Killroys Rache Roman von Ken Roycroft
Die dröhnende Musik erfüllte das »Chaos Center«. Harte Techno-Rhythmen hämmerten...
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Killroys Rache Roman von Ken Roycroft
Die dröhnende Musik erfüllte das »Chaos Center«. Harte Techno-Rhythmen hämmerten sich durch die Eingeweide der Anwesenden und ließen den ganzen Körper vibrieren. Mochte man von dieser Musik halten, was man wollte - es war kaum möglich, nicht im Takt mitzuzucken. Junge Sterbliche tanzten wild, ritten auf dem Rhythmus wie auf einer Welle. Zumindest im Moment war für sie die Welt in Ordnung. Bis ein rasender Dämon unter ihnen auftauchte ...
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Chris Carson schnellte los - mitten hinein in eine Gruppe Mädchen. Entsetzte Gesichter, weit aufgerissene Augen und Münder empfingen den Wütenden. Keine der Sterblichen überwand die Schrecksekunde rechtzeitig. Ein paar schafften es noch, abwehrend die Arme auszustrecken, ein paar kreischten. Aber das erwies sich als lächerlicher Versuch, sich zu schützen. Chris empfand es beinahe als angenehm, sich in die Masse der Schreienden zu wühlen. O yeah, Mann, diese strammen Brüste, knackigen Hinterteile und prallen Schenkel gleich im Zehnerpack umschlingen zu können -so was erlebte man nicht jeden Tag. Grollend griff er in die Vollen, schleuderte sie von sich, hinter sich, indem er sich mal nach links und mal nach rechts drehte wie ein Diskuswerfer. Auf ihrem kurzen Flug mähten die Girls alles um, was im Weg stand. Dann krachten sie gegen das Podium der DJs und blieben reglos liegen. Jene, die zu Boden gestürzt waren, krochen kreischend auseinander. Der Vampir würde weitere »Wurfgeschosse« folgen lassen. Das Geschrei pflanzte sich fort, steigerte sich, schwoll zum schrillen Orkan, der rasch den ganzen Discosaal ausfüllte. Je lauter es wurde, desto mehr steigerte sich die Raserei des breitschultrigen Jungen. Immer wilder und gieriger schnappte er sich die angststarren Girls und häufte sie hinter sich auf. Etliche starben schon beim Aufprall, durch Genickbruch oder Schädelbruch. Die anderen sanken in Bewusstlosigkeit, blieben genießbar. Zusammen mit den Toten bildeten sie
einen rasch anwachsenden Haufen regloser weiblicher Gliedmaßen. Blut floss aus Platzwunden. Der warme, süßliche Geruch stieg dem Tobenden in die Nase, versetzte ihn in einen Rausch des Tötens. In seinem karierten Hemd, mit Jeans und Westernstief ein sah er aus wie ein Wildwest-Import. Sein Nacken war breiter als der Kopf, und das halblange blonde Haar verhüllte die flache Stirn nur unzureichend. »O Mann, alles raus hier!« Die DJs suchten das Weite, flohen in die Dunkelheit hinter dem Podium, wo es Türen nach draußen gab. Statt Techno-Rhythmen war nun nur noch das Gellen der Angstschreie zu hören. Panik und Chaos brachen aus. Mädchen, die in wilder Hast zu fliehen versuchten, kamen nicht weit. Zu groß war die Zahl derer, die zu den Ausgängen drängten. Es fehlte nicht viel und sie würden um die Fluchtwege kämpfen, sich gegenseitig tot trampeln. Erst jetzt regte sich Widerstand beim männlichen Teil der Gäste. Die ersten Wagemutigen versuchten, sich dem Amokläufer in den Weg zu stellen. Ein drahtiger Latino hatte das Kommando übernommen und wies zwei seiner Kumpel an auszuschwärmen. »Es reicht, du Speed-Freak!«, brüllte er. Er hatte die anfängliche übermen schliche Kraftleistung des Rasenden nicht mitbekommen. »Du wirst kaltgestellt!« Aber sie schafften es nicht einmal, ihn in die Zange zu nehmen, geschweige denn, 3
ihm in den Rücken zu fallen. Sein Reaktionsvermögen war unglaublich. Heiser grollend und mit wildem Lachen räumte Chris Carson die Kerle weg, die allen Ernstes glaubten, sich als Helden aufspielen zu können. Einem zerschmetterte er den Schädel mit der bloßen Faust, dem Nächsten riss er den Kopf buchstäblich von den Schultern. Blut spritzte fontänenartig hoch. Und als die Leiche nicht sofort umkippen wollte, zertrümmerte Carson ihr noch den Brustkorb mit einem Hieb, der sie rücklings drei Meter gegen die Wand schleuderte. Dem Rest der Wagemutigen sackte das Herz in die Kniekehlen. Heulend vor Entsetzen nahmen sie Reißaus. Immer größer wurden die drängenden, sich vor Angst windenden Menschentrauben vor den Ausgängen. Der drahtige Latino versuchte sich voller Panik einen Fluchtweg frei zu räumen - vergebens. Ein Barhocker krachte in seinen Rücken und zertrümmerte sein Rückgrat. Er kam nicht einmal mehr zum Schreien. Chris schnaufte und straffte seine Haltung. Er lachte rau und schallend. Mit wenigen schnellen Schritten stieß er zu einer der Ausgangstrauben vor und holte sich zwei Girls, warf sie zu Boden zu den anderen, dass es krachte. Unvermittelt nahm das Geschrei ab. Ein Aufatmen war zu vernehmen, dann anfeuernde Rufe. Chris Carson drehte sich um. Vier Kerle walzten auf ihn zu, durch die leere Mitte der Disco. Security-Leute waren es, glatzköpfige Schränke in dunklen Anzügen und weißen T-Shirts.
Und sie kamen nicht mit leeren Händen. Sie hatten die Sachen dabei, die einen Sicherheitsmann erst stark machten. Zwei waren mit Shotguns bewaffnet, zwei mit klotzigen Glocks. »Jetzt ist Schluss, du Spinner!«, brüllte der eine Shotgunner, der die Situation noch nicht richtig überblickte. »Scheiße, was ist das denn?«, rief sein Partner aus. »Guck dir das an, Frank! Guck dir das an!« Und ohne weiter zu zögern, drückte er ab, traf aber in seiner Panik nur die Wand hinter dem eigentlichen Ziel. Chris Carsons grinste, auch wenn ein Mensch diese Grimasse niemals für ein Grinsen gehalten hätte. Da kamen doch diese Riesenbabys, um ihm Schmerzen zuzufügen. Einfach lächerlich sahen diese Typen aus, mit den Kinderpopos an Stelle einer Frisur. Und solche Witzfiguren glaubten, ihn mit Blei vollpumpen zu können? No, Sir! Was zu viel war, war zu viel. Gegen Blei hatte er was, seit er damals daran gestorben war - auf der Main Street von Laramie. Er wirbelte wie eine Furie, als die Glatzköpfe näher kamen. Bevor sie kapierten, was ablief, hatte er die Oberste der Boxen vom Turm gerissen. Und bevor auch nur einer von ihnen den Zeigefinger krümmen konnte, sauste der schwere schwarze Kasten auf sie zu. Die beiden mittleren Security-Männer erwischte es gleichzeitig. Die ungeheure Wucht des Wurfgeschosses mähte sie von den Beinen. Die Box raste weiter, polterte das letzte Stück über den Fußboden und hieb in die Menschenmenge vor den Ausgängen. 4
Schmerzensschreie schrillten, als Knochen brachen und sich die Kantenund Ecken der Boxen in Weichteile gruben. Chris Carson hatte sich bereits die nächste, größere Box vom Turm geholt, als die beiden noch einsatzfähigen Glatzköpfe zu feuern begannen. Erneut steigerten sich die Schreie. Nur wenigen der Discobesucher gelang es, sich zu Boden zu werfen. Die meisten waren im Gedränge eingeklemmt wie Ölsardinen. Chris benutzte die Box als Kugelfang. Während vorn die Schrotladungen ins Holz prasselten, rannte er auf den verbliebenen Kerl mit der Shotgun zu. Er musste sich beeilen, denn er spürte unangenehm heiße Stiche in den Beinen. Das war der zweite Kahlkopf mit seiner Glock. Mindestens jede zweite seiner Kugeln traf Chris Carsons Oberschenkel. Eine reife Leistung, denn nur ein Meisterschütze traf ein Ziel, das sich so schnell bewegte. Irgendwo im Hintergrund hörte Carson den Glock-Schützen rufen: »Verrecke, Arschloch! Verreck doch endlich!« Es klang zunehmend verzweifelt. Gut! Chris hob die kubikmetergroße Box und schlug den Shotgun-Schießer damit platt. Dann ruckte er nach rechts und tötete den Kerl mit der Glock, indem er auch diese Box als Wurfgeschoss benutzte und dem Mann Kopf und Oberkörper gleichzeitig zerschmetterte. Der bekam seinen Tod kaum mit, starrte völlig entgeistert auf seine leergeschossene Pistole, als das Ende ihn ereilte. Carson verharrte und atmete tief durch. Nicht dass es nötig gewesen wäre, aber es schien ihm passend.
Er konzentrierte sich auf die Schusswunden in den Beinen - und sie schlossen sich im Handumdrehen. Schreckensbleiche Gesichter waren in seine Richtung gewandt. Während die Schreie in Wimmern und Schluchzen übergingen und die Leute sich erneut durch die Ausgänge zu quetschen versuchten, waren sie gezwungen, das Unfassbare zu beobachten. Nachdem seine Schusswunden verschwunden waren, wandte sich der stiernackige Junge den weiblichen Opfern zu, die er vor dem Podium angehäuft hatte. Einige bewegten sich stöhnend. Er schnappte sich die Erste und warf sich über sie. Als sie die Augen aufschlug, grub er ihr seine Fangzähne in den Hals. Lähmendes Entsetzen befiel die Zuschauer. Längst nicht alle begriffen, was sie sahen, als der Unheimliche die noch lebenden Mädchen aussaugte. Sein Schmatzen und lautes Schlucken ging ihnen durch Mark und Bein. Und jedes Mal, wenn er ein leergesaugtes Opfer wegwarf, rülpste er donnernd und voller Behagen. Schwerfällig wie ein Bär, der sich für den Winterschlaf vollgefressen hatte, tappte er schließlich in die Dunkelheit hinter dem Podium. Vorn in der Disco hörten sie undeutlich das Zufallen von Türen. Dann erst näherten sich Polizeisirenen, noch viel zu weit entfernt. Doch die Augenzeugen des blutigen Geschehens ahnten, dass auch die Cops wenig ausgerichtet hätten. Denn für einen Gegner wie den jung aussehenden 5
Hinterwäldler waren normale Menschen nicht gerüstet. Auch Polizeibeamte nicht. .
Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden sollte. Bruce sah den Baron aufmerksam an. Thomas hingegen lehnte sich locker auf seinem Polsterstuhl zurück und ließ die Dinge wie üblich auf sich zukommen. Er war die Gelassenheit in Person, so schnell konnte ihn nichts aus der Ruhe bringen. In der Hierarchie der New Yorker Vampire gehörte Thomas den unteren Rängen an. Dass er dennoch zusammen mit Bruce zu dieser Besprechung gerufen worden war, konnte nur bedeuten, dass er eine Chance erhalten sollte, sich zu bewähren. »Es war in einer Diskothek«, fuhr der Baron fort, »vor einer knappen Stunde. Ein regelrechtes Massaker. Die genaue Zahl der Toten steht noch nicht einmal fest. Der Täter war ein Vampir, da sind sich die Augenzeugen sicher. Er ist ver schwunden.« Der Baron sah Bruce mit scharfem Blick an. Bruce nickte, zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Die Menschen mussten nicht mit der Nase darauf gestoßen werden, dass sie von Vampiren beherrscht wurden. Es war schlimm genug, dass es einige wenige Wissende gab. Deren ausführendes Organ waren die lästigen Vampirjäger. Wenn sich tatsächlich alle Sterblichen gegen ihre heimlichen Herrscher wenden würden... Er war selbst haarscharf an einer schweren Rüge vorbeigeschrammt, als er bei der Disco »Pier 66« eine Horde von Strolchen erledigt hatte. Die Kerle hatten ihn herausgefordert - und er war ausgerastet. So was kam vor, wenn man unterwegs war, um sich frisches junges Blut zu verschaffen.
Boris Baron von Kradoc bestellte seinen Stellvertreter Bruce und dessen Freund Thomas Waughn noch in derselben Nacht zu sich. Der Baron war der heimliche Herrscher von New York. Er kontrollierte mächtige, global tätige Konzerne der Industrie, des Handels und des Finanzgewerbes. Auch verfügte er über die Mehrheitsanteile an mehreren bedeutenden Medienunter nehmen. Ein willkommener Nebenaspekt dieser Tatsache war, dass er stets die neuesten Informationen erhielt. Trotz - oder gerade wegen - seiner großen Macht, hielt sich der Baron bedeckt. Nur wenige wussten von ihm und noch weniger hatten ihm schon gegenübergesessen. Bruce war vielleicht der Wichtigste dieser Privilegierten. Das Büro des Barons befand sich im 85. Stock des Empire State Buildings, im Herzen von Manhattan, und war von düster-luxuriöser Eleganz. Von Kradoc war ungehalten. Mit einer knappen Handbewegung forderte er Bruce und dessen Freund auf, sich zu setzen. »Es hat einen Zwischenfall gegeben, den ich nicht dulden kann«, sagte der Baron, noch bevor sein Stellvertreter und dessen afroamerikanischer Begleiter ihm gegenüber Platz genommen hatten. Bruce wusste, was sein Herr meinte. Wenn Boris Baron von Kradoc nachträglich etwas nicht »duldete«, so bedeutete das nichts weiter, als dass der 6
Dagegen haftte der Baron auch nichts einzuwenden, das wusste Bruce. Sein Herr verlangte lediglich, dass die Dinge unauffällig abgewickelt wurden - sodass die Öffentlichkeit gar nicht erst darauf Aufmerksam wurde. »Es wird riesige Schlagzeilen in den Morgenzeitungen geben«, erklärte von Kradoc. »Und die Fernsehsender werden den Vorfall in den Frühnachrichten auf Position eins platzieren.« »Können Sie dagegen nichts unternehmen, Herr?«, fragte Bruce. Immerhin war es übliche Praxis, dass sein Boss Meldungen und Berichte »frisieren« ließ - so, wie es alle in der Branche taten. Die Wahrheit, die am Ende den Zeitungsleser und den Fernsehzuschauer erreichte, war eine gefilterte Wahrheit. Daran hatte sich nie etwas geändert. »In diesem Fall geht das nicht«, erwiderte der Baron und seine Miene verhärtete sich noch. »Auch für mich heißt es, Finger spitzengefühl zu wahren. Nicht alle Sender und Verlage hören auf mein Kommando. Die Konkurrenz wird sich mit Wonne auf den Fall stürzen. Deshalb können wir die Sache weder ignorieren noch verharmlosen. Unsere Medien müssen mindestens genauso umfangreich berichten wie die anderen.« »Ich verstehe«, sagte Bruce. »Wir würden erst recht auffallen, wenn unsere Medien den Fall als kleine Meldung unter »ferner liefen« bringen.« »Das ist der Punkt«, erwiderte der Baron. »Unsere Maßnahmen werden deshalb in eine andere Richtung gehen. Das ist der Grund, weshalb ich dich und Thomas gerufen habe.«
Bruce kam nicht umhin, seinen Herrn voller Respekt und Bewunderung anzusehen. Boris Baron von Kradoc war einer der Mächtigsten seines Volkes. Die Klarheit und die Zielsicherheit seiner Entscheidungen gehörten zu den Eigenschaften, die ihn nach ganz oben gebracht hatten. Allein die Würde seines äußeren Erscheinungsbildes war ein Spiegel der Macht, die der Baron in seiner Person vereinte. Er war schlank und hoch gewachsen und hatte schulterlanges schwarzes Haar, in dem erste silbergraue Fäden schimmerten. Wie immer trug Kradoc seine gewohnte Kleidung, die der Mode des 18. Jahrhunderts entsprach. Sein Gehrock hatte die Farbe von dunkelrotem Blut. Ein weißes Rüschenhemd, schwarze Kniebundhosen und schwarze Lackschuhe mit großen silbernen Schnallen vervollständigten die Garderobe des mächtigen Mannes. Nur Leute, die wirklich sehr dumm waren, machten sich über seinen Aufzug lustig. »Wir schnappen uns den Kerl«, sagte Bruce. »Und schlagen ihm den Kopf ab«, fügte Thomas Waughn grinsend hinzu. Er war groß und kräftig. Von seiner dunkelbraunen Hautfarbe und dem schwarzen Haar hoben sich die ungewöhnlichen grünen Augen besonders ab. Thomas trug seine Lieblingskleidung, einen schwarzen Ledermantel über Muscle Shirt, Jeans und Springerstiefel. 7
Auch Bruce hatte sein gewohntes Outfit angelegt - alles in Schwarz. Mit Lederjacke, T-Shirt, Jeans und Boots glich er einem Biker oder einem Rocker. Doch er war keins von beidem. Ihm gefiel es einfach so. Und den Girls gefielen seine blauen Augen. Ein kristallenes, leuchtendes Blau war es. Damit hatte er es leicht, im New Yorker Nachtleben auf die Jagd zu gehen und sich so manchen hübsch anzusehenden Imbiss zu verschaffen. Der Baron schüttelte den Kopf. »Ich will, dass ihr den Kerl herbringt«, sagte er energisch. »Ich will wissen, was er in New York will - und warum er sich mir nicht vorgestellt hat.« »Welche Disco war es?«, fragte Bruce. »Das Kürzel lautet CC«, antwortete von Kradoc. »Das steht für >Chaos Center<. Es ist unten beim Fulton Fish Market.« Briice wechselte einen Blick mit seinem Freund. »Da sind wir schon mal gewesen«, sagte Thomas. Bruce nickte und sah wieder seinen Herrn an. »Gibt es bereits Erkenntnisse über den fremden Vampir?« »Keine bestätigten.« »Dann erledigen wir das«, entschied Bruce und die beiden jungen Vampire standen auf. Mit einer knappen Verbeugung verabschiedeten sie sich von dem Baron. Thomas Waughn folgte seinem Freund durch das Vorzimmer, hinaus auf den Flur der Chef etage. »O Scheiße!«, murmelte Bruce. »Was?«, fragte sein Freund, dann sah er den Grund für den Fluch seines Freundes - Katrina Stein. »O Scheiße!«
Die elegante Schwarzhaarige kam auf sie zu. »Sieh an - der Laufbursche und sein schwachsinniger Freund . . .« »Hey, Baby!«, wurde sie von Thomas unterbrochen. »Wenn du mal mit einem richtigen Mann, wie zum Beispiel mir, zusammen wärst, dann ...« »Still!!«, zischte sie ihn an. Es war deutlich zu sehen, dass Thomas noch weitersprechen wollte - es jedoch nicht konnte. Er wirkte ziemlich verzweifelt und sein Mund öffnete und schloss sich wie der eines Fisches auf dem Trockenen. Katrina wandte sich an Bruce. »Hör zu, Vizepräsident!« Niemand konnte diesen Titel mit mehr Verachtung aussprechen als Katrina Stein. »Diese Sache ist wichtig. Versau sie nicht!« Sie wandte sich ab und stolzierte zur Bürotür des Barons. Dort angekommen, wandte sie sich noch einmal um. »Und nimm den Trottel da an die Leine! Sonst könnte es passieren, dass er das dringende Bedürfnis entwickelt, ein Sonnenbad zu nehmen.« Sie öffnete die Tür, trat hindurch und schloss sie wieder hinter sich. Bruce schob seinen Freund in den Aufzug. Dort fand dieser endlich seine Sprache wieder. »Dieses elende Drecksstück! Was will diese verf . . .« »Es reicht!«, wurde er von Bruce unterbrochen. »Du bist selbst schuld. Und das weißt du.« Thomas' Schimpftirade wurde zu einem leisen Grummeln. Mit dem Expresslift erreichten sie gleich darauf das Erdgeschoss des Empire State Buildings. Die Dunkelheit im Herzen der Stadt, die niemals schlief, nahm sie schließlich auf. 8
Als Erstes legte er seine Kampf kleidung aus schwarzem Leder an. Die Rüstung war überall dort zusätzlich mit Stahlplatten unterfüttert, wo Reißzähne für einen Menschen zur tödlichen Gefahr werden konnten. Der Halsschutz, einem hohen schwarzen Stehkragen ähnlich, war besonders wichtig. Rubik war Legrand und Fletcher nicht nach New York gefolgt. Sie waren wie Brüder, ein unzertrennliches Team, und eigentlich arbeiteten sie immer zu dritt. Doch Rubik hatte beschlossen, in New Orleans zu bleiben, um den letzten Dreck beiseite zu kehren Da es sich nur um einen einzelnen Vampir handelte, der sein Versteck in der Tunnelunterwelt hatte, war es eine Aufgabe, die ein Jäger leicht allein bewältigen können sollte. Rubik würde anschließend zu seinen Freunden in New York stoßen. Sie befanden sich auf einer viel versprechenden Fährte, so hatten sie ihn wissen lassen. Ihr Einsatz in Manhattan versprach ein voller Erfolg zu werden. Davon waren sie überzeugt. Ihre Berichte, per E-Mail und Handy, hatten überaus optimistisch geklungen. Rubik verstaute seine umfangreiche Ausrüstung an der Koppel sowie in Brust-, Arm- und Beintaschen der Rüstung. Die Maschinenpistole mit Zielfernrohr, Nachtsichtgerät und Laser-Zieleinrichtung trug er in einem Spezialholster an der Hüfte. Die Miniharpune, umgerüstet für die speziellen Zwecke eines Vampir Jägers, hängte er sich mittels eines Tragegestells aus Lederriemen auf den Rücken. Ungewöhnlich an der Harpune
Ein gemauerter Schacht führte in die Unterwelt von New Orleans. Der Eingang, eine rostige Eisentür, hing schief in den Angeln und war von Unkraut überwuchert. Auch der Gitterzaun, der den unbebauten Geländestreifen zur Straße hin begrenzte, war rotbraun vom Rost und wies mehrere Lücken auf. Mirco Rubik hatte den Lieferwagen direkt vor einem der Zaunlöcher geparkt. Der schlanke schwarzhaarige Mann stieg vom Fahrersitz nach hinten um und zog die Falttür zu, die den Laderaum vom Fahrerhaus abtrennte. Der Kastenaufbau hatte außerdem eine Seitentür. Durch sie konnte er unbemerkt durch den Zaun schlüpfen und im Gestrüpp verschwinden. Die Unterwelt, in die er vordringen wollte, hatte nichts mit Gangstern zu tun. Nein, diese Welt dort unten existierte wirklich. Hunderte von Menschen hausten in der Tiefe des Tunnelsystems, das sich vom Bahnhof aus verzweigte wie ein Labyrinth. Überwiegend waren es Obdachlose, die in den Tunneln lebten. Es hatte Fernsehteams gegeben, die zu ihnen hinabgestiegen waren, um darüber zu berichten, wie man in ewiger Dunkelheit existieren konnte. Denn viele von ihnen hatten kein Verlangen mehr, jemals wieder ans Tageslicht zurückzukehren. Doch es lebten nicht nur Menschen in der Unterwelt von New Orleans. Mirco Rubik bereitete sich auf seinen Einsatz vor. Sein Körper war durchtrainiert und in Topform, seine Muskeln gestählt und von einer Kraft, die man ihm in normaler Kleidung nicht ansah. 9
war ein großes Trommelmagazin aus Stahlblech, in dem ein dünnes aber ultrastarkes aufgerolltes Drahtseil ruhte. Der Vampir, den Mirco Rubik zu vernichten hatte, nannte sich in seinen Kreisen »der Lord«. Er galt als ein enger Vertrauter des verstorbenen Herrschers von New Orleans, den Rubik zusammen mit Fletcher und Legrand vor etwa einem Monat vernichtet hatte. Rubik hängte sich die verschiedenen Granaten an die Koppel, bestückte die Beintaschen mit Reservemagazinen für die MPi und steckte die hölzernen Pflockgeschosse der High-Tech-Armbrust in die dafür vorgesehenen kleinen Lederhülsen auf dem Brustpanzer seiner Rüstung. Der Lord behauptete, ein irischer Adliger zu sein, der im 19. Jahrhundert von seinem Schloss in der Grafschaft Cork vertrieben worden war - von einem britischen Vampir, der ihn konvertiert und auf ein Auswandererschiff gesteckt hatte. Erst mitten auf dem Atlantik war der Lord erwacht, nun selbst ein Vampir. Er träumte davon, eines Tages nach Irland zurückzukehren und sich an dem niederträchtigen Briten zu rächen. Mirco Rubik lächelte bei diesem Gedanken. Er würde den Lord erlösen. Der Typ wusste nur noch nichts von seinem Glück. All die Informationen, die es über ihn gab, waren von Beschattern zusammengetragen worden. Nicht ohne Grund, denn für einen Vampirjäger war es wichtig, möglichst viel über sein Zielobjekt zu wissen. Rubik klinkte die Lederscheide mit der Machete links an die Koppel, dazu das Futteral mit den sechs Wurfmessern. Diese Messer gehörten zu seinen Lieb
lingswaffen. Sie hatten hand-tellerbreite tropfenförmige Klingen. Er konnte damit eine Fliege an der Wand festnageln. Die Armbrust war kompakt gebaut, damit man sie auch auf engstem Raum einsetzen konnte. Neben einer mechanischen Visierung und einer angebauten Spannvorrichtung verfügte die High-Tech-Waffe über einen Zielscheinwerfer und ein Laserzielgerät ähnlich dem der Maschinenpistole. .Mirco Rubik machte sich auf den Weg, dessen Beschreibung er sich eingeprägt hatte. Er würde den Lord nicht lange suchen müssen. Unter den Obdachlosen galt der Lord als ein Sonderling, den man fürchten musste. Niemand wusste, was er wirklich war, und es gab niemanden, der berichten konnte, wie sein Unterschlupf von innen aussah. Diejenigen, die möglicherweise einmal dort gewesen waren, existierten nicht mehr. Über ihr Schicksal war nichts bekannt. Das Tageslicht blieb hinter dem Vampirjäger zurück, als er in den Schacht stieg und die feuchten, klebrigen Steinstufen hinunterging. Der warme Subway-Geruch wehte ihm entgegen. Später verlief der Schienenstrang dann als Hochbahn. Rubik erreichte die mannshohe Maueröffnung, die sich unmittelbar am Rand der Gleise befand. Die blank gewetzten Oberflächen der Schienen glänzten im schwachen Schein des Lichts, das von der Station herüberfiel. Auf der anderen Seite, hinter Stahlpfeilern, befand sich der Schienenstrang der Gegenrichtung. 10
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Rubik horchte, bis er sicher war, dass sich kein Zug näherte. Dann überquerte er die Gleisanlage und achtete darauf, nicht an die stromführende Schiene zu geraten. Schräg gegenüber dem Einstieg gab es eine Maueröffnung. Rubik warf einen Blick hinein. Es war nur ein kleiner Fluchtraum für Gleisarbeiter oder Inspektoren. Das entsprach der Wegbeschreibung. Der nächste Mauerdurchbruch würde tiefer in das verschachtelte System der Eisenbahnund Vorortbahn-Tunnel führen, aber auch hinunter in die stillgelegten Röhren... In einer dieser modrigen Katakomben befand sich das Quartier des Lords. Rubik beeilte sich. Es waren nur wenige Yards bis zu dem zweiten Durchbruch. Unmittelbar neben ihm begannen die Gleise zu singen. Ein Zug näherte sich, war aber noch nicht zu sehen. Die Armbrust in der Linken, schaltete Rubik den Zielscheinwerfer ein. Wie eine scharfkantige Röhre stach das Licht in die Schwärze der Dunkelheit hinter dem zweiten Einstieg. Der Raum war mindestens dreimal so groß wie der Erste. Türlose Wand öffnungen mündeten in schmale Gänge und auf den Absatz einer Treppe, die in die Tiefe führte. Stinkender Unrat übersäte den rauen Betonfußboden. Reste von längst verlassenen Nachtlagern faulten vor sich hin. Pelzige Schatten erwachten zum Leben und wimmelten davon, auf vertrauten Fluchtwegen durch die Maueröffnungen. Mirco Rubik suchte mit dem Scheinwerfer den Raum ab, folgte dem Lichtstrahl mit seiner Blickrichtung. Ratten! Noch mal Ratten. Nichts als Ratten.
Am Rand des Scheinwerferkegels erfasste er die Bewegung noch knapp - wie das Huschen eines Stoffzipfels, wo vorher nur Ratten gewesen waren.
Im nächsten Moment war der Angreifer über ihm - viel zu schnell für Rubik, um noch zu reagieren. Erschrocken zuckte er zusammen. Und vielleicht war das seine Rettung. Der Anprall erwischte ihn an der linken Schulter. Die U-Bahn hätte ihn nicht schlimmer rammen können. Er wurde herumgeschleudert und hatte das Gefühl, seine Schulterknochen müssten in tausend Stücke zerschmettert worden sein. Hätte dieser Hieb ihn wie geplant getroffen, wäre sein Schädel zersprungen wie eine Kokosnuss unter dem Vorschlaghammer. Er verlor die Armbrust. Sie klapperte zu Boden. Der Scheinwerferstrahl tanzte über den grauen Beton von Decke und Wänden. Mit aller Kraft warf sich Rubik nach rechts. Ein bösartiges Fauchen brach über ihn herein, begleitet von einer üblen Geruchswolke. Der Vampir schrammte über seinen Rücken und krachte auf den Boden. Es hörte sich an wie ein Sturz aus dem zehnten Stock. Ein Sterblicher wäre nach diesem Aufprall nie wieder aufgestanden. Doch der Vampirjäger wusste längst, mit wem er es zu tun hatte. Er hatte sich überraschen lassen. Rubik hätte sich selbst in den Hintern treten können, weil er nicht damit gerechnet hatte, dass sich das Monster in eine Ratte verwandeln konnte! 12
Der irische Lord heulte vor Schmerz und Wut. Nach einer weiteren Körperdrehung federte Rubik auf die Beine. Aus der Bewegung heraus flog die MPi wie von selbst in seine Hände. Die Armbrust und ihr Zielscheinwerfer nützten ihm nichts. Auf der anderen Seite des Raums lag der Lichtstrahl auf dem Fußboden wie ein ausgerollter Stoffstreifen. Der Lord kam im selben Moment hoch. Sein schwarzer Gehrock flatterte, die langen roten Haare wehten, als er die Arme ausbreitete und zum Sprung ansetzte. Hasserfüllt glühten die Augen in seinem bleichen, verzerrten Gesicht, von den entblößten Reißzähnen hingen Gei ferfäden. Mirco Rubik feuerte. Die vollautomatische Waffe rüttelte in seinen Händen. Mit der ersten Geschossgarbe flammten Zielscheinwerfer und Laserzielgerät auf und zeigten die Wirkung der Projektile. Der Lord wurde durchgeschüttelt wie auf dem elektrischen Stuhl. Gleichzeitig trieb ihn die Wucht des Kugelhagels zurück. Die Einschüsse durchlöcherten seinen Oberkörper. Es war, als würde der rotglühende Laserstrahl die Löcher durch den Gehrock und die Weste brennen. Der Vampir brüllte vor Schmerzen. Doch auf dem kurzen Weg bis zur gegenüberliegenden Wand schlossen sich bereits die ersten Einschusslöcher. Rubik sah es und bekämpfte seine aufsteigende Panik. Er musste schnell sein, schneller als bei allen anderen Einsätzen, wenn er dieses Monstrum bezwingen wollte.
Zappelnd und zuckend prallte der Lord mit dem Rücken an die Wand. Er ruderte mit den Armen, versuchte, den Kugelhagel abzufangen und sich gleichzeitig auf das Schließen der Einschusslöcher zu konzentrieren. Der Vampirjäger ließ ihm keine Verschnaufpause. Blitzschnell steckte er das Doppelmagazin um, als die erste Hälfte leer geschossen war. Und sofort ließ er die MPi weiterhämmern. Für jedes sich schließende Loch stanzte die nächste Kugel ein neues. Der Lord kreischte. »Das gelingt dir nicht!«, gellte seine Stimme. »Du wirst es nicht schaffen, elender Hund! Ich habe dich erwartet, und ich werde doch töten!« »Das war ja ein toller Trick!« Rubik feuerte mit der rechten Hand und warf das erste Messer mit der linken. Die breite Klinge sauste flirrend durch den Lichtstrahl des Scheinwerfers. Die Geschossgarben irritierten den Lord so sehr, dass er die neuerliche Bedrohung nicht rechtzeitig wahrnahm. Kreisend wie eine rasiermesserscharfe Säge trennte ihm das erste Wurfmesser die Hand ab. Mirco Rubik hatte das Gefühl, der Wutschrei des Vampirs müsse ihm die Trommelfelle platzen lassen. Der Lord wusste nur zu gut, dass es eine Weile dauern würde, bis ihm die Hand nachwuchs. So schnell wie das Schließen der Kugellöcher würde er es jedenfalls nicht bewältigen. Rubik warf das zweite Messer, dann das dritte. Er ließ die MPi sinken, als dem Lord auch die linke Hand fehlte. Die 13
Lautstärke seines Geheuls schwoll immer mehr an, wurde nahezu unerträglich für menschliche Ohren. Rubik benutzte den Scheinwerfer der MPi zur Orientierung. Der Lord krümmte sich und versuchte, neue Kräfte zu sammeln. Doch nach den Vollmantel-Projektilen waren es nun die Klingen der Wurfmesser, die auf ihn einprasselten. Aus einem jähen Entschluss heraus warf er sich herum. Seine Armstümpfe schlenkerten an seinem Oberkörper, als er auf die Treppe in die Tiefe zuhastete. Mirco Rubik hatte damit gerechnet. Blitzschnell ließ er die MPi fallen und zog die Harpune vom Rücken. Das handliche Gerät war sofort einsatzbereit. Die beiden Scheinwerfer kreuzten ihre Lichtstrahlen auf dem Fußboden. Die Ausläufer der Helligkeit reichten dem Vampirjäger zur Orientierung. Er sah den Lord, als dieser den Treppenabsatz erreichte. Rubik zog durch. Das Spezialgeschoss raste aus der Abschussvorrichtung. Scharf sirrend spulte sich das Drahtseil aus dem Trommelmagazin. Das Harpunengeschoss durchschlug den Oberkörper des Vampirs. In der nächsten Tausendstelsekunde gab es einen scharfen Knall. Der Lord wurde starr, kerzengerade, als wäre er an eine unsichtbare Wand geklatscht worden. Dann begannen seine Arme zu fuchteln. Blankes Entsetzen klang aus seinem Schrei, als er feststellte, dass er sich ohne Hände nicht helfen konnte. Unmöglich, das Ding herauszuziehen, das da aus seiner Brust gewachsen war.
In der kegelförmigen Spitze des Stahlgeschosses war nach Durchschlagen des Vampirkörpers automatisch eine kleine Treibladung gezündet worden. Fünf kleine Stahlarme waren sternförmig ausgeklappt. Wie eine metallene Pratze legten sie sich auf die Brust des Lords, als der Vampirjäger an dem Drahtseil zog und das Geschoss dadurch zurückglitt. Doch nach einem kurzen Augenblick der Verwirrung rannte der Lord einfach weiter. Das Seil raste durch die Handschuhe des Vampirjägers. Der schlang es um seinen Unterarm, um nicht endgültig den Halt zu verlieren. Doch noch immer stürmte der Vampir weiter von ihm weg - und riss seinen Häscher einfach mit sich. Erst an der Türöffnung konnte Mirco Rubik die Flucht seiner Beute stoppen, indem er sich mit beiden Beinen gegen die Mauer stemmte. Schmerzerfüllt stöhnte der Vampir auf und wandte sich um. Das Seil verlor die Spannung, als der Blutsauger wieder auf den Menschen zustürmte, und Rubik stürzte zu Boden. Doch nur, um sofort katzengleich auf die Beine zu kommen. Gehetzt sah er sich um. Rubik wusste, dass er den Vampir wenigstens so lange festzurren musste, irgendwo, bis er ihm mit der Machete den Kopf abschlagen konnte. Noch bevor Mirco Rubik den Gedanken zu Ende geführt hatte, drang das schneidende Geräusch von Eisen auf Eisen in sein Bewusstsein. Die Räder kreischten auf den Schienen, als die U-Bahn aus der leichten Kurve näher kam. Er brauchte sich nur kurz umzudrehen, um die vorbeigleitenden hellen 14
Fensterquadrate zu sehen. Der Zug wurde langsamer, kaum dass er die Station verlassen hatte. Was bei dem maroden Subway-System keine Seltenheit war. Ein vorübergehender Stromausfall mochte die Ursache sein, denn in dem Waggons flackerte das Licht und erlosch dann für Sekunden. Der Zug rollte vorbei, noch immer langsamer werdend. So oder so, ihn schickte der Himmel. Rubik fackelte nicht lange. Eine bessere Gelegenheit bekam er nicht. Er ließ die Harpune fallen, und das Ende des Stahlseils löste sich aus der Trommel. Das Heck des Zuges war keine fünf Yards entfernt, als der Vampirjäger eine Schlinge geformt hatte und das Seilende wie ein Lasso warf. Die Schlinge legte sich um beide Puffer und fand augenblicklich Halt hinter den Stahltellern. Rubik wich zurück in das Betongeviert, von dem Eingang weg. Gerade noch rechtzeitig, wie sich zeigte. Denn der Zug nahm wieder Fahrt auf. Da stand der Lord vor ihm. Seine Augen glühten im Dunkeln, als er die Arme ausbreitete, als wolle er seinen Häscher umarmen... Das Drahtseil straffte sich mit einem peitschenden Laut. Die Augen des Lords weiteten sich. Er schrie auf, als er die Kraft des Seils spürte, wie es ihn von seiner vermeintlichen Beute wegriss. Und das Harpunengeschoss saß unverrückbar in seiner Brust wie ein riesiger Spreizdübel. Vergeblich ruderte der Lord mit den Armstümpfen. Auch an dem offenen Durchgang zum Subway-Tunnel fand er keinen Halt. Er sauste von seinem Bezwinger weg und flog hinaus wie aus
einem Gehäuse, das löchrig geworden war und keine Sicherheit mehr bot. Der Zug beschleunigte zügig. Der Vampir pendelte kurzzeitig auf den Schienen hin und her. Es blitzte und zischte, wenn ihn ein Schlag aus der Stromschiene traf. Seine Haare sträubten sich, standen ab wie Drahtborsten. Die Augen wölbten sich wie rote Pingpongbälle aus ihren Höhlen. Mirco Rubik war aus der Betonkata kombe hervorgesprungen und rannte hinter dem Zug her. An dem etwa 20 Yards langen Drahtseil hing der Vampir als hilfloses Bündel, das auf den Schwellen auf und ab hüpfte und gnadenlos mitgeschleift wurde. Gegen die Zugkraft der U-Bahn konnte der irische Lord nicht das Geringste ausrichten. Seine Schreie gingen im Donnern des beschleunigenden Zuges unter. Die Wagen rumpelten und schaukelten auf dem betagten Gleis, und das Kreischen der Räder auf den Schienen löste sich ab mit dem Angstkreischen des hilflosen Vampirs. Die Fahrgäste konnten ihn nicht sehen, denn das Heck des letzten Wagens war zugleich Führerstand für die Rückfahrt. Der Zug erreichte das Ende des Tunnels. Mirco Rubik verlangsamte seine Schritte, als er das Tageslicht sehen konnte. Einen Augenblick später blieb er stehen. »Gute Reise!«, knurrte der Vampirjäger noch. 15
Der Zug raste in den halbdunklen Bereich vor der Tunnelöffnung. Es war dieser Moment, in dem der Lord endgültig begriff, was ihm blühte. Er bäumte sich auf, hüpfte höher und höher, bis er sogar an die Tunneldecke prallte und mit doppelter Wucht zurück auf die Schwellen geschleudert wurde. Das Schrillen seiner Schreie schwoll an, überstieg den Lärm des Zuges. In panischer Todesangst hieb der Lord mit den blutigen Armstümpfen auf das Drahtseil ein. Und dann ratterte die Subway hinaus in das gleißende Sonnenlicht. Dem tanzenden Bündel am Drahtseil entrang sich ein letztes ohrenbetäubendes Brüllen. Es war ein Todesschrei wie aus den Tiefen jener Urgewalt, die Kreaturen wie den Lord möglich gemacht hatte. Als die Sonne den Vampir erfasste, verwandelte er sich in einen Feuerball, der glühende Blitze nach allen Seiten ausstieß. Doch es dauerte nur einen Moment, dann sank die Glut in sich zusammen und löste sich in Nichts auf. Nur das leere Seil peitschte hinter dem Zug her.
Detective Lieutenant Robert Killroy durchquerte den Deskroom des Polizeireviers Midtown South mit eiligen Schritten. In dem Raum, der die Ausmaße einer Kleinstadtbahnhofshalle hatte, wimmelte es von Menschen. Das war zu fast jeder Tageszeit so. Leute, die sich beschweren oder jemanden anzeigen wollten, standen Schlange. Uniformierte Cops führten Festgenommene nach hinten
durch, in die Hundehütte, wie sie die Arrestzelle nannten. Schon am frühen Nachmittag wurde in Manhattan genügend Strandgut der Gesellschaft angeschwemmt. Seine Mittagspause hatte Killroy wie üblich im Luncheonette an der Ecke verbracht. Auf dem Rückweg hatte er sich die druckfrische Mittagsausgabe der »New York Daily News« aus der Selbstbedienungsbox an der Bordstein kante gezogen. Im Vorbeigehen bekam er Fetzen des Gesprächs mit, das einer der Sergeants, Carl Shanahan, mit einem Besucher führte. ». . .. Legrand und Fletcher Morris ... im Paramount Hotel. . . seit ein paar Tagen ...aber... verschwunden zu sein...« Schon am Ende des Desks angekommen, blieb Killroy stehen und drehte sich um. Sergeant Shanahan, ein blonder Ire, stand hinter dem hohen Tresen aus polierter Eiche und blickte hinab auf einen schlanken schwarzhaarigen Mann, der mit Sportschuhen, Jeans, brauner Lederjacke und weißem T- Shirt bekleidet war. »Sie möchten erfahren, ob es eine Ver misstenanzeige gibt?«, fragte Shanahan. »Nein«, antwortete der Schwarzhaarige. »Ich bin extra aus New Orleans gekommen, um herauszufinden, was hier passiert ist.« »Und Legrand und Morris stammen auch von da unten im Süden?« »Yep! Aber John wird schon immer bei seinem Nachnamen genannt - Legrand. Fletcher dagegen ist Fletcher.« »Der Vorname«, erwiderte Sergeant Shanahan mit verstehendem Nicken. »Sind Sie mit den beiden Männern verwandt, Sir?« »Nein, wir sind... sehr enge Freunde.« 16
»Ich fürchte, dann kann ich Ihnen nicht.. .« »Warte mal, Carl!«, rief Killroy, drehte sich um und ging auf den Sergeant und seinen Gesprächspartner zu. Killroy stellte sich dem Schwarzhaarigen vor und fügte hinzu: »Fletcher Morris, sagten Sie?« »Ja. Mirco Rubik mein Name. Fletcher ist ein Freund von mir...-« »Schon gehört. Bitte kommen Sie mit in mein Büro, Mr. Rubik.« Killroy nickte dem Sergeant zu, und dieser widmete sich dem Nächsten in der Schlange der Wartenden. Rubik hob erstaunt die Augenbrauen, stellte aber keine Fragen. Ohne zu zögern, begleitete er den kräftig gebauten 40 jährigen Mann in den ersten Stock des Reviergebäudes. Killroy trug Jeans und ein hellgraues Jackett, unter dem sich das Schnellzieh-Gürtelholster mit der Dienstpistole verbarg. Der Lieutenant hatte braunes Haar und grüne Augen, sein Gesicht wirkte blass und betrübt. Sein Büro befand sich am Ende des Korridors. »Sind Sie der Chief?«, fragte Rubik. »Nein«, antwortete Killroy. »Auf mein Kommando hört nur die Detective Division.« Rubik furchte die Stirn. Er wusste, dass die Kriminalabteilung eines Polizeireviers auch für Kapitalverbrechen zuständig war. Das war in New York nicht anders als in New Orleans. »Was Neues, Debbie?«, fragte Killroy seine Sekretärin, als sie das Vorzimmer durchquerten. »Jennifer hat Lesestoff gebracht«, erwiderte die elegante Vorzimmerdame. »Sonst nichts.« Killroy nickte und führte seinen Begleiter weiter, nach nebenan.
Jennifer war die Sekretärin des Revierleiters Captain Fachtna W. Dougal. Und mit Lesestoff war der neue Berg von Akten, Protokollen und Dienstplänen auf dem Schreibtisch des Lieutenants gemeint. Er wies Rubik den Besucherstuhl zu, warf die Zeitung auf die Schreibtischplatte und ließ sich auf dem ledergepolsterten Drehsessel nieder. »Sie haben schlechte Nachrichten«, sagte Rubik. »Ich sehe es Ihnen an.« Killroy widersprach nicht, doch er ließ unerwähnt, dass die Trauer in seinem Gesicht einen anderen Grund hatte. Seine Tochter Michelle war auf grauenhafte Weise getötet worden - von einem gottverdammten Mistkerl, der Michelle reingelegt hatte, indem er sich als ihr Lover aufführte. Dabei war er ein Vampir. Killroy hätte es nicht geglaubt, wenn er es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Anfangs hatte er den Jungen sogar für sympathisch gehalten. Doch dann hatte er mit ansehen müssen, wie dieses Scheusal seiner Tochter den Lebenssaft ausgesaugt hatte. Bruce. Wenn es für Killroy noch etwas gab, das er in seinem Leben zu vollenden hatte, dann war es die Rache. Dieser Vampir, der sich Bruce nannte, musste sterben mindestens so qualvoll wie Michelle. Killroy verscheuchte die düsteren Gedanken. »Sie und Fletcher und Legrand ...«, sagte er gedehnt. »Sind Sie nur Freunde oder auch so was wie Kollegen?« 17
Rubik horchte auf. Er hatte nicht vor, sich aufs Glatteis führen zu lassen. Vampirjäger waren bei den Cops nicht gerade beliebt. Niemand kam legal an das Arsenal, das man benötigte, um Vampire erfolgreich zu jagen. Viele Männer seiner Berufung waren deshalb schon ernsthaft mit der Polizei aneinandergeraten. »Wie man's nimmt«, antwortete Rubik ausweichend. Er senkte die Stimme. »Bitte sagen Sie mir, was passiert ist, Lieutenant.« »Ihr Freund Fletcher ist tot«, ent gegnete Killroy. »Tut mir Leid. Er wurde an der 30. Straße umgebracht, hier, in meinem Revier. Und weil wir schon mal bei den schlechten Nachrichten sind...« »Legrand ist auch tot«, entfuhr es Rubik. Killroy schwieg. Eine Bestätigung war nicht nötig. Sein Gegenüber wollte bereits aufstehen, um das Büro zu verlassen, ließ sich jedoch wieder in den Sessel zurückfallen, als der Detective Lieutenant erneut das Wort an ihn richtete. »Fletcher wurde von einem Vampir ausgesaugt!«, sagte er. »Auf dem Dach einer Hochgarage an der Dreißigsten!« Rubik hob überrascht die Augenbrauen. »Sie wissen von den Vampiren?«, fragte er erstaunt. »Zwangsläufig«, entgegnete Killroy dumpf. Sekundenlang presste er die Lippen zusammen, ehe er weitersprach. »Ich nehme an, dass Sie zur gleichen Zunft gehören wie Fletcher und Legrand. Meine Tochter wurde von demselben Blutsauger getötet, der auch Ihre Freunde auf dem Gewissen hat, Mr. Rubik. Verdammt, Michelle war gerade mal siebzehn!« Killroy schloss die Augen und barg das Gesicht in den Händen.
»Das tut mir Leid, Lieutenant. Sie können mir glauben, dass ich es wirklich aufrichtig meine.« »Danke«, antwortete Killroy dumpf. Er nahm die Hände vom Gesicht und hob den Kopf. »Und Ihre Freunde? Die Nachricht von ihrem Tod? Macht Sie das nicht auch fertig?« »Natürlich ist es ein Schock«, antwortete Rubik. »Aber wir haben uns dieses Schicksal selbst ausgesucht, Ihre Tochter hingegen ... Ich muss jetzt gehen.« Damit erhob er sich und verließ das Büro. »Das war das Schwein!«, sagte Killroy erbost. Er warf seinem Chef die Zeitung vor die Nase. Mit der Titelseite nach oben landete das Blatt auf der aufgeschlagenen Akte, die Captain Dougal gerade las. Der hagere Mann schrak hoch. Zumindest tat er so, weil er auch so getan hatte, als würde er so intensiv in den Inhalt der Akte vertieft sein, dass er das Eintreten des Lieutenants nicht einmal bemerkt hatte. Killroy kannte das. Dougal schob in Wirklichkeit eine ruhige Kugel. Deshalb war er stets bemüht, den stark Beschäftigten zu spielen. »Wa - was?«, tat der Captain irritiert und dann empörte er sich erst einmal, der Ordnung halber. »Sag mal, Rob, was soll denn das? Du kannst doch nicht einfach...!« »Das war dieser Bruce«, schnitt Killroy ihm das Wort ab. Er beugte sich vor und hieb mit dem Zeigefinger auf die Schlagzeile. »Das ist eindeutig seine Handschrift.« Dougal schnaufte. Pikiert rümpfte er die Nase, da er nun gezwungen war, den unerwünschten Text zumindest anzusehen. 18
Die Überschrift bestand nur aus zwei Wörtern, doch die Buchstaben waren so groß, dass sie die halbe Titelseite einnahmen. VAMPIRE SUCKS! Es war eines dieser Wortspiele, das die Redakteure der Revolverblätter so liebten. Die Überschrift hatte zwei Bedeutungen, zum einen »Vampir saugt!« und zum anderen »Vampir ist ätzend!« Doch schon die Unterzeile machte klar, dass es bei dem Thema nichts zum Lachen gab. MANIAC CAUSES BLOOD BATH IN FULTON DISCO Ein Verrückter sollte also das Blutbad in einer Disco am Fulton Fish Market angerichtet haben. Killroy wusste es besser. Und er war entschlossen, seinen Chef davon zu überzeugen, dass auch die Reporter der New York Daily News keine Ahnung hatten. Das Foto unter der Schlagzeile zeigte den Abtransport von Body Bags aus dem CC und der Text des Berichts wurde auf Seite zwei fortgesetzt. Darin hieß es, der durchgeknallte Amokläufer habe offenbar einen Vampirtick gehabt und zu viele Dracula-Filme gesehen. Deshalb habe er seine Opfer so grauenhaft zugerichtet. »Ich kenne die Geschichte«, sagte Captain Dougal und verzog angewidert das Gesicht. »Können wir froh sein, dass das nicht in unserem Revier passiert ist!« »Dies ist das Update«, sagte Killroy rau. »Die Mittagsausgabe.« »Ja, und?« Dougal blickte zu ihm auf. »Was ist neu daran? Doch nicht der ganze Bericht, oder?« Killroy hatte Mühe, wenigstens äußerlich Ruhe zu bewahren. Dougal war genauso borniert wie alle anderen, die der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen wollten.
»Sie haben noch immer nichts kapiert«, knurrte Killroy. »Wer?« Der Captain blinzelte ahnungslos. »Menschenskind, Fachtna! Die Journalisten, die Cops, die Gerichtsmediziner - alle, die mit dem Fall zu tun haben!« Killroy holte Luft. »Wenn nicht passiert wäre, was passiert ist, könnte man dafür noch Verständnis haben. Aber nach dem Tod von Fletcher, Legrand und Michelle ...« Ihm versagte die Stimme. »Robert«, sagte Dougal väterlich. »Ich weiß, in was für einer Verfassung du bist. Ich wäre der Letzte, der dafür kein Verständnis hat. Aber du solltest die Dinge nicht.. .« »Nach den drei Todesfällen«, unter brach ihn der Lieutenant schnaubend, »sollte auch der letzte Idiot kapiert haben, dass die Vampire mitten unter uns sind hier, in New York. Sie beherrschen uns und wir sind zu dämlich, es zu kapieren.« »Robert, nun hör aber ...« »Es ist so, wie ich sage, Fachtna. Wer könnte das besser beurteilen als ich?« »Niemand«, sagte Dougal geduldig, »aber du musst auch verstehen, dass es nicht leicht nachzuvollziehen ist, was du uns da auftischst.« »Auftischst?«, wiederholte Killroy donnernd. Er konnte seine Wut kaum noch im Zaum halten. »So nennst du das? Nach all den Jahren, die wir zusammengearbeitet haben, kommst du auf die Idee, ich würde dir was auftischen!« Dougal hieb mit der Faust auf die Zeitung und sprang auf. »Verdammt noch mal, Rob, jetzt leg aber nicht jedes Wort 19
auf die Goldwaage! Vielleicht ist auftischen die falsche Vokabel, aber du weißt verdammt genau, was ich meine!« »Ja, das weiß ich«, konterte Killroy wutschnaubend. »Du hältst mich für einen armen Irren, der nach dem Tod seiner Tochter durchgedreht ist!« »Das habe ich nicht gesagt, Robert.« »Aber gemeint. Du sagst doch selbst, dass ich genau wüsste, was du meinst.« »Robert!«, stöhnte der Captain. »Herr im Himmel, nun dreh mir doch nicht jedes Wort im Mund um!« Killroy stemmte beide Fäuste auf die Schreibtischplatte und beugte sich vor. Zornig fauchte er: »Habe ich dir in all den Jahren jemals was anderes geliefert als Fakten?« »Nein«, antwortete Dougal steif. »Aber in all den Jahren hattest du auch nicht mit einem derart tragischen Ereignis zu kämpfen wie mit. . .« »Michelles Tod?«, schrie Killroy. »Willst du mir jetzt anlasten, dass diese Bestie meine Tochter umgebracht hat?« »Rob, rede nicht solchen Unsinn.« Killroy behielt seine Lautstärke bei. »Warum wird nicht verstärkt nach dem Kerl gefahndet?« Wieder hieb er mit dem Zeigefinger auf die Zeitung, als wollte er sie durchbohren. »Ich sage dir, das war er. Jetzt haben wir eine konkrete Spur.« »Der Täter sah aus wie ein Cowboy«, erwiderte Dougal und versuchte, sich nicht aufzuregen. »Die ganze Beschreibung passte nicht.« »Vampire können ihr Äußeres verändern! Zum Teufel, die brauchen nicht mal plastische Chirurgie dafür. Das kann man überall nachlesen!« Dougal verdrehte die Augen. »Rob, es reicht jetzt. Mach mich bitte nicht wütend.«
»Waaas?«, brüllte Killroy. »Ich soll dich nicht wütend machen? Wenn hier einer einen Grund hat, wütend zu sein, dann bin...« Diesmal war es der Captain, der seinem Gegenüber das Wort abschnitt. »Schluss jetzt!«, brüllte er. »Verdammt noch mal, Rob, reiß dich gefälligst zusammen! So, wie du dich zur Zeit aufführst, kann ich deinen Schwachsinn jedenfalls nicht mehr dulden. Tut mir wirklich Leid, aber .. .«Dougal zögerte. »Was?«, bellte Killroy und machte den Eindruck, als wollte er seinem Vorgesetzten an die Gurgel gehen. »Du bist suspendiert«, sagte Captain Dougal mit bebender Stimme. »Jedenfalls vorübergehend. Ich empfehle dir eine Therapie. Mann, Rob, so geht das einfach nicht weiter mit dir.« Eine jähe Veränderung ging mit Killroy vor sich. Er schien regelrecht in sich zusammenzusinken. Stumm nahm er seinen Dienstausweise und die Dienstmarke aus der Jackentasche und legte sie auf Dougals Schreibtisch. Dann, mit automatenhaft wirkenden Handbewegungen, zog er die Dienstpistole aus dem Holster, vergewisserte sich, dass sie gesichert war, und legte sie zu dem Lederetui und dem Metallschild. Wortlos machte er kehrt und ging. »Robert!«, rief Dougal ihm nach. »Versteh doch . ..« Aber Killroy war schon draußen. Und er wüsste, dass er an diesen Ort nie mehr zurückkehren würde. Nie mehr. Er wusste es einfach.
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Der Parkplatz vor dem Discoschuppen war voll belegt - Polizei, Ambulanz, Feuerwehr. Überall wurde fieberhaft gearbeitet. Noch immer schleppten sie die Leichensäcke aus dem Gebäude. Man hätte meinen sollen, dass die Männer so einiges gewöhnt waren, trotzdem sahen einige von ihnen ziemlich käsig aus. Bruce stellte seine Harley ab. »Ich bin gleich zurück«, sagte er zu Thomas, der seine Maschine neben der seinen zum Stehen gebracht hatte. Auf dem East River glitten Positionslampen von Schleppern und Lastkähnen vorüber. Lichterketten zeichneten die Konturen der Brooklyn Bridge nach. Und drüben, auf der anderen Seite der weiten Wasserfläche, leuchteten die Fensterflächen von Cafes, Restaurants und Wohnhäusern. »Willst du wirklich allein da rein?«, fragte Thomas. »Ich meine, allein schaffst du es nicht, den Laden auseinander zu nehmen. Sind ziemlich viele Bullen hier.« »Ich habe nicht vor, irgendetwas auseinander zu nehmen«, erwiderte Bruce. »Also tu, was ich dir gesagt habe. Halt die Augen offen und sobald du irgendwas siehst, was auch nur halbwegs nach Ärger aussieht, sagst du mir Bescheid.« »Okay«, seufzte Thomas ergeben. »Mann, ich hätte vielleicht Lust, mit dir mal wieder so richtig einen drauf zumachen!« »Aber nicht ausgerechnet hier, die Disco ist für den Rest des Abends geschlossen. Außerdem haben wir einen Auftrag.« »Und bevor der nicht ausgeführt ist, läuft gar nichts«, leierte Thomas wie ein Sprechautomat. »Schon verstanden.
Wir sind mal wieder total korrekt, stimmts?« Bruce grinste. »Sind wir jemals was anderes?« Der Vampir ging geradewegs zu einem Seiteneingang. Nur ein Uniformierter stand davor Wache. »Verzeihung, Sir, aber Sie können hier nicht rein!«, beschied der Cop, als Bruce sich ihm näherte. Ein kurzer Blick in die Runde zeigte dem Vampir, dass kein weiterer Ärger in Sicht war. Bruces Hand schoss vor und umfasste die Kehle des Polizisten. Der Cop, ein junger Mann und noch ziemlich grün hinter den Ohren, zappelte, verzweifelt nach Luft schnappend, mit den Füßen, die sich dreißig Zentimeter über dem Boden befanden. Doch er hörte mit dem Zappeln auf, nachdem Bruce ihn mit dem Hinterkopf leicht gegen die Mauer gerammt hatte. Der Vampir wollte ja nicht noch mehr Leichen. Er öffnete die Tür zur Disco und trat ein. Hier hinten war es relativ ruhig. Offensichtlich hatte der Unbekannte hier nicht gewütet. Bruce stand in einem schlecht beleuchteten Gang irgendwo hinter dem DJ-Podium. Der Vampir suchte sich seinen Weg zu den Security-Räumen, wo sich die Videomonitore der Über wachungskameras befanden. Vorsichtig öffnete er die Tür. »Hallo!«, sagte eine Stimme. Verdammt! Da ist jemand. Bruce schob die Tür ganz auf. »Hallo!« 21
Vor ihm saß ein Schrank von einem Mann vor den Monitoren und sog an seiner Zigarette. »Was kann ich für Sie tun?« Der Vampir trat ganz ein und schloss die Tür hinter sich. »Sie sind kein Cop!«, erkannte der Mann. »Verdammt, was wollen Sie hier?« Bruce lachte und hob beschwichtigend die Hände. »Nur eine Information, Mister. Mehr nicht.« »Sind Sie von der Presse?«, wollte der Mann wissen. Bruce nickte. »Es geht um diesen Cowboy-Typ.« »Warum sollte ich Ihnen was darüber sagen?« »Ich könnte mir 500 gute Gründe vorstellen«, sagte er lächelnd und holte ein Bündel Greenbucks hervor. Der Mann bekam große Augen. »Was was wollen sie dafür haben?« Es gibt doch bestimmt Aufzeichnungen über das, was gestern hier vorgefallen ist.« Bruce deutete auf die Monitore der Überwachungskameras. »Die Cops haben alle Bänder mitgenommen.« Bruce machte ein enttäuschtes Gesicht und wollte die Dollars wieder wegzustecken. »Moment!«, rief der Kerl rasch. »Die Cops haben nur die Originalbänder mitgenommen.« Bruce hob die Augenbrauen. »Für tausend Bucks gehört die Kopie Ihnen.« »Okay!«, stimmte Bruce ohne Wim pernzucken zu. Nachdem das Geschäft abgeschlossen war, verließ Bruce die Disco. Der Cop draußen am Seiteneingang schlief noch immer. 22
»Ich hab's!«, rief Bruce, als er die Motorräder erreichte. Gemeinsam fuhren sie zu seiner Bude. »Dann wollen wir mal sehen...«, murmelte Bruce, während er die Kassette in das Abspielgerät schob. Die Videoaufnahme zeigte den Amokläufer aus der immer gleichen Perspektive. Trotzdem vermochten sich Bruce und Thomas einen brauchbaren Eindruck von dem Geschehen zu machen. Die Kameraeinstellung zeigte den fremden Vampir meist im Halbprofil, ein paar Mal aber auch von vorn. »Der Typ hatte einen mächtigen Stiernacken«, sagte Thomas. »Ja«, stimmte Bruce grinsend zu. »Schon daran werden wir ihn erkennen, wenn wir ihm begegnen.« »Da hat sich dein Besuch im Chaos Center ja gelohnt«, meinte Thomas. Bruce und Thomas sahen sich in aller Ruhe das Band an, beobachtete, wie sich ihr Gegner bewegte, versuchten ihn abzuschätzen. »Er ist gut«, meinte Thomas. »Yep«, bestätigte Bruce grinsend. »Aber ich bin besser, keine Frage.« Er spulte die Kassette zurück und sie schauten sie sich noch einmal an. »Irgendetwas stimmt nicht.. .« Bruce redete mit sich selbst, denn Thomas fing schon gelangweilt an zu murren. Ein drittes Mal. »Da! Da war es! Hast du gesehen? Gleich am Anfang!« Bruces Geschrei riss Thomas aus seiner Teilnahmslosigkeit. »Der Kerl hatte sich absichtlich in seine Raserei hineingesteigert, ist bewusst ausgerastet. Das ist doch total verrückt! Er musste doch wissen, dass Kradoc das nicht dulden konnte!«
Rob Killroy sah das Zimmer seiner Tochter durch einen Tränenschleier. Das Schnurlose am Ohr, fluchte er auf sich selbst. Warum hatte er bloß die Tür aufmachen müssen? Der Doppelton des Rufzeichens nervte. Würde das jetzt jeden Tag so gehen? Die Tür aufmachen und in Michelles Zimmer starren? Würde er zu diesen Leuten gehören, die ein Kind verloren hatten und dessen Zimmer nicht mehr veränderten? Nein, verdammt! Michelle würde nicht mehr am frühen Morgen nach Hause kommen, und sie würde nicht mehr sauer reagieren, weil er sich Sorgen um sie machte und diese Sorgen in die falschen Worte kleidete. Sie würde ihm auch keinen Vortrag mehr darüber halten, dass ein Kinderzimmer eines Tages kein Kinderzimmer mehr war, sondern eine Bude, in der es mit den geeigneten Boys zur Sache ging. Er spürte ein Würgen im Hals. »Hier ist der automatische Anruf beantworter des Anschlusses 433-7386. Bitte sprechen Sie nach dem Ton.« Man hörte, dass die Frau sich beim Sprechen der Ansage Mühe gegeben hatte, kalt und unpersönlich zu klingen. Aber es gelang ihr nicht. Sie konnte gar nicht kalt und unpersönlich sein. Nicht mal, wenn sie sich anstrengte. »Killroy hier. Ich brauche Hilfe. Jetzt können Sie sich revanchieren«, sagte Killroy und versuchte, nicht so dumpf depressiv zu klingen, wie er sich fühlte. Er nannte seine Telefonnummer und drückte die Trenntaste. 23
Er holte sich ein Budweiser aus dem Kühlschrank und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Er versenkte sich in seinen Lieblingssessel und schaltete die Doofglotze ein. Nach dem ersten wohltuenden Schluck Bier steckte er sich eine Zigarette an und blickte dem Rauch nach, dessen Blaugrau sich mit dem bläulichen Leuchten des Bildschirms vereinte. Viel blieb ihm nicht mehr. Rauchen, Trinken, und die Schund programme in der Doofglotze . .. Alles Wichtige auf dieser Welt hatte er verloren.
»Arschloch«, knurrte er sich selbst an. »Du verdammter blöder Hund, du weißt genau, wofür du noch lebst.« In der Tat. Nach dem Rausschmiss in Midtown South hatte er den Tag damit verbracht, sich auszurüsten. Erst mit Fachliteratur. Er hatte alles verschlungen, Zeile um Zeile. Dann hatte er sich die Ausrüstung besorgt. Morgen würde es losgehen. Bei Tageslicht. Vampire holte man aus ihren Sargverstecken, wenn sie am ver wundbarsten waren. Am Besten bei strahlendem Sonnenschein. Die Haustürklingel schrillte sich in Killroys Bewusstsein. Er runzelte die Stirn, blickte zur Uhr. Es ging auf Mitternacht zu. Viel zu früh für Michelle, außerdem hatte sie einen Schlüs... Er fluchte, hätte sich in den Hintern treten können. Er stemmte sich aus dem Sessel hoch und ging zur Sprechanlage. So alt die
Wohnung hier an der West 48th Street auch war, wenigstens hatte sie das Minimum an Sicherheitsvorkehrungen. Für einen Witwer mit Sorgerecht für das einzige Kind war das ein wichtiger Punkt. Killroy hätte sich am liebsten selbst angebrüllt. Verdammt, so ging es einfach nicht weiter! Nur das Klingeln hielt ihn davon ab, die Nerven zu verlieren. Er drückte den Knopf und fragte: »Wer ist da?« »Mirco Rubik. Erinnern Sie sich an mich?« »Ja.« Enttäuscht betätigte Killroy den Türöffner. Wie kam es bloß, dass er auf Rachel gehofft hatte? Wenn sie nicht zu Hause war, hatte sie was anderes zu tun, als sich um einen trauernden Ex-Cop mit einem Alkoholproblem zu kümmern. Außerdem hatte er sie behandelt wie den letzten Dreck. Unmissverständlicher hätte er ihr überhaupt nicht sagen können, dass er mit ihr nichts zu tun haben wollte. Wenn sie jetzt überhaupt noch mit ihm redete, konnte er froh sein. »Ich habe nachgedacht«, sagte Rubik schon beim Eintreten. »Ich würde Ihnen gern helfen. Ich meine, Sie fahnden doch offiziell nach diesem Vampir. Ich könnte der Polizei mit meinem Fachwissen...« Killroy unterbrach ihn, während er die Wohnungstür schloss und ihn in den Living-room bat. »Ich bin vom Dienst suspendiert. Der Chief hält mich für einen Verrückten - für einen, den man nicht mehr als Cop auf die Menschheit loslassen kann.« »Gut für mich«, sagte Rubik unverblümt. Er setzte sich. »An die Rolle als Einzelkämpfer kann ich mich schlecht gewöhnen. Und gegen Vampire steht man dann schnell auf verlorenem Posten. Wir 24
haben ein gemeinsames Ziel, Lieutenant. Habe ich einen neuen Verbündeten?« Zum ersten Mal konnte Killroy wieder lächeln. »Sie rennen offene Türen ein«, sagte er. »Ich bin schon dabei, mich auszurüsten. Kommen Sie, ich zeige Ihnen mein Arsenal.« Er führte den Vampir-Jäger hinüber in die Küche, wo er die Sachen auf dem Tisch ausgebreitet hatte, die er im Laufe des Tages besorgt hatte. »Ein Kreuz«, erklärte Killroy nicht ohne Besitzerstolz. »Wenn er das zu sehen kriegt, ist er schon so gut wie fertig, stimmts? Dann haben wir hier einen Behälter mit Weihwasser, einen Strang Knoblauch und einen Holzpflock. Dazu noch den Hammer, mit dem man ihm den Pflock ins Herz schlägt. Das Weihwasser war schwierig zu kriegen. Ich musste einen Messdiener in der St.Patrick's Cathedral bestechen. Alles andere war ganz einfach.« Mirco Rubik hatte geduldig zugehört und lächelte nun. »Vergessen Sie das alles«, sagte er sanft. »Was?« Killroy starrte ihn an. »Aber ich habe doch die ganze Fachliteratur gelesen.« »Auch die Fachliteratur ist von gestern«, erklärte Rubik. »Wir haben es mit echten Vampiren zu tun, nicht den Witzfiguren aus dem Fernsehen. Sie sind wesentlich schwerer zu bekämpfen.« »Und Dracula?«, sagte Killroy hilflos. »Nosferatu? Alles, was man aus den Filmen weiß . . .« »...ist genau das - ein Film«, erwiderte Rubik. »Ein Kreuz fürchtet heutzutage kein Vampir mehr. Wahrscheinlich war es auch früher nur Wunschdenken der Kirchenfürsten.
Das Gleiche gilt für Weihwasser. Jeder Vampir wird in brüllendes Gelächter ausbrechen, wenn Sie damit ankommen. Und im nächsten Atemzug wird er ihnen seine Reißzähne in den Hals schlagen.« »Du lieber Himmel«, ächzte Killroy. »Dann hilft Knoblauch wahrscheinlich auch nicht, nehme ich an.« »Naja, die meisten Blutsauger mögen ihn nicht, aber ich mag auch keinen Knoblauch. Als Waffe ist er jedenfalls völlig ungeeignet.« Rubik klopfte ihm auf die Schulter. »Nur den Pflock könnten Sie noch benutzen. Aber so ein Riesending ist heutzutage, vor allem im Großstadteinsatz, viel zu unhandlich. Es gibt High-TechAusführungen.« Er griff in die Hosentasche und zeigte dem Lieutenant ein Pflockgeschoss. »Das ist von meiner Armbrust.« »Aber das klingt ja noch mittelalterlicher als meine Sachen«, sagte Killroy zweifelnd. »Ist es aber nicht«, erwiderte der Vampirjäger. »Die Armbrust ist ein Gerät mit der Technik von heute. Damit können Sie einen Vampir wirklich töten. Denn auf andere Weise wird er sich kaum dazu bringen lassen, dass Sie ihm einen Pflock ins Herz hämmern. Natürlich können Sie ihm auch den Kopf abschlagen - mit einer Machete, einem Säbel oder so.« »Und einfach erschießen?« Killroy sah seinen Besucher fragend an. »Ich ahne schon, dass das nicht geht.« »Stimmt.« Rubik nickte. »Vampire können ihre Wunden im Handumdrehen heilen, auch Einschusslöcher. Je mächtiger, desto schneller geht das. Sie können so 25
einem Ungeheuer Hände abhacken - Arme, Füße, Beine. Alles wächst nach, auch wenn es in den Fällen etwas länger dauert.« »Himmel!«, stöhnte Killroy. »Das hört sich ja an, als ob die Kerle unbezwingbar sind.« »Sie sind es nur dann, wenn man ihre Schwächen nicht kennt. Bringen Sie einen Vampir ins Sonnenlicht, so wird er verglühen. Hacken Sie ihm den Kopf ab, so zerfällt er zu Staub. Das Gleiche gilt natürlich auch für den Holzpflock ins Herz.« Rubik hob das Armbrustgeschoss und drehte es zwischen den Fingern. Killroy nahm das Geschoss und betrachtete es von allen Seiten. »Und wo kriegt man so was?«, fragte er schließlich. »Ich meine, alles, was dazugehört. Die Armbrust und was man sonst noch so braucht.« »In New Orleans könnte ich es Ihnen besorgen«, erwiderte Rubik »Hier in New York geht es natürlich auch, nur würde das etwas länger dauern. Ich müsste erst den Kontakt zu den richtigen Leuten herstellen.« »Was für Leute wären das?«, fragte Killroy. Er gab das Pflockgeschoss zurück. »Ganz verschieden. Hehler, nicht ganz korrekte Sportfachgeschäfte, spezielle Waffengeschäfte - und eben alle, die so etwas möglicherweise auch benutzen«, gab Rubik bereitwillig Auskunft. »Meine, persönlichen Sachen habe ich leider nur in einfacher Ausfertigung, sonst würde ich Ihnen gern aushelfen.« »Verstehe«, sagte Killroy und rieb sich das Kinn. »Ich denke, das kriegen wir irgendwie geregelt. Was mich noch interessieren würde - schlafen die Vampire von heute dann auch nicht in einem Sarg, in einer Gruft oder so?«
»Das ist unterschiedlich«, antwortete Rubik. »Sie brauchen einen Sarg jedenfalls nicht. Die meisten ziehen einen dunklen Raum und ein normales Bett vor. Das liegt wohl an ihrer menschlichen Seite.« Rubik lachte. »Aber es gibt durchaus einige, die im Sarg schlafen - aus Tradition, oder einfach aus einem Spleen heraus.« »Und ihre Zähne?« »Können sie irgendwie einziehen.« »Dann erkennt man sie praktisch gar nicht?« »Nicht auf den ersten Blick. Aber sie bewegen sich häufig etwas anders als Menschen, nur muss man wissen, worauf man achten muss. Haben sie dem Mörder Ihrer Tochter angesehen, dass er ein Vampir ist?« »Nein«, entgegnete Killroy und schüttelte verzweifelt den Kopf. »Mein Gott, ich habe ihn zuerst sogar für einen sympathischen jungen Mann gehalten.« Rubik nickte. »Diese Burschen sind perfekt in der Tarnung. Außerdem können einige von ihnen sogar ihr Aussehen verändern. Manche können sogar andere Gestalt annehmen - zum Beispiel die einer Fledermaus, einer Ratte oder auch die eines größeren Raubtiers. Aber das ist nicht die Regel. Schauen Sie so einem Blutsauger nie in die Augen. Nicht wenige können Hypnose oder so was.« Killroy erschauerte. »Man muss also praktisch mit allem rechnen?« »Auf jeden Fall ist es besser, sich auf das Schlimmste einzustellen«, antwortete Rubik. Das Telefon klingelte.
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Killroy entschuldigte sich mit einer Handbewegung und ging nach nebenan ins Wohnzimmer. Rasch nahm er das Schnurlose und meldete sich. »Was für eine Überraschung«, sagte Rachel Shapiro. »Mit allem hätte ich gerechnet, nur nicht damit, dass Sie mich anrufen.« »Umso mehr freue ich mich, dass Sie zurückrufen«, erwiderte er. »Ich war ein Idiot.« »Und jetzt sind Sie keiner mehr?« Ein Hauch von Spott war herauszuhören -und sie hatte jegliches Recht dazu. »Vielleicht nicht mehr ganz so extrem«, sagte er. »Dass ich mich von heute auf morgen ändern kann, glaube ich nicht.« »Ehrlicher gehts nicht.« »Sie würden mich so oder so durchschauen.« Am anderen Ende der Verbindung entstand eine Pause. Killroy zündete sich eine neue Zigarette an. Rachel war FBI-Agentin. Er hatte ihr bei einer Geiselnahme das Leben gerettet und sie hatte sich bei ihm dafür bedanken wollen. Doch er hatte sie schroff zurückgewiesen. Dann hatte er sie auf Michelles Beerdigung wiedergesehen und sie hatte ihm Hilfe angeboten. »Was ist passiert?«, fragte sie unvermittelt. Er erzählte ihr alles - von der Suspendierung bis zum Besuch des Vampirjägers Mirco Rubik, der immer noch in seiner Küche stand, vor der lächerlichen Sammlung von Anti-VampirWaffen. »Sie haben sich bereits geändert, Robert.« Die Stimme der Agentin war so sanft wie ihr ganzes Wesen.
»Ich weiß, dass ich Sie von Ihrem Vorhaben nicht abbringen kann. Deshalb werde ich es auch gar nicht erst versuchen. Aber wenn Sie wollen, helfe ich Ihnen.« »Vielen Dank.« Er zögerte. »Wie gut kommen Sie an Waffen?«
Gemächlich tuckerten die beiden Freunde durch das nächtliche Manhattan. Je weiter sie nach Norden gelangten, desto mehr veränderte sich das Straßenbild. Oberhalb des Times Square wechselten sie auf die Avenue of the Americas, kurvten durch das Rockefeller Center und landeten schließlich auf der grandios breiten Fifth Avenue mit ihren Glaspalästen. Nur noch Taxis waren hier unterwegs und gelegentlich ein Streifenwagen. Hin und wieder tauchten Menschen aus den immer noch erleuchteten Bürohochhäusern auf und winkten nach einem der YellowCabs. Wer etwas erreichen will im Leben, der darf keinen geregelten Feierabend kennen. Hier zeigte es sich ganz deutlich. »Hey, Mann!«, rief Thomas Waughn, der rechts neben Bruce fuhr. »Was hast du im Sinn? Eine weibliche Führungskraft?« »Keine schlechte Idee«, antwortete Bruce, als ob er nicht schon selbst darauf gekommen wäre. Sein Kumpel war in bester Stimmung. Unten im CG hatte er sich eine kaffeebraune Schöne an Land gezogen und einverleibt. »Glaubst du, du kriegst so eine feine Lady auf deine Harley?« Thomas lachte. 27
»Als Taxi Driver hättest du es leichter. Besorg dir so einen gelben Schlitten und...« »Achtung!«, brüllte Bruce. Zu spät. Die Kerle sausten aus einem Hochhauseingang hervor. Eine ganze Meute von schwarzgekleideten Typen. Zwei von ihnen erwischten Thomas. Der Rest - mindestens sechs Figuren stürzte sich auf Bruce. Verdammt!, durchzuckte es ihn. Die wissen genau, auf wen sie es abgesehen haben! Er hatte sie nur aus den Augenwinkeln heraus gesehen. Er versuchte, ihnen durch Gas geben zu entwischen. Aber sie waren schneller. Mit ungeheurer Wucht warfen sie sich auf ihn, bevor die Harley auf das Gas reagierte. Die Maschine rutschte ihm buchstäblich unter dem Hintern weg, denn mit geballter Kraft zerrten sie ihn herunter. Die Harley beschleunigte kurz, eierte ein Stück und kippte dann um. Ein Stück schlitterte sie noch, dann war auch das vorbei. Bruce sah noch, wie Thomas durch den Anprall der anderen Kerle aus dem Sattel gefegt wurde. Dann ging es um seine blanke Existenz. Denn dass es sich um Vampire handelte, hatte er sofort bemerkt. Men schen waren nicht so stark. Eine verdammte Horde von Vampiren, die in New York nichts zu suchen hatten! Wild heulend schmetterten sie ihn auf die Fahrbahn. Bruce hatte das Gefühl, durch Asphalt und Unterbau getrieben zu werden und unten im Subway-Tunnel wieder zum Vorschein zu kommen.
Für diesen Moment, in dem sie ihn gemeinschaftlich geschleudert hatten, war er frei. Sie glaubten wohl, dass sie ihm sämtliche Knochen gebrochen hatten. Vielleicht wussten sie doch nicht so genau, mit wem sie es zu tun hatten. Er sah, wie Thomas sich verzweifelt gegen die Übermacht zur Wehr setzte. Bruce wusste, dass er schnell handeln musste - verteufelt schnell, auch in seinem eigenen Interesse. Er kam hoch, indem er in der Körpermitte zusammenklappte wie ein Springmesser. Im selben Augenblick sauste die Klinge herab. Ein Kavalleriesäbel! Der handtellerbreite blanke Stahl durchschnitt die Luft mit einem Zischen und hackte dort in den Asphalt, wo sich eben noch Bruces Hals befunden hatte. Bruce stieß einen wilden Angriffsschrei aus. Aus dem Stand sprang er den Säbelschwinger an. Ein Riesenkerl, der noch damit beschäftigt war, die Klinge aus dem Asphalt zu zerren. Bruce schlug einen Salto über dem Boden, entfaltete sich wie eine Stahlfeder und streckte die Beine im Sprung. Die harten Sohlen seiner Bikerstiefel trafen den Kerl vor die Brust, trieben ihn aus der Schar seiner Mitstreiter heraus - und von dem Säbel weg. Bruce landete sicher auf beiden Füßen direkt vor dem nachfedernden Säbel. Hinter sich hatte er die verdutzte Meute, vor sich den stolpernden Riesen. Beinahe mühelos riss Bruce den Säbel aus dem harten Asphalt. Der Riese war noch damit beschäftigt, sein Gleichgewicht wiederzufinden. 28
Es sollte seine letzte Beschäftigung sein. Abermals sprang Bruce aus dem Stand. Er schwang den Säbel noch im Sprung. Die breite Klinge blitzte und flirrte. Und sie durchtrennte den Hals des Riesen mit Leichtigkeit, als würde er aus dem Wachsfigurenkabinett stammen. Der Kopf flog in hohem Bogen davon, trumpfte auf dem Bürgersteig auf und hüpfte weiter - auf den Eingang zu, aus dem die Horde gekommen war. Während sich der kopflose Kerl in Staub auflöste, wirbelte Bruce herum. Gerade noch rechtzeitig. Denn die Meute stürmte auf ihn los. Zwei Mann vorweg, drei bildeten die zweite Front. Offenbar hielten sie das für taktisch klug. Und sie hatten es mit den Blankwaffen. Die beiden vorderen waren ebenfalls mit blitzenden Klingen bewaffnet. Der eine hieb drohende Luftschnitte mit einem Cutlass, wie ihn Piraten und Korsaren benutzt hatten. Der andere hackte mit einem ZweihänderSchwert in der New Yorker Nachtluft herum. »Schluß!«, schrie Bruce ihnen entgegen. »Wisst ihr, wer ich bin?« Doch ob sie es wussten oder nicht, auf jeden Fall interessierte es sie nicht. Heulend wie Wölfe stürmten sie weiter. Die Phalanx der Angreifer walzte auf Bruce zu. Zähnefletschend und heiser knurrend versuchten sie, ihn zu beeindrucken. Bruce täuschte einen Frontalangriff vor, tat, als wollte er den mit dem Schwert anspringen. Der Kerl duckte sich, hob das gewaltige Schwert und holte damit aus.
Doch aus dem Ansatz seines Sprungs stieg Bruce senkrecht empor. Mühelos katapultierte er sich auf drei Meter Höhe. Der Mann mit dem Cutlass begriff noch, dass sein Gegner plötzlich über ihm war. Aber da sauste Bruce auch schon herab - und der Beutesäbel leistete ganze Arbeit. Die Klinge war von jener Schärfe, mit der man eine Daunenfeder in der Luft durchtrennte. Bruce spaltete dem Kerl erst den Schädel und schlug ihm dann die beiden Kopfteile vom Rumpf. Die drei Kerle der zweiten Front kreischten erbost, als ihnen der zweigeteilte Kopf entgegenflog und sie als Staubwolke umhüllte. Der Typ mit dem Zweihand-Schwert schnaubte vor Wut. Er imitierte Bruce und versuchte es mit einem Luftsprung. Doch seine gewaltige Klinge hieb ins Leere. »Hier bin ich!«, rief Bruce aus dem Eingang, in dem sie gelauert hatten. Ein rasanter Sidestep hatte genügt, um in den nur stockwerkshohen, von Säulen gestützten Bereich zu gelangen. Angriffe aus der Vogelperspektive waren hier nicht möglich. Der Mann mit dem Schwert reagierte reflexartig, ohne nachzudenken. Das war sein Fehler. Er ließ sich fallen, hob das Schwert über den Kopf und raste los. Die drei anderen folgten ihm mit heiserem Geschrei. Thomas Waughn hatte ebenfalls einen Gegner pulverisiert. Aber mit dem Letzten hatte er seine Last, denn der Bursche war ihm kräftemäßig überlegen. Und er 29
benutzte einen Krummsäbel, dessen Klinge so blitzschnell in alle Richtungen flirrte, dass sie kaum mit Blicken zu verfolgen war. Thomas hatte alle Hände voll zu tun, am Leben zu bleiben. Bruce überlistete den Schwert schwinger in seiner rasenden Angriffswut. Scheinbar gehetzt sah Bruce nach allen Seiten. Dann, als würde er sich in die Enge getrieben fühlen, schnellte er los - auf den Angreifer zu. Der Kerl fiel auf die Finte herein. Er brüllte triumphierend. Aus seinem kraftvollen Ansturm heraus ließ er das Schwert herabsausen. Bruce reagierte innerhalb eines Sekundenbruchteils, federte fast recht winklig zur Seite weg. Er spürte den sengenden Luftzug des Schwerts haarscharf neben sich. Und er wusste, hätte die Klinge ihn voll erwischt, wäre er vom Kopf bis zu den edleren Teilen gespalten worden. Das Triumphgebrüll seines Gegners wandelte sich in entsetztes Kreischen, als er vom eigenen gewaltigen Schwung vorwärts gerissen wurde. Wie ein Geschoss flog er vor, genau in die Klinge von Bruces Säbel. Auf der Höhe des Bauchnabels drang die Klinge ein, zerschnitt den Rumpf bis zur Wirbelsäule, zertrümmerte auch diese und hinterließ einen völlig durchtrennten Torso. Nicht tödlich, aber auch keine Gefahr mehr. Trotzdem trat Bruce noch einmal auf den Schädel ein ... Die drei von der zweiten Front schrien vor Empörung, als sie das beobachten mussten. Bruce kreiselte herum, der RestStreitmacht entgegen, während hinter ihm
ein Häufchen Staub mit Klamotten entstand. Die drei Kerle hatten Macheten gezogen, doch sie stoppten ihren Vormarsch. Allein ihr Instinkt schien ihnen zu sagen, dass sie diesem Gegner nicht gewachsen waren. Deshalb kniffen sie. Zwei von ihnen schrumpften in Windeseile. Der Dritte veränderte seine Form, wurde flacher und überzog sich mit einem Fell. Bruce ließ sich nicht irritieren. Diese Kerle gehörten nicht nach New York. Und deshalb mussten sie vernichtet werden - so oder so. Der Typ vor ihm hatte seine Verwandlung noch nicht vollendet. Bruce rammte die Spitze des Säbels in den Asphalt und schnappte sich einen Pflanzenkübel, der zum Greifen nahe war. Ein viereckiger Betonkasten mit einer mannshohen Bromelie war es. Mühelos hob er den sicher zwei Zentner schweren Trog und schleuderte ihn in hohem Bogen. Die Ratte auf dem Asphalt und die Fledermaus, die noch knapp darüber flatterte, stießen schrille Angstpfiffe aus, als sie zu fliehen versuchten. Doch der riesige quadratische Schatten, der sich auf sie herabsenkte, war schneller. Im nächsten Moment krachte es, und sie waren platt wie Briefmarken. Der letzte Angreifer war mit seiner Verwandlung fertig. Ein Wolf von enormer Größe ging heiser hechelnd auf Bruce los. Kein Heulen, kein Knurren - nur diese heiseren Atemgeräusche. Und die Fangzähne waren entblößt - spitze und rasiermesserscharfe Zähne, die in der Lage waren, einem 30
Menschen - oder einem Vampir - den Hals zu durchbeißen. Bruce wusste es, ohne zweimal hinsehen zu müssen. Und eisiger Schreck durchfuhr ihn, als er nach dem Säbel griff und ihn in Position bringen wollte. Er würde nicht schnell genug sein. Die Bestie hatte bereits zum Sprung angesetzt. Das heisere Hecheln schwoll an, raste auf ihn zu. Eine Wolke von faulig stinkendem Atem umwehte ihn. Bruce führte die Klinge des Säbels herum, versuchte, sie zwischen sich und die Bestie zu bringen . . . Da traf ihn der Stoß. Mit den Vorderpfoten erwischte ihn die Bestie an der Schulter. Hart schnappend schlugen die Fangzähne zusammen. Bruce wurde nach hinten geschleudert. Mit dem Rücken krachte er auf die beiden Marmorstufen, die zum Eingangsbereich hinaufführten. Die scharfen Kanten hieben ihm schmerzhaft in die Wirbelsäule, doch sie vermochten ihm nichts anzuhaben. Trotzdem wurde ihm der Säbel aus der Hand geprellt. Aber der Wolf rechnete mit seiner Benommenheit, glaubte, nun ein leichtes Spiel mit ihm zu haben. Seine beiden riesigen Pfoten lagen schwer auf den Schultern von Bruce, drückte sie nach unten auf die Stufen. In seinen tückischen schwefelfarbenen Augen entstand ein bösartiges Glimmen, als er langsam den mächtigen Kiefer um Bruces Kehle legte. Genussvoll klappte der mächtige Fang auseinander. Speichel tropfte Bruce ins Gesicht und der Gestank betäubte ihn fast. Er sah, wie der Wolf die Halsmuskeln spannte.
In diesem Moment ließ Bruce seine Knie hochschnellen. Der Stoß traf das Hinterteil des Wolfs und mit Geheul flog er über sein sicher geglaubtes Opfer hinweg. Ein paar Yards entfernt krachte er gegen eine Säule. Mit einem Satz war Bruce bei dem Säbel, schnappte ihn sich und wirbelte herum. Schwankend kam der Wolf auf die Pfoten. Er schüttelte das zottige Fell, versuchte, die Benommenheit loszu werden. Doch er schaffte es nicht mehr. Mit einem wilden Angriffsschrei sprang Bruce auf ihn zu, ließ den Säbel herabsausen und trennte ihm den Kopf vom Rumpf. Innerhalb von Sekunden zerfiel die Bestie zu Staub. Bruce verschwendete keine Zeit, denn zehn Yards entfernt wurde Thomas mächtig in die Enge getrieben. Mit dem Rücken an der Wand des Nachbargebäudes konnte er nur noch die Säbelhiebe seines Gegners abwehren. Zu einem Gegenangriff reichte es nicht mehr. Bruce war zur Stelle, ohne dass der Kerl mit dem Krummsäbel es bemerkte. Siegessicher schrie er und wollte zum entscheidenden, tödlichen Hieb gegen Thomas ausholen. Da sauste Bruces Klinge herab und durchtrennte ihm das Handgelenk. Der Krummsäbel mit der Hand daran klirrte zu Boden. Der Vampir schrie vor Schmerz und Enttäuschung. Er fuhr herum, das Gesicht 31
verzerrt vor Wut, und wollte mit der gesunden bloßen Hand auf Bruce losgehen. Bruce hatte keine Lust, noch mehr Zeit mit diesen unverschämten Fremden zu verschwenden. Deshalb hackte er dem Kerl auch den linken Arm ab. Schreiend wälzte sich der Getroffene am Boden. »Danke«, sagte Thomas. »O Mann, danke!« »Halt ihn in Schach!«, sagte Bruce. Der verstümmelte Vampir wimmerte mittlerweile nur noch. Thomas stand mit der Machete über ihm und wartete auf ein Wort von Bruce. »Warte!«, begann der verstümmelte Vampir zu wimmern. »Ich habe Informationen! Die werdet ihr wissen wollen! Bitte! Ich verrate euch, was ich weiß, und ihr lasst mich am Leben, okay?« Bruce sah ihn stumm an. »Okay?« Keine Reaktion von Bruce. Thomas hob die Machete. »Ich weiß, wer für das Massaker im CC verantwortlich ist!«, gellte der am Boden liegende in höchster Todesangst. Mit einer Handbewegung hielt Bruce seinen Freund auf. »Leg los!« »Carson! Chris Carson!« »Weiter!«, forderte Bruce. »144. Straße Ost, Nummer 270 - das ist ein Abbruchhaus in der South Bronx.« »Warum habt ihr uns angegriffen? Wer steckt dahinter?« Der Vampir, der vor ihm auf dem Boden lag, öffnete den Mund, so, als wolle er etwas sagen, schwieg dann jedoch. »Wie du meinst«, sagte Bruce und richtete sich auf. Er nickte seinem Freund zu.
»Lass mich mal den Säbel aus probieren«, bat Thomas und steckte die Machete weg. »Nein!«, schrie der Vampir. »Neiiin!« Beschwörend, flehentlich streckte er die Stümpfe aus. Thomas übernahm den Säbel von Bruce - und schlug zu! Die rasiermesserscharfe Klinge durchtrennte den Hals wie Butter. Der Kopf hüpfte nur ein Stück zur Seite und landete auf der Schulter, als wollte er dort anwachsen. Doch schon im nächsten Augenblick begannen Kopf und Körper zu zerfallen. »Geil!«, murmelte Thomas und musterte begeistert den Säbel.
Rob Killroy und Mirco Rubik benutzten den Lieferwagen des Vampirjägers. Rubik saß am Lenkrad und befolgte die Richtungsanweisungen sei nes neuen Gefährten, während sie immer weiter hinauf in den Norden Man-hattans fuhren. Kurz zuvor hatten sie bei Killroys Dienststelle Halt gemacht. Im Revier an der 35. Straße hatte er Frieden mit seinem Vorgesetzten geschlossen. Von der Suspendierung wich Dougal zwar nicht ab, aber Killroy hatte wenigstens die Erlaubnis erhalten, seinen Kollegen »Guten Tag« zu sagen. Sie waren wie alte Frontkämpfer und hielten zusammen wie Pech und Schwefel. Deshalb hatte es Killroy leicht gehabt, sich über den Stand der Ermittlungen im Fall CC zu informieren. Anschließend hatte er eine Reihe von Verbindungsleuten aus der 32
Halbwelt angerufen - Spitzel, die den Cops zuverlässige Tipps lieferten. Der Lieutenant hatte gezielte Fragen gestellt, da er nun wusste, was für Aufenthaltsorte Vampire tagsüber bevor zugten. Natürlich erwähnte er den V-Leuten gegenüber nicht, dass er einen Vampir jagte. Indessen bekam er heraus, dass seine Kollegen noch nicht darauf gekommen waren, den Amok-Cowboy aus der Disco in den Dunkelzonen der 8-Millionen-Stadt zu suchen. In einschlägigen Vierteln also, die über verwahrloste Bruchbuden und Ruinen verfügten. Die Auskünfte der unterschiedlichen Informanten verdichteten sich auf exakt denselben Punkt, eine Adresse in der berüchtigten South Bronx. Dort war der Hillbilly-Typ mit dem besonderen Merkmal, dem ausgeprägten Stiernacken, gesehen worden. Logisch, dass sich niemand an ihn herangetraut hatte. Wurde man eines solchen Killers gewahr, ging man besser auf Abstand. Inzwischen hatten Killroy und Rubik Grand Central hinter sich gelassen und passierten die Paläste des Big Business in der Upper East Side. Die Bahnhofsuhr hatte gerade die 5-Uhr-Nachmittags-Marke überschritten. Hinten im Laderaum war nun auch Killroys eigene Ausrüstung verstaut. Rachel Shapiro war dabei eine große Hilfe gewesen, aber Rob fragte sich doch, wo die FBI-Agentin in nur wenigen Stunden zum Beispiel eine High-Tech-Armbrust aufgetrieben hatte. Bei der Beschaffung war es notwendig gewesen, gewisse Dienstwege zu umgehen, wie sie ihm zwinkernd verraten hatte.
Bei dieser Bemerkung hatte ihn die hübsche blonde Agentin angesehen wie man jemanden ansieht, den man sehr lange und sehr gut kennt. Er hatte ihren Blick zu deuten ge wusst. Ich helfe dir, hatten ihre schönen blauen Augen ihm gesagt. Ich helfe dir bei der Rettung deiner Seele. Ich tue sogar mehr für dich, als ich für die meisten anderen Menschen auf der Welt tun würde. Trotzdem kannst du nicht mehr von mir erwarten. Denn die Gefahr, dass es für uns keine Zukunft gibt, ist groß. Du lebst gefährlich und ich lebe gefährlich. Und was dich betrifft, muss man damit rechnen, dass du so oder so verloren bist... Ja, das alles hatte er in ihrem Blick gelesen, und er war sicher, dass auch seine Augen verraten hatten, was in seinem Inneren vor sich ging. Er sehnte sich nach einer neuen Beziehung zu einer Frau. Rachel konnte die Richtige für ihn sein. Aber er war noch nicht reif für eine solche Beziehung. Die Trauer um Michelle verzehrte ihn noch immer - und nichts beseelte ihn mehr als das Verlangen nach Rache. Er konnte keiner Frau zumuten, dass er nur mit einem Drittel seines Wesens bei ihr sein würde. Rachel hatte das am allerwenigsten verdient. Es war, als hätte Mirco Rubik die Gedanken des Detective Lieutenants gelesen. Oder wenigstens einen Teil davon. »Bei dieser FBI-Agentin«, sagte der Vampirjäger aus New Orleans gedehnt, »hast du einen Stein im Brett, was?« 33
Willkommen in meinem Reich, Sterblicher! Wir haben die süße kleine Michaile also wirklich umgebracht. Oh, das war aber gemein von uns, nicht wahr? Häh, häh! Du musst das verstehen. Schließlich braucht Robert Killroy, ihr Vater, ja einen Grund, warum er Vampire hasst. Nun, den hat er jetzt ja wohl. Kommen wir jetzt zu den interessanteren Dingen - seinen Gegnern! Da wäre zunächst natürlich Bruce, der Mörder seiner Tochter. Was wissen wir über ihn? Er ist ziemlich stark. Also ich kann keine Motorräder schmeißen. Und er ist schnell. Außerdem hält er ziemlich viel aus. Als er am Schluss des ersten Bandes zusammengeschossen wurde... Au, das hat bestimmt weh getan. Da fällt mir ein... Wie hat dir der erste Band gefallen? Schreib mir doch einfach. Ich freue mich über jeden Brief, der Lob und Anerkennung beinhaltet. Oder Bilder. Oder konstruktive Kritik. Destruktive Kritik wie »Das ist alles Mist!« wandert allerdings gleich in den Papierkorb. Du musst mir schon sagen, was dir nicht gefällt und wie wir es besser machen können. Solche Hilfe nehme ich gerne an. Aber ich fange an zu schwafeln. Wo waren wir? Killroys Gegner. Da wäre noch Katrina Stein. Wenigstens wissen wir jetzt, woher der Ausdruck »Vamp« kommt. Böse Zungen behaupten, sie sei viel mächtiger als Bruce. Aber wieso ist sie dann nicht die Nummer zwei in Kradocs Organisation...? Ätsch, ich weiß es! Ich weiß es! Und du nicht! Aber wenn du fleißig weiterliest, wirst du es bestimmt irgendwann erfahren. Im nächsten Band will sie Bruce Schwierigkeiten bereiten, ihn sogar vernichten! Und der arme Killroy gerät zwischen die Fronten. Ob er das überlebt?
Ich wünsche wunderschöne Albträume
Katrina Stein
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Seit sie ein Team geworden waren. hatten sie sich für das vertrauliche »Du« entschieden. »Kann man sagen«, erwiderte Killroy und fühlte sich stolz. »Und es ist nicht nur, weil du ihr das Leben gerettet hast, denke ich.« Rubik warf ihm einen Seitenblick zu, nachdem er den Lieferwagen vor einer auf Rot umgesprungenen Ampel zum Stehen gebracht hatte. »Sie ist mir nichts schuldig«, sagte der Lieutenant. »Ich habe es ihr klargemacht.« Rubik schmunzelte. »Da ich dich jetzt ein bisschen kenne, kann ich mir vorstellen, wie das gelaufen ist. Dass sie trotzdem noch zu dir hält - also, darauf kannst du dir was einbilden.« Teufel, ja, er hatte Mitmenschen vor den Kopf gestoßen und sich dabei noch stark gefühlt. Er, der große und unnahbare Killroy, dem keiner ans Bein pinkeln konnte. Und weil er für Michelle Vater und Mutter gleichzeitig hatte sein müssen, war er total übers Ziel hinausgeschossen. Es gab so vieles, was er ihr gern noch gesagt hätte - so vieles, für das er sie gern um Verzeihung gebeten hätte. Das alles nicht mehr sagen zu können, hatte ihn fast um den Verstand gebracht in jenen ersten Tagen nach Michelles Tod, als er dessen Endgültigkeit nicht wahrhaben wollte. Beruflich hatte er täglich mit dem gewaltsamen Tod von Menschen zu tun gehabt. Doch persönlich davon betroffen zu sein, das war eine ganz andere Geschichte. Ein Mensch konnte daran zerbrechen. Sogar der große starke Killroy. »Ja, Rachel ist schon in Ordnung«, sagte er, als sein Nebenmann den Lieferwagen wieder anrollen ließ.
»Gut, dass sie dich nicht für verrückt erklärt hat«, erwiderte Rubik. »Wie meinst du das?« »Es gibt nicht viele Cops und Feds, die es dir abkaufen, dass es Vampire gibt. Nicht mal die Gerichtsmediziner wollen es wahrhaben.« »Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.« Killroy nickte und presste die Lippen zusammen. »Durchaus menschlich, so eine Einstellung, aber nicht verständlich.« »Willkommen im Club der Vampirjäger«, sagte Rubik und lächelte hintergründig. Killroy begriff, was sein neuer Freund meinte. »Allein auf verlorenem Posten?« »Nicht, wenn die Wenigen, die es gibt, zusammenhalten. Aber man muss sich schon damit abfinden, von der normalen Welt nicht zur Kenntnis genommen zu werden. Wenn es einen von uns erwischt, kriegt er nicht mal ein Ehrenbegräbnis wie ein Cop.« »So was interessiert mich nicht.«
»Sondern?«
»Nur die Rache.«
»Das reicht nicht, Rob. Wenn wir
deinen Freund Bruce erledigt haben, wirst du dir überlegen müssen, ob du weitermachen willst.« »Was brauche ich?«
»Hass auf alle Vampire.«
»Den habe ich - seit Michelle auf diese
schreckliche Weise ums Leben gekommen ist. Zu wissen, dass man andere Menschen vor einem ähnlichen Schicksal schützen kann, ist schon eine Motivation - oder etwa nicht?« 35
»Unbedingt«, erwiderte Rubik und lachte. »Scheint so, als ob du doch ein brauchbarer Bursche bist.« Sie erreichten Spanish Harlem, überquerten den Luis Munoz Marin Boulevard. »Sag 'mal. . .« Killroy sprach nicht weiter, überlegte. »Ja?« »Du sagtest, Vampire können sich verwandeln.« »Nicht alle.« »Okay. Aber vielleicht kann es Bruce.« »Möglich. Worauf willst du hinaus?« Wieder vor einer Ampel, sah Rubik seinen Freund von der Seite an. »Etwa darauf, dass Bruce als stiernackiger Cowboy rumläuft?« »Na klar. Ich bin sicher, dass es so ist. Es kann gar nicht anders sein. Was da im CC geschehen ist, das ist exakt seine Handschrift. Ich habe die Leichen einer Gruppe von Jungs gesehen, die er unten am Hudson River getötet hat - auf einer Baustelle.« »Du bist der Cop von uns beiden«, sagte Mirco Rubik diplomatisch. »Auf jeden Fall schnappen wir uns den Kerl.« Er blickte auf die Uhr am Armaturenbrett. »Ist es noch weit?« Killroy schüttelte den Kopf. »Keine halbe Stunde mehr. Du kannst dich schon mal nach rechts einordnen. Wir nehmen die Third Avenue Bridge über den Harlem River.« »Und dann sind wir in der Bronx?« »Richtig.« Das Gespräch der beiden Männer versiegte. In Gedanken bereiteten sie sich auf die Konfrontation mit dem Vampir vor. Rubik hatte seine Bedenken gehabt, noch an diesem Tag aufzubrechen. Es bestand
die Gefahr, dass sie es bis zum Einbruch der Dunkelheit nicht schafften, den Stiernackigen aufzuscheuchen. Dann aber würde der Kerl in seinem Element sein. Einfach die Jagd abbrechen und auf den nächsten Tag verschieben, nach Sonnenaufgang, würde nicht so ohne Weiteres möglich sein. Unter anderem hing es davon ab, ob der Vampir einem erlaubte, die Jagd abzubrechen.
Diesmal nahmen Bruce und Thomas den »Hummer«. Der Militärjeep eignete sich natürlich viel besser als ein Motorrad, um Gefangene zu transportieren. Es war bereits der nächste Abend. So viele Vorteile das Vampirdasein auch hatte - Überstunden wollten sie nicht mehr machen. Schließlich konnten sie nicht riskieren, bei der Suche von der Sonne überrascht zu werden. »Alles klar?«, fragte Bruce seinen Kumpel. »Ja, Mann! Treten wir dem Hurenbock in den Arsch!«, rief Thomas. Er wirkte beinahe euphorisch. Ist wohl nervös, dachte Bruce. Aber dieser Carson war auch ein starker Gegner, das hatte die Videoaufzeichnung in der Disco gezeigt. Außerdem hatten irgendwelche Infor manten des Barons etwas mit dem Namen anfangen können. Chris Carson hatte sich im Leben für einen Revolvermann gehalten. Ein Angeber war er auf alle Fälle gewesen. Gerade mal 17 Jahre alt, hatte er damit geprahlt, dass er besser sei als Billy the Kid - und dass er auch mehr Menschen 36
erschossen habe als Billy. Dann beleidigte er einen älteren Revolvermann im Saloon. Das war im Jahr 1889. Es kam zum Duell auf der Main Street, abends, im Laternenschein. Natürlich verlor der Junge. Und alle hielten ihn für tot. Aber es war ein Vampir in der Stadt sein Gegner. Er hatte den scheinbar schon toten Jungen aufgehoben und zum Leichenbestatter getragen, eine Geste des Mitgefühls, die bei den Menschen gut ankam. Dann aber, als er mit ihm allein war, hat der Sieger des Duells den Jungen zum Vampir gemacht. Dieser Stiernacken war alt, und damit hatte er wahrscheinlich eine Menge drauf. Natürlich nicht so viel wie ich, dachte Bruce selbstsicher. Aber sicher mehr als Thomas. Also kein Wunder, dass er nervös ist.
»Mein Gott!«, entfuhr es Mirco Rubik, als er gemeinsam mit Killroy auf die Trümmerlandschaft zuging. »Das darf doch nicht wahr sein!« Die gesamte East 144th Street war eine einzige Wüste. Das Haus Nummer 270 ragte daraus auf wie ein kreuz und quer durchlöcherter verfaulter Zaun. Was an Mauerwerk noch da war, war schwarz von den vielen Feuern, die irgendwann einmal innerhalb und außerhalb des Gebäudes gebrannt hatten. »In New Orleans habt ihr so was wohl nicht«, sagte Rob Killroy gekränkt. Sein Stolz als New Yorker kam durch. Sie verharrten auf dem schrundigen Streifen, der früher mal ein Bürgersteig gewesen war.
Ihre Rüstungen, ihre Waffen und den Rest der Ausrüstung hatten sie angelegt. Der Lieferwagen stand einen halben Block entfernt, an der Ecke Morris Avenue, wo es ein paar alte Lagerhallen und leere Bürohäuser gab. Die nächsten bewohnten Gebäude waren weit entfernt, noch knapp in Sichtweite. Doch nirgendwo zeigten sich Gaffer. Die Leute in diesem Stadtteil wussten, dass zu viel Neugier lebensgefährlich sein konnte. Und die Guten und die Bösen ließen sich oftmals nur schwer unterscheiden. »Nein«, sagte Rubik überzeugt. »New Orleans ist ja nun wirklich schlimm, aber...« »Die Stadt mit der höchsten Verbrechensrate in den USA«, bemerkte Killroy gallig. »Okay«, entgegnete Rubik. »Aber so was haben wir bei uns wirklich nicht. Ich dachte, die Bronx soll wieder ein ordentliches Viertel geworden sein. Liest man doch dauernd.« »Stimmt ja auch«, knurrte Killroy. »Ausnahmen gibts nun mal.« Er legte den Vorderschaft der Armbrust auf die Schulter, sodass der Bogen senkrecht neben seinem Kopf stand. »Was wollen wir hier eigentlich? Über Stadtverschönerung reden oder diesen verdammten Vampir vernichten?« »Reg dich ab«, sagte Rubik. »Während wir reden, verschaffe ich mir ein Bild. Ist dir klar, dass an den. Bau schwer ranzukommen ist?« 37
»Du meinst, dass der Kerl uns meilenweit sieht, bevor wir nahe genug dran sind?« »So ist es.« »Aber ich denke, der Typ ist tagsüber zu nichts fähig.« »Vorsicht.« Rubik deutete nach Westen, wo die Sonne bereits ziemlich nahe am Horizont stand. »Ich habe dir gesagt, dass es kritisch werden könnte.« »Was heißt das? Willst du den Schwanz einziehen?« Killroy schüttelte missbilligend den Kopf. »Wenn wir ihn jetzt rausholen, müsste er doch zerbröseln. Oder ist die Sonne nicht mehr stark genug?« »Doch, schon. Aber so schnell werden wir ihn nicht aus seiner Bude rauskriegen.« »Er sitzt im Keller, oder?« »Davon können wir ausgehen.« »Na also. Dann schnappen wir ihn uns.« Killroy marschierte los, ohne eine Antwort abzuwarten. Mirco Rubik seufzte und folgte seinem Gefährten. Als Vampirjäger war der Detective Lieutenant noch ein Anfänger aber ein verdammt entschlossener.
Die Ruine wirkte düster und be drohlich, trotz des späten Sonnenscheins, der New York noch immer in ein freundliches Licht tauchte. Die fünf Stockwerke des ehemaligen Wohngebäudes bestanden aus Zonen von grellem Licht und tiefem Schatten, je nach Lage der Fensterhöhlen und der geschlossenen Wände. Ein Wechselspiel von Helligkeit und Finsternis in einem Labyrinth des Verfalls.
Mirco Rubik machte die Armbrust schussbereit, als Rob Killroy die Treppe zum Keller erreichte. Ein steil hinunterführender Betonschacht war es. Die schützenden Eisengeländer zu ebener Erde standen schief und verrostet in ihren Verankerungen. Unten, vor der ebenfalls verrosteten Stahltür, herrschte tiefer Schatten. Killroy schaltete den Zielscheinwerfer seiner Armbrust ein und machte sich an den Abstieg. Er müsste aufpassen, denn auf den Betonstufen hatte sich im Laufe der Jahre Erde angehäuft. Daraus wuchs borstiges, stachliges Unkraut. An manchen Stellen konnte man die Stufen nicht mehr erkennen. Rubik sah sich um. Noch immer war das weite Gelände wie ausgestorben, wahrhaftig eine Wüste mitten in der Stadt. Er legte den Kopf in den Nacken und versuchte, ins Innere der Ruine zu spähen. Nur im Erdgeschoss hätte er erkennen können, wenn sich etwas bewegte. Aber auch hier war es wie in den oberen Stockwerken - mindestens hinter der Hälfte der Fenster lag nichts als undurch dringlicher schwarzer Schatten. In den lichtdurchfluteten Bereichen dagegen wäre jede Bewegung sofort aufgefallen. Killroy hatte den Boden des Treppenschachts erreicht und checkte die rostigen Stahlhebel der Tür. Er drehte sich um und signalisierte Rubik mit einem Handzeichen, dass da nichts zu machen sei. Er zeigte auf die Haftladungen an seinem Gürtel. Rubik gab das Okay-Zeichen. Killroy erledigte seine Arbeit im Handumdrehen. Er pappte eine Ladung an die Türkante, in die Mitte zwischen den beiden Verriegelungshebeln, steckte die Zündkapsel hinein und zog den 38
Abreißzünder. Ihm blieben zehn Sekunden. Er nahm die Armbrust auf und lief die überwucherte Treppe hinauf. Kaum war er in Deckung gegangen, da krachte hinter ihm schon die Sprengladung und riss die Tür gleich mit aus den Angeln, anstatt sie nur aufzusprengen. »Da hast du dich wohl etwas verschätzt«, kommentierte Rubik. »Egal. Der Lärm hätte ihn wahrscheinlich so oder so geweckt.« Gemeinsam drangen sie in den Keller ein, Rubik als Erster. Er ging sehr achtsam vor, spähte um jede Ecke, bevor er in den nächsten Gang trat. Für Killroys Geschmack war das etwas zu langsam. »Dieser Keller ist wie ein Labyrinth.« »Und du kannst davon ausgehen, dass unsere Beute hier jeden Zentimeter... Vorsicht!« Ein Schuss donnerte durch die Dunkelheit. Im selben Atemzug wurde Rubik von einer Kugel an der Schulter gestreift. Die Wucht des Anpralls riss ihn herum wie einen Kreisel. Vergeblich versuchte er noch, die Armbrust hochzubringen. Er taumelte, hatte Mühe, sein Gleichgewicht zu halten. Killroy sah es und reagierte instinktiv. Seine Nackenhaare waren wie Gefahrensensoren, die sich aufrichteten und Alarm schrillten. Killroy ließ den Zielscheinwerfer durch den dunklen Gang wandern und schaltete das Laserzielgerät zu. Der Scheinwerferkreis glitt über Cowboykleidung - die Jeans, das buntkarierte Hemd - und erfasste den kompakten Kopf des Kerls, auf dem mächtigen Stiernacken thronend.
Auch Rubiks Zielscheinwerfer tauchte auf, ebenfalls begleitet vom rotglühenden Laser. Carson brüllte auf und richtete seinen schweren Colt auf Killroy. Seine Bewegung war schnell und ruckartig. Die Sehnen beider Armbrüste sangen. Zwei Holzpflöcke schossen auf den Vampir zu. Beide fanden nicht das Herz. Killroys Bolzen traf genau auf den Revolver und prellte ihn zur Seite, während sich Rubiks Geschoss in den linken Arm des Blutsaugers bohrte. Carsons Angriffsgebrüll ging in einen Schmerzensschrei über. Der Arm, mit dem Armbrustpflock gespickt, knickte ihm weg und der Colt fiel neben ihm zu Boden. Killroy und Rubik hatten nachgeladen, jagten die nächsten Pflöcke auf ihn zu. Der Cowboy schaffte es mit knapper Not zurückzuweichen und verschwand in einem Seitengang. Killroy sprang vor. »Er gehört mir!«, schrie er. »Das verdammte Schwein gehört mir! Gib mir Feuerschutz, Rubik!« Er wartete nicht auf die Zustimmung seine Freundes. Mit Riesensätzen stürmte er vorwärts. Mirco Rubik folgte ihm wachsam. Killroys Stimme dröhnte durch die Ruine. »Ich kriege dich, du dreckiger Bastard! Los, zeig dich, Bruce! Oder bist du auf einmal ein Feigling geworden? Los, komm raus aus deinem Loch! Jetzt wirst du dafür büßen, dass du Michelle umgebracht hast!« Er erreichte den ersten Stock, nahm die Armbrust in die Linke und zog die 39
Maschinenpistole. Der Zielscheinwerfer half ihm bei der Suche in den Dunkelzonen. Rubiks Schritte waren hinter ihm zu hören. Killroys Zuversicht wuchs. Gemeinsam waren sie dem BlutsaugerBastard überlegen. Außerdem war der Kerl schon getroffen. Er sollte keine Chance kriegen, seine Wunden heilen zu lassen. Killroy wollte sich den ersten Raum zur Linken vornehmen, als er die Bewegung registrierte - am Rand seines Blickfelds, oben, schräg zur Rechten, eine Treppe. Ruckartig fuhr er herum. Der Cowboy zuckte zusammen, wie ertappt. Er zerrte an den Bolzen im Oberarm, hatte es noch nicht geschafft, sich von ihnen zu befreien. , Killroy dankte dem Himmel für seinen Instinkt. Er hatte diesen besonderen Riecher für Kampf- und Gefahrensituationen. Die Erfahrung der vielen Jahre konnte ihm keiner nehmen, und wenn er sie auch nicht im Kampf gegen Vampire gesammelt hatte, so kamen sie ihm doch zugute. Er hatte geahnt, dass er mit der Armbrust nicht schnell genug sein würde. Deshalb die MPi. Mit ihr konnte er den Vampir zwar nicht töten, aber er konnte ihn in die Enge treiben. Der Cowboy setzte zum Sprung an, wollte sich von oben auf ihn stürzen. Drei kurze Feuerstöße trieben den Kerl zurück die Stufen hinauf. Killroy rannte los, die Treppe hoch, und er feuerte im Laufen. »Damit hast du nicht gerechnet, du Monster, was?« Das Hämmern der Maschinenpistole hallte durch die Ruine. Der Vampir schrie, hob die Hände und fuchtelte, als wollte er einen Schwärm angreifender Hornissen abwehren. Gleichzeitig zuckte er unter den
Einschüssen. Es sah aus, als würden die Kugeln ihn an der Wand festnageln. »Rubik!«, rief Killroy, ohne mit dem Feuern aufzuhören. »Wir haben ihn! Wir haben den Mörder meiner Tochter! Es ist Bruce, dieser verdammte Bastard! Es ist der Kerl, der mich so gemein getäuscht hat!« »Ich kenne deine Tochter nicht!«, heulte Chris Carson unter den Einschüssen. »Und ich kenne keinen Bruce, du Arsch!« »Jetzt behaupte bloß noch, dass du mich nicht kennst!«, brüllte Killroy. »Los, zeig dein wahres Gesicht!« Er hörte Rubiks Schritte. Sein Freund hatte die Treppe erreicht, nahm die ersten Stufen. »Du bist ein armer Irrer!«, kreischte der Vampir, von den schmerzenden Einschüssen geschüttelt. »Ich bin kein beschissener New Yorker!« Killroy stockte der Atem. Ungewollt ließ er die MPi sinken. Hölle und Teufel, der Scheißkerl hatte Recht! Seine Sprechweise hatte den Akzent des Mittleren Westens. Und Bruce, ja verdammt, Bruce sprach wie ein typisches arrogantes New Yorker Arschloch. Killroy war geschockt über seine Erkenntnis. Fassungslos starrte er den Vampir an. Hinter ihm kam Mirco Rubik die Treppe herauf. »Achtung, Rob!«, rief er, verharrte auf halber Höhe und riss die Armbrust an die Schulter. Killroy begriff, dass er in der Schusslinie stand. Mechanisch wie ein Roboter wich er zur Seite, nicht in der Lage, dem Vampir selbst den Rest zu geben. 40
Carson erkannte seine Chance. Blitzschnell nutzte er den Moment der Irritation und warf sich nach links. Das hölzerne Bolzengeschoss zischte herbei und bohrte sich in seine rechte Schulter. Carson schrie in schlimmster Pein. Trotzdem gelang es ihm, die Flucht zu ergreifen. Mittlerweile war die Dämmerung hereingebrochen und Carson wollte nur noch hier weg. So hatte er sich die ganze Sache nicht vorgestellt. Irgendwie hatte sein Boss den Verlauf des Trips anders beschrieben. Mirco Rubik eilte die Treppe herauf, zog seine MPi und lief an seinem Gefährten vorbei. Killroy folgte ihm wie in Trance. Nur das Pflichtbewusstsein trieb ihn an, die Notwendigkeit, seinem neuen Einsatzpartner Rückendeckung zu geben. Carson hastete weiter die Treppen rauf, war immer gerade außerhalb des Schussfelds. Bis er im vierten Stock auf ein Fenster zusprintete. Eigentlich taumelte er mehr, als dass er lief, angeschlagen, wie er war. Doch das war immer noch schneller, als viele Menschen rennen konnten. Ohne abzubremsen hechtete er durch die kahle Öffnung und verschwand aus dem Blickfeld seiner Verfolger. Rubik feuerte ihm noch hinterher, traf aber nicht. Als er den Sims erreichte, sah er noch, wie Carson davonrannte, zur Straße hin. Der übersah in seiner panischen Flucht das neue Verhängnis, das sich vor ihm aufbaute. Rob Killroy und Mirco Rubik standen hilflos da und starrten voller Staunen auf das Geschehen.
Ein flacher schwarzer Geländewagen rollte dort aus, wo einmal der Bürgersteig gewesen war. Der Wagen, die zivile Version des Militärfahrzeugs »Hummer«, hatte schwarz getönte Fensterscheiben. Er kam genau dort zum Stehen, wo Carsons Fluchtrichtung endete. »Mein Gott!«, stieß Killroy hervor, als der Fahrer ausstieg - ein hoch gewachsener schwarzhaariger Weißer in schwarzer Biker-Kluft. »Bruce!« Rubik sah seinen Freund von der Seite an. »Wenigstens hast du jetzt den endgültigen Beweis. Sonst würdest du mich noch verrückt machen.« Auf der Beifahrerseite des Hummer sprang ein Schwarzer ins Freie, ebenfalls sehr kräftig gebaut. Er trug einen dunklen Ledermantel über Jeans und Muscle Shirt. Als Carson die beiden erblickte und zurückprallte, war es bereits zu spät. .Blitzschnell stürzten sie sich auf ihn. Er war zu stark angeschlagen, um sich noch wirksam zur Wehr zu setzen. Er schlug zwar nach Bruce, aber geschickt unterlief dieser seinen Hieb, säbelte gleichzeitig mit einem Tritt Carson die Beine unterm Leib weg. Schwer schlug Carson zu Boden. Thomas hatte inzwischen Handschellen und eine Körperkette aus dem Wagen, wie man sie manchmal als Sadomaso-Gerät in Porno-Magazinen angepriesen sieht. Carson versuchte sich ächzend und stöhnend aufzurichten. Bruces schwere Stiefel krachten zwei-, dreimal gegen seinen Kopf, dann ließ er sich mit den 41
Knien auf Carsons Kreuz fallen, rammte den Cowboy-Vampir brutal gegen den Boden. Thomas war inzwischen heran und mühelos legten sie Carson zuerst die Handschellen und dann die Körperkette an. Sie zerrten ihn hoch, Bruce nickte Thomas zufrieden zu, und verfrachteten Carson in den kastenförmigen Heckraum des Hummers. Der Afroamerikaner klappte die Tür zu, stieß seinen Kumpel an und deutete zu der Ruine herüber. Rubik und Killroy konnten nicht schnell genug zurückweichen. Killroy spürte die Wut als eine glühende Woge in seinem Körper, als er Bruces Blick auffing. Trotz der hundert Yards Entfernung sah er, dass auch der Mörder seiner Tochter ihn erkannte. Killroy glaubte ein spöttisches Grinsen in Bruces Gesichtszügen auszumachen. Bruce wechselte nur wenige Worte mit seinem Begleiter, dann stieg er in den Hummer und fuhr ab. Der Afroamerikaner tat so, als würde ihn die Ruine nicht mehr interessieren. Er schob den Mantel auseinander, grub die Hände in die Hosentaschen und schlenderte zu den alten Lagerhallen und Bürohäusern hin. »Leicht zu durchschauen«, sagte Mirco Rubik und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Der tut nur so, als ob er uns nicht beachtet. In Wirklichkeit bleibt er hier, um uns zu beobachten.« »Es war Bruce«, flüsterte Killroy wie abwesend. »Verdammt, wie konnte ich mich bloß so täuschen1« Rubik klopfte ihm auf den Lederpanzer über der Schulter. »Mach dir nichts draus. Jetzt wissen wir wenigstens, wie wir ihn kriegen.«
In der Tiefgarage unter dem Empire State Building parkte Bruce den Hummer direkt neben dem Fahrstuhlschacht, warf sich seinen Gefangenen über die Schulter und stellte ihn dann in eine Ecke der Aufzugskabine des Expresslifts, der ihn mit dem Cowboy direkt in die Chefetage hinaufschoss. Chris Carson hatte sich die Pflock geschosse mit den Zähnen herausgezogen und während der Fahrt im Jeep hatte er genug Zeit gehabt, um die Schusswunden komplett verheilen zu lassen. Während sie mit Raketentempo nach oben rasten, machte sich Bruce nicht erst die Mühe, mit dem Gefangenen zu reden. Carson starrte ihn ohnehin nur feindselig an. Es war nicht damit zu rechnen, dass er überhaupt den Mund aufmachen würde. Oben angekommen, legte Bruce sich den Cowboy wieder über die Schulter und marschierte durch die Korridore und schließlich durch das Vorzimmer, wo die Sekretärinnen ihm erstaunte und bewundernde Blicke zuwarfen. Der Baron erwartete seinen Stellvertreter bereits. Bruce hatte ihn gleich aus der Bronx per Handy benachrichtigt. Mit unbewegter Miene saß von Kradoc hinter seinem Schreibtisch. Er machte den Eindruck, als würde ihn der Gefangene nur beiläufig interessieren. »Nimm ihm die Fesseln ab, Bruce«, sagte der Baron. »Wir wollen ein zwangloses Gespräch führen. Kein Verhör.« Bruce befolgte die Anweisung seines Herrn und grinste dabei. Er warf die Kette zu Boden, nahm einen der Stühle und stellte ihn in die Mitte des Raums, vor den 42
Schreibtisch, sodass der Baron den Gefangenen genauer betrachten konnte. »Hinsetzen, Carson!«, befahl Bruce. Er nahm sich einen eigenen Stuhl, platzierte ihn rechts vor dem Cowboy und setzte sich rittlings drauf, legte die Arme auf die Rückenlehne. Carson gehorchte, ohne eine Miene zu verziehen. Dass sein Name bekannt war, schien ihn nicht im mindesten zu überraschen. Baron von Kradoc nickte seinem Stellvertreter zu. Bruce wusste, was gemeint war. Er sollte das Verhör allein führen. Das hier war seine Arbeit. Der Baron würde lediglich zuhören. »Okay«, begann Bruce, »dann erzähl doch mal, was du hier zu suchen hast!« »Leck mich!« »Du weißt, dass du keine Erlaubnis hast, hier zu sein. Was sollte mich also daran hindern, dich einfach aus dem Verkehr zu ziehen?« »Wer bist du überhaupt?« »Ich bin Bruce, der Typ, der dir gleich den Arsch aufreißt, wenn du nicht singst.« »Pah!«, machte Carson. »Ich hab von dir gehört. Du nennst dich selbst Bruce Darkness, richtig? Hast du als Kind zu viele Comics...« Bruces Faust schoss vor und zertrümmerte seinem Gegenüber die Nase. »Mein Name steht hier nicht zur Debatte, aber ich weiß noch immer keinen Grund, warum ich dich nicht abservieren sollte.« »Du und der Lackaffe da drüben, ihr habt hier bald sowieso nichts mehr zu melden.« »Wie kommst zu denn darauf?« Bruce war wirklich etwas irritiert. Wer sollte den Baron herausfordern?
»Das werdet ihr schon noch merken. Wenn ihr mich also gehen lasst, dann lege ich beim Boss ein gutes Wort für euch ein. Ansonsten...« Carson griff plötzlich in die Hosentasche. Eine dünne Röhre kam zum Vorschein. Carson hob sie ein Stück, drückte auf einen Knopf - und eine Holznadel schoss hervor, direkt auf das Herz des Barons zu. Bruce reagierte innerhalb einer Tausendstelsekunde. Der Stuhl flog unter ihm weg, als er hochschnellte. Er streckte den Arm aus. Der Pflock, der nur so dick war wie ein Bleistift, bohrte sich durch das dicke Leder seiner Jacke tief hinein in sein Fleisch. Erst der Knochen stoppte das heimtückische Geschoss. Der Baron zuckte nicht einmal zusammen. Bruce straffte seine Haltung, zog den Holzpfeil aus seinem Arm und wandte sich dem Killer zu - langsam und drqhend. »Reife Leistung«, sagte Carson spöttisch, der inzwischen kampfbereit stand. »Kriegst du das noch mal hin?« Statt einer Antwort wirbelte Bruce mit dem linken Fuß hoch. Mit dem rechten Standbein hatte er bombenfeste Bodenhaftung. Und gegen seine überragende Schnelligkeit konnte der Cowboy aus Wyoming nichts ausrichten. Bruces Stiefelsohle traf das Handgelenk des Stiernackigen. Knochen brachen knackend. Das Röhrchen flog aus der schlaffen Hand und landete in einer der dunklen Ecken im Büro des Barons. 43
Während Carson aufheulte und sich krümmte, stieß Bruce einen zufriedenen Knurrlaut aus. Die Abschussröhre war erst einmal außer Gefecht. Er hatte ja nicht wissen können, ob Carson mit dem Ding weitere Überraschungen parat hatte Überraschungen in Form weiterer Pflöcke zum Beispiel. Bruce verschwendete keine Zeit. Er zog sein Hiebmesser unter der Jacke hervor und machte einen Satz auf den Cowboy zu - bereit, ihm den Kopf vom Rumpf zu trennen. Doch er hieb ins Leere. Denn diesmal war Carson schnell genug. Er wich zurück, lachte triumphierend - und stieß sich ab. Als hätte er einen Treibsatz in den Cowboystiefeln, raste er plötzlich senkrecht empor. Gleich darauf hing er mit dem Rücken unter der Holztäfelung der Decke. Mit schallendem Gelächter blickte er auf den Baron und seinen Stellvertreter herab. »New Yorker!«, schrie er verächtlich. »Ihr denkt, ihr seid was Besonderes! Dabei seid ihr nichts als ein arroganter Scheißdreck!« Bruce warf seinem Herrn einen fragenden Blick zu. Der Baron nickte. »Entweder du kommst freiwillig runter und stellst dich zum Kampf«, sagte Bruce, den Kopf in den Nacken gelegt, »oder ich hole dich.« Carson wollte sich ausschütten vor Heiterkeit. »Mann, was bist du doch für ein Spinner!«, wieherte er unter der Decke. »Ich bin früh genug bei dir, Bürschchen, verlass dich drauf! Du wirst dir gleich wünschen, mir nie begegnet zu sein. Und dann geht es deinem feinen Baron an den
Kragen, diesem großen Schweiger da unten!« »Du redest zu viel«, sagte Bruce. Zwar konnte er nicht fliegen oder schweben, oder was auch immer der Typ da machte, aber das würde ihn kaum aufhalten. Aus dem Stand katapultierte er sich hoch in die Luft, streckte den Arm mit dem Messer aus und zog durch. Der Hieb erwischte seinen Gegner am Oberschenkel. Blut schoss aus der Wunde. Carson, der nicht damit gerechnet hatte, dort oben verletzt zu werden, verlor seine Konzentration. Taumelnd sank er langsam zu Boden, wo ihn Bruce schon ruhig erwartete. Noch bevor er auf den Mamorfliesen aufsetzte, hatte er sich wieder gefangen, war die Wunde verheilt. Doch seine Wut war ungebrochen, blanker Hass loderte in seinen Augen. Mit einem jähen Ruck griff er sich in den Stiernacken, unter den Hemdkragen, und seine Hand kam mit einem Bowiemesser wieder zum Vorschein. Er musste es in einem Futteral auf dem Rücken getragen haben. Langsam ärgerte sich Bruce darüber, dass er es nicht für nötig gehalten hatte, Carson zu durchsuchen. Vielleicht übertrieb er es manchmal mit dem Selbstvertrauen. Es war ein gewaltiges Messer, die Klinge lang wie ein Unterarm und breit wie ein Handteller. Bruce wich nur einen Schritt zurück, als sein Gegner auch schon zum Angriff überging. Das Bowiemesser hoch erhoben, sprang der Cowboy auf ihn zu. Bruce sprang ihm entgegen, sein Messer bereit zum Schlag. Wie zwei Urgewalten trafen die beiden Vampire aufeinander. 44
Das Bowiemesser drang durch die Lederjacke. Allein der Schwung der Kämpfenden würde es tief in Bruces linke Schulter rammen. Doch im gleichen Moment durchtrennte die Klinge des Hiebmessers den Hals des Cowboys . . . Staub schwebte zu Boden, legte sich auf die Kleidung, die Cowboystiefel und das Bowiemesser. Bruce schob seine Klinge zurück in die Scheide. »Der Vorfall tut mir Leid, Herr.« »Lasse mich eine Weile allein«, sagte der Baron nachdenklich. »Ja, Herr«, antwortete Bruce. An der Tür hielt ihn die Stimme Kradocs noch einmal auf. »Und sorge bitte dafür, dass jemand diese Sauerei beseitigt!«
Mit dem Einbruch der Dunkelheit kamen auch jene Menschen an die Oberfläche, die ebenso das Licht zu scheuen schienen wie Vampire. Junkies, Dealer, Nutten. Thomas Waughn hatte sich so manches Mal gefragt, warum diese Typen den Tag verpennten und erst nachts aktiv wurden. Denn es gab für sie als Menschen keinen Grund, die Sonne zu meiden. Thomas konnte sich ihre Vorliebe für die Nacht nur damit erklären, dass sie ein Glied in der natürlichen Nahrungskette für Vampire waren. Ja, so musste es sein. Ohne nachtaktive Menschen würde man ständig gezwungen sein, in die Schlafzimmer der Leute einzudringen. Und dort wusste man dann auch nicht immer, was einen erwartete.
Das nächtliche Straßenvolk war also so was wie die freie Auswahl. Thomas schlenderte ein bisschen herum und verschaffte sich einen Überblick. Laute Stimmen hallten zwischen den Hausfassaden, raues Gelächter der Kerle und das schrille Kichern der Nutten. Sie trugen ultrakurze enge Röcke und führten ihre entblößten Schenkel vor. Die Erdgeschossfenster der Häuser waren vergittert, die Schaufenster und die Türen der Läden mit Stahljalousien gesichert. Das Licht hinter den Woh nungsfenstern zeigte an, wo sich die Normalbürger verkrochen hatten. Nachts gehörte ihnen die Straße nicht mehr, da war sie Feindesland. Erbärmlich, dachte Thomas, sie führen ein erbärmliches Leben, und sie unternehmen nichts, um es zu ändern ..." Die Hände in den Taschen seiner Jeans, suchte er in der Schenkelparade nach einer hübschen Zwischenmahlzeit. Das spätere Nachtmahl würde er erst dann zu sich nehmen, wenn Bruce zur Stelle war und sie sich gemeinsam Killroy und seinen Kumpel vorgeknöpft hatten. Aus dem Schatten eines Hauseingangs an der Ecke löste sich ein Girl, das Thomas bis eben noch nicht gesehen hatte. Sie war eine hellhäutige Schwarze mit einem atemberaubenden Körper. Das lackschwarze Haar trug sie lang und geglättet. Unter dem dünnen weißen Stoff des enganliegenden Tops zeichneten sich ihre großen Brüste deutlicher ab als wenn sie unverhüllt gewesen wären. So kam es Thomas jedenfalls vor. Ein dunkler Rock, kaum breiter als ein Gürtel, umspannte ihre 45
prallen Hinterbacken und das Rund der Hüften. Gekonnt schritt sie auf ihren Pumps daher. Äußerst professionell. Und genau das musste sie sein - eine Professionelle. Doch das änderte nichts daran, dass sie eine Schönheit war. Weshalb sie sich verkaufte, war ihre Sache. Und dass sie auf ihn aufmerksam geworden war, empfand Thomas als schmeichelhaft, egal aus welchem Grund. Ob sie ihn wollte, sein Geld - oder beides, es spielte letztlich keine Rolle. Sie würde ja nichts davon bekommen, denn sie würde nur der gebende Part sein. »Hi, Großer«, sagte sie und wiegte sich auf ihn zu. »Was denkst du, könnte es was werden mit uns beiden Hübschen?« Thomas sah sie an. »Wenn ich in deine Augen sehe, werde ich schwach«, behauptete er. Sie lachte. »O Mann, Sweetie! So was hat .noch kein Kerl zu mir gesagt.«
Er lachte. »Und ich bin eigentlich auch gar nicht so scharf auf deine Augen.« »Das kann ich mir denken!« Sie prustete und stimmte in sein Lachen ein. »Welchen Teil von mir hättest du denn gerne? Ich meine - sagen wir mal - für den Anfang....« »Sagen wir mal...« Er imitierte ihren Tonfall. »Deinen Hals.« Im ersten Moment war sie erstaunt. »O ja, natürlich!«, rief sie dann. »Du machst es gern spannend, richtig? Du fängst oben an und arbeitest dich ganz langsam abwärts. Habe ich Recht?« »Hundertprozentig«, sagte Thomas. »Gehen wir?« Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter, auf die Lagerhallen. »Bestimmt kennst du ein gemütliches Plätzchen - irgendwo da.« »Klar«, antwortete sie und zögerte. »Bloß...« Thomas verstand.
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»Sorry!«, sagte er, zog einen 100 Dollar-Schein aus der Tasche und zeigte ihn ihr. »Anzahlung. Okay?« Sie strahlte. »Okay, Baby!« Während sie auf die Lagerhäuser zugingen, stellte er sich die Gesichter seiner beiden Beschatter vor. Die würden staunen, die Typen. Und dann, wenn er vor ihren Augen das süße kleine Ding vernaschte, würden sie vor Neid platzen. Ja, es hatte schon was besonders Aufregendes, es vor heimlichen Zuschauern zu tun. Was seinen Auftrag anbelangte, machte Thomas sich keine Sorgen. Okay, Bruce hatte gesagt, er solle Killroy und den anderen Kerl beobachten. Aber das war nicht nötig. Die beiden Vampirjäger beobachteten ja ihn. Das hatten sie von Anfang an getan, kaum dass Bruce mit dem Cowboy abgefahren war. Sie hingen wie die Kletten an ihm. Obwohl sie sich gut versteckten und jede Deckung, jeden Sichtschutz nutzten, hatte er sie längst bemerkt. Sie ließen einfach nicht locker. Aber so war das von ihm ja auch geplant. Was sie davon hatten, mussten sie selber wissen. Thomas wunderte sich, dass sie ihn nicht längst angegriffen hatten. Wozu beobachteten sie ihn, wenn sie ihn nicht vernichten wollten? Das ergab irgendwie keinen Sinn. »Da wären wir schon«, riss ihn das Girl aus seinen Gedanken. »Na, wie findest du es?« Sie hörte sich an, als würde sie ihm die Villa im Grünen zeigen, die sie von ihren Eltern geerbt hatte. Thomas blickte auf das rostige Tor, vor dem sie standen.
Auf dem abblätternden grauen Rostschutzlack waren Reste schwarzer Buchstaben zu erkennen. »Rivera, Coruna y Hijos - Importers« »Ach, die Senores und ihre Söhne«, sagte Thomas feixend. »Wo sind sie bloß geblieben?« »Die Senores liegen auf dem Friedhof. Und die Söhne sind zum Dealen zurück nach Puerto Rico.« Thomas folgte ihr auf das Grundstück und machte nicht den Fehler, sich vorher umzudrehen. Seine Verfolger sollten sich in Sicherheit wiegen, sollten denken, dass er überhaupt nicht mehr mit ihnen rechnete. Das würde sie in ihrer Kunst des Versteckspiels bestätigen. Nach ihrer Meinung glaubte er bestimmt, dass sie den Job abgeblasen hatten und nach Hause gefahren waren. Deshalb riskierte er es auch, sich in aller Ruhe diese hübsche kleine Nutte vorzunehmen. So dachten sie...
»Trotzdem dürfen wir ihn nicht unterschätzen«, flüsterte Mirco Rubik in der Dunkelheit des Torwegs auf der anderen Straßenseite. »Vergiss nie, dass er kein Mensch ist. Ein Verhältnis von zwei zu eins muss da nicht viel bedeuten.« »Weißt du was?«, sagte Killroy gedämpft, während sie das verlassene Lagerhaus beobachteten. 47
»Nämlich?« »Der Typ hat längst mitgekriegt, dass wir ihn beschatten. Und jetzt zieht er eine Schau für uns ab.« »Davon kannst du ausgehen«, erwiderte Rubik. »Es ist zwar nicht so wie bei Menschen, die sich daran aufgeilen, wenn sie beim Sex beobachtet werden. Aber er wird schon seinen Spaß daran haben, wenn er weiß, dass wir ihm bei seiner Lieblingsbeschäftigung zuschauen. Und dann - denkt er - sind wir so entsetzt, dass er leichtes Spiel mit uns hat.« »Das alles kann blasse Theorie sein«, sagte Killroy. »Falls dich meine Meinung als Noch nicht-ganz-Fachmann interessiert.« »Aber sicher.« »Okay, ich finde, dass wir ihm nicht zu viel Zeitvorsprung geben sollten.« »Edel.« Rubiks Zähne blitzten in der Dunkelheit. »Du willst die Nutte retten?« »Das ist mein Job«, entfuhr es Killroy. Im selben Moment biss er sich auf die Unterlippe. »Sicher«, sagte Rubik nur. »Einmal Cop, immer Cop. Einen wie dich können sie suspendieren so oft sie wollen, der Polizeibeamte steckt für alle Zeiten in dir drin.« »Stimmt«, antwortete Killroy tonlos. »Und der Vater, dessen Tochter ermordet wurde, steckt auch in mir drin.« »Sorry«, sagte Rubik betroffen, »daran habe ich eben nicht.. .« »Vergiss es«, unterbrach ihn Killroy. »Schnappen wir uns den Kerl einfach.« Mirco Rubik stimmte zu und sie verloren keine Zeit. Sie machten nicht den Fehler, einfach die Straße zu überqueren und geradewegs auf die Lagerhalle zuzugehen. Denn es war durchaus möglich, dass der Vampir direkt
hinter der Einfriedigungsmauer lauerte und die Hure längst getötet hatte. Killroy und Rubik trauten dem Kerl aber eher zu, dass er die große Schau abziehen wollte. Erst hundert Yards von ihrem Beobachtungsposten entfernt huschten sie nacheinander über die Straße. Sie näherten sich dem Lagerhaus von der Rückseite, vorbei an dem halb verfallenen Bürogebäude, in dem einst die Geschicke der Firma »Rivera, Coruna y Hijos« gelenkt worden waren. Die Vampirjäger drangen weiter vor, bis zu einem Container für Bauschutt, der etwa in der Mitte zwischen den beiden Gebäuden stand. Aus der Deckung heraus spähten sie zu der Lagerhalle. Es gab eine Laderampe, die sich über die gesamte Länge des Gebäudes hinzog. Durch vier Schiebetore waren früher Waren ein- und ausgelagert worden. Dort trennten sie sich und drangen zum Lagerhaus vor. Killroy nahm das Schiebetor auf der linken Seite. Er pirschte darauf zu, erklomm die Rampe und verharrte. Am anderen Ende sah er Rubiks Silhouette mit der Dunkelheit vor dem dortigen Schiebetor verschmelzen. Die Armbrust in der Linken, tastete Killroy mit der Rechten über das halb verrottete Holz des Schiebetors. Stellenweise war es so morsch, dass es wohl schon runterfallen würde, wenn man es nur scharf ansah. Er horchte, glaubte, eine Frauenstimme zu hören. Ein verhaltenes Stöhnen. Möglich, dass es Wirklichkeit war. Möglich aber auch, dass sein Wunschdenken ihm diese Sinnestäuschung konstruierte. 48
Vorsichtig löste er ein paar morsche Bretter und ließ sie ebenso behutsam zu Boden sinken. Wieder verharrte er und horchte. Jetzt war es da - nicht einmal sehr weit entfernt, wie es schien. Es war wirklich die Frau, die da stöhnte. Er spürte, wie ihm schlecht wurde. Er schloss die Augen und presste die Zähne aufeinander, dass es knirschte. Er brauchte einen Moment, um die aufkommende Übelkeit zu überwinden. Und er musste sich zwingen, nicht an Michelle zu denken. Mit aller Macht musste er sich zwingen, nicht an das Bild zu denken, das sich ihm in dem elenden Motelzimmer geboten hatte. » Michelle - und über ihr der Vampir. Bruce, wie er das Leben aus ihr herausgesaugt hatte. Killroy atmete mehrmals tief durch. Es gelang ihm, sich auf das zu konzentrieren, was vor ihm lag. Seine Wut half ihm dabei - und ebenso die Aussicht auf Rache. Er nahm die Armbrust in beide Hände, bereit, sie einzusetzen. Geduckt stieg er durch das Loch im Tor. Und vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen, um kein verräterisches Geräusch zu verursachen. Staub und Dreck und fauliger Unrat bedeckten den Boden aus schweren alten Holzplanken, wie sie früher üblich gewesen waren. Jetzt hörte er nichts mehr. Das Stöhnen war abgebrochen. War die junge Frau bereits tot? Es huschte und raschelte auf Kill-roys Weg. Ratten und sonstiges Ungeziefer nahmen Reißaus. Seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Er sah die Umrisse von gestapelten alten Kisten zu beiden Seiten.
Es war eine Art Gasse, durch die er sich bewegte. Unvermittelt erreichte er das Ende der Gasse. Es war, als würden die Schatten auseinander weichen. Killroy machte einen Satz auf die freie Fläche hinaus - und schaltete den Scheinwerfer ein. Seine Haare sträubten sich bei dem Bild, das sich ihm bot. Die Hure lag auf einer der Kisten, die Arme weit von sich gestreckt. Sie war nackt, ihre Kleidung lag vor der Kiste verstreut. Und Killroy sah direkt in ihr bleiches Gesicht, das im Licht des Scheinwerfers noch heller wirkte, geradezu kalkweiß. Er sah die weit aufgerissenen Augen, in denen kein Leben mehr war. Er sah die schreckliche Wunde an ihrem Hals, wo der Vampir ihr die Kehle herausgerissen hatte. Die Kehle herausgerissen - so wie Michelle! So wie Michelle! So wie... Er hörte ein leises Rascheln dicht neben sich - und schlagartig wurde ihm klar, dass der Vampir ihm eine Falle gestellt hatte! Verdammt, sie hatten doch damit gerechnet! Er hatte sich verhalten, wie ein Anfänger! Instinktiv und mit einer Schnelligkeit, die fast schon übermenschlich war, duckte er sich - und eine Säbelklinge sauste über ihn hinweg. Sie hätte ihm den Hals durchtrennt und den Kopf von den Schultern geschlagen, wäre er auch nur einen Sekundenbruchteil langsamer gewesen. 49
Seine antrainierten Reflexe retteten ihm das Leben - und noch während er sich duckte, ließ er sich gleichzeitig zur Seite fallen Fast parallel zum Schwerthieb kam der mörderische Fußtritt, der ihm in die Seite rammen sollte. Doch weil Killroy sich fallen ließ, streifte ihn der Fuß nur. Er spürte zwar einen heftigen Schmerz an der Schulter, doch der Tritt erwischte ihn nicht voll. Er rollte sich geschickt über die Schulter ab, sprang auf, wich weiter zurück, hatte die Armbrust noch gespannt in beiden Händen und wollte schießen... Er kam nicht dazu. Der Vampir war einfach zu schnell, war bereits wieder heran, schlug erneut mit dem verdammten Säbel zu. Killroy riss die Armbrust hoch und wehrte den Säbelhieb damit ab, doch die Armbrust wurde zur Seite gerissen. Dann hörte er das Fauchen. Es war ein wildes, hasserfülltes Zischen und Knurren. Und Killroy sah auch die rot glühenden Augen, die wie die Lichter eines Wolfes vor ihm in der Dunkelheit leuchteten. Thomas holte zum nächsten Schlag aus, so blitzschnell, dass Killroy diesem neuerlichen Säbelhieb einfach nicht mehr entkommen konnte. Der Vampir war sich seiner Sache absolut sicher und... Licht flammte auf, traf Thomas voll. Er verharrte mitten in der Bewegung, wandte den Kopf. Und erkannte, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er hatte nicht mehr an den zweiten Vampirjäger gedacht! Der zielte mit der Armbrust auf ihn, dessen Lampenstrahl ihn für Sekunden blendete.
Aber Thomas hörte das Abfeuern der Armbrust, hörte den Bolzen durch die Luft flirren - und reagierte instinktiv und blitzschnell! Er riss die Klinge seines Säbels hoch und wehrte den Bolzen damit ab, der sonst sein Herz durchbohrt hätte. Laut fauchte Thomas auf. Die beiden Vampirjäger, denen er eine Falle hatte stellen wollen, hatten ihn damit überrascht, dass sie sich aufgetrennt hatten. Er hatte sie unterschätzt, war sich seiner Sache einfach zu sicher gewesen - und das drohte sich nun zu rächen! Er wollte sich in die Dunkelheit werfen, für Sekunden darin untertauchen, um dann in einem gezielten zweiten Angriff vorzustoßen und die beiden Jäger zu erledigen. Ein schneller Schritt zur Seite - und da geschah es! Dieser Killroy war ein verbissener Kämpfer und reagierte schneller, als man es einem Menschen zutrauen konnte. Sein Fuß zuckte vor, verhakte sich zwischen Thomas' Beinen. Und der Vampir stolperte, stürzte auf die Knie. Er riss den Säbel wieder hoch, wollte nach Killroy schlagen. Eins von Rubiks Wurfmesser blitzte durch die Luft und schnitt durch seinen Oberarm, riss eine klaffende Wunde. Thomas schrie auf - und der Säbel, den er gerade mit hoher Wucht hochriss, entwand sich seinen Fingern, flog davon. Thomas schrie und kreischte vor Wut. Er war waffenlos, hatte sich übertölpeln lassen. Er musste weg, bevor es für ihn ernsthaft gefährlich wurde und... Killroy, der Ex-Cop, jagte den ersten Bolzen von seiner Armbrust. 50
Das Pflockgeschoss hieb dem Vampir zwischen die Augen. Der Schmerz und die Wucht des Einschusses rissen ihn zu Boden. Verdammt, er hatte die Jäger unterschätzt. Er hatte ihnen eine Falle aufgestellt, die nun für ihn selbst zur Falle wurde. Zur tödlichen Falle, wenn er es nicht schaffte, doch noch zu entkommen! Er kam auf die Beine, taumelte rückwärts. Sein Mantel flatterte, als er heftig mit den Armen ruderte. Er griff nach dem Bolzen, der ihm aus der Nasenwurzel ragte. Einen Menschen hätte ein solcher Treffer getötet... Killroy hatte bereits nachgeladen, folgte dem Vampir mit Scheinwerfer und Laser und jagte ihm den zweiten Bolzen in die Hand, mit der er den ersten herauszuziehen versuchte. Die enorme Wucht des Pflockgeschosses nagelte dem Kerl die Hand ins Gesicht! Er brüllte wie ein Stier. Der Schmerz nahm Ausmaße an, die selbst für einen Vampir an die Grenze des Erträglichen gingen. Killroy stürmte vorwärts. Und auch Rubik kam jetzt näher, die Armbrust in der Rechten. In der Linken hielt der Vampirjäger so etwas wie ein kleines Bündel. Mit der unversehrten linken Hand versuchte Thomas, die festgenagelte Rechte freizukriegen. Da warf Rubik das Bündel. Es entfaltete sich in der Luft, waberte klirrend und funkelnd auseinander und senkte sich auf den gepeinigten Vampir. Mit nur einem funktionstüchtigen Arm hatte er keine Chance, es abzuwehren.
Killroy war im nächsten Moment zur Stelle, als sein Partner das Stahlnetz straff zog. Es schloss sich eng um den heulenden und zappelnden Vampir, der nicht begriff, dass er sich nur immer mehr in den feinen Maschen verfing. Seine Kraft reichte nicht aus, um die Stahldrähte zu zerreißen. Eher hätte er sich an den dünnen, scharfen Drähten die Finger abgeschnitten. Er verlor das Gleichgewicht und kippte um. Mit dem ganzen Gewicht seines Körpers schlug er auf das Gesicht - und die Bolzen gruben sich ihm noch tiefer in den Kopf. Die beiden Jäger waren bestens ausgerüstet. Und sie waren verdammt harte Kämpfer. Wie hatte er sie nur derart unterschätzen können? Immerhin hatte er doch gesehen, wie sie Chris Carson fertig gemacht hatten, jenen kräftigen und ungemein starken Vampir, vor dem Thomas einen Heidenrespekt gehabt hatte! Wie hatte er nur glauben können, die beiden derart leicht in einen Hinterhalt locken zu können? Hatte er sie sträflichst unterschätzt? Oder sich selbst maßlos überschätzt? Bruce wäre das niemals passiert! Bruce war ja auch besser als er! Vielleicht hatte er dem Kumpel einfach nur beweisen wollen, dass er ebenso gut war wie Bruce Darkness! Wegen der festgenagelten Hand konnte er nur noch mit dem linken Auge sehen und alles, was er vorläufig sah, wären Staub und Dreck des Betonbodens. Rubik setzte jetzt die Harpune ein und jagte ihm einen Spreizbolzen von hinten durch die rechte Schulter. 51
Killroy fasste mit an. Obwohl Rubik und er gemeinsam an dem Drahtseil zogen und der Vampir sich nur mäßig sträubte, brauchten sie alle Kraft, um ihn zu einem der eisernen Pfeiler zu ziehen, die die Hallendecke trugen. Nur provisorisch zurrten sie ihn fest. Dann eröffneten sie das Feuer aus ihren Maschinenpistolen. Der Vampir krümmte sich und zuckte unter den Einschüssen. Seine Kräfte schwanden, während die Kugeln seinen Oberkörper und seine Schenkel durchsiebten. Vergeblich versuchte er, mit der Rasanz der Schüsse mitzuhalten. Es gelang ihm nicht, die Schusslöcher schnell genug zu schließen. Immer neue taten sich auf, und immer mehr wurde er geschwächt. Die gesunde Hand, mit der er zuletzt versucht hatte, sich den Spreizbolzen nach vorn aus der Brust zu ziehen, sank zu Boden. »In Ordnung«, sagte Rubik. »Das reicht für den Moment.« Die Männer legten ihre Waffen ab, griffen sich den schlaffen Vampir und stellten ihn an den Pfeiler. Dort schnürten sie ihn mit dem losen Ende des Drahtseils fest. Rubik verknotete zusätzlich die Schlingen des Stahlnetzes. Der Vampir hing in den Seilen wie bewusstlos. Die ins Gesicht genagelte Hand verhinderte, dass sein Kopf ganz nach vorn sackte. »Ist der schon am Ende?«, fragte Killroy erstaunt. Rubik lachte. »Noch lange nicht. Vampire halten eine Menge aus. Erst mal simuliert er ein bisschen, wahrscheinlich, weil ihm nichts Besseres einfällt. Ehrlich gesagt - er scheint ein bisschen blöd zu sein.«
Der Gefangene hob den Kopf mit einem Ruck. Wegen der Bolzen tmd der daran hängenden Hand jagte ihm die plötzliche Bewegung neue Schmerzen durch die Glieder. Er heulte auf. »Ihr verdammten Bastarde!«, schrie er. Das sichtbare Auge funkelte hasserfüllt. Doch die Glut war daraus verschwunden, so wie auch die Reißzähne nicht mehr zu sehen waren. »Euch mach ich fertig!« »Na, dann Versuchs doch mal«, erwiderte Mirco Rubik und lächelte kalt. Seelenruhig zog er die Machete und stach zu. Mit ausgestrecktem Arm hielt er den Griff des Haumessers und ließ die Klinge im Bauch des Vampirs. Der Gefangene stöhnte. »Das gefällt dir nicht, was?« Rubik sprach sachlich, ohne das geringste Zeichen von Aufregung. Er bewegte die Hand mit der Machete ein Stück abwärts was nicht so einfach war, wie er tat -, so dass die Klinge mitwanderte. Der Vampir schrie. »Also dann«, begann Rubik. »Wir hätten da ein paar Fragen.« Robert Killroy staunte, wie viel ein Vampir aushalten konnte, ohne das Bewusstsein zu verlieren...
Bruce ließ den Hummer im Stall und nahm die Harley. Damit war er beweglicher. Und außerdem brauchte man tote Vampirjäger nirgendwohin zu transportieren. Er tuckerte den Broadway hinauf. Thomas hatte sich noch nicht gemeldet. Das bedeutete, dass Killroy und sein neuer 52
Kumpel sich noch- nicht irgendwo niedergelassen hatten, wo man sie ohne viel Wirbel ausschalten konnte. Wenn es soweit war, würde man kurzen Prozess machen müssen. Hit and run, das gute alte Prinzip. Zuschlagen und abhauen. Über zwei tote Vampir-Jäger würde sich niemand groß aufregen. Bei der Polizei waren diese Burschen auch nicht besonders beliebt. Unerlaubter Waffenbesitz, l-Mann-Armeen mit Hang zur Selbstjustiz. Schließlich galten viele Vampire als rechtschaffene Bürger. Überdies tauchten Vampirbisse oder andere vampirische Todesursachen in keinem pathologischen Befund auf. Die Gerichtsmediziner ignorierten so etwas geflissentlich. Der Baron hatte schon Recht mit seinem Prinzip der Unauffälligkeit. Die Menschen wollten es letzten Endes so. Sie sträubten sich mit Händen und Füßen dagegen, wahrhaben zu wollen, dass es Wesen und Mächte auf der Welt gab, die stärker waren als sie. Folglich hatte man als Vampir extreme Vorteile. Da man praktisch nicht existierte, konnte man schalten und walten wie man wollte. Sein Handy meldete sich und riss ihn aus seinen Gedanken. Mit der linken Hand fischte er das Schnurlose aus der Tasche. »Ja!« »Ich bin's«, sagte Thomas und senkte seine Stimme zum Flüstern, als befürchtete er, belauscht zu werden. »Kannst du mal schnell rüberkommen? In die Bronx, meine ich.« »Hast du sie?« »Ja. Sie haben sich in einem Lagerhaus verkrochen, noch an der Hun dertvierundvierzigsten, zur Morris hin.
>Rivera, Coruna y Hijos<, steht draußen noch dran. Kannst du gar nicht verfehlen.« »Okay, bin schon unterwegs.« Bruce stellte die Harley drei Blocks vor der 144. Straße ab und legte den Rest des Weges zu Fuß zurück. Er mied die Morris Avenue, benutzte stattdessen Hinterhöfe, Einfahrten und Ruinengrundstücke. Irgendetwas stimmte nicht. Bruce konnte nicht sagen, was. Aber da war etwas in Thomas' Ausdrucksweise, das nicht so recht zu seinem Freund passen wollte. Bruce fand das alte Lagerhaus ohne Mühe. Nur einen Moment lang verharrte er in einer Einfahrt gegenüber. Dann überquerte er die Straße und betrat das Anwesen durch die offene Tür. Hinter der Einfriedigungsmauer herrschte Dunkelheit. Bruces Augen gewöhnten sich rasch daran. Auf leisen Sohlen drang er bis hinter das Gebäude vor. Gleich nachdem er um die Ecke gebogen war, sah er das Loch im ersten Schiebetor. Ohne zu zögern erklomm er die Rampe und spähte durch die Öffnung. Ein Schimmer von Licht war zu erkennen - irgendwo dort, in der Mitte der Halle. Ein Schmerzenslaut ertönte. Thomas! Bruce musste sich zusammenreißen. Er war drauf und dran, auszurasten und wie ein blindwütiger Stier hineinzustürmen. Aber genau das erwarteten sie vermutlich von ihm. Dass er die Beherrschung 53
verlieren würde. Ja, das war es, womit sie rechneten. Doch er dachte nicht daran, ihnen den Gefallen zu tun. Geduckt stieg er durch das Loch im Tor und lautlos pirschte er auf die Quelle des Lichts zu. Noch konnte er nichts sehen, denn durcheinander gestürzte Kisten versperrten die Sicht. Wieder ein Schmerzenslaut. Ein unterdrücktes Stöhnen, kurz vor. dem Ausbruch in einen verzweifelten Schrei. Bruce presste die Lippen zusammen. Unwillkürlich beschleunigte er seine Schritte. Er wusste, dass es eine Falle war. Und trotzdem brachte er es nicht fertig, Thomas einfach im Stich zu lassen. Im nächsten Moment hörte er den Schrei. Thomas brüllte wie ein waidwundes Tier, bis aufs Blut gequält. Bruce beeilte sich, erreichte das Ende des dunklen Bereichs zwischen den Kisten. Und dann sah er das Grauenvolle. Im Licht zweier gekreuzter Scheinwerfer stand der Schwarzhaarige, den er mit Killroy in der Fensterhöhle gesehen hatte. Vor ihm war Thomas an einen Pfeiler gefesselt, fürchterlich zugerichtet. Der Vampirjäger hob die Machete. »Neiiin!«, brüllte Bruce und stürmte los. Der Vampirjäger lachte nur - und schlug Thomas den Kopf ab! Bruces Freund begann zu verrotten. Sein Körper schrumpfte in der Kleidung, unter dem Drahtseil. Der Kopf rollte noch ein Stück über den Boden und blieb im nächsten Moment liegen, als der Auflösungsprozess wie im Zeitraffertempo einsetzte.
Bruce stürmte weiter, auf den Mörder seines Freundes zu. Der Schwarzhaarige erwartete ihn mit erhobener Klinge, immer noch lachend. Bruce wusste, dass er einen Fehler machte, aber seine Wut war stärker als alles andere. Bis auf drei Yards kam er an den Vampirjäger heran. Da traf ihn ein Schlag in den Rücken, der ihn herumwirbelte. Bruce stolperte, stürzte zu Boden, aber nur, um sich katzengleich abzurollen. Doch kaum stand er wieder auf den Beinen, ließ er sich wieder fallen, um Rubiks flirrenden Wurfmessern zu entgehen - vergeblich. Doch die breiten Klingen zerschnitten zwar seine Lederjacke, ritzten seine Haut aber nur. Der Vampirjäger fluchte. Killroy kam aus den Schatten, in denen er sich versteckt hatte, herbeigerannt. Die Armbrust ließ er zu Boden fallen und zog die Machete. »Rubik!«, rief der Detective Lieutenant. »Er gehört mir! Überlass ihn mir! Ich werde diesem Monster den Kopf abschlagen! Das bin ich Michelle schuldig!« »Bist du wahnsinnig?«, erscholl die Antwort. »Hier geht es nicht um Rache oder um Ehre. Es geht darum, die Menschheit zu retten!« Für einen winzigen Augenblick war der Vampirjäger abgelenkt. Diesen Moment nutzte Bruce, griff mit einem heiseren Schrei hinter sich und zog den Bolzen heraus, den Killroy ihm in den Rücken gejagt hatte. Da hieb Rubik auch schon auf ihn ein. Der Vampir rollte sich zur Seite. Dicht 54
neben seinem Kopf hackte die Machete in den Boden. Als Bruce endlich hochkam, drosch Killroy auf den Vampir ein. Der wich zurück. Mehrmals wurde Bruce getroffen, konnte die gefährliche Klinge aber immer noch gerade so abwehren, dass kein wirklicher Schaden entstand. Seltsamerweise war ihm der Mörder von Thomas nicht gefolgt. Doch das sollte nicht Bruces Problem sein. Er würde sie halt nacheinander erledigen. Der Vampir tastete in einem Moment, in dem Killroys berserkerartige Attacke kurz zum erliegen kam, nach seinem eigenen Messer. Seine Faust schloss sich um den Griff. Jetzt sah die Sache schon ganz anders aus... In diesem Moment ratterte Rubiks MPi los. Und wenn die Kugeln auch mehr schmerzten, als dass sie ihm wirklich gefährlich werden konnten, so rüttelten sie ihn doch durch und ließen ihn unkontrolliert rückwärts taumeln. Eine Kugel traf Bruces Waffe und prellte sie ihm aus der Hand. Bruce prallte gegen einen der Stahlpfeiler, die das Dach trugen, wurde von dem steten Strom der Kugeln dagegen gepresst, konnte sich kaum rühren. Killroy wollte die Situation ausnutzen und zielte mit der Machete auf den Hals des Vampirs. Er zog durch. »Stirb!« In diesem Moment versiegte der Kugelhagel. Magazin alle, schoss es Bruce durch den Kopf, als er sich zur Seite warf. Killroys Machete knallte Funken schlagend gegen den Pfeiler, genau an der
Stelle, wo sich kurz zuvor noch Bruces Hals befunden hatte, während Rubik wild fluchend das Magazin wechselte. Die letzten Wunden des Vampirs verheilten bereits, als er nach Killroy schlug. Der versuchte auszuweichen, schaffte es jedoch nicht ganz. Obwohl ihn die Faust des Vampirs nur gestreift hatte, fühlte es sich an, als ob ihm jemand mit einem Vorschlaghammer in die Magengrube getroffen hätte. Killroy wurde durch die Luft gewirbelt. Der Aufprall trieb ihm auch noch den letzten Atem aus den Lungen. Für einen Moment wurde es Schwarz um ihn herum. Als der Detective Lieutenant wieder klar sehen konnte, stürmte der Vampir schon auf Rubik los. Der Vampirjäger lud gerade seine MPi durch, brachte sie in Anschlag und... Er drückte ab. Aus nächster Nähe prasselten die Kugeln auf Bruce ein, konnten ihn aber nicht bremsen. Sie hieben Löcher in seine Brust, in seinen Bauch und in die Beine. Löcher, die nicht mehr so schnell heilten wie die Wunden der ersten Salve. Doch Bruce rannte weiter, brüllte vor Wut und Schmerz. Gut drei Yards von dem Vampirjäger entfernt setzte er zum Sprung an, warf er sich nach vorn. Die Finger waren zu Klauen verkrümmt, sein Mund weit aufgerissen, die Zähne blitzten im Licht des Zielscheinwerfers. Einem Geschoss gleich flog er auf Rubik zu. Der Vampirjäger aber feuerte weiter. Weder versuchte er auszuweichen, noch 55
den Angriff abzuwehren. Er stand da wie ein Fels, ließ sich durch nichts beirren und feuerte weiter. Die Kugeln stanzten in die Brust des Vampirs, konnten ihn aber nicht aufhalten. Der Aufprall! Rubik glaubte, von einem Auto angefahren zu werden. Er konnte hören, wie seine Rippen brachen, während die Luft aus seinen Lungen gepresst wurde. Der Vampirjäger wurde nach hinten geschleudert, stolperte. Seine Knie knickten ein. Dann prallte er auf den Boden, Bruce über ihm. Einige Augenblicke dachte Rubik an nichts anderes als daran, Luft in seine schmerzende Lunge zu pumpen. Er hustete krampfartig und spuckte Blut. Erst als er wieder einigermaßen bei Atem war, wurde ihm seine Situation bewusst. Er lag rücklings auf dem Boden. Sein Brustkorb schmerzte, jeder Atemzug versetzte ihm schmerzhafte Stiche. Er hatte sich wohl auf die Zunge gebissen, daher das Blut, das er ausgespien hatte. Sein linker Arm schien ein Gelenk mehr zu haben als von der Natur vorgesehen. Und über ihm lag Bruce - regungslos. Die Machete! Wo war die verdammte Machete? Gehetzt sah sich Rubik um und bereute die hastige Bewegung sogleich wieder, als ein Presslufthammer in seinem Kopf anfing, zu rattern. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich Killroy auf die Beine stemmte. Rubik richtete sich auf und schaffte es, den Vampir von sich runterzurollen. »Ma ...«, versuchte er zu rufen, doch es kam nur ein heiseres Flüstern. »Machete....« Killroy nickte.
Da aber sah Rubik seine eigene Machete in Reichweite liegen. Stöhnend kam er auf die Beine, schleppte sich die zwei Schritte zu dem großen Messer, griff zu... »Pass auf!« Killroys Stimme. Rubik wirbelte herum, doch es war zu spät. , Er sah gerade noch, wie Bruce einen Rückhandschlag durchzog, da flog er auch schon durch die Luft. Bruce drehte sich zu Killroy um. Noch immer quoll Blut aus seinen Wunden, doch es wurde beständig weniger. Trotzdem schien er nicht mehr ganz sicher auf den Beinen zu sein. Killroy kam auf ihn zu, geduckt, die Arme ausgebreitet, die Machete in der Rechten. Mit jedem Schritt wurde der Detective Lieutenant schneller. Bruce spürte eine Bewegung hinter sich. Verdammt! Er hatte Rubik nicht richtig getroffen. Im selben Moment schnellte er los Killroy entgegen. Ein Machetenhieb Rubiks zischte haarscharf an seinem rechten Oberarm vorbei. Rubik fluchte, geriet durch den eigenen Schwung aus dem Gleichgewicht. Er stolperte, doch er hielt sich aufrecht. Sein gebrochener Arm schien zu explodieren. Bruce duckte sich unter Killroys Ansturm, täuschte eine Finte vor, indem er tat, als wollte er nach rechts auswei-chen. In Wirklichkeit zuckte er nach links weg. Und wurde getroffen.
Ein fürchterlicher Hieb hackte in seine
rechte Schulter. Killroy stieß einen Triumphschrei aus. Bruce warf sich zu Boden, rollte sich ab. Der rechte Arm schien ihm abgerissen worden zu sein, so kam es ihm vor. 56
Im Hochkommen sah er, dass es nur eine tiefe Fleischwunde war, die das Machetenblatt gerissen hatte. Doch sie heilte viel zti langsam. Verdammt, dieser Mann war ein ernst zu nehmender Gegner! Und schon wieder schlug er zu. »Jetzt bist du dran!«, brüllte Killroy und sein nächster Hieb sauste Bruce in die Seite. Die Wucht, die dahinter saß, schleuderte Bruce nach links weg - zu seinem Glück, denn auch Rubik war wieder zur Stelle. Der Hieb seines Partners bewirkte, dass er ins Leere drosch. Doch das bedeutete nur einen geringen Aufschub. Zwar war Rubik schwer angeschlagen, doch er schien so sehr mit Adrenalin vollgepumpt zu sein, dass er den Schmerz beiseite drängen konnte. Bruce taumelte. Der zweite Hieb schien ihm die Körpermitte bis zur Wirbelsäule durchtrennt zu haben. Doch zum Glück täuschte auch dieser Eindruck. Seit langer Zeit musste er zum ersten Mal wieder schwere Verletzungen einstecken. Das war der Grund, weshalb es sich schlimmer anfühlte, als es war. Doch er wusste auch, dass er sich selbst zu beschwichtigen versuchte. Die Lage war viel ernster, als er es wahrhaben wollte. Er hatte es mit ausgekochten Profis zu tun. Sie hatten seinen besten Freund getötet - und jetzt wollten sie ihn. Vor allem Killroy wollte ihn. Der verdammte Kerl glühte vor Rachdurst. War ja auch irgendwie verständlich. Und diesmal gingen sie gleichzeitig auf ihn los, nahmen ihn in die Zange.
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Jerry Cotton, Jerry Cotton - 2. Auflag«,
Jerry Cotton - Bestseller, Mittemachts-Roman,
Professor Zamorra, Vampire, John Sinclair, John
Sinclair - 2. Auflage, Qrusel-Schocker, Maddrax, Tom, Colorado-Westem, Westem-Bestseller, Q. F. Unger, Lassiter, Lassiter - 3. Auflage, John Klrby, Jack Slade, Der Bundesbull» und die Taschenheft-ReUw John Sinclair Sammler Edition. Dieses Heft wurde vom Beirat für
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Titelbild: Romero - Norma
Bekannt für Qualitats-Romane
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Die Klingen ihrer Macheten schwirrten und zischten. Bruce tänzelte und trickste, wich aus, stieß vor - und schaffte es, sie auf Distanz zu halten. Doch das hielt keine Minute lang an, dann hatten sie sich auf seine Taktik eingestellt. Killroy zog sich zwei Schritte zurück. Und setzte zu einer wilden Attacke an. »Stirb, du Hund!«, schrie er. Seine hocherhobene Machete sauste auf den Hals des Vampirs zu. Bruce wich aus - und wusste, dass es ein Fehler war. Doch er hatte keine andere Wahl gehabt. Noch während Killroys Klinge über seine verletzte Schulter hinwegzischte, traf ihn Rubiks Hieb von der anderen Seite. Tief hackte die Machete in Bruces linken Oberarm. Ungewollt schrie er auf. Und buchstäblich im letzten Sekundenbruchteil warf er sich nach vorn, als er die neue Bedrohung spürte. Killroy war herumgewirbelt, hatte übergangslos ausgeholt - und seine herabsausende Machete hätte Bruce den Kopf gespalten. Seiner Reaktion verdankte er es, dass nur ein Schnitt in den Rücken daraus wurde. Doch auch dies war eine ernste Wunde, tief genug, um sich nicht so schnell schließen zu lassen. Verbissen drangen sie auf ihn ein. Ihre Entschlossenheit schien noch zuzunehmen. Bruce dagegen spürte, wie seine Kräfte nachließen. Noch war er stark genug, um sich zur Wehr zu setzen, aber sein Reaktionsvermögen war eingeschränkt. Es war nur noch eine Frage von Sekunden, wann er nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnte und eine der beiden Klingen ihm mit einem einzigen kraftvollen Hieb den Kopf abtrennte.
Der blitzende Stahl umschwirrte ihn immer bedrohlicher. Wieder und wieder setzte er zu Gegenattacken an, doch jedes Mal handelte er sich nur neue Wunden ein. Sie spürten ihre Überlegenheit. Und ihr Keuchen hörte sich siegesgewiss an. Bruce wusste, dass er alles auf eine Karte setzen musste. Er hatte nur noch diese eine Chance. Er musste sich auf einen Gegner konzentrieren und in Kauf nehmen, dass der andere ihn erledigte. Doch wenn er schnell genug war... Er dachte nicht länger nach. Er handelte. Mit einem wilden Schrei tauchte er nach unten weg, rutschte zwischen den Beinen seiner Gegner hindurch und kam hinter Rubik wieder hoch. Der Vampirjäger war um eine Zehntelsekunde zu langsam. Bruce schlug mit beiden Fäusten gleichzeitig zu. Sein Hieb traf seinen Gegner schräg von oben, in den Nacken. Rubik stieß einen Schmerzenslaut aus, der das hässliche Knacken des brechenden Genicks fast übertönte. Er wurde zur Seite geschleudert und verstummte, als er gegen die Kiste in der Mitte des Raums prallte. In diesem Moment rammte Killroy ihm die Machete in den Bauch. Im Reflex umklammerte Bruce die Waffe, den Ursprung der bestialischen Schmerzen, die durch seinen Leib pulsierten. Killroy versuchte, die Machete wieder herauszuziehen - vergeblich. Da traf ihn Bruces Stoß. Eigentlich war es nur ein Stupsen, doch es reichte, um den Detective Lieutenant zurücktaumeln zu lassen. Er hätte sich auch wieder gefangen, wäre er nicht über 58
Rubiks Leiche gestolpert. So aber fiel er hinten über. Er hörte hastige Schritte, die sich entfernten, und als er wieder auf den Beinen stand, sah er gerade noch, wie der Vampir durch das Tor verschwand. Nach ein paar Minuten Ruhe fühlte sich Bruce wieder topfit. Seine Wunden waren geschlossen und nur die Schnitte in der Lederjacke erinnerten an das Debakel, das er erlebt hatte. Die Jacke war zu ersetzen, das war kein Problem. Aber- sein Ego? Er grinste schief. Auch das würde sich kitten lassen. Er kehrte in das Lagerhaus zurück, hielt sich aber in der Dunkelheit außerhalb der beiden Scheinwerfer. Wenn Killroy irgendwo lauerte, sollte er es so schwer wie möglich haben. Doch nichts rührte sich. Mit einem Würgen im Hals sah Bruce den Ledermantel seines Freundes. Darunter war nur noch Staub. Die Stelle, an der sich Thomas' Kopf aufgelöst hatte, war nicht einmal mehr auszumachen, denn dort hatte sich der Staub des Vampirs mit dem Staub auf dem Fußboden vereint. Rubiks Leiche lag an der Stelle, an der Bruce ihm das Genick gebrochen hatte. »Killroy!«, rief Bruce in die Dunkelheit. »Komm her und kämpfe! Jetzt können wir es austragen. Ich gebe dir die Chance - für deine Rache!« Seine Worte verhallten ohne eine Antwort. Nichts war zu hören - außer dem Rascheln der Ratten und dem fernen Rauschen des Straßenverkehrs in der 8 Millionen-Stadt. Bruce wandte sich ab und ging hinaus. Er dachte an Thomas und seinen Wunsch, einen Zug durch die Gemeinde zu machen.
Warum, zum Teufel, hatte er ihm diesen Wunsch nicht sofort erfüllt? Auf dem Weg zur Harley rechnete Bruce weiter mit einem Angriff. Möglich, dass Killroy sich hier draußen größere Chancen ausrechnete. Oder er hatte seine alten Freunde, die Cops, mobilisiert und gleich würden sie mit einem Dutzend Streifenwagen auf ihn zustoßen — sternförmig, damit sie ihn im Lichtzentrum der Scheinwerfer mit ihren Maschinenpistolen zusammenschießen konnten. »Feuer einstellen!«, würde Killroy schließlich befehlen und dann in seiner schönen neuen Vampirjäger-Rüstung ins Licht treten. Durch Hunderte von Kugeln zerfetzt, würde er, Bruce, gar nicht mehr reagieren können. In aller Ruhe, vor aller Augen, würde Killroy ihm mit der Machete den Kopf abschlagen. Doch nichts dergleichen geschah. Unbehelligt erreichte Bruce seine Maschine, stieg auf und fuhr in die Nacht hinaus.
Rob Killroy fuhr nicht zurück nach Manhattan. Er benutzte die Triborough Bridge und fuhr mit Rubiks Lieferwagen bis weit nach Queens hinein. An der Roosevelt Avenue, In der Nähe des Shea Stadium, wählte er eine Seitenstraße, an der es eine Lücke in der Reihe der parkenden Autos gab. Er rangierte den 59
Lieferwagen hinein und stellte den Motor aus. Nur langsam kamen seine Gedanken zur Ruhe. Was in der Bronx geschehen war, wirkte mit der Wucht einer Explosion nach. Killroys Nerven waren noch immer in Aufruhr und als er sich eine Zigarette anzündete, konnte er nichts dagegen tun, dass seine Hände zitterten. Er öffnete die Seitenscheibe und ließ den Rauch hinaus. Die kühle Nachtluft tat ihm gut. Er merkte, wie er ruhiger wurde. Sollte er nach Hause fahren? Sollte er es doch noch tun, obwohl er sich intuitiv dagegen entschieden hatte? Seine Wohnung war ein Ort, den Bruce kannte. Killroy wusste, dass er gegen den Vampir keine Chance haben würde, wenn dieser ihm in der Wohnung auflauerte. Nein, er hatte richtig gehandelt, absolut richtig. Er drückte die halb aufgerauchte Zigarette in den Aschenbecher unter dem Armaturenbrett und zog das Handy aus der Hosentasche. Die Akku-Anzeige enthielt nur noch einen Teilstrich. Aber es musste reichen. Er blickte zur Uhr. Kurz vor drei. Die Sonne musste bald aufgehen. Aber er zweifelte nicht daran, dass Bruce, sein Todfeind, rechtzeitig seinen Unterschlupf erreichen würde. Und Rachel würde es ihm, Killroy, nicht übel nehmen, morgens um drei aus dem Bett geklingelt zu werden. Er rief ihre Nummer aus dem Telefonbuch des Handys auf und lauschte dem Rufzeichen. Nach dem dritten Mal wurde abgehoben.
»Ja?«, sagte die vertraute Frauen stimme und sie klang erstaunlicherweise hellwach. »Was ist passiert, Rob?« Natürlich, sie sah seine Nummer auf dem Display ihres Telefons. »Hast du nicht geschlafen?«, erkundigte er sich erstaunt. »Ich wollte mich gerade entschuldigen, weil ich zu dieser Zeit anrufe.« »Ich arbeite beim FBI«, sagte sie. »Ich bin vierundzwanzig Stunden im Dienst. Und wenn ich schlafe, bin ich sofort voll da. Mach dir also keine Vorwürfe. Sag mir lieber, was passiert ist. Dass du am Leben bist, dürfte die gute Nachricht sein.«
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»So ist es«, erwiderte er. »Und jetzt kommt die schlechte. Bruce lebt.« Er schilderte so knapp wie möglich, was vorgefallen war. »Mein Gott«, hauchte Rachel. Dann wurde sie energisch. »Bleib, wo du bist. Ich hole dich ab.« »Jetzt?« »Wann denn sonst?«, erwiderte sie. »Übermorgen?« »Nein«, sagte er verlegen. »Aber . ..« »Ich weiß, ich schulde dir nichts. Das weiß ich genau, Rob Killroy. Du hast es mir ja ausdrücklich genug gesagt. Aber ich tue trotzdem, was ich tun muss. Begriffen?« »Ja.« Sein Handy gab Warntöne von sich. Der Akku war kurz vor dem Verrecken. »In spätestens einer Stunde bin ich bei dir. Also noch mal - rühr dich nicht weg. Wenn du später Sachen aus deiner Wohnung brauchst, werde ich sie dir holen.« »Danke«, sagte Killroy, aber da war die Verbindung schon unterbrochen. Der Akku hatte seinen Geist aufgegeben. Killroy zündete sich eine neue Zigarette an. Am Himmel zeigte sich ein erster grauer Schimmer. Der neue Tag kroch von der Atlantikküste herauf und noch vor Rachels Eintreffen würde die Sonne Long Island, Queens und Brooklyn mit ihrem Licht erfassen - lange bevor Manhattan an der Reihe war. Der Detective Lieutenant verscheuchte die trüben Gedanken. Er musste die positiven Seiten sehen. Zum einen war er am Leben, das hatte Rachel als Erstes erkannt. Zum anderen hatten Rubik und er einen Vampir beseitigt - noch dazu einen, mit dem Bruce möglicherweise öfter zusammen gewesen war.
Man konnte also davon ausgehen, ihm einen empfindlichen Schlag versetzt zu haben. Während es hell wurde, besserte sich Rob Killroys Laune. Es lag daran, dass er wieder im Stande war, die Dinge objektiv zu betrachten. Und es lag auch daran, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis er Rachel wiedersah.
Bruce kehrte auf direktem Weg ins Empire State Building zurück. Er stellte die Harley neben dem Hummer in der Tiefgarage ab und nahm wie gewohnt den Expresslift. Doch diesmal vermochte er der raketen-haften Fahrt nach oben nichts abzugewinnen. Zwar empfand er keine Trauer. Jeden von ihnen konnte es jederzeit erwischen. Und Thomas Waughn war keiner gewesen, den man zu den Bedeutenden hätte rechnen können. Aber ein guter Kumpel, ja, das war er gewesen. Bruce begab sich direkt ins Vorzimmer des Barons und meldete sich an. Er brauchte nicht lange zu warten, bis er hereingebeten wurde. Von den Überresten des Cowboyvampirs war nichts mehr zu sehen. Der Baron kam hinter seinem Schreibtisch hervor und setzte sich Bruce gegenüber an den Besprechungstisch, wie sie es gemeinsam schon in so vielen ernsten Situationen getan hatten. 61
»Keine guten Nachrichten also«, sagte von Kradoc. Er legte die bleichen Hände übereinander und sah seinen Stellvertreter an. Bruce berichtete. »Was Thomas Waughn betrifft«, sagte der Baron anschließend, »musst du eines zur Kenntnis nehmen: Er hat Fehler gemacht, Schwächen gezeigt, die Situation falsch eingeschätzt und sich selbst überschätzt. Sonst wäre ihm nicht passiert, was passiert ist. Verstanden?« Bruce.nickte. »Ja, Herr.« »Gut«, sagte der Baron.
»Wir müssen leider zur Kenntnis nehmen, dass dieser Detective Lieutenant mehr ist als nur das kleine Ärgernis, für das wir ihn gehalten haben. Er weiß jetzt, wie er uns bekämpfen kann. Und er wird es mit allen Mitteln tun, die ihm zur Verfügung stehen.« »Und wenn er sich mit dem Teufel verbündet«, sagte Bruce grimmig, »es wird ihm nichts nützen . . .«
ENDE
Sie lasen einen Roman mit der Bastei-Zinne
Wo gute Unterhaltung zu Hause ist.
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Während Killroy weiter nach Bruce sucht, beschließt Katrina Stein, Bruce zu beseitigen, und hetzt ihm eine Menschenmeute auf die Spur. Und Killroy gerät zwischen die Fronten...
Katrinas blutiges
Spiel
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