Instandhaltung technischer Systeme
Michael Schenk (Hrsg.)
Instandhaltung technischer Systeme Methoden und Werkzeuge zur Gewährleistung eines sicheren und wirtschaftlichen Anlagenbetriebs
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Herausgeber Prof. Dr.-Ing. habil. Dr.- Ing. E. h. Michael Schenk Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF Sandtorstr. 22 39106 Magdeburg Deutschland
[email protected]
ISBN 978-3-642-03948-5 e-ISBN 978-3-642-03949-2 DOI 10.1007/ 978-3-642-03949-2 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Liste der Autoren
Herausgeber: Prof. Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E.h. Michael Schenk Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF, Sandtorstraße 22, 39106 Magdeburg, E-mail:
[email protected] Autoren: Dr.-Ing. Martin Endig Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF, Sandtorstraße 22, 39106 Magdeburg, E-mail:
[email protected] Dr.-Ing. Curt Freund Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF, Sandtorstraße 22, 39106 Magdeburg, E-mail:
[email protected] Dr.-Ing. Jens Götze Am Hang 10, 01594 Seerhausen, E-mail:
[email protected] Dipl.-Inform. Kathleen Hänsch Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF, Sandtorstraße 22, 39106 Magdeburg, E-mail:
[email protected] Dipl.-Ing. Stefan Kumetz (StD) Heinrich-Hertz-Berufskolleg, Redinghovenstraße 16, 40225 Düsseldorf, E-mail:
[email protected] Dr.-Ing. Frank Ryll Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF, Sandtorstraße 22, 39106 Magdeburg, E-mail:
[email protected] Dipl.-Päd. Wilhelm Termath Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk – ZWH, Sternwartstraße 27 - 29, 40223 Düsseldorf, E-mail:
[email protected] V
Vorwort
Die technologischen Entwicklungen und die organisatorischen Veränderungen der Unternehmensstrukturen beeinÀussen immer mehr die Instandhaltung, wobei gleichzeitig die Verschärfung der Umweltvorschriften und die Erhöhung der Sicherheitsstandards zu beachten sind. Dadurch erhöht sich der Zwang, die Instandhaltungsprozesse zu dokumentieren und verstärkt Ursachenforschung zu betreiben. Diese Entwicklung wird begleitet durch sich ändernde Marktbedingungen, denen sich ein Unternehmen stellen muss, um erfolgreich zu agieren. Zunehmender Konkurrenzdruck, Just-in-timeProduktion, hohe Flexibilität und starke Auftragsschwankungen bei gleichzeitiger Minimierung der Rüst- und Stillstandszeiten sind hier nur einige Aspekte, mit denen das Management kalkulieren muss. Dabei ist die Instandhaltung ein wichtiger dispositiver Faktor, der es dem Unternehmen ermöglicht, durch die Vermeidung von Produktionsstörungen ein besseres Betriebsergebnis zu erwirtschaften. Die Instandhaltung verfolgt darüber hinaus auch humane Ziele, die durch die Vermeidung von Unfallrisiken, die Erhöhung der Arbeits- und Anlagensicherheit sowie die Verhinderung von Umweltbelastungen oder -schäden charakterisiert sind. Jede sich durchsetzende technische Entwicklung ist das Ergebnis eines langen Innovationsprozesses, beginnend mit ersten Ideen über eine prototypische Umsetzung und Testung bis zu einer breiten Anwendung. Neben einer Vielzahl von sich eröffnenden Möglichkeiten wird bei der Umsetzung oftmals wissenschaftliches und technisches Neuland betreten. Bei der Anwendung können sich deshalb EinÀussfaktoren und spezielle Eigenschaften ergeben, die nicht vorhersehbar waren und sich erst im langjährigen Einsatz zeigen. Damit beinhaltet Innovation neben Chancen auch immer bestimmte Risiken mit einem entsprechenden Erkenntnisgewinn. Von den einfachsten Arbeitsgeräten angefangen bis zu komplexen technischen Systemen werden Schwachstellen oft erst während einer dauerhaften und häu¿gen Nutzung sichtbar. Zu deren Aufdeckung und zur Beseitigung der Ursachen steht ein breites wissenschaftliches und technisches Instrumentarium zur Verfügung, mit dem Ziel der Gestaltung einer sicheren Technik bzw. stabiler und wirtschaftlicher Prozesse. Träger dieser Entwicklung ist die Instandhaltung. In diesem Kontext vollzieht sich nach wie vor auch ein Wandel der Instandhaltung, von einem vormals reagieVII
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Vorwort
renden zu einem aktiv agierenden Geschäftsprozess der Unternehmen, der an der Wertschöpfung unmittelbar beteiligt ist. Da moderne Produktionssysteme neben ihrer enormen Leistungsfähigkeit einen beträchtlichen Anlagenwert verkörpern, trägt die Instandhaltung über die Werterhaltung dazu bei, die Kapitalrendite zu sichern. Das Zusammentreffen niedriger Produktionskosten durch die Vermeidung von Anlagenausfällen mit einer hohen Termintreue und Produktqualität sichert langfristig den Unternehmenserfolg. Eine Betrachtung der gegenwärtigen gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung macht deutlich, dass ein wirtschaftliches Wachstum sehr stark an komplexe, effektive und hoch automatisierte Produktionsanlagen mit funktionierenden Dienstleistungsbereichen, wie stabile Energieversorgungs- und Kommunikationssysteme, gebunden ist. Ein Versagen derartiger Systeme führt zu beträchtlichen wirtschaftlichen Verlusten und zur Verminderung der Lebensqualität bspw. durch den Wegfall von alltäglich gewordenen Dienstleistungen. Darüber hinaus stellen hochkomplexe Produktionsanlagen auch ein enormes Gefährdungspotenzial hinsichtlich des Gesundheits- und Umweltschutzes dar. Die Schaffung und Sicherung einer hohen Zuverlässigkeit unter Berücksichtigung technischer und wirtschaftlicher Faktoren wird daher zu einer zwingenden Notwendigkeit bei der Entwicklung und dem Betrieb technischer Systeme. Da sich die Zuverlässigkeit eines fertigen Produkts bzw. einer fertigen Produktionsanlage nur sehr schwer vorherbestimmen lässt, liegt die entscheidende Arbeit der Zuverlässigkeitssicherung in den Phasen des Designs, der Projektierung und der Konstruktion. Nur in diesen Phasen lassen sich technische und betriebswirtschaftliche Anforderungen nach dem Prinzip »So zuverlässig wie notwendig, aber nicht so zuverlässig wie möglich.« verwirklichen. Bei bestimmten Einsatzfällen verbietet sich jedoch die Frage nach der Wirtschaftlichkeit vom Grundsatz her, d.h. hier stehen eindeutig Sicherheits- und Umweltschutzanforderungen an vorrangiger Stelle, wie z.B. bei Kernkraftwerken, bei der Luftfahrt und in der chemischen Industrie. Gegenstand der Zuverlässigkeitstheorie als wissenschaftliche Disziplin ist die Bewertung, Prognose, Erhaltung und Verbesserung der Zuverlässigkeit technischer Systeme. Die Grundlagen hierfür liegen vor allem in wahrscheinlichkeitstheoretischen Methoden, ergänzt durch Verfahren der diskreten Mathematik und mathematischen Optimierung. Das Ziel besteht in der Beschreibung der vielfältigen EinÀussfaktoren auf das Ausfallverhalten technischer Systeme, z.B. durch Belastungen, Abnutzungsprozesse, Herstellungsfehler oder menschliche EinÀussnahme, um das Risiko von Ausfällen und deren z.T. schwerwiegenden Auswirkungen möglichst gering zu halten. Mit diesem Fachbuch möchten die Autoren einen Beitrag dazu leisten, den Wandlungsprozess der Instandhaltung zu beschreiben und zu unterstützen, denn die Stellung der Instandhaltung verändert sich von einem vormals reinen Kostenverursacher hin zu einem aktiv an der Wertschöpfung beteiligten Prozess in Unternehmen. Das erfordert den Einsatz effektiver Instrumente zur Planung und Steuerung von Instandhaltungsprozessen. Ziel dieses Fachbuches ist es deshalb, neue Methoden und Werkzeuge zu beschreiben und ihre Wirkungen auf Objekte, Prozesse und Menschen im Bereich der Instandhaltung zu diskutieren. Im Fokus stehen dabei eine
Vorwort
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Vernetzung des Anlagenbetriebs mit der Anlageninstandhaltung sowie eine durchgängige Anwendung von Methoden und Werkzeugen über die verschiedenen Lebenszyklusphasen einer technischen Anlage und für unterschiedliche Objektbereiche. Die Ausführungen zeichnen sich aus durch einen engen Praxisbezug über die Darstellung von Vorgehensweisen, Ergebnissen und Erfahrungen aus vielfältigen Forschungsvorhaben und Industrieprojekten im Instandhaltungsbereich am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg gemeinsam mit Partnern aus der Industrie. Magdeburg, August 2009
Prof. Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E.h. Michael Schenk
Inhaltsverzeichnis
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Die Instandhaltung im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Entwicklungsetappen technischer Anlagen und Trends in der Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Kriterien der aktuellen Entwicklungsetappe der Instandhaltung . . . . 1.3 Technische und wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen der Produktionsanlagen von heute und morgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Nutzungsphasen technischer Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Anlagenmanagement und Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Wertschöpfungsketten und Anforderungen an die Instandhaltung . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen der Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Maßnahmen der Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Instandhaltungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Reaktive Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Präventiv periodisch vorbeugende Instandhaltung . . . . . . . . . 2.2.3 Präventiv zustandsabhängige Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Präventiv vorrausschauende Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Auswahl der Instandhaltungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.6 Aufgaben der Instandhaltungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Instandhaltung als logistischer Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Zuverlässigkeit technischer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 De¿nition der Zuverlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Zuverlässigkeitskenngrößen für einfache Systeme . . . . . . . . . 2.4.3 Zuverlässigkeitskenngrößen für strukturierte Systeme . . . . . . 2.5 Erfassung des Instandhaltungsbedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Methoden zur Schätzung des Instandhaltungsbedarfs auf der Basis des Anlagenrestwertes und des Anlagenzustandes . 2.5.2 Durchschnittliche Instandhaltungsbedarfsermittlung auf der Basis des statischen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 4 10 11 15 16 21 23 23 26 27 28 30 31 34 35 38 43 44 45 59 63 64 72
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Inhaltsverzeichnis
2.5.3
Instandhaltungsbedarfsermittlung auf Basis des simulierten Ausfallverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.4 Beschaffung von Ausgangsinformationen für instandzuhaltende Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Gesamtanlageneffektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1 OEE-Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.2 OEE-Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.3 Berechnung der OEE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.4 Beispielrechnung zur Bestimmung der OEE . . . . . . . . . . . . . . 2.6.5 Kommunikation und Darstellung der OEE . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Organisationsstrukturen der Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.1 Instandhaltungsnetzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.2 Bildung von Dienstleistungspools . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.3 Organisation zwischenbetrieblicher Kooperation . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
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Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme . . 103 3.1 Clusterung von Instandhaltungsobjekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3.1.1 Zielstellung und Auswahl von Bewertungsmethoden . . . . . . . 103 3.1.2 Das Kompetenz-Bedeutung-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3.2 Gestaltung einer zustandsabhängigen Instandhaltungsstrategie . . . . . 126 3.2.1 Derzeitige Anwendungshäu¿gkeit und -hemmnisse . . . . . . . . 126 3.2.2 Bestandteile und Voraussetzungen für eine zustandsorientierte Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 3.2.3 De¿nition des Zustands-Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 3.2.4 Analytisch, statistische Methoden zur Beschreibung der Zuverlässigkeit technischer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3.2.5 Condition Monitoring-Systeme zur Zustandsüberwachung . . 132 3.2.6 Einsatz von Methoden der künstlichen Intelligenz . . . . . . . . . 135 3.2.7 Diskussion der bisher erläuterten Methoden . . . . . . . . . . . . . . 141 3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3.3.1 De¿nition der EinÀussgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3.3.2 Beschreibung der Methode zur Bestimmung des Abnutzungsvorrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3.3.3 Beschreibung des Bewertungsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3.3.4 Vorgehensweise zur Anwendung der Methode zur Bestimmung von Abnutzungsvorräten in technischen Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3.3.5 Auswahl von Instandhaltungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 3.3.6 Prozess der Entscheidungsunterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3.3.7 Anwendungspotenzial der Bewertungsmethode . . . . . . . . . . . 198 3.4 Prognose des Verbrauchs an Abnutzungsvorrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3.4.1 Eingangsgrößen für Prognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 3.4.2 Nutzungsmöglichkeiten von Prognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
Inhaltsverzeichnis
XIII
3.5 Erfolgskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3.5.1 Technische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3.5.2 Wirtschaftliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3.6 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten an einem Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3.6.1 Beschreibung der Drucklufterzeugungsanlage . . . . . . . . . . . . 210 3.6.2 Anlagenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 3.6.3 Ergebnisse der Bewertungen der Beispielanlage . . . . . . . . . . . 219 3.6.4 Interpretation der Bewertungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3.6.5 Ergebnisse der Bewertungen der Beispielanlage . . . . . . . . . . . 223 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 4
Informationsmanagement in der Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 4.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 4.1.1 Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 4.1.2 Aufgabenbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 4.1.3 Entwicklung und Bereitstellung von Managementsystemen . 238 4.2 Technologien, Hilfsmittel und Unterstützungswerkzeuge . . . . . . . . . . 241 4.2.1 Analyse, Modellierung und Strukturierung von Managementsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 4.2.2 Ef¿ziente Datenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 4.2.3 Strukturierung, Transformation und Visualisierung von Daten, Informationen und Dokumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 4.3 IT-Systeme in der Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 4.3.1 Instandhaltungsplanungs- und -steuerungssysteme . . . . . . . . 271 4.3.2 Condition Monitoring Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 4.3.3 Enterprise Resource Planning-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 4.3.4 Dokumentenmanagementsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 4.3.5 Engineering und Product Data Management Systeme . . . . . . 275 4.3.6 Elektronische Ersatzteilkataloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 4.3.7 Wissensmanagementsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 4.4 Normen, Richtlinien und Standards der Instandhaltung für Managementsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
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Aus- und Weiterbildung des Instandhaltungspersonals . . . . . . . . . . . . . 289 5.1 Zur Ausgangslage: Quali¿zierung gewerblich-technischer Fachkräfte in der Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 5.2 Instandhaltung im Wandel - neue Anforderungen an Instandhaltungsfachkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 5.2.1 Aufgaben und Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 5.2.2 Verhältnis von Erstausbildung zur beruÀichen Weiterbildung 293 5.2.3 Quali¿kationen und Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 5.3 Schwerpunkte für Lernziele und Curricula . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 5.3.1 Lernziele für Instandhaltungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298
XIV
Inhaltsverzeichnis
5.3.2 Lernziel¿ndung und Lernzielstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 5.4 Didaktische Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 5.4.1 Methoden und Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 5.4.2 Lernerfolgskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 5.5 Medieneinsatz - Potenziale von Technologien der Virtuellen Realität 310 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
Verwendete Abkürzungen
AHP AMS AR AV BDE BetrSichV CASE CMS COG CSS DBS DIN DMS eETK EDM ER EER ERP EWR FFT FMEA GoB GuVKN HTML IDA IH IKT IPS KMK KMU KNN
Analytic Hierarchy Process Asset Management-Systeme Augmented Reality Abnutzungsvorrat Betriebsdatenerfassung Betriebssicherheitsverordnung Computer-Aided Software Engineering Condition Monitoring Systeme Center of Gravity Cascading Style Sheets Datenbanksysteme Deutsche Industrienorm Dokumentenmanagementsysteme Elektronische Ersatzteilkataloge Engineering Data Management Entity-Relationship-Modell Erweitertes Entity-Relationship-Modell Enterprise Resource Planning Europäischer Wirtschaftsraum Fast Fourier Transformation Fehlermöglichkeits- und EinÀussanalyse Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buchführung Gewinn-und-Verlust-Rechnung des Kooperationsnetzwerkes Hypertext Markup Language Instandhaltungs-Daten-Analyse Instandhaltung Informations- und Kommunikationstechnologien Instandhaltungsplanung und -steuerung Kultusministerkonferenz Kleine und mittlere Unternehmen Künstliche Neuronale Netze XV
XVI
KVP LCC LT LVQ MDT MLP MS MTBF MTTPM MTTR OBJ OCR OEE OEM OREDA PDA PDM PDM PF ProdHaftG RA RBI RCM RDF RDFS RFID RPZ RUP SQL TBF TCO TPM UML URI VDI VR VRML W3C WMS WWW XHTML
Verwendete Abkürzungen
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess Life Cycle Costs Lernträger Learning Vector Quantization Network Mean Down Time (mittlere Ausfallzeit) Multilayer Perceptron Maintenance Schedule (Instandhaltungsplan) Mean Time Between Failures (mittlerer Ausfallabstand) Mean Time To Preventive Maintenance (Mittlere Dauer vorbeugender IH-Maßnahmen) Mean Time To Repair (mittlere Instandsetzungsdauer) Object File Format Optical Character Recognition Overall Equipment Effectiveness (Gesamtanlageneffektivität) Original Equipment Manufacturer (Originalausrüstungshersteller) Offshore Reliability Data Handbook Personal Digital Assistant Predictive Maintenance Product Data Management PF-Intervall, Intervall zwischen Entdecken einer Störung und ihrem Eintritt Produkthaftungsgesetz Reale Arbeitsumgebung Risk Based Inspection Reliability Centred Maintenance Ressourcen Description Framework RDF-Schema Radio Frequency Identi¿cation Risikoprioritätszahl Rational Uni¿ed Process Structured Query Language Time Between Failures (Ausfallabstand) Total Costs of Ownership Total Productive Maintenance Uni¿ed Modeling Language Uniform Ressource Identi¿er Verein Deutscher Ingenieure Virtual Reality Virtual Reality Modeling Language World Wide Web Consortium Wissensmanagementsysteme World Wide Web Extensible Hypertext Markup Language
Verwendete Abkürzungen
XML X3D XSLT
eXtensibel Markup Language Extensbile 3D eXtensible Stylesheet Language Tranformation
XVII
Kapitel 1
Die Instandhaltung im Wandel Dr.-Ing. Curt Freund
Zusammenfassung Das einführende Kapitel beschreibt die Position der Instandhaltung im Unternehmensumfeld sowie deren Entwicklungsschritte. Es werden Kennzeichen und Auswirkungen der gegenwärtigen Entwicklungsstufe mit dem Fokus auf die Instandhaltungsobjekte, Prozesse, Methoden und Werkzeuge und auf den Menschen aufgezeigt. Weiterhin wird der Beitrag der Instandhaltung an der Wertschöpfung eines Unternehmens thematisiert.
1.1 Entwicklungsetappen technischer Anlagen und Trends in der Instandhaltung Die Entwicklung der Instandhaltung als eigenständiger Unternehmensbereich ist eng mit der Einführung industrieller Produktionsstrukturen mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts verbunden (vgl. Abb. 1.1). Ihre Kennzeichen waren die Konzentration von Maschinen in größeren Manufaktur- oder Fabrikstrukturen und die Bildung arbeitsteiliger Prozesse in unterschiedlichen Gewerken. Die Bediener der Maschinen kamen oftmals aus armen Bevölkerungsschichten, sie standen als billige Arbeitskräfte in großem Umfang zur Verfügung. Bedingt durch die Akkordarbeit, die geringe Qualifikation und die fehlende Ausrüstung waren die Maschinenbediener nicht in der Lage, ihre Maschinen selbst zu reparieren. Dazu wurden speziell qualifizierte Reparaturhandwerker mit einer eigenen Infrastruktur an Werkstätten eingesetzt. Die Strategie der Instandhaltung bestand nahezu ausschließlich darin, nach einem Ausfall der Maschine deren Funktionen schnellstens wieder herzustellen, um damit die Verluste für das Unternehmen durch ungeplante Stillstandszeiten gering zu halten. Vorbeugende Maßnahmen zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit fanden, abgesehen von Reinigungsarbeiten und dem Schmieren, nicht statt. Eine Unterstützung durch die Maschinenhersteller war ebenso nicht gegeben, oftmals war der Betreiber einer technischen Anlage sogar gleichzeitig deren Konstrukteur und Errichter.
1
Proaktive Instandhaltung – Selbsterklärende Objekte (VR) – Selbstwartende Objekte – Wertschöpfung – Sicherheit/Umwelt
Rechnergestützte Instandhaltung – Instandhaltungsplanung/-steuerung – Life Cycle Analysis – Simulation – Teleservice Zustandsorientierung – Überwachung – Diagnose – Maschinen-/Betriebsdatenerfassung
Agieren
Wissensbasierte Instandhaltung – Operation Research – Neuronale Netze – Intelligente Objekte
1990
1970
Preagieren
1 Die Instandhaltung im Wandel Zeitraum
2
Instandsetzungsstrategien – Vorbeugende Maßnahmen – Inspektion Taylorismus – Arbeitsorganisation der Instandhaltung – Qualifikation Reagieren
1920
Instandsetzungsstrategien – Hersteller – eigene Werker 18. Jh. Ausfallorientierte Instandhaltung Entwicklungsschritte
Abb. 1.1 Entwicklungsetappen der Instandhaltung.
Mit dem weiteren expansiven Ausbau von Produktionskapazitäten und von arbeitsteiligen Prozessen ergaben sich neue Anforderungen an die Instandhaltung. Zum einen stieg der Kapitalwert an Maschinen pro Fabrik deutlich an und zum anderen steckte in den neuen Produktionsanlagen, wie z.B. Dampfkesseln, Transmissionen und Elektroanlagen, ein großes Gefährdungspotenzial für Mensch und Umwelt. So forderte 1865 allein die Explosion der Dampfkessel auf dem MississippiFlussdampfer Sultana 1.700 Menschenleben [Pem05]. Insgesamt seien in den USA zwischen 1816 bis 1848 allein auf Dampfschiffen 2.562 Menschen ums Leben gekommen [Lev92, Bur66]. Die Opfer wurden lange Zeit im Sinne des technischen Fortschritts für notwendig und unvermeidbar gehalten, was mit der damaligen vorherrschenden Einstellung zu Fragen der Sicherheitsethik zu erklären ist. Zunehmend wurden aber Forderungen nach Sicherheitsregeln und Standards laut. Damit änderte sich die Bedeutung der Instandhaltung grundlegend. Neue Strategien zielten nun darauf ab, das Risiko von Störungen und Maschinenstillständen zu minimieren. Durch eine Anlagenüberwachung mithilfe visueller Inspektionen und einem vor-
1.1 Entwicklungsetappen technischer Anlagen und Trends in der Instandhaltung
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beugenden Austausch von Teilen wurde versucht, Ausfälle zu verhindern und die Aufwendungen für Instandsetzungen nach einem Schadensereignis zu reduzieren. Die Einführung der Fließfertigung mit Beginn des 20. Jahrhunderts stellt einen weiteren Meilenstein dar. Die Produktionsabläufe wurden dazu sehr stark zergliedert Taylorismus. Eine Vielzahl von unqualifizierten Werkern wurde dadurch in die Lage versetzt, nach einer relativ kurzen Einarbeitungszeit eine große Stückzahl von komplexen Produkten auf einem hohen gleichbleibenden Qualitätsniveau herzustellen. Als Beispiel dient oftmals das berühmte Automobilmodell »T« von Ford [NKB08], wobei es bereits vor Henry Ford entsprechende Produktionskonzepte z.B. bei der Produktion von Kaffee gab. Aus technischer Sicht ist die Fließfertigung durch komplexe und verkettete Anlagen geprägt. Damit gewann die Sicherung einer hohen Zuverlässigkeit mittels vorbeugender Instandhaltungsmaßnahmen weiter an Bedeutung. Ausfälle einzelner Elemente wirkten sich stärker als bisher auf die Gesamtanlage aus. Als methodischer Ansatz zur Unterstützung einer Planung von Instandhaltungsmaßnahmen wurden systematische Untersuchungen zur Lebensdauer technischer Systeme mittels Statistiken der Ausfallabstände und -dauern angewendet. Eine darauf aufbauende vorbeugende Instandhaltungsstrategie ist durch einen beträchtlichen Aufwand an Personal, Ersatzteilen und Betriebsmitteln sowie an Kosten und Organisation gekennzeichnet. Die Senkung von Anlagenausfällen wird mit einer unzureichenden Ausnutzung der Nutzungsreserven von Bauteilen erkauft, da eine Vielzahl von Bauteilen zu früh ausgetauscht wird. Der steigende Kostendruck in den Unternehmen führte mit Beginn der 70er Jahre zu einer tiefgreifenden Umstrukturierung aller nicht als direkt produktiv eingestufter Bereiche. Dazu zählte man seinerzeit auch die Instandhaltungsbereiche. Diese wurden als reiner Kostenträger und als nicht Wert schöpfend betrachtet. Das Ziel der Umstrukturierungen bestand in der Erhöhung von Effektivität und Effizienz beim Betrieb technischer Anlagen bei einer gleichzeitigen Reduzierung der Kosten. Zur gleichen Zeit stiegen die Anforderungen hinsichtlich der Sicherung einer hohen Zuverlässigkeit von Produktionssystemen durch die zunehmende Automatisierung weiter. Die erhöhten Zuverlässigkeitsansprüche zogen wiederum Forderungen nach weiteren Produktivitätssteigerungen nach sich. Als ein weiterer Aspekt ist zu berücksichtigen, dass die technologische Alterung der eingesetzten Anlagentechnik immer schneller voranschreitet. Damit tritt die Minimierung der Anlagenkosten über den gesamten Lebenszyklus immer mehr in den Vordergrund [Bie02]. Moderne Techniken zur Erfassung von Messdaten aus den Anlagen, deren Übertragung zu externen Servicedienstleistern und deren Weiterverarbeitung machten mit Beginn der 70er Jahre die Umsetzung von Konzepten für eine zustandsabhängige Instandhaltung möglich, ein Prozess, der immer noch anhält. Weitere Kennzeichen dieser Entwicklungsetappen von Instandhaltungsbereichen sind zunehmende Spezialisierungen sowie zyklische Aktivitäten des Out- und Insourcings von Instandhaltungsleistungen. Gegenwärtig ist ein Wandel der Instandhaltung von einem reinen Kostenverursacher zu einem unternehmensübergreifenden Geschäftsprozess zu verzeichnen, der aktiv an der Wertschöpfung eines Unternehmens beteiligt ist.
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1 Die Instandhaltung im Wandel
Der Beitrag der Instandhaltung zur Wertschöpfung lässt sich wie folgt beschreiben [Kuh04]: • Ausgabensenkung durch Optimierung von Instandhaltungsstrategien, Erhaltung des Anlagewertes, Ersatzinvestitionen mit verringertem Instandhaltungsaufwand, Verhinderung von Störungen und Ausfällen mit Auswirkungen auf die Anlagen-, Umwelt und Prozesssicherheit • Einnahmenerhöhung durch die Sicherstellung aller von einer technischen Anlage geforderten Funktionen hinsichtlich der Zeitdauer und Qualität, Erhöhung des zeitlichen und funktionellen Nutzungsgrades sowie Reduzierung von Abschreibungen durch reine Ersatzinvestitionen, um damit frei werdende Mittel für Wert steigernde Investitionen freizubekommen. Begleitet wird dieser Prozess durch die Integration von Informations- und Kommunikationstechnologien in die Produktion und verbesserte Unterstützungswerkzeuge für die Instandhaltung selbst. Leistungsfähige Betriebsdatenerfassungs- bzw. Zustandsdatenüberwachungssysteme liefern permanente Informationen über Betriebsparameter, den aktuellen technischen Zustand der Anlagen und die Betriebsbedingungen. Die Planbarkeit von Instandhaltungsmaßnahmen wird durch die Anwendung neuer mathematischer Verfahren auf die Problemstellungen der Instandhaltung, z.B. Operation Research, oder den Einsatz von Methoden aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz, z.B. Neuronale Netze, verbessert. Damit lassen sich das Betriebsund das Ausfallverhalten technischer Anlagen besser als bisher beschreiben. Darüber hinaus stehen Methoden und Werkzeuge des Informations- und Wissensmanagements zur Verfügung, um Wissen und Erfahrungen aus den Phasen des Anlagenlebenszyklus zu sichern und so aufzubereiten, dass sie für Entscheidungssituationen des Anlagenmanagements quasi on demand bereitgestellt werden können.
1.2 Kriterien der aktuellen Entwicklungsetappe der Instandhaltung Die zukünftigen Entwicklungen in der Instandhaltung haben vielfältige Auswirkungen auf die Instandhaltungsobjekte, die ablaufenden Prozesse, die anzuwendenden Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltungsplanung und -steuerung sowie auf die anzuwendenden Instandsetzungstechnologien und nicht zuletzt auf die agierenden Personen.
Instandhaltungsobjekte Unter Instandhaltungsobjekten werden diejenigen Bestandteile technischer Anlagen verstanden, an denen Instandhaltungsleistungen erbracht werden. Dabei kann es sich je nach Abstraktionsebene um eine komplexe technische Anlage oder auch
1.2 Kriterien der aktuellen Entwicklungsetappe der Instandhaltung
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um ihre Anlagenteile, d.h. einzelne Maschinen, Komponenten, Bauteile, technische Objekte, kleinere Betrachtungseinheiten usw. handeln. Der Einfachheit halber beschreiben die Ausführungen in diesem Fachbuch meist technische Anlagen und deren Komponenten. Die typischen Instandhaltungsobjekte sind heutzutage vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie passiv ihren Betriebsbeanspruchungen ausgesetzt und damit Schädigungsprozessen unterworfen sind. Durch zusätzliche Sensorik und Auswertungsalgorithmen werden die Instandhaltungsobjekte auf potenzielle oder bereits sichtbare Schädigungen überwacht und beim Erreichen von Schädigungsgrenzen entsprechende Maßnahmen für den Anlagenbetrieb und/oder die Instandhaltung ausgelöst. In Zukunft werden diese Instandhaltungsobjekte zunehmend intelligenter. Sie sind selbstständig in der Lage, Betriebs- und Zustandsveränderungen zu erkennen und zu bewerten. Beim Erreichen von kritischen Grenzwerten werden automatische Meldungen an einen Leitstand generiert, die unmittelbar zum Anstoßen von entsprechenden Maßnahmen zur Belastungsreduzierung, zum sicheren Herunterfahren bzw. zu Instandhaltungsmaßnahmen führen [SMB03]. Hier verläuft die Entwicklung von einfachen Verschleißindikatoren durch Farbwechsel über eingebaute Sensorik bis hin zur Überwachung von Grenzwertüberschreitungen mit Meldefunktionen hin zu eingebauten Datenspeichern, z.B. RFIDTags, in denen neben den Zustandsdaten und Einsatzbedingungen auch komplette Lebenslaufakten von Bauteilen direkt am Objekt gespeichert werden können.
Instandhaltungsprozesse In modernen Produktionskonzepten ist die Trennung von Haupt- und Nebenprozessen aufgehoben. Damit wird die Instandhaltung zu einer unternehmensübergreifenden Aufgabe. Die Instandhaltungsprozesse sind durch eine verstärkte Planung und eine zunehmende Verlagerung von allgemeinen, d.h. in der Regel einfachen, Instandhaltungstätigkeiten in den Verantwortungsbereich der Maschinenbediener geprägt. Beispielhaft sind hierfür die Konzepte der Total Productive Maintenance (TPM) zu nennen. Hauptziele der Konzepte sind eine grundsätzliche Vermeidung von Schäden sowie eine kontinuierliche Anlagenverbesserung. Durch die Verlagerung von Routinetätigkeiten der Instandhaltung, wie z.B. Reinigen oder Schmieren, auf die Maschinenbediener werden auch die benötigten zeitlichen Freiräume für die Durchführung spezieller, anspruchsvoller Instandhaltungstätigkeiten, wie Diagnose, Schwachstellen- und Schadensanalysen, durch Spezialisten geschaffen. Des Weiteren ist ein Trend zur Konzentration der Unternehmen auf ihr Kerngeschäft zu verzeichnen, d.h. viele Instandhaltungsleistungen werden nicht wie bisher von eigenem Personal erbracht, sondern durch spezielle Instandhaltungsdienstleister realisiert. Dadurch steigt die Bedeutung der Teilbereiche von Instandhaltungsprozessen, welche die Planung, Vorbereitung und Überwachung von Fremddienstleistungen beinhalten, an. Dagegen verlieren die eigentlichen operativen Prozesse der Auftragsdurchführung, wie Disposition und Ressourcenbereitstellung, an Be-
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1 Die Instandhaltung im Wandel
deutung, weil sie nicht mehr im Leistungsportfolio interner Instandhaltungsabteilungen liegen. Das Outsourcing von Instandhaltungsaktivitäten bringt natürlich nicht nur positive Effekte für Anlagenhersteller und -betreiber. Oftmals werden schon nach kurzer Zeit nicht mehr auszugleichende Verluste an Anlagen-Know-how und die Abhängigkeit von externen Dienstleistern, auch von deren Preisgestaltung, beklagt. Deshalb wechseln sich häufig Insourcing- und Outsourcing-Aktivitäten ab bzw. in unterschiedlichen Branchen sind parallel gegenläufige Trends zu beobachten.
Methoden und Werkzeuge Für die Instandsetzung von Bauteilen steht ein breites Spektrum von Verfahren mit einem unterschiedlichen Niveau hinsichtlich des Aufwandes, der Kosten und der erzielbaren Nachhaltigkeit zur Verfügung. Mit jeder neuen Maschinengeneration werden auch neue Instandsetzungsverfahren hervorgebracht, die meist an allgemeine Fertigungsverfahren angelehnt sind. Einige technologische Verfahren sind eigens für Instandsetzungsmaßnahmen entwickelt worden, z.B. das klassische Auftragsschweißen und Klebverbindungen. Die Werkstoffkombinationen der Zukunft werden zwangsläufig neue, hocheffiziente Instandsetzungstechnologien hervorbringen, z.B. selbstreinigende Oberflächen, selbstreparierende Molekülstrukturen, Nanotechnologien, usw. Insbesondere moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) haben durch Einführung moderner Softwaresysteme und Datenkommunikationssysteme zu mehr Transparenz im Instandhaltungsbereich geführt. Eine herausragende Stellung nehmen hierbei Instandhaltungsplanungs- und -steuerungssysteme (IPS) und Asset Management-Systeme (AMS) ein, die mit ihren umfangreichen Funktionen verschiedenste Aufgaben des Anlagenmanagements unterstützen. Zunehmend findet die datentechnische Anbindung der Systeme an den eigentlichen Produktionsprozess statt, wodurch Informationen schneller als bisher verfügbar und auswertbar sind und somit Zeit für Entscheidungen und vorzubereitende Maßnahmen, z.B. im Sinne der zustandsorientierten Instandhaltung, gewonnen wird. Ein weiterer wichtiger Aspekt beim Einsatz von IPS ist die Möglichkeit der Instandhaltungsanalyse. Dadurch können die Effizienz der Instandhaltungsprozesse gemessen und die Rationalisierungspotenziale aufgedeckt werden. Dies ist eine Voraussetzung für eine verbesserte Kostenkontrolle und eine Optimierung des Anteils an proagierender Instandhaltung. Ebenfalls getragen von der Entwicklung der IKT ist der Einsatz von Tele-Maintenance, Tele-Service oder Tele-Diagnose. Technische Zustände von Systemen werden überwacht und liefern vorausschauend Informationen über den Maschinen-, Anlagen- oder Prozesszustand. Die Qualität und Verfügbarkeit dieser Informationen beeinflusst die Zuverlässigkeit von Entscheidungen für die Betriebsführung und Instandhaltung. Durch die Entwicklung der Produktionstechnik hin zu immer komplexeren Systemen, die durch hohe Automatisierungsgrade und zunehmende technische und or-
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ganisatorische Verkettung gekennzeichnet sind, erhöhen sich die Anforderungen an Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit der Produktionssysteme und damit auch an die Instandhaltung. Zur Beschreibung, Visualisierung, Bewertung und Konzeption von Instandhaltungsbereichen und -prozessen stehen leistungsfähige Werkzeuge zur Verfügung. Mit ihrer Hilfe wird es möglich, den Betreiberzielen adäquate Instandhaltungsziele zuzuordnen sowie durch die Berücksichtigung von Zeit-, Kosten- und Ressourcenaspekten eine Bewertung und Auswahl von geeigneten Gestaltungsvarianten der Instandhaltungsprozesse vorzunehmen. Weitere Einsatzfelder moderner Informations- und Kommunikationstechnologien sind multimediale Anlagendokumentationen und Anleitungen zur Instandhaltung. Diese unterstützen eine einfache und schnelle Zugänglichkeit zu wichtigen Informationen. Informationen existieren hierbei nicht mehr nur als Text, sondern es werden reale Bilder, z.B. Videosequenzen, oder virtuelle Bewegtbilder, z.B. Animationen, zusammen mit akustischen Informationen integriert. Ebenso ist die Interaktion mit künstlichen Systemen innerhalb der Virtuellen Realität (VR) zur Unterstützung von Aufgaben der Instandhaltungsplanung, zur Fehlerlokalisierung und -behebung, zum Training neuer oder wenig wiederholter Tätigkeiten möglich. Vorteile von Virtual Reality-Anwendungen sind eine erhöhte Transparenz, eine qualitativ bessere Planung und Durchführung sowie eine Verkürzung von Planungsund Ausführungszeiten. Instandhaltungs- und Weiterqualifizierungsaufgaben können mittels Virtual Reality in einer hohen Qualität, zu vertretbaren Kosten und zu beliebigen Zeitpunkten an beliebigen Orten durchgeführt werden. Der Einsatz von Methoden der künstlichen Intelligenz zur Wissensakquisition, d.h. von Neuronalen Netzen oder von Fuzzy-Logik, ermöglicht, komplexe Zusammenhänge im Betriebs- und Ausfallverhalten zu erkennen sowie verschiedene Einflussfaktoren auf Prozesse der Instandhaltungsplanung zu bewerten. Damit wird das bestehende Informationsdefizit für eine wissensbasierte Instandhaltung ausgeglichen. Die Leistungsfähigkeit der Tools ist inzwischen so hoch, dass aus aktuellen Betriebsdaten unter Berücksichtigung von Erfahrungswissen eine Echtzeitbewertung des Anlagenzustandes möglich ist. In Verbindung zu einem ERP- oder IPSSystem werden adäquate Maßnahmen des Anlagenbetriebes und/oder der Instandhaltung vorgeschlagen sowie Lernprozesse über das Anlagenverhalten initiiert. Instandhaltungsleitstände, welche die Verbindung von VR-Technologien mit Instandhaltungsplanungs- und -steuerungssystemen und klassischen ProduktionsLeitstandskonzepten darstellen, bilden eine neue Qualität von Planungs- und Steuerungstools, um die ablaufenden logistischen Prozesse der Produktion und Instandhaltung unter einem ganzheitlichen Ansatz effizienter zu gestalten.
Mensch Entwicklungs- und Trainingsplattformen, die auf Simulationstechnologien basieren, tragen heute zu einem immer höheren Innovationstempo bei. Die Entwicklung technischer Systeme, Anlagen und Maschinen wird in immer kürzeren Zeiten erfolgen.
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Dabei ist verteiltes Arbeiten an unterschiedlichen Standorten unabdingbare Notwendigkeit. Das setzt einen permanenten Lernprozess aller am Prozess der Instandhaltung beteiligten Partner voraus. Die Geschwindigkeit und die Qualität der Prozesse während der Entwicklungsund Realisierungsphase sind wettbewerbsbestimmend. Daneben ist es notwendig, den Anlagenbetreibern solche Systeme zur Unterstützung der Instandhaltung kostengünstig und zeitnah weltweit anzubieten. Lösungen für diese Aufgabenstellung basieren auf Maschinen- und Anlagenmodellen, die nicht nur konstruktive, sondern darüber hinaus auch funktionale Eigenschaften besitzen und interaktiv geführt werden können [HSS99, HSS00, HSS01, SBR01] Virtuelle Modelle stehen bereits zu einem Zeitpunkt zu Verfügung, zu dem erste Prototypen noch nicht realisiert sind. Mit einem virtuellen Modell können sich Instandhalter bereits während der Entwicklungsphase mit der Wartung und mit den Instandsetzungsprozeduren der technischen Anlage auseinandersetzen. Dabei ist es nicht das Ziel, das Training am realen Produkt vollständig zu ersetzen, sondern vielmehr den Bedienern einen effektiveren Einstieg zu ermöglichen, indem bereits grundlegende Kenntnisse über die Instandhaltungsprozesse an einem virtuellen Modell gesammelt werden konnten. So lassen sich bspw. zusätzliche, beschreibende Informationen für Einzelteile oder Baugruppen hinterlegen, die durch einfache Selektion der entsprechenden Objekte im virtuellen Modell eingesehen werden können. Virtuelle Funktionsmodelle können somit für die Ausbildung von Instandhaltungsund Servicetechnikern genutzt werden. Dies bietet eine Reihe von Vorteilen. So werden Beschädigungen oder Abnutzungen der realen Anlage durch den Einsatz virtueller Modelle vermieden. Wird eine reale Anlage für das Training verwendet, so ist dies oft mit Ausfallzeiten für den Produktionsprozess verbunden. Mit einem virtuellen Modell können solche Ausfallzeiten ebenfalls vermieden werden. Darüber hinaus können Kosten für die Beschaffung von ausschließlich für das Training genutzten Anlagen verringert werden. Die elektronisch verfügbaren Informationen können durch geeignete Lösungen auch über bestehende Datennetze für den unternehmensweiten oder weltweiten Zugriff aufbereitet werden. Servicetechniker, die Wartungsarbeiten beim Kunden durchführen, können Teilebestellungen über das Internet veranlassen oder aktuelle Wartungsanleitungen für spezielle Aufgaben abrufen. Außerdem bildet die Vernetzung die Grundlage für die Zusammenarbeit der virtuellen Modelle mit anderen Systemen. Auf diese Weise kann die technische Dokumentation zu einer multimedialen und datenbankgestützten Assistenzlösung ausgebaut werden, die das Wissen, das für Instandhaltungsprozesse spezifischer technischer Anlagen erforderlich ist, in leicht zugreifbarer, eindeutiger und schnell umsetzbarer Weise bereitstellt. Beispiele hierfür sind elektronische Bedien- und Wartungshandbücher. Im Gegensatz zu herkömmlichen, oft missverständlichen, textbasierten Handbüchern ist die multimediale, auf dem XML-Standard basierende Handbuchsoftware bedienungsfreundlicher. Sie ermöglicht interaktive Navigation mit Schritt-für-SchrittAnleitungen und vielfältige Darstellungsoptionen gekoppelt mit animierten 3-DExplosionsdarstellungen. Darüber hinaus können zahlreiche Zusatzinformationen,
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wie Bestelllisten, zertifizierte Dokumente oder externe Datenbanken, implementiert und abgerufen werden. Damit werden den Technikern nicht nur Wartungsanleitungen und visualisierte Handgriffe geliefert, es besteht zudem die Möglichkeit, Ersatzteile bereits während der Wartung zu bestellen. Ein weiteres Einsatzgebiet für virtuelle Funktionsmodelle ist die Unterstützung des Instandhalters während der Arbeit am Einsatzort. Durch multimediale Endgeräte, wie z.B. Industrie-PCs, Notebooks und PDAs, werden über Assistenzsysteme für Diagnose-, Reparatur- oder Wartungsaufgaben interaktive Anleitungen, Dokumentationen oder Hilfen direkt am Arbeitsplatz abrufbar. Eine Verbindung mit dem realen Objekt über Barcode- oder RFID-Technologie liefert Unterstützung für die Identifizierung des Objektes und kann zudem objektbezogene Zustandsdaten liefern. Derartige Erweiterungen der realen Umgebung durch Modelle aus virtuellen Welten werden unter dem Begriff Augmented Reality (AR) zusammengefasst. Während bereits praxiserprobte Methoden und Verfahren zur effizienten Erstellung VR-basierter Szenarien existieren, konzentriert sich die Forschung zur Augmented Reality auf die Frage, wie virtuelle Komponenten in der realen Arbeitsumgebung bereitgestellt werden können1 . Es entstehen dabei neue Formen der Mensch-Technik-Interaktion unter Anwendung von neuen Ein- und Ausgabegeräten wie Datenbrillen, in denen der Anwender Zusatzinformationen eingespielt bekommt, oder am Körper tragbaren wearable Computern, mit deren Hilfe der Anwender über Remote-Verbindungen zwischen realen und virtuellen Welten kommunizieren kann. Für die Akzeptanz der letztgenannten Techniken ist es erforderlich, periphere Systeme zu entwickeln, die sich »reibungslos« in den Arbeitsalltag eines Instandhalters einfügen lassen. Zusammenfassend zeichnet sich die Instandhaltung aus heutiger Sicht durch folgende Kennzeichen sowie Stellung im Unternehmen aus. • Voraussetzungen für eine effektive und effiziente Instandhaltung sind vor allem hoch motivierte und hoch qualifizierte Mitarbeiter, mit einer Bereitschaft zum ständigen Lernen und dem Anspruch, mit jeder neuen Anlagengeneration immer wieder technisches Neuland zu betreten. • Instandhaltung ist ein unternehmensübergreifender, interdisziplinärer Prozess. Die Kombination von verschiedenen Disziplinen, z.B. Ingenieurwissenschaften, Informations- und Kommunikationswissenschaften, Betriebswirtschaft, Wissensmanagement und Pädagogik, führt zu einer ständigen Veränderung der Berufsbilder. • Instandhaltung basiert auf modernen Organisationskonzepten mit stetigen Veränderungen von Insourcing-, Outsourcing und Kooperationsbeziehungen. Zielfunktionen der Prozesse sind – – – – 1
die Steigerung der Zuverlässigkeit komplexer Produktionssysteme, die Reduzierung von Ausfällen, die Verbesserung der Planungsgrundlagen und die Erhöhung des Anteils vorbeugender Maßnahmen
siehe http://www.arvika.de/www/d/topic1/ziel.htm
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1 Die Instandhaltung im Wandel
bei einer gleichzeitig angestrebten Reduzierung der Lebenszykluskosten technischer Anlagen. In diesem Zusammenhang ist die Instandhaltung der Treiber von Entwicklungen von leistungsfähigen Methoden und Werkzeugen zur Beschreibung des Betriebs- und Ausfallverhaltens komplexer technischer Systeme und zur Unterstützung der Prozesse der Instandhaltung. • Der Einfluss der Instandhaltung bei Investitionsentscheidungen hat sich in den letzten Jahren erfreulich erhöht. Damit steht die Instandhaltung als Promotor für technische Entwicklungen.
1.3 Technische und wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen der Produktionsanlagen von heute und morgen Eine Betrachtung der gegenwärtigen gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung macht deutlich, dass das wirtschaftliche Wachstum sehr stark an komplexe, effektive und hochautomatisierte Produktionsanlagen mit funktionierenden Dienstleistungsbereichen, wie stabile Energieversorgungs- und Kommunikationssysteme, gebunden ist. Ein Versagen derartiger Systeme führt zu beträchtlichen wirtschaftlichen Verlusten und zur Verminderung der Lebensqualität bspw. durch den Wegfall von alltäglich gewordenen Dienstleistungen. Darüber hinaus stellen hochkomplexe Produktionsanlagen auch ein enormes Gefährdungspotenzial hinsichtlich des Gesundheits- und Umweltschutzes dar. Die Schaffung und Sicherung einer hohen Zuverlässigkeit unter Berücksichtigung technischer und wirtschaftlicher Faktoren wird daher zu einer zwingenden Notwendigkeit bei der Entwicklung und dem Betrieb technischer Systeme. Eine verstärkte Kundenorientierung von Unternehmen wirkt sich direkt auf die Gestaltung von Produktions- und Logistikprozessen aus, insbesondere steigen die Anforderungen an ihre zuverlässige Gestaltung. Die Bedeutung der Instandhaltung wandelt sich dementsprechend von einem reaktiv agierenden zu einem aktiv agierenden Geschäftsprozess. Unscharfe Eingangsinformationen über das Betriebs- und Ausfallverhalten komplexer Anlagen stehen dieser Entwicklung jedoch zunächst noch entgegen. Die derzeitige Entwicklung der industriellen Wirtschaft ist auch im Maschinenund Anlagenbau durch eine Globalisierung von Produktion und Vermarktung gekennzeichnet. An die Hersteller von Maschinen, Anlagen und Ausrüstungen werden stetig wachsende Forderungen bezüglich Servicedienstleistungen gestellt. Neben einer hohen Produktqualität stellt hier ein kundennaher und qualitativ hochwertiger Service einen wichtigen Faktor im internationalen Wettbewerb dar. Sich wandelnde Rahmenbedingungen, wie • die Globalisierung der Märkte, • der Anstieg der Komplexität von Investitionsgütern sowie • die Forderung der Maschinenbetreiber nach erweiterten Serviceleistungen führen zu Herausforderungen, denen sich gerade kleine und mittelständische Unternehmen verstärkt stellen müssen. Es ist nicht mehr nur die Qualität der exportierten
1.4 Nutzungsphasen technischer Anlagen
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Investitionsgüter, sondern insbesondere auch die Gewährleistung eines reaktionsschnellen, kundennahen und proaktiven Services, von ausschlaggebender Bedeutung zur Sicherung des internationalen Erfolges. In ganzheitlichen Managementkonzepten ist eine Trennung von Haupt- und Nebenprozessen unzulässig, ein Umstand, der sich unmittelbar auf die Gestaltung der Produktions- und Logistikprozesse auswirkt. Als ein wesentliches Instrument zur Sicherung einer hohen Prozessqualität vollzieht sich ein Wandel der Instandhaltung von einem reaktiven Hilfsprozess zu einem Geschäftsprozess, der aktiv in die Wertschöpfung des Unternehmens einbezogen wird. Die Störungsbeherrschung und die Durchführung Ausfall verhindernder Instandhaltungsmaßnahmen erfolgt mit der konkreten Zielstellung, in definierten Zeitabschnitten durch eine ausfallfreie Bearbeitungszeit einen zugesicherten Output an einwandfreien Produkten mit einem erwarteten Erlös zu sichern. Methoden und Werkzeuge zur Beschreibung und Bewertung der Prozesse der Instandhaltung müssen deshalb diese komplexe Zielstellung berücksichtigen.
1.4 Nutzungsphasen technischer Anlagen Für die Beschreibung der verschiedenen Nutzungsphasen einer technischen Anlage bietet sich die Darstellung in Form eines Lebenszyklus an (vgl. Abb. 1.2). Der Lebenszyklus einer technischen Anlage startet mit der Entscheidung zur Entwicklung bzw. zur Investition in eine neue Anlage. Ihr Einsatz soll die Erreichung von Unternehmenszielen, wie z.B. die Stärkung von Marktpositionen, die Erhöhung von Produktionskapazitäten, die Verbesserung der Qualität und/oder die Steigerung
Entsorgung Revitalisierung
Optimierung Umbau
Planung
Entwicklung Konstruktion
Betrieb
Herstellung Errichtung Test Inbetriebnahme
Abb. 1.2 Typische Lebenszyklusphasen einer technischen Anlage.
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1 Die Instandhaltung im Wandel Branche
Flugzeugbau Schiffbau Automobilbau Mobilfunk 0
5
10
Entwicklungszeit
15
20
25
30
35
Zeit [a]
Nutzungszeit
Abb. 1.3 Durchschnittliche Entwicklungs- und Nutzungsdauern von Produkten in verschiedenen Branchen.
der Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit, wirksam unterstützen. An die Entscheidung über eine Neuinvestition schließt sich die Phase der Grobplanung der Anlage mit ihren Eckparametern an, gefolgt von der Phase der Feinplanung, Konstruktion und des Engineerings. In dieser Phase ist ein interdisziplinäres Zusammenspiel von Ingenieurwissenschaften wie z.B. Maschinenbau, Elektrotechnik, Bauwesen mit anderen Disziplinen, wie Informatik, Betriebswirtschaft, Sicherheits- und Umwelttechnik und Arbeitswissenschaften, wichtig, um letztlich eine technische Anlage zu gestalten, welche die komplexen Anforderungen ihres späteren Eigentümers und Betreibers erfüllt. Der Zeitrahmen für die Planung hängt sehr stark von der Branche und der Art der technischen Anlage ab und schwankt nach [Rot05] zwischen 0,5 und 3 Jahren im Automobil- und Schiffbau und reicht bis zu 3 bis 5 Jahren für Kraftwerksanlagen. Beispiele für die Entwicklungs- und Nutzungsdauern von Produkten in verschiedenen Branchen sind in Abb. 1.3 dargestellt. Von entscheidender Bedeutung ist die Phase des Anlagenlebenszyklus bezogen auf die zu erwartenden Lebenszykluskosten. Während der Planung und des Engineerings werden bereits ca. 80 % der Lebenszykluskosten einer Produktionsanlage determiniert (vgl. Abb. 1.4). Fehlplanungen bzw. falsch dimensionierte Anlagenkomponenten lassen sich, wenn überhaupt, später nur mit einem erheblichen technischen und finanziellen Aufwand korrigieren (vgl. Abb. 1.5). Eine weitere bedeutsame Phase im Lebenszyklus einer technischen Anlage ist die Errichtung und Inbetriebnahme. In einem vergleichsweise kurzen Zeitraum werden hier die Grundlagen dafür geschaffen, ob alle Anlagenbestandteile in dem Zustand eingebaut und an den Betreiber übergeben werden, in dem sie den Herstellungsprozess verlassen haben. Häufig werden in dieser Phase durch unsachgemäße Behandlung oder Montagefehler bereits potenzielle Schädigungen hervorgerufen, wie z.B. durch fehlerhaft montierte Dichtungen, falsch ausgerichtete Antriebs-
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Kosten
1.4 Nutzungsphasen technischer Anlagen
Anschaffungskosten
Entsorgungs- Zeit kosten
Betriebskosten (inklusive Instandhaltung)
Abb. 1.4 Verteilung der Kosten im Lebenszyklus im Vergleich mit den Kostenverursachern.
stränge u.ä., die zu einer Zustandsverschlechterung von Komponenten und zu Frühausfällen nach der Inbetriebnahme der Anlage führen. Oftmals bleiben derartige Fehler bei der Errichtung einer Anlage auch deshalb unbemerkt, weil die erforderlichen Überwachungssysteme, wie z.B. die Prozessleittechnik und das Condition Monitoring, erst zum Ende der Errichtungsphase in Betrieb genommen werden und von daher u.a. Überbeanspruchungen zunächst nicht erkannt werden. Ein Lösungsansatz zur Reduzierung von Montagefehlern ist die konsequente Qualitätsüberwachung und -protokollierung während der gesamten Errichtungsphase durch den Errichter selbst oder durch externe zertifizierte Überwachungsstellen wie z.B. durch Zugelassene Überwachungsstellen nach Betriebssicherheitsverordnung BetrSichV. Nach der Übergabe der Anlage an den Betreiber schließt sich deren eigentliche Nutzungsphase an. Diese ist in der Regel im Bereich des Maschinen- und Anlagenbaus die am längsten andauernde Lebenszyklusphase. Lediglich bei Anlagen, die hoch spezialisiert für die Herstellung vieler Produkte mit schnellen Produktwechseln ausgelegt sind, wie z.B. in der Halbleiterindustrie, kann diese Phase entsprechend kürzer sein.
Lebenszykluskosten (LCC)
Beeinflussung durch Instandhaltung
--
++
= Anschaffungskosten + Betriebskosten + Instandhaltungskosten + Rückbau-/Entsorgungskosten
Abb. 1.5 Beeinflussung der Lebenszykluskosten durch die Instandhaltung.
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1 Die Instandhaltung im Wandel
Während der Betriebsphase bestimmen die Einsatzbedingungen, das Betriebsregime und die Eingriffe der Instandhaltung entscheidend den Zustand einer technischen Anlage. Die Einsatzbedingungen beeinflussen bspw. die Geschwindigkeit von Alterungs- und Korrosionseinflüssen. Das Betriebsregime bestimmt die tatsächlich wirkenden Beanspruchungen der einzelnen Komponenten und damit die Geschwindigkeit der Zustandsveränderung durch Abnutzung. Die Instandhaltung trägt durch das Erbringen von Instandhaltungsleistungen dazu bei, dass Abnutzungsprozesse verlangsamt werden oder dass Komponenten vor ihrem Versagen ausgetauscht werden. Während der Nutzungsphase, in den meisten Fällen bereits mit Beginn des Regelbetriebes, werden ständig Impulse gegeben, die Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. Dazu wird ein ständiger Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) der Anlagen betrieben, der zu laufenden Veränderungen an der Anlage führt. Diese Verbesserungen und Veränderungen werden hauptsächlich von der Instandhaltung im Zusammenspiel mit Herstellern und Dienstleistern durchgeführt. Oftmals fließen Erfahrungen aus dem Anlagenbetrieb zurück in die Planungs- und Konstruktionsprozesse neuer Anlagengenerationen. Hier liegt eine wichtige Informationsquelle für den Anlagenhersteller, der auf Informationen über den tatsächlichen Betrieb seiner Anlagen bei seinen Kunden angewiesen ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass alle Veränderungen protokolliert und bei der Instandhaltungsplanung berücksichtigt werden. Zum Abschluss der Nutzungsphase und bzw. oder wenn die Möglichkeiten der Modernisierung technisch ausgereizt sind bzw. die Kosten der laufenden Instandhaltung die einer Neubeschaffung übertreffen, wird eine Entscheidung zur Aussonderung der Anlage getroffen und diese demontiert. Hierbei besteht für die Instandhaltung noch einmal die Möglichkeit, Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge im Betriebs- und Ausfallverhalten der alten Anlage festzustellen und als Erfahrungswissen für eine neue Anlage zu dokumentieren. Darüber hinaus sind Komponenten der Anlage dahingehend zu bewerten, ob sie aufgrund ihres Zustandes für eine weitere Nutzung in anderen Anlagen geeignet sind. Die Instandhaltung trägt hier zur Ressourcenschonung bei und setzt den Nachhaltigkeitsgedanken um. Besondere Anforderungen an die Instandhaltung mit Bezug zum Anlagenlebenszyklus ergeben sich aus folgenden Gesichtspunkten: • Während die Nutzungsphasen ohne tiefgreifende Veränderungen an der Anlagenkonfiguration bei vergangenen Anlagengenerationen relativ lang waren, verkürzen sich diese Zyklen gerade bei universell und flexibel einsetzbaren Anlagen zusehends. • Altanlagen durchliefen meist ihren kompletten Lebenszyklus bei einem Betreiber, der über das Bedien- und Instandhaltungspersonal viele Erfahrungen über das Betriebs- und Ausfallverhalten sammeln konnte. Heute ist es oftmals so, dass Anlagen verkauft, demontiert, modifiziert und wieder bei einem neuen Betreiber in Betrieb genommen werden. Dieser neue Betreiber verfügt in der Regel nicht über Informationen und Erfahrungen aus der Vorgeschichte der Anlage und kann diese während ihrer Nutzungsphase nicht mehr erwerben.
1.5 Anlagenmanagement und Instandhaltung
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Schnelle Produktwechsel führen zu kürzeren Anlagenlebenszyklen ... l(t)
l(t)
1
t
1
2
t
... Anlagen werden ersetzt bzw. grundlegend verändert, bevor die Verschleißphase einsetzt, die Erfahrungen über die Anlage liegen verteilt beim Hersteller oder bei mehreren Betreibern.
Abb. 1.6 Veränderungen in den Lebenszyklen technischer Anlagen.
Deshalb ist es wichtig, dem Anlagenmanagement neben Informationen zur Auslegung und zum Leistungsvermögen einer technischen Anlage auch die aktuelle Konfiguration und die komplette Betriebs- und Instandhaltungshistorie bereitzustellen. Die Erarbeitung und Vermarktung dieser Betriebs- und Instandhaltungshistorie sollte deshalb auch als Beitrag der Instandhaltung an der Wertschöpfung eines Unternehmens angesehen werden.
1.5 Anlagenmanagement und Instandhaltung Das Anlagenmanagement ist eine Querschnittsaufgabe innerhalb des Unternehmens im Zusammenwirken mit zahlreichen externen Partnern. Es zeichnet für das effektive und effiziente Zusammenwirken von Prozessen der Fabrikplanung, des Fabrikbetriebs und der Instandhaltung verantwortlich. Damit ist es in alle Phasen des Lebenszyklus einer technischen Anlage involviert. Das sich daraus ergebende breite und interdisziplinäre Aufgabenspektrum erstreckt sich ebenfalls von der Planung einer komplexen technischen Anlage, über deren Beschaffung und Errichtung, den Betrieb und die Instandhaltung bis hin zu ihrer Außerbetriebnahme und Demontage/Entsorgung. Ein besonderes Kennzeichen des Lebenszyklus moderner, wandlungsfähiger Anlagen besteht darin, dass sich die Zyklen immer mehr verkürzen. Das führt zu ständig wechselnden Anforderungen und Aufgabenverteilungen und damit zwangsläufig auch zu kürzeren Planungszyklen und einer abnehmenden Planungssicherheit [KGS+ 03, SW04]. Im Mittelpunkt dieser Aufgaben steht ein Teilgebiet des Anlagenmanagements - die Instandhaltung als logistischer Prozess. Ein Prozess stellt allgemein die Folge logisch zusammenhängender Aktivitäten zur Erstellung einer Leistung oder zur Veränderung eines Objektes dar. Er ist gekennzeichnet durch einen definierten Anfang, der durch einen Auslöser oder Inputgrößen aktiviert wird. Ein weiteres Merkmal eines Prozesses ist ein definiertes Ende an dem ein Ergebnis, ein Wert bzw. definierte
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1 Die Instandhaltung im Wandel
Outputgrößen entstehen. Das Hauptziel eines Prozesses ist ein Wertzuwachs bzw. eine Wertschöpfung. Diese prozessorientierte Betrachtungsweise wird der Bedeutung der »althergebrachten« Instandhaltung besser gerecht, weil nicht nur die internen Abläufe innerhalb definierter Prozessketten abgebildet werden können, sondern auch die Abläufe der Produktion mit den vielfältigen Wechselwirkungen zwischen den Elementen des Produktionssystems und deren verfügbarkeitsrelevanten Ereignissen einschließlich der Beziehungen zu externen Partnern. Die Instandhaltungslogistik stellt eine Erweiterung zur Definition der Instandhaltung nach DIN 31051:2003-06 (Stand Juni 2003) dar. Danach steht die Instandhaltung als Oberbegriff für ein komplexes Fachgebiet, d.h. sie umfasst die Kombination aller technischen und administrativen Maßnahmen sowie Maßnahmen des Managements während des Lebenszyklus einer Anlage, eines Anlagenteils oder einer Komponente zur Erhaltung des funktionsfähigen Zustandes oder der Rückführung in diesen, sodass sie die geforderte Funktion erfüllen kann [DIN 31051]. Weitere Ausführungen zur Betrachtung der Instandhaltung als logistischen Prozess sind im Abschnitt 2.3 zu finden.
1.6 Wertschöpfungsketten und Anforderungen an die Instandhaltung Von der Instandhaltung werden in den Unternehmen einerseits die Gewährleistung einer ausreichenden Anlagenverfügbarkeit und andererseits die Sicherung einer hohen Wirtschaftlichkeit der Produktionssysteme erwartet. Ziel ist somit eine hohe Anlagenverfügbarkeit bei möglichst geringen Kosten. Im Einzelnen bedeutet das: • • • • • • •
Vermeidung ungeplanter Ausfälle Verfügbarkeit optimieren Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Schonung natürlicher Ressourcen Reduzierung der Instandhaltungskosten Reduzierung der Zins- und Lagerkosten Reduzierung der Investitionskosten
Nichtinstandhalter betrachten die Instandhaltung meist nur als Kostenfaktor. In der Instandhaltung hat sich aber in den letzten Jahrzehnten eine enorme Entwicklung vollzogen (vgl. Abb. 1.1). Viele Instandhalter und Interessensverbände der Instandhalter setzen sich jedoch für einen höheren Stellenwert der Instandhaltung ein. Sie argumentieren, dass Instandhaltung ein »Wertschöpfungsfaktor« sei, denn die traditionelle Instandhaltung erbringt Vorleistungen für die eigentliche Wertschöpfung, die durch Änderung von Produkteigenschaften zur Erreichung eines Gebrauchswertes für Kunden beschrieben werden kann. Obwohl die Instandhaltung in traditionellen Strukturen nicht wertschöpfend ist, bietet sie doch ein enormes Wertschöpfungspotenzial für die Verbesserung von Ma-
1.6 Wertschöpfungsketten und Anforderungen an die Instandhaltung
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schinen und Anlagen in Netzwerkstrukturen mit Instandhaltungszeit »Null« bei voller Wertschöpfung [WLB05]. Instandhaltungszeit »Null« bedeutet, keine produktive Zeit durch Instandhaltung zu »verschwenden«, sondern die notwendigen Arbeiten z.B. in Stillstandszeiten zu erledigen. Dies erfordert die Ausrichtung aller Prozesse am Wertstrom. Der Wertstrom umfasst alle Prozesse, die notwendig sind, um einen Wert für den Kunden zu erzeugen. Auf diesen Wertstrom hin sollte deshalb das gesamte Produktionssystem orientiert sein. Und zwar alle direkten Produktionsprozesse ebenso wie alle dazugehörigen unterstützenden Prozesse, wie eben auch die Instandhaltung [WLB05]. Aufgabe der Instandhaltung ist es somit, sich als Wertschöpfungspartner zu positionieren und die Instandhaltungsnetzwerke zu organisieren und zu steuern. Mit Wertschöpfungskette wird wiederum in der Systematik des Betriebsprozesses der Weg eines Produktes oder einer Dienstleistung bis zum Verbraucher mitsamt der in jeder Stufe erfolgten Wertsteigerung (Mehrwert) bezeichnet [Por00]. Laut [SS04] wird Wertschöpfung definiert als der um die Vorleistungen, d.h. Material oder externe Dienstleistungen, verminderte Gesamtwert, den ein Unternehmen für seine Kunden schafft. Wertschöpfung kann daher formuliert werden als: Wertschöpfung = Umsatz - Vorleistungen Als primäre Wertschöpfungsaktivität wird die Produktion bezeichnet. Ein Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens kann erst dann generiert werden, wenn diese Wertschöpfungsaktivität optimal mit den anderen Wertschöpfungsaktivitäten abgestimmt wird. In diesem Zusammenhang wird zwischen primären und sekundären Wertschöpfungsaktivitäten unterschieden. Zu primären Wertschöpfungsaktivitäten zählen neben der Produktion die Logistik und der Service, d.h. unmittelbare Leistungen, die der physischen Veränderung des Produktes dienen. Dem gegenüber sind sekundäre Wertschöpfungsaktivitäten Aktivitäten, die der Aufrechterhaltung der primären Aktivitäten dienen. Durch die unterschiedlichen Sichten auf die Instandhaltung werden deren Wertschöpfungspotenziale meist ungenügend genutzt. Die Sicht auf einen internen Dienstleister für Instandhaltungsleistungen verdeutlicht Abb. 1.7 aus Sicht der Betriebswirtschaft und Abb. 1.8 aus Sicht der Ingenieurwissenschaft. Bei einer betriebswirtschaftlichen Betrachtung lässt sich die Wertschöpfung der Instandhaltung über eine Bewertung von Erträgen nachweisen. Dazu werden die Aufwendungen zum Planen und Erbringen von Instandhaltungsleistungen ins Verhältnis zur Anlagenverfügbarkeit, zu Ersatzteilbeständen und bedarfsgerechten Qualifikationsprofilen von Personal gesetzt. Eine Wertschöpfung ist dann nachweisbar, wenn letztlich die Erträge durch gewonnene zusätzliche Betriebszeit die Aufwendungen für die Instandhaltung übersteigen. Eine ingenieurwissenschaftliche Betrachtung stellt die Reduzieurung von Zeitverlusten zur Steigerung der nutzbaren Betriebszeit in den Vordergrund. Der Nachweis des Nutzens von Instandhaltungsleistungen wird hierbei über eine Reduzierung von technisch bedingten Stillstandszeiten und damit der Steigerung der Anlageneffektivität geführt. Gleichzeitig ist eine Werterhöhung von Anlagen einerseits durch
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1 Die Instandhaltung im Wandel
Betriebswirtschaft – Bewertung über den Ertrag Soll
Haben
Aufwendungen zum Erbringen der Instandhaltungsleistungen nach – Tagesgeschäft – strategischen Maßnahmen
Verzögerter Wertverlust von Anlagen bewertet durch: – Zuverlässigkeit – Verfügbarkeit in Abhängigkeit von der Betriebszeit als Erlös
in Abhängigkeit von eingesetzten Ressourcen des direkten und indirekten Leistungsbereichs
Bestände an Ersatzteilen bewertet durch: – veränderten Lagerkostensatz (vor dem Erbringen der Instandhaltungsleistung abzüglich Kostensatz nach der Instandhaltungsleistung) Personalbereitstellung bewertet durch: – Bedarfsgerechtigkeit in Qualifikation und Anzahl veränderte Anlageneffizienz durch Modernisierung, gemessen durch Ertragsänderung Saldo (negatives Ergebnis der Wertschöpfung einer Instandhaltung)
Saldo (positives Ergebnis der Wertschöpfung einer Instandhaltung)
Summe aller Ergebnisse
Summe aller Aufwendungen
Abb. 1.7 Betriebswirtschaftliche Sicht auf einen internen Dienstleister für Instandhaltungsleistungen.
Verfügbarer Zeitfond Soll-Produktionszeit tB-Soll
Nicht geplante Zeit tO
Nutzungszeit tN tLV
Effektive Nutzungszeit tN-eff Produktive Nutzungszeit tP
tT
– Zeitverluste
tQ
– Geschwindigkeitsverluste – Qualitätsverluste
tO organisatorisch bedingte Stillstandszeit tT technisch bedingte Stillstandszeit
tLV Leistungs-/Abstimmungsverluste tQ Qualitätsverluste
Abb. 1.8 Ingenieurwissenschaftliche Sicht auf einen internen Dienstleister für Instandhaltungsleistungen.
die Ergänzung verbrauchter Abnutzungsvorräte und andererseits durch die Reduzierung von Abnutzungen in technischen Anlagen nachweisbar. Die vielfältigen Aufgaben der Instandhaltung zur Werterhöhung von Anlagen zeigt Abb. 1.9.
1.6 Wertschöpfungsketten und Anforderungen an die Instandhaltung
Objektzustand
Modernisieren
Zustand der Komponenten
Nutzung verbessern Techn. Stand ändern Technologien ändern Komponenten ändern (Sub-)Systeme ändern
Abnutzung Verbrauch
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Modifizieren Nutzung ändern Umbau Anpassung Integration Nutzungsänderungen
DIN 31051 Reinstallation verbrauchter Abnutzungsvorräte
Wartung
Instandsetzung
Inspektion
Verbesserung
Erhaltung des Soll-Zustandes
Herstellung des Soll-Zustandes
Feststellung des Ist-Zustandes
des Soll-Zustandes
(Erkennen und) Beseitigen von Schwachstellen
Abb. 1.9 Aufgaben der Instandhaltung zur Werterhöhung der Anlagen [Por00].
Für die Berechnung der Wertschöpfungsanteile der Instandhaltung bieten verschiedene Autoren entsprechende Vorgehensweisen an [Por00]. Da die in Abb. 1.9 aufgeführten Aufgaben meist nur in Produktions- bzw. Instandhaltungsnetzwerken verschiedener Dienstleister realisierbar sind, entstehen vor allem in Netzwerken erhebliche Mehrwertpotenziale. Zum Aufbau derartiger Netzwerke und ihrer Wirkungen werden im Abschnitt 2.7.1 »Instandhaltungsnetzwerke« weitere Ausführungen gemacht. Die Wertschöpfungspotenziale der Instandhaltung in Netzwerken bzw. in Wertschöpfungsketten können vielfältig sein: • • • •
Informationsbereitstellung und Partner für Produktentwicklung Weiterentwicklungen, Verbesserungen am Herstellerprodukt vorausschauendes Kostencontrolling und Koordination und Lenkung der Wertschöpfungsaktivitäten von Netzwerkpartnern
Letztendlich ist der zu erzielende Mehrwert für einen Anlagenbetreiber als Kunden der Instandhaltung der resultierende Vektor der Leistungsarten Nutzleistung, Stützleistung, Blindleistung und Fehlleistung (vgl. Abb. ??). Die Nutzleistung (vgl. Abb. 1.10 a)) steigert unmittelbar den Produktwert. Ein potenzieller Kunde würdigt diese Wertsteigerung durch den am Markt erzielbaren Preis. Der Beitrag der Instandhaltung zur Erbringung der Nutzleistung liegt in der Bereitstellung störungsfreier Betriebszeit durch Instandhaltungsmaßnahmen. Damit werden Produkte in geforderter Menge, zu vereinbarten Lieferterminen und in der geforderten Produktqualität hergestellt. Der Anteil der Instandhaltung am Produktwert lässt sich als Wert von geplanten Instandhaltungsmaßnahmen für die
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1 Die Instandhaltung im Wandel
a) Nutzleistung
b) Stützleistung
Wert
Wert
Kosten
Kosten
c) Blindleistung
d) Fehlleistung
Wert
Wert
Kosten
Kosten
Abb. 1.10 Wert-Kosten-Verhältnis – a) Nutzleistung, b) Stützleistung, c) Blindleistung und d) Fehlleistung.
Gewährleistung eines unterbrechungsfreien Hauptprozessablaufes entsprechend des Betriebskalenders messen. Die Stützleistung (vgl. Abb. 1.10 b)) umfasst alle notwendigen unterstützenden Tätigkeiten zum Erbringen der Nutzleistung. Die hierzu erforderlichen Aufwendungen bewirken keine unmittelbare Wertsteigerung am Produkt. In diesem Fall sind das unterstützende Tätigkeiten zur Durchführung von geplanten Instandhaltungsmaßnahmen, wie bspw. die Bereitstellung von Ersatzteilen oder die Versorgung mit Schmierstoffen zur Unterstützung des Instandhaltungsprozesses. Die Blindleistung (vgl. Abb. 1.10 c)) entsteht aufgrund der Unvollkommenheit der Prozesse. Sie reduziert den Wert eines Produktes um den Betrag der für sie aufgebrachten Aufwendungen. In der Instandhaltung sind als Blindleistungen beispielsweise nicht geplante Anlagenstillstände durch die Unkenntnis von Verschleißprozessen anzusetzen. Ebenso gehören dazu Anlagenstillstände durch unvollkommene logistische Prozesse zur Ersatzteilbereitstellung. Die Fehlleistung (vgl. Abb. 1.10 d)) entsteht aufgrund nicht unter Kontrolle befindlicher Prozesse. Sie reduziert den Wert eines Produktes um den Betrag der für sie aufgebrachten Aufwendungen zum Teil erheblich. In der Instandhaltung zählen zu den Fehlleistungen Produktionsausfälle oder Ausschuss aufgrund von mangelhafter Instandhaltung.
Literaturverzeichnis
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[SS04] [SW04] [WLB05]
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Kapitel 2
Grundlagen der Instandhaltung Dr.-Ing. Frank Ryll, Dr.-Ing. Curt Freund
Zusammenfassung Das Kapitel beschreibt allgemeine Grundlagen, die für das Verständnis von Instandhaltungsprozessen erforderlich sind. Es werden die Maßnahmen, Strategien und Konzepte der Instandhaltung eingeführt und hinsichtlich ihrer Wirkungen erläutert. Des Weiteren wird eine Einführung in die Bewertung der Zuverlässigkeit von technischen Systemen gegeben. Neben Ausführungen zu statistischen Wahrscheinlichkeitsfunktionen wird anhand eines Beispiels eine praktische Vorgehensweise zur Bestimmung empirischer Verteilungsfunktionen beschrieben. Weiterhin werden unterschiedliche Herangehensweisen zur Ermittlung von Instandhaltungsbedarfen und zur Messung der Leistungsfähigkeit der Instandhaltung über die Bestimmung der Gesamtanlageneffektivität behandelt. Bei den Organisationsformen der Instandhaltung werden die Instandhaltungsnetze in den Vordergrund gerückt und Möglichkeiten zum Aufbau und zum Controlling eines Instandhaltungsnetzes gezeigt.
2.1 Maßnahmen der Instandhaltung In das Aufgabengebiet der Instandhaltung fallen neben den Grundmaßnahmen Wartung, Inspektion, Instandsetzung und Anlagenverbesserung auch die Analyse des Ausfallverhaltens, die verbesserte Erkennbarkeit potenzieller Störungen und die aktive Vermeidung von Störfällen [DIN 31051]. Im Folgenden werden diese kurz beschrieben. In der DIN wird verallgemeinernd von der Betrachtungseinheit gesprochen. Dieser Begriff umfasst ganze Anlagen und Maschinen bis hin zu ihren einzelnen Komponenten. Wartung Hierunter werden alle Maßnahmen verstanden, die zur Bewahrung des Soll-Zustandes bzw. zur Verzögerung des Abbaus eines vorhandenen Abnutzungsvorrates von Betrachtungseinheiten beitragen, wie z.B. Schmieren.
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2 Grundlagen der Instandhaltung
Inspektion Die Inspektion umfasst alle Maßnahmen zur Feststellung und Beurteilung des IstZustandes einer Betrachtungseinheit, einschließlich der Bestimmung der Ursachen der Abnutzung und dem Ableiten notwendiger Konsequenzen für eine künftige Nutzung, z.B. Messen der Dicke einer Bremsscheibe [DIN 31051]. Instandsetzung Instandsetzungen sind alle Maßnahmen zur Rückführung einer Betrachtungseinheit in den funktionsfähigen Zustand, d.h. auf das gleiche Niveau wie vor einem Ausfall ohne Verbesserungen, z.B. Austausch einer Komponente gegen ein gleichwertiges Ersatzteil [DIN 31051]. Verbesserung Eine Verbesserung umfasst die Kombination aller technischen und administrativen Maßnahmen sowie Maßnahmen des Managements zur Steigerung der Funktionssicherheit einer Betrachtungseinheit, ohne die von ihr geforderte Funktion zu ändern, z.B. Beseitigung einer Schwachstelle durch eine konstruktive Veränderung von Komponenten [DIN 31051]. Nach einer weiteren Norm, der DIN EN 13306:2001-09 [DIN EN 13306], erfolgt keine der DIN 31051 entsprechende Definition von Grundmaßnahmen der Instandhaltung, sondern es erfolgt die Gliederung in Instandhaltungsarten, die sich hinsichtlich des Ausführungszeitpunktes und des Ausführungsortes von Instandhaltungsmaßnahmen unterscheiden. Daraus ergeben sich die nachfolgenden Instandhaltungsarten: Ausfallverhindernde Instandhaltung Instandhaltung in festgelegten Abständen zur Reduzierung der Ausfallwahrscheinlichkeit oder der Funktionseinschränkung einer Betrachtungseinheit. Planmäßige Instandhaltung Ist eine Form der ausfallverhindernden Instandhaltung, wobei die Instandhaltungsmaßnahmen nach einem festgelegten Zeitplan bzw. einer bestimmten Zahl von Nutzungseinheiten, z.B. Starts oder Anzahl von Bearbeitungszyklen, durchgeführt werden. Vorausbestimmte Instandhaltung Ist eine Form der ausfallverhindernden Instandhaltung, wobei die Instandhaltungsmaßnahmen ohne vorherige Zustandsermittlung nach einem festgelegten Zeitplan bzw. einer bestimmten Anzahl von Nutzungseinheiten ausgeführt werden. Zustandsabhängige Instandhaltung Ist eine Form der ausfallverhindernden Instandhaltung, die aus der Überwachung der Arbeitsweise einer Betrachtungseinheit mittels Messgrößen sowie den daraus abgeleiteten Maßnahmen besteht.
2.1 Maßnahmen der Instandhaltung
25
Voraussagende Instandhaltung Ist eine Form der zustandsabhängigen Instandhaltung, die auf der Vorausschau der Verschlechterung einer Betrachtungseinheit basierend auf der Analyse von Parametern beruht. Korrektive Instandhaltung Die korrektive Instandhaltung wird nach einer Erkennung von Fehlern durchgeführt, um eine Betrachtungseinheit wieder in einen funktionsfähigen Zustand zu versetzen. Automatisierte Instandhaltung Ist eine Instandhaltung, die ohne menschliches Zutun abläuft. Ferngesteuerte Instandhaltung Ist eine Instandhaltung, die ohne physischen Zugriff von Personal auf die Betrachtungseinheit abläuft. Aufgeschobene Instandhaltung Ist eine Form der korrektiven Instandhaltung, wobei die Maßnahmen nicht unmittelbar nach einer Fehlererkennung ausgeführt werden, sondern nach vereinbarten Regeln verschoben werden. Sofortige Instandhaltung Ist eine Form der korrektiven Instandhaltung, wobei die Maßnahmen unmittelbar nach einer Fehlererkennung ausgeführt werden, um unakzeptable Folgen zu verhindern. Instandhaltung während des Betriebs Ist eine Instandhaltung, bei der die Instandhaltungsmaßnahmen während der Nutzung der Betrachtungseinheit durchgeführt werden. Instandhaltung vor Ort Ist als eine Instandhaltung, bei der die Instandhaltungsmaßnahmen an dem Ort durchgeführt werden, an dem die Betrachtungseinheit benutzt wird. Bediener-Instandhaltung Ist eine Instandhaltung, bei der die Instandhaltungsmaßnahmen durch den qualifizierten Benutzer oder den Betreiber selbst ausgeführt werden. Des Weiteren werden vielfältige Instandhaltungstätigkeiten definiert, die z.T. mit den Grundmaßnahmen nach DIN 31051 in Übereinstimmung gebracht werden können. Die Tätigkeiten sind [DIN EN 13306]: • • • •
Inspektion Überwachung Nachweisprüfung Funktionsprüfung
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• • • • • • • • •
2 Grundlagen der Instandhaltung
Routineinstandhaltung Revision Grundüberholung Wiederherstellung Wiederherstellung für begrenzte Zeit Fehlerdiagnose Fehlerortung Verbesserung Änderung/Modifikation
Bei der Definition von Grundbegriffen der Instandhaltung orientieren sich die meisten Anwender an der Gliederung nach DIN 31051, da sie einfacher strukturiert und damit für die Instandhaltungsplanung und -steuerung einfacher zu handhaben ist. Die Instandhaltungstätigkeiten nach DIN EN 13306 finden sich meist als sog. Leistungsarten im Instandhaltungsprozess wieder. Die folgenden Abschnitte nehmen deshalb vorrangig Bezug auf die Definitionen der DIN 31051. Die Planung und Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen erfordert eine systematische Vorgehensweise und die Bereitstellung von wichtigen Eingangsinformationen. Die Gestaltung der ablaufenden Prozesse ist dabei in starkem Maße von der gewählten Instandhaltungsstrategie abhängig.
2.2 Instandhaltungsstrategien Als Instandhaltungsstrategie wird die Instandhaltungsmethode bezeichnet, die angewendet wird, um die Instandhaltungsziele zu erreichen [DIN EN 13306]. Innerhalb der Instandhaltungsstrategie wird geregelt, zu welchem Zeitpunkt welche Arten von Maßnahmen wie oft an welchen Instandhaltungsobjekten durchgeführt werden. Bei der Festlegung der Instandhaltungsstrategie sind gesetzliche, sicherheitstechnische, technische, produktionsrelevante sowie wirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen. Die Wahl des Zeitpunktes kann dabei unsystematisch oder systematisch erfolgen. Im Falle eines unsystematischen Herangehens werden Instandhaltungsmaßnahmen beim Auftreten eines Bedarfes oder bei einem Schaden durchgeführt. Bei einem systematischen Ansatz werden Maßnahmen periodisch nach Zeit- oder Nutzungsintervallen oder in Abhängigkeit von einem festgestellten oder prognostizierten Zustand von Instandhaltungsobjekten unter Berücksichtigung von Randbedingungen des Anlagenbetriebs, wie z.B. geplante Produktionspausen, durchgeführt. Grundsätzlich lassen sich zwei Grundstrategien der Instandhaltung unterscheiden - eine reaktive und eine präventive. Bei der präventiven Instandhaltungsstrategie erfolgt darüber hinaus eine Unterscheidung in eine periodisch vorbeugende, eine zustandsabhängige und vorausschauende Strategie (vgl. Abb. 2.1) [Mat02]. Die Anwendung der richtigen Instandhaltungsstrategie entscheidet maßgeblich über die Zuverlässigkeit technischer Anlagen sowie die Instandhaltungskosten. Da sich die Auswirkungen von Veränderungen der Instandhaltungsstrategie in der Regel erst mittel- und langfristig zeigen und oftmals durch andere Einflussfaktoren
2.2 Instandhaltungsstrategien
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Instandhaltungsstrategien
Reaktive Instandhaltung
periodisch vorbeugend
Präventive Instandhaltung
zustandsabhängig
vorausschauend
Abb. 2.1 Instandhaltungsstrategien [Mat02].
überlagert werden, z.B. durch Produktumstellungen oder Auslastungen, gestaltet sich der konkrete Nachweis über Kostenreduzierungen im Instandhaltungsbereich schwierig. Nachweisbar ist jedoch ein Zusammenhang zwischen der Instandhaltungsstrategie und der Ausnutzung des Abnutzungsvorrates sowie der Ausfallzeit technischer Anlagen. Der Abnutzungsvorrat ist dabei nach DIN 31051 definiert mit dem Vorrat der möglichen Funktionserfüllungen unter festgelegten Bedingungen, über die eine Betrachtungseinheit aufgrund der Herstellung, Instandsetzung oder Verbesserung verfügt [DIN 31051]. Während der Nutzung einer technischen Anlage erfolgt eine Verringerung des Abnutzungsvorrates. Die Ursache hierfür liegt in der Abnutzung ihrer Komponenten begründet. In der DIN 31051 ist die Abnutzung definiert als Abbau des Abnutzungsvorrates, hervorgerufen durch chemische und/oder physikalische Vorgänge [DIN 31051]. Häufig wird hier die Abnutzung auch mit einem Schadensablauf, der nach Stand der Technik unter gegebenen Einsatzbedingungen in einem vorgegebenen Benutzungszeitraum an einem Schadensobjekt zu erwarten ist, erklärt.
2.2.1 Reaktive Instandhaltung Bei der reaktiven Instandhaltung, oft auch als störungsbedingte Instandsetzung, ausfallorientierte Instandhaltung oder Feuerwehrstrategie bezeichnet, erfolgt eine Reaktion der Instandhaltung erst nach Ausfall einer Komponente oder aufgrund des Erreichens einer festgelegten Schadensgrenze. Auf zwischenzeitliche Wartungen oder Inspektionen wird dabei konsequent verzichtet. Im eigentlichen Sinne handelt es sich bei diesem Vorgehen um keine Strategie. Eine Strategie bedeutet ein längerfristig ausgerichtetes, planvolles Anstreben eines Ziels. Das beschriebene Vorgehen verlangt allerdings spontanes und schnelles Arbeiten und fordert vom Instandhalter fachspezifische Fähigkeiten des Wahrnehmens und Beurteilens des aktuellen Systemzustands. Außerdem ist das Vorgehen unfall-
28
2 Grundlagen der Instandhaltung
trächtig und in vielen Anwendungsfällen wegen des bestehenden Gefährdungspotenzials, welches von vielen technischen Anlagen ausgeht, auch unzulässig. Dieses Vorgehen erscheint zunächst als kostengünstigste Strategie, da keine Planungsaufwände entstehen und tatsächlich nur das ausgetauscht wird, was auch wirklich defekt ist. Damit wird der vorhandene Abnutzungsvorrat jedes Bauteils auch tatsächlich ausgenutzt, da die Anlagen dabei bis zum Schadensfall betrieben werden. Tritt ein Schadensfall ein, handelt es sich in der Regel um ein plötzlich auftretendes, ungeplantes Ereignis. Die Folge ist, dass die Instandsetzung unter großem Zeitdruck erfolgt und die erforderlichen Instandhaltungsressourcen, wie Personal, Ersatzteile, Werkzeuge, Ausrüstungen und Hilfsmittel, oftmals nicht sofort zur Verfügung stehen oder für den Schadensfall extra vorgehalten werden müssen. Da die Schadensgrenze hierbei meist unterschritten wird, erfolgt oftmals auch eine unzulässige Beeinträchtigung anderer Komponenten der Anlage, was zu unvorhersehbaren Folgeschäden an anderen Anlagen, Maschinen, Komponenten, Baugruppen oder Bauteilen führen kann. Die ungeplante reaktive Instandhaltungsstrategie führt dadurch zu der höchsten Ausfallzeit und zu den höchsten Ausfallfolgekosten im Vergleich zu den anderen Instandhaltungsstrategien. Ein weiterer Nachteil liegt in der mangelhaften Planbarkeit von Instandhaltungsmaßnahmen. Wegen der Unvorhersehbarkeit von Schadensfällen sind Angaben zu garantierten Anlagenverfügbarkeiten nicht möglich. Die Anwendung dieser Strategie sollte demnach nur auf solche Anlagen bzw. deren Komponenten beschränkt sein, die im Unternehmen eine untergeordnete Bedeutung haben. Das trifft in der Regel für Anlagenkomponenten zu, bei deren Ausfall keine Sicherheitsanforderungen berührt werden und Ausfälle zu keinen Produktionsunterbrechungen führen. Diese Strategie sollte nur verfolgt werden, wenn redundante Systeme vorhanden sind oder eine schnelle Verfügbarkeit aller Instandhaltungsressourcen für eine Schadensbehebung gegeben ist [Str88, Mat02].
2.2.2 Präventiv periodisch vorbeugende Instandhaltung Bei der periodisch vorbeugenden Instandhaltungsstrategie erfolgt eine Instandsetzung oder ein Austausch von Anlagenkomponenten unabhängig vom tatsächlichen Komponentenzustand nach definierten Nutzungsintervallen. Diese können zeit- oder ereignisbezogen festgelegt werden, z.B. nach Kalenderzeit, Betriebsstunden, Starts und Landungen, Stück, gefahrenen Kilometern u.ä. (vgl. Abb. 2.2). Die Anwendung dieser Strategie ist dann sinnvoll, wenn Sicherheits- und Umweltanforderungen das erfordern oder wenn die zu erwartende Lebensdauer von Komponenten sehr gut bekannt ist. Das Ausfallrisiko einer Anlage ist bedeutend geringer als bei der reaktiven Instandhaltungsstrategie, da sich die Maßnahmen sehr gut über Zeit- und/oder Nutzungsintervalle planen und somit die erforderlichen Instandhaltungsressourcen bereitstellen lassen. Die Instandhaltungsmaßnahmen erfolgen planmäßig in Zeitfenstern, in denen keine Produktion stattfindet. Die Durchführungszeiten selbst sind
Abnutzungsvorrat AV [%]
2.2 Instandhaltungsstrategien
29
100
Grenze der Funktionserfüllung 0 Zeit t [h]
Regelgröße Austauschzeitpunkt
Abb. 2.2 Regelgröße Zeit bei der periodisch vorbeugenden Instandhaltung.
durch einen hohen Wiederholgrad und planbare Abläufe optimiert, woraus ein geringer Anlagenstillstand resultiert [Mat02]. Damit ist es der Instandhaltung auch möglich, Verfügbarkeitsgarantien abzugeben. Dem gegenüber steht die Tatsache, dass bei einer periodisch vorbeugenden Instandhaltungsstrategie der Austausch einer Komponente in der Regel zu früh erfolgt. Damit wird Abnutzungsvorrat der Komponente verschenkt und der Verbrauch an Ersatzteilen und Materialien erhöht. Eine zunehmende Anwendung der Präventivmethode führt somit einerseits zu einer Senkung der Ausfallkosten aber andererseits zu einem Anstieg der Vorbeugungskosten. Hierin zeigt sich ein Zielkonflikt zwischen der reaktiven und der periodisch vorbeugenden präventiven Strategie. Es wird deutlich, dass, obwohl die reaktive Instandhaltungsstrategie den Abnutzungsvorrat vollständig ausnutzt, die Nachteile dieser Strategie vor allem aufgrund der Unplanbarkeit von Maßnahmen und zu erwartender Folgeschäden an anderen Komponenten wegen Unterschreitung akzeptierter Schädigungsgrenzen überwiegen. Wird bei der periodisch vorbeugenden Instandhaltung das Austauschintervall durch eine intensivere Nutzung der Anlage eher erreicht oder durch eine ungenaue Berechnung zu lang eingestellt, werden diese Vorteile nicht ausgenutzt, da es zu ungeplanten Ausfällen von Komponenten durch die Unterschreitung der Schadensgrenze mit den entsprechenden Konsequenzen für andere Komponenten kommen kann. In diesen Fällen sind Maßnahmen zu ergreifen, die wie bei der reaktiven Instandhaltungsstrategie unplanmäßig ablaufen müssen. Dieses würde dieselben negativen Folgen wie bei der reaktiven Instandhaltungsstrategie verursachen. Im Ergebnis ist aber davon auszugehen, dass die Ausfallzeiten deutlich geringer ausfallen als bei der rein reaktiven Strategie. Die Herausforderungen bei der Umsetzung einer periodisch vorbeugenden Instandhaltungsstrategie bestehen darin, dass alle Komponenten einer technischen Anlage ein unterschiedliches Ausfallverhalten aufweisen und damit auch andere zu erwartende Lebensdauern. Um die Ausnutzung des Abnutzungsvorrates der Komponenten zu optimieren, müssen periodisch durchzuführende Instandhaltungsmaß-
30
2 Grundlagen der Instandhaltung
nahmen mit unterschiedlichen Intervallen ausgeführt werden. Dazu müssen vorangegangene Schadensereignisse gut dokumentiert sein, um bspw. mit statistischen Verfahren entsprechende Erfahrungen abzuleiten und in die Festlegung von Austauschintervallen einfließen zu lassen. Notwendig ist diese Instandhaltungsstrategie vor allem dann, wenn der Ausfall von Anlagenkomponenten eine hohe Gefährdung für Menschen und die Umwelt darstellt. Des Weiteren, wenn gesetzliche Vorschriften einen regelmäßigen Austausch oder regelmäßige Inspektion erforderlich machen, z.B. der 2-jährliche Hauptuntersuchung bei Kraftfahrzeugen. Außerdem ist sie für Komponenten, deren Austausch- bzw. Instandsetzungskosten im Verhältnis zu den Ausfallkosten sehr niedrig sind, z.B. von Luft- und Ölfiltern, geeignet, auch wenn keine Erfahrungen über das Ausfallverhalten vorliegen. Eine genaue und wiederholte Analyse der Anlagenhistorie unterstützt deshalb die Planung für eine periodisch vorbeugende Instandhaltungsstrategie.
2.2.3 Präventiv zustandsabhängige Instandhaltung
Abnutzungsvorrat AV [%] Regelgröße
Die geringste Ausfallzeit bei sehr guter Ausnutzung des Abnutzungsvorrates wird durch den Einsatz der zustandsabhängigen Instandhaltungsstrategie, häufig auch als Inspektionsstrategie bezeichnet, erreicht. Der wesentliche Unterschied zu den anderen Strategien besteht darin, dass sich die Steuergröße für die Auslösung von Instandhaltungsmaßnahmen ändert. Während bei der periodisch vorbeugenden Instandhaltung diese Steuergröße letztlich die Zeit ist, ist hierbei die Steuergröße der Zustand, der sich z.B. über den Abnutzungsvorrat beschreiben lässt (vgl. Abb. 2.3).
100
Grenze der Funktionserfüllung 0
Zeit t [h] Austauschzeitpunkt
Abb. 2.3 Regelgröße Abnutzungsvorrat bei der zustandsabhängigen Instandhaltung.
Mit der zustandsabhängigen Instandhaltungsstrategie wird es möglich, Wartungsund Instandsetzungsmaßnahmen genau zu dem Zeitpunkt durchzuführen, wenn es der Abnutzungsvorrat erfordert. Das setzt allerdings die Bereitstellung von aktuellen
2.2 Instandhaltungsstrategien
31
Zustandsinformationen über die technische Anlage voraus, damit Abweichungen vom normalen Betriebsverhalten schnell erkannt werden können. Die Instandhaltungsintervalle werden dabei jeweils auf die Veränderungen im Abnutzungsvorrat angepasst. Die Zustandsüberwachung bei der Inspektionsmethode erfolgt mittels Methoden und Werkzeugen der technischen Diagnostik. Die einfachste Form ist eine Überwachung durch den Menschen in Form regelmäßiger Inspektionen mit Erfassung und Bewertung zustandsrelevanter Parameter. Bei einer technischen Unterstützung durch sog. Condition Monitoring Systeme (CMS), reduziert sich der Aufwand für die Durchführung der manuellen Inspektionen, da diese selbstständig zyklisch oder kontinuierlich durchgeführt werden. Ziel muss es dabei sein, mit möglichst wenigen Sensoren, ein Maximum an Komponenten zu überwachen, um die Investitionskosten für ein CMS gering zu halten und nicht neue Fehlerquellen in die Anlage einzubauen. Eine zustandsabhängige Instandhaltung kommt dann zur Anwendung, wenn die Veränderung an Abnutzungsvorrat messbar ist, d.h. technisch realisierbar ist, und eine messtechnische Erfassung zustandsbestimmender Parameter auch wirtschaftlich vertretbar ist. Durch Inspektionen ist es möglich, Schäden rechtzeitig zu detektieren und den Schadenseintritt sehr genau vorherzusagen. Entsprechende zustandserhaltende Maßnahmen vermeiden weitgehend Anlagenausfälle, was zur Erhöhung der Zuverlässigkeit beiträgt. Außerdem verbleibt dem Instandhaltungsbereich ein ausreichend großer Zeitraum, die Schadensbeseitigung zu einem geeigneten Zeitpunkt durch gut vorbereitete Instandsetzungsmaßnahmen schnell und günstig durchzuführen. Dies wirkt sich unmittelbar auf die Instandhaltungskosten aus.
2.2.4 Präventiv vorrausschauende Instandhaltung Eine konsequente Weiterentwicklung der zustandsabhängigen ist die vorausschauende Instandhaltungsstrategie [Mat02, Mou96]. Bei dieser Strategie wird im Verlauf einer zu erwartenden Zustandsveränderung von Komponenten noch eher angesetzt. Das Ziel besteht darin, bereits potenzielle (verdeckte) Störungen zu erkennen und deren Weiterentwicklung gezielt zu verhindern. Ausgangspunkt der Betrachtungen bei der Anwendung dieser Instandhaltungsstrategie ist die Definition von Funktionen und möglichen Funktionsstörungen. Die Funktionen technischer Anlagen lassen sich hierbei im Wesentlichen in drei Kategorien einordnen [Mou96]: Primäre Funktionen Die primären Funktionen leiten sich aus den hauptsächlichen Gründen für die Investition in eine Anlage ab, z.B. Geschwindigkeit eines Fördersystems in ms , Vo3
lumenstrom einer Drucklufterzeugungsanlage in mh , Kapazität eines Tanks in m3 . Zusätzlich sind bei den primären Funktionen noch Qualitätskriterien zu berücksichtigen, d.h., eine primäre Funktion ist in der Regel von mehreren Eingangsgrößen ab-
32
2 Grundlagen der Instandhaltung
hängig. Beispielhaft besteht die erweiterte Funktion des Fördersystems darin, dass die Geschwindigkeit des Fördersystems in ms bis zu einer maximalen Menge an Fördergut in t zu gewährleisten ist. Für eine Drucklufterzeugungsanlage könnte ein zusätzliches Qualitätskriterium der sog. Drucktaupunkt in ◦ C sein, d.h. diejenige Temperatur der feuchten Luft, bei der diese wasserdampfgesättigt wäre und somit bei einer weiteren Temperaturabsenkung kondensieren würde. Der Drucktaupunkt ist damit ein Qualitätskriterium für den Trocknungsgrad der erzeugten Druckluft. Bei komplexen Anlagen ist es möglich, dass bspw. in Abhängigkeit von einem Produkt mehrere Primärfunktionen existieren, die unterschiedlich erfüllt werden müssen (multiple Primärfunktionen). Aus den unterschiedlichen Funktionsbeschreibungen würden sich im Extremfall verschiedene Instandhaltungsstrategien ergeben. Da sich die Wirkungen von Instandhaltungsmaßnahmen nur langfristig zeigen, ist eine eventuelle Änderung der Instandhaltungsstrategie nur dann sinnvoll, wenn die unterschiedlichen Produkte über einen längeren Zeitraum hergestellt werden. Ist das nicht der Fall, d.h., die Zeitspanne zwischen den einzelnen Instandhaltungsmaßnahmen ist größer als der Produktionszeitraum, erfolgt die Ausrichtung auf den sog. Worst Case, in dem die einzelnen Funktionsbeschreibungen zusammengefasst werden. Die Instandhaltung stellt in diesem Fall sicher, dass die jeweils maximalen Leistungsnormen erfüllt werden, wobei die einzelnen Funktionen unabhängig voneinander realisiert werden. Bei den seriellen Primärfunktionen muss erst eine Funktion abgeschlossen sein, bevor die nächste begonnen werden kann. Sekundäre Funktionen Neben den primären Funktionen sind von einer komplexen Anlage noch weitere sog. sekundäre Funktionen zu erfüllen, die sich in nachfolgende Kategorien einteilen lassen: • Betriebssicherheit, Gesundheits- und Arbeitsschutz, d.h. Sicherheitsfunktionen, das Vorhandensein und die Wirksamkeit von Schutzeinrichtungen, Verhinderung der Kontamination bzw. Einhaltung von Hygienevorschriften bei bestimmten Produkten, z.B. häufig Routineinstandhaltung wie Wartung und Reinigung, oftmals in größerem Umfang als die zu schützenden Anlagen • Umweltschutz als Übereinstimmung des Prozesses mit bestimmten Umweltnormen, z.B. die Agenda 21 und Ziele nachhaltigen Wirtschaftens • Speicherung, Transport, Pufferung bzw. Lagerung einer bestimmten Menge von Materialien • Beeinflussbarkeit, d.h. das Vorhandensein von Möglichkeiten, die Leistung entsprechend den Anforderungen zu regulieren • Erscheinungsbild • Wirtschaftlichkeit/Effizienz Die Aufgabe der Instandhaltung besteht darin, auch diese sekundären Funktionen abzusichern, da eine Störung schwerwiegende Folgen für die Betriebssicherheit und Wirtschaftlichkeit der Anlage hervorrufen kann.
2.2 Instandhaltungsstrategien
33
Überflüssige Funktionen Anlagen enthalten oftmals Komponenten, Baugruppen, Bauteile oder zusätzliche Funktionen, die für die erwünschte Funktionserfüllung irrelevant sind. Diese Bauteile erfüllen zwar keine geforderte Funktion, dennoch üben sie einen Einfluss auf die Zuverlässigkeit der Gesamtanlage aus und beeinträchtigen damit die Erfüllung primärer und sekundärer Funktionen. Nach Moubray’s Auffassung sind bei komplexen Systemen ca. 5 bis 20 % der Bauteile überflüssig im Sinne der Funktionserfüllung [Mou96]. Das erfordert entsprechende Maßnahmen der Instandhaltung zur Verhinderung von Ausfällen auch überflüssiger Funktionen. Dazu werden Instandhaltungsressourcen benötigt und Instandhaltungskosten verursacht. Funktionsstörungen Eine Anlage kann aus vielerlei Gründen den Betrieb einstellen. Eine genaue Klassifizierung von Funktionsstörungen nach entsprechenden Schadensbildern ermöglicht es, Schwerpunkte der Störungen im Produktionsprozess zu ermitteln und auszuwerten. Die Klassifizierung hat die Aufgabe, all diese Ereignisse, für die eine Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie die Funktion der Anlage beeinträchtigen, vollständig zu ermitteln und zu bewerten. Schadensbilder werden heute in • • • •
sicherheitsrelevante umweltrelevante betriebsrelevante betriebsunabhängige
Schadensbilder unterteilt. Unter den sicherheitsrelevanten Funktionsstörungen werden alle Schadensbilder zusammengefasst, die zu Beeinträchtigungen der Anlagensicherheit und des Arbeitsschutzes führen, z.B. durch eine erhöhte Unfallgefahr, ein erhöhtes Brand- oder Explosions-Risiko, den Einsturz von Gebäuden, fehlende Beleuchtung, Stromschläge, herabfallende Objekte. u.ä. Unter umweltrelevanten Funktionsstörungen werden alle Schadensbilder zusammengefasst, die Umweltschutzvorschriften verletzen. Dazu zählen bspw. Undichtigkeiten, Geräuschentwicklung, Überschreitung von Emissionsgrenzwerten, unkontrolliertes Bakterienwachstum oder Kontamination mit radioaktiven Substanzen. Betriebsrelevante Funktionsstörungen bewirken lediglich einen Stillstand der Produktionsanlage, der letztlich zu schlechten Verfügbarkeiten der Anlage führt. Da viele Anlagenbetreiber bei ihren Instandhaltungsstrategien als Zielkriterium eine Maximierung der Anlagenverfügbarkeit anstreben, ist eine Identifizierung der ausfallverursachenden Anlagen, Komponenten, Baugruppen oder Bauteile erforderlich. Darüber hinaus fallen Schadensbilder, die den Produktausstoß, die Produktqualität und den Kundenservice beeinflussen, ebenfalls unter diese Kategorie. Die letzte Gruppe bilden die betriebsunabhängigen Schadensbilder. Diese verursachen lediglich Instandsetzungskosten. Allerdings können diese sog. Bagatellschäden, d.h. Ausfälle mit geringem Schadensumfang, eine große Verlustquelle darstellen, wenn sie häufig auftreten. Nach der anlagenspezifischen Definition von Funktionen und Funktionsstörungen werden bei der vorausschauenden Instandhaltung Maßnahmen überprüft, wie
34
2 Grundlagen der Instandhaltung
sich Störungen verhindern lassen. Dabei stehen die Möglichkeiten des Erkennens von potenziellen Störungen an erster Stelle, erst danach werden andere Optionen in die Maßnahmenwahl einbezogen. In Abb. 2.4 ist das grundsätzliche Vorgehen dargestellt [Mou96, Mat02]. Von den vier Grundstrategien der Instandhaltung lässt sich eine Vielzahl von Unterstrategien und Taktiken ableiten, meist durch Kombination mit Instandhaltungstätigkeiten oder durch Unterscheidung in technische und organisatorische Kriterien [Con06, Ndo97]. So wird bspw. von Grothus [Con06] eine Zerlegung der Strategien in Taktiken vorgenommen (vgl. Abb. 2.5). Die zustandsabhängige Strategie wird dabei in eine Form mit periodischer Inspektion und permanenter Überwachung unterteilt und dann weiter danach gegliedert, wer diese Inspektionen wie ausführt. Weiterhin werden die Verhaltensweisen der Menschen, die Ersatzteilversorgung und die Systemkonstruktion bei der vorbeugenden Instandhaltung berücksichtigt. Eine derartige feinere Unterteilung ist hilfreich bei der operativen Vorbereitung, Durchführung und Abrechnung von Instandhaltungsmaßnahmen. Sie ist für die Prozesse der frühen Phasen einer Instandhaltungsplanung mit z.T. unsicheren Eingangsinformationen allerdings nicht wirklich hilfreich. Häufig wird auch das Konzept der Total Productive Maintenance (TPM) als eigene Instandhaltungsstrategie angesehen. Diese beinhaltet die schrittweise Integration von Instandhaltungsaufgaben in die Produktion, um letztlich die Instandhaltung von Routinearbeiten zu entlasten und damit Ressourcen für anspruchsvolle Aufgaben, wie Störungssuche, Zustandsüberwachung, Ursachenforschung und Anlagenverbesserung, freizusetzen. Auf diese Strategie wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen, weil die Grundmaßnahmen der Instandhaltung davon letztlich nicht beeinflusst werden, sondern eine neue Aufgaben- und Verantwortungsverteilung zwischen Produktionsarbeitern sowie internen und externen Instandhaltungsdienstleistern im Mittelpunkt der Aktivitäten steht [Har07, Jac93, Ste07, FS02].
2.2.5 Auswahl der Instandhaltungsstrategie Wie in den vorangegangenen Abschnitten beschrieben, kommt der Auswahl einer optimalen Instandhaltungsstrategie eine große Bedeutung zu, um die definierten Zielstellungen zu erreichen. Abb. 2.6 zeigt eine Vorgehensweise zur Unterstützung des Auswahlprozesses. Die Auswahl der Strategie erfolgt in der Regel auf der Anlagenebene, bei komplexen technischen Systemen sogar auf der Komponentenebene. Deshalb hängt die Entscheidung für oder gegen eine der erläuterten Strategien immer von der konkreten Situation der technischen Anlage und der Instandhaltungspolitik im Unternehmen ab. Daraus folgt, dass es keine allgemeingültige Instandhaltungsstrategie geben kann, sondern im Unternehmen immer ein Mix aus den möglichen Strategien anzutreffen ist. Es kommt also darauf an, diesen Mix optimal zu gestalten.
2.2 Instandhaltungsstrategien
35
Start
Lohnen sich Maßnahmen gegen potenzielle Störungen?
ja
Zustandsabhängige Maßnahmen, Intervall zwischen dem Erkennen und dem Auftreten einer Störung
ja
Geplante Überholung oder Austausch, Intervall < Lebensdauer
nein Lohnt sich die geplante Überholung oder ein Austausch? nein Ist ein Funktionsausfall rechtzeitig erkennbar?
nein
Ist eine vorbeugende Instandhaltung wirtschaftlich?
ja
nein ja
Entstehen Ausfallfolgen für Mensch oder Umwelt?
Fehlersuchmaßnahmen Konstruktionsänderung optional
ja
Ist eine vorbeugende Instandhaltung wirtschaftlich?
ja
nein
nein
Konstruktionsänderung
Entstehen Ausfallfolgen für die Produktion?
ja
Ist eine vorbeugende Instandhaltung wirtschaftlich?
ja
nein nein Ausfallstrategie Konstruktionsänderung wünschenswert
Abb. 2.4 Vorgehensweise zur Auswahl von Instandhaltungsmaßnahmen für eine vorausschauende Instandhaltung nach Moubray [Mou96].
2.2.6 Aufgaben der Instandhaltungsplanung Aus den genannten Grundmaßnahmen und Instandhaltungsstrategien ergibt sich für die Instandhaltung eine Reihe von Aufgaben, die sich wie folgt zusammenfassen lassen [VDI 2895, BM87, Eic90, SMN97]:
36
2 Grundlagen der Instandhaltung
30 Taktiken gegen zulässige” Schäden “ Zustandsabhängige Instandhaltung
Periodische Inspektionen
Wiederkehrende Prüfungen
Permanente Überwachung
Zustandserhaltung Vorausschauende Ausfallinstandsetzung Periodische Instandsetzung Vorbeugende Systemkonstruktion Beseitigung der Ursachen unzulässiger Schäden
beschleunigte Instandsetzung Materialbereitstellung zuverlässige Elemente redundante Anordnung Betriebsweise
durch Mitarbeiter
System an der Anlage
durch Instrument
gekoppelt an Ferndiagnose
Schnelldiagnose manuell Schnellreparatur Arbeitsbereitschaft
Umwelt
Konsignation
Bevorratung beim Nutzer
normale Lieferbedingungen
gemeinsame Bevorratung für mehrere Nutzer
Liefergarantie
Beschaffung bei Bedarf
Ausschlachtung
Medium keine vorbeugenden Maßnahmen
Eigentum Nutzer
durch ServiceUnternehmen
Anpassung
Improvisation bei Bedarf
Neuanfertigung
Abb. 2.5 Taktiken der Instandhaltung nach Grothus [Con06].
• Ermittlung eines Instandhaltungsbedarfes auf der Grundlage gesetzlicher Vorschriften, Herstellerangaben, Produktionsanforderungen und eigener Erfahrungen über das Betriebs- und Ausfallverhalten technischer Anlagen • Auswahl und Festlegung einer optimalen Instandhaltungsstrategie und Bildung eines Strategie-Mix, da ein Instandhaltungsbereich viele unterschiedliche technische Anlagen zu betreuen hat, die alle einen individuellen Instandhaltungsbedarf und eine unterschiedliche Bedeutung für ein Unternehmen darstellen • Planung der räumlichen und zeitlichen Organisation des Instandhaltungsbereiches • Auswahl und ständige Qualifizierung der Mitarbeiter, die mit Instandhaltungsaufgaben betraut werden • Gestaltung von Dienstleistungspartnerschaften im Zusammenhang mit dem Outsourcing von Instandhaltungsleistungen • Planung und Steuerung aller Grundmaßnahmen der Instandhaltung • Installieren eines Störfallmanagements, d.h. Erarbeitung von Havarieplänen und Vorgehensweisen zur Gefahrenabwehr und Reaktion bei Störungen und deren Beseitigung • Ermittlung und Beseitigung von Schwachstellen und Analyse von Schadensursachen und Schädigungsmechanismen an technischen Anlagen
2.2 Instandhaltungsstrategien
37
Start
RPZ Risikoprioritätszahl
Ist die Ausfallursache oder das -verhalten bekannt?
nein
Ausfallverhalten bestimmen
ja Handelt es sich um ein Verschleißteil?
nein
ja
Ist die Anlagenpriorität hoch?
nein
Ausfallstrategie
ja Ist eine vorbeugende Instandhaltung wirtschaftlich?
RPZ bestimmen
nein
nein
Ist die RPZ hoch?
ja ja Ist eine Zustandsüberwachung möglich?
Vorbeugende Instandhaltung nach Zeit-/Nutzungsintervallen
nein
nein ja Konzeption der Diagnose
Ist eine Zustandsüberwachung wirtschaftlich?
ja
Zustandsorientierte Instandhaltung
Abb. 2.6 Auswahl der Instandhaltungsstrategie nach Redeker [Red99].
• Planung und laufende Kontrolle des Instandhaltungsaufwandes und der Instandhaltungskosten, Bildung von begründbaren Instandhaltungsbudgets • vollständige Dokumentation aller relevanten Daten und Informationen zu den technischen Anlagen, einschließlich von Veränderungen über den gesamten Lebenszyklus in Form von Lebenslaufakten
38
2 Grundlagen der Instandhaltung
• Auswahl und Einführung von unterstützenden Werkzeugen für ein effektives und effizientes Instandhaltungsmanagement, wie z.B. Instandhaltungsplanungs und -steuerungssysteme, Condition Monitoring-Systeme (CMS) und Trainingssysteme • Initiierung und Durchführung eines nachhaltigen und kontinuierlichen Verbesserungsprozesses zur ständigen Optimierung der Instandhaltung • Festlegung von geeigneten Instandsetzungstechnologien • Planung und Abwicklung einer Ersatzteilbevorratung Die Einordnung der Aufgaben der Instandhaltungsplanung in den kontinuierlichen Verbesserungsprozess in den Unternehmen lässt sich abschließend entsprechend Abb. 2.7 zusammenfassen.
KVP
kontinuierliche Weiterentwicklung/Verbesserung Umsetzung, Planung und Steuerung, Durchführung Dokumentation, Bewertung
Realisierung
Dimensionierung und Strukturierung von Instandhaltungsbereich
Organisation
Wahl der Instandhaltungsstrategie und Bildung eines Strategie-Mix
Strategie
Ermittlung des Instandhaltungsbedarfs als Planungsgrundlage
Instandhaltungsbedarf
KVP Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
Abb. 2.7 Aufgaben der Instandhaltungsplanung.
2.3 Instandhaltung als logistischer Prozess Der Logistikbegriff ist nicht einheitlich definiert. Die sprachlichen Wurzeln des Begriffs Logistik liegen zum einen im griechischen logos (Verstand, Rechenkunst) und zum anderen im germanisch-französischen Wortstamm loger (versorgen, unterstützen). Bereits der byzantinische Kaiser Leontos VI. (886-911) erkannte die große strategische Bedeutung der ausreichenden Versorgung seiner Truppen; der französische General Jomini (1779-1869) schuf mit dem maréchal de logis innerhalb des napoleonischen Heeressystems eine Position von zentraler Bedeutung. Dieser hatte als Quartiermacher für die ausreichende Versorgung der Truppen zu sorgen [Pfo04, HT96]. Mit der Zeit wurde dieser Aufgabenbereich immer umfassender verstanden. Zur Versorgung trat in der Folgezeit immer mehr die Planung des Transport- und Verkehrswesens der Militäreinheiten.
2.3 Instandhaltung als logistischer Prozess
39
In modernen Unternehmen umfasst die Logistik die Planung, Organisation, Steuerung, Durchführung und Überwachung des Transports-, des Umschlags- und der Lagerung von Gütern von der Beschaffung über die Fertigung und Verteilung bis zur Entsorgung. Heute werden in den Logistikbegriff nicht nur die Materialströme, sondern auch Personen-, Energie- und Informationsflüsse einbezogen. In einem Unternehmen sorgt die Logistik dafür, dass • • • • • •
die richtigen Produkte, in der richtigen Menge, im richtigen Zustand, zu den richtigen Zeitpunkten, auf wirtschaftliche Weise und an den richtigen Ort gelangen.
Die physische Versorgung eines Unternehmens mit Ressourcen, d.h. mit Gütern, Dienstleistungen und auch mit Informationen, steht also im Mittelpunkt. Sie wird als innerbetriebliche Logistik bezeichnet [Mat07]. Logistische Prozesse müssen ganzheitlich und prozessorientiert betrachtet werden, wobei auch unternehmensexterne Partner der Prozesskette in die Optimierung einzubeziehen sind. Das Aufgabenspektrum der Logistik hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Bedingt durch eine Konzentration auf die Kernkompetenzen erfolgt eine Abnahme der Wertschöpfungstiefe in den einzelnen Unternehmen sowie eine Verteilung der Wertschöpfungs- und Innovationsprozesse über immer mehr Unternehmen, sodass die Wettbewerbsfähigkeit einer Organisation nur noch z.T. von deren interner Leistungsfähigkeit abhängt. In der Tabelle 2.1 sind einzelne Logistikaufgaben und deren Zuordnung zu den verschiedenen Unternehmensbereichen abschliessend zusammengefasst [Sem99]. Die Instandhaltungslogistik umfasst entsprechend ihrer Definition alle Prozesse und zugehörigen Informationen zur Sicherung der geforderten Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen. Die Realisierung dieser Aufgabe erfolgt durch den Instandhaltungsprozess, der mittels Instandhaltungsressourcen wie Personal, Ersatzteile, Arbeits- und Hilfsmittel am Instandhaltungsobjekt wirkt [Mat07]. Hauptziel der Instandhaltungslogistik ist es, stabile Prozesse zu gewährleisten [Bie02]. Teilziele sind dabei die Erhaltung der Verfügbarkeit der Anlagen, Informationen und des Personals. In das Aufgabengebiet der Instandhaltung fallen dabei neben den Grundmaßnahmen Wartung, Inspektion, Instandsetzung und Anlagenverbesserung [DIN 31051] auch die Analyse des Ausfallverhaltens, die verbesserte Erkennbarkeit potenzieller Störungen und die aktive Vermeidung von Störfällen. Im Zusammenhang mit der Strategieoptimierung ist zu klären, ob durch Aktivitäten der Instandhaltung positive Einflüsse auf die Prozessparameter im Produktionsprozess ausgeübt werden können und damit eine Steigerung der Prozess- und Produktqualität erzielt werden kann. Die Planung und Durchführung von Maßnahmen zur Gewährleistung der ständigen Bereitschaft der Anlagen erfordert eine prozessorientierte Betrachtungsweise, in die auch externe Partner eingeschlossen sind.
40
2 Grundlagen der Instandhaltung
Tabelle 2.1 Bereiche der innerbetrieblichen Logistik nach Steinmann [Ste00]. Bereich
Aufgaben
Beschaffungslogistik
Planung und Durchführung von Maßnahmen, die zur optimalen Gestaltung der Beschaffung von den Beschaffungsmärkten bis in die Lager bzw. bis in die Produktion erforderlich sind. Planung und Durchführung von Maßnahmen, die zur optimalen Standortwahl, zur Gestaltung optimaler Lagersysteme, einer optimalen Lagerorganisation und optimaler Lagertechnik erforderlich sind. Planung und Durchführung von Maßnahmen zur optimalen Gestaltung des Leistungsflusses von der Übernahme der bereitgestellten Produktionsfaktoren bis zur Abgabe der fertiggestellten Produkte an die Distribution. Planung und Durchführung von Maßnahmen zur optimalen Gestaltung des Transports bei der Wahl der Transportmittel, der Transportwege, der Beladung, der Entladung, der Übergabe u.ä. Planung und Durchführung von Maßnahmen zur optimalen Beschaffung und Gestaltung der Verfügbarkeit von Ersatzteilen. Planung und Durchführung von Maßnahmen zur Gewährleistung der ständigen Bereitschaft der Anlagen. Planung und Durchführung von Maßnahmen zur optimalen Gestaltung des Leistungsprozesses der Übernahme der Produkte aus der Produktion und deren Weiterleitung und Übergabe an die Käufer. Planung und Durchführung von Maßnahmen zur optimalen Entsorgung. Planung und Durchführung von Maßnahmen zur optimalen Bereitstellung von Informationen.
Lagerlogistik Produktionslogistik
Transportlogistik Ersatzteillogistik Instandhaltungslogistik Distributionslogistik Entsorgungslogistik Informationslogistik
Ein Prozess stellt die Folge logisch zusammenhängender Aktivitäten zur Erstellung einer Leistung oder zur Veränderung eines Objektes dar (vgl. Abb. 2.8). Er ist gekennzeichnet durch einen definierten Anfang, der durch einen Auslöser oder Input-Größen aktiviert wird. Ein weiteres Merkmal eines Prozesses ist ein definiertes Ende an dem ein Ergebnis, ein Wert bzw. definierte Output-Größen entstehen. Das Hauptziel eines Prozesses ist ein Wertzuwachs bzw. eine Wertschöpfung.
Inputgrößen – Mittel/Ressourcen – Ergebnisse vorgelagerter Prozesse – Informationen – Ziele
Prozess
Steuerungsgrößen
Abb. 2.8 Allgemeine Kennzeichen eines Prozesses [Bie02].
Outputgrößen – – – –
Produkte/Dienstleistungen Nebenprodukte Informationen Ergebnisse - Wertschöpfung - Kosten - Qualität - Kundenzufriedenheit - Anlagenverfügbarkeit
2.3 Instandhaltung als logistischer Prozess
41
Um eine prozessorientierte Betrachtungsweise der Instandhaltung zu ermöglichen, ist es notwendig, die Abläufe der Produktion mit den Wechselwirkungen zwischen den Elementen des Produktionssystems und deren verfügbarkeitsrelevante Störungen als auch der Abläufe der Instandhaltung in Prozesselementen zu erfassen und darzustellen. Diese Betrachtungsweise unterscheidet die Instandhaltungslogistik von der althergebrachten Instandhaltung. Zur Darstellung logistischer Prozesse werden Prozessketten gebildet, die aus einzelnen Prozesskettenelementen und ihren Beziehungen zueinander bestehen. Abb. 2.9 zeigt ein allgemeingültiges Element einer Prozesskette, mit dessen Hilfe es möglich ist, Instandhaltungsabläufe prozessorientiert darzustellen. Alle Prozesskettenelemente besitzen als Eigenschaften Strukturen, Ressourcen, Prozesse und Lenkungsebenen, mit denen sie sich beschreiben lassen.
– – – –
Planung Steuerung Durchführung Analyse
– – – –
Senken Prozessstrukturen Prozessbeschreibung Quellen
Lenkungsebenen Prozesse Quellen 8
Senken
U
Strukturen Ressourcen
– – – – –
– Aufbauorganisation Personal – Ablauforganisation Ersatzteil-Bestand – Kommunikationsstruktur Betriebsmittel Hilfsmittel Organisationsmittel
Abb. 2.9 Prozesskettenelement der Instandhaltung.
Analog zur Produktionslogistik wurden die Abläufe der Instandhaltung in Form von Prozessketten abgebildet (Abb. 2.10) [Kuh01]. Im Vergleich zu anderen Darstellungsformen ermöglichen diese durch ihren Modellcharakter, die verwendeten Kennzahlen sowie durch die anschließenden Analysemöglichkeiten, z.B. durch eine Simulation, die Beurteilung der logistischen Qualität der Abläufe [Got01a, Got01b]. Die Instandhaltungslogistik beeinflusst maßgeblich den Servicegrad einer Anlage. Der Servicegrad ist allgemein durch die in Abb. 2.11 dargestellten sechs Elemente gekennzeichnet: Die Lieferzeit umfasst die Zeit von der Auftragsvergabe durch den Kunden bis zur Lieferung bzw. zur Übergabe der Leistung an den Kunden. In der Instandhaltung
42
2 Grundlagen der Instandhaltung
E1
ADF
SM > – 11
Störung
DOK
ADI
AE
E2
A1 AV – Zeitpunkt – Nutzungseinheit – Zustand
IHC
Instandhaltungssystem SM AE AV ADI
Störungsmeldung Auftragserfassung Auftragsvorbereitung Auftragsdisposition
ADF Auftragsdurchführung IHC Instandhaltungscontrolling DOK Dokumentation
Abb. 2.10 Instandhaltung als logistischer Prozess.
Informationsbereitschaft Lieferzeit
Lieferfähigkeit Servicegrad
Lieferflexibilität
Liefertreue Lieferqualität
Abb. 2.11 Elemente des logistischen Servicegrades.
umfasst die Lieferzeit die Zeit von der Erteilung eines Instandhaltungsauftrages bis zur Wiederaufnahme der Produktion. Die Lieferfähigkeit steht für die Anzahl der Aufträge, die zum Wunschtermin des Kunden geliefert werden können. Bei der Instandhaltung steht sie für die Anzahl an Instandhaltungsmaßnahmen, die zum Wunschtermin des Anlagenbetreibers erfolgen. Die Informationsbereitschaft gibt an, ob der Lieferant dem Kunden gegenüber in der Lage ist, vor und während der Auftragsabwicklung Liefertermin, Auftragsstatus und den Lieferfortschritt zu benennen. Für die Instandhaltung bedeutet das, Informationen über den Fortschritt von Instandhaltungsmaßnahmen, den Auftragsstatus und den Übergabetermin der Anlage an den Betreiber zu liefern.
2.4 Zuverlässigkeit technischer Systeme
43
Die Liefertreue beschreibt den Anteil der Lieferungen, die zum vereinbarten Termin erfolgten. Für die Instandhaltung bedeutet Liefertreue der Anteil der Instandhaltungsmaßnahmen, die zum vereinbarten Termin erfolgten. Die Lieferqualität bewertet den Zustand und Beschädigungsgrad einer Lieferung sowie die Einhaltung der Zusagen in Bezug auf Art, Anzahl und Beschaffenheit des Produktes. Die Qualität der Instandhaltung lässt sich in Bezug auf Nachhaltigkeit und Qualität der Instandhaltungsmaßnahmen bestimmen. Die Lieferflexibilität ist ein Maß für den Grad der Erfüllung spezieller Kundenwünsche. Flexible Instandhaltung bedeutet eine ständige Anpassung der Leistungen an den aktuellen Anlagenbestand und die Fähigkeit zur schnellen Berücksichtigung von speziellen Produktionsanforderungen, wie bspw. längere Produktionskampagnen ohne Unterbrechungen, Produktumstellungen, und der damit verbundenen unterschiedlichen Anlagennutzung.
2.4 Zuverlässigkeit technischer Systeme Eine Betrachtung der gegenwärtigen gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung macht deutlich, dass das wirtschaftliche Wachstum sehr stark an komplexe, effektive und hochautomatisierte Produktionsanlagen mit funktionierenden Dienstleistungsbereichen, wie stabile Energieversorgungs- und Kommunikationssysteme, gebunden ist. Ein Versagen derartiger Systeme führt zu beträchtlichen wirtschaftlichen Verlusten und zur Verminderung der Lebensqualität bspw. durch den Wegfall von alltäglich gewordenen Dienstleistungen. Darüber hinaus stellen hochkomplexe Produktionsanlagen auch ein enormes Gefährdungspotenzial hinsichtlich des Gesundheits- und Umweltschutzes dar Die Schaffung und Sicherung einer hohen Zuverlässigkeit unter Berücksichtigung technischer und wirtschaftlicher Faktoren wird daher zu einer zwingenden Notwendigkeit bei der Entwicklung und dem Betrieb technischer Systeme. Da sich die Zuverlässigkeit eines fertigen Produktes bzw. einer fertigen Produktionsanlage nur noch sehr schwer, wenn nicht sogar überhaupt nicht mehr, beeinflussen lässt, liegt die entscheidende Arbeit der Zuverlässigkeitssicherung in der Phase des Designs, der Projektierung und der Konstruktion. Nur in dieser Phase lassen sich technische und betriebswirtschaftliche Anforderungen nach dem Prinzip »So zuverlässig wie notwendig, aber nicht so zuverlässig wie möglich« verwirklichen. Bei bestimmten Einsatzfällen verbietet sich allerdings die Frage nach einer Wirtschaftlichkeit vom Grundsatz her, d.h., hier stehen eindeutig Sicherheits- und Umweltschutzanforderungen an erster Stelle, wie z.B. bei Kernkraftwerken, in der Luftfahrt und der chemischen Industrie. Gegenstand der Zuverlässigkeitstheorie als wissenschaftliche Disziplin ist die Bewertung, die Prognose, die Erhaltung und die Verbesserung der Zuverlässigkeit technischer Systeme. Die Grundlagen hierfür liegen vor allem in wahrscheinlichkeitstheoretischen Methoden, ergänzt durch Verfahren der diskreten Mathematik und mathematischen Optimierung. Das Ziel besteht in der Beschreibung der viel-
44
2 Grundlagen der Instandhaltung
fältigen Einflussfaktoren auf das Ausfallverhalten technischer Systeme, z.B. durch Belastungen, Abnutzungsprozesse, Herstellungsfehler oder menschliche Einflussnahme, um das Risiko von Ausfällen und deren z.T. schwerwiegenden Auswirkungen möglichst gering zu halten.
2.4.1 Definition der Zuverlässigkeit Im technischen Bereich versteht man unter Zuverlässigkeit (engl.: dependability) die Fähigkeit einer Anlage oder Anlagenkomponente, unter vorgegebenen Anwendungsbedingungen in einem gegebenen Zeitraum die geforderten Funktionen zu erfüllen. Der Begriff der Zuverlässigkeit wird hierbei mit Funktionsfähigkeit (engl.: reliability) gleichgesetzt. Die Bewertung des Zuverlässigkeitsverhaltens erfolgt auf der Grundlage von quantifizierbaren Zuverlässigkeitskenngrößen, in welchen sich stochastische bzw. statistische Zusammenhänge von Einflussfaktoren auf die Zuverlässigkeit widerspiegeln. Wichtige Kenngrößen sind hierbei: • Die Ausfallwahrscheinlichkeit ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine Anlage oder Anlagenkomponente in einem vorgegebenen Zeitintervall ausgefallen ist. • Die Überlebenswahrscheinlichkeit ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich eine Anlage oder Anlagenkomponente in einem vorgegebenen Zeitintervall in einem funktionsfähigen Zustand befindet. • Die Ausfallrate ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine Anlage oder Anlagenkomponente zu einem bestimmten Zeitpunkt ausfällt, wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt funktionsfähig war. • Die mittlere Lebensdauer ist der Erwartungswert der Zeit von der Inbetriebnahme einer Anlage oder Anlagenkomponente bis zu deren Ausfall. • Die Verfügbarkeit ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich eine Anlage oder Anlagenkomponente zu einem gegebenen Zeitpunkt in einem funktionsfähigen Zustand befindet. Für Zuverlässigkeitsuntersuchungen erfolgt grundsätzlich eine Aufteilung technischer Anlagen oder Anlagenkomponenten in instandsetzbare und nicht instandsetzbare Systeme. Die betrachteten Anlagen oder Anlagenkomponenten können grundsätzlich die beiden Zustände funktionstüchtig oder funktionsuntüchtig (oder auch ausgefallen) annehmen. Um die Zuverlässigkeit technischer Systeme zu beschreiben ist es sinnvoll, eine Unterteilung in einfache Systeme und strukturierte Systeme vorzunehmen. Bei den einfachen Systemen hängt die Zuverlässigkeit lediglich vom Betriebs- und Ausfallverhalten einer einzigen Betrachtungseinheit gegenüber Beanspruchungen ab. Bei den strukturierten Systemen sind darüber hinaus noch die strukturellen Verknüpfungen einzelner Komponenten, Bauteile oder Teilsysteme zur Erfüllung von Funktionen zu berücksichtigen [BF87].
2.4 Zuverlässigkeit technischer Systeme
45
2.4.2 Zuverlässigkeitskenngrößen für einfache Systeme Ein einfaches System ist dadurch gekennzeichnet, dass es hinsichtlich des Ausfallverhaltens und der Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen nicht weiter differenziert werden kann und selbst nicht instandsetzbar ist, wie z.B. Bauteile. Setzt man voraus, dass für derartige Systeme nur die beiden Systemzustände funktionstüchtig und funktionsuntüchtig existieren, lässt sich der augenblickliche Systemzustand durch eine Boolesche Variable z(t) wie folgt beschreiben: 1 wenn das System funktionstüchtig ist z(t) = (2.1) 0 sonst Bedingt durch die beiden ausschließlichen Systemzustände ist jeder Übergang vom funktionstüchtigen zum funktionsuntüchtigen durch einen zufälligen Sprungausfall gekennzeichnet (vgl. Abb. 2.12). Das bedeutet, dass in einem vernachlässigbar kleinen Zeitintervall ein Totalausfall erfolgt. Damit ergibt sich die Lebensdauer X eines solchen einfachen Systems aus der Zeitspanne von der Inbetriebnahme bis zum ersten Ausfall.
z(t) 1
0
X
t
Abb. 2.12 Zustandsänderung von einfachen Systemen ohne Instandsetzung.
Der Systemzustand lässt sich in Abhängigkeit von der Zeit t und Lebensdauer X wie folgt spezifizieren: 1 für t < X z(t) = (2.2) 0 für t ≥ X Die Ausfallwahrscheinlichkeit F(t) einer nicht instandsetzbaren Einheit wird durch die Verteilungsfunktion der Lebensdauer X beschrieben. F(t) = P(X < t)
(2.3)
Die Ausfallwahrscheinlichkeit F(t) (vgl. Abb. 2.13) ist demnach die Wahrscheinlichkeit P dafür, dass im Zeitintervall [0,t) ein Systemausfall auftritt. Bei der Betrachtung einer Gesamtheit gleichartiger Teile ergibt F(t) den prozentualen Anteil
46
2 Grundlagen der Instandhaltung
der Teile, die bis zum Zeitpunkt t ausgefallen sind. Die Funktion F(t) ist eine nichtfallende Funktion von t wobei 0 ≤ F(t) ≤ 1 gilt. Als weitere Randbedingungen gelten: • F(0) = 0, d.h. unmittelbar bei Betriebsbeginn ist nicht mit einem Ausfall zu rechnen • F(∞) = 1, d.h. nach unendlicher Betriebsdauer ist in jedem Fall mit einem Ausfall zu rechnen, d.h. die Ausfallwahrscheinlichkeit beträgt 100 %
F(t) 1
0
t
Abb. 2.13 Verlauf der Ausfallwahrscheinlichkeit F(t).
Für zwei Zeitintervalle a und b, mit a < b gilt: P(X < b) = P(X < a) + P(a ≤ X < b)
(2.4)
P(a ≤ X < b) = F(b) − F(a)
(2.5)
In direkter Abhängigkeit zur Ausfallwahrscheinlichkeit eines technischen Systems steht dessen Überlebenswahrscheinlichkeit R(t). R(t) = 1 − F(t)
(2.6)
Damit ergeben sich nachfolgende Aussagen: Die Überlebenswahrscheinlichkeit ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass im Zeitintervall [0,t) kein Systemausfall auftritt. Bei der Betrachtung einer Gesamtheit gleichartiger Teile ergibt R(t) den prozentualen Anteil der Teile, die bis zum Zeitpunkt t funktionsfähig sind. Die Funktion R(t) ist eine nichtwachsende Funktion von t, wobei 0 ≤ R(t) ≤ 1 gilt (vg. Abb. 2.14). Als weitere Randbedingungen gelten: • R(0) = 1, d.h. unmittelbar bei Betriebsbeginn befindet sich das System in einem funktionsfähigen Zustand • R(∞) = 0, d.h. nach unendlicher Betriebsdauer ist in jedem Fall mit einem Ausfall zu rechnen, d.h. die Überlebenswahrscheinlichkeit beträgt hierfür 0 % Zur weiteren Charakterisierung der Lebensdauer eines einfachen Systems dient die aus der Ausfallwahrscheinlichkeit abgeleitete Ausfalldichte f (t) (vgl. Abb. 2.15).
2.4 Zuverlässigkeit technischer Systeme
47
R(t) 1
0
t
Abb. 2.14 Verlauf der Überlebenswahrscheinlichkeit R(t).
δ F(t) (2.7) δt Für sehr kleine Zeiträume Δ t → 0 gibt die Ausfalldichte die Wahrscheinlichkeit dafür an, dass es im Zeitraum (t,t + Δ t) zu einem Ausfall kommt. f (t) =
f(t)
0
t t+Dt
t
Abb. 2.15 Beschreibung der Ausfalldichte f(t).
Aus dem Verlauf der Ausfalldichte f (t) lassen sich weiterhin nachfolgende Aussagen ableiten: • Die Fläche unterhalb der gesamten Kurve entspricht der Ausfallwahrscheinlichkeit F(t) und ist damit gleich 1. • Die Fläche unterhalb der Kurve bis zum Zeitpunkt t entspricht F(t). • Die Fläche unterhalb der Kurve ab dem Zeitpunkt t entspricht R(t). Neben der Bestimmung der Ausfallwahrscheinlichkeit eines neuen Systems sind für praktische Zuverlässigkeitsuntersuchungen vor allem Aussagen über Systeme interessant, die bereits für eine bestimmte Zeit ohne Ausfall betrieben wurden. Aufgrund des Wirkens verschiedenartiger Abnutzungsprozesse (z.B. Verschleiß, Ermüdung, Korrosion) lässt sich eine bedingte Ausfall- bzw. Überlebenswahrscheinlichkeit bestimmen, die mit zunehmendem Alter zu- bzw. abnimmt. Systeme mit einem derartigen Verhalten werden als alternde Systeme definiert.
48
2 Grundlagen der Instandhaltung
Die Bestimmung der Ausfallrate λ (t) ermöglicht Aussagen über die Wahrscheinlichkeit des Ausfalls des Systems in einem bestimmten, sehr kleinen Zeitraum (t,t + Δ t] unter der Voraussetzung, dass das System bis zu diesem Zeitpunkt noch funktionsfähig war. Es gelten hierbei folgende Zusammenhänge:
λ (t) =
f (t) f (t) = 1 − F(t) R(t)
(2.8)
Auf der Grundlage von Stichproben aus den Lebensdauerangaben einfacher Systeme kann die Ausfallrate geschätzt werden. Wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt t = 0 eine Anzahl gleichartiger Systeme in Betrieb genommen wurde, dann ist deren Ausfallrate im Intervall [t,t + Δ t] in der Näherung gleich dem Quotienten aus der Anzahl der in [t,t + Δ t] ausgefallenen Systeme und der zum Zeitpunkt t noch funktionstüchtigen Systeme. Der prinzipielle Verlauf der Ausfallrate eines technischen Systems über der Betriebsdauer wird häufig idealisiert mit einer sog. »Badewannenkurve« (vgl. Abb. 2.16) beschrieben.
l(t) I
II
0
III
t
Abb. 2.16 Verlauf der Ausfallrate λ (t) (idealisiert).
Hinter dieser Darstellung steht die Überlegung, dass sich im Verlauf der Lebensdauer eines technischen Systems die jeweils das Ausfallverhalten bestimmenden Mechanismen verändern. Bei der Inbetriebnahme eines technischen Systems sind Abnutzungsprozesse als Ursachen für Alterung und Schädigung noch nicht wirksam. Stattdessen sind Konstruktions-, Werkstoff- oder Herstellungsfehler prägend, die im realen Betrieb relativ schnell zu einem Ausfall führen. Das Abklingen der sog. Frühfehler bzw. »Kinderkrankheiten« bewirkt eine Abnahme der Ausfallrate (vgl. Abb. 2.16: Phase I). Dieser Phase schließt sich ein im Wesentlichen durch Zufallsausfälle geprägtes Betriebszeitintervall an (vgl. Abb. 2.16: Phase II). Während dieser Phase mit einer relativ konstanten Ausfallrate werden Ausfälle überwiegend durch äußere Einflüsse auf das System verursacht. Dazu gehören Umweltbeanspruchungen, unzulässige Belastungen, Bedienungsfehler aber auch unzureichend ausgeführte Instandhaltungsmaßnahmen. Die Ausfallrate ist in diesem Bereich als konstant anzusehen.
2.4 Zuverlässigkeit technischer Systeme
49
In der sich anschließenden Phase (vgl. Abb. 2.16: Phase III) treten zusätzlich zu den bereits geschilderten zufälligen Ursachen auch noch abnutzungsbedingte Ausfälle auf. Diese haben ihren Ursprung vor allem in den ablaufenden Abnutzungsprozessen, z.B. durch Verschleiß, Ermüdung oder Korrosion. Die Folgen dieser Abnutzungsprozesse äußern sich in einem Ansteigen der Ausfallrate. Im praktischen Einsatz von Systemen kommt es zu einer Kombination verschiedenartiger Ausfallursachen, die auch noch zeitlich versetzt wirken können, deshalb stellt die Darstellung der Ausfallrate in Abhängigkeit von der Betriebsdauer in Form der »Badewannenkurve« nur einen idealisierten Verlauf dar. Der tatsächliche Verlauf ist nur nach einer gründlichen Analyse aller Ausfallursachen und Ausfallzeitpunkte für den konkreten Anwendungsfall abzuleiten. Die mittlere Lebensdauer eines Systems entspricht dem Mittelwert bzw. Erwartungswert der zufälligen Lebensdauer des Systems. Bei instandsetzbaren Systemen, d.h. die nach einem Ausfall jedes Mal durch geeignete Instandsetzungsmaßnahmen wieder in einen betriebsfähigen Zustand versetzt werden (vgl. Abb. 2.17), lässt sich die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich das System in einem funktionsfähigen Zustand befindet, mittels der Kenngröße Verfügbarkeit p(t) beschreiben. p(t) = P(z(t) = 1)
(2.9)
0
Ausfall 1
Ausfall 2
Instandsetzung
Betrieb
Instandsetzung
Betrieb
Betrieb
1
Instandsetzung
z(t)
Ausfall 3
t
Abb. 2.17 Zustandsbeschreibung bei instandsetzbaren Systemen.
Im Fall eines nichtinstandsetzbaren Systems ist die Verfügbarkeit gleich deren Überlebenswahrscheinlichkeit R(t). Die Verfügbarkeit eines Systems ist gleich dem Erwartungswert E seines Systemszustandes z(t). p(t) = E(z(t))
(2.10)
Bei Systemen mit einer großen Betriebsdauer wird der Grenzwert p = lim (p(t)) t→∞
(2.11)
50
2 Grundlagen der Instandhaltung
als deren Dauerverfügbarkeit p bezeichnet. Das bedeutet, dass die Dauerverfügbarkeit gleich ist, dem Mittelwert des Zeitanteils, in dem das System funktionsfähig ist. Die Dauerverfügbarkeit in einem Zeitintervall T lässt sich wie folgt berechnen: p =
TB TB + TA
(2.12)
TB ist hierbei die mittlere Betriebszeit im Zeitintervall, TA ist die mittlere Stillstandszeit im Zeitintervall.
Wahrscheinlichkeitsverteilungen für Zuverlässigkeitsbetrachtungen Für die Bestimmung der vorgenannten Zuverlässigkeitskenngrößen ist die Kenntnis der bevorzugt angewendeten Lebensdauer- und Stillstandsdauerverteilungen von grundlegender Bedeutung. Allen Verteilungen gemeinsam ist, dass sie auf nichtnegativen Zufallsgrößen basieren und ihre Verteilungsfunktion und Verteilungsdichte für t < 0 den Wert 0 haben. Die zwei wichtigsten Lebensdauerverteilungen für die Instandhaltungsplanung sind die Exponentialverteilung und die Weibullverteilung. Exponentialverteilung In der Tabelle 2.2 sind die wichtigsten Eigenschaften einer Exponentialverteilung zusammengefasst. Tabelle 2.2 Exponentialverteilung [BF87, Stö99]. Bezeichnung
Formel
Verteilungsfunktion Ausfalldichte Erwartungswert Varianz Ausfallrate
F(t) = 1 − e−a×t , mit a > 0 f (t) = a × e−a×t E(X) = 1a 2 D2 (X) = ( a1 ) λ (t) = a
Abb. 2.18 stellt die zugehörige Verteilungsfunktion grafisch dar, Abb. 2.19 die Dichtefunktion, sowie Abb. 2.20 den grafischen Verlauf der Ausfallrate bei exponentialverteilten Lebensdauern. Die Verteilungsfunktion F(t) der Wahrscheinlichkeitsverteilung einer Zufallsgröße legt fest, wie die einzelnen Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten von Zufallsgrößen in der gesamten »Wahrscheinlichkeitsmasse« von 1 verteilt sind. Die Ausfalldichte f (t) entspricht der Dichtefunktion und ist die 1. Ableitung der stetigen Verteilungsfunktion. Unter dem Erwartungswert E(X) einer Zufallsgröße wird ein Zentrum verstanden, um das sich die Werte einer betrachteten Zufallsgröße anordnen. Die Varianz oder Streuung einer Zufallsgröße D2 (X) ist die mittlere quadratische Abweichung vom Erwartungswert.
2.4 Zuverlässigkeit technischer Systeme
51
Fx(t) 1
0
t
Abb. 2.18 Verteilungsfunktion der Exponentialverteilung.
fx(t) a
0
t
Abb. 2.19 Dichtefunktion der Exponentialverteilung.
l(t)
0
t
Abb. 2.20 Verlauf der Ausfallrate bei exponentialverteilten Lebensdauern.
Die Exponentialverteilung lässt sich für Systeme mit gleichbleibender Ausfallerwartung anwenden, sie ist ein geeignetes Modell für die Beschreibung der Auswirkungen von Zufallsausfällen. Sie ergibt als einzige Lebensdauerverteilung eine konstante Ausfallrate λ (t), d.h. die Wahrscheinlichkeit für einen Ausfall im Zeitintervall [t,t + Δ t] hängt nicht von der Betriebszeit ab. Weibullverteilung Tabelle 2.3 enthält einen Überblick über alle wichtigen Funktionen einer Weibullverteilung. Die Gamma-Funktion Γ ist wie folgt definiert [Bei93]:
52
2 Grundlagen der Instandhaltung
Tabelle 2.3 Weibullverteilung (2-parametrig) [Bei93]. Bezeichnung
Formel
Verteilungsfunktion Ausfalldichte Varianz
F(t) = 1 − e−a·t , mit a > 0, b > 0 b f (t) = a · b · t b−1 · e−a·t 1 E(X) = 1a b Γ 1b + 1 2 2 D2 (X) = 1a b Γ 2b + 1 − Γ 1b + 1
Ausfallrate
λ (t) = a · b · t (b−1)
Erwartungswert
b
∞
Γ (t) =
x(t−1) · e−x dx
(2.13)
0
Die Weibullverteilung wurde in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von dem schwedischen Ingenieur Weibull als Ausfallverteilung für Untersuchungen zur Zuverlässigkeit technischer Systeme vorgeschlagen. Sie hat den Vorteil, dass sich durch eine entsprechende Einstellung der beiden Parameter a und b der zeitliche Verlauf der Ausfallrate λ (t) in Abhängigkeit von der Betriebszeit gut modellieren lässt. Dabei ist a der sogenannte Formparameter, welcher die Kurvenform beschreibt und b der Maßstabsparameter. Er beschreibt die durchschnittliche Lebensdauer [Bei93]. Abb. 2.21 stellt die Verteilungsfunktion einer Weibullverteilung grafisch dar, Abb. 2.22 die zugehörige Dichtefunktion, sowie Abb. 2.23 den grafischen Verlauf der Ausfallrate bei entsprechend verteilten Lebensdauern.
Fx(t) 1
a=3 a=1 a = 0,5
0
t
Abb. 2.21 Verteilungsfunktion der Weibullverteilung.
Für den Parameter a = 1 entspricht sie der Exponentialverteilung, d.h. die Ausfallrate ist konstant. Im Bereich zwischen 0 < a < 1 fällt die Ausfallrate monoton mit der Betriebsdauer, d.h. die Ausfallwahrscheinlichkeit sinkt nach der Überwindung von anfänglichen Mängeln und Anlaufschwierigkeiten rasch auf einen konstanten Wert. Für den Bereich a > 1 steigt die Ausfallrate monoton an, d.h. in diesem Bereich sind die Auswirkungen von Schädigungsprozessen erkennbar
2.4 Zuverlässigkeit technischer Systeme
53
fx(t) 1 a=3
a=1 0
a = 0,5
t
Abb. 2.22 Dichtefunktion der Weibullverteilung.
l(t) 1
a=3 a=1 a = 0,5
0
t
Abb. 2.23 Verlauf der Ausfallrate bei nach Weibull verteilten Lebensdauern.
[BM87, Bei93].
Bestimmung der Verteilungsfunktion Eine gründliche Analyse des Ausfallverhaltens von technischen Systemen ist nur dann möglich, wenn anhand einer Stichprobe die Verteilungsfunktion der Lebensdauern bestimmt werden kann. Dazu ist die Anwendung statistischer Testverfahren erforderlich. Typische Tests sind neben grafischen Verfahren der Chi-Anpassungstest und der Komolgorov-Test. Da die statistisch gezogenen Stichproben über die Lebensdauer in der Regel nicht das vollständige Bild über das tatsächliche Ausfallverhalten widerspiegeln, werden zunächst Hypothesen über die vorliegende Verteilungsfunktion getroffen. Diese Hypothesen werden dann mit einem der genannten statistischen Testverfahren bestätigt bzw. verworfen. Für die Durchführung von grafischen Testverfahren existieren entsprechende Funktionspapiere, z.B. einfach logarithmisch geteiltes Papier und Weibull-Papier. Die getroffene Hypothese gilt hierbei als angenommen, wenn sich die Überlebenswahrscheinlichkeit weitestgehend als Gerade darstellen lässt. Als eine Unterstützungsmöglichkeit beim Aufstellen einer Hypothese über den vorliegenden Verteilungstyp bietet sich die Anwendung der Histogrammtechnik an.
54
2 Grundlagen der Instandhaltung
Histogrammtechnik Die Histogrammtechnik eignet sich zur Darstellung der Ausfalldichte bzw. der Ausfallverteilungsfunktion auf der Grundlage statistischer Stichproben. Mit der Methode lassen sich auch auf empirischem Weg Ausfallverteilungs- bzw. Überlebenswahrscheinlichkeitsfunktionen ermitteln. Die praktische Vorgehensweise beschreibt nachfolgendes Beispiel. Schritt 1: Erfassung von Ausgangsinformationen Hier werden zunächst die Ausfallzeitpunkte mit den zugehörigen Stillstandzeiten des zu analysierenden Systems erfasst. Die Ausgangsinformationen lassen sich mittels eines Betriebsdatenerfassungssystems (BDE) oder durch manuelle Aufschreibungen akquirieren. Tabelle 2.4 zeigt ein Beispiel für eine mögliche Struktur für die Erfassung von Ausfallzeiten einer Komponente mit den zugehörigen Zeitstempeln vom Beginn des Ausfalls. Tabelle 2.4 Erfassungsliste von Ausfalldaten. Ausfallzeitpunkt [Datum, Uhrzeit]
Ausfalldauer [min]
02.03.2001 10:00 03.03.2001 21:46 04.03.2001 16:39 05.03.2001 06:24 05.03.2001 08:37 06.03.2001 23:02 08.03.2001 02:17 09.03.2001 06:21 10.03.2001 22:19 11.03.2001 13:07 ...
41 2 27 8 17 17 56 12 28 33 ...
Schritt 2: Ermittlung der einzelnen Funktionsdauern Um die Verteilung der Funktionsdauern bzw. Ausfallabstände zu ermitteln, muss die Tabelle mit den Störungsereignissen entsprechend umgeformt werden. Tabelle 2.5 ist das Ergebnis der Umformung von Tabelle 2.4. Auch hier erfolgt eine beispielhafte Darstellung. Als Ausfallabstand gilt jeweils der Zeitraum zwischen zwei Instandhaltungsintervallen, wobei ein Instandhaltungsintervall immer als ein Betriebszeitintervall mit der anschließenden Stillstandszeit definiert ist. Im gewählten Beispiel wurde zur Vereinfachung folgende Betriebssituation unterstellt: • Die Sollbetriebszeit der Anlage beträgt 24 Stunden am Tag, einschließlich der Sonn- und Feiertage. • Die organisatorischen Stillstände werden nicht berücksichtigt. Schritt 3: Klassenbildung Die Klassenbildung startet mit einer Bestimmung der Spannweite S. Als Berechnungsgrundlage werden der minimale und maximale Ausfallabstand T BFmin und
2.4 Zuverlässigkeit technischer Systeme
55
Tabelle 2.5 Urliste der Ausfallabstände. Ausfallzeitpunkt [Datum, Uhrzeit]
Ausfallabstand [min]
02.03.2001 10:00 03.03.2001 21:46 04.03.2001 16:39 05.03.2001 06:24 05.03.2001 08:37 06.03.2001 23:02 08.03.2001 02:17 09.03.2001 06:21 10.03.2001 22:19 11.03.2001 13:07 ...
2146 1133 824 132 2304 1635 1683 2397 888 ...
T BFmax (TBF = Time Between Failure) aus der Urliste mit den Ausfallabständen herausgesucht. Die Spannweite S ermittelt sich daraus wie folgt: S = T BFmax − T BFmin
(2.14)
Im Beispiel beträgt die Spannweite S = 2864 − 102 = 2762. Anschließend wird die Klassenanzahl k ermittelt [BHP99]. Die Klassenanzahl sollte mit 6 ≤ k ≤ 20 gewählt werden, wobei ergänzend k ≤ 5 · log n gilt. Der Parameter n steht hierbei für die Anzahl der Ausfallabstände in der Urliste. Für das Beispiel ergibt sich demnach eine maximale Klassenanzahl k = 5 · log n = 5 · log 49 = 8, 45. Es wird eine Klassenanzahl k = 8 gewählt. Im folgenden Schritt werden die Klassenbreite d sowie die unteren und oberen Klassengrenzen UKG und OKG berechnet. Für die Klassenbreite gilt nachfolgende Beziehung: S (2.15) k Für die Ermittlung der unteren Klassengrenzen UKG jeder Klasse i = 1(1)n gilt: d =
UKGi = T BFmin + (i − 1) · d
(2.16)
Die oberen Klassengrenzen OKG jeder Klasse i = 1(1)n ergeben sich wie folgt: OKGi = UKGi + d
(2.17)
Schritt 4: Aufstellen einer primären Häufigkeitstabelle. Im nächsten Schritt werden alle Ausfallabstände der Urliste in die jeweiligen Klassen eingeordnet. Es entsteht damit durch Zählen die primäre Häufigkeitstabelle (vgl.
56
2 Grundlagen der Instandhaltung
Tabelle 2.6) mit den aboluten Anzahlen hi der Ausfallabstände pro Klasse. Für die Zugehörigkeit der Werte zu den verschiedenen Klassen gilt die Zuordnungsregel UKGi ≤ T BFj < OKGi , wobei der Index i die Klassennummer und der Index j die Nummer des Wertes aus der Urliste der Ausfallabstände ist. hi = ANZAHL(T BFj )i
(2.18)
Tabelle 2.6 Primäre Häufigkeitstabelle. Klassennummer i
untere Grenze UKGi
obere Grenze OKGi
absolute Häufigkeit hi
1 2 3 4 5 6 7 8
102 449 795 1141 1487 1833 2179 2525
448 794 1140 1486 1832 2178 2524 2870
4 3 11 4 9 7 8 3
Schritt 5: Bestimmung der relativen Häufigkeiten und der Dichtefunktion Zur Berechnung der relativen Häufigkeiten Hi der Ausfallabstände T BFi in den festgelegten Klassen werden die absoluten Häufigkeiten hi pro Klasse durch die Gesamtzahl an Ausfallabständen n dividiert. hi n Daraus ergibt sich die relative Häufigkeitstabelle (vgl. Tabelle 2.7). Hi =
(2.19)
Tabelle 2.7 Relative Häufigkeitstabelle. Klassennummer i
untere Grenze UKGi
obere Grenze OKGi
relative Häufigkeit Hi
1 2 3 4 5 6 7 8
102 449 795 1141 1487 1833 2179 2525
448 794 1140 1486 1832 2178 2524 2870
0,08 0,06 0,22 0,08 0,18 0,14 0,16 0,06
In der Abb. 2.24 ist das sich aus Tabelle 2.7 ergebende Histogramm dargestellt. Aus dieser relativen Häufigkeitstabelle lässt sich für das Beispiel die empirische Dichtefunktion der Ausfallverteilung f (t) ermitteln (vgl. Abb. 2.25).
2.4 Zuverlässigkeit technischer Systeme
57
0,25 0,20 0,15 0,10 0,05 0,00 1
2
3
4
5
6
7
8
Abb. 2.24 Histogramm-Darstellung der relativen Häufigkeitsverteilung. 0,25 0,20 0,15 0,10 0,05 0,00 1
2
3
4
5
6
7
8
Abb. 2.25 Dichtefunktion der Ausfallverteilung f(t).
Schritt 6: Ermittlung der Ausfallverteilungsfunktion F(t) Zur Ermittlung der Ausfallverteilungsfunktion werden die einzelnen relativen Häufigkeiten Hi in Summenhäufigkeiten umgewandelt und kumulativ dargestellt (vgl. Tabelle 2.8). Abb. 2.26 stellt das sich aus diesem Arbeitsschritt ergebende Histogramm dar. Aus der Häufigkeitsverteilung lässt sich durch Berechnung der Summenhäufigkeiten eine empirische Verteilungsfunktion ableiten, die als Näherung für die unbekannte Verteilungsfunktion F(t) aufgefasst werden kann (vgl. Abb. 2.27) i
∑ Hi Fi =
1
(2.20) n Die Form der Ausfallverteilungsfunktion ähnelt der einer Exponentialverteilung. Näherungsweise lassen sich daraus der mittlere Ausfallabstand sowie die Ausfallra-
58
2 Grundlagen der Instandhaltung
Tabelle 2.8 Summenhäufigkeiten der Ausfallabstände. Klassennummer i
untere Grenze UKGi
obere Grenze OKGi
Summenhäufigkeit Fi
1 2 3 4 5 6 7 8
102 449 795 1141 1487 1833 2179 2525
448 794 1140 1486 1832 2178 2524 2870
0,08 0,14 0,37 0,45 0,63 0,78 0,94 1,00
te bestimmen [Fra85]. Der mittlere Ausfallabstand MT BF in h auf Basis der erfassten Ausfalldaten ergibt sich entsprechend der Formel: MT BF =
1 n · ∑ T BFj n j=1
(2.21)
Die Streuung des mittleren Ausfallabstandes MT BF auf Basis der erfassten Ausfalldaten ist: s2 =
n 1 · ∑ (T BFj − MT BF)2 n − 1 j=1
(2.22)
Für die Berechnung der Ausfallrate λ in h−1 aus dem mittleren Ausfallabstand wird angesetzt:
1,20 1,00 0,80 0,60 0,40 0,20 0,00 1
2
3
4
5
6
7
8
Abb. 2.26 Histogramm-Darstellung der Summenhäufigkeiten.
λ (t) =
1 = const. MT BF
(2.23)
2.4 Zuverlässigkeit technischer Systeme
59
1,20 1,00 0,80 0,60 0,40 0,20 0,00 1
2
3
4
5
6
7
8
Abb. 2.27 Ausfallverteilungsfunktion F(t).
Das gleiche Verfahren lässt sich auch zur Ermittlung der Verteilungsfunktion für die Ausfall- bzw. Instandsetzungszeiten anwenden. Bei diesem Verfahren wird die Schwierigkeit sichtbar, dass zu ihrer Anwendung eine ausreichend große Grundgesamtheit an Ausfalldaten zu gleichartigen Komponenten unter gleichen Einsatzbedingungen vorliegen muss. Diese Informationen sind für einen Anlagenbetreiber in der Regel nur schwer über einen langen Zeitraum zu beschaffen. Für Neuanlagen liegen die Daten meist gar nicht vor, so dass mit Annahmen und vergleichenden Angaben zum Verlauf der Überlebenswahrscheinlichkeit und zum Ausfallabstand von Komponenten bei der Instandhaltungsplanung gearbeitet werden muss.
2.4.3 Zuverlässigkeitskenngrößen für strukturierte Systeme Der Unterschied zu den im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen einfachen Systemen besteht darin, dass bei den Zuverlässigkeitsanalysen die strukturellen Verknüpfungen einzelner Komponenten, Bauteile oder Teilsysteme zu komplexen Systemen berücksichtigt werden. Strukturierte Systeme bestehen aus einer bestimmten Anzahl von Elementen. Für das System selbst und auch die einzelnen Elemente werden wiederum nur die beiden Systemzustände funktionsfähig und nicht funktionsfähig unterschieden. Die Lebensdauern der einzelnen Elemente werden als voneinander unabhängige Zufallsgrößen Xi mit den einzelnen Ausfallwahrscheinlichkeiten Fi (t) angesehen. Das bedeutet, dass der Ausfall eines Elements keine Auswirkungen auf das Überleben eines anderen Elements ausübt. Diese Einschränkung ist bei technischen Systemen nicht immer sinnvoll, da es sehr wohl stochastische Abhängigkeiten zwischen dem Ausfallverhalten einzelner Elemente geben kann, z.B. fallen nach dem Ausfall eines
60
2 Grundlagen der Instandhaltung
Überspannungs-Schutzschalters kurze Zeit später die angeschlossenen Geräte durch eine Überspannung aus. Typische strukturierte Grundsysteme für Zuverlässigkeitsbetrachtungen sind Seriensysteme und Parallelsysteme, die im Folgenden kurz eingeführt werden: Seriensysteme Ein typisches Seriensystem ist dadurch gekennzeichnet, dass der Ausfall von bereits einem Element zu einem Systemausfall führt (vgl. Abb. 2.28).
E1
E2
...
En
Abb. 2.28 Schaltbild eines Seriensystems.
Somit gilt, dass das bestimmende Element für einen Systemausfall das mit der geringsten Lebensdauer ist. XS = Min(X1 , X2 , ..., Xn )
(2.24)
Die zugehörige Zuverlässigkeitsfunktion eines Seriensystems lautet: RS = R1 (t) · R2 (t) · Rn (t) =
n
∏ Ri (t)
(2.25)
i=1
Die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Seriensystems mit unabhängigen Elementen entspricht somit dem Produkt der Überlebenswahrscheinlichkeiten seiner Elemente. Die Ausfallwahrscheinlichkeit ergibt sich aus der direkten Abhängigkeit zur Überlebenswahrscheinlichkeit entsprechend: FS = 1 − RS (t)
(2.26)
Die Ausfallrate eines Seriensystems mit unabhängigen Elementen ist gleich der Summe der Ausfallraten seiner einzelnen Elemente.
λS (t) =
n
∑ λi (t)
(2.27)
i=1
Bei Seriensystemen, die ausschließlich aus statistisch gleichartigen Elementen bestehen, vereinfachen sich die Beziehungen für die Bestimmung der Überlebenswahrscheinlichkeit und Ausfallrate wie folgt: RS (t) = (R(t))n
(2.28)
2.4 Zuverlässigkeit technischer Systeme
61
λS (t) = n · λ (t)
(2.29)
Die Erhöhung der Zuverlässigkeit von Seriensystemen kann ausschließlich dadurch erfolgen, dass die Einzelzuverlässigkeiten seiner Elemente erhöht werden. Da komplexe technische Systeme aus einer Vielzahl von Elementen bestehen, werden hierfür allerdings rasch technische und wirtschaftliche Grenzen erreicht. Zur Verdeutlichung dieses Umstandes soll die Darstellung der Abhängigkeit der Überlebenswahrscheinlichkeit von der Anzahl der eingesetzten Elemente mit einer sehr hohen Einzelzuverlässigkeit dienen (vgl. Tabelle 2.9). Tabelle 2.9 Abfall der Zuverlässigkeit von Seriensystemen mit der Zunahme der Elemente [Bei93]. Anzahl der Elemente
1
10
100
RS (t) FS (t) λS (t)
0,999 0,001 1 · 10−5
0,99 0,01 1 · 10−4
0,905 0,095 1 · 10−3
Eine Möglichkeit, die Zuverlässigkeit von strukturierten Systemen zu erhöhen, besteht darin, Reserveelemente vorzusehen. Parallelsysteme Parallelsysteme sind dadurch gekennzeichnet, dass erst der Ausfall aller Elemente zu einem Systemausfall (vgl. Abb. 2.29) führt. Dabei werden sog. Arbeits- und Reserveelemente unterschieden.
E1
E2
En Abb. 2.29 Schaltbild eines Parallelsystems.
Die Funktionsfähigkeit ist solange gegeben, wie entsprechende Reserveelemente zur Verfügung stehen. Bei den Reserveelementen werden unterschieden: Kalte Redundanz Die Reserveelemente sind im normalen Betriebszustand keinen Beanspruchungen
62
2 Grundlagen der Instandhaltung
ausgesetzt, d.h. die Zuverlässigkeit verändert sich nicht über der Betriebszeit. Die Elemente können, solange sie sich im Reservezustand befinden, nicht ausfallen. Warme Redundanz Die Reserveelemente sind im normalen Betriebszustand geringeren Beanspruchungen ausgesetzt als die Arbeitselemente. Reserveelemente können zwar ausfallen, aber deren Ausfallwahrscheinlichkeit ist wegen der geringeren Beanspruchung kleiner als die der Arbeitselemente. Heiße Redundanz Die Reserveelemente sind im normalen Betriebszustand den gleichen Beanspruchungen ausgesetzt wie die Arbeitselemente, d.h., dass die Arbeits- und Reserveelemente den gleichen Ausfallverteilungen unterliegen, vorausgesetzt es handelt sich tatsächlich um statistisch äquivalente Elemente. Hierbei ist eine klare Unterteilung in Arbeits- und Reserveelemente nicht möglich, vielmehr wird die Funktionsfähigkeit eines Systems ggf. nur durch eine geforderte Mindestanzahl von funktionsfähigen Elementen bestimmt. Für Parallelsysteme gilt, dass das bestimmende Element für einen Systemausfall das mit der längsten Lebensdauer ist. XP = Max(X1 , X2 , ..., Xn )
(2.30)
Die zugehörige Zuverlässigkeitsfunktion eines Parallelsystems lautet: n
RP = 1 − FP (t) = 1 − ∏(1 − Ri (t))
(2.31)
i=1
Die Ausfallwahrscheinlichkeit ergibt sich aus der direkten Abhängigkeit zur Überlebenswahrscheinlichkeit entsprechend: FP =
n
∏ Fi (t)
(2.32)
i=1
Die mittlere Lebensdauer eines Parallelsystems lässt sich unter der Voraussetzung, dass das Ausfallverhalten einer Exponentialverteilung mit dem Parameter a unterliegt, wie folgt beschreiben: 1 1 1 · (1 + + · · · + ) (2.33) a 2 n Daraus folgt, dass man mit einer genügend großen Anzahl parallel geschalteter Elemente mit einer mittleren Lebensdauer 1a eine nahezu beliebig große mittlere Lebensdauer des Systems erreichen kann. Allerdings ist hierbei die Divergenz der o.g. Reihe zu beachten, d.h., für eine Verdreifachung der mittleren Lebensdauer eines Systems benötigt man bereits elf Elemente. In der praktischen Umsetzung sind dieser Vorgehensweise allerdings technische Grenzen bspw. durch die Abmessungen und das Gewicht und wirtschaftliche Grenzen durch die Kosten gesetzt. E(XP ) =
2.5 Erfassung des Instandhaltungsbedarfs
63
In der praktischen Anwendung der beiden Grundstrukturen wird deutlich, dass eine Vielzahl technischer Systeme aus Zuverlässigkeitssicht als eine Mischform aus seriellen und parallelen Teilsystemen besteht. Für diesen Anwendungsfall sind die aufgezeigten Berechnungsformeln jeweils für ein Teilsystem anzuwenden und anschließend weiter zu verdichten. In der Praxis existieren allerdings weitere Systemstrukturen, deren Ausfallverhalten mit den genannten Formeln nicht zu beschreiben ist, z.B. sog. vermaschte Systeme. [Bei93]
2.5 Erfassung des Instandhaltungsbedarfs Für die Festlegung einer Ausgangsbasis zur Ermittlung des Instandhaltungsbedarfs gibt es verschiedene Wege, die in der Fachliteratur beschrieben sind. Darüber hinaus gibt es jedoch insbesondere bei unscharfen Eingangsgrößen, die die Situation in der Instandhaltung widerspiegeln, erhebliche Probleme, Richtwerte für die Bestimmung des Instandhaltungsbedarfes zu ermitteln. Daher wird in Folgendem der Schwerpunkt auf die Ermittlung des zukünftigen Instandhaltungsbedarfs gelegt, wobei folgende Methoden unterschieden werden. Methode zur Schätzung des Instandhaltungsbedarfs auf der Basis des Anlagenrestwertes und des Anlagenzustandes Einteilung der Instandhaltungsobjekte mithilfe der ABC-Analyse. Objekte, die der A- und B-Klasse zugeteilt werden, werden einem Verfahren der methodischen Schätzung unterzogen. Basis ist der prozentuale Anteil eines Anlagentyps an der Gesamtanlage. Danach erfolgt die Einteilung nach der Erhaltungswürdigkeit mithilfe von Erhaltungsklassen, deren Kriterien von der Anlagenfunktion und den äußeren Bedingungen abhängen. Aufgrund von Erfahrungswerten aus der Literatur [Ras00] wird die Instandhaltungsrate festgelegt, die mithilfe eines Korrekturfaktors und des Anschaffungswertes zur Ableitung des Instandhaltungsbedarfs führt. Der Instandhaltungsbedarf für Objekte der C-Klasse wird durch eine Pauschalplanung ermittelt. Durchschnittliche Instandhaltungsbedarfsermittlung auf der Basis des statischen Verfahrens Auf der Basis eines Durchschnittsjahres werden die Instandhaltungsbedarfe für kommende Perioden ermittelt. Grundlage dafür ist eine einjährige genaue Erfassung von Instandhaltungsmaßnahmen, wie z.B. der Zeit, der Bauteile oder der Kosten u.ä. Zur verzögerungsfreien und klaren Bearbeitung werden standardisierte Eingabemasken verwendet. Instandhaltungsbedarfsermittlung auf Basis des simulierten Ausfallverhaltens Auf der Grundlage der Weibull-Verteilung lässt sich das Ausfallverhalten feststellen. Durch individuelle Spezifizierung der Weibull-Parameter liegt als Ergebnis eine bauteilbezogene Folge von Ausfallzeitpunkten vor. Werden Bauteilzustandsklassen spezifiziert, dann lässt sich mithilfe der Simulation die Zugehörigkeit zu einer dieser Klassen in Wahrscheinlichkeiten ausdrücken, deren Ausprägungen Eingangsgrößen
64
2 Grundlagen der Instandhaltung
in der Instandhaltungsplanung für die Bedarfsermittlung sind. Die vorab definierten Bauteilzustandsklassen sind das Ergebnis von Herstellerinformationen. Sie lassen sich aber auch durch das Verfahren der zweiten Methode ermitteln, nach der Art und der Häufigkeit des Ausfalls. Während die ersten beiden Verfahren relativ ungenaue Werte über den Instandhaltungsbedarf liefern, kann durch die dritte Methode eine relativ hohe Genauigkeit im Planungsprozess erzielt werden, da sie die Einbindung der komplexen Unternehmensbedingungen mit sich ändernden Beschäftigungsgraden vorsieht.
2.5.1 Methoden zur Schätzung des Instandhaltungsbedarfs auf der Basis des Anlagenrestwertes und des Anlagenzustandes Im Folgendem werden zwei Methoden zur Schätzung des Instandhaltungsbedarfs auf der Basis des Anlagenrestwertes und des Anlagenzustandes detailliert eingeführt. Bedarfsermittlung mithilfe der ABC-Analyse Erste Analysen in Unternehmen im Rahmen der Ermittlung des Instandhaltungsbedarfs ergaben, dass vielfach nur unscharfe Eingangsinformationen über den Zustand der Anlagen vorhanden waren. Deshalb wurde eine Methodik entwickelt und getestet, die nachfolgende Vorgehensweise beinhaltet. Zunächst ist die zu untersuchende Anlage anhand einer ABC-Analyse genauer zu gliedern. Anschließend wird für die Gruppen A und B eine Methodik erarbeitet, die den Zustand der Instandhaltungsobjekte beschreibt und unter Zuhilfenahme einer Gewichtung einen jährlichen Instandhaltungsbedarf prognostiziert. Für die Objekte der Gruppe C kann der Instandhaltungsbedarf aus einer kritischen Analyse der Vergangenheitswerte bestimmt werden. Abschließend ist die Methodik an ausgewählten Objekten zu validieren. Der zeitliche und finanzielle Aufwand ist dabei von Anlage zu Anlage sehr verschieden. Die Bedarfsplanung für ein repräsentatives Geschäftsjahr, gegliedert nach Objektgruppen, stellt beispielhaft Tabelle 2.10 dar. Durch die Ermittlung des prozentualen Anteils am Bedarfsvolumen lässt sich eine Wichtung der einzelnen Objektgruppen untereinander erkennen. Mithilfe der ABCAnalyse, einer Methode, die zur Materialklassifizierung entwickelt wurde, soll das Untersuchungsfeld näher eingegrenzt werden. Dazu wird der prozentuale Anteil der Objektgruppen nach der Größe geordnet und kumuliert. So stellt sich heraus, dass die Objektgruppen: • Werkzeugmaschinen,
2.5 Erfassung des Instandhaltungsbedarfs
65
• sonstige Maschinen und Anlagen, • Zentrale/Versorgungsanlagen sowie • Bauten und bauliche Anlagen ca. drei Viertel des gesamten Instandhaltungsbedarfs verbrauchen (vgl. Tabelle 2.11). Nach der ABC-Analyse ergeben sich bspw. die drei Gruppen: • Gruppe A ( 40 %): Werkzeugmaschinen, sonstige Maschinen und Anlagen, • Gruppe B ( 79 %): Zentrale Anlagen/Versorgungsanlagen, Bauten und bauliche Anlagen, Prüfanlagen, • Gruppe C (100 %): Rechentechnik, Hebezeuge, Betriebsmittel (Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie Fuhrpark) Aufgrund der betrieblichen Gegebenheiten könnte sich die ermittelte Aufteilung folgendermaßen ändern.
Tabelle 2.10 Beispiel einer Bedarfsplanung für ein Geschäftsjahr. Objektgruppe
gesamt [Euro]
fremd [Euro]
eigen [Euro]
Bauten und bauliche Anlagen Werkzeugmaschinen Zentrale Anlagen/Versorgungsanlagen Hebezeuge Prüfanlagen sonstige Maschinen und Anlagen Fuhrpark Rechentechnik Betriebs- und Geschäftsausstattung Gesamt Anteil am Instandhaltungsvolumen in %
440 610 450 198 215 500 23 200 160 2.796
410 430 240 86 145 276 18 185 60 1.850 66
30 180 210 112 70 224 5 15 100 946 34
Tabelle 2.11 Beispiel einer ABC-Analyse zu den Objektgruppen. Objektgruppe
Prozentualer Anteil in %
Kumulierter Anteil in %
Werkzeugmaschinen sonstige Maschinen und Anlagen Zentrale Anlagen/Versorgungsanlagen Bauten und bauliche Anlagen Prüfanlagen Rechentechnik Hebezeuge Betriebs- und Geschäftsausstattung Fuhrpark
22 18 16 16 8 7 7 6 1
22 40 56 72 79 86 93 99 100
66
2 Grundlagen der Instandhaltung
Durch die große Anzahl der in ihr zusammengefassten Objekte entzieht sich die Objektgruppe sonstige Maschinen und Anlagen einer Betrachtung im Detail. Die sonstigen Maschinen und Anlagen sind wie die Objekte der Gruppe C mit einem Pauschalbedarf zu planen, das sich an den Werten der Vergangenheit orientiert. Das Gleiche geschieht mit der Objektgruppe Zentrale Anlagen/Versorgungsanlagen aufgrund der Verschiedenartigkeit der in ihr zusammengefassten Objekte. Demgegenüber werden die Objektgruppen Hebezeuge und Prüfanlagen detailliert geplant. Für die Gruppen A und B sind detailliertere Methoden der Planung anzuwenden, die sich neben den Vergangenheitswerten auch am augenblicklichen Zustand und der Funktion im Produktionsprozess orientieren. In Abstimmung mit den Mitarbeitern des Unternehmens können z.B. die in Tabelle 2.12 verzeichneten Detaillierungsgrade der Planung gewählt werden.
Tabelle 2.12 Detaillierungsgrad der Planung. Objektgruppe
Detailplanung
Pauschalplanung
Werkzeugmaschinen sonstige Maschinen und Anlagen Zentrale Anlagen/Versorgungsanlagen Bauten und bauliche Anlagen Prüfanlagen Rechentechnik Hebezeuge Betriebs- und Geschäftsausstattung Fuhrpark
X X X X -
X X X X X X X X X
Bestimmung des Instandhaltungsbedarfes mithilfe der Portfolio-Analyse Die Bestimmung und Prognose des Instandhaltungsbedarfs ist unbestritten eine betriebliche Notwendigkeit. Bei ihrer Durchführung tritt das Problem der unzulänglichen Eingangsinformationen auf, • seitens der Instandhaltungsobjekte, denn Maschinenakten werden häufig nicht vollständig geführt. Das hat dann zur Folge, dass das Ausfallverhalten der Instandhaltungsobjekte nicht nachvollzogen werden kann, • seitens der betrieblichen Abrechnung, weil Objekte verschiedenen Typs zu einer Sammelkostenstelle zusammengefasst werden und deshalb nicht gesondert zu bewerten sind. Die beschriebene Unzulänglichkeit der Eingangsinformation ist praktisch nicht zu umgehen, da bei steigendem Umfang der zu verarbeitenden Informationen ein überproportionaler Anstieg des Aufwands eintritt. Ein weiteres Problem ist, dass die Vergangenheit nicht ohne Wertung in die Zukunft übertragen werden kann. Zu seiner Lösung muss das Wissen aller Beteiligten, der Bediener, Vorarbeiter, Meister
2.5 Erfassung des Instandhaltungsbedarfs
67
und Instandhalter, gebündelt und zu einer Entscheidung benutzt werden. Dazu besteht, wie oben nachgewiesen wurde, die Notwendigkeit eines plausiblen, leicht zu handhabenden und ausreichend genauen Werkzeugs zur Bestimmung des Instandhaltungsbedarfs. Verschiedene Quellen verwenden deshalb zur Abschätzung des Instandhaltungsbedarfs eine sog. Instandhaltungsrate. Diese wird ermittelt als Quotient aus dem jährlichen Instandhaltungsaufwand und dem Anschaffungswert. Dabei wird von einem Wert ausgegangen, der zum einen vom Industriezweig abhängt und zum anderen über die Laufzeit der Maschine konstant ist. Als mittlere Instandhaltungsraten werden folgende Werte (% vom Anschaffungswert) angegeben [Ras00]: • • • • • •
spanabhebende Werkzeugmaschinen (3,0 ... 10,0) elektrische Schaltanlagen, Elektroinstallationen (2,0 ... 6,0) Krananlagen, Hebezeuge; bodenfrei, flurgesteuert (2,0 ... 6,0) Pressluftversorgungs- und Vakuumanlagen (2,0 ... 6,0) Heizungsanlagen - Warmwasser und Heißwasser (1,0 ... 3,0) Fabrikgebäude, Industriehochbauten (1,0 ... 3,0)
Um eine Vergleichbarkeit der ermittelten Instandhaltungsraten zu gewährleisten, ist der Anschaffungswert, nicht fälschlicherweise der Buchwert, des Instandhaltungsobjektes zu verwenden. Der Anschaffungswert bezieht sich in der Regel auf den Zeitpunkt der Anschaffung und nicht auf den aktuellen Zeitpunkt. Eine als konstant angenommene Instandhaltungsrate ist aus mehreren Gründen jedoch fehlerbehaftet. Der Instandhaltungsbedarf verhält sich im Idealfall azyklisch zum Konjunkturverlauf. In Zeiten guter Geschäftslage und Maschinenauslastung bleibt wenig Zeit für umfangreichere Maßnahmen der Anlageninstandhaltung. Diese werden bei schlechterer Ertragslage nachgeholt. Umfangreichere Maßnahmen treten demgegenüber in größeren als in Jahresabständen auf. Durch Prozessinnovation verschieben sich die Prioritäten der Produktion. Anlagen ändern bei schwankenden Anforderungen des Marktes ihre Funktion im Produktionsprozess, indem sie z.B. durch Redundanzenbildung ihren Engpasscharakter verlieren. Darüber hinaus ist die Ausfallrate von Baugruppen in der Regel nicht konstant. Abb. 2.30 zeigt, dass eine unkorrigierte Bestimmung des zukünftigen Aufwands aus der Instandhaltungsrate zu unbrauchbaren Ergebnissen führt. Man muss also nach weiteren Determinanten des Instandhaltungsbedarfs suchen. Als geeignet erweisen sich: • Erhaltungswürdigkeit und • Anlagenzustand. Der Korrekturfaktor k f ergibt sich demnach wie folgt: k f = f (Anschaffungswert, Instandhaltungsrate, Erhaltungswürdigkeit, Anlagenzustand)
2 Grundlagen der Instandhaltung
Ausfallrate
68
8 Maschine 6
Bauteil 1
4
2
Bauteil 2 Teilsystem
0
10
20
30
40
50
60
70 80 Betriebsdauer in Monaten
Abb. 2.30 Typischer Verlauf des Instandhaltungsaufwands für ein Instandhaltungsobjekt.
Erhaltungswürdigkeit Die Erhaltungsklasse hängt von der Funktion der Anlage im Produktionsprozess, als redundante Anlage, als Engpassmaschine, entsprechend gesetzlicher bzw. berufsgenossenschaftlicher Auflagen, und von äußeren Bedingungen, dem Produktionsprogramm, dem Umsatz und der Technologie, ab und kann während der Lebensdauer ihren Wert ändern. Kriterien bei der Auswahl der Erhaltungsklasse sind: • • • • • •
Störung des Produktionsprozesses bei Anlagenausfall Folgeschäden bei Anlagenausfall Gesundheitsgefährdung bei Schadensfall Abnutzung als Ursache des Schadensfalls prinzipiell mögliche messtechnische Erfassung der Abnutzung wirtschaftlich mögliche messtechnische Erfassung der Abnutzung
Nach diesen Kriterien ergeben sich folgende Erhaltungsklassen: Erhaltungsklasse I Es erfolgt keine Planung von Wartung, Inspektion und Instandsetzung.Der Teileaustausch erfolgt nur nach zufälliger Entdeckung. Das Instandhaltungspersonal wird erst nach einer Störung aktiv.
2.5 Erfassung des Instandhaltungsbedarfs
69
Erhaltungsklasse II Es erfolgt eine geplante und systematische Inspektion und Wartung der Anlagen in festen oder zustandsabhängigen Intervallen Erhaltungsklasse III Neben der periodischen Wartung und Inspektion kommt es zu einem vorbeugenden Teileaustausch. Schadensrelevante Bauteile werden bei absehbarem Schadensfall ausgetauscht, bevor dieser eintritt. Erhaltungsklasse IV Es erfolgt eine Sicherheitserhaltung, da eine Gefahr für Menschenleben besteht. Objektzustand Der Zustand eines Objektes leitet sich aus dem Zustand seiner Hauptbestandteile ab. Die Objektklassen haben beispielsweise folgende Hauptbestandteile: • Werkzeugmaschinen – Antriebe (Hauptmotor, Vorschubmotor) – Übertragungselemente (Getriebe, Gewindespindeln, Zahnriemen) – Tragende Teile (Ständer, Betten, Rahmen, Führungen) – Elektrik/Elektronik (Energieversorgung, Steuerung, Meßsysteme) • Bauten und bauliche Anlagen – Mauerwerk (Außenwände, Innenwände) – Dach (Dachbelag, Dachbekleidung innen, Dachöffnungen) – Türen, Fenster (Außentüren, Innentüren) – Inneneinrichtung (Treppen, Bodenbeläge, Beleuchtung, Be- und Entlüftung) – Aufzüge • Hebezeuge – Träger – Laufkatze (Seilwerk, Haken, Fahrwerk) – Elektrik/Elektronik (Antriebe, Steuerung) • Prüfanlagen – Leitungswege (E-Versorgung) – Übertragungsbandelemente (Trafos, Maschinensätze) – Steuerung – Meßsysteme – Hilfsanlagen (Pneumatik, Lüftung, Druckluft) Der Zustand der Bestandteile wird in drei Ausprägungen bestimmt und zu einem Gesamtzustand zusammengefasst. • gut: Bestandteil wird Anforderungen ohne Abstriche gerecht. • ausreichend: Bestandteil wird mit Abstrichen den Anforderungen gerecht, diese Abstriche gefährden jedoch nicht die Qualität des Produktes, des Produktionsprozesses oder der Arbeitssicherheit.
70
2 Grundlagen der Instandhaltung
• mangelhaft: Bestandteil weist erhebliche Mängel auf und gefährdet die Produkt-, Prozessqualität oder die Arbeitssicherheit. Die Bewertung erfolgt durch die an der Anlage tätigen Mitarbeiter und durch die verantwortlichen Instandhalter. Durch eine im laufenden Jahr durchgeführte Reparatur verbessert sich der Zustand der Anlage und damit verringert sich der für das kommende Jahr zu planende Bedarf. Andererseits führt eine Veränderung im Produktionsprozess zu einer Verschiebung der Instandhaltungsaktivitäten (vgl. Abb. 2.31).
Instandhaltungs-Würdigkeit Anschaffungswert des InstandhaltungsObjektes
IV
2 II
1
5
II 4
3
I Anlagenzustand
Abb. 2.31 Anordnung von Objektgruppen im Portfolio (Beispiel).
Darüber hinaus ist es erforderlich, Sonderaktivitäten zu vermerken. Das betrifft umfangreichere Maßnahmen, die in der Vergangenheit bereits durchgeführt und abgerechnet wurden und Maßnahmen, deren Umfang im Vorfeld gut bekannt ist. Letztendlich ermittelt sich der Instandhaltungsbedarf aus der Summe von methodisch bestimmtem Bedarf und Sonderbedarf.
Ablauf einer Bedarfsermittlung Die Schrittfolge für die Durchführung einer Bedarfsermittlung wird im Folgenden erläutert (vgl. Abb. 2.32). Schritt 1: Bestimmung des Gebäudewertes Der Gebäudewert wird auf der Grundlage von Kennzahlen der Baukosten, vom Gebäudevolumen und in Abhängigkeit vom Gebäudetyp ermittelt.
2.5 Erfassung des Instandhaltungsbedarfs
71
Schritt 2: Detailplanung Die Detailplanung für A- und B-Objekte kann entweder auf der Grundlage einer Zustandsanalyse erfolgen oder über die Festlegung von Prioritäten zur Berechnung von Jahresbedarfswerten wie im vorangegangenen Abschnitt beschrieben. Schritt 3: Pauschalplanung Für alle anderen Objekte erfolgt zusätzlich eine pauschale Planung des restlichen Anlagenbedarfs. Schritt 4: Gesamtbedarf Der Gesamtbedarf ergibt sich aus der Zusammenfassung der Bedarfe aus der Detailplanung und Pauchalplanung. Schritt 5: Berichte Auf der Basis des Gesamtbedarfes werden entsprechende Berichte für die Budgetierung für das Anlagenmanagement erstellt.
Ermittlung der Anschaffungswerte
Festlegen von Prioritäten
Einmalige Vorarbeiten
Zustandsanalyse
Pauschalplanung für den Objekt-Bedarf
Zusammenfassung zum Gesamt-Bedarf
Erstellen der Berichte
Abb. 2.32 Ablauf einer Bedarfsermittlung.
Für jede Planungsperiode auszuführende Tätigkeiten
72
2 Grundlagen der Instandhaltung
2.5.2 Durchschnittliche Instandhaltungsbedarfsermittlung auf der Basis des statischen Verfahrens Bei der Planung des Instandhaltungsbedarfs im Rahmen der Durchführung von Reorganisationsmaßnahmen im Instandhaltungsbereich agieren die Unternehmen im Idealfall auf der Grundlage von umfangreichen Leistungsverzeichnissen. In vielen Fällen zeigt sich aber, dass keine ausreichenden Dokumentationen über den Anlagenzustand vorliegen. Hier müssen neue Arbeitsweisen zur Datenakquisition entwickelt werden, die als Voraussetzung für die Kalkulation, die Ermittlung von zweckmäßigen Instandhaltungsstrategien und vor allen Dingen dem Aufzeigen von Potenzialen zur Kostensenkung dienen. Zur Unterstützung der Datenakquisition im Instandhaltungsbereich sollte eine Instandhaltungs-Daten-Analyse-Methode (IDA-Methode) eingesetzt werden, auf deren Grundlage eine strukturierte Informationsbeschaffung zur Ableitung des Instandhaltungsbedarfs möglich ist. Zur Unterstützung dieser Methode stehen vielfältige Softwaretools als Bestandteile von Instandhaltungsplanungs- und -steuerungssystemen zur Verfügung. Befragungen von Unternehmen haben deutlich gemacht, dass viele Unternehmen der detaillierten Kostenübersicht im Instandhaltungsbereich meist zu wenig Bedeutung beimessen. Informationen liegen häufig auf einer groben Planungsebene vor, die sich oft nur auf zusammengefasste Kostenstellen oder Bedarfsgrößen von Maschinengruppen bezieht. Eine präzise Auftragsaufschreibung mit Einzelnachweisen über erbrachte Personal- und Materialleistungen hingegen bietet ein hohes Rationalisierungspotenzial. Deshalb setzt auch hier die Vorgehensweise zur Bestimmung des Instandhaltungsbedarfs bei unscharfen Eingangsbedingungen an. Im ersten Schritt wird der jährliche Instandhaltungsbedarf mit den Einzelanteilen an Material, Ersatzteilen, Fremd- und Eigenleistungen nach Erfahrungswerten ermittelt, der sich an vergleichbaren Größen von Unternehmen mit ähnlicher Maschinenstruktur und Fertigungsprofil orientiert. Dieser grobe Planungswert muss weiterhin folgende Punkte berücksichtigen: • • • • • • •
Schätzungen zum Instandhaltungsbedarf im eigenen Unternehmen, Entwicklung von Produktionsmenge, Maschinenstruktur und Sortiment, verändernde Qualifikationsanforderungen, notwendige Maschinenverfügbarkeit, technischer Zustand der Maschinen und Anlagen, Organisationsformen, nicht berücksichtigte Kosten wie Lohnnebenkosten usw..
Beginnend mit dem geplanten Instandhaltungsbedarfswert können ab diesem Zeitpunkt die Arbeiten im Instandhaltungsbereich mit einem definierten Kostenumfang durchgeführt werden. Für anschließende Zeiträume kann ausgehend von der Bedarfsverwendung im ersten Zeitraum unter Berücksichtigung der durchgeführten Arbeiten und der bereits genannten Einflussgrößen die Arbeitsgrundlage folgender Jahre bzw. Etappen gebildet werden. Hier wird insbesondere auf die IDA-Methode
2.5 Erfassung des Instandhaltungsbedarfs
73
zurückgegriffen, mit der die dokumentierten Aufwendungen analysiert werden. Diese Analyse setzt voraus, dass auftragsbezogen sämtliche Leistungen begleitend aufgeschrieben und systemtechnisch auswertbar erfasst werden. Gute Analysemöglichkeiten bieten hierbei Datenbanken, die äußerst flexibel die Anforderungen unterschiedlichster Unternehmen kostengünstig umsetzen können. Die Zusammenfassung hinsichtlich der erläuterten Vorgehensweise stellt Abb. 2.33 dar.
Situation
Vorgehensweise
Ergebnisse
– Bestimmung des InstandhaltungsBedarfs ist erforderlich – Verwendung des Bedarfs für zurückliegende Zeiträume usw. ist unklar – es stehen nur unscharfe Eingangsdaten zur Verfügung – Unterstützung eines Basis-Managementsystems ist erforderlich
– Nutzen der Erfahrungswerte aus dem Ist-Stand – Realisierung einer begleitenden Informationserfassung – Erfassung der Informationen in einer Datenbank – Auswertung zur Ableitung des InstandhaltungsBedarfs implementieren
– Ermittlung des InstandhaltungsIst-Bedarfs – Transparenz der InstandhaltungsKostensituation – Unterstützung des InstandhaltungsAuftragswesens, insbesondere der Planung und Überwachung präventiver InstandhaltungsMaßnahmen
Abb. 2.33 Ablauf der Instandhaltungs-Daten-Analyse (IDA-Methhode).
Abb. 2.33 zeigt darüber hinaus, dass eine detaillierte Bestimmung des Instandhaltungsbedarfs erst nach einer statischen Aufnahme aller durchgeführten Instandhaltungsmaßnahmen möglich ist. So können erste Schätzungen und Prognosen korrigiert werden. Damit sind dann Reduzierungen des zu realisierenden Leistungsvolumens und schließlich Kostensenkungen durch die Auswertung der Begleitaufnahmen und die Reaktion auf analysierte kostenintensive Maschinen und Anlagen möglich. In der Lösungsphase kommt die IDA-Methode zum Einsatz. Grundlage der Methode ist die Erfassung sämtlicher Instandhaltungsmaßnahmen an den vorhandenen Maschinen und Anlagen. Die zu erfassenden Maßnahmen werden dann zur Auswertung und zu gegenseitigen Vergleichsmöglichkeiten strukturiert. Zur Vereinfachung der Strukturierung dient ein Leistungsartenkatalog, in dem alle zu erwartenden Instandhaltungsmaßnahmen enthalten sind. Tabelle 2.13 beinhaltet beispielhaft die definierten Leistungsarten. Über die Zuordnung der durchgeführten Instandhaltungsmaßnahmen in dem Leistungsartenkatalog und der Vergabe von eindeutigen Auftragsnummern können somit Aufträge bzw. Leistungen zusammengefasst und ausgewertet werden. Jeder Auftrag erhält zur eindeutigen Identifizierung eine Auftragsnummer, in deren Struktur das Kennzeichen für die vergebene Leistungsart enthalten sein sollte. Dadurch ist ein duplikatfreies Kriterium vorhanden, das für spätere Auswertungen genutzt werden kann.
74
2 Grundlagen der Instandhaltung
Tabelle 2.13 Leistungsartenkatalog. Kennzeichen Leistungsart
Bemerkung
A B C D E F G K L M N O P X
Instandhaltungsleistungen Instandhaltungsleistungen Instandhaltungsleistungen Instandhaltungsleistungen Instandhaltungsleistungen Instandhaltungsleistungen Instandhaltungsleistungen Nicht-Instandhaltungsleistungen Nicht-Instandhaltungsleistungen Nicht-Instandhaltungsleistungen Nicht-Instandhaltungsleistungen Nicht-Instandhaltungsleistungen Nicht-Instandhaltungsleistungen nicht zugeordnet
Instandhaltung allgemein Wartung außer Industriereinigung Industriereinigung Inspektion Instandsetzung allgemein Instandsetzung planmäßig Instandsetzung außerplanmäßig Spezialdienste und -leistungen allgemein De-/Remontagen bzw. Maschinenumzüge Umweltschutzmaßnahmen/Entsorgung Gebäudemanagement Beraterleistungen Neubau/Fertigung/Modernisierung allgemein sonstige Leistungen
Für Standauswertungen sind jedoch noch weitere Informationen notwendig, um Analysen hinsichtlich der Instandhaltungsbedarfs-Ableitung durchführen zu können. Folgende Informationen sind im Rahmen der Bedarfsplanung und der detaillierten Kostenübersicht im Instandhaltungsbereich notwendig: • Daten zum Instandhaltungsobjekt mit Bezeichnung, Standort, Kostenstelle usw., die in einer zu definierenden Instandhaltungs-Objektnummer zusammengefasst werden. • Auftragsdaten, wie Auftraggeber, Zyklus, Auftragswert, Beauftragungsdatum und Fertigstellungstermin u.ä. • Erläuterungen der Leistungsart bei planmäßiger und außerplanmäßiger Instandhaltung durch die Zuordnung von Schadensbild und Schadensursache • Ausführungsdaten, wie Meldungs- und Übergabedatum sowie deren Zeitangaben • Leistungsdaten, wie Personalaufwand, Material- und Ersatzteilverbrauch sowie Fremd- bzw. Subunternehmerleistungen • Aktivitätenbeschreibungen zur Erläuterung der durchgeführten Maßnahmen • Bestätigungen über Berechtigungen zur Recherche bei Fehlern und Garantieleistungen u.ä. Für die Analyse aufwandsintensiver Leistungen an Maschinen und Anlagen ist gerade die Ermittlung der Ursachen von Bedeutung, um Kostensenkungspotenziale feststellen zu können. Deshalb werden festgelegte Schlüssel zur Beschreibung von technischen Störungen genutzt. Da ein auftretendes Schadensbild (vgl. Tabelle 2.14) nicht ausschließlich aus einer identischen Schadensursache resultiert (vgl. Tabelle 2.15), sollte sich ein solcher Schlüssel aus jeweils der Kombination beider Merkmale zusammensetzen. Nach der Klärung möglicher Ursachen für Störungen sind weiterhin die Ausführungszeiten und Leistungsdaten von Bedeutung, um Stillstandszeiten von Maschinen sowie Ausfallkosten und Durchlaufzeiten von Aufträgen zur Minimierung von
2.5 Erfassung des Instandhaltungsbedarfs
75
Tabelle 2.14 Katalog von Schadensbildern (Beispiel). Kennzeichen/Schlüssel
Bezeichnung
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
nicht feststellbar Bruch/Riss Festsitz/Fresser Verbindung gelöst Verformung Verschleiß Verunreinigung Isolationsfehler Kontaktschaden frei
Tabelle 2.15 Katalog von Schadensursachen (Beispiel). Kennzeichen/Schlüssel
Bezeichnung
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
nicht feststellbar Bedienfehler unzureichende Instandhaltung Über-/Unterlast, Zweckentfremdung Materialfehler Konstruktionsfehler Herstellungsfehler Alterung, normale Abnutzung Umwelteinflüsse, Katastrophen Energieausfall, Versagen anderer Teile
Reaktionszeiten ermitteln zu können. In der IDA-Methode wird als eine wichtige Größe die Stillstandszeit der Maschine definiert als Zeit vom Zeitpunkt der eingegangenen Meldung bis zur Übergabe der Maschine nach Beseitigung der Störung bzw. Beendigung der beauftragten Maßnahme. Durch die detaillierte und auftragsbezogene Datenerfassung an Maschinen und Anlagen können vielfältige Auswertungen durchgeführt werden, um den tatsächlichen Instandhaltungsbedarf zu ermitteln und dessen verursachergerechte Aufteilung transparent zu beschreiben. Dazu zählen Auswertungen zu: • Bedarfsverwendungen mit Soll-/Ist-Vergleichen nach Jahr, Quartal oder Monaten sowie nach Instandhaltungsobjekten, Kostenstellen, Leistungsarten oder Standorten • Störungsanalysen nach Anzahl, Dauer, Kosten, Kostenstellen sowie Instandhaltungsobjekten • Auftrags-, Material-/Ersatzteil- oder Fremdleistungslisten und Leistungsübersichten sowie Maschinen- und Anlagenhistorien. Der so ermittelte Instandhaltungsbedarf für den statisch betrachteten Zeitraum, der möglichst einem Jahr entsprechen sollte, kann in Verbindung mit den bereits ge-
76
2 Grundlagen der Instandhaltung
nannten Einflussgrößen zur Ableitung des zukünftigen Instandhaltungsbedarfs genutzt werden. Die statische Instandhaltungs-Daten-Analyse-Methode liefert somit die Basis für eine mögliche Bestimmung des notwendigen Instandhaltungsbedarfs im Unternehmen.
2.5.3 Instandhaltungsbedarfsermittlung auf Basis des simulierten Ausfallverhaltens Das Zuverlässigkeitsverhalten von Maschinen kann mit Lebensdauerverteilungen beschrieben werden. Auf der Grundlage der Weibull-Verteilung können unterschiedliche Ausfallverhalten modelliert werden. Für einzelne Anlagenkomponenten kann das Ausfallverhalten berechnet und als Ausfallrate ermittelt werden. Durch eine aufwandsbezogene Bewertung der Ausfallrate kann der Instandhaltungsbedarf ermittelt und zur Begründung einer anforderungsbezogenen Instandhaltungsstrategie herangezogen werden. Als empirisch bestätigte Verteilungsfunktion hat sich die Weibull-Verteilung für instandzuhaltende Anlagenkomponenten bewährt. Die Vorzüge dieser Verteilungsfunktion bestehen darin, dass sie extrem anpassungsfähig ist. Durch eine geeignete Festlegung ihrer Parameter kann eine fallende, steigende oder eine konstante Ausfallrate dargestellt werden. Die Grundlagen dieser Wahrscheinlichkeitsverteilung wurden bereits im Abschnitt 2.4.2 erläutert. Für die zeitpunktgenaue Bereitstellung der Instandhaltungskapazitäten, d.h. des Personals und der technischen Geräte, muss dem Management also das Ausfallverhalten der in den Anlagen verwendeten Komponenten bekannt sein. Im Rahmen von unscharfen Ausgangsbedingungen können mit diesem Modellansatz erste Planungsinformationen bereitgestellt werden. Durch Herstellerangaben, die empirisch ermittelt wurden, lässt sich ein grobes Planungsschema erarbeiten, das aber noch durch unternehmensbezogene Erfahrungswerte ergänzt werden muss. Diese Erfahrungswerte können quasi durch individuelles Variieren der Weibull-Parameter und die darauf basierende Ausfallverteilungsrechnung im Planungsprozess berücksichtigt werden. Als Ergebnis liegt dann eine bauteilbezogene Folge von Ausfallzeitpunkten vor. Zur Sicherung der Anlagenverfügbarkeit werden Instandhaltungsmaßnahmen notwendig, die an die ereignisbezogenen Ausfalltermine gekoppelt sind. Mit einer sich anschließenden maßnahmebezogenen Ausfallbewertung kann der Instandhaltungsbedarf in Abhängigkeit von folgenden Einflussgrößen ermittelt werden: • Anzahl identischer Anlagenkomponenten • durchschnittlicher Maßnahmeaufwand • Betrachtungszeitraum.
2.5 Erfassung des Instandhaltungsbedarfs
77
2.5.4 Beschaffung von Ausgangsinformationen für instandzuhaltende Anlagen Bei allen folgenden Befragungsmethoden bzw. Analyseaktivitäten kommt es nicht unbedingt darauf an, mathematisch exakte Detailanalysen zu erstellen, sondern Zusammenhänge und Wechselwirkungen zu erfassen, um Gestaltungshinweise für geplante Vorhaben abzuleiten. Abb. 2.34 zeigt eine Übersicht über die Methodik zur Informationserfassung in der Instandhaltung. Sie zeigt dem Praktiker eine Auswahl von Methoden, die in angepasster Form im Unternehmen angewendet werden können.
Informations- und Materialflussanalyse Morphologie Checklisten Dokumentenstudium
Abb. 2.34 Übersicht über die Methodik zur Informationserfassung.
Dokumentenstudium In Abhängigkeit von der betriebsspezifischen Projektausrichtung dient das Dokumentenstudium insbesondere dem Beschaffen, Sichten, Aufbereiten, Auswerten und Dokumentieren relevanter Unterlagen im Unternehmen und ist als Ausgangsbasis für die weitere Projektbearbeitung anzusehen. Unter Berücksichtigung der Ziele sowie der unternehmensspezifischen Ist-Situation kommen unterschiedliche Dokumente in Betracht. Zur Unterstützung der Auswahlentscheidung für die einzubeziehenden Unterlagen können folgende Kriterien herangezogen werden: • • • • •
Verfügbarkeit von Informationen Aufgabenrelevanz Aktualität bezogen auf die Ist-Situation Vollständigkeit und Bedeutung für den definierten Einflussbereich Aufwandserfordernisse zur Erfassung und Weiterbearbeitung
Das Ziel des Dokumentenstudiums ist somit die Erfassung der charakteristischen Unternehmensbedingungen, die Bewertung und die Bereitstellung als Informationsbasis. Checkliste Die Checkliste soll als Zusammenstellung von logisch abgeleiteten und aus der
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2 Grundlagen der Instandhaltung
Erfahrung gewonnenen Fragekomplexen als methodisches Hilfsmittel insbesondere zur Unterstützung einer schwachstellenbasierten Gesprächsführung zur Erarbeitung von Anforderungen dienen. Das Einsatzgebiet umfasst die Bereiche Schwachstellenanalyse und Anforderungsermittlung. Die Checklistentechnik ist insbesondere bei Befragungen im Rahmen einer individuellen Gesprächsführung einzusetzen. Hierbei dienen die Fragenkomplexe sowohl als Leitfaden als auch als Rahmen zur vollständigen Problembearbeitung. Bei der Gestaltung wird insbesondere Wert auf folgende Besonderheiten gelegt: • einfaches und wirksames Hilfsmittel bei der Gesprächsführung • komprimierte, übersichtliche Form der Ergebnisdarstellung • effektives Dokumentationsmittel Die Checkliste ist strukturiert und so ausgelegt, dass allgemeine und spezielle Fragen enthalten sind. Es werden Informationen aus den Bereichen: • • • •
Organisation, Information, Technik und Instandhaltung
betrachtet und abgefragt. Die Rubriken sind variabel zu erweitern und somit mit Gesprächsnotizen zu vervollständigen. Zur Vervollständigung der Befragungsergebnisse kann zusätzlich auf folgende Quellen zurückgegriffen werden: • Darstellung von Ergebnissen aus Gruppengesprächen, • Ergebnisverdichtung auf der Basis von Fragebögen. Morphologie Das morphologische Kriterienschema ist eine Methode zur übersichtlichen Darstellung von charakteristischen Unternehmensbedingungen in verdichteter Form. Es kann hierbei zur Beschreibung der betriebsspezifischen Ausgangssituation sowie zur Beschreibung der zu gestaltenden Neukonzeption genutzt werden. Als Ergebnis stellt das morphologische Kriterienschema ein geeignetes Arbeitsmittel für die weitere Projektbearbeitung dar. Die Kriterienauswahl und deren Ausprägungen können nach folgenden Gesichtspunkten erfolgen: • Sicherung einer breiten Anwendbarkeit durch Einbeziehung von Kriterien mit hinreichender Genauigkeit • Relevanz für die Erarbeitung von Anforderungen an eine neue konzeptionelle Lösung • vertretbarer Erfassungsaufwand Als Methode wird das morphologische Kriterienschema durch folgende Besonderheiten charakterisiert:
2.5 Erfassung des Instandhaltungsbedarfs
• • • • •
79
einfaches, praktikables und wirksames Hilfsmittel bei der Projektarbeit, leichte Handhabbarkeit, komprimierte, übersichtliche Form der Ergebnisdarstellung, effektives Dokumentationsmittel, unterstützt systematische Arbeitsweisen.
Das Kriterienschema ist strukturiert und so ausgelegt, dass Informationen aus den folgenden Bereichen dargestellt werden können: • • • •
Unternehmen, Fertigungs- und Erzeugniseigenschaften, Instandhaltung sowie Information und Kommunikation
Die Durchführung erfolgt durch Markieren zutreffender Ausprägungen. Als Ergebnis werden schematische Übersichten erstellt. Bei der Erarbeitung von Kriterienausprägungen kann auf folgende Quellen zurückgegriffen werden: • Darstellung von Ergebnissen aus Befragungen bzw. Gruppengesprächen. • Ergebnisverdichtung auf der Basis von Fragebögen. Als methodisches Hilfsmittel dient die Tätigkeitsaufschreibung der strukturierten Erfassung von Instandhaltungsaufgaben nach Arten, Anzahl, Umfang und Aufwandserfordernissen in der Analysephase. Als aussagefähige Informationsbasis repräsentiert sie die Arbeitsgrundlage bei der Ermittlung und Beurteilung analysierter Instandhaltungsmaßnahmen und kann zur Bildung instandhaltungsorientierter Kennwerte herangezogen werden. Die methodische Grundlage für eine Entscheidungsfindung bildet die Gegenüberstellung des zu ermittelnden Instandhaltungs-Kapazitätsbedarfs und der kapazitiven Instandhaltungs-Ist-Situation im Unternehmen. Die Tätigkeitsaufschreibung ist unter folgenden Voraussetzungen bzw. Zielstellungen sinnvoll einzusetzen: • Aufbau bzw. Verbesserung einer instandhaltungsorientierten und weiterverwendbaren Informationsbasis • Verbesserung der Bewertung von Instandhaltungsleistungen durch Bildung von spezifischen Kennwerten bzw. Kennzahlen • Einbeziehung von Mitarbeitererfahrungen bei der Bearbeitung Die abzufragenden Informationen können in Formblättern definiert, durch Mitarbeiterbeteiligung erarbeitet und durch ein entsprechendes DV-Werkzeug wie eine Tabellenkalkulation erfasst und ausgewertet werden. Auf der Basis der erfassten Daten können unterschiedliche objekt- und unternehmensbezogene Auswertungen hinsichtlich Gewerk, Kapazität oder Eigen- und Fremdarbeiten erstellt werden.
80
2 Grundlagen der Instandhaltung
Zur effektiven Handhabung sind der Umfang und der hinterlegte Inhalt betriebsspezifisch sinnvoll anzupassen, um einerseits den Erfassungsaufwand zu begrenzen und andererseits die Komplexität der inhaltlichen Abfragen zu minimieren. Die Methode ist insbesondere von Bedeutung bei Projekten mit unzureichender betrieblicher Datenbereitstellung und unscharfer Bewertung bzw. Einschätzung der unternehmerischen Ist-Situation. Die Tätigkeitsaufschreibung sollte über einen aussagefähigen Zeitraum von ca. 2 bis 4 Wochen durchgeführt werden. Informations- und Materialflussanalyse Die Methode dient als schematisches Beschreibungsmittel zur Aufbereitung, Darstellung und Dokumentation von aufbau- und ablauforganisatorischen Zusammenhängen. Sie ist insbesondere für die Teilaufgaben Organisations- und Funktionsanalyse geeignet. Als Beschreibungsmittel betriebsspezifischer Strukturen und Abläufe können folgende Vorteile definiert werden: • • • • •
umfangreiche Informationen sind darstellbar hierarchische Gliederung möglich variable Detaillierungsmöglichkeiten breites Einsatzspektrum übersichtliches Dokumentationsmittel
Eine übersichtliche Darstellung setzt die Ermittlung folgender Daten voraus: • Eingabedaten: Daten, die durch die Aktivität in Ausgabedaten transformiert werden. • Ausgabedaten: Daten, die von der Aktivität erzeugt werden. • Steuerdaten: Daten, die den Transformationsprozess steuern bzw. steuernd beeinflussen. Die Daten werden in einem Mechanismus zusammengefasst, der als Prozessor die Aktivität ausführt oder die Ausführung unterstützt Die darzustellenden Informationen können vorteilhaft mit entsprechenden vorgelagerten Aufbereitungsmethoden, wie Dokumentenstudium, Fragebogen und Einzel- bzw. Gruppengespräch, erfasst werden. Als Ergebnis können schematische Darstellungen zu folgenden Themen effektiv erstellt werden: • Auftragsdurchlauf im Instandhaltungsbereich • Informations- und Belegfluss • funktionelle Einbindung der Instandhaltung in das Unternehmen Es ist wichtig, eine angepasste bzw. anforderungsgerechte Detaillierung zu wählen.
2.6 Gesamtanlageneffektivität
81
2.6 Gesamtanlageneffektivität Methoden zur Bestimmung der Overall Equipment Effectiveness (OEE) ermöglichen eine Bewertung und Verbesserung der Effizienz von Fertigungsprozessen. Die OEE wird häufig als eine Schlüsselkennzahl in Total Productive Maintenance (TPM)-Programmen verwendet, mit deren Hilfe die Gesamtanlageneffektivität bzw. -effizienz durch Null-Fehler-Produktion, Null-Stillstände oder reduzierte Rüstzeiten gesteigert werden sollen. Voraussetzung dafür bildet die Schaffung einer gemeinschaftlichen Verantwortung von Maschinenbedienern und Instandhaltungspersonal für die zu betreuende Anlage. Mittels der OEE ergibt sich eine objektive Möglichkeit, die Wirksamkeit von TPM-Programmen und anderen Initiativen dadurch zu messen, inwieweit sie auf die Effizienz des Produktionsprozesses wirken. Da für die Bestimmung der OEE keine Standardisierung existiert, ist es erforderlich, einige Begriffe einzuführen, Zusammenhänge zu erläutern und die Berechnungsvorschriften zu definieren.
2.6.1 OEE-Kategorien OEE-Kategorien beschreiben den grundsätzlichen Zusammenhang zwischen der Zeit und der Anlageneffektivität (vgl. Abb. 2.35). Eine OEE-Analyse beginnt mit der Bestimmung des verfügbaren Zeitfonds einer Anlage, d.h. der theoretischen Betriebszeit einer Anlage, die zur Erfüllung der Produktionsaufgaben zur Verfügung steht [Vor07].
Verfügbarer Zeitfond Nicht geplante Zeit
Geplante Produktionszeit = 100 % Betriebszeit
Zeitverlust Geschwindigkeitsverlust
Netto-Betriebszeit Produktive Betriebszeit
Qualitätsverlust
Abb. 2.35 OEE-Kategorien.
Von diesem maximal verfügbaren Zeitfond werden alle geplanten Stillstände der Anlage abgezogen. In den geplanten Stillstandszeiten liegen solche Ereignisse, die in der Effizienzanalyse nicht berücksichtigt werden sollen, da sie keinen Einfluss auf die laufende Produktion haben, wie z.B. Pausen, Mittagessen, planmäßige Instandhaltung oder Perioden, in denen nichts produziert werden kann, weil keine Produk-
82
2 Grundlagen der Instandhaltung
tionsaufträge vorhanden sind. Im Ergebnis erhält man die geplante Produktionszeit der Anlage. Die OEE setzt nun an der geplanten Produktionszeit als Bezugsgröße an und untersucht mögliche Effizienz- und Produktivitätsverluste, die im Produktionsprozess auftreten können. Das Ziel besteht letztlich darin, die Verlustbringer aufzudecken, die Ursachen zu ergründen und Maßnahmen zu ihrer Beseitigung abzuleiten. Dabei werden drei Hauptkategorien von Verlusten unterschieden. Zeitverlust Hierunter werden Ereignisse zusammengefasst, die zu einem längeren ungeplanten Stillstand der Produktion führen. Dazu zählen Ausfälle von Ausrüstungen, materielle Knappheiten von Produktionsressourcen, z.B. Material, Bedienpersonal, und Stillstände durch Umstellungen bzw. Umrüstung der Produktion. Rüstzeiten werden in die OEE-Analysen einbezogen, da sie eine spezielle Form der Ausfallzeit darstellen. In den meisten Fällen wird es jedoch nicht möglich sein, Rüstzeiten im Produktionsprozess zu vermeiden, aber eine Reduzierung dieser Zeitanteile ist in vielen Fällen erreichbar. Die nach Abzug von Zeitverlusten verbleibende verfügbare Zeit wird als Betriebszeit bezeichnet. Geschwindigkeitsverlust Hierbei werden Faktoren einbezogen, die berücksichtigen, dass ein technischer Prozess in der Regel mit weniger als seiner maximal möglichen Geschwindigkeit abläuft. Die Ursachen liegen z.B. in der fehlenden Maschinenleistung, unzulänglichen Rohmaterialien, technologisch bedingten Wartezeiten, z.B. zum Abkühlen, oder in einer mangelhaften Abstimmung der Taktzeiten bei verketteten Maschinen. Die Differenz aus Betriebszeit und den Geschwindigkeitsverlusten ergibt die sog. NettoBetriebszeit. Qualitätsverlust Durch die Herstellung von nicht dem gesetzten Qualitätsstandard entsprechenden Produkten entstehen dem Unternehmen mitunter beträchtliche Aufwendungen für erforderliche Nacharbeiten bzw. Ersatzherstellungen. Diese qualitätsbedingten Verluste reduzieren die Netto-Betriebszeit weiter, im Ergebnis entsteht die produktive Betriebszeit.
2.6.2 OEE-Ereignisse Unter OEE-Ereignissen werden alle Ereignisse im Produktionsprozess verstanden, die zu den o.g. Verlusten an produktiver Betriebszeit führen und die in die OEE-Berechnung einbezogen werden sollen. Ein Hauptziel von OEE-Analysen und TPM-Programmen besteht dabei in der Reduzierung bzw. Beseitigung der sog. »sechs großen Verlustbringer«, die sich im Ergebnis von zahlreichen Untersuchungen an Produktionsanlagen als Hauptprobleme herausgestellt haben (vgl. Tabelle 2.16).
2.6 Gesamtanlageneffektivität
83
Tabelle 2.16 Die »sechs großen Verlustbringer«. Verlustbringer
OEE-Kategorie
Bemerkungen
Unterbrechungen
Zeitverlust
Einrichten und Umrüsten kurze Stopps
Zeitverlust
verschiedenste Auffassungen über die Grenze zwischen tatsächlicher Unterbrechung und kurzer Stopp, Abgrenzung über ein Zeitlimit für kurze Stopps möglich Einbezug der erforderlichen Werkzeugwechsel in die Betrachtungen in der Regel Stopps unter 5 Minuten Dauer, zur Beseitigung der Ursachen ist kein Instandhaltungspersonal erforderlich alle Ereignisse die den Prozess davon abhalten mit seiner theoretischen Maximalgeschwindigkeit, d.h. mit minimaler Zykluszeit abzulaufen bspw. nicht qualitätsgerechten Produkte durch z.B. Anfahren der Anlagen, Aufwärmphasen, fehlerhafte vorgelagerte Produktionsprozesse Ausschussquote während des normalen Produktionsablaufs
Geschwindigkeitsverluste
Geschwindigkeitsverluste
Geschwindigkeitsverluste
Anlaufverluste
Qualitätsverlust
Produktionsverluste Qualitätsverlust
2.6.3 Berechnung der OEE Die OEE-Berechnung ist in der Praxis sehr einfach vorzunehmen. Sie basiert auf der Bestimmung der drei grundlegenden Faktoren Verfügbarkeit, Leistung und Qualität. Die Verfügbarkeit (engl.: Avaiability) wird im Zusammenhang mit Zeitverlusten betrachtet. Sie wird in der Praxis aus dem Verhältnis von Betriebszeit zur geplanten Produktionszeit ermittelt. tB · 100 (2.34) t A ist die Verfügbarkeit in Prozent (%), tB die Betriebszeit in Stunden (h) und t die geplante Produktionszeit in Stunden (h). Der Begriff der Verfügbarkeit ist immer abhängig vom Betrachtungszeitraum. Die sog. momentane Verfügbarkeit kennzeichnet die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine bestimmte Anlage zu einem bestimmten Zeitpunkt funktionsfähig ist. Wird die Zeitabhängigkeit vernachlässigt, so spricht man von der sog. stationären Verfügbarkeit. Diese lässt sich aus dem o.g. Verhältnis bestimmen. Alternativ ist auch eine Berechnung aus dem mittleren Ausfallabstand und der mittleren Ausfallzeit in einem Betrachtungsintervall möglich. A =
MT BF · 100 (2.35) MT BF + MDT A ist die Verfügbarkeit in Prozent (%), MT BF die Mean Time Between Failure in Stunden (h) und MDT die Mean Down Time in Stunden (h). Die Bestimmung der Leistung (engl.: Performance) berücksichtigt Geschwindigkeitsverluste in der Produktionsanlage. Sie wird berechnet als: A =
84
2 Grundlagen der Instandhaltung
tZ · N · 100 tB
P =
(2.36)
P ist die Leistung in Prozent (%), tZ die ideale Zykluszeit in Stunden (h), N die Stückzahl in Stück und tB die Betriebszeit in Stunden (h). Die ideale Zykluszeit ist hierbei ein minimaler Wert für die Herstellung eines Produktes, z.B. Bearbeitungszeit zzgl. Handling-Zeit, der unter optimalen Produktionsumständen auch theoretisch erreicht werden kann. Oftmals wird diese Zeit auch als Plan-Zykluszeit oder theoretische Zykluszeit bezeichnet. Da sich der Ausstoß an Produkten umgekehrt proportional zur Zykluszeit verhält, kann die Leistung auch entsprechend der nachfolgenden Beziehung ermittelt werden: P =
N Nideal · tB
(2.37)
P ist die Leistung in Prozent (%), Nideal der ideale Ausstoß in Stück pro Stunde (Stück/h), N die Stückzahl und tB die Betriebszeit in Stunden (h). Die Angabe der Leistung wird dabei auf 100 % begrenzt. Damit ist gewährleistet, dass sich eventuelle Fehleinschätzungen bei der idealen Zykluszeit bzw. beim idealen Ausstoß nicht zu stark auf die OEE-Bestimmung auswirken. Zur Bestimmung der Qualität (engl.: Quality) wird das Verhältnis aus GutProdukten zu den insgesamt hergestellten Produkten gebildet. Ngut · 100 (2.38) N die Anzahl an Gut-Produkten in Stück und N
Q =
Q ist die Qualität in Prozent (%), Ngut die Stückzahl (Stück). Daraus abgeleitet stellt sich die OEE im Prinzip als das Verhältnis aus produktiver Betriebszeit und geplanter Produktionszeit dar. Sie ergibt sich als das Produkt aus den drei genannten Bestandteilen Verfügbarkeit, Leistung und Qualität. OEE = A · P · Q
(2.39)
A ist die Verfügbarkeit (Availability), P die Leistung (Performance) und Q die Qualität (Quality). Diese Art der Berechnung führt natürlich dazu, dass der Betrag der OEE in der Regel nicht sehr hoch ausfallen wird, auch wenn die einzelnen Faktoren im Unternehmen rein gefühlsmäßig als sehr gut bewertet werden. Wenn bspw. alle drei Faktoren mit 90 % in die Berechnung eingehen, wäre der sich ergebende Wert für die OEE lediglich 72,9 %. In der Praxis weichen die Werte der Faktoren sehr stark voneinander ab. Tabelle 2.17 zeigt als Weltklasse anerkannte Werte für die Verfügbarkeit, Leistung und Qualität [Vor07]. Natürlich ist hierbei zu beachten, dass jede Branche und jedes Unternehmen andere Voraussetzungen mitbringt und spezielle Anforderungen an die OEE stellen. Durch besonders komplizierte Herstellungsprozesse und die Komplexität der ein-
2.6 Gesamtanlageneffektivität
85
Tabelle 2.17 Weltklasse-Werte für OEE. OEE-Bestandteil
Weltklasse-Wert
Verfügbarkeit Leistung Qualität OEE
90,0 % 95,0 % 99,9 % 85,0 %
gesetzten Produktionsanlagen ist in vielen Industriezweigen eine Verfügbarkeit von über 90 % nicht realistisch zu erzielen. Anders betrachtet kann im Rahmen eines Qualitätsmanagementsystems auch die Forderung nach einer Qualität von mehr als 99,9 % bestehen. Weltweit durchgeführte Studien haben ergeben, dass die durchschnittliche OEE in produzierenden Unternehmen bei ca. 60 % liegt. Damit wird zur Erreichung des Weltklasse-Niveaus von 85 % ein großer Spielraum für Verbesserungen in den Unternehmen deutlich.
2.6.4 Beispielrechnung zur Bestimmung der OEE Im Folgendem ist ein »kleines« Beispiel zur Bestimmung der OEE-Kennzahl angegeben. Dazu enthät die Tabelle 2.18 alle relevanten Angaben eines Produktionsprozesses, die für eine Bestimmung der OEE erforderlich sind. Tabelle 2.18 Eingangsdaten OEE-Berechnung. OEreignis
Wert
Dauer der Schicht Pausen Mittagspause Ausfallzeiten Ausstoß Produktionsmenge Ausschuss
8h 2 Pausen á 15 min 30 min 35 min 4.200 Stück pro Stunde 22.000 Stück 125 Stück
1. Schritt: Berechnung der geplanten Produktionszeit tP geplante Produktionszeit tP = Schichtlänge - Pausen tP = 8 h x 60 min/h - 2 x 15 min - 30 min tP = 480 - 30 - 30 min tP = 420 min
86
2 Grundlagen der Instandhaltung
2. Schritt: Berechnung der Betriebszeit tB Betriebszeit tB = geplante Produktionszeit tP - Ausfallzeit tB = 420 min - 35 min tB = 385 min 3. Schritt: Bestimmung des Anteils an Gutprodukten GP GP = produzierte Menge - Ausschuss GP = 22.000 Stück - 125 Stück GP = 21875 Stück 4. Schritt: Berechnung der Verfügbarkeit A A = 91,67 % 5. Schritt: Berechnung der Leistung P P = 81,63 % 6. Schritt: Berechnung der Qualität Q Q = 99,43 % 7. Schritt: Berechnung der OEE OEE = 74,4 % Der Vergleich mit den o.g. Weltklasse-Werten ergibt ein Verbesserungspotenzial von ca. 10 % bezüglich der OEE, wobei im berechneten Beispiel die Hauptansatzpunkte für Verbesserungsmaßnahmen an der Produktionsanlage die Verbesserung der Leistungsfähigkeit und beim Qualitätsmanagement liegen sollten.
2.6.5 Kommunikation und Darstellung der OEE Die OEE macht unmittelbare Verbesserungspotenziale sichtbar. Um einen entsprechenden Verbesserungsprozess in Gang setzen zu können, ist es erforderlich, diese Kennzahl allen am Prozess beteiligten Mitarbeitern ständig zugänglich zu machen. Am besten eignen sich dazu Echtzeitanzeigen von Produktionsdaten (vgl. Abb. 2.36) bzw. entsprechend aufbereitete grafische Darstellungen direkt vor Ort an der Produktionsanlage. Über die Visualisierung wird es mit einfachen Mitteln möglich, schnell in den Prozess einzugreifen, wenn die auftretenden Verluste den Erfolg des Unternehmens zu gefährden drohen. Alle erforderlichen Informationen für einzuleitende Maßnahmen sind so in Echtzeit vor Ort verfügbar.
2.7 Organisationsstrukturen der Instandhaltung
Good 3373 19 Reject 1732 Rate 1,17 Cycle
56:41 Run 9:11 Down 1:02 Setup Standby 0:04
87
OEE Avail. Perf. Qual.
77 % 84 % 91 % 99 %
Abb. 2.36 Echtzeitanzeige von Produktionsdaten und Ergebnissen der OEE-Analyse.
2.7 Organisationsstrukturen der Instandhaltung 2.7.1 Instandhaltungsnetzwerke In einem Netzwerk ist der unverzügliche Austausch von Daten zwischen den Partnern ein Garant für erfolgreiches Agieren. Dabei rückt aber immer häufiger der Wunsch in den Vordergrund, die Organisation von Instandhaltungsnetzwerken und das Controlling transparenter für alle Partner zu gestalten (vgl. Abb. 2.37). Insbesondere unter finanzwirtschaftlichen und terminlichen Aspekten ist eine Transparenz sinnvoll, damit ein koordinierender Eingriff zur Steuerung von Netzwerkaktivitäten erfolgen kann. Das Ziel ist es deshalb, mithilfe eines geeigneten Controlling-Systems eine leistungsfähige Kommunikations- und Informationsstruktur zwischen kooperierenden Unternehmen zu unterstützen. Hierbei muss es möglich sein, Ineffizienzen von Netzwerken zu erkennen und durch Abweichungsanalysen Einfluss auf die Finanzund Terminplanung zu nehmen, sodass bereits im Vorfeld eventuelle Probleme erkannt und beseitigt werden können. Ein Methodenbaustein Controlling sollte deshalb zwischen den Partnern Transparenz auf folgenden Gebieten realisieren: • • • • • •
Vertragsgestaltung/-abschluss, Netzwerk-Controlling, Visualisierung der Geschäftsprozesse (Durchlaufmanagement), interne sowie externe Kosten- und Leistungsverrechnung, Erstellen von objektiven Leistungstabellen zur Leistungserfassung, Dokumentation durchgeführter Leistungen als Grundlage einer objektiven Partnerbewertung.
Vertragsgestaltung/-abschluss Von großer Bedeutung sind die Gestaltung von Kooperationsverträgen und die Wahl der Rechtsform des Netzwerk-Koordinators [Luc99]. Die Verträge müssen die jeweils geltenden rechtlichen Vorgaben und die Bedingungen der kooperationswilligen Unternehmen erfüllen. Die modulare Gestaltung eines Vertragswerkes ist einem Controlling-System beizufügen, um Verzögerungen durch unklare Vertragstexte bereits im Vorfeld auszuschließen und unnötige Transaktionskosten zu vermeiden. Darüber hinaus sind Vorgehensweisen und Maßnahmen zu vereinbaren, um eventuelle Vertragsabweichungen eines Partners nötigenfalls zu sanktionieren. Diese Bedingungen sind in Übereinstimmung aller kooperationswilligen Unternehmen
88
2 Grundlagen der Instandhaltung
Leitfaden zur Kooperationspartnersuche
Analyse des Umfeldes InstandghaltungsDienstleister
Produktionsunternehmen 1 2
InstandhaltungsDienstleistungsAngebote 1 Anfragen pool
direkte Anfrage
2
Kundenbedarf
strategische Entscheidung
Eigenanalyse
vorhandenes/ auszubauendes Vernetzungspotenzial
Kernkompetenzen
Potenzielle Instandhaltungsdienstleistende Netzpartner
Methodenbausteine – Ermittlung von Kernkompetenzen – Leistungsbeschreibung – Integration von Ressourcen – Vertragsgestaltung – Führung und Koordination – Controlling – ...
Partner 2 A
D
Partner 1 Instandhaltungsnetze
Partner 3
B
C Partner 4
A Leistungspaket Kernkompetenz
Abb. 2.37 Koordination und Lenkung der Aktivitäten von Netzwerkpartnern.
zu formulieren. Netzwerk-Controlling Das Netzwerk-Controlling sollte als offenes System gestaltet sein, an dem sich Partner in beliebiger Zahl beteiligen können und gleichzeitig eine Netzwerkstruktur entwickeln. Deshalb sind entsprechende Schnittstellen notwendig, um einen reibungslosen Datenaustausch zu ermöglichen. Darüber hinaus sollte sich das System durch die Integration weiterer Komponenten den wachsenden Anforderungen an die Vernetzung der Kooperationspartner anpassen. Das ist z.B. möglich mithilfe eines Schnittstellenmanagements mit einem Server zur Kooperationspartnersuche unter dem Aspekt minimaler Transaktionskosten. Ein für die Analyse eines Netzwerkes geeignetes Controlling-System muss sich bezüglich der Dokumentationen nach den geltenden Regelungen des Handels- und Steuerrechts richten und den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buchführung (GoB) entsprechen.
2.7 Organisationsstrukturen der Instandhaltung
89
Des Weiteren sind die angewendeten Methoden in einer durchgängigen Konzeption darzustellen, die widerspruchsfrei ist und keine Redundanzen aufweist. Hierfür ist es notwendig, Vernetzungen zu beschreiben und Relationen zu erstellen. Die entstehenden Datenmodelle müssen dabei die Basis für die einzusetzenden Controlling-Systeme bilden. Deshalb sollten sie, entsprechend der Weiterentwicklung von Controlling-Methoden und -Wissen, verfahrensunabhängig gestaltet sein. Bei der Formulierung einer durchgängigen Controlling-Konzeption zur Bewertung eines Instandhaltungsnetzwerkes muss darauf geachtet werden, dass eine leistungsbezogene Kostenvorkalkulation vor Beginn einer Partneraktivität, eine permanente Kostenkontrolle während der Vertragslaufzeit sowie eine Nachkalkulation sichergestellt werden. Die Dokumentation der Geschäftsabläufe empfiehlt sich in einer Gewinn-und-Verlust-Rechnung des Kooperationsnetzwerkes (GuVKN), welche separat vom Rechnungswesen der einzelnen Unternehmen nur Netzwerkpartner spezifische Daten beinhaltet. Hier können dann z.B. Bestandsveränderungen sowie ausund eingehende Finanzströme dargestellt werden. Aufgrund der Berücksichtigung der GOB lassen sich alle Geschäftsvorfälle der Unternehmen mit ihren Partnern einbeziehen, welche z.B. auf einem Internetportal von autorisierten Personen abgerufen werden können. Die Einsicht in die einzelnen Konten sollte dabei Abweichungen von getroffenen Vereinbarungen erkennbar machen. Besonders interessant ist die Kombination der Zahlungsströme und der ermittelten Saldi mit einem Warnsystem. Dabei sollte die Überschreitung getroffener Vereinbarungen aus den Rahmenbedingungen eines Zielkorridors für Budgetvorgaben automatisch zu einer Meldung führen, welche einen Handlungsbedarf erkennen lässt. Einzuleitende Maßnahmen würden sich zielgerichtet ausführen lassen. Insbesondere bietet die Erweiterung eines solchen Controlling-Systems durch die Kombination der terminlichen Planung mit den Budgetvorgaben eine dialogorientierte Kommunikationsgrundlage zwischen den Partnern. Zur wirtschaftlichen Durchführung von Kooperationsallokationen sind die Controlling-Prozesse in flachen Hierarchien zu strukturieren. Trotzdem ist ein Schema des Informationsaustausches sowie der möglichen Steuerungs- und Regelungsprozesse einzuhalten, um Datenverluste zu vermeiden. Die Gestaltung kann wie in Abb. 2.38 gezeigt aussehen. In diesem Regelkreis wird das Netzwerk-Controlling in das in den Unternehmen bestehende Controlling-System integriert. Dabei werden bei der Durchführung von Kooperationen Informationen des unternehmensspezifischen Controllings im Sinne von definierten Vorgaben verarbeitet. Das Ziel eines zwischen den Unternehmen etablierten Controlling-Systems ist eine genaue Ermittlung von Unternehmenserfolgen. Durch eine leistungsmäßige Verflechtung kann eine Abgrenzung schwierig werden. Deshalb sind die Leistungen aller Unternehmen zu bewerten, um Synergieeffekte zu ermitteln. Sie sind ein ent-
90
2 Grundlagen der Instandhaltung
scheidendes Kriterium zur Wahl des geeigneten Netzwerktyps. Die Leistungsbewertung kann mithilfe zu bildender Verrechnungspreise erfolgen. Zudem lässt sich durch sie die Koordination und Lenkung der Wertschöpfungsaktivitäten von Netzwerkpartnern und eine Preiskalkulation zur Entscheidungsrechnung durchführen.
Evaluierung und Vorkalkulation
Soll- oder WirdVergleich
Kooperationsdurchführung Gewinn- und verlustrechnung des Kooperationsnetzes GuVKN
Kontrolle und Nachkalkulation Planrevision
Soll- oder WirdVergleich
Evaluierung und Vorkalkulation
Rückmeldung
Rechnungswesen
Budgetplanung
Langfristplanung
Langfristplanung Informationen
Generelle Regelungen
Organi. sation
Soll
Planrevision
Koordination
Ist
Rechnungswesen
Bewertung
Kontrolle und Nachkalkulation
Ist
Rückmeldung Soll
Budgetplanung
Organi. sation
Bewertung
Verrechnungspreise, Risikoteilung, Verhaltenssteuerung
Koordination Generelle Regelungen
Unternehmenscontrolling Unternehmen B, C, ...
Netz-Controlling
Unternehmenscontrolling Unternehmen A
Kundenzufriedenheit
Informationen
Abb. 2.38 Steuerungs- und Regelungsprozesse im Netzwerk-Controlling.
Koordinationsfunktion Eine unternehmensübergreifende Koordination ist sinnvoll, weil die einzelnen Unternehmen individuell rational am Markt agieren. Daraus können Zielkonflikte entstehen, denen durch eine Koordinationsfunktion begegnet werden muss. Zur Optimierung von Netzwerkaktivitäten lässt sich die Maximierung der Erfolgsinterdependenzen als Zielgröße festschreiben. Erfolgsinterdependenzen liegen dann vor, wenn der Erfolgsbeitrag einer bestimmten Maßnahme davon abhängt, welche anderen Maßnahmen parallel dazu durchgeführt werden, früher realisiert wurden und/oder künftig geplant sind. Wird z.B. der für eine bestimmte Instandhaltungsleistung erzielbare Preis von den Leistungen eines anderen Instandhaltungsunternehmens beeinflusst, kann der Ergebnisbeitrag der betrachteten Instandhaltungsleistung nicht isoliert ermittelt werden.
2.7 Organisationsstrukturen der Instandhaltung
91
Bewertung von Netzwerken Netzwerke lassen sich mit entsprechenden Methoden bewerten. Zu diesen Methoden gehören u.a.: Preiskalkulation zur Entscheidungsrechnung Zur Ermittlung des Verrechnungspreises als Bewertungsmerkmal von Instandhaltungsleistungen zwischen im Instandhaltungsnetzwerk agierenden Unternehmen spielt die Art der Bestimmung eine entscheidende Rolle. So lassen sich marktorientierte und kostenorientierte Verrechnungspreise als Entscheidungsmerkmal nutzen. Marktpreise sind tendenziell gut geeignet, je vollkommener der Markt im Instandhaltungsnetzwerk ausgeprägt ist, d.h. jedes teilnehmende Unternehmen verfügt über die gleichen Informationen, je geringer die Synergieeffekte durch die gemeinsame Leistungserbringung sind, und je geringer das Volumen der Leistungstransfers ist. Da jedoch in einem Instandhaltungsnetzwerk von einem hoch dimensionierten Leistungsaustausch mit großen Synergieeffekten und nicht gleichen Informationen der teilnehmenden Unternehmen ausgegangen werden muss, sind Marktpreise zur Koordination nicht geeignet. Kostenorientierte Verrechnungspreise sind zur Steuerung von Leistungen innerhalb des Instandhaltungsnetzwerkes besser geeignet, da sich z.B. Ist-, Grenz- oder Voll-Kosten ermitteln lassen. Welche Verrechnungsbasis letztendlich gewählt wird und wie sich die asymmetrische Informationsverteilung in einem Koordinationsmodell einbinden lässt, muss durch die Unternehmen des Instandhaltungsnetzwerkes einvernehmlich entschieden werden. Bewertung von getroffenen Einigungsbereichen Verrechnungspreise müssen nicht von dem Organisator des Instandhaltungsnetzwerkes vorgegeben werden. Sie können auch das Ergebnis freien Verhandelns der Netzwerkpartner sein. In einem Instandhaltungsnetzwerk muss unterschieden werden, ob fallweise, d.h. jede einzelne Transaktion, verhandelt wird oder generelle Regelungen über die Prinzipien zur Ermittlung von Verrechnungspreisen zur Anwendung kommen. Bei den Preisverhandlungen sollte den einzelnen Instandhaltungsunternehmen größtmögliche Autonomie eingeräumt werden. Dieses Vorgehen verursacht jedoch Vor- und Nachteile. Zu den Vorteilen zählt zweifellos das absolut selbstständige Agieren. Dem steht entgegen, dass Entscheidungen für das einzelne Unternehmen optimal jedoch für das Netzwerk kontraproduktiv sind. Das Verhandlungsergebnis wird sich in solchen Fällen zwischen den Kosten des erstellenden Unternehmens und dem Deckungsbeitrag des beziehenden Unternehmens einpegeln. Eine Einigung zwischen den Unternehmen kann nur dann zustande kommen, wenn die Transaktion für beide einen Vorteil bringt. Die jeweiligen Alternativen für andere Transaktionen legen den Einigungsbereich fest (vgl. Abb. 2.39). Je besser die Alternativen, desto kleiner wird der Bereich, innerhalb dessen ein Verhandlungsergebnis liegen kann. Der Einigungsbereich 1 könnte sich bspw. ergeben, wenn die Unternehmen 1 und 2 keine Alternative einer anderen Transaktion haben. Wenn Unternehmen 1 seine partielle Instandhaltungsleistung an einen anderen Kunden zu einem höheren Preis verkaufen kann, dann
92
2 Grundlagen der Instandhaltung
entstünden ihm Opportunitätskosten. Der Einigungsbereich 1 würde auf die Größe des Einigungsbereichs 2 schrumpfen. Angenommen, auch Unternehmen 2 hätte eine Alternative, indem es die Leistung von Unternehmen 1 von einem anderen, nicht im Netzwerk angesiedelten Unternehmen, zu einem günstigeren Preis beziehen würde, dann würde sich der Einigungsbereich weiter auf einen Einigungsbereich 3 verringern. Könnte Unternehmen 2 die Leistung unter den Selbstkosten einer Leistung von Unternehmen 1 beziehen, dann gäbe es keinen Einigungsbereich. Allerdings würde dann jedes Unternehmen für sich individuell einen noch akzeptablen Erlös erzielen [EW08].
Grenzkosten Instandhaltung Unternehmen 1
Vorläufiger Deckungsbeitrag Unternehmen 2 Verrechnungspreis
Einigungsbereich 1 Opportunitätskosten Unternehmen 1
Einigungsbereich 2
Einigungsbereich 3
kein Einigungsbereich
Opportunitätskosten Unternehmen 2
Opportunitätskosten Unternehmen 2
Abb. 2.39 Einigungsbereiche bei Verhandlungen.
Der Abschluss einer Partnerschaft in einem Netzwerk ist jedoch nicht allein auf den erzielbaren Erlös von Leistungen begründet. Partnerschaften werden auch nach folgenden Fragestellungen ausgewählt [DH98]: • Hat der Partner kompatible Vorstellungen über eine Kooperation, z.B. bzgl. Perspektiven, Unternehmensphilosophie und Regeln? • Ist das Geschäftsverhalten mit dem des eigenen Unternehmens verträglich? • Lassen sich kurzfristige und langfristige Ziele vereinbaren? • Lassen sich die Ziele der Mitarbeiter des Unternehmens mit den Zielen einer Kooperation verbinden? • Wie lassen sich Erfahrungen aus anderen Kooperationen nutzen und für die neue Kooperation aufbereiten?
2.7 Organisationsstrukturen der Instandhaltung
93
In einer Methodik zur Bildung, zum Betreiben und zur Bewertung von Instandhaltungsnetzwerken müssen die benannten Fragestellungen eine Berücksichtigung finden. Demnach sollte zwischen den Partnern eines Netzwerkes eine Art elektronischer Bewertungsbogen entwickelt werden, welcher sicherstellt, dass eine Kompatibilität der einzelnen Akteure gewährleistet ist. Aufbauend auf einem ScoringModell lassen sich die so gewichteten Einflussgrößen der Teilurteile zu einem Gesamturteil bündeln, um damit eine Nutzwertanalyse durchführen zu können [Luc99]. Nutzwertanalyse Der Einsatz eines Controlling-Systems zur Nutzwertanalyse sollte insbesondere den Anforderungen der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gerecht werden, da diese Unternehmen durch ihre meist geringe Kapitaldecke einem verstärkt hohen wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt sind. Deshalb sollten die im Rahmen der unternehmensübergreifenden Kooperation durchzuführenden Leistungstransfers finanztechnisch bewertet werden, um so eine Risikokalkulation zu ermöglichen, denn insbesondere eine schwer durchzuführende Risikoabschätzung und Vorkalkulation verhindert meist eine breite Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen an größeren Netzwerken. Charakteristisch für Unternehmensnetzwerke ist die Koordination der Aktivitäten durch eine Kombination von Markt und Hierarchie, die Art der interorganisationalen Arbeitsteilung und Integration, das Mindestmaß an sozialer Organisiertheit der Beziehungen sowie das Zusammenspiel von Wettbewerb und Kooperation zwischen den Unternehmen [PB97]. Ein Unternehmensnetzwerk stellt deshalb eine hohe strategische Flexibilität bei gleichzeitiger Effizienz der Leistungserstellung dar. Für kleine und mittlere Unternehmen ermöglicht diese Organisationsform einerseits größenbedingte Defizite in der Ressourcenausstattung gegenüber großen Unternehmen auszugleichen und andererseits spezifische Vorteile ihrer Kleinheit, wie hohe Flexibilität bei flachen Entscheidungshierarchien, auszunutzen. Ein Vorteil eines Controlling-Systems ist bereits bei der Erarbeitung der Vertragsbedingungen ersichtlich. Da insbesondere die Festlegung von Parametern des Kooperationsvertrages einen hohen Zeit- und Kostenaufwand erfordert, können durch zuvor hinterlegte Formulierungsempfehlungen Transaktionskosten gespart werden. Zudem führt die fortlaufende Überwachung der Kooperationsbeziehungen zur Verbesserung der Informationsbasis, sodass Verzögerungen bei der Einflussnahme auf relevante Steuerungsgrößen vermieden werden können. Durch diese Koordination lässt sich ein direkter Einfluss auf das Netzwerk realisieren, welcher nicht zuletzt das Ergebnis einer transparenten Gestaltung des Finanz- und Rechnungswesens ist. Eine gemeinsame Abstimmung von Maßnahmen kann somit zu einer dialogorientierten Problemlösung führen. Eine Möglichkeit zum Einsatz eines Controlling-Systems zur Koordination von Instandhaltungsnetzwerken ist die Berücksichtigung von Steuerungs- und Lenkungsfunktionen über Methodenbausteine (vgl. Abb. 2.38). Die Netzwerk-Koordinatoren
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2 Grundlagen der Instandhaltung
können dadurch als Verbindung zwischen den regional organisierten Unternehmen und auch als Verbindung zwischen den unterschiedlichen Netzwerken fungieren. Wo die Koordination angesiedelt wird, hängt von dem jeweiligen Netzwerk ab und nur sie sollte über das eingesetzte Controlling-System verfügen, da sich die Unternehmen ausschließlich ihrem Kerngeschäft widmen sollen. Einschätzung der ökonomischen Bedeutung Die wirtschaftliche Grundlage für die Nutzung eines Controlling-Systems ergibt sich u.a. aus der Notwendigkeit, überregionale Netzwerke für kleine und mittlere Unternehmen attraktiv zu gestalten, indem Koordinationsleistungen für risikobehaftete Kooperationen angeboten werden. Dieses Controlling-System kann als ein integrativer Bestandteil einer Controlling-Dienstleistung betrachtet werden, dessen Service sich z.B. über Vertragsgestaltung, permanente Abweichungsanalysen, SollIst-Vergleiche inklusive zu initiierender Steuerungsparameter bei Zielabweichungen sowie Vor- und Nachkalkulationen definieren sollte. Für den Anwender ergibt sich dadurch die Möglichkeit, Netzwerke übersichtlich darzustellen, einzelne Finanzströme zu bewerten sowie koordinierend in das Unternehmensnetzwerk einzugreifen. Die damit mögliche Bewertung lässt unnötige Budgetausgaben erkennen und sichert somit die wirtschaftliche Existenz kleiner und mittelständischer Unternehmen. Darüber hinaus kann durch die Erzielung von Synergieeffekten eine Optimierung von Unternehmenspotenzialen zur Befriedigung von Kundenwünschen erreicht werden. Der Einsatz eines Controlling-Systems ermöglicht eine Verbesserung der Arbeitsorganisation. Die dadurch eintretenden Einspareffekte umfassen folgende Kostenarten: • • • • • • •
Personalkosten Transaktionskosten Reisekosten Fehlplanungskosten hinsichtlich Preis und Budget Kosten der Preisfindung Logistikkosten Marketing- und Vertriebskosten
Dem gegenüber stehen folgende zusätzliche Ausgaben: • Kosten durch permanente Datenpflege • Kosten für Hard- und Software • Weiterbildungskosten
2.7 Organisationsstrukturen der Instandhaltung
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2.7.2 Bildung von Dienstleistungspools Technische und methodische Veränderungen bei der Bearbeitung von Instandhaltungsaufträgen prägen das Bild in der Praxis. Parallel hierzu findet eine Diskussion statt, welche organisatorischen Konzepte den Innovationsprozess in der Instandhaltungslogistik am besten unterstützen. Dabei kristallisieren sich immer öfter Netzwerkstrukturen heraus, die zur Wertschöpfung in der Instandhaltung beitragen und über den Produktionsprozess hinaus eine Bündelung von Kern- und Problemlösungskonzepten in den indirekten Bereichen zur Erreichung von gemeinsamen Synergieeffekten anstreben. Durch Austauschprozesse entstehen Verbindungen zwischen den Netzwerkpartnern. Die Beziehungen zwischen den Netzwerkpartnern sind interdependent, da kein Instandhaltungsunternehmen isoliert von einem anderen agiert. Instandhaltungsnetzwerke haben eine integrative Funktion: Sie verbinden Akteure, also Instandhaltungsunternehmen und die dort beschäftigten Personen, die spezielle Aktivitäten durchführen und Kenntnisse darüber haben, mit Ressourcen, die einzelne oder mehrere Netzwerkpartner kontrollieren. Damit stellt sich die Frage, wie die einzelnen Netzwerkkomponenten, Akteure, Aktivitäten und Ressourcen, über ein logistisches Netzwerk so zusammengefügt werden können, dass für die Partner ein gegenseitiger nachweisbarer Vorteil entsteht. Für die Sicherung des Erfolgs in neuen Instandhaltungsmärkten müssen adäquate Werkzeuge zum Einsatz kommen, welche konkurrenzfähige Produkte charakterisieren. Von Interesse ist deshalb die Vernetzung über einen Dienstleistungspool, welcher durch zu entwickelnde Methodenbausteine unterstützt wird. Der im Instandhaltungsnetzwerk einzubindende Dienstleistungspool führt externe Anbieter von Instandhaltungsleistungen und Unternehmen zusammen, welche ausgelöst durch den direkten Leistungsbereich, differenzierte Dienstleistungen nachfragen. Die Anzahl der Angebote und Nachfragen, in Abhängigkeit von der Schnelligkeit und Qualität erreichbarer sowie geforderter Ausführungsparameter sind beeinflussende Faktoren für die Preisbildung. Zur Bewertung der Netzwerkaktivitäten ist die Integration einer Controlling-Konzeption erforderlich. Getroffene Vereinbarungen lassen sich so analysieren und Win-win-Beziehungen nachweisen. Durch die Vernetzung dezentral organisierter Kompetenzen in der Instandhaltung mit der Produktion kann eine gemeinsame Wertschöpfung entlang der Prozesskette sichergestellt werden. Dadurch lassen sich die Vorgaben bezüglich einer hohen Prozesssicherheit direkter Leistungsbereiche und der Auslastung spezialisierten Personals in den Dienstleistungsunternehmen unter wirtschaftlichen Aspekten erfüllen. Darüber hinaus wird es u.a. möglich: • • • •
Instandhaltungsleistungen qualitativ zu bewerten Kernkompetenzen der einzelnen Unternehmen herauszustellen Kostensenkungspotenziale durch vernetzte Kernkompetenzen zu erschließen Auftragsschwankungen in der Disposition von Aufträgen zu glätten
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2 Grundlagen der Instandhaltung
2.7.3 Organisation zwischenbetrieblicher Kooperation Gemeinsamer Nenner von Vernetzungsprozessen ist der Versuch, neue Marktanforderungen durch eine Verknüpfung von inner- und überbetrieblichen Systemen der Leistungserstellung zu bewältigen und die in dieser Verknüpfung liegenden Rationalisierungspotenziale zu entfalten. Dabei entstehen durchaus unterschiedliche Formen von Unternehmensnetzwerken. In der theoretischen Debatte über Netzwerkbildung lassen sich zwei Positionen unterscheiden. Von der ersten werden Netzwerke in einem fortlaufenden Kontinuum zwischen markt- bzw. vertragsvermittelten Beziehungen und hierarchischer Organisation angeordnet und von der zweiten werden Netzwerke als eigenständige organisatorische Form gesehen. Die erste, auf der Transaktionskostentheorie beruhende Variante, betrachtet Netzwerke als eine Form des nicht mehr, aber zugleich noch nicht - nicht mehr Markt bzw. Vertrag, aber noch nicht Hierarchie bzw. Organisation. In der zweiten theoretischen Variante werden Netzwerke als eine Organisation eigenen Rechts, eine organisatorische Steigerungsform analysiert. Danach dringen Marktprinzipien in die Ressourcenallokation der Organisation und umgekehrt Organisationsprinzipien in die Marktallokation ein. Zweck dieser gegenseitigen Durchdringung ist es, Fehler reiner Markt- wie rein hierarchischer Allokation zu vermeiden. Das Netzwerk soll die Verlässlichkeit und Dauerhaftigkeit von hierarchisch koordinierten Beziehungen in Organisationen haben, zugleich aber auch die Flexibilität und geringen Transaktionskosten des reinen Marktaustauschs. In der sozialwissenschaftlichen Debatte werden insbesondere zwei Netzwerktypen stark diskutiert: sog. pyramidale Netzwerke mit einem fokalen Unternehmen an der Spitze sowie horizontale Netzwerke ohne ausgeprägtes Steuerungszentrum. Eng verwandt mit dieser Form der horizontalen Netzwerke sind virtuelle Unternehmen, d.h. überbetriebliche Kooperationen zur Durchführung in der Regel zeitlich begrenzter Aufgaben, die über das bisher übliche Instrumentarium von Joint Ventures oder Konsortien hinausgehen. Zu ihnen liegen derzeit keine sozialwissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse vor. Horizontale Netzwerke wurden vor allem von Piore und Sabel [PS94] unter dem Begriff der flexiblen Spezialisierung beschrieben. Sie stellen neue Produktionsformen dar, die zugleich eine zunehmende Regionalisierung der Ökonomie implizieren. In diesen spezialisierten, inhärent auf arbeitsteilige Kooperation angelegten Industriedistrikten werden langfristige Kooperationen erleichtert zum einen durch institutionelle Arrangements informeller Natur, eine gemeinsame kulturelle Identität und kollektiv akzeptierte Konfliktregelungsinstitution, zum anderen durch die Arbeit von Handelskammern, regionalen Banken oder öffentlichen Einrichtungen der Wirtschaftsförderung. Die Arbeiten im Rahmen des Ansatzes der flexiblen Spezialisierung provozierten eine Vielzahl kritischer Einwände. Amin und Dietrich [AD91] ebenso wie Martinelli und Schoenberger [MS91] sehen die zentrale Schwäche der Arbeiten im Umkreis der flexiblen Spezialisierung in der Tatsache, dass dieser Ansatz sein Augenmerk zu sehr ausschließlich auf das Produktionssystem, also die operative und räumliche Realisierung der Produktion richte, und Fragen der Kontrolle und Macht in den neuen Produktionssystemen zu wenig in Betracht ziehe. Entgegen dem durch diese Blickverengung
2.7 Organisationsstrukturen der Instandhaltung
97
nahegelegten Augenschein seien die 1980er Jahre ein Jahrzehnt der Kapitalkonzentration gewesen. Unternehmensmacht werde, so Amin und Dietrich [AD91], zunehmend zentralisiert: der locus of strategic control werde sogar jenseits der formalen Unternehmensgrenzen, etwa in strategischen Allianzen, angesiedelt. Dies lasse sich selbst in den Paradebeispielen der flexiblen Spezialisierung, Drittes Italien, Silicon Vally, in jüngster Zeit ansatzweise beobachten. Betont wird von Martinelli und Schoenberger [MS91], dass gerade die Kombination von zunehmender Fragmentierung des Produktionssystems auf der einen und zunehmender Konzentration von Kapital und Kontrolle auf der anderen Seite eines der herausragendsten Merkmale eines neuen Akkumulationsregimes sein könnte. Pyramidale Netzwerke werden vor allem in den Arbeiten des ISF München untersucht. Betont wird, dass pyramidale Netzwerke durch stark ungleiche Machtverteilung und, damit verbunden, der Tendenz der Hierarchisierung und Pyramidisierung gekennzeichnet sind. In sehr ähnlicher Weise wird im thematischen Rahmen der Regulationsschule eine schwache vertikale Beinahe-Integration, auch vertical near integration, analysiert, die sich wie pyramidale Netze durch eine weitgehend zentralisierte Steuerung und einer über die Macht des fokalen Unternehmens abgesicherte Abschöpfung von Mehrwert zugunsten des fokalen Unternehmens auszeichnet. Dagegen stehen bei Sabel u.a. eher die Bindungswirkung von Geschäftskontakten und die Bedeutung diskursiver Elemente für die Integration von Netzwerken im Mittelpunkt der Analyse. Statt einer objektiven Widersprüchlichkeit der Einzelkapitalien im Netzwerk wird damit die Dimension organisationalen Lernens für das Funktionieren von Netzwerken hervorgehoben. Vor dem Hintergrund der bereits dargestellten Global city-These, kommt ein weiterer Aspekt zwischenbetrieblicher Kooperation in den Blick. Im Zuge neuer Produktionskonzepte und aktueller Vermarktlichungstendenzen der Unternehmensorganisation wurden produktionsvorgelagerte und -nachgelagerte Dienstleistungen einerseits in die direkte Produktionstätigkeit hineinverlagert, andererseits in nominell eigenständige Unternehmen ausgelagert bzw. haben sich neue Formen der Beziehungen zwischen produktionsbezogenen Dienstleistungsunternehmen und unmittelbaren Fertigungseinheiten konstituiert. Wie die dabei entstehenden Netzwerktypen strukturiert sind, d.h., welche Kooperationsformen und Abhängigkeitsverhältnisse im regionalen und globalen Kontext zum Tragen kommen, ist bisher nur unzureichend erforscht. Erwartet werden kann jedoch, dass es deutliche Differenzierungen zwischen den Integrationsmustern bei qualifizierten, hochwertigen produktionsbezogenen Dienstleistungen, z.B. DV-Betreuung, auf der einen Seite und gering qualifizierten unternehmensbezogenen Dienstleistungen, z.B. Reinigungsdienste, auf der anderen Seite gibt. Die empirische Forschung zeigt, dass neben den sicher bedeutsamen, unter dem Begriff des Vertrauens zusammengefassten, sozialintegrativen Mechanismen der Integration von Unternehmensnetzwerken insbesondere auch Integration via Markt und Hierarchie, bzw. deren Instrumentalisierung, durch formalrechtliche Festlegung, zentralistische Steuerung und Kontrolle via DV-Systeme und Formen indirekter Koordination, indirekte Kontextsteuerung, etwa durch Bedarfsvorgaben und Kenngrößen existieren. Es scheint darüber hinaus angebracht, statt Vertrauen, eher
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2 Grundlagen der Instandhaltung
die jeweils besondere Mischung aus Vertrauen und Misstrauen in zwischenbetrieblichen Kooperationen zu betrachten, da nur so die jeweiligen Exit-Optionen und Schutzmaßnahmen der einzelnen Unternehmen gegen eine Übervorteilung begreifbar sind.
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Kapitel 3
Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme Dr.-Ing. Frank Ryll, Dr.-Ing. Jens Götze
Zusammenfassung Das folgende Kapitel beschreibt Methoden und Werkzeuge zur Unterstützung der Instandhaltungsplanung für die Gestaltung einer vorausschauenden Instandhaltungsstrategie. Zunächst wird eine praktisch erprobte Vorgehensweise beschrieben, mit der sich Instandhaltungsobjekte hinsichtlich ihrer Bedeutung und der zu ihrer Instandhaltung erforderlichen Kompetenztiefe gruppieren lassen. Zur Beeinflussung dieser Zuordnung werden entsprechende Strategien aufgezeigt. In diesem Kapitel wird eine neuartige Methode zur Bestimmung von Abnutzungsvorräten in technischen Anlagen vorgestellt, die sehr stark auf die Nutzung von implizitem Erfahrungswissen der Anlagenbediener und Instandhalter über das Betriebs- und Ausfallverhalten abzielt. Nach einer Beschreibung zur Anwendung werden Ergebnisse der praktischen Anwendung anhand einer Beispielanlage dargestellt.
3.1 Clusterung von Instandhaltungsobjekten 3.1.1 Zielstellung und Auswahl von Bewertungsmethoden Die rasante technische Entwicklung in den letzten Jahrzehnten, eine sich schnell verändernde Wettbewerbssituation und immer kürzere Entwicklungszeiten für neue Produkte fordern bei den am Markt tätigen Unternehmen eine stetige Überprüfung, Anpassung und Rationalisierung ihrer Prozesse, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das betrifft nicht nur die Wert schöpfenden Hauptprozesse, sondern insbesondere die Nebenprozesse stehen dabei im Blickpunkt. Diese Nebenprozesse gehören i.Allg. nicht zum sog. Kerngeschäft, stellen jedoch für die Unternehmen einen erheblichen Kostenfaktor dar. In den letzten Jahren hat sich eine Vorgehensweise etabliert, indem diese Prozesse von spezialisierten Firmen ausgeführt werden. Diese »Auslagerung von Tätigkeiten« wird im modernen Sprachgebrauch als Outsourcing bezeichnet. In der Ökonomie versteht man darunter die Abgabe von Unternehmens-
103
104
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
aufgaben und -strukturen an Drittunternehmen bzw. den Fremdbezug von bisher intern erbrachten Leistungen, wobei Verträge die Dauer und den Gegenstand der Leistungen fixieren. Das unterscheidet Outsourcing von sonstigen Partnerschaften. Die Formen des Outsourcings können von Unternehmen zu Unternehmen erheblich variieren. Beginnend mit der Abgabe von einzelnen Aufgaben Outtasking, über die Auslagerung von ganzen Unternehmensbereichen Complete Outsourcing bis zur Abgabe von Prozessen Process Outsourcing reicht das Spektrum. Neben allen Vorteilen, die dieses Konzept bietet, ergibt sich eine risikobehaftete Abhängigkeit von Drittunternehmen. Insbesondere das Thema, welches Wissen dennoch im Unternehmen verbleiben muss, damit die Prozesse im Sinn einer störungsfreien Wertschöpfung vollständig erfüllt werden können, steht dabei im Mittelpunkt. Es bedarf einer Methodik, die eine Klassifizierung von technischen Objekten einer Anlage in der Form ermöglicht, dass Umfänge des Outsourcings, unter Beachtung der Stellung von technischen Objekten in einem definierten Umfeld, bewertet und Optimierungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Dabei ist ein technisches Objekt als eine abgrenzbare, technische Betrachtungseinheit, für die Instandhaltungsleistungen erbracht werden, zu verstehen. Technische Betrachtungseinheiten können z.B. Bauteile, Baugruppen, Komponenten, Maschinen, Anlagen, Gebäude usw. sein. Die Methodik sollte folgende Zielstellungen haben: • Ermittlung eines ausgeglichenen Verhältnisses zwischen Eigenleistung und Stellung des technischen Objektes • aktive Beeinflussung der Anlagenstruktur durch Positionierung des technischen Objektes im Umfeld • Prozessoptimierung und -sicherheit • Optimierung der Wissenssicherung Zur Zielerreichung sind verschiedene Bewertungsmethoden geeignet: • • • • •
ABC-Methode Scoring-Methode Delphi-Methode Pareto-Analyse Analytic Hierarchy Process (AHP)
ABC-Methode Die ABC-Methode beruht auf der Einteilung der zu untersuchenden technischen Objekte in die Klassen A, B und C, wobei die Objekte nach absteigender Bedeutung geordnet sind. Die einzelnen Klassen sind durch folgende Merkmale gekennzeichnet: • Klasse A: wichtige Objekte mit hohem Wert- und geringem Mengenanteil • Klasse B: weniger wichtige Objekte mit mittlerem Mengen- und Wertanteil • Klasse C: nebensächliche Objekt mit geringem Wert- und hohem Mengenanteil Zur Klassifizierung werden in der Regel Wertepaare definiert und bewertet. Im Anschluss werden die Ergebnisse sortiert, zusammengefasst und es erfolgt die Zuordnung zu den definierten Klassen. Während die Anzahl der Klassen festgelegt ist,
3.1 Clusterung von Instandhaltungsobjekten
105
sind die Wertgrenzen frei wählbar. Die Festlegung der Klassen kann u.a. über eine Clusteranalyse erfolgen. Scoring-Methode Bei der Scoring-Methode, auch Punktbewertungsverfahren oder Nutzwertanalyse genannt, erfolgt die Bewertung von Alternativen, wobei auch solche Alternativen bewertet werden die nicht in Geldeinheiten messbar sind. Berücksichtigt werden u.a. ökonomische, technische, psychologische und soziale Bewertungskriterien, die sich an qualitativen und quantitativen Merkmalen orientieren. Der Prozess kann in sechs Stufen unterteilt werden : • • • • • •
Definition der Bewertungsgruppen Auswahl der Bewertungskriterien Gewichtung der Bewertungskriterien Durchführung der Bewertung Auswertung Sensitivitätsanalyse
Nach Erarbeitung der Kriterien werden bei der Bewertung Punkte je Bewertungskriterium vergeben. Diese werden unter Berücksichtigung der Gewichtung je Lösungsvariante aufsummiert. Das Ergebnis dient als Entscheidungshilfe bei der Auswahl der Lösung. Delphi-Methode Die Delphi-Methode ist ein systematisches, mehrstufiges Befragungsverfahren mit Rückkopplung bzw. eine Schätzmethode, die dazu dient, zukünftige Ereignisse, Trends, technische Entwicklungen und dergleichen möglichst gut einschätzen zu können. Dabei werden Experten Fragen zur Beantwortung übergeben und von diesen unabhängig voneinander beantwortet. Nach einer anschließenden Zusammenfassung und speziellen Mittelwertbildung werden die Ergebnisse anonym den Experten wieder vorgelegt und erneut beantwortet. Dadurch erhält man eine immer feinere Gruppenmeinung, die die Aussagen selbst und Angaben über die Bandbreite vorhandener Meinungen enthält. Neben der Standard-Delphi-Methode, bei der die Fachleute sich nicht untereinander abstimmen dürfen, gibt es die Breitband-DelphiMethode, bei der eine Abstimmung zwischen den Experten erwünscht ist. Pareto-Analyse Die Pareto-Analyse ist eine Bewertungsmethode, die, gleichfalls wie die ABCMethode, Objekte nach ihrer Wichtigkeit klassifiziert. Untersuchungen zur Verteilung des Wertanteils der einzelnen Objekte haben ergeben, dass die Klasse A ca. 80 % des Wertanteils mit ca. 20 % aller Objekte, die Klasse B 15 % des Wertanteils mit ca. 10 % aller Objekte und die Klasse C 5 % Wertanteil mit den restlichen 65 % aller Objekte erbringen (vgl. Abb. 3.1). Daraus leitet sich das Pareto-Prinzip, auch 80-20-Regel, ab, dass besagt, dass sich viele Aufgaben mit einem Mitteleinsatz von ca. 20 % zu 80 % erledigen lassen. Die Ergebnisfindung ist analog der ABC-
106
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Wertanteil [%]
Methode.
100 95 80 A
B
20
C
30
100 Mengenanteil [%]
Abb. 3.1 Darstellung des Wertanteils von ABC-Objekten.
Analytic Hierarchy Process Der Analytic Hierarchy Process (AHP) ist methodisch eine erweitere Nutzwertanalyse. Sie zwingt zum paarweisen Vergleich auch bei Alternativen,verzichtet auf zusätzliche Hilfstabellen für Zielerfüllungsfaktoren auch bei harten Kriterien und misst über den Inkonsistenzfaktor die Logik und Qualität der Entscheidung. Mit diesen Kriterien ist der AHP mathematisch anspruchsvoller, dafür aber auch präziser gegenüber der Scoring-Methode. Die Umsetzung erfolgt in drei Phasen mit mehreren Unterschritten, mit dem Ergebnis einer Bewertung von verschiedenen Alternativen analog der Nutzwertanalyse. • Sammeln der Daten, d.h. Formulierung der Fragen, Kriterien und Alternativen • Daten vergleichen und gewichten, z.B. durch den Vergleich der Kriterien und Bewertung der Alternativen • Daten verarbeiten durch Beantwortung der Fragen, Ermittlung der Gewichtung, der Reihenfolge sowie des Inkonsistenzfaktors
3.1.2 Das Kompetenz-Bedeutung-Diagramm Die Bedeutung ist ein grundlegender Begriff in der Linguistik und Sprachphilosophie. Es wird darunter das Wissen über die übliche Verwendung eines Wortes oder Ausdrucks innerhalb einer Sprachgemeinschaft und eines jeweiligen Kontextes verstanden. Wird von der Bedeutung eines technischen Objektes gesprochen, erfolgt eine Übertragung auf den Begriff Bedeutsamkeit. Die Bedeutsamkeit, auch Rele-
3.1 Clusterung von Instandhaltungsobjekten
107
vanz, Wichtigkeit, steht für das Gewicht eines Objektes gegenüber eines anderen Objektes in einem definierten Kontext: je höher das Gewicht umso mehr muss man diesem Objekt Beachtung schenken, desto größer wären die Auswirkungen, wenn man dieses Objekt verändert. Daraus ergibt sich, dass im technischen Sprachgebrauch der Begriff »Bedeutung« das Synonym für die Bedeutsamkeit ist. Die Kompetenz (lat. competere) bezeichnet psychologisch die integrierte Gesamtheit von Fähig- und Fertigkeiten, bezogen auf bestimmte Anforderungen und juristisch die Zuständigkeiten von Personen, bestimmte Aufgaben selbstständig durchzuführen. Die hier folgenden Betrachtungen beziehen sich auf die juristische Kompetenz, die gleichbedeutend auch mit Zuständigkeit definiert werden kann. Ist eine bestimmte Person für eine definierte Aufgabe zuständig, wird diese auch von dieser in Eigenleistung wahrgenommen. Die Aufgabe gehört damit zur Kernkompetenz dieser Person. In diesem Zusammenhang wird die Tätigkeit des Outsourcings, dt. Auslagerung. definiert. Damit werden Aufgaben, Prozesse und Strukturen an externe Unternehmen abgegeben, die diese Leistungen erbringen. Die Summe aller Tätigkeiten bleibt konstant, die Höhe der intern erbrachten Tätigkeiten ist ein Maß für die Kerneigenleistungstiefe. Die Höhe der nach extern vergebenen Tätigkeiten ist ein Maß für die Fremdleistungstiefe.
Theoretische Grundlagen Zur Darstellung der Bedeutung und der Kompetenz zueinander dient das Kompetenz (K)-Bedeutung (B)-Diagramm [Göt08], mit der Kompetenz auf der Vertikalen und der Bedeutung auf der Horizontalen. Zielstellung dieser Betrachtungsweise ist, Klassen zu definieren, in denen die Bedeutung und die notwendige Kompetenz für das technische Objekt ein Gleichgewicht bilden. Bei Abweichungen müssen Strategien zum Ansatz kommen, die eine Entwicklung in ein Gleichgewichtsverhältnis ermöglichen. Zur Erstellung einer Klassifizierung sind die im Abschnitt 3.1.1 beschriebenen Methoden grundsätzlich geeignet. Da jedoch meist keine konkreten Daten vorliegen oder nicht ermittelt werden können, sind für die Klassifizierung die Scoring-, Delphi-, Pareto-Methode und der Analytic Hierarchy Process ungeeignet. Dagegen lässt die ABC-Methode eine Definition von Klassen und deren Eigenschaften zu, auch ohne dass konkrete Werte bekannt sind. Zur Vereinfachung der Klassifizierung werden die Klassen gleichmäßig eingeteilt. Im K-B-Diagramm ergibt sich die in Abb. 3.2 dargestellte Anordnung. Insgesamt entstehen neun Felder, die durch unterschiedliche Eigenschaften definiert sind. Für die Bereiche A, B und C können global charakteristische Eigenschaften wie folgt definiert werden, ohne das Kompetenz und Bedeutung bereits konkret berechnet worden sind [RG06]. Dabei hält sich der Anteil der beiden Komponenten die Waage. Bereich A Die technischen Objekte in diesem Bereich haben eine sehr große Bedeutung für das
Kompetenzindex K i [%]
108
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
100
A-C
A-B
A
B-C
B
B-A
C
C-B
C-A
0
100
Bedeutungsindex Bi [%] Abb. 3.2 Kompetenz-Bedeutung-Diagramm.
Unternehmen, es wird eine sehr hohe Kompetenz zum Betrieb und zur Instandhaltung benötigt. Ein Outsourcing ist nur bedingt möglich, da ein Know-how-Verlust bei Vergabe an einen Dienstleister droht. Alle Steuerungs- und Betreiberfunktionen sollten im Unternehmen verbleiben. Bei der Vergabe an Dienstleister sind eigene Kapazitäten zur Steuerung und Know-how-Sicherung einzukalkulieren. Bereich B Diese technischen Objekte sind für das Unternehmen von mittlerer Bedeutung, die notwendige Kompetenztiefe für einen sicheren und wirtschaftlichen Anlagenbetrieb kann verringert werden. Eine Verteilung der Aufgaben kann zwischen dem Unternehmen und dem Dienstleister gleichmäßig erfolgen. Bei einem Dienstleisterwechsel droht ein Know-how-Verlust, der aber durch eigene Kräfte kompensierbar ist. Alle Betreiberverantwortungen verbleiben im Unternehmen, untergeordnete Steuerungsfunktionen können durch den Dienstleister ausgeführt werden. Bereich C Die technischen Objekte haben eine sehr geringe Bedeutung für das Unternehmen, eigene Kompetenzen sind kaum erforderlich. Diese Objekte eignen sich ideal für das Outsourcing von Leistungen, da kein oder nur geringer Know-how-Verlust droht. Betreiber- und Steuerungsfunktionen können an den Dienstleister übergeben werden, vorausgesetzt, gesetzliche Vorschriften werden damit nicht verletzt. Eigene Kapazitäten müssen nur geringfügig vorgehalten werden.
3.1 Clusterung von Instandhaltungsobjekten
109
Kompetenzindex K i [%]
Die verbleibenden Felder sind eine Kombination aus den beschriebenen Eigenschaften Bedeutung und Kompetenz in unterschiedlicher Ausprägungsform. Während oberhalb der Diagonalen die Kompetenz stärker im Verhältnis zur Bedeutung bewertet ist, sind die Felder unterhalb dieser bedeutungslastig (vgl. Abb. 3.3).
100
kompetenzlastig
A-C
A-B
ausgeglichen
A
bedeutungslastig
B-C
B
B-A
C
C-B
C-A
0
100
Bedeutungsindex Bi [%] Abb. 3.3 Schwerpunktverteilungen innerhalb des K-B-Diagramms.
Strategiebetrachtungen Mithilfe von Strategiebetrachtungen werden Wege aufgezeigt, technische Objekte einer Anlage, die kein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Kompetenz und Bedeutung haben, in ein Gleichgewicht zu bringen. Aus dem K-B-Diagramm lassen sich direkt Strategien zur Entwicklung von ABC-Elementen ableiten, die nach der ersten Ermittlung nicht diesen Feldern zugeordnet werden. Auf Grundlage der Veränderung • der Kompetenz, • der Bedeutung, • der Kompetenz und Bedeutung ergeben sich Vorgehensweisen, die diese Zielerreichung ermöglichen. Zur Modifizierung der Kompetenz erfolgt eine Überprüfung der ermittelten Kerneigenleistung für jedes technische Objekt (vgl. Abb. 3.4).
Kompetenzindex K i [%]
110
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100
kompetenzlastig
A-C
A-B
ausgeglichen
A
bedeutungslastig
0
B-C
B
B-A
C
C-B
C-A
100
Bedeutungsindex Bi [%] Abb. 3.4 Strategie 1 - Entwicklung von ABC-Elementen mittels der Kompetenz.
Bei technischen Objekten einer Anlage, die als kompetenzlastig eingestuft werden, erfolgt ein Abbau, d.h. der Anteil der Eigenleistung wird geringer, die extern vergebenen Leistungen erhöhen sich. Bei den bedeutungslastigen Objekten erfolgt ein Aufbau der Kerneigenleistung. Das geschieht, indem bereits extern vergebene Leistungen wieder in das Unternehmen zurückgeholt werden. Die Bedeutung wird nicht verändert und damit konstant gehalten. Anwendbar ist diese Strategie bei technischen Objekten, bei denen Instandhaltung und Betrieb getrennt sind. Es besteht seitens des Kompetenzgebers kein Einfluss auf die Positionierung des technischen Objektes hinsichtlich der Bedeutung, z.B. der Stellung innerhalb des Produktionsprozesses. Die Veränderung der Bedeutung beschreibt der nächste Strategieansatz (vgl. Abb. 3.5). Alle technischen Objekte mit einer geringen Kompetenz werden in den CBereich entwickelt, d.h. die Bedeutung der Anlagen wird verringert. Bei technischen Objekten mit mittlerer Kompetenztiefe erfolgt eine Verringerung oder Erhöhung der Bedeutung in den Bereich B. Alle technischen Objekte mit hoher Kompetenztiefe werden zu A-Objekten. Die Veränderung der Bedeutung kann über verschiedene Maßnahmen erfolgen, z.B. durch: • • • •
Veränderung der Auslastung des technischen Objektes, Schaffung/Reduzierung von Redundanzen, Veränderung der Stellung im Produktionsprozess, Prozessanalyse u.a..
3.1 Clusterung von Instandhaltungsobjekten
111
Kompetenzindex K i [%]
Die Frage, welche Stellhebel angesetzt werden können, kann jedoch nur an konkreten technischen Objekten einer Anlage erfolgen.
100
kompetenzlastig
A-C
A-B
ausgeglichen
A
bedeutungslastig
0
B-C
B
B-A
C
C-B
C-A
100
Bedeutungsindex Bi [%] Abb. 3.5 Strategie 2 - Entwicklung von ABC-Elementen mittels der Bedeutung.
Die 3. Strategie stellt die Kombination der beiden bereits beschriebenen Strategien dar (vgl. Abb. 3.6). Grundsätzlich ist die Entwicklung in Richtung der drei Bereiche möglich, was sowohl Kompetenz- und Bedeutungsaufbau als auch -abbau bedeutet. Mit dieser Vorgehensweise werden die positiven Eigenschaften der beiden Betrachtungsweisen stärker genutzt, die Nachteile abgeschwächt. Eine genaue Betrachtung der Abb. 3.6 zeigt, dass sich der Bereich B zum zentralen Bereich entwickelt. Alle Felder lassen sich in diese Richtung verändern. Die 4. Strategie verfolgt eine Veränderung innerhalb der Bereiche A, B oder C und ist eine Modifikation der bereits beschriebenen Strategien 1 bis 3 mit geänderten Randbedingungen. Dabei können zwei unterschiedliche Zielstellungen verfolgt werden. Variante 1 Bei der Entwicklung des höheren Wertes in Richtung der Ideallinie (vgl. Abb. 3.7) werden entweder die Bedeutung oder die Kompetenz überarbeitet. Die technischen Objekte einer Anlage, die unterhalb der Ideallinie liegen, werden durch Nachschärfung der Bedeutung an die Ideallinie geführt. Bei den Objekten oberhalb der Ideallinie erfolgt eine Prüfung und wenn möglich eine Anpassung der notwendigen Kompetenz. Die Umsetzung geschieht mit den gleichen Maßnahmen wie in Strategie 1 und 2 beschrieben. Es gelten die gleichen Prämissen und Randbedingungen.
Kompetenzindex K i [%]
112
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
100
kompetenzlastig
A-C
A-B
ausgeglichen
A
bedeutungslastig
0
B-C
B
B-A
C
C-B
C-A
100
Bedeutungsindex Bi [%] Abb. 3.6 Strategie 3 - Entwicklung von ABC-Elementen mittels Bedeutung und Kompetenz.
Ein völlig ausgeglichenes Verhältnis zwischen Kompetenz und Bedeutung wird in den wenigsten Fällen erreicht. Daher ist es sinnvoll, einen Zielkorridor zu definieren, in dem das Verhältnis als optimal angesehen wird. Die Größe ist frei wählbar. Variante 2 Bei der Entwicklung beider Komponenten in den unteren Teil des jeweiligen Bereiches (vgl. Abb. 3.8) müssen sowohl die Bedeutung als auch die Kompetenz betrachtet werden. Die Vorgehensweise entspricht der Strategie 3 einschließlich aller Prämissen und Randbedingungen. Zur Umsetzung erfolgt die Anwendung der ABCMethode »im Kleinen«. Dazu wird der jeweilige Bereich wiederum in drei vertikale und horizontale Bereiche unterteilt. Die Definition der Eigenschaften ist ohne Einschränkung anwendbar. Zur Entwicklung der beiden Komponenten stehen alle drei Strategien zur Verfügung. Beide Varianten unterscheiden sich darin, dass in der Variante 1 das Hauptziel ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Bedeutung und Kompetenz ist, während in der Variante 2 der optimale Ressourceneinsatz im Mittelpunkt steht. Im Ergebnis liegt bei der Anwendung einer der vorgestellten Strategien ein verändertes Eigen-/Fremdleistungsbild oder eine Neubewertung der Bedeutung vor. Während die Strategien 1 und 2 nur einen Bereich entwickeln, nutzen die Strategien 3 und 4 alle Potenziale, die diese Vorgehensweisen bieten. Sie ermöglichen im Vergleich zu den anderen Strategien die umfassendsten Eingriffsmöglichkeiten und Optimierungspotenziale. Die Umsetzung der Strategie erfordert eine genaue Analyse sowohl der notwendigen Kompetenz als auch der Bedeutung. Es gibt kei-
Kompetenzindex K i [%]
3.1 Clusterung von Instandhaltungsobjekten
113
100
kompetenzlastig ausgeglichen
A
bedeutungslastig
B
C
0
100
Bedeutungsindex Bi [%] Abb. 3.7 Strategie 4 - Variante 1 der Entwicklung innerhalb der ABC-Elemente.
Kompetenzindex K i [%]
ne Einschränkung hinsichtlich der Entwicklungsrichtung. Die Bedeutung und die Kompetenz werden parallel bearbeitet.
100
kompetenzlastig ausgeglichen
A
bedeutungslastig
B
C
0
100
Bedeutungsindex Bi [%] Abb. 3.8 Strategie 4 - Variante 2 der Entwicklung innerhalb der ABC-Elemente.
114
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Zusammenfassend ergeben sich durch die vorgestellten Strategien verschiedenartige Einflüsse auf die einzelnen Bereiche der Instandhaltung. Insbesondere der effiziente Einsatz des eigenen Personals, die Nutzung von Ressourcen, die Optimierung der vorhandenen Prozesse sowie ein effizientes Anlagenmanagement werden dadurch nachhaltig unterstützt. In Tabelle 3.1 sind ausgewählte Kriterien einschließlich der Entwicklung des notwendigen Aufwandes bei Umsetzung einer der beschriebenen Strategien dargestellt.
Strategie 1 Strategie 2 Strategie 3
Strategie 4 Variante 1 Variante 2
Personalbedarf
kompetenzlastig ausgeglichen bedeutungslastig
↓ → ↑
→ → →
↓ → ↑
→ → ↑
↓ → →
Personalqualifikation
kompetenzlastig ausgeglichen bedeutungslastig
↓ → ↑
→ → →
↓ → ↑
→ → ↑
↓ → ↓
notwendiger Aufwand Zeitaufwand zur Wissenssicherung
kompetenzlastig
↑
→
↑
ausgeglichen
→
→
→
→
→
bedeutungslastig
↓
→
↓
zur Umsetzung der Strategie zur Nachschärfung der Kompetenz zur Nachschärfung der Bedeutung nach Umsetzung der Strategie
↑
↑
→
↑
↑
→
↑
↑
↑
↓
↓
↓
IHAufwand
Tabelle 3.1 Aufwandsabschätzung bei Umsetzung der K-B-Strategien.
Struktur
↓
↓
↓
Finanzen
↓
↓
↓
↓ → ↑
geringerer Aufwand gegenüber der Ausgangsstrategie gleicher Aufwand gegenüber der Ausgangsstrategie höherer Aufwand gegenüber der Ausgangsstrategie
In der Tabelle 3.1 wurden konkret die Bereiche: • • • •
Personalbedarf notwendige Mitarbeiterqualifikation Aufwand zur Wissenssicherung verschiedene Zeitaufwände
3.1 Clusterung von Instandhaltungsobjekten
115
• Auswirkungen auf die Instandhaltungsorganisation berücksichtigt. Im Ergebnis zeigt sich, dass zur Umsetzung der Strategien ein erhöhter Zeitaufwand notwendig ist, danach aber die vorhandenen Ressourcen, insbesondere die Kapazität der Mitarbeiter, zielgerichteter einsetzbar sind.
Bestimmung der Bedeutung komplexer technischer Anlagen Es ist das Ziel, einen Wert Bi für die Bedeutung B eines technischen Objektes einer Anlage hinsichtlich seiner Stellung in einem betrachteten Umfeld und/oder zu anderen Objekten zu ermitteln. Dabei ist das Umfeld frei wählbar. Ob die Stellung zum Produktionsprozess innerhalb der technischen Gebäudeausrüstung oder über ganze komplette Produktionseinheiten erfolgt, obliegt dem Betrachter. Zur genauesten Bestimmung der Bedeutung empfiehlt sich eine Methodenkombination aus den im Abschnitt 3.1.1 beschriebenen Bewertungsmethoden. Die Berechnung des exakten Bedeutungsindexes Bi erfolgt mittels des Analytic Hierarchy Process. Diese Methode hat den Vorteil, dass die einzelnen Bewertungskriterien durch eine größere Bandbreite differenzierter gegenüber der Scoring-Methode betrachtet werden können. Gleiches gilt für die Gewichtung. Dadurch werden subjektive Einflussfaktoren der jeweiligen Nutzergruppe berücksichtigt und im Ergebnis objektiviert. Im Anschluss erfolgt die Anwendung der ABC-Methode zur Klassifizierung der technischen Objekte einer Anlage (vgl. Abb. 3.9).
1. Ermittlung der Gewichtung der Teilbereiche untereinander durch Befragung von: – Experten anderer Bereiche – Spezialisten für diese Objekte – Betreiber dieser Objekte – …
Gewichtungsfaktoren je Kriterium
2. Ermittlung der Gewichtung der Teilbereiche untereinander durch Befragung von: – Experten anderer Bereiche – Spezialisten für diese Objekte – Betreiber dieser Objekte – …
Bedeutungsfaktoren je Kriterium
3. Bedeutungsfaktoren • Gewichtungsfaktoren 4. Bedeutungsindex Bi
Abb. 3.9 Vorgehensweise zur Ermittlung des Bedeutungsindexes Bi .
Der Wert Bi soll ein Maß für die Höhe der Bedeutung B des technischen Objektes sein. Seine Größe soll auf einer Skala zwischen 0 - 100 % liegen. Dabei bedeuten 100 %, dass das technische Objekt eine sehr hohe Bedeutung und der Wert 0 % eine sehr niedrige Bedeutung für das Unternehmen hat.
116
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Die Umsetzung des Analytic Hierarchy Process erfordert die Erarbeitung eines Fragebogens. Schritt 1 beinhaltet deshalb die Ermittlung der Haupt- und der dazugehörigen Unterkriterien. Diese Maßnahme erfolgt manuell und hat das Ziel, eine gemeinsame Grundlage für die Bewertung der Ergebnisse zu geschaffen. Damit ist die Vergleichbarkeit gegeben und unterschiedliches Wissen rund um das betrachtete technische Objekt einer Anlage kann auf ein gemeinsames Verständnis angehoben werden. Die Hauptkriterien definieren übergeordnete Bereiche und werden nicht bewertet. Sie dienen zur besseren Strukturierung. Innerhalb jedes Hauptkriteriums werden markante Tätigkeiten formuliert, die ein Detail beschreiben. Sowohl für die Hauptals auch die Unterkriterien gibt es keine festgelegte Anzahl und Reihenfolge. Auf dieser Grundlage wird jedes Unterkriterium als Frage formuliert. Damit ergibt sich ein Fragebogen, der die Gesamtheit aller Tätigkeiten um das technische Objekt beinhaltet. Nach Aufstellung der Kriterien ist in Schritt 2 eine Betrachtung dahingehend notwendig, ob alle Kriterien mit der gleichen Wertigkeit in die Berechnung eingehen oder nicht. Jede Nutzergruppe wird eine andere Gewichtung der Haupt- und Unterkriterien untereinander vornehmen. Damit diese unterschiedlichen Interessen und Positionen berücksichtigt werden können und nicht zwingend eine Entscheidung an dieser Stelle notwendig ist, wird folgende Vorgehensweise angewendet: • • • •
Ermittlung der Gewichtungsfaktoren der Kriterien untereinander (Schritt 1) Ermittlung der Bedeutungsfaktoren für jedes Kriterium (Schritt 2) Verknüpfung der Gewichtungs- und Bedeutungsfaktoren (Schritt 3) Ermittlung des Bedeutungsindexes Bi (Schritt 4)
Zur Ermittlung der einzelnen Gewichtungsfaktoren wird der Befragungsbogen hinsichtlich der Antworten modifiziert. Da in vielen Fällen keine konkreten Angaben zu den Themen vorhanden oder nicht sofort verfügbar sind und der Vorgang auch zeitlich im Rahmen gehalten werden soll, erfolgt die Abfrage nach der Einstufung (vgl. Tabelle 3.2). Es wird gefragt: »Ist der Sachverhalt • • • • •
unwichtig, gering wichtig, wichtig, sehr wichtig oder entscheidend?«
Damit eine Beantwortung aller Fragen gewährleistet ist, wird zusätzlich die Antwortmöglichkeit »keine Angaben möglich« angeboten. Für das Ausfüllen des Fragebogens gelten folgende Regeln: • Jede Frage wird hinsichtlich der Einordnung in die o.g.»Wichtigkeits«-Klassen durch Ankreuzen bewertet. • Es kann nur eine Antwort je Frage geben, Dopplungen sind nicht möglich. • Es müssen alle Fragen beantwortet werden.
3.1 Clusterung von Instandhaltungsobjekten
117
Tabelle 3.2 Zuordnung Einstufung und Entscheidungswert E. Einstufung
Entscheidungswert E
keine Angaben möglich unwichtig gering wichtig wichtig sehr wichtig entscheidend
1 2 3 4 5 6
Der erste Schritt ist die Definition eines Entscheidungswertes E für das jeweilige Kriterium. Grundlage dafür bilden die definierten »Wichtigkeits«-Klassen. Die Vereinbarung muss nur einmal getätigt werden und kann anschließend nicht mehr verändert werden. In Tabelle 3.2 ist eine Variante dargestellt. Grundsätzlich gibt es hinsichtlich der Höhe der Entscheidungswerte keine Grenzen. Mit diesen Festlegungen ergeben sich dann die minimalen und maximalen Entscheidungswerte (vgl. Tabelle 3.3). Tabelle 3.3 Ermittlung der Grenzwerte für die Entscheidungswerte E. Hauptkriterium
Anzahl der Fragen
Anzahl Entscheidungswert
Minimum Emin i
Maximum Emax i
1 2 3 4 5 ... Gesamt
4 5 8 7 7 ...
5 4 6 6 5 ...
4 5 8 7 7 ... ∑ Emin i
20 20 48 42 40 ... ∑ Emax i
Somit sind alle Voraussetzungen geschaffen, dass die Befragungsteilnehmer den Fragebogen ausfüllen können. Mit dem Beantworten der einzelnen Fragen wird jedem Kriterium k ein aktueller Gewichtungsfaktor Gk entsprechend der o.g. Definition zugeordnet. Wird eine Anzahl Befragungsteilnehmer m befragt, erfolgt die Ermittlung eines Gewichtungsfaktors Gk für jeden Teilnehmer. Für jedes Kriterium werden diese Werte Gk aufsummiert und ein Mittelwert über alle Teilnehmer gebildet. Es gilt Gk_MW =
m
Gk j j=1 m
∑
(3.1)
Dabei ist k der Index für das Kriterium, j der Index des Befragungsteilnehmers und m die Anzahl der Befragungsteilnehmer. Zusammengefasst ergibt sich für die Ermittlung der Gewichtung der einzelnen Kriterien untereinander der im Abb. 3.10 dargestellte Prozess.
118
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Kriterium k
GesamtEntscheidungswert k
E min k
Entscheidungswert E_min_k
GesamtEntscheidungswert
Entscheidungswert E_max_k
E min Ges = j=1
Ermittlung Gewichtungsfaktor
k
E min Ges =
E max k j=1
k ... Anzahl der Kriterien j ... Index des Befragungsteilnehmers m ... Anzahl der Befragungsteilnehmer
m
Gewichtungs- G Gk k Ges = faktor j=1
m
Gewichtungsfaktor- G Gk Ges /m k MW = Mittelwert j=1
Abb. 3.10 Ablaufschema zur Gewichtung der Kriterien untereinander.
Nach Ermittlung der Gewichtung der Kriterien untereinander erfolgen im nächsten Schritt die Ermittlung der Bedeutung und die Zusammenführung beider Ergebnisse. Analog zur Gewichtung dient als Grundlage der erarbeitete Fragebogen. Die möglichen Antworten unterscheiden sich dahingehend, dass neben einfachen ja/nein-Antworten auch konkrete Aussagen notwendig sind hinsichtlich: • Kosten • Zeitangaben • Häufigkeiten Zusätzlich wurde wiederum eine Antwortmöglichkeit »keine Daten bekannt/nicht abschätzbar« vorgesehen. Die Festlegung der Entscheidungswerte E ist wiederum der erste Schritt. Da jedes Kriterium einzeln zu betrachten ist, kann an dieser Stelle keine allgemeingültige Regel aufgestellt werden. Erfahrungen haben gezeigt, dass die Anzahl der Antwortmöglichkeiten nicht mehr als 6 überschreiten sollte. Damit lässt sich eine sinnvolle Strukturierung erreichen. Tabelle 3.4 stellt die Ermittlung der Grenzwerte Emin und Emax an einem Beispiel dar. Die dabei berücksichtigten Rahmenbedingungen enthält Tabelle 3.5. Der maximale Punktwert Pmax eines Kriteriums ist das Produkt aus dem Mittelwert der Gewichtung und dem maximalen Entscheidungswert Emax_k mit Pk_max = Emax_k · Gk_MW
(3.2)
Damit ergibt sich über alle betrachteten Kriterien für den maximalen GesamtPunktwert
3.1 Clusterung von Instandhaltungsobjekten
119
Tabelle 3.4 Grenzwerte Emin i und Emax i . Hauptkriterium
Anzahl der Fragen
Minimum Emin i
Maximum Emax i
1 2 3 4 5 6 Gesamt
4 5 8 7 7 6 37
0 0 0 0 0 0 0
16 17 33 22 27 21 136
Tabelle 3.5 Rahmenbedingungen Entscheidungswerte. Einstufung
Entscheidungswert
Antwort ja/nein Keine Daten bekannt / nicht abschätzbar vier mögliche Antworten fünf mögliche Antworten
ja = 1, nein = 0 0 1 bis 4 1 bis 5
Pk_max_Ges =
m
∑ (Emax_k · Gk_MW ) j
(3.3)
j=1
Dabei ist k die Anzahl der Kriterien und j der Index für das Kriterium. Die Beantwortung der Fragen verläuft durch den Befragungsteilnehmer analog zur Gewichtung unter den gleichen Bedingungen. Im Anschluß wird der Bedeutungswert Pk_Ges des Kriteriums mit der ermittelten Gewichtung Gk_MW verknüpft und ergibt so den aktuellen Bedeutungswert Pi für das Kriterium: Pi = Pk_Ges · Gk_MW Pk_Ges =
(3.4)
m
∑ Pk j
(3.5)
j=1
Dabei ist k der Index für das Kriterium, j der Index des Befragungsteilnehmers und m die Gesamtanzahl der Befragungsteilnehmer. Mit diesen Grundlagen kann der 2. Teil zur Bestimmung des Bedeutungsindexes Bi ermittelt werden. Der tatsächlich vorhandene Bedeutungswert Pk_tat_Ges ist die Summe aller Bedeutungswerte Pi über alle Kriterien: Pk_tat_Gesamt =
k
∑ Pi j
(3.6)
j=1
Dabei ist k die Anzahl der Kriterien und j der Index für das Kriterium. Damit sind alle Komponenten für die Berechnung des Bedeutungsindexes Bi vorhanden und es folgt:
120
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Bi =
Pk_tat_Ges Pk_max_Ges
(3.7)
In Abb. 3.11 sind die Zusammenhänge und Verknüpfungen des Berechnungsalgorithmus zusammengefasst dargestellt. Die erhaltenen Werte kennzeichnen die Bedeutung einzelner technischer Objekte einer Anlage. Werden diese eindimensionalen Werte auf einer Skala von 0 - 100 % dargestellt, können verschiedene Bereiche eingeteilt werden. Die Einteilung ist grundsätzlich frei wählbar, sollte sich aber am Ziel, die Bedeutung eines Objekts hinsichtlich seiner Stellung in einem betrachteten Umfeld und/oder zu anderen Objekten, orientieren. Verschiedene Variantenuntersuchungen haben ergeben, dass eine Teilung in drei Teilbereiche sinnvoll ist. Dabei wird der Bereich von 0 - 100 % im gleichen Verhältnis aufgeteilt und es ergeben sich folgende Charakteristika: • Der Bereich A ist zwischen 0 - 33 % definiert. Technische Objekte, die sich in diesem Bereich befinden, haben eine geringe Bedeutung hinsichtlich des betrachteten Umfeldes. • Der Bereich B liegt zwischen 33 - 66 %. Die technischen Objekte haben eine mittlere Bedeutung für das Umfeld. • Der Bereich C liegt oberhalb von 66 % und beinhaltet alle technischen Objekte, die eine große, strategische Bedeutung für das Unternehmen/Umfeld haben. Damit ergibt sich als Ergebnis die Positionierung und Zuordnung des betrachteten technischen Objektes einer Anlage zu definierten Bedeutungsklassen unter Berücksichtigung dominierender, im Detail erfasster, Einflussfaktoren.
Bestimmung der Kerneigenleistung (Kompetenztiefe) für Instandhaltungsleistungen Der steigende Kosten- und Wettbewerbsdruck zwingt Unternehmen, sich mit ihren Kompetenzfeldern intensiver zu beschäftigen. »Gehört die zu erbringende Leistung wirklich zur Kerneigenleistung des Unternehmens?«, ist in der heutigen Zeit eine der meistgestellten Fragen. Die Beantwortung der Frage ermöglicht es Unternehmen, finanzielle und personelle Kapazitäten auf das Hauptgeschäft zu bündeln, Nebenprozesse können an externe Dienstleister übergeben werden. Damit ergeben sich für das Unternehmen erhebliche Vorteile hinsichtlich Flexibilität, Einsatz von Ressourcen, Budget- und Investitionsplanung usw. In der Instandhaltung wird dieser Prozess in den letzten Jahren verstärkt beschritten. Leistungsfähige, auf diese Fachrichtung spezialisierte Unternehmen, mit einem modernen Maschinenpark und dem entsprechenden Know-how, bieten ihre Leistungen an. Insbesondere den produzierenden Unternehmen wird damit der Vorteil geboten, auf Marktschwankungen ihrer eigenen Produkte flexibel zu reagieren, da sie bei diesen Dienstleistern klar definierte Leistungen einkaufen. Werden Dienstleistungen nicht mehr benötigt, ergeben sich in der Regel Vertragsänderungen,
3.1 Clusterung von Instandhaltungsobjekten
121
ohne Einfluss auf die eigene Personalpolitik. Mithilfe einer standardisierten Vorgehensweise wird nachfolgend ein Werkzeug dargestellt, das den Prozess der Ermittlung der Kompetenztiefe für im Unternehmen vorhandene technische Objekte unterstützt, sichere Argumentationsketten liefert und eine Eingruppierung der Anlagen untereinander ermöglicht.
von Gewichtung
Kriterium k
Bedeutungsfaktor
m
Gk MW =
Ermittlung
Entscheidungswert E_min_k
GewichtungsfaktorMittelwert Gi Ges. /m
Entscheidungswert E_max_k
j=1
m
Bedeutungs- P Pk k Ges = faktor j=1 maximaler Punktwert
Pk max = E max k * Gk MW BedeutungsPi = Pk Ges * Gk MW faktor
maximaler Punktwert k
Pk max Ges = j=1
(E max i * Gi MW )
tats. Punktwert
BedeutungsBi = Pi / Pk_max_Ges index
k ... Anzahl der Kriterien j ... Index des Befragungsteilnehmers m ... Anzahl der Befragungsteilnehmer
Abb. 3.11 Berechnungsalgorithmus der Bedeutung.
k
Pk tats Ges =
Pi j=1
122
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Zielstellung und Methodik Die Auslagerung von Tätigkeitsfeldern in Richtung externer Dienstleister hat einerseits gezeigt, dass in vielen Fällen eine detaillierte Leistungsdefinition für den Dienstleister fehlt. Anderseits können wichtige gesetzliche Regelungen nicht einfach auf den Dienstleister übertragen werden. Das Unternehmen und die damit verantwortlichen Personen bleiben in der Pflicht und werden im Schadensfall zur Verantwortung gezogen. Die genaue Kenntnis und Aufgabenzuordnung zwischen Unternehmen und externem Dienstleister ist zwingend notwendig. Gleichzeitig wird vermieden, dass Aufgabenfelder sowohl beim Dienstleister als auch beim Unternehmen angesiedelt sind oder beide Parteien davon ausgehen, dass die entsprechende Tätigkeit von der anderen Seite erbracht wird. Weiterhin muss einkalkuliert werden, dass ein Wechsel eines Dienstleisters aufgrund von Qualitätsproblemen, günstigeren Preisen von Mitwettbewerbern oder Konkurs notwendig wird. Inwieweit sich daraus ein Know-how-Verlust für das Unternehmen ergibt, soll und muss im Vorfeld bekannt sein. Damit kann eine Minimierung der Abhängigkeit vom Dienstleister erfolgen. Wo liegt aber das Optimum für den Eigen-/Fremdanteil für das technische Objekt einer Anlage? Die Ermittlung der Kompetenz K erfolgt analog zur Bedeutung B über eine Methodenkombination. Die Berechnung des exakten Kompetenzwertes Ki erfolgt mittels eines einfachen Scoring-Modells. Die Modifikation besteht darin, dass keine separate Gewichtung für jedes Bewertungskriterium erfolgt, sondern alle Bewertungskriterien die gleiche Gewichtung besitzen. Im Anschluss daran erfolgt die Anwendung der ABC-Methode zur Klassifizierung der technischen Objekte. Unterstützend zur Erreichung der Zielstellung ist eine ausführlichen Struktur-, Tätigkeits- und Informationsanalyse empfehlenswert, um eine erste Zuordnung von Kompetenzfeldern aufzuzeigen. Optimal ist eine Bewertung durch unterschiedliche Spezialisten über alle Fachbereiche und unter Einbeziehung der Dienstleister. Die Ergebnisse sind im Anschluss strukturiert zusammenzufassen. Ziel ist, einen quantitativen Wert Ki für die notwendige Kompetenztiefe K eines technischen Objektes zu ermitteln. Das Maß für den Wert Ki soll in den Grenzen von 0 - 100 % liegen. Die untere Grenze 0% bedeutet, dass für dieses technische Objekt keine Kompetenz benötigt wird, d.h., dass vom Unternehmen selbst keinerlei Tätigkeiten ausgeführt werden müssen, ein Outsourcing kann zu 100% erfolgen. Pflichten aus der Betreiberverantwortung sind nicht vorhanden. Die obere Grenze 100% stellt den anderen Extremfall dar. Alle Tätigkeiten müssen im Unternehmen ausgeführt werden. Outsourcing ist generell nicht möglich.
3.1 Clusterung von Instandhaltungsobjekten
123
Analog zur Bedeutung B sind zur Lösung der Aufgabe die nachfolgend aufgeführten Schritte detailliert abzuarbeiten: Aufstellung eines beispielhaften Kriterienkataloges Im ersten Schritt wird ein Kriterienkatalog erstellt, der alle Tätigkeiten enthält, die von der Instandhaltung zu erbringen sind, wie beispielsweise die Durchführung von Wartungsmaßnahmen. Berechnung des Kompetenzwertes Ki Der Ausgangspunkt für die Herleitung des Kompetenzindex Ki ist die Analyse aller Aufgaben und Tätigkeiten, die um das jeweilige betrachtete technische Objekt einer Anlage ausgeführt werden müssen. Diese systematische Betrachtung muss aufgrund ihrer Vielfältigkeit manuell ausgeführt werden. Im Ergebnis dieser Betrachtung ergibt sich eine Gesamtmatrix. Zur Systematisierung und Übersichtlichkeit hat sich eine Strukturierung nach Hauptaufgaben mit entsprechenden Unteraufgaben als sinnvoll erwiesen. Zu jeder Unteraufgabe werden die entsprechenden Tätigkeiten ermittelt. Diese Tätigkeiten richten sich nach dem betrachteten technischen Objekt und können deshalb sehr unterschiedlich sein, wie z.B.: • Instandhaltung: Wartungen, Störungsmanagement usw. • Finanzen: Bestellungen, Aufträge usw. • Organisation: Berechtigungen, Nachweise usw. Allen Unteraufgaben werden die entsprechenden Tätigkeiten zugeordnet (vgl. Tabelle 3.6). Tabelle 3.6 Gesamtmatrix der Aufgaben und Tätigkeiten Aufgabe / Tätigkeit Hauptaufgabe 1 Aufgabe 1 Aufgabe 2 Aufgabe m Hauptaufgabe 2 Aufgabe 1 ...
Tätigkeit 1
Tätigkeit 2
Tätigkeit 3
X X
X X
X X
-
-
X
Die Matrix stellt die Grundlage für die Erarbeitung eines Fragebogens dar, der die Gesamtheit aller Aufgaben und Tätigkeiten rund um das betrachtete technische Objekt einer Anlage beschreibt. Dieser Fragebogen wird von einem oder mehreren Anwendern durch Ankreuzen einer oder mehrerer Tätigkeiten beantwortet. Die Beantwortung der Fragen erfolgt ausschließlich mit ja oder nein. Die Antwort »ja« bedeutet, es wird vom Anwender eingeschätzt, dass die Leistung selbst erbracht
124
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
werden muss. Bei der Antwort »nein« erfolgt die Erbringung durch externe Fachkräfte. Folgende weitere Schritte sind zur Bestimmung des Kompetenzindex Ki notwendig: Im ersten Schritt erfolgt auf der Grundlage der gesamten Antworten die Ermittlung der möglichen Grenzwerte: • Jede zu erbringende Tätigkeit wird mit einem Punkt bewertet. Die Summe aller Tätigkeiten ergibt den oberen Grenzwert und damit die maximale erreichbare Punktzahl Pmax . • Der untere Grenzwert entspricht dem Wert 0. • Alle Antworten haben die gleiche Priorität. Eine Gewichtung einzelner Tätigkeiten untereinander erfolgt nicht. Im zweiten Schritt erfolgt wiederum für jede Tätigkeit die Festlegung der Entscheidungswerte festgelegt. Da aber nur zwei Antworten möglich sind, ergibt sich ein vereinfachter Ansatz (vgl. Tabelle 3.7). Tabelle 3.7 Zuordnung Antwort/Frage und Entscheidungswert. Antwort
Entscheidungswert
nein ja
0 1
Die Summe aller mit »ja« beantworteten Tätigkeiten ergibt den aktuellen Wert P. m
∑ Fj
= Pi
(3.8)
j=1
Dabei ist F die Frage, m die Anzahl der Tätigkeiten mit »ja« und i die Anzahl aller Tätigkeiten. Somit ergibt sich für den Kompetenzindex Ki eines technischen Objektes folgende Berechnungsformel: Ki = (
P ) · 100 Pmax
(3.9)
Werden von mehreren Personen weitere Fragebogen ausgefüllt, erfolgt eine Mittelwertbildung über alle ermittelten Kompetenzindizes Ki des technischen Objektes. Das hat den Vorteil, dass unterschiedliche Nutzergruppen und damit verschiedene Meinungen berücksichtigt werden können. Damit ergibt sich ein »Gesamt«Kompetenzindex Ki gesamt für das jeweilige technische Objekt: m
∑ Fj
Ki_Gesamt =
j=1
m
(3.10)
3.1 Clusterung von Instandhaltungsobjekten
125
Dabei ist m die Anzahl der Teilnehmer und j der Index des Teilnehmers. Eine Bewertung und Darstellung der erhaltenen Werte kann analog zum Bedeutungsindex Bi mit den gleichen Randbedingungen auf einer Skala von 0 - 100 % erfolgen. • Der Bereich A ist zwischen 0 - 33 % definiert. Objekte, die sich in diesem Bereich befinden, erfordern eine geringe Kernkompetenz und das Know-how ist nicht sehr hoch. Ein Outsourcing dieses technischen Objektes einer Anlage ist problemlos möglich. • Der Bereich B liegt zwischen 33 - 66 %. Die Objekte benötigen eine mittlere Kernkompetenz. Bei Dienstleisterwechsel kann es zu Know-how-Verlusten kommen. Ein Outsourcing ist möglich. • Der Bereich C liegt oberhalb von 66 % und beinhaltet alle Objekte, die eine große, strategische Kernkompetenz für das Unternehmen/Umfeld erfordern. Die Wissenssicherung zu diesen technischen Objekten einer Anlage muss beim Unternehmen verbleiben. Ein Outsourcing sollte so weit wie möglich eingeschränkt oder mit entsprechenden Maßnahmen betrieben werden. Gleichzeitig erfolgt die Dokumentation der Zuordnung für jede Tätigkeit. Die Trennung in interne und externe Tätigkeiten kann detailliert aufgeschlüsselt werden. Interessant wird diese Betrachtungsweise, wenn mindestens zwei Personen die Zuordnung unabhängig voneinander durchführen. Gerade in Bereichen mit unterschiedlichen oder gegensätzlichen Betrachtungsweisen, z.B. der Instandhaltung und des Controllings, kann dadurch ein gemeinsames Verständnis zwischen notwendiger Eigenleistung und gewollter Fremdvergabe geschaffen werden. Damit diese Aussagen getroffen werden können, wird zusätzlich zum bereits beschriebenen Berechnungsprozess für jede Tätigkeit ab einer Anzahl von zwei Teilnehmern ein Mittelwert pro Tätigkeit gebildet. Tabelle 3.8 verdeutlicht diese Sichtweise. Die eingetragenen Werte sind aus Sicht der Befragungsteilnehmer zu interpretieren, d.h. alle Tätigkeiten, die einen Wert > 50 % haben, sind als Kerneigenleistung definiert. Alle Werte < 50 % sollen durch einen externen Dienstleister erbracht werden. Tabelle 3.8 Beispiel für eine prozentuale Zuordnung von Eigen-/Fremdleistungen. Aufgabe / Tätigkeit Hauptaufgabe 1 Aufgabe 1 Aufgabe 2 Aufgabe m Hauptaufgabe 2 Aufgabe 1 ...
Tätigkeit 1
Tätigkeit 2
Tätigkeit 3
87 % 56 %
100 % 75 %
45 % 20 %
-
-
35 %
Zusammenfassend ergeben sich folgende Hauptergebnisse für diese Methode:
126
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
• Eine detaillierte Beschreibung aller Tätigkeiten, die an diesem technischen Objekt durchzuführen sind und deren Zuordnung zum Leistungserbringer. • Der Ermittlung eines Kompetenzindex Ki , der ein Maß für den prozentualen Anteil der Eigenleistung eines technischen Objektes an der notwendigen Gesamtleistung beschreibt. • Eine Aufteilung der betrachteten technischen Objekte hinsichtlich hoher, normaler und niedriger Kompetenztiefe.
3.2 Gestaltung einer zustandsabhängigen Instandhaltungsstrategie 3.2.1 Derzeitige Anwendungshäufigkeit und -hemmnisse Aktuelle Studien zeigen, dass sich die zustandsabhängige Instandhaltung in den Unternehmen mit steigender Tendenz etabliert [SKF+ 05, MJ07]. So wenden 65 % der befragten Industrieunternehmen laut einer Umfrage [SKF+ 05] eine zustandsorientierte Instandhaltung seit ca. sieben Jahren an. Als Vorteile werden von den Unternehmen die Verringerung von Umsatzausfällen durch Stillstandszeiten und die Reduzierung von Instandhaltungskosten genannt, wobei das erste Kriterium bei der Entscheidung über die Einführung entscheidend ist. Bisher werden überwiegend nachfolgende Verfahren realisiert: • • • • •
Schwingungsdiagnose bei ca. 39 % der Unternehmen Thermographie bei ca. 33 % der Unternehmen Stromaufnahmemessung bei ca. 17 % der Unternehmen Ölqualitätsüberwachung bei ca. 14 % der Unternehmen Druckluftverbrauchsmessung bei ca. 14 % der Unternehmen [SKF+ 05]
Die Ergebnisse der Einführung einer zustandsorientierten Instandhaltung lassen sich kurz wie folgt zusammenfassen: • • • • • •
bessere Planbarkeit von Stillstandszeiten bis zu 39 % Reduzierung unnötiger Reparaturen und Demontagen um ca. 14 % Steigerung der Effizienz in der Instandhaltung um 11 % Erhöhung der wartungsfreien Maschinenlaufzeit um ca. 19 % Reduzierung der Zeiten für Fehlersuchen um 17 % Verringerung von Produktionsausfällen wegen ungeplanter Maschinenstillstände um ca. 21 % • Verringerung von Instandhaltungskosten ebenso um ca. 21 % [SKF+ 05] Allgemein wird eingeschätzt, dass noch viele Potenziale der zustandsorientierten Instandhaltung dadurch verschenkt werden, dass viele Methoden nicht durchgängig angewendet werden. Die Gründe dafür liegen oftmals in den hohen Investitionskosten für die erforderlichen Geräte.
3.2 Gestaltung einer zustandsabhängigen Instandhaltungsstrategie
127
Für ca. 35 % der Unternehmen ist die Zustandserhebung entweder technisch zu komplex oder zu teuer. Als weiteres Hemmnis bei der Einführung wird die Verdrahtung, Netzwerkeinbindung sowie der hohe Aufwand der Datenerhebung über Betriebsdatenerfassungssysteme angesehen. Um die Komplexität von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen in technischen Anlagen für den Anwender aus dem Bereich der Instandhaltung überschaubar zu gestalten und den Aufwand für die Datenerfassung dadurch zu reduzieren, können weitgehend bereits vorliegende Daten für die Bewertung des Zustandes verwendet werden.
3.2.2 Bestandteile und Voraussetzungen für eine zustandsorientierte Instandhaltung Die Einführung der zustandsorientierten Instandhaltung lässt sich in mehrere Bestandteile unterteilen [VDI 2888] (vgl. Abb. 3.12).
Instandhaltungsmaßnahmen und Betriebsanweisungen – Art, Umfang, Zeitpunkt – Ressourcen – Dokumentation – Schnittstellen zu Unternehmensbereichen Zustandserfassung und -bewertung – Soll-Zustände (Funktionen) – Ist-Zustände – Diagnose – Bewertung – Prognose
Schwachstellenanalyse und Optimierung
Definitionen – Anlagenstruktur, funktionales Modell, Betriebsarten
Abb. 3.12 Bestandteile zustandsorientierter Instandhaltung nach VDI 2888 [VDI 2888].
Die Basis bildet eine Anlagenstruktur sowie ein funktionales Modell der Anlage. Dieses ist erforderlich, um verschiedene Betriebsarten der Anlage beschreiben zu können. Auf der Grundlage des Anlagenmodells werden anschließend Soll- bzw. zu erwartende Zustände definiert und Soll-Merkmale festgelegt, an denen diese Zustände erkannt werden können. Um Abweichungen feststellen zu können, müssen entsprechende Ist-Merkmale erfasst werden. Dabei ist zu klären, welche Messtechnik aus dem Bereich der technischen Diagnose dazu eingesetzt werden soll. Die Ist-Werte werden dann mit den hinterlegten Soll-Werten verglichen. Die Diagnose übernimmt die Aufgabe, eine er-
128
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
kannte Fehlerart einem Fehlerort und einer Ursache zuzuordnen, eine Beurteilung des Zustandes vorzunehmen und die Auswirkungen zu analysieren. Daran schließt sich eine Prognose zur zu erwartenden Zustandsveränderung, wie z.B. der Restnutzungsdauer, an. Diese wiederum bilden die Grundlage für Betriebsanweisungen und/oder Instandhaltungsmaßnahmen. Nach deren Ausführung treten deren Auswirkungen wiederum in den Soll-/Ist-Vergleichen der zustandsbestimmenden Parameter auf und werden entsprechend interpretiert. Parallel dazu laufen Prozesse zur Schwachstellenanalyse und Anlagenverbesserung. Für Abb. 3.13 wurde eine andere Darstellung der Bestandteile einer zustandsorientierten Instandhaltung gewählt, die Vorgehensweise deckt sich im Wesentlichen mit der Beschreibung in der VDI-Richtlinie 2888.
Datensammlung
Systemstruktur
Verfügbarkeitsanalysen
Ergebnisse
Instandhaltungsstrategien Betriebsdaten
Anlagenstruktur
Konstruktionsdaten
Funktionsstruktur
Technische Anleitungen Zeichnungen
Analyse von Störungen Analyse von Ursachen Analyse von Auswirkungen
Instandhaltungsmaßnahmen/ -aufgaben – Inspektionspläne – Arbeitsanweisungen Intervalle Aufwand
Analyse kritischer Störungen kritische Komponenten
Entscheidungen über – Betrieb – Instandhaltung
Abb. 3.13 Funktionen und Bestandteile einer zustandsorientierten Instandhaltung nach Bandow [Ban06].
Die Gestaltung einer zustandsabhängigen Instandhaltung ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, dazu gehören: • technische Möglichkeiten, belastungs- und zustandsrelevante Messwerte zur Feststellung einer Zustandsänderung des Bauteils zu erfassen und zu verarbeiten • eine wirtschaftliche Vertretbarkeit der technischen Realisierung für das Erkennen, • ein ausreichend langes Zeitintervall zwischen dem Erkennen einer Störung bis zum tatsächlichen Ausfall eines Anlagenteils (PF-Nettointervall) [Mou96], um
3.2 Gestaltung einer zustandsabhängigen Instandhaltungsstrategie
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Maßnahmen zur Verhinderung der Störung überhaupt einleiten und durchführen zu können und vor allem • Anwendung von Methoden zur Beschreibung, Analyse, Bewertung von Zustandsveränderungen und zur Prognose der Zuverlässigkeit und Restlebensdauer komplexer technischer Systeme. Die Ableitung entsprechender Instandhaltungsmaßnahmen erfordert darüber hinaus Methoden für mehrkriterielle Auswahlverfahren, Alternativenbewertungen und die Vorausschau auf die zu erwartenden Konsequenzen von Entscheidungen und Handlungen. Der Schwerpunkt der folgenden Abschnitte besteht in der Beschreibung einer im Prozess der Instandhaltungsplanung praktisch anwendbaren Methode zur Bewertung von Zustandsveränderungen und zur Ableitung von Instandhaltungsmaßnahmen unter Nutzung verschiedener Eingangsinformationen.
3.2.3 Definition des Zustands-Begriffs Ausgangspunkt aller Betrachtungen zur Bewertung des Zustandes einer technischen Anlage und ihrer Komponenten/Objekte ist die Kenntnis von deren Ausfallverhalten und der Zuverlässigkeit. Der Begriff des Zustandes ist abstrakt. Unter ihm versteht man i.Allg. die Gesamtheit aller Eigenschaften oder Attribute, die zur Abgrenzung und Unterscheidung des jeweils betrachteten Objekts von anderen Objekten nötig sind. In der DIN 31051 [DIN 31051] ist der Begriff des Zustandes nicht enthalten, sondern wird indirekt über die Kenngröße Abnutzungsvorrat beschrieben. Die europäische Norm EN 13306 [DIN EN 13306] enthält die Begriffe des funktionsfähigen Zustandes (Up state) und des gefährlichen Zustandes (Hazardous state). Im Folgenden wird unter dem Zustand bzw. Zustandsinformationen immer eine Beschreibung der Beschaffenheit bzw. das Leistungsvermögen eines technischen Objektes sowie deren Veränderungen über die Zeit verstanden. Der Zustand kann auch als Zuverlässigkeit bzw. Überlebenswahrscheinlichkeit verstanden werden. Diese ist ein Ausdruck für die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine Betrachtungseinheit die an sie gestellten Anforderungen in Form seiner Funktionalität erfüllen kann. Der komplementäre Wert ist somit die Wahrscheinlichkeit, dass es diese Anforderungen nicht erfüllt und entspricht somit der Ausfallwahrscheinlichkeit. Die folgenden Abschnitte beschreiben unterschiedliche Verfahren zur Bestimmung von Zuverlässigkeitskenngrößen. Dabei liegt der Fokus auf solchen Verfahren, die häufig im Bereich der Instandhaltungsplanung zur Ermittlung des Instandhaltungsbedarfes. z.B. Austauschintervalle von Komponenten, angewendet werden.
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3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
3.2.4 Analytisch, statistische Methoden zur Beschreibung der Zuverlässigkeit technischer Systeme Ergänzend zu den bereits im Abschnitt 2.4 beschriebenen Grundlagen der technischen Zuverlässigkeit und den Möglichkeiten, mittels statistischer Wahrscheinlichkeitsfunktionen das Betriebs- und Ausfallverhalten technischer Anlagen zu modellieren, wird an dieser Stelle auf weitere Möglichkeiten zur Restlebensdauerabschätzung hingewiesen. Restlebensdauerabschätzung auf Basis der Betriebsfestigkeitslehre Zur Restlebensdauerabschätzung wird die Schädigung eines technischen Objektes der Anlage/Bauteils und die Prognose zur Lebensdauer auf der Grundlage von Betrachtungen bruchmechanischer und tribologischer Einflussfaktoren herangezogen, d.h. die Betrachtungsebene der Bauteile mit ihren Werkstoffeigenschaften [Bud02]. Dabei wird ein Zusammenhang zwischen der zu erwartenden Beanspruchung, der Beanspruchbarkeit und der errechneten Betriebsfestigkeit eines Bauteils genutzt (vgl. Abb. 3.14).
Beanspruchbarkeit Werkstoff
Beanspruchungsart
Beanspruchung Formgebung
Oberfläche
Beanspruchungen mit Häufigkeiten
Gestaltfestigkeit Beanspruchungskollektiv
Festigkeitsfunktion (Wöhlerlinie oder Lebensdauerlinie)
Betriebsfestigkeit Schadenshypothese Abschätzung der Lebensdauer
Abb. 3.14 Abschätzung der Lebensdauer [Bud02].
Das Prinzip des Verfahrens beruht darauf, dass jede Beanspruchung eine Spur im Werkstoff hinterlässt. Wenn die Summe aller Beanspruchungen die immanente Beanspruchbarkeit überschreitet, kommt es zum Versagen eines Bauteils. Diese lineare Schadensakkumulationshypothese nach Palmgren und Miner wird trotz ihrer
3.2 Gestaltung einer zustandsabhängigen Instandhaltungsstrategie
131
Schwächen immer noch häufig für Lebensdauerberechnungen angewendet. Für die Ermittlung der Gesamtbeanspruchung werden zunächst Klassen für auftretende Spannungen gebildet. Anschließend wird über der Zeit gezählt, wie häufig eine Spannung in welcher Klasse aufgetreten ist (Rainflow-Verfahren). Das Ergebnis wird als Lastkollektiv bezeichnet, d.h. die unterschiedliche Verteilung von Spannungen in den definierten Lastklassen. Unterstellt man für die Lebensdauerabschätzung eine lineare Schadensakkumulation, werden anschließend aus der Wöhlerlinie des Werkstoffes die zu jeder Klasse gehörenden Schwingspielzahlen abgelesen und die Schadenssumme berechnet. Diese ergibt sich aus der Beziehung: S =
k
ni
∑ Ni
(3.11)
i=1
Die Variable ni ist hierbei die Anzahl der Schwingspiele in der Klasse i des Lastkollektivs und Ni steht für die der i-ten Klasse zugehörige Schwingspielzahl aus der Wöhlerlinie des Werkstoffes. Ein Versagen des Bauteils tritt dann ein, wenn die Schadenssumme den Wert = 1 erreicht hat. Weitere Beschreibungen dieses Verfahrens beinhalten [Har95, Bud02, Red99]. Die Anwendung dieser Methode ist deshalb eingeschränkt, weil andere Einflussfaktoren auf den Zustand eines Bauteils, wie bspw. Temperaturen und Korrosion, weitestgehend bei der Ermittlung der Lebensdauer unberücksichtigt bleiben. Außerdem geht der zeitliche Bezug über der Nutzungszeit verloren, d.h., die Beanspruchungsreihenfolge bleibt unberücksichtigt. Für die Anwendung wird ein umfassendes Know-how zum Werkstoffverhalten benötigt, welches oftmals nur bei den Anlagenherstellern in den Konstruktionsabteilungen vorliegt. Die dort ermittelten Lebensdauerwerte sind als Grundlage für die Planung von Instandhaltungsmaßnahmen nur bedingt einsetzbar, da die realen Beanspruchungen und damit auch die Lastkollektive anders verteilt sind, als in Versuchen angenommen. Jedoch sind diese Informationen oftmals die einzigen Angaben zur Lebensdauer, die einem Anlagenbetreiber zur Verfügung stehen. Regressionsanalysen Mithilfe einer Regressionsanalyse können Beziehungen zwischen einer abhängigen und einer oder mehreren unabhängigen Variablen festgestellt werden. Im Prozess der Instandhaltungsplanung wird mit dem Verfahren häufig gearbeitet, um bspw. Funktionen zur Beschreibung des Verhältnisses von Instandhaltungskosten und Brutto-Anlagenwert und Nutzungszeit oder Instandhaltungsstunden pro Betriebsstunde der Anlage zu ermitteln [SW04]. Diese Regressionsfunktionen sind sehr einfach zu handhaben und für frühe Planungsstadien für überschlägliche Kostenabschätzungen und Ressourcenplanungen anwendbar. Für die Umsetzung einer
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3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
zustandsabhängigen Instandhaltung mit einer Vielzahl von Einflussfaktoren auf den Anlagenzustand ist die Anwendung schwierig.
3.2.5 Condition Monitoring-Systeme zur Zustandsüberwachung Eine andere Herangehensweise, um Schädigungsprozesse an Komponenten aufzudecken und den Zustand einer Komponente festzustellen, ist die Anwendung von Methoden und Werkzeugen zur technischen Diagnostik. Je nach angewendetem System erfüllen diese Systeme die Aufgaben der technologischen Prozessführung, Wirkungsgradüberwachung, Beanspruchungsüberwachung, Abnutzungsüberwachung sowie Schadensüberwachung. Für die Instandhaltung sind die drei letztgenannten Aufgaben von vorrangiger Bedeutung [SF90]. Unter technischer Diagnose ist die Gesamtheit aller Maßnahmen und Verfahren zu verstehen, die zur Ermittlung und Bewertung des technischen Zustandes von Anlagen unter Berücksichtigung der spezifischen Einsatzbedingungen eingesetzt werden. Der Einsatz von Condition Monitoring-Systemen (CMS) unterstützt die Instandhaltung bei der Erreichung folgender Zielstellungen: • Diagnose von Schädigungsverläufen und Grenzwertüberwachung • Erkennen potenzieller Schädigungen und Verhinderung von Anlagenausfällen und Folgeschäden. Als Randbedingung gilt, dass die Diagnose in der Regel bei laufendem Betrieb der Anlage und ohne Demontagen bzw. Stillsetzungen von Anlagenteilen erfolgen soll [SF90] (vgl. Abb. 3.15). Der wesentliche Vorteil von Methoden der technischen Diagnose ist, dass schädigungsrelevante Messgrößen direkt oder indirekt erfasst werden können und über Trendanalysen Prognosen erstellt werden können. Allerdings setzt die eingesetzte Technik häufig technische Grenzen hinsichtlich der Anzahl und Auflösung der Messgrößen, sodass komplexe Einflüsse oftmals nicht erfasst werden können. Außerdem stehen häufig nicht vertretbare finanzielle Aufwände einem Einsatz entgegen. Grundsätzlich lässt sich eine technische Diagnose mit verschiedenen Verfahren und technischen Ausstattungsformen realisieren. Im einfachsten Fall ist bereits eine visuelle Inspektion (Sichtprüfung) eine technische Diagnose. Die visuelle Inspektion beinhaltet die Sichtprüfung aller einsehbaren Bauteile. Hierbei wird auf sichtbare geometrische Veränderungen, Korrosion, Flüssigkeitsstände, Dichtigkeiten, Temperaturen, Geräusche oder Vibrationen geachtet. Diese Art der Prüfung setzt hohe Erfahrungen voraus. Ist die visuelle Inspektion durch z.B. eine mangelnde Zugänglichkeit nicht möglich, können Veränderungen auch mithilfe der Endoskopie oder der Videoskopie erfasst werden. Mithilfe eines Endoskops kann in schwer zugänglichen Bauteilen ebenfalls eine Sichtprüfung durchgeführt werden. Diese Methode wird sehr häufig bei der Getriebeinspektion angewandt. Je nach technischem Aufwand lassen sich temporäre Diagnosesysteme,
3.2 Gestaltung einer zustandsabhängigen Instandhaltungsstrategie
133
z.B. mobile Schwingungsdiagnosesysteme, Thermografiesysteme, Ölprobenanalysatoren u.ä., installieren oder eine kontinuierliche Überwachung des Anlagenzustands mittels sog. Condition Monitoring-Systeme einrichten. Durch CM-Systeme ist es möglich, die wesentlichen Zustandsänderungen der überwachten Bauteile sowie die Abweichungen von dem normalen Betriebsverhalten sofort zu erkennen und unter Anwendung geeigneter Modelle zu bewerten. Damit lassen sich zeitnah Maßnahmen des Anlagenbetriebs und der Instandhaltung einleiten. Dieser Zeitgewinn versetzt die Instandhaltung in die Lage, aktiv Anlagenausfälle zu verhindern. Es gibt heute viele Verfahren im Bereich des Condition Monitoring. Die zwei am häufigsten angewendeten Verfahren sind die Schwingungsdiagnose und die Thermographie, die im Folgenden kurz näher erläutert werden sollen.
Bewertungsmodell (Kennlinien, Klassifikation) Objekt
Prozess
Messwertaufnahme
Messwertaufbereitung und -verarbeitung
Messwertinterpretation Entscheidung
Umgebung Speicherung
Abb. 3.15 Schematischer Aufbau eines Condition Monitoring-Systems in Anlehnung an [SF90].
Schwingungsdiagnose Der Schwingungsdiagnose liegt der Zusammenhang zugrunde, dass alle mechanischen Vorgänge in Maschinen Kraftumsetzungsprozesse zur Folge haben, die weitergeleitet werden und letztlich an die Gehäuseoberfläche gelangen. Diese haben einen periodischen Charakter und treten somit in festen Zeitabständen immer wieder auf [WH02, Wir04]. Die Schwingungsdiagnose dient vor allem der Überwachung der Messgröße Körperschall, um Beanspruchungen in Form von Unwucht, Ausrichtfehlern, anschlagende oder lose Teile, Passungsprobleme, Wellenschäden, lokale und umlaufende Verzahnungsschäden und Wälzlagerdefekte, elektrische Effekte, Schaufeleffekte an Lüftern und Pumpen und Oilwhirl an Gleitlagern, zu erkennen. Hierfür wird das durch die Anlage erzeugte Schwingungssignal erfasst und mithilfe moderner Analysetechniken auf seine Zusammensetzung aus Einzelsignalen und deren Messgrößen untersucht, z.B. mit der FFT-Analyse zur Umsetzung des Zeitsignals in ein Frequenzsignal oder durch die Darstellung von Spektren. Somit lassen sich charakte-
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3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
ristische Frequenzen identifizieren, die im ungestörten Betrieb nicht auftreten. Die Effektivwerte der Signale können als Anhaltspunkte für den Grad einer Schädigung dienen. Ist zusätzlich die Kinematik einer Anlage bekannt, wie Drehzahl, verbaute Wälzlager, die Zahnanzahl der Getriebestufen, lassen sich darüber Zuordnungen treffen, welches Bauteil geschädigt ist [Wir04]. Aufgrund der vielfältigen Einflussfaktoren, die auf eine technische Anlage wirken, hängt die Beschreibung der wirkenden Schädigungsprozesse trotz moderner Analysetechnik immer noch sehr stark vom Wissen und den Erfahrungen des Anwenders, Diagnostikers, ab. Dies wird daran deutlich, dass sehr versierte Personen mit langer Betriebserfahrung sogar ohne technische Hilfsmittel in der Lage sind, allein am Geräusch den Schaden und seine Auswirkungen auf den Anlagenzustand zu beschreiben. Thermografie Neben Schwingungen und Drücken führen häufig thermische Beanspruchungen zu Veränderungen des Zustandes. In der klassischen Form kommen zur Temperaturüberwachung thermische Sensoren zum Einsatz, welche die Temperaturen laufend überwachen und mittels nachgeschalteter Auswerteeinheit analysieren (vgl. Abb. 3.16). Aus der Höhe von Temperaturen und der Einwirkungsdauer können Aussagen zu Veränderungen des Zustandes abgeleitet werden. Die Ermittlung von Temperaturen mittels thermischer Sensoren hat den Vorteil, dass die Messung aufgrund der geringen Größe der Sensoren an fast allen Orten möglich ist und mit ihnen einzelne Punkte effektiv überwacht werden können. Allerdings erfordert die berührende Temperaturmessung einen direkten Kontakt zum zu messenden Objekt. Zur Überwachung großer Flächen wird eine große Anzahl an Sensoren benötigt und die Auswertung von Temperaturausbreitungen gestaltet sich bei diesem Messprinzip schwierig. Da sich Temperaturen über fast alle Stoffe und Materialien gut ausbreiten, müssen oft nicht nur einzelne Punkte, sondern ganze Abschnitte einer Anlage, mehrere Komponenten gleichzeitig, sich bewegende Teile oder Bereiche, in denen keine Sensoren angebracht werden können, z.B. Rohrleitungen, überwacht werden. Dafür steht das Verfahren der Thermographie zur Verfügung. Die Thermographie ist ein berührungsloses Messverfahren. Es macht die für das menschliche Auge nicht wahrnehmbare Wärmestrahlung mittels thermischer oder infraroter Kameras sichtbar. Das Prinzip dabei ist, dass diese Geräte im Wellenbereich thermischer Strahlungen 3,5 - 14 μ m und nicht in dem normaler Kameras 380 - 750 nm arbeiten. Für die industrielle Anwendung ist sie aus dem Grund interessant, da sich mit ihr Temperaturen flächenmäßig darstellen lassen. Auch sich bewegende Objekte lassen sich berührungslos erfassen. Mithilfe moderner Bilderfassungssysteme können die Aufnahmen von diesen Kameras automatisch ausgewertet, analysiert und die Ergebnisse gespeichert oder weiteren Verwendungen, z.B. der Ermittlung von Belastungen, zur Verfügung ge-
3.2 Gestaltung einer zustandsabhängigen Instandhaltungsstrategie Objekt
Infrarotaufnahme
135 Prozess Aufnehmen Analysieren (manuell, Bildverarbeitung) Speichern
Abb. 3.16 Funktionen eines Thermografie-Systems [FLI07].
stellt werden. Ein Nachteil dieses Verfahrens sind die immer noch sehr hohen Anschaffungs- und Betriebskosten für die Geräte. Dazu kommen Einschränkungen der Einsetzbarkeit an Orten, an denen sich viele Wärmequellen gegenseitig beeinflussen. Außerdem erfordert die fachgerechte Bedienung der Geräte und die Interpretation der Ergebnisse große Erfahrung bei den Anwendern und bleibt von daher auf wenige Fachexperten begrenzt.
3.2.6 Einsatz von Methoden der künstlichen Intelligenz Wie im vorangegangenen Abschnitt beschrieben, ist für die Bewertung des Zustandes ein entsprechendes Modell erforderlich. Wenn diese Modelle nicht als a prioriErkenntnisse, z.B. Formeln, Funktionen und Kennlinien, vorliegen und/oder deren Herleitung zu aufwändig ist, werden zunehmend Methoden der künstlichen Intelligenz in Form Künstlicher Neuronaler Netze (KNN) zu deren Generierung angewendet [SMB03]. Neuronale Netze sind mathematische Strukturen, in denen das Wissen über das Verhalten der technischen Anlage in Abhängigkeit von verschiedenen Eingangsparametern in Form von Neuronen, in deren Anordnung und in der Stärke der Verbindungen zwischen den Neuronen gespeichert ist (Abb. 3.17). Ein wesentlicher Vorteil dieser Methode liegt darin begründet, dass auf eine komplizierte analytische Beschreibung der Zusammenhänge von Eingangsdaten und des Ausgangswertes weitgehend verzichtet werden kann. Außerdem zeichnen sich Neuronale Netze auch durch die folgenden Eigenschaften aus [Ser94]: • Assoziationsfähigkeit, d.h., ähnliche Eingabedaten werden erkannt und einem Ausgangsergebnis zugeordnet, in gewissem Maße erfolgt eine automatische Generalisierung von Aussagen. • Fehlertoleranz, die bewirkt, dass trotz teilweise fehlerhafter oder unvollständiger Eingabedaten die gewünschten Ergebnisse entstehen.
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3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme Eingangsschicht
Verdeckte Schicht g1
1 Windgeschwindigkeit
g2 g3
g4 g5 g6
Ausgangsschicht
1 Leistung
Abb. 3.17 Schematische Darstellung eines künstlichen Neuronalen Netzes (BackpropagationModell) mit einem Eingangs- und Ausgangsneuron.
• Lernfähigkeit, d.h., über die Änderung der Stärken von Neuronenverbindungen werden neue Informationen, z.B. neue Eingangsdaten und deren Wirkungen, gespeichert. • Ausfallsicherheit, die trotz des Ausfalles von Teilbereichen eines Neuronalen Netzes, ermöglicht, dass seine Fähigkeiten größtenteils erhalten bleiben. • Parallele Verarbeitung ermöglicht eine große Leistungsfähigkeit der Strukturen eines Neuronalen Netzes durch eine hochgradig parallele Informationsverarbeitung. Wesentliche Anwendungsgebiete Neuronaler Netze liegen in der Generalisierung (Approximation) von Funktionen sowie die Klassifizierung und Klassierung von Daten über eine Mustererkennung [NKK02, NK95, NK97, NKK98, Sch98]. Diese Gebiete werden im folgenden kurz eingeführt. Einsatz zur Approximation Bei der Durchführung einer Neuroanalyse für den Anwendungsfall der Approximation einer Funktion, z.B. Beanspruchung, Zuverlässigkeit, sind die folgenden Schritte zu absolvieren, die nachfolgend nur kurz beschrieben werden. Detaillierte Beschreibungen zur Vorgehensweise und zu Netztopologien beinhalten die aufgeführten Literaturquellen. 1. Phase: Datenvorbereitung Die Qualität eines Neuronalen Netzes hängt entscheidend von der Qualität der zur Verfügung gestellten Trainings- und Testdaten ab. Deshalb ist dieser Phase der Datenvorbereitung eine große Bedeutung beizumessen. Zunächst erfolgt eine Zusammenstellung von Eingangs-/Ausgangsdatenpaaren, bei denen ein Zusammenhang in Bezug auf die Zielfunktion der Bewertung zu erwarten ist. Als Datenquelle dienen reale Betriebs- und Ausfalldaten. Die Betriebsdaten werden auf Unregelmäßigkeiten untersucht, z.B. fehlende Messwerte aufgrund
3.2 Gestaltung einer zustandsabhängigen Instandhaltungsstrategie
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von Sensorausfällen oder Kommunikationsstörungen, sodass nur typische Paarungen von Eingangs- und Ausgangsdaten in tabellarischer Form eine weitere Verwendung finden. In Abb. 3.18 sind beispielhaft Datenpaare für die Bestimmung der Beanspruchung einer Windenergieanlage dargestellt. Dabei stellen die Parameter Windgeschwindigkeit, Windrichtung und Lufttemperatur die Eingangsgrößen dar, die Leistung der Windenergieanlage wird als Äquivalent für die Beanspruchung verwendet.
Windgeschwindigkeit [m/s]
Windrichtung [°]
Lufttemperatur
Leistung
[°C]
[kW]
2,2
209,7
-2
0,2
2,8
216,4
-2
0,1
3,7
220,6
-2
0,1
4,6
213,7
-2
27,4
3,5
212,5
-2
44,3
3,3
213,9
-2
60,9
3,1
224,2
-2
47,1
5,2
209,7
-2
125
4,6
214,7
-2
128,4
3,8
218,3
-2
21,5
3,5
208,3
-2
0,1
4
204,1
-2
0,1
3,4 …
204 …
-2 …
0,1 …
Abb. 3.18 Trainingsdaten für eine Neuroanalyse zur Bestimmung der Leistungskennlinie einer Windenergieanlage (Beispiel).
Zum Abschluss der Datenaufbereitung werden die Betriebsdatenpaare in Trainingsund Validierungsdaten halbiert und in dynamische Variablen (Arrays) umgewandelt. Die weitere Verarbeitung erfolgt mit speziellen Softwareprogrammen zur Entwicklung Neuronaler Netzstrukturen, z.B. mit der Neural Network Toolbox des Softwarepakets MATLAB [Mat01b]. 2. Phase: Aufbau einer Netzwerktopologie Für die Funktion und Leistungsfähigkeit eines Neuronalen Netzes sind dessen interner Aufbau und die verwendeten mathematischen Verarbeitungsalgorithmen von entscheidender Bedeutung. Je nach der zu lösenden Aufgabe wird zunächst die Netzart ausgewählt. Prinzipiell geht es darum, einen unbekannten funktionellen Zusammenhang zwischen bestimmten Eingangsgrößen und einem Ausgangswert in ei-
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3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
ner Netzstruktur abzubilden. Dazu eignen sich Neuronale Netze vom Typ Multilayer Perceptron (MLP) mit Backpropagation-Trainingsalgorithmen. Der grundsätzliche Aufbau eines Backpropagation-Modells entspricht der Darstellung in Abb. 3.17, das mit einem Eingangs- und Ausgangsneuron arbeitet. Möglich ist auch, dass mehrere Eingangsneuronen in der Eingangsschicht verwendet werden. Abb. 3.19 stellt ein dreischichtiges Netz dar zur Abbildung der Leistungskennlinie einer Windenergieanlage dar. Dieses besteht aus einer Eingangs- und Ausgangsschicht sowie einer verdeckten Schicht, die vollständig miteinander vernetzt sind. Die Anzahl der Neuronen der Eingangsschicht richtet sich nach der Anzahl der Eingangsparameter. Im Beispiel sind das die Werte für die Windgeschwindigkeit W G, Windrichtung W R und Lufttemperatur LT . Die Ausgabeschicht besteht auch aus einem Neuron, entsprechend des benötigten Ausgabewertes. In diesem Fall ist das die abgegebene elektrische Leistung P. Die konkrete Anzahl der Neuronen in der verdeckten Schicht wird meist experimentell ermittelt. Darüber hinaus sind weitere Einstellungen zur Festlegung der Aktivierungsfunktionen für die Neuronen der einzelnen Schichten vorzunehmen. Damit wird bestimmt, bei welchem Wert des Eingangssignals an einem Neuron dieses aktiviert wird und seinerseits einen Impuls an seinem Ausgang aussendet. Häufig werden hier Sigmoid-Funktionen in der verdeckten Schicht bzw. lineare Aktivierungsfunktionen in der Ausgangsschicht zur Kennliniennachbildung empfohlen [Ser94]. Nach einer Initialisierung der Startgewichte der Neuronenverbindungen wird das Netztraining angestoßen. 3. Phase: Netztraining Für das Training des Neuronalen Netzes werden die aus den Gesamtdaten extrahierten Trainingsdaten verwendet. Das Training basiert häufig auf dem BackpropagationLernalgorithmus [NKK02]. Dessen grundsätzliche Funktion besteht darin, dass zunächst aus jedem Datenpaar aus den gegebenen Eingangsdaten ein Ausgabewert berechnet wird. Dieser wird mit dem Soll-Ausgabewert, d.h. dem Ausgabewert des Datenpaares, verglichen. Kommt es hierbei zu einer Abweichung, so liegen die Ursachen dafür in allen vorgelagerten Schichten des Netzes. Der Ausgabefehler wird deshalb durch einen mathematischen Algorithmus von der Ausgabeschicht ausgehend rückwärts durch das Netz bekannt gegeben und zur Korrektur der Stärken der Neuronenverbindungen verwendet. Die Bezeichnung des Lernalgorithmus leitet sich von dieser Methode des Error back Propagation ab. Die Korrektur aller Gewichte zwischen den Neuronen erfolgt nicht nach jedem Datenpaar, sondern immer nach einem Durchlauf aller Datenpaare in Form epochalen Lernens. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass das Netztraining schneller abläuft als bei dem sog. musterweisen Lernen, bei dem nach jedem Datenpaar die Gewichte sofort angepasst werden. Während des Trainings einer Epoche wird ein GesamtNetzwerkfehler aus den mittleren quadratischen Abweichungen der Soll- von den Ist-Ausgabewerten aller für das Training angebotenen Datenpaare ermittelt. Wenn
3.2 Gestaltung einer zustandsabhängigen Instandhaltungsstrategie
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Abb. 3.19 Künstliches Neuronales Netz mit drei Eingangsneuronen und drei Schichten zur Abbildung der Leistungskennlinie einer Windenergieanlage mit Darstellung von Ergebnissen.
dieser eine akzeptierte Grenze unterschreitet, wird das Training beendet, ansonsten werden die Gewichte verändert und eine neue Trainingsepoche angestoßen. Sollte der akzeptierte Fehler nicht erreicht werden, lässt sich das Training durch die Einstellung einer maximalen Anzahl von Trainingsepochen abbrechen. Im Ergebnis dieser Phase entsteht eine mathematische Struktur, ein Neuronales Netz, welches die individuelle Funktion erlernt hat. 4. Phase: Testung Für die Testung der Qualität der Aussagen eines Neuronalen Netzes werden wiederum Betriebsdatenpaare verwendet, die ebenfalls aus den Eingangsdatenpaaren extrahiert wurden. Mit diesen Daten, die dem Neuronalen Netz bisher unbekannt sind, wird überprüft, inwieweit das Netz in der Lage ist, aus bekannten und bis dahin unbekannten Eingangsdaten auf die richtigen Ausgangsdaten zu schließen. Dabei wird das Netz selbst als Black Box betrachtet. Liegt der ermittelte Fehler in einem akzeptierten Bereich, kann das Netz zur Darstellung eines Kennlinienmodells z.B. in einem Condition Monitoring System (CMS) eingesetzt werden.
140
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
5. Phase: Evaluation Da sich die Einsatzbedingungen und die Leistungsparameter einer technischen Anlage über ihren Lebenszyklus verändern, ist es erforderlich, in regelmäßigen Abständen die Gültigkeit der trainierten Funktion zu überprüfen. Das kann insbesondere dann erforderlich sein, wenn seltene Ereignisse, z.B. Betriebsparameter, aufgetreten sind oder größere Veränderungen an der Anlagenkonfiguration vorgenommen wurden. Deshalb ist es ratsam, in regelmäßigen Abständen ein ergänzendes oder neues Training des Neuronalen Netzes vorzunehmen. Einsatz Neuronaler Netze als Klassifikator Für die Konfiguration und den Einsatz Neuronaler Netze für Klassifikationsanwendungen, z.B. zum Erkennen von potenziellen Schadensbildern, müssen grundsätzlich die gleichen Phasen der Neuroanalyse durchlaufen werden. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass als Ergebnis kein Funktionswert einer stetigen Funktion ausgegeben werden soll, sondern eine Zuordnung zu einer definierten Klasse. Deshalb kommen hier andere Netzwerktopologien zur Anwendung. Eine Möglichkeit ist die Nutzung eines Learning Vector Quantization Networks (LVQ). Hierbei handelt es sich um ein in der Theorie der künstlichen Neuronalen Netze als sog. Winner-Take-All-Network bezeichnetes Netz, d.h. einen speziellen Anwendungsfall des konkurrierenden Lernens in rekurrenten Netzen. Abb. 3.20 zeigt die grundsätzliche LVQ-Architektur [Mat01b].
Eingangsvektor
Eingangsschicht (Input Layer)
Konkurrenzschicht (Competetive Layer)
Lineare Schicht (Linear Layer)
Ausgangsvektor
A1 E1 A2 E2
A3 A4
E3 A5 Automatische Klassifizierung
Übersetzung in Nutzersicht gemäß einer Zuordnungstabelle
Abb. 3.20 Grundsätzliche LVQ-Architektur [Mat01b].
Nach dem Lernen wird immer nur ein Ausgangsneuron, entsprechend einer zugeordneten Klasse, aktiviert. LVQ zählt zu den überwachten Lernverfahren. Eine sog.
3.2 Gestaltung einer zustandsabhängigen Instandhaltungsstrategie
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Konkurrenzschicht C - Competetive Layer lernt automatisch, Inputvektoren zu klassifizieren. Dabei erfolgt die Zuordnung zu Klassen in Abhängigkeit von den Abständen zwischen den Inputvektoren. Wenn sich zwei Vektoren sehr ähneln, wird die Konkurrenzschicht diese in die gleiche Klasse einordnen. Abb. 3.21 verdeutlicht das Zuordnungsverfahren am Beispiel von Eingangsvektoren mit drei Komponenten und deren Zuordnung zu zwei bekannten Ausgangsklassen C1 und C2.
C2(1;1;1) y
E ( xE; yE; zE ) z
C1(0;0;0)
x
Abb. 3.21 Beispiel für eine Klassierung.
Die Zuordnung eines Eingangsvektors E zu einer Klasse erfolgt dabei durch die Berechnung der sog. euklidischen Distanz a, der Summe der quadratischen Abweichungen aller Komponenten, nach folgender Beziehung: (3.12) a = (xE − xCi )2 + (yE − yC i )2 + (zE − zCi )2 Letztlich erfolgt die Zuordnung des Eingangsvektors zu der Klasse, zu der die kleinste Distanz besteht. Durch eine nachgeschaltete lineare Schicht wird eine Übersetzung der vom Netz zunächst automatisch vorgenommenen Klassifizierung in eine Nutzersicht ausgeführt. Das erfolgt auf der Grundlage einer Zuordnungstabelle (Codebook). Sollte es eine unterschiedliche Anzahl von Neuronen im Competetive Layer und im Output Layer geben, muss auch hier bei Bedarf ein überwachtes Training erfolgen.
3.2.7 Diskussion der bisher erläuterten Methoden Die erläuterten Methoden zur Gewinnung von Zustandsinformationen und zur Ermittlung von Lebensdauern, wirtschaftlichen Nutzungsdauern bzw. Austauschintervallen werden im Bereich des Anlagenmanagements und der Instandhaltung häufig
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3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
angewendet. Viele sind in einer Reihe von Konzepten der Instandhaltung, wie bspw. RCM und TPM, wiederzufinden. Als weitere Methoden zur Bestimmung von Zuverlässigkeitskenngrößen und zur Ableitung von Instandhaltungsbedarfen sollen noch genannt werden: • Nutzwertanalysen, Life Cycle Costing [Gru02, Klu03, Per99, Uhl03, VDI 2884, Wer01b] • Fehlermöglichkeits- und -einflussanalysen (FMEA) [DPB+ 07, Göt96, Sch97, Sch93, WS99] • Betriebwirtschaftliche Modelle, z.B. mit investitionstheoretischem Ansatz [Zha90] • ereignisorientierte Simulationsmodelle [Sch00] Analytische Modelle wie die erläuterten statistischen Verfahren über bekannte bzw. empirische Verteilungsfunktionen der Ausfallabstände erklären die Notwendigkeit von Instandhaltungsmaßnahmen durch die Abnutzung der Anlagenkomponenten. Dazu sind detaillierte Informationen über die Systemstruktur notwendig. Die Beschreibung des Einflusses des Ausfalls einzelner Bauteile auf den Zustand der Gesamtanlage ist nur unzureichend darstellbar, da oftmals die vorausgesetzte Unabhängigkeit der Ereignisse um einen Komponentenausfall nicht gegeben ist. Damit sind bestimmte Rechenvorschriften zur Bestimmung der Systemausfallrate z.B. über die Boole’sche Theorie bei seriellen Systemen nur bedingt anwendbar. Außerdem steht der Instandhaltungsplanung in der Regel keine ausreichende Grundgesamtheit an Ausfalldaten zur statistischen Analyse zur Verfügung. Diese werden häufig bei den Herstellern im Zusammenhang mit dem Produktentwicklungsprozess und Zuverlässigkeitsuntersuchungen erzeugt, bleiben dort aber meist eines der am besten gehüteten Geheimnisse, werden also nicht in die Betriebsphase zur Nutzung weitergegeben. Außerdem ist für die Instandhaltung immer ein konkretes technisches Objekt von Interesse, d.h. dessen Verhalten und nicht das Verhalten einer statistischen Grundgesamtheit. Dazu kommt noch der beträchtliche Aufwand für die Durchführung der Analysen und die Voraussetzung von sicheren Kenntnissen im Bereich der mathematischen Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung bei den handelnden Personen. Die in statistischen Verfahren immer vorhandenen Unsicherheiten aufgrund der Rechnung mit Wahrscheinlichkeiten führen deshalb auch zu einem Akzeptanzproblem bei den Anwendern. Andere stochastische analytische Modelle zur Ermittlung und Prognose von Instandhaltungsmaßnahmen, die auf einer Risikobewertung von Ausfallursachen basieren (FMEA, RCM), benötigen viele Einflussgrößen, die in der Betriebsphase einer Anlage niemals vollständig erfasst werden können. Die Integration einer Risikoabschätzung und die Bewertung der Lebenszykluskosten bezogen auf das Gesamtsystem ist damit aber möglich. Nachteilig wirkt sich jedoch aus, dass die Modellerstellung bei komplexen Systemen sehr aufwändig ist. In den meisten bekannten Anwendungsfällen wurden bspw. FMEA-Analysen nach anfänglichem Elan aller Beteiligten irgendwann wegen der hohen Aufwände abgebrochen. Subjektive Einschätzungen des Teams beeinflussen entscheidend die Objektivität. Auch diese Methode setzt eine entsprechend große Grundgesamtheit an Ausfalldaten voraus.
3.2 Gestaltung einer zustandsabhängigen Instandhaltungsstrategie
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Die beschriebenen Verfahren unter Anwendung der künstlichen Neuronalen Netze vereinfachen viele Analysen, wie z.B. die Hypothesen über Verteilungsfunktionen, da sie die Funktionen selbst erlernen können. Allerdings wird wiederum eine große Anzahl von Trainings- und Testdaten benötigt, da das Netz nur solche Zusammenhänge mit hoher Sicherheit abbilden kann, die in den Trainingsdaten enthalten sind. Außerdem haben die Strukturen eines Neuronalen Netzes die Eigenschaft, dass sie als Blackbox betrachtet werden müssen, d.h., die Gründe für bestimmte Ergebnisse sind dem Anwender gegenüber nicht transparent. Das Erstellen von Strukturen für Neuronale Netze erfordert viel Erfahrung bei den Entwicklern und umfangreiche Tests. Simulatoren sind eine Erweiterung der genannten Ansätze, bei ihrem Einsatz wird die Aussagefähigkeit im Wesentlichen dadurch erhöht, dass ein Simulationsexperiment mit angenommenen oder empirisch ermittelten Verteilungsfunktionen der Ausfalldaten eine große Anzahl von Simulationsläufen enthält, was die Unsicherheiten der Ergebnisse reduziert. Nutzwertanalysen sind Verfahren zur Alternativenbewertung. Bewertungskriterien orientieren sich an quantitativen und qualitativen Merkmalen, der multiattributiven Nutzenbetrachtung durch Kennzahlenmodelle wie Scoring-Modelle und Kennzahlenvergleiche. Dabei tritt das grundsätzliche Problem von Kennzahlenmodellen auf, bei denen sich nur statische Zustände darstellen lassen. Zusammenhänge und dynamische Veränderungen von Prozessen sind nur ungenügend darstellbar und die Auswertung von Kennzahlen beruht auf subjektiven Urteilen bezüglich der Zielkriteriengewichtung und Teilnutzenbestimmung. Allen diesen Methoden ist gemeinsam, dass sie von dem Ansatz herangehen, eine solide analytische Bewertung des historischen Ausfallverhaltens vorzunehmen, um daraus Verteilungsfunktionen u.ä. abzuleiten, die dann wieder für Prognosen verwendbar sind, d.h., es wird versucht, ein Muster auf Basis vorliegender Daten zu finden. Verfahren der technischen Diagnose oder erweitert des Condition Monitoring setzen direkt an den physikalisch chemischen Einflussfaktoren auf den Zustand einer Anlage an. Mit der Auswahl und Beobachtung von Indikatoren werden direkt bzw. indirekt sehr genaue Ergebnisse über den Anlagenzustand erzielt. Die Schwierigkeiten bei der Umsetzung derartiger Konzepte bestehen häufig darin, dass keine geeigneten Messverfahren und Messstellen zur Verfügung stehen. Weiterhin ist die Definition von Zustandgrößen, die für eine Zustandsveränderung ursächlich sind, bei komplexen Anlagen schwierig. Hinzu kommen Herausforderungen an die Methoden zur Interpretation vieler sich teilweise überlagernder Einflussfaktoren und nicht zuletzt an die Beherrschung der Datenflut an Messdaten [Kav02, Kle03]. Häufig wird unzureichend berücksichtigt, dass der Anlagenbetreiber über eigene fundierte Erfahrungen über das Betriebs- und Ausfallverhalten seiner konkreten Anlagen verfügt. Diese Erfahrungen liegen allerdings häufig nicht als a priori-Wissen vor, sondern in impliziter Form in den Köpfen des Betriebs- und Instandhaltungspersonals sowie beim Anlagenmanagement. Mithilfe einer weiteren Methode, der erfahrungsbasierten Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen, muss
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3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
dieses Wissen akquiriert werden und für Entscheidungen der Instandhaltung nutzbar gemacht werden.
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen Die Schwierigkeiten bei der Anwendung von analytischen Methoden in der Instandhaltungsplanung und Anforderungen aus der Praxis nach anwendungsorientierten Herangehensweisen haben zur Entwicklung einer Methode geführt, mittels eines erfahrungsbasierten Lösungsansatzes die Abnutzungsvorräte in technischen Anlagen zu ermitteln, um so Aussagen über die Zustandsveränderung zu gewinnen. Dazu wurden in eine einfache Morphologie die bekannten Verfahren zur Gewinnung von Zustandsinformationen eingeordnet (vgl. Tabelle 3.9). Tabelle 3.9 Kriterien zur Gewinnung von Zustandsinformationen. Ausprägung/ Kriterium
Merkmal 1
Merkmal 2
Merkmal 3
Objektbereich
Anlage
Maschine
Komplexität Einflussfaktoren Interpretation
hoch viele Multikriteriell
Dynamik der Anlagennutzung Nutzung von implizitem Wissen
ja ja
mittel einige Kennlinie Kennfeld nein nein
Komponente Bauteil gering einzeln Grenzwert
Dabei wurde festgestellt, dass die Anwendbarkeit der bisher angewendeten Methoden im Umfeld komplexer Anlagen, auf die eine Vielzahl von Einflussfaktoren einwirkt, nur unzureichend gegeben ist. Gerade in der Einbeziehung von implizitem Wissen über das Betriebs- und Ausfallverhalten wird hier großes Potenzial zur Verbesserung der Planungsgrundlagen für die Instandhaltung gesehen (vgl. Tabelle 3.10). Die hellgrau hinterlegten Zellen markieren den Ist-Stand, während die dunkelgrauen Zellen den Bedarf anzeigen. Die neuartige Methode zur erfahrungsbasierten Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen zeichnet sich durch folgende weitere Merkmale aus: • einfache und schnelle Modellierung • Nutzung bereits vorhandener Eingangsdaten • Berücksichtigung verschiedener Verhaltensweisen von Objekten sowie unterschiedlicher Einflussparameter auf die Beanspruchung und den Anlagenzustand • Verzicht auf Spezialkenntnisse beim Anwender über mathematisch, physikalische Zusammenhänge im Anlagenverhalten
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
145
• Berücksichtigung verschiedener Meinungen und Erfahrungen unterschiedlicher Experten • Transparenz der Wissensbasis, d.h. Rückverfolgbarkeit von Ergebnissen und damit höhere Akzeptanz der Bewertungen • Möglichkeit laufender Anpassungen und Ergänzungen durch den Anwender selbst • Bereitstellung eines komprimierten Bewertungsergebnisses • Integrationsmöglichkeit in vorhandene Condition Monitoring Systeme bzw. IPSSysteme
Tabelle 3.10 Ableitung des Entwicklungsbedarfes. Ausprägung/ Kriterium
Merkmal 1
Merkmal 2
Merkmal 3
Objektbereich
Anlage
Maschine
Komplexität Einflussfaktoren Interpretation
hoch viele Multikriteriell
Dynamik der Anlagennutzung Nutzung von implizitem Wissen
ja ja
mittel einige Kennlinie Kennfeld nein nein
Komponente Bauteil gering einzeln Grenzwert
Das Funktionsprinzip zur Bewertung des Zustandes und von Zustandsveränderungen zur Gestaltung einer zustandsabhängigen bzw. vorausschauenden Instandhaltungsstrategie basiert auf der Fuzzy-Logik. Fuzzy-Regler haben sich bereits seit Längerem für nichtlineare, schwer modellierbare Prozesse im Bereich der Steuerungs- und Regelungstechnik bewährt. Durch die Ausnutzung von Expertenwissen sind dazu keine Prozessmodelle erforderlich.
3.3.1 Definition der Einflussgrößen Für die Defintion aller Einflussgrößen sind folgende Faktoren zu berücksichtigen: Abnutzungsvorrat Der Abnutzungsvorrat einer Anlage wird definiert als Vorrat der möglichen Funktionserfüllungen unter festgelegten Bedingungen, der einer bestimmten Betrachtungseinheit, d.h. eines Bauteils, einer Komponente usw., aufgrund der Herstellung, Instandsetzung oder Verbesserung innewohnt [DIN 31051]. Diese Kennzahl ermöglicht eine Bewertung zum aktuellen Zustand und zum zeitlichen Verlauf einer Zustandsveränderung bezogen auf den Neuzustand bzw. den erwarteten Zustand nach einer bestimmten Nutzungszeit unter Berücksichtigung der Einsatzbedingungen (vgl. Abb. 3.22) [DIN 31051, Mou96, RFF97].
Abnutzungsvorrat AV [%]
146
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
100
AV2
AV1 E P
Grenze der Funktionserfüllung
F
0 Zeit t [h] Zeitpunkt des Ausfalls
Abb. 3.22 Zeitlicher Verlauf des Abbaus des Abnutzungsvorrates.
Abb. 3.22 zeigt einen beispielhaften Verlauf des Abbaus des Abnutzungsvorrates eines Anlagenbauteils. Charakteristisch für den Verlauf ist, dass ausgehend von einem Anfangszustand des Abnutzungsvorrates nach der Herstellung des Anlagenbauteils (AV 1) über der Nutzungszeit dieser durch Beanspruchungen aufgezehrt wird, bis letztlich eine individuell festgelegte Grenze der Funktionserfüllung erreicht wird, d.h. der minimal akzeptierte Abnutzungsvorrat. Eine Instandhaltungsmaßnahme wie eine Instandsetzung und/oder eine Schwachstellenbeseitigung erhöhen den Abnutzungsvorrat des Anlagenbauteils auf den Ausgangswert AV 2, der meist gleich dem Ausgangswert AV 1 ist, wenn ein Austausch gegen ein gleichwertiges Bauteil erfolgt [DIN 31051]. Die Punkte auf der Abbaukurve des Abnutzungsvorrates sind charakteristisch für den Entwicklungsverlauf eines Ausfalls [Mou96]. Der Eintrittszeitpunkt E beschreibt den Zeitpunkt, an dem eine potenzielle Störung oftmals unbemerkt auftritt. Diese Störung entwickelt sich weiter bis zum Zeitpunkt einer Potenziellen Störung P. Hier wird sie als solche erkannt. Wird sie zu diesem Zeitpunkt nicht behoben, dann schreitet die Störungsentwicklung weiter voran bis zum Zeitpunkt einer Funktionsstörung F. Beanspruchung Um den Begriff der Beanspruchung zu definieren, wird eine Beschreibung aus der Arbeitspsychologie auf den Bereich der Anlagentechnik angewandt [HF99]. Eine Beanspruchung ist eine aus einer äußeren Belastung resultierende individuelle Auswirkung auf einen Körper bzw. einen Werkstoff. Die Beanspruchung ist dabei die Gesamtheit aller wirkenden Einflussgrößen [BM87]. Die Auswirkungen sind hierbei abhängig von den Eigenschaften und Fähigkeiten des betrachteten Objektes. Beanspruchungen von Betrachtungseinheiten sind nicht verallgemeinerungsfähig. Es lassen sich vielmehr verschiedene Beanspruchungsarten unterscheiden, die durch
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
147
Belastungen, wie mechanische Einflussgrößen z.B. Kräfte sowie äußere bzw. Umwelteinflüsse z.B. Feuchtigkeit, Hitze, chemische Reaktionen, auf Bauteile einwirken. Diese bewirken die Veränderung von Werkstoffeigenschaften wie Elastizität, Zähigkeit, Härte oder Festigkeit. Für die Bewertung der Beanspruchung spielt darüber hinaus die Belastungsdauer, kurz- oder langfristig, und die Intensität der Belastung eine wichtige Rolle. Mechanische Beanspruchungen führen in der Regel zur Ausbildung einer Spannung in einem Bauteil. Solange diese den Auslegungsbedingungen entsprechen, ist die Festigkeit des Bauteils nicht beeinträchtigt, d.h., es gibt wahrscheinlich keine Einschränkungen bezüglich der erreichbaren Lebensdauer. Dagegen führen Überbeanspruchungen je nach ihrer Intensität zu mehr oder weniger starken Werkstoffschädigungen, wie z.B. einer Ermüdung, und damit zu Schäden an Bauteilen.
Sa [N/mm²]
Dieser Zusammenhang lässt sich bspw. in den sog. WÖHLER-Linien darstellen. Um sie zu ermitteln, werden in einem WÖHLER-Versuch mehrere Versuchskörper mit unterschiedlichen Schwingungsamplituden jeweils bis zu ihrem Versagen bzw. bis zum Erreichen einer festgelegten Grenzschwingzahl beaufschlagt. Die Ergebnisse werden in einem doppellogarithmischen Diagramm (vgl. Abb. 3.23) eingetragen, welches den Verlauf der Nennspannungsamplitude Sa über der ertragbaren Schwingspielzahl N zeigt [Rei90].
Bereich K
Wöhler-Linie Bereich Z
SaD Bereich D 0 10 4
2 x10 6
N (log) [-]
Abb. 3.23 Wöhlerlinie (vereinfacht).
Aus dem Diagramm lassen sich drei Bereiche ableiten. Der Bereich D wird als Bereich der Dauerfestigkeit bezeichnet. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass unterhalb der Dauerfestigkeit SaD ein Bauteil theoretisch eine beliebig hohe Anzahl von Schwingspielen ertragen kann. Alle Belastungen oberhalb der Dauerfestigkeit bewirken ein Versagen des Bauteils nach einer bestimmten Zahl an Schwingspielen. Im praktischen Einsatz kann allerdings auch nicht mit ei-
148
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
ner Dauerfestigkeit und damit einer unendlichen Lebensdauer gerechnet werden, besonders wenn ein Bauteil Korrosion oder erhöhten Temperaturen ausgesetzt ist. Der Bereich Z beschreibt die Zeitfestigkeit eines Bauteils, die ertragbaren Belastungen werden hierbei in einem Intervall meist zwischen 104 und 2 · 106 Schwingspielen dargestellt. In diesem Bereich bewirken leichte Überbeanspruchungen zwar bleibende Werkstoffveränderungen, diese werden aber für eine gewisse Zeit ertragen, wenn ihre Ampltuden unterhalb der eingezeichneten Kurve liegen. Der Bereich K steht für den Bereich der Kurzzeitfestigkeit unterhalb von ca. 104 Schwingspielen. Aus den hohen Belastungen resultieren Überbeanspruchungen, die zu irreversiblen Werkstoffschädigungen und damit zu einem zeitigen Versagen der Bauteile führen. Beanspruchungen lassen sich am besten hinsichtlich ihrer Auswirkungen in einem Schädigungsprozess klassifizieren [BM87, Wer01a]. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal besteht darin, ob die Beanspruchung normal, d.h. zweckbestimmt, ist oder nicht. Im ersten Fall wirken Schädigungsprozesse, die als Abnutzung zusammengefasst werden können. Überbeanspruchungen bilden selbst die zweite Klasse von Schädigungsprozessen. Mögliche Ursachen für Schädigungsprozesse sind im Abb. 3.24 dargestellt. Welche Ursachen bei einer Betrachtungseinheit letztlich tatsächlich Schädigungsprozesse bewirken, hängt von deren spezifischen Eigenschaften und den konkreten Einsatzbedingungen ab. Für die Planung vorbeugender Instandhaltungsmaßnahmen sind vor allem die Schädigungsprozesse, deren Ursachen in der Abnutzung liegen, von großer Bedeutung [BM87]. Dazu müssen ihre Auswirkungen auf den Verbrauch des Abnutzungsvorrates bekannt sein, um Ausfälle aktiv verhindern zu können. Belastung Belastungen sind objektive Größen und Faktoren, die von außen auf ein Anlagenbauteil einwirken [HF99] und zu einer Beanspruchung führen. Häufig werden typische Kombinationen von Größen zu sog. Belastungskollektiven zusammengefasst, denen wiederum eine Größe für die Beanspruchung zugeordnet wird [BM87, Har95]. Beanspruchbarkeit Die Beanspruchbarkeit beschreibt das Widerstandsvermögen eines Anlagenbauteils gegenüber einwirkenden Beanspruchungen. Sie wird im Wesentlichen durch die immanenten Eigenschaften des Anlagenbauteils geprägt, die durch den Werkstoff selbst, die konstruktive Auslegung sowie den Herstellungs- und Nutzungsprozess bestimmt werden. Die Beanspruchbarkeit unterliegt während der Nutzungsphase durch Abnutzung einer stetigen Veränderung.
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
149
Schädigungsprozesse
Abnutzung
Verschleiß
Überbeanspruchung Konstruktionsfehler Herstellungsfehler
Korrosion Transport- und Montagefehler Ermüdung Einsatz außerhalb der Spezifikation Alterung Bedienungsfehler Instandhaltungsfehler Umwelteinflüsse
Abb. 3.24 Klassifizierung von Schädigungsprozessen nach [BM87, Wer01a].
Oftmals wird als Synonym für die Beanspruchbarkeit auch das Leistungsvermögen verwendet [Mou96]. Das Leistungsvermögen bezieht sich jeweils auf einzelne Funktionen eines Anlagenbauteils, für die entsprechende Leistungsnormen definiert werden. Das Leistungsvermögen wird über Konstruktion und Herstellung festgelegt und kann über Instandhaltungsmaßnahmen wiederhergestellt werden.
3.3.2 Beschreibung der Methode zur Bestimmung des Abnutzungsvorrates Zweck ist die Bewertung des aktuellen und zu erwartenden Zustandes eines konkreten technischen Objektes auf der Grundlage von Betriebs- und Diagnosewerten. Bei der Bewertung wird neben der Betriebs- und Instandhaltungshistorie einer technischen Anlage vor allem das Wissen unterschiedlicher Erfahrungsträger über das Betriebs- und Ausfallverhalten berücksichtigt. Im Ergebnis der Bewertung wird die Kenngröße Abnutzungsvorrat nach DIN 31051 [DIN 31051] ermittelt. Diese wird als Eingangsgröße für den Prozess der Instandhaltungsplanung bereitgestellt. Der Grundgedanke der Methode besteht darin, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Anlagenutzung und den erforderlichen Leistungen der Instandhaltung besteht. Dessen Kenntnis ermöglicht die Umsetzung einer belastungs-
150
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
abhängigen Instandhaltungsstrategie, die nicht starr, sondern jeweils auf die aktuelle Anlagennutzung abgestimmt ist (vgl. Abb. 3.25, [Män92]).
Anlagennutzungsgrad [t/Monat]
Instandhaltungsaufwendungen [h/Monat]
0 Nutzungszeit t [h]
Abb. 3.25 Zusammenhang zwischen Anlagennutzung und Instandhaltungsbedarf [Män92].
Die heutige Praxis der Instandhaltungsplanung ist durch das Aufstellen relativ starrer Instandhaltungsbudgets oftmals auf der Basis von Servicepauschalen der Anlagenhersteller geprägt. Dieses Vorgehen führt dazu, dass es eine Differenz zwischen dem tatsächlichen Instandhaltungsbedarf und den budgetierten und abgerechneten Instandhaltungsaufwendungen gibt. In frühen Nutzungsphasen einer technischen Anlage ist erfahrungsgemäß für den Anlagenbetreiber mit einem geringen Instandhaltungsbedarf zu rechnen. Trotzdem auftretende Frühausfälle, die gemäß der beschriebenen »Badewannenkurve« im Abschnitt 3.4.2 für die Ausfallrate wahrscheinlich sind, werden weitgehend über Gewährleistungs- und Garantievereinbarungen mit dem Hersteller der Anlage abgedeckt. Es folgt eine relativ lange Betriebsphase, die durch eine konstante Ausfallrate gekennzeichnet ist. In dieser Phase erhält der Anlagenbetreiber von seinem Instandhaltungsdienstleister, egal ob nun intern oder extern eingebunden, im Rahmen des vereinbarten Budgets oftmals nur einen geringen Gegenwert an Leistungen. Häufig beschränken sich die Leistungen auf Wartungs- und Inspektionsmaßnahmen sowie den Austausch von sog. Verschleißteilen geringen Wertes. Diese Maßnahmen tragen zur Erhaltung des SollZustandes der Anlage bei, verhindern schädigende Einflüsse auf wichtige und teure Komponenten und sorgen für die Einhaltung der angesetzten Verbräuche an Energie und Materialien. Ein häufiges Argument von Dienstleistern, dass man die eingesparten finanziellen Mittel aus den Budgets dazu verwendet, um Rücklagen für teure Instandhaltungsmaßnahmen in einer späteren Nutzungsphase zu bilden, ist hierbei für den Anlagenbetreiber nur teilweise verständlich. In der Regel verfügt er nicht über die ausreichenden Informationen über die Lebensdauer von Anlagenkomponenten und die Zusammenhänge von Anlagennutzung und Verbrauch an Abnutzungsvorräten.
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
151
erwarteter Verlauf tatsächlicher Verlauf
100 E P
-ΔAV
Abnutzungsvorrat AV [%]
Da er nicht einschätzen kann, wann diese Austauschmaßnahmen fällig werden, kann es dazu vorkommen, dass der Betreiber die Anlage anders benutzt oder schon gar nicht mehr in seinem Besitz hat, wenn das sog. Spät-Ausfallverhalten einsetzt. Darüber hinaus kann er das eingesparte Kapital auch selbst gewinnbringend anlegen oder in vorbeugende Instandhaltungsmaßnahmen, technologische Verbesserungen und in gezielte Verbesserungen, z.B. der Zuverlässigkeit von Komponenten, investieren. Im anderen Extrem ist ein Anlagenbetreiber durch den Abschluss von Instandhaltungspauschalen keineswegs vor zusätzlichen Kosten sicher. Oftmals werden in den Vereinbarungen mit Herstellern und Dienstleistern Ausschlussklauseln verankert, die eine Ersatzleistung nur dann ermöglichen, wenn der Anlagenbetreiber den sach- und fachgerechten Umgang mit der Anlage nachweisen kann. Dieser Nachweis gelingt oftmals nur mit großen Anstrengungen, sodass der Betreiber im Falle eines Schadens oftmals in Vorleistung (Vorkasse) treten muss, um seine Produktion nicht zu gefährden. Ein nachträgliches Einfordern der Leistung ist dann oft sehr langwierig. Eine Kopplung von Instandhaltungsmaßnahmen an die Anlagennutzung bietet für einen Anlagenbetreiber ein großes Kostensenkungspotenzial, ohne dabei die Sicherheit des Anlagenbetriebs zu gefährden. Um diese Kopplung zu realisieren, ist es erforderlich, den Zusammenhang zwischen Nutzung und Zustandsveränderung zu beschreiben. Dazu wird nochmals auf die Darstellung des zeitlichen Verlaufs des Abbaus des Abnutzungsvorrates einer Betrachtungseinheit zurückgegriffen [Mou96]. Die Darstellung verdeutlicht die starke Abhängigkeit des zeitlichen Verlaufs der Zustandsveränderung eines technischen Objektes von seinen realen Einsatzbedingungen und damit Beanspruchungen. Die Abb. 3.26 zeigt eine Situation eines deutlich schnelleren Abbaus des Abnutzungsvorrates.
Grenze der Funktionserfüllung 0
F
T
-ΔND
Zeit t [h]
geplante Nutzungsdauer
Abb. 3.26 Vergleich des Abbaus des Abnutzungsvorrates eines technischen Objektes über der Nutzungszeit bei Überbeanspruchung (vereinfacht).
152
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
erwarteter Verlauf tatsächlicher Verlauf
100 E
P
+ΔAV
Abnutzungsvorrat AV [%]
Die Ursachen liegen darin, dass das technische Objekt während der Nutzung stärkeren Beanspruchungen ausgesetzt wurde, als dies bei der Spezifikation und konstruktiven Auslegung angenommen wurde. Die Konsequenz für das Anlagenmanagement besteht darin, dass zum Zeitpunkt T die wahrscheinlich vorhandenen Abnutzungsvorräte unter den theoretisch erwarteten liegen (−Δ AV ). Daraus ergibt sich, dass die erreichbaren Restnutzungsdauern ebenso unterhalb der Erwartungen liegen (−Δ ND). Eine Instandhaltungsplanung, die auf den Intervallen unter Nennbetriebsbedingungen basiert, ist in diesem Fall unwirksam, weil Ausfälle technischer Objekte nicht vermieden werden können. Der andere Extremfall ist in Abb. 3.27 dargestellt.
Grenze der Funktionserfüllung 0
F T
geplante Nutzungsdauer
Zeit t [h] +ΔND
Abb. 3.27 Vergleich des Abbaus des Abnutzungsvorrates eines technischen Objektes über der Nutzungszeit bei Unterbeanspruchung (vereinfacht).
Hier liegt der tatsächliche Abnutzungsvorrat zum Zeitpunkt T deutlich über dem theoretisch angenommen (+Δ AV ). Damit ergibt sich auch, dass die zu erwartende Restnutzungsdauer über der theoretisch angenommen liegt (+Δ ND). In dieser Situation würde eine Instandhaltungsplanung auf Basis der Nennbeanspruchungen zu häufige und letztlich unnötige Maßnahmen vorschlagen. Das Risiko von Ausfällen ist zwar geringer, allerdings um den Preis wirtschaftlicher Verluste durch die zu geringe Ausnutzung der Bauteillebensdauer. Im realen Betrieb wechseln sich, gerade bei flexibel einsetzbaren Anlagen, Phasen mit Über- und Unterbeanspruchungen häufig ab. Damit sind Bestimmungen zum aktuellen Abnutzungsvorrat keine triviale Aufgabe für das Anlagenmanagement. Häufig werden die Über- und Unterbeanspruchungen auch gar nicht als solche erkannt, sodass Maßnahmen zur Optimierung des Anlagenbetriebs und der Instandhaltung wegen fehlender oder ungenauer Eingangsinformationen nicht rechtzeitig ergriffen werden können.
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
153
3.3.3 Beschreibung des Bewertungsmodells Im Mittelpunkt des Bewertungsmodells steht die Quantifizierung von komplexen Beanspruchungen und deren Auswirkungen auf den Abbau des Abnutzungsvorrates. Da sich der Abnutzungsvorrat einer komplexen technischen Anlage und damit deren Funktionserfüllungsvermögen aus den Abnutzungsvorräten aller ihrer Komponenten ergeben, wird auf dieser Ebene begonnen. Auf die Bauteile und Komponenten einer Anlage wirken letztlich alle physikalischen, chemischen und thermischen Beanspruchungen. Das Bewertungsmodell besteht aus folgenden Teilmodellen (Abb. 3.28): • • • • • •
Definition des systemimmanenten Abnutzungsvorrates Quantifizierung der Höhe und der Einwirkungsdauer von Beanspruchungen Beschreibung des Verbrauchs an Abnutzungsvorrat Berücksichtigung des Einflusses von Instandhaltungsmaßnahmen Quantifizierung des aktuellen Abnutzungsvorrates Aggregation von Abnutzungsvorräten auf die Maschinen- und Anlagenebene
Im Folgendem werden die einzelnen Bestandteile des Bewertungsmodells eingeführt und im Detail erläutert.
Systemimmanenter Abnutzungsvorrat
Beanspruchungen
Einfluss der Instandhaltung
Verbrauch an Abnutzungsvorrat
Aktueller Abnutzungsvorrat
Aggregation auf Anlagenebene
Abb. 3.28 Bestandteile des Bewertungsmodells.
Systemimmanenter Abnutzungsvorrat Den Ausgangspunkt der Betrachtungen bildet, dass jedes technische Objekt während seines Entstehungsprozesses so mit notwendigen Eigenschaften ausgestattet
154
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
-] I[ g un ut de Be
Beanspruchbarkeit C [%]
wird, dass seine bestimmungsgemäße Nutzung möglich ist. Dazu gehört auch, dass es unter definierten Nennbeanspruchungen, für einen angegebenen Zeitraum die vereinbarten Funktionen wahrscheinlich erfüllen wird. Dieses ursprünglich vorhandene Funktionserfüllungsvermögen wird als Systemimmanenter Abnutzungsvorrat AVnom definiert, der über der Nutzungsdauer aufgezehrt wird (vgl. Abb. 3.29).
AVnom
Nutzungsdauer t [h]
Abb. 3.29 Bestandteile des Bewertungsmodells.
Der Systemimmanente Abnutzungsvorrat AVnom wird gebildet aus dem Produkt der Beanspruchbarkeit C, der wahrscheinlichen Nutzungsdauer t und der Bedeutung I der Anlagenkomponente in Bezug zur Zielfunktion der Bewertung zum Abnutzungsvorrat. Die nominale Beanspruchbarkeit Cnom kann an dieser Stelle durch die ertragbaren nominalen Beanspruchungen unter Nenn-Betriebsbedingungen knom ausgedrückt werden. Die Nenn-Belastbarkeit wird deshalb auf den Wert von 100 % gesetzt. Dieser Wert repräsentiert das bestimmungsgemäße Einsatzszenario für die Anlagenkomponente. Unter diesen Einsatzbedingungen ergibt sich eine zu erwartende Nutzungsdauer, die sich durch die Kenngröße MT BFnom ausdrücken lässt. Solche Lebensdauerangaben liegen häufig bei den Anlagenherstellern als Ergebnis der Auswertungen von Anlagentests, Zuverlässigkeitsanalysen, Serviceberichten und von Schwachstellenuntersuchungen vor und erlauben eine sehr gute Einschätzung der Zuverlässigkeit technischer Anlagen. Deshalb stellen sie oft bei den Anlageherstellern ein bestgehütetes Geheimnis dar und sind daher für die Instandhaltungsplanung schwer zu beschaffen. Viele Finalproduzenten verfügen ebenfalls nicht über die Angaben, da sie in der Regel viele Komponenten von Lieferanten beziehen und von diesen die Angaben zur Lebensdauer erst selbst einfordern müssen. Hier nehmen viele Hersteller von Standardbauteilen, wie z.B. Lager und Filter, eine positive Rolle ein. Sie stellen meist Lebensdauerangaben bzw. Berechnungsalgorithmen in ihren Bau-
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
155
teilkatalogen zur Verfügung. Alternativ können für die Ermittlung der Lebensdauer jedoch auch Auswertungen von Schadensereignissen und Erfahrungswerte der Anlagenbetreiber und der Instandhaltung herangezogen werden. Natürlich muss man sich hierbei bewusst sein, dass diese Kenngröße immer für eine statistische Grundgesamtheit gilt und nichts über das Verhalten der konkreten Anlagenkomponente aussagen kann. AVnom = knom · MT BFnom · I
(3.13)
In der Formel bezeichnen AVnom den systemimmanenten Abnutzungsvorrat einer Betrachtungseinheit als dimensionslose Größe, knom die Nennbeanspruchung in Prozent und MT BFnom den wahrscheinlichen mittleren Ausfallabstand der Komponente, welcher der zu erwartenden Lebensdauer in Stunden entspricht. I beschreibt die Bedeutung der Betrachtungseinheit als dimensionslose Zahl. Während eines Instandhaltungszyklus [Sch00], bestehend jeweils aus einem Nutzungszeitintervall und der Zeitdauer für eine Instandsetzung bzw. den Austausch einer Anlagenkomponente, wird der systemimmanente Abnutzungsvorrat als konstant angesehen, weil seine bestimmenden Eigenschaften mit dem Einbau geprägt werden und nicht mehr verändert werden können. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Systemimmanente Abnutzungsvorrat AVnom einer Anlagenkomponente eine wahrscheinlich erreichbare Lebensdauer unter Nenn-Betriebsbedingungen verkörpert. Diese wird wesentlich durch die konstruktive Auslegung und den Herstellungsprozess/Qualitätssicherungsprozess beim Anlagenhersteller/Komponentenhersteller und OEM im Sinne von Finalproduzenten bestimmt. Besonders wichtig ist hierbei die Auslegung hinsichtlich der von einer technischen Anlage geforderten Funktionen, da hierdurch die Beanspruchbarkeit und Instandhaltbarkeit der Anlagenkomponenten wesentlich beeinflusst wird [Mou96]. Bestimmung der Bedeutung von Anlagenkomponenten Für die Betrachtungen zum systemimmanenten Abnutzungsvorrat auf der Bauteilbzw. Komponentenebene sind die beiden Größen Nenn-Beanspruchung und erreichbare Lebensdauer ausreichend. Soll der Bewertungshorizont allerdings auf die Maschinen- und Anlagenebene ausgedehnt werden, dann muss berücksichtigt werden, dass jede technische Anlage aus einer Vielzahl von Komponenten besteht, die jede zu einem unterschiedlichen Grad zur Funktionserfüllung beiträgt oder den monetären Wert einer Anlage bestimmt. Um diesen Einfluss berücksichtigen zu können, wurde für die Definition des systemimmanenten Abnutzungsvorrates die Dimension Bedeutung I eingeführt. Die Bedeutung wird in Abhängigkeit von der Zielfunktion der Bewertung des Abnutzungsvorrates unterschiedlich bestimmt. Besteht die Zielfunktion darin, eine Bestimmung des Anlagenwertes vorzunehmen, wird sich die Bedeutung jeder Einzelkomponente letztlich durch ihren Preis repräsentiert.
156
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Die Summe der Teil-Werte der Komponenten lässt sich dann zu einem aktuellen Anlagenwert addieren (vgl. Tabelle 3.11). Tabelle 3.11 Bedeutung von Komponenten für den Anlagenwert.
Komponente 1 Komponente 2 Komponente 3 Komponente 4 Summe
Preis [e]
Bedeutungswert [-]
5000,00 e 2000,00 e 1000,00 e 10000,00 e 18000,00 e
5 2 1 10
Für die Bestimmung des Bedeutungswertes I werden alle Komponentenpreise zusammengestellt und dann auf Basis des kleinsten Preises eine Verhältniszahl gebildet. Die billigste Komponente hat also die Bedeutung I = 1. Dieses Verfahren wurde zum Zweck der Vereinfachung der nachfolgenden Rechenoperationen angewendet, um das Verhältnis der Komponenten zueinander darzustellen. Natürlich können die Preise auch direkt in die Berechnungsformel zum systemimmanenten Abnutzungsvorrat eingesetzt werden. Das Beispiel in der Tabelle 3.11 zeigt, dass in der Anlagenkonfiguration die Komponente 4 eine zehnfache Bedeutung gegenüber der Komponente 3 verkörpert. Ihr Verlust an Abnutzungsvorrat wird letztlich einen größeren Einfluss auf den Abnutzungsvorrat der Gesamtanlage ausüben als die anderen Komponenten. Bei der Erfassung des Preises müssen die konkrete Anlage und die Randbedingungen der beabsichtigten weiteren Anlagennutzung berücksichtigt werden. Handelt es sich um eine kurzlebige Anlage, die nur ein Nutzungsintervall durchläuft, und an der keine wesentlichen Instandsetzungsarbeiten ausgeführt werden sollen oder können, dann kann hier auch der reine Anschaffungspreis herangezogen werden. Damit lässt sich der Wertverlust über die Abschreibungskurve eines Investitionsgutes mit der Zustandsveränderung bis zur geplanten Aussonderung vergleichen. Handelt es sich um eine Anlage mit einer längeren geplanten Nutzungsdauer und mehreren Nutzungsintervallen, dann muss der Preis auch die Kosten für Beschaffung, den Aus- und Einbau, die Entsorgung usw. beinhalten. Damit werden die Kosten für Wartungen, Inspektionen, komplexe Instandsetzungen oder Generalüberholungen berücksichtigt [Bau91, Zha90, Män97, Män92]. Anders verhält es sich, wenn die Bewertung zum Abnutzungsvorrat mit dem Fokus auf die Betriebssicherheit bzw. das Funktionserfüllungsvermögen erfolgt. Hier wird die Bedeutung der Anlagenkomponenten an technischen Kriterien festgemacht. Eine einfache Möglichkeit besteht darin, die Bedeutung über die funktionelle Verkettung bzw. über die Zuverlässigkeitsstruktur der Anlage zu ermitteln. Bei einer rein seriellen Verkettung trägt jede Komponente im gleichen Maß zur Erfüllung von
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
157
Funktionen bei, d.h., alle haben auch die gleiche Bedeutung. In Abb. 3.30 ist ein einfaches Beispiel für eine Pumpenanlage, bestehend aus einem Motor, einer Kupplung und einer Kreiselpumpe, dargestellt. Für die Erfüllung der von der Pumpenanlage geforderten Funktion: Förderung einer definierten Menge Wasser pro Zeiteinheit, leisten alle drei Komponenten den gleichen Beitrag. Jeder Ausfall einer Komponente würde sofort den Ausfall der geforderten Funktion bedeuten. In diesem Fall würde der Bedeutungswert I = 1 für alle Komponenten betragen.
Pumpenanlage Motor
Kupplung
Kreiselpumpe
Abb. 3.30 Zuverlässigkeitsprinzipskizze einer einfachen Pumpenanlage.
Bei vorhandenen Redundanzen, z.B. durch eine Reservepumpe, reduziert sich die Bedeutung der einzelnen Komponenten in Abhängigkeit von der Anzahl der vorhandenen Redundanzen (vgl. Abb. 3.31). Eine erweiterte Möglichkeit, die Bedeutung von Anlagenkomponenten hinsichtlich ihres Beitrages zur Funktionserfüllung zu bestimmen, ist die Bestimmung der sog. Risikoprioritätszahl RPZ (vgl. Abb. 3.32, [Ebe01, Wer01a]. Hierbei wird eine Funktionsstörung einer Komponente zunächst hinsichtlich ihrer Auftrittswahrscheinlichkeit, der Folgen eines Ausfalls sowie der Möglichkeit eines rechtzeitigen Entdeckens bewertet und anschließend multiplikativ verknüpft. Tritt ein Ausfall häufig auf (Auftretenswahrscheinlichkeit A = 10), sind die Folgen eines Ausfalls äußerst schwer (Ausfallfolgen B = 10) und ist es unwahrscheinlich, dass dieser Ausfall rechtzeitig entdeckt werden kann (Entdeckenswahrscheinlichkeit = 10), dann ergibt sich die maximale RPZ von 1.000. Je größer die Risikoprioritätszahl, umso größer ist die Bedeutung einer Komponente. Die Risikoprioritätszahl RPZ kann im gewählten Beispiel in Abb. 3.32 einen Wert zwischen 1 und 1.000 annehmen. Wendet man nun dieses Verfahren auf eine Anlagenstruktur vergleichbar der in Tabelle 3.11 an, dann könnte sich bspw. die Bedeutung der Komponenten im Sinne der Funktionserfüllung, wie in Tabelle 3.12 dargestellt, ergeben. Hier ist es so, dass die Komponente 1 wegen der größten Risikoprioritätszahl die größte Bedeutung in der Anlage erlangt, während es unter dem Blickwinkel des monetären Anlagenwertes die Komponente 4 ist. Das Beispiel soll verdeutlichen,
158
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Pumpenanlage Pumpe 1 Motor
Kupplung
Kreiselpumpe
Kupplung
Kreiselpumpe
Pumpe 2 Motor
Abb. 3.31 Zuverlässigkeitsprinzipskizze einer einfachen Pumpenanlage mit Redundanz.
A: Auftrittswahrscheinlichkeit
B: Bedeutung eines Ausfalls (Ausfallfolgen)
unwahrscheinlich
1
keine
1
sehr gering
2 bis 3
unbedeutend, gering
2 bis 3
gering
4 bis 6
mäßig
4 bis 6
mäßig
7 bis 8
schwer
7 bis 8
hoch
9 bis 10
äußerst schwer
9 bis 10
E: Entdeckungswahrscheinlichkeit eines potenziellen Ausfalls hoch
1
mäßig
2 bis 5
gering
6 bis 8
sehr gering
9
unwahrscheinlich
10
RPZ = A • B • E
Abb. 3.32 Ermittlung einer Risikoprioritätszahl.
wie wichtig es ist, die Bedeutung unter der Zielfunktion der Bewertung des Abnutzungsvorrates zu bestimmen. Durch das Berücksichtigen mehrerer Bedeutungen ist es möglich, dass verschiedene Nutzer auf der Basis eines einheitlichen Bewertungsmodells jeweils ihre individuellen Ergebnisse für ihre Zielfunktion erhalten. Es gibt noch weitere Möglichkeiten, die Bedeutung von Komponenten innerhalb einer technischen Anlage zu bestimmen, bspw. aus den Ergebnissen von Fehlermöglichkeits- und -einflussanalysen (FMEA) oder RCM-Analysen [Sch93, Mou96,
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
159
Tabelle 3.12 Bedeutung von Komponenten für die Funktionserfüllung.
Komponente 1 Komponente 2 Komponente 3 Komponente 4
RPZ [-]
Bedeutungswert [-]
720 12 24 280
60 1 6 23,33
DPB+ 07]. Eine andere Möglichkeit bietet die Anwendung von Scoring- bzw. Punktbewertungsmethoden. Diese basieren auf der Aufstellung von gewichteten Kriterienkatalogen zur Objekt-Clusterung und Bestimmung der Bedeutung technischer Objekte. Anschließend erfolgt eine Erfassung der konkreten Ausprägungen für einzelne Objekte mittels Befragung unterschiedlicher Beteiligter im Prozess des Anlagenmanagements [Göt08] und die Berechnung eines gewichteten Bedeutungswertes. Dieses Verfahren ist zwar aufwändiger durchzuführen, liefert aber durch das Einbeziehen vieler unterschiedlicher Sichtweisen auf die Bewertung der Bedeutung von Komponenten sehr gute und vor allem objektive Ergebnisse. Welches Verfahren zur Bestimmung der Bedeutung angewendet wird, liegt letztlich im Ermessen des Anwenders der Methode. Viele Ergebnisse beispielsweise aus FMEA- oder RCM-Analysen entstehen in der Phase des Produktentstehungsprozesses beim Anlagenhersteller. Oftmals werden diese aber an den Betreiber nicht kommuniziert bzw. sind nur schwer beschaffbar. In neuen Strukturen einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Anlagenherstellern und Betreibern sollten diese Hemmnisse abgebaut werden, allerdings ist dazu noch ein langwieriger Lernprozess gerade auf der Herstellerseite zu absolvieren. Deshalb wird im Moment praktikablen Methoden, wie bspw. der Bestimmung einer Risikoprioritätszahl oder der Anwendung von Scoring-Methode, der Vorrang gegeben, weil diese vom Anlagenbetreiber mit seinem Erfahrungshorizont in akzeptablen Zeiträumen durchführbar sind. Festlegung von Beanspruchungsklassen Die Höhe der Beanspruchungen, denen eine Anlagenkomponente ausgesetzt wird, bestimmt die Geschwindigkeit des Abbaus ihres Abnutzungsvorrates und damit die erreichbare Nutzungsdauer. Deshalb ist es erforderlich, ein Teilmodell aufzustellen, mit dem die aktuell einwirkenden Beanspruchungen bestimmt werden können. Dieses Teilmodell basiert auf den Grundlagen der unscharfen Fuzzy-Logik, um das Erfahrungswissen für die Beschreibung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen im Betriebs- und Ausfallverhalten technischer Anlagen nutzbar zu machen. Für den hier beispielhaft beschriebenen Anwendungsfall ist z.B. eine sog. SugenoFuzzy-Inferenzmethode Nullter Ordnung, auch als Takagi-Sugeno-Kang-Methode bezeichnet, geeignet [Mat01a, LW02]. Das beschriebene Prinzip und die Schritt-
160
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
μ(x)
folge der Fuzzy-Verarbeitung sind beim Mandami- und beim Sugeno-Fuzzy-Regler identisch. Der wesentliche Unterschied liegt in der Gestaltung der Fuzzy-Terme der Ausgangsvariablen (vgl. Abb. 3.33 und Abb. 3.34).
1
gering
hoch
mittel
0,5
0 50
100
150
200 Beanspruchung [%]
Abb. 3.33 Festlegung von Beanspruchungsklassen für ein Fuzzy-System nach dem MandamiPrinzip [Mat01a].
Beim Sugeno-Fuzzy-Regler werden für die Ausgangsklassen vereinfachte Zugehörigkeitsklassen verwendet, sog. Singletons. Die Breite dieser Zugehörigkeitsfunktionen geht dabei gegen Null. Die Qualität der Ergebnisse der Fuzzy-Verarbeitung leidet nicht durch diese Vereinfachung, allerdings können hierdurch der Rechenaufwand und der Speicherbedarf reduziert werden [LW02]. Ein Defuzzyfizierungsschritt wie über das Center-of-Gravity-Verfahren ist hierbei nicht erforderlich. Der Ausgangswert wird über das Schwerpunktverfahren für Singletons wie folgt berechnet. n
∑ yi · αi
y0 =
i=1 n
∑ αi
(3.14)
i=1
Dabei stehen y0 für den Ausgangswert, yi für die Singleton-Position, d.h. die Position des konstanten Fuzzy-Terms i und αi für die Aktivierung des Fuzzy-Terms i im Ergebnis der Inferenz und Komposition der Regeln. Die Position der einzelnen Fuzzy-Terme wird in Abhängigkeit von der Aufgabe und des Regelwerkes festgelegt. Für die Bestimmung der Beanspruchung wurden fünf konstante Beanspruchungsklassen definiert und gemäß Abb. 3.34 angeordnet.
161
sehr hoch
hoch
nenn
gering
1
sehr gering
μ(x)
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
0 50
100
150 200 Beanspruchung [%]
Abb. 3.34 Festlegung von Beanspruchungsklassen für ein Fuzzy-System nach dem SugenoPrinzip [Mat01a].
Den linguistischen Fuzzy-Termen von »sehr gering« bis »sehr hoch« wurden die Positionen 0 bis 200 % zugeordnet. Die Nennbeanspruchung wird mit 100 % festgelegt. Die Definition der Beanspruchungsklassen erfolgt für jede Komponente einheitlich. Die Position für die höchste Beanspruchungsklasse ist auf 200 % voreingestellt. Diese verkörpert eine maximal ertragbare Beanspruchung durch die Komponente und ist stark von deren konstruktiver Auslegung sowie vom Vorhandensein und der Einstellung von Sicherheitselementen in der Anlage abhängig. Es wird nach durchgeführten Expertenbefragungen davon ausgegangen, dass eine momentane Beanspruchung von über 200 % auf jeden Fall zum Ansprechen von Sicherheitselementen führt. Bei Bedarf lässt sich diese Grenze für eine Anlage speziell anpassen. Quantifizierung der Höhe und der Einwirkungsdauer von Beanspruchungen Die momentane Beanspruchung km einer Komponente ist das Resultat des gleichzeitigen Einwirkens einer Vielzahl von Einflussfaktoren P. km (t) = F PBetrieb ; PUmwelt ; PInstandhaltung ; PProdukt
(3.15)
Solche Einflussfaktoren ergeben sich aus den Einstellungen der Betriebsparameter, den Eigenschaften des herzustellenden Produktes, aus den Einsatzbedingungen im Umfeld der Anlage und den Aktivitäten der Instandhaltung. Deshalb ist für jede Komponente zunächst ein charakteristischer Parametersatz zu definieren, mit dem sich auf die Höhe der Beanspruchung einer Komponente schließen lässt. Die Eingangsparameter können dabei aus unterschiedlichen Quellen stammen und müssen nicht unbedingt selbst messbar sein, sondern können auch abgelei-
162
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
tete Größen sein. Typische Beispiele für messbare Betriebsparameter sind Betriebsstunden, Drehzahlen, Drücke, Temperaturen oder die Anzahl von Starts. Abgeleitete Größen sind bspw. die Leistungsaufnahme als Produkt von Anschlussspannung und Stromaufnahme oder die zeitliche Auslastung als Quotient aus Ist-Betriebszeit und Kalenderzeit. Weitere Eingangsdaten lassen sich aus Diagnosesystemen gewinnen, z.B. aus Schwingungen, Druckdifferenzen, dem Schwebstoffanteil in Schmierölen. Andere stehen in direktem Zusammenhang mit Aktivitäten der Instandhaltung, wie z.B. die Einhaltung von Schmierintervallen, Austauschzeitpunkte von Komponenten). In Abb. 3.35 ist hierzu beispielhaft ein Eingangsparametersatz mit seinen Datenquellen für die Bestimmung der Beanspruchung der Lagerung eines Elektromotors dargestellt.
Steuerung
Motorlagerung
Drehzahl Betriebsstunden Wicklungstemperatur
Zeitliche Auslastung Mittl. Wicklungstemp.
Diagnosesystem Teppichwert Schwingung A-Seite Spitzenwert Schwingung A-Seite Teppichwert Schwingung B-Seite Spitzenwert Schwingung B-Seite
Fuzzy-Logik
Wissensspeicher
Instandhaltung Zeitpunkt der letzten Schmierung
Betriebsstunden seit letzter Schmierung
Abb. 3.35 Eingangsparametersatz zur Bestimmung der Beanspruchung einer Motorlagerung.
Nach der Festlegung der beanspruchungsrelevanten Eingangsparameter werden diese in Fuzzy-Variablen transformiert. Dabei werden die linguistischen Fuzzy-Terme mit ihren Zugehörigkeitsfunktionen definiert. Dieser Schritt wird anhand der FuzzyVariablen »Mittlere Wicklungstemperatur« demonstriert. Dieser Parameter wird in die Bestimmung der Beanspruchung der Lagerung eines Asynchronmotors einbezogen. Aus der Erfahrung ist bekannt, dass die Beanspruchung einer Motorlagerung mit zunehmender Wicklungstemperatur ansteigt, da hohe Temperaturen nicht nur irreversible Schädigungen an der Motorwicklung selbst bewirken, sondern auch den Schmierstoff der Motorlagerung dauerhaft schädigen. Für die Fuzzyfizierung des Parameters werden folgende Expertenmeinungen und -erfahrungen herangezogen: • Die Temperatur ist »gering«, wenn sie zwischen 0 und 100 ◦ C beträgt. • Die Temperatur ist »mittel«, wenn sie zwischen 50 und 150 ◦ C beträgt.
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
163
• Die Temperatur ist »hoch«, wenn sie mehr als 100 ◦ C beträgt.
μ(x)
Auf Basis dieser Aussagen werden für die Wicklungstemperatur drei Fuzzy-Terme mit der Bezeichnung »gering«, »mittel« und »hoch« gebildet. Die Zugehörigkeitsfunktionen werden entsprechend Abbildung 3.36 eingestellt.
1
gering
mittel
hoch
0,5
0 50
100 150 200 Mittlere Wicklungstemperatur T [°C]
Abb. 3.36 Fuzzy-Variable »Mittlere Wicklungstemperatur« mit Zugehörigkeitsfunktionen.
Um die Eingangsdaten mittels der Fuzzy-Logik verarbeiten zu können, muss ein linguistisches Regelwerk angelegt werden, welches als Wissensspeicher für die Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen den identifizierten Eingangsgrößen und der Beanspruchung dient. Der Vorteil dieser Wissensspeicherung liegt vor allem darin, dass sich damit selbst komplexe Zusammenhänge abbilden lassen. Es erfolgt anfangs eine Erfassung und Nutzung von apriorischem Wissen des Anlagenbetreibers, Herstellers, Instandhaltungsdienstleisters und anderer im Entstehungs- und Betriebsprozess einer technischen Anlage involvierten Partner über deren Betriebsund Ausfallverhalten. Gleichlautende bzw. auch konträre Expertenmeinungen werden von der Logik automatisch berücksichtigt [LW02, Stö99]. Der Wissensspeicher kann jederzeit angepasst und erweitert werden. Zur Verarbeitung des Einflusses des Parameters Wicklungstemperatur sind im Wissensspeicher die folgenden Regeln hinterlegt: • Regel 1: WENN (Wicklungstemperatur ist gering) DANN (Beanspruchung ist gering) • Regel 2: WENN (Wicklungstemperatur ist hoch) DANN (Beanspruchung ist sehr hoch) • Regel 3: WENN (Wicklungstemperatur ist mittel) DANN (Beanspruchung ist nenn)
164
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Die Verarbeitung erfolgt entsprechend der Schrittfolge: Eingabe der Eingangsdaten, Fuzzyfizierung, Inferenz und Komposition der Regeln und Defuzzyfizierung. Die folgenden Abbildungen (vgl. Abb.3.37, Abb. 3.38 und Abb. 3.39) zeigen beispielhaft die Verarbeitungsschritte zur Bestimmung der Beanspruchung einer Motorlagerung, wenn eine mittlere Wicklungstemperatur von 120 ◦ C gemessen wird. Die Zugehörigkeitsfunktion des Fuzzy-Terms »gering« hat den Wert = 0. Die Zugehörigkeitsfunktion des Fuzzy-Terms »mittel« beträgt 0,6, die des Fuzzy-Terms »hoch« beträgt 0,4. Im Eregebnis ergibt sich als Eingangswert:
μ(x)
Wicklungstemperatur = 120 ◦ C → Fuzzy-Variable: Wicklungstemperatur = (0; 0,6; 0,4)
1
gering
mittel
hoch
0,6 0,4
0 50
100 120 150 200 Mittlere Wicklungstemperatur T [°C]
Abb. 3.37 Fuzzyfizierung der Wicklungstemperatur = 120 ◦ C.
Im nächsten Schritt erfolgt die Verrechnung der Werte der Zugehörigkeitsfunktionen als Projektion auf die definierten Beanspruchungsklassen. Dazu werden die hinterlegten linguistischen Regeln verwendet. Darauf aufbauend erfolgt die Verrechnung der Werte der Zugehörigkeitsfunktionen als Projektion auf die definierten Beanspruchungsklassen. Dazu werden die hinterlegten linguistischen Regeln verwendet. Die Regel 1 verarbeitet den Wert der Zugehörigkeitsfunktion des Fuzzy-Terms »gering«. Da dieser den Wert = 0, 00 hat, wird die Beanspruchungsklasse »gering« mit einem Wert von 0, 00 aktiviert.
165
sehr hoch
hoch
nenn
gering
1
sehr gering
μ(x)
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
0 50
100
150 200 Beanspruchung [%]
sehr hoch
hoch
nenn
gering
1
sehr gering
μ(x)
Abb. 3.38 Aktivierung der Beanspruchungsklassen bei einer Wicklungstemperatur = 120 ◦ C.
140
0 50
100
150 200 Beanspruchung [%]
Abb. 3.39 Grafische Darstellung der momentanen Beanspruchung.
Die Regel 2 verarbeitet den Wert der Zugehörigkeitsfunktion des Fuzzy-Terms »hoch«. Dieser beträgt 0, 4, d.h. es wird damit die Beanspruchungsklasse »sehr hoch« mit 0, 4 aktiviert. Über Regel 3 wird der Wert der Zugehörigkeitsfunktion des Fuzzy-Terms »mittel« verarbeitet. Dieser beträgt 0, 6, d.h. die zugehörige Beanspruchungsklasse »nenn« wird mit dem Wert 0, 6 aktiviert. Da für die anderen Beanspruchungsklassen keine Verarbeitungsregeln vorliegen, werden diese auch nicht aktiviert, d.h. deren Zugehörigkeitsfunktionen haben den Wert = 0.
166
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Die Verknüpfung mehrerer Fuzzy-Terme und -Regeln erfolgt mittels logischer Operatoren. Beim Sugeno-Controller im Software-System MATLAB wird für jede einzelne Regel eine Minimum-Methode angewandt, d.h., der kleinste Wert einer Zugehörigkeitsfunktion eines Fuzzy-Terms bestimmt den Aktivierungsgrad der entsprechenden Beanspruchungsklasse. Die Aggregation aller Regeln erfolgt derart, dass jeweils das Maximum der Aktivierungsgrade jeder Beanspruchungsklasse das Ergebnis bildet [Mat01a]. Die momentane Beanspruchung ergibt sich nach dem Schwerpunktverfahren und den getroffenen Definitionen für die Position der Fuzzy-Terme nach folgender Beziehung: n
∑ ( f i · μi )
km =
i=1
n
∑ μi
i=1
=
0, 01 · μ1 + 50 · μ2 + 100 · μ3 + 150 · μ4 + 200 · μ5 5
(3.16)
∑ μi
i=1
Die Formelzeichen μi stehen für Aktivierungsgrade der Fuzzy-Terme i, fi beschreiben die Position der Fuzzy-Terme entsprechend der Definition der Beanspruchungsklassen als Faktoren, km ist das Ergebnis der momentanen Beanspruchung in Prozent. Die Position der kleinsten Beanspruchungsklasse »sehr gering« wurde nicht auf den Wert = 0 eingestellt, da sonst die Aktivierungsgrade dieser Klasse immer unberücksichtigt bleiben würden. Durch den kleinen Wert ungleich Null lassen sich selbst kleinste Beanspruchungen ermitteln und bewerten. Für das Beispiel der Einwirkung der Wcklungstemperatur von 120◦ C ergibt sich demnach eine momentane Beanspruchung von 140 %. 0, 01 · 0 + 50 · 0 + 100 · 0, 6 + 150 · 0 + 200 · 0, 4 = 140 (3.17) 1 Das Ergebnis lässt sich grafisch in Form einer Waage darstellen (vgl. Abb. 3.39). Eine so ermittelte Beanspruchung wirkt solange, bis eine erneute Bestimmung auf der Basis eines neuen Eingangsparametersatzes erfolgt (vgl. Abb. 3.40). Die Veränderlichkeit und Aktualität des Ergebnisses hängt also direkt von der zeitlichen Auflösung der Eingangsdaten ab. Natürlich ist es theoretisch denkbar, die Bewertungen in Echtzeitnähe vorzunehmen. Das ist jedoch mit hohen Anforderungen an die Datenbereitstellung und die Rechenleistung verbunden. Es ist nicht erforderlich, wenn sich z.B. die Parameter an einer Anlage über einen längeren stabilen Betriebszeitraum kaum verändern. km =
Verbrauch an Abnutzungsvorrat durch Beanspruchung Nachdem die aktuelle Beanspruchung ermittelt wurde, kann der dadurch bewirkte
Momentane Beanspruchung k m [%]
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
km1
kmn
167
Überbeanspruchung Nennbeanspruchung
Unterbeanspruchung
km2
T1
T2
Tn
Nutzungszeit t [h]
Abb. 3.40 Wechselnde Beanspruchungen während der Anlagennutzung.
Verbrauch an Abnutzungsvorrat einer Komponente ermittelt werden. Eine so ermittelte Beanspruchung wirkt solange, bis eine erneute Bestimmung auf der Basis eines neuen Eingangsparametersatzes erfolgt. Die Aktualität des Ergebnisses hängt also direkt von der zeitlichen Auflösung der Eingangsdaten ab. In Fortsetzung der Darstellung des systemimmanenten Abnutzungsvorrates lässt sich dessen Verbrauch ebenso als Volumen darstellen (vgl. Abb. 3.41). Hierbei steht die Y-Koordinate für die Höhe der momentan auf die Komponente einwirkenden Beanspruchung km . Die X-Koordinate beinhaltet die Einwirkungsdauer der Beanspruchung in Minuten oder Stunden, sie wird in der Regel durch den Zeitraum zwischen zwei Datenerfassungen der Eingangsparameter zur Bestimmung der Beanspruchung bestimmt. Die Z-Koordinate berücksichtigt wiederum die Bedeutung der Komponente im Kontext des Ziels der Bewertung. Sie ist gleich der Bedeutung, wie sie bei der Ermittlung des systemimmanenten Abnutzungsvorrates einer Komponente angesetzt wurde. VBE = km · t · I
(3.18)
Die Formelzeichen werden wie folgt verwendet: VBE beschreibt den Teilverbrauch an Abnutzungsvorrat in einem Bewertungsintervall, km ist die in diesem Bewertungsintervall ermittelte momentane Beanspruchung, I steht für die Bedeutung der Komponente im Bewertungskontext. Um den Verbrauch an Abnutzungsvorrat über einen längeren Nutzungszeitraum zu bestimmen, z.B. seit Inbetriebnahme der Komponente, werden die einzelnen Teilbräuche summiert und zu einem Gesamtverbrauch zusammengefasst (vgl. Abb. 3.42). Der Gesamtverbrauch ergibt sich demnach wie folgt:
eu
tu n
g
I[ -]
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Be d
Momentane Beanspruchung k m [%]
168
VBE
Beanspruchungszeit t [min]
Abb. 3.41 Verbrauch an Abnutzungsvorrat.
Vsum =
n
∑ VBEi
(3.19)
i=1
-] I[ ng tu eu Be d
Momentane Beanspruchung k m [%]
Hier bezeichnen Vsum den Gesamtverbrauch an Abnutzungsvorrat, VBE i die einzelnen Teilverbräuche an Abnutzungsvorrat und n die Anzahl der durchgeführten Bewertungen in einem Betrachtungszeitraum.
VBE1
VBEn VBE2
Nutzungszeit t [h]
Abb. 3.42 Bestimmung des Gesamtverbrauchs an Abnutzungsvorrat.
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
169
-] I[ g un ut de Be
Beanspruchbarkeit C [%]
Wirkung von Instandhaltungsmaßnahmen Neben negativen Einflüssen auf den Zustand technischer Anlagen, die sich im Verbrauch von Abnutzungsvorräten äußern, gibt es natürlich auch positive Einflüsse. Diese werden vor allem durch Instandhaltungsmaßnahmen ausgeübt. Deshalb muss deren Einfluss auf die Ergänzung von Abnutzungsvorräten bei der Methodenentwicklung berücksichtigt werden. Prinzipiell lässt sich die Ergänzung wiederum als Volumen darstellen (vgl. Abb. 3.43).
AVIH
Nutzungszeit t [h]
Abb. 3.43 Ergänzung von Abnutzungsvorrat durch Instandhaltungsmaßnahmen.
Einer Komponente wird durch eine Instandhaltungsmaßnahme letztlich wieder ein zusätzlicher Zeitvorrat zugeführt, der aufgebraucht werden kann, um die geplante Nutzungsdauer der Komponente zu erreichen oder einen neuen Lebenszyklus nach ihrem Austausch zu beginnen. Die Beschreibung der Wirkung von Instandhaltungsmaßnahmen gestaltet sich jedoch schwierig. AVIH = knom · t · I
(3.20)
In dieser Formel wird AVIH zur Beschreibung des ergänzenden Anteils an Abnutzungsvorrat verwendet, t steht für eine zusätzliche Nutzungszeit, die für die Beanspruchung entsprechend der Nenn-Beanspruchbarkeit C gewonnen wird. I steht wieder für die Bedeutung der Komponente. Wenn es sich um eine Austauschmaßnahme von Anlagenkomponenten handelt, ist sie noch relativ einfach zu fassen. Die Komponente wird bei Verwendung eines Neuteils sprunghaft in ihren ursprünglichen Zustand versetzt, dabei spielt der zum Austauschzeitpunkt noch vorhandene aktuelle Abnutzungsvorrat keine Rolle. Die Wirkung derartiger Maßnahmen ist deshalb mit 100 % des systemimmanenten Ab-
170
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
nutzungsvorrates anzusetzen, d.h., es wird wieder das volle Funktionserfüllungsvermögen zur Verfügung gestellt. Bei Verwendung von gebrauchten oder aufgearbeiteten Austauschteilen muss vor ihrem Einbau eine Abschätzung vorgenommen werden, wie lang die zu erwartende Nutzungsdauer unter gegebenen Nennbetriebsbedingungen sein wird. Schwieriger gestaltet es sich, eine Einschätzung der Wirkung von anderen vorbeugenden Instandhaltungsmaßnahmen, wie z.B. Schmieren, Justier- und Reinigungsarbeiten, vorzunehmen. Die sichtbaren Zeichen der Wirkung treten bei derartigen Maßnahmen wenn überhaupt erst nach längerer Zeit nach Durchführung bzw. Nichtdurchführung auf. Bis dahin ist aber mit vielfältigen Überlagerungen mit den Wirkungen anderer Maßnahmen und den Einflüssen aus der Anlagennutzung zu rechnen, d.h., die Auswirkungen lassen sich nicht mehr in Zusammenhang mit den vergangenen Maßnahmen bringen. In einigen Fällen kann man jedoch die Wirkung anhand der Veränderung von Messwerten sofort ablesen. Bspw. kann der Erfolg der Reinigung eines Luftfilters an einer Reduzierung der Druckdifferenz zwischen Eingangs- und Ausgangsseite gemessen werden. Benutzt man diesen Wert zur Feststellung des aktuellen Zustandes, muss allerdings beachtet werden, dass oft eine starke Abhängigkeit zwischen Anlagenalter und Nachhaltigkeit der Maßnahmen besteht. So hat z.B. das Schmieren eines alten Lagers nicht den gleichen Effekt wie bei einem neuen Lager. Die Gründe liegen hier in den fortschreitenden Abnutzungsprozessen der Komponenten während der Nutzungsdauer, die sich oftmals sogar beschleunigen [Kra07a, Kra07b]. Weiterhin muss beachtet werden, wie die Aussagen zur zu erwartenden Lebensdauer einer Komponente für die Bestimmung ihres systemimmanenten Abnutzungsvorrates bereitgestellt wurden. Oftmals enthalten die Angaben von Komponentenherstellern den Hinweis, dass die Lebensdauer nur dann erreicht werden kann, wenn bestimmte Maßnahmen durchgeführt werden. In diesem Fall wäre es hilfreich, Aussagen darüber zu erhalten, wie lange die Komponente ohne diese Maßnahmen funktionsfähig bleiben würde. Die Differenz aus den beiden Zeitangaben würde die Wirkung der Instandhaltungsmaßnahmen implizit enthalten. Allerdings sind diese Informationen von den Herstellern praktisch nicht beschaffbar. Eine Möglichkeit zur Lösung des Problems besteht darin, vergleichende Lebensdaueruntersuchungen an gleichartigen Komponenten mit unterschiedlichen Maßnahmenintervallen vorzunehmen. Diese sind jedoch sehr aufwändig und langwierig. Außerdem kann auch hier auf die Erfahrungswerte der internen Instandhaltungsbereiche oder Serviceeinheiten der Anlagenhersteller gesetzt werden und auf Kataloge mit ggf. altersabhängigen Wirkungen von Instandhaltungsmaßnahmen, als prozentualen Wert bezogen auf den ursprünglichen und/oder alternativen Zustand, zu erstellen. Bspw. gibt es Erfahrungswerte von befragten Fachexperten, welche die Wirkung von Schmierarbeiten an neuen Wälzlagern mit ca. 5 % bezogen auf den
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
171
aktuellen Zustand einschätzen. In der Tabelle 3.13 sind die Wirkungen unterschiedlicher Instandhaltungsmaßnahmen nach DIN 31051 und ihre Berücksichtigung auf die einzelnen Bestandteile innerhalb der Bewertungsmethode zum Abnutzungsvorrat zusammengefasst. Tabelle 3.13 Übersicht über die Wirkung von Instandhaltungsmaßnahmen auf den Abnutzungsvorrat Grundmaßnahme Wartung Inspektion Instandsetzung unter Verwendung von Neuteilen Instandsetzung unter Verwendung von Gebrauchtteilen Verbesserung
AVnom
Wirkung auf Vsum AVIH
− − = AVnom = Δ AVnom > AVnom
− − 0 0 0
+Δ AVnom − 0 0 0
Wartungsmaßnahmen beeinflussen die Größe des Abnutzungsvorrates, der durch Instandhaltungsmaßnahmen zugeführt wird. Reine Inspektionsmaßnamen zur Feststellung des Ist-Zustandes einer Komponente haben zunächst keine Wirkung auf die drei Bestandteile im Bewertungsmodell. Diese geht erst von den Maßnahmen aus, die ggf. im Anschluss an das Inspektionsergebnis ergriffen werden. Eindeutig sind die Auswirkungen von Instandsetzungen und Verbesserungen zu sehen, hier wird direkt der systemimmanente Abnutzungsvorrat beeinflusst. Die anderen Bestandteile im Bewertungsmodell werden zurückgesetzt, da sowohl die Beanspruchungs- als auch die Instandhaltungshistorie neu beginnen. Bestimmung des aktuellen Abnutzungsvorrates Die beschriebenen Teilmodelle werden nunmehr zusammengefasst, um Aussagen zum aktuellen Abnutzungsvorrat einer Komponente daraus ableiten zu können (vgl. Abb. 3.44). Der aktuelle Abnutzungsvorrat ergibt sich aus dem ursprünglich vorhandenen systemimmanenten Abnutzungsvorrat, von dem der durch Beanspruchungen verbrauchte Anteil abgezogen sowie der zugeführte Anteil durch Instandhaltungsmaßnahmen addiert wird.
Vsum + AVIH · 100 (3.21) AV = 1 − AVnom
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Be
de
ut un
g
I[ -]
Beanspruchung C [%]
172
-Vsum AV nom
+AVIH
Nutzungszeit t [h]
Abb. 3.44 Bestimmung des aktuellen Abnutzungsvorrates.
AV steht für den aktuellen Abnutzungsvorrat in Prozent, AVnom ist der systemimmanente Abnutzungsvorrat, Vsum ist der Verbrauch an Abnutzungsvorrat durch Beanspruchungen, AVIH ist die Ergänzung von Abnutzungsvorrat durch Instandhaltungsmaßnahmen. Alternative Bestimmung des aktuellen Abnutzungsvorrates Eine alternative Möglichkeit, den aktuellen Abnutzungsvorrat einer Komponente zu bestimmen, ist der direkte Weg auf der Grundlage der Bewertung von Eingangsparametern, die eine direkte Aussage zum Zustand einer Komponente erlauben, wie z.B. Schwingungen und Leistungsverluste. Auch hierbei sind komplexe Zusammenhänge zwischen den einzelnen Parametern zu berücksichtigen. Dabei entspricht die grundsätzliche Vorgehensweise der in den vorangegangenen Abschnitten beschriebenen. Die wesentlichen Unterschiede bestehen in der Art der Eingangsdaten, dem Inhalt des Wissensspeichers sowie in der Darstellung des Bewertungsergebnisses in Form der Aktivierung von Zustandsklassen. In Abb. 3.45 ist ein z.B. Eingangsparametersatz für eine Motorlagerung dargestellt, mit dem eine direkte Bestimmung des Abnutzungsvorrates vorgenommen werden kann. Die Eingangsdaten können auch in Fuzzy-Variablen transformiert und mittels linguistischer Regeln verarbeitet werden. Diese Regeln beschreiben hier Zusammenhänge bezogen auf den Abnutzungsvorrat wie z.B.: • Regel 1: WENN (Alter ist hoch) DANN (Abnutzungsvorrat ist gering) • Regel 2: WENN (Spitzenwert der Schwingung ist mittel) DANN (Abnutzungsvorrat ist mittel)
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen Steuerung
173
Motorlagerung Betriebsstunden
Diagnosesystem Teppichwert Schwingung A-Seite Spitzenwert Schwingung A-Seite Teppichwert Schwingung B-Seite Spitzenwert Schwingung B-Seite
Fuzzy-Logik
Wissensspeicher
Instandhaltung Zeitpunkt der Inbetriebnahme
Alter
Abb. 3.45 Eingangsparametersatz zur Bestimmung des Abnutzungsvorrates einer Motorlagerung.
Mit diesen Einstellungen werden die gleichen Berechnungsschritte wie zuvor beschrieben, Fuzzyfizierung, Inferenz und Komposition der Regeln, Defuzzyfizierung, absolviert. Wichtig ist die Darstellung der Fuzzy-Variablen Abnutzungsvorrat als Ausgangswert. Auch hier kann ein Fuzzy-Controller vom Sugeno-Typ eingesetzt werden. Die linguistischen Fuzzy-Terme sind »sehr gering« bis »sehr hoch« und werden auf den Positionen zwischen 0 und 100 % gleichmäßig angeordnet. Auch diese Definition der Klassen des Abnutungsvorrates erfolgt für jede Komponente einheitlich (vgl. Abb. 3.46). Die Position für die höchste Klasse ist auf 100 % voreingestellt, sie entspricht dem Neuzustand der Komponente. Der Ausgabewert für den aktuellen Abnutzungsvorrat ergibt sich nach dem Schwerpunktverfahren und den getroffenen Definitionen für die Position der Fuzzy-Terme nach folgender Beziehung: n
∑ ( f i · μi )
AV =
i=1
n
∑ μi
i=1
=
0, 01 · μ1 + 25 · μ2 + 50 · μ3 + 75 · μ4 + 100 · μ5 5
∑ μi
i=1
(3.22)
sehr hoch
hoch
mittel
gering
1
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme sehr gering
μ(x)
174
0 25
50
75 100 Abnutzungsvorrat [%]
Abb. 3.46 Definition der Klassen zum Abnutzungsvorrat.
Die Formelzeichen μi stehen für die Aktivierungsgrade der Fuzzy-Terme, fi beschreibt die Position der Fuzzy-Terme entsprechend der Definition als Faktor, AV ist der aktuelle Abnutzungsvorrat. Die Position der kleinsten Klasse des Abnutzungsvorrates »sehr gering« wurde nicht auf den Wert = 0 eingestellt, da sonst die Aktivierungsgrade dieser Klasse immer unberücksichtigt bleiben würden. Durch den kleinen Wert in der Nähe von Null ist ein besseres Verhalten zwischen den Klassen »gering« und »sehr gering« zu erwarten. Der Vorteil der zuletzt beschriebenen Variante zur direkten Bestimmung des Abnutzungsvorrates besteht darin, dass auf den Umweg zur Quantifizierung der Beanspruchungen verzichtet werden kann. Allerdings wird gerade diese benötigt, um Einflüsse aus dem Anlagenbetrieb auf Zustandsveränderungen aufzudecken. Welcher der beiden Varianten letztlich der Vorzug gegeben wird, hängt von den konkreten Anlagenkomponenten, den zur Verfügung stehenden Eingangsdaten und dem Erfahrungswissen ab. Im Idealfall ist eine Kombination beider Varianten möglich. Somit ist eine Überprüfbarkeit der Bewertungen nach einem Vier-Augen-Prinzip möglich, die Einstellungen der Fuzzy-Logik sowie die Regelwerke lassen sich somit überprüfen und abstimmen. Die Variante unter Berücksichtigung der Beanspruchungen ist vor allem dann geeignet, wenn es keine signifikanten Diagnoseparameter gibt oder aber aus Gründen der technischen Machbarkeit oder hoher Kosten keine permanente Diagnose durchgeführt werden kann. In diesem Fall eignet sich die Methode, um den Abbau des
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
175
Abnutzungsvorrates bspw. zwischen jährlichen Diagnosezeitpunkten oder wiederkehrenden Prüfungen durch zugelassene Prüforganisationen zu verfolgen. Letztlich sind beide Wege darauf ausgerichtet, potenzielle Störungen vorausschauend zu erkennen, um dann aktiv über den Anlagenbetrieb und/oder die Instandhaltung entsprechende Maßnahmen zur Sicherung der Funktionserfüllung und der Verfügbarkeit einer Anlage einzuleiten. Aggregation von Abnutzungsvorräten auf die Maschinen- und Anlagenebene Der Abnutzungsvorrat einer technischen Anlage ergibt sich aus den Abnutzungsvorräten ihrer einzelnen Komponenten. Eine schrittweise Aggregation zur Bestimmung dieser Kennzahl ist wiederum abhängig von der Zielfunktion der Bewertung, vergleichbar mit der Festlegung der Bedeutung von Komponenten innerhalb einer Anlage (siehe oben). Unter dem Blickwinkel der Verwendung der Kenngröße Abnutzungsvorrat zur Bestimmung eines aktuellen monetären Anlagenwertes wird eine Summation durchgeführt. Zunächst werden alle systemimmanenten Abnutzungsvorräte AVnom und die durch Instandhaltungsmaßnahmen vorgenommenen Ergänzungen AVIH der Einzelkomponenten zu einer Zwischensumme addiert. Von dieser Zwischensumme werden dann die Gesamtverbräuche an einzelnen Abnutzungsvorräten Vsum subtrahiert (vgl. Abb. 3.47). Damit ergibt sich der zum Zeitpunkt der Bewertung vorhandene Gesamt-Abnutzungsvorrat AVsum einer Anlage. AVnomgesamt =
n
∑ AVnomi
(3.23)
i=1
AVIHgesamt =
n
∑ AVIHi
(3.24)
i=1
Vsumgesamt =
n
∑ Vsumi
(3.25)
i=1
Mit n wird die Anzahl der zusammenzufassenden Komponenten angegeben.
Vsumgesamt + AVIHgesamt · 100 (3.26) AVgesamt = 1 − AVnomgesamt AVgesamt ist der aktuelle Abnutzungsvorrat der Anlage, AVnom gesamt die Summe der systemimmanenten Abnutzungsvorräte aller Komponenten, Vsum gesamt der gesamte Verbrauch an Abnutzungsverbrauch durch Beanspruchungen über alle Komponenten und AVIH gesamt die Ergänzung von Abnutzungsvorräten durch Instandhaltungsmaßnahmen bei allen Komponenten. Erfolgt eine Bewertung hinsichtlich der wahrscheinlichen Funktionssicherheit einer Anlage, muss die Aggregation auf einem anderen Weg vorgenommen werden, bei dem die Anlagenstruktur zu berücksichtigen ist (oder besser: berücksichtigt wird). Da sich über den Abnutzungsvorrat letztlich die Überlebenswahrscheinlichkeit bzw.
176
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
AV
IH
V
sum
AV
AV
nom
AV
nom
IH
AV
nom
V
V
sum
sum
V
sum
AV
nom
Abb. 3.47 Aggregation von Abnutzungsvorräten.
Zuverlässigkeit einer Betrachtungseinheit beschreiben lässt [FN07], empfiehlt sich das vereinfachte Verfahren zur Bestimmung der Überlebenswahrscheinlichkeit von verketteten Systemen [BF87, Bei93, Bei97]. Dabei ergibt sich die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Seriensystems aus dem Produkt der Überlebenswahrscheinlichkeiten seiner Elemente, d.h. in der Anwendung auf den Abnutzungsvorrat einer Anlage aus dem Produkt der Abnutzungsvorräte ihrer Komponenten. AVgesamt =
n
∏ AVi
(3.27)
i=1
Die Variable n bezeichnet hierbei die Anzahl der Komponenten. Bei Parallelsystemen ist die Funktionsfähigkeit gegeben, solange mindestens eines seiner Elemente funktionstüchtig ist. Die Überlebenswahrscheinlichkeit ermittelt sich dabei wie folgt [Bei93]: n
RS (t) = 1 − ∏ Fi (t)
(3.28)
i=1
Die Variable RS (t) steht hierbei für die Überlebenswahrscheinlichkeit des Systems und die Fi (t) für die Ausfallwahrscheinlichkeiten der einzelnen Komponenten. Auf die Kenngröße Abnutzungsvorrat angewendet, ist die Formel entsprechend anzupassen: n
AVgesamt = 1 − ∏ (1 − AVi ) i=1
(3.29)
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
177
Die Anwendung dieser Methode zur Bestimmung der Überlebenswahrscheinlichkeit von Serien- oder Parallelsystemen mittels der Booleschen Theorie ist an bestimmte Randbedingungen geknüpft. Insbesondere müssen die Komponenten in ihrem Ausfallverhalten unabhängig voneinander sein. Dennoch wird die Theorie häufig, in Ermangelung anderer praktisch anwendbarer Verfahren und wegen der Qualität von Eingangsinformationen, im Rahmen der Zuverlässigkeitsbewertung und Instandhaltungsplanung eingesetzt [KFH07]. Deshalb ist auch hier dieses Verfahren zur Aggregation von Abnutzungsvorräten eine praktikable Lösung. Visualisierung der Bewertungsergebnisse Für den Anwender der Methode ist es wichtig, die Bewertungsergebnisse, auf seinen Anwendungsfall angepasst, anzuzeigen. Als einfachste Form ist die Ampeldarstellung möglich, wie sie für viele andere Kennzahlen, z.B. Produktionskosten, Umsätze, Stillstandszeiten usw., eingesetzt wird (vgl. Abb. 3.48). Diese Form der Visualisierung hat den Vorteil, dass neben der reinen Ausgabe des Ergebnisses sofort eine komprimierte Bewertung erfolgen kann. Es lassen sich für jede Komponente individuelle Vorwarn- und Alarmgrenzen festlegen, bei deren Erreichen festgelegte Maßnahmen des Anlagenbetriebs und der Instandhaltung vorgeschlagen werden.
Abnutzungsvorrat: 85 %
rot 0
gelb 25
grün 50
100 %
Abb. 3.48 Visualisierung des aktuellen Abnutzungsvorrates als Ampel.
Wichtiger als die Kenntnis des aktuellen Abnutzungsvorrates ist im Prozess der Instandhaltungsplanung die Kenntnis seines zeitlichen Verlaufes, denn aus der Darstellung der Historie lassen sich Trends der Zustandsveränderung und der Einfluss durch Beanspruchungen sowie die Auswirkungen von Instandhaltungseingriffen erkennen. Oftmals ist es nicht von Bedeutung, den absoluten Wert einer Kenngröße zu kennen, vielmehr sind sprunghafte oder schnellere Veränderungen sichere Anzeichen dafür, wie sich der Zustand einer Anlagenkomponente verändert hat und wahrscheinlich auch weiter verändern wird. Auf dieser Basis lassen sich Prognosen zum weiteren Verlauf und auf die zu erwartende störungsfreie Betriebszeit aufsetzen. In Abb. 3.49 ist ein Beispiel für solch eine Historie des Verbrauchs an Abnutzungsvorrat dargestellt. Erkennbar ist eine deutliche Abweichung vom ursprünglich angenommenen Soll-Verlauf während der Nutzungszeit durch vom Nennbetrieb abweichende Beanspruchungen. Die Größe des Abstiegs der Ist-Kurve verdeutlicht
178
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Erwarteter Nenn-Verlauf
grün
100
gelb
Ist-Verlauf Trendkurve des Ist-Verlaufs
rot
Abnutzungsvorrat AV [%]
die Auswirkungen von Beanspruchungen. Hohe Beanspruchungen bewirken einen schnellen Verbrauch an Abnutzungsvorrat während geringe Beanspruchungen einen langsamen Verbrauch bedeuten. Durch die Berechnung einer Trendkurve ist es möglich, den Versagens-Zeitpunkt, d.h. den Zeitpunkt des Erreichens der Grenze der Funktionserfüllung zu prognostizieren.
0 Bewertungszeitpunkt T
Nutzungszeit t [h]
Prognostizierter Versagens-Zeitpunkt F
Abb. 3.49 Historie und Prognose des Verbrauchs an Abnutzungsvorrat mittels Trendkurve.
3.3.4 Vorgehensweise zur Anwendung der Methode zur Bestimmung von Abnutzungsvorräten in technischen Anlagen Um die Methode zur Bestimmung von Abnutzungsvorräten in technischen Anlagen im Prozess der Instandhaltungsplanung anwenden zu können, ist ein methodisches Vorgehen erforderlich, welches in Abb. 3.50 zusammenfasend dargestellt und im Folgendem im Detail erläutert wird. Anlagenstrukturierung Die Anwendung der Methode setzt, wie jede andere Form einer planmäßigen Instandhaltung, eine sinnvolle Strukturierung der vorhandenen technischen Anlagenkomponenten voraus. Deshalb werden im ersten Schritt sog. »Bewertungsprojekte« definiert. Diese Projekte sind Zusammenfassungen von Objekten, die zu einer Funktionseinheit gehören oder von der Instandhaltung ganzheitlich betreut werden. Außerdem müssen Erfahrungswerte aus dem Betriebs- und Ausfallverhalten vorliegen sowie die entsprechenden Eingangsdaten, wie Betriebs- und Instandhaltungsdaten, generiert werden können. Die grundsätzlichen Vorteile einer solchen Strukturierung liegen vor allem in der:
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
179
Start
Definition des Bewertungsprojektes Anlagenstrukturierung Zuordnung von Objekttypen Erfassung der Basisdaten für systemimmanenten Abnutzungsvorrat
Konfiguration der Fuzzy-Controller für Beanspruchungen und/oder Abnutzungsvorrat Aufbau der Wissensbasis Erstellung der Parameterlisten Erfassung von Instandhaltungsmaßnahmen Organisation der laufenden Erfassung von Eingangsdaten Durchführung laufender Bewertungen Validierung
Ergebnisse akzeptabel?
nein
ja
Abb. 3.50 Vorgehensweise zur Anwendung der Methode zur Bestimmung von Abnutzungsvorräten in technischen Anlagen.
• Reduzierung des Aufwandes für die Verwaltung von Stammdaten technischer Objekte, • Vereinfachung bei der Planung und Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen,
180
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
• verbesserten, d.h. gezielten Auswertbarkeit von Betriebs-, Zustands- und Instandhaltungsdaten. Grundsätzlich gibt es mehrere Möglichkeiten, nach denen eine technische Anlage strukturiert werden kann. Bei einer funktionalen Strukturierung werden die technischen Anlagen nach ihren Funktionseinheiten abgebildet, z.B. Energieversorgung, Heizungsanlage, Dreherei. Bei einer objektbezogenen Strukturierung werden dagegen alle gleichartigen Objekte unabhängig von ihrem Einbauort zu Gruppen zusammengefasst, z.B. Pumpen, Transportmittel, Werkzeugmaschinen, Mess- und Prüfmittel [SE00]. Für viele Anwendungsfälle, z.B. im Fall einer Verdichteranlage, ist die Kombination beider Strukturierungsmöglichkeiten vorteilhaft, d.h. zunächst werden diese technischen Anlagen in Funktionseinheiten zerlegt und ab einer festgelegten Strukturierungsebene erfolgt eine Zuordnung von Komponenten, die wiederum in Objektgruppen, z.B. Motore und Kupplungen, zusammengefasst werden können. Die Bildung von Objektgruppen ist deshalb von Vorteil, weil davon auszugehen ist, dass Beanspruchungen bei ähnlichen Komponenten wegen der gleichen physikalischchemischen Einflussfaktoren auf die Abnutzung auch ein ähnliches Verhalten hervorrufen. Die wesentlichen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge brauchen demnach nur einmal für eine solche Gruppe erfasst und aufbereitet werden. In Abb. 3.51 ist beispielhaft eine kombinierte Anlagenstruktur für eine Verdichteranlage dargestellt. Darüber hinaus sind weitere Strukturierungen, bspw. nach buchhalterischen Gesichtspunkten bzgl. Kostenstellen oder Sachanlagen, möglich. Das Ergebnis des ersten Schrittes ist eine hierarchische Struktur von Funktionseinheiten mit zugehörigen Komponenten. Ein Kriterium für die Strukturierungstiefe ist dabei die Zuordnung der Komponenten zu Instandhaltungsobjekten. Die Strukturierung endet auf der Ebene von Objekten, auf der die Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden. Werden bspw. nur komplette Antriebsmotoren ausgetauscht, dann endet die Struktur am Objekt »Motor«. Wenn an dem Motor getrennte Maßnahmen, seine Lagerung und Wicklung betreffend, ausgeführt werden, dann wird dieser entsprechend weiter unterteilt. Darüber hinaus spielen vorliegende Erfahrungswerte über das Betriebs- und Ausfallverhalten von Komponenten eine wichtige Rolle. Zuordnung von Objekt-Typen Im nächsten Schritt erfolgt eine nähere Betrachtung der identifizierten Instandhaltungsobjekte. Dazu werden die Objekte Gruppen zugeordnet, um im weiteren Verlauf der Anwendung der Bewertungsmethode eine Zuordnung von unterschiedlichen Fuzzy-Controllern mit ihren speziellen linguistischen Wissensspeichern vornehmen zu können. Im Ergebnis dieses Schrittes wird festgelegt, auf der Basis welcher Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge eine Bestimmung des Abnutzungsvorra-
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
Verdichteranlage
Verdichter 1
181
Kompressor 1 Motor Kupplung Verdichterstufen ... Trockner 1 Motor Trommel
Verdichter 2
Kompressor 2 ...
Trockner 2 ... funktionale Strukturierung
objektbezogene Strukturierung
Abb. 3.51 Beispiel für eine Anlagenstrukturierung.
tes jeder Komponente vorgenommen werden kann. Zu den zu berücksichtigenden Objekt-Typen gehören im Einzelnen: Komponenten mit beanspruchungsabhängiger Zustandsveränderung Komponenten dieses Typs (Typ A) sind dadurch gekennzeichnet, dass bei ihnen in Abhängigkeit von Beanspruchungen eine nachweisbare Abnutzung stattfindet, die sich bspw. in einem zunehmenden Verschleiß oder einer fortschreitenden Korrosion zeigt. Sie zeigen ein zur Beanspruchung proportionales Verhalten. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, ob ihr getrennter Austausch technisch machbar und auch wirtschaftlich vertretbar ist. Beispiele für solche Objekte sind Kupplungen, Bremsbeläge, Wälzlager, Antriebsriemen, Riemen, Zahnräder und Motoren. Der Verbrauch ihres Abnutzungsvorrates lässt sich durch Zusammenhänge zwischen laufend erfassten Betriebsparametern und der Bestimmung der daraus resultierenden Beanspruchung beschreiben. Zusätzlich können an diesen Objekten auch Kenngrößen bestimmt werden, mit denen direkt auf den aktuellen Abnutzungsvorrat geschlossen werden kann. Da diese Kenngrößen aber oftmals nicht ständig erfasst werden, sondern meist zyklisch im Zusammenhang mit Inspektionen, ist allein damit eine aktuelle Einschätzung zum Abnutzungsvorrat in der Regel nur in größeren Zeitabständen möglich. Die Bestimmung des Abnutzungsvorrates auf indirektem Weg über die Auswirkungen von Beanspruchungen stellt hier eine sinnvolle Ergänzung dar und trägt damit zur Verbesserung der Bewertungsergebnisse in den Zwischenräumen zwischen zwei In-
182
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
spektionen bei. Beispiel Die Beanspruchung einer Gummilamellenkupplung hängt u.a. vom zu übertragenden Drehmoment, der Anzahl der Motorstarts pro Stunde und von der Einsatztemperatur ab. Ein hohes Drehmoment, viele Motorstarts pro Stunde und eine hohe Temperatur führen insbesondere durch ihre Kombination zu hohen Beanspruchungen an der Kupplung. In regelmäßigen Zeitabständen, z.B. ein Mal jährlich, kann durch einen Servicetechniker die Dicke der Kupplungsbeläge gemessen und mit einem Verschleißgrenzmaß vergleichen werden. Die Dicke der Kupplungsbeläge bildet dabei das Maß für den Abnutzungsvorrat. Ist die Verschleißgrenze noch nicht erreicht, dann entscheidet der Servicetechniker oft aus seiner Erfahrung heraus, ob die Kupplung noch bis zu seiner nächsten Inspektion funktionsfähig bleiben wird. Dazu muss er allerdings die zu erwartenden Beanspruchungen kennen. Kennt er diese nicht genau, dann muss er zwangsläufig eine ähnliche Größe ansetzen wie in der Vergangenheit. Ändern sich aber die Betriebsbedingungen und/oder Einsatzparameter gravierend, dann können diese wegen der höheren Beanspruchungen zu einem zeitigeren ungeplanten Ausfall der Komponente führen. Hier leistet die laufende Bestimmung der Beanspruchungen einen wertvollen Beitrag, weil sie in den Intervallen zwischen den Inspektionen des Servicetechnikers die Unterschreitung des Abnutzungsvorrates feststellt und signalisiert. Der mögliche Ausfall wird damit wieder vorhersehbar. Komponenten ohne nachweisbare Abhängigkeit von Beanspruchungen Komponenten werden diesem Typ (Typ B) zugeordnet, wenn sich bei ihnen in Abhängigkeit von Beanspruchungen keine bzw. eine schlecht messbare Abnutzung nachweisbar ist. Aufgrund vorliegender Erfahrungen ist aber über der Nutzungszeit eine Verschlechterung des Zustandes zu erwarten. Es existieren auch Kenngrößen, die in eine Beziehung zu Zustandsveränderungen der Komponente gebracht werden können, allerdings unabhängig von messbaren Beanspruchungen. Beispiele für derartige Kenngrößen sind u.a. das Alter, die Betriebsstunden oder feststellbare Abweichungen von Soll-Betriebsparametern einer Komponente. Auch für diese Komponenten ist bei ihrem Ausfall ein Austausch technisch machbar und auch wirtschaftlich vertretbar. Typische Beispiele für Komponenten des Typs B sind vor allem elektronische Bauteile, Steuerungen und Steckverbinder, aber auch Komponenten, für die in der Regel keine Betriebsdaten erfasst werden, wie z.B. Filter. Für diese Komponenten des Typs B ist jedoch eine parallele Bestimmung des Abnutzungsvorrates durch das Wirken von Beanspruchungen nicht möglich. Beispiele Eine elektronische Steuerung unterliegt während ihrer Nutzungsdauer einer Abnutzung, allerdings finden sich keine Parameter zur Beschreibung dieses Vorgangs. Es
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
183
wird also häufig das Alter der Komponente für eine Einschätzung des Zustandes herangezogen. Oftmals wird als Grenze der wahrscheinlichen Lebensdauer auch die Lieferfähigkeit des Steuerungsherstellers an Ersatzteilen festgelegt. Die Interpretation besteht darin, dass nach Ablauf dieser Frist die Komponenten dann auf jeden Fall technologisch, moralisch verschlissen sind. Bei Filtern wird zur Feststellung ihrer Durchlassfähigkeit häufig eine sog. Druckdifferenzmessung angewendet. Aus der Höhe der Druckdifferenz und ihrem Trend lassen sich Rückschlüsse auf den aktuellen und zu erwartenden Abnutzungsvorrat als Grad des Funktionserfüllungsvermögens treffen. Alternativ kann man auch am Strombedarf des Antriebsmotors feststellen, in welchem Zustand sich ein Filter befindet. Dazu muss die Ursache »Filterverstopfung« der Wirkung »Stromaufnahme« zugeordnet werden. Dauerfeste Komponenten Der dritte Typ von Komponenten (Typ C) stellt eigentlich eine Sonderform des Typs B dar. Diesem Typ werden solche Komponenten zugeordnet, bei denen die Abnutzungsprozesse während der Nutzungszeit sehr langsam ablaufen, wenn überhaupt eine Zustandsverschlechterung erkennbar ist (vgl. Abschnitt Beanspruchung). Dazu zählen bspw. Rahmenkonstruktionen, Chassis oder Behälter, die konstruktiv für die gesamte geplante Nutzungsdauer ausgelegt sind. Bei solchen Komponenten wird vor allem aus Gründen der Wirtschaftlichkeit darauf verzichtet, Zustandskenngrößen zu erfassen. Ein weiteres Merkmal von Komponenten des Typs C ist, dass ihr Ausfall in den meisten Fällen wegen ihres hohen Preises auch die Lebensdauer der kompletten Anlage beendet. Selbst wenn es technisch machbar wäre, diese Komponenten einzeln auszutauschen, wird aus wirtschaftlichen Gründen häufig der Neubeschaffung einer komplett neuen Anlage der Vorzug gegeben. Es kann davon ausgegangen werden, dass, wenn bereits die dauerfest ausgelegten Komponenten einen geringen Abnutzungsvorrat aufweisen, wahrscheinlich die anderen Komponenten auch nicht besser erhalten sind. Natürlich kann es trotzdem sinnvoll sein, diese Komponenten einzeln auszutauschen, wenn es sich um Unikate handelt oder für komplette Neuanlagen lange Lieferfristen bestehen. Beispiel Eine Rahmenkonstruktion ist für eine Nutzungsdauer von 25 Jahren dauerfest ausgelegt. Bei einer Nutzung innerhalb der Spezifikation ist demnach kein Austausch während dieses Zeitraums erforderlich. Für die Komponente wird häufig nur das Alter für eine Einschätzung des Abnutzungsvorrates herangezogen. Darüber lassen sich dann zum Beispiel Aussagen über den aktuellen monetären Wert einer Anlage ableiten.
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3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Erfassung von Basisdaten Nach dem Abschluss der Anlagenstrukturierung muss für jede Komponente eine Erfassung der erforderlichen Daten zur Bestimmung des systemimmanenten Abnutzungsvorrates erfolgen. Diese Basisdaten umfassen: • Nenn-Betriebsbedingungen (z.B. Nenn-Drehzahlen, Nenn-Temperaturen, NennAuslastung), • Angaben zur zu erwartenden Lebensdauer von Komponenten unter Nenn-Betriebsbedingungen (z.B. MTBF ... Mean Time Between Failures - Mittlerer Ausfallabstand), • Preise und/oder Austauschpreise für die Komponenten, entweder absolut oder als Verhältnis zu allen anderen Komponenten, diese Angaben werden benötigt, um die unterschiedliche Bedeutung von Komponenten bei der Feststellung eines monetären Anlagenwertes berücksichtigen zu können, • Angaben einer Risikoprioritätszahl, welche die Auswirkungen von Komponentenausfällen für die Funktionssicherheit der Gesamtanlage beschreibt. Diese Angaben werden zusätzlich oder alternativ zur Festlegung der Bedeutungen der Komponenten innerhalb der Anlage benötigt. Eine wichtige Quelle für Basisdaten sind Herstellerangaben aus dem Bereich der Konstruktion. Zusätzlich kann auf eigene Auswertungen und Erfahrungen aus der Betriebs- und Instandhaltungshistorie bei Anlagenbetreibern und Instandhaltungsdienstleistern aufgebaut werden. Eine sehr ergiebige Informationsquelle sind die Serviceeinheiten der Anlagenhersteller. Dort liegen umfangreiche Erfahrungen über viele gleichartige Anlagen in unterschiedlichen Konfigurationen und Einsatzsituationen vor, aus denen sich die Angaben für den konkreten Anwendungsfall ableiten lassen. Mit den Ergebnissen der Basisdatenerfassung wird die Bestimmung des systemimmanenten Abnutzungsvorrates im Ergebnis ermöglicht. Konfiguration von Fuzzy-Controllern Für jede einzelne Komponente wird entsprechend ihrer Zuordnung zu den ObjektTypen im folgenden Schritt mindestens ein Fuzzy-Controller konfiguriert, der die Wissensbasis sowie die Verarbeitungslogik für die Bestimmung des Abnutzungsvorrates beinhaltet. Dabei werden hier beispielhaft in einem konkreten Anwendungsfall drei verschiedene Controller-Typen verwendet, die vorzugsweise gemäß Tabelle 3.14 für die definierten Objekt-Typen verwendet werden, sich aber auch miteinander kombinieren lassen. Die Tabelle gibt den Grad der jeweiligen Eignung an. Das Ergebnis dieses Schrittes ist eine Zuordnung von Controller-Typen zu den Komponenten sowie die Voreinstellung der Fuzzy-Variablen mit den Zugehörigkeitsfunktionen. Bei der Definition dieser Variablen wird in der Regel so vorgegangen, dass die Bezugsbasis die zuvor bestimmten Nenn-Betriebsbedingungen bilden. Davon ausgehend lassen sich recht einfach weitere linguistische Fuzzy-Terme formu-
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
185
Tabelle 3.14 Zuordnung von Controllertypen zu Objekt-Typen. Controllertyp Objekttyp
BE
AV
LIN
A B C
sehr gut nicht nicht
sehr gut sehr gut bedingt
bedingt bedingt sehr gut
lieren, deren Zugehörigkeitsfunktionen sowohl den Bereich unterhalb als auch oberhalb dieser abdecken und sich überlappen. Ebenfalls sollte darauf geachtet werden, dass der komplette Wertebereich des Eingangswertes abgedeckt wird, da es sonst zu einem sprunghaften Verhalten im Ausgangswert kommen kann [LW02]. Fuzzy-Controller zur Ermittlung der momentanen Beanspruchung Dieser Controller des Typs BE für Beanspruchung eignet sich besonders für Komponenten des Objekt-Typs A, da er ein Regelwerk zur Beschreibung von UrsacheWirkungs-Zusammenhängen von Betriebsparametern sowie auftretenden Beanspruchungen enthält. Die Eingangsdaten sind somit Betriebs- und Prozessdaten. Der Ausgangswert für die Beanspruchung ergibt sich aus der gewichteten Schwerpunktberechnung der fünf definierten Beanspruchungsklassen die im Abschnitt 3.3.3 beschrieben wurden. Abb. 3.52 zeigt ein Beispiel eines Fuzzy-Controllers zur Feststellung der momentanen Beanspruchung einer Motorlagerung mit entsprechenden Eingangsgrößen.
Eingangsdaten
Ausgangsdaten Fuzzyfizierung
Drehzahl Auslastung Wicklungstemperatur Betriebsstunden letzte Schmierung Teppichwert Schwingung A-Seite Spitzenwert Schwingung A-Seite Teppichwert Schwingung B-Seite Spitzenwert Schwingung B-Seite
Defuzzyfizierung
Inferenz
Momentane Beanspruchung km
Abb. 3.52 Fuzzy-Controller zur Bestimmung der momentanen Beanspruchung einer Motorlagerung.
Fuzzy-Controller zur direkten Ermittlung des Abnutzungsvorrates Dieser Controller des Typs AV für Abnutzungsvorrat eignet zur alternativen Bestimmung des Abnutzungsvorrates von Komponenten des Objekt-Typs A und vor allem
186
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
für Komponenten des Objekt-Typs B. Er wird an seinen Eingängen mit Zustandsdaten gespeist und verarbeitet ein Regelwerk zur Beschreibung direkter UrsacheWirkungs-Zusammenhänge von diesen Zustandsdaten und dem aktuellen Abnutzungsvorrat. Der Ausgangswert für den Abnutzungsvorrat ergibt sich bei diesem Controller aus der gewichteten Schwerpunktberechnung der fünf definierten Abnutzungsvorratsklassen gemäß der im Abschnitt 3.3.3 vorgenommenen Festlegungen. Abb. 3.53 zeigt ein Beispiel für einen Fuzzy-Controller zur alternativen Feststellung des aktuellen Abnutzungsvorrates einer Motorlagerung. In diesem Fall werden zwar z.T. die gleichen Eingangsdaten über Schwingungen an den Lagern verwendet, jedoch geschieht dies in einem anderen Bewertungskontext. Bei der Bewertung von Beanspruchungen sind die Frequenzen und Amplituden der Schwingungen selbst Verursacher und wirken auf die Zustandsveränderung Motorlagerung, andererseits können sie als Ausdruck des momentanen Zustandes direkt interpretiert werden.
Eingangsdaten
Ausgangsdaten Fuzzyfizierung
Alter Betriebsstunden Teppichwert Schwingung A-Seite Spitzenwert Schwingung A-Seite Teppichwert Schwingung B-Seite Spitzenwert Schwingung B-Seite
Defuzzyfizierung
Inferenz
Aktueller Abnutzungsvorrat AV
Abb. 3.53 Fuzzy-Controller zur Bestimmung des Abnutzungsvorrates einer Motorlagerung.
Vereinfachter Fuzzy-Controller zur direkten Ermittlung des Abnutzungsvorrates Der vereinfachte Fuzzy-Controller des Typs LIN für linearen Verlauf wurde entwickelt, um den Abbau des Abnutzungsvorrates insbesondere von Komponenten des Objekt-Typs C mit einfachen Mitteln beschreiben zu können. Oftmals fließt in die Bewertung nur ein Eingabeparameter ein, z.B. Alter oder Betriebsstunden, sodass der Aufwand zur Fuzzyfizierung zu hoch werden würde. Er kann auch zur Bewertung von Komponenten der Objekt-Typen A und B verwendet werden, wenn für diese nur ein einziger Eingangsparameter identifiziert werden kann. In Abb. 3.54 ist ein derartig vereinfachter Fuzzy-Controller zur Feststellung des aktuellen Abnutzungsvorrates in einem Gehäuse dargestellt. Die Verarbeitungslogik verarbeitet hierbei die Erfahrung, dass mit zunehmendem Alter der Abnutzungsvorrat abnimmt. Einstellmöglichkeiten ergeben sich bei diesem Controller-Typ zusätzlich über die Form der Zugehörigkeitsfunktion am Ein- und am Ausgang.
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen Eingangsdaten
187
Ausgangsdaten Fuzzyfizierung Alter
Defuzzyfizierung
Inferenz
Aktueller Abnutzungsvorrat AV
Abb. 3.54 Fuzzy-Controller zur Bestimmung des Abnutzungsvorrates eines Gehäuses.
Aufbau der Wissensbasis Parallel zur Konfiguration der Fuzzy-Controller wird damit begonnen, den linguistischen Wissensspeicher je nach seinem Typ mit Verarbeitungsregeln zu befüllen. Die Wissensbasis besteht letztlich aus einer Auflistung von linguistischen Regeln, welche den Einfluss jedes Fuzzy-Terms einer Fuzzy-Variablen auf die Höhe der Beanspruchung bzw. des aktuellen Abnutzungsvorrates einer Komponente verbal beschreibt (vgl. Abb. 3.55).
Drehzahl
Beanspruchung
sehr gering gering mittel hoch sehr hoch
sehr gering gering mittel hoch sehr hoch
Auslastung
Beanspruchung
sehr gering gering mittel hoch sehr hoch
sehr gering gering mittel hoch sehr hoch
Wicklungstemperatur ...
Beanspruchung ...
Abb. 3.55 Beispiel für eine Vorlage zur Erfassung von Verarbeitungsregeln.
Die Erfassung dieser Regeln erfolgt in Form von Interviews mit Erfahrungsträgern über den Anlagenbetrieb und die Instandhaltung. Insbesondere sind Erfahrungen
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3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
der Servicebereiche des Anlagenherstellers von großer Bedeutung, da diese Experten aus ihren umfangreichen Erfahrungen bei der Inbetriebnahme und beim Betrieb anderer vergleichbarer Anlagen schöpfen können. Es ist an dieser Stelle sehr wichtig, die späteren Nutzer spätestens hier intensiv in die Erstellung des Regelwerks einzubeziehen, da hier die entscheidenden Weichen hinsichtlich der Qualität und der Akzeptanz der Bewertungsergebnisse gestellt werden. Hierbei hat es sich im praktischen Einsatz bewährt, einen bestimmten Satz an Verarbeitungsregeln vorzubereiten und dann in den Interviews zur Diskussion zu stellen. Damit kann das etwas umständliche Verfahren, dass zu jedem Fuzzy-Term einer Eingangsgröße wenigstens eine Verarbeitungsregel aufgestellt werden sollte, etwas verkürzt werden und darüber hinaus bleibt die Motivation der Erfahrungsträger mit ihrem in der Regel begrenzten Zeitkontingent für die Projektarbeit erhalten. An dieser Stelle ist die Vorbereitung von Fragebögen hilfreich, auf denen mittels Strichverbindungen die schnelle Zuordnung von Eingangs- und Ausgangsdaten vorgenommen werden kann. Die Erfassung sollte möglichst mit mehreren Fachexperten durchgeführt werden, um bewusst unterschiedliche Erfahrungen und Interpretationen einbeziehen zu können. Ein wesentlicher Vorteil der Fuzzy-Verarbeitung besteht darin, dass sowohl Regeln mehrfach, d.h. verstärkend erfasst und verarbeitet werden können, als auch konträre Regeln automatisch berücksichtigt werden. Letztlich wird aber keine Regel unwirksam, was zu einer hohen Akzeptanz der Bewertungsergebnisse nach Durchführung der Fuzzy-Verarbeitung führt. Die Ergebnisse der Befragungen zur Wissensbasis werden anschließend in ein Softwaresystem übertragen, mit dessen Hilfe die Konfiguration der Controller, die Einstellungen des Regelwerkes vorgenommen sowie das Verhalten der FuzzyVerarbeitung getestet werden kann. Im Einsatz hat sich dafür die Fuzzy-Toolbox des Softwaresystems MATLAB [Mat01a] bewährt (vgl. Abb. 3.56). Dieses Softwaresystem erlaubt neben der Parametrisierung der Fuzzy-Controller auch die Durchführung umfangreicher Tests bzgl. der Auswirkungen der Einstellungen, Formen der Fuzzy-Sets und der Verarbeitungsregeln mit einer grafischen Unterstützung. Die Speicherung der Fuzzy-Controller erfolgt komplett mit allen Definitionen, Einstellungen sowie dem Regelwerk in einfachen Textdateien (vgl. Abb. 3.57). Diese lassen sich unkompliziert auch außerhalb von MATLAB mit Texteditoren bearbeiten und in andere Softwaresysteme integrieren und dort weiterverarbeiten. Die Generierung und laufende Erweiterung der Wissensbasis beansprucht zzt. noch den größten Zeitaufwand bei der Anwendung der Methode (ca. 50 %). Hier werden in Zukunft Erkenntnisse des Forschungsbereiches Wissensmanagement zur Verkürzung des Zeitaufwandes beitragen. Mithilfe moderner Werkzeuge der Kommunikation und des Wissensmanagements wird es möglich sein, Wissen aus Aufzeichnungen, technischen Dokumenten und der Auswertung von Diskussionen in News-
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
189
Abb. 3.56 Sreenshot des Regeleditors der Fuzzy-Toolbox in MATLAB [Mat01a].
groups automatisch zu generieren. Ein möglicher Ansatzpunkt wird hierzu in der Gestaltung sog. Wiki’s gesehen, die von den Nutzern nicht nur gelesen, sondern auch mit eigenen Inhalten aus ihrem Erfahrungsschatz versehen werden können. Damit entsteht eine Wissenssammlung vergleichbar der Online-Enzyklopädie Wikipedia zu einem eingegrenzten Themenbereich und mit Regelungen der Zugriffsrechte. Erstellen der Parameterlisten Die Eingangsparameter aller Controller eines Bewertungsprojektes werden zu einer sog. sekundären Parameterliste zusammengefasst. Diese Liste umfasst alle unikalen Bezeichnungen von Eingangsdaten mit vergebenen Kurzbezeichnungen »Signalnamen« sowie ihre Zuordnung zu Komponenten. Zusätzlich werden Angaben über Wertebereiche und zulässige Grenzwerte zusammengestellt, die aus den Fuzzy-Sets der einzelnen Controller übernommen werden können. Ausgehend von dieser Liste wird anschließend die sog. primäre Parameterliste generiert. In dieser sind alle erforderlichen Betriebs- und Diagnosedaten enthalten, die von der Anlage oder von den IT-Systemen des Unternehmens bereitgestellt werden müssen, um die sekundären Daten abzuleiten. Die primäre Eingangsdatentabelle bildet somit die Schnittstelle für die Anbindung an Betriebsdatenerfassungsund Diagnosesysteme. Dabei können die Datenerfassungen online bspw. über die Anlagensteuerung, z.B. Profi-Bus oder CAN-Bus, oder über übergeordnete Steuerungssysteme, wie z.B. Mastersteuerungen oder Gebäudeleittechnik, erfolgen. Eine andere Möglichkeit besteht auch darin, die Eingangsdaten zyklisch offline mittels
190
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
[System] Name=’Motorlagerung_Motor_ZR315VSD_1’ Type=’sugeno’ Version=2.0 NumInputs=8 NumOutputs=1 NumRules=25 AndMethod=’prod’ OrMethod=’probor’ ImpMethod=’prod’ AggMethod=’sum’ DefuzzMethod=’wtaver’ [Input1] Name=’Drehzahl’ Range=[0 5000] NumMFs=5 MF1=’sehr_gering’:’trampmf’,[0 0 800 1000] MF2=’gering’:’trimf’,[800 1000 2430] MF3=’nenn’:’trimf’,[1000 2430 3000] MF4=’´hoch’:’trimf’,[2430 3000 3200] MF5=’sehr_hoch’:’trampmf’,[3000 3200 5000 5000]
Definitionsteil
Einstellungen der FuzzyVariablen Zugehörigkeitsfunktionen
… [Rules] 1 0 0 0 3 0 0 0 5 0 0 0 4 0 0 0 1 3 0 0 3 0 0 0 2 0 0 0 5 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0
0, 0, 0, 0, 1, 2, 2, 0,
1 3 4 5 2 3 2 4
(1) (1) (1) (1) (1) (1) (1) (1)
: : : : : : : :
2 2 2 2 2 2 2 2
Matrix der Verarbeitungsregeln
Abb. 3.57 Beispiel für die Speicherung von Fuzzy-Controllern in MATLAB [Mat01a].
spezieller Erfassungsmasken, z.B. mittels PDA, zu erfassen. Zwischen den beiden Listen mit den primären und sekundären Eingangsdaten können bei Bedarf noch Umrechnungsalgorithmen eingefügt werden, um so Eingangsdaten für die Fuzzy-Verarbeitung zu erhalten, die nicht unmittelbar gemessen oder abgelesen werden können. Die Notwendigkeit für solche Umrechnungen ergibt sich z.B. aus folgenden Gründen. Ein Eingangswert für die Bestimmung der Beanspruchung der Motorlagerung ist z.B. die zeitliche Auslastung, die sich aus dem Quotienten der Betriebs- zur vergangenen Kalenderzeit ergibt. Auch für die Bereitstellung der Information, wie viele Betriebsstunden eine Komponente im Einsatz ist, muss in der Regel eine Umrechnung erfolgen. Da die Betriebsstunden meist für eine komplette Anlage gezählt werden, muss ein logischer Zähler für die Komponente definiert werden. Dessen Zählerstand ergibt sich aus dem Stand des Betriebsstundenzählers der Anlage abzüglich des Zählerstandes, an dem die betreffende Komponente das letzte Mal ausgetauscht wurde. In diesem Zusammenhang muss auch geklärt werden, ob die zur Verfügung stehenden primären Eingangsdaten ausreichen, um alle Sekundärparameter zu generieren. Sollten sich hierbei Lücken zeigen, muss geklärt werden, ob die Nachrüstung entsprechender Sensoren oder Datenpunkte technisch und wirtschaftlich realisierbar ist
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
191
oder ob die Struktur der Fuzzy-Controller überarbeitet werden muss. Ergebnis dieses Schrittes sind letztendlich abgestimmte Parameterlisten. Erfassen von Instandhaltungsmaßnahmen und ihrer Eigenschaften Da der Verlauf des Verbrauchs von Abnutzungsvorräten in technischen Anlagen entscheidend durch Instandhaltungseingriffe beeinflusst werden kann, müssen bei der Vorbereitung der Bewertungen alle geplanten bzw. zu erwartenden Instandhaltungsmaßnahmen strukturiert erfasst werden. Komplexe Instandhaltungsmaßnahmen werden dabei in ihre einzelnen Leistungen zerlegt, die ihre Wirkungen jeweils auf den Abnutzungsvorrat bestimmter Komponenten entfalten. Für jede Maßnahme bzw. Leistung sind Beschreibungen zum Leistungsumfang und ihre auslösenden Ereignisse, die sog. Trigger zu erfassen. Dabei können Intervalle gemäß den Vorgaben oder Planungen verwendet werden, wie z.B. Kalenderzeit, Betriebsstunden, Anzahl der Hübe, usw. Zusätzlich sind die Grenzen des Funktionserfüllungsvermögens der Komponenten festzulegen, d.h. die minimalen Abnutzungsvorräte, die bei der konsequenten Anwendung einer zustandsabhängigen Instandhaltungsstrategie nicht unterschritten werden sollen (vgl. Abb. 3.58).
Objekt
Antriebsmotor
überholen austauschen
Motorlager. schmieren
Kupplung
Wirkung
Leistung
Trigger
Wirkung Preis
Ja Ja
3
Verschl.t. Aust. Ja austauschen Ja
95 100
Zeit Betriebsstund. Mindestzust. 5a 6a
50.000 50.000
15 15
30 0,25 h 3 m
2.000
15
16.000 16.000
15 15
95 4.000 100 20.000
Ja
Dauer
500 600
8d 1d
1h 1h
1a 2a
Abb. 3.58 Aufstellung über Instandhaltungsmaßnahmen.
Im nächsten Schritt sind weitere Eigenschaften zu den Instandhaltungsleistungen zu erfassen. Dazu zählen die Wirkung, die Dauer für ihre Durchführung sowie die zu erwartenden Kosten. Während die Erfassung der beiden letztgenannten Eigenschaften in der Regel unkompliziert ist, gestaltet sich das bei der Festlegung der Wirkung schwieriger. Darauf wurde bereits im Abschnitt 3.3.3 hingewiesen. Besonders wichtig ist es, für jede Instandhaltungsleistung festzulegen, ob entweder eine zu erwartende Wirkung bezogen auf den Neuzustand oder eine prozentuale
192
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Steigerung bezogen auf den aktuellen Abnutzungsvorrat vorliegt. Für Austauschleistungen sind diese Festlegungen relativ einfach zu treffen, die Wirkungen betragen in der Regel 100 %, wenn Komponenten durch gleichwertige Neuteile ersetzt werden. Bei allen anderen Leistungen muss zunächst auf Erfahrungen aus dem Anlagenbetrieb, aus der Instandhaltung bzw. aus der Konstruktion der Anlage zurückgegriffen werden. Ergebnis dieses Schrittes ist eine abgestimmte Liste mit Instandhaltungsleistungen und ihren Eigenschaften. Organisation der laufenden Erfassung von Eingangsdaten Als letzter Schritt vor dem Beginn der eigentlichen Bewertungen zum Abnutzungsvorrat ist zu organisieren, wie in regelmäßigen Abständen die erforderlichen primären Eingangsdaten für das Bewertungsmodell bereitgestellt werden können. Zweckmäßig ist hierfür die Gestaltung einer Schnittstelle für eine automatische Datenübernahme aus Betriebsdatenerfassungs-, Diagnose- und Instandhaltungs-Planungsund -Steuerungssystemen (IPS) oder Systemen der Gebäudeleittechnik, die selbst Protokolldateien erzeugen. Für alle Eingangsdaten, deren automatische Erfassung technisch nicht machbar bzw. wirtschaftlich nicht zu vertreten ist, muss eine Möglichkeit zur Offline-Datenerfassung über Formblätter, Erfassungsmasken ggf. mit Unterstützung durch den Einsatz mobiler Endgeräte (PDA) geschaffen werden. Außerdem sind Festlegungen zum Zyklus der Datenerfassung zu treffen. Da die ablaufenden Prozesse bei der Zustandsveränderung durch Abnutzung oder Alterung bei mechanischen Baugruppen meist sehr langsam ablaufen, ist oftmals eine zeitliche Auflösung der per Hand erfassten Eingangsdaten von einem Tag bzw. einer Woche als ausreichend anzusehen, um den Abbau von Abnutzungsvorräten hinreichend genau zu beschreiben. Dadurch, dass die zeitliche Auflösung der Datenerfassung einen unmittelbaren Einfluss auf den Speicher- und Rechenaufwand bei der Durchführung der Bewertungen ausübt, muss hier ein Kompromiss aus technisch machbaren Datenerfassungen und der Reaktion auf Veränderungen der Bewertungsergebnisse gefunden werden. Durchführung laufender Bewertungen Die Komplexität technischer Anlagen und die Menge der zu verarbeitenden Betriebsund Zustandsdaten machen den Einsatz von geeigneten Softwarewerkzeugen notwendig. Da die angewendete Methode zur Bestimmung von Abnutzungsvorräten über die erfahrungsbasierte Bewertung auftretender Beanspruchungen neuartig ist, kann gegenwärtig auf keine im Instandhaltungsbereich verfügbaren StandardSoftwarewerkzeuge zurückgegriffen werden. Im Rahmen von Forschungsarbeiten wurde am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF Magdeburg für diesen Zweck ein webbasiertes, daten-
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
193
bankgestütztes Softwaresystem mit dem Namen Statelogger entwickelt. Validierung der Bewertungsergebnisse Eine Validierung der Ergebnisse zur Bestimmung von Abnutzungsvorräten ist mit zwei Verfahren möglich. Das erste Verfahren beruht auf der Möglichkeit, eine alternative Bewertung des Abnutzungsvorrates über zusätzliche Fuzzy-Controller mit einem separaten Regelwerk vorzunehmen. Damit lässt sich quasi ein Vier-Augen-Prinzip aufbauen, basierend auf weitgehend unabhängigen Meinungen über den Verlauf von Zustandsveränderungen. Dazu werden vor allem für die Komponenten der Objekt-Typen A und B jeweils zusätzliche Fuzzy-Controller definiert und parametrisiert. Durch den direkten Vergleich beider Bewertungsergebnisse lassen sich so die Einstellungen der FuzzySets der Eingangsparameter sowie die Regelwerke ständig verfeinern und aneinander anpassen. Idealerweise müssten nach einer gewissen Lernphase beide FuzzyController das gleiche Bewertungsergebnis ausgeben. Danach kann eine Entscheidung darüber getroffen werden, mit welchem Fuzzy-Controller in Zukunft weiter gearbeitet werden soll. Damit lässt sich der Umfang der zu erfassenden und zu verarbeitenden Eingangsdaten reduzieren, ohne die Qualität der Bewertungen zu verschlechtern. So werden bspw. für das Beispiel der Bewertung einer Motorlagerung die beschriebenen Fuzzy-Controller gleichzeitig betrieben, um somit eine Validierung vorzunehmen. Das zweite Verfahren zur Validierung beruht auf einer regelmäßigen, unabhängigen Einschätzung des aktuellen Zustandes von Komponenten durch Fachexperten des Anlagenbetreibers oder durch Servicemitarbeiter des Anlagenherstellers. Im Rahmen geplanter Instandhaltungsmaßnahmen wird im Vorfeld abgestimmt, welche Komponenten gezielt zu untersuchen sind und nach welchen Kriterien eine Bewertung vorgenommen werden soll. Wichtig ist hierbei, dass der dazu eingesetzte Fachexperte nicht die aktuellen Bewertungsergebnisse nach der beschriebenen Methode kennt, sondern seine Einschätzung unabhängig und unbefangen abgeben kann. In der praktischen Realisierung sieht das so aus, dass ein Servicetechniker oder ein firmeninterner Instandhalter gebeten wird, den Zustand vorgegebener Komponenten prozentual auf einem einfachen Fragebogen durch Ankreuzen anzugeben (vgl. Abb. 3.59). Die Einschätzungen werden dann mit den Bewertungsergebnissen verglichen. Anschließend werden ggf. entsprechende Maßnahmen zur Anpassung des Modells eingeleitet, die sich prinzipiell auf fast alle der beschriebenen Schritte auswirken können. Eine wichtige Stellgröße ist die Angabe zur zu erwartenden Lebensdauer einer Komponente unter Nenn-Betriebsbedingungen, die in die Berechnung des systemimmanenten Abnutzungsvorrates als Bezugsgröße einfließt. Bei zu pessimistischen
194
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Zustandseinschätzung Objekt: Kompressor Standort: sehr gut
Zeitpunkt: 31.03.2004 10:00 Uhr sehr schlecht
Motor
1
2
3
4
5
6
Kupplung
1
2
3
4
5
6
Getriebe
1
2
3
4
5
6
ND-Stufe
1
2
3
4
5
6
HD-Stufe
1
2
3
4
5
6
…
1
2
3
4
5
6
Abb. 3.59 Beispiel eines Bewertungsbogens für Servicetechniker.
Bewertungsergebnissen kann dieser Wert in Abstimmung mit allen am Prozess Beteiligten schrittweise nach oben korrigiert werden. Damit können auch Erfahrungen über Lebensdauerangaben im eigenen Umfeld im Vergleich zu Herstellerangaben gesammelt werden. Eine andere Korrekturmöglichkeit betrifft das Fuzzy-System selbst. Hierbei werden die Regeln als konstant und richtig angenommen, weil sie von den Experten selbst formuliert wurden und damit keine anderen Meinungen existieren. Die Beanspruchungsklassen werden einheitlich festgelegt, es werden daran keine Korrekturen vorgenommen. Damit ist eine vergleichbare Bewertung für jede Anlage gegeben. Eine Optimierung des Fuzzy-Expertensystems erfolgt an der Fuzzyfizierungsstufe (vgl. Abb. 3.60), d.h. am Eingang durch Verändern der Form und Lage der Zugehörigkeitsfunktionen der Fuzzy-Terme. Damit wird der Fehler quasi auf die Eingänge zurückgeführt (Back-Propagation). In wöchentlichen Teambesprechungen werden die Bewertungsergebnisse publiziert und mit den eigenen Erkenntnissen/Erfahrungen der Teammitglieder verglichen. Bei festgestellten Abweichungen wird gemeinschaftlich entschieden, welche Veränderungen bzw. Ergänzungen an den Einstellungen und Regelwerken der FuzzyController vorgenommen werden sollen. Damit wird eine hohe Akzeptanz der Methodik im Projektteam erreicht (vgl. Abb. 3.61). Eine sensible Eingangsgröße der Methode ist die Bestimmung des systemimmanenten Abnutzungsvorrates AVnom als Ausgangspunkt dessen, was über der Nutzungszeit verbraucht werden kann. An dieser Stelle sind die Angaben der Fachexperten zur zu erwartenden Lebensdauer unter Nenn-Betriebsbedingungen meist nicht einheitlich, sondern als diskrete Zufallsvariable zu betrachten, d.h., dass es in der Mehrzahl der Fälle eine endliche Anzahl von unterschiedlichen Aussagen zur Lebensdauer geben wird. In diesem kann die Nenn-Lebensdauer nicht mehr als konstanter
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen Betriebsstunden [h] 30.000
195
sehr hoch
Eingangsdaten hoch Experte
+ –
mittel_neu mittel_alt
Absoluter Fehler
gering Fuzzy-Logik sehr gering 0
1
Ist-Verlauf
gelb
Soll-Verlauf
grün
100
letzter Bewertungszeitpunkt
rot
Abnutzungsvorrat AV [%]
Abb. 3.60 Prinzip der Fehlerkorrektur an einer Fuzzy-Variablen.
0 Nutzungszeit t [h]
Abb. 3.61 Visualisierung der Historie des Verbrauchs an Abnutzungsvorrat.
Wert oder Mittelwert angegeben werden und in die Berechnung des systemimmanenten Abnutzungsvorrates eingehen. Vielmehr muss der Erwartungswert der diskreten Zufallsvariable Nenn-Lebensdauer eingesetzt werden. Damit ergibt sich auch der systemimmanente Abnutzungsvorrat als diskrete Zufallsgröße mit einem Erwartungswert, Varianz und Standardabweichung. Im Ergebnis liegt dann auch jede Bewertung des aktuellen und prognostizierten Abnutzungsvorrates als Erwartungswert mit einem Vertrauensbereich vor.
196
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
3.3.5 Auswahl von Instandhaltungsleistungen Aus dem Verlauf des Verbrauchs an Abnutzungsvorrat ergibt sich der Bedarf an Instandhaltungsleistungen. Für die Instandhaltung ist es wichtig, welche Maßnahmen, z.B. zu erwartende Austauschmaßnahmen, in Abhängigkeit von der Anlagennutzung fällig werden, um damit eine verbesserte Planbarkeit zu erreichen. Um Instandhaltungsleistungen berücksichtigen zu können, müssen sie zunächst mit ihren Eigenschaften erfasst werden. Besonders wichtig sind dabei die Trigger, die zur Auslösung einer Leistung führen, wie z.B. Zeit, Betriebsstunden oder Zustand. Entsprechend der Instandhaltungsstrategie müssen die Trigger ausgewählt werden. Eine konsequente zustandsabhängige Instandhaltung sollte hierbei im Idealfall nur den Trigger-Zustand verwenden. Möglich sind auch Kombinationen nach dem Verfahren, dass das Ereignis, welches zuerst eintritt, die Auslösung bestimmt. Hiermit lässt sich absichern, dass bspw. auch wenig beanspruchte Komponenten mit geringer Laufleistung wenigstens ein Mal im Jahr inspiziert werden, auch um die Ergebnisse des Bewertungsmodells mit den realen Zuständen abzugleichen. Jede Instandhaltungsleistung wird darüber hinaus neben ihrer inhaltlichen Beschreibung auch über die Eigenschaften Preis, Wirkung und Dauer parametrisiert. In der Entscheidungssituation, eine Einschätzung zum Instandhaltungsbedarf durchzuführen, konkurrieren diese Eigenschaften und fließen jeweils mit unterschiedlicher Bedeutung ein. Bei engen finanziellen Spielräumen der Instandhaltung können bspw. am Ende eines Geschäftsjahres oftmals nur kostengünstige Leistungen erbracht werden, um das vereinbarte Budget nicht zu überschreiten. Natürlich kann man von solchen Leistungen in der Regel nicht die gleiche Wirkung erwarten wie von teuren und nachhaltig wirkenden Maßnahmen. Andererseits erfordern nachhaltige Maßnahmen zum Erreichen eines nächsten geplanten Anlagenstillstands den Einsatz entsprechender finanzieller Mittel. Für die Auswahl muss der Anwender festlegen, wie er die Bedeutung der drei Eigenschaften für den Prognosezeitraum einschätzt. Das kann im einfachsten Fall derart geschehen, in dem er eine Wichtung vornimmt, die wie folgt aussehen kann: • Eigenschaft »Maximale Wirkung«: unwichtig = 0 % bis sehr wichtig = 100 % • Eigenschaft »Minimaler Preis«: unwichtig = 0 % bis sehr wichtig = 100 % • Eigenschaft »Minimale Zeitdauer«: unwichtig = 0 % bis sehr wichtig = 100 % Auf einer Skala von 0 bis 100 % wird ein Wichtungsfaktor für jede Eigenschaft eingestellt, wobei die Summe aller drei Faktoren immer 100 % ergeben muss. Damit ergibt sich ein spezielles Anforderungsprofil an die zu generierenden Leistungen. Während des Laufes der Auswahl werden in Abhängigkeit von den Einstellwerten Vorschläge für Instandhaltungsleistungen aus dem vorliegenden Leistungskatalog ausgewählt. Das dazu angewendete Verfahren ist eine einfache NutzwertAnalyse. In einem dreidimensionalen Koordinatensystem wird die Leistung gesucht, deren Eigenschaften am nächsten zum festgelegten Anforderungsprofil liegen. Dazu wird der sog. euklidische Abstand über alle Koordinaten berechnet. Abb. 3.62 zeigt das Zuordnungsverfahren in einer vereinfachten Dreiecksdarstellung.
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
197
100 %
Anforderungsprofil an die Leistung Profil im Leistungskatalog
0%
Min
Preis
0%
r ue Da Wi rku
ng
100 % 0%
100 %
Abb. 3.62 Auswahl von Instandhaltungsleistungen.
3.3.6 Prozess der Entscheidungsunterstützung Die Anwendung der beschriebenen Methode stellt eine Ergänzung von typischen Monitoring-Systemen durch die Interpretation der Auswirkungen verschiedener Einflussfaktoren auf den Anlagenzustand dar. In der ersten Stufe stehen aktuelle und komprimierte Informationen über den vorhandenen Abnutzungsvorrat von Komponenten und Anlagen zur Verfügung. Um daraus Handlungsempfehlungen für den Anlagenbetrieb und die Instandhaltung ableiten zu können, ist es erforderlich, diese Bewertungen im Instandhaltungsbereich in einen kontinuierlichen Prozess zur Entscheidungsunterstützung und zum Lernen des Anlagenverhaltens zu integrieren. Oftmals ist eine direkte Ankopplung an andere Prozesse zur kontinuierlichen Verbesserung der Instandhaltung, z.B. durch KVP- und TPM-Prozesse, sinnvoll, um hier unterstützend zu wirken (vgl. Abb. 3.63). Dieser Prozess verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele. Das erste Ziel besteht darin, aus den Bewertungsergebnissen unter Berücksichtigung der Historie und von Prognosen zur Anlagennutzung und den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln entsprechende Aktivitäten für den Betrieb und/oder die Instandhaltung abzuleiten und durchzuführen. Das Ziel des Einsatzes der Bewertungsmethode ist es nicht, automatisch Aktionen im Betrieb oder in der Instandhaltung auszulösen. Dazu sind zum einen die Unsicherheiten in der Bewertung zu
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3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Maßnahmen und Dokumente – Betrieb – Instandhaltung
Bewertungsergebnisse Betriebshistorie Instandhaltungshistorie Prognosen Bedarf, Kosten Expertenmeinungen Anlage
Anpassung des Anlagenmodells
Abb. 3.63 Prozess der Entscheidungsunterstützung.
groß und zum anderen stehen dem rechtliche Aspekte entgegen. Letztlich liegt die Verantwortung für getroffene Entscheidungen und durchgeführte Maßnahmen immer noch bei den handelnden Personen. Die Methode liefert einen Beitrag dazu, diese Entscheidungen zu unterstützen und einen Konsens aller beteiligten Partner zu finden. Im Ergebnis werden begründbare Entscheidungen herbeigeführt, die von allen akzeptiert werden. Das wird dadurch erreicht, dass alle Partner über den gleichen objektivierten Informationsstand verfügen. Konsequenzen aus den getroffenen Entscheidungen werden dann in den weiteren Bewertungen, z.T. auch erst mittelund langfristig, sichtbar. Das zweite Ziel besteht darin, das Bewertungsmodell ständig zu vervollkommnen, in dem neue Erfahrungen in die Wissensbasis eingebracht werden, neue Einflussfaktoren aufgedeckt oder Veränderungen an der Bewertungslogik vorgenommen werden. Die Ergebnisse des Lernprozesses werden letztlich in der Wissensbasis dokumentiert, damit das Anlagen-Know-how generiert und dauerhaft bewahrt wird.
3.3.7 Anwendungspotenzial der Bewertungsmethode Die Anwendungspotentiale der zuvor eingeführten Methodiken sind sehr vielfälltig. Daher sollen im Folgenden nur ausgewählte Beispiele zusammengefasst werden. Identifizieren von kritischen Komponenten Als erstes Ergebnis stehen die aktuellen Abnutzungsvorräte aller Bauteile, Komponenten aggregiert bis zur Anlagenebene zur Verfügung. Durch das Festlegen von Warn- und Alarmgrenzen lassen sich kritische Komponenten selbst in komplexen
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
199
Anlagen schnell identifizieren. Kritische Komponenten sind in dieser Betrachtung immer diejenigen mit dem geringsten Abnutzungsvorrat, d.h. deren Funktionserfüllungsvermögen am geringsten bzw. deren Ausfallwahrscheinlichkeit am höchsten liegt. Über eine Ampeldarstellung entsprechend den festgelegten Grenzen lässt sich am einfachsten der Zustand aller Komponenten in der Anlagenstruktur visualisieren. Bei komplexen Anlagen sollte darauf geachtet werden, dass eine Vererbung der Bewertungsergebnisse in der Visualisierung angewendet wird. Bewährt hat sich dabei, dass eine übergeordnete Komponente immer die Farbe rot, gelb oder grün annimmt, die der einer Unterkomponente mit dem geringsten Abnutzungsvorrat entspricht. Durch dieses Vorgehen kann es in Anlagenstrukturen nicht geschehen, dass kritische Komponenten am Ende der Anlagenstruktur übersehen werden. Für eine als kritisch eingeschätzte Komponente können anschließend alle Eingangsparameter und das hinterlegte Regelwerk der Bewertungslogik zur Verifikation der Bewertung herangezogen werden, d.h., es erfolgt eine Überprüfung, ob die Bewertung korrekt ist [Bal98]. Am einfachsten ist das auch hier durch den Einsatz geeigneter Softwarewerkzeuge möglich, wie z.B. durch die Fuzzy-Toolbox des Softwaresystems MATLAB. Diese verfügen über leistungsfähige grafische Unterstützungsfunktionen, mit denen dieser Nachweis geführt werden kann (vgl. Abb. 3.64). Nach einer Prüfung der Bewertung ist eine Entscheidung hinsichtlich auszuführender Instandhaltungsmaßnahmen herbeizuführen. Zu Beginn der Einführung der Methode ist zunächst die Durchführung einer Inspektion angezeigt, um den tatsächlichen Zustand festzustellen und das Bewertungsmodell, die Einstellung der Controller und der Wissensbasis, zu überprüfen. Danach kann über den Austausch oder Nicht-Austausch der Komponenten entschieden werden und ggf. das Modell angepasst werden. Mit zunehmender Nutzungsdauer setzt eine Lernphase mit dem Ergebnis einer verbesserten Wissensbasis ein. Dann kann ggf. auf die Inspektion verzichtet werden, wenn die Bewertungsergebnisse gut mit den Ergebnissen der manuellen Inspektion korrelieren. Beeinflussung des zeitlichen Verlaufes von Zustandsveränderungen Aus einer Darstellung der Bewertungsergebnisse über den Bewertungszeitpunkten lassen sich Aussagen über den Verlauf und die Geschwindigkeit des Verbrauchs an Abnutzungsvorrat ableiten (vgl. Abb. 3.65). Die beim Anlagenbetrieb ablaufenden komplexen physikalischen und chemischen Prozesse mit ihren Auswirkungen auf die Beanspruchungen und den Abbau des Abnutzungsvorrates werden in dieser Darstellung sichtbar. Diese hohe Komplexität von Einflussfaktoren ist dem Betreiber bzw. Instandhalter meist nicht bekannt. Es ist daher möglich, dass eine technische Anlage hohen Beanspruchungen ausgesetzt wird, obwohl alle Betriebsparameter für sich betrachtet, keine Auffälligkeiten oder Grenzwertüberschreitungen zeigen. Durch das Zusammenspiel von Betriebspara-
200
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Regel 1...n
Parameter 1...n
Zielfunktion
grün
100
gelb
Soll-Verlauf
Ist-Verlauf
0
letzter Bewertungszeitpunkt
rot
Abnutzungsvorrat AV [%]
Abb. 3.64 Visualisierung der Wirkung von Eingangsparametern und Verarbeitungsregeln auf das Bewertungsergebnis in MATLAB [Mat01a].
Nutzungszeit t [h]
Abb. 3.65 Vereinfachte Darstellung der Historie des Abbaus an Abnutzungsvorrat.
metern auch in Kombination mit der vergangenen Nutzungsdauer, dem Alter und der Instandhaltungshistorie kann es dennoch zu Überbeanspruchungen bzw. starken Veränderungen des Abnutzungsvorrates kommen. In Abb. 3.66 sind solche Bereiche vereinfacht dargestellt. Die Darstellung zeigt den Zuwachs des verbrauchten Anteils an Abnutzungsvorrat Vsum , der gegen den systemimmanenten Abnutzungsvorrat AVnom strebt. In den ersten beiden Bewertungsbereichen herrschten offenbar Überbeanspruchungen, die zu einem höheren Verbrauch an Abnutzungsvorrat im Vergleich zu einem ursprünglich angenommenen
3.3 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten technischer Anlagen
201
führten. In dem darauf folgenden Bereich waren die Beanspruchungen geringer als die Nenn-Beanspruchung, wodurch der Trend zum schnellen Verbrauch wieder gebrochen wurde. In dieser Stelle muss einschränkend gesagt werden, dass dies natürlich nur dann anzunehmen ist, wenn die davor liegenden Überbeanspruchungen immer noch im Bereich der Dauerfestigkeit der Komponente liegen. Extreme Überbeanspruchungen führen zu irreversiblen Schädigungen, die sich auch nicht mehr durch schonende Benutzung kompensieren lassen. Im Modell wird das dadurch berücksichtigt, dass für die maximal ertragbare Beanspruchung im Dauerfestigkeitsbereich eine Grenze von z.B. 200 % vorgegeben wird.
Verbrauch an Abnutzungsvorrat Vsum [-] AVnom
Um die Zusammenhänge näher zu untersuchen, werden zunächst komplette Eingangsparametersätze eines Betriebszeitintervalls an die definierten Fuzzy-Controller angelegt und verarbeitet. Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt beschrieben, unterstützt die Methode das Erkennen, welcher Parameter in welcher Kombination mit anderen über welche Verarbeitungsregel welchen Einfluss auf die Beanspruchung ausübt. Auf diesem Weg lassen sich auch die Ursachen für Überbeanspruchungen herausfinden.
Ist-Verlauf
Soll-Verlauf
0 Nutzungszeit t [h]
Intervalle mit Überbeanspruchung
Abb. 3.66 Zeitlicher Verlauf des Verbrauchs an Abnutzungsvorrat.
Als Reaktion auf die Bewertung sind zwei Einflussmöglichkeiten gegeben. Die erste bezieht sich auf den Anlagenbetrieb. Durch eine Veränderung des Betriebsregimes können gezielt Überbeanspruchungen vermieden werden. Dazu werden mögliche und vor allem auch beeinflussbare Parameter an den Eingängen der FuzzyController angelegt und die resultierende Beanspruchung ermittelt. Die Parameter werden so lange variiert, bis eine akzeptierte Grenz-Beanspruchung nicht mehr überschritten wird. Anschließend werden die ermittelten Parameter mit dem Betreiber bezüglich ihrer Umsetzbarkeit abgestimmt. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass durch eine Optimierung des Anlagenbetriebs Schädigungsprozesse verlangsamt werden können und damit Eingriffe der Instandhaltung reduziert werden können. Natürlich ist dieses Vorgehen nur dann möglich, wenn die Veränderung der Pa-
202
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
rameter die Leistungsfähigkeit der Anlage nicht einschränkt und die Erreichung der Produktionsziele, wie Menge, Termine, Qualität usw., nicht gefährdet ist. Um hier eine Abwägung durchführen zu können, ist ein Vergleich der möglichen »Produktionsverluste« und der eingesparten Kosten für eine Instandhaltung erforderlich. Es kann durchaus zweckmäßig sein, eine Anlage schonender zu betreiben, als schnelle Schädigungsprozesse und Wertverluste hinzunehmen. Wenn die Option der Beeinflussung der Betriebsparameter nicht besteht, dann sind Entscheidungen bezüglich durchzuführender Instandhaltungsmaßnahmen zu treffen. Dabei gelten zunächst die gleichen Randbedingungen, wie sie im vorangegangenen Abschnitt bezüglich der Lernphase des Bewertungssystems getroffen wurden.
grün
100
gelb
Soll-Verlauf
Ist-Verlauf letzter Bewertungszeitpunkt
rot
Abnutzungsvorrat AV [%]
Überprüfung von Instandhaltungsmaßnahmen Werden innerhalb des Bewertungszeitraums Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt, müssen diese dokumentiert werden. Ihre Wirkungen und Zeitpunkte werden in der Bewertungshistorie durch sprunghafte Verbesserungen des Abnutzungsvorrates sichtbar (vgl. Abb. 3.67).
0 Nutzungszeit t [h]
Abb. 3.67 Historie des Abbaus an Abnutzungsvorrat mit protokollierten Instandhaltungseingriffen.
Aus einem Vergleich mit dem erwarteten Soll-Verlauf lassen sich Einschätzungen treffen, ob mit den durchgeführten Maßnahmen der gewünschte Effekt erzielt wurde, d.h., ob der Ist-Zustand dem erwarteten Soll-Zustand entspricht. Soll-/Ist-Vergleiche zum Anlagenzustand Die vergleichenden Betrachtungen lassen sich dahingehend erweitern, dass die erwarteten Soll-Verläufe detaillierter ausgearbeitet werden. So können saisonale Schwankungen der Produktion, d.h. Zeiten erwarteter Über-, Nenn- und Unterbeanspruchungen, sowie geplante Instandhaltungsmaßnahmen als Vorgaben hinterlegt werden (vgl. Abb. 3.68).
203
grün
100
gelb
Soll-Verlauf
Ist-Verlauf letzter Bewertungszeitpunkt
rot
Abnutzungsvorrat AV [%]
3.4 Prognose des Verbrauchs an Abnutzungsvorrat
0 Nutzungszeit t [h]
Abb. 3.68 Historie des Verbrauchs an Abnutzungsvorrat mit erweiterten Soll-Vorgaben.
Diese Vorgaben können in Zielvereinbarungen mit dem Betreiber und der Instandhaltung münden, z.B., dass der vorhandene Abnutzungsvorrat immer gleich bzw. größer dem vereinbarten Wert liegen muss, um einen sicheren und wirtschaftlichen Anlagenbetrieb zu gewährleisten. Entsprechende Bonus-Malus-Regelungen können auch in die Vertragsgestaltung mit Instandhaltungsdienstleistern aufgenommen werden. Zur Bewertung der Leistungen der Instandhaltung liefert die Kenngröße Abnutzungsvorrat ein objektives Kriterium. Ermittlung des Instandhaltungsbedarfs In den vorangegangenen Abschnitten wurden Einsatzmöglichkeiten der Methode bei der Bewertung des aktuellen Abnutzungsvorrates und dessen historischen Verlaufs aufgezeigt. Eine wichtige Eingangsgröße für die Gestaltung einer aktiv agierenden zustandsabhängigen Instandhaltungsstrategie ist die Möglichkeit zur Prognose der Zustandsveränderungen und der Ableitung von Aussagen zur zu erwartenden Restnutzungsdauer. Diese bilden die Grundlage für die Festlegung der Zeitpunkte und des Leistungsumfangs der zukünftigen Wartungs-, Inspektions- und Instandsetzungsintervalle.
3.4 Prognose des Verbrauchs an Abnutzungsvorrat Allgemein versteht man unter einer Prognose die Vorhersage eines Ereignisses, Zustandes bzw. einer Entwicklung, in diesem Fall des zu erwartenden Abnutzungsvorrates während der weiteren Nutzungsdauer einer technischen Anlage. Eine Prognose gründet sich auf der Entdeckung von Gesetzmäßigkeiten in der Vergangenheit, deren Anwendung zur Analyse der aktuellen Situation führen soll. Deshalb sind im ersten Schritt die Kriterien bzw. die Systemparameter zu definieren, welche die zu prognostizierende Größe beeinflussen. Anschließend werden die existierenden Zeitreihen der zu prognostizierenden Größe und der Prognosekriteri-
204
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
en anhand der gefundenen Gesetzmäßigkeiten zur Vorhersage an einem zukünftigen Zeitpunkt verwendet. Mathematisch betrachtet, gehört diese Aufgabe zu den häufigsten Problemen, vor denen Experten verschiedener Bereiche stehen. Sie beinhaltet die Modellierung eines Objektes mittels Eingangs-Ausgangs-Datensätzen bzw. Eingangs-AusgangsZeitreihen und die Voraussage des zukünftigen Objektverhaltens auf der Basis von Informationen aus seiner Vergangenheit und über seinen aktuellen Zustand (vgl. Abb. 3.69) [Dal98].
Eingangsdatenmenge
Untersuchungsobjekt
Ausgangsdatenmenge
Approximator
Prognose
Abb. 3.69 Schematische Darstellung eines Prognosesystems.
Bei der verwendeten Methode dient als Approximator wiederum das gleiche Fuzzy-Regel-System, das für die Bestimmung des aktuellen Abnutzungsvorrates eingesetzt wird. Dabei wird die Eigenschaft von Fuzzy-Systemen ausgenutzt, dass sich damit fast jedes beliebige Input-Output-Problem durch Fuzzy-Regeln annähern lässt [BH93]. Das bedeutet, dass für die Konfiguration des Prognosesystems keine weiteren Aufwände entstehen. Wichtig ist nur, dass für die Berechnung der Prognose, z.B. zukünftige Beanspruchungen und Abnutzungsvorräte, entsprechende linguistische Verarbeitungsregeln hinterlegt sind, welche bspw. die Einflüsse des zunehmenden Alters bzw. der anwachsenden Betriebsstunden ausreichend berücksichtigen. Eventuell sind auch zusätzliche Einflussfaktoren zu berücksichtigen, die erst ab einem bestimmten Alter der Anlage auf den Abnutzungsvorrat wirken. Diese Regeln werden dann erst ab einem bestimmten Alter der Anlage automatisch über die Fuzzy-Logik aktiviert. Die Genauigkeit der Prognosen hängt unmittelbar vom Vorhandensein und der Anzahl solcher Regeln in Ergänzung zu den Regeln ab, die über die gesamte Nutzungsdauer gelten sollen. Hier kommt es darauf an, möglichst viele Erfahrungsträger zur Generierung dieser Regeln heranzuziehen, um ein möglichst langes Nutzungsintervall der Anlage mit Erfahrungswissen abdecken zu können. Auch hier kommt ein Vorteil der offenen Gestaltung des Bewertungssystems zum Tragen. Das Regelwerk kann so laufend ergänzt und angepasst werden, wodurch sich auch gleichzeitig die Grundlagen der Prognose verbessern.
3.4 Prognose des Verbrauchs an Abnutzungsvorrat
205
3.4.1 Eingangsgrößen für Prognosen Als Eingangsgrößen für die Prognosen dienen die zukünftig zu erwartenden Betriebsparameter. Hierbei ist es möglich, verschiedene Betriebsregime hinsichtlich ihrer Auswirkungen zu testen. Die Parameter können für die Prognose unterschiedlich eingestellt werden: • Einstellung von Nenn-Betriebsparametern, • Einstellung von Grenzwerten (Minimum, Maximum), d.h. minimale oder maximale Beanspruchung der Komponenten, • freie Einstellung der Parameter, hierbei müssen allerdings die bestehenden Abhängigkeiten der Parameter untereinander berücksichtigt werden, um unreale Betriebszustände auszuschließen, • Anwendung der Durchschnittswerte aus der Anlagenhistorie, Übernahme von repräsentativen Betriebszeitintervallen, z.B. Wochen- oder Monatsmittelwerte, für die Prognose. Außerdem sind fest eingeplante, bspw. aus produktionstechnischen oder gesetzlichen Gründen, nicht verschiebbare Instandhaltungsmaßnahmen als Eingangsgrößen einzustellen. Dazu gehören z.B. gesetzlich vorgeschriebene wiederkehrende Prüfungen oder geplante Produktionsunterbrechungen in Werksferien, die als Zeitfenster für Instandhaltungsmaßnahmen genutzt werden müssen, weil sonst keine Zugänglichkeit zu bestimmten Anlagenkomponenten gegeben ist. Zusätzlich ist noch ein Abbruchkriterium für die Prognose anzugeben. In der Regel wird das ein Prognosezeitraum sein. Möglich ist aber auch, die Prognose dann zu beenden, wenn der Abnutzungsvorrat einer Komponente, deren Austausch technisch nicht machbar bzw. wirtschaftlich nicht vertretbar ist, einen Mindestwert unterschreitet.
3.4.2 Nutzungsmöglichkeiten von Prognosen Prognosen liefern einen zeitlichen Verlauf des zu erwartenden Verlaufs des Abbaus an Abnutzungsvorräten, d.h., es entsteht eine Zeitreihe mit den zukünftigen Abnutzungsvorräten für jede einzelne Komponente der Anlage. Die während des Prognoselaufs generierten Instandhaltungsleistungen werden in einer Liste mit Zeitstempel und Leistungskennzeichen, wie Identnummer und Beschreibung, gesammelt und ausgegeben. Die Darstellung ähnelt der Anzeige der Historie des Abnutzungsvorrates. Die Ergebnisse der Prognose fließen in unterschiedliche Planungsprozesse der Instandhaltung ein. Einsatz für die Mittelplanung und Budgetierung Da die Leistungslisten aus der Prognose vorliegen, können diese auch monetär bewertet werden. Aus dem Leistungskatalog werden die Einzelpreise ermittelt und zu Monats- und Jahresaufwendungen addiert. Damit steht ein Werkzeug für eine
206
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Mittelplanung zur Festlegung von Instandhaltungsbudgets zur Verfügung. Die eingeplanten Leistungen sind damit für alle am Prozess der Planung beteiligten Partner begründbar, da die Prognose auf der Basis einer gemeinsam erarbeiteten Wissensbasis erfolgt. Eine Argumentation hinsichtlich der Notwendigkeit von Leistungen wird dadurch wesentlich vereinfacht. Einsatz für die Ressourcenplanung Ausgehend von der Leistungsliste lassen sich bereits frühzeitig Abschätzungen zum benötigten Ressourcenbedarf, insbesondere an Personal und Ersatzteilen vornehmen. Außerdem können frühzeitig Bedarfe bei Lieferanten angezeigt werden, um das Risiko von Lieferengpässen für spezielle Ersatzteile oder die Nichtverfügbarkeit von Spezialisten zu reduzieren. Entscheidung über Aussonderung Aus einer Betrachtung zum Ende der geplanten Nutzungsdauer lassen sich Entscheidungen über die Notwendigkeit von Instandhaltungsmaßnahmen unterstützen. Hierbei ist zu überprüfen, wie der Abnutzungsvorrat zu diesem Zeitpunkt einzuschätzen ist. Bei einem guten Wert ist über eine Verlängerung der Nutzungsdauer zu beraten, vorausgesetzt die Anlage erfüllt auch weiterhin alle an sie gestellten Anforderungen. Ersatzinvestitionen lassen sich somit begründbar verschieben. Andererseits kann es sinnvoll sein, bereits vor dem Erreichen der geplanten Nutzungsdauer die Zustandsveränderung und die vorgeschlagenen Instandhaltungsmaßnahmen zu analysieren, damit bspw. keine zu teuren Maßnahmen und keine Maßnahmen mit einer großen Wirkung mehr durchgeführt werden, sondern gezielt nach Alternativen gesucht wird. Mitunter kann es dann sogar günstiger sein, eine Ersatzinvestition vorzuziehen, um das Risiko für Anlagenausfälle zu minimieren. Szenarien für Anlagenbetrieb und Instandhaltung Die Prognosen bieten einen breiten Spielraum für die Darstellung verschiedener Szenarien, die für den zukünftigen Anlagenbetrieb und die Instandhaltung getestet werden können. Auswirkungen des Betriebes, d.h. veränderte Beanspruchungen, werden im Vorfeld durch einen steileren oder flacheren Abfall der Verbrauchskurve des Abnutzungsvorrates im Vergleich zu einer angesetzten Kurve sichtbar. Damit werden zum einen potenzielle Anlagenausfälle durch Unterschreitung einer Mindestgrenze des Abnutzungsvorrates sichtbar und zum anderen auch beherrschbar. Für die Instandhaltungsplanung ist es möglich, zu testen, inwieweit sich die zeitliche Verschiebung von Maßnahmen, z.B. Strecken von Wartungsintervallen oder Erreichen von Zeitfenstern von geplanten Stillständen, oder das Auslassen von Maßnahmen auf den Abnutzungsvorrat auswirken. Kriterium für die Auswirkungen sind dabei zusätzlich zu erwartende Ausfälle von Komponenten wegen der Überschreitung des systemimmanenten Abnutzungsvorrates.
3.5 Erfolgskontrolle
207
Ebenso kann überprüft werden, ob bestimmte Maßnahmen überhaupt erforderlich sind, wenn sie bspw. keine Wirkung auf den Abnutzungsvorrat haben. Deshalb sollten solche Maßnahmen zuerst im Zuge weiterer Rationalisierungen im Instandhaltungsbereich auf den Prüfstand gestellt werden. Weiterhin kann die Prognose für die Erstellung von priorisierten Leistungslisten für geplante Anlagenstillstände, wie z.B. Shutdowns, eingesetzt werden. Hierbei ist zu überprüfen, welche Komponenten in Abhängigkeit von ihrem Abnutzungsvorrat auf jeden Fall betrachtet werden müssen und welche höchstwahrscheinlich noch eine Produktionskampagne überstehen würden. Damit kann eine Konzentration der Instandhaltungsressourcen auf unbedingt notwendige Arbeiten erfolgen. Das spielt vor allem bei engen Terminketten und begrenzten personellen Ressourcen eine wichtige Rolle.
3.5 Erfolgskontrolle Der Einsatz und die Akzeptanz der Methode zur Bestimmung von Abnutzungsvorräten in technischen Anlagen im Instandhaltungsbereich hängen von den zu erzielenden Wirkungen hinsichtlich der Anlagensicherheit und der Wirtschaftlichkeit ab. Deshalb ist es erforderlich, ein Kennzahlensystem zur Erfolgsmessung zu installieren [VDI 2886, VDI 2893].
3.5.1 Technische Aspekte Für die Messung der technischen Auswirkungen der Instandhaltungsplanung nach der Methode zur Bestimmung von Abnutzungsvorräten in technischen Anlagen eignet sich die Überwachung der Kennzahl Dauerverfügbarkeit, denn die Zielfunktion der Instandhaltung besteht in der Bereitstellung einer geforderten Verfügbarkeit, nicht unbedingt in ihrer Maximierung [RFF97]. Bei Systemen mit einer großen Betriebsdauer entspricht sie der Wahrscheinlichkeit dafür, dass das System funktionsfähig ist [Red99, Bei93]. Die Bedeutung der Kennzahl ist zeitweise umstritten, da sie als statische Größe die Ausfallabstände, Ausfallhäufigkeiten und Ausfalldauern nicht abbildet. Sie wird jedoch wegen ihrer verhältnismäßig einfachen Berechnungsvorschrift häufig im Instandhaltungsbereich verwendet. Die Dauerverfügbarkeit A in einem Zeitintervall lässt sich wie folgt berechnen: MT BF · 100 (3.30) MT BF + MT T R A ist die technische Verfügbarkeit in %, MT BF ist die mittlere Betriebszeit im Zeitintervall (Mean Time Between Failure) in h, MT T R ist die mittlere ReparaturA =
208
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
zeit im Zeitintervall (Mean Time To Repair) in h. Das bedeutet, dass die Dauerverfügbarkeit gleich ist dem Mittelwert des Zeitanteils, in dem das System funktionsfähig war [Red99]. Eine alternative Berechnung der Dauerverfügbarkeit ist über die Betriebszeit und schadensbedingte Stillstandszeit über alle Instandhaltungszyklen, d.h. jeweils immer ein Betriebszeit- und Stillstandsintervall, nach folgender Gleichung möglich: n
An =
∑ tBi
i=1 n
∑ tBi
n
+ ∑ tAi · 100
(3.31)
i=1
i=1
An steht für die technische Verfügbarkeit nach n Instandhaltungszyklen in %, tBi ist die Betriebszeit im Instandhaltungszyklus i in h, tAi ist die schadensbedingte Stillstandszeit im Instandhaltungszyklus i in h. Mitunter werden in die Berechnung der Verfügbarkeit auch noch zusätzlich die vorbeugenden Instandhaltungsmaßnahmen einbezogen, die nicht ohne Beeinträchtigung des Betriebes ausgeführt werden können. Dann werden zur schadensbedingten Stillstandszeit noch deren Zeiten addiert, um technisch bedingte Zeitverluste zu identifizieren. Mit Einführung der beschriebenen Methode besteht die Möglichkeit, eine Kennzahl Erhaltungsgrad = Ist-Abnutzungsvorrat / Soll-Abnutzungsvorrat zu bilden. Dabei ist die Zielfunktion der Bewertung mit Fokus auf die Funktionserfüllung zu richten. Ein Wert ≥ 1 würde bedeuten, dass sich die Anlage in einem erwarteten bzw. besseren Zustand befindet, < 1 würde auf eine Verschlechterung hindeuten.
3.5.2 Wirtschaftliche Aspekte Zur Bewertung der wirtschaftlichen Aspekte lassen sich verschiedene Kennzahlen heranziehen, wobei das globale Ziel darin besteht, über den Lebenszyklus einer technischen Anlage die Kosten für Betrieb und Instandhaltung zu minimieren [Per99]. Neben der getrennten Summation von Kosten für die Störungsbeseitigung und vorbeugende Instandhaltungsmaßnahmen werden häufig auch Verhältniskennzahlen zur Leistungsbewertung der Instandhaltung verwendet. An dieser Stelle sollen beispielhaft genannt werden: Planungsgrad Der Planungsgrad ist das Verhältnis aus geplanten Instandhaltungsmaßnahmen und der Gesamtanzahl aller Instandhaltungsmaßnahmen [VDI 2893] oder bezogen auf die Kosten.
3.5 Erfolgskontrolle
Planungsgrad =
209
Kosten f uer geplante Instandhaltungsmanahmen Gesamtkosten
(3.32)
Spontanitätsgrad Der Spontanitätsgrad ist das Verhältnis aus der Anzahl ungeplanter Instandhaltungsmaßnahmen und der Gesamtanzahl der Instandhaltungsmaßnahmen [VDI 2893]. Interessant ist auch die Bildung der Kennzahl Instandhaltungskostenanteil an Produktionsausbringung [VDI 2893], da sich hier der Zusammenhang zwischen Instandhaltung und Produktion gut darstellen lässt. Diese wird als Quotient aus den Instandhaltungskosten (ggf. aufgeteilt in einzelne Leistungsarten) und der Ausbringungsmenge der Produktion ermittelt. Die Einheit dieser Kennzahl ist e pro Stück oder kg. Planungsgrad =
Kosten f uer ungeplante Instandhaltungsmanahmen Gesamtkosten
(3.33)
Die vorgestellte Methode kann eingesetzt werden, um die Bildung solcher wirtschaftlicher Kennzahlen wie Wertverlust [VDI 2893] bzw. den momentanen Anlagenwert zu unterstützen. Dazu wird die Zielfunktion Anlagenwert definiert und die Bedeutung der Komponenten wird über ihren Anteil am monetären Anlagenwert festgelegt. OEE Als fachübergreifende Bewertungsgröße etabliert sich zunehmend die Kenngröße Gesamt-Anlagen-Effizienz (OEE Overall Equipment Effectiveness). Sie ermöglicht eine umfassende Bewertung und Verbesserung der Effizienz von Produktionsprozessen. Die OEE wird häufig als eine Schlüsselkennzahl in Total Productive Maintenance (TPM)-Programmen verwendet, mit deren Hilfe die Gesamtanlageneffektivität bzw. -effizienz durch Null-Fehler-Produktion, Null-Stillstände und reduzierte Rüstzeiten und Taktzeitverluste gesteigert werden sollen. Voraussetzung dafür bildet die Schaffung einer gemeinschaftlichen Verantwortung von Maschinenbedienern und Instandhaltungspersonal für die zu betreuende Produktionsanlage. Die Kennzahl wird gebildet aus dem Produkt der drei Bestandteile Verfügbarkeit, Leistung und Qualität. OEE = Ver f uegbarkeit · Leistung · Qualitaet · 100
(3.34)
Zur Bestimmung der drei Bestandteile werden sogenannte OEE-Ereignisse definiert (vgl. Abschnitt 2.6). Das sind alle die Ereignisse im Produktionsprozess, die zu Verlusten an produktiver Betriebszeit führen und die in die OEE- Berechnung einbezogen werden sollen. Die Ereignisse werden erfasst und den Bestandteilen zugeordnet. Eine detaillierte Beschreibung der Methodik des OEE-Prozesses beinhalten darüber
210
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
hinaus [BK06, KE06, Vor07].Diese Art der Berechnung führt natürlich dazu, dass der Betrag der OEE nur dann sehr hoch ausfallen kann, wenn alle einzelnen Bestandteile im Unternehmen sehr gute Werte erreichen. Auswertungen nach [Vor07] benennen Werte für die OEE um 85 % als Weltklasse. Mit dem Einsatz der beschriebenen Methode lässt sich der Bestandteil Verfuegbarkeit gezielt bewerten und beinflussen.
3.6 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten an einem Beispiel Die Anwendung der Methode zur erfahrungsbasierten Bestimmung von Abnutzungsvorräten wird nachfolgend an einer Drucklufterzeugungsanlage (vgl. Abb 3.70) beispielhaft erläutert.
Abb. 3.70 Ansicht des Schraubenkompressors ZR 315-8,6 VSD (Atlas Copco Kompressoren und Drucklufttechnik GmbH).
3.6.1 Beschreibung der Drucklufterzeugungsanlage Aufbau und Funktionsweise der Schraubenkompressoren Die im Beispiel betrachtete Drucklufterzeugungsanlage besteht aus insgesamt drei Schraubenkompressoren mit zusätzlichen Aggregaten zur Trocknung der Druckluft. Bei den Kompressoren handelt es sich um zwei unterschiedliche Typen von zweistufigen, ölfrei verdichtende Schraubenkompressoren mit Wasserkühlung. Die Kompressoren arbeiten nach dem Drehzahnverdichterprinzip, sie erzeugen einen konstanten und pulsationsfreien Druckluftstrom. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal beider Typen besteht darin, dass der eine Typ mit variablen Drehzahlen betrieben werden kann. Über die stufenlose Drehzahlregelung mittels Frequenzum-
3.6 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten an einem Beispiel
211
richter, kann bei diesem Typ die Drucklufterzeugung dem jeweiligen Luftverbrauch angepasst werden. In Abb. 3.71 sind die Medienströme und die Hauptkomponenten der Schraubenkompressoren dargestellt.
1 7 14
16
2
6
13
8
9
10 15 3
12
5
11
4
5
14
1 Lufteinlass, Luftfilter und Geräuschdämpfer 2 Niederdruckelement (LP) 3 Vorkühler 4 Zwischenkühler 5 Wasserabscheider und -ablass 6 Hochdruckelement (HP) 7 Volllast-/Nulllastregelung, Abblasventil und Geräuschdämpfer 8 Geräuschdämpfer 9 Rückschlagventil 10 Vorkühler 11 Nachkühler 12 Druckluftauslass 13 Ölpumpe 14 Ölbypassventil 15 Ölkühler 16 Ölfilter
Abb. 3.71 Medienströme und Hauptkomponenten eines Schraubenkompressors ZR 315-8,6 (Atlas Copco Kompressoren und Drucklufttechnik GmbH).
Die Luft wird aus der Umgebung über den Lufteinlass (1) angesaugt und über Luftfilter zum Niederdruckelement der ersten Verdichterstufe (2) geleitet. Hier wird sie auf ca. 2,4 bar verdichtet, wodurch sie sich stark erwärmt. Diese erwärmte Luft wird im Zwischenkühler (3, 4) heruntergekühlt, entstehendes Kondenswasser wird über den Wasserabscheider (5) ausgeschieden. Anschließend wird die Luft durch das Hochdruckelement der zweiten Verdichterstufe (6) auf den Enddruck von 8,6 bar weiter verdichtet. Da sie sich dabei wiederum sehr stark erhitzt, wird sie dem Nachkühler (10, 11) zugeführt und dort erneut gekühlt. Das dabei entstehende Kondenswasser wird ebenfalls über den Wasserabscheider (5) aus dem Kreislauf ausgeschieden. Nach dem Herunterkühlen wird die Druckluft für die Verwendung durch den Druckluftauslass (12) zur Verfügung gestellt. Nicht benötigte Druckluft wird über das Abblasventil (7) aus dem System wieder entfernt. Für den Betrieb der schnelllaufenden Verdichterstufen ist ein Ölkreislauf wichtig, der aus einer Ölpumpe (13), einem Ölkühler (15), einem Ölbypassventil (14) und einem Ölfilter (16) besteht. Das Rückschlagventil (9) stellt sicher, dass keine Druckluft entgegen dem eigentlichen Luftstrom wirken und bis in die Verdichterstufen gelangen kann. Weitere Komponenten des Kompressors sind Bauteile zur Geräuschdämpfung, zum Antrieb, zur Kraftübertragung sowie zur Steuerung. Die ganze Maschine ist auf ei-
212
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
ner Rahmenkonstruktion aufgebaut und komplett verkleidet. Aufbau und Funktionsweise der Adsorptionstrockner Da in der Anwendung der Druckluft besondere Anforderungen an ihren zulässigen Wassergehalt gestellt werden, ist jedem Schraubenkompressor ein Adsorptionstrockner nachgeschaltet (vgl. Abb. 3.72).
13
10 15 18
14
16
12
10 11 12 13 14 15 16 17
Ejektor Antriebsmotor Eingebauter Kondensatabscheider Drosselventil Trocknungssektor Regenerationssektor Regenerationsluftkühler Kondensatabscheider mit Sicherheitsablass 18 Austritt der trockenen Druckluft
17 11
Abb. 3.72 Medienströme und Hauptkomponenten eines Adsorptionstrockners MD 800W (Atlas Copco Kompressoren und Drucklufttechnik GmbH).
Der Haupt-Luftstrom passiert den Nachkühler des Kompressors und strömt anschließend in den Trocknungssektor (14) einer Glasfiber-Papiertrommel. Das darin enthaltene Silicagel-Trocknungsmittel entzieht der Luft nahezu die gesamte Feuchtigkeit durch Adsorption. Nach dem Durchströmen des Trocknungsmittels strömt die Luft in das Leitungsnetz. Das anfallende Kondensat wird automatisch ausgeschieden (17). Parallel dazu wird vor dem Nachkühler des Kompressors der Regenerations-Luftstrom abgezweigt und in den Regenerationssektor (15) der Trommel geleitet. Die heiße Luft trocknet den Teilbereich der Trommel durch Verdunstung und wird anschließend abgekühlt (16). In der Ejektordüse (10) wird der Regenerations-Luftstrom wieder mit dem Haupt-Luftstrom vereinigt. Der Antriebsmotor (11) hat die Funktion, die Glasfiber-Papiertrommel langsam weiterzudrehen, damit immer andere Sektoren zur Trocknung bzw. Regeneration zum Einsatz kommen. Die Besonderheit des Trocknertyps besteht darin, dass keine Druckluftverluste auftreten. Darüber hinaus muss für die Trocknung der Druckluft keine zusätzliche Energie aufgewendet werden, da die bei der Verdichtung erzeugte Wärme verwendet wird.
3.6 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten an einem Beispiel
213
Technische Daten In der Tabelle 3.14 sind die wesentlichen Parameter und Nenn-Betriebsdaten des Beispielkompressors auf der Basis von Herstellerangaben zusammengestellt. Tabelle 3.15 Nenn-Betriebsdaten ZR315-8,6 VSD (Atlas Copco Kompressoren und Drucklufttechnik GmbH). Bezeichnung
Einheit
Wert
Volumenstrom
[ 1s ] m3 ] [ min [cfm] [bar] [ sl ] 1 [ min ] [dB (A)] [bar] [bar] [◦ C] [◦ C] [◦ C] [◦ C] [◦ C] [◦ C] [◦ C]
815 48,9 1.727 8,6 4,2 2.430 66 - 74 3,5 2,1 45 24 155 170 < 40 < 44 < 50
Austrittsdruck Kühlwasserbedarf Motordrehzahl Schalldruckpegel Öldruck Zwischenkühlerdruck Öltemperatur Lufttemperatur (Austritt) Lufttemperatur (Austritt 1. Verdichterstufe) Lufttemperatur (Austritt 1. Verdichterstufe) Wassertemperatur (Eintritt) Wassertemperatur (Austritt 1. Verdichterstufe) Wassertemperatur (Austritt)
3.6.2 Anlagenmodell Für das Anlagenbeispiel wurde die beschriebene Vorgehensweise zur Anwendung der entwickelten Methode zur erfahrungsbasierten Bestimmung von Abnutzungsvorräten in technischen Anlagen konsequent angewendet. Die Erfassung von Eingangsdaten und Erfahrungswissen erfolgte in einem zweistufigen Prozess. Zuerst wurden vorbereitete Listen zusammengetragen und im Anschluss daran wurden Informationen nach gemeinsamer Prüfung der am Projekt beteiligten Partner in das Softwaresystem Statelogger übernommen. Anlagenmodell Wie im Abschnitt 3.3.4 beschrieben, wurden mit den Nutzern relevante Instandhaltungsobjekte definiert und diese in eine funktionale und objektbezogene Anlagenstruktur eingeordnet. Die in Abb. 3.73 dargestellte Anlagenstruktur gilt für einen Kompressor mit Trockner. Insgesamt besteht die Drucklufterzeugungsanlage aus drei Kompressoren mit Trocknern, die in Abhängigkeit vom Druckluftbedarf unabhängig voneinander betrieben werden können.
214
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Drucklufterzeugung Kompressoreinheit 1 Schraubenkompressor 1 Antriebsmotor Motorwicklung Motorlagerung Kupplung Verdichter Verdichtergetriebe Niederdruckstufe Hochdruckstufe Luftfilter Wasserkühlung Ölkreislauf Steuerung/Elektrik (Frequenzumrichter) Rahmen/Verkleidung Adsorptionstrockner 1 Antriebseinheit Glasfiber-Papiertrommel Wärmetauscher Elektronischer Kondensatablass EWD Druckbehälter
Abb. 3.73 Anlagenstruktur des Anlagenbeispiels zur Drucklufterzeugung.
Komponenten und Objekt-Typen Nach der Strukturierung der Anlage wurde gemeinsam mit Fachexperten aus dem Bereich des Anlagenmanagements unter Einbeziehung anderer Anlagenbetreiber, des Instandhaltungsdienstleisters sowie des Anlagenservices des Herstellers, eine Zuordnung der Einzelkomponenten zu den definierten Objekt-Typen vorgenommen. Dabei standen zunächst nicht die zur Verfügung stehenden Betriebsdaten und Diagnosesysteme im Vordergrund. Vielmehr wurde in Workshops und Interviews
3.6 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten an einem Beispiel
215
gemeinsam erarbeitet, welche Erfahrungen die einzelnen Experten im Bereich des Betriebs und der Instandhaltung der gleichen bzw. vergleichbaren Anlagentypen gesammelt hatten. In den Treffen wurde zunächst ein gemeinsames Verständnis über die relevanten physikalischen und stofflichen Einflussgrößen entwickelt. Danach wurde erarbeitet, wie eigene Erfahrungen zur Einschätzung der Höhe von Beanspruchungen oder zur direkten Zustandsbewertung eingesetzt werden können. Die Ergebnisse wurden dokumentiert und bildeten die Grundlage für die weiteren Schritte der Anlagenmodellierung. Abb. 3.74. zeigt als Beispiel die Zuordnung des Verdichtergetriebes zu den Objekt-Typen.
Drehzahl Teppichwert Schwingung Spitzenwert Schwingung Ölstand Öldruck Auslastung des Kompressors Anzahl der Motorstarts Anzahl der Notstopps Teppichwert Schwingung Spitzenwert Schwingung Betriebsstunden
Typ 1 A1: Beanspruchung
E1
Typ 2 E2
A2: Abnutzungsvorrat
Abb. 3.74 Zuordnung des Verdichtergetriebes zu den Objekt-Typen.
Basisdaten Parallel zur Objektzuordnung wurden die existierenden Basisdaten des Kompressors (vgl. Abb. 3.75) und des Trockners (vgl. Abb. 3.76) zur Bestimmung des systemimmanenten Abnutzungsvorrates erfasst. Die ersten Angaben zur zu erwartenden Lebensdauer gründeten sich überwiegend auf Informationen des Herstellerservices, da der Betreiber der Anlage bei deren Errichtung noch nicht über genügend eigene Erfahrungen über das Betriebs- und Ausfallverhalten verfügte. Zur Unterstützung der Erfassung wurden einheitliche Erfassungsmasken auf der Basis eines elektronischen Kalkulationsprogramms erarbeitet. Fuzzy-Controller Für alle als Instandhaltungsobjekte eingestuften Komponenten wurden entsprechend ihres Objekt-Typs Fuzzy-Controller und ggf. alternative Controller zur Bewertung erstellt. Während der Modellerarbeitung und des späteren Betriebs des Bewertungssystems erfolgte zur Optimierung eine ständige Erweiterung bzw. Anpassung. Wissensbasis Mit dem Aufbau der Fuzzy-Controller erfolgte gleichzeitig die Akquisition des Erfahrungswissens der Fachexperten. Die Erfassung selbst erfolgte durch zyklisch
216
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Objekt/Komponente
Inbetriebnahme
SollNutzungsdauer
MTBF
Preis für Austausch
Bedeutungswert
[-]
[Datum]
[a]
[h]
[Euro]
[-]
01.01.2004 01.01.2004 01.01.2004 01.01.2004 01.01.2004 01.01.2004 01.01.2004 01.01.2004 01.01.2004 01.01.2004 01.01.2004 01.01.2004 01.01.2004 01.01.2004 01.01.2004
25 25 25 25 25 25 25 25 25 25 25 25 25 25 25
50000 50000 25000 16000 50000 50000 50000 50000 8000 80000 80000 80000 80000 200000
170000,00 27000,00 23000,00 4000,00 1000,00 54000,00 12000,00 21000,00 11000,00 200,00 29000,00 3500,00 2000,00 5000,00 50000,00
Kompressor S1 Antriebsmotor Motorwicklung Motorlagerung Kupplung Verdichter Verdichtergetriebe Niederdruckstufe Hochdruckstufe Luftfilter Wasserkühlung Ölkreislauf Steuerung/Elektrik Frequenzumrichter Rahmen
850 135 115 20 5 270 60 105 55 1 145 17,5 10 25 250
Abb. 3.75 Basisdaten eines Schraubenkompressors. Objekt/Komponente
Inbetriebnahme
SollNutzungsdauer
MTBF
Preis für Austausch
Bedeutungswert
[-]
[Datum]
[a]
[h]
[Euro]
[-]
01.01.2004 01.01.2004 01.01.2004 01.01.2004 01.01.2004 01.01.2004
25 25 25 25 25 25
40000 25000 80000 30000 200000
Trockner S1 Antriebseinheit Glasfibertrommel Wärmetauscher Wasserableiter Druckbehälter
35000,00 3500,00 14000,00 5000,00 550,00 35000,00
64 6 25 9 1 64
Abb. 3.76 Basisdaten eines Adsorptionstrockners.
oder spontan durchgeführte Interviews auf vorbereiteten Erfassungsformularen. Das Erfahrungswissen über das Verhalten jeder Komponente wurde im Softwaresystem MATLAB in Form linguistischer Wenn-Dann-Beziehungen abgebildet. Dabei konnten bereits in der Startphase über 200 Regeln ermittelt werden. Im Ergebnis lagen dann für jede Komponente die fertig konfigurierten Controller in Form von einfachen Textdateien vor, die in einer Komponentenbibliothek gesammelt wurden. Hilfreich ist an dieser Stelle, auf eine umfassende Sammlung solcher Fuzzy-Controller mit dem aufbereiteten Erfahrungswissen vieler Fachexperten zu im Bereich des Maschinen- und Anlagenbaus weitverbreiteten Komponenten zurückgreifen zu können. Die genutzte Sammlung orientiert sich an dem im Bereich der Offshore-Ölund Gasindustrie weitverbreiteten OREDA-Handbuch (OREDA - Offshore Reliabi-
3.6 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten an einem Beispiel
217
lity Data Handbook) [ORE97] mit Zuverlässigkeitsangaben zu Komponenten. Parameterlisten Nach der Konfiguration der Fuzzy-Controller wurde eine komplette Aufstellung über die zur Bewertung erforderlichen Eingangsdaten erarbeitet und iterativ abgestimmt. Diese beinhaltete auch die Identifikation geeigneter Quellen für die Erhebung der Daten. Des Weiteren wurde überprüft, in welcher Qualität und zeitlichen Auflösung die Daten erfasst werden können, wobei auch der Aufwand für die Erhebung zu berücksichtigen war. Bei dieser Art des Anlagenbeispiels war es möglich, den größten Teil der Eingangsdaten automatisch zu beschaffen, z.B. durch Verwendung ohnehin vorliegender Protokolldateien der Anlagensteuerung und Gebäudeleittechnik. Tabelle 3.15 enthält einen Auszug aus der abgestimmten Parameterliste für die Bewertung des Schraubenkompressors. Nach gemeinsamer Überprüfung der Parameterlisten wurde festgestellt, dass lediglich die Erfassung eines einzigen Parameters, der Gehäuseinnentemperatur des Schraubenkompressors, die Installation eines zusätzlichen Sensors erforderte. Nach Klärung der technischen Machbarkeit und der wirtschaftlichen Vertretbarkeit, die Investitionskosten für den Temperaturfühler beliefen sich auf ca. 20 Euro, wurde dieser installiert. Damit war das Modell der Beispielanlage bereit für die Durchführung laufender Bewertungen. Instandhaltungsmaßnahmen Ausgehend vom Leistungsangebot des Anlagenbetreibers und des Herstellerservices wurden alle geplanten Instandhaltungsmaßnahmen mit ihren Eigenschaften in Leistungslisten erfasst. Dazu wurden Festlegungen zu den auslösenden Ereignissen, wie z.B. Zeitintervalle, Betriebstundenintervalle und kritische Abnutzungsvorräte, für jede Instandhaltungsmaßnahme festgelegt. Als zusätzliche Maßnahmen wurden zu erwartende Komponentenaustausche oder Generalüberholungen auf der Grundlage der Lebensdauerangaben aufgenommen, damit diese in zukünftigen Planungen automatisch mit Berücksichtigung finden konnten. Die Preise für die Instandhaltungsmaßnahmen basierten auf den angefragten und angebotenen Leistungspreisen des Anlagenbetreibers und des Herstellerservices. Zur Festlegung der Wirkungen wurde auf den Erfahrungswerten des Anlagenservices aufbaut. Dabei wurde in gemeinsamen Diskussionen erläutert, welche Folgen für die Nutzungszeit von Komponenten eintreten würden, wenn bestimmte Instandhaltungsmaßnahmen nicht oder verspätet ausgeführt werden. Laufende Erfassung von Eingangsdaten Die Bereitstellung der Eingangsdaten für das Bewertungsmodell erfolgte in Form von strukturierten Textdateien, die in der Gebäudeleittechnik als Protokolldateien festgelegter Datenpunkte automatisch erzeugt wurden. In diesen Dateien waren die Messwerte zusammen mit ihrer Bedeutung und einem Zeitstempel gespeichert. Ergänzt wurden diese Daten durch manuell erfasste Daten aus der Kompressorensteuerung, z.B. die Schwingungsdaten. Für die täglich zu erfassenden Daten, wie z.B. die Sauberkeit der Ansaugluft, stand den verantwortlichen Mitarbeitern des Instandhal-
218
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Tabelle 3.16 Auszug aus der Parameterliste für den Schraubenkompressor. Bezeichnung
Einheit
Motordrehzahl Motorstrom Temperatur Motorwicklung Motorstarts pro Stunde Auslastung Schwingung der Motorlagerung, Seite A (Teppichwert) Schwingung der Motorlagerung, Seite A (Spitzenwert) Schwingung der Motorlagerung, Seite B (Teppichwert) Schwingung der Motorlagerung, Seite B (Spitzenwert) Betriebsstunden seit letzter Motorlagerschmierung Temperatur im Kompressorgehäuse (innen) Schwingung des Verdichtergetriebes (Teppichwert) Schwingung des Verdichtergetriebes (Spitzenwert) Ölstand Öldruck Schwingung der Lagerung der Niederdruckstufe, Seite A (Teppichwert) Schwingung der Lagerung der Niederdruckstufe, Seite A (Spitzenwert) Schwingung der Lagerung der Niederdruckstufe, Seite B (Teppichwert) Schwingung der Lagerung der Niederdruckstufe, Seite B (Spitzenwert) Schwingung der Lagerung der Hochdruckstufe, Seite A (Teppichwert) Schwingung der Lagerung der Hochdruckstufe, Seite A (Spitzenwert) Schwingung der Lagerung der Hochdruckstufe, Seite B (Teppichwert) Schwingung der Lagerung der Hochdruckstufe, Seite B (Spitzenwert) Alter (Luftfilter) Betriebsstunden (Luftfilter) Druckdifferenz am Luftfilter Temperatur Lufteintritt Temperatur Lufteintritt (2. Verdichterstufe) Temperatur Kühlwassereintritt Temperatur Kühlwasseraustritt (1. Verdichterstufe) Kühlwasserhärte Chloridgehalt des Kühlwassers Alter (Öl) Alter (Ölfilter) Temperatur Kühlwasseraustritt Alter (Elektrik) Alter (VSD) Alter (Rahmen)
[ 1s ] [A] [◦ C] [-] [-] [dB] [dB] [dB] [dB] [h] [◦ C] [dB] [dB] [-] [bar] [dB] [dB] [dB] [dB] [dB] [dB] [dB] [dB] [a] [h] [mbar] [◦ C] [◦ C] [◦ C] [◦ C] [◦ dH] [ mg l ] [h] [h] [◦ C] [a] [a] [a]
tungsdienstleisters mobile PC-Technik in Form von PDAs zur Verfügung. Andere Werte, wie bspw. Ergebnisse aus chemischen Analysen des Kühlwassers, die nur ein Mal jährlich durchgeführt wurden, wurden direkt über Erfassungsmasken im Softwaresystem eingegeben. Nach Eingang der Daten auf dem Server wurde sofort die Berechnung von Abnutzungsvorräten gestartet. Optimal ist hier eine automatisierte Datenübertragung ohne notwendige Nutzereingriffe, bei der die Daten immer in einem Nachtlauf übertragen und sofort verarbei-
3.6 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten an einem Beispiel
219
tet werden können, damit jedem Nutzer z.B. täglich ab ca. 06:00 Uhr die aktuellen Bewertungsergebnisse zur Verfügung stehen. Dies erfordert jedoch entsprechende Vorbereitungen und Abstimmungen mit der IT-Abteilung des betreffenden Anlagenbetreibers. Die zeitliche Auflösung der Daten aus der Gebäudeleittechnik betrug bei dem Anlagenbeispiel 5 Minuten, die manuelle Erfassung erfolgte einmal pro Tag durch den Anlagenbetreiber.
3.6.3 Ergebnisse der Bewertungen der Beispielanlage Die Ergebnisse der Bewertung des Abnutzungsvorrates nach der entwickelten Methodik basierten auf der tatsächlichen Betriebssituation der untersuchten Kompressoranlage. Dafür wurde zunächst die Betriebssituation ermittelt: Der Schraubenverdichter 1 wurde vom Hersteller für eine Laufzeit von 8.000 h ausgelegt. Daraus ergab sich die Planung bis zum Bewertungszeitpunkt mit ca. a 22.000 Betriebsstunden. Der Ist-Stand des Betriebsstundenzählers wies ca. 19.000 Betriebsstunden auf. Diese leichte Unterschreitung wurde im Zusammenhang mit den anderen Parametern eher positiv für den Abnutzungsvorrat des Kompressors und des angeschlossenen Trockners bewertet. Bei den Schraubenverdichtern 2 und 3 ergab sich eine andere Bewertung. Hier sahen die Planungen vor, dass die Anlagen 2.500 Betriebsstunden im Jahr laufen sollten. In der Realität zeigte sich, dass diese Betriebsstunden nicht einmal in der Betriebsphase von insgesamt drei Jahren erreicht wurden. Dieses Betriebsregime zeigte darüber hinaus auch Auswirkungen in den Bewertungen zum aktuellen Abnutzungsvorrat, die für diese beiden Anlagen schlechter ausfielen, als ursprünglich angenommen. Abb. 3.77 zeigt eine Bewertung des aktuellen Abnutzungsvorrates. Da neben den Aussagen zu den aktuellen Zuständen vor allem der zeitliche Verlauf des Abbaus von Abnutzungsvorräten eine wichtige Kenngröße zur Beschreibung von Zustandsveränderungen ist, wurden die ermittelten Verläufe für das Jahr 2006 in einem Diagramm für die Gesamtanlage dargestellt (vgl. Abb. 3.78). Zum Vergleich sind auch die ursprünglich prognostizierten Abnutzungsvorräte dargestellt. Deren Verläufe wurden unter der Annahme prognostiziert, dass die Anlagen seit ihrer Inbetriebnahme mit den Soll-Betriebsstunden und Nenn-Betriebsparametern betrieben und alle vom Hersteller vorgeschlagenen Instandhaltungsmaßnahmen ausgeführt wurden. Dieser Verlauf ist in der Abb. 3.78 durch eine grau gefärbte Linie gekennzeichnet, während der tatsächlich ermittelte Verlauf durch eine schwarze Linie dargestellt ist.
220
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Abb. 3.77 Abnutzungsvorrat des Schraubenverdichters 1.
2006 100
87,77% 79,50% 75
50
25
Jan
Feb
Mrz
Apr
Mai
Jun
Jul
Aug
Sep
Okt
Nov
Dez
Abb. 3.78 Zeitlicher Verlauf des Verbrauchs an Abnutzungsvorrat beim Schraubenverdichter 1 im Jahr 2006.
3.6 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten an einem Beispiel
221
3.6.4 Interpretation der Bewertungsergebnisse Zur Interpretation der Bewertungsergebnisse sind in der nachfolgenden Abbildung 3.79 noch einmal alle ermittelten Abnutzungsvorräte bis auf die Komponentenebene zusammengefasst dargestellt. In der Spalte »Geschätzt laut Vorgaben« sind die laut Herstellerinformation zu erwartenden Abnutzungsvorräte der Komponenten angegeben. Die beiden folgenden Spalten enthalten die erfahrungsbasierten Bewertungsergebnisse. Die Bewertungen wurden entweder über die aufgetretenen Beanspruchungen »Basis 1« oder alternativ über eine direkte, erfahrungsbasierte Bewertung des Abnutzungsvorrates »Basis 2« je nach Controller-Typ auf der Grundlage von Erfahrungswissen für die einzelnen Komponenten definiert. Die festgestellten Abweichungen der bei Inbetriebnahme geschätzten Werte von den ermittelten werden farblich codiert angezeigt, d.h. bessere Werte als geschätzt sind Grün (in dieser Abb. hellgrau) und schlechtere Werte als geschätzt sind rot (in dieser Abb. dunkelgrau), dargestellt.
Schraubenverdichter 1
79,50%
Ist gemäß Bewertung Basis 1 Basis 2 87,77% 87,77%
78,90% 57,30% 61,50% 9,70% 64,10% 56,10% 57,60% 55,50% 55,50% 47,30% 75,10% 75,10% 71,00% 71,00% 88,00%
88,01% 92,25% 94,19% 70,39% 78,17% 82,97% 89,08% 79,48% 83,31% 47,31% 93,99% 94,71% 71,00% 71,00% 88,00%
88,01% 92,25% 92,51% 42,13% 93,03% 82,97% 69,26% 46,56% 52,40% 86,07% 86,10% 67,89% 71,00% 71,00% 88,00%
82,40% 77,30% 6,20% 53,70% 100,00% 88,00%
86,68% 77,25% 73,84% 77,90% 100,00% 88,00%
86,68% 82,78% 75,19% 95,01% 100,00% 88,00%
Geschätzt laut Vorgaben Gesamt Kompressor Antriebsmotor Motorwicklung Motorlagerung Kupplung Verdichter Verdichtergetriebe Niederdruckstufe Hochdruckstufe Luftfilter Wasserkühlung Ölkreislauf Steuerung/Elektrik VSD Rahmen, Verkleidung Trockner Antriebseinheit Glasfiberpapiertrommel Wärmetauscher Elek tronischer Wasserableiter EWD Druckbehälter
Abb. 3.79 Darstellung der Abnutzungsvorräte aller Komponenten des Schraubenverdichters 1.
Der Schraubenverdichter 1 befand sich im Dezember 2006 demnach in einem besseren Zustand als bei seiner Inbetriebnahme vermutet. Deutlich sichtbar sind die z.T. erheblichen Abweichungen zwischen den Schätzungen laut Herstellerangaben und der erfahrungsbasierten Bewertung im realen Anlagenbetrieb. Alle Komponenten, für die sich Beanspruchungen beschreiben und ermitteln lassen, befanden sich demnach in einem besseren Zustand als vorab geschätzt. Diese
222
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
Meinung wurde auch vom Betreiber, vom Servicedienstleister und vom HerstellerService bestätigt, d.h., die Akzeptanz der Bewertungsergebnisse war gegeben. Als mögliche Ursachen für die Abweichungen wurden sowohl modellbedingte als auch betriebsbedingte Faktoren identifiziert. Die erste Ursache liegt darin begründet, dass die Angaben des Herstellers zur wahrscheinlichen Lebensdauer von Komponenten, die sich in den vorgeschlagenen Austauschintervallen widerspiegeln, als zu gering anzusehen sind. Diese Angaben beruhten in der Regel auf statistischen Auswertungen beim Anlagenhersteller und berücksichtigten die konkreten Betriebsbedingungen beim konkreten Betreiber nur ungenügend. Die alleinige Orientierung der Instandhaltung an diesen Angaben hätte letztlich dazu geführt, dass Komponenten immer zu früh ausgetauscht worden wären. Im Ergebnis hätte das zu viele unbegründete Instandhaltungseingriffe nach sich gezogen und letztlich negative Einflüsse auf die Lebenszykluskosten der Anlage ausgeübt. Die Angabe zur zu erwartenden Lebensdauer einer Komponente (MTBF) ist eine sensible Eingangsgröße in dem Bewertungsmodell, da sie entscheidend den systemimmanenten Abnutzungsvorrat bestimmt. Eine Erhöhung der Lebensdauer führt zu einer proportionalen Erhöhung des systemimmanenten Abnutzungsvorrates AVnom, der dann über der Nutzungszeit abgebaut werden kann. Die Empfehlung lautet daher, vor einer Einführung des Bewertungssystems noch einmal alle Herstellerangaben zu Austauschintervallen und Lebensdauern kritisch zu hinterfragen, mit den gewonnenen, eigenen Erfahrungen abzugleichen und immer zu aktualisieren. Als eine weitere Ursache wurde erkannt, dass die tatsächlich durchgeführten Instandhaltungsleistungen hinsichtlich ihrer Durchführungszeitpunkte von den ursprünglichen Planungen abwichen. Bspw. sah der Hersteller in seinen Serviceangeboten vor, dass die Glasfiberpapiertrommel des Adsorptionstrockners nach ca. 24.000 Betriebsstunden, d.h. nach ca. drei Jahren Betrieb, getauscht werden sollte. Der Austausch wäre demnach im ersten Halbjahr 2007 zu erwarten gewesen. Allerdings erfolgte er durch den Hersteller bereits Anfang 2006 als Garantieleistung, um damit die aufgetretenen Probleme mit dem vereinbarten Drucktaupunkt der Druckluft zu beheben. Damit begann der Lebenszyklus für die Glasfiberpapiertrommel 2006 neu und wäre dann voraussichtlich im Jahr 2009 beendet. Damit betrug der Abnutzungsvorrat der Glasfiberpapiertrommel im Dezember 2006 ca. 74 % und nicht wie ursprünglich erwartet knapp 6 %. Dieses Beispiel macht deutlich, dass derartige Verschiebungen von Instandhaltungsmaßnahmen vom Bewertungsmodell berücksichtigt werden, indem die Wirkungen der gemeldeten Instandhaltungsmaßnahmen taggenau verrechnet werden. Die ermittelten Beanspruchungen der Komponenten lagen im Bereich der Nennbeanspruchungen bzw. sogar darunter. Das hatte zur Folge, dass sich der Abbau von Abnutzungsvorräten langsamer vollzog, als erwartet. Die Folge davon war, dass sich die wahrscheinliche Nutzungszeit vieler Komponenten entsprechend verlängerte. Diese Vermutung wurde auch seitens des Herstellerservice bestätigt. Der Anlage wurde bescheinigt, dass sie im optimalen Betriebspunkt betrieben wurde. Grundsätzlich gilt deshalb für solche Anlagen die Grundaussage, dass sie am besten und zuverlässigsten funktionieren, wenn sie soviel wie möglich laufen. Eher
3.6 Erfahrungsbasierte Bestimmung von Abnutzungsvorräten an einem Beispiel
223
schädlich wirken sich häufige und kurze Betriebsunterbrechungen sowie lange Stillstände aus. Diese Auswirkungen wurden bei den anderen beiden Kompressoren festgestellt. Ihr Abnutzungsvorrat war etwas schlechter, als bei ihrer Inbetriebnahme abgeschätzt. Diese Einschätzung wurde auch durch die Erfahrungen einiger Fachexperten unterstützt. Einen großen Einfluss auf diese Bewertung hatte die zu geringe zeitliche Auslastung der Anlagen. Die Bedeutung dieses Parameters hatte sich bereits darin gezeigt, dass es 2006 bereits einen Ausfall eines Kompressors gab. Dieser hatte seine Ursache in der Bildung von Flugrost und damit der Entstehung von Korrosion an einer Verdichterstufe durch Kondensatbildung wegen ungenügender Durchwärmung der Anlage. Im Ergebnis dieses Ereignisses und zur Verhinderung gleichartiger Störungen wurde das Betriebsregime dahingehend verändert, dass jede Anlage wenigstens ein Mal pro Woche über wenigstens acht Stunden betrieben werden musste. Welche langfristigen Auswirkungen dieses Ereignis haben wird, d.h., ob bleibende Schädigungen an der Verdichterstufe bzw. den Lagerabdichtungen zurückgeblieben sind, ließ sich zum damaligen Zeitpunkt noch nicht einschätzen. Dieser Zusammenhang wurde als Erfahrungswert in das Regelwerk der Bewertungsmethode übernommen und dort dauerhaft gespeichert. Dazu wurden gleichzeitig im Anlagenmodell entsprechende Anpassungen vorgenommen. Die Wirkung der Regel WENN (Auslastung = gering) DANN (Beanspruchung = hoch) wurde bspw. dahingehend verschärft, dass eine sehr hohe Beanspruchung angesetzt wurde. Die zu geringe Auslastung bewirkte, dass letztlich alle mechanischen Komponenten, wie Antriebsmotor, Verdichtergetriebe, Niederdruckstufe und Hochdruckstufe, höheren Beanspruchungen ausgesetzt waren. Dazu kamen noch die Einflüsse auf die Eigenschaften der Glasfiber-Papiertrommel des Adsorptionstrockners. Für die Regenerierung des Silicagel-Trockenmittels wurde ausreichend heiße Trocknungsluft benötigt. Diese stand natürlich nur dann zur Verfügung, wenn die Anlage betrieben wurde. Wegen der zu geringen Laufzeit musste damit gerechnet werden, dass das Trocknungsgel nicht seine ursprüngliche Aufnahmefähigkeit für Wasser zurückerlangte und damit eher unbrauchbar wurde bzw. sich die Qualität der erzeugten Druckluft hinsichtlich des Drucktaupunktes verschlechterte. Weitere Ursachen für die Abweichungen der Bewertungen lagen auch hier in der Qualität der Lebensdauerangaben des Herstellers begründet. Darüber hinaus hatte es auch hier Abweichungen zwischen den geplanten und tatsächlich realisierten Zeitpunkten von Instandhaltungsleistungen gegeben. Wegen der offenbar zu geringen Laufleistung der Schraubenverdichter 2 und 3, ursprünglich waren 2.500 Betriebsstunden pro Jahr geplant, wurde auf die Durchführung von halbjährlichen Wartungsmaßnahmen verzichtet.
3.6.5 Ergebnisse der Bewertungen der Beispielanlage Basierend auf einer hinterlegten Leistungsliste, die auf Angaben des Anlagenherstellers zu Serviceintervallen und dem Leistungsangebot des Instandhaltungsdienst-
224
3 Methoden und Werkzeuge zur Instandhaltung technischer Systeme
leisters beruhte, wurden für die Beispielanlage Prognosen bezüglich der zu erwartenden Instandhaltungsmaßnahmen erstellt. Hierbei wurden mehrere Berechnungen für unterschiedliche Betriebsregimes und Instandhaltungsstrategien durchgeführt. Die Ergebnisse wurden tabellarisch und grafisch aufbereitet und mit den beteiligten Projektpartnern ausgewertet. Weiterhin wurden vergleichende Betrachtungen zu Instandhaltungskosten in Bezug auf bereits geplante Instandhaltungsbudgets für einen Zeitraum über fünf Jahre angestellt. Die Ergebnisse bestätigten die Vermutung, dass die vom Hersteller und Instandhaltungsdienstleister angesetzten Servicepauschalen insbesondere in den ersten Jahren des Anlagenbetriebs als unverhältnismäßig hoch anzusehen waren, wenn man in die Betrachtung die Gegenleistung an Wartungstätigkeiten einbezieht. An dieser Stelle konnten Kostensenkungspotenziale darüber erschlossen werden, wenn hier die Vergütung der Dienstleistung nicht mehr pauschal, sondern entsprechend des tatsächlichen Instandhaltungsbedarfs vorgenommen worden wären. Bei der Prognose wurden auch Leistungen generiert, die bisher noch nicht bei der Planung des Instandhaltungsbudgets berücksichtigt wurden. Darunter fielen insbesondere die Kosten für Ersatzteile, die nach einem längeren Betrieb über ca. 50.000 bis 60.000 Stunden benötigt wurden. Dieser Investitionsbedarf musste zusätzlich in die Planung aufgenommen werden. Durch die laufende Beobachtung des Abnutzungsvorrates der Anlage ließen sich die Instandhaltungsbudgets dynamisch an die Anlagennutzung anpassen. Damit konnte das beschriebene Konzept der zustandsabhängigen Instandhaltungsstrategie zur Erreichung der Ziele der Instandhaltung hinsichtlich der Erhöhung der Funktionssicherheit/Verfügbarkeit bei optimierten Instandhaltungskosten beitragen.
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Kapitel 4
Informationsmanagement in der Instandhaltung Dipl.-Inform. Kathleen Hänsch, Dr.-Ing. Martin Endig
Zusammenfassung Die Ausführung der Geschäftsprozesse der Instandhaltung erfordert heute vielfältigste Daten, Informationen und technische Dokumente. Aufgrund der resultierenden Anzahl und der Komplexität sind hierfür IT-technische Konzepte, Methoden und Werkzeuge sowohl für das Management als auch für die Bereitstellung von Inhalten erforderlich. Dieses Kapitel gibt hierfür eine entsprechende, erste Einführung aus Sicht der Instandhaltung. Hierzu soll zum Beginn eine Begriffsbestimmung in notwendige Informationstechnologien durchgeführt werden und ein Einblick in vorhandene IT-Technologien zur Unterstützung von Aufgaben des Daten-, Informations- und Dokumentenmanagements gegeben werden. Daran schließt sich ein Überblick von Klassen existierender Softwaresysteme und deren Funktionalitäten an, welche heute kommerziell erworben und zur Unterstützung von Geschäftsprozessen der Instandhaltung eingesetzt werden können. Diese Darstellungen werden ergänzt von ausgewählten und wichtigen Normen, Richtlinien und Standards aus dem Bereich der Instandhaltung hinsichtlich zu berücksichtigender Daten, Informationen und Dokumente. Das Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung und einem entsprechenden Ausblick.
4.1 Einführung Komplexe technische Produkte durchlaufen i.Allg. einen Produktlebenszyklus, welcher sich nach der DIN ISO 15226 in die Phasen der »Planung«, »Entwicklung/Konstruktion«, »Herstellung«, »Test/Inbetriebnahme«, »Betrieb« und »Entsorgung« unterteilen lässt [DIN ISO 15226]. In jeder einzelnen Phase werden, abhängig von der jeweiligen Aufgabe eines Unternehmens, unterschiedlichste Geschäftsprozesse ausgeführt [HS04]. Diese umfassen in der Regel eine Abfolge von Tätigkeiten, die schrittweise ausgeführt werden, um eine unternehmerische Zielsetzung zu erreichen. Prinzipiell werden Geschäftsprozesse über Organisationseinheiten von Unternehmen und ggf. über Unternehmensgrenzen hinweg ausgeführt und sind daher Bestandteil ihrer Ablauforganisation. 231
232
4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
Für die Realisierung von Geschäftsprozessen werden i.Allg. in den einzelnen Produktlebenszyklusphasen vielfältigste Daten, Informationen und Dokumente benötigt, welche aufbreitet und zur Prozessdurchführung zur Verfügung gestellt werden müssen. Resultat sind dann solche Daten, Informationen und Dokumente, mit denen u.a. erreichte Ergebnisse zusammengefasst werden. Wie bereits im Kapitel 2.1 eingeführt, werden aus Sicht der Instandhaltung in der Lebenszyklusphase des »Betriebes« nach DIN 31051 die Geschäftsprozesse »Inspektion«, »Wartung«, »Instandsetzen« und »Verbesserung« ausgeführt und deren Ergebnisse entsprechend dokumentiert [DIN 31051]. Hinsichtlich dieser Geschäftsprozesse resultiert die Notwendigkeit, komplexe Daten, Informationen und vor allem Dokumente für die Instandhaltung aus unterschiedlichsten Geschichtspunkten heraus zu berücksichtigen. So lassen sich diese bspw. für: • die reine Dokumentation durchgeführter Tätigkeiten zur Abrechung und Erfüllung von Nachweispflichten, • die Gewinnung von Daten, Informationen und Wissen über das technische System und • die Archivierung von Erfahrungen und Wissen aus dem Betrieb einsetzen. Aber auch rechtliche Rahmenbedingungen für den »Betrieb« technischer Produkte erfordern die explizite Betrachtung und Dokumentation von Daten, Informationen und Dokumenten bzgl. spezieller Betriebsereignisse und durchgeführter Tätigkeiten. Hier zu gehören vor allem Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) Die Betriebssicherheitsverordnung ist die Verordnung über Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Bereitstellung von Arbeitsmitteln und deren Benutzung bei der Arbeit, über Sicherheit beim Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen und über die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes [BetrSichV]. Maschinenrichtlinie 2006/42/EG Die Maschinenrichtlinie regelt ein einheitliches Schutzniveau zur Unfallverhütung für Maschinen beim Inverkehrbringen innerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) [2006/42/EG]. Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) Das Produkthaftungsgesetz regelt in Deutschland die Haftung eines Herstellers bei fehlerhaften Produkten [ProdHaftG]. Grundsätzlich müssen deshalb auch komplexe Daten, Informationen und vor allem technische Dokumente aus den Geschäftsprozessen der Instandhaltung berücksichtigt werden, d.h. langfristig verwaltet und gezielt, aufgabenbezogen bereitgestellt werden. Hierbei kommt es künftig darauf an, sowohl gesetzliche Pflichten zu erfüllen als auch gleichzeitig einen Mehrwert für die Effizienzsteigerung des »Betriebes« technischer Produkte unter Berücksichtigung einer effizienten Verwaltung aller relevanten Daten, Informationen und Dokumente zu erreichen.
4.1 Einführung
233
4.1.1 Begriffsbestimmung Im täglichen Sprachgebrauch werden Begriffe, wie »Daten«, »Information«, »Dokument« oder auch »Wissen« und »Informationssystem«, intuitiv verwendet. Aus Sicht der Unterstützung der Geschäftsprozesse der Instandhaltung ist es jedoch wichtig, diese Begriffe im Sinne einer Begriffsbestimmung detailliert zu erläutern und vor allem ihre konkrete Bedeutung voneinander abzugrenzen. Zur Illustration soll die Begriffspyramide nach Bodendorf [Bod08] entsprechend Abb. 4.1 Anwendung finden.
Pragmatik Wissen Information
Semantik Syntax
Daten Zeichen
Abb. 4.1 Begriffspyramide nach Bodendorf [Bod08].
Die Darstellungsform einer Pyramide verdeutlicht, dass die grundlegenden Begriffe »Daten«, »Information« und »Wissen« stufenweise aufeinander aufbauen, wobei die Verknüpfungen zwischen einzelnen Ebenen mit zusätzlichen Aussagen und Zusammenhängen verbunden sind. Dies wird häufig auch als Anreichungsprozess bezeichnet. In der Pyramide wird zu Beginn der Begriff »Daten« über dem Begriff »Zeichen« als Element eines Alphabetes eingeführt. Ein Alphabet besteht in der Regel aus Buchstaben, Ziffern und Sonderzeichen und bildet in seiner Grundgesamtheit einen bestimmten Zeichenvorrat. Zeichen werden durch die Vorgabe syntaktischer Regeln (Ordnungsregeln), welche die Beziehung zwischen einzelnen Zeichen zueinander ordnen, zu »Daten«. Ein Zeichen eines Alphabets für sich allein trägt jedoch i.Allg. keine Information und hat auch keine Bedeutung. Daten enthalten für sich keinerlei Hinweis auf einen Bezug, Kontext oder auch Zusammenhang. So trägt bspw. die Zahl »353,4« ohne Abhängigkeit zu einem konkreten Kontext keine Bedeutung. Ziel ist es daher, aus »bedeutungslosen« Daten relevante Informationen zu gewinnen, d.h. diese Daten sind mit einer entsprechenden Semantik zu Informationen anzureichern. Information ist die Interpretation von Daten in einem gegebenen Kontext. Informationen entstehen im Ergebnis der Zuordnung einer Bedeutung zu Daten. Durch die individuelle Interpretation von objektiven Daten resultieren subjektive Informationen. So lässt sich bspw. im Kontext des Betriebes der Zahl »353,4« die Semantik einer gemessenen Betriebstemperatur innerhalb eines Verbrennungsapparates zuordnen, wie z.B. »Betriebstemperatur = 353,4 ◦ C«. Im Ergebnis resultiert der ent-
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
sprechende Zusammenhang zwischen der »Temperatur« während des Betriebes und den Daten »353,4«. Werden verschiedene Informationen gezielt in einem bestimmten Kontext eines Informationsempfängers miteinander in Beziehung gesetzt, d.h., werden sie methodisch miteinander vernetzt, wird allgemein von »Wissen« gesprochen. So beeinflusst bspw. das Wissen eines Betriebsingenieurs bzgl. der Betriebstemperatur für den Verbrennungsapparat die Art und Weise seiner Steuerung. Daraus resultiert der enge Zusammenhang zwischen »Informationen« und »Wissen«. Während Informationen gesammelt und erfasst werden können, beinhaltet Wissen das gezielte Verarbeiten, Verstehen und Anwenden der Bedeutungsinhalte. Letzteres setzt insbesondere entsprechende Erfahrungen voraus. Im Ergebnis resultiert Wissen oder auch Erfahrungswissen aus speziellen Verarbeitungsprozessen. Dies ist der entscheidende Grund dafür, warum sich Wissen oder auch Erfahrungswissen nur bedingt verwalten und gezielt für die Unterstützung von bzw. Nutzung in Geschäftsprozessen bereitstellen lässt. Die Möglichkeiten zur Verwaltung von Daten, Informationen und Wissen sind sehr unterschiedlich und vor allem davon abhängig, wofür Inhalte bereitgestellt werden sollen. Hier bietet sich insbesondere die Nutzung von »Dokumenten« an. In der DIN 6789-1 wird ein Dokument als eine Einheit gehandhabte Zusammenfassung oder Zusammenstellung von Informationen bezeichnet, die dauerhaft auf einem Informationsträger gespeichert sind [DIN 6789-1]. Dabei umfasst der Begriff »Dokument« nicht nur die traditionellen papierbasierten Dokumente, sondern vor allem auch alle rechnerunterstützten Daten und Informationen, die identifiziert, strukturiert, weitergegeben und als eine Einheit kommuniziert werden können. Wichtig ist, dass die in einem Dokument enthaltenden Daten und Informationen entsprechend einer spezifizierten Struktur, auch als Dokumentenstruktur bezeichnet, abgelegt werden. Auch Wissen lässt sich in Dokumenten, bspw. durch die Formulierung spezieller textueller Darstellungen, festhalten, was jedoch deren direkte Anwendung oder auch gezielte Interpretation behindert. Zur Unterstützung des »Betriebes« sinnvoll und auch gesetzlich vorgeschrieben ist das Zusammenstellen und die Bereitstellung relevanter Dokumente in Form spezieller »Dokumentationen«, die alle für einen bestimmten Zweck zutreffende Dokumente umfassen [DIN 6789-1]. Hierbei wird häufig von technischen Dokumenten gesprochen, die Dokumente in der für technische Zwecke erforderlichen Art und Vollständigkeit über den Produktlebenszyklus hinweg einschließen, sowie von technischen Dokumentationen. Eine technische Dokumentation ist generell zum Zeitpunkt der Übergabe technischer Produkte und vor deren Inbetriebnahme einem Betreiber zur Verfügung zu stellen. Während des Betriebes entstehen vielfältigste Daten, Informationen und auch Dokumente, die ggf. aufgrund der Aktualisierungspflicht aus der Maschinenrichtlinie der technischen Dokumentation beizufügen sind. Daraus resultiert die sog. »Technische Produktdokumentation«, welche die Gesamtheit der während aller Produktlebenszyklusphasen eines technischen Produktes erstellten technischen Dokumente umfasst. Der deutsche Fachverband für Technische Kommunikation und Informationsentwicklung e.V. vertritt hier zusammenfassend folgende Definition [Gab92]: »Der Begriff technische Dokumentation
4.1 Einführung
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umfasst verschiedene Dokumente mit produktbezogenen Daten und Informationen, die für verschiedene Zwecke verwendet und gespeichert werden. Hierzu gehören u.a.: Produktdefinition und -spezifikation, Konstruktion, Herstellung, Qualitätssicherung, Produkthaftung, Produktdarstellung, Beschreibung von Funktionen und Schnittstellen, bestimmungsgemäße, sichere und korrekte Anwendung, Instandhaltung und Reparatur eines technischen Produktes sowie dessen gefahrlose Entsorgung«. Im Bereich der rechnerunterstützten Verwaltung und Bereitstellung von Daten, Informationen, Dokumenten, technischen Dokumentationen und Produktdokumentationen sowie Wissen und/oder Erfahrungswissen haben sich im Rahmen von ITSystemen verschiedene Begriffe etabliert, die grundsätzlich hinsichtlich der jeweiligen Aufgabenstellungen das Gleiche umfassen, aber aufgrund ihrer Zielsetzung unterschiedlich bezeichnet werden. Prinzipiell geht es immer um die Speicherung, Verwaltung und Bereitstellung von Inhalten. Dabei lassen sich grundsätzlich die Ebenen unterscheiden: Anwendung Jeder Anwender, d.h. Benutzer von Daten, Informationen und Dokumenten, hat immer eine spezielle Intention, mit Daten, Informationen und Dokumenten zu arbeiten und deshalb auch immer eine spezielle Sicht auf abgelegte Inhalte. Funktionen/Operationen Jeder Anwender verwendet vielfältigste Funktionen oder auch Operationen, um Daten, Informationen und Dokumente zu speichern, zu manipulieren, zu filtern oder auch bereitzustellen. Daten Um Daten, Informationen und Dokumente zu verwalten, sind spezielle Speichermechanismen und Funktionen zum Ablegen, aber auch zum wieder Auffinden erforderlich. In dieser Betrachtung spielt es keine Rolle, ob Daten, Informationen, technische Dokumente oder Wissen als Inhalte verwaltet oder auch bereitgestellt werden sollen. Vielmehr kommt es darauf an, das grundsätzliche Verständnis bzgl. dieser generellen Herangehensweise zu entwickeln hinsichtlich der Trennung von: Ablage und Funktionen Hierzu gehören alle Operationen und Funktionen, die Daten, Informationen und Dokumente speichern, verwalten und wieder zur Verabreitung bereitstellen. Funktionen und Visualisierung Hierzu gehören alle Operationen und Funktionen, die Daten, Informationen und Dokumente verarbeiten, um diese einem Anwender oder auch Benutzer anzuzeigen, d.h. zu visualisieren. Auf Basis dieser Trennung lassen sich dann im Weiteren wesentliche und häufig verwendete Begriffe spezifizieren, wobei sowohl Operationen und Funktionen
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
zur Ablage und zur Bereitstellung sowie zur Visualisierung berücksichtigt werden. Dazu gehören: • • • •
Datenmanagement und Datenmanagementsysteme, Informationsmanagement und Informationsmanagementsysteme sowie Dokumentenmanagement und Dokumentenmanagementsysteme, Wissensmanagement und Wissensmanagementsysteme
Letztere besitzen darüber hinaus Funktionen oder auch Operationen für die Wissenserfassung, die Wissensinterpretation und die Wissensnutzung. Wie Abb. 4.2 zu entnehmen ist, lassen sich diese Begriffe entsprechend der vorgeschlagenen Herangehensweise einordnen, wobei sich die vorgeschlagenen Ebenen bezüglich der gewählten Zielsetzung untersetzen lassen. In den folgenden Abschnitten werden die unterschiedlichen Arten von Systemen allgemein als Managementsysteme bezeichnet.
Wissensmanagement und -systeme
Information
Informationsmanagement und -systeme
Daten
Datenmanagement und -systeme
Dokumentenmanagement und -systeme
Wissen
Abb. 4.2 Einordnung wesentlicher Begriffe in die Begriffspyramide.
4.1.2 Aufgabenbereiche Managementsysteme für die Ablage, Verwaltung und Bereitstellung zu berücksichtigender Daten, Informationen, technischer Dokumente oder auch zu berücksichtigenden Wissens, nachfolgend kurz als zu berücksichtigende Inhalte bezeichnet, haben alle die gleichen Aufgaben: ausgewählte Inhalte effizient und langfristig abzulegen, d.h. zu speichern und mithilfe geeigneter Techniken wieder zur Verfügung zu stellen. Die von Managementsystemen zu verwaltenden Inhalte sind dafür zunächst mithilfe spezieller Analysen zu bestimmen und strukturiert zu erfassen, wobei dies in der Regel spezifisch für ausgewählte Geschäftsprozesse ausgeführt wird. Dabei werden neben den eigentlichen Inhalten insbesondere auch beschreibende Informationen bestimmt, welche dann zur jeweiligen Identifizierung der Inhalte beitragen. Diese werden auch als Metainformationen bezeichnet. Im Ergebnis solcher
4.1 Einführung
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Analysen steht ein Überblick über die Inhalte zur Verfügung, die innerhalb der Managementsysteme verwaltet und bereitgestellt werden sollen. Auf dieser Grundlage lassen sich zunächst folgende grundlegende Aufgabenbereiche unterscheiden: Verwaltung und Ablage von Inhalten Erfasste Inhalte werden in Managementsystemen in strukturierter Form abgelegt bzw. gespeichert. Hierzu werden von diesen Systemen spezielle Funktionalitäten zur effizienten Speicherung von Inhalten auf unterschiedlichsten Speichermedien angeboten. Selektion und Bereitstellung von Inhalten Abgelegte bzw. gespeicherte Inhalte können Managementsysteme durch ihre Funktionalitäten für den Zugriff bereitstellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in aller Regel diese Funktionen einen selektiven Zugriff auf Inhalte ermöglichen. Dies ist durch eine Formulierung entsprechender Bedingungen möglich. Zusätzlich werden durch Managementsysteme weitere Aufgabenbereiche abgedeckt. Dazu gehören bspw. generelle Funktionalitäten zum • Austausch von Inhalten zwischen unterschiedlichen Managementsystemen auf der Basis entsprechender Schnittstellen, • Recherchieren nach speziellen Inhalten bzw. Auffinden spezieller Inhalten und • Generieren von neuen Inhalten auf Basis bereits gespeicherter Inhalte. Insbesondere die letzten Funktionen ermöglichen darüber hinaus auch das Generieren von weiteren Dokumenten auf Basis vorgegebener Strukturen, was bspw. die Visualisierung und das Erfassen von Inhalten und der existierenden Zusammenhänge zwischen diesen ermöglichen. Um diese Aufgabenbereiche effizient realisieren zu können, sind einheitliche und definierte Strukturen von Beginn an zu berücksichtigen. Schon im Anschluss an die Analyse entsprechender Inhalte sind diese Strukturen zu spezifizieren und dem Managementsystem »mitzuteilen«. Strukturen oder auch Datenstrukturen sind dabei mit geeigneten Technologien zu modellieren. Neben der Modellierung und Strukturierung von Inhalten sind Möglichkeiten zur Transformation und Filterung hinsichtlich verschiedenster Aufgabenstellungen weitere grundlegende Aufgaben von Managementsystemen. Neben den allgemeinen Aufgaben von Managementsystemen besitzen Wissensmanagementsysteme weiterreichende Aufgaben. Entsprechende Systeme müssen zusätzlich Konzepte, Methoden und Werkzeuge für die Erfassung, Strukturierung und Bereitstellung von Wissen auf Basis erfasster Informationen zur Verfügung stellen, wobei dies nur bedingt direkt durch spezielle Datenstrukturen realisierbar ist. Ferner ist die Nutzung des »gespeicherten« Wissens für die direkte Unterstützung von Geschäftsprozessen durch geeignete Methoden zu verfolgen.
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
4.1.3 Entwicklung und Bereitstellung von Managementsystemen Aus Sicht der Unterstützung von Geschäftsprozessen der Instandhaltung sind hinsichtlich des Daten-, Informations-, Dokumenten- und Wissensmanagements vielfältigste Problembereiche zu lösen. Dazu gehören u.a. die: • effiziente Verwaltung und Bereitstellung verschiedenster Inhalte, • Bereitstellung von Methoden und Werkzeugen für das Wissensmanagement zur direkten Nutzung von Erfahrungswissen, • Gewährleistung der Verwaltung von Erstellungsprozessen von Inhalten für die Nachvollziehbarkeit und Rückverfolgbarkeit von (Betriebs-) Entscheidungen, • Sicherstellung der Aktualität und Qualität von Inhalten und • Sicherstellung der Rechtssicherheit für die Ablage von Inhalten. Die aus diesen Problembereichen resultierende Komplexität, kombiniert mit dem Umfang der zu berücksichtigenden Inhalte und den vielfältigen Möglichkeiten, diese Inhalte für die Unterstützung von Geschäftsprozessen zu präsentieren, erfordert den Einsatz moderner Konzepte, Methoden und Werkzeuge der Informationstechnologie. Hierbei ist grundsätzlich zwischen den Unterstützungswerkzeugen für die Entwicklung einer Software, auch als Entwicklungssysteme bezeichnet, und den eigentlichen Managementsystemen als Ergebnis der Entwicklung zu unterscheiden. Während letztere direkt zur Unterstützung von Geschäftsprozessen eingesetzt werden, ermöglichen die eigentlichen Entwicklungssysteme eine effiziente und kostengünstige Konzipierung und Realisierung von Managementsystemen als Software, basierend auf einer ingenieurmäßigen Vorgehensweise. [Dum03] bezeichnet diese Vorgehensweise als »Softwareentwicklungsprozess«. Dieser Prozess umfasst in der Informationstechnik als Ingenieurwissenschaft die folgenden Entwicklungsphasen: Analyse/Definition Die Analysephase umfasst das Zusammentragen von Ideen und Wünschen für ein neu zu schaffendes Managementsystem. Ziel dieser Phase ist es, die Ausgangssituation zu beschreiben, die Ziele der künftigen Anwender zu definieren und die personelle, finanzielle, zeitliche und technische Ressourcenplanung durchzuführen. Auf Basis der dabei erzielten Ergebnisse in Form einer Anforderungsspezifikation werden dann die genauen Anforderungen an das Managementsystem beschrieben. Dabei werden Fragen nach dem Funktionsumfang des künftigen Systems beantwortet. Die genauen Anforderungen werden ermittelt, festgelegt, beschrieben und validiert und in der Anforderungsdefinition festgehalten. Inhalt der Anforderungsdefinition ist u.a. die Beschreibungen der: • • • •
zu berücksichtigenden Inhalte und Strukturen, relevanten Funktionen des Managementsystems, Ereignisse, auf die das Managementsystem reagieren soll, Benutzerschnittstellen, z.B. Anzeigen, Menüs und Listen sowie
4.1 Einführung
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• organisatorischen Einordnung des Managementsystems in seine Umwelt. Die Anforderungsdefinition hat im Gegensatz zur Anforderungsspezifikation keinen implementierenden, sondern eher beschreibenden Charakter. Entwurf In der Phase des Entwurfes wird gemäß der Anforderungsdefinition ein konzeptioneller Entwurf des Managementsystems erstellt. Hierbei werden die Einsatzbedingungen des Systems analysiert, die Systemarchitektur entworfen, die Systemkomponenten definiert und Schnittstellen und Abhängigkeiten festgelegt. Das Ergebnis wird im sog. Designkonzept dokumentiert und ist unabhängig von jedem Implementierungsdetail. Realisierung und Implementierung In der Phase der Realisierung und Implementierung werden die spezifizierten und beschriebenen konzeptionellen Aspekte eines neuen Managementsystems mithilfe einer in dieser Phase zu wählenden Programmiersprache implementiert. Ergebnis ist ein spezielles Softwareprodukt, das für den speziellen Zweck angewendet werden kann. Wichtig dabei sind durchzuführende Funktionstests von Einzelkomponenten, und vor allem auch Tests bzgl. des Zusammenspiels der einzeln programmierten Komponenten und das Beseitigen von Fehlern bzw. das Ergänzen fehlender Funktionalitäten. Einführung und Inbetriebnahme In dieser Phase wird das implementierte Managementsystem vom Auftragnehmer übergeben, vom Auftraggeber abgenommen, in der künftigen Systemumgebung installiert und integriert. Hierzu gehören auch erforderliche Tests des installierten Systems in der Umgebung des Auftraggebers, die Schulung der Benutzer und Administratoren und schließlich die Inbetriebnahme. Betrieb und Wartung Auftretende Fehler in der Softwareentwicklung, die erst nach der Implementierung auffallen, Änderungen oder Ergänzungen, die der Auftraggeber wünscht, werden in der Wartungsphase behoben bzw. ergänzt. Durch diese Phase soll eine weiterhin produktive Nutzung des Managementsystems gewährleistet, die Installation stabilisiert bzw. optimiert werden. Die Wartungsphase erstreckt sich über die gesamte Lebenszeit des Systems. Dokumentation Die zu den anderen Lebenszyklusphasen parallele Phase der Dokumentation umfasst die ausführliche Beschreibung und Darstellung erzielter Entwurfs- und Entwicklungsergebnisse in einer jeweils geeigneten Art und Weise. Als Ergebnis dieser Phasen entsteht die spezielle Managementsystemsoftware, die zur Unterstützung der Geschäftsprozesse eingesetzt werden kann. Wichtig ist, dass dieser Entwicklungsprozess nicht grundsätzlich einen reinen sukzessiven Pro-
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
zess darstellt. Vielmehr gibt es unterschiedliche Vorgehensmodelle, mit denen die Reihenfolge der Entwicklungsphasen inklusive möglicher Rücksprünge beschrieben wird [Dum03]. Hier wird u.a. unterschieden zwischen dem: Wasserfallmodell Das Wasserfallmodell ist ein lineares, sequentielles Vorgehensmodell in der Softwareentwicklung. Dabei gehen die Phasenergebnisse wie bei einem Wasserfall immer als bindende Vorgaben für die nächste tiefere Phase ein. Im Wasserfallmodell hat jede Phase genau spezifizierte Start- und Endpunkte mit eindeutig definierten Ergebnissen. Der Name »Wasserfall« kommt von der häufig gewählten grafischen Darstellung der fünf bis sechs als Kaskade angeordneten Phasen. Erweiterungen des einfachen Modells führen dann iterative Aspekte ein, welche ein schrittweises »Aufwärtslaufen« der Kaskade umfassen, sofern in der aktuellen Phase Ergebnisse aus früheren Phasen verändert werden müssen, um den Fehler auf der nächsthöheren Stufe beheben zu können. Das Wasserfallmodell wird allgemein dort angewendet, wo sich Anforderungen, Leistungen und Abläufe in der Planungsphase relativ präzise beschreiben lassen. Spiralmodell Das evolutionäre Vorgehensmodell Spiralmodell in der Softwareentwicklung geht davon aus, dass ein Softwaresystem allmählich und stufenweise konzipiert, entwickelt und getestet wird, es kann sich entwickeln. Dabei basiert das Modell auf der Idee, gesammelte Erfahrungen bei der Anwendung in die Weiterentwicklung einfließen zu lassen. Die Phase der Wartung wird dann als Erstellung einer neuen Version der Software verstanden. Dieses Vorgehensmodell ist gut geeignet, wenn der Auftraggeber der Softwareentwicklung seine Anforderungen nicht vollständig überblickt und sich die Entwicklung auf lauffähige Teillösungen konzentriert, die über verschiedene Versionen nacheinander freigegeben werden können. Für die Lösung der vielfältigsten Aufgabengebiete im Rahmen der Softwareentwicklung existieren heute unterschiedlichste Informationstechnologien, Vorgehensweisen und Informationssysteme, deren Kenntnis insbesondere auch zur Unterstützung von Geschäftsprozessen der Instandhaltung notwendig ist. Aufgrund der steigenden Komplexität entsprechender Geschäftsprozesse hinsichtlich des Informations- und Dokumentenmanagements ist es heute nicht mehr möglich, ohne die Kenntnis moderner Informationstechnologien und deren Funktionsweise entsprechende effiziente und kostengünstige Unterstützungswerkzeuge zu realisieren. Darüber hinaus müssen sich solche Werkzeuge in vorhandene Unternehmenslandschaften integrieren lassen, um langfristig den gewünschten Unternehmenserfolg erzielen zu können.
4.2 Technologien, Hilfsmittel und Unterstützungswerkzeuge
241
4.2 Technologien, Hilfsmittel und Unterstützungswerkzeuge Im Rahmen der Softwaretechnik werden die zu berücksichtigenden Inhalte entsprechend der Begriffsbestimmung aus Abschnitt 4.1.2 kurz als »Daten« bezeichnet. Dieses steht im direkten Widerspruch zu der definierten Begriffswelt. Da aber die im folgenden Abschnitt dargestellten Technologien aus dem Fachgebiet der »Softwaretechnik« resultieren, findet der Begriff »Daten« Anwendung. Für die Konzipierung und Realisierung von Managementsystemen als Software sind grundsätzlich die zu berücksichtigenden Daten und die eigentlichen Funktionen von Bedeutung. Daraus resultieren die klassischen Vorgehensweisen zur Entwicklung von Softwaresystemen. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen: Funktionsorientierte Softwareentwicklung In der funktionsorientierten Vorgehensweise zur Konzipierung und Realisierung von Softwaresystemen stehen grundsätzlich die Funktionen im Mittelpunkt der Betrachtungen, wobei diese die für die Software relevanten »Tätigkeiten« umfassen. Die zu berücksichtigenden Daten zur Repräsentation der für die Software relevanten »Bearbeitungsobjekte« haben sekundäre Bedeutung, sie werden erst in den nachfolgenden Entwicklungsschritten festgelegt. Diese analytische Vorgehensweise erfordert, ein Softwaresystem entsprechend seiner Funktionen zu zerlegen oder auch logisch zu zergliedern. Im Ergebnis entstehen i.Allg. Softwaresysteme mit anwendungsorientierten Datenbeständen, d.h. sog. »Insellösungen«. Einzeln verwendet führen sie sicherlich zum Erfolg. Da jedoch solche Systeme in den Unternehmen immer in einem Zusammenspiel mit anderen Softwaresystemen stehen, hat ihr Einsatz unter Berücksichtigung aller im Unternehmen anfallenden Daten i.Allg. Redundanz-, Homonym- und Synonym-Probleme zur Folge. Datenorientierte Softwareentwicklung In der datenorientierten Vorgehensweise zur Konzipierung und Realisierung von Softwaresystemen stehen grundsätzlich die Daten im Mittelpunkt der Betrachtungen. Deren zur Verarbeitung notwendigen Funktionen werden erst in den folgenden Entwicklungsschritten berücksichtigt, um später im Einsatz alle Daten korrekt verarbeiten zu können. Ergebnis dieser Vorgehensweise sind separate Softwaresysteme mit systematisch erfassten Datenbeständen und umfangreichen Funktionssammlungen. Da es unter dem Geschichtspunkt der unternehmensweiten Anwendung wiederum zu Redundanzen bei den zur Verfügung stehenden Funktionen kommen kann, wäre hierbei eine reine Datenbetrachtung auch nicht ausreichend. In der Softwaretechnik haben diese Erkenntnisse zur Entwicklung der objektorientierten Vorgehensweise für die Konzipierung und Realisierung von Softwaresystemen geführt, mit der sowohl die Daten als auch die Funktionen von Beginn an gleichwertig berücksichtigt werden. Diese Vorgehensweise orientiert sich dabei in der Realität an den zu berücksichtigenden relevanten: • Objekten - Kunden, technische Produkte oder auch Produktionsmittel,
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
• Eigenschaften der Objekte - Kunden1 haben z.B. einen eindeutigen Namen, eine Adresse, einen Wohnort, aber auch einen objektbezogenen Lebenszyklus. Mitarbeiter des Kunden (als Objekt betrachtet), werden z.B. im Laufe ihrer Unternehmenszugehörigkeit zum Abteilungsleiter. Oder Mitarbeiter werden abstrakt betrachtet, d.h. konkrete Objekte eines Unternehmens in Form von studentischen Hilfskräften und Abteilungsleitern, also Mitarbeiter (als Objekt) mit den gleichen Eigenschaften. • Operationen der Objekte - Kunden haben eine Bonität, die geprüft werden kann. • Beziehungen zwischen Objekten - ein Kunde (Objekt) hat ein Produkt (Objekt) gekauft (Beziehung). Der Begriff des Objektes ist in der Literatur als Konzept, Abstraktion oder Gegenstand mit einer klaren Abgrenzung und einer präzisen Bedeutung für ein zu lösendes Problem definiert [BRJ05]. Dabei dienen die Objekte sowohl zum Verständnis der realen Welt, als auch als Ausgangspunkt für die Konzeption und Realisierung von Softwaresystemen. Die Dekomposition eines Problems in Objekte ist Ermessenssache und liegt in der Hand der jeweiligen Entwickler. Diese hängt grundsätzlich von der Art des Problems ab. Im Ergebnis gibt es deshalb niemals nur eine »korrekte« Repräsentation des zu betrachtenden Sachverhaltes. Wichtig ist dabei, dass Objekte eine eineindeutige Identität besitzen, d.h. sie sind voneinander unterscheidbar. Im Unterschied zu den klassischen Vorgehensweisen der reinen datenoder auch funktionsorientierten Betrachtungen, bei denen die Daten und Funktionen separat zur Erstellung monolithischer Anwendungen berücksichtig werden, werden in der objektorientierten Vorgehensweise die Daten und Funktionen als eine Einheit im Rahmen der Spezifikation von Objekten berücksichtigt (vgl. Abb. 4.3). Beziehungen
Aufrufe Erzeugung Funktionen Operationen
Verarbeitung
Austausch von Nachrichten
Daten, Informationen, Dokumente
Vererbung von Daten, Beziehungen und Funktionen Objekte (Klassen)
Abb. 4.3 Eine Einheit - Daten und Funktionen in der objektorientierten Vorgehensweise.
1
Objekte mit gleichen Eigenschaften und Operationen werden darüber hinaus zu Klassen zusammengefasst.
4.2 Technologien, Hilfsmittel und Unterstützungswerkzeuge
243
Idealerweise werden die unerlässlichen objektbezogenen Betrachtungen in den Unternehmen bereits vor der Entwicklung notwendiger Softwaresysteme zur Unterstützung von Geschäftsprozessen in Form eines konzeptionellen, möglichst unternehmensweiten und -übergreifenden, grundsätzlichen Datenschemas als Ziel formuliert. Auf dieses konzeptionelle Gesamtdatenschema für das jeweilige Unternehmen lassen sich dann die aus Sicht der zu entwickelnden Softwaresysteme erforderlichen Datenbetrachtungen in Form von Sichten ableiten. Generell sollten deshalb die softwaresystembezogenen Datenschemata immer eine spezifische Sicht auf das globale für das Unternehmen relevante Datenschema darstellen. Die Aufgabe des globalen Datenschemas liegt in der Gewährleistung eines umfassenden Überblicks bezüglich der datenspezifischen Aspekte, bspw. bezogen auf ein spezielles Unternehmen. Es folgt damit dem Grundsatz nach Vetter [Vet98], wonach das globale Denken und Handeln eine entscheidende Voraussetzung zur Vermeidung der fortschreitenden Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlage ist. Das Prinzip dieses allgemeinen Grundsatzes liegt in der Spezifikation kleiner lokaler Schritte unter Berücksichtigung einer generellen globalen Zielsetzung oder auch der Verfolgung einer langfristigen Vision. Letzteres stellt das globale konzeptionelle Datenschema dar, das: • typmäßige, jedoch keine exemplarspezifischen Aussagen über einen zu modellierenden Realitätsausschnitt beinhaltet. • unabhängig von der technischen Implementierung der Daten auf Speichermedien ist. • neutral gegenüber Einzelanwendungen und deren lokaler Sicht auf die Daten ist. • auf eindeutigen, mit den Fachabteilungen festgelegten Fachbegriffen basiert, die für das weitere Vorgehen verbindlich sind. • das Informationsangebot des Gesamtunternehmens auf begrifflicher Ebene darstellt. • die Grundlage der logischen und physischen Datenstrukturen bildet. • die gemeinsame sprachliche Basis für die Kommunikation aller beteiligten Partner darstellt. Zusammenfassend lässt sich einschätzen, dass das globale, konzeptionelle Datenschema im Sinne einer Gesamtschau als Dreh- und Angelpunkt in Erscheinung treten kann, auf welches sich alles Weitere im Unternehmen beziehen lässt (vgl. Abb. 4.4). Die Spezifikation eines entsprechenden Schemas im Sinne eines Leitbildes für die Unternehmen hat folgende Vorteile: • Im Ergebnis resultieren zwangsläufig integrierte, vielfach einsetzbare, redundanzfreie Datenbestände. • Die generelle Vorgehensweise führt auch dann zum Ziel, wenn die Funktionen vorerst einmal nicht zur Debatte stehen. Da sich diese sowieso immer auf ein Objekt beziehen, können sie auch nachträglich berücksichtigt werden. • Diese Vorgehensweise gewährleistet jederzeit einen Überblick hinsichtlich der informationsspezifischen Aspekte eines Unternehmens.
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
Wartung
Verbesserung
Inspektion
Instandsetzung
Globales, konzeptionelles Datenschema
Inhalte
Abb. 4.4 Das konzeptionelle Gesamtdatenschema als Dreh- und Angelpunkt [Vet98].
• Diese Vorgehensweise erleichtert generell die Optimierung von Geschäftsprozessen, da diese von Beginn an immer einen Blick auf das Gesamte beinhaltet. Die dazu notwendige konzeptionelle Arbeitsweise bedeutet, dass die Lösung eines Problems vom Grundsätzlichen zum Detail entwickelt wird, d.h. die Gesamtzusammenhänge werden so eher erkennbar. Konzeptionell arbeiten bedeutet auch, zu abstrahieren, d.h. die jeweiligen Einzelfälle sowie hard- und softwarespezifische Überlegungen und Betrachtungen werden zunächst zurückgestellt, bis eine logisch einwandfreie Lösung des jeweiligen Problems vorliegt. Für die Anwendung existierender Technologien und Werkzeuge für die Konzeption und Realisierung unterschiedlichster Aspekte von Managementsystemen als Software bis hin zu umfassenden Softwarelösungen sind daher, aufbauend auf dem zuvor zu spezifizierenden konzeptionellen Datenschemata, unterschiedliche Faktoren von Bedeutung. Dazu gehören: Methodisches Vorgehen Für die Anwendung vorhandener Technologien und Werkzeuge sind entsprechende Vorgehensmodelle wichtig, mit denen spezifiziert wird, Was hat Wann mit Welcher Technologie oder auch Technik zu geschehen. Hierunter fällt auch die bereits in Abschnitt 4.1.3 eingeführte ingenieurmäßige Vorgehensweise zur Softwareentwicklung als ein methodisches Vorgehen. Technologien und Werkzeuge Jede Herausforderung in der Entwicklung erfordert den Einsatz spezialisierter Lösungen unter Anwendung existierender Technologien und Werkzeuge, d.h. es wird
4.2 Technologien, Hilfsmittel und Unterstützungswerkzeuge
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spezifiziert, Wie etwas zu geschehen hat. CASE-Werkzeuge Für die Anwendung vorhandener Technologien und Werkzeuge gibt es in der Regel Unterstützungswerkzeuge, d.h. es wird definiert, Womit etwas zu geschehen hat. Die besten Unterstützungswerkzeuge sind wertlos, wenn sie nicht im Rahmen eines methodischen, den Werdegang von Softwaresystemen nach zeitlichen Gesichtspunkten regelnden, Vorgehens zur Anwendung gelangen.
4.2.1 Analyse, Modellierung und Strukturierung von Managementsystemen Für die Lösung komplexer Probleme ist eine ausführliche und gründliche IstAnalyse im Rahmen des jeweiligen Anwendungskontextes, d.h. auf dem Gebiet für das eine Problemstellung gelöst werden soll, ein wesentlicher Schritt für eine erfolgreiche Lösungsfindung und die Bereitstellung passender Systemlösungen. Dies bezieht sich bei Managementsystemen sowohl auf die zu berücksichtigenden Inhalte, als auch auf die zur Verfügung zu stellenden Funktionen eines Systems. In [Pfl91] sind Gründe für das Fehlschlagen solcher Projekte und insbesondere Softwareprojekte zusammengefasst, wobei unvollständige Anforderungen und unzureichende Einbeziehung der künftigen Anwender ebenso wie unrealistische Erwartungen und zu viele Änderungen der Anforderungen wesentliche Gründe darstellen. Dementsprechend spielen ausführlich durchgeführte Ist-Analysen, d.h. die Erfassung der zum Projektstart bekannten Ausgangssituation und die exakte Spezifikation resultierender Anforderungen, eine sehr große Rolle für den Erfolg entsprechender Projekte. Im Hinblick auf die Durchführung von Ist-Analysen mit dem Ziel der Erfassung von Anforderungen müssen diese zunächst folgende grundlegende Eigenschaften aufweisen: • korrekt, d.h. sie sind von den Fachleuten aus dem jeweiligen Anwendungskontext als zutreffend und richtig zu bestätigen, • konsistent, d.h. Mehrdeutigkeiten und gegensätzliche Eigenschaften, welche abgeleitet werden können, werden beseitigt, • vollständig, d.h. alle resultierenden Systemzustände sind darstellbar und interpretierbar, • realistisch, d.h. eine genaue Kenntnis des technologischen Entwicklungsstandes liegt vor, • sinnvoll, d.h. die Anforderungen entsprechen den Bedürfnissen der Fachleute aus dem jeweiligen Anwendungskontext, • prüfbar, d.h. sie sind nachprüfbar und die Realisierung ist eindeutig nachzuweisen und • verfolgbar, d.h. die Anforderungen sollen durch den gesamten Prozess (Entwicklungsprozess) erhalten bleiben bzw. nachgewiesen werden können.
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
Die dazu notwendigen Schritte umfassen das Untersuchen, d.h. das Studium des Anwendungskontextes, das Abstrahieren, d.h. Verallgemeinern, Begriffe definieren und abgrenzen, und das Dokumentieren von Analyseergebnissen in für das Fachpersonal verständlicher Art und Weise. Für die Ableitung realer Anforderungen aus einer durchgeführten Ist-Analyse ist zu berücksichtigen, dass Anforderungen i.Allg. auch konträre Eigenschaften besitzen können. So können diese sowohl statisch als auch dynamisch sein, je nachdem ob die Anforderung einen Zeitbezug besitzt oder nicht. Ferner lassen sich Anforderungen mit und ohne einem Bezug zum Anwendungskontext spezifizieren. Auch können sich unterschiedliche Anforderungen widersprechen. Deshalb ist eine IstAnalyse mit sehr viel Sorgfalt und mit den jeweiligen Fachleuten gemeinsam durchzuführen, denn die Mitarbeiter der Unternehmen sind die Fachleute bzw. Spezialisten, die sich mit den durchzuführenden Geschäftsprozessen und ihren internen und externen Zusammenhängen am Besten auskennen. Da Entwickler von Managementsystemen zur Unterstützung der Geschäftsprozesse meist wenig über die internen Abläufe und Strukturen der Unternehmen wissen, ist ein fachliches Grundwissen für sie von entscheidendem Vorteil. Ein wichtiges Hilfsmittel zur Dokumentation von Ist-Analysen sind graphische Darstellungen von Abläufen, Strukturen und Zusammenhängen. Ferner ist von Beginn an eine einheitliche Begriffs- und Darstellungswelt gemeinsam mit den Fachleuten zu spezifizieren, um Missverständnisse zu vermeiden, da die Fachleute bzw. Spezialisten in der Regel eine andere Sicht als die Entwickler von Managementsystemen besitzen. Allgemeine Methoden und Vorgehensweisen zur Durchführung von Ist-Analysen sind bspw. einfache fachliche Begriffskontrollen, mit denen eine Überprüfung der korrekten Anwendung von Fachbegriffen möglich ist, oder auch allgemeine Konsistenzkontrollen zum Festellen von mehrmaligen bzw. mehrdeutigen Definitionen, fehlerhafter Anwendungen der Umgangssprache sowie unzulässige Synonyme. Die Analogiemethode setzt dagegen auf einen Vergleich mit Erfahrungen aus der Vergangenheit und entsprechenden Rückschlüssen. Eine sehr häufig und erfolgreich anzuwendende Methode stellt die Interviewtechnik dar, mit der u.a. die Klärung oder Richtigstellung der in der Problemstellung formulierten Anforderungen, aber auch Diskussionen über gefundene Zusammenhänge direkt mit den Fachleuten erfolgt. Die Auswahl eines konkreten Vorgehens ist immer abhängig von der Problemstellung, ihrer Komplexität und den einzubeziehenden Fachleuten. Ist-Analysen lassen sich in unterschiedlicher Art und Weise durchführen. Dazu gehören in Anlehnung an [Dum03] u.a. die: Natürlichsprachliche Analyse Die einfachste Form der Analyse ist die Nutzung der natürlichen Sprache, um einen speziellen Sachverhalt zu beschreiben. Dabei werden die Bestandteile und die Charakteristik eines Sachverhaltes in Textform »aufgeschrieben«. Im Ergebnis sind die notwendigen, zu analysierenden Daten, Informationen und Dokumente, d.h. die zu berücksichtigenden Inhalte, aber auch die Abläufe bspw. hinsichtlich auszuführender Geschäftsprozesse, über das ganze textuelle Dokument verteilt. Für die Analyse
4.2 Technologien, Hilfsmittel und Unterstützungswerkzeuge
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einfacher Sachverhalte ist diese Form der Analyse sicherlich ausreichend. Komplexe Sachverhalte lassen sich jedoch in dieser Form nur unzureichend beschreiben. Prinzipiell lassen sich mit der natürlichsprachlichen Analyse alle Problemstellungen beschreiben, da sie universell einsetzbar ist. Prozessorientierte Analyse Gegenstand dieser Form der Analyse ist die Extraktion und Spezifikation relevanter Funktionalitäten oder auch Prozesse bzw. Geschäftsprozesse einer künftigen Lösung. Dabei werden die Funktionen in Schritte und ggf. Unterschritte zerlegt. Die zu berücksichtigenden Inhalte werden entsprechend den Funktionen zugeordnet und die Schnittstellen zwischen den Funktionen werden organisiert, bspw. durch die Anwendung klassischer Programmiersprachen. Im Ergebnis dieser Herangehensweise resultieren relativ günstige Voraussetzungen für eine spätere Programmierung. Wie bereits dargestellt, entsteht bei der prozessorientierten Analyse aufgrund der Fokussierung auf die Funktionen jedoch kein »optimales« Datenschema. Datenorientierte Analyse In dieser Form der Analyse steht die Spezifikation und Ableitung eines einheitlichen, aber grundsätzlichen Datenschemas für die künftige Lösung im Mittelpunkt. Die zur Verarbeitung notwendigen Funktionen werden erst nachträglich beschrieben. Mit dieser Vorgehensweise wird der zu betrachtende Sachverhalt sehr umfassend abgedeckt. Problematisch ist jedoch bei datenorientierten Analysen, dass nur bedingt die Zuordnung von Inhalten und Funktionen nachvollziehbar ist. Die alleinige Anwendung der zuvor beschriebenen Analyseformen und -arten führt meist zu Problemen, je nach Herangehensweise entweder bezogen auf die Inhalte oder auf die Funktionen. Diese Tatsache führte in der Vergangenheit zur Entwicklung der strukturierten Analyse. Strukturierte Analyse In dieser Form der Analyse werden die prozess- bzw. funktionsorientierte und die datenorientierte Analyse und deren Vorteile kombiniert. Dazu ist die Spezifikation eines entsprechenden Vorgehens erforderlich, in dem unterschiedliche Schritte der einen und anderen Analyseform Anwendung finden. Grundsätzlich wird dabei ein Top-down Ansatz verfolgt, d.h. vom Allgemeinen zum Detail, welcher zu Beginn auf eine allgemeine Funktionsbeschreibung orientiert. Diesen Funktionen werden dann auf einer allgemeinen Ebene die Inhalte, d.h. die Daten, zugeordnet. Danach schließen sich eine Verfeinerung der Funktionsbeschreibung und eine Detaillierung der Datenbeschreibung an. Letztere kann auch eine Neustrukturierung der Daten erfordern. Diese Vorgehensweise wird solange fortgeführt, bis ein akzeptables Analyseergebnis vorliegt. In Abb. 4.5 ist dieses grundsätzliche Vorgehen abschließend zusammengefasst. Zur Unterstützung der Durchführung von Analysen und insbesondere zur Dokumentation von Analyseergebnissen existieren unterschiedlichste Modelle und Verfahren, welche sich grundsätzlich in reine daten- und objektorientierte Modelle zur
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
Planungsphase Erste Prozessstruktur
Erstes Datenschema
Analysephase Detaillierte Prozessstruktur
Sicherstellung der Konsistenz
Vollständiges Datenschema
Enwurfsphase Konzeptionelle Prozessstruktur
Konzeptionelles Datenschema
Abb. 4.5 Strukturierte Analyse - Integrierte Betrachtung von Prozessen (Funktionen) und Daten.
strukturierten Analyse zusammenfassen lassen. Von der Vielzahl an existierenden Modellen und Verfahren wird im Folgenden stellvertretend jeweils nur ein Beispiel kurz zusammengefasst werden. Entity-Relationship-Modell (ER-Modell) Das von Chen im Jahre 1976 vorgeschlagene Entity-Relationship-Modell dient der benutzerfreundlichen und kommunikativen Spezifikation von Informations- und Datenstrukturen [Che76]. In seiner Ur-Form besteht dieses Modell aus folgenden Modellelementen: • Entity - repräsentieren Objekte der realen Welt • Relationship - repräsentieren die Beziehungen zwischen Entitäten • Attribute - repräsentieren die Eigenschaften von Entitäten und Beziehungen; spezielle Attribute stellen Schlüsselattribute dar, mit denen sich einzelne Objekte eindeutig identifizieren lassen Mit diesen Modellelementen lassen sich in der Praxis nicht alle Sachverhalte abbilden bzw. beschreiben. Aus diesem Grund wurden die klassischen ER-Modelle um zusätzliche Modellelemente zum Erweiterten Entity-Relationship-Modell (EERModell) ergänzt. Zu den zusätzlichen Modellelementen gehören u.a. • Kardinalitätsangaben - legen die Anzahl der beteiligten Objekte an einer Beziehung fest • Optionalität von Attributen - ermöglichen die Spezifikation fakultativer Attribute • IST-Beziehung - legen als speziellen Beziehungstyp Spezialisierungs-/Generalisierungsbeziehungen zwischen Objekten fest Das in Abb. 4.6 dargestellte Beispiel aus dem Bereich der Instandhaltung lässt sich unter Anwendung dieser Modellelemente wie folgt interpretieren: »Instandsetzungsmaßnahmen« sind in »vielen«, unterschiedlichen »Technischen Dokumenten« beschrieben. Das einzelne Dokument lässt sich eindeutig über das Attribut
4.2 Technologien, Hilfsmittel und Unterstützungswerkzeuge
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»Nummer« identifizieren und umfasst weitere beschreibende Attribute wie »Bezeichnung« und »Autor«. »Technische Dokumente« sind in genau einer »Technischen Dokumentation« enthalten, die sich über das Attribut »Bezeichnung« identifizieren lässt. Da nicht zu jeder einzelnen Dokumentation ein Attribut »Gültigkeit« spezifiziert werden kann, ist dieses Attribut als optional gekennzeichnet. »Instandsetzungs-«, »Wartungs-« und »Inspektionsmaßnahmen« sind spezielle »Instandhaltungsmaßnahmen«, welche sich jeweils über das Attribut »Nummer« identifizieren lassen.
Wartungsmaßnahme
IST
Nummer
Instandhaltungsmaßnahme
Inspektionsmaßnahme
IST IST
Nummer Bezeichnung Zeitraum
Autor
Bezeichnung Instandsetzungsmaßnahme
Leistung
umfasst
Zeitaufwand
[1,N]
[1,M]
Kosten
[1,M]
ist beschrieben in [0,N]
Nummer Titel Gültigkeit
Technisches Dokument
[1,N]
ist enthalten
[1,1]
Technische Dokumentation
Bezeichnung Gültigkeit
Datum
Abb. 4.6 Beispiel eines Erweiterten Entity Relationship Schemata.
Unified Modeling Language (UML) Im Rahmen der objektorientierten Vorgehensweise wurde bereits erläutert, dass ein bestimmter Sachverhalt oder auch eine Problembeschreibung und deren Lösung immer unter der Berücksichtigung einer Vielzahl von Aspekten im Sinne ganzheitlichen Denkens erfolgen muss. Dabei sind nicht nur die zu berücksichtigenden Inhalte in Form von Daten, Informationen und Dokumenten wichtig, sondern vor allem auch die verarbeitenden Funktionen und deren Zusammenhang mit ihrer Umwelt. Diese Wechselbeziehungen sind bei der Konzipierung und Realisierung eines Managementsystems von der Analyse bis hin zur Implementierung vorhanden. Werden hierfür durchgehende Methoden und Modelle zur Beschreibung und Dokumentation von Ergebnissen eingesetzt, wird zum einen die eigentliche Modellierungsarbeit einfacher und übersichtlicher und es gelingt, vor allem die resultierende Komplexität des Gesamt-Managementsystems zu beherrschen. Somit sind anspruchsvollere und komplexere Anwendungsgebiete möglich. Die strukturierte Analyse kann dabei also nur einen wesentlichen, aber notwendigen Beitrag liefern, vor allem in der
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
detaillierten, aber getrennten Erfassung von Daten und Funktionen. Dem gegenüber ist die objektorientierte Vorgehensweise durch eine ganzheitliche Herangehensweise gekennzeichnet, bei der Daten und Funktionen (Operationen) als eine Einheit betrachtet werden. Dies soll an einem einfachen Beispiel verdeutlich werden, in dem es um die Konzeption und Implementierung eines »beliebigen« Managementsystems geht. In der Problemanalyse (Analysephase) zur Bestimmung und Herleitung der Anforderungen an das künftige System ergibt sich bspw. folgender Dialog mit den Fachexperten: • S OFTWAREENTWICKLER: »Was ist Euch wichtig?« • FACHEXPERRTE: »Der Betreiber!« • S OFTWAREENTWICKLER: »Was ist ein Betreiber für Euch? Welche Merkmale sind Euch wichtig?« • FACHEXPERRTE: »Der Betreiber hat einen Namen, eine Anschrift und eine Bonität, die wir prüfen.« In der Entwurfsphase werden diese angestimmten Anforderungen von dem S OFTWAREENTWICKLER in einem entsprechenden Entwurf modelliert, bspw. mithilfe einer Klasse auf Basis von UML (vgl. Abb. 4.7).
Betreiber Name : String Anschrift : Adresse Bonitaet : Boolean bonitaetPruefen() : Boolean
Abb. 4.7 Instanz des Modellelements »Klasse«.
Im Rahmen der Implementierung wird aus diesem Entwurf unter Anwendung einer konkreten Programmiersprache, wie etwa Java2 , bspw. nachfolgender Quelltext. Dabei sind der »Name«, die »Anschrift« und die »Bonität« Attribute der Klasse »Betreiber« und »String«, »Adresse« und »Boolean« die zugehörigen Datentypen. class Betreiber { String Name; Adresse Anschrift; Boolean Bonitaet; ... public Boolean bonitaetPruefen () 2
siehe http://www.sun.com/java
4.2 Technologien, Hilfsmittel und Unterstützungswerkzeuge
251
{ ... } ... } Durch diese Art der Vorgehensweise lassen sich neue Anforderungen auch während des Entwicklungsprozesses von Managementsystemen »nachreichen« bzw. nachträglich hinzufügen. Somit vereinfacht sich die Kommunikation zwischen den Softwareentwicklern und den Fachexperten, wobei diese durchgehende Modellierung auch die Qualität der Arbeitsergebnisse wesentlich erhöhen kann. Um diese objektorientierte Vorgehensweise durchgehend in der Analyse, Modellierung und Strukturierung und dann im Weiteren in der Implementierung sinnvoll einsetzen zu können, ist die Anwendung einer speziellen Sprache erforderlich. Die Unified Modeling Language ist eine solche, ausdrucksstarke und vor allem standardisierte Sprache [Oes05]. Generell ist UML eine graphische Sprache für die Visualisierung, Spezifikation und Dokumentation durchgeführter Analyse- und Entwurfstätigkeiten unter Berücksichtigung unterschiedlichster Aspekte von zu entwickelnden Softwaresystemen. Damit ist es möglich, ein System sowohl aus statischer Sicht, d.h. aus Sicht der Struktur und des Aufbaus, als auch aus dynamischer Sicht, d.h. aus Sicht des Verhaltens, abzubilden. Entsprechend wird in UML von Strukturund Verhaltensmodellierung gesprochen. Grundsätzlich werden in der Sprache UML bestimmte Grundelemente definiert bzw. vorgegeben, welche in verschiedenen Arten von Diagrammen bzgl. der Strukturund Verhaltensmodellierung, aber auch der Modellierung von Aspekten bzgl. der Analyse und Implementierung Anwendung finden. Die wesentlichen Grundelemente sind dabei im Rahmen der Strukturmodellierung u.a. »Klasse«, »Anwendungsfall«, »Schnittstelle« und für die Verhaltensmodellierung u.a. »Zustand« und »Interaktion«. Weitere Grundelemente dienen zur Modellierung von Abhängigkeiten wie »Assoziation«, »Generalisierung/Spezialisierung« und »Realisierung«. Basierend auf diesen Grundelementen lassen sich u.a. folgende Diagrammtypen zur Strukturmodellierung spezifizieren: Klassendiagramme Mithilfe von Klassendiagrammen wird der statische Aufbau in Form einer speziellen Klassenstruktur eines Managementsystems, bestehend aus Klassen und ihren Beziehungen untereinander, spezifiziert. Dabei stellt eine Klasse eine Zusammenfassung gleichartiger Objekte, d.h. Objekte mit gleichen Eigenschaften und Verhalten resultierend aus dem jeweiligen Anwendungsbereich des zu spezifizierenden Systems, dar. Klassen beinhalten Beschreibungen bzgl. ihrer Attribute, d.h. Eigenschaften, und ihre Operationen, d.h. ihres Verhaltens. Ferner besitzen Klassen Beziehungen zu anderen Klassen. Dabei lassen sich folgende wesentliche Beziehungstypen unterscheiden:
252
4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
• Generalisierung / Spezialisierung Diese Abstraktionsprinzipien dienen zur hierarchischen Strukturierung der Modellsemantik, wobei Beziehungen zwischen einer allgemeinen und einer speziellen Klasse beschrieben werden. Letztere kann zusätzliche Attribute und Operationen besitzen. • Assoziation Assoziationen beschreiben eine gleichwertige Beziehung zwischen Klassen, d.h. die Semantik und die Struktur einer Menge von Objektbeziehungen. • Aggregation Die Aggregation ist eine Sonderform der Assoziation, bei der die beteiligten Klassen keine Beziehung auf einer semantischen Ebene führen, sondern eine Ganze-Teile-Hierarchie darstellen. • Komposition Eine Komposition ist eine spezielle Aggregation, bei der die Existenz der Teile eine Voraussetzung für die Existenz des Gesamtem ist.
Wartungmaßnahme
Instandhaltungsmaßnahme
Beschreibung : String Trigger : Date
DIN-Nummer : String massnahmeInitiieren() : Boolean
wartungDokumentieren() : Boolean
0..*
1..*
ist beschrieben in 0..*
Wartungsplan
Technische Dokumentation Bezeichnung : String Gueltigkeit : Boolean dokumentationPruefen() : Boolean
0..*
Nummer : Integer Titel : String Autor : String Gueltigkeit : Boolean wartungsplanZusammenstellen() : Boolean
Leistung Bezeichnung : String Kosten : Integer Zeitaufwand : Integer leistungAbrechnen() : Boolean gehören zu
0..* 1..*
Erzeugnis KKS-Nummer : String Bezeichnung : String
Abb. 4.8 Beispiel - Klassendiagramm zur Datenstrukturierung von Instandhaltungsdaten.
1..*
4.2 Technologien, Hilfsmittel und Unterstützungswerkzeuge
253
Das in Abb. 4.8 angegebene Beispiel umfasst die Spezifikation eines Klassendiagramms zur Beschreibung beteiligter Objekte zur Unterstützung des Anwendungsfalles »Wartung durchführen«. Hierbei ist die »Wartungsmaßnahme« eine spezielle »Instandhaltungsmaßnahme« die in verschiedenen »Technischen Dokumentationen« beschrieben ist. Wartungsmaßnahmen bestehen aus einer Reihe von durchzuführenden »Leistungen«, die ihrerseits zu einem Teil einer Anlage (modelliert über die Klasse »Erzeugnis«) gehört. Ausgewählte beschreibende Attribute zu den Klassen sind entsprechend angegeben. Komponentendiagramme Eine Komponente stellt ein physikalisches Stück Programmcode in Form eines Quelltextes, eines Binärcodes, einer Softwarebibliothek oder auch ein ausführbares Programm (Softwaresystem) dar und stellt ein grundlegendes Modellierungselement mit definierten Schnittstellen in der Softwareentwicklung zur Verfügung. Ein Komponentendiagramm zeigt die Beziehungen zwischen verschiedenen Komponenten auf. In der Praxis haben Komponenten Ähnlichkeiten mit Softwarepaketen, die definierte Grenzen und eine Menge von Einzelelementen besitzen. Diese sind für die Modellierung jedoch nicht interessant. In Abb. 4.9 ist ein Beispiel eines speziellen Komponentendiagramms aus dem Bereich der Instandhaltung angegeben. In diesem wird zusammengefasst, dass es ein zentrales »Instandhaltungsplanungs- und Steuerungssystem« im künftigen Managementsystem existiert, welches Schnittstellen zu einem »Condition Monitoring System« und einem »Betriebsdatenerfassungssystem« besitzt. Instandhaltungsplanungs- und -steuerungssystem
Condition Monitoring System
Betriebsdatenerfassungssystem
Abb. 4.9 Beispiel - Komponentendiagramm zur Strukturierung von Unterstützungswerkzeugen.
Zur Verhaltensmodellierungen existieren bspw.: Anwendungsfalldiagramme Zu Beginn einer Anforderungsanalyse muss zunächst geklärt werden, »was« ein »geplantes« Managementsystem für die jeweiligen Benutzer funktional leisten soll, d.h., welche Geschäftsprozesse »wie« unterstützt werden sollen. Entsprechende Analyseergebnisse können in sog. Anwendungsfalldiagrammen in Form verschiedener Anwendungsfälle dargestellt werden. Ein Anwendungsfall umfasst dabei eine Menge zusammengehöriger Aktivitäten eines Systems aus Sicht seiner Akteure, d.h.
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
aus Sicht seiner Anwender, wobei eine Aktivität zu mindestens einem wahrnehmbaren Ergebnis für die Akteure führen muss. Erfolgt dies nicht, ist der Anwendungsfall falsch oder unvollständig. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Anwendungsfälle nicht dazu dienen, ein System funktional zu zerlegen, sondern ausschließlich Beschreibung typischer Arbeitsabläufe in Form textueller Beschreibungen darstellen. Solche Abläufe bestehen in der Regel aus Einzelschritten oder auch Aktivitäten (vgl. dazu auch Aktivitätendiagramme). Textuelle Beschreibungen ermöglichen jedoch nur eine sehr umständliche Darstellung von Abhängigkeiten, wie diese bspw. zur Modellierung von Abläufen erforderlich sind. Hierfür sind graphische Beschreibungen besser geeignet, wenn sie durch Verhaltens- oder auch Aktivitätendiagramme bereitgestellt werden. Das in Abb. 4.10 angegebene Beispiel umfasst einige ausgewählte Anwendungsfälle, welche während des Betriebes von Anlagen aus Sicht der Instandhaltung zu berücksichtigen sind. Diese Anwendungsfälle werden vom Betreiber initiiert und vom Dienstleister »Instandhaltung« durchgeführt. Ein spezieller Dienstleister ist der Dienstleister »Prüfung«, welcher eine »Prüfung« als Spezialfall der »Inspektion« ausführt. Den Unterschied zwischen »Prüfung« und »Inspektion« muss in der textuelle Beschreibung zum jeweiligen Anwendungsfall angegeben werden.
» de clu
de
nc
Dienstleister Instandhaltung
lu
de
»
»
«in
clu
Instandsetzung durchführen
«i
«in
Wartung durchführen
«include»
Anlage instand halten
Betreiber
Verbesserung Inspektion durchführen durchführen
Prüfung durchführen
Dienstleister Prüfung
Abb. 4.10 Beispiel eines Anwendungsfalldiagrammes für die Unterstützung des »Betriebes«.
Aktivitätendiagramme Für die Beschreibung und Spezifikation von Abläufen, wie Arbeitsabläufen oder
4.2 Technologien, Hilfsmittel und Unterstützungswerkzeuge
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auch Geschäftsprozessen innerhalb von Managementsystemen, können mittels der Sprache UML sog. Aktivitätendiagramme spezifiziert werden. Dieser Diagrammtyp umfasst allgemein Modellelemente zur Spezifikation von: • Aktivitäten Mit diesem Modellelement werden die eigentlichen Tätigkeiten abgebildet, welche durch ein Managementsystem ausgeführt werden sollen. • Abläufen Mit Abläufen werden Modellelemente zur Ablaufbeschreibung bereitgestellt, d.h. Möglichkeiten zur Abbildung der Reihenfolge der Ausführung von Aktivitäten. Dabei können sowohl sequenzielle als auch parallele Abläufe verteilt, aber auch wieder zusammengeführt werden. Aktivitätendiagramme dienen dazu, relevante Aktivitäten und ihre Zusammenhänge auf einem verallgemeinerten Level aus Sicht der Anwender zu beschreiben und nicht aus Sicht der Implementierung, d.h. aus Sicht des Managementsystems. In Abb. 4.11 ist ein spezielles Aktivitätendiagramm dargestellt, welches den Ablauf zur Nutzungsfreigabe eines technischen Dokumentes in einem Unternehmen beschreibt. Dabei wird zu Beginn das freizugebene Dokument ausgewählt und dem Überprüfungsprozess übergeben. Nach Abschluss des Überprüfung wird in Abhängigkeit des Ergebnisses (positiv oder negativ) entweder das Dokument zur weiteren Überarbeitung übergeben oder für die Nutzung freigegeben. Zustandsdiagramme Die Zielsetzung von Zustandsdiagrammen liegt in der Abbildung von Zuständen und Zustandsübergängen, welche das Verhalten modellierter Objekte (als Instanzen von Klassen) beschreiben. Ein Zustand modelliert im Leben eines Objektes eine spezielle Situation (d.h. Belegung der zugehörigen Attribute mit Werten der jeweiligen Wertebereiche), in der eine bestimmte unveränderliche Bedingung gilt. Besitzen Objekte wenige Zustände und Verhaltensmöglichkeiten, rechtfertigt dieses noch kein entsprechendes Zustandsdiagramm. Sind aber eine Vielzahl von Nachrichten, im Sinne der Kommunikation mit anderen Objekten, zustandsabhängig und sind mehr als zwei Attribute des Objektes zustandsbestimmend, dann ist zur Modellbildung für die exakte Spezifikation des Verhaltens der Einsatz eines entsprechenden Zustandsdiagramms sinnvoll. Ein Zustand gehört immer genau zu einer Klasse und stellt eine Abstraktion bzw. Zusammenfassung einer Menge von möglichen Attributwerten dar, die Objekte dieser Klasse annehmen können. Dabei entspricht nicht jede Änderung eines Attributwertes einer Zustandsänderung. Die erforderliche Abstraktion besteht darin, nur solche Ereignisse zu berücksichtigen, die das Verhalten des konkreten Objektes oder der allgemeinen Klasse entscheidend beeinflussen. Der Zustand ist dann definiert als die Zeitspanne zwischen zwei Ereignissen. Grundsätzlich gibt es dabei zwei besondere Zustände, die den Anfang und das Ende kennzeichnen. Zustände besitzen einen eindeutigen Zustandsnamen. Zustandsübergänge von einem in einen anderen
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
Auswahl des entsprechenden Dokumentes
Freigabeüberprüfung durchführen [ Ergebnis = negativ ] /new Iteration()
Überprüfung beendet Ergebnis?
[ Ergebnis = positiv ]
Dokument zur weiteren Überprüfung übergeben
Dokument für Nutzung freigeben
Dokument für Nutzung nicht freigegeben
Dokument für Nutzung freigegeben
Abb. 4.11 Beispiel - Aktivitätendiagramm zur Nutzungsfreigabe von Dokumenten.
Zustand werden durch spezielle Ereignisse ausgelöst. Ein Zustandsdiagramm umfasst insgesamt das innere Zustandsmodell eines Objektes bzw. einer Klasse und beinhaltet Zustände und Zustandsübergänge als entsprechende definierte Abfolge. Das in Abb. 4.12 angegebene Beispiel eines Zustandsdiagramms umfasst die aus Sicht des Betriebes relevanten Zustände einer Technischen Dokumentation. Die Dokumentation befindet sich im Zustand »In Nutzung«, wenn diese genutzt und bspw. durch die Zuordnung neuer technischer Dokumente verändert wird. Von Zeit zu Zeit ist eine solche Dokumentation auf ihre Inhalte hin zu überprüfen, um bspw. die gesetzlichen Auflagen zu erfüllen. Die Durchführung dieser spezielle Überprüfung soll durch einen Zustand »Dokumentation geprüft« verdeutlicht werden. Nach der Überprüfung wird eine neue Revision der Dokumentation angelegt, die sich dann wieder im Zustand »In Nutzung« befindet. Am Ende des Lebens einer Dokumentation wird diese nach einer abschließenden Überprüfung in den Endzustand »Archiviert« überführt. Mit UML steht eine standardisierte und praxisrelevante Modellierungssprache u.a. zur Dokumentation von Ergebnissen durchgeführter Analysen und Spezifikationen für Aspekte von Managementsystemen bis hin zur Dokumentation ganzer Entwürfe und Implementierungsdetails zur Verfügung.
4.2 Technologien, Hilfsmittel und Unterstützungswerkzeuge
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Änderungen erforderlich /new Iteration() Überprüfung durchgeführt
In Nutzung Änderungen erforderlich /new Revision()
Dokumentation geprüft
Erzeugnis stillgelegt archiviert
neue Dokumentation angelegt Dokumentation anlegen
Abb. 4.12 Beispiel - Zustandsdiagramm für Technische Dokumentationen.
Für die Anwendung der recht mächtigen Sprache ist neben der eigentlichen Sprache zur Dokumentation auch noch ein entsprechendes Vorgehensmodell erforderlich, mit dem einem Anwender in der Anwendung der Sprache ein Hilfsmittel zur Verfügung steht. Entsprechende Vorgehensmodelle in der Literatur sind z.B. im Abschnitt 4.1.3, das Wasserfallmodell, das V-Modell oder auch das Spiralmodell [Dum03]. Ein weiteres sehr umfangreiches Modell steht im kommerziellen Bereich mit Unterstützung entsprechender Softwarewerkzeuge mit dem Rational Unified Process (RUP) zur Verfügung [EM07]. Für die Nutzung und Anwendung entsprechender Methoden und Modelle zur Analyse, Modellierung und Strukturierung von Managementsystemen existieren vielfältigste IT-basierte Unterstützungswerkzeuge, die neben den dargestellten Modellierungstechnologien und Standards insbesondere auch die Vorgehensmodelle bei Bedarf implementieren. Diese Werkzeuge werden auch als CASE-Werkzeuge (Computer-Aided Software Engineering) bezeichnet. CASE-Werkzeuge sind spezielle Softwaresysteme, die den Softwareingenieur bei der Planung, dem Entwurf und der Dokumentation seiner Arbeitsergebnisse unterstützen. Ein wichtiger Bestandteil von CASE-Werkzeugen ist eine grafische Notation, die u.a. zur Visualisierung von Entwurfsergebnissen dient. Heute werden CASE-Werkzeuge in umfassenden integrierten Entwurfsumgebungen bereitgestellt, welche neben modernen objektorientierten Ansätzen auch die strukturierten Vorgehensweisen sowie Datenmodellierungsmethoden unterstützen. Bekannte Vertreter sind u.a. die Software-Produkte »Rational Rose«3 von IBM und »Together«4 von Borland und das Open SourceProdukt »StarUML«5 .
3 4 5
siehe http://www.ibm.com/software/rational/ siehe http://www.borland.com/de/products/together/ siehe http://staruml.sourceforge.net/
258
4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
4.2.2 Effiziente Datenverwaltung Die Geschäftsprozesse der Instandhaltung für Maschinen und Anlagen erfordern für ihre Ausführung vielfältigste Daten, Informationen und Dokumente als Unterstützung, in denen neben technischen Inhalten zum eigentlichen System vor allem auch die durchzuführenden Maßnahmen im Detail beschrieben sind. Nach der Ausführung aller Tätigkeiten werden die durchgeführten Maßnahmen und insbesondere neue Erkenntnisse in Form von Dokumenten festgehalten. Die Aufgabe von Managementsystemen ist es i.Allg., diese Daten, Informationen und Dokumente zu erfassen, zu verarbeiten und »wieder« bereitzustellen bzw. zu präsentieren, mit dem Ziel, alle Anforderungen der Benutzer zu erfüllen und dazu beizutragen, dass die eigentlichen Unternehmensziele erreicht werden. Dieser Sichtweise folgend umfasst ein Managementsystem i.Allg. sämtliche dazu erforderlichen Ressourcen, welche die PC-Hardware, die Daten, Informationen und Dokumente, d.h. die zu verwaltenden Inhalte, die »Daten-Verarbeitungssoftware«, d.h. die zur Verarbeitung relevante Anwendungssoftware, und die notwendige Präsentationssoftware umfassen. Ein Managementsystem kann allgemeingültig wie folgt spezifiziert werden: Ein »Managementsystem« setzt sich aus • einer »Menge verschiedenster Inhalten« und • einer entsprechenden »Verarbeitungssoftware« zusammen. Diese Herangehensweise ermöglicht die separate Betrachtung von Inhalten (vgl. Abschnitt 4.1.1 zum Kapitel 4) und Funktionen bzw. Operationen zur Verarbeitung von Inhalten unter bestimmten Gesichtspunkten und Zielsetzungen. Die Funktionen zur Verarbeitung von Inhalten lassen sich in Funktionen aus Sicht der Verarbeitung, des Managements und der Aufbereitung von Inhalten entsprechend der jeweiligen Zielsetzung im Rahmen der Ausführung von Geschäftsprozessen unterteilen. Für das Management und die Verwaltung von Daten, Informationen und Dokumenten besitzt jede individuelle Anwendungssoftware ihre eigenen Dateien, Daten und/oder Formate. Diese separate Betrachtung aus Sicht der Anwendungssoftware führt i.Allg. zu einer redundanten Datenverwaltung über verschiedene Anwendungssoftware hinweg, d.h. Inhalte werden über die verschiedenen Systeme mehrfach und u.U. auch »anders«, bspw. anders strukturiert, verwaltet, wodurch eine effiziente Verwaltung großer Mengen an Inhalten nur schwer zu realisieren ist. Gerade im Bereich der Instandhaltung arbeiten darüber hinaus oft mehrere Benutzer gleichzeitig, d.h. parallel, auf einem Datenbestand, wodurch sie sich gegenseitig »stören« können. Auch Aspekte des Datenschutzes und der Datensicherheit sind zu berücksichtigen und individuelle, mit entsprechenden jeweils zu implementierenden Funktionen zu gewährleisten. Die Lösung der resultierenden Problemstellungen hinsichtlich der notwendigen Datenverwaltung für individuelle Anwendungssysteme hat in der Vergangenheit dazu geführt, spezielle Softwaresysteme zu entwickeln, mit denen »nur« die Datenverwaltung für Individualsoftware, d.h., der eigentlichen Anwendungen effizient möglich ist. Diese Art von Softwaresystemen wird in der Regel als Datenbanksoftware oder auch Datenbanksysteme (DBS) bezeichnet. Der generelle Aufbau dieser Syste-
4.2 Technologien, Hilfsmittel und Unterstützungswerkzeuge
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me und das Zusammenspiel mit den individuellen Anwendungssystemen lässt sich wie in Abb. 4.13 zusammenfassen, wobei folgende Bestandteile unterschieden werden: • Datenbanken sind der eigentliche Container für die strukturierte Ablage von Inhalten. • Datenbank-Management-Systeme umfassen alle Funktionen zur Ablage von Inhalten in Datenbanken und zur Abfrage von Inhalten, d.h. zur gezielten »Wiedergewinnung« gespeicherter Inhalte aus Datenbanken. • Datenbanksysteme umfassen eine Vielzahl von Datenbanken und ein DatenbankManagement-System. • Anfragen dienen auf Basis einer speziellen Sprache zur Abfrage von Inhalten auf Datenbanken. • Ergebnisse sind das Resultat von Abfragen und umfassen in der Regel alle Inhalte, die den Bedingungen der Anfrage entsprechen.
Anwendungssysteme Softwaresystem
Softwaresystem
Anfragen
…
Softwaresystem
Ergebnisse
Datenbank-Management-System
... Menge der Datenbanken Datenbanksystem
Abb. 4.13 Strukturelles Zusammenspiel von Datenbank- und Anwendungssystemen.
Entsprechend dieser Bestandteile kommunizieren die individuellen Anwendungssysteme mit dem Datenbank-Management-System über spezielle (Datenbank-) Anfragen, welche mit entsprechenden »Ergebnissen« beantwortet werden. Aspekte, die bei einer diesbzgl. Datenverwaltung zu berücksichtigen sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Datenbanksysteme können große Datenmengen effizient verwalten und insbesondere entsprechend individueller Anfragen bereitstellen. Letzteres wird durch eine interne Optimierung individueller Benutzeranfragen gewährleistet.
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
• Benutzer können gleichzeitig und parallel auf demselben Datenbestand arbeiten. Dies wird durch die Implementierung eines effizienten Transaktionskonzeptes gewährleistet. • Datenbank-Management-Systeme implementieren Funktionen, mit denen der Datenschutz, bspw. kein unbefugter Zugriff, und die Datensicherheit, bspw. kein Datenverlust, gewährleitstet werden können. Die Grundprinzipien moderner Datenbanksysteme umfassen zum einen die Umsetzung einer 3-Ebenen-Schema-Architektur, mit welcher die physische und logische Datenunabhängigkeit gewährleistet wird, und zum anderen die Trennung zwischen einer Schema-Ebene und einer Instanz-Ebene, bezogen auf die zu verwaltenden Inhalte. Der Begriff des »Schemas« entspricht hier einer vorgegebenen Strukturierung vorhandener Datenbestände. Diese Grundprinzipien moderner Datenbanksysteme bedeuten im Detail: 3-Ebenen-Schema-Architektur In der 3-Ebenen-Schema-Architektur (vgl. Abb. 4.14) wird grundsätzlich zwischen einer externen, einer konzeptionellen und einer internen Ebene unterschieden, wobei auf der konzeptionellen Ebene dass konzeptionelle Gesamtschema spezifiziert wird (vgl. Abschnitt 4.2). Die externe Ebene umfasst die Sichtweise in Form eines speziellen Datenschemas der individuellen Nutzer-Anwendungen. Die interne Ebene betrifft die Art und Form der Datenspeicherung. Mittels dieser Herangehensweise kann zum einen eine Implementierungsunabhängigkeit, auch physische Datenunabhängigkeit, erreicht werden, d.h. eine Unabhängigkeit der individuellen Anwendungen von der internen Datenspeicherung. Zum anderen wird eine Anwendungsunabhängigkeit, auch logische Datenunabhängigkeit, gewährleistet, da Anwendungen nur einen speziellen Teil des Datenbestandes, d.h. des Datenschemas, verwenden, den diese wirklich benötigen bzw. der wirklich relevant ist. Trennung von Schema- und Instanz-Ebene Zu verwaltende Inhalte werden nach einer zuvor spezifizierten Datenstruktur abgelegt bzw. gespeichert. Die Datenstruktur entspricht dabei dem Datenschema oder auch kurz Schema. Die Trennung von Schema- und Instanz-Ebene bedeutet, dass in Datenbanksystemen zunächst die Struktur berücksichtigt wird und dann erst die Inhalte dieses Schemas. Im Ergebnis werden die Schemata und die Inhalte separat berücksichtigt. Aus Sicht der Anwender soll ein Datenbanksystem in der Lage sein, neben einer effizienten Verwaltung auch die effiziente Gewinnung relevanter Inhalte aus Datenbanken anhand definierter Anfragen und Bedingungen zu unterstützen. Hieraus resultieren hohe Anforderungen an die Realisierung von Datenbanken und -anwendungen, welche sich nur durch ein methodisches Vorgehen bereits in der Entwicklung und Implementierung von Datenbanken erfüllen lassen. Dieses methodische Vorgehen wird durch den sog. Datenbank-Entwurfsprozess bereitgestellt. Dieser Prozess setzt sich, ähnlich wie der Softwareentwicklungsprozess, aus aufeinander folgenden Entwicklungsphasen zusammen. Die Aufgaben der einzelnen Phasen und
4.2 Technologien, Hilfsmittel und Unterstützungswerkzeuge
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externe Ebene Anwendungssicht
Anwendungssicht
…
Anwendungssicht
konzeptionelle Ebene konzeptionelles, globales Gesamtschema
interne Ebene
Abb. 4.14 3-Ebenen-Schema-Architektur moderner Datenbanksysteme.
mögliche Modelle zur Dokumentation und Unterstützung der Phasen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Anforderungsanalyse Im Rahmen dieser Phase werden die Informationsbedarfe hinsichtlich der zu realisierenden Lösung bei den Anwendern und/oder auch in den Fachabteilungen gesammelt und dokumentiert. Im Ergebnis steht eine informative Beschreibung des Fachproblems, wobei graphische Darstellungen, wie z.B. Anwendungsfalldiagramme, und textuelle Beschreibungen zum Einsatz kommen. Generell stehen hierbei maßgeblich Aspekte, bezogen auf die zu verarbeitenden Daten, im Mittelpunkt. Konzeptioneller (Schema-)Entwurf Die Erstellung einer ersten formalen Beschreibung der zu verarbeitenden Daten steht im Mittelpunkt dieser Phase. Dabei werden zu Beginn Schemata, bspw. für die einzelnen Fachabteilungen erstellt, die die jeweilige Sicht der Fachabteilungen auf die Daten widerspiegeln. In einem zweiten Schritt werden diese dann gezielt zu einem konzeptionellen Gesamtschema zusammengeführt. Bei der Integration der verschiedenen »Teil-« Schemata werden diese analysiert, um vorliegende Konflikte zu lösen. Hierbei können bspw. Namenskonflikte, verschiedene Bezeichnungen für das Gleiche, Typkonflikte, verschiedene Strukturen für das gleiche Element, oder auch Strukturkonflikte, gleiche Sachverhalte durch unterschiedliche Konstrukte ausgedrückt, auftreten. Die Dokumentation des konzeptionellen Gesamtschemas kann mithilfe von EER-Diagrammen oder auch Klassendiagrammen auf der Basis von UML erfolgen.
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
Verteilungsentwurf Sollen die zu verarbeitenden Daten auf unterschiedlichen Computern verteilt gespeichert werden, wird in dieser Phase entschieden, welche Teile des Gesamtschemas auf welchen PC-Knoten abgelegt werden. Logischer Entwurf Im Rahmen dieser Phase wird zu Beginn entschieden, in welchem Ziel-Datenbanksystem die Realisierung der Datenbank erfolgen soll. Danach wird das konzeptionelle Datenschema in das Datenmodell des Ziel-Datenbanksystems transformiert. Dies erfolgt generell zunächst durch eine »automatische«, definierte Transformation, welche dann durch den Datenbankentwickler optimiert wird. Als Ergebnis entsteht das logische Schema der Ziel-Datenbank. Datendefinition In dieser Phase wird mithilfe der Anfragesprache des Ziel-Datenbanksystems das logische Schema in ein konkretes Schema auf der Datenbank umgesetzt. Darüber hinaus werden auf der Datenbank notwendige Integritätsbedingungen, bspw. der Zeitpunkt einer Wartung muss immer größer Null sein, und spezielle Anwendungssichten, bspw. aus Sicht der Geschäftsprozesse der Instandhaltung, spezifiziert. Physischer Entwurf Im Rahmen dieser Phase wird die Datendefinition um Aspekte zur Zugriffsunterstützung und zur Effizienzverbesserung ergänzt. Implementierung und Wartung Diese Phase umfasst die »normale« Nutzung der realisierten Datenbank im Rahmen der Anwendung. Aus Sicht der Wartung werden in dieser Phase bspw. weitere Optimierungen der physischen Ebene oder auch spezielle Anpassungen an neue Anforderungen und Systemplattformen durchgeführt. Aus Sicht der Praxis hat sich als Datenmodell kommerzieller Datenbanksysteme das Relationale Modell etabliert [HS00]. Es wird daher als Zielmodell des logischen Entwurfs eingesetzt. Es ist ein sehr einfaches und exaktes Datenbankmodell für die Realisierung von Datenbank-Anwendungen. Das Relationale Modell beruht auf der Idee, relevante Daten in Form von Tabellen abzulegen, wobei hierfür die Struktur der Tabellen bekannt sein muss. Diese Struktur wird auch als Relationenschema, bestehend aus einem Relationennamen und einer Menge von Attributbeschreibungen, bezeichnet und kann direkt aus den Ergebnissen des konzeptionellen Entwurfes abgeleitet werden. Die Elemente der Tabellen werden als Tupel bezeichnet. Eine spezielle Datenbank umfasst dann im Ergebnis eine Menge von miteinander in Beziehung stehender Tabellen. Das relationale Modell wird heute in einer Vielzahl kommerzieller Datenbanksysteme implementiert und kann somit für die Entwicklung realer DatenbankAnwendungen verwendet werden. Im Ergebnis werden solche Systeme auch als relationale Datenbanksysteme bezeichnet.
4.2 Technologien, Hilfsmittel und Unterstützungswerkzeuge
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Für die eigentliche Arbeit mit Datenbanken wurde eine Reihe von Sprachen entwickelt und auch standardisiert. Eine der Wichtigsten ist die Structured Query Language (SQL). SQL ist eine Sprache für relationale Datenbanksysteme mit der unterschiedliche Aufgaben in der Datenbank-Definition und -Nutzung unterstützt werden. Dazu gehört die Spezifikation von Datenbank-Schemata, von Sichten und Zugriffspfaden auf die Daten und vor allem eine entsprechende Anfragesprache. Mit dieser Sprache lassen sich im Ergebnis relationale Datenbanken erzeugen, »mit Daten füllen« und unabhängig von einer konkreten Anwendungssoftware effizient abfragen. Die Bedeutung von Datenbanksystemen zur Unterstützung von Geschäftsprozessen der Instandhaltung basiert in ihrem grundsätzlichen Charakter als Basissystem für die Konzeption und Realisierung spezieller Anwendungssysteme. Im Hinblick auf die Integration mit anderen Unternehmensprozessen können Datenbanksysteme als Unterstützungswerkzeug eines ganzheitlichen Ansatzes und Vorgehens in den Unternehmen effizient eingesetzt werden.
4.2.3 Strukturierung, Transformation und Visualisierung von Daten, Informationen und Dokumenten Im Rahmen von Geschäftsprozessen der Instandhaltung wird eine Vielzahl komplexer Daten, Informationen und Dokumente zur Unterstützung der Tätigkeiten benötigt. Heute führt die gezielte Suche oder Abfrage nach diesen oftmals nicht zum gewünschten Erfolg. Die Ursachen hierfür sind sehr vielfältig und reichen vom NichtVorhandensein bis hin zu unzureichenden Ablagesystemen für Inhalte. Eine wesentliche Voraussetzung für die Suche/Abfrage nach Daten, Informationen und Dokumenten ist daher eine geeignete Organisation der Inhalte nach vorgegebenen bzw. definierten und ggf. standardisierten Strukturen, welche dann für die Suche/Abfrage benutzt werden können. Diese Strukturen werden oft auch als Daten- bzw. Informationsstrukturen bezeichnet. Eine solche Struktur verbindet im Ergebnis einzelne Daten und/oder Informationen miteinander, wobei diese auch aus unterschiedlichen Datenquellen resultieren können. Somit stellen Strukturen ein Netzwerk von Daten und Informationen, bestehend aus unterschiedlichen Knoten, zur Verfügung. Die Struktur definiert damit den Kontext eines Daten-/Informationsknotens, da diese festlegt, welche anderen Knoten mit diesem einen in Verbindung stehen. Ein Beispiel für die Ablage von Daten, Informationen und entsprechenden Verknüpfungen stellen im einfachsten Fall Dokumente dar. In ihnen sind Inhalte mit einer bestimmten Dokumentenstruktur abgespeichert. Grundsätzlich gibt es unterschiedlichste Ansätze, »Daten« und »Informationen«, die nachfolgend kurz als »Information« bezeichnet werden, zu strukturieren. Den einfachsten Fall der Informationsstrukturierung stellt die Lineare Strukturierung dar, bei der relevante Informationen nach einem definierten linearen Reihenfolgekriterium abgelegt werden. Am weitesten verbreitet ist bspw. die alphabetische Reihenfolge. Aber auch Möglichkeiten, häufig benötigte und wichtige Informationen an den
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
Anfang einer Liste zu stellen, können hilfreich sein. Dabei stellt dann die »Wichtigkeit« das Reihenfolgekriterium dar. Vertreter dieser Strukturierungsart sind [BP06]: Vokabulare Vokabulare sind Listen von definierten Begriffen, die explizit indiziert werden. Glossare Zusätzlich zur Liste von Begriffen enthält ein Glossar gegenüber einem Vokabular eine Liste von Termen und Beschreibungen, die oft im Zusammenhang mit Fachtexten stehen. Diese Beschreibung der Begriffe gibt einem ursprünglichen Vokabular eine zusätzliche Semantik und sorgt somit für ein besseres Verständnis. Glossare bestehen aus einer Liste von Glossareinträgen, welche jeweils aus einem definierten Ausdruck, z.B. ein Fachbegriff, und der zugehörigen Definition oder Beschreibung bestehen. Auch Verweise zwischen Begriffen sind zulässig. Die hierarchische Strukturierung stellt eine weitere Möglichkeit dar, Informationen zu strukturieren und für die Suche/Anfrage zu nutzen. Bei dieser Art der Informationsstrukturierung werden mehrere gleichwertige Informationsblöcke voneinander abgegrenzt und mit einem charakteristischen Oberbegriff versehen. Die Auswahlentscheidung zwischen den einzelnen Blöcken wird dann anhand der Oberbegriffe durchgeführt. Dieses Prinzip lässt sich rekursiv mehrfach wiederholen. Wird nun nach einer speziellen Information gesucht oder auch angefragt, muss zunächst entschieden werden, unter welchem Oberbegriff die Information zu finden sein wird. Alle anderen Oberbegriffe werden damit ausgegrenzt bzw. nicht weiter in der konkreten Situation betrachtet. In Printmedien wird dieses Prinzip bei der Untergliederung in Kapitel, Unterkapitel und Absätze verwendet. Zu diesem hierarchischen Strukturierungsprinzip gehören: Taxonomie In einer Taxonomie werden die verwendbaren Begriffe, bspw. eines Glossars, in einer spezifizierten Hierarchie, bestehend aus Ober- und Unterbegriffsbeziehungen, angeordnet. Dabei kann es unterschiedliche Arten charakterisierender Beziehungen geben, bspw. Ganze - Teile-, Rasse - Spezies- oder Typ - Instanz-Beziehungen. Taxonomien enthalten jedoch keine Beschreibungen bzw. Definitionen von Begriffen [ANSI/NISO Z39.19]. Thesaurus/Thesauri Nach DIN 1463-1 ist ein Thesaurus eine geordnete Zusammenstellung von Begriffen und ihrer, vorwiegend natürlichsprachlichen, Beziehungen, die in einem Dokumentationsgebiet zum Indizieren, Speichern und Wiederauffinden dient [DIN 1463-1]. Ontologien Ontologien bauen auf der Hierarchie von Taxonomien und Thesauri auf, erweitern deren Konzepte um assoziative Beziehungen und fügen Möglichkeiten hinzu, um logische Schlüsse ziehen zu können. Hierzu lassen sich Regeln und Axiome als Basis spezifizieren. Die Literatur enthält im Bereich der Informatik unterschiedliche
4.2 Technologien, Hilfsmittel und Unterstützungswerkzeuge
265
Definitionen des Begriffs Ontologie. Die Grundlage für weitere Definitionen ist die Begriffsbestimmung nach [Gru93], in der eine Ontologie als eine explizite Spezifikation einer Konzeptualisierung aufgefasst wird. Diese informale Definition wird häufig um weitere Eigenschaften ergänzt. In [SBF98] wird eine Ontologie als eine formalisierte, explizite Spezifikation einer gemeinsamen Konzeptualisierung definiert. Im Zusammenhang mit Ontologien wird eine Konzeptualisierung als abstraktes Modell angesehen, das durch die Identifikation von relevanten Konzepten eines Phänomens der realen Welt entsteht [SBF98]. Das heißt eine Konzeptualisierung beschreibt, wie die Menschen über bestimmte Dinge in der realen Welt denken [UG04]. In [UG04] werden die einzelnen Elemente der erweiterten Ontologiedefinition wie folgt erläutert: Eine explizite Spezifikation bedeutet, dass die Konzepte und Beziehungen in dem abstrakten Modell einen eindeutigen Namen und detaillierte Definitionen besitzen. Die Forderung nach Formalisierung unterstützt das Auflösen von, den in der natürlichen Sprache häufig auftretenden, Mehrdeutigkeiten sowie die Maschinenlesbarkeit der Ontologie. Zusätzlich ermöglichen die formalen Eigenschaften ein automatisches Ableiten neuer Informationen mit Hilfe von Inferenzmaschinen. Das Attribut »gemeinsam« bezieht sich auf die Möglichkeit der Nutzung und Wiederverwendung von Ontologien in unterschiedlichen Anwendungen und Anwendergruppen. Eine weitere Art der Informationsstrukturierung ergibt sich in der Möglichkeit, Informationen in einem Netz zu strukturieren, in dem Informationen und deren Beziehungen über »beliebige« Verbindungen miteinander dargestellt werden können. Dazu zählen: Semantische Netze Nach [Bei04] ist ein semantisches Netz eine geordnete Zusammenstellung von Begriffen und deren Bezeichnungen, deren Zusammenhang über beliebige Beziehungen miteinander definiert wird. Sowohl Begriffe als auch Beziehungen sind typisierbar und es existiert eine Grammatik für deren Verwendung. Topic Maps Topic Maps dienen der Strukturierung von großen Informationsbeständen mit der Möglichkeit, einzelne Informationsquellen zu referenzieren. Topic Maps sind eine Methode, um semantische Netze umzusetzen. Sie stellen einen inhaltlichen Index der Dokumente dar, wobei die einzelnen Themengebiete, die sog. Topics, untereinander verbunden sind. Sie setzen Topics durch Assoziationen in Beziehung und legen sich auf einer Metadatenebene über die Informationsbestände. Die resultierenden Verknüpfungen erlauben ein zielgerichtetes Navigieren. Nach [WM02] sind Topic Maps semantische Netzwerke, die von referenzierten Dokumenten getrennt sind. Die Dokumente bleiben von Topic Maps unangetastet, Topic Maps sind losgelöst und austauschbar. XML Topic Maps sind ein konkrete Implementierung [ISO/IEC 13250]. Abb. 4.15 gibt nach [BP06] einen zusammenfassenden Überblick und eine spezielle Einordnung der Strukturierungsmöglichkeiten komplexer Informationen, wobei
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
der Grad der semantische Reichhaltigkeit zunimmt. Im Ergebnis stellen bspw. »Ontologien« im Vergleich zu »Taxonomien« vielfältigste Elemente und Möglichkeiten zur semantischen Strukturierung von Informationen bereit.
Vokabular
Glossar
Taxonomie
Thesaurus
Semantische Netze
Ontologien
Zunahme der semantischen Reichhaltigkeit
Abb. 4.15 Methoden zur Strukturierung komplexer Informationen.
Die dargestellten Möglichkeiten der Informationsstrukturierung werden neben anderen Anwendungsfeldern vor allem im Konzept des Semantic Web verwendet und weiterentwickelt [BL00]. Das Semantic Web wird heute oftmals als logische Weiterentwicklung des World Wide Web (WWW) angesehen. Der Ausgangspunkt zur Entwicklung des Semantic Web lag in der Erkenntnis, dass im WWW zu viele Informationen online abrufbar sind und der Mensch als Benutzer ohne Hilfe von sog. intelligenten Maschinen die jeweils relevanten Informationen nicht mehr finden kann. Die Idee des WWW geht auf Tim Berners-Lee zurück, der auch als Erfinder des WWW gilt [BLHL01]. Dem Semantic Web liegt die Vision zugrunde, die über das WWW erreichbare Quellen und damit Inhalte, die bisher nur für die Benutzer verständlich sind, durch Anreicherung mit beschreibenden Informationen, in der Literatur auch als Metadaten und in der Begriffsbestimmung im Abschnitt 4.1.2 als Metainformationen bezeichnet, auch für die intelligente maschinelle Verarbeitung zur Verfügung zu stellen [DIN EN 82045-1]. Dies soll insbesondere dazu beitragen, dass eine automatische Informationsbeschaffung aus verteilt vorliegenden Informationsquellen deutlich einfacher und eine »automatische« Integration von Informationen und Anwendungen über das WWW möglich ist. Um diese Vision umzusetzen, sind bestehende Informationen und auch Informationsquellen um strukturierte, maschinenlesbare Metadaten mit einer fest definierten Bedeutung zu ergänzen. Diese Metadaten sind dann die Basis für die Interpretation »gefundener« Informationen in konkreten Situationen der Suche/Abfrage. Die Architektur des Semantic Webs kann als Schichtenmodell (vgl. Abb. 4.16) zusammengefasst werden [BL00]. Die für die Umsetzung der verschiedenen Schichten oder auch Ebenen notwendigen Technologien sind heute unterschiedlich weit entwickelt. Auf der untersten Ebene befinden sich die Uniform Ressource Identifier (URI) und der Unicode. Durch einen URI können eine Information und deren Informationsquelle eindeutig im WWW identifiziert werden. Damit besteht die Möglichkeit, Informationen einer Informationsquelle oder eine Zeichenkette innerhalb einer Webseite eindeutig zuzuordnen. Die Zeichenströme werden in Unicode kodiert und für die spezielle Syntax wird unter Anwendung der Metasprache eXtensible Markup Language (XML) eine Grammatik der individuellen Austauschsprache spezifiziert. Diese Grammatiken werden im Kontext von XML als Schemata bezeichnet und erlauben die Definition hierarchisch gestaffelter Auszeichnungselemente der je-
4.2 Technologien, Hilfsmittel und Unterstützungswerkzeuge
267
weiligen Sprache, mit denen dann maschinell verarbeitbare Inhalte gekennzeichnet werden können [HM05, BPSM+ 08]. Als Grundlage für die Erfassung und den Austausch von Informationen innerhalb des Semantic Webs dient das Ressourcen Description Framework (RDF). Wie der Name bereits sagt, ist das RDF ein sog. vorgegebener Rahmen, mit dem die Inhalte von Informationsquellen mittels Metadaten beschrieben bzw. identifiziert werden können. Das RDF wurde durch das World Wide Web Consortium (W3C) mit dem Ziel standardisiert, den Austausch von Metadaten zwischen verschiedenen Anwendungen zu ermöglichen [EE04, KC04]. Zur Deklaration der Beschreibungselemente kommt das sog. RDF-Schema (RDFS) zur Anwendung, welches Vorgaben hinsichtlich der Formate zur Definition von Elementen und deren Wertebereichen liefert. Es ist jedoch nur ein Format bzw. liefert nur Vorgaben zur Beschreibung von Inhalten auf einer Metaebene und dient nicht zum Austausch konkreter Inhalte. Diese müssen von den Anwendern selbst, d.h. entsprechend einem konkreten RDF-Schema, spezifiziert werden. Ein RDF-Schema ermöglicht mit wenigen Schemaelementen recht ausdrucksstarke Repräsentationen spezieller Ausschnitte aus der Realität. Durch die Definition von Regeln sollen solche Repräsentationen dazu verwendet werden, bestimmte Inhalte »automatisch« in spezifizierten Ontologien auf der darüber liegenden Ebene »automatisch« einzuordnen. Dazu sind allerdings noch weitere Aspekte, wie logische Konzeptualisierung und spezielle Beweismechanismen zu berücksichtigen, die dann in den nächsten Schichten realisiert werden.
Vertrauen Beweise Regeln Logik Daten Ontologie, Vokabular Daten RDF, RDFS Dokument XML, Namespaces, XML Schema Unicode
URI
Abb. 4.16 Schichtenmodell des Semantic Webs.
Neben einer »sinnvollen« Strukturierung von Daten und Informationen als Ausgangspunkt für effiziente und gezielte Suchanfragen oder auch Abfrage von Inhalten ist noch ein weiterer wesentlicher Aspekt für die Implementierung von Managementsystemen zu berücksichtigen. Prinzipiell existiert eine Vielzahl von Möglichkeiten, denselben Sachverhalt zu strukturieren und Inhalte abzuspeichern. Darüber
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
hinaus gibt es in der Praxis unterschiedliche Managementsysteme für die gleichen Anwendungsfälle, die alle andere Strukturen implementieren. So lässt sich bspw. der Sachverhalt aus Abb. 4.6 auch entsprechend Abb. 4.17 modellieren. Dies liegt generell im Ermessen der Softwarenentwickler.
Wartungsmaßnahme
Inspektionsmaßnahme
Instandsetzungsmaßnahme Bezeichnung
IST
IST
IST
Gültigkeit
Zeitaufwand Nummer Bezeichnung
Maßnahme
Zeitaufwand Kosten
ist beschrieben in
[1,M]
umfasst
Bezeichnung
[1,M]
[1,N]
Leistung
[0,1]
Technische Dokumentation [1,1]
Datum Titel Nummer
ist enthalten [1,N]
Technisches Dokument
Autor
Abb. 4.17 Variertes EER-Schemata in Anlehnung an Abb. 4.6.
Vor dem Hintergrund des Aufbaus übergreifender konzeptioneller Gesamtschemata in den Unternehmen entsprechend der Diskussionen im Abschnitt 4.2 resultiert die Herausforderung, spezifische Strukturen verschiedener Managementsysteme in eine einheitliche Struktur umzuformen bzw. umzuwandeln, d.h. zu transformieren. Nur auf dieser Basis ist die Realisierung unternehmensübergreifender einheitlicher Informationsspeicher unter Anwendung vorhandener Managementsysteme möglich. Dabei stellen vorhandene Strukturen und Inhalte, d.h. strukturierte Daten und Informationen, den Ausgangspunkt und die Grundlage für die eigentliche Transformation dar, welche in neue Strukturen und Inhalte umgewandelt werden sollen. Die Durchführung des eigentlichen Transformationsprozesses kann aus Sicht der Anwender auf unterschiedliche Art und Weise ausgeführt werden. Prinzipiell erfolgt der Transformationsprozess: • manuell, bei denen der Anwender »manuell« die neuen Strukturen und Inhalte bestimmt, • semi-automatisch, bei denen der Anwender an definierten Punkten im Transformationsprozess eingreift und • automatisch durch entsprechende Softwaresysteme. Letzteres wird i.Allg. auch als Generierung neuer Strukturen und Inhalte bzw. Generierungsprozess bezeichnet.
4.2 Technologien, Hilfsmittel und Unterstützungswerkzeuge
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Grundsätzlich wird bei der Transformation zwischen der Strukturtransformation und der Inhaltstransformation unterschieden, wobei innerhalb eines Transformationsprozesses auch Mischformen, in denen gleichzeitig sowohl Inhalte als auch Strukturen umgewandelt werden, auftreten. Die Strukturtransformation beinhaltet das Umformen bzw. Umwandeln vorhandener Strukturen, ohne dass entsprechend strukturierte Inhalte verändert werden. Aus Sicht der Strukturierung mit XML oder auch RDF werden durch diese Art der Transformation vorhandene Schemata in andere Schemata transformiert. Eine geeignete Technologie bzw. Transformationssprache solcher Schemata stellt die Metasprache eXtensible Stylesheet Language Tranformation (XSLT) dar [Man06, Sku07, Cla99]. XSLT ist eine Transformationssprache zur Transformation von XML-Dokumenten, wobei Strukturen, aber auch Inhalte transformiert werden können. In der Transformation von Inhalten, die in einer bestimmten Struktur abgelegt sind, geht es grundsätzlich darum, aus vorhandenen Inhalten neue Inhalte zu erzeugen. Entsprechend der Begriffsbestimmung stellt ein Dokument einen Container für Inhalte nach der gewählten Strukturierung dar, d.h. die Inhalte eines Dokuments werden variiert bzw. umgewandelt und in ein anderes Dokument »geschrieben«. Für die reine Inhaltstransformation von Dokumenten eignet sich auch die Sprache XLST. Einen Spezialfall der inhaltlichen Transformation von Dokumenten stellt die Transformation der Repräsentation von Dokumenten dar. Hierzu ist innerhalb von Dokumenten zwischen den eigentlichen Inhalten, d.h. den Daten und Informationen, und in den Dokumenten enthaltenen Elementen zur Darstellung der Inhalte grundsätzlich zu unterscheiden. Im Ergebnis beinhaltet dies grundsätzlich die Möglichkeit, auch Darstellungsformen, d.h. Formen zur Visualisierung von Inhalten, in andere Formen zu transformieren bzw. Inhalte mit spezifizierten Vorlagen hinsichtlich der Visualisierung zusammenzubringen und im Ergebnis zu visualisieren. Hierfür gibt es verschiedene Technologien und Sprachen, die diese Form der Transformation und Visualisierung von Inhalten unterstützen. Dazu gehören u.a.: HTML/XHTML Die Hypertext Markup Language (HTML) ist eine textbasierte Auszeichnungssprache zur Strukturierung und definierten Visualisierung von Inhalten. HTMLDokumente sind die Grundlage des WWW und können von einem Webbrowser gezielt interpretiert werden. Neben den vom Browser angezeigten Inhalten einer Webseite enthält HTML zusätzliche Angaben in Form von Metainformationen, die bspw. über die im Text verwendete Sprache oder den Autor Auskunft geben. Ferner ist auch eine Zusammenfassung des eigentlichen Inhaltes des HTML-Dokumentes möglich. Die Auszeichnungssprache wird vom World Wide Web Consortium weiterentwickelt [HH09, PI00, MK07]. Parallel existiert die Extensible Hypertext Markup Language (XHTML), welche eine XML-basierte Formulierung von HTML ist, die zeitweilig als Erweiterung und insbesondere als Ersatz für HTML gedacht war. CSS Cascading Style Sheets (CSS) ist eine deklarative Formatierungssprache für struk-
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
turierte Dokumente. Sie wird vor allem zusammen mit HTML und XML verwendet, um Formatierungen der Inhalts-Darstellungen festzulegen. CSS legt dabei fest, wie ein besonders ausgezeichneter Inhalt oder Bereich visualisiert werden soll. Im Ergebnis wird bspw. in HTML-Dokumenten nur »noch« die Bedeutung einzelner Abschnitte markiert, während das Aussehen dieser ausgezeichneten Abschnitte im CSS festgelegt wird. Es wird also der eigentliche Inhalt von der optischen Gestaltung getrennt. Mit CSS ist es generell möglich, für verschiedene Ausgabemedien, wie Bildschirm, Papier, Projektion und Sprache, eine unterschiedliche Darstellung anzugeben. Neben diversen Festlegungen zu Farben und Schriften bietet CSS die Möglichkeit, Elemente frei zu positionieren oder Hintergrundbilder festzulegen. CSS gilt heutzutage als die Standard-Stylesheet-Sprache für Webseiten [Mey07, LB05]. Neben der reinen Darstellung bzw. Visualisierung von Inhalten auf Basis von Dokumenten existiert heute eine Reihe weiterer Methoden und Technologien zur Darstellung strukturierter Inhalte, mit denen vor allem Inhalte und auch Wissen in anderen Formen und Arten dargestellt, d.h. visualisiert werden können. Dazu gehören bspw.: Technologien, Methoden und Werkzeuge der Virtuellen Realität Mit dem Begriff der »Virtuellen Realität« (engl. Virtual Reality, kurz: VR) wird i.Allg. eine Kombination von Methoden, Technologien, Unterstützungswerkzeugen und auch Hardwaresystemen verstanden, mit denen es den Benutzern möglich ist, interaktiv in einer von einem Computer generierten Welt, d.h. einer virtuellen Welt, mit zu vermittelnden Inhalten zu interagieren. Deshalb stehen in der VR neben den Inhalten und deren Darstellung insbesondere die Interaktionsmöglichkeiten im Mittelpunkt. Um bei den Benutzern ein Gefühl der Immersion, d.h. das Eintauchen in eine künstliche Welt, zu erzeugen, werden zur Darstellung von Inhalten in virtuellen Welten spezielle Ausgabegeräte, d.h. Hardwaresysteme mit spezieller Software, benötigt. Bekannt sind heute vor allem das Head-Mounted Display, Großbildleinwände sowie die CAVE-Umgebungen. Um einen räumlichen Eindruck zu erzeugen, werden zwei Bilder aus unterschiedlichen Perspektiven nach dem Prinzip einer Stereoprojektion erzeugt und dargestellt. Für die Interaktion mit virtuellen Welten werden zusätzlich spezielle Eingabegeräte benötigt. Zu nennen sind hier unter anderem Spacemouse, Datenhandschuh und Flystick. Teilweise werden aber auch Standardeingabegeräte, wie Tastatur oder Maus, oder sehr spezialisierte Geräte verwendet. Zur Positionserfassung von Objekten der realen Welt werden Trackingsysteme verwendet. Für die Erzeugung virtueller Welten werden speziell für diesen Zweck entwickelte Softwaresysteme benötigt. Diese Systeme müssen komplexe dreidimensionale Welten in Echtzeit, d.h. mit mindestens 25 Bildern pro Sekunde in Stereo, getrennt für das linke und das rechte Auge, berechnen können. Für die Modellierung dreidimensionaler, virtueller Objekte und Welten kommen verschiedene Autorensysteme zum Einsatz. Ferner existieren unterschiedliche Daten-Standards zur Beschreibung von Inhalten in virtuellen Welten. Hierzu gehören bspw. die Modellierungssprache Extensbile 3D (X3D) als Nachfolger der Virtual Reality Modeling Language (VRML) für die Modellierung ganzer virtueller Szenen oder auch spe-
4.3 IT-Systeme in der Instandhaltung
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zielle 3-D-Datenformate für die Modellierung von Objekten wie das Object File Format (OBJ).
4.3 IT-Systeme in der Instandhaltung In der Instandhaltung werden unterschiedlichste Daten, Informationen und Dokumente erzeugt bzw. benötigt. Derzeit sind für die Verwaltung dieser Daten, Informationen und Dokumente verschiedenste Systeme mit unterschiedlichen Aufgabenbereichen und Funktionalitäten im Einsatz. Diese Systeme können entsprechend ihrer Aufgabenbereiche und Funktionalitäten in Klassen eingeteilt werden.
4.3.1 Instandhaltungsplanungs- und -steuerungssysteme Die meisten Systeme, die im Bereich der Instandhaltung eingesetzt werden, sind Instandhaltungsplanungs- und -steuerungs-Systeme (IPS-Systeme). IPS-Systeme planen, steuern und überwachen Instandhaltungsmaßnahmen. Instandhaltungsmaßnahmen werden dabei als Arbeitsaufträge im IPS-System abgebildet [Wei05]. IPSSysteme umfassen folgende Hauptfunktionen: Objektverwaltung Hier erfolgt die Verwaltung aller Objekte, für die Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden können. Zusätzlich werden Informationen, wie bspw. zum Aufstellungsort abgespeichert. Über die Objekte kann die Auftragshistorie abgelegt und eingesehen werden. Auftragsplanung In der Auftragsplanung werden zustands-, störungs- und intervallbasierte Instandhaltungsmaßnahmen geplant. Auftragssteuerung Die Auftragssteuerung setzt nach der Auftragsplanung an. Sie beginnt nach dem Auslösen einer Instandhaltungsmaßnahme und endet mit deren Rückmeldung. So ist es möglich, eine Übersicht über alle aktuell laufenden Aufträge zu behalten. Kostencontrolling Das Kostencontrolling dient der Kostenplanung, -steuerung und -kontrolle. Ersatzteil- und Bestellwesen Das Ersatzteil- und Bestellwesen befasst sich mit der Ersatzteilbeschaffung und deren Überwachung. Es können damit Lagerbestände, Wareneingänge, Lagerentnahmen etc. überwacht werden.
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
Auswertungen, Analysen und Berichte Die Auswertungen, Analysen und Berichte dienen bspw. zur Bildung von Kennzahlen oder zur Verfolgung von Trends. Der vom IPS verwaltete Datenbestand kann so grafisch aufbereitet werden. Mit diesen Funktionalitäten genügen IPS-Systeme den Anforderungen der Instandhaltung. Ein Nachteil bei dem Einsatz dieser Systeme ist jedoch, dass das in den einzelnen Instandhaltungsmaßnahmen gewonnene Erfahrungswissen nicht verwaltet werden kann und somit verloren geht. Bekannte Vertreter von IPS-Systemen sind u.a. die Software-Produkte »SAP R Asset ManaPM« von der SAP Deutschland AG & Co. KG6 , »IBM Maximo 7 8 gement« von IBM und »API PRO« von API Maintenance Systems A/S.
4.3.2 Condition Monitoring Systeme Condition Monitoring Systeme (CMS) haben zum Ziel, den Anlagenzustand zu erfassen und weiterzugeben sowie eventuelle Schäden frühzeitig zu erkennen. Um dieses Ziel zu erreichen, bieten sie die folgenden Funktionalitäten an: • • • • •
Messwerterfassung Messwertspeicherung und -verdichtung Online-Überwachung und -Verknüpfung von Messwerten Auswertung der Messdaten Erfassung und Verarbeitung von Zusatzinformationen
Der Schwerpunkt von Condition Monitoring Systeme liegt heute vor allem auf der Schwingungsüberwachung, Thermografie, Drehmomentmessung (Verformung /Verbiegung), Stromaufnahmemessung, Druckluftverbrauchsmessung, Ölanalysen und Körperschallanalyse. Solche Systeme stellen somit eine Informationsquelle in der Instandhaltung dar. Die dort gesammelten Daten und Informationen können genutzt werden, um bspw. Instandhaltungsmaßnahmen zu veranlassen. Bekannte Anbieter von Condition Monitoring Systemen sind Bently Nevada9 , Bosch Rexroth AG10 , iba AG11 , National Instruments12 , Prüftechnik AG13 und Rockwell Automation14 . Von diesen Anbietern werden neben der reinen Hardware 6
siehe http://www.sap.de/ siehe http://www.ibm.com/software/tivoli/products/maximo-asset-mgmt/ 8 siehe http://www.apipro.com/ 9 http://www.ge-energy.com/prod_serv/products/oc/en/bently_nevada.htm 10 http://www.boschrexroth.com/country_units/europe/germany/de/index.jsp 11 http://www.iba-germany.com/ 12 http://digital.ni.com/worldwide/germany.nsf/main?readform 13 http://www.pruftechnik.com/deutsch/ 14 http://www.rockwellautomation.de/ 7
4.3 IT-Systeme in der Instandhaltung
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zur Messdatenerfassung auch unterschiedlichste Softwarepakete für die Messdatenspeicherung und -auswertung mit obigen Schwerpunkten kommerziell angeboten.
4.3.3 Enterprise Resource Planning-Systeme In Instandhaltungsmodulen von ERP-Systemen werden notwendige Funktionalitäten bereitgestellt. Die Instandhaltung wird dabei als Bestandteil betrieblicher Geschäftsprozesse angesehen und als Weiterführung der geschäftlichen Wertschöpfung verstanden. Instandhaltungsmodule verfügen dabei um den Funktionsumfang traditioneller IPS-Systeme. Es existieren jedoch Verbindungen zu den Funktionalitäten des ERP-Systems, wie der Materialwirtschaft, dem Qualitätsmanagement, der Finanz-/Debitorenbuchhaltung, der Personalwirtschaft etc. Bekannte Vertreter von ERP-Systemen sind u.a. die Software-Produkte »SAP R «16 von MiERP«15 von der SAP Deutschland AG, »Microsoft Dynamics NAV 17 crosoft und »PeopleSoft Enterprise« von der Oracle Corporation.
4.3.4 Dokumentenmanagementsysteme Entsprechend der VDI 4500-2 beinhalten Dokumentenmanagementsysteme (DMS) vielfältigste Konzepte und Methoden, mit denen große Mengen heterogener Dokumente erstellt, indiziert, archiviert, aufgefunden, weitergeleitet und vernichtet werden können [VDI 4500-2]. Dafür stellt das DMS verschiedene Funktionen bereit: Dokumentimport Beim Dokumentimport werden die einzupflegenden Dokumente physisch in das DMS übernommen. Nicht digitalisierte Dokumente müssen im ersten Schritt mithilfe von Scannern digitalisiert werden. Wenn der Inhalt der digitalisierten Dokumente weiterverarbeitet werden soll, können OCR-Verfahren (Optical Character Recognition) eingesetzt werden, um die Inhalte maschinenlesbar zu machen [MNY99]. OCR weist jedoch eine gewisse Fehlerrate auf, die von der Qualität des digitalisierten Dokumentes und von den konkret angewendeten Software abhängig ist. Indizierung Um Dokumente und deren Inhalte eindeutig identifizieren zu können, werden diese indiziert. Mithilfe von Stichworten kann der Inhalt des Dokumentes näher beschrieben werden.
15 16 17
siehe http://www.sap.com/germany/solutions/business-suite/erp/ siehe http://www.microsoft.com/dynamics/nav/ siehe http://www.oracle.com/us/products/applications/peoplesoft-enterprise/
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
Verwaltung Importierte Dokumente und ihre Metadaten müssen entsprechend abgelegt werden. Zusätzlich werden über diese Funktionalität eine Versionsverwaltung und ein Freigabe-/Änderungsmanagement angeboten. Archivierung Die Archivierung dient der Langzeitspeicherung der Dokumente und deren Metadaten. Mithilfe von Administrationsfunktionen können bspw. Archive verwaltet werden oder die Sicherungsmechanismen eingerichtet werden. Recherche Mithilfe von Suchfunktionen können Dokumente wiedergefunden werden. Es existieren zwei Arten der Suche. Zum einen eine Suche über Suchbegriffe und zum anderen eine Volltextsuche. Schlagwörter, Attribute etc. bilden die Grundlage für die Suche über Suchbegriffe. Bei der Volltextsuche wird im gesamten Dokumenteninhalt gesucht. Reproduktion Im DMS vorhandene Dokumente können angezeigt, gedruckt oder anderweitig reproduziert werden. Administration Innerhalb der Administration können Zugriffsberechtigungen, Benutzereinstellungen, statistische Auswertungen, Daten- und Dokumentensicherung sowie Backup und Recovery gepflegt werden. Üblicherweise bestehen Dokumentenmanagementsysteme nach [Str08] aus einer grafischen Benutzeroberfläche, einer Administrationskomponente, einer Einund Ausgabekomponente, einer Ablagedatenbank und einer Metadatenbank. Diese Komponenten dienen zur Umsetzung der jeweiligen Grundfunktionalitäten, wobei die Administrationskomponente spezielle Funktionen für die Administration des Gesamtsystems bereitstellt. Die Eingabekomponente übernimmt den Dokumentenimport und die Indizierung. Die Verwaltung und Archivierung werden in der Ablage- und der Metadatenkomponente umgesetzt und die Recherche und Reproduktion in der Ausgabekomponente. Die Systemarchitektur ist in Abb. 4.18 zusammengefasst dargestellt. In der Instandhaltung werden vielfältigste Dokumente erzeugt und benötigt. So werden bspw. Informationen über Wartungen mithilfe von Wartungsprotokollen dokumentiert. Innerhalb von Instandhaltungsmaßnahmen werden Dokumente, wie Montageanleitungen oder Wartungspläne, benötigt. Ein Dokumentenmanagementsystem könnte in der Instandhaltung bspw. dazu genutzt werden, um die dort anfallenden bzw. benötigten Informationen zu verwalten. Die Besonderheit von DMS ist, dass Dokumente als »atomare Einheit« verwaltet werden und nicht die Inhalte selbst. In vielen Anwendungen ist aber nicht das Dokument wichtig, sondern der Inhalt. Bspw. wird bei der Organisation der Instandhaltung für eine Anlage ein Wartungsplan erstellt. Dieser basiert auf den Informa-
4.3 IT-Systeme in der Instandhaltung
275
Grafische Benutzeroberfläche
Administrationskomponente
Eingabekomponente
Ausgabekomponente
Abb. 4.18 Architektur von Dokumentenmanagementsystemen in Anlehnung an [Str08, GSM+ 04].
tionen aus den Wartungsplänen der einzelnen Anlagenkomponenten. Um also den Wartungsplan der Gesamtanlage zu erstellen, müssen die Dokumente »durchgesehen« werden. Komfortabler und effizienter ist es, wenn direkt nach den benötigten Informationen innerhalb der Dokumente gesucht werden kann. Bekannte Vertreter von Dokumentenmanagementsysteme sind u.a. die SoftwareProdukte »Open Text Document Management«18 von der Open Text Corporation, »Easy Enterprise«19 von der Easy Software AG und »IBM FileNet«20 von IBM.
4.3.5 Engineering und Product Data Management Systeme Systeme mit denen nicht nur Dokumente verwaltet werden können, sind bspw. EDM-/PDM-Systeme. Die Begriffe EDM (Engineering Data Management) und PDM (Product Data Management) werden oftmals synonym verwendet. EDM beinhaltet die ganzheitliche, strukturierte und konsistente Verwaltung aller Abläufe und Daten, die bei der Entwicklung von neuen oder bei der Änderung vorhandener Produkte anfallen. PDM hat zum Ziel, produktdefinierende, -repräsentierende und präsentierende Daten sowie Dokumente als Ergebnis der Produktentwicklung zu speichern und zu verwalten. EDM-/PDM-Systeme haben folgende Ziele: • Inhalte, Abhängigkeiten und Strukturen der Produkt beschreibenden Daten zu übernehmen bzw. zu erzeugen und transparent zu machen, • das Auffinden, Weitergeben und Verwalten dieser Daten effektiv durchzuführen, • optimierte Abläufe abzubilden und zu unterstützen sowie • eine Integration bzw. Kopplung an benachbarte IT-Systeme, wie Produktionsplanung und -steuerung, Büroautomatisierung und Projektmanagementsysteme, zu ermöglichen. 18 19 20
siehe http://www.opentext.de/3/global/sol-products/ siehe http://www.easy.de/ siehe http://www.ibm.com/software/de/data/cm/filenet.html
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
Um diese Ziele zu erreichen, haben EDM-/PDM-Systeme nach der VDI 2219 folgende grundsätzliche Funktionalitäten [VDI 2219]: Produktdaten- und Dokumentenmanagement Hier erfolgt die allgemeine Verwaltung von Produktdaten und der dazugehörigen Dokumente. wie bspw. CAD-Modelle oder Zeichnungen, inkl. der Kopplung zu den jeweiligen Erzeugersystemen. Dies beinhaltet eine Versions- bzw. Statusverwaltung und die Verwaltung von Ordnern. Weiterhin werden zu diesen Objekten Metadaten verwaltet. Produktstruktur- und Konfigurationsmanagement Produktstrukturen können erstellt und verwaltet werden. Ebenso ist es möglich, Stücklisten zu generieren. Darüber hinaus können zeitliche Veränderungen von Produktstrukturen in Form von Konfigurationen und Versionen sowie Produktvarianten verwaltet werden. Klassifizierung und Teilefamilienmanagement Teile können bspw. über Sachmerkmalslisten identifiziert werden. Effiziente Mechanismen zum Suchen und Wiederfinden von Teilen bzw. Produktinformationen werden bereitgestellt. Prozess- und Workflowmanagement Abläufe, wie Freigabe- und Änderungsprozesse, werden abgebildet. Es ist somit möglich, Statusinformationen über Arbeitsfortschritte bereitzustellen. Benutzermanagement Organisationsstrukturen werden abgebildet bzw. Benutzer oder Benutzergruppen können verwaltet werden. Es können damit Zugriffsrechte auf die Datenbestände festgelegt werden. Projektdatenmanagement Aktivitäten, Abhängigkeiten und Zeitpläne sowie Projektmanagementinformationen, wie Meilensteine, können verwaltet werden. Neben diesen Hauptfunktionen können EDM-/PDM-Systeme weitere Funktionalitäten wie E-Mail-Anbindung, Vorschau-, Annotations- oder Markierungsfunktionalitäten in Dokumenten oder Datensicherungs-/Archivierungsfunktionen unterstützen. Mithilfe von Administrationswerkzeugen kann das EDM-/PDM-System an die Unternehmensstruktur angepasst werden. EDM-/PDM-Systeme haben eine Client-Server-Architektur. Die Basis dieser Systeme bildet in der Regel ein Datenbanksystem. Über eine grafische Benutzeroberfläche können die Anwender auf die Funktionalitäten zugreifen, um so bspw. Daten manipulieren zu können. Die Funktionalitäten gewährleisten auch, dass bspw. nur ein Anwender gleichzeitig schreibenden Zugriff auf die gleichen Daten hat. Mithilfe der Administrationswerkzeuge kann das EDM-/PDM-System entsprechend angepasst werden. EDM-/PDM-Systeme bieten nach außen diverse Schnittstellen
4.3 IT-Systeme in der Instandhaltung
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an, um Daten mit anderen Systemen austauschen zu können. Eine grobe Systemarchitektur ist in Abb. 4.19 dargestellt.
grafische Benutzeroberfläche
Bereitgestellte Funktionalitäten
– – – – – –
Produktdaten- und Dokumentenmanagement Produktstruktur- und Konfigurationsmanagement Klassifizierung und Teilefamilienmanagement Prozess- und Workflowmanagement Benutzermanagement Projektdatenmanagement
weitere Funktionalitäten – – – –
E-Mail-Anbindung Vorschaufunktion Annotations- und Markierungsfunktion ...
Schnittstelle
Grundfunktionalitäten
Administration und Anpassung
Abb. 4.19 Architektur von EDM-/PDM-Systemen in Anlehnung an die VDI 2219.
Derzeitige EDM-/PDM-Systeme können nur die Produktentwicklungsprozesse abbilden. Die Unterstützung von nachgelagerten Produktlebenszyklusphasen und somit auch die der Instandhaltung fehlen. Die zugrunde liegenden Konzepte und Funktionalitäten werden jedoch auch in der Instandhaltung benötigt, sodass eine Erweiterung von EDM-/PDM-Systemen auf Betriebsprozesse sinnvoll wäre. Bekannte Vertreter von Produktdatenmanagementsysteme sind u.a. die SoftwareProdukte »Windchill PDMLink«21 von der Parametric Technology Corporation, »Teamcenter Express«22 von der Siemens AG und »CIM Database Turnkey PDM«23 von der CONTACT Software GmbH. 21 22 23
siehe http://www.ptc.com/products/windchill-pdmlink/ siehe http://www.plm.automation.siemens.com/de_de/products/velocity/tcexpress/pdm.shtml siehe http://www.contact.de/pdm-plm-products/
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4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
4.3.6 Elektronische Ersatzteilkataloge Systeme, mit denen spezielle Daten, Informationen und Dokumente für Ersatzteile verwaltet und bereitgestellt werden können, sind sog. elektronische Ersatzteilkataloge (eETK). eETKs sind elektronisch erzeugte, über Datenträger oder Kommunikationsnetzwerke verbreitete Ersatzteilkataloge, deren Daten durch EDV-Systeme präsentiert werden können. Die Informationen können auch automatisiert auf Papier ausgedruckt werden [VDI 4500-3]. Sie bieten nach der VDI 4500-3 folgende Funktionalitäten, um die Daten, Informationen und Dokumente zu verwalten und zu nutzen: Grafische Darstellungen von Ersatzteilen Die Konsistenz zwischen der grafischen Darstellung und der Stückliste muss gewährleistet sein. Dazu ist eine Verbindung zwischen der Stückliste und der grafischen Darstellung möglich, sodass innerhalb der beiden Darstellungsformen navigiert werden kann. Identifikation und Klassifikation der Stücklisteninhalte Zu den Ersatzteilen werden sowohl Herstellerinformationen, wie Anschrift, Produktinformationen, zu denen das Ersatzteil gehört, wie Typbezeichnung, als auch Ersatzteilinformationen, wie die Identifikationsnummer, bereitgestellt. Mithilfe dieser Informationen können die Ersatzteile eindeutig identifiziert und klassifiziert werden. Aktuelle Preisinformationen können bspw. über das Internet abgerufen werden. Bestellfunktion Mithilfe der Bestellfunktion können ausgewählte Ersatzteile in einer Anfrage- bzw. Bestellliste zusammengefasst werden, die direkt an den Lieferanten der Ersatzteile versandt werden können. Navigationsstrukturen Der Ersatzteilkatalog sollte genau wie das Produkt angemessen strukturiert sein, um so ein schnelles Auffinden der benötigten Informationen sicherzustellen. Suchfunktionalitäten Erweiterte Suchfunktionalitäten werden dem Nutzer angeboten, sodass es nicht nur möglich ist, über die Seriennummer ein bestimmtes Ersatzteil zu suchen. Mehrsprachigkeit Einige eETKs bieten die Möglichkeit, die Ersatzteilinformationen in verschiedenen Sprachen zu verwalten, um sie in mehreren Ländern nutzen zu können. Publishing Alle gespeicherten Daten, Informationen und Dokumente können in verschiedenen Medien publiziert werden. So ist es bspw. möglich, einen Ersatzteilkatalog in Form
4.3 IT-Systeme in der Instandhaltung
279
eines Printmediums herzustellen, oder auch nur auszugsweise auszudrucken bzw. als Online-Ersatzteilkatalog über das Internet bereitzustellen. Entsprechend Abb. 4.20 bestehen eETK’s aus einem Datenspeicher. Die Datenspeicherung kann entweder in einem Datenbanksystem erfolgen oder dateibasiert bspw. in Form von XML-Dateien umgesetzt sein. Über eine grafische Benutzeroberfläche können Funktionalitäten genutzt werden, um die benötigten Daten zu erstellen bzw. vorhandene Daten zu manipulieren. Über Schnittstellen ist es auch möglich, Daten aus ERP- oder PPS-Systemen zu importieren. Der Ersatzteilkatalog kann dann über Publishing-Funktionen in verschiedene Medienformate, wie OnlineKataloge oder Printmedien, exportiert werden.
grafische Benutzeroberfläche OnlineKataloge
Schnittstelle
Funktionalitäten
– Identifikation und Klassifikation der Stücklisteninhalte – Bestellfunktion – Publishing – ...
Printmedien
CD-ROM
Abb. 4.20 Architektur von elektronischen Ersatzteilkatalogen.
Bekannte Vertreter von Elektronischen Ersatzteilkatalogen sind u.a. die SoftwareProdukte »PARTS-PUBLISHER«24 von der Docware GmbH und »Components Engine«25 von der ProgetPlus S.r.l.
4.3.7 Wissensmanagementsysteme Wissensmanagementsysteme (WMS) haben die Aufgabe das Wissen einer Organisation zu managen. Das bedeutet natürlich weit mehr als die Anschaffung und Implementierung einer Software. Das Management des Wissens eines Unternehmens kann jedoch durch eine Software unterstützt werden. Dazu wird das implizit vorliegende Wissen in Form expliziter Informationen modelliert und abgelegt. Im Ergebnis liegt das Wissen indirekt in Form von Informationen in den Systemen vor. Wis24 25
siehe http://www.docware.de/ siehe http://www.componentsengine.net/
280
4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
sensmanagementsysteme (d.h. eigentlich Informationsmanagementsysteme) verfügen nach [MK99] über folgende Funktionen: Wissenssuche Für die Suche von benötigten Informationen werden verschiedene Möglichkeiten angeboten, bspw. kann mithilfe von Schlagworten im Informationsbestand gesucht werden. Ebenso ist es möglich in Wissensgebieten/-clustern zu navigieren, um so themenbezogene Informationen wiederzufinden. Wissenszustellung Die Wissenszustellung erfolgt bspw. über News-Ticker oder Benachrichtigungen, wenn neue Informationen in das WMS eingepflegt worden sind. Wissenspräsentation und -visualisierung Gefundene Informationen werden entsprechend priorisiert. Es können bspw. auch »nicht-gesuchte« Wissenselemente/Suchbegriffe visualisiert werden (»Wer x sucht, sucht auch y.«). Zusätzlich bieten einige Wissensmanagementsysteme an, Informationen in Knowledge Maps darzustellen oder die »semantische Nähe« zwischen Informationen Wissenspublizierung, -strukturierung und -vernetzung Es ist möglich, dass Nutzer ihre Inhalte unstrukturiert (formatfrei) einpflegen. Diese Inhalte werden dann entsprechend indiziert, eingeordnet und vernetzt. Sie können dann in Wissensgebiete eingeordnet werden. Diese Wissensgebiete können frei generiert und strukturiert werden. Automatische Wissenseinbringung Es ist möglich, Informationsquellen aus externen Informationsquellen zu importieren. Wissenskommunikation und -kooperation Informationen können bspw. über E-Mails, Videokonferenzen, elektronische Whiteboards, Diskussionsgruppen etc. zwischen den Nutzern verteilt werden und die Nutzer können so miteinander interagieren. Administration der Wissensmanagementsysteme Zugriffsrechte werden über das Rollenprinzip vergeben. Die Gestaltung der Oberfläche ist beliebig anpassbar. Analyse von Daten zur Erstellung von Wissenselementen Es werden Funktionen zur statistischen Datenauswertung bereitgestellt. Wissensmanagementsysteme können in der Instandhaltung bspw. dazu genutzt werden, um das in den Instandhaltungsmaßnahmen gewonnene Wissen zu dokumentieren und zu verbreiten. So können Fehlerquellen minimiert und die Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen optimiert werden.
4.4 Normen, Richtlinien und Standards der Instandhaltung für Managementsysteme
281
Bekannte Vertreter von Wissensmanagementsystemen sind u.a. die SoftwareProdukte »K-Infinity«26 von der intelligent views gmbh, »powerKNOW«27 von der KLV Unternehmensberatung und Softwareentwicklung GmbH und »T3 Knowledge Architecture«28 von der T3 GmbH.
4.4 Normen, Richtlinien und Standards der Instandhaltung für Managementsysteme Es existieren diverse Normen, Richtlinien und Standards, die Vorgaben bzw. Empfehlungen für die Instandhaltung in Unternehmen beinhalten. Die folgende Zusammenstellung stellt die wichtigsten dieser Standards, Normen und Richtlinien vor und informiert über deren Zielsetzungen, Inhalte und wenn vorhanden, über den jeweiligen Bezug zu IT-Systemen bzw. -Systemklassen. Die Normen DIN EN 13306 [DIN EN 13306] und DIN 31051 [DIN 31051] geben eine allgemeine Einführung in die Welt der Instandhaltung und definieren wichtige Begriffe dieses Bereiches. In der DIN 31051 wird die Instandhaltung zunächst in vier Grundmaßnahmen unterteilt: Inspektion, Wartung, Instandsetzung und Verbesserung. Diese und weitere Begriffe, wie Abnutzungsvorrat werden im Anschluss daran definiert. Es wird kein Bezug zu IT-Systemen bzw. -Systemklassen hergestellt. Die Norm beschreibt jedoch, aus welchen Tätigkeiten die einzelnen Instandhaltungsmaßnahmen entstehen, sodass diese Norm als Basis für ein prozessgestütztes Daten-, Informationsund Dokumentenmanagement verwandt werden kann. In der DIN EN 13306 werden alle Begriffe der Instandhaltung definiert. Es wird dabei zwischen Grundbegriffen, Begriffen zu Einheiten, Eigenschaften von Einheiten, Ausfällen und Ereignissen, Fehlern und Zuständen, Instandhaltungsarten, Instandhaltungstätigkeiten, zeitbezogenen Begriffen, Instandhaltungsmitteln und Geräten sowie wirtschaftlichen und technischen Richtgrößen unterschieden. Auch in dieser Norm wird kein Bezug zu IT-Systemen bzw. -Systemklassen hergestellt. Es werden lediglich Begriffe definiert. Bei einer systemtechnischen Umsetzung eines Daten-, Informations- und Dokumentenmanagements für die Instandhaltung sollten die dort aufgeführten Begriffe verwandt werden, um so eine Akzeptanz in diesem Bereich zu gewährleisten. Neben diesen allgemeinen Normen gibt es Richtlinien, die bspw. Vorgaben für Instandhaltungsstrategien machen, wie die VDI-Richtlinie VDI 2888 [VDI 2888]. Diese Richtlinie widmet sich dem Thema der zustandsorientierten Instandhaltung. Dazu wird eine Einführung in das Thema gegeben. Es wird definiert, für welche Art von Anlagen die Richtlinie angewandt werden kann, bspw. in Produktionsanlagen. Im Anschluss daran wird eine Vorgehensweise vorgestellt, mit der eine zustands26 27 28
siehe http://www.i-views.de/web/ siehe http://www.klv.de/knowledge-management-system.htm siehe http://www.t-3.de/
282
4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
orientierte Instandhaltung eingeführt werden kann. Es wird dargestellt, wie der Zustand der Anlage bewertet und prognostiziert werden kann, um darauf aufbauend, Instandhaltungsmaßnahmen abzuleiten bzw. Schwachstellenanalysen durchzuführen. Es wird ebenso wie in der DIN EN 13306 oder DIN 31051 kein Bezug zu IT-Systemen bzw. -Systemklassen hergestellt. Des Weiteren existieren Normen, die Vorgaben für die in der Instandhaltung benötigten bzw. erzeugten Dokumente, deren Struktur und deren Inhalte beinhalten. Zu diesen Normen gehört bspw. die DIN EN 13460 [DIN EN 13460]. Dort werden alle Dokumentarten aufgeführt, die für die Instandhaltung benötigt werden bzw. aus der Instandhaltung resultieren. Dafür werden die Dokumentarten zum einen in die technische Dokumentation eingeordnet, die bei der Inbetriebnahme dem Betreiber der Anlage zu übergeben ist und zum anderen werden Dokumentarten aufgeführt, die im Betrieb erstellt werden. Jede Dokumentart wird beschrieben und deren Informationselemente werden aufgeführt. Die Instandhaltung wird in einzelne Tätigkeiten aufgegliedert und zu jeder Tätigkeit werden Ein- und Ausgangsdokumentenarten aufgeführt. Auch in dieser Norm wird kein Bezug zu IT-Systemen bzw. Systemklassen hergestellt. Jedoch gibt diese Norm einen Überblick darüber, welche Dokumente in einem IT-System verwaltet werden müssen und in welchen Prozessen sie erzeugt und bereitgestellt werden müssen, sodass diese Norm als Basis für ein Daten-, Informations- und Dokumentenmanagement im Bereich der Instandhaltung dienen kann. In der DIN 31052 [DIN 31052] werden der Inhalt und der Aufbau von Instandhaltungsanleitungen erläutert. Diese können demnach auch Bestandteil von Bedienungsanleitungen sein. Anhand von Beispielen wird der Inhalt erläutert. In dieser Norm wird ebenfalls kein Bezug zu IT-Systemen bzw. -Systemklassen hergestellt. Die DIN 11042-1 [DIN 11042-1] geht insbesondere darauf ein, welche Symbole für die Darstellung von Tätigkeiten in Instandhaltungsanleitungen verwandt werden sollten. Dabei werden mögliche Bildzeichen dargestellt, deren Benennung und eine kurze Erläuterung aufgeführt. Ebenso wie bspw. in DIN 31052 wird in dieser Norm kein direkter Bezug zu IT-Systemen bzw. -Systemklassen hergestellt. Auf Wartungsanleitungen, die einen Bestandteil von Instandhaltungsanleitungen darstellen, wird in der VDI-Richtlinie VDI 2890 [VDI 2890] eingegangen. Es werden zunächst wichtige Begriffe, wie Wartungsplan, Baugruppe oder Zustand, definiert. Im Anschluss wird eine Vorgehensmethode vorgeschlagen, mit der Wartungs/Inspektionslisten bzw. -pläne erstellt werden können. Weiterhin wird der Aufbau von Wartungs-/Inspektionslisten erläutert. Es fehlt jedoch jeglicher Bezug zu ITSystemen bzw. -Systemklassen. Das Ersatzteilmanagement ist in der Instandhaltung ein wichtiger Bereich. Diesem Thema widmet sich die VDI-Richtlinie VDI 2892 [VDI 2892]. Diese Richtlinie hat zum Ziel, Vorgehensweisen und Hilfsmittel zu Planung, Steuerung und ständigen Verbesserung des Ersatzteilswesens darzustellen. Dazu werden zunächst Grundlagen, wie Darstellung der Problematik um das Ersatzteilwesen, Definition wichtiger Begriffe etc. erläutert. Darüber hinaus wird auf die Auswahl und Aufnahme von Ersatzteilen eingegangen, d.h. welche Ersatzteile werden benötigt und welche Daten müssen dazu erfasst werden. Im Anschluss wird auf die Bereitstellung der Ersatz-
4.4 Normen, Richtlinien und Standards der Instandhaltung für Managementsysteme
283
teile mit Teilthemen, wie der Vorratsplanung, der Bestellabwicklung und des Wareneingangs, eingegangen und es wird ebenso die Lager- und die Bestandsführung dargestellt. Im Anschluss werden Möglichkeiten zur Datenauswertung beschrieben, wie Berichte, Kennzahlen etc. Zusätzlich werden klassische und alternative Lagerorganisationen dargestellt. Es wird darauf eingegangen, wie Ersatzteile mithilfe von Materialwirtschaftssystemen verwaltet werden können und welche Anforderungen hinsichtlich Funktionalitäten etc. an diese Systeme gestellt werden, so dass in dieser Richtlinie der Bezug zu ERP -Systemen hergestellt wird. Ein internationaler industrieller Standard, der sich mit der Standardisierung des Informationsaustausches zwischen Lieferanten und Kunden befasst, ist eCl@ss29 . eCl@ss klassifiziert ein großes Spektrum industrieller Produkte, wurde von führenden deutschen Unternehmen entwickelt und etabliert sich langsam auch international [TH08]. eCl@ss repräsentiert einen Standard für den Informationsaustausch zwischen Lieferanten und Kunden und bildet insbesondere die Beschaffungsmärkte für Einkäufer ab. eCl@ss ist gekennzeichnet durch einen hierarchisch vierstufigen Klassifikationsschlüssel, dessen erste drei Ebenen Warengruppen repräsentieren. Auf der vierten Ebene werden außerdem zahlreiche Sachmerkmale definiert. eCl@ss wird vor allem in elektronischen Einkaufssystemen verwendet, in denen Kataloge zahlreicher Lieferanten eingestellt werden, um den Einkäufern ein deutlich schnelleres Auffinden und Vergleichen von Produkten in den vielen LieferantenKatalogen zu ermöglichen. Denn nur wenn alle Lieferanten ihre Produkte nach einer einheitlichen Klassifikation einsortiert haben, können die Einkäufer danach einheitlich und damit deutlich schneller suchen. Somit ist es in der Instandhaltung möglich, benötigte Ersatzteile schnell zu identifizieren. Generell stellt dieser Standard keine Verbindung zu IT-Systemen bzw. -Systemklassen her, jedoch kann er als Grundlage dienen, standardisierte Bauteilbeschreibungen in EDM-/PDM-Systemen umzusetzen.
29
siehe http://www.eclass.de/
284
4 Informationsmanagement in der Instandhaltung
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[MK07] [MNY99] [Oes05] [Pfl91] [PI00]
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[TH08]
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Kapitel 5
Aus- und Weiterbildung des Instandhaltungspersonals Dipl.-Päd. Wilhelm Termath, Dipl.-Ing. Stefan Kumetz (StD)
Zusammenfassung Die zunehmend umfassenden und komplexen Anforderungen an Mitarbeiter der Instandhaltung haben nicht zuletzt auch die Diskussion um den Stellenwert und die fachliche Ausgestaltung der Instandhaltung in den Berufsbildern des Dualen Systems und der Lehre in den ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen intensiviert. Auch auf der betrieblichen Ebene gibt es zahlreiche Modelle zur spezifischen Weiterbildung von Instandhaltungsfachkräften. In diesem Kapitel werden die Konsequenzen für die berufliche Aus- und Weiterbildung anhand der Kategorien Qualifikationen und Kompetenzen aufgezeigt. Es werden Schwerpunkte für die Formulierung von Lernzielen und Curricula aufgezeigt sowie Methoden und Verfahren zur didaktischen Ausgestaltung von Seminaren vorgestellt. Abschließend werden die besonderen Potenziale von Technologien der Virtual Reality in der Ausund Weiterbildung von Instandhaltungsfachkräften skizziert.
5.1 Zur Ausgangslage: Qualifizierung gewerblich-technischer Fachkräfte in der Instandhaltung In Kapitel 1 wurde die Entwicklung der Technologien und strategischer Trends in der Instandhaltung analysiert. In unterschiedlicher Ausprägung hinsichtlich der Unternehmensgröße und der Branchenzugehörigkeit wurde insbesondere auf Einflussfaktoren hingewiesen, welche Marktbedingungen und zunehmenden Konkurrenzdruck, aber auch Auftragsschwankungen berücksichtigen. Darüber hinaus gewinnen gesellschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen, wie die Erhöhung von Umweltschutzauflagen sowie von Anforderungen der Arbeits- und Anlagensicherheit, zunehmend an Bedeutung. Die Organisationsstrukturen und Prozesse der Unternehmen passen sich wachsenden Anforderungen an die Verfügbarkeit hochautomatisierter verketteter Produktionsmittel in Form von Just-in-time-Produktion, Flexibilisierung von Produktion und Instandhaltung oder der Minimierung von Rüst- und Stillstandszeiten an.
289
290
5 Aus- und Weiterbildung des Instandhaltungspersonals
Die Integration von Informations- und Kommunikationstechnologien in die Produktionsprozesse schafft erweiterte Möglichkeiten für Systeme der Betriebsdatenund Zustandserfassung, für den Einsatz virtueller Funktionsmodelle für digitalisierte Instandhaltungsanleitungen, für die Nutzung mobiler Endgeräte am Arbeitsplatz sowie für die Anwendung neuer mathematischer Verfahren und Methoden aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz und dem Informations- und Wissensmanagement. Diese Entwicklungen fördern auch die Ausprägung neuer strategischer Ausrichtungen in der Instandhaltung, wie z.B.: • • • •
Produktionsintegrierte Instandhaltung (Total Productive Maintenance) Zustandsorientierte Instandhaltung (Condition Based Maintenance) Vorausschauende Instandhaltung (Predictive Maintenance) Instandhaltung - ein unternehmensübergreifender Geschäftsprozess, der unmittelbar zur Wertschöpfung des Unternehmens beiträgt.
Diese Veränderungen haben unterschiedliche Auswirkungen auf die jeweiligen Aufgabenbereiche und Funktionsebenen in den Unternehmen, wie Facharbeiter, Meister/mittlere Führungskräfte oder das Management. Die zunehmend umfassenden und komplexen Anforderungen an Mitarbeiter der Instandhaltung haben nicht zuletzt auch die Diskussion um den Stellenwert und die fachliche Ausgestaltung der Instandhaltung in den Berufsbildern des Dualen Systems und der Lehre in den ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen intensiviert (vgl. [Ste08]). Auch auf der betrieblichen Ebene gibt es zahlreiche Modelle zur spezifischen Weiterbildung von Instandhaltungsfachkräften. So sind in den Verordnungsverfahren des Bundes für die Anpassung der Berufsbilder, z.B. in den industriellen Metall- und Elektroberufen oder des Mechatronikers, instandhaltungsbezogene Inhalte in die Ausbildungsordnungen und die Rahmenlehrpläne der Berufsschulen und der Fachschulen für Technik systematisch aufgenommen worden. Während für die Hochschulausbildung eine Initiative zur Einrichtung eines Dualen Studiums »Industrielles Servicemanagement« in enger Kooperation mit Industrieunternehmen vorangetrieben wird, ist für die gewerblich-technische Berufsausbildung davon auszugehen, dass es auch künftig kein explizites Berufsbild eines »Instandhalters« geben wird. Insofern konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf die Qualifikationsanforderungen der gewerblich-technischen Fachkräfte, die z.B. als ausgebildete Konstruktionsmechaniker, Elektroniker oder Mechatroniker, zusammen mit staatlich geprüften Technikern, Absolventen einer technischen Hoch- oder Fachhochschulausbildung überwiegend für Instandhaltungsaufgaben eingesetzt werden. Die Skizzierung eines Kompetenzprofils der Instandhaltung mit einem entsprechend ganzheitlichen Anspruch erfordert in diesem Sinne einen berufsfeldübergreifenden und interdisziplinären Ansatz für alle Funktionsebenen.
5.2 Instandhaltung im Wandel - neue Anforderungen an Instandhaltungsfachkräfte
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5.2 Instandhaltung im Wandel - neue Anforderungen an Instandhaltungsfachkräfte 5.2.1 Aufgaben und Organisation Hinsichtlich der Analyse von Anforderungen an die in der Instandhaltung tätigen Fachkräfte ist vor allem die Entwicklung seit den 1970er Jahren von Bedeutung. Zum einen werden seit diesen Jahren zustandsorientierte Instandhaltungsstrategien auf Basis der Erfassung von Betriebsdaten zur Überwachung und Diagnose eingesetzt. Zum anderen haben die in diesen Jahren ausgebildeten Fachkräfte die sukzessive Erweiterung der technologischen Möglichkeiten sowie die Entwicklung neuer strategischer Ansätze miterlebt und bilden heute vielfach den Kern der erfahrenen Experten in den Unternehmen. Die Arbeitsaufgaben in der Instandhaltung haben sich seit dieser Zeit grundlegend verändert. Im Zuge der Entwicklung zustandsorientierter Instandhaltungsstrategien traten eher tayloristisch ausgerichtete und isolierte »Reparaturaufgaben« in den Hintergrund. Stattdessen ist eine zunehmende Aufhebung der strikten Trennung von Produktions- und Dienstleistungsaufgaben sowie von Produktions- und Innovationsprozessen festzustellen (vgl. [BK01]). Die ursprünglich überwiegend auf den Fertigungsprozess fokussierten Arbeitsaufgaben und Qualifikationsanforderungen industrieller Facharbeit wurden durch diese Entwicklung deutlich ausdifferenziert. In einer industriesoziologischen Studie wurden drei empirische Typen industrieller Facharbeit identifiziert, der traditionelle »Herstellungsarbeiter«, der »Systemregulierer« und der »Problemlöser« [Kup01]. Das Anforderungsprofil eines Herstellungsarbeiters, in diesem Zusammenhang nicht als Bediener hochtechnologischer Bearbeitungszentren zu verstehen, ist im Sinne der klassischen gewerblich-technischen Facharbeit durch manuelle Präzision in der Fertigung bzw. der Ausführung von Instandhaltungsaufgaben geprägt. Auf Basis einer beruflichen Erstausbildung hat er sich in langjähriger Berufserfahrung Kenntnisse über Eigenschaften von Materialien, Verfahren und Methoden zu deren Bearbeitung angeeignet, sodass er über ein relativ klar abzugrenzendes Qualifikationsprofil verfügt, welches durch jeweils spezifisches Erfahrungslernen vertieft und erweitert wird. Die im Profil eines Systemregulierers zusammengefassten Aufgaben tragen vielfach die Verantwortung für die Sicherstellung eines kontinuierlichen Produktionsprozesses. Für ihn ist es in der Regel erforderlich, für die Beherrschung der aktuellen produktions- und steuerungstechnischen Maschinen und Anlagen sein berufliches Wissen und Können durch systematische Weiterbildungsmaßnahmen anzupassen. Nur so ist es möglich, technische oder organisatorische Störungen kurzfristig zu analysieren und zu beheben. Das erfordert neben den technischen Fachkenntnissen u.a. Kenntnisse der Betriebsorganisation sowie kommunikative Kompetenz und die Fähigkeit zur Selbstorganisation. In der Neuordnung der Metall- und Elektroberufe wird diesen Anforderungen insbesondere durch die Förderung beruflicher Hand-
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lungskompetenz und die Vermittlung von Schlüsselkompetenzen Rechnung getragen [BW03]. Das Profil der Facharbeiter als Problemlöser entspricht am ehesten den heutigen und zukünftig absehbaren Anforderungen an Instandhaltungstätigkeiten in Industrieunternehmen. Im Mittelpunkt stehen das Erkennen und die selbstständige Lösung von Problemen der Produktionsprozesse. Dazu ist es erforderlich, über die primäre berufstypische Handlungsstrategie hinaus auch Disziplin übergreifend z.B. betriebswirtschaftliche und personalpolitische Aspekte einzubeziehen. Für die Herausarbeitung und Durchsetzung von Lösungsansätzen in Kooperation mit unterschiedlichen Berufs- und Statusgruppen des Unternehmens ist ein hohes Maß an Argumentationsfähigkeit und Überzeugungskraft aber auch Bereitschaft zur Zusammenarbeit erforderlich. Die fachliche Qualifikation für dieses Profil erfordert eine breite theoretische Grundlage, die ebenfalls in Weiterbildungsmaßnahmen oder einem berufsbegleitenden Ergänzungsstudium vertieft werden kann. Die organisatorische Integration von Instandhaltungsaufgaben in betriebliche Prozesse stellt sich sehr unterschiedlich dar. In Abhängigkeit insbesondere vom Technisierungsgrad der Produktion, der eingesetzten Technologien und vor allem der Unternehmensgröße reicht das Spektrum von der Durchführung fast ausschließlich durch betriebseigenes Personal bis zum fast vollständigen Outsourcing an Hersteller oder spezialisierte Serviceunternehmen. Auch wenn sich keine allgemeingültige Lösungen für bestimmte Branchen oder Betriebsorganisationen identifizieren lassen, können doch bei einer Klassifizierung nach Betriebsgrößen bestimmte Muster festgestellt werden [PH07]. Bei vielen kleinen Unternehmen werden die Instandhaltungsaufgaben von den Fachkräften der Bedienung von Maschinen und Anlagen wahrgenommen. Insbesondere werden Inspektions- und Wartungsarbeiten in eigener Verantwortung durchgeführt, kleinere Instandhaltungsarbeiten nur bei entsprechender Qualifikation bzw. Berufserfahrung. Konkret werden aber in diesen Fällen überwiegend ganze Baugruppen ausgetauscht, während deren Instandsetzung Fachbetrieben bzw. den Herstellern überlassen bleibt. Ein großes Problem für Unternehmen dieser Größe ist die unzureichende Dokumentation von Maschinen- oder Instandhaltungsdaten zur Unterstützung einer vorausschauenden Instandhaltungsstrategie. Die instandhaltungsbezogene Qualifizierung der Mitarbeiter erfolgt hier fast ausschließlich durch die Maschinenhersteller. Bei Unternehmen mittlerer Größe werden häufig Instandhaltungsteams mit Fachkräften aus den Bereichen Mechanik, einschließlich Pneumatik und/oder Hydraulik, Elektrotechnik und Steuerungstechnik gebildet. Die Spezialisten der Hersteller werden lediglich für die Instandhaltung besonderer Baugruppen oder Anlagenkomponenten eingesetzt. Allgemein ist ein Trend zur statistischen Erfassung von Instandhaltungsdaten zur Realisierung vorausschauender Instandhaltungsansätze festzustellen. Die Qualifizierung der Mitarbeiter für die Einrichtung und Instandhaltung erfolgt auch hier überwiegend durch die Hersteller, zu einem erheblichen Teil durch externe Bildungsdienstleister sowie durch Kammern und in geringem Umfang durch selbst organisiertes Lernen.
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Auch in großen Unternehmen werden die in der Fertigung eingesetzten Fachkräfte zu Instandhaltungsaufgaben herangezogen. Aufgrund der Unternehmensgröße und der entsprechend häufig anfallenden Instandhaltungsarbeiten werden jedoch häufig spezifische Organisationsstrukturen im Sinne von Instandhaltungsbereichen bzw. -abteilungen oder ausschließlich in der Instandhaltung beschäftigten Fachkräften benötigt. Diese Mitarbeiter verfügen in der Regel über eine einschlägige Facharbeiterausbildung und oft auch über instandhaltungsorientierte Zusatzqualifikationen. Sie nehmen darüber hinaus regelmäßig an Weiterbildungsmaßnahmen teil.
5.2.2 Verhältnis von Erstausbildung zur beruflichen Weiterbildung Zukünftige Instandhaltungsfachkräfte führen bereits im Rahmen ihrer Ausbildung Aufträge zur Instandsetzung von Maschinen und Anlagen sowie deren Komponenten aus. Sie entwickeln z.B. Demontage- und Montagepläne unter Berücksichtigung technischer und kundenspezifischer Anforderungen und der spezifischen Bedingungen am Aufstellungsort. Gefordert werden auch Planungskompetenzen im Zusammenhang mit den durchzuführenden Arbeitsprozessen, das Analysieren technischer Dokumentationen, das Eingrenzen von Fehlern sowie die Erarbeitung von Lösungsvorschlägen für den Instandsetzungsprozess. Systematisch müssen Schadens- bzw. Verschleißursachen berücksichtigt werden, um mögliche sicherheitsrelevante, rechtliche oder wirtschaftliche Aspekte der Instandsetzung kalkulieren zu können. Von Instandhaltungsfachkräften wird nicht zuletzt kundenorientiertes berufliches Handeln erwartet, welches im Zuge der Förderung der Sozial-Human-Kompetenz angeeignet wird (vgl. [Ihl97]). Entsprechend dieses breiten Aufgabenbereiches, unter Beachtung des jeweiligen Berufsbildes, müssen in der Instandhaltung vielfältige berufliche Tätigkeiten ausgeführt werden. Hierzu bedarf es einer ausgeprägten beruflichen Handlungskompetenz. Um diese auch nach der Erstausbildung weiterzuentwickeln, müssen sich junge Facharbeiter nach der Ausbildung gerade in den strategischen Ausrichtungen der Instandhaltung weiterbilden. Gerade die berufliche Weiterbildung wird als ein zentrales Element lebensbegleitenden oder auch lebenslangen Lernens gesehen. Nach Sauter können grundsätzlich drei Teilbereiche der beruflichen Weiterbildung identifiziert werden (vgl. [Sau89]): • der Bereich der betrieblichen Weiterbildung, • der Bereich der individuellen beruflichen Weiterbildung und • der Bereich der Weiterbildung für Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als Teil der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Lebensbegleitendes Lernen, arbeitsplatznahe und selbst gesteuerte Lernprozesse verlangen nach einer Erneuerung vorhandener Strukturen bei Weiterbildungsangeboten. Die deutschen Bildungsdienstleister sind aber in erster Linie »immer noch Seminaranbieter, an denen die Modernisierung der Vermittlungsformen« vorbeigeht [DS06]. Die Unzulänglichkeiten vieler Bildungsdienstleister sind vielschichtig und lassen sich wie folgt klassifizieren:
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• • • •
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Defizite in der internen Organisation und Kommunikation, fehlende strategische Ausrichtung, unzeitgemäße Produkte bzw. Dienstleistungen und finanzielle Unsicherheiten.
Hinzu kommt, dass die für die Planung von Weiterbildungsmaßnahmen so wichtige Bedarfserfassung und Programmgestaltung nur sehr unsystematisch durchgeführt wird. Es ist folglich unabdingbar, neue Organisationsformen zu schaffen, um damit auch mehr Freiräume für die Gewinnung von neuen Angeboten zu entwickeln. Neben Mängeln in der internen Organisation werden auch strategische Schwächen sichtbar. So konzentriert sich das Angebot häufig auf die immer gleichen Zielgruppen, z.B. Führungskräfte und junge Arbeitnehmer. Ältere Arbeitnehmer werden dagegen vernachlässigt und ungenügend in Planungen des Angebotes berücksichtigt.
5.2.3 Qualifikationen und Kompetenzen Die skizzierten Veränderungen machen deutlich, dass die qualifikatorischen Anforderungen an die Fachkräfte weit über das Curriculum des technischen Fachwissens hinausgehen. Die Verfügung über umfangreiches und interdisziplinäres Fachwissen ist eine Grundvoraussetzung für die Aufgabenbewältigung und muss laufend aktualisiert werden. Hinzu kommt die Notwendigkeit, ökonomische, ökologische und juristische Aspekte einzubeziehen. Die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams verweist auf Anforderungen wie Teamfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Wegen der besonderen Bedeutung der Kooperation über Disziplinen und Hierarchieebenen hinweg soll im Folgenden der Begriff der Qualifikationen um den Begriff der Kompetenzen ergänzt werden, weil mit dem Kompetenzbegriff die besonderen Anforderungsmerkmale der Instandhaltung präziser zu fassen sind. In der berufspädagogischen Forschung wird der Kompetenzbegriff unterschiedlich definiert und ausgelegt. Es besteht eher der Konsens, dass kein einheitliches Verständnis erwartet werden kann. Allerdings steht der Kompetenzbegriff seit einigen Jahren in Deutschland und in vielen europäischen Staaten im Zentrum der Bemühungen, den Nachweis von Kompetenzen aus der Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltung, der beruflichen Praxis oder dem sozialen Umfeld zu einem zentralen Kriterium für Entscheidungen in der Personalentwicklung zu machen [ER07]. Die deutsche Kultusministerkonferenz hat Handreichungen für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Berufsschulen vorgelegt, die im Rahmen der Dualen Berufsausbildung für alle Lernorte eine verbindliche Richtlinie darstellen [KMK07]. Demnach steht die Entwicklung von Handlungskompetenz im Zentrum berufspädagogischen Handelns, die sich in den Dimensionen Fachkompetenz, Humankompetenz und Sozialkompetenz entfaltet. Sie wird verstanden als Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten.
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Integraler Bestandteil sowohl von Fachkompetenz als auch von Human- (Selbst-) Kompetenz sowie von Sozialkompetenz sind Methodenkompetenz, Lernkompetenz und kommunikative Kompetenz. Hierbei handelt es sich um Akzentuierungen, die für die Entwicklung von Handlungskompetenz prägnant sind, keinesfalls jedoch um isoliert zu betrachtende Dimensionen von Handlungskompetenz. Ohne zielorientierte und inhaltliche Anbindung an die oben beschriebenen Dimensionen von Handlungskompetenz bleiben Methodenkompetenz, Lernkompetenz und kommunikative Kompetenz formal und leer. Fachkompetenz bezeichnet die Bereitschaft und Befähigung, auf der Grundlage fachlichen Wissens und Könnens Aufgaben und Probleme zielorientiert, sachgerecht, methodengeleitet und selbstständig zu lösen und das Ergebnis zu beurteilen. Humankompetenz bezeichnet die Bereitschaft und Befähigung, als individuelle Persönlichkeit die Entwicklungschancen, Anforderungen und Einschränkungen in Familie, Beruf und öffentlichem Leben zu klären, zu durchdenken und zu beurteilen, eigene Begabungen zu entfalten sowie Lebenspläne zu fassen und fortzuentwickeln. Sie umfasst Eigenschaften wie Selbstständigkeit, Kritikfähigkeit, Selbstvertrauen, Zuverlässigkeit, Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein. Zu ihr gehören insbesondere auch die Entwicklung durchdachter Wertvorstellungen und die selbstbestimmte Bindung an Werte. Sozialkompetenz bezeichnet die Bereitschaft und Befähigung, soziale Beziehungen zu leben und zu gestalten, Zuwendungen und Spannungen zu erfassen und zu verstehen sowie sich mit anderen rational und verantwortungsbewusst auseinanderzusetzen und zu verständigen. Hierzu gehört insbesondere auch die Entwicklung sozialer Verantwortung und Solidarität. Methodenkompetenz bezeichnet die Bereitschaft und Befähigung zu zielgerichtetem, planmäßigem Vorgehen bei der Bearbeitung von Aufgaben und Problemen, z.B. bei der Planung der Arbeitsschritte. Kommunikative Kompetenz beinhaltet die Bereitschaft und Befähigung, kommunikative Situationen zu verstehen und zu gestalten. Hierzu gehört es, eigene Absichten und Bedürfnisse sowie die der Partner wahrzunehmen, zu verstehen und darzustellen. Lernkompetenz ist die Bereitschaft und Befähigung, Informationen über Sachverhalte und Zusammenhänge selbstständig und gemeinsam mit anderen zu verstehen, auszuwerten und in gedankliche Strukturen einzuordnen. Zur Lernkompetenz gehört insbesondere auch die Fähigkeit und Bereitschaft, im Beruf und über den Berufsbereich hinaus Lerntechniken und Lernstrategien zu entwickeln und diese für lebenslanges Lernen zu nutzen. In einer Studie zur Kompetenzentwicklung in Zeiten der Nutzung von modernen Kommunikationstechnologien, insbesondere den unter dem Schlagwort des Web 2.0 zusammengefassten vielfältigen Entwicklungslinien, bezeichnen die Autoren in Auswertung einer Vielzahl von definitorischen Ansätzen Kompetenzen als »Dispositionen zur Selbstorganisation«. Damit sind die inneren Voraussetzungen zur Regulation einer Tätigkeit gemeint. Als selbst organisiert wird jedes Handeln in offenen Problem- und Entscheidungssituationen charakterisiert [ES07].
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Die Relevanz dieser Diskussion für die Definition eines Qualifikationsprofils in der Instandhaltung wird deutlich, wenn der Kompetenzbegriff von Attributen, wie Fertigkeiten, Fähigkeiten, Wissen und Qualifikationen, abgegrenzt wird. Der Erwerb von Fertigkeiten ist weniger von Begabung oder Talent abhängig, sondern sehr stark von der Übung bestimmter Tätigkeiten. Sie sind unmittelbar handlungszentriert, erfordern nur eine geringe Bewusstseinskontrolle und beschränken sich auf eher stereotypische berufliche Handlungsbereiche. Als Qualifikationen werden definierte Komplexe von Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten bezeichnet, die für die anforderungsorientierte Ausübung beruflicher Tätigkeiten erforderlich sind. Mit Hinweis auf eine Arbeit von Weinert [Wei01] belegen Erpenbeck und von Rosenstiel die Einbettung des Kompetenzansatzes in den Bereich der Selbstorganisation. Das Kompetenzkonzept soll nur unter der Voraussetzung genutzt werden, • im Hinblick auf die erfolgreiche Bewältigung komplexer, selbst organisiertes Handeln erfordernder Anforderungen. • wenn für die Bewältigung dieser Anforderungen sowohl kognitive, d.h. fachlichmethodische, motivationale (personale), willensmäßige (aktivitätsbezogene) und sozial-kommunikative (aktivitätsbezogene) Komponenten gehören. • wenn der Komplexitätsgrad der Anforderungen so hoch ist, dass sie ohne selbst organisierte Handlungsstrategien nicht bewältigt werden können. • wenn Lernprozesse, insbesondere Formen des informellen und impliziten Lernens im Prozess der Arbeit, zu den unabdingbaren Voraussetzungen der Aufgabenbewältigung gehören.
Werte Regeln Sachwissen
Fertigkeit
Qualifikation
Kompetenz
Sach- und Wertwissen
Normen Handlungslernen Erfahrungslernen Expertise
Abb. 5.1 Vom Wissen zur Kompetenz [ES07].
Aufgrund der aufgezeigten vielfältigen Bedeutung und Notwendigkeit von Weiterbildungsmaßnahmen und den hiermit verbundenen vielschichtigen Anforderun-
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gen, die Instandhaltungsmaßnahmen im Maschinen- und Anlagenbau mit sich bringen, erfordern berufliche Tätigkeiten in diesem Bereich umfassende und meist das Berufsfeld übergreifende Qualifikations- und Kompetenzprofile des Instandhaltungspersonals. Notwendig ist daher gerade in diesen Tätigkeitsbereichen eine Fachkraft, die Fach übergreifende Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen aus den Bereichen der Metall- und der Elektrotechnik einsetzen kann. Betont werden muss, dass in diesen Disziplinen zunehmend schon seit Jahren die Lernbereiche Elektronik, Mess- und Regelungstechnik und die immer stärker hiermit verbundene technische Informatik, einschließlich der Netzwerktechnik, Einzug halten. Gerade die beiden zuletzt Genannten sind aus heutigen Arbeitsprozessen nicht mehr wegzudenken und werden in naher Zukunft immer stärkere Bedeutung bekommen. Aus den genannten Sachverhalten ergeben sich Konsequenzen für die Aus- und Weiterbildung an komplexen Instandhaltungsaufgaben. Das Handeln in beruflichen Instandhaltungssituationen erfordert seitens des Arbeitenden sowohl geeignete Qualifikationen als auch Kompetenzen. Qualifikationen sind »Fertigkeiten, Kenntnisse und Wissensbestände, die im Hinblick auf ihre Verwertbarkeit bestimmt werden. Die Bestimmung von Qualifikationen ist also primär an aktuellen Anforderungen oder einer prognostizierten Nachfrage orientiert.« [Els02] Qualifikationen sind demnach die Gesamtheit der Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse, über die ein Mensch zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit verfügt bzw. verfügen sollte. Handlungskompetenz ist somit ein unstrittiges Ziel in der beruflichen Bildung. Verwendet wird in diesem Zusammenhang ein Verständnis von beruflicher Handlungskompetenz, wie BADER es thematisiert und ausdifferenziert hat (vgl. [Bad90, Bad91, BM02]). Um berufliche Handlungskompetenz in ausreichendem Maß fördern zu können, ist es unabdingbar, die für die erfolgreiche Bearbeitung einer Instandhaltungsmaßnahme erforderlichen vielschichtigen Lerninhalte unmittelbar an der beruflichen Tätigkeit des Facharbeiters anzubinden. So findet man in aktuellen neu geordneten Rahmenlehrplänen der Berufsschule, z.B. im Lernfeld 10 aus dem Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Elektroniker für Betriebstechnik/Elektronikerin für Betriebstechnik (vgl. [KMK07]), oder auch der Fachschule für Technik das Lernfeld Instandhaltung. Dieses Lernfeld beinhaltet bspw. das Errichten und Instandhalten von energietechnischen Anlagen. Die Umsetzung dieses Lernfeldkonzeptes ist ein sinnvoller Ansatz zur Ausrichtung von Weiterbildungsmaßnahmen an bestimmten beruflichen Tätigkeiten.
5.3 Schwerpunkte für Lernziele und Curricula Grundsätzlich ist festzustellen, dass für die Tätigkeitsbereiche der Instandhaltung keine ausreichenden bzw. belastbaren berufswissenschaftlichen Daten zur Früherkennung des Qualifikationsbedarfes vorliegen. Im Rahmen eines Modellversuchsverbundes zur »Gestaltung von Lern- und Arbeitsumgebungen in der Berufsschule durch instandhaltungsorientierte Konzepte
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zum selbst gesteuerten und kooperativen Lernen« wurden jedoch wesentliche Aufgabengebiete von Fachkräften in den Praxisfeldern der Instandhaltung identifiziert, die Rückschlüsse auf das für die Aufgabenbearbeitung erforderliche Qualifikationsprofil zulassen [PH07]. Die Aufgabengebiete umfassen insbesondere die drei Bereiche: • Wartungsaufgaben wie das Reinigen und Schmieren von Komponenten oder Baugruppen von Maschinen und Anlagen. • Inspektionsaufgaben für die Analyse von Symptomen einer absehbaren Funktionsbeeinträchtigung durch die Erfassung produktionsspezifischer Parameter. • Vorbeugende und störungsbedingte Instandsetzungsarbeiten sowie Beteiligung an komplexen Instandsetzungsaufgaben.
5.3.1 Lernziele für Instandhaltungsaufgaben Für den Bereich der Instandhaltung können verschiedene Lernziele aus der beruflichen Praxis gefunden werden. Diese Lernziele beziehen sich in der Fachkompetenz auf manuelle Fertigkeiten, Kenntnisse über konkrete Inhalte oder das Beherrschen von bestimmten Handlungen. Die Lernenden sollen außerdem in mehreren Dimensionen ihrer beruflichen Handlungskompetenz weiter gefördert werden, um einen konkret vorgegebenen Ausbildungs- oder Lerngegenstand sachgerecht und ganzheitlich bearbeiten zu können. Hierzu können folgende Lernziele exemplarisch formuliert werden: Die Lernenden • kennen wichtige Arbeitsschutz- und Sicherheitsbestimmungen und sind in der Lage diese bei der Durchführung von Instandhaltungsarbeiten zu berücksichtigen. • kennen Instandhaltungswerkzeuge und können diese einsetzen. • ordnen Parameter bei vorgegebenen Diagnoseverfahren zu und können diese beurteilen. • können eine planmäßige Wartung an einer vertrauten Maschine oder Anlage durchführen. • analysieren typische Störungssituationen und können Maßnahmen zu deren Beseitigung realisieren. • beherrschen Handlungsabläufe beim Austausch eines bestimmten Ersatzteiles. Aufgrund einer relativ genauen Eingrenzung auf eine bestimmte Inhaltlichkeit sind die genannten Lernziele i.Allg. leicht und genau überprüfbar. Sie bleiben auf einen konkreten und realen Betrachtungsgegenstand bezogen. Das Beherrschen von Verfahren und Methoden zur Lösung fachlicher Aufgaben wird durch Lernziele angestrebt, welche die Lernenden befähigen, erlernte Verfahren auf ihnen unbekannte Handlungssituationen anzuwenden und dadurch Probleme selbstständig bearbeiten zu können. Eine solche Befähigung ist gerade für den Bereich der Instandhaltung sehr wichtig.
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Berufliche Handlungskompetenz sollte für den Bereich der Instandhaltung z.B. folgende fachlich-prozessual orientierte Lernziele beinhalten: Die Lernenden können • Wartungs-, Inspektions-, Instandsetzungs- und Verbesserungsprozesse verstehen und analysieren. • Instandhaltungsarbeiten z.B. unter dem Aspekt der Modernisierung bzw. der Verbesserung planen. • Arbeitspläne zur Instandhaltung unterschiedlicher technischer Anlagen entwickeln. • Wartungsarbeiten an verschiedenen Maschinen oder Anlagen durchführen. • Funktionsparameter entsprechend der Wartungsvorschriften an verschiedenen Anlagen nachstellen. • Fehlfunktionen und anormale Eigenschaften einer Anlage mit entsprechenden Hilfsmitteln analysieren. • eine Systematik zur Fehlersuche bei Maschinen- und Anlagenkomponenten anwenden. • Baugruppen und Ersatzteile in verschiedenen Ausführungen austauschen. Mit den aufgeführten Lernzielen sollen die Lernenden die Bedeutung einer durchgeführten Vorgehensweise innerhalb eines bestimmten Arbeitsprozesses erkennen und die erzielten Ergebnisse der Arbeiten angemessen reflektieren können. Die Ausgangslage einer Lernsituation ergibt sich aus einer konkreten, didaktisch aufbereiteten und der betrieblichen Praxis entnommenen Problemsituation der Instandhaltung. Die dabei zu entwickelnden Lösungen lassen sich auch auf ähnliche Instandhaltungstätigkeiten im Unternehmen übertragen. Durch die Entwicklung von Methoden- und Lernkompetenz werden verfahrensorientierte Fähigkeiten im aktiven Lernprozess durch instrumentelle, kommunikative und strategisch-organisatorische Handlungen der Lernenden gefördert. Bei Instandhaltungsarbeiten müssen z.T. spezielle Werkzeuge und Geräte der Instandhaltung benutzt werden. Diese typischen technischen Hilfsmittel zur Instandhaltung müssen Instandhalter kennen und anwenden können. Die hierbei zu vermittelnden Lernziele sind jedoch meist kognitive Lernziele und betreffen eher die Kenntnis von Werkzeugen, Maschinen und Anlagen, mit denen instand gehalten werden soll. Folgende Lernziele können dem angesprochenen Bereich zugeordnet werden. Die Lernenden können • einfache Arbeits-, Prüf- und Messwerkzeuge benennen. • Vorrichtungen, Werkzeuge sowie andere Hilfsmittel zur Montage und Demontage beschreiben. • Hilfsanlagen und -mittel benennen und beschreiben. • speziell benötigte Hilfsanlagen und -mittel zur Instandhaltung erklären und einsetzen. • Maschinen, Geräte und Anlagen mit geeigneten Hilfsmitteln pflegen und reinigen.
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Für die Wartung kann anhand der Aufgaben und Ziele z.B. auf folgende Lernziele geschlossen werden: Die Lernenden können • • • • • •
Störungen lokalisieren und Fehler identifizieren. Wartungsunterlagen, z.B. von Herstellern, lesen und verstehen. selbstständig einfache Wartungsarbeiten planen und durchführen. eine durchgeführte Wartung überprüfen und bewerten. Arbeitsergebnisse gegenüber anderen darstellen. Instandhaltungsarbeiten und -geschehen kommunikativ vermitteln.
Mit diesen Lernzielen kann bei Lernenden gleichzeitig die Beurteilungskompetenz gefördert werden, da die durchgeführten Wartungsarbeiten bewertet und ggf. verbessert werden können. Somit erfüllen Lernziele in diesem Bereich auch eine wichtige Funktion zur Förderung der Gestaltungskompetenz, indem zukünftig anstehende Wartungsaufgaben mit optimierten Methoden durchgeführt werden. Aus den Aufgaben und Zielen der Inspektion lassen sich z.B. folgende Lernziele formulieren: Die Lernenden können • Ergebnisse einer Inspektion dokumentieren. • mit typischen Prüf- und Messwerkzeugen den Ist-Zustand wichtiger Inspektionsgrößen ermitteln und diese mit den Sollwerten vergleichen. • eine einfache Inspektion planen und durchführen. Eine Inspektion bezeichnet i.Allg. eine prüfende Tätigkeit im Sinne einer Begutachtung oder Kontrolle. Sie dient dabei der Feststellung des ordnungsgemäßen Zustandes einer Maschine oder einer Anlage. Durch diese Tätigkeiten haben Inspektionsarbeiten i.Allg. ein höheres Anspruchsniveau als Wartungsarbeiten, da sie nicht zuletzt auf ein »geschultes Hinsehen« und Beurteilen eines Anlagenzustandes abzielen. Eine sehr anspruchsvolle und zugleich wichtige Aufgabe ist in der Inspektion die Fehlersuche. Deshalb sind Lernziele, mit denen eine Befähigung zur Fehlerlokalisierung angestrebt wird, für die spätere Verrichtung von Instandhaltungsfacharbeiten sehr bedeutsam. Tätigkeiten der Instandsetzung haben das Wiederherstellen des Soll-Zustandes zum Ziel. Für die Ausbildung auf diesem Gebiet lassen sich z.B. folgende Lernziele formulieren: Die Lernenden können • kennen wichtige Sicherheitsbestimmungen bei Instandsetzungsarbeiten und berücksichtigen diese bei der Durchführung. • können eine Instandsetzung planen und durchführen. • können Instandsetzungsarbeiten protokollieren und reflektieren. Die Instandsetzung bildet einen wesentlichen Kern in der handlungsorientierten Vermittlung von Kompetenzen im Lernfeld Instandhaltung. Die Förderung von Kooperationsfähigkeit bzw. Teamfähigkeit ist in diesem Bereich nahezu gleichbedeutend mit der zu vermittelnden Fachkompetenz.
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Mit einer Verbesserung kann erreicht werden, dass Komponenten des Maschinenund Anlagenbaus zukünftig besser gegen Schädigungen oder Zerstörungen geschützt und deren Abnutzungsvorräte länger genutzt werden können. Die Funktionssicherheit der Komponenten soll steigen, ohne deren geforderten Funktionen zu ändern. In diesem Zusammenhang sind die Problemlösekompetenz und die Gestaltungskompetenz zu fördern, um den zukünftigen Instandhaltungsaufgaben gewachsen zu sein. In der Verbesserung können z.B. folgende Lernziele formuliert werden: Die Lernenden können • erkennen die Verbesserung als Methode zur Schwachstellenminimierung. • ermöglichen durch konstruktive Veränderungen eine Funktionsverbesserung für den Betrieb der Anlage oder eine Instandhaltungssituation. • entwickeln nach durchgeführter Instandsetzung Lösungsvorschläge, sodass die Störung künftig seltener auftreten wird. • überprüfen bisher angewandte Instandhaltungssystematiken und reflektieren diese.
5.3.2 Lernzielfindung und Lernzielstruktur Bei der Suche nach Lernzielen für Fortbildungsmaßnahmen im Bereich der Instandhaltung steht mehr als in vielen anderen Bereichen die Frage im Vordergrund, ob die eigentlichen Lehr- oder Lernziele nicht eher Handlungsziele sein sollten, denn das Ziel einer solchen Maßnahme ist ja die Vermittlung beruflicher Handlungskompetenz. Dies bedeutet in erster Linie, dass die Lernenden nach einer Weiterbildung nicht nur über zusätzliches Fachwissen verfügen, sondern Instandhaltungsmaßnahmen eigenverantwortlich durchführen können. Erst diese Zielerreichung bedeutet qualifizierte Facharbeit auf dem Gebiet einer Instandhaltungsmaßnahme, für eine bestimmte Maschinen- oder Anlagenkomponente oder einen Fertigungsabschnitt in der Produktion, zu erhalten. Deshalb müssen Lernziele vor allem diejenigen Qualifikationen ansprechen, die für Tätigkeiten in der Instandhaltung typisch sind und diese von Arbeiten in anderen Bereichen unterscheiden. Die angestrebten Lernziele können für den Bereich der Instandhaltung sowohl auf der affektiven Ebene als auch auf der kognitiven und psychomotorischen Ebene bedeutend sein. In der Lerntheorie werden Lernziele entsprechend ihrer intellektuellen Anforderungen an die Lernenden in verschiedenen Taxonomiestufen eingeordnet (griech. taxis »Anordnung«). Diese Hierarchisierung ist ein Klassifikationsschema für Kategorien von Verhaltensweisen, die beschreiben, welche Kompetenzen oder Verhaltensweisen gefördert bzw. verändert werden sollen. Ein solches Schema kann als Analyse- und Strukturierungsinstrument beschrieben werden, mit dem beliebige Lernziele auf einer Skala von Schwierigkeits- bzw. Komplexitätsgraden eingeordnet werden können. Der Grad der Komplexität nimmt demnach mit Zunahme der Lernzielklassen zu.
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Die häufigsten Einteilungen wurden von den bekannten Lerntheoretikern Benjamin Bloom, David Krathwol u.a. entwickelt [Blo72, KBM75]. Sie unterscheiden drei Dimensionen mit folgenden Unterstufen: Die sechs Unterstufen nach Bloom lauten im kognitiven Lernbereich: 1. Kenntnisse/Wissen Der Lernende hat Kenntnisse konkreter Einzelheiten, wie Begriffe, Definitionen, Fakten, Daten, Regeln, Gesetzmäßigkeiten, Theorien, Merkmale, Kriterien, Abläufe usw. Er kann Wissen abrufen und wiedergeben. 2. Verstehen Der Lernende kann Sachverhalte mit eigenen Worten erklären, zusammenfassen oder er kann Beispiele anführen und Zusammenhänge verstehen. 3. Anwenden Es findet ein Transfer des Wissens statt, um neue Probleme zu lösen. 4. Analyse Der Lernende kann Widersprüche aufdecken, Zusammenhänge erkennen und Folgerungen ableiten. 5. Synthese Der Lernende kann Lösungswege vorschlagen, Schemata entwerfen oder begründete Hypothesen entwerfen. 6. Beurteilung Der Lernende kann Alternativen gegeneinander abwägen und auswählen, Entschlüsse fassen und begründen, Transfer des Wissens zu anderen z. B. durch Arbeitspläne herstellen. Die Lernzieltaxonomie für den affektiven Lernbereich wurde 1975 von [KBM75] entwickelt. Auch hier sind hierarchische Strukturen zu finden, die auf dem Prozess der Internalisation abheben, d.h. den Prozess des inneren Wachstums eines Individuums, das letztlich mit der Entwicklung einer eigenen Lebensphilosophie abschließt. Je höher ein Mensch oder die von ihm erreichten Lernziele in diese Taxonomie eingeordnet werden können, desto eher kann man ihn als eine Persönlichkeit bezeichnen. Affektive Lernziele betonen ein Gefühl, eine Emotion, ein bestimmtes Maß von Empathie oder auch eine Abneigung. Diese Ziele können mit Interesse, Einstellung, Wertschätzungen, Werten oder emotionalen Haltungen benannt werden. Die fünf Stufen im affektiven Lernbereich, d.h., innere Einstellung, Werte und Erziehung, sind: 1. Wertebeachtung Aufmerksamkeit/Beachtung, Sensibilisierung für ein Thema 2. Wertbeantwortung Reaktion, d.h. Emotionalisierung, spontane Verarbeitung von Informationen 3. Wertung Emotionaler Bezug zum Lerngegenstand mit daraus resultierender Einstellung, Haltung, d.h. etwas für wertvoll halten, ihm einen Wert beimessen.
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4. Wertordnung Organisation, d.h. Aufbau eines Wertesystems, Integration von Bezugswerten in eine Hierarchie von Überzeugungen 5. Wertverinnerlichung Charakterisierung durch einen Wert, wie Identität; Leben einer Werthaltung ohne Notwendigkeit affektiver Betroffenheit Die fünf Stufen im psychomotorischen Lernbereich sind: 1. Imitation Nachahmung z.B. von Bewegungs- oder Handlungsabläufen 2. Manipulation Anwenden von Instruktionen, Festigung von Techniken 3. Präzisierung größere Genauigkeit beim Üben von Abläufen und Techniken 4. Handlungsgliederung Koordination verschiedener Elemente eines Handlungs- oder Bewegungsablaufes 5. Naturalisierung Internalisierung der Abläufe; Unabhängigkeit vom Modell Die Einteilung der Lernziele in drei Grundstufen und deren weitere Ausdifferenzierung hat in der Praxis meist einen überwiegend analytischen Charakter, da die Bestimmung von Lernzielen und Kompetenzerweiterungen immer ganzheitlich zu betrachten ist. Aus diesem Ansatz resultiert, dass Zielformulierungen immer eine Schwerpunktbildung aus allen drei Teilbereichen beinhalten. Die Gliederung und Taxomierung von Lernzielbeschreibungen dient in der Fortführung der Operationalisierung dazu, die einzelnen Lernziele untereinander besser vergleichbar zu machen. Damit kann ein Schwierigkeitsgrad unter den Lernzielen geschaffen werden, an dem man den Kompetenzstand der Lernenden prüfen, messen und miteinander vergleichen kann. Die Lernzieltaxonomie ist ein Instrument für die Erstellung von Weiterbildungsinhalten im Sinne einer Lehrplanerstellung. Die Taxonomie dient daher auch nicht zur Planung einer einzelnen Unterrichtseinheit, sondern der Lehrende kann Folgendes erreichen: • sachverständige Interpretation von Fortbildungs- und Schulungsinhalten • geeignete Aufbereitung von Unterrichtsmaterialien und Medien • angemessene Formulierung von Prüfungsaufgaben und anderen Leistungsbewertungen • Berücksichtigung affektiver und psychomotorischer Lernziele neben kognitiven Lernzielen • geeignete Strukturierung von Teilzielen eines Lehrganges und die darauf bezogene Bestimmung von notwendigen Qualifikationen und Kompetenzen der Lernenden
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Mit den aufgezeigten Annahmen ist es möglich, die Lernziele für einen bestimmten Arbeitsbereich sowohl auf die affektive Ebene als auch auf die kognitive und psychomotorische Ebene des Berufs- bzw. Arbeitsprozesses zu beziehen. So können zur Förderung der beruflichen Handlungskompetenz affektive Lernziele, wie z.B. das Entwickeln von Einstellungen zur Ökonomie und Ökologie im Sinne des Nachhaltigkeitsgedankens, oder zur Arbeitssicherheit, die Fähigkeit und Bereitschaft zur Kommunikation und Kooperation mit Partnern in einem Instandhaltungsteam, entwickelt werden. Die Förderung des Arbeits- und Sozialverhaltens kann durch didaktische Methoden zur Förderung von Sorgfalt, Genauigkeit und Zuverlässigkeit erweitert werden. Diese Lernziele können bei einer rein fachsystematischen Vermittlung von Fachwissen bzw. Fachkompetenz jedoch nur mäßig oder gar nicht gefördert werden. Deshalb ist gerade die integrierte Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten sowie von fakten- und fachübergreifendem Wissen im Zusammenhang mit allgemeinen technischen Problemlösekompetenzen aus dem Bereich der Naturwissenschaften in Lernaufgaben zur Aufdeckung von Fehlerursachen und zur Erarbeitung von Fehlerbehebungen in technischen Maschinen- und Anlagenkomponenten sinnvoll einzusetzen.
5.4 Didaktische Ausgestaltung Sowohl die letzte Neuordnung der industriellen und handwerklichen Metall- und Elektroberufe, als auch die Bildung neuer Berufszweige in der IT-Branche, haben in den Jahren 1997 bis 2004 viele Veränderungen mit sich gebracht. Vor allem Lehrende an berufsbildenden Schulen müssen zugunsten des Lernfeldkonzeptes erheblich umdenken. Obwohl das Lernfeld Instandhaltung in neuere Rahmenlehrpläne integriert ist, kann die Umsetzung für viele Instandhaltungsmaßnahmen nur mühsam didaktisch sinnvoll ausgestaltet werden. Eine Reflexion bisheriger Schulungsbzw. Weiterbildungsmaßnahmen in der Instandhaltung scheint deshalb erforderlich, weil die geforderten handlungsorientierten Konzepte, wie selbstständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren, bisher im Instandhaltungsbereich nur ansatzweise realisiert werden. Darüber hinaus sollten die Methoden der Schulungsmaßnahmen handlungsorientiert und nicht rein fachsystematisch angelegt sein, d.h. die Anforderungen der Arbeitsprozesse (prozessuale Komponente) sollen zugrunde gelegt werden und mit den Lernzielen von Handlungen (fachlich-prozessuale Komponente) in Einklang gebracht werden. Methodische Vermittlungskonzepte sollen hinsichtlich der Handlungsorientierung nach ihren Merkmalen selbstständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren angewandt werden. Über den Einsatz von Lernträgern, Medien und sonstigen Unterrichtsmaterialien soll anhand des Kriteriums der Möglichkeiten zum selbstständigen Lernen und Arbeiten entschieden werden. Darüber hinaus soll sich die Konzeption einer handlungsorientierten Instandhaltungsschulung stark an modernen Formen der Arbeitsorganisation orientieren und im engen Zusammenhang mit dem medialen Angebot
5.4 Didaktische Ausgestaltung
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stehen. Allein aus diesen Bedingungen ergeben sich die zu einem erfolgreich durchlaufenen Lernprozess notwendigen Gestaltungs- und Handlungsspielräume. Gestaltungsfreiräume für aktiv Lernende sowie Lehrende zur Selbstorganisation des Arbeitens und Lernens müssen im Sinne eines kooperativen Lernens geschaffen werden.
5.4.1 Methoden und Verfahren Bezogen auf den Bildungsauftrag der beruflichen Erstausbildung führen die Vorgaben der Kultusministerkonferenz (KMK) zu einer veränderten didaktischen Struktur von Lernzielen und Lerninhalten. Sie weisen dabei besonders auf eine geforderte Handlungsorientierung als didaktisches Leitprinzip hin. »Die Zielsetzung der Berufsausbildung erfordert es, den Unterricht an einer auf die Aufgaben der Berufsschule zugeschnittenen Pädagogik auszurichten, die Handlungsorientierung betont und junge Menschen zu selbstständigem Planen, Durchführen und Beurteilen von Arbeitsaufgaben im Rahmen ihrer Berufstätigkeit befähigt« [KMK07]. Diese grundsätzliche geforderte Ausrichtung des Unterrichts in der beruflichen Erstausbildung wird heute durch alle neu strukturierten Rahmenlehrpläne curricular unterstützt. Hierbei ist die zugrunde liegende Idee, »bei der Planung von Lehr-LernArrangements nicht von fachsystematischen Inhaltskatalogen auszugehen, sondern von beruflichen Handlungsfeldern und diese didaktisch aufzubereiten.« Erst eine didaktische Analyse sowohl der Gegenwarts-, Zukunfts- und exemplarischen Bedeutung als auch der thematischen Struktur der Handlungsfelder in Anlehnung an Kriterien Klafkis (vgl. [Kla07] führt nach [BS98] zu didaktisch begründeten Lernfeldern. Sind die auszuführenden Tätigkeiten einer Instandhaltungsmaßnahme und deren Lehrlernziele analysiert und anschließend formuliert, so kann ein didaktisch aufbereitetes Lernfeld zur Instandhaltung bestimmter technischer Anlagen oder Maschinen benannt werden. Im Rückschluss muss allerdings überprüft werden, in welcher Weise das Lernfeld Instandhaltung dazu beiträgt, berufliche Handlungskompetenz bei Lernenden zu entwickeln und zu fördern. Aus dem didaktisch begründeten Lernfeld der Instandhaltung können nun in weiteren Ausdifferenzierungen ganz spezielle Lernsituationen geschaffen werden. Diese können z. B. die Wartung und Instandhaltung von technischen Maschinen und Anlagen oder -komponenten beinhalten. Diese Instandhaltungsbausteine bringen fachtheoretische Inhalte einer Instandhaltungsmaßnahme in einen nutzbringenden Anwendungszusammenhang und präzisieren die Vorgaben des Lernfeldes Instandhaltung. Einer didaktischen Analyse zur Gestaltung und Überprüfbarkeit der Entscheidungsfindung der Lernsituationen schließt sich eine Reflexion der möglichen Dimensionen der Kompetenzentwicklung an.
306
5 Aus- und Weiterbildung des Instandhaltungspersonals
Handlungsfeld Instandhaltungsmaßnahmen in realen Arbeitsprozessen
Lernfeld Instandhaltung z.B. Montage, Wartung, Inspektion, Verbesserung
Lernsituationen didaktisch aufbereitete Weiterbildungsmaßnahmen zur Förderung der beruflichen Handlungskompetenz
Abb. 5.2 Handlungsfeld, Lernfeld und Lernsituationen in Anlehnung an [BS98].
Auf dieser Basis erfolgt die konkrete Planung der Bausteine für die jeweiligen Weiterbildungseinheiten. Zu deren Planung und Umsetzung müssen jedoch die unterrichtsorganisatorischen Bedingungen analysiert werden (vgl. [Bad03]).
Reflexion Lernfeld Instandhaltung – – – –
Montage Wartung Inspektion Verbesserung
Wie kann das Lernfeld Instandhaltung durch eine oder mehrere konkrete Lernsituationen aufbereitet werden? Didaktische Analyse Zugänglichkeit bzw. Lehr-Lernprozess-Struktur Bedingungsfelder der Fortbildung antropologisch-psychologische sozial-kulturelle Bedingungen
Lernsituationen didaktisch aufbereitete Weiterbildungsmaßnahmen zur Förderung der beruflichen Handlungs kompetenz
Reflexion
Abb. 5.3 Didaktische Reflexion vom Lernfeld Instandhaltung zur Lernsituation in Anlehnung an [BS98]
Bei der Ausgestaltung einer entsprechenden Lernsituation bekommt die Zugänglichkeit und Darstellbarkeit der Thematik eine besondere Bedeutung. Das Lernfeld der Instandhaltung erschließt sich bei seiner Umsetzung z.B. durch eine exemplarisch durchlaufene Planung der Instandhaltung, Durchführung und Kontrolle einer Wartungsarbeit an einer bestimmten Maschinen- oder Anlagenkomponente
5.4 Didaktische Ausgestaltung
307
nach Herstellervorgaben oder nach Kundenwunsch. Dabei können Lernende z.B. auf Herstellerunterlagen, z.B. Wartungs- und Betriebsanleitungen, zurückgreifen. Für die konkrete Ausgestaltung der Lernsituation müssen jedoch insbesondere die Rahmenbedingungen für die Lernumgebung beachtet werden. Durch die Reflexion der Handlungsschritte kann eine mögliche Kompetenzentwicklung für berufliche Handlungsfelder analysiert werden (vgl. Abb. 5.4). In dieser Reflexion wird der Frage nachgegangen, in welcher Weise konkretisierte Lernsituationen dazu beitragen, berufliche sowie lebens- und gesellschaftsbedeutsame Problemstellungen zu bewältigen und welche Aspekte beruflicher Handlungskompetenz durch die jeweilige Lernsituation besonders gefördert werden können. Insbesondere muss überprüft werden, inwieweit die entsprechende Lernsituation einen realen Arbeitsprozess abbildet und ob die notwendigen Kompetenzdimensionen vermittelt werden. Hierbei stehen Fragen der methodischen Gestaltung und der Überprüfbarkeit von Lernprozessen im Vordergrund. Bei der Wartung und Instandsetzung von Maschinenund Anlagenkomponenten Systemen ist es durchaus erforderlich, z.B. das Lesen von Blockschaltbildern, Diagrammen und Funktionsschemata zu beherrschen. Ferner sind wichtige Handlungsabläufe bei der Demontage oder Remontage notwendig, um die Funktionsweise der gewarteten Funktionseinheiten zu gewährleisten. Ein an Bedeutung gewinnender Bereich ist bereits heute die Gesprächsführung mit Kunden oder Vorgesetzten, um einen Wartungsauftrag entgegenzunehmen. Diese breite Anforderung an einen Instandhaltungsprozess verlangt ebenso unterschiedlich gestaltete Lernsituationen für die zu fördernden Kompetenzdimensionen. Dies betrifft auch die Form der Lernzielkontrolle und ihrer Überprüfung.
Reflexion Handlungsfeld Instandhaltungsmaßnahmen in realen Arbeitsprozessen
In welcher Weise trägt die Lernsituationen dazu bei, berufliche sowie lebens- und gesellschaftsbedeutsame Problemstellungen zu bewältigen? Didaktische Analyse Gestaltung und Überprüfbarkeit Entscheidungsfelder der Fortbildung Reflexion der möglichen Kompetenzentwicklung als Einheit von Fach-, Sozial- und Humankompetenz
Lernsituationen didaktisch aufbereitete Weiterbildungsmaßnahmen zur Förderung der beruflichen Handlungskompetenz
Reflexion
Abb. 5.4 Didaktische Reflexion vom Lernfeld Instandhaltung zur Lernsituation in Anlehnung an Bader [BS98]
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5 Aus- und Weiterbildung des Instandhaltungspersonals
Allerdings gibt es z.B. technische Maschinen- und Anlagenkomponenten, bei denen Instandhaltungsfachpersonal in Instandhaltungsschulungen nicht allein mit herkömmlichen didaktisch-methodisch gestalteten Unterrichtsformen und erst recht nicht mit der Durchführung von Frontalunterricht berufsadäquat in ihrer beruflichen Handlungskompetenz gefördert werden kann. Hier gilt es, neue methodische und auch technische Möglichkeiten zu erschließen. Im Abschnitt 5.5 wird hierzu ein aktueller Ansatz des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg vorgestellt.
5.4.2 Lernerfolgskontrolle Lernerfolgskontrollen machen für Lehrende und Lernende sowie Vorgesetzte und Mitarbeiter Lernfortschritte und Lerndefizite erkennbar und dienen zusätzlich der Bewertung der Leistungen. Aus ihnen kann der zukünftige Einsatzbereich einer Instandhaltungsfachkraft ermittelt und für das Unternehmen sinnvoll umgesetzt werden. Lernkontrollen liefern dadurch wichtige Hinweise für zukünftige Planungen im technischen und organisatorischen Bereich eines Unternehmens. Eine Leistungsbewertung verlangt über eine punktuelle Lernkontrolle hinaus ein intensives Beobachten des Lernprozesses und damit verbunden die Bewertung und Dokumentation einzelner Teilleistungen. Leistungsbewertung soll zusätzlich aber auch ein intensives Beobachten des gesamten Lernprozesses, einschließlich des Arbeits- und Sozialverhaltens, leisten. Die Bewertung komplexer Leistungen unterliegt somit nicht zuletzt, oder gerade deshalb, pädagogischen Gesichtspunkten. Leistungsbewertung ist daher auch nicht auf ein einfaches Messverfahren reduzierbar. Sozial-Human-Kompetenz, die persönliches Engagement, Bereitschaft zur Zusammenarbeit oder Kreativität mit einbezieht, kann teilweise mit einer unmittelbaren quantifizierenden Bewertung nicht erfasst werden. Dieser Kompetenzbereich ist aber gleichwohl für eine Weiterbildung von großer Bedeutung und soll in die Gesamtbewertung aller Leistungen mit einbezogen werden. Für die Leistungsbewertung gilt in besonderem Maße der Anspruch an möglichst weitreichende Objektivität des Urteils und Vergleichbarkeit der Maßstäbe. Um die Urteilsfähigkeit und Kritikfähigkeit von Mitarbeitern gegenüber ihren eigenen Leistungen zu fördern, sollte die Leistungsbewertung von ihnen nachvollzogen werden können. Deshalb sind Teilnehmer vor den Weiterbildungsmaßnahmen Kriterien der Leistungsbewertung mitzuteilen und ggf. entsprechend zu erläutern. Lernzielkontrollen sollen aus den oben angeführten Sachverhalten nach Möglichkeit handlungsorientiert und fächerübergreifend angelegt sein und Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Zusammenhang mit einer komplexen berufsnahen Aufgabenstellung überprüfen. Lernerfolgs- oder Lernzielkontrollen haben demnach zwei grundlegende pädagogische Funktionen (vgl. [Ott07]):
5.4 Didaktische Ausgestaltung
309
• Sie zeigen dem Lehrenden an, ob die zu Beginn gestellten Ziele und Anforderungen erreicht wurden. Gleichzeitig ermöglichen sie einen Rückschluss über den Erfolg der jeweils angewandten Unterrichtsmethoden. • Den Lernenden selbst zeigen sie in Form einer »Lernfortschrittskontrolle« den derzeitigen Lern- und Leistungsstand an und ermöglichen eine individuelle Steuerung der zukünftigen Lernaktivitäten. Für die Aus- oder Weiterbildung in der Instandhaltung ergeben sich wichtige Kriterien für Lernzielkontrollen. Aus dem formulierten Ziel der Handlungsorientierung mit ganzheitlichem Anspruch einer vollständigen Handlung soll die Lernzielkontrolle ebenfalls unter dem Gedanken der Ganzheitlichkeit nicht in einem theoretischen und einem praktischen Teil erfolgen, sondern möglichst auf eine vollständige Handlung in einem realen Arbeitsprozess abzielen. Da hier der Grundsatz beherzigt werden muss: »Es darf nur das geprüft werden, was auch gelehrt worden ist!«, ergeben sich zwei grundlegende Konsequenzen: 1. Instandhaltungsmaßnahmen müssen handlungsorientiert vermittelt werden. 2. Instandhaltungsmaßnahmen müssen handlungsorientiert überprüft werden. Aus der ersten Prämisse ergibt sich eine Auswahl eines oder mehrerer geeigneter Lernträger (LT). Unter diesem Begriff versteht man einerseits einen im Unterricht eingesetzten, komplexen Lerngegenstand und andererseits eine Methode zur Strukturierung und Planung von Unterricht. Der Lernträger sollte daher in ein handlungsorientiertes Konzept eingebunden sein und folgende Eigenschaften besitzen: • konkrete Aufgabenstellungen mit Praxisbezug zu einem realen Arbeitsprozess ermöglichen, • funktionale Zusammenhänge erkennen lassen und • die Vermittlung prozessualer Fähigkeiten und der damit verbundenen Kompetenzen ermöglichen. Bei der Auswahl geeigneter Lernträger ist darauf zu achten, dass vom Lernträger ein motivierendes Moment auf den Lernenden übertragen wird. Es besteht sonst die Gefahr, dass bei der Planung einer Unterrichtseinheit ein einfacher Lernträger inhaltlich überladen wird und dieser damit bei der Durchführung der Lehreinheit seine motivierende Funktion verliert. Im anderen Fall wird ein zu komplex angelegter Lernträger die Lernenden mitunter überfordern. Er wirkt damit eher lernhemmend und nicht Kompetenz fördernd. Diese Tatsache lässt sich vermeiden, wenn in der Instandhaltung eine tatsächlich geeignete Form eines Lernträgers eingesetzt wird (vgl. Abschnitt 5.4: Medieneinsatz) und dieser integrativ mit Kompetenz fördernden Methoden in einem Konzept mündet. Für die Gestaltung einer handlungsorientierten Lernzielkontrolle ergibt sich aus der zweiten Bedingung die Notwendigkeit, einen Lernträger zu finden, der auch zur Überprüfung der Lerninhalte Verwendung finden kann. Die Kompetenzen aus den durchgeführten Instandhaltungsmaßnahmen sollen bei der Erfolgsüberprüfung angewendet werden können. In Anlehnung an [PH07] können die Kriterien zur Erfolgskontrolle ausgeführt werden:
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5 Aus- und Weiterbildung des Instandhaltungspersonals
• Die Lernzielkontrolle im Lernfeld »Instandhaltung« hat sich auf eine tatsächliche berufliche Instandhaltungstätigkeit zu beziehen, die als Lernsituation didaktisch aufbereitet ist. • Die Erfolgskontrolle orientiert sich am vorhandenen Instandhaltungsgegenstand (Lernträger) verbunden mit dem Arbeitsprozess und der Arbeitsorganisation in der Instandhaltung. • Die Erfolgskontrolle zum Themenbereich Instandhaltung soll für verschiedene Berufe geeignet sein.
5.5 Medieneinsatz - Potenziale von Technologien der Virtuellen Realität Wie oben dargestellt, steht für die Instandhaltungsfachkräfte sowohl hinsichtlich der Erstausbildung im Dualen System als auch in der Weiterbildung der Erwerb von Handlungskompetenz im Mittelpunkt der konzeptionellen und didaktischen Überlegungen. Der Erwerb handlungsorientierter Kompetenzen erfordert die Bewältigung realer Aufgabenstellungen aus der beruflichen Praxis. In diesem Zusammenhang stellt sich das Problem der Verfügbarkeit von entsprechenden Betriebsmitteln, Maschinen oder Anlagen. Der Lösungsansatz des Fraunhofer IFF besteht darin, die Bearbeitung realer Arbeitsaufgaben durch den Einsatz virtuell-interaktiver Modelle von Maschinen und Anlagen zu ermöglichen. Mit den Technologien der Virtuellen Realität (VR) werden zunächst virtuelle, als Computermodell vorliegende dreidimensionale Objekte dargestellt. Nach der Erstellung der Objektgeometrie wird das Verhalten eines Betriebsmittels, einer Maschine oder Anlage beschrieben und implementiert, sodass mit der Darstellung der Bewegungen von Bauteilen und -gruppen auch die Funktionalitäten erkennbar werden. Die Visualisierung der Umgebung schafft zusätzlich einen realitätsnahen Bezug zur tatsächlichen Arbeitsumgebung. In der didaktischen Ausgestaltung werden u.a. Arbeitsaufgaben und -lösungen beschrieben, die das Feedback für den Lernenden und die Auswertung des Lernerfolgs ermöglichen. Die Verwendung der VR-Technologie macht es dabei möglich, sämtliche Arbeitsabläufe im kleinsten Detail und als nachvollziehbare Prozedur abzubilden. Der Lernende kann sich Schritt für Schritt die Details, konstruktiven Zusammenhänge und Funktionalitäten der Bauteile und Baugruppen erschließen. Die Arbeitsschritte wurden analysiert, als Lernaufgaben didaktisch aufbereitet und den Lernenden zur Bearbeitung in der virtuellen Szene vorgelegt. In einem speziellen Lernszenario zur Lernerfolgskontrolle muss er diese mithilfe des Computermodells später allein bewältigen. Zudem erhält er Einblick in die inneren Strukturen und die funktionalen Zusammenhänge der Lernobjekte. Derartige Inhalte konnten in der Vergangenheit nur sehr abstrakt vermittelt werden. Das beanspruchte erheblich mehr Zeit und garantierte keinen einheitlichen Wissensstand bei allen Lernenden.
5.5 Medieneinsatz - Potenziale von Technologien der Virtuellen Realität
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Neben der Möglichkeit, an einem technischen System zu trainieren, das normalerweise in einem Seminar oder Unterrichtsstunde nicht eingesetzt werden kann, ergeben sich durch die Nutzung virtueller Lernszenarien eine ganze Reihe weiterer Vorteile: • Die praktische Ausbildung kann mit einer flexiblen Anzahl der Lernenden weitgehend zeit- und ortsunabhängig erfolgen. • Sowohl der zeitliche Ablauf der Übungen als auch der Fokus auf einzelne Arbeitsschritte können beliebig variiert werden. • Sämtliche Arbeitsschritte sind zu jedem Zeitpunkt für alle Lernenden transparent. • Besonders hervorzuheben ist, dass eine fehlerhafte Durchführung von Arbeitsaufgaben im virtuellen Szenario keine Beschädigung oder sogar Zerstörung von realen Maschinen und Anlagen zur Folge hat. • Zudem hat sich im Informationszeitalter die Anwendung moderner Technologien als zusätzlicher Motivationsfaktor für die Lernenden bewährt. Für die systematische Analyse der Potenziale von Technologien der Virtuellen Realität für die berufliche Bildung haben Jenewein et.al. und Fletcher mit Verweis auf Ansätze von Anderson zur Unterscheidung von deklarativem und prozeduralem Wissen sowie Dörner zur Bestimmung von Realitätsbereichen, die sich Sachverhalts- und Handlungsstrukturen zuordnen lassen, das folgende Strukturmodell vorgelegt: Dementsprechend lassen sich die Vorteile des Lernens mit VR-Technologien wie folgt zusammenfassen • Mit der didaktischen Reduktion können komplexe Arbeitssysteme entsprechend den individuellen Voraussetzungen und dem Lern- und Erkenntnisfortschritt schrittweise adaptiert werden. • Die in sehr kurzen Zeitintervallen technischen Vorgänge können mit dem Instrument der Zeitstreckung anschaulich dargestellt werden, langfristige Veränderungen von Arbeitssystemen können mit dem Zeitraffer von Wochen, Monaten oder Jahren auf wenige Minuten konzentriert werden. • Die Reversibilität von Lernhandlungen, d.h. insbesondere das Lernen aus Fehlern, ist gefahrlos möglich. • Zur Vorbereitung auf einen konkreten Arbeitsauftrag kann der Lernende individuell, zeit- und ortsunabhängig den entsprechenden Arbeitsprozess im virtuellen System durcharbeiten.
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5 Aus- und Weiterbildung des Instandhaltungspersonals
Tabelle 5.1 Potenziale der Virtuellen Realität für die berufliche Bildung. Realitätsbereiche Sachverhalte Komplexität
Reale Arbeitsumgebung Virtuelle Arbeitsumge- Didaktische Konsequen(RA) bung (VR) zen immer 100%
Dynamik
stark begrenzte Einflussnahmemöglichkeiten
Vernetztheit
oft unanschaulich und begrenzt beeinflussbar abhängig von Sichtbarkeit und Zugänglichkeit
Transparenz Lernhandlungen Reversibilität
selten ohne Folgen (Kosten, Zeit und Material möglich) Kostenabhängigkeit Lernhandlungen verursachen immer Kosten
Zeitabhängigkeit Ortsabhängigkeit
Reduzierung oft unmög- Reduzierung in der Relich immer < 100% gel möglich didaktische Reduktion komplexer Umgebungen prinzipiell unbegrenzte Anschaulichkeit Einflussnahme durch Zeitraffung und -streckung Vernetzungsgrad beein- gezielte Orientierung an flussbar Lernvoraussetzungen Zugänglichkeit und bessere Verständlichkeit Sichtbarkeit künstlich und Anschaulichkeit erweiterbar immer ohne möglich
Folgen möglich: Fehlern
geringer Nutzungs-, hoher Entwicklungsaufwand Arbeitsprozess und prinzipiell unbegrenzte -system z.T. nur be- Verfügbarkeit grenzt verfügbar gebunden an Arbeitsumgebungen
Lernen
aus
je nach Anzahl der Lernenden und Anwendungsfall Individualisierung und Flexibilisierung von Lernzeiten
Literaturverzeichnis
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5 Aus- und Weiterbildung des Instandhaltungspersonals
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Glossar
ABC-Analyse Die ABC-Analyse ist ein Ordnungsverfahren zur Klassifizierung einer großen Anzahl von Daten (Erzeugnisse oder Prozesse). Dabei werden die Daten anhand vorgegebener Kriterien in drei Klassen eingeteilt, die stellvertretend für einen hohen (A-Teile), mittleren (B-Teile) oder geringen (C-Teile) Verbrauchswert der Erzeugnisse oder Prozesse stehen. Somit ist die ABC-Analyse ein wichtiges und einfaches Hilfsmittel in der Materialwirtschaft, um sich von der IST-Situation ein Bild zu machen. Mit ihr wird das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag aufgezeigt, um so Schlüsse für die Zukunft ziehen zu können. Abnutzungsvorrat Der Begriff »Abnutzungsvorrat« ist aus Sicht der Instandhaltung die eigentliche Größe, mit welcher die Beschaffenheit bzw. das Leistungsvermögen einer technischen Anlage beschrieben wird welches dieser aufgrund der Herstellung oder Wiederherstellung durch Instandhaltungsmaßnahmen innewohnt. Der Unterschied zum Begriff des Zustandes besteht darin, dass er nicht an eine feste Skalierung gebunden ist und in Abhängigkeit von seinem Verwendungszweck definiert werden kann. Analytic Hierarchy Process Der Analytic Hierarchy Process (AHP) ist eine von dem Mathematiker Thomas Saaty entwickelte Methode bzw. ein Verfahren, um Entscheidungsprozesse zu unterstützen. Der AHP ist eine moderne Methode aus der Entscheidungstheorie zur Entscheidungshilfe ähnlich der Nutzwertanalyse, um komplexe Entscheidungen zu vereinfachen und rationaler, bewusster zu treffen. Der AHP stellt einen gedanklichen Prozess dar und bietet dem Entscheider ein systematisches Verfahren, mit dem er ihn durch seinen Entscheidungsablauf in sehr strukturierten Form führt. Ziel des AHP ist es, bei schwierigen Entscheidungen eine gemeinsame, optimale Lösung zu finden mit möglichst geringen Zeitaufwand, bei nachvollziehbarer Qualität und weitreichender Akzeptanz seitens der TeamMitglieder bei der späteren Umsetzung einer Team-Entscheidung. Betriebssicherheitsverordnung Die Betriebssicherheitsverordnung ist die Verordnung über Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Bereitstellung von Arbeitsmitteln und deren Benutzung bei der Arbeit, über Sicherheit beim Betrieb überwa-
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Glossar
chungsbedürftiger Anlagen und über die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes [BetrSichV]. CASE-Werkzeuge (Computer-Aided Software Engineering) Spezielle Softwaresysteme, die den Softwareingenieur oder auch Softwareentwickler bei der Planung, bei dem Entwurf und bei der Dokumentation seiner Arbeitsergebnisse unterstützen, werden als CASE-Werkzeuge bezeichnet. Condition Monitoring Systeme CMS haben zum Ziel, den Anlagenzustand zu erfassen und weiterzugeben sowie eventuelle Schäden frühzeitig zu erkennen. Daten Laut [Bod08] wird der Begriff »Daten« über dem Begriff »Zeichen« als Element eines Alphabetes eingeführt. Ein Alphabet besteht in der Regel aus Buchstaben, Ziffern und Sonderzeichen und bildet in seiner Grundgesamtheit einen bestimmten Zeichenvorrat. Zeichen werden durch die Vorgabe syntaktischer Regeln (Ordnungsregeln), welche die Beziehung zwischen einzelnen Zeichen zueinander ordnen, zu »Daten«. Datenbank-Entwurfsprozess In Anlehnung an [HS00] wird der Entwurfsprozess als eine Abfolge von Entwurfsdokumenten (auch Modellierung genannt) beschrieben, die von einer abstrakten, anwendungsnahen Beschreibungsebene hin zur tatsächlichen Realisierung einer Datenbank führen. Datenbank-Management-System Ein Datenbank-Management-System ist die Gesamtheit aller Softwaremodule, die die Verwaltung und Bereitstellung von Datenbanken gewährleisten [HS00]. Datenbanksystem (DBS) Ein Datenbanksystem ist die Kombination eines Datenbank-Management-Systems mit einer Menge von Datenbanken. Datenorientierte Analyse In dieser Form der Analyse steht die Spezifikation und Ableitung eines einheitlichen, aber grundsätzlichen Datenschemas für die künftige Lösung im Mittelpunkt. Datenorientierte Softwareentwicklung In der datenorientierten Vorgehensweise zur Konzipierung und Realisierung von Softwaresystemen stehen grundsätzlich die Daten im Mittelpunkt der Betrachtungen. Datenmanagement Das Datenmanagement ist die Menge aller methodischen, konzeptionellen, organisatorischen und technischen Maßnahmen und Verfahren zur Behandlung von »Daten«. Das Ziel des Datenmanagements liegt in der Gewährleistung einer maximalen Unterstützung auszuführender Geschäftsprozesse in den Unternehmen. Datenmanagementsystem Ein Datenmanagementsystem ist ein Informations- und Kommunikationssystem im Sinne eines Softwaresystems, welches Operationen für die Verwaltung und Bereitstellung von »Daten« beinhaltet. Delphi-Methode In mehreren, aufeinander aufbauenden Runden werden Expertenbefragungen durchgeführt (in aller Regel werden 2-4 Iterationen mit den Prozess-
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schritten Befragung, Datenanalyse, Feedback, Diskussion und Entscheidung durchgeführt). Die Gruppengröße bei Delphi-Befragungen ist praktisch unbeschränkt, bewegt sich aber üblicherweise bei 50 – 100 Personen. Die Iteration der Befragung wird so lange wiederholt, bis sich die Teilnehmer auf eine möglichst zufriedenstellende Lösung oder Prognose geeinigt haben oder sich kaum mehr Abweichungen zur vorherigen Runde ergeben. Dokument Nach DIN 6789-1 ist ein Dokument eine als Einheit gehandhabte Zusammenfassung oder Zusammenstellung von Informationen, die dauerhaft auf einem Informationsträger gespeichert sind [DIN 6789-1] Dokumentation Eine Dokumentation ist die Summe der für einen bestimmten Zweck vollständig zusammengestellten Dokumente [DIN 6789-1]. Dokumentenmanagement Das Dokumentenmanagement ist die Menge aller methodischen, konzeptionellen, organisatorischen und technischen Maßnahmen und Verfahren zur Behandlung von »Dokumenten«. Das Ziel des Dokumentenmanagements liegt in der Gewährleistung einer maximalen Unterstützung auszuführender Geschäftsprozesse in den Unternehmen. Dokumentenmanagementsystem DMS beinhalten entsprechend der VDI 4500-2 Methoden und Systeme, mit denen große Mengen heterogener Dokumente erstellt, indiziert, archiviert, aufgefunden, weitergeleitet und vernichtet werden können Engineering/Product Data Management Systeme EDM/PDM-Systeme beinhalten die ganzheitliche, strukturierte und konsistente Verwaltung aller Abläufe und Daten, Informationen und Dokumente, die bei der Entwicklung von neuen oder bei der Änderung vorhandener Produkte anfallen. EDM/PDM hat zum Ziel, produktdefinierende, -repräsentierende und -präsentierende Daten sowie Dokumente als Ergebnis der Produktentwicklung zu speichern und zu verwalten. Entity-Relationship-Modell (ER-Modelle) Das von Chen im Jahre 1976 vorgeschlagene Entity-Relationship-Modell dient zur benutzerfreundlichen und kommunikativen Spezifikation von Informations- und Datenstrukturen. Evolutionäres Modell Das evolutionäre Vorgehensmodell in der Softwareentwicklung geht davon aus, dass ein Softwaresystem allmählich und stufenweise konzipiert, entwickelt und getestet wird. eXtensibel Markup Language Die eXtensible Markup Language (XML) ist eine Meta-Sprache zur Spezifikation von Sprach-Grammatiken für den Austausch individueller, semi-strukturierter Daten [HM05, BPSM+ 08]. Funktionsorientierte Softwareentwicklung In der funktionsorientierten Vorgehensweise zur Konzipierung und Realisierung von Softwaresystemen stehen grundsätzlich die Funktionen im Mittelpunkt der Betrachtungen, wobei diese die für die Software relevanten »Tätigkeiten« umfassen.
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Geschäftsprozess Ein Geschäftsprozess ist eine zielgerichtete zeitlich-logische Folge oder Vorgangskette von Tätigkeiten (andere Bezeichnung: Aktivitäten, Geschäftsvorgänge), dessen Ziele aus der Unternehmensstrategie abgeleitet sind [HS04]. Glossar Zusätzlich zur Liste von Begriffen enthält ein Glossar gegenüber einem Vokabular eine Liste von Termen und Beschreibungen, die oft im Zusammenhang mit Fachtexten stehen. Hypertext Markup Language Die HTML ist eine textbasierte Auszeichnungssprache zur Strukturierung und definierten Visualisierung von Inhalten. Information Laut [Bod08] ist Information die Interpretation von Daten in einem gegebenen Kontext. Informationen entstehen im Ergebnis der Zuordnung einer Bedeutung zu Daten. Durch die individuelle Interpretation von objektiven Daten resultieren subjektive Informationen. Informationsmanagement Das Informationsmanagement ist die Menge aller methodischen, konzeptionellen, organisatorischen und technischen Maßnahmen und Verfahren zur Behandlung von »Informationen«. Das Ziel des Informationsmanagement liegt in der Gewährleistung einer maximalen Unterstützung auszuführender Geschäftsprozesse in den Unternehmen. Informationstechnologien Informationstechnik (kurz IT) ist ein Oberbegriff für die Informations- und Datenverarbeitung sowie für die dafür benötigte Hard- und Software. Der teils synonym verwendete Begriff Informationstechnologie kommt aus dem Englischen und ist eine Übersetzung des englischen Begriffes information technology, der die mit diesem Gebiet verbundene Technik und Technologie bezeichnet. Inspektion Entsprechend der DIN 31051 werden unter Inspektion alle Maßnahmen zur Feststellung und Beurteilung des Ist-Zustandes einer Betrachtungseinheit verstanden, einschließlich der Bestimmung der Ursachen der Abnutzung und dem Ableiten notwendiger Konsequenzen für eine künftige Nutzung [DIN 31051]. Instandhaltung In das Aufgabengebiet der Instandhaltung fallen neben den Grundmaßnahmen Wartung, Inspektion, Instandsetzung und Anlagenverbesserung auch die Analyse des Ausfallverhaltens, die verbesserte Erkennbarkeit potenzieller Störungen und die aktive Vermeidung von Störfällen [DIN 31051]. Instandhaltungslogistik Die Instandhaltungslogistik umfasst alle Prozesse und zugehörigen Informationen zur Sicherung der geforderten Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen. Die Realisierung dieser Aufgabe erfolgt durch den Instandhaltungsprozess, der mittels Instandhaltungsressourcen, wie Personal, Ersatzteilen, Arbeits- und Hilfsmitteln, am Instandhaltungsobjekt wirkt. Instandhaltungsplanungs- und -steuerungs-Systeme IPS-Systeme planen, steuern und überwachen Instandhaltungsmaßnahmen. Instandhaltungsmaßnahmen werden dabei als Arbeitsaufträge im IPS-System abgebildet.
Glossar
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Instandhaltungsstrategie Entsprechend der DIN EN 13306 wird als Instandhaltungsstrategie die jeweilige Instandhaltungsmethode bezeichnet, die angewendet wird, um die Instandhaltungsziele zu erreichen [DIN EN 13306]. Instandsetzung Instandsetzungen umfassen entsprechend der DIN 31051 alle Maßnahmen zur Rückführung einer Betrachtungseinheit in den funktionsfähigen Zustand, d.h. auf das gleiche Niveau wie vor einem Ausfall ohne Verbesserungen [DIN 31051]. Maschinenrichtlinie 2006/42/EG Die Maschinenrichtlinie regelt ein einheitliches Schutzniveau zur Unfallverhütung für Maschinen beim Inverkehrbringen innerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes (EWR). Meta-Daten/-Informationen Als Meta-Daten oder Meta-Informationen werden i.Allg. Daten, die Informationen über andere Daten enthalten bezeichnet. So stellen bspw. Titel, Autor und Dokumentennummer Meta-Daten für technische Dokumente dar. Natürlichsprachliche Analyse Die einfachste Form der Analyse ist die Nutzung der natürlichen Sprache, um einen speziellen Sachverhalt zu beschreiben. Ontologien Ontologien bauen auf der Hierarchie von Taxonomien und Thesauri auf, erweitern deren Konzepte um assoziative Beziehungen und fügen Möglichkeiten hinzu, um logische Schlüsse ziehen zu können. Hierzu lassen sich Regeln und Axiome als Basis spezifizieren. Overall Equipment Effectiveness Die OEE ist die zentrale Kennzahl zur Messung, Analyse und Steigerung der Maschinen-, Anlagen- und betrieblichen Produktivität. Als Produkt aus den Faktoren Verfügbarkeit, Leistung und Qualität beschreibt sie in Form eines Maßes der Wertschöpfung die Auswirkungen von Effizienz-, Effektivitäts- und geplanten Nicht-Produktionsverlusten auf einen maximal möglichen Produktionszeitraum. Pareto-Analyse Die Pareto-Analyse ist ein Verfahren basierend auf einem ParetoDiagramm welches der allgemeinen Erfahrung entspricht, dass etwa 20 % der Einflussfaktoren 80 % des Ergebnisses bewirken, das sogenannte Pareto-Prinzip. Im Diagramm werden die Einflussfaktoren und Ergebnisse anhand ihrer entsprechenden Ausprägung der Größe nach geordnet und gegenübergestellt. Zweck der ParetoAnalyse ist es entscheidende Problemursachen anhand ihrer Bedeutung zu identifizieren und damit Fehleranalysen bzw. Entscheidungsprozesse zu unterstützen. Portfolio-Analyse Die Portfolio-Analyse ist eine Technik welche ursprünglich in der Wirtschaftswissenschaft entwickelt wurde. Es werden hierbei Objekte/Geschäftseinheiten nach gewünschten Attributen, welche die Grenzen des Portfolios bestimmen, bewertet und in Form einer Vier-Felder-Matrix gegenübergestellt. Mit Hilfe dieser Technik können gezielt kritische Objekte/Geschäftseinheiten identifiziert sowie Strategien und Vorgehensweisen für eine Verschiebung dieser innerhalb des Portfolios geplant und überprüft werden.
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Glossar
Produkthaftungsgesetz Das Produkthaftungsgesetz regelt in Deutschland die Haftung eines Herstellers bei fehlerhaften Produkten [ProdHaftG]. Prozessorientierte Analyse Gegenstand dieser Form der Analyse ist das Herausfinden relevanter Funktionalitäten oder auch Prozesse bzw. Geschäftsprozesse einer künftigen Lösung. Scoring-Methode Die Scoring-Methode ist ein Verfahren zur Bewertung von Alternativen, wobei Alternativen auch an solchen Bewertungskriterien gemessen werden, die nicht in Geldeinheiten ausdrückbar sind. Berücksichtigt werden z.B. technische, psychologische und soziale Bewertungskriterien, die sich an quantitativen und qualitativen Merkmalen orientieren (multiattributive Nutzenbetrachtung). Semantische Netze Ein semantisches Netz ist eine geordnete Zusammenstellung von Begriffen und deren Bezeichnungen, deren Zusammenhang über beliebige Beziehungen miteinander definiert wird. Softwareentwicklung Die Softwaretechnik beschäftigt sich mit der Herstellung von Software, also der Entwicklung und dem Betrieb von Softwaresystemen und der Organisation und Modellierung der zugehörigen Datenstrukturen (vgl. [Dum03]). Softwaretechnik umfasst eine Vielzahl von Teilgebieten, die in ihrer Gesamtheit die Softwareentwicklung begleiten. Neben dem Entwickeln ist auch das Betreiben der Software Bestandteil der Softwaretechnik. Zur Softwareentwicklung gehört immer eine ingenieurmäßige Vorgehensweise, der sog. Softwareentwicklungsprozess. Softwareentwicklungsprozess Der Softwareentwicklungsprozess (das Vorgehensmodell) unterteilt den Entwicklungsprozess in überschaubare, zeitlich und inhaltlich begrenzte Phasen. Die Software wird somit Schritt für Schritt fertiggestellt. Die Phasen sind während des ganzen Entwicklungsprozesses eng miteinander verzahnt. Softwaresystem Software oder auch Softwaresystem ist ein Sammelbegriff für die Gesamtheit ausführbarer Datenverarbeitungsprogramme und die zugehörigen Daten, Informationen und Dokumente. Ihre Aufgabe ist es, die Arbeitsweise von softwaregesteuerten Geräten (die einen Teil der Hardware bilden) zu beeinflussen. Strukturierte Analyse In dieser Form der Analyse werden die prozess- bzw. funktionsorientierte und die datenorientierte Analyse und insbesondere deren Vorteile vereinigt. Taxonomie In einer Taxonomie werden die verwendbaren Begriffe, bspw. eines Glossars, in einer spezifizierten Hierarchie, bestehend aus Ober- und Unterbegriffsbeziehungen, angeordnet. Technisches Dokument Ein technisches Dokument ist eine als Einheit, für technische Zwecke erforderlichen Art und Vollständigkeit, gehandhabte Zusammenfassung oder Zusammenstellung von Informationen. Technische Dokumentation Eine Technische Dokumentation ist entsprechend der [DIN 6789-1] eine Dokumentation in der für technische Zwecke erforderlichen Art und Vollständigkeit.
Glossar
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Technische Produktdokumentation Eine Technische Produktdokumentation ist die Gesamtheit der während der Lebensphase eines Erzeugnisses erstellten technischen Dokumente [DIN 6789-1]. Thesaurus/Thesauri Nach DIN 1463-1 ist ein Thesaurus eine geordnete Zusammenstellung von Begriffen und ihrer, vorwiegend natürlichsprachlichen, Beziehungen, die in einem Dokumentationsgebiet zum Indexieren, Speichern und Wiederauffinden dient [DIN 1463-1]. Topic Maps Topic Maps dienen der Strukturierung von großen Informationsbeständen mit der Möglichkeit, einzelne Informationsquellen zu referenzieren. Verbesserung Eine Verbesserung umfasst entsprechend der DIN 31051 die Kombination aller technischen und administrativen Maßnahmen sowie Maßnahmen des Managements zur Steigerung der Funktionssicherheit einer Betrachtungseinheit, ohne die von ihr geforderte Funktion zu ändern [DIN 31051]. Vokabulare Vokabulare sind Listen von definierten Begriffen, die explizit indiziert werden. Wartung Entsprechend der DIN 31051 werden unter Wartung alle Maßnahmen verstanden, die zur Verzögerung des Abbaus eines vorhandenen Abnutzungsvorrates von Betrachtungseinheiten beitragen [DIN 31051]. Wasserfallmodell Das Wasserfallmodell ist ein lineares, nicht-iteratives Vorgehensmodell in der Softwareentwicklung. Wissen Die gezielte Vernetzung verschiedener Informationen mit einem bestimmten Kontext eines Informationsempfängers wird allgemein als »Wissen« bezeichnet, d.h. sie werden methodisch miteinander vernetzt [Bod08]. Wissensmanagement Wissensmanagement ist ein zusammenfassender Begriff für alle operativen Tätigkeiten und Managementaufgaben, die auf den bestmöglichen Umgang mit Wissen abzielen. Wissensmanagementsystem Ein Wissensmanagementsystem ist ein Informationsund Kommunikationssystem im Sinne eines Softwaresystems, welches Operationen für den strukturierten und kontextbezogenen Umgang mit implizitem Wissen und expliziten Informationen in den Unternehmen bereitstellt. Zuverlässigkeit Die Wahrscheinlichkeit, dass die geforderten Funktionen eines Produktes unter bestimmten Umgebungs- oder Arbeitsbedingungen für eine bestimmte Dauer ausfallfrei ausgeführt werden. Die Zuverlässigkeit wird im Vorfeld durch bestimmte Zuverlässigkeitsmerkmale definiert.
Sachwortverzeichnis
A ABC-Analyse 64, 107, 122 Inhalt 104 Abnutzungsvorrat 30, 129, 144, 149, 151, 153, 156, 167, 171, 202 Aggregation von Abnutzungsvorräten 175 Aktueller 171 Definition 27 Definition von Klassen 174 Erfahrungsbasierte Bestimmung 210 Inhalt 145 Prognose 203 Systemimmanenter 153, 155, 170 Visualisierung der Bewertungsergebnisse 177 Aktivitätendiagramm 254 Abläufen 255 Aktivitäten 255 Analogiemethode 246 Analytic Hierarchy Process 106, 107 Anforderungsanalyse 261 Anfrage 259 Anlage 129, 144 Nutzungsphasen 11 Anlagenüberwachung 2 Anlagenbetreiber 150 Anlagendokumentation 7 Anlagenkomponente 169 Anlagenlebenszyklus 4 Aussonderung 14 Betriebsphase 14 Definition 11 Errichtung und Inbetriebnahme 12 Grobplanung 12 Nutzungsphase 13 Anlagenmanagement 4, 15, 141, 159
Anlagenmodell 213 Anlagenstruktur Beispiel 214 Anlagenstrukturierung 178 Anlagenverfügbarkeit 16 Anlagenzustand 202 Anwendungsfalldiagramm 253 Asset Management-Systeme 6 Augmented Reality 9 Aus- und Weiterbildung 289 Ausfalldichte 47 Ausfallrate 44, 48 Ausfallwahrscheinlichkeit 44, 45 B Barcode-Technologie 9 Beanspruchbarkeit Begriffsbestimmung 148 Beanspruchung 153, 159 Beanspruchungsklassen 159 Begriffsbestimmung 146 Bedarfsermittlung Ablauf 70 Belastung Begriffsbestimmung 148 Benutzermanagement 276 Betriebsdatenerfassung 290 Betriebssicherheitsverordnung 13, 232 Bewertungsergebnis 221 Bewertungshistorie 202 Bewertungslogik 198 Bildungsdienstleister 293 C Cascading Style Sheets
269
323
324
Sachwortverzeichnis
CASE-Werkzeug 245, 257 CAVE-Umgebung 270 Checkliste 77 Condition Monitoring System 272
31, 38, 132,
D Daten 232, 235 Definition 233 Datenakquisition 72 Datenbank 259 Datenbank-Management-System 259 Datenbanksoftware 258 Datenbanksystem 258, 259 Datendefinition 262 Datenhandschuh 270 Datenmanagement 236 Problembereiche 238 Datenmanagementsysteme 236 Datenorientierte Analyse 247 Datenschema 243 konzeptionelles 243 Datenstrukturen 237 Delphi-Methode 107 Inhalt 105 Diagnose 5 Dienstleistungspools 95 DIN 11042 Inhalt 282 DIN 15226 231 DIN 31051 16, 25–27, 149, 232 Inhalt 281 DIN 31052 Inhalt 282 DIN 6789 234 DIN EN 13306 24, 26 Inhalt 281 DIN EN 13460 Inhalt 282 Dokument 232 Definition 234 technisches 232, 234 Dokumentation Definition 234 technische 234 Dokumentenmanagement 236 Problembereiche 238 Dokumentenmanagementsystem 236, 273 Dokumentenstudium 77 Drei-Ebenen-Schema-Architektur 260 E eClass
EDM-/PDM-Systemen 283 Engineering Data Management 275 Entity-Relationship-Modell 248 Entwicklungsphasen 238 Entwicklungssystem 238 Erfolgskontrolle Technische Aspekte 207 Wirtschaftliche Aspekte 208 ERP-System 7, 273 Ersatzteilkatalog 278 Erweitertes Entity-Relationship-Modell 248 Extensible 3D 270 eXtensible Markup Language 266 eXtensible Stylesheet Language Tranformation 269 F Fachkompetenz 295 Fachliche Begriffskontrolle 246 Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse 142, 158 Filterung 237 Flystick 270 Fortbildungsmaßnahme Lernziel 301 Funktionsmodell Virtuelles 9, 290 Funktionsstörung betriebsrelevant 33 sicherheitsrelevant 33 Fuzzy-Controller 184, 215 Fuzzy-Logik 7, 163, 204 Fuzzy-Regel-System 204 G Generierung 268 Gesamtdatenschema konzeptionelles 243 Geschäftsprozesse 231 Glossar 264 H Handlungskompetenz 294, 297 Berufliche 299, 304 Head-Mounted Display 270 Herstellungsarbeiter 291 Humankompetenz Inhalt 295 Hypertext Markup Language 269 I
283
Implementierung und Wartung
262
Sachwortverzeichnis Information 204, 232 Definition 233 Informations- und Kommunikationstechnologie 6 Informations- und Materialflussanalyse 80 Informationsbeschaffung Checkliste 77 Dokumentenstudium 77 Informations- und Materialflussanalyse 80 Morphologie 78 Informationsmanagement 4, 236, 290 Problembereiche 238 Informationsmanagementsysteme 236 Informationstechnologie 238 Inhalte 235 Inspektion Definition 24 Inspektionsmaßnahme 150 Instandhaltung Anforderungen 14 Aufgabengebiete Inspektion 24 Instandsetzung 24 Verbesserung 24 Wartung 23 Beitrag zur Wertschöpfung 4 Entwicklungsetappen 1 Kennzeichen 9 Methoden und Werkzeuge 6 Organisationsstruktur 87 Dienstleistungspools 95 Instandhaltungsnetzwerke 87 Kooperation 96 periodisch vorbeugende Inhalt 28 präventive vorrausschauende Inhalt 31 präventive zustandsabhängige Inhalt 30 Produktionsintegriert 290 reaktive Inhalt 27 Vorausschauend 290 zustandsabhängig 31, 126 Zustandsorientiert 290 Instandhaltungs-Daten-Analyse-Methode 72 Instandhaltungsanleitung 290 Instandhaltungsart Aufgeschobene Instandhaltung 25 Ausfallverhindernde Instandhaltung 24 Automatisierte Instandhaltung 25 Bediener-Instandhaltung 25 Ferngesteuerte Instandhaltung 25
325 Instandhaltung vor Ort 25 Instandhaltung während des Betriebs 25 Korrektive Instandhaltung 25 Planmäßige Instandhaltung 24 Sofortige Instandhaltung 25 Vorausbestimmte Instandhaltung 24 Voraussagende Instandhaltung 25 Instandhaltungsaufgabe 292, 293 Lernziel 298 Instandhaltungsaufwendung 150 Instandhaltungsbedarf 72, 75, 203 Bedarfsplanung 74 Methoden zur Erfassung 63 ABC-Analyse 64 Erhaltungswürdigkeit 68 Portfolio-Analyse 66 Instandhaltungsbereiche 3 Instandhaltungsbudget 150 Instandhaltungsdienstleister 150 Instandhaltungsfachkräfte 290 Instandhaltungsleistung 120 Auswahl 196 Instandhaltungslogistik 16 Definition 39 Instandhaltungsmaßnahme 4, 191, 202, 217 Wirkung 169 Instandhaltungsnetzwerke 87 Instandhaltungsobjekt 4, 26 Clusterung 103 Definition 4 Objekt-Typen 180, 214 Zustand 129 aktueller 204 Instandhaltungsplanung 150 Aufgaben 35 Instandhaltungsplanungs- und -steuerungssystem 6, 38, 271 Instandhaltungsprozesse Überwachung 5 Definition 5 Planung 5 Vorbereitung 5 Instandhaltungsstrategie Auswahl 34 Definition 26 Instandhaltungstätigkeit 25 Instandsetzung 3 Definition 24 Internalisation 302 Interviewtechnik 246 IPS-System 7 IT-Systeme Aufgaben 235
326
Sachwortverzeichnis
J Java
250
K Kerneigenleistung Begriffsbestimmung 120 Klasse 242 Klassendiagramme 251 Aggregation 252 Assoziation 252 Generalisierung/Spezialisierung 252 Komposition 252 Klassifizierung und Teilefamilienmanagement 276 Kommunikative Kompetenz Inhalt 295 Kompetenz 289 Kompetenz-Bedeutung-Diagramm 106 Komponentendiagramm 253 Konsistenzkontrollen 246 Kontinuierlicher Verbesserungsprozess 14, 38 Konzeptioneller (Schema-)Entwurf 261 Kooperation 96 L Learning Vector Quantization Networks Lebensdauer 170 mittlere 44, 49 Lebensdauerabschätzung 131 Lebensdauerberechnung 131 Lebenszykluskosten 12 Lebenszyklusphase 232 Leistungsartenkatalog 73 Lernbereich Affektiver 302 Kognitiver 302 Lernerfolgskontrolle 308 Lernkompetenz Inhalt 295 Lernträger 309 Lernziel 298 Logischer Entwurf 262 Logistik Aufgabenbereiche 39 Begriffsbestimmung 38 M Managementsystem 245 Aufgabenbereiche 236
140
Definition 236 Maschinenrichtlinie 232, 234 Mensch 7 Metadaten 266 Metainformationen 236, 266 Methodenkompetenz Inhalt 295 Modellierung 316 Morphologie 78 N Natürlichsprachliche Analyse 246 Neuronales Netz 4, 7, 135, 140 Nutzwertanalyse 93, 142 O Objekt 241 Beziehung 242 Eigenschaft 242 Operation 242 Zustand 69 Objektzustand 69 Ontologie 264 Operation Research 4 Overall Equipment Effectiveness Berechnung 83 Ereignisse 82 Kategorien 81
81, 209
P Pareto-Analyse 107 Inhalt 105 Physischer Entwurf 262 Portfolio-Analyse 66 Problemlöser 292 Product Data Management 275 Produktdaten- und Dokumentenmanagement 276 Produktdokumentation technische 234 Produkthaftungsgesetz 232 Produktionslogistik 41 Produktlebenszyklus 231 Produktlebenszyklusphasen 232 Produktstruktur- und Konfigurationsmanagement 276 Prognose Eingangsgrößen 205 Nutzungsmöglichkeiten 205 Projektdatenmanagement 276 Prozess- und Workflowmanagement 276 Prozessorientierte Analyse 247
Sachwortverzeichnis
327
Q Qualifikation
Taxonomiestufen 301 Taylorismus 3 Thermografie 134 Thesaurus/Thesauri 264 Topic Maps 265 Total Productive Maintenance Trackingsystem 270 Trainingssystem 38 Transformation 237
289, 296
R Rainflow-Verfahren 131 Rational Unified Process 257 RCM-Analyse 159 Regressionsanalyse 131 Relationales Modell 262 Ressourcen Description Framework Restlebensdauerabschätzung 130 RFID-Technologie 9 Risikoprioritätszahl 157 S Schädigungsprozess Klassifizierung 149 Schadensanalyse 5 Schadensbild 33 Schema 266 Schulungsmaßnahme 304 Schwachstellenanalyse 5 Schwingungsdiagnose 133 Scoring-Methode 107, 122 Inhalt 105 Semantic Web 266 Semantisches Netz 265 Service 10 Servicetechniker 8 Softwareentwicklung Datenorientiert 241 Funktionsorientiert 241 Softwareentwicklungsprozess 238 Sozialkompetenz Inhalt 295 Spacemouse 270 Spiralmodell 240, 257 Structured Query Language 263 Strukturierte Analyse 247 Strukturtransformation 269 System Einfache 45 Parallelsysteme 61 Seriensysteme 60 Strukturierte 59 Systemregulierer 291 T Takagi-Sugeno-Kang-Methode Taxonomie 264
159
5, 34
U 267 Überlebenswahrscheinlichkeit 44, 46 Umstrukturierung Ziel 3 Unified Modeling Language 249 Definition 251 Uniform Ressource Identifier 266 V V-Modell 257 VDI 2888 127, 128 Inhalt 281 VDI 2890 Inhalt 282 VDI 2892 Inhalt 282 Verbesserung Definition 24 Verfügbarkeit 44, 83 Verteilungsentwurf 262 Virtual Reality Modeling Language Virtuelle Realität 7, 270, 310 Virtuelles Modell 8 Vokabular 264 Vorgehensmodell 240 Spiralmodell 240 Wasserfallmodell 240 Vorgehensweise datenorientierte 241 objektorientierte 249 W WÖHLER-Linien 131, 147 Wartung Definition 23 Wartungsanleitung 8 Wartungsmaßnahme 150 Wasserfallmodell 240, 257 Weiterbildung 293 Teilbereiche betriebliche Weiterbildung
293
270
328 individuelle berufliche Weiterbildung 293 Weiterbildung für Arbeitslose 293 Weiterbildungsmaßnahme 294 Wertschöpfung 4 Definition 17 Wertschöpfungsaktivität 17 Wertschöpfungskette 16 Wertschöpfungspotenziale 19 Winner-Take-All-Network 140 Wissen 8, 237, 280 Definition 234 Wissensakquisition 7 Wissenseinbringung 280 Wissenskommunikation und -kooperation 280 Wissenspräsentation und -visualisierung 280 Wissenspublizierung, -strukturierung und -vernetzung 280 Wissenssuche 280 Wissenszustellung 280 Wissensakquisition 7 Wissensbasis 187, 216 Wissensmanagement 4, 236, 290 Problembereiche 238 Wissensmanagementsystem 236, 279 Aufgaben 237 Wissenspeicher 187 World Wide Web 266
Sachwortverzeichnis X XML siehe eXtensible Markup Language XML Topic Maps 265
8
Z Zustand 14 aktueller 204 Definition 129 funktionsfähig 129 gefährlich 129 Zustandsdiagramm 255 Zustandserfassung 290 Zustandsinformation 144 Zustandsveränderung 144 Zuverlässigkeit 3, 43 Definition 44 Kenngrößen 44 Zuverlässigkeitskenngröße Methoden zur Bestimmung Betriebwirtschaftliche Modelle 142 Ereignisorientierte Simulationsmodelle 142 Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse 142 Nutzwertanalyse 142 Zuverlässigkeitstheorie Inhalt 43