusammenhang wird die Frage wichtig, wie sehr die
Vertreter und seltener Vertreterinnen der indigenen Völker tatsächlich diese und ihre mehrheitlichen Interessen vertreten, insbesondere in den Ländern, in denen die Mehrheit der Indigenen noch im ländlichen Raum lebt, bzw. in Themenbereichen, die direkt die ländliche Bevölkerung betreffen. Dies betrifft auch die Entwicklungszusammenarbeit, denn die Organisationsführer sind auch die Gesprächspartner im Planungsprozess von EZ Programmen und Projekten. Umgekehrt sind die Anforderungen der Kommunikation mit indigenen Vertreter/innen so, dass sie praktisch nur aus dem städtischen Umfeld mit funktionierender Telekommunikation und angeschlossen an Infrastruktur und Verkehrsbetriebe zu leisten sind. Diese neuen Erfahrungen und Herausforderungen haben auch den Diskurs indigener Organisationen geprägt: Neue Themen wurden in die Diskurse der indigenen Organisationen aufgenommen. Forderungen nach Anerkennung von Differenz, Eigenständigkeit und Respekt, sowie die Überlegungen zu multiethnischen Gesellschaften (“unidad en la diversidad“) gewinnen zunehmend an Gewicht. Sie stellen gegenüber den Forderungen früherer Dekaden nach Entwicklungsteilhabe v.a. im ländlichen Raum eine Weiterentwicklung dar, die auch deshalb möglich wurde, weil indigene Vertreter die Diskussionen auf nationaler und internationaler Ebene wahrnehmen und daran partizipieren. Migration und ihre Präsenz in Städten war eine Voraussetzung dafür. BENGOA (2000:129) fasst das folgendermaßen zusammen: “La característica principal de la emergencia indígena es la existencia de un nuevo discurso identitario, esto es, una ‘cultura indígena reinventada’. Se trata de una ‘lectura urbana’ de la tradición indígena, realizada por los propios indígenas, en función de los intereses y objetivos indígenas. (...) discurso de identidad étnica arraigado profundamente en la tradición, pero con capacidad de salir de ella y dialogar con la modernidad.“ Dies führt nicht zu dem bekannten Diskurs des “mestizaje“ sondern vielmehr zu einer ethnischen Selbstbehauptung, einer Behauptung der Differenz unter Kenntnis “des anderen“ und im Dialog mit “den anderen“. Mit den neuen Parametern
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der Differenz und den Beiträgen zum Aufbau multiethnischer und plurikultureller Gesellschaft knüpfen indigene Organisationen im Dialog an ähnlichen Phänomenen in anderen Teilen der Welt an. Im Zuge der Globalisierung, auf Grund intensivierter Migrationsbewegungen und kürzer werdender Entfernungen, entstehen an zahlreichen Orten diese und ähnliche Forderungen und Modelle. In ihrem Zentrum steht die Anerkennung der Differenz und der respektvolle Dialog mit “Anderen“.
4. EZ Ansätze Das BMZ-Konzept für die EZ mit indianischen Bevölkerungsgruppen notiert die unterschiedlichen Faktoren, die Indigene aus ihren angestammten Siedlungsgebieten verdrängen und damit die Migration verstärken und schließt migrierte Indigene explizit in die Zielgruppe ein (BMZ, 1996:11): “Dabei sollte auch der besonderen Situation der indianischen Bevölkerung in den urbanen Ballungsräumen ausreichend Rechnung getragen werden“. Zu diesen Faktoren zählen neben Gewalt und Krieg auch die Problematik von Landrecht und Landnutzung (siehe RATHGEBER in diesem Band) und die Verdrängung durch extraktive Industrie und Ressourcenkonflikte (siehe FELDT und ROSSBACH DE OLMOS in diesem Band). Die Evaluierung des BMZ-Konzepts zur Zusammenarbeit mit indigenen Völkern kommt zu dem Schluss, dass indigene Völker nicht überall dort, wo sie leben und von spezifischen Problemen betroffen sind, in den Vorhaben und dem entsprechenden Politikdialog der EZ Berücksichtigung finden. Dies gilt umso mehr für die indigene Bevölkerung außerhalb ländlicher Gebiete, insbesondere außerhalb des Regenwaldes. Denn Vorhaben der EZ mit Indigenen als explizit aufgeführter Zielgruppe finden noch immer fast ausschließlich in ländlichen Regionen statt.
Ansätze der Stadtentwicklung und Armutsminderung Vorhaben der Stadtentwicklung der EZ sind zum einen auf Infrastrukturmaßnahmen und Stadtteilsanierung orientiert, zum anderen auf die Verbesserung der städtischen Organisation und die Stärkung der Stadtverwaltung zur
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Erbringung verbesserter Dienstleistungen. Dabei konzentriert sich die deutsche TZ auf Mittelstädte und ländliche Unterzentren nach einer anfänglichen Konzentration auf die Legalisierung urbaner Landnahme durch Migrant/innen. Die “Leitlinie Kommunal- und Stadtentwicklung“ der GTZ (2002:4) führt explizit die Vorgaben Menschenrechte, demokratische Teilhabe, sozial-politisch orientiertes Handeln und die Orientierung auf Gender-, Armuts- und Umweltprobleme auf. Zunehmend orientieren sich auch Stadtentwicklungsvorhaben der Finanziellen Zusammenarbeit (FZ) auf die Partizipation der lokalen Bevölkerung, wie in Medellín und Bogotá. Erfahrungen mit der Beteiligung indigener Stadtbevölkerung, die als solche reflektiert wurden, sind nicht greifbar, sollten aber in Städten mit indigenen Migrant/innen, die sich als solche verstehen und organisieren, im Sinne der Zielgruppendifferenzierung Gegenstand der Komponenten Bürgerbeteiligung und Dialog mit Organisationen der Zivilgesellschaft sein. Ohne die spezifische Fokussierung können Indigene nur als Städter und Bürger/innen bestimmter Stadtteile und sofern sie nicht sozial ausgegrenzt sind an den Wirkungen der Vorhaben partizipieren.
Ansätze der Dezentralisierung Vor allem in Ländern bzw. Regionen mit einem hohen indigenen Bevölkerungsanteil bot die Dezentralisierung und insbesondere die neue Rolle, die dabei Kommunen als bürgernähester Ebene zukommt, indigenen Völkern eine Chance, die eigene Entwicklung in die Hand zu nehmen, “ethnodesarrollo“ (siehe auch STRÖBELE-GREGOR in diesem Band) mit regionaler Entwicklung zu verknüpfen, in staatlichen Funktionen präsent zu sein, und damit auch Zugang zu den Strukturen der Macht zu erlangen. Dies realisiert sich von wenigen Ausnahmen wie Quetzaltenango abgesehen, vor allem in kleineren Kommunen mit noch ländlichem Zuschnitt. Bolivien und Ecuador weisen zahlreiche Beispiele auf, die im Rahmen der dort umgesetzten Vorhaben zur Förderung der Dezentralisierung und Kommunalentwicklung auch unterstützt wurden. Unter der Perspektive von Partizipation und Good Governance werden diese Ansätze bei FELDT in diesem Band
Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen
beleuchtet. Die Option der Mitgestaltung von Politik und lokal-regionaler Entwicklung “con visión indígena“ birgt jedoch auch die Gefahr, kooptiert zu werden, und damit die Anerkennung und Legitimität als Vertreter/in indigener Bevölkerungsgruppen zu verlieren. Es ist davon auszugehen, dass diese Entwicklungen vor allem in Mittelstädten und ländlichen Unterzentren relevant werden.
Andere Ansätze in lateinamerikanischen Städten In Chile wurde 2002 und 2003 eine Eigenmaßnahme der GTZ umgesetzt, die u.a. die indigene Stadtbevölkerung des Großraums Santiago explizit als Zielgruppe definierte, und sich die Förderung einer interkulturellen Verständigung zwischen (1) verschiedenen indigenen, (2) indigenen und nicht-indigenen Bevölkerungsgruppen sowie (3) zwischen indigener Bevölkerung und den öffentlichen Institutionen zum Ziel setzte. Das Vorhaben arbeitete zu drei zentralen Bereichen: Gender, Jugend und Förderung produktiver Maßnahmen mit einem durchgehend interkulturellen Fokus. WENTZEL (2003:9) weist aus dem Kontext der PDPI Projekte (Projetos Demonstrativos dos Povos Indígenas) in Brasilien mit Fokus auf indigene Völker der Amazonasregion (Rio Negro) auf eine weitere interessante und förderungswürdige Fragestellung hin: “Como melhor aproveitar as experiências e os recursos destes migrantes para os desenvolvimentos das Terras Indígenas? Como fortalecer a articulacão entre os indígenas nas cidades e os que vivem nas aldeias?“ Darin kann sich die Berücksichtigung städtischer Indigener und die Bearbeitung ihrer spezifischen Probleme nicht erschöpfen, aber damit können die bestehenden oder erloschenen Beziehungen zwischen Städtern und Landbevölkerung aktiviert und gestärkt sowie eine gemeinsame Orientierung gefördert werden. CLICHE & GARCÍA (O.J.) verweisen für Ecuador darauf, wie Ansätze – in diesem Fall der zweisprachigen interkulturellen Bildung – für die indigenen Zielgruppen in den Städten weiterhin Gültigkeit besitzen, aber angepasst und entsprechend abgewandelt werden müssen.
5. Empfehlungen Horizont der folgenden Empfehlungen ist die Notwendigkeit auch für die EZ im urbanen Kontext Gleichberechtigung in den Gesellschaften der Partnerländer zu fördern, und Diskriminierung und Ausgrenzung abzubauen. Damit kann ein Beitrag dazu geleistet werden, dass diese Gesellschaften selbst sich in Richtung auf ihre in den Verfassungen häufig schon verbrieften Modelle multiethnischer und plurikultureller Gesellschaften hin entwickeln, in denen Differenz einschließlich der ethnischen, kulturellen und sprachlichen als Bereicherung und nicht als Bedrohung oder Minderwertigkeit wahrgenommen wird. Dieser Paradigmenwechsel ist eine aktuell weltweite Herausforderung und betrifft nicht nur Lateinamerika.
“La participación, la coordinación interinstitucional, la capacitación y la instalación de capacidades en nuestros propios Pueblos Indígenas debe ser el horizonte de toda cooperación técnica para el desarrollo, y también constituye una necesidad pragmática para garantizar la sustentabilidad de la experiencia en el tiempo.” CLAUDIO SAAVEDRA (CONADI) Chile
Das BMZ Konzept nennt Indigene in der Stadt und spricht sich explizit gegen eine Einengung auf ländliche Regionen und Wald aus. Die Berücksichtigung indigener Völker im urbanen Raum öffnet gleichzeitig den Blick der EZ auf indigene Völker im Allgemeinen: Wenn Indigene nicht mehr vorrangig “auf der Scholle“ und “unter dem Baum“ gesehen werden, werden sie differenzierter und in ihren realen Lebensbedingungen wahrgenommen. Somit ist zu vermuten, dass diese Wahrnehmung sich auch positiv auf die Vorhaben der EZ mit indigenen Völkern in ländlichen Regionen auswirken kann. Bei der konzeptionellen Verknüpfung zwischen Förderung indigener Völker und Entwicklung in Städten können die folgenden Empfehlungen zum Tragen kommen: 1. Indigene Völker sind wesentlich städtischer als ihr Bild. Die EZ sollte (1) dies in
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ihren entsprechenden Grundsatzpapieren deutlicher einbeziehen, (2) zum Thema indigene Völker nicht ausschließlich ihre Kooperationen mit Indigenen im ländlichen Raum darstellen und (3) in ihren Vorhaben im urbanen Raum auf die ggf. dort lebende indigene Bevölkerung reagieren, und für ihre Beteiligung an den Vorhaben in Städten und damit an den städtischen Strukturen der Verwaltung und Politik Sorge tragen. 2. Urbane Zentren haben in ihren Ländern die Rolle von Modellen für Moderne und Entwicklung. In diesem Sinne ist es wichtig, dass insbesondere in den Städten die Entwicklung von multiethnischen Gesellschaften, wie verfassungsgemäß verankert, sichtbar wird. Stadtentwicklungsprojekte können hierzu durch eine sensible Auswahl der Zielgruppen (einschließlich Maßnahmen im Sinne von affirmative action) beitragen. 3. Indigene Völker in Städten sind trotz Diskriminierung und Segregation Teil der lokalen Gesellschaften. Es bestehen in den Städten wenige partikulare “indigene Räume“. Daher ist zu empfehlen, die Beteiligung indigener Vertreter/innen zusammen mit anderen Zielgruppenvertreter/innen in den im Projekt vorgesehenen Beteiligungsstrukturen zu integrieren. Damit können EZ Maßnahmen dazu beitragen, dass sich Indigene nicht zur Unsichtbarkeit gezwungen sehen und Ausgrenzung und Rassismus der Partnergesellschaften aufgebrochen wird. 4. Eigene Beteiligungsstrukturen für Indigene sind nur dort sinnvoll, wo ihre Beteiligung in den allgemeinen Strukturen unterzugehen droht bzw. wo es sich ausschließlich um die Vertretung ihrer spezifischen Interessen handelt. Die EZ soll vermeiden, selbst Re-Ethnisierungsprozesse in Gang zu setzen, indem sie Indigene identifiziert und explizit fördert, die sich nicht mehr als solche verstehen, sondern an einer Integration und Assimilierung an die urbane nationale Gesellschaft interessiert sind. In diesen Situationen ist davon auszugehen, dass die Beteiligung “ehemals Indigener“
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durch die Konzentration auf Arme weitgehend sicher gestellt werden kann. 5. In Vorhaben der Kommunalentwicklung in indigen besiedelten Regionen und mit bestehenden indigenen Organisationen sind Maßnahmen der Qualifizierung und Organisationsförderung zur Beteiligung an den politischen Strukturen sinnvoll. Indigene Organisationen, die erst jüngst auf dieser Bühne des demokratischen Wettbewerbs agieren, haben ggf. mehr Förderbedarf als andere bereits parteipolitisch orientierte und organisierte gesellschaftliche Gruppen. 6. Die zu Grunde liegenden Fragen: wer und wie viele Menschen als indigen gelten und wo sie leben, können im Rahmen der EZ nicht beantwortet werden. Die entsprechende wissenschaftliche Diskussion sollte jedoch beobachtet und wenn möglich bei Schlüsselfragen auch gefördert werden. Sie wird in fast allen Ländern und durch einige renommierte überregionale Institutionen wie FLACSO (Facultad Latinoamericana de Ciencias Sociales) oder CLACSO (Consejo Latinoamericano de Ciencias Sociales) geführt. Dasselbe gilt für die Diskussion internationaler Foren unter maßgeblicher Beteiligung indigener Repräsentant/innen, die stärker in den Vorhaben der EZ wahrgenommen werden sollten.
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Hinweise für die Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern in Lateinamerika
Hinweise für die Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern in Lateinamerika¹ DR. EDGAR KÖPSELL
Vorbemerkung In den vorangegangenen Kapiteln wurden bereits Empfehlungen1 für die Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern gegeben, sie lassen sich auch aus den Ausarbeitungen selbst ableiten. Im Folgenden und abschließend sollen noch kurz einige Hinweise für die EZ-Praxis aufgeführt werden, die sich aus der Arbeit der “Koordinationsstelle Indigene Völker in Lateinamerika und der Karibik (KIVLAK)“ ergeben haben. Diese Hinweise folgen (noch)2 keiner umfassenden Systematik, es sei denn der, dass sie sich im Rahmen der Arbeit von KIVLAK dem Autor besonders eingeprägt haben. Ein Teil dieser Hinweise stammt aus der intensiven Unterstützungsarbeit, die die Koordinationsstelle für das BMZ leistet. Hier ist insbesondere die Fallstudie “Erfahrungsauswertung der Zusammenarbeit mit indigenen Bevölkerungsgruppen und Organisationen in Bolivien, Ecuador und Guatemala“ zu nennen, bei deren Konzeption KIVLAK das BMZ unterstützt, daran anschließend die Studie im Auftrag des Ministeriums ausgeschrieben und in der Durchführung sehr intensiv betreut hat.3 Die 1
Für diesen Artikel werden wesentliche Teile aus einem Gutachten von Frau DR. JULIANA STRÖBELEGREGOR, dass im Auftrag von KIVLAK erstellt wurde, verwendet bzw. übernommen. Die Verantwortung für etwaige Fehler u.ä. trägt jedoch nur der Autor. 2 Eine umfassende und systematische Ausarbeitung von Empfehlungen ist von KIVLAK geplant. 3 Die Studie ist Basis für die zukünftigen Überlegungen des BMZ für die Zusammenarbeit mit den indigenen Völkern in Lateinamerika und der Karibik. Auch soll, so die weiterführende Planung des Ministeriums, das BMZ-Konzept für die Zusammenarbeit mit indigenen Völkern überarbeitet und aktualisiert werden. Es ist geplant, die Studie allen Interessenten zugänglich zu machen und auch auf der Webseite von KIVLAK http://www.gtz.de/indigenas/ zu veröffentlichen.
Studie, deren Fertigstellung sich mit der Herausgabe dieses Readers überschnitten hat, ist die zur Zeit aktuellste Aufarbeitung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern in Lateinamerika und kann deshalb, begleitend zu diesem Buch, als Lektüre sehr empfohlen werden. Der andere Teil der Hinweise geht auf die EZArbeit in Projekten bzw. Programmen zurück, wobei nicht nur “good practices“ genannt, sondern auch auf mögliche Fehlerquellen aufmerksam gemacht werden soll. Empfehlungen und Hinweise, mögen sie auch noch so umfassend und detailliert sein, können keine Blaupause sein, die unabhängig von der jeweiligen Situation schematisch anzuwenden ist. Allgemein lässt sich sagen, dass mit der konsequenten Anwendung des aktuellen und erprobten EZ-Instrumentariums (z.B. Zielgruppen- und Akteursanalyse, partizipative Vorgehensweise usw.) kaum etwas falsch gemacht werden kann. Wichtig ist, dass man sich dabei auf der Höhe der Zeit befindet, denn die Vorgehensweisen und Methoden der EZ unterliegen Wandlungen, meist nicht nur sprachlicher Art. Um ein Beispiel zu nennen: War mit der zielorientierten Projektplanung (ZOPP) u.a. untrennbar der Begriff der Zielgruppenanalyse verbunden, so hat aktuell diese Methodik an Stellenwert verloren und zu der Zielgruppenanalyse ist heute verstärkt die Akteursanalyse hinzugetreten. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass verschiedentlich die Vertreter/innen von indigenen Organisationen darauf hinweisen, dass sie sich nicht als Zielgruppe, sondern als eigenständige Akteure und damit als vollwertige Partner der Internationalen Zusammenarbeit verstehen. Von daher unterliegen auch die folgenden Hinweise der Gefahr, durch neue Erkenntnisse
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und Entwicklungen überholt zu werden. Sie müssen deshalb fortgeschrieben, aktualisiert und immer wieder auf Relevanz und Anwendbarkeit geprüft werden. Letztlich können sie
auch nur Anregungen geben und Themen anreißen, die konkrete Vorgehensweise wird immer auf die jeweilige Situation zugeschnitten sein müssen.
Foto: Kundgebung in der Comarca Ngöbe-Buglé (Proyecto Agroforestal Ngöbe)
1. Konfliktvermeidung und –entschärfung Bei der EZ mit indigenen Völkern ist es wichtig, sich immer vor Augen zu führen, dass die Emanzipation der indigenen Bevölkerung in den lateinamerikanischen Staaten ein sehr konfliktreiches Thema ist. Denn mit dieser Emanzipation verschieben sich – extrem verkürzt gesagt - die Machtverhältnisse innerhalb der jeweiligen Gesellschaft und damit letztlich auch der Zugang zu Ressourcen, seien sie nun materiell oder immateriell. Bei den davon betroffenen Gesellschaftsgruppen werden Ängste ausgelöst und Spannungen aufgebaut, die in Konflikte münden können. Dieser Sachverhalt ist deshalb bei der Zusammenarbeit mit indigenen Völkern generell zu beachten. Um diese, auch ethnisch begründeten, Konflikte nicht (unbeabsichtigt) zu schüren, müssen die EZ-Projekte die Konfliktrisiken verstehen, beobachten und präventiv
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bearbeiten können. Es muß also darauf geachtet werden, dass (unwillentlich) negative, gewaltverschärfende Wirkungen vermieden und die Ursachen für gewaltsame Konflikte durch das Projekt zumindest nicht verstärkt werden. Dabei geht es letztlich um die Frage, wie vermieden werden kann, dass ein latent vorhandener Konflikt, der u.a. ethnisch begründet wird, durch die EZ verschärft wird bzw. wie bereits zu einem frühen Zeitpunkt Konfliktrisiken erkannt und ein Beitrag zur Prävention und friedlichen Konflikttransformation geleistet werden kann. Interethnischen Konflikten liegen oft Landkonflikte zugrunde. Dazu gehören Invasionen von Bauern-Migranten, indigener wie nicht-indigener Herkunft, in Territorien, die von anderen ethnischen Gemeinschaften genutzt werden. Oftmals spielen auch historisch begründete interethnische Spannungen, unterschiedliche politische und ökonomische Strategien, Pro-
Hinweise für die Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern
duktionsweisen und kulturell geprägte Beziehungen zur jeweiligen natürlichen Umwelt eine Rolle. Von daher ist eine positive Erweiterung des Aktionsfeldes der EZ die Konfliktmoderation. Sie kann dazu beitragen, gewalttätige Auseinandersetzungen zu entschärfen. Obwohl eigentlich selbstverständlich, soll aber noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass aufgrund der Brisanz von Konflikten Moderation nur von entsprechend qualifizierten und erfahrenen Personen bzw. Institutionen geleistet werden kann. Die Erfahrung der EZ zeigt sehr deutlich, dass es Indizien dafür gibt, dass die Kanalisierung von Ressourcen in ein Konfliktgebiet Konflikte schüren kann. Deshalb muss unbedingt bei der Planung von Vorhaben potentielles, durchaus auch interethnisches Konfliktpotential genau durch unabhängige kompetente Expert/innen untersucht werden, um nicht aufgrund fehlender Kenntnisse Konflikte anzuheizen. Eine solche Untersuchung darf sich nicht auf die Projektregion beschränken, sondern muss auch die angrenzenden Gebiete einbeziehen.
2. Stärkung der Verhandlungsmacht indigener Organisationen innerhalb von Dialogstrukturen Bei diesem Sachverhalt ist zu prüfen, ob die Partizipation indigener Repräsentant/innen auf lokaler und nationaler Ebene nicht unterstützt werden kann. Wenn der Auftrag dies abdeckt, sollte die EZ entsprechende Initiativen fördern. Instrumente der formalen Partizipation sind häufig Konsultationen oder “runde Tische”, an denen sämtliche zivilgesellschaftliche Organisationen vertreten sind. Weitere Instrumente wären zu prüfen. In jedem Fall sollte der Ausgleich von Interessensdifferenzen zwischen sozialen Gruppen sowie die Stärkung der Verhandlungsmacht von sozial schwachen Akteuren (Kleinbauern, indigene Gemeinschaften, Frauen) besonders berücksichtigt werden. Diese Gruppen sollten bei Bedarf unterstützt werden, z.B. durch Beratungspersonal und die Bereitstellung von notwendigen Informationen.
3. Berücksichtigung des Genderaspektes In bestehende oder geplante Vorhaben ist der Genderansatz umfassend verankert. Diesbezüglich bietet es sich an, mit Frauenorganisationen und Gruppen, die auf das Thema indigene Frauen spezialisiert sind sowie mit eigenständigen indigenen Frauen-Initiativen zusammenzuarbeiten. Aus der EZ-Praxis ist bekannt, dass indigene Frauen oftmals über keine eigenen Ausweisdokumente verfügen. Dadurch sind sie häufig an der Wahrnehmung ihrer Bürgerrechte, aber auch im Zugang zu Krediten und Investitionen gehindert. Projekte und Programme, die dazu die Möglichkeit haben, sollten deshalb auf jeden Fall indigene Frauen unterstützen, Ausweisdokumente zu erhalten. Anschließend an diese Empfehlung muss darauf hingewiesen werden, dass Vorhaben4, die bei der Eintragung individueller Landtitel in indigenen Gemeinden unterstützend tätig sind, darauf achten müssen(!), dass Frauen ihre Landrechte nicht verlieren. In vielen Regionen gibt es “traditionell” ein Erbrecht, dass Frauen Eigentum an Land sichert. Frauen verlieren jedoch häufig ihre Ansprüche, wenn sich bei der Individual-Titulierung nur der Mann eintragen lässt. Nicht selten rechtfertigen Männer die Eintragung auf ihren Namen damit, dass sie ja traditionell die Familie nach außen vertreten (Familienoberhaupt). Tatsächlich sichern sie damit nur ihren Vorteil. Indigene Frauen sollten auch unterstützt werden, wenn sie sich in Interessensgruppen organisieren. Wo dies bereits geschehen, können existierende Zusammenschlüsse gefördert und institutionell gestärkt werden. Capacity Development und Empowerment sind dazu die Stichworte. Auch dabei gilt wieder, dass vor der Unterstützungsleistung die nötige fachliche Expertise, in diesem Falle über die Organisationen, ihre Repräsentativität und Legitimität, einzuholen ist. 4
Die überwältigende Mehrzahl der Vorhaben wird nicht auf diesem, sehr politischen, Gebiet arbeiten. Wenn aber doch, ist der genannte Sacherhalt unbedingt zu beachten, damit eine eigentlich erfolgreiche Maßnahme sich für indigene Frauen nicht in das Gegenteil verkehrt. Stattdessen gilt “Land auch in indigene Frauenhand“.
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4. Aus- und Fortbildung .... .... von indigenen Fachkräften Im Dialog mit indigenen Repräsentant/innen zeigt sich immer wieder, dass Ausbildung, insbesondere die formale und Hochschulausbildung, einen hohen Stellenwert hat, denn daran ist die Hoffnung und Erwartung verknüpft, dass diese in eine entsprechend qualifizierte Arbeitsstelle und auch gesellschaftliche Teilhabe mündet. Zurückhaltender werden dagegen Seminare, Workshops und dergleichen bewertet. Diese mögen zwar der Fortbildung dienlich sein, vermitteln aber schlussendlich keine national bzw. international anerkannte Qualifikation. Die Schlussfolgerung für die Vorhaben kann deshalb nur sein, dass indigene Mitarbeitern/innen zur Teilnahme an Fort- und Weiterbildung und (Postgraduierten-) Studium ermuntert und bei der Suche nach Stipendien, der geeigneten Ausbildungsstätte u.ä. unterstützt werden sollten5. Eine solche Förderung von Seiten der EZ-Vorhaben setzt natürlich voraus, dass überhaupt indigene Fachkräfte beschäftigt werden. Die zusätzliche, klare Empfehlung lautet deshalb, in Regionen mit indigener Bevölkerung gezielt indigene Fachkräfte zu suchen und einzustellen. Diese sollten auch für Verantwortungsbzw. Führungspositionen unter Vertrag genommen werden um keine ethnischen Hierarchien entstehen zu lassen. Indigene Frauen sollten diesbezüglich besonders gefördert werden. Eine weitere Schlussfolgerung und Empfehlung ist, in Ländern mit einem relevanten Anteil 5
Oftmals gibt es durchaus Möglichkeiten innerhalb der deutschen EZ bzw. IZ. Erwähnenswert ist, daß die Hanns-Seidel-Stiftung in Ecuador seit Anfang der 90er Jahre ein Stipendienprogramm aufgebaut hat, das sich ganz bewußt an junge indigene Frauen und Männer richtet, um ihnen ein Hochschulstudium zu ermöglichen. Auch die GTZ führt im Auftrag des BMZ Maßnahmen durch, um die Hochschulausbildung von indigenen Frauen und Männern zu fördern. Aktuell ist das Vorhaben “Indigene Interkulturelle Universität“ zu nennen, das mit dem Fondo para el Desarrollo de los Pueblos Indígenas de América Latina y el Caribe als Träger durchgeführt werden soll.
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indigener Bevölkerung als Beitrag zur gesellschaftlichen Integration der indigenen Bevölkerung, qualifizierte indigene Fachkräfte auch für Projekte einzustellen, die sich nicht direkt an die indigene Bevölkerung richten.
.... von Projektpersonal In Fortsetzung des vorhergehenden Punktes ist auch zu prüfen, ob nicht in geeigneter Form beim Personal der Projekte und den Trägern eine Fortbildung zum Thema indigene Bevölkerung, gesellschaftliche Partizipation und Interkulturalität angebracht wäre. Ein entsprechendes Ausbildungskonzept sollte partizipativ mit erfahrenen Durchführungsorganisationen/ Fachkräften und/ oder eigenen Mitarbeitern erstellt werden, denn der Prozess der Ausarbeitung des Planes bedeutet bereits für die Mitarbeiter/innen einen Aneignungs- und Lernprozess.
.... von neuausreisenden EZMitarbeiter/innen Die Einführung von EZ-Mitarbeiter/innen in die indigene Thematik Lateinamerikas – wenn relevant - wird vor der Ausreise in der Vorbereitungszeit geleistet. Wenn allerdings mit indigenen Völkern gearbeitet wird, kann die Situation so speziell sein, dass dies in der Vorbereitungszeit nur bedingt machbar ist. In solchen Fällen muss dann die Vorbereitung im Projekt für den/ die neu ausgereiste EZ-Mitarbeiter/in fortgesetzt werden. Es wird oftmals darauf hingewiesen, dass in das Curriculum der Vorbereitungskurse für ausreisende Mitarbeiter/innen in Vorhaben, die einen direkten oder indirekten Bezug zu indigener Bevölkerung haben, die Themen indigene Völker und Interkulturalität noch besser und systematischer integriert werden können. Dies ist sicherlich zutreffend, in diesem Zusammenhang darf aber auch daran erinnert werden, dass Vorgesetzte mit für die Ausbildungsinhalte in der Vorbereitungszeit verantwortlich sind und diese von ihnen auch mit festgelegt werden (können). KIVLAK sieht es als wünschenswert an, wenn in die Vorbereitung – je nach Ausrichtung des Vorhabens – Themen wie Rechtssituation,
Hinweise für die Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern
Bodenrecht, Nutzungsrechte natürlicher Ressourcen und Rechtspraxis; politische Teilhabe, indigene Organisationen und ihre Forderungen im jeweiligen Land, Verhältnis Indigene – nationale Gesellschaft, indigene Kulturen und aktuelle kulturelle Ausdrucksformen, Gender und indigene Kultur – kulturell definierte GenderRollen und ihre Auswirkung auf politische Beteiligung, Wirtschaft und Ausbildung einbezogen werden. Desweiteren sollten Kenntnisse über internationale Konventionen, die indigene Völker betreffen – in diesem Buch werden die wichtigsten genannt – sowie wichtige theoretische und methodische Ansätze und good practices, welche die kulturelle und Geschlechterdimension berücksichtigen, in der Vorbereitung beinhaltet sein. Auch Mitarbeiter/innen von Vorhaben zur Demokratieförderung, Menschenrechte, Staatsmodernisierung und Dezentralisierung, die in Ländern mit einem relevanten indigenen Bevölkerungsanteil eingesetzt werden, sollten in der Vorbereitung mit der Indigenen-Thematik ausreichend vertraut gemacht werden. Stärkung von Demokratie und Dezentralisierung verlangt notwendigerweise, die Berücksichtigung kultureller und ethnischer Bedingungen, der darin enthaltenen Schwächen, Potentiale und möglicher Interessenskonflikte.
5. Wenn immer möglich: Direkte Zusammenarbeit mit der indigenen Bevölkerung, ihren Organisationen und ihren Repräsentant/innen Die indigenen Bewegungen und Organisationen sind – insbesondere auch von Europa und den USA – unterstützt worden. Nicht nur von der bilateralen und der multilateralen EZ, sondern in einem ganz bedeutenden Ausmaß auch von NROs. Dabei wurde von den NROs Beachtliches geleistet, wenn auch manchmal eine Tendenz zu einer kulturalistischen und paternalistischen Vorgehensweise festzustellen war. Mittlerweile sind viele indigene Organisationen erstarkt, sie treten selbstbewusst auf und wünschen, dass sie ohne Mittler und unmittelbar als Akteure angesprochen werden. Auf paternalistische oder assistenzialistische Konzepte
reagieren die indigenen Organisationen ablehnend. Wie bereits eingangs festgestellt, weisen manche Vertreter/innen von indigenen Organisationen darauf hin, dass sie sich nicht als Zielgruppe, sondern als eigenständige Akteure und als vollwertige Partner der Internationalen Zusammenarbeit verstehen, die an den Entwicklungsprozessen in ihrem Land beteiligt sein wollen.6 Die Schlußfolgerung kann deshalb nur sein, daß in den Vorhaben der bilateralen EZ (und nicht nur in diesen) direkt mit indigenen Gemeinschaften und Organisationen zusammenzuarbeiten ist, ohne die Zwischenschaltung von Mittlern und sonstigen, nicht indigenen Organisationen, bzw. das Gegenteil sorgfältig überlegt und begründet sein sollte. Noch akzentuierter vertritt diese Ansicht Frau HEIDI FELDT, sie kommt in ihrem Artikel “Indigene Völker und Staat“ im Abschnitt “Legitimität von Repräsentant/innen“ kurz und bündig zu der Aussage: “Von indigener Seite wird die Vermittlung oder Vertretung indigener Belange durch nicht-indigene NRO abgelehnt.“
6. Detaillierte und umfassende Datenerhebung/ Kenntnisse der Innenansicht indigener Gemeinschaften und Organisationen Wird direkt mit indigener Bevölkerung zusammengearbeitet, wie zum Beispiel in Vorhaben der ländlichen Entwicklung und der Armutsbekämpfung, ist es unabdingbar, detaillierte und umfassende Kenntnisse über die Innenansicht von indigenen Gemeinden, ihre Wertvorstellungen und Eigenbewertung von Potentialen einzuholen. Die entsprechenden Daten sind zu erheben. Indikatoren, seien sie von dem jeweiligen Staat oder multilateralen Institutionen, sind nicht immer vollständig zutreffend für die jeweilige indigene Bevölkerung in einem Gebiet, auch nicht immer deckungsgleich mit der Perspektive indigener Gemeinschaften. Fachkräfte, die mit der jeweiligen Kultur, Sprache 6
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass indigene Repräsentant/innen oftmals ihre Beteiligung an den bilateralen Regierungsverhandlungen fordern, wenn es um indigenen-relevante Vorhaben geht. Dies dürfte aber nicht einfach zu erfüllen sein, geht auch über die Möglichkeiten der EZ-Vorhaben hinaus.
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und den lokalen Bedingungen vertraut sind und Erfahrungen in partizipativen Methoden unter Einbeziehung des Genderaspektes haben, sollten diese Erhebungen vornehmen. Im Rahmen der Planung von Vorhaben mit indigener Bevölkerung sind bei den damit verbundenen Vorstudien, u.a. genderdifferenziert, folgende Aspekte zu erheben: Soziale Arbeitsorganisation, Weltbild, soziale Normen und Werte, Zugang zu Bildung und Ausbildung, Formen und Folgen der Zeitmigration, welche Folgen hat dies für Haushalt, Produktion, Teilnahme an lokalen Entscheidungsprozessen, lokale Ämter. Auch hier gilt, dass die Datenerhebung mit partizipativen Methoden lokal erfahrenen (Kurzzeit-) Expert/innen anzuvertrauen ist.
7. Wissens- und Erfahrungstransfer, Öffentlichkeitsarbeit Vorausgesetzt, dass das Mandat dazu legitimiert, sollten entsprechende EZ-Vorhaben den Wissens- und Erfahrungstransfer zwischen indigenen Organisationen in einem Land und länderübergreifend fördern. Dazu gehört, den Zugang von lokalen, regionalen und nationalen indigenen Organisationen zu verschiedenen Informationspools und zu anderen Projekten zu fördern (z.B. Wissenspools in der GTZ, im Fondo Indígena, der ILO, Weltbank, BID). Indigenen Organisationen, obgleich zum Teil mit neuer Technologie ausgestattet, fehlt vielfach (noch) die Kenntnis über die Existenz von Informationspools. Es genügt auch nicht, sich auf die Unterstützung eines Dachverbandes – oder auf nationale Dachverbände – zu konzentrieren, da deren interne Strukturen oftmals die Weiterleitung von Informationsmaterial an die “Basis” nicht leisten (kann). Der Mangel an Informationen schränkt dann die Erarbeitung konkreter, machbarer alternativer Strategien ein. Bei Wissens- und Erfahrungstransfer ist auch der themenbezogene Besucheraustausch von Gruppen indigener Repräsentant/innen und Fachkräften von Bedeutung. Die Reise in ein Projekt oder Programm, in die Region, die direkte Anschauung, Gespräche und Erfahrungsaustausch vor Ort sind bisweilen wir-
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kungsvoller und vermitteln mehr Kenntnisse als Workshops und Kongresse. Zu prüfen ist auch, ob im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit nicht gesellschaftliche Bewusstwerdungsprozesse unterstützt werden können, in bezug auf die Bedeutung der Partizipation indigener Bevölkerung in verschiedenen gesellschaftsrelevanten Bereichen, wie Menschenrechte, Recht, Demokratisierung, Regionalentwicklung, Naturschutz und Biodiversität u.a. Dazu gehört auch das Bewusstsein über die Rolle der lokalen indigenen Bevölkerung bei der nachhaltigen Nutzung und beim Schutz natürlicher Ressourcen insbesondere der Biodiversität.
Ausblick Die in diesem Kapitel genannten Hinweise wollen einen (kleinen) Beitrag dazu leisten, die indigene Bevölkerung Lateinamerikas in den entsprechenden Vorhaben der deutschen EZ, sei es in der Durchführung oder auch in der Phase der Vorbereitung, wo die entscheidenden Weichen gestellt werden, noch adäquater wahrzunehmen, zu berücksichtigen und einzubeziehen. Eine umfassende Berücksichtigung sollte eigentlich immer gegeben sein, die Erfahrung von KIVLAK ist aber, dass es diesbezüglich durchaus noch Verbesserungspotential gibt, die eingangs genannte Fallstudie bestätigt dies ebenfalls. Die Möglichkeiten zur Verbesserung zu nutzen, gebietet die Professionalität, damit wird man auch dem zunehmenden Stellenwert der indigenen Bevölkerung in Lateinamerika gerecht.
Anhang
Belize
24.501 (Zensus)
232.111
184.722
2000
1991
20.410 (Zensus)
37.000 (Schätzung)
372.996 (Zensus)
2003
1993
liegt noch nicht vor
2001
36.260.130 (Zensus)
800.000 (Schätzung)
2002
Indigene Bevölkerung
Argentinien
Bevölkerung gesamt
Jahr
Land
Dr. SABINE SPEISER & CHRISTOPH KOHL
11,1%
10,6%
15%
2%
Anteil an der Gesamtbevölkerung in %
1.900
2.394
Städtische indigene Bevölkerung
18.510
22.107
Ländliche indigene Bevölkerung
Zugehörigkeit zu einem von 17 aufgelisteten indigenen Völkern (“Existe en este hogar alguna persona que se reconozca descendiente o perteneciente a un pueblo indígena?")
Definition von “indigen“ in Zählungen
Central Statistical Office (CSO), Belize; z.T. eigene Berechnungen
Central Statistical Office (CSO), Belize; z.T. eigene Berechnungen
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
Instituto Nacional de Estadística y Censos (INDEC), Argentinien
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
Quelle
http://www.cso.gov.bz/publicati ons/MF2000.pdf http://www.uwichill.edu.bb/bnc cde/belize/conference/papers/ Barnett.html#table5
http://www.cso.gov.bz/publicati ons/MF2000.pdf
http://www.indec.mecon.ar/ http://www.indec.mecon.ar/Ga cetilla_Pueblos_indigenas.pdf
Internetadresse
Anhang 1: Überblick - Indigene Bevölkerung in den Staaten Lateinamerikas und der Karibik
Anhang 1: Überblick – Indigene Bevölkerung in den Staaten Lateinamerikas und der Karibik
Bolivien
5.600.000 (Schätzung)
1992
1976/ 1988
3.058.208 (Bevölkerung ab 6 Jahre; Zensus)
1992
3.660.663
1999
8.000.798
5.800.000 (Schätzung)
2001
3.142.637 (ab 15 Jahre; Zensus)
2001
8.274.325
4.133.138
2003
81,2%
59%
45,8%
55-70%
37,98%
50%
789.294
1.746.305 (ab 15 Jahre)
44,94% (Anteil an der indigenen Gesamtbevölkerung) bzw. 77,73% (Anteil an der städtischen Gesamtbevölkerung)
1.885.060
1.396.198 (ab 15 Jahre)
55,06% (Anteil an der indigenen Gesamtbevölkerung) bzw. 53,43% (Anteil an der ländlichen Gesamtbevölkerung)
Muttersprache
Muttersprache
Selbstidentifikation (ab 15 Jahre)
Anhang 1: Überblick – Indigene Bevölkerung in den Staaten Lateinamerikas und der Karibik
TORRES-RIVAS, E., O.J.: Consideraciones personales sobre la Condición Indígena en América Latina y los Derechos Humanos.
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
VELASCO, L., 2001: Areas de Desarrollo Indígena y Distritos Municipales Indígenas. El Desarrollo Indígena desde las Políticas de Chile y Bolivia. In: Revista Mad, 4:6.
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
Instituto Nacional de Estadística de Bolivia (INE), Bolivien; z.T. eigene Berechnungen; BARIÉ, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
Instituto Nacional de Estadística de Bolivia (INE), Bolivien, 2004: Características sociodemográficas de la población indígena, 27. La Paz
http://www.iidh.ed.cr/comunida des/diversidades/docs/div_doc publicaciones/consideraciones %20sobre%20la%20condicion %20indigena%20en%20ameri ca%20latina.pdf
http://csociales.uchile.cl/public aciones/mad/04/paper05.pdf.h tm
http://www.ine.gov.bo/cgibin/piwdie1xx.exe/TIPO http://www.ine.gov.bo/bd/Anua rio98/pc20313.XLS
Costa Rica
Chile
Brasilien
2000
3.810.179 (Zensus)
63.876
998.385 (Bevölkerung ab 14 Jahre; Zensus)
1992
692.192
1.700.000 (Schätzung)
15.116.435
2000
2002
1.500.000 (Schätzung)
1992
734.127 (Zensus)
347.000 (Schätzung)
169.872.856
2000
2000
1,7%
10%
7-13%
4,58%
1,0%
0,22%
0,43%
46,5% der indigenen Bevölkerung lebt in Städten
794.714
383.298
203.671
350.829
Zugehörigkeit ("Pertenece (...) a la cultura indígena, afrocostarricense o negra, china?")
Selbstidentifikation ("Si Ud es chileno, se considera perteneciente a una de las siguientes culturas: Mapuche, Aymara, Rapa Nui, ninguna?")
Zugehörigkeit ("Pertenece Ud a alguno de los siguientes pueblos originarios o indígenas?")
Anhang 1: Überblick – Indigene Bevölkerung in den Staaten Lateinamerikas und der Karibik
Instituto Nacional de Estadística y Censos (INEC), Costa Rica; SOLANO SALAZAR, E., 2000: La población indígena en Costa Rica según el censo 2002. In: Rosero-Bixby, L. (Hg.): Costa Rica a la luz del Censo del 2000. San José, 341-373; vgl. BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
VELASCO, L., 2001: Areas de Desarrollo Indígena y Distritos Municipales Indígenas. El Desarrollo Indígena desde las Políticas de Chile y Bolivia. In: Revista Mad, 4:6; vgl. BARIÉ, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz; HESS-KALCHER, S., 2004: Staatsmodernisierung – Public Management – Partizipation: Zur Situation der indigenen Völker in Chile, ohne Quelle, Manuskript
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
INE, 2002; z.T. eigene Berechnungen; HESS-KALCHER, S., 2004: Staatsmodernisierung – Public Management – Partizipation: Zur Situation der indigenen Völker in Chile, ohne Quelle, Manuskript
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística (IBGE), Brasilien; eigene Prozentsatz-Berechnung
http://www.inec.go.cr/# http://ccp.ucr.ac.cr/bvp/pdf/cen so2000/libro-censo/4.1Solano-2.doc.pdf
http://csociales.uchile.cl/public aciones/mad/04/paper05.pdf
ftp://ftp.ibge.gov.br/Censos/Ce nso_Demografico_2000/popul acao/Brasil/
Französisch -Guyana
El Salvador
Ecuador
Dominica
1999
2000
1999
157.274 (Zensus)
6.642.200 (Projektion)
19.000 (Schätzung)
732.000 (Schätzung)
3.800.000 (Schätzung)
1992
2003
4.200.000 (Schätzung)
1.634
2000
12.156.608 (Zensus)
69.327
1991
2001
69.655 (Schätzung)
2003
3.400
10-12%
12%
35,3%
35%
2,36%
Anhang 1: Überblick – Indigene Bevölkerung in den Staaten Lateinamerikas und der Karibik
Institut National de la Statistique et des Études Économiques (INSÉÉ), Frankreich
BARIÉ, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. 2. Aufl. La Paz
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
Banco Central de Reserva de El Salvador (BCR) auf Grundlage der Daten der Dirección General de Estadísticas y Censos (DIGESTYC), El Salvador
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
Instituto Nacional de Estadística y Censos (INEC), Ecuador; z.T. eigene Berechnungen
Population and Housing Census for Dominica, St. Lucia, and St. Vincent (1991)
CIA World Factbook
National Development Corporation des Commonwealth of Dominica
http://www.insee.fr/fr/ffc/docs_f fc/IP665.pdf
http://www.bcr.gob.sv/estadisti cas/sr_poblacion.html
http://www.inec.gov.ec/interna. asp?inc=cs_grafico&idGrafico =263&tipo=p&idProvincia=0&i dSeccion=&idCiudad=
http://www.saintmarys.edu/~jm celroy/New%20Pertbls.html
http://www.cia.gov/cia/publicati ons/factbook/geos/do.html
http://www.dominica.dm/caribv illage.htm
Guyana
Guatemala
1991
2003
779.417
49.293
55.000 (Schätzung)
2.536.532
1980/ 1981
6.039.362
4.600.000 (Schätzung)
1992
8.331.874 (Zensus)
3.476.684 (Zensus)
1994
1994
4.945.000 (Schätzung)
13.909.384 (Schätzung)
1994
2003
6,8%
42,0%
49,9%
42,8%
48,01%
Selbstidentifikation
Zweistufiges Vorgehen: Zugehörigkeit und Sprache. Fragen an den Haushaltsvorstand, der stellvertretend für alle Mitglieder antwortet: 1. "A qué grupo étnico pertenece?" und 2. "Habla Ud algún idioma indígena?"
Anhang 1: Überblick – Indigene Bevölkerung in den Staaten Lateinamerikas und der Karibik
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
Government Information Agency (GINA), Guyana
TORRES-RIVAS, E., O.J.: Consideraciones personales sobre la Condición Indígena en América Latina y los Derechos Humanos.
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
Secretaria de Planificación y Programación (SEGEPLAN), auf der Grundlage von Daten des Instituto Nacional de Estadística (INE), Guatemala
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz; persönliche Kommunikation
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
CIA World Factbook
http://www.gina.gov.gy/natprofi le/geninfoap.html ; http://www.gina.gov.gy/natprofi le/gnprof.html
http://www.iidh.ed.cr/comunida des/diversidades/docs/div_doc publicaciones/consideraciones %20sobre%20la%20condicion %20indigena%20en%20ameri ca%20latina.pdf
http://www.segeplan.gob.gt/sp anish/guatemala/Indicadores% 20Demográficos/Demografía% 20Nacional/PAIS.xls
http://www.cia.gov/cia/publicati ons/factbook/geos/gt.html
Kolumbien
Honduras
744.048 (Zensus)
1.106.499 ("Población indígena y negra"; Zensus)
1993
1993
1973/ 1985
701.860
1997
33.109.840
785.356
1998
41.662.073
48.789 (Bevölkerung ab 5 Jahre)
1988/ 1986
2003
500.000 (Schätzung)
6.340.009
1999
2001
2,2%
1,5%
1,9%
1,3%
12,8%
Selbstidentifikation und geographische Ansiedlung
Muttersprache
Anhang 1: Überblick – Indigene Bevölkerung in den Staaten Lateinamerikas und der Karibik
http://www.dnp.gov.co/Archivo sWeb/Direccion_Desarrollo_T erritorial/divers_etnica/indigen as/doc_interes/Pueblos_Indige nas/Capitulo_4.pdf
http://www.cia.gov/cia/publicati ons/factbook/geos/co.html
http://www.iidh.ed.cr/comunida des/diversidades/docs/div_doc publicaciones/consideraciones %20sobre%20la%20condicion %20indigena%20en%20ameri ca%20latina.pdf
TORRES-RIVAS, E., O.J.: Consideraciones personales sobre la Condición Indígena en América Latina y los Derechos Humanos.
http://www.iidh.ed.cr/comunida des/diversidades/docs/div_doc publicaciones/consideraciones %20sobre%20la%20condicion %20indigena%20en%20ameri ca%20latina.pdf
Departamento Administrativo Nacional http://www.dane.gov.co/inf_est de Estadística (DANE), Kolumbien /estratificacion.htm
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
Departamento Nacional de Planeación, Kolumbien
CIA World Factbook
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz; TORRES-RIVAS, E., O.J.: Consideraciones personales sobre la Condición Indígena en América Latina y los Derechos Humanos.
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
Instituto Nacional de Estadística (INE), http://www.ineHonduras hn.org/sociales%20y%20demo graficas/demografia.htm
Mexiko
10.143.600 (in indigenen Haushalten; Schätzung)
10.900.000 (Schätzung)
5.282.347 (Bevölkerung ab 5 Jahre)
2000
1992
1990
6.044.547 (Bevölkerung ab 5 Jahre, die indigene Sprachen spricht; Zensus)
12.700.00 (Schätzung)
97.483.412
2000
10.253.627 (= 6.044.547 Sprecher indigener Sprachen + 4.209.080 Nicht-Sprecher indigener Sprachen, die sich als Indigene identifizieren)
2000
97.483.412
2002
7,4%
12,6%
11,0%
13%
6,2%
10,5%
Muttersprache
Mitglieder von Haushalten mit mindestens einer Person, die indigene Charakteristika trägt, gelten als indigen
Indigene Muttersprache und/ oder Selbstidentifikation
Anhang 1: Überblick – Indigene Bevölkerung in den Staaten Lateinamerikas und der Karibik
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz; TORRES-RIVAS, E., O.J.: Consideraciones personales sobre la Condición Indígena en América Latina y los Derechos Humanos.
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
FERNÁNDEZ, P., GARCIA, J. & AVILA, D.E., 2002: Estimaciones de la población indígena en México. In: Consejo Nacional de Población (CONAPO): Situación Demográfica de México, 2002, 169-182. Ciudad de México
FERNÁNDEZ, P., GARCIA, J. & AVILA, D.E., 2002: Estimaciones de la población indígena en México. In: Consejo Nacional de Población (CONAPO): Situación Demográfica de México, 2002, 169-182. Ciudad de México
Instituto Nacional de Estadística, Geografía e Informática (INEGI), Mexiko; z.T. eigene Berechnungen
Comisión Nacional para el Desarrollo de los Pueblos Indígenas (CDI), Mexiko
http://www.iidh.ed.cr/comunida des/diversidades/docs/div_doc publicaciones/consideraciones %20sobre%20la%20condicion %20indigena%20en%20ameri ca%20latina.pdf
http://www.conapo.gob.mx/pub licaciones/2002/13.pdf
http://www.conapo.gob.mx/pub licaciones/2002/13.pdf
http://www.sep.gob.mx/work/re sources/LocalContent/15105/2 /2003%20pOBLACION.pdf
http://www.cdi.gob.mx/conade pi/index.php?option=articles&t ask=viewarticle&artid=473&Ite mid=3#
Paraguay
Panama
Nicaragua
2002
1990
2000
1995
1995
1999
2003
5.183.080
2.839.177
4.357.099
5.482.340
87.099
194.269 (Zensus)
285.231
67.010 (Bevölkerung ab 5 Jahre)
414.757 (Schätzung)
1,7%
8,3%
10%
1,8%
9,5%
7.407
52.187
79.692
233.044
Selbstidentifikation, unabhängig von der Muttersprache ("Persona originaria del país. Se dice de la persona que se declara perteneciente a una etnia o pueblo originario y se manifiesta miembro de una comunidad, núcleo de familias o barrio indígena, independientemente de que siga hablando o no la lengua de origen.")
Muttersprache
Anhang 1: Überblick – Indigene Bevölkerung in den Staaten Lateinamerikas und der Karibik
Dirección General de Estadística, Encuestas y Censos, Paraguay
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz; TORRES-RIVAS, E., O.J.: Consideraciones personales sobre la Condición Indígena en América Latina y los Derechos Humanos.
Dirección de Estadística y Censo, Panama; vgl. BARIÉ, 2004
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
Instituto Nacional de Estadísticas y Censos (INEC), Nicaragua; Zensus 1995
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
Instituto Nacional de Estadísticas y Censos (INEC), Nicaragua; Projektion 2003
http://www.dgeec.gov.py/Publi caciones/Biblioteca/censo_indi gena/Poblacion%2012.pdf http://www.dgeec.gov.py/Publi caciones/Biblioteca/censo_indi gena/Capitulo%202.pdf
http://www.iidh.ed.cr/comunida des/diversidades/docs/div_doc publicaciones/consideraciones %20sobre%20la%20condicion %20indigena%20en%20ameri ca%20latina.pdf
http://www.contraloria.gob.pa/ dec/Temas/50/10/1.pdf ; http://www.contraloria.gob.pa/ dec/Publicaciones/0106/26.pdf ; http://www.contraloria.gob.pa/ dec/Publicaciones/01-06/1.pdf
http://www.inec.gob.ni/estadisti cas/cp95/vol101p.pdf
http://www.inec.gob.ni/estadisti cas/proyeccion2003.htm
Peru
239.674 (Bewohner indigener comunidades Amazoniens; Zensus)
9.000.000 (Schätzung)
1993
1992
3.742.171 (Sprecher indigener Sprachen ab 5 Jahre; Zensus)
1993
19.190.623 (Zensus)
9.300.000 (Schätzung)
3.511.431 (nur Sprache)
2000
2000
25.662.000 (Schätzung)
29.482
1992
1981/ 1982
85.674 (Schätzung)
2001
40,2%
19,5/ 20%
47%
38% (nur Sprache: 15%)
0,7%
2,06%
15%
31% der städtischen Bevölkerung; 30,8% (nur Sprache) der indigenen Bevölkerung 50% der ländlichen Bevölkerung; 69,3% (nur Sprache) der indigenen Bevölkerung
Muttersprache
Selbstidentifikation: "Por sus antepasados y de acuerdo a sus costumbres, Usted se considera (...)?"
Geographische Ansiedlung und Selbstidentifikation
Anhang 1: Überblick – Indigene Bevölkerung in den Staaten Lateinamerikas und der Karibik
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
Instituto Nacional de Estadística e Informática (INEI), Peru
Instituto Nacional de Estadística e Informática (INEI), Peru; GRADE, 2002
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
Instituto Nacional de Estadística e Informática (INEI), Peru; GRADE, 2002; z.T. eigene Berechnungen
TORRES-RIVAS, E., O.J.: Consideraciones personales sobre la Condición Indígena en América Latina y los Derechos Humanos.
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
http://www.inei.gob.pe/biblioin eipub/bancopub/Est/Lib0001/I ndice.htm
http://www.inei.gob.pe/biblioin eipub/bancopub/Est/Lib0007/c aP0209.htm
http://www.inei.gob.pe/biblioin eipub/bancopub/Est/Lib0466/Li bro.pdf ; http://www.inei.gob.pe/biblioin eipub/bancopub/Est/Lib0363/in dice.htm
http://www.iidh.ed.cr/comunida des/diversidades/docs/div_doc publicaciones/consideraciones %20sobre%20la%20condicion %20indigena%20en%20ameri ca%20latina.pdf
Surinam
1999
435.449 (Schätzung)
103.033
1991
2003
116.812 (Schätzung)
2003
133.100
1991
Saint Vincent und die Grenadinen
157.775
2001
Saint Lucia
3.808.610
2000
25.000 (Schätzung)
3.347
366
13.336 ("one race") bzw. 26.871 ("in combination")
6%
10%
3,16%
2%
0,27%
0,4% bzw. 0,7%
Selbstidentifikation
Muttersprache
1972
Puerto Rico
Muttersprache
1981
Anhang 1: Überblick – Indigene Bevölkerung in den Staaten Lateinamerikas und der Karibik
http://www.censo.gobierno.pr/ Censo_Poblacion_Vivienda/Pe rfil_Demografico_Censo_2000 /Puerto_Rico.pdf http://www.censo.gobierno.pr/ Censo_Poblacion_Vivienda/Pe rfil_Demografico_Censo_2000 /About_the_profile.pdf
http://www.iidh.ed.cr/comunida des/diversidades/docs/div_doc publicaciones/consideraciones %20sobre%20la%20condicion %20indigena%20en%20ameri ca%20latina.pdf
http://www.iidh.ed.cr/comunida des/diversidades/docs/div_doc publicaciones/consideraciones %20sobre%20la%20condicion %20indigena%20en%20ameri ca%20latina.pdf
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
CIA World Factbook
Population and Housing Census for Dominica, St. Lucia, and St. Vincent (1991)
CIA World Factbook
Population and Housing Census for Dominica, St. Lucia, and St. Vincent (1991)
http://www.cia.gov/cia/publicati ons/factbook/geos/ns.html
http://www.saintmarys.edu/~jm celroy/New%20Pertbls.html
http://www.cia.gov/cia/publicati ons/factbook/geos/vc.html
http://www.saintmarys.edu/~jm celroy/New%20Pertbls.html
Government Statistics Department, St. http://www.stats.gov.lc/pop21. Lucia htm
Oficina del Censo de la Junta de Planificación (JP), Puerto Rico
TORRES-RIVAS, E., O.J.: Consideraciones personales sobre la Condición Indígena en América Latina y los Derechos Humanos.
TORRES-RIVAS, E., O.J.: Consideraciones personales sobre la Condición Indígena en América Latina y los Derechos Humanos.
1981/ 1982
314.772 (indigene Zählung)
532.743 (354.400 aus allgemeinem Zensus und 178.343 aus Zählung in den "comunidades indígenas")
1992
23.054.210
nicht existent oder minimal
12.100
316.000 (Schätzung)
2001
Venezuela
3.163.763 (Zensus)
1992
1996/ 1997
Uruguay
0,9%
1,8%
2,3%
0,4%
354.400 (außerhalb der "comunidades indígenas") 178.343 (innerhalb der "comunidades indígenas")
Geographische Ansiedlung und Selbstidentifikation
"erklärte Zugehörigkeit"
"explizite Erklärung"
Anhang 1: Überblick – Indigene Bevölkerung in den Staaten Lateinamerikas und der Karibik
TORRES-RIVAS, E., O.J.: Consideraciones personales sobre la Condición Indígena en América Latina y los Derechos Humanos.
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
http://www.iidh.ed.cr/comunida des/diversidades/docs/div_doc publicaciones/consideraciones %20sobre%20la%20condicion %20indigena%20en%20ameri ca%20latina.pdf
Instituto Nacional de Estadística (INE), http://www.ine.gov.ve/ine/cens Venezuela o/fichascenso/fichacenso.asp http://www.ine.gov.ve/ine/inde xine.asp
BARIE, G., 2004: Pueblos Indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama. CD-ROM. 2. Aufl. La Paz
Instituto Nacional de Estadística (INE), http://www.ine.gub.uy/banco% Uruguay 20de%20datos/soc_pobhogyvi v/Censos_T4.xls http://www.ine.gub.uy/bibliotec a/raza/MODULO_RAZA.pdf
Anhang 2: Organisationen indigener Völker – eine Auswahl
Anhang 2: Organisationen indigener Völker - eine Auswahl CHRISTOPH KOHL
Die folgende Tabelle versucht einen Überblick über die indigenen Organisationen in Lateinamerika zu geben. Sie erhebt dabei nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, die angesichts der Vielfalt der Organisationen schwer zu erreichen wäre. Die Angaben zu den Organisationen entsprechen dem Stand August 2004.
Land/ Gebiet
Organisationen
Kontakt/ Sitz
Argentinien
Asociación Indígena de la República de Argentina (AIRA)
Balbastro No. 179 C.P. 1406 Buenos Aires Argentina E-Mail:
[email protected]
Hochland
Belize Bolivien
Confederación Sindical Única de Trabajadores campesinos de Bolivia (CSUTCB)
C.C. 11589 La Paz Bolivia
Organización de Mujeres Aymaras del Kollasuyo (OMAK)
E-Mail:
[email protected] Webseite: http://www.puebloindio.org/CSUTCB3.html C.P. 13195 El Alto Bolivia
Centro de Comunicación y Desarrollo Andino (CENDA)
E-Mail:
[email protected] Webseite: http://www.aymaranet.org/OMAK.html C.C. 3226 Tadeo Haenke No. 2231 La Paz Bolivia
Tiefland
E-Mail:
[email protected] Webseite: http://secrur.ls.net/cenda.htm Confederación de los Pueblos Villa 1ero. de Mayo, Barrio San Juan Indígenas de Bolivia (CIDOB) Casilla No. 6135 Santa Cruz de la Sierra Bolivia E-mail:
[email protected] Webseite: http://www.cidob-bo.org/ Mitglieder der CIDOB Asamblea del Pueblo Guaraní Calle AVAROA esq. Comercio (APG) Macharetí - Provincia Luis Calvo / Chuquisaca Bolivia *Mitglied der COICA
E-Mail:
[email protected]
Anhang 2: Organisationen indigener Völker – Eine Auswahl
Coordinadora de los Pueblos etnicos de Santa Cruz (CPESC) Central de Pueblos Indígenas del Beni (CPIB) Central Indígena de la Región Amazónica de Bolivia (CIRABO) Central Indigena de Pueblos Originarios de la Amazonia de Pando (CIPOAP)
Central de Pueblos indígenas de La Paz (CPILAP)
Coordinadora de Pueblos Indígenas del Tropico de Cochabamba (CPITCO) Organización de la Capitania Weehnayek y Tapiete (ORCAWETA) Brasilien
Coordenacão das Organizações Indígenas da Amazônia Brasileira (COIAB)
*Mitglied der COICA
Conselho de Articulaçâo dos Povos e Organizaçôes Indígenas do Brasil (CAPOIB) Chile
Coordinadora Nacional Indianista (CONACIN)
Costa Rica
Asociación Indígena de Costa Rica (AICR)
Ecuador
Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador (CONAIE)
Santa Cruz
Av. Circunvalación s/n (Barrio Mapajo) Casilla 99 Cobija – Pando Bolivia E-Mail:
[email protected] Webseite: http://www.laneta.apc.org/rci/organinteg/cipoap. html La Paz E-Mail:
[email protected] [email protected] Cochabamba
Villamontes – Tarija Bolivia E-Mail:
[email protected] Avenida Ayrão 235 Bairro: Presidente Vargas 69025-290 Manaus – Amazonas Brasil E-mail:
[email protected] [email protected] Webseite: http://www.coiab.com.br/ SDS – Ed. Venâncio III - 1º andar – sala 107 70393-900 Brasília – DF Brasil E-Mail:
[email protected] Nataniel Cox No.185-B Casilla 154 Correo 22 de Santiago de Chile Chile E-Mail:
[email protected] Webseite: http://www.olca.cl/conacin/ C.C. 6979-1000 San José Costa Rica Av. Granados 2553 y 6 de Diciembre Casilla 17-17-1235 Quito Ecuador E-Mail:
[email protected] [email protected] Webseite: http://www.conaie.org/
Anhang 2: Organisationen indigener Völker – eine Auswahl
Mitglieder der CONAIE: Federación de Organizaciones Indígenas del Napo (FOIN) Federación de Comunas UProf. Luciano Mamallacta nión de Nativos de la Amazo- Malecón y Padre Miguel Torrano s/n. nía Ecuatoriana (FCUNAE) Orellana Ecuador
Amazonas-Tiefland
E-Mail:
[email protected] Webseite: http://fcunae.nativeweb.org/ Jatun Comuna Aguarico (JCA) Asociación de Centros SionasSecoyas Nacionalidad (HUAO) Huao Nacionalidad (Cofán) A'I Comunidad Cofan Zabalo Casilla 17 11 06089 Quito Ecuador Pastaza Runaguna Tandana- Tnte Ortíz y Gral Villamil cui/ Organización de Pueblos Apartado 16-01-790 Indígenas de Pastaza (OPIP) Puyo – Pastaza Ecuador Webseite: http://www.unii.net/opip/intro.html Federación de Centros Shuar- Sucuá Achuar Domingo Comín 17-38 Morona Santiago, Región amazónica Ecuador Asociación Independiente del Pueblo Shuar Ecuatoriano (AIPSE) Confederación de NacionaliAv. 6 de Diciembre 159 y Hermanos Pazmiño, dades Indígenas de la AmaEdif.Parlamento 4to. Piso zonia Ecuatoriana (CONFECasilla 17-1-4180 NIAE) Quito Ecuador
*Mitglied der COICA
Imbabura Runacunapac Jatun Tantanacui-INRUJTA-FICI (Federación Indígena y Campesina de Imbabura)
E-Mail:
[email protected] [email protected] Webseite: http://www.ecuanex.net.ec/confeniae/ Jaramillo 608 y Morales Casilla 65 Otavalo Ecuador
Hochland
E-Mail:
[email protected] Webseite: http://fici.nativeweb.org/ Pichincha Riccharimui Unión de Comunidades Indígenas de Calderón (UCIC) El Movimiento Indígena de Cotopaxi (MIC) Movimiento Indígena de Tungurahua (MIT)
Av. 2 de Mayo y Félix Valencia Latacunga - Cotopaxi Ecuador Calle Olmedo 246 entre Benigno Vela y Cevallos Casilla 1193 Ambaro -Tungurahua Ecuador
Anhang 2: Organisationen indigener Völker – Eine Auswahl
Unión de Indígenas Salasacas (UNIS) Movimiento Indígena de Casa Indígena Chimborazo (MICH) Calle Guayaquil y Juan de Velasco Quito Ecuador Federación Campesina de Bolívar-Bolivarmanta Runacunapac Riccharimui (IECABBRUNARI) Fundación Runacunapac Yachana Huasi (FRYH) Unión Provincial de Comunidades y Cooperativas del Cañar Unión de Campesinos del Calle Larga # 7-35 Azuay (UNASAY) Cuenca – Azuay Ecuador Organización de Indígenas de Saraguro Ecuador Runacunapac RicJulio Matovelle 128 entre Vargas y Pasaje San charimui / Confederación de Luis - Edif. El Conquistador, 1er piso Pueblos de la Nacionalidad Apartado 17-15-96C Kichwa del Ecuador (ECUAQuito RUNARI) Ecuador E-Mail:
[email protected] [email protected] Webseite: http://ecuarunari.nativeweb.org Küste
Federación de Centros Awa Federación de Centros Chachis Gobernación Tsáchi Asociación Coordinadora de Co1ª. Ave. Norte No.5-4 A munidades Indígenas de El Salva- Barrio Mejicanos, Consonate dor (ACCIES) Apartado Postal 23, Correos de Sonsonate San Salvador El Salvador
El Salvador
Französisch Guyana
Fédération des Organisations Autochtones de Guyane (FOAG)
*Mitglied der COICA
Guatemala
Consejo de Organizaciones Mayas de Guatemala (COMG)
Defensoría Maya
E-Mail:
[email protected] [email protected] Village amerindien 97310 Kourou Guyane Française E-Mail:
[email protected] [email protected] 2 Calle No. 3-40, Zona 3 Chimaltenango Guatemala E-Mail:
[email protected] 32 Avenida 1-56 zona 7 Colonia Utatlan I Guatemala E-Mail:
[email protected] Webseite: http://www.laneta.apc.org/rci/defmay/
Anhang 2: Organisationen indigener Völker – eine Auswahl
Consejo Nacional de Educación Maya (CNEM)
Guyana
Amerindian Peoples' Association of Guyana (APA)
*Mitglied der COICA
Honduras
Confederacion de Pueblos Autoctonos de Honduras (CONPAH)
4ta Calle 1-57 Zona 10. Guatemala E-Mail:
[email protected] Webseite: http://www.guate.net/cnem/ 163 Crown Street, Queenstown Georgetown Guyana E-mail:
[email protected] Webseite: http://www.sdnp.org.gy/apa/ La Granja, 2a Ave. entre 1 y 2 calle, # 3327 Apartado 220-585 Comayaguela Honduras E-Mail:
[email protected]
Mexiko Kolumbien Organización Nacional de Indígenas de Colombia (ONIC)
National Calle 13 No. 4 - 38 Bogotá Kolombien E-Mail:
[email protected] Webseite: http://www.onic.org.co/
Cabildo Mayor de San Andrés de Sotavento Córdoba y Sucre Consejo Regional Indígena del Calle 1ª. No. 4-50 Cauca (CRIC) Popayán, Cauca Colombia E-Mail
[email protected] Casa Indígena Puerto Inírida, Guainía Colombia Consejo Regional Indígena del Oficina de Asuntos Indígenas Guaviare (CRIGUA II) San José del Guaviare, Guaviar Colombia Consejo Regional Indígena de Carrera 8 No. 8-10 Caldas (CRIDEC) Riosucio, Caldas Colombia Consejo Regional Indígena del Calle 17 A No. 7-112 piso 2 Tolima (CRIT) Ibagué, Tolima Colombia
Regionale ONIC-Affilierte
Consejo regional Indígena del Guainía (CRIGUA I)
E-Mail:
[email protected] Autoridades indígenas Vaupés Mitú, Vaupés Colombia Consejo Regional Indígena del Secretaría de Asuntos Indígenas Vichada (CRIVI) Pedro Carreño, Vichada Colombia Organización Indígena de An- C.C. 53433 Carrera 49 No. 63-57 tioquia (OIA) Medellín, Antioquia Colombia Conserjo Regional Indígena del Vaupés (CRIVA)
E-Mail:
[email protected]
Anhang 2: Organisationen indigener Völker – Eine Auswahl
AsoU´wa Organización Regional Embera Wounaan (OREWA)
C.C. 285 Calle 19 No. 5-14 Quibdó, Chocó Colombia
E-Mail:
[email protected] Unión de Trabajo por la Defensa de la Vida (UNUMA) Organización Regional IndíCarrera 23 No. 7 A-08 gena del Valle del Cauca (OCali, Valle del Cauca RIVAC) Colombia Consejo Regional Indígena de E-Mail:
[email protected] Risaralda (CRIR) Consejo Regional Indígena de Arauca (CRIA) Consejo Regional Indígena del Huila (CRIHU) Organización Regional Indígena del Quindío (ORIQUIN) Organización Regional IndíJetsemani, Casanare gena del Casanare (ORIC) Colombia Amazonas-Tiefland Organización de los Pueblos Carrera 8 No. 19-34 Edificio las Nieves Indígenas de la Amazonía Co- Oficina 501 - 502 412 lombiana (OPIAC) Bogotá Kolombien
OPIAC-Affilierte
*Mitglied der COICA
Consejo Regional Indígena del Medio Amazonas (CRIMA) Confederación Indígena del Alto Amazonas (COIDAM) Cabildo Indígena Mayor de Tarapacá (CIMTAR) Autoridades Indígenas de la Pedrera Amazónica (AIPEA) Asociación de Cabildos Indígenas del Trapecio Amazónico (ACITAM) Consejo Regional Indígena del Orteguaza, medio Caquetá (CRIOMC) Organización Uitoto del Caquetá y Putumayo (ORUCAPU) Organización Puinave del Guainía (OPDEGUA) Asociación de Autoridades Tradicionales Indígena Curripaco del río Guainía (AICURIGUA) Consejo Regional Indígena del Guaviare (CRIGUA II)
E-Mail:
[email protected] [email protected] Webseite: http://www.opiac.org/ Araracuará, Caquetá
Tarapacá, Amazonas La Pedrera Leticia
Calle 18 No 8-10 Florencia, Caquetá Colombia Florencia, Caquetá
San José, río Guainía
Oficina de Asuntos Indígenas San José del Guaviare, Guaviar Colombia
Anhang 2: Organisationen indigener Völker – eine Auswahl
Organización Zonal Indígena del Putumayo (OZIP)
Barrio Jardín Mocoa, Putumayo Colombia
E-Mail:
[email protected] Autoridades indígenas Vaupés Mitú, Vaupés Colombia Consejo Regional Indígena de Gobernación Arauca (CRIA) Saravena, Arauca Colombia Consejo Regional Indígena Yopal del Casanare (ORIC) Asociación de Cabildos y Au- Secretaría de Asuntos Indígenas toridades Indígenas de la Sel- Pedro Carreño, Vichada va Mataven (ACATISEMA) Colombia Asociación de Mujeres Indígena E-mail:
[email protected] de la Costa Atlántica (AMICA)
[email protected] Congreso General de la Cultura Calle Florida Dr. Edificio 15-12 Kuna Apartado Postal: 6-8299 El Dorado Panamá Kooperationspartner
Consejo Regional Indígena del Vaupés (CRIVA)
Nicaragua Panama
Asociación Napguana
Paraguay
Asociación de parcialidades Indígenas (API)
Coordinadora de Pueblos Nativos de la Cuenca del Río Pilcomayo Coordinadora Nacional de la Pastoral Indígena (CONAPI)
Peru
Conferencia Permanente de los Pueblos Indígenas del Perú (COPPIP)
E-Mail:
[email protected] Webseite: http://onmaked.nativeweb.org/ Avenida Justo Arosemena y calle 41° Casa 3-38 Calidonia Panamá E-Mail:
[email protected] Webseite: http://www.geocities.com/TheTropics/Shores/48 52/casa.html Casilla de correo 3242 Calle Don Bosco 745 Asunción Paraguay E-Mail:
[email protected] Alberdi 782 Asunción Paraguay E-Mail: conapi@conexión.com.py Av. San Eugenio 981 Urbanización Santa Catalina, La Victoria Lima 13 Perú E-Mail:
[email protected] Webseite: http://www.rcp.net.pe/coppip/
Anhang 2: Organisationen indigener Völker – Eine Auswahl
Mitglieder der COPPIP Confederación Nacional Agra- Mariscal Miller 932 ria (CNA) Jesús María Lima Perú E-Mail:
[email protected] Webseite: http://webserver.rcp.net.pe/convenios/coppip/CN A1.html Confederación Campesina del Plaza Bolognesi 588 Perú (CCP) Lima 5 Perú
Unión Nacional de Comunidades Aymaras (UNCA)
Coordinadora Nacional de Comunidades Campesinas e Indígenas del Perú (CONACCIP)
Asociación de Defensa y Desarrollo de las Comunidades Andinas del Perú (ADECAP) Consejo Aguaruna Huambisa
E-Mail:
[email protected] Webseite: http://webserver.rcp.net.pe/convenios/coppip/CC P1.html Jr. Arequipa N° 1185 Puno Perú E-Mail:
[email protected] Webseite: http://webserver.rcp.net.pe/convenios/coppip/UN CA1.html Comunidad Campesina San Pedro de Pirca Huaral Lima Peru Webseite: http://webserver.rcp.net.pe/convenios/coppip/C ONACCIP1.html Gral. Santa Cruz 470 Jesús María Lima Perú Av. San Eugenio Nº 981 Urbanización Sta. Catalina La Victoria Lima 13 Perú Webseite: http://webserver.rcp.net.pe/convenios/coppip/CA H1.html
Comisión de Emergencia Asháninka Taller Permanente de Mujeres Indígenas Andinas y Amazónicas - Chirapaq
Anhang 2: Organisationen indigener Völker – eine Auswahl
Federación Puquina
Calle Mariscal Benavides 309 Parque de Selva Alegre Cercado Arequipa Lima Av. Salaverry 2023 Lince Lima Perú Webseite: http://webserver.rcp.net.pe/convenios/coppip/F_ PUQUINA1.html
Organización de Comunidades Aymaras, Amazonenses y Quechuas (OBAAQ) Comunidad Indígena Ashánin- Av. José Gálvez 1346 ka Marankiari Bajo (CIAMB) Lince Lima 14 Perú E-Mail:
[email protected] Webseiten: http://webserver.rcp.net.pe/convenios/coppip/CN MBsintesis.htm http://www.rcp.net.pe/ashaninka Federación Provincial de Comunidades Campesinas de Huaral Federación Departamental de Comunidades Campesinas de Pasco – Frente Ecológico Alto Andino (Pasco - Junín)
Av. Los Próceres N°100 San Juan Cerro de Pasco Perú Av. San Juan 661 San Luis Lima Perú E-Mail:
[email protected] Webseite: http://webserver.rcp.net.pe/convenios/coppip/F_ PASCO.htm
Coordinadora Nacional de Comunidades Afectadas por la Minería. Asociación Interétnica de De- Av. San Eugenio 981 sarrollo de la Selva Peruana Urb. Santa Catalina (AIDESEP) Distrito de La Victoria Lima Perú *Mitglied der COICA
Confederación de Nacionalidades Amazónicas del Perú (CONAP)
E-mail:
[email protected] Webseite: http://www.aidesep.org.pe/ Jr. Brigadier Puchmacahua No 974 Jesús María Lima 11 Perú E-Mail:
[email protected] [email protected]
Anhang 2: Organisationen indigener Völker – Eine Auswahl
Suriname
Organisatie van Inheemsen in Suriname (OIS)
*Mitglied der COICA
Venezuela
Consejo Nacional Indio de Venezuela (CONIVE)
Johannes Kingstraat 7, Rainville Paramaribo Suriname E-mail:
[email protected] [email protected] Oficina junto a la Dirección de Asuntos Indígenas Edif.Ministerio de Educación, Piso 14 Caracas Venezuela
*Mitglied der COICA
E-Mail:
[email protected] [email protected] [email protected]
Überregional
Organisation
Kontakt
Amazonien
Coordinadora de las Organizaciones Indígenas de la Cuenca Amazónica (COICA)
Calle Luis Beethoven No. 47-65 y Capitán Rafael Ramos Quito Ecuador
Karibik
Mittelamerika
E-Mail:
[email protected] Webseite: http://www.coica.org/ Caribbean Organization of Indige- P.O. Box 229 nous People (COIP) Belize City Belize The United Confederation of Taíno United Confederation of Taíno People People (UCTP) U.S. Regional Coordinating Office PO Box 4515 New York, NY 10163 USA
Consejo Indígena de Centro América (CICA)
E-Mail:
[email protected] Webseite: http://www.uctp.org/index.html 11 Avq. 14-86, zona 10 Guatemala E-Mail:
[email protected]
Weitere indigene Organisationen und Interessensvertretungen sind u.a. aufgelistet unter: http://www.cdi.gob.mx/conadepi/iii/organizaciones.html (Stand: 1. August 2004)
Abkürzungsverzeichnis ACEM ACP ADLAF AIDESEP ANAPQUI ASODIRA BID BMZ CBD CEH CEDAW CELADE CEPAL CIA CLACSO CNEM CODENPE COEDUCA COIAB COICA COMPITCH CONADI CONAIE CONAP CONAPO CONDEPA CONFENIAE CONIVE CRIC CSUTCB DED DFID DINEIB EAP ECOSOC EIA EIR ESMAP EU EZ EZLN FANPE FAO
Asociación de Centros Mayas del nivel medio Africa, Caribbean, Pacific (AKP-Staaten) Arbeitsgemeinschaft Deutsche Lateinamerikaforschung Asociación Interétnica para el Desarrollo de la Selva Peruana Asociación Nacional de Productores de Quinoa (Bolivien) Asociación de Desarrollo Indígena, Región Amazónica (Ecuador) Interamerikanische Entwicklungsbank Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Convention of Biological Diversity (Konvention über die biologische Vielfalt) Comisión de Esclarecimiento Histórico (Guatemala) Un-Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung von Frauen Centro Latinoamericano y Caribeño de Demografía Comisión Económica para América Latina y el Caribe (Economic Commission for Latin America and the Caribbean, ECLAC) Central Intelligence Agency Consejo Latinoamericano de Ciencias Sociales Consejo Nacional de Educacion Maya Consejo de Desarrollo de las Nacionalidades y Pueblos Indígenas de Ecuador Comités Educativos (Guatemala) Coordenação das Organizações Indígenas da Amazônia Coordinadora de las Organizaciones Indígenas de la Cuenca Amazónica Consejo de Organizaciones de Médicos y Parteras Indígenas Tradicionales de Chiapas (Mexiko) Corporación Nacional de Desarollo Indígena (Nationale Gesellschaft für indigene Entwicklung, Chile) Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador Confederación de Nacionalidades Amazónicas del Perú Consejo Nacional de Población (Mexiko) Conciencia de Patria (Bolivien) Confederación de Nacionalidades Indígenas de la Amazonía Ecuatoriana Consejo Nacional Indio de Venezuela Consejo Regional Indígena del Cauca (Kolumbien) Confederación Sindical Única de Trabajadores Campesinos de Bolivia Deutscher Entwicklungsdienst Department for International Development (U.K.) Dirección Nacional de Educación Intercultural Bilingüe (Ecuador) Energía–Ambiente–Población (Dialogprozess im lateinamerikanischen Erdölsektor) Economic and Social Council (Wirtschafts- und Sozialrat der UN) Energy Information Administration (USA) Extractive Industry Review Energy Sector Management Assistance Programme Europäische Union Entwicklungszusammenarbeit Ejercito Zapatista de Liberación Nacional Proyecto Fortalecimiento de Areas Nacionales Protegidas del Perú Food and Acriculture Organisation of the UN
FAZ FCUNAE FHIS FI FICSH FINAE FIP FIS FISE FLACSO FONDI FOISE FSC FUNASA FZ GfbV GRADE GTZ IDB III ILA ILO ILV INE InWEnt ISO IUCN IZ IZE KfW KIVLAK LASR MAIPO MDG MEC MINUGUA MIP MJDDHH MRTA NRO OAS ODAHG OECD OEI OEI OIA
Frankfurter Allgemeine Zeitung Federación de Comunas Unión de Nativos de la Amazonía Ecuatoriana Fondo Hondureño de Inversión Social Fondo de Desarrollo de los Pueblos Indígenas de América Latina y el Caribe – Fondo Indígena Federación Interprovincial de Centros Shuar (Ecuador) Federación Interprovincial de Nacionalidad Achuar (Ecuador) Frente Indígena de Pastaza (Ecuador) Fondo de Inversión Social (Guatemala) Fondo de Inversión Social de Emergencia (Nicaragua) Facultad Latinoamericana de Ciencias Sociales Apoyo al Fondo Indígena Federación de Organizaciones Indígenas de Sucumbíos Forest Stewardship Council Fundação Nacional de Saúde Finanzielle Zusammenarbeit Gesellschaft für bedrohte Völker Grupo de Análisis para el Desarrollo Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH Inter-American Development Bank (Interamerikanische Entwicklungsbank) Instituto Interamericano Indigenista (Mexiko) Institute of Latin American Studies International Labour Organization (Internationale Arbeitsorganisation) Instituto Lingüístico de Verano (Wiclif Bible Translaters) Instituto Nacional de Estadísticas (Chile) Internationale Weiterbildung und Entwicklung GmbH International Organization of Standardization International Union for Conservation of Nature and Natural Resources Internationale Zusammenarbeit Interkulturelle zweisprachige Erziehung KfW Entwicklungsbank Koordinationsstelle Indigene Völker Lateinamerika und Karibik Latin American Special Report Ministerio de Asuntos Indígenas y Pueblos Originarios Millennium Development Goals (Millennium Entwicklungsziele) Ministerio de Educación y Cultura (Ecuador) United Nations Verification mission on Guatemala Movimiento Indígena Pachakutik (Ecuador) Ministerio de Justicia y Derechos Humanos (Bolivia) Movimiento Revolucionario Tapac Amaru (Peru) Nichtregierungsorganisation (Non-governmental Organization, NGO) Organization of American States (Organisation Amerikanischer Staaten) Oficina de Derechos Humanos del Arzobispado (Guatemala) Organisation for Economic Co-operation and Development Organización de Educación Interamericana Organización de Estados Iberoamericanos (Organisation Iberoamerikanischer Staaten) Organización Indígena de Antioquia (Kolumbien)
OLADE ONIC OPIAC OPIP OREALC PADEP PAHO PAPICA PDPI PdVSA PEMBI PPG7 PRONADE PRSP PPTAL SENALEP TCO TRIPS TZ UN/ UNO UNCED UNDP UNEP UNESCO UNHCHR UNICEF UVP WB/ WBG WGDD WHO WIPO WPC WWF YPFB ZE
Organización Latinoamericana de Energía Organización Nacional Indígena de Colombia Organización de los Pueblos Indígenas de la Amazonia Colombiana Organización de los Pueblos Indígenas de Pastaza (Ecuador) Organización Regional de Educación para América Latina y el Caribe Programa de Apoyo a la Gestión Pública Descentralizada y Lucha contra la Pobreza Pan-American Health Organization (Organización Panamericana de Salud, DPS; Panamerikanische Gesundheitsorganisation) Programa de Apoyo al Desarrollo de los Pueblos Indígenas de Centro America (EU) Projetos Demonstrativos dos Povos Indígenas (GTZ/ Brasilien) Petroleos de Venezuela S.A. Proyecto de Educación Maya Bilingüe Intercultural (GTZ/ Guatemala) Pilotprogramm zur Erhaltung der brasilianischen Regenwälder (Programa Piloto para a Proteção das Florestas Tropicais do Brasil) Programa Nacional de Autogestión de la Educación (Guatemala) Poverty Reduction Strategy Paper Projeto Integrado de Proteção às Populações e Terras Indígenas da Amazônia Legal (GTZ/ Brasilien) Servicio Nacional de Alfabetización y Educación Profesional (Bolivien) Tierras Comunitarias de Origen (Bolivien) Agreement on Trade-related Aspects of Intellectual Property Rights (Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum) Technische Zusammenarbeit United Nations Organisation (Vereinte Nationen) United Nations Conference on Environment and Development United Nations Development Programme (Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen) United Nations Environment Programme (Umweltprogramm der Vereinten Nationen) United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation (Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur) Office of the High Commissioner for Human Rights (Amt des Hohen Kommissars für Menschenrechte) United Nations Children's Fund (Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen) Umweltverträglichkeitsprüfung Weltbank/ Weltbankgruppe Open Ended Working Group on the Draft Declaration the Rights of Indigenous Peoples World Health Organization (Weltgesundheitsorganisation) World Intellectual Property Organization (Weltorganisation für geistiges Eigentum) World Park Congress World Wide Fund for Nature Yacimientos Petroliferos Fiscales Bolivianos Zweisprachige Erziehung
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren ABRAM, Matthias, Dr.; Philosoph, seit Mitte der siebziger Jahre in der Internationalen Zusammenarbeit tätig, zunächst mit dem DED, dann mit TERRA NUOVA, Rom und seit 1985 mit der GTZ, vorwiegend in Lateinamerika. In Ecuador und Guatemala Mitarbeit beim Aufbau zweisprachiger, interkultureller Schulsysteme für die indigenen Völker. Lebt in Quito und Bolzano/ Bozen. FELDT, Heidi, MSc in Ressourcenmanagement und Umweltpolitik Universität London, freiberufliche entwicklungspolitische Beraterin, arbeitet seit über zehn Jahren zu Themen der Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern, Schwerpunkt Konflikte um Ressourcennutzung. HEISING, Klas; Diplom-Volkswirt und Auslandsmitarbeiter der GTZ; seit 1999 in Peru ansässig und derzeit Ansprechpartner eines zusammen mit der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (PAHO) durchgeführten Projektes zur Verbesserung der Umweltgesundheit (Trinkwasser, Hygiene, Innenraumluft etc.) der indigenen Bevölkerung in Lateinamerika. KÖPSELL, EDGAR, DR.; Studium der Betriebs- und Volkswirtschaft, Aufbaustudium an der TU Berlin. Nach Tätigkeit an der Universität Frankfurt für die GTZ seit 25 Jahren im In- und Ausland tätig, u.a. im Sudan, Pakistan und Costa Rica. Desweiteren zahlreiche Aufenthalte in Nord- und Ostafrika, Asien und insbesondere Lateinamerika. Seit 2002 in der Andengruppe der GTZ beschäftigt und auch zuständig für den Aufbau der “Koordinationsstelle Indigene Völker in Lateinamerika und der Karibik (KIVLAK)“. KOHL, Christoph, M.A.; Ethnologe und Politikwissenschaftler. Arbeitsgebiete: Entwicklungsethnologie, Ethnizität und Nationalismus; Staat, Gesellschaft und Kolonialismus; Bildung und Wissen. Z.Zt. Mitarbeiter bei einer im EZ-Bereich tätigen Consulting. Zahlreiche Aufenthalte und Forschungen im südlichen und westlichen Afrika. NAASE, Karin Marita, Dr. phil. in Ethnologie (FU Berlin), Regionalkenntnisse: Andenraum, Amazonien. Feldforschung zu wirtschaftlicher Handlungsrationalität indigener Kleinbauern (Bolivien); Feldforschung in Siedlung der Agrarreform in Brasilien, Amazonien. Berufserfahrung in der EZ sowohl TZ als auch FZ und internationale Zusammenarbeit. Zur Zeit als Gastwissenschaftlerin am Museu Paraense Emílio Goeldi (MPEG), Belém, Brasilien. Interessensgebiete: Migration, kultureller Wandel, Stadt-Land-Beziehungen, Globalisierung, Entwicklungsethnologie. RATHGEBER, Theodor, Dr. rer. pol.; Politologe, freiberuflich als wissenschaftlicher Autor sowie Berater für die Bereiche Entwicklungspolitik, Menschenrechte, Minderheiten und indigene Völker tätig. Lehrbeauftragter an der Universität Kassel (Fachbereich 05). Arbeitete 12 Jahre im Bundesbüro der Gesellschaft für bedrohte Völker (Göttingen). Koordiniert zur Zeit die Bemühungen um eine Ratifizierung der ILO-Konvention 169 durch die Bundesregierung und ist im Vorstand der Adivasi-Koordination in Deutschland e.V. REINHARDT, SYLVIA; Dipl.-Geographin; seit 2003 freiberufliche Mitarbeiterin in der GTZ im Konventionsprojekt “Umsetzung der Biodiversitätskonvention“ und bei der Koordinationsstelle Indigene Völker in Lateinamerika & der Karibik (KIVLAK). Arbeitsschwerpunkte: Ethnobotanik, Traditionelles Wissen indigener Völker, nachhaltige Umweltnutzungs- und Bewirtschaftungspraktiken, Biodiversitätskonvention. RODRIGUEZ, René, M.A.; Soziologe und Experte für Kommunal- und Stadtentwicklung, seit 2003 in Guatemala als Sektorkoordinator der KfW Entwicklungsbank für Mittelamerika und Mexiko tätig. Bis 1998 arbeitete er in Peru als Dozent und Berater für ländliche Entwicklung und Präsident des Instituto de Desarrollo de la Autogestión (INDA). Für PNUD bearbeite er anschließend die Neustrukturierung der Sozialfonds in Honduras und Guatemala und beriet Entwicklungsvorhaben der KfW, Weltbank und GTZ.
ROSSBACH DE OLMOS, Lioba, Dr.; Studium der Völkerkunde, Soziologie und Pädagogik an Universität Frankfurt am Main, 1998 Promotion an Universität Mainz, Forschungen zur Atlantikküste Nicaraguas und Feldforschung im Chocó/ Kolumbien, zahlreiche Aufenthalte in Lateinamerika, Lehrbeauftragte für das Fach Völkerkunde an der Philipps-Universität Marburg, seit 1995 tätig bei "Klima-Bündnis/ Alianza del Clima" e.V. in Frankfurt a.M., zuständig für die Zusammenarbeit mit indigenen Völkern, Teilnahme an internationalen UN-Umweltkonferenzen, zahlreiche Veröffentlichungen zu indigenen Völkern Lateinamerikas und Afroamerikanern. SPEISER, Sabine, Dr. phil., studierte in Regensburg, Rom und Berlin Sozialwissenschaften und promovierte mit einer Feldforschung über afroecuadorianische Kultur. Sie arbeitete als Dozentin an Universitäten in Ecuador und Deutschland und ist seit 1993 in der Entwicklungszusammenarbeit, seit 1999 freiberuflich tätig (http://www.interculture-management.de). Inhaltliche Schwerpunkte ihrer entwicklungspolitischen Beratung sind Bildung, Gender und Minoritäten. Als Organisationsberaterin begleitet sie Prozesse interkultureller Verständigung. SPOHN, Silke, Dipl-Ing., Studium der Landschaftsplanung an der TU Berlin, seit 1998 in der Entwicklungszusammenarbeit tätig. Zuletzt Ansprechpartnerin der GTZ im Projekt "Management der natürlichen Ressourcen in der Region Ngoebe" in Panama von 2002-2004. Seit kurzem Koordinatorin der GTZ für indigene Völker in Lateinamerika und der Karibik. STRÖBELE-GREGOR, Juliana, Dr. phil., Altamerikanistin, Ethnologin und Pädagogin, Freien Universität Berlin; 1989-1995 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lateinamerika-Institut Berlin, Lehrtätigkeit an den Universitäten Frankfurt a.M., Costa Rica und Cuenca (Ecuador). Spezialgebiete: Ethnologie der Andenländer und Guatemala; Religionsethnologie; Politische Anthropologie; Geschlechterforschung. Zahlreiche Feldforschungen. Freie Gutachterin in der EZ. Mitherausgeberin des “Jahrbuches Lateinamerika- Analysen und Berichte“. Beteiligt am Forschungsprojekt der EU “Mulikulturelle Autonomien in Lateinamerika“.