J. A. Garrett
Band 34
Konterschlag der Zeitlosen Im Jahre 1992 gerät die Erde in die jahrtausendealte Auseinandersetz...
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J. A. Garrett
Band 34
Konterschlag der Zeitlosen Im Jahre 1992 gerät die Erde in die jahrtausendealte Auseinandersetzung zwischen Orathonen und Laktonen. Unser Planet wäre vernichtet worden, wenn nicht der damalige Präsident der Vereinigten Staaten, Rex Corda, eingegriffen hätte. Corda verbündet sich mit den Laktonen und vertreibt mit ihrer Hilfe die Orathonen. Eigentlich ist Terra innerhalb dieser galaktischen Auseinandersetzung nur ein unwichtiger Planet am Rande der Milchstraße. Aber Rex Corda, zum Präsidenten von Terra gewählt, ahnt bereits, daß die Erde gegen einen dieser galaktischen Riesen die endgültige Entscheidung herbeiführen muß oder untergehen wird. Da erhält Rex Corda die entscheidende Hilfe: Der geniale terranische Wissenschaftler Walter Beckett erfindet einen Kunststoff mit überragenden Eigenschaften. Rex Corda nennt diesen Stoff Becon. Der unzerstörbare Stoff saugt alle Energien wie ein Schwamm in sich auf.
Beängstigend ist, daß sich mit Becon das Hirn eines Menschen ebenfalls beeinflussen läßt. Ein Mensch, in den dieser Kunststoff hineinoperiert wird, ist unverwundbar. Sehr schnell haben die Orathonen und Laktonen die Bedeutung dieses Stoffes erkannt. Die Jagd auf Becon beginnt. Dem Flottenkommandeur der Orathonen, Sigam Agelon, gelingt es sogar, sich ein Stück Becon ins Hirn einsetzen zu lassen. Sigam Agelon will mit Hilfe seiner neuen Fähigkeiten die Herrschaft über die ganze Galaxis an sich reißen. Er versucht, das Reich der „Zeitlosen", der Wächter über die gesamte galaktische Ordnung, zu zerstören. Rex Corda eilt den „Zeitlosen" mit dem Raumschiff „Walter Beckett" zu Hilfe. Nur noch Augenblicke trennen den wahnsinnsbesessenen Sigam Agelon von seinem endgültigen Sieg. Da erhalten die „Zeitlosen" die entscheidende Hilfe Rex Cordas. Es beginnt der „Konterschlag der Zeitlosen"!
Die wichtigsten Personen: Rex Corda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberbefehlshaber der „Walter Beckett" Sigam Agelon . . . . . . . . . . . . . . will das Reich der „Zeitlosen" vernichten Tsati Mutara . . . . . . . . . . . . . . Terraner in orathonischer Gefangenschaft Fhema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wächter der „Zeitlosen" Ierra Kretan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . schöne laktonische Mathematikerin
Schweiß perlte auf der Stirn Fhemas, und die Augenlider mit den leuchtenden Farbtupfen zitterten. Fhema flog seinen ersten Einsatz. Alle Stationen in Sektor GH-5 standen in höchster Alarmbereitschaft. Es war etwas eingetreten, was in der Geschichte der „Zeitlosen" einmalig war. Nie zuvor war eine Macht so tief in die Raumvakuole eingedrungen. Die Fremden zurückzuschlagen und aus der Vakuole zu vertreiben, war das oberste Ziel. Dieses Ziel mußte mit allen Mitteln erreicht werden. Zwölf Flugobjekte näherten sich. Die Flotte Sigam Agelons. Die Abstrahlfelder der Energiekanonen und Raketenwerfer waren auf die sich nähernde Flotte gerichtet. Unruhig rutschte Fhema auf seinem Sessel hin und her. Er fühlte instinktiv, daß sie es erstmals seit Bestehen der Vakuole mit einem Eindringling zu tun hatten, der sich anders verhielt und der stärker war als alle anderen Feinde, die in der nach Jahrmillionen zählenden Geschichte der „Zeitlosen" Eingang durch das Pentagramm fanden. Fhema wandte sich langsam zur Seite. Er musterte die energischen, willensstarken Gesichter jener Männer, die mit ihm den Einsatz flogen. Er sah den Schimmer in ihren Augen, der ihm verriet, was sie in diesen Sekunden dachten. Sie fürchteten die Begegnung mit Sigam Agelon, der in dieses Reich eingedrungen war. Die zurückliegenden Kämpfe hatten gezeigt, daß die Waffen der Orathonen denen der „Zeitlosen" fast gleichwertig waren. Würde Sigam Agelon auch etwas gegen die Fliegenden Stationen aus Sektor GH 5 ausrichten können? Schon die nächsten Minuten mußten diese Frage beantworten.
Fhema atmete tief durch. Die Schlangenlinien liefen rascher über die Oszillographenschirme, die roten Punkte hatten sich zu faustgroßen Gebilden entwickelt — und .jetzt war auch Direktsicht auf den Ortungsschirmen möglich. Die zwölf orathonischen Hantelraumer waren zum Inbegriff einer erschreckenden Macht geworden. Sie durften nicht ins Zentrum der Vakuole. Die Existenz des Reiches war gefährdet. Härter und intensiver mußte der Kampf werden, wenn die Wächter der Großen Gesetze den Auftrag des „Hirns" weiter erfüllen wollten. Sie waren die Geschöpfe dieses „Hirns"! Fhema riß sich aus seinen Gedanken. „Feindberührung steht unmittelbar bevor", meldete sich Tanlo, der Ortungsspezialist, der den Platz neben Fhema innehatte. Um Fhemas Mund verstärkte sich der zynische Zug, der ein typisches Merkmal seiner Rasse war. „Alle Stationen gefechtsklar", sagte er mit ruhiger, gewaltsam beherrschter Stimme. Der gleiche Befehl galt den sechs fliegenden Kampfstationen, die 200 Meilen in einer weit auseinandergezogenen Kette hinter der Führungsstation folgten. Das Signal zum Angriff war gegeben. Die sechs Fliegenden Stationen rückten auf. Fhemas Gesicht war ernst und gespannt. Er nahm sich vor, kalt, nüchtern und überlegen den Kampf zu sehen, der ihm bevorstand. Der Durchstoß Agelons durch die ersten Abwehrraketen konnte ein Zufall gewesen sein. Ein solcher Zufall brauchte sich nicht zu wiederholen. Es lag ganz alleine an ihm und seiner Führerpersönlichkeit, was er aus der Situation machte. Fhema nickte.
„Abschußzone drei, vier und sechs freigeben!" Ein Dröhnen ging durch die geschwungenen Plattformstationen, als das ungeheuere Energiepotential frei wurde. Die Beleuchtung innerhalb der Kommandozentrale wurde für einige Sekunden merklich schwächer. Fhema starrte auf die Ortungsschirme. Plötzlich trat ein ungläubiger Ausdruck in seine Augen. Seine Lippen bebten. Er schluckte heftig. Bis vor wenigen Sekunden hatte er noch deutlich zwölf Hantelraumer gesehen. Jetzt waren sie mit einem Male verschwunden! * Beim Anflug der fliegenden Kampfstationen hatte Sigam Agelon sofort erkannt, daß die „Zeitlosen" ihn in eine erneute Kampfhandlung ziehen wollten. Die Energievorräte an Bord der Schiffe hatten durch den harten Kampf beim Einflug durch das Pentagramm merklich gelitten. Die Stationen mußten teilweise überholt werden. Fieberhaft waren Staras, Jumper und Whims mit Instandsetzungsarbeiten beschäftigt. „Wir können ihnen entkommen, wenn wir es geschickt anfangen", kam es wie ein eisiger Hauch über Agelons Lippen. Seine rote Bluse spannte sich wie eine zweite Haut über seinen breiten Brustkorb. Auf den mannshohen Holografen in der Kommandozentrale beobachtete er die Annäherung der sieben Stationen. Die hervorragenden Ortungsinstrumente zeigten jedes Detail der waffenstarrenden Oberfläche der geschwungenen Plattformen. Die Sektorenvergrößerungen zeigten die aktivierten Abstrahlfelder der Energiekanonen. Nur Sekunden konnte es
noch dauern, bis die 12 Hantelraumer seiner Flotte unter den Fernbeschuß dieser schlagkräftigen Giganten gerieten. „Sofort Dracowerfer aktivieren", hallte Sigam Agelons Befehl durch alle Schiffe. Blitzschnell wurden die Geschoßladungen mit der chemischen Substanz in die Abschußrohre gestoßen. Das Abschießen der Substanz traf fast gleichzeitig mit dem Angriff der Fliegenden Stationen der „Zeitlosen" zusammen. Grelle Energiefinger huschten auf Sigam Agelons Flotte zu, während sich der Raum zwischen den „Zeitlosen" und Agelons Flotte unter dem ständigen Dracobeschuß merkwürdig veränderte. Die Geschoßladungen der Dracowerfer wirkten wie Schrot aus Flinten. 200 Ladungen verließen mit einer Schußfolge innerhalb einer Minute die Kampfstände. Mit dem bloßen Auge war die Wirkung, die das Draco erzeugte, nicht zu erkennen. Aber auf den Ortungsschirmen der Gegner würde dieses elektrische Feld eine unangenehme Erscheinung sein. * Fhema sprang von seinem Sitz auf. Die Ortungsschirme waren defekt. Wolken und Schlieren zogen sich wie eine zähe Masse darüber hinweg, verhinderten jegliche Orientierung. Über Fhemas Lippen sprudelten die Befehle. „Beschuß aufrechterhalten! Der Befehl gilt für alle Kampf-Stationen. Schießt in das vernebelte Raumfeld hinein. Dort müssen sie sich noch befinden. Jetzt sind wir auf den Zufall angewiesen." Die Automaten summten, Kontrolllichter flackerten nervös, die Kraftstationen dröhnten in der Tiefe der Plattformen.
Siedend heiß wurde Fhema der Fehler bewußt, den er gemacht hatte. Er hatte zu lange gezögert. Mit der Absicht, auf jeden Fall alles richtig zu machen, hatte er dem Gegner zuviel Zeit gelassen. Sigam Agelon hatte sich keine Sekunde zu lang besonnen. Er wußte, was für ihn und seine Flotte auf dem Spiel stand. Er durfte sich jetzt keinen Fehler erlauben. Gerade jetzt nicht mehr, so dicht vor seinem Ziel. Er war auf dem Anflug in das Zentrum der Vakuole, und er war entschlossen, die „Zeitlosen" zu vernichten. Während Agelon mit ruhiger, gelassener Stimme seine Befehle erteilte und die Flotte weit nach außen kommandierte, um dem blindwütigen Beschuß nicht doch noch zum Opfer zu fallen, arbeitete Fhema mit allen Mitteln daran, seinen Fehler wiedergutzumachen. Er koordinierte die Kampfstationen neu, wollte eine Verwirrung in den eigenen Reihen verhindern. Blindlings wurden Raketengeschosse und Energieschüsse in das Dracofeld abgefeuert. Doch nirgends zeigte ein Aufblitzen an, daß einer der Hantelraumer getroffen war. Agelons Ziel war das Zentrum der Flotte. Er würde sich diesem Zentrum nähern, dessen war Fhema sich sicher. Seine hohe Stirn war in steile Falten gelegt. Sein erster großer Einsatz stand unter einem unglücklichen Stern. Ein Entsetzensschrei hallte durch die Zentrale. In unmittelbarer Nähe waren sich zwei Kampfstationen zu nahe gekommen. Die Kolosse waren zusammengeprallt. Ein Feuermeer breitete sich um Fhemas Station aus. Die Piloten warfen den Kampfriesen herum. Die Männer um Fhema hielten den
Atem an. „Geschwindigkeit verringern", kam es wie ein Hauch über die Lippen des „Zeitlosen". „Es bleibt uns nichts anderes übrig, als abzuwarten, bis sich das Nebelfeld abgebaut hat. Bis dahin können wir nichts anderes tun, als unsere Hände in den Schoß legen." Die Schätzungen ergaben, daß Sigam Agelons Flotte ein Raumfeld von mehr als 20 000 Kubikkilometer mit Draco gefüllt hatte. In diesem gigantischen Nebelgebiet war praktisch Nacht für die elektronischen Augen der Objektive. Sie konnten das elektrische Feld nicht durchdringen. Fhema und seine Begleiter waren hilflos. Die gewaltigen Kampfstationen waren ausgeschaltet worden, ehe sie noch richtig in Tätigkeit getreten waren. Abermals hatte Sigam Agelon den „Zeitlosen" einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er hatte erneut bewiesen, wie schnell und gefährlich er war. Und er genoß diesen Sieg. Während die „Zeitlosen" in den fünf verbliebenen Kampfstationen bemüht waren, sich langsam und vorsichtig aus dem mit Draco gefüllten Raumabschnitt herauszufinden, um Sigam Agelons Spur erneut aufzunehmen, beorderte Agelon mit eiskalter Ruhe seine Hantelraumer direkt über die fliegenden Kampfstationen hinweg. Er hatte sich zunächst weit nach links tragen lassen, um dem intensiven Beschuß zu entgehen. Denn er hatte blitzschnell überlegt, daß die „Zeitlosen" annehmen mußten, er würde auf der linken Seite das Dracofeld umgehen. Nach weniger als 30000 Kilometern war er auf dem gleichen Weg zurückgekommen, hatte die Schiffe seiner Flotte über die Kampfstationen hinweggetragen und näherte sich nun auf diesem Weg dem Zentrum der Vakuole. Bis die Angreifer in den fliegenden
Kampfstationen das Täuschungsmanöver Agelons bemerken würden, hatten die Hantelraumer einige Millionen Kilometer Vorsprung. Sigam Agelon war zufrieden. Das grüne Gesicht des Orathonen glänzte, als sei es mit einer Fettschicht bedeckt. In seinen kalten Augen schimmerte ein rätselhaftes Licht. Er saß in einem Andrucksessel auf der Kommandobrücke und blickte gedankenverloren auf einen der großen Hauptholografen, auf dem sich in der Ferne des sternenarmen Raums eine kleine weiße Sonne zeigte. Die Schiffe der Flotte beschleunigten, um das Dracofeld rasch hinter sich zu bringen. „Ich komme", flüsterte Agelon, und seine brennenden Blicke bohrten sich in die Tiefe des blauen Universums, dessen Farbe so viel freundlicher und wärmer war als der schwarze kalte Hintergrund jenes Alls, aus dem er kam. „Und nichts, nichts wird mich davon zurückhalten!" Er schien nicht zu bemerken, daß die Worte im Selbstgespräch über seine Lippen kamen. Ein zynischer Zug lag auf seinem arroganten Gesicht. Sigam Agelon wußte, daß die „Zeitlosen" mit allen Mitteln gegen ihn vorgehen würden. Er war ein Verlorener, ein Ausgestoßener, er hatte mehrmals gegen die Großen Gesetze verstoßen. Die „Zeitlosen" würden bereits auch jetzt schon wieder wissen, daß es ihm gelungen war, die fliegenden Kampfstationen zu umgehen. Nichts, was innerhalb der Vakuole geschah, entging den geheimnisvollen Wächtern. Sie schienen alles zu wissen, was innerhalb jedes einzelnen Raumschiffes vor sich ging. Vergebens hatten Spezialisten bisher versucht, festzustellen, wie die „Zeitlosen" in den Besitz
der Informationen gelangten. Da veränderte sich plötzlich der Raum vor den Hantelraumern. Ein gelbliches Flimmern lag auf den mannshohen Hauptholografen über dem Kommandostand. Ein riesiges Energienetz schien sich vor der „Linthos II" auszuspannen. Wie von einer Tarantel gestochen sprang Sigam Agelon auf die Füße. Seine Augen blitzten. Der Energievorhang wurde dichter, formte sich in wirbelnden Spiralen zu einer gigantischen menschenähnlichen Gestalt. Sxgam Agelon hielt den Atem an. Die Offiziere starrten mit Erschrecken in den Augen auf die Holografen, auf denen sich nun deutlich die titanenhafte Gestalt eines „Zeitlosen" abzeichnete. Sigam Agelon schluckte. Die Projektion des „Zeitlosen" hatte die Größe eines Planeten, der vor der „Lynthos H" zu schweben schien. Die titanenhafte Gestalt hing drohend in dem blauleuchtenden Raum vor ihnen. Auf dem energischen Gesicht stand der Wille zu lesen, Sigam Agelon für sein Vorgehen zu strafen. Und dann hallte die mächtige, zornige Stimme durch das Schiff. Sie war überall zu hören. In allen 12 Hantelraumern der zusammengeschmolzenen Flotte, in jeder Kabine. In den Wohnunterkünften der Whims und der Staras ebenso wie in den Laderäumen, in den Gerätehallen, den Hangars und in den Waffenarsenalen. Keiner der Orathonen sollte vergessen werden. Jeder einzelne sollte die Botschaft zu hören bekommen. Spezialisten für Abhöranlagen und Funktechnik huschten durch die Kabinen, versuchten herauszufinden, mit welchen Mitteln die „Zeitlosen" die Stimme übertrugen. Sie suchten vergebens. Sie konnten nicht die geringsten Anzeichen technischer Hilfsmittel feststellen.
Die Stimme war einfach da. Sie erfüllte dröhnend das Innere der Schiffe. Und mit jedem Wort, das die Projektoren in die Schiff schleuderten, wurde die Stimme schärfer, drohender, zorniger. „... haben die ,Zeitlosen' Sie als Verlorenen erklärt, Sigam Agelon." Der Flottenkommandeur der Orathonen stand wie aus Stein gemeißelt vor dem mannshohen Holografen. Die Giganten-Projektion des „Zeitlosen" schien der „Lynthos II" bewegungslos gegenüberzustehen. „Zahlreiche Verstöße gegen die Großen Gesetze verlangen eine Sühne, Sigam Agelon!" Immer und immer wieder wurde sein Name genannt, wurde scharf herausgehoben. Kalt und dröhnend hallte die mächtige Stimme durch die Hantelraumer. „Sie haben es gewagt, in der Nähe eines Planeten in den Hyperraum zu gehen. Als Orathone kannten Sie das Ausmaß eines solchen Vergehens. Das letzte und schwerste Vergehen aber war, in das Reich der .Zeitlosen' einzudringen." Die Stimme verhallte wie ein Echo, schien von den Wandungen der Schiffe wie von einem Schwamm aufgesogen zu werden. Sigam Agelon verzog angewidert die vollen Lippen. „Warum habt ihr mich nicht daran gehindert?" fragte er spöttisch, während er theatralisch die Hände hob und sie langsam wieder sinken ließ. Es erfolgte keine Antwort. Die Gigantenprojektion starrte von den Holografen. „Weil ihr mich nicht hindern konntet", fuhr Sigam Agelon mit eisiger Stimme fort, und wieder steig das wahnsinnige Leuchten in seine Augen. „Weil ich zu mächtig geworden bin, mächtiger als ihr." „Sie wagen große Worte, Sigam Age-
lon!" Die Donnerstimme des „Zeitlosen" erfüllte abermals die Schiffe. Gebannt starrten die in der Zentrale anwesenden Offiziere und Techniker auf ihren Kommandanten, der furchtlos und in unerhörter Anmaßung den „Zeitlosen" den Kampf angesagt hatte. Viele fragten sich in diesen Sekunden, ob das, was Sigam Agelon sich jetzt erlaubte, überhaupt noch zu einem guten Ende für die Flotte würde führen können. Die „Zeitlosen" waren mächtig. Sie waren die Wächter der Großen Gesetze. Die anklagenden Worte waren nur der Beginn des vernichtenden Urteils, das an Sigam Agelon vollzogen werden sollte. Auch Tsati Mutara war Zeuge der Auseinandersetzung zwischen Sigam Agelon und dem Projektionsbild der „Zeitlosen" im Raum vor der „Lyn-thos II". Der hellhäutige Neger verstand nur sehr wenig von der orathonischen Sprache. Und jedes Wort, das der „Zeitlose" gesprochen hatte, war orathonisch gewesen. Tsati hielt sich am anderen Ende der Zentrale auf. Der rote Trop, ThaliFenberth-Fen-Berthnyen, saß auf seiner linken Schulter und flüsterte ihm ununterbrochen die Übersetzung zu. Da wandte Sigam Agelon sich um. Mit einem triumphierenden Blick musterte er die Männer in der Kommandozentrale. Er sah in furchterfüllte, zweifelnde Gesichter. Er erblickte aber auch den terranischen Mutanten Mutara, und es schien, als ob der Blick Agelons zwei Sekunden länger auf Mutara ruhte. Sigam Agelon reckte sich, er schien zu wachsen, als er jetzt der riesigen Projektion auf dem Holografen wieder Angesicht zu Angesicht gegenüberstand. „Ich kann solche großen Worte sagen", sagte der Orathone hart, und er betonte jede Silbe, als genösse er den Widerstand, den er den „Zeitlosen" entgegensetzte.
„Ich bin Sigam Agelon. Ich bin der ,Unbesiegbare'." Er lachte dröhnend, daß es schaurig in der Kommandozentrale widerhallte. Er öffnete abermals den Mund, um zu sprechen. Da schnitten die scharfen zornigen Worte des „Zeitlosen" ihm die Rede im Ansatz ab. „Die 'Zeitlosen' haben über Ihr Schicksal entschieden, Sigam Agelon! Die ,endlose Strafe' ist Ihnen gewiß." Für Sekunden herrschte eine tödliche Stille nach diesen donnernden Worten. Die Gigantenfigur im Raum vor der „Lynthos II" schien wie unter einem leichten Windhauch hin und her zu schwanken. Die Männer in der „Lynthos II" hielten den Atem an. Die „endlose Strafe"? Niemand kannte sie. Nur Sigam Agelon schien nicht gerührt zu sein. Er lachte höhnisch. Die nichtssagenden Drohungen waren ihm bedeutungslos. Er war unbesiegbar. Er war der Mächtige. Er mußte die „Zeitlosen" nicht fürchten — sondern die „Zeitlosen" mußten ihn fürchten. „Dann vollzieht euere Strafe", stieß er hervor, und in seinem harten Gesicht verstärkte sich der verächtliche Zug. Er zitterte nicht. Er war ein ruhender, ein eiskalter Berg in der Mitte jener Männer, die jetzt um ihr Leben zu fürchten begannen. „Vollzieht sie!" forderte er den „Zeitlosen" abermals mit klarer, schneidender Stimme auf. „Ich aber erkläre euch, daß euere Aktionen — in meinem Sinne — gesetzlos sind. Ihr habt die ,endlose Strafe' für mich vorgesehen. Ich aber bin gnädig. Ich verurteile euch zum Tode. Ich bin der Vollstrecker. Euere Zeit ist zu Ende, euere Herrschaft geht in die Hände eines wirklich Mächtigen über.
Sie geht in meine Hände." Er blickte sich triumphierend um, als erwarte er den Beifall seiner Leute. Einer der Offiziere in der Zentrale verlor in diesen Sekunden die Nerven. Mit einem tierischen Aufschrei stürzte er auf Sigam Agelon zu, riß seinen Strahler aus dem Gürtel und feuerte in einem Anfall von Raserei das gesamte Energiepotential auf den Featherhead ab. Sigam Agelon verzog keine Miene. Als „Veränderter" war er nicht zu töten. Nicht mit einer solchen Waffe. Die Energie schien Millimeter von seinem Brustkasten entfernt im Nichts zu verschwinden. Unter den für jeden Normalsterblichen tödlichen Energiemengen schien der kräftige Körper Agelons sich zu spannen und zu kräftigen. „Dummkopf", zischte Sigam Agelon und wischte mit einer Handbewegung den Tobenden wie ein lästiges Insekt hinweg. Eine herrische Handbewegung Sigam Agelons rief andere Offiziere auf den Plan. Sie schafften den Schreienden hinaus. „Es ist ein Hohn", wandte Sigam Agelon sich völlig ruhig an die Projektion des „Zeitlosen" auf dem Holografen, als sei nichts geschehen. „Ihr droht mir Strafe an — und ich werde das Urteil an euch vollstrecken!" Seine Stimme veränderte sich um keine Nuance, als er die unzähligen Projektionen bemerkte, die sich aus dem Nichts formten und als Gigantenbildnisse auf sein Schiff zustürmten. Es waren Hunderte, die die Flotte wie einen lebenden Wall umzingelten. Riesige Kampfstationen tauchten plötzlich zwischen den Bildern der „Zeitlosen" auf, glutrote Energiebälle hohen energetischen Potentials rasten auf die „Lynthos II" und die verbliebenen 11 Hantelraumer zu. Doch Sigam Agelon zeigte keine
Furcht. „Sie sind am Ende", knurrte er mit dumpfer Stimme. „Sie wissen sich nicht mehr zu helfen. Projektionen, nichts als Projektionen werfen sie uns entgegen. Ist das der Beginn der ,endlosen Strafe', die sie mir angedroht haben? Und jetzt, jetzt werde ich das Urteil vollstrecken", kam es beinahe flüsternd über Sigam Agelons Lippen. „Und das wird viel wirkungsvoller sein. Von dem ganzen Zauber wird nichts mehr übrig bleiben..." * Die „Walter Beckett" war auf dem Weg zum Zentrum der Vakuole. Die Jagd nach Sigam Agelon wurde fortgesetzt. Ernst und verschlossen stand Rex Corda in der Kommandozentrale. Die Spuren der Anstrengungen in den letzten Wochen hatten sich in das Gesicht des Präsidenten der Erde eingegraben. Durch tausend Gefahren hatte er gehen müssen, ehe es ihm gelungen war, in die Raumvakuole der „Zeitlosen" einzudringen. Er war durch das „Pentagramm der Dunkelsterne" in die Raumvakuole eingeflogen. Zwischen fünf erloschenen Sonnen gab es ein „Loch", das in das Reich der „Zeitlosen" führte. Die Vakuole war der Lebensbereich einer geheimnisvollen fremden Rasse, die sich die „Zeitlosen" nannte. Diese Vakuole war ein „Mini-Universum", ein künstlich geschaffener Lebensraum, in dem die „Zeitlosen" herrschten. Dieses Universum unterschied sich von der Heimat Cordas schon dadurch, daß es eine andere Farbe hatte. Es schimmerte in einem warmen Blauton. Auffallend war auch, daß dieser Raum verhältnismäßig arm an Sternen war. Die Wissenschaftler an Bord der „Walter Beckett", dem terranischen Flaggschiff, hatten die
Zahl der Sterne auf annähernd 20000 geschätzt. Hex Corda wurde aus seinen Gedanken gerissen, als die Funk- und Ortungsabteilung sich meldete. Die „Walter Beckett" wurde von einem Wrack verfolgt! Es mußte ein Wrack des Trümmerplaneten sein, von dem sie sich gerade befreit hatten. Kurz darauf war dieses Wrack schon auf den Holografenschirmen zu sehen. Es folgte der „Walter Beckett" mit verhältnismäßig hoher Geschwindigkeit. Die Berechnungen der Computer ergaben, daß das Wrack ihnen schon seit Stunden gefolgt sein mußte, ohne bemerkt worden zu sein. Die Männer der „Walter Beckett" waren nicht allein auf ihrer Jagd nach Sigam Agelon! Die Lippen Rex Cordas waren zu einem schmalen Strich zusammengepreßt. Er starrte auf den Hauptholografen über dem ausladenden Steuerpult der „Walter Beckett" und nahm das Wrack näher in Augenschein. „Als der Trümmerplanet in Stücke ging, muß dieses Wrack, anstatt in den Sog des Pentagramms gezogen zu werden, in die entgegengesetzte Richtung geschleudert worden sein. Aber ein Schiffswrack kann durch die Explosion des Planeten nicht so stark beschleunigt worden sein, daß es uns einholen konnte. Etwas stimmt hier nicht." Die letzten Worte Cordas waren fast nur noch ein Flüstern gewesen. Fatlo Bekoval war zu Corda und Percip getreten. Der Laktone drehte seinen massigen Kopf langsam zu Rex Corda herum. „Sie haben einen bestimmten Gedanken, Sir?" fragte er. „Es ist nur eine Vermutung, mehr nicht." Rex Corda ließ das Wrack, das erstaunlicherweise recht gut manövrierfähig war, nicht aus den Augen. Das
Wrack, das ihnen in einer Entfernung von weniger als 2000 Meilen folgte, hatte die Form eines Kreisels, dessen oberes Ende völlig zerfetzt zur Seite hing und einen gewaltigen ausgezackten und ausgefransten Einschnitt am oberen Pol freigab. Auch seitlich war das Kreiselschiff aufgerissen, mehrere Schotts standen weit offen, von manchen Schleusen waren nur noch Reststücke vorhanden. Der Raumkreisel war zwar äußerlich beschädigt, schien aber in seinem Antrieb noch einwandfrei zu arbeiten. Auch die Steuerelemente waren ganz offensichtlich in Ordnung. Merkwürdig. Rex Corda kniff die Augen zusammen. Er konnte nicht erkennen, auf welchem Prinzip der Antrieb beruhte. Der Kreisel glitt schwerelos hinter ihnen her, ohne sichtbare Antriebstätigkeit. „Wir waren nicht die ersten und nicht die einzigen Lebewesen auf dem Trümmerplaneten", überlegte Corda laut. „Es ist nicht ausgeschlossen, daß es viele ,Gäste' auf dieser Trümmerwelt gegeben hat, von denen wir nichts bemerkten. Vielleicht aber hat uns jemand bemerkt, dem wir interessant erscheinen." Bekoval hob unmerklich die Augenbrauen. Fremde, die die Absicht hatten, die „Walter Beckett" zu kapern? Hatte Corda das mit seinen Bemerkungen sagen wollen? Die „Walter Beckett" hatte noch immer genügend Proviant an Bord und war ein begehrtes Objekt für Plünderer. Aber glaubten die Burschen in dem Kreisel wirklich daran, dieses becongepanzerte Raumschiff mit Gewalt nehmen zu können? Bekoval bemerkte nicht, daß seine Gedanken ein wenig zu weit führten. Rex Corda sah ihn an. Der Präsident lächelte, und in seine blauen Augen trat
ein seltsamer Lichtschimmer. „Nicht das Schlimmste befürchten, Bekoval", sagte Corda, als hätte er die Gedankengänge des Laktonen, der nun die terranische Staatsangehörigkeit hatte, gelesen. „Wenn sie wirklich etwas von uns wollen, dann werden wir das bald wissen. Vielleicht aber braucht auch jemand unsere Hilfe. Auch das wäre möglich, nicht wahr?" Er gab der Funkerabteilung den Auftrag, Verbindung zu dem sie verfolgenden Wrack aufzunehmen. John Haick versuchte sein Möglichstes. Er konnte jedoch dem Freund kein Ergebnis mitteilen. „Die Impulse kommen an, Rex", meldete er sich wenig später über einen der Nebenholografen aus der Funk- und Ortungsabteilung. „Aber entweder verstehen sie nichts damit anzufangen, oder an Bord ist niemand mehr, der uns eine Antwort geben könnte." Corda war skeptisch. „Das Schiff steuert sich nicht von alleine", meinte er nachdenklich. Bekoval zuckte die Achseln. „Wer weiß", entgegnete er auf Cordas ruhige Bemerkung. „In diesem Raum ist alles möglich. Vergessen wir nicht, daß wir in einer Raumvakuole sind, in der unsere physikalischen Gesetze nicht unbedingt stimmen müssen." Rex sah den kräftigen Laktonen von der Seite her an. Er wußte in diesen Sekunden nicht, wie Fatlo Bekoval seine Worte gemeint hatte. Er kannte die Art des Laktonen, gern über etwas zu spotten, aber Fatlo hatte seine Bemerkung in einem Tonfall gesagt, der ihm wenig mit Spott zu tun zu haben schien. „Wir werden der Sache auf den Grund gehen", sagte Corda, nachdem er von der Ortungsabteilung die Meldung erhalten hatte, daß der fremde Kreiselkörper um 300 Meilen näher gekommen sei.
Corda gab den Befehl, die Geschwindigkeit der „Walter Beckett" zu verringern. Aufmerksam blickte er auf Bekoval und Percip. Gemeinsam bestandene Abenteuer hatten aus den beiden ehemaligen Feinden Freunde der Erde gemacht. Und Corda dachte daran, daß jetzt eigentlich nur noch der kleine Kynother Ga-Venga fehlte. Ga-Venga, der Chefdolmetscher, hielt sich normalerweise den größten Teil des Tages in der Kommandozentrale der „Walter Beckett" auf. Doch jetzt sah Corda ihn nirgends. Seine Miene wurde besorgt. Ga-Venga hatte sich während der letzten Tage merklich verändert. Die Begegnung mit einem Schiff aus seiner Heimat Kynoth hatte ihm doch ärger zugesetzt, als er sich selbst eingestehen wollte. Zum erstenmal auch hatte Corda nach diesen Ereignissen etwas mehr über das erbarmungslose Schicksal erfahren, unter dem die Rasse der Kynother unter der Herrschaft der Laktonen zu leiden hatte. Das Volk wurde versklavt, und Ga-Venga, der selbst nicht frei war, sondern unter dem Befehl Sir K. Enschkos stand, der seine „Botschaft" auf dem Mars hatte, konnte nicht das geringste für sein Volk tun. „Ga-Venga wird in seiner Kabine sein", bemerkte Percip leise. Das Schicksal des Kleinen ging auch ihm nahe. Unter der freundlichen sorgenlosen Miene hatte sich all die Zeit hindurch die große seelische Qual verborgen, die Ga-Venga erlitt. Corda atmete hörbar auf. „Lassen wir ihn mit sich und seinen Gedanken allein. Er braucht jetzt eine gewisse Zeit, um damit fertig zu werden. Und vielleicht — vielleicht wird Terra ihm eines Tages einmal helfen können." Percip und Bekoval sahen ihn an.
Dieser Terraner, den sie vom ersten Augenblick an wegen seiner Eigenart bewundert hatten, schien die Gabe zu haben, in die Zukunft zu schauen. Oder aber, er war sich über den Weg, den er zu gehen hatte, so im klaren, daß er es wagen konnte, solche Worte zu sprechen. Corda hatte immer entschlossen für die Freiheit der Erde gekämpft. Er hatte von Anfang an erkannt, was er tun mußte, um die Menschheit vor einem traurigen Sklavendasein zu bewahren. Wenn jemals jemand in der Lage war, den kleinen dritten Planeten des Systems Sol, der in die Mühlensteine eines gigantischen galaktischen Krieges geraten war, zur Blüte einer Entwicklung zu führen, die sowohl Laktonen als auch Orathonen gefährlich werden konnte, dann war das Rex Corda. Das Wrack des fremden Raumschiffes war der jetzt mit sehr geringer Geschwindigkeit fliegenden „Walter Bekkett" bis auf l 000 Meilen näher gekommen. Mehr Einzelheiten auf der zerbeulten und zerklüfteten Oberfläche des Raumschiffwracks wurden jetzt sichtbar. Antennen und Absorberanlagen waren zu erkennen. Der Kreisel schien über eine nicht geringe Bestückung verfügt zu haben. Mehrere zerrissene Strahlkanonen im aufgeklappten Schott einer Kampfkuppel wiesen eindeutig darauf hin. Doch nichts drüben im Schiff rührte sich. Entweder man wartete ab — oder aber es war wirklich niemand mehr an Bord, und das Schiff war durch einen Zufall tiefer in die Vakuole hineingeschleudert worden. Rex Corda vermutete, daß das letztere der Fall war. Bir Osgo aus der wissenschaftlichen Abteilung der „Walter Beckett" meldete sich. Er hatte das Wrack ebenfalls eine
ganze Zeit lang auf einem Nebenholografen beobachtet und war zu dem Schluß gekommen, daß noch eine andere Möglichkeit in Betracht zu ziehen sei. „Durch den auseinandersprengenden Planeten kann sich möglicherweise die Steuerpositronik selbsttätig eingeschaltet haben", meinte er, und auf dem Holografen war zu erkennen, daß seine braunschwarzen Augen ständig in Bewegung waren. Er musterte die Anwesenden um Corda unsicher. Gerade auf Percip und Bekoval schien er ein besonders wachsames Auge geworfen zu haben. Bir Osgos Unsicherheit war an Bord der „Walter Beckett" sprichwörtlich geworden. Osgo war klein, und er hatte gerade wegen seiner Körpergröße ausgesprochene Minderwertigkeitskomplexe. Fatlo Bekoval grinste. „Der Kleine hat manchesmal ausgesprochen gute Einfälle." Seine trockene Bemerkung ließ Bir Osgo heftig reagieren. Er warf seinen kegelförmigen Kopf herum, und seine Augen schienen auf dem ungeheuer echt wirkenden dreidimensionalen Holografenbild Blitze auf Fatlo Bekoval zu schleudern. Sein kleiner Mund verzog sich zu einem runzligen Etwas. „Wenn Ihnen meine Größe nicht paßt, dann sehen Sie nicht hin", entgegnete Osgo rauh. Er schluckte heftig, und um sein schmal zulaufendes Kinn zuckte es. Corda unterbrach mit einem Blick auf Bekoval den Disput, ehe der Laktone eine weitere Bemerkung über Bir Osgos Körpergröße fallen lassen konnte. Bekoval preßte die Lippen zusammen und trat drei Schritte zur Seite. Er kam damit aus dem Aufnahmebereich, und Osgo konnte ihn von der Forschungsabteilung aus nicht mehr sehen. Corda bedankte sich für die Hinweise Osgos.
Der Wissenschaftler vermutete stark, daß der Autopilot die Führung des Schiffes übernommen habe. „Anders kann die Steuerung des Schifies nicht zu erklären sein. Vorausgesetzt natürlich, daß kein Leben mehr an Bord des Wracks ist." Die Holografenverbindung wurde unterbrochen. Percip hatte den Ausführungen Bir Osgos aufmerksam gelauscht. „Vielleicht hat er recht", sagte er langsam, und er sah an Corda vorbei auf das Wrack, das fast den mannshohen Hauptholografen über dem Steuerpult ausfüllte. „Vielleicht aber auch nicht, Corda. Wir sind im Reich der ,Zeitlosen'. Die ,Zeitlosen' sind mächtig. Es gibt hier in dieser Vakuole Dinge, die selbst für Örathonen und Laktonen unerklärlich sind. Nur aufgrund ihrer hochentwikkelten Technik ist es den ,Zeitlosen' überhaupt möglich, ihrer Rolle als Wächter der Großen Gesetze gerecht zu werden. Das Wrack kann auch eine Falle für Sie sein, Sir." Corda nickte bedächtig. Auch ihm war dieser Gedanke schon durch den Kopf gegangen. „Wir werden es bald genauer wissen. Ich werde einen Diskus klarmachen lassen." „Wenn es eine Falle für Sie ist, Sir, dann wäre es besser, in der ,Walter Beckett' zu bleiben." Der Lithalon-Geborene sah ihn ernst an. „Die ,Zeitlosen' wissen, daß Sie in ihrem Reich sind. Alles erfahren sie. nichts bleibt ihnen verborgen. Wie sie sich die Informationen beschaffen — das wissen wir nicht." Nach einer kurzen Diskussion erklärte Rex Corda sich bereit, Percips Vorschlag zu folgen. Ein Diskus vom Pon-Typ sollte zum Wrack hinüberfliegen.
Drei Forscher und ein terranischer Offizier sollten im Pon-Diskus sein. „Sie, Corda, werden jetzt dringender an Bord der ,Walter Beckett" gebraucht", machte Percip sich bemerkbar, während der Diskus in dem betreffenden Hangar bereits startklar gemacht wurde. „Die ,Zeitlosen' werden es sich nicht so einfach gefallen lassen, daß wir in das Zentrum der Vakuole vorstoßen. Über kurz oder lang werden hier wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen." Die Männer verfolgten das Ausschleusen des Pon-Diskus'. Sie sahen, wie der kleine Raumer, der einen Durchmesser von 20 m hatte, sich dem zerfetzten Kreisel näherte. Rex Corda war nachdenklich geworden. Was würde die drei Männer und Ierra Kretan, die laktonische Mathematikerin, an Bord des Kreisels erwarten? War das Wrack eine Falle der „Zeitlosen" — oder war es tatsächlich nur durch einen Zufall in den Kurs der „Walter Beckett" geraten? * Sigam Agelon gab der Flotte den Befehl zu beschleunigen. Die „Lynthos II" flog an der Spitze der Dreiecksformation. Die Gigantenprojektionen der „Zeitlosen" schienen wie Schemen um die Schiffe zu wabern, donnernde Stimmen erfüllten das Innere der Kabinen, warnten davor, tiefer in die Vakuole einzudringen. Doch Sigam Agelon ließ sich nicht beirren. Er raste durch die unzähligen Projektionen hindurch. Kampfstationen, fiktive Energiebälle und die Titanengestalten zerrissen wie hauchdünne Gespinste. Farbige Energieschleier flatterten wie morsches Ge-
webe um die Schutzschirme der Hantelraumer. Sigam Agelon stand auf der Kommandobrücke und führte sich auf wie ein Wahnsinniger. Er schrie und stieß Verwünschungen gegen die „Zeitlosen" aus. „Den Worten muß man die Tat folgen lassen!" brüllte er, und über sein grünes Gesicht lief der Schweiß. „Wo sind sie, eure Taten? Wo? Ich habe euch bewiesen, daß ich zu handeln verstehe. Ihr habt mir die ,endlose Strafe' angedroht! Wo ist sie? Leeres Gerede, hohle Phrasen! Ihr seid nicht dazu fähig, meine Macht zu brechen!" Die wabernden Titanengestalten rund um die Flotte waren ausgelöscht. Der Spuk war beendet. Ruhig und still strahlte das blaue Universum um die Schiffe. In der Ferne blinkte eine kleine weiße Sonne. Sigam Agelon fuhr sich mit einer fahrigen Bewegung über die Stirn. In seinen Augen glomm ein gefährliches Licht. Die „Zeitlosen" waren Zwerge, Zwerge gegen ihn, den Titanen. Er würde diese Zwerge mit einer Hand vernichten. Da fühlte er die Bewegung neben sich. Im gleichen Augenblick gellte ein Schrei durch die Kommandozentrale. „Was ist!" Schneidend kam Sigam Agelons Frage über seine Lippen. Er wirbelte herum. Für Sekunden stockte ihm der Atem. Er war nicht mehr allein auf der Kommandobrücke. Eine weißhaarige Gestalt stand ihm gegenüber. Ein „Zeitloser"! Aber dieser „Zeitlose" war keine Projektion mehr. Er war — aus Fleisch und Blut. Sigam Agelon spürte den Atem des Mannes. Der Orathone wich einen Schritt zurück.
Erstaunen war in seinen Augen zu lesen. Dann richtete der „Zeitlose" die stabförmige Waffe auf Sigam Agelon! * Bir Osgo und seine drei Begleiter umgingen ein zerfetztes scharfkantiges Metallstück, das wie ein Speer aus der rechten Wandseite ragte. Ierra Kretan sprang leicht und behende darüber hinweg. Als ihre Füße den Boden wieder berührten, wirbelte abermals eine große Staubwolke auf. Bir Osgo betrat zuerst die Zentrale. Sie war kreisrund. Ein Bildschirm über einem breiten mattgrauen Schalttisch flimmerte matt. Aber er zeigte kein Bild. Kontrollichter flackerten, dunkelrote Streifen huschten über schmale rechteckige Schirmbildflächen. Das alles sahen die vier Personen, die an Bord des Kreiselwracks gekommen waren. Und doch war es nicht vorhanden! Sie wurden das Opfer einer ungeheuren Halluzination. Ein Täuschungsmanöver ersten Grades spielte sich in diesen Sekunden vor den Augen der drei Männer und der Frau ab. Osgo untersuchte die Anlagen auf dem Steuerpult mit seinen Begleitern eingehend. Die Forscher diskutierten das Phänomen des Steuerkomplexes, das sich selbst in Tätigkeit gesetzt hatte, aufmerksam. „Genau wie ich es mir gedacht habe", sagte Bir Osgo langsam. „Ein Energieschock oder eine physikalische Veränderung haben die positronische Automatik einrasten lassen. Ein Geisterschiff ist uns nachgefolgt." Er gab seine Beobachtungen an die „Walter Beckett" weiter. Osgo und Marat nahmen vorsichtig
ein paar Schaltungen am Steuerpult vor. Sie glaubten tatsächlich, die positronische Automatik umzupolen, während in Wirklichkeit ihre Hände mit toten Hebeln und Knöpfen spielten, die keinerlei Wirkung auf das lautlos gleitende Schiff hatten. Nichts an ihrem Benehmen fiel ihnen auf. Keiner bemerkte etwas an dem anderen. Sie waren so wie immer. Sie sprachen wie immer, sie bewegten sich wie immer, sie waren die alten. Und doch waren sie andere geworden! „Wir kehren in die .Walter Beckett' zurück, Sir", sagte Bir Osgo über das Helmmikrofon. „Wir haben die Steuerpositronik umgepolt. Der Kreisel wird in wenigen Minuten seinen Kurs ändern." Schnell verließen Bir Osgo und seine Begleiter die Kommandozentrale des Kreiselraumers. Sie stiegen in den Pon-Diskus und starteten Sekunden später. Bir Osgo blickte in die ruhigen entspannten Gesichter der Freunde. Sie waren alle froh, wieder in den schützenden Leib der „Walter Beckett" zurückzukehren. Der riesige Hantelraumer türmte sich wie ein Berg vor dem kleinen Viermann-Landungsboot auf. Die Schotten des Hangars öffneten sich, und Bir Osgo steuerte den Diskus in die Halle. Von diesem Augenblick an war ein weiterer Punkt in einem phantastischen Plan erfüllt. Die Personen, die an Bord der „Walter Beckett" zurückgekehrt waren, hatten die Gefährlichkeit hochexplosiver Bomben. * Der hochenergetische Strahl raste lautlos auf Sigam Agelon zu. Im Gesicht des Featherheads bewegte
sich kein Muskel. Die Energie, die der „Zeitlose" verschoß, schien sekundenlang vor Sigam Agelons breiter Stirn zu wabern — und verschwand dann im Nichts. Zwei- dreimal noch schoß der „Zeitlose" auf den Orathonen. Doch die Energie schien vor Sigam Agelon zu verschwinden. Erschrecken, Angst und Hilflosigkeit spiegelten sich in dem arroganten Gesicht des „Zeitlosen". Er schluckte, er starrte auf seine stabförmige Waffe, als hätte er ein lächerliches Spielzeug in der Hand. Er wußte um die hohe Wirksamkeit dieser Waffe, die jeden anderen Strahler um das Vielfache übertraf. Er konnte nicht begreifen, daß Sigam Agelon diesem tödlichen Energiepotential widerstanden hatte. Sigam Agelons Mundwinkel verzogen sich. Er trat einen Schritt auf den „Zeitlosen" zu, der unter der Wirkung eines Schocks zu leiden schien und unfähig war, sich von der Stelle zu bewegen. Der Featherhead lachte höhnisch. „Den schwersten Fehler, den ein ,Zeitloser' begehen konnte — den haben Sie gemacht", sagte er mit glasharter Stimme. „Es ist Ihnen nicht gelungen, mich zu überwinden. Der Anfang der ,endlosen Strafe' ist eine bittere Enttäuschung für die Wächter der Großen Gesetze, scheint mir." Er wandte sich um und blickte über die Männer, die in der Kommandozentrale versammelt waren. Techniker, Offiziere, militärische Berater, Tsati Mutara und zwei Whims, die in diesem Moment durch einen der seitlichen Eingänge gekommen waren, als der „Zeitlose" auf Sigam Agelon gefeuert hatte, waren Zeugen einer Situation geworden, die in der Geschichte der Galaxis einmalig war. Ein „Zeitloser" hatte versagt.
Er hatte seinen Auftrag nicht erfüllen können. In der Kommandozentrale hätte man in diesen Sekunden eine Nadel fallen hören können. Da zog Sigam Agelon seine Waffe, langsam und bedächtig, als müsse er sich erst überlegen, was er vorhatte. Hart, grausam und kalt war sein Blick, als er jetzt auf den „Zeitlosen" anlegte. „Ein 'Zeitloser' konnte einen Gesetzesbrecher nicht überwinden", sagte Sigam Agelon rauh. „Aber der Gesetzesbrecher, der seine eigenen Gesetze mitbringt, kann einen ,Zeitlosen' vernichten." Seine letzten Worte waren noch nicht verklungen, als er die tödlichen Schüsse haßerfüllt und gnadenlos auslöste. Der „Zeitlose" schien unter dem massiven Beschuß ein wenig zu schwanken. Er wurde von einem blaugrünen Funkenregen überschüttet. Sein Körper waberte unter der Energiegewalt, die jedes Supermetall in einen Aschehaufen verwandelt hätte. Sigam Agelon hielt den Atem an. Der unsichtbare Schutzschirm, der den „Zeitlosen" umgab, absorbierte die tödliche Energie. Unverletzt und ruhig stand er Sigam Agelon gegenüber. Über das Gesicht des „Zeitlosen" lief ein Lächeln. Er öffnete den Mund. Doch kein Laut kam über seine Lippen. Er schien es unter seiner Würde zu halten, jetzt etwas zu sagen. Die Tatsachen wirkten auch so schockierend auf Sigam Agelon. Der Orathone begriff, daß auch der „Zeitlose" nicht zu vernichten war. Doch Sigam Agelons wahnsinniges Gehirn hatte sofort einen teuflischen Plan. Er verlor keine Sekunde, um dem „Zeitlosen" erst gar keine Möglichkeit zum Nachdenken zu geben. „Mutara!" Sigam Agelons Stimme
zerschnitt wie ein Messer die Stille in der Zentrale. Tsati Mutara zuckte zusammen. Der Trop auf seiner Schulter kuschelte sich ängstlich enger an ihn. Der terranische Mutant, der mit seinen übernatürlichen Gaben den Krieg zwischen Orathonen und Laktonen entscheidend beeinflußt hatte, schien sekundenlang wie gelähmt. Sein Lächeln, das gewohnheitsmäßig auf seinen Zügen lag, war eingefroren. Er ahnte, was Sigam Agelon von ihm wollte. Ein herrischer Wink des Flottenkommandanten der Featherheads beorderte die beiden Whims an Mutaras Seite. Die gefährlichen Blaulighter wurden auf den Mutanten angelegt. Schweiß perlte auf Mutaras hellbrauner Stirn. Einer der Whims gab ihm einen harten Stoß in den Rücken. Mutara stürzte nach vorn, taumelte, konnte sich aber wieder fangen. Harte Hände rissen ihn unmittelbar vor Sigam Agelon. Der rotpelzige Trop, der einzige Freund, den Tsati Mutara an Bord der „Lynthos II" hatte, klammerte sich angstvoll an die Schultern des Terraners. Mit einem wütenden Aufschrei packte Sigam Agelon den Mutanten. Hart und erbarmungslos war der Griff der Hand des Orathonen. Agelons Lippen bebten. Mutara starrte in die kalten, erbarmungslosen Augen des „Unbesiegbaren". In dem Gesicht Agelons stand die Verachtung zu lesen, die er Mutara und allen anderen Lebewesen gegenüber empfand. Mutara las in diesen kalten Augen die Aufforderung zu gehorchen. Und er gehorchte. Sein Leben hing an einem seidenen Faden. Gelassen starrte der „Zeitlose" auf Agelon und den Terraner.
Als er bemerkte, was geschah, war es schon zu spät. Der „Zeitlose" ahnte nichts von der Macht, die in dem Terraner steckte. Der Schutzschirm um den Körper des „Zeitlosen" schwankte. Sigam Agelon verlor keine Sekunde. Er schoß. Ein gellender Aufschrei hallte durch die Zentrale. * Die Gruppe unter der Leitung Bir Osgos war in die „Walter Beckett" zurückgekehrt. Der Diskusraumer war noch keine fünf Minuten im Hangar, als Rex Corda über Holografenfunk gebeten wurde, in die Forschungsabteilung zu kommen. Bir Osgo bat darum, mit Rex Corda sprechen zu können. Der Präsident machte sich sofort auf den Weg. Unterwegs begegnete er Kim. Die Sommersprossen auf der Nase des vierzehnjährigen Jungen tanzten, als Kim von einem Ohr zum anderen grinste. Rex Corda legte den Arm um die Schulter seines Bruders. Kim war aus dem Filmvorführraum gekommen. Er hatte sich dort einige Zeichentrickfilme angeschaut, und jetzt wollte er zu Wabash in dessen Spezialkabine zurück. Der Delphin hatte nach den gefährlichen Abenteuern in der Nähe des Riesenplaneten „Fatty" zwangsweise seinen Unterricht mit Kim abbrechen müssen. Die beiden Telepa-tuen waren beinahe ein Opfer der „Singenden Fäden" geworden, die ihre kostbare Nachkommenschaft schützten und die teiepathischen Überspannungen in die Gehirne von Kim und Wabash zurückgeschleudert hatten. Durch den genialen Einfall Fan Kar Konts hatte das Leben der beiden Besatzungsmitglieder gerettet werden können.
Jetzt fühlten sich die beiden wieder pudelwohl, und Wabash nutzte die ruhigeren Flugperioden dazu aus, Kim weiter als Telepath auszubilden. Ihre Wege trennten sich, als Corda über einen Antigravschacht zur Forschungsabteilung schwebte und Kim seinen Weg zu Wabashs Spezialkabine fortsetzte. In der Forschungsabteilung arbeitete Fan Kar Kont mit einigen Robotern an einem Experiment. An den Schalttafeln flammten für Corda unverständliche Zahlengruppen und Symbole auf. Pläne wurden auseinandergerollt. Die Computer in dieser Abteilung kamen nicht zur Ruhe. Rex Corda ging an Fan Kar Kont vorüber, ohne daß der Chefwissenschaftler etwas von Cordas Anwesenheit bemerkte. Erst im letzten Augenblick wachte er aus seiner Versunkenheit auf, bemerkte, wie Corda in einer Seitenkabine verschwand, die zum Arbeitsraum Bir Osgos führte. Fan Kar Kont setzte Corda nach. Er fühlte sich verpflichtet, dem Präsidenten eine Erklärung über den Stand des derzeitigen Experimentes zu geben. Cordas Anwesenheit war ihm gerade zu diesem Zeitpunkt willkommen. Rex Corda schloß die Tür hinter sich. Im gleichen Augenblick wurde Rex Corda vom harten Griff einer Hand herumgerissen. Der Angriff kam so überraschend, daß Corda sofort zu Boden stürzte. Er warf seinen Körper herum, um den unsichtbaren Angreifer zu sehen. Er erblickte Eric Jenkins, den terranischen Offizier, der mit Bir Osgo in das Wrack des Raumkreisels eingedrungen war. Corda empfing auf telepathischem Wege die Gefühle des Offiziers. Sie waren freundlich und ihm wohlgesinnt. Und doch hatte Jenkins ihn angegriffen! Ehe Rex Corda auf die Beine sprin-
gen und sich nähere Gedanken über das eigenartige Phänomen machen konnte, fühlte er die Anwesenheit einer weiteren Person im Arbeitsraum Osgos. Corda warf seinen Kopf herum. Er sah den Schatten vor sich. Die Gedanken, die er empfing, waren die Gedanken eines Freundes. Und doch erkannte Rex Corda in dieser Sekunde, daß er seinen Mördern gegenüberstand. Er erkannte es. Und er wollte noch reagieren. Doch es war schon zu spät. * Flammen züngelten über die Kleidung an der oberen rechten Schulter. Der „Zeitlose" wich zurück. Sein Aufschrei war verhallt. Sigam Agelon hatte dem „Zeitlosen" leichte Verbrennungen beigebracht. Doch der Featherhead wollte den verhaßten Gegner töten. Er legte ein zweites Mal auf den „Zeitlosen" an. Doch wenn er glaubte, daß nach dem überraschenden Angriff der »Zeitlose" jetzt seelenruhig auf seine Vernichtung warten würde, so hatte Agelon sich getäuscht. Noch ehe er den Strahler ein zweites Mal aktivieren konnte, verschwand der „Zeitlose". Für den Bruchteil einer Zehntelsekunde war der Körper der weißhaarigen Gestalt vor Sigam Agelon nur ein Schemen. Verwirrt zog sich der „Zeitlose" zurück, ehe Sigam Agelon seine gefährliche Macht weiter demonstrieren konnte. Ein haßerfüllter Blick aus Agelons Augen traf den Mutanten Tsati Mutara. „Sie hätten den Schutzschirm weiter öffnen müssen", tobte Agelon. Tsati Mutara schüttelte den Kopf. Er hätte es vermocht, aber er hatte es nicht getan. Es war ihm gelungen, Sigam Agelon zu täuschen. „Ich konnte ihn nicht weiter öffnen",
war die kalte Antwort des Negers. „Der Schutzschirm war zu stark." Mit einem wütenden Knurren steckte Sigam Agelon seine Waffe weg. Mit fiebrig glänzenden Augen starrte er auf die Stelle, an der der „Zeitlose" noch eben gewesen war. Die Stelle war leer, als hätte niemals jemand dort gestanden. Ebenso geheimnisvoll wie das Eindringen des „Zeitlosen" in die „Lynthos II" gewesen war — so geheimnisvoll war auch sein Verschwinden erfolgt. Langsam wandte Tsati Mutara sich um. Er warf keinen Blick auf den Featherhead, als er jetzt wie im Traum durch die Kommandozentrale ging. Der schlanke Neger, der aus einer Ehe zwischen einem Holländer und einer Massai-Frau hervorgegangen war, hatte die Schultern gebeugt. Es schien, als läge eine unsichtbare Last auf seinen Achseln. Wortlos starrte Sigam Agelon dem Mutanten nach. Der rotpelzige Trop huschte lautlos hinter Mutara her, verschwand mit ihm gemeinsam aus der Kommandozentrale. Und dann brach ein ungeheurer Jubel los. Die Männer in der Zentrale stürmten die Kommandobrücke der „Lynthos II". Aus den anderen Zentralen der elf Schiffe liefen Glückwünsche ein, und begeisternde Szenen wurden über eine Konferenzschaltung aus allen Schiffen übertragen. Sigam Agelon war im ersten Augenblick verwirrt. Doch dann lief ein Lächeln über sein hartes Gesicht. Er ließ es sich gefallen, daß die Männer ihn umringten. Er mußte Hände schütteln, er wurde auf Schultern die Kommandozentrale heruntergetragen. Ein ungeheurer Jubel erfüllte die zwölf Schiffe des Flottenkommandeurs der Featherheads.
Sigam Agelon wurde mehr gefeiert und bewundert als nach einem seiner größten Feldzüge gegen die Laktonen. Er hatte etwas vollbracht, was in der Geschichte der Galaxis einmalig war. Er hatte einem „Zeitlosen" eine Niederlage beigebracht, die die Wächter der Großen Gesetze nicht wiedergutmachen konnten. Niemals zuvor gab es eine solche Niederlage für die „Zeitlosen"! Niemals zuvor hatten die „Zeitlosen" so schmählich versagt. Sigam Agelon lachte. Seine mächtige Stimme dröhnte wie Donnergrollen durch die Zentrale der „Lynthos II", wurde über die Funkabteilung in alle anderen Schiffe übertragen. „Uns gehört die Zukunft, uns ganz allein! Die ,Zeitlosen' sind Schwächlinge, unfähig, ihre Rolle zu erfüllen, die ihnen zugedacht ist!" Sigam Agelon versprach seinen Männern ein rauschendes Fest, sobald sie das Zentrum der Vakuole erreicht hatten. Ein donnernder Jubel raste wie ein Orkan an seine Ohren. In den Schiffen schien der Teufel los zu sein. Nach der Demonstration seiner Macht war Sigam Agelon in den Augen seiner Besatzung noch bewunderungswürdiger, noch gottähnlicher geworden. Den „Zeitlosen" war es nicht gelungen, Sigam Agelon zu strafen. Im Gegenteil: Sigam Agelon hatte einen Sendboten der „Zeitlosen" verletzt. Für die Männer der „Lynthos II" und der anderen orathonischen Hantelraurner war es überhaupt keine Frage mehr, daß Sigam Agelon sein Ziel erreichen würde. Unter dem Oberbefehl Sigam Agelons würde die Flotte einen ihrer größten, einen ihrer stolzesten Siege erringen. Den Sieg über die „Zeitlosen"! Überall, wohin Sigam Agelon sah, blickte er in leuchtende Augen, in erregte, verschwitzte Gesichter, fühlte er die Zuneigung, die ihm aus allen Teilen
seiner Besatzung zuteil wurde. Er war der Größte, er war der Stärkste, der Mächtigste des Universums. Er war der „Unbesiegbare". Der Jubel kannte keine Grenzen. Sigam Agelon genoß die Ovationen, die ihm zuteil wurden. Er ließ seine Männer gewähren, die wie verrückt durch die Schiffe tanzten, als hätten sie das Universum erobert. Er ließ es auch zu, daß aus den Offiziersmessen Flaschen angeschleppt und Becher herumgereicht wurden. Die Spannung und die Erregung der letzten Stunden schien sich nun schlagartig ein Ventil zu schaffen. Einzelne Orathonen standen beisammen und stimmten die alten Gesänge an, Heldenlieder aus der Zeit des Beginns der großen Rasse, als der ungeheure Expansionstrieb immer mehr Welten in das stetig wachsende Orathonenreich eingliederte. Große Namen wurden genannt. Viele Orathonen, denen die ersten Becher des berauschenden Getränks zu Kopf gestiegen waren, machten Parodien aus diesen Heldenliedern, fügten Sigam Agelons Namen an jenen Stellen ein, wo die alten Kämpfer, die hohen Offiziere, die höchsten Mitglieder der FAMILIE einst unverrückbar ihren Platz innehatten. Schmählieder auf die „Zeitlosen'' wurden aus dem Stegreif heraus geboren. Die Schiffe stürmten tiefer in die Vakuole hinein. Der Trubel und die Heiterkeit, die Gelöstheit, schien wie ein Gift auf alle Anwesenden innerhalb der zwölf Schiffe übergegriffen zu haben. Und Sigam Agelon war es, der sich etwas Besonderes einfallen ließ, um den ungeheuren Freudentaumel, der die Orathonen erfaßt hatte, noch in die Höhe zu treiben. Auch die Hilfsvölker, die Sklaven der
Orathonen, sollten „echte Freude" zeigen. Die Whims, die Trops und die Staras an Bord der Schiffe, die keine „echte" Freude zeigen konnten, weil durch semibiotische Conduktoren ihre Persönlichkeit ausgeschaltet worden war, sollten teilhaben an dem Freudenrausch. Auch sie sollten begreifen, was es bedeutete, einem Sigam Agelon dienen zu können. Zwei Computerspezialisten an Bord der „Lynthos II" schafften die Voraussetzungen dafür, daß Sigam Agelons Vorhaben ausgeführt werden konnte. Die semibiotischen Conduktoren, die zu einer Hälfte aus organischer, halb selbständig denkender Materie bestanden, zur anderen aber ein elektronisches Gerät waren, wurden von den Orathonen bei allen Hilfsvölkern eingepflanzt. Der Conduktor war fernzusteuern, und mit ihm ließ sich die gesamte Instinktsund Gefühlsskala abspielen. Sigam Agelon, der Wahnsinnige, der „Unbesiegbare", wollte seine Sklaven zur Freude zwingen! Die Computer erarbeiteten die Daten, die an sämtliche Schiffe durchgegeben wurden. Und das Ungeheuerliche wurde wahr. Die Whims, die Trops und die Staras gerieten vor Freude schier aus dem Häuschen, sie feierten den Sieg „ihres" Kommandanten! Die durch die beeinflußten Conduktoren hervorgerufene Freude trieb besonders die Whims zu den unmöglichsten Reaktionen. Sie hatten sich blaue Umhänge über die harten Chitinschultern geworfen und tanzten in langen Reihen die alten Kriegstänze aus ihrer Heimat. Es waren die Freudentänze der Soldaten, die nach erfolgreichen Beutezügen zurückgekehrt waren. Agelon lachte, daß es dröhnend in der Zentrale der „Lynthos II" widerhall-
te. Zu seinem eigenen Ruhm zog er eine Show ab. Alle sollten ihn feiern, alle. Auch die Sklaven, denen die Persönlichkeit fehlte. Das Schiff glich einem Tollhaus. Die Orathonen feierten ihren Kommandanten wie nie zuvor. Und schlagartig fand alles ein Ende. Es schien, als räche sich eine Macht für das, was jetzt in diesen Schiffen geschah. Die lauten, aufgepeitschten, erregten Stimmen, die anzüglichen Schmählieder auf die „Zeitlosen", auf die Großen Gesetze, die an Bord der „Lynthos II" symbolisch verbrannt worden waren— das alles brach abrupt ab. Eine Gigantenfaust schien die „Lynthos II" plötzlich gepackt zu haben. Ein Ächzen ging durch die Wände, ein ungeheueres Dröhnen erfüllte die Kraftstationen. Die „Lynthos II" drehte sich plötzlich im Kreis. Angsterfüllte Schreie hallten durch das Schiffsinnere. Flaschen krachten zu Boden, Scherben klirrten, Becher rollten scheppernd gegen die Wände. Ein ungeheueres Chaos herrschte. Die Männer rasten an ihre Plätze. Sigam Agelon stürmte auf die Kommandobrücke, brüllte seine Befehle. Die Holografenschirme zeigten die Ereignisse, die sich unmittelbar im Raumabschnitt um die „Lynthos II" abspielten. Ein grellgelber Lichtsog hatte den Hantelraumer gepackt, zog ihn in das Zentrum des Soges hinein, ohne daß Sigam Agelon etwas dagegen tun konnte. Die Männer waren von dem plötzlichen Angriff der „Zeitlosen", die sich ganz auf die „Lynthos II" konzentriert hatten, völlig überrascht. Auf Agelons Stirn perlte der Schweiß. Er sah, daß die anderen elf Schiffe
seiner Flotte außerhalb des Lichtsogs kreisten, unfähig, etwas für die „Lynthos II" tun zu können. Keinem der anderen elf Schiffe geschah etwas. Alle Kraft verwandten die „Zeitlosen", um das Schiff mit dem Agelon an Bord zu überwinden. Sigam Agelon lachte höhnisch. „Sie werden es nicht schaffen", tobte er. Der Lichtsog schien ihn nicht zu beeindrucken, obwohl er noch keine Lösung wußte, wie er die „Lynthos II" aus der erneuten Gefahr bringen sollte. Die Kreiselbewegung des Hantelraumers wurde immer stärker. Mehrmals setzten die Antigravitationsautomaten aus. Schwere Erschütterungen kamen durch. Mehrere der senktrecht hängenden Kristallstäbe im Verbindungsarm der „Lynthos II" wurden wie von Geisterhand gegen die Decke geschmettert und zerbrachen knatternd. Staras, die noch an den alten Beschädigungen arbeiteten, wurden durch die wahnsinnig schnellwerdende Karussellbewegung von den Wänden geschleudert und krachten dumpf auf den Boden. Wilde Schreie gellten durch das Innere der „Lynthos II". Agelon tobte auf der Kommandobrücke. „Beschleunigen!" brüllte er über die Holografenverbindung zum Maschinenraum. „Mit höchsten Werten beschleunigen!" Sigam Agelon war sich seiner Sache sicher. Er fühlte instinktiv, daß er den „Zeitlosen" überlegen war. Bisher hatten sie nichts gegen ihn ausrichten können. Und das sollte so bleiben. Da erreichte ihn eine erneute Schrekkensnachricht aus dem Maschinenraum. „Die Antriebsmaschinen der ,Lynthos II' blockieren, Herr!" Der Techniker auf einem der Nebenholografen schien am Ende seiner Kraft
zu sein. Seine Stimme überschlug sich, Schweiß lief in Strömen über das dunkelgrüne Gesicht des Orathonen. Die eng anliegenden Federn im Nacken waren verklebt. Sigam Agelon zuckte zusammen. Die „Zeitlosen" hatten abermals zugeschlagen. Blitzschnell schienen sie plötzlich ihre Kräfte zu koordinieren. Sicherheit und Ruhe schien in ihre Reihen zurückzukehren. Die „Lynthos II" drehte sich rasend schnell innerhalb des Lichtsogs. Das Schiff hatte keine Chance, mit hohen Werten zu beschleunigen. Die Falle war zugeschnappt! Der Techniker auf dem Nebenholografen, der Sichtverbindung zum Maschinenraum schaffte, stöhnte auf. „Die Situation ist hoffnungslos, Herr! Das Zentrum des Sogs verringert sich. Wenn die ,Lynthos II' in diesem Energiekarussell weiter herumgeschleudert wird, wird sie zu Pulver zerrieben..." * Rex Corda starrte mit weitaufgerissenen Augen auf den Mann, der ihn umbringen wollte. „Bir Osgo!" schrie Corda. Doch der Forscher schien ihn nicht zu hören. Er hatte den Strahler auf Corda gerichtet. Hier gab es keine Chance mehr. Ein Hitzestrahler, in einem so kleinen Raum angewendet, würde sofort den Tod bedeuten. Corda kam nicht mehr dazu, sich Gedanken über Einzelheiten zu machen. Die Ereignisse überstürzten sich. Es ging Schlag auf Schlag. In dem Moment, als Bir Osgo auf Corda anlegte, wurde die Haupteingangstür geöffnet. Fan Kar Kjnt stand vor der Tür. Im gleichen Augenblick nutzte Rex Corda die Chance, die sich ihm bot. Bir Osgo wurde für Sekunden abge-
lenkt. Corda stürzte auf die schmale Seitentür zu, riß sie auf und stürmte hinaus. Die Tür knallte hinter ihm zu. Im selben Moment traf der Strahl der Strahlwaffe die geschlossene Tür. Fünf Meter hinter Rex Corda wurde ein kopfgroßes Loch in die Metallplasttür geschmolzen. Rex Corda rannte, so schnell ihn seine Beine trugen. Der schmale Gang führte zu einer Archivkammer. An der Ecke der Abzweigung verhielt Rex Corda einige Sekunden lang mit keuchendem Atem. Er blickte zurück. Der Seiteneingang zu Bir Osgos Arbeitsraum wurde aufgerissen. Osgo stürmte heraus. Hinter ihm folgte Eric Jenkins. Der kleine laktonische Wissenschaftler hatte den Strahler gesenkt. Corda versuchte mit seinem empathischen Talent in die Gefühlssphäre Bir Osgos einzudringen. Wie von einem elektrischen Schlag getroffen, zog er sich sofort wieder zurück. Nichts in Osgo war verändert. Ruhe, Gelassenheit, Zufriedenheit über das gelungene Experiment in dem Kreiselwrack strömten in Cordas Bewußtsein. Bir Osgo war glücklich darüber, daß er die Steuerkontrollen richtig hatte umpolen können und daß seine erste Vermutung von Anfang an richtig gewesen war. Die Begegnung mit dem Wrack würde bald nur noch eine Episode für die Männer der „Walter Beckett" gewesen sein — eine Episode, von der morgen niemand mehr sprechen würde. Für Rex Corda aber war das Wrack keine Episode. Spätestens in diesen Sekunden wurde ihm mit voller Klarheit bewußt, daß das Wrack nicht durch einen Zufall in die Nähe der „Walter Beckett" geraten war. Die „Zeitlosen" hatten ihre Hand im Spiel. Und sie schienen ihren Plan auch fast erreicht zu haben.
Corda drückte sich eng an die Wand, während die Schritte der Verfolger näher kamen. Der Präsident überlegte eiskalt. Er mußte die Gefahr ausschalten. Durch einen Zufall war verhindert worden, j daß Osgo blitzschnell hatte zuschlagen können. Das Auftauchen Fan Kar Konts hatte ihm, Corda, das Leben gerettet. Bir Osgo und Eric Jenkins waren im Augenblick eine große Gefahr für ihn. Beide wollten ihn töten! Ein geheimnisvoller Auftrag schien sie dazu zu zwingen, ohne daß ihnen dieser Zustand bewußt wurde und ohne daß er, Corda, dies mit seinem empathischen Talent feststellen konnte. Corda hielt den Atem an. Jeden Augenblick mußten seine beiden Verfolger um die Ecke kommen. Corda hätte seine Flucht fortsetzen können. Er wußte, daß man ihn durch alle Gänge des Schiffes gejagt hätte, um ihn umzubringen. Daß er nun seinerseits der Angreifende sein würde, damit würden weder Osgo noch Jenkins rechnen. Corda hörte Fan Kar Konts donnernde Stimme, der dem laktonischen Forscher und dem terranischen Offizier etwas zurief. Er forderte sie auf stehenzubleiben. Doch am Geräusch der Schritte war zu erkennen, daß weder Osgo noch Jenkins der Aufforderung Folge leisteten. Doch Fan Kar Kont war in der Nähe. Das würde sein, Cordas, Vorhaben erleichtern. Da tauchte Bir Osgo vor ihm auf. Sofort sprang Corda ihn an. Der kleine Laktone war durch den plötzlichen Angriff so überrascht, daß er nicht mehr dazu kam, den Strahler herumzureißen. Corda hatte ihm die Waffe entrissen, ehe Osgo sich besinnen konnte, was eigentlich geschah. Der Strahler schlug scheppernd zu Boden. Corda wollte jedes Risiko ausschalten. Er wollte auf keinen Fall seine ei-
genen Leute verletzen oder gar töten. Osgo war im Moment eine Puppe, eine Marionette in einem Spiel, das er noch nicht ganz durchschaute. Osgo war sein Freund. Und doch von tödlicher Gefahr für ihn. Man mußte die vier Personen, die in dem Kreiselwrack gewesen waren, isolieren. Das war die einzige Möglichkeit, die Gefahr zu bannen, ohne daß ihm, oder durch eine nicht gewollte Kampfhandlung einem Unbeteiligten, ein Haar gekrümmt wurde. Corda warf den kleinen Laktonen herum. Der Forscher verfügte nicht über große körperliche Kräfte. Der kleine Organisationstechniker war alles andere als ein Kämpfer. „Kont! Hierher!" brüllte Corda, während er herumwirbelte, um Jenkins packen zu können, ehe dieser gefährlich werden konnte. Der terranische Offizier hatte die Waffe noch im Gürtel stecken. Der plötzliche Angriff auf Osgo hatte ihn so überrascht, daß er sekundenlang wie gelähmt war. Diese Sekunden waren Cordas Chance. Er stürzte sich auf den Offizier. Jenkins parierte den Angriff des Präsidenten sofort. Er war von dem Gedanken besessen, Corda zu töten. Jenkins war nicht so leicht auszuschalten wie der kleine schwache Osgo, der benommen auf dem Boden hockte und sich von dem Schlag erholte, den Corda ihm versetzt hatte. Jenkins war genau das Gegenteil von Osgo. Jenkins war selbstbewußt und sicher. Er überragte den kleinen Laktonen um mehr als zwei Köpfe. Der terranische Offizier war zwar ein Jahr älter als Osgo, wirkte aber wesentlich jünger. Er hätte ein Schüler Osgos sein können. In der Tat hielt er sich auch oft in der Forschungsabteilung und in der Nähe Osgos auf. Jenkins hatte ein privates Hobby: Die Forschung.
Mit einer blitzschnellen Drehung entging Jenkins dem Zugriff des Präsidenten. Durch den eigenen Schwung stürzte Corda nach vorn, versuchte noch, sich abzufangen, aber es gelang ihm nicht mehr. Er stürzte zu Boden. Im gleichen Augenblick hatte Jenkins die Waffe aus seinem Gürtel! * Corda sah die Bewegung im Ansatz. Er schnellte von dem Metallplastboden empor. Sein sportlich gestählter Körper flog durch die Luft, als hätte er sich von einem Trampolin abgestoßen. Corda achtete nicht darauf, daß Bir Osgo wieder auf die Beine gekommen war. Er hatte nur Augen für Eric Jenkins. Mit voller Wucht knallte Corda auf den terranischen Offizier, ehe dieser seine Waffe abdrücken konnte. Jenkins stürzte zu Boden, unter dem stahlharten Griff von Cordas Fingern entglitt die gefährliche Waffe seiner Hand. Jenkins wehrte sich verzweifelt. Sein Gesicht verzerrte sich. Er lag unter Corda. Doch unter Aufbietung all seiner Kräfte gelang es ihm, Cordas Körper zur Seite zu drücken. Es war erstaunlich, welche Kräfte in Jenkins' magerem Körper, der nur aus Haut und Knochen zu bestehen schien, steckten. Corda konnte nicht verhindern, daß er den Halt verlor. Jenkins war über ihm. Er riß seine Rechte los, und schwer knallte die Faust in Cordas Gesicht. Mit Entsetzen bemerkte Corda, daß Bir Osgo sich nach einer Strahlwaffe bückte. Doch da war Kont heran! Der Chefwissenschaftler mit dem gestreiften Gesicht erkannte sofort die Gefahr, in der Corda schwebte. Es bereitete ihm keine Mühe, sich mit Osgo zu beschäftigen, ehe dieser in der Lage war, wieder in den Kampf einzugreifen. Corda stöhnte. Er biß die Lippen zu-
sammen, spannte seine Muskeln an, um den zähen knochigen Körper Jenkins' herumzuwerfen. Doch der terranische Offizier hing an ihm wie eine Klette. Jenkins hatte beide Hände freibekommen, und wie Stahlklammern legten sich seine Finger um die Kehle des Präsidenten. Corda atmete schwer. „Jenkins ...", stieß Corda zwischen den Zähnen hervor. Sein Gesicht verfärbte sich. Er versuchte vergebens, die Arme des Offiziers herunterzudrücken. Die Bärenkräfte in dem hageren Körper schienen zuzunehmen. Jenkins wollte töten. Sein Gesicht war verzerrt, Corda war ein Feind, der ausgeschaltet werden mußte. Corda brachte die Daumen unter die ihn würgenden Hände. Mit zitternden Fingern vermochte er den Griff für einen Augenblick zu lockern. „Ich bin es, Corda! Kennen Sie mich denn nicht... Jenkins?" Jenkins schien ihn nicht zu hören. Wie aus weiter Ferne hörte Rex Corda neben sich einen dumpfen Schlag. Fan Kar Kont hatte seine Waffe auf Bir Osgos Schädel niedersausen lassen. Der Chefwissenschaftler hatte sich keinen anderen Rat mehr gewußt. Corda tat jetzt etwas, was er nur in Zeiten äußerster Not und Gefahr tat. Er versuchte, in die Gefühlssphäre des Offiziers einzudringen und sie in seinem Sinne zu beeinflussen. Aber seine Versuche führten ins Nichts. Corda fühlte regelrecht, wie seine Gefühle durch Jenkins' Bewußtsein hindurchgingen. Er fand keinen Halt, keinen Widerstand. Jenkins war nicht ansprechbar. Da wurde der Körper Jenkins' plötzlich wie von einer Titanenhand herumgerissen. Fan Kar Kont hatte den hageren Offizier in seinen Händen, ehe Rex Corda zu Tode gewürgt werden konnte. Cordas Kehle schmerzte. Er hatte
noch jetzt das Gefühl, als ob ein Schraubstock an seinem Hals angesetzt wäre. Er wollte etwas sagen, doch kein Wort kam über seine Lippen. Wieder griff Kont zu einem einfachen, aber wirkungsvollen Mittel. Seine Waffe knallte auch auf Jenkins' Schädel und schaltete den Terraner aus, der wie ein Tobsüchtiger auf Cordas Vernichtung aus gewesen war. Dann kümmerte sich der Chefwissenschaftler um den Präsidenten. Mit Konts Hilfe kam Corda wieder auf die Beine. Die flimmernden Kreise vor Cordas Augen verschwanden langsam. Sein Blick wurde wieder klar. Doch er fühlte sich noch so schwach und elend wie nach einem kräftezehrenden Marsch. Corda atmete heftig. Er hob seinen rechten Arm, und er hatte das Gefühl, ein Zentnergewicht zu bewegen. Er wischte sich über die schweißnasse Stirn. „Sie sind nicht zugänglich", sagte er rauh, und er schluckte heftig. „Man rennt gegen sie an wie gegen eine Mauer. Ich kann keinen Haß, keine gegen mich gerichteten Gedanken in ihnen fühlen." Es fiel ihm schwer, einen Satz in einem Atemzug zu sprechen. „Und doch wollten sie mich töten." Er sah Fan Kar Kont eingehend an. Die Zebrastreifen im Gesicht des Chefwissenschaftlers verdeckten jede Gefühlsregung. Doch in den Augen Konts las Corda die Gedanken, die ihm selbst durch den Kopf gingen. Rex Corda nickte. Er löste sich von Konts Griff. Langsam kehrten die Kräfte wieder zurück. „Das Wrack", murmelte er. „Es wurde uns nicht durch einen Zufall hinterhergeschickt. Die "Zeitlosen" haben einen Plan ausgebrütet, der mir jetzt langsam klar wird." Sie schafften die beiden Bewußtlosen
hinüber in Bir Osgos Arbeitsraum. Es fiel Corda noch ein bißchen schwer, den Körper Osgos zu transportieren, doch er schaffte es. Kont war ihm dabei behilflich. Sie legten Osgo auf die Liege in seinem Arbeitsraum und verankerten die Magnethaftbänder über seinem Körper, so daß er, wenn er aufwachen würde, sich nicht mehr drehen und wenden konnte. Jenkins setzten sie auf einen der dreibeinigen Magnethaftstühle und fesselten ihn ebenfalls. Corda musterte den gefesselten Jenkins, der sonst ein freundlicher, zugänglicher und gesprächiger Mann war. Jenkins war etwas zäher als Osgo, oder aber Kont hatte nicht so stark zugeschlagen. Der terranische Offizier bewegte sich bereits wieder, er schüttelte benommen den Kopf und schlug langsam die Augen auf. Als er Corda und Kont erblickte, senkte er den Blick. Corda sprach ihn an. Aber Jenkins antwortete nicht auf eine einzige Frage des Präsidenten. Corda schüttelte den Kopf. Er empfing keine gegen ihn gerichteten Gedanken. Jenkins war innerlich nicht anders als sonst — und doch war er verändert. Nichts in seinem Verhalten, in seiner Miene ließ darauf schließen, daß ihm das, was sich eben noch draußen auf dem Gang abgespielt hatte, bewußt geworden war. Bir Osgo lag schlaff und kraftlos auf seiner Liege. „Die vier, die das Wrack aufgesucht haben, müssen sofort unter strengste Quarantäne gestellt werden!" Rex Corda warf Fan Kar Kont einen fragenden aufmerksamen Blick zu. „Ich hoffe nur, daß diese Dinge an Bord der ,Walter Beckett' sich nicht zur Kettenreaktion ausweiten. Sonst — wäre ich
plötzlich von lauter Feinden umgeben." Fan Kar Kont lächelte. „Ich bin überzeugt davon, daß die vier Personen aus dem Wrack beeinflußt wurden, Sir. Die beiden anderen zu finden kann nicht schwer sein." Corda sorgte dafür, daß vier Roboter der Klasse Ba-3 zur Forschungsabteilung abkommandiert wurden. Die Roboter trafen wenig später im Arbeitsraum Bir Osgos ein. Sie erhielten den Auftrag, den Forscher und den terranischen Offizier keine Sekunde aus den Augen zu lassen, die beiden Ausgänge, die von Corda zusätzlich elektronisch gesichert und mit Alarmanlagen versehen wurden, sollten aufmerksam bewacht werden. Zu seinem eigenen Schutz beorderte Corda wenig später zwei weitere Roboter der Klasse Ba-3 an seine Seite. Die voll humanoide Form der Roboter beruhigte den Präsidenten. Sie erinnerten ihn nicht an die Kampfkolosse der A-2 Klasse, und er hatte auch nicht die Absicht, innerhalb der „Walter Beckett" Krieg gegen jene Wissenschaftler zu führen, die den geheimen, ihnen nicht bewußten Auftrag hatten, ihn zu töten. Eine Konferenzschaltung machte allen Besatzungsmitgliedern klar, in welcher Situation Rex Corda sich befand. Er bat um Mitarbeit und forderte jeden einzelnen auf, dafür Sorge zu tragen, daß Ierra Kretan und Hent Marat, die an der Expedition zum Kreiselwrack beteiligt gewesen waren, auf dem schnellsten Wege gefunden wurden. Kein Haar durfte ihnen gekrümmt werden. Corda wollte sie lediglich isolieren, so lange, bis der geheimnisvolle Einfluß, unter dem sie standen, vorüber war. Die Wissenschaftler waren für die Entwicklung der Erde noch von größter Bedeutung. Nicht einen einzigen wollte Corda durch eine unbedachte Handlung
verlieren. Eine fieberhafte Suche setzte ein. Corda beobachtete seine nähere Umgebung aufmerksam und mißtrauisch. Der beste Freund konnte zu diesem Zeitpunkt sein Mörder werden! Die „Zeitlosen" waren auf dem Plan. Corda hatte das Gefühl, von tausend Augen gleichzeitig beobachtet zu werden. Die beiden weißgekleideten Ba-3-Roboter wichen nicht von seiner Seite. Plötzlich hatte Corda das Gefühl, daß es auch noch eine andere Möglichkeit gab, ihn unter Druck zu setzen. Der Einfall — und der gleich darauf fühlbare Gedankenimpuls, der ihn aus der Tiefe der „Walter Beckett" erreichte — erfolgten zu gleicher Zeit. „Kim ist in Gefahr", flüsterte eine leise Stimme. Es war Wabash, der telepathische Delphin! * Es war, als habe Rex Corda einen Schlag erhalten. Seine Backenmuskeln zuckten, und in seinen blauen Augen glomm ein eigenartiges Licht auf. Den „Zeitlosen" war jedes Mittel recht. Sie wollten ihn vertreiben. Sein Eindringen in die Raumvakuole behagte ihnen nicht. Aber erkannten sie denn nicht, daß sie einen großen Fehler begingen, wenn sie ihn angriffen? Ein Mord an ihm — bedeutete Selbstmord der „Zeitlosen"! Es mußte ein Mißverständnis vorliegen! Etwas in den Reihen der „Zeitlosen" ging vor, was ihrer eigenen Kontrolle entgangen zu sein schien! Es war gefährlich, ihn zu jagen. Er war doch keine Gefahr! Sigam Agelon war die Gefahr! Und er — Corda — war unterwegs, um diesen Wahnsinnigen zu bekämpfen!
Rex Corda hastete durch den Gang. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Die beiden Ba-3-Roboter wichen nicht von seiner Seite. Sie wußten um die Gefahr, die für den Präsidenten bestand. Rex Corda achtete nicht darauf, als gleich darauf auch Fan Kar Kont und Percip neben ihm auftauchten. Die beiden Freunde wollten in seiner Nähe sein. Sie hatten erkannt, wohin Corda wollte. „Was ist mit Kim?" fragte Percip. Corda schluckte. „Ich weiß es nicht." Während er sprach, versuchten seine Gedanken das Bewußtsein des Bruders zu erreichen. Kim hätte jetzt in Wabashs Kabine sein müssen. Die klaren Gedanken des weißen Delphins erreichten Corda. Doch von Kim blieb jeder Einfluß fern. Die Gedanken des 14jährigen Jungen waren tot. * Sigam Agelon umfaßte eine Metallplaststrebe auf der Kommandobrücke. Die „Lynthos II" drehte sich rasend schnell. Das gelbe Lichtmeer hüllte den Hantelraumer ein, riß ihn immer tiefer in den Sog, aus dem es kein Entkommen gab. Es mußte ein Entkommen geben! Die „Lynthos II" mußte nur in die Lage versetzt werden, die blockierten Antriebsmaschinen in Aktion zu setzen. „Wie sieht es aus?" fragte Agelon tonlos. Er stand noch immer mit den Technikern des Maschinenraumes in Verbindung. Spezialisten waren damit beschäftigt, an die komplizierten Schaltungen heranzukommen. Doch es war vergebens. Niemand konnte an sie heran. Wütend stürzte Agelon aus der Kommandozentrale. Der rote Umhang flat-
terte hinter ihm zusammen. Er löste die Spangen und ließ das Kleidungsstück einfach zur Erde fallen. Er war jetzt nur noch mit der engen hellroten Hose und der dunkelroten Bluse bekleidet. Er ließ sich von einem Antigravschacht bis zum Maschinenraum tragen. Er tobte, als er die Reihen der Techniker auseinanderriß, die dichtgedrängt vor den Schaltungen standen und nicht zu wissen schienen, was zu tun sei. Sigam Agelon war noch einen Meter von den Schaltungen entfernt, als eine Titanenfaust ihn zu packen schien und zurückschleuderte. Er krachte gegen die lebende Wand der Techniker und Spezialisten. Unzählige Hände griffen nach ihm, wollten verhindern, daß er zu Boden stürzte. „Ein Prallschirm liegt über den Schaltungen, Herr", meinte einer der Techniker kleinlaut, während Agelon wütend die hilfreichen Hände abschüttelte. Ein haßerfüllter Blick ließ den Sprecher zusammenfahren. „Natürlich ist es ein Prallschirm'', stieß Sigam Agelon zwischen den zusammengepreßten Zähnen hervor. „Oder dachtest du, die ,Zeitlosen' würden mir zuliebe einen seidenen Vorhang über den Schaltungen aufspannen?" Er fuhr mit der Zunge über seine spröden Lippen. Durch die Reihen der Techniker und Spezialisten schien ein orkanartiger Sturm zu fegen, als die „Lynthos II" plötzlich auf die Seite kippte und die Männer mit lauten Aufschreien durcheinandergewirbelt wurden. Sigam Aglon konnte sich mühsam an einem Metallplastpfeiler festhalten. Die Antigravitationsautomaten hatten die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit erreicht. Verstärker waren zwischengeschaltet worden, um das Schlimmste an Bord der ..Lynthos II" zu vermeiden. „Holt Mutara!" brüllte Sigam Age-
lon, als die „Lynthos II" sich für einige Sekunden wieder beruhigt hatte. „Schafft ihn auf dem schnellsten Weg hierher. Wenn er sich weigert, dann wendet Gewalt an. Aber krümmt ihm kein Haar. Er ist jetzt wichtiger denn je! Es geht jetzt um alles!" Einige Techniker spritzten davon, verschwanden in den Antigravschächten. Es dauerte nicht lange, und Mutara kam in den Maschinenraum. Die Techniker kamen eilig hinter ihm her. Sie hatten ihn nicht zwingen müssen. Der Mutant war freiwillig und schnell mitgekommen. Tsati Mutara hatte die Lage erfaßt, in der die „Lynthos II" sich befand. Der Steg, über den er jetzt kam, schwankte unter ihm, als eine erneute Erschütterung über die überbelasteten Antigravitationsautomaten durchkam. Ein Donnern lief durch die Wände, das Metallplast ächzte. Mehrere Männer stürzten übereinander. Auch Mutara geriet ins Torkeln, doch er war dem Flottenkommandeur der Featherheads so nahe, daß Agelon nach ihm greifen und ihn zu sich herüberziehen konnte. „Sie sehen, was geschieht, Mutara", sagte Sigam Agelon leise. Seine Stimme klang aber gefährlicher, als wenn er zu brüllen anfing. Er wies auf den unsichtbaren Prallschirm, dessen Nähe Tsati Mutara fühlte". „Öffnen Sie den Schirm, Mutara", fuhr Sigam Agelon nach einer kurzen Pause fort, als der Mutant sich nicht von der Stelle bewegte. Er warf nur einen flüchtigen Blick auf den roten Trop, der zu einem treuen und unzertrennlichen Begleiter des Terraners geworden war. Thali-Fenberth-Fen-Berthnyen. Es schien Sigam Agelon, als zitterte der Trop ein wenig. Ein ungeheures Dröhnen stieg aus der Tiefe der „Lynthos II" zum Maschi-
nenraum hoch. Tsati Mutara wurde herumgerissen. Ein Schwindelgefühl ergriff ihn. Die Drehbewegung der „Lynthos II" wurde immer häufiger spürbar. Eine Stimme aus den Reihen der Wissenschaftler, die wie ein lebender Wall hinter Mutara und Sigam Agelon standen, machte den Flottenkommandeur der Featherheads darauf aufmerksam, daß die „Lynthos II" ungeheuer tief in den Lichtsog hineingeraten sei. „Wir geraten zwischen zwei gigantische Mühlsteine, wenn nicht bald etwas geschieht." Der Trop erklärte Tsati Mutara die Bedeutung der orathonischen Worte. Doch selbst das hätte Tsati Mutara nicht zum Handeln verführen können, wenn nicht etwas anderes in seinem Bewußtsein gewesen wäre, was ihn dazu trieb, sein eigenes Leben zu erhalten. Er wußte, daß Corda in der Nähe war. Corda wiederum wußte, daß er, Mutara, sich in der Gewalt Sigam Agelons befand. Der Präsident würde alles daransetzen, um ihn zu befreien. Diese Hoffnung hatte er immer noch. Was aber blieb von seiner Hoffnung, wenn dieses Schiff vernichtet wurde? Mutara stand plötzlich vor dem Prallschirm. Er fühlte nicht mehr die Hand Sigam Agelons, die sein linkes Armgelenk umfaßte. Agelon ließ den Terraner keine Sekunde unbeobachtet, und er ließ ihn auch nicht los. „Sie wissen, was zu tun ist, Mutara", sagte Sigam Agelon mit kalter Stimme, und der Druck seiner Hand um Mutaras Armgelenk verstärkte sich. „Wenn Sie aufbegehren, sind Sie des Todes. Auch wir sind verloren, wenn die Schaltungen nicht freigelegt werden. Aber davor werden Sie tausend Tode sterben! Beeilen Sie sich. Es geht um Sekunden. Sobald ich merke, daß Sie verzögern —er unterbrach sich und verstärkte abermals den Griff seiner Hand.
Mutara hatte das Gefühl, daß Stahlklammern ihm jeden Augenblick seine Knochen brechen würden. „Sobald ich das bemerke", fuhr Agelon fort, „werde ich Ihnen diesen Arm aus dem Körper reißen." Mutara schien die Worte nicht gehört zu haben. Er konzentrierte sich auf den Prallschirm. Ein Beben lief durch den schlanken, 2,12m großen Körper des Negers. Er fühlte, wie der Schirm schwächer wurde, wie die Energie in seinen Körper sickerte und sich im Nichts verlor. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Dann trat er langsam zwei, drei Schritte vor. Agelon hielt den Atem an. Sie standen vor den Schaltungen. Der Prallschirm hatte sich unter der geheimen, energieneutralisierenden Macht des Mutanten aufgelöst. Mit der linken Hand nahm Sigam Agelon blitzschnell die komplizierten Schaltungen vor. Die Techniker und Spezialisten sprangen ihm hilfreich zur Seite. Ein Dröhnen und Donnern ging durch die Wände der „Lynthos II". Die Orathonen zitterten am ganzen Körper. Da erklang plötzlich ein Geräusch im Maschinenraum. Die Antriebsrnaschinen begannen zu surren! War es gelungen, die Gefahr zu bebeseitigen? Über einen Nebenholografen sahen sie, wie die „Lynthos II" mit ungeheuerer Wucht aus den Fängen des saugenden, rotierenden Lichtmeeres zu entfliehen versuchte. Mit ungewöhnlicher Beschleunigung versuchte sie dem grellgelben Energiesog zu entkommen. Und es gelang! Die „Lynthos II" riß sich aus den Fängen, die zur tödlichen Gefahr geworden waren. Der rotierende gelbe
Lichtsog fiel zurück, die „Lynthos II" stürmte in das blaue Universum. Triumphierend blickte Sigam Agelon auf Mutara und sagte: „Der Tod wäre Ihnen gewiß gewesen, Mutara. Ich war entschlossen, Sie zu töten, wenn Sie auch nur eine einzige Sekunde länger gezögert hätten." Der Hohn und der Spott in Sigam Agelons Stimme wirkten auf Tsati Mutara wie körperliche Schläge. Äußerlich wirkte er ruhig und gelassen. In seinem Innern aber tobte ein Vulkan. Er fühlte schon gar nicht mehr den eisenharten Griff des Unbesiegbaren. Agelon hatte seinen Arm noch immer nicht losgelassen. Tsati spürte den abgrundtiefen Haß, der in ihm aufstieg, immer mehr Besitz von ihm ergriff und den Wunsch in ihm aufkommen ließ, sich gegen seinen Peiniger zu stellen. Doch er war machtlos. Sigam Agelon war der Starke, der Große, der Unbesiegbare, wie er sich selbst genannt hatte. Er, Mutara, würde unter dem verstärkenden Handgriff des Orathonen schon zusammenbrechen. Wenn Agelon es wollte, dann konnte er das Armgelenk des Mutanten zwischen zwei Fingern zerquetschen. In diesem Augenblick wurde Tsati Mutara der eisenharte Griff des Featherheads wieder bewußt. Und da machte er einen verzweifelten Versuch! Er schloß sekundenlang die bebenden Augenlider, um die Erregung zu verbergen, die in seinem Körper tobte. Vorsichtig tastete er sich an das Energiefeld heran, das den Körper des becon-veränderten Orathonen unigab. Tsati Mutara hätte fast aufgeschrien. Er fühlte, wie Sigam Agelons Energie in seinen Körper überströmte! *
Schwitzend erreichten sie die Spezialkabine des weißen Delphins. Ruhig glitt Wabash durch sein Bassin. Doch Rex Corda fühlte, daß Wabash keineswegs ruhig war. Er schien offensichtlich mit den Dingen, die sich während der letzten Minuten in seiner Nähe abgespielt hatten, nicht mehr zurechtzukommen. Rex Corda empfing die Gedanken des Delphins, und er erfuhr, daß Kim sich in dem kleinen versteckten Sonderhangar aufgehalten hatte, zu dem ein Spezialrohr vom Bassin Wabashs aus führte. Von dort habe er auch den angsterfüllten Gedankenimpuls des Jungen vernommen. Dann seien die Einflüsse abrupt abgebrochen. Rex Corda wollte sich sofort auf den Weg zu dem Sonderhangar machen, von dem aus der Delphin in eigener Regie einen speziell für ihn umgebauten Diskus vom Pon-Typ ausschleusen konnte. Fan Kar Kont und Percip folgten dem Präsidenten. Die beiden Ba-3-Roboter wichen nicht von Cordas Seite. Doch bevor Corda an sein Ziel kam, flammte einer der Nebenholografen in der Kabine Wabashs auf — und Rex Corda prallte wie vor einem unsichtbaren Hindernis zurück. Er konnte sich nicht erklären, wie die Verbindung zustandegekommen war, aber er erkannte in diesen Sekunden, daß jeder seiner Schritte in der „Walter Beckett" von einer unsichtbaren Macht genau kontrolliert wurde. Rex Corda stand wie zu Stein erstarrt. Er sah, daß der Gesichtsausdruck Percips sich veränderte. Corda hatte den Lithalon-Geborenen lange nicht mehr so ernst gesehen. Die rote Kerbe auf der Oberlippe, eine Mutation, leuchtete in einem intensiveren Rot, als Rex Corda das jemals gesehen hatte. Auf dem Nebenholografen zeichnete
sich das wirklichkeitsgetreue Bild ab, das aus einem schlechten Film zu stammen schien. Kim Corda lag bewußtlos auf seiner Liege. Zwei Magnethaftbänder waren um seinen Körper geschlungen, preßten ihn fest an die weiche Matratze. Neben ihm stand Hent Marat. „Auch er war an der Expedition zum Wrack beteiligt", sagte Corda, und er bewegte kaum die Lippen. Er starrte auf Hent Marat, der ihm wie ein Geist vorkam. Der ruhige geniale Wissenschaftler, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte, dessen Gutmütigkeit sprichwörtlich geworden war — dieser Mann hatte eine Rolle als Mörder übernommen! Aus der Tiefe der Vakuole schien er Befehle entgegenzunehmen, von denen er nichts wußte. Ruhig, beinahe leise, war auch jetzt wieder die Stimme des fülligen Forschers, als er sich an Corda wandte. „Kehren Sie zurück, Sir!" Nichts an seinen Worten war steif oder gezwungen. Hent Marat hatte sich nicht im geringsten verändert. Hent Marat lächelte, und es schien, als hätte er auch jetzt, in dieser unmöglichen Situation, einen Witz parat. Seine großen Hände hielten einen Strahler in der Hand. Auch Hent Marat hatte sich verändert. Alle vier Personen, die in dem Wrack gewesen waren, hatten sich verändert. Man sah es nur nicht, man hörte es nicht, man spürte es nicht. Selbst Wabash, der Delphin, war getäuscht worden. Ihm war die Nähe gefährlicher Gedanken nicht aufgefallen. Erst Kims Reaktion auf die Gefahr hatte ihn aufmerksam werden lassen. Rex Corda hatte seit Beginn der Invasion auf der Erde viel wunderliche und erstaunliche Dinge kennengelernt.
Sowohl bei den Laktonen als auch bei den Orathonen war er mit Waffen konfrontiert worden, die das Vorstellungsvermögen der Terraner überfordert hatten. Selbst nach dem Kontakt mit diesen Dingen aber hatte er es jetzt mit einer Waffe zu tun, die nicht minder gefährlich war wie die tödlichen Strahlenbahnen einer Energiekanone. Die „Zeitlosen" operierten mit einer Technik, in die er sich nicht einfühlen konnte. Es war ihm unverständlich, wie die geheimnisvollen Wächter der „Großen Gesetze" es fertigbrachten, daß die Forscher und der Offizier nach Verlassen des Wracks als präparierte Marionetten in die „Walter Beckett" zurückgekehrt waren und dort einen ganz bestimmten Auftrag auszuführen hatten. Den Forschern war ihre Gefährlichkeit nicht anzusehen — und das war es, was Corda schockierte. „Kehren Sie nach Terra zurück, Sir!" Hent Marats Stimme war ruhig und zuvorkommend, und er redete Corda so an, wie der Präsident es gewohnt war. Kein drohender Unterton, keine Drohung. „Warum soll ich zurückkehren?" fragte Corda rauh. Er hatte die Blicke unablässig auf seinen ohnmächtigen Bruder Kim gerichtet. Er konnte keine Verletzung am Kopf des Jungen feststellen. Hatte Marat eine Droge gespritzt? „Die Vakuole ist das Reich einer anderen Rasse, wir haben kein Recht, hier zu sein. Wenn Sie sich weigern sollten, dann ist der Tod Ihnen gewiß, Sir." Es erweckte ganz den Anschein, als spräche Hent Marat dies alles aus seiner eigenen Überzeugung. Kein Auftraggeber schien hinter seinem Rücken zu stehen. Rex Corda sann den Worten nach. Er überlegte blitzschnell, was sich seit der Rückkehr der vier Forscher und
des Offiziers an Bord der „Walter Beckett" ereignet hatte. Bisher war es nur um eine Person gegangen. Er sollte ausgeschaltet werden, er war die treibende Kraft in der „Walter Bekkett", er hatte den Flug in das Pentagramm veranlaßt. Die „Zeitlosen" wollten ihn loswerden. Würden sie, um dieses Ziel zu erreichen, das Leben eines Unschuldigen aufs Spiel setzen? Kim würde dieses unschuldige Opfer sein. Rex Corda schluckte. Er stand vor einer schweren Entscheidung. Entweder der Flug in die Vakuole — und den Tod Kims — oder Rückkehr und Kims Leben, Er fühlte sich moralisch verpflichtet, den Flug in die Vakuole fortzusetzen, weil Sigam Agelon, der Todfeind der „Zeitlosen", durch eine terranische Erfindung so mächtig geworden war. Es war aber selbstverständlich, daß er das Leben seines Bruders retten mußte! Doch die „Zeitlosen" hatten ihn vor die Alternative gestellt. Aber: stimmte diese Alternative mit der Ethik dieses alten und weisen Volkes überein? Konnten sie einen anderen töten lassen — nur weil er, der Eindringling, nicht gehorchte? Nur Sekunden brauchte Corda, um sich über seine weitere Handlungsweise klarzuwerden. Percip wollte vortreten, um besser auf den Holografen blicken zu können. Er stand außerhalb des Aufnahmebereiches, Hent Marat hatte den LithalonGeborenen noch nicht gesehen. „Stehenbleiben!" raunte Corda dem Laktonen zu. Percip verhielt im Schritt, Corda bewegte kaum die Lippen. Seine Stimme war nur ein Hauch. Doch Percip verstand jedes Wort. „Es handelt sich um Marats Privatkabine. Ralf Griffith soll versuchen, ihn abzulenken. Ich werde einstweilen ver-
suchen, Marat mit Verhandlungen hinzuhalten." Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, setzte Rex Corda das Frage- und Antwortspiel mit Hent Marat fort. Percip zog sich lautlos zurück. Hinter den Wandungen des Bassins verschwand er aus Wabashs Spezialkabine. „Sie dürfen Kim nicht töten, Marat, auch nicht, wenn ich mich weigere!" sagte Corda. Hent Marats Augen ruhten auf ihm. Doch der Forscher reagierte nicht. Entweder hatte er die Worte nicht gehört, oder er hatte sie nicht hören wollen. „Kehren Sie zurück!" Das war alles, was nach langen Minuten des Schweigens über Marats Lippen kam. In Gedanken ging Corda den Weg mit, den Percip zu Ralf Griffith zurückzulegen hatte. Der ehemalige CIAAgent und becon-veränderte Griffith mußte jetzt schon von den Dingen wissen, die sich an der Schwelle zu dem Spezialhangar abspielten. Hent Marat hatte einen Strahler in der Hand. Er hatte diesen Strahler kaum merklich auf den völlig regungslosen Kim gerichtet. Corda fühlte sich unsicher. Er wußte nicht, ob er mit seinen Überlegungen auf dem richtigen Weg war. Die nächsten Minuten würden es beweisen. Er ging ein großes Risiko ein. „Bringen Sie mir Kim unverletzt zurück. Ich will sehen, daß ihm nichts geschehen ist. Dann können wir weitersprechen", begann Corda unvermittelt wieder, und er dachte daran, daß Ralf Griffith jetzt auf der Höhe der Kabine Marats sein konnte, wenn alles gutgegangen war. „Es ist nichts geschehen. Er schläft tief." Marat nannte ihm sogar Namen und Nummer des Präparates, das er injiziert hatte. Es war ein harmloses, aber tief wirksames Mittel.
„Sobald Sie den Befehl zur Umkehr der ,Walter Beckett' geben, wird Kim meine Kabine verlassen, Sir." Es waren die letzten Worte des beeinflußten Forschers, ehe sich lautlos die seitliche Tür öffnete — und die Gestalt Ralf Griffiths in das Blickfeld Cordas kam. Corda und Fan Kar Kont hielten den Atem an. Hinter Griffith sahen sie die schattengleiche Gestalt des Lithalon-Geborenen. Percip hielt ein stabförmiges schwarzes Gerät in der Hand. Damit hatten sie die elektronische Sicherung der Tür unbemerkt aufknacken können. Hent Marat war so sehr auf Kim und den wieder unablässig redenden Rex Corda konzentriert, daß ihm die Dinge, die sich seitlich hinter seinem Rücken abspielten, entgingen. Er bemerkte die Nähe des unbesiegbaren Ralf Griffith erst, als es schon zu spät war. Hent Marat wirbelte herum. Rex Corda sah, wie die Waffe Marats automatisch hochkam — doch dann senkte Marat die Waffe wieder, er richtete sie nicht auf Ralf Griffith. War es deshalb, weil Marat wußte, daß Griffith mit einem der herkömmlichen Strahler nicht zu vernichten war, oder war es deshalb, weil es sich bei Ralf Griffith nicht um die Person handelte, die er töten sollte? Rex Corda hatte keine Zeit mehr, über dieses Problem nachzudenken. Die Dinge auf dem Holografen überstürzten sich. Ralf Griffith riß dem Forscher die Waffe aus der Hand. Anstatt sich auf einen Kampf einzulassen, versuchte Marat, aus seiner Kabine zu entkommen. Er wischte wie ein Schatten unter dem Zugriff Ralf Griffiths durch. Doch Ralf Griffith war auf der Hut. Behende schwang er seinen Körper herum. Er erwischte Marat am Rockzipfel und zog ihn wie ein ungehor-
sames Kind zu sich her. Hent Marat zappelte und tobte in Ralf Griffiths Armen, aber er war nicht in der Lage, den Gigantenkräften des veränderten Terraners etwas entgegenzusetzen. Corda atmete auf. Er war selbst erstaunt darüber, daß sein gewagter Plan so rasch und ohne Komplikationen über die Bühne gegangen war. „In der Kabine festsetzen und auf jeden Fall anbinden", sagte Corda noch, und dann begann er zu rennen. Er wollte so schnell wie möglich bei Kim sein. Die beiden Ba-3-Roboter mit ihren eckigen, stilisierten Köpfen waren ständig wie zwei Schatten neben ihm Fan Kar Kont, der Chefwissenschaftler, eilte hinter ihm her. Außer Atem kam Rex Corda in der Kabine an, die weitab von der Forschungsabteilung lag. Über mehrere Stege und unzählige Gravoschächte hatte der Weg nach hier geführt. Doch er hatte weniger als sieben Minuten gebraucht, um zu Kim zu kommen. Auf den ersten Blick erkannte Rex Corda, was er auch auf dem lebensgroßen Bild des wirklichkeitsgetreuen Holografenschirmes schon festgestellt hatte: Kim war unverletzt. Er atmete tief und ruhig. Während Ralf Griffith den nun völlig teilnahmslosen Hent Marat in die Kabine führte, in der die vier Ba-3 Roboter Eric Jenkins und Bir Osgo bewachten, setzte Percip einen Hologra-fenspruch an die Medizinische Abteilung ab und bat Dr. McCluskey zu kommen. Der Chefarzt der Medizinischen Abteilung kam wenig später. Er schnaufte heftig. Er war völlig außer Atem. Nach einer kurzen Untersuchung und den erklärenden Worten Cordas, der ihm das Medikament genannt hatte, injizierte er wenig später ein Gegenmittel. „Gleich wird er wieder zu Bewußtsein kommen, Sir", sagte McCluskey,
während er sich vom Lager Kims erhob. Sekunden später wachte Kim auf. Benommen blickte der 14jährige Junge in die Runde. Es dauerte einen Augenblick, ehe er sich wieder entsann, was eigentlich geschehen war. Er richtete sich langsam auf. Corda lächelte. „Alles in Ordnung, Kim?" fragte Rex Corda. „Alles in Ordnung, Rex", lachte Kim, und er war schon wieder völlig munter. Er sprang von der Liege herunter und grinste Fan Kar Kont an. „Du wirst während der nächsten Stunden — vielleicht auch Tage — ständig in meiner Nähe bleiben, Kim", sagte Rex Corda, während er den Arm um die Schultern seines Bruders legte. „Drei Gefahrenquellen haben wir schon ausgeschaltet. Unter den Ba-3-Robotern sind unsere drei Widersacher vorerst gut aufgehoben. Sie — Dr. McCluskey und Sie, Fan Kar Kont — können sich in der Zwischenzeit einige Gedanken über das eigenartige Benehmen dieser drei Männer machen. Vielleicht gelingt es Ihnen, sie von dem hypnotischen Befehl zu entbinden. Ich werde mich einstweilen darum bemühen, daß auch die vierte Bombe, die wir noch an Bord haben, entschärft wird. Ierra Kretan wird noch gesucht! Bis jetzt hat man noch nicht die kleinste Spur von ihr gefunden. Und das macht mich nachdenklich. Das bedeutet, daß noch eine Person auf freiem Fuß ist, die mich ermorden soll." Er versuchte zu lächeln. Aber es gelang ihm nicht. * Tsati Mutara zitterte am ganzen Körper. Ein Teil der Energie Agelons sickerte in ihn hinein und verschwand im Nichts. Als der terranische Mutant das Ungeheuerliche bemerkte, unterbrach er sofort den Versuch.
Hatte Sigam Agelon etwas bemerkt? Nichts an dem Featherhead ließ erkennen, daß der Versuch des Mutanten ihm bewußt geworden war. Hart und kalt blickten die Augen auf Tsati Mutara. Dann ließ Sigam Agelon ihn langsam los. An der Stelle, an der seine fünf Finger das Armgelenk Mutaras umfaßt hatten, war eine helle Druckstelle zurückgeblieben, in die nur langsam das Blut wieder einströmte. Mutara massierte seinen Arm. Dann verließ er den Maschinenraum, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen. * Sigam Agelon kehrte in die Kommandozentrale zurück. Er strömte die Ruhe und die Kalte eines Mannes aus, der sich seiner Macht bewußt war. Auf dem Hauptholografen war in der Ferne der winzige Lichtstrudel zu sehen, dem die „Lynthos II" fast zum Opfer gefallen wäre. Vor der „Lynthos II" war die kleine weiße Sonne größer geworden. Mit bloßem Auge war das Sonnensystem jetzt zu erkennen. Drei Planeten kreisten um das helle Muttergestirn. Jeder der Planeten hatte eine andere Farbe. Einer leuchtete in einem azurfarbenen Blau, was darauf schließen ließ, daß es dort riesige Meere geben mußte. Der mittlere schien von gewaltigen Urwäldern bedeckt zu sein, denn das leuchtende Grün hob sich angenehm und beruhigend von dem dunklen Blau des Alls ab. Der äußere Planet aber war rostbraun. Entweder war diese Welt eine Schatzkammer, in der es ungeheueren Reichtum an Kupfervorkommen geben mußte, oder sie war eine öde Sandwüste, auf der kein Baum und kein Strauch wuchs. Sie waren diesem kleinen Sonnensystem bis auf wenige Lichtminuten näher gekommen, als die Ortungsab-
teilung der vorausfliegenden „Lynthos II" auf die Objekte aufmerksam machte, die sich vom innersten der drei Planeten näherten. „Raumschiffe!" Sigam Agelon ertappte sich dabei, daß das Wort unbewußt über seine Lippen kam. Er lachte leise. „Sie geben es nicht auf", murmelte er vor sich hin, während seine kräftigen Hände das Geländer der Kommandobrücke umspannten. „Sie lassen sich jetzt wieder etwas Neues einfallen, um uns in Schwierigkeiten zu bringen." Die Objekte kamen rasch näher. Agelon gab mit harter Stimme seine Befehle. Die zwölf Hantelraumer standen in höchster Alarmbereitschaft. Sämtliche Kampfstände waren gefechtsklar. Draco-Werfer und Zero-Strahler waren aktiviert. Die Raumschiffe der „Zeitlosen", die sich näherten, waren in ihrer Form nicht genau zu erkennen. Sie glichen stumpfen Pyramiden, die von flimmernden grünlichen Schutzschirmen umgeben waren. Sigam Agelons Gesicht verzerrte sich zur Fratze. „Es sind zwanzig Schiffe. Sie sind nicht stärker als die Schiffe meiner Flotte, davon bin ich überzeugt", sagte er so laut, daß jeder in der Zentrale es hören konnte. Die stumpfen Pyramiden-Schiffe zogen sich in einer weiten Kette auseinander, gerade zu dem Zeitpunkt, als Sigam Agelon den Befehl für die DracoWerfer geben wollte. „Sie haben etwas gelernt", sagte er rauh. „Nachdem die Kampfstationen sich im Draco-Feld nicht mehr zurechtfanden, scheinen die jetzigen Angreifer uns an einem ähnlichen Manöver hindern zu wollen. Sie glauben, daß es uns Schwierigkeiten bereitet, einen größe-
ren Raumabschnitt einzunebeln. Dummköpfe! Sie sind Dummköpfe!" Da griffen die „Zeitlosen" an. Grelle Energiefinger zuckten durch das blaue Universum auf die Hantelraumer zu. Die flimmernden grünlichen Schutzschirme der Pyramidenschiffe öffneten sich bei dem Angriff nicht. Knisternd liefen die Funkenschwärme über die superstarken Schutzschirme der Hantelraumer hinweg. Noch war der Angriff der „Zeitlosen" nicht massiv genug, um den zwölf Hantelraumern gefährlich zu werden. Es schien, als wollten die Kommandanten der Pyramidenschiffe den Gegner erst abtasten, seine Reaktion prüfen. Sigam Agelon schien ihnen nicht ganz geheuer zu sein. Der Flottenkommandeur der Featherheads reagierte prompt. Er gab seinen Kommandanten den Befehl, hart und gezielt zurückzuschlagen. Die Schiffe Agelons formierten sich ebenfalls in einer langen Linie nebeneinander. Die Pyramidenschiffe und die Hantel-raumer stießen aufeinander zu. Abermals blitzten die Energiefinger der stumpfen Pyramidenschiffe durch das All. Der Angriff der „Zeitlosen" wirkte nervös und überhastet. Sie schienen offenbar unter einem Schock zu leiden. Mit einer solchen Situation, wie sie jetzt in der Vakuole eingetreten war, hatten die „Zeitlosen" nie zuvor zu tun gehabt. Niemals war es einer Macht gelungen, in das Reich der Wächter einzudringen. Die kampferfahrenen Kommandanten der Hantelraumer ließen sich von den verzettelten Angriffen der „Zeitlosen" nicht einschüchtern. Sie befolgten Sigam Agelons Rat. Hart und massiv schlugen sie zurück. Die Energiekanonen in den Kampfständen schleuderten ihr tödliches Potential in das All. Raumminen und
Raumtorpedos suchten sich selbsttätig ihr Ziel. Sigam Agelon belegte nun seinerseits die Angreifer mit einem mörderischen Feuer. Das Energiepotential der zwölf Hantelraumer war noch immer enorm, die Schäden, die während der letzten Kämpfe aufgetreten waren, konnten zum größten Teil behoben werden und beeinträchtigten die Kampfkraft der Schiffe nicht mehr. Schon nach wenigen Minuten des Kampfes wurden keine klaren Frontlinien mehr eingehalten. Die kämpfenden Parteien waren im wahrsten Sinne des Wortes ineinander verschlungen. Ein tobendes Energieinferno brauste zwischen den kämpfenden Schiffen. Zwei Hantelraumer hatten eine so gute Position einnehmen können, daß es ihnen gelang, drei der stumpfen Pyramidenschiffe gleichzeitig mit voller Breitseite unter Feuer zu nehmen. Die Schutzschirme der Pyramidenschiffe brachen unter dem gezielten Beschuß zusammen. Der konzentrierten Kraft waren sie nicht gewachsen. Die drei Pyramidenraumer vergingen in einer tiefroten Explosionswolke, die sekundenlang völlig unbeweglich im Raum stand. Dann fiel die Wolke förmlich in sich zusammen wie bei einer Implosion. Sigam Agelon war auf der Kommandobrücke der „Lynthos II" Zeuge dieser Taktik geworden. Er begriff sofort, auf welche Weise die „Zeitlosen" geschlagen werden konnten. Einem konzentrierten Feuer widerstanden auch die grünlichen Schutzschirme nicht. Schon in der ersten Phase des Kampfes war dem Featherhead klargeworden, was er längst vermutet hatte: die Macht der „Zeitlosen" war lange nicht so groß, wie alle Völker der Galaxis glaubten. Die modernen Waffen der Orathonen waren denen der „Zeitlosen" nicht un-
terlegen. Im Gegenteil: es zeichnete sich ganz deutlich eine Überlegenheit der orathonischen Waffen ab. Die „Zeitlosen" mußten einst ungeheuer mächtig gewesen sein. Doch von einem bestimmten Punkt an mußte die EntAvicklung in der Vakuole stagniert haben. Die „Lynthos II" wurde von zwei Pyramidenschiffen gleichzeitig überrascht. Die Energiestrahlen zuckten aus den grünlichen Schutzschirmen, warfen den Hantelraumer zurück. Der superstarke Schutzschirm der „Lynthos II" zuckte unter den auftreffenden Energien. Sigam Agelon schlug zurück, noch ehe die „Lynthos II" sich eine günstige Schußposition geschaffen hatte. Aus einem ungünstigen Winkel heraus schleuderten die Energiekanonen ihre tödliche Last den Pyramidenschiffen entgegen. Und wieder zeigte sich, daß Verwirrung und Gedankenlosigkeit in den Reihen der „Zeitlosen" herrschten. Einer der Kommandanten der „Zeitlosen" hatte nicht damit gerechnet, daß Sigam Agelon aus diesem Winkel einen Schießbefehl erteilen würde. Das stumpfe Pyramidenschiff knallte mitten in das Energiechaos hinein. Der Schutzschirm brach blitzartig zusammen. Die nachfolgende Energiegewalt ließ das Schiff der „Zeitlosen" in einer tief roten Explosion vergehen. Wieder beobachtete Sigam Agelon das eigenartige Phänomen der ruhigstehenden Glutwolke, die Sekunden später in sich zusammenstürzte. Nichts war von der stumpfen Pyramide übriggeblieben. Die überraschenden Erfolge und die Planlosigkeit und übernervösen Reaktionen auf Seiten der „Zeitlosen" gaben den Männern unter Sigam Agelons Befehl Auftrieb. Überlegen und ruhig starteten sie ihre Angriffe. Unmittelbar über der „Lynthos II"
tauchte ein Hantelraumer vom WonnTyp auf. Das Schiff der Flotte Agelons war leicht angeschlagen. Sigam Agelon sah es sofort. Das Raumschiff manövrierte in diesen Sekunden nur mit halber Kraft. Aber der Kommandant legte aus diesem Grunde keine Kampfpause ein oder zog sich gar zurück. An Bord dieses WonnHantelraumers würde man jetzt fieberhaft mit der Behebung des Schadens beschäftigt sein. Der Kommandant mußte im Augenblick sparsamer mit dem Energiehaushalt seines Schiffes umgehen. Doch er erkannte seine Chance, seinen Platz innerhalb der Flotte voll auszufüllen. Er wußte, daß es für Sigam Agelon entscheidend war, sich auf jeden seiner Kommandanten in diesem Kampf verlassen zu können. Das Schiff über der „Lynthos II" setzte Zero-Strahler ein. Die „Energieverdunster", wie sie auch genannt wurden, konnten bei gezielter Anwendung dem Gegner ebenso gefährlich werden wie ein mörderisches Angriffsfeuer aus allen Rohren eines schweren Karnpfschiffes. Keine 1000 Meilen von der „Lynthos II" entfernt formierte sich ein Verband abgeschlagener Pyramidenschiffe neu. In einer weiten Schleife kehrten sie in den stark umkämpften Raumabschnitt zurück. Der Zero-Strahler warf das chemische Plastikgespinst weit hinaus in den Raum, den anfliegenden Pyramidenschiffen entgegen. Unmengen leitfähigen Plastikgespinstes wurden innerhalb von Sekundenbruchteilen gewoben und wie ein Gladiatorennetz Hunderte von Meilen von dem Wonn-Hantelraumer weggeschleudert. In Abständen von zwanzig Meilen wurden automatisch Kondensatoren eingewoben, die als Knotenpunkt ihre Rolle zu erfüllen hatten. Diese Knotenpunkte sammelten die Energie des Geg-
ners und machten sie unschädlich. Die Kommandanten in den Pyramidenschiffen schienen in diesen Sekunden noch nicht zu begreifen, was eigentlich geschah. Als ungeheuere Energieprotuberanzen auf die „Lynthos II" und den WonnRaumer abgefeuert wurden — da erst begriffen die „Zeitlosen", daß Sigam Agelon und seine Flotte abermals einen entscheidenden Schritt vorwärts getan hatten. Die Energiestrahlen schienen auf dem Weg zu den Raumern schwach und kraftlos zu werden. Die Kondensatoren innerhalb des riesigen Plastikgespinstes, das wie ein titanenhaftes Spinnennetz im Raum zwischen den Schiffen Agelons und den neuformierten Angreifern lag, saugte die hohen Energiemengen auf und machte sie unschädlich. Das Ganze wirkte wie ein Schwamm. Zwei, drei der orathonischen Hantelraumer der Dorr-Klasse begriffen die Chance, die sich ihnen bot, sofort. Sie griffen von der Seite her die Pyramidenschiffe der „Zeitlosen" an, die so nahe an das gefährliche Netz herangekommen waren, daß ihnen im wahrsten Sinne des Wortes der „Saft abgezapft" wurde. Die Schutzschirme der Pyramidenschiffe schwankten unter dem gigantischen Saugeffekt. Sie wurden so schwach, daß für die fünf Schiffe jede Flucht zu spät kam. Ein konzentriertes Feuer aus den Kampfständen der beiden Dorr-Raumer genügte, um alle fünf Pyramiden fast zu gleicher Zeit in tiefrote Explosionswolken zu verwandeln. Die Schiffe Sigam Agelons waren erfolgreich auf der ganzen Linie. Es war unfaßbar selbst für die Optimisten an Bord der Hantelraumer. Sie hatten fast die Hälfte der angreifenden Pyramidenschiffe ausgelöscht, während
die eigene Flotte nicht ein einziges Schiff verloren hatte. Zwei oder drei Hantelraumer waren angeschlagen, aber diese Beschädigungen würden sich über kurz oder lang wieder ausmerzen lassen. Das konzentrierte Feuer auf die Pyramidenschiffe, die geschickte Art zu manövrieren, die gezielte Anwendung der Draco-Werfer und der Zero-Strahler — das alles zusammengenommen ergab eine Situation, mit der die „Zeitlosen" nicht mehr zurechtkamen. Hinzu kam, daß sie unter dem Schock litten, Sigam Agelon so mächtig anzutreffen. Es erschütterte den Flottenkommandeur der Featherheads auch keineswegs, als er erkannte, daß aus der Tiefe des kleinen Sonnensystems, aus der Höhe des azurblauen Planeten, weitere Verstärkung für die „Zeitlosen" eintraf. Unzählige Schiffe verirrten sich in einem mehr als 50 000 Kubikkilometer großen Raumfeld, das völlig mit Draco ausgefüllt war. Während die Ortungsschirme der „Zeitlosen" völlig unbrauchbar wurden, konnten die Orathonen mit Hilfe ihrer Spezialinstrumente aus dem Hinterhalt und ebenfalls „blind" eine ganze Formation der stumpfen Pyramidenschiffe vernichten. Die „Lynthos II" erhielt zwei schwere Treffer von konsequent angreifenden Pyramidenschiffen, als der Schutzschirm über der rechten Kugel für den Bruchteil einer Sekunde infolge des ungeheueren Abwehrfeuers zusammenbrach. Sigam Agelon zog sich mitten in den Draco-Nebel hinein, entkam den Blikken seiner Gegner und ließ innerhalb dieses Raumabschnittes an Ort und Stelle die notwendigen Reparaturen durchführen. Die rechte Kugel mußte über eine Fläche von fast 500 Quadratmetern ausgebessert werden.
Staras, Whims und Jumper, orathonische Soldaten, Techniker und Spezialisten rasten durch das Schiff. Spezialmaschinen wurden angebracht, um die Reparatur so schnell wie möglich auszuführen. Der Kampf mit den „Zeitlosen" war noch in vollem Gange. Auch während der Zeit der Reparatur ließ Sigam Agelon die Kampfstände der „Lynthos II" nicht zur Ruhe kommen. Innerhalb des Draco-Feldes wurde die „Lynthos II" mehr als einmal wirksam, um einem Gegner in den Rücken zu fallen und ihn auszulöschen. Die orathonischen Schiffe wurden von ihren Kommandanten so überlegen eingesetzt, daß ein Schiff der „Zeitlosen" nach dem anderen in einer glutroten Implosionswolke zusammenschrumpfte und verging. Sigam Agelon trieb die Arbeitskräfte an. Er wollte so schnell wie möglich wieder voll wirksam in den Kampf eingreifen. Jedes einzelne Schiff war wichtig. Als ihm die Mitteilung zuging, daß die rechte Kugel repariert und der Schutzschirm wieder voll wirksam sei, beorderte er die „Lynthos II" sofort wieder in den am härtesten umkämpften Raumabschnitt. Die kleineren Arbeiten innerhalb der Kugel konnten auch während intensiver Kampfaktionen durchgeführt werden. Mit voller Wucht warf Sigam Agelon die „Lynthos II" wieder in den Kampf. Auf den mannshohen Holografen über dem Steuerpult in der Kommandozentrale waren die Ereignisse so wirklichkeitsgetreu zu verfolgen, daß der uneingeweihte Betrachter das Gefühl gehabt hätte, durch ein offenes Fenster der „Lynthos II" in den Raum hineinzusehen. Dicht vor der „Lynthos II" schwebte ein angeschlagener Pyramidenflugkörper der „Zeitlosen". Der flimmernde, grünliche Schutz-
schirm zuckte, erlosch, baute sich wieder auf. Die „Zeitlosen" an Bord schienen fieberhaft damit beschäftigt zu sein, den Schutzschirm wiederaufzubauen. Doch sie schafften es nicht mehr. Das konzentrierte Feuer aus den Kampfständen der „Lynthos II" verwandelte das Pyramidenschiff in eine Explosionswolke. Die Erfolge ließen die orathonischen Kommandanten waghalsiger, mutiger werden. Sie unternahmen Aktionen, die sie unter normalen Umständen niemals versucht hätten. Und das Erstaunliche daran war: die Aktionen gelangen ihnen! Ungeheuere Mengen leitfähigen Plastikgespinstes waren indessen wirksam gegen die „Zeitlosen" eingesetzt worden. Die Zero-Strahler hatten großen Erfolg an den bisherigen siegreichen Aktionen der Orathonen. Tsati Mutara wurde ein Zeuge dieses ungeheuerlichen Kampfes zwischen den Hantelraumern und den stumpfen Pyramidenschiffen. Mit ernstem Gesicht stand er vor einem der zahlreichen Nebenholografen in der Höhe eines Hangars, in dem einige orathonische Soldaten damit beschäftigt waren, Diskusraumer vom Typ A-Vaut-T klarzumachen. Sigam Agelon war so vermessen, auch die Diskusraumer im Kampf gegen die „Zeitlosen" einzusetzen. Er wollte mit allen Mitteln einen hundertprozentigen Sieg über die Wächter der Großen Gesetze erringen. Der bisherige Erfolg ließ ihn waghalsiger werden. Tsati Mutara biß sich auf die Lippen. Der Trop hockte wie aus Stein gemeißelt auf seiner linken Schulter. Thali-Fenberth-Fen-Berthnyen beobachtete mit aufmerksamen Augen die Geschehnisse auf dem Nebenholografen und in dem Hangar. Im Augenblick schien ihm die Lust
zu reden vergangen zu sein. Sonst plapperte er auch in der gefährlichsten Situation und wußte irgend etwas über seine Ahnen zu berichten. Mit gemischten Gefühlen beobachtete Tsati Mutara wenig später das Ausschleusen der A-Vaut-T-Diskusraumer. Die Flugscheiben verfügten über stärkste Bewaffnung. Sie hatten einen Durchmesser von etwa 53 m und konnten einem Gegner äußerst gefährlich werden, wenn die richtigen Männer einen solchen Diskus steuerten und einsetzten. Und Spezialisten, die auf AVaut-T getrimmt waren, gab es genug an Bord der „Lynthos II". Sigam Agelons Stimme erfüllte die Kabinen des orathonischen Raumschiffes. Er beorderte mehr und mehr Diskusraumer in den Kampf. Auch die Kommandanten der anderen Hantelraumer wurden angewiesen, Diskusraumer vom A-Vaut-T-Typ einzusetzen. „Die Gelegenheit ist günstig", schrie der Agelon, und auf einem der Nebenholografen erschien seine Gestalt. Er stand auf der Kommandobrücke, sein Gesicht war schweißüberströmt. „Die ,Zeitlosen' werden die schwerste Niederlage in ihrer Geschichte erleben. Alle entbehrlichen Kräfte in die Diskusraumer!" Das Schiff war erfüllt vom Lärm des Kampfes, der Rufe, dem ungeheueren Dröhnen der Kraft- und Energiestationen. Soldaten hasteten an dem Mutanten vorbei. Whims stürzten an Tsati Mutara vorüber. Niemand achtete auf den terranischen Mutanten. Der Gedanke, aus dieser Situation Kapital zu schlagen, grellte urplötzlich in ihm auf. Tsati Mutara entschloß sich sofort. Er war überzeugt davon, daß Rex Corda der „Lynthos II" gefolgt war. Vielleicht war die „Walter Beckett" in
der Nähe. Mehr als einmal hatte er, Mutara, versucht, aus den Klauen des wahnsinnigen Agelons zu entkommen. Vielleicht war die Chance zur Flucht größer als je zuvor. Alles im Schiff war beschäftigt. Niemand hatte Zeit, sich um ihn zu kümmern. Sigam Agelon und seine Besatzung hatten nur ein Ziel: die „Zeitlosen" in einem ungeheueren Kampf zu vernichten. Und es sah ganz so aus, als sei der Anfang auf diesem Wege schon gemacht. Mutara ging rasch, jedoch nicht übermäßig schnell, um nicht aufzufallen, durch das Mittelstück der „Lynthos II". Sein Ziel war die Holografenzentrale. Er hatte vor, nur einen kurzen Spruch abzusetzen. Zu einer Bildübertragung brauchte es gar nicht zu kommen. Corda sollte wissen, daß er, Mutara, bereit war, aus der „Lynthos II" zu fliehen. In der allgemeinen Aufregung würde es ihm vielleicht gelingen, einen Diskusraumer vom Pon-Typ klarzubekommen. Er konnte mit einer solchen Flugscheibe umgehen. Eines jedoch war wichtig: die „Walter Beckett" mußte ihn so schnell wie möglich aufnehmen können. Mutara kam der Holografenzentrale näher, und er verlangsamte seinen Schritt. Er schlenderte gemächlich auf den Eingang zu, warf aus den Augenwinkeln heraus einen Blick in die Zentrale. Er glaubte im ersten Augenblick, nicht richtig zu sehen. Niemand war in der Holografenzentrale! Kein Stara, der mit irgendeiner Reparatur oder einer routinemäßigen Inspektion beschäftigt war, kein Whim, kein orathonischer Soldat — keine Gefahr weit und breit! Die Orathonen und ihre Hilfsvölker hatten jetzt an anderen Orten alle Hände voll zu tun. Die Holografenzentrale war für sie im Moment völlig unwichtig. Tsati Mutara zögerte keine Sekunde.
Wie ein Schatten huschte er in den Raum hinein, verschwand zwischen den unzähligen Reihen der flimmernden Holografenschirme und suchte einen der Schalttische im äußersten Winkel der Zentrale auf. Er war so mit sich und seinen Gedanken beschäftigt, daß er nicht bemerkte, wie einer der kleinen Jumper lautlos wie ein Schatten unter einem der mannshohen Holografenschirme hervorhuschte und draußen auf dem Gang verschwand... „Schnell", wisperte Tsati Mutara erregt. „Du mußt mir helfen, Thali." Der Trop war wie ein Blitz von seiner Schulter, hantierte wie ein Wiesel auf dem schmalen Schaltbrett herum. Ein kaum hörbares Summen klang um Mutara herum auf, Relais klickten, ein Oszillograph begann zu flimmern, und nadelfeine Striche wanderten schlangengleich über den runden kopfgroßen Schirm mitten auf dem Schaltpult. Dunkelgrüne Lämpchen blitzten auf. Mutara warf einen raschen Blick zurück. Er konnte nichts erkennen. Noch immer war die Holografenzentrale leer. „Rasch", drängte der Terraner. Thali schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Das ist leichter gesagt als getan. Auch die Technik braucht einen gewissen Anlauf, mein Freund. Allzu schnell ist auch nicht ideal. Ich..." Er unterbrach sich. Mutara grinste. Er hatte geahnt, was dem rotpelzigen Trop wieder auf der Zunge gelegen hatte. Doch im letzten Augenblick hatte Thali es unterlassen. Es war jetzt nicht die Zeit, über Familienprobleme und Ereignisse aus einer endlos langen Ahnenreihe zu erzählen. „Es ist soweit", flüsterte Thali leise. Seine Stimme klang erregt. Die Auf-
regung ging ihm unter den Pelz. Die nächsten Sekunden würden entscheidend sein. Die Frequenz war eingestellt, die Hypersender waren aktiviert. Mutara brauchte nur noch zu sprechen. Er machte es kurz. Er bat die „Walter Beckett", in diesen Raumabschnitt zu kommen. „... ich werde versuchen, jetzt sofort einen Diskus zu erwischen. Beeilt euch, kommt schnell! Agelon wird ..." Tsati Mutara kam nicht mehr dazu weiterzusprechen. Ein dunkelgrüner Strahl zischte an ihm vorüber und krachte mitten in den zuckenden Bildschirm auf der Mitte des Schaltpultes. Das Metall wurde glutflüssig, Mutara warf sich herum, der Trop sprang mit einem Riesensatz quietschend in die äußerste dunkle Ecke, die er erwischen konnte. Das Erscheinen des Teufels hätte den Mutanten nicht schlimmer erschrecken können. Er stand — Sigam Agelon gegenüber! Die Blicke der beiden Todfeinde begegneten sich nur für den Bruchteil einer Sekunde. Doch das genügte. Im gleichen Augenblick glaubte Tsati Mutara, daß er die Erde nie wiedersehen würde . .. * Bir Osgo schlug die Augen auf. Es wunderte ihn, daß er gefesselt auf der Liege lag. Er begriff es nicht, aber er machte sich auch keine weiteren Gedanken darüber. Sein Blick wurde klar, und die Kopfschmerzen, die er dem entschlossen zuschlagenden Fan Kar Kont zu verdanken hatte, vergingen ziemlich rasch. Bir Osgo hob ein wenig den Kopf an. Er war nicht allein in der Kabine. Er erkannte den terranischen Offizier und
— Hent Marat. Beide saßen nur wenige Meter voneinander entfernt auf Magnethaftstühlen gefesselt. Der Terraner und Hent Marat hatten den Kopf gesenkt. Bir Osgo konnte nur einen Teil ihrer Profile sehen. Dafür aber sah er ganz deutlich die vier Ba-3-Roboter, die vor den beiden Eingängen zur Kabine patrouillierten. Immer wieder auch kam in einem bestimmten Rhythmus einer der Roboter auf die drei Isolierten zu und überprüfte den Sitz der Fesseln. Bir Osgo machte sich keine Gedanken. Es schien, als hätte er das Denken verlernt. Nichts irritierte ihn, nichts machte ihn stutzig, nichts kam ihm verändert oder merkwürdig vor. Er nahm die Dinge kommentarlos hin. Auch als die Magnetbänder über seinem Körper plötzlich wie von Geisterhand bewegt zurückschnellten und die vier Ba-3-Roboter wie vom Blitz gefällt lautlos zusammenbrachen und reglos am Boden liegenblieben, da irritierte oder beschäftigte ihn das nicht. Er wußte nicht mehr, wer er war, was er wollte, wie er hieß und wo er sich befand. Von einem bestimmten Zeitpunkt an war er nicht mehr Bir Osgo. Er war eine Marionette. Eine Marionette in den Händen der „Zeitlosen", die ihn seit dem Eintreten in das Wrack des Kreiselraumschiffes führten und leiteten. Bir Osgo erhob sich von seiner Liege. Die vier unbrauchbaren Roboter in der Kabine störten ihn nicht. Er stieg über sie hinweg. Er fühlte die Bewegung hinter sich, und er wußte, daß Hent Marat und der terranische Offizier ihn begleiteten. Auch sie trugen keine Fesseln mehr. Es schien, als hätte eine unsichtbare Macht nur auf das Ende der Ohnmacht Bir Osgos gewartet, um die Führung der Marionetten wieder übernehmen zu können.
Lautlos schnappten die elektronischen Sicherungen auf. Bir Osgo und seine beiden Begleiter wußten, daß sie erst im Waffenarchiv Strahler holen mußten, um ihren Auftrag erfüllen zu können. Sie wußten auch, daß sie sich von jedem Besatzungsmitglied fernhalten mußten. Die Männer in der „Walter Beckett" waren gewarnt. Es war von Anfang an nicht alles so gelaufen, wie es die „Zeitlosen" geplant hatten. Es hatte schon damit begonnen, daß Rex Corda nicht selbst an Bord des Wracks gekommen war. Später hatte er ziemlich rasch reagiert, als er bemerkte, daß mit Bir Osgo und seinen drei Begleitern etwas nicht stimmte. Die „Zeitlosen" wollten nun eine ähnliche Entwicklung ausschalten und die Dinge innerhalb der „Walter Beckett" so schnell wie möglich zu einem Abschluß bringen. Sie waren ein wenig überfordert. Zwei mächtige Feinde gleichzeitig innerhalb der Vakuole erforderten ein hohes Maß an Koordination. Bir Osgo, Hent Marat, Ierra Kretan und der terranische Offizier Jenkins hatten den Auftrag, nun blitzschnell und ohne jede Warnung zuzuschlagen. Ierra Kretan spielte dabei noch eine besondere Rolle. Sie befand sich an einem sicheren Ort innerhalb der „Walter Beckett". Daß sie noch nicht entdeckt war, kam den „Zeitlosen" zugute. Sie wollten die Forscherin erst dann einsetzen, wenn der abermalige Versuch schiefgehen sollte. Doch im Lager der „Zeitlosen", die für die Geschehnisse an Bord der „Walter Beckett" verantwortlich waren, war man zuversichtlich. Rex Corda wußte nichts von der Freiheit der drei Männer, die den Auftrag hatten, ihn umzubringen. Ihr Auftauchen sollte so überraschend für ihn erfolgen, daß es zu einer Gegenwehr zu
spät sein würde. * Rex Corda befand sich auf der Kommandobrücke. Kim stand neben Fatlo Bekovals Pilotensitz und bewunderte die unzähligen Instrumente, deren Handhabung und Zweck so verwirrend waren, daß er sie sich immer wieder erklären ließ, in der Hoffnung, sie eines Tages doch einmal zu begreifen. Kim kratzte sich verzweifelt am Kopf. „Wie alt muß man eigentlich werden, um das alles verstehen zu können, Bekoval?" fragte er kleinlaut. Seine Blikke wanderten über die sinnverwirrende Anzahl der Skalen, Hebel, Knöpfe, Handräder und Schalter. Bekoval lachte, und die rötlichen Zähne des Laktonen schimmerten im hellen Licht der Kommandozentrale. „Wenn man täglich lernt, Kim, dann hat man es in spätestens fünfzig Jahren begriffen." Kim Corda starrte den Laktonen an. Er hoffte, daß Fatlo Bekoval nur einen Witz gemacht hatte. Doch nichts in der Miene des Laktonen zeigte ihm, daß dies der Fall war. Fatlo Bekoval war ernst und würdevoll, und er bediente seine Instrumente, als gäbe es nichts Wichtigeres zu tun, als sei es seine Bestimmung, ständig die Kontrollen im Auge zu behalten, die Computer mit neuen Daten zu füttern, den Kurs der „Walter Beckett" zu überprüfen. Kim Cordas Mund stand halb offen. Nachdenklich wandte er sich ab, um zu seinem Bruder hinüberzugehen, der mit Percip in ein Gespräch vertieft war. Auf Rex Cordas Stirn standen sorgenvolle Falten. Kim wollte mehr wissen über die Lehrzeit in der „Walter Beckett", und er hätte sicherlich noch stundenlang über
dieses Problem mit Bekoval oder seinem Bruder diskutiert, wenn John Haick, der Chef der Funk- und Ortungsabteilung, sich nicht plötzlich auf einem der Nebenholografen in der Kommandozentrale gemeldet hätte. Tsati Mutaras Ruf an die „Walter Beckett" war aufgefangen worden! Rex Cordas Herz schlug schneller. „Aus welchem Raumabschnitt kam der Ruf?" wollte der Präsident der Erde wissen. John Haick zuckte die Schultern. „Wir wissen es noch nicht. Wir sind dabei, es festzustellen, Rex." Das Bewußtsein, daß die Schiffe Sigam Agelons in der Nähe .waren, ließ eine gewisse Aufregung innerhalb der Kommandozentrale der „Walter Bekkett" aufkommen. Die Männer wurden nervös. Offiziere der terranischen Raumstreitkräfte standen flüsternd beisammen, diskutierten die Möglichkeit, ob es zu einem abermaligen Zusammenstoß zwischen dem Orathonen und der „Walter Beckett" kommen würde oder ob Sigam Agelon in Anbetracht der Überlegenheit der „Walter Beckett" sofort den Rückzug befehlen würde, wenn das mit Becon gepanzerte Schiff sich näherte? Spekulationen wurden ausgesprochen und wieder verworfen. Rex Corda war innerlich beunruhigt. Es dauerte ihm zu lange, bis die Funk- und Ortungsabteilung sich wieder meldete. Wenn Tsati Mutara mit dem PonDiskus schon hatte entkommen können, dann bestand die Gefahr, daß die „Walter Beckett" zu spät am Schauplatz der Geschehnisse eintraf. Der kleine Diskusraumer konnte sich in der Tiefe der Vakuole verlieren. Rex Corda wußte durch Mutaras Funkspruch von Mutaras Absicht, so schnell wie möglich aus der „Lynthos II" zu fliehen.
Da liefen die ersten Daten von John Haick ein. Die kreisförmigen Computer in der Kommandozentrale erhielten Arbeit. Der Ortungscomputer spie die mehrschichtigen hellroten Belege aus. Die Synopsen wurden sofort dem Klartextcomputer übergeben, der die geheimen Zeichen in einen verständlichen Text übersetzte. Als die ersten Koordinaten vorlagen, gab Corda den Befehl, die „Walter Bekkett" umgehend auf den neuen Kurs zu programmieren und zu beschleunigen. Da wurden auch die gewaltigen Energieumsätze eines großen Kampfes aus der Ortungsabteilung gemeldet. Alle Stationen auf der „Walter Bekkett" wurden in Alarmbereitschaft versetzt. Cordas Gesicht war ernst und verschlossen. Er starrte auf einen der mannshohen Hauptholografen über dem ausladenden Steuerpult. Das Bild der äußeren Umgebung war so echt, daß Corda immer wieder das Gefühl hatte, nur durch eine Fensterscheibe von der eisigen Kälte des sie umgebenden Kosmos getrennt zu sein. Und dieses Fenster schien sogar noch offenzustehen. In der Ferne leuchtete eine kleine weiße Sonne. In diesem Gebiet waren die Energieumsätze geortet worden. Die „Walter Beckett" befand sich bereits auf dem neuen Kurs. Sie beschleunigte mit ungeheueren Werten, um so schnell wie möglich in jenem Raumabschnitt zu sein, in den Tsati Mutara Rex Corda gebeten hatte. Die Masseorter waren aktiviert. Doch sie zeigten nichts von einem Diskus des Pon-Typs in der Nähe. Tsati Mutara mußte die Flucht aus der kämpfenden „Lynthos II" noch nicht gelungen sein. Mit brennenden Augen starrte Rex
Corda in die Tiefe des blauen Universums, in dem die kleine weiße Sonne immer näher kam. Die Energieumsätze, die die Ortungsabteilung an die Zentrale meldete, wurden immer größer. Die „Walter Beckett" befand sich auf dem richtigen Kurs. Rex Corda schluckte. Er fühlte instinktiv, daß die Begegnung mit Sigam Agelon unmittelbar bevorstand. Der Featherhead war der Todfeind der Erde und der Menschen. Bisher hatte er sich geschickt und raffiniert jeder Strafe entzogen. Corda hoffte, daß der „Unbesiegbare" seiner gerechten Strafe nicht entging. Er fühlte sich mitschuldig an der Macht, die Sigam Agelon errungen hatte. Becon war eine terranische Erfindung. Durch die phantastische Entdekkung Walter Becketts war Sigam Agelon zu dem geworden, was er jetzt war. Er war kein „Vollkommener", er war wahnsinnig, und das machte ihn um so gefährlicher. Corda wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Fan Kar Kont und Dr. McCluskey in die Kommandozentrale stürzten. Corda wirbelte sofort herum. Noch ehe Kont etwas sagen konnte, empfing Rex Corda die Empfindungen und Gefühle des Chefwissenschaftlers. Er wußte sofort, was geschehen war, und er konnte es nicht begreifen. Corda wurde blaß. Da stürzten neben ihm donnernd die beiden Ba-3-Roboter zusammen, die zu seinem Schutz abgestellt worden waren! * Sigam Agelon befand sich in einem unberechenbaren Zustand. Er atmete heftig, und in seinen Augen irrlichterte ein gefährlicher Schein. Der Orathone hob die Waffe. Eine
Zehntelsekunde vorher sah Mutara es in den dunklen Pupillen aufblitzen. Er reagierte sofort. Wie ein Stein ließ er sich zu Boden fallen. Der giftgrüne Strahl zuckte über ihn hinweg. Ein Aufschrei kam über Agelons Lippen. Er nahm die Waffe und schleuderte sie mit voller Wucht auf den Mutanten. Tsati Mutara konnte sich herumrollen. Doch er konnte nicht mehr verhindern, daß die Waffe ihn an der linken Schulter traf. Ein stechender Schmerz bohrte sich in die Tiefe seines Schultergelenkes, für einen Augenblick glaubte er, von einem Dampfhammer getroffen worden zu sein. Der Schmerz raubte ihm für den Bruchteil einer Sekunde den Atem. Sigam Agelon nutzte diese Gelegenheit und warf sich auf seinen Todfeind. Er riß Mutara herum, und ehe der Mutant sich versah und eine Abwehrbewegung machen konnte, schlug der Agelon ihm haßerfüllt mehrmals mit der flachen Hand ins Gesicht. Tsati Mutaras Kopf flog hin und her, als würde ein Dreschflegel aus massivem Stahl ihn treffen. Es wurde dunkel vor Mutaras Augen, er fühlte, wie sein Bewußtsein schwand. Doch er durfte nicht ohnmächtig werden! Er durfte nicht! Mit verzweifelter Anstrengung und ungeheuerer Willenskraft hielt er sich bei Bewußtsein. Er fühlte, daß Sigam Agelon ihn töten wollte. Der Featherhead befand sich in einem Zustand, in dem er nicht mehr wußte, was er tat. Er wollte den Tod Tsati Mutaras! Wie durch einen Schleier hindurch sah der Neger die geballte Faust, die der Agelon zum Schlag erhoben hatte. Mutara war benommen, sein Gesicht war geschwollen, seine Wangen brannten wie Feuer. Für Sekunden aber wurde sein Bewußtsein völlig klar. Er fand die Kraft, seinen Kopf herumzuwerfen, ehe Sigam Agelons Faust seinen Schä-
del zertrümmern konnte. Die Faust des Featherheads krachte donnernd auf den Boden der Holografenzentrale. Der Teppich zerfetzte unter der Gewalt des Schlages, und der metallene Boden gab unter der Wucht nach. Es krachte und knisterte in den Bodenverstrebungen. „Du hast es gewagt, Corda auf den Plan zu rufen!" tobte der Agelon, und er riß Tsati Mutara abermals herum. „Dafür sollst du büßen, Terraner!" Mutaras Blick wurde klar, und er sah die Augen des Orathonen vor sich. Ein dichter rötlicher Schleier schien vor den dunklen Augen des „Unbesiegbaren" zu liegen. Mutara begriff sofort, daß er keine Gnade erwarten durfte. Nicht für ein einziges vernünftiges Wort würde der Agelon in diesem Zustand zugänglich sein. Da erinnerte er sich an seinen Versuch. Und er handelte sofort. Wieder schlug Sigam Agelon zu, und Tsati Mutara fühlte die ungeheuere Kraft, die in diesem Körper steckte, die Kraft, der er nicht gewachsen war. Die körperliche Überlegenheit des Orathonen würde sein Schicksal werden, wenn er jetzt die Besinnung verlor. Alles vor ihm schwankte. Die Holografenzentrale schien sich selbständig gemacht zu haben. Sie drehte sich und wirbelte im Kreis herum, daß der Terraner den Bewegungen nicht mehr folgen konnte. Das Schwindelgefühl drohte ihn in eine unendliche Tiefe zu ziehen. Und er wußte, daß es aus dieser Tiefe für ihn keine Rückkehr mehr geben würde. Er warf seine Arme herum, versuchte Sigam Agelon zu packen. Mit übermenschlicher Anstrengung konzentrierte er sich auf die Energie, die diesen Körper schützte und stärkte. Und er wußte selbst nicht, wie es ihm gelang, Sigam Agelon plötzlich zu be-
rühren und sekundenlang festzuhalten. Es war die Kraft, zu der nur ein zum Tode Geweihter, ein Verzweifelter, ein Verlorener fähig war. Sekunden nur dauerte die körperliche Berührung mit dem Agelon. Und diese Sekunden wurden dem Mutanten zur Ewigkeit. Er fühlte die Energie, die den Körper Sigam Agelons verließ und im Nichts versickerte. Wie Wasser, das ein steiles Gefalle hinunterstürzt, strömte die Energie des „Unbesiegbaren" durch den Körper des Mutanten. Tsati Mutara spürte, wie der Körper unter ihm merklich erschlaffte. Sigam Agelons Handgriff wurde schwächer. Ein leises Stöhnen kam über die Lippen des Orathonen. Tsati Mutara fühlte die schwache Hand des Agelon. Da ließ er los. Sigam Agelon erhob sich mühsam vom Boden, er torkelte, stürzte und konnte sich nicht mehr aufraffen. Der Mutant atmete heftig und erregt. Wie durch einen Nebelschleier hindurch sah er, wie Sigam Agelon die Hand hob und schlaff zu Boden fallen ließ. Ein dumpfes, kraftloses Geräusch war das Ergebnis. Sigam Agelon murmelte irgend etwas vor sich hin. Er schien Mühe zu haben, seine Lippen zu öffnen. Mutara konnte nicht fassen, daß das Ungeheuerliche ihm gelungen war. Sigam Agelon schien unter dem Schock fast zusammenzubrechen. Der „Unbesiegbare" hatte keine Kraft mehr. Er war nicht mehr in der Lage, ein Streichholz zu knicken. Der Schweiß lief in Bächen über das grüne Gesicht des Featherheads. Dann öffnete Sigam Agelon den Mund. Ein schauriger Schrei hallte durch die Holografenzentrale, hallte wie ein Echo durch den mittleren Gang. Es war der Schrei eines zu Tode Ge-
troffenen. * Rex Corda warf einen raschen Blick auf die beiden Metallkolosse, die sich nicht mehr rührten. Ein Energieschock mußte die hochempfindliche Positronik der Roboter blitzartig ausgeschaltet haben. Der Präsident Terras starrte auf Fan Kar Kont. „Wo sind sie?" Und er meinte damit Bir Osgo und die beiden anderen Isolierten. „Wir wissen es nicht, Sir. Dr. Steve McCluskey und ich wollten uns um sie kümmern. Wir fanden die Kabine leer." Corda gab sofort die notwendigen Anweisungen. Die „Zeitlosen" hatten einen Einfluß auf die Vorgänge in der „Walter Beckett" erreicht, der Rex Corda unheimlich war. Jetzt bereute er, daß er den Pon-Diskus zum Wrack hinübergeschickt hatte. Die „Walter Beckett" selbst war eine uneinnehmbare Festung. Doch es war etwas in der Person der Forscher und des Offiziers an Bord des Schiffes gekommen, was die „Walter Beckett" von innen her in Gefahr brachte. Jeder an Bord des Schiffes wurde aufgefordert, auf Bir Osgo, Hent Marat und den terranischen Offizier zu achten. Auch die Suche nach Ierra Kretan wurde verstärkt. Rex Corda wollte die Dinge so schnell wie möglich zum Abschluß bringen, weil in wenigen Minuten seine ganze Aufmerksamkeit den Vorgängen gelten mußte, die sich außerhalb der „Walter Beckett" abspielten. Das mit Becon gepanzerte Flaggschiff Terras hatte die Kampfzone erreicht. Der Feuerleitstand unter der Leitung Ralf Griffiths war alarmiert. Auf den unzähligen mannshohen Ho-
lografen über dem Steuerpult war in allen Einzelheiten zu erkennen, wie die Kampfhandlungen zwischen den „Zeitlosen" und den Schiffen des Agelon standen. Die „Zeitlosen" hatten noch immer keine Einstellung zu dem hervorragend kämpfenden und konsequent feuernden Gegner gefunden. Mit ernstem Gesicht sah Corda, wie eines der stumpfen Pyramidenschiffe unter den massiven Beschuß dreier AVaut-T-Diskusraumer geriet. Der flimmernde Schutzschirm schwankte, und die wendigen Diskusraumer feuerten entschlossen nach, nahmen die Pyramide unter ein mörderisches Angriffsfeuer. Da grellte das fliehende Schiff in einer tiefroten Explosionswolke auf. Für den Bruchteil einer Sekunde stand ein wabernder Glutball vor der „Walter Beckett" im Raum. Dann fiel die Explosionswolke wie in einer Implosion in sich zusammen. Rex Corda zögerte keine Sekunde. Er gab den Befehl, in den Kampf einzugreifen und entschlossen auf der Seite der „Zeitlosen" zu kämpfen. Es war für ihn in diesen Sekunden selbstverständlich, auf welcher Seite er zu kämpfen hatte. Er achtete genau auf die Vorgänge, die sich auf den Holografenschirmen abspielten. Da sah er die „Lynthos II", keine 40000 Kilometer vom Zentrum des Kampfes entfernt. Aus den Hangars des mächtigen Hantelraumers wurden in diesen Sekunden weitere Diskusraumer vom Typ A-Vaut-T ausgeschleust. Es war kein Pon-Diskus darunter. Es mußte Tsati Mutara noch nicht gelungen sein zu fliehen. Schon die Annäherung der „Walter Beckett" war durch die hochempfindlichen Orterstationen in den orathonischen Hanteiraumern festgestellt worden. Noch ehe das Schiff die Kampfzone erreicht hatte, wußte man in den Reihen der Featherheads, wer sich da
näherte. Das prompte Hineingleiten der „Walter Beckett" in das Kampfgebiet wirkte auf die Kommandanten einzelner Hantelraumer wie ein Schock. Zwei Raumer der Dorr-Klasse näherten sich, versuchten, die „Walter Bekkett" abzudrängen. Die Strahlkanonen schleuderten ein hohes Potential an Energie auf das mit Becon gepanzerte Schiff. Doch ehe der Schutzschirm der „Walter Beckett" stärker belastet werden konnte, riß Bekoval den Hantelraumer herum. Im gleichen Augenblick verließen die ersten Strahlenschüsse die Kampfstände des terranischen Flaggschiffes. Mit einem ungeheueren Energiebeschuß führte Ralf Griffith die „Walter Beckett" gleich richtig ein. Es gelang ihm, einem der Dorr-Raumer so gefährlich zu werden, daß der Schutzschirm des Schiffes zu wabern anfing, instabil wurde und die Gefahr bestand, daß die nachfolgenden Energiemengen das Schiff vernichteten. Der Kommandant reagierte rechtzeitig und brachte sein Schiff aus dem tödlichen Bereich. Die „Walter Beckett" eilte drei Pyramidenschiffen der „Zeitlosen" zu Hilfe, die kaum mehr in der Lage waren, sich gegen den massiven Beschuß eines Wonn-Hantelraumers und mehr als zehn ständig rochierender A-Vaut-TDiskusraumer zu erwehren. Entschlossen griff Ralf Griffith in den Kampf ein. Unter den starken Waffen der „Walter Beckett" wurden die Diskusraumer wie lästige Insekten hinweggefegt. Sie griffen wenig später wieder an, und es gelang ihnen, mit Hilfe eines seitlich eingreifenden Dorr-Raumers den Schutzschirm der „Walter Beckett" zu zerschlagen. Aber das mit Becon gepanzerte Schiff war von den nun auftreffenden Energiemengen nicht zu durchbrechen. Im Gegenteil, es schien,
als ob die Energien, die in der „Walter Beckett" verschwanden, dem ungeheueren Energiepotential des Flaggschiffes noch zugeführt wurden. Ralf Griffith und seine Offiziere konnten den massiven Beschuß abwehren und eine so günstige Schußstellung einnehmen, daß der Wonn-Raumer herumgerissen wurde. Seine linke Kugel geriet unter konzentriertes Abwehrfeuer der „Walter Beckett" und wurde total zerfetzt. Der Wonn-Raumer zog sich schwer angeschlagen zurück. Die drei Schiffe der „Zeitlosen", deren Schicksal praktisch besiegelt gewesen war, waren durch den Entlastungsangriff der „Walter Beckett" vor der sicheren Vernichtung bewahrt worden. Die schwankenden Schutzschirme über den stumpfen Pyramidenschiffen bauten sich langsam wieder auf. Sie glühten schließlich in einem satten Grün. Mit ruhiger Stimme beorderte Rex Corda die „Walter Beckett" tiefer in die Kampfzone hinein. Hart und konsequent griff das terranische Schiff da ein, wo die „Zeitlosen" am stärksten bedrängt wurden. Mehr als einmal konnten die stumpfen Pyramidenschiffe im letzten Augenblick durch Cordas Eingreifen gerettet werden. Die Wracks von Diskusraumern wirbelten zwischen den kämpfenden Schiffen umher, verdampften im Bereich der Schutzschirme der Pyramidenschiffe oder der eigenen Hantelraumer. Mit einem Blick durch die Kommandozentrale vergewisserte Corda sich, daß alles noch beim alten war. Offiziere hatten die Ein- und Ausgänge besetzt und hielten Ausschau nach den drei aus der Isolation Entflohenen. Kim befand sich in der Nähe Bekovals und Percips. Dort war er sicher. Rex Corda konnte sich nicht vorstellen, wie Bir Osgo und seine beiden Begleiter ihm ein Haar krümmen sollten. Die
Kommandozentrale wurde wie von Argusaugen bewacht. Rex Corda stieg über die beiden Robotkörper hinweg, die noch immer auf der Kommandobrücke lagen und sich nicht rührten. Da fühlte Rex Corda plötzlich eine Bewegung neben sich. Er wirbelte herum ... * Tsati Mutara zitterte am ganzen Körper, als er sich langsam vom Boden erhob. Er warf nur einen flüchtigen Blick auf den schwächlichen Körper Sigam Agelons zu seinen Füßen. Und dann begann er zu rennen. Thali-Fenberth-FenBerthnyen huschte dem Fliehenden nach und sprang behende auf die Schulter des Mutanten. „Sobald es einem besser geht, dann vergißt man die besten Freunde", sagte der Trop mit leiser Stimme, und er ballte seine kleine rechte Hand zur Faust und schüttelte sie drohend über Mutaras Haupt. Der Mutant lächelte verzerrt. Er war zu erschöpft, um antworten zu können. Er rannte über einen breiten Steg, ließ sich von einem Gravoschacht eine Etage tiefer tragen. Dann schüttelte Tsati den Kopf, als fände er erst jetzt die Kraft dazu, etwas auf Thalis Worte zu erwidern. „Ich habe dich nicht vergessen. Ich wußte, daß du nachkommen würdest. Zufrieden?" Thali-Fenberth-Fen-Berthnyen murmelte irgend etwas vor sich hin und saß dann stumm und würdevoll auf der Schulter des Mutanten. Er schien sich wieder völlig beruhigt zu haben. Während Tsati Mutara versuchte, so schnell wie möglich zu einem der Hangars zu kommen, schrie Sigam Agelon aus der Holografenzentrale verzweifelt
um Hilfe. „Laßt ihn nicht entkommen!" tobte Sigam Agelon, nachdem er eine Verbindung zustande gebracht hatte. „Nehmt ihn unter allen Umständen fest. Schickt einen Bronzeroboter zu mir in die Holografenzentrale." Mühsam hatte er sich vom Boden aufgerichtet. Er fühlte sich schwach und elend wie nach einem langen Krankenlager. Er hatte kaum die Kraft, auf den Beinen zu stehen. Wie ein Wahnsinniger murmelte er unzusammenhängende Worte vor sich hin, verfiel dann wieder minutenlang in völlige Apathie, um schließlich lauthals aufzuschreien. Er sah seinen Strahler auf dem Boden liegen und bückte sich, um ihn aufzuheben. Sein Herz schlug rasend. Das Blut hämmerte in seinen Schläfen, und langsam erst schien er die Dinge in ihrer ganzen Tragweite zu begreifen. Der terranische Mutant hatte aus ihm, dem „Unbesiegbaren", ein hilfloses Wrack gemacht. Sigam Agelon betrachtete seinen Strahler. Er richtete die Waffe wie im Traum auf sich und drückte dann ab. Der giftgrüne Strahl krachte auf seine Brust — und Sigam Agelon taumelte unter der Wucht der Energie im ersten Augenblick zurück. Der Sehutzschirm, der wie eine zweite Haut auf seinem Körper gelegen hatte, schien nach dem Kampf mit dem Mutanten ebenfalls gelitten zu haben. Er war nicht mehr ganz so widerstandsfähig. Ein Teil der Energie schlug durch und verbrannte ganze Fetzen der dunkelroten Bluse. Doch unter der Gewalt der Energie baute sich die Kraft seines Körpers und der millimeterdicke Schutzschirm auf seiner Haut wieder auf. Tief atmete Sigam Agelon durch. Sein Körper schien sich unter der E-
nergiedusche zu kräftigen und zu spannen. Er fühlte die unbändige titanenhafte Kraft in sich zurückkehren. Er schoß das gesamte Energiepotential des Strahlers auf sich ab. Sekundenlang schloß der Featherhead die Augen und lehnte sich dann zurück. Tsati Mutara war des Todes. Sigam Agelon wußte, daß es von nun an eine Kraft an Bord der „Lynthos II" gab, die ihn jederzeit vernichten konnte. Er mußte diese Kraft ausschalten. Aber er erkannte auch gleichzeitig, daß er Mutara nicht auf der Stelle töten konnte. Er war noch immer auf den Mutanten angewiesen. Sobald er die „Zeitlosen" besiegt hatte, würde Mutara aus dem Wege geschafft werden. Bis dahin aber mußte er sich vor dem Mutanten schützen. Er schreckte zusammen, als die Stimme des Bronzeroboters vor ihm aufklang. Der Roboter nannte die Buchstaben und Zahlengruppe seiner Serie und wartete auf Sigam Agelons Anweisungen. Der Orathone sah den Bronzenen an. Er war in eine Lage geraten, in der er sich der Hilfe eines Bronzeroboters versichern mußte. Seit eh und je hatte der Agelon etwas gegen die Bronzenen. Sie waren absolut menschenähnlich und wirkten auf den unbefangenen Betrachter so, als ob sie wirklich lebten. Seiner Meinung nach entfalteten diese Roboter ein wenig zuviel Persönlichkeit. Sie lachten oft boshaft und herablassend, was vielen Orathonen auf die Nerven ging. Der Bronzeroboter verzog sein bewegliches Metallgesicht, als Sigam Agelon ihm in kurzen und präzisen Worten seinen Auftrag erläuterte. „Töten soll ich ihn noch nicht?" war die abschließende Frage des Bronzenen. Er hatte eine grüne Kombination an. Nur sein Kopf und seine Hände waren metallisch.
Sigam Agelon tobte. „Ich habe genau erklärt, was ich will. Er soll noch leben. Es besteht noch immer die Wahrscheinlichkeit, daß die „Zeitlosen" weitere Blockierungen vornehmen. Dann brauchen wir ihn. Mutara soll bewacht werden, das ist alles. Du wirst ihm wie ein Schatten folgen, überallhin. Du wirst verhindern, daß er mir näher als einen Schritt kommt. Sobald wir ihn haben, wirst du ständig Mutaras Begleiter sein. Hast du das begriffen?" Der Bronzene nickte. Im gleichen Augenblick kam ein orathonischer Bote in die Holografenzentrale und teilte dem Flottenkommandeur mit, daß Tsati Mutara vor einem der Hangars festgenommen werden konnte. Eine herrische Handbewegung wies den Bronzenen nach draußen. „Du weißt, was du zu tun hast", das waren die letzten Worte, die er dem Bronzeroboter nachschickte. Sigam Agelon juckte es in den Fingern, Mutara selbst noch einmal aufzusuchen. Doch eine Meldung aus der Kommandozentrale über eine der zahlreichen Holografenverbindungen ließ ihn eine andere Entscheidung treffen. Sigam Agelon erfuhr, daß die Kampfsituation sich geändert habe. Rex Corda war eingetroffen! Sigam Agelon war außer sich vor Wut. „Er hat es also doch geschafft", kam es über seine bebenden Lippen. „Corda hat den Ruf empfangen." Er raste in die Kommandozentrale der „Lynthos II" zurück. Auf dem Hauptholografen sah er, daß durch das Eingreifen der „Walter Beckett" Unsicherheit und Angst in die bisher so erfolgreich gelaufenen Operationen seiner Flotte eingekehrt waren. Ein gellender Aufschrei kam über seine Lippen, als er erkannte, daß die „Walter Beckett" sich näherte. Und dann geschah das Ungeheuerli-
che. Das Schiff Rex Cordas vernichtete in einem kurzen erbitterten Kampf einen Hantelraumer der Dorr-Klasse. Sigam Agelons Augen schienen aus den Höhlen zu quellen. Seine Hände verkrampften sich. Er starrte mit brennenden Blicken auf das tobende, wabernde Glutmeer in der Nähe der „Lynthos II". Einige Metallfetzen wurden auf die „Lynthos II" zugeschleudert, verdampften in dem hochwirksamen Schutzschirm des Schiffes. Die gleißende Helligkeit um die „Lynthos II" baute sich langsam ab. Von dem Dorr-Raumer war nichts übriggeblieben. Und er war auf jedes Schiff seiner Flotte angewiesen! Die Angriffe der „Zeitlosen" wurden auch nicht geringer. Ihre Kräfte koordinierten sich plötzlich besser, sie konnten wirksam gegen die ständig rochierenden Diskusraumer vorgehen, die im Plan Sigam Agelons keine geringe Rolle spielten. Die A-Vaut-T-Diskusraumer leisteten bei der Vernichtung der stumpfen Pyramidenschiffe eine erstaunliche Vorarbeit. Sie waren es in den meisten Fällen, die die Schutzschirme der „Zeitlosen" so überbelasteten, daß ein geringer Energiebeschuß aus einem Kampfstand eines Hantelraumers ausreichte, um das so gestellte Pyramidenschiff auszulöschen. Das sparte Material und Energie und hatte sich innerhalb der letzten Stunden als die beste Kampftechnik in der Auseinandersetzung mit den „Zeitlosen" erwiesen. Und jetzt kam die „Walter Beckett" der „Lynthos II" genau entgegen. Sigam Agelon fühlte, daß er der Begegnung nicht ausweichen konnte. *
Rex Corda stockte der Atem. Der „Zeitlose" stand mitten auf der Kommandobrücke. Corda fühlte die allgemeine Aufregung um sich herum, die das Erscheinen der fast 2 Meter großen weißhaarigen Gestalt in der Kommandozentrale der „Walter Beckett" auslöste. Doch Rex Corda achtete nicht darauf. Seine Augen waren auf die schlanke stolze Gestalt gerichtet. Die kühlen Augen des „Zeitlosen" musterten den Terraner eindringlich. In dem energischen Gesicht war ein harter zynischer Zug um die Mundwinkel nicht zu verkennen. Rex Corda fühlte die Verachtung, die ihm aus den Augen des „Zeitlosen" entgegenstrahlte. „Sie — und Terra — hätten eine empfindliche Strafe verdient", begann der „Zeitlose" mit leiser, aber eindringlicher Stimme, und Rex Corda mußte sich in die Wirklichkeit zurückrufen. Er versuchte die ganze Zeit über schon eine Erklärung dafür zu finden, wie der „Zeitlose" in die „Walter Beckett" hatte eindringen können. Waren die „Zeitlosen" Teleporter? Oder waren es die besonderen Bedingungen und Gesetze dieses blauen Universums, die die „Zeitlosen" in die Lage versetzten, Dinge zu tun, die ihnen in einer anderen Galaxis unmöglich waren? Wie aus weiter Ferne drang die Stimme des urplötzlich erschienenen Sendboten der „Zeitlosen" an seine Ohren: „... doch die ,Zeitlosen' haben beschlossen, die Strafe aufzuschieben. Sie knüpfen daran allerdings eine Bedingung." Das arrogante, überhebliche Verhalten des „Zeitlosen", die Diktion seiner Sprache, ließ Rex Corda sofort erkennen, daß die Begegnung mit diesem Sendboten für ihn von entscheidender Bedeutung war.
Cordas Miene wurde hart. „Bedingungen?" fragte er leise, und in seiner Stimme klang ein Unterton mit, den die meisten bei ihm noch nie gehört hatten. Ein gefährliches Licht glomm in den Augen jenes Mannes, der für jeden nur das Beste wollte. „Ich werde mir keine Bedingungen diktieren lassen." Ein unwilliger Zug lief um die Lippen des arroganten Mannes, der ihm gegenüberstand. „Wir haben die Strafe aufgehoben", bemerkte der „Zeitlose" noch einmal,, und er sagte es in einem Tonfall, als müsse er diese Worte Corda besonders deutlich machen. Corda sollte begreifen, daß dies einen Ausnahmefall darstellte, daß die „Zeitlosen" ihm damit eine Ehre erwiesen. „Sie sollten sich klar entscheiden. Entweder erweisen Sie sich würdig, daß die Strafe für Ihre Welt ausgesetzt wird — oder aber Sie sind ein Barbar, der diese Ehre nicht zu schätzen weiß. Wir erwarten nichts anderes, als daß Sie sich zu unseren Gunsten entscheiden. Gegen die Orathonen." Corda verschlug es den Atem. Percip war näher gekommen. Der Lithalon-Geborene stand drei Schritte hinter Corda. Dr. McCluskey, Fan Kar Kont und eine Anzahl terranischer Offiziere starrten betroffen auf den Präsidenten und den „Zeitlosen". Sie begriffen nicht, mit welchen Maßen die „Zeitlosen" Schuld und Unschuld bestimmten. Sie alle wußten in diesem Moment nur eines: Das arrogante Verhalten des Sendboten, der von Corda eine klare Entscheidung forderte, übertraf alles Bisherige. Corda lächelte verbittert. „Die Arroganz Ihrer Rasse ist ohne Beispiel", kam es hart über seine Lippen. „Niemand kümmerte sich vorher darum und fragte, als es in den Kampf
gegen die Orathonen ging. Für uns war es selbstverständlich. Und Sie fordern Entscheidung? Sie stellen Bedingungen?" Für eine Sekunde schwieg Corda. Dann fuhr er fort, und seine Stimme war scharf wie ein Rasiermesser. „Wir sollen uns zugunsten Ihrer Rasse entscheiden? Stellen wir uns denn gegen euch? Ist es nicht umgekehrt der Fall? Wir sind so weit, daß wir die eigenen Freunde bekämpfen müssen, weil sie uns angreifen." Der „Zeitlose" begriff sofort, was gemeint war. „Es geschah in der ersten Abwehrreaktion, als die Entscheidung, die Strafe aufzuheben, noch nicht gefallen war. Sie können sich Ihren Freunden wieder nähern, und nichts wird Ihnen geschehen." Keine Spur von Wärme klang in dieser Stimme mit. Rex Corda wandte sich um. Er sah Fan Kar Kont und Dr. McCluskey an. „Davon will ich mich überzeugen", sagte er leise, ohne dem „Zeitlosen" dabei einen Blick zuzuwerfen. „Wo finde ich meine Freunde?" „In Ihrer Privatkabine", lautete die Antwort des „Zeitlosen". Corda biß sich auf die Lippen. Dort also hätten Osgo und die beiden anderen ihm aufgelauert. „Überzeugt euch davon", sagte er laut. „Bringt Bir Osgo, Hent Marat und den terranischen Offizier zu mir. Ich will sie sehen." Fan Kar Kont und Dr. McCluskey eilten davon. Es dauerte nur Minuten, bis sie zurückkamen. Die drei Gesuchten befanden sich in ihrer Begleitung. Sofort empfing Rex Corda die Gefühle und die Empfindungen jener Männer. Es waren die Gedanken von Freunden. Dennoch war er skeptisch. Aus Erfahrung wußte er, daß die Veränderung nicht anzumer-
ken war. Abwartend stand er auf der Kommandobrücke. Bir Osgo und der terranische Offizier Jenkins waren bewaffnet. Doch niemand legte auf ihn an. Sie schienen vergessen zu haben, was die Begegnung mit Corda ihnen noch vor wenigen Minuten bedeutet hätte. Hent Marat ging an der Seite Fan Kar Konts. Fan Kar Kont lächelte. Marat schien ihm irgend etwas Witziges zu erzählen. „Und wo ist Ierra Kretan? Es waren vier Personen an Bord des Diskusraumers, der zum Wrack flog!" Rex Corda sah den „Zeitlosen" ernst an. „Auch sie ist keine Gefahr mehr. Sie ist auf dem Wege nach hier." In diesem Augenblick erschütterte ein schwerer Stoß die „Walter Beckett". Die Männer in der Kommandozentrale wurden durcheinandergewirbelt. Auf den Hauptholografen über den kreisförmig angeordneten Computern schien die „Lynthos II" direkt in die „Walter Beckett" hineinzufliegen. Ein ungeheueres Energiechaos wurde auf das terranische Flaggschiff geschleudert. Auch von der Seite griffen zwei Wonn-Raumer an. Unter dem konzentrierten Feuer fielen die Schutzschirme aus. Corda brüllte seine Befehle. Da fielen zum erstenmal die Antigravitationsautomaten aus! Die „Walter Beckett" schien von der Faust eines Titanen herumgeschleudert zu werden. Die tobenden Energien brüllten auf den mit Becon gepanzerten Außenwänden, sie konnten dem Schiff nichts anhaben, aber die Erschütterungen, die durch den sekundenlangen Ausfall der Antigravitationsautomaten durchkamen, machten den Menschen und dem Material schwer zu schaffen. Ein Knistern und Ächzen lag in den Wänden, als müßten sie zerspringen.
Dann arbeiteten die Antigravitationsautomaten wieder einwandfrei, und Corda konzentrierte sich ganz auf den Kampf. Er war in diesen Sekunden überall. Er brüllte Befehle, nahm Computerauswertungen entgegen, stand in ständigem Kontakt mit der Funk- und Ortungsabteilung. Die Suche nach einem Pon-Diskus, den Mutara zur Flucht benutzen wollte, war auch während der harten Kampfhandlungen nicht abgeblasen worden. Ralf Griffith meldete sich. Er machte Corda den Vorschlag, Diskusraumer vom Typ A-Vaut-T auszuschleusen. Die schlagkräftig ausgestatteten Diskusraumer konnten im augenblicklichen Stadium des Kampfes entlastend sein. Corda zögerte keine Sekunde. Er gab den Befehl zum Ausschleusen. Die „Walter Beckett" wurde herumgerissen. Die „Lynthos II" zog unter dem mit Becon gepanzerten Raumschiff Terras wie ein Pfeil hindurch. Ein DorrRaumer präsentierte sich in diesen Sekunden den Kampfständen der „Walter Beckett" wie auf einem Tablett. Der Kommandant hatte die Absicht, eine besondere Schußposition einzunehmen, um die „Walter Beckett" aus mehreren Rohren gleichzeitig zu treffen. Ein Schwarm vibrierender Raumtorpedos raste auf das terranische Raumschiff zu. Sie zerplatzten wirkungslos an der Außenhülle. Gewaltige Glutberge türmten sich um die „Walter Beckett", tief rote Explosionswolken stumpfer Pyramidenschiffe zogen wie unter einem heftigen Orkan vorüber. Ralf Griffith gab den Feuerbefehl. Der Dorr-Raumer geriet unter ein Inferno entfesselter Energien. Er wurde herumgerissen. Sein Schutzschirm brach zusammen. Rote Glutbälle stiegen aus dem Mittelstück zwischen den beiden Kugeln auf, Metalltarocken wurden wie morsches Gewebe herausgerissen.
Diskusraumer fielen wie Regentropfen in das zitternde, glutende All, das von ungeheueren Energiegewalten gepeitscht wurde. Der Dorr-Raumer zerbrach in der Mitte. Eine gleißende Lichtflut schien den Raum vor der „Walter Beckett" zu sprengen. Dann verging der Hantelriese in einer gigantischen Explosion. Sigam Agelon hatte ein weiteres Schiff seiner Flotte verloren! Auch die Angriffe der „Zeitlosen" wurden angesichts des entschiedenen Eingreifens Cordas massierter. Die stumpfen Pyramidenschiiffe wurden in der Hand ihrer Kommandanten und Piloten aufmerksamer gesteuert, klüger in die Kampfhandlungen eingesetzt. Die Nähe Cordas schien den „Zeitlosen" Auftrieb zu geben. Verwirrung kam in die Reihen der Orathonen. Rex Corda war in Schweiß gebadet. Seine Stimme klang heiser, als er seine Befehle gab. Er schien alles um sich herum vergessen zu haben. Der Kampf erforderte seine ganze Konzentration. Als er für eine Minute Ruhe hatte, erinnerte er sich daran, daß ein „Zeitloser" auf der Kommandobrücke gewesen war. Er blickte sich um. Der „Zeitlose" war verschwunden. * Tsati Mutara biß sich auf die Lippen. Er hatte Sigam Agelons teuflischen Plan durchschaut. Der Orathone würde ihn von nun an keine Sekunde mehr unbewacht lassen. Aus den Augenwinkeln heraus sah der Mutant den Bronzeroboter, der keine zwei Schritte hinter ihm herging. Wie ein Schatten folgte er dem Terraner. Tsati Mutara hatte mehr als einmal versucht, mit dem Bronzenen in ein Ge-
spräch zu kommen. Der Roboter sprach nicht mit dem Terraner. Der Mutant war verzweifelt. Er wußte, daß seine Stunden gezählt waren. Wichtiger denn je War ein Entkommen, wenn er sein Leben retten wollte. Sein Herz schlug bis zum Hals, und er hatte das Gefühl, das Pochen seines Herzens müsse in der ganzen „Lynthos II" gehört werden. Er kam an einem Antigravschacht vorüber. Tsati ließ sich einfach zur Seite fallen — und wurde rasch nach oben getragen. Der Bronzeroboter hatte eine Sekunde zu spät reagiert. Er kam erst in einer Entfernung von zehn Metern hinter Mutara her. Der Mutant hielt den Atem an. Zum ersten Male war es ihm gelungen, mehr als zwei Schritte Abstand zwischen sich und seinen wachsamen Schatten zu bringen. Zwei Etagen höher sprang Tsati Mutara hinaus auf den Gang und begann zu rennen. Thali klammerte sich an seinen Schultern fest. Der Trop hatte den Mutanten seit seiner Befreiung von dem semibiotischen Conduktor auf Schritt und Tritt begleitet. Auch jetzt, in den entscheidendsten Minuten in Mutaras Leben, ließ der rotpelzige Trop den Freund nicht im Stich. Tsati riß kurz entschlossen eine Kabinentür auf. Er war so lange schon Gefangener in orathonischen Hantelraumern, daß er sich in diesen Schiffen mit geschlossenen Augen zurechtfand. Er war oft tagelang unterwegs gewesen, hatte sich mit diesen und jenen Dingen vertraut gemacht und hatte so eine „Welt" kennengelernt. Jede Ecke, jeder Winkel war ihm vertraut. Er gelangte in die ungesicherte Kabine eines Offiziers. Die Kabine war leer. Ihr Bewohner hatte jetzt alle Hände voll im Kampf mit den „Zeitlosen" zu tun.
Es kam Tsati Mutara in diesen Sekunden noch nicht darauf an, auf dem kürzesten Wege zu einem der Hangars zu kommen. Dort würde man ihn zuerst vermuten. In erster Linie wollte er seinen Verfolger abschütteln, ihn von seiner Spur abbringen. Er drückte die Kabinentür hinter sich zu, verhielt eine Sekunde lang im Schritt und hielt den Atem an. Er hörte die hastigen Schritte näher kommen. Sein Verfolger war ihm auf den Fersen. Der Bronzene war wachsam. Mit einem Satz war Mutara an einem seitlichen Eingang, verließ die Kabine und hastete über einen Steg zu einer Gerätekammer, die zwischen mehreren Wohnkabinen schmal und verloren aussah. Kurz entschlossen riß er die Tür auf. Die Kammer war ordentlich aufgeräumt. Alles lag an Ort und Stelle, um im Notfall sofort zur Hand genommen zu werden. Er zog lautlos die Tür hinter sich zu, als der Bronzene durch den seitlichen Eingang der Offizierskabine gestürmt kam. Tsati Mutara sicherte die Tür von innen. Es würde nicht möglich sein, sie von draußen zu öffnen. Auf Zehenspitzen schlich Tsati Mutara tiefer in die Kabine hinein, in der nur ein schwaches gelbliches Notlicht brannte. Vorsichtig zwängte er sich zwischen zwei Stahlpfeiler in der hintersten Ecke, die die breiten Regale trugen. Die dunkle Ecke war ein hervorragendes Versteck. Er hielt den Atem an, baute einige flache Kisten vor sich auf, die er von der Seite her langsam auf sich zuzog. Hatte er seinen Verfolger abgeschüttelt? Die Frage wurde ihm im gleichen Augenblick beantwortet. Irgend jemand war vor der Tür zur Gerätekammer, riß und zerrte daran
herum, ohne sie öffnen zu können. Drei Sekunden später erfolgte ein donnerndes Getöse, ein gleißender Lichtstrahl brach durch die Tür, Metallbrocken flogen wie wütende Hornissen in die Gerätekammer. Der Kistenberg vor Mutara kam ins Wanken. Ein faustgroßer Splitter aus der Metalltür zischte glühend über ihn hinweg. Mutara schrie auf. Wie durch eine dicke, wallende Nebelwand hindurch erkannte er den Körper des Bronzenen, der in die Kabine stürzte. In diesen Sekunden begriff Mutara, daß er seinem Bewacher auf Tod und Leben ausgeliefert war. Der Bronzene würde selbst zur Gewalt greifen, um ihm folgen zu können. Der Bronzene hatte mit dem Waffendrehkranz in seinem oberen Kopfteil die Tür aufgesprengt, um Sigam Agelons Auftrag erfüllen zu können, den Mutanten keine Sekunde aus den Augen zu lassen. Mit einem letzten verzweifelten Sprung versuchte Mutara abermals zu entkommen. Er stieß den mühsam errichteten Kistenstapel einfach um und versuchte seitlich zu entwischen. Doch zu spät! Die harten metallischen Hände des Bronzenen griffen nach ihm und zerrten ihn wie ein hilfloses Bündel aus dem Versteck. * Rex Corda hatte keine Zeit, sich nähere Gedanken darüber zu machen, warum der „Zeitlose" ebenso schnell und rätselhaft die „Walter Beckett" wieder verlassen hatte, wie er sie betrat. Das Flaggschiff Terras war dem äußersten Planeten bis auf wenige tausend Kilometer nahe gekommen. Der rostbraune Planet des kleinen Sonnensystems lag wie eine massive Kupferkugel
unter dem Hantelraumer. Die Fronten des Kampfes hatten sich immer tiefer in das System der kleinen weißen Sonne verschoben. Über der flimmernden Atmosphäre des dritten Planeten tobten erbitterte Kämpfe zwischen Diskusraumern und Pyramidenschiffen. Die Schiffe der „Zeitlosen" griffen klug und überlegen an. Ein Dorr-Raumer geriet unter den massiven Beschuß der „Zeitlosen". Ein Meer tobender Energien ließ den superstarken Schutzschirm des Dorr-Raumers schwanken. Drei weitere Pyramidenschiffe glitten aus der Tiefe des Raums heran, unterstützten den massierten Angriff auf den Hantelraumer. Unter der Wucht der tobenden Gewalten brach der Schutzschirm völlig auseinander. Der Riese wehrte sich verzweifelt. Doch die „Zeitlosen" ließen nicht lokker. Flammen schlugen aus der linken Kugel, griffen rasch um sich. Explosionen innerhalb des Mittelstückes zerrissen das Hantelschiff der Dorr-Klasse in hundert Teile. Eine Kugel machte sich selbständig und wurde wie von der Faust eines Titanen in die Tiefe des blauen Universums geschleudert. Orathonen in grünen und gelben Raumanzügen sprangen aus den Schleusen, hofften, von einem Diskusraumer aufgegriffen zu werden. Flugscheiben vom Typ A-Vaut-T näherten sich wie wütende Hornissen, nahmen einige der Schiffbrüchigen auf, während andere Diskusraumer versuchten, die Schiffe der „Zeitlosen" zurückzuschlagen, die nun in einem ununterbrochenen Feuer die Orathonen mehr und mehr zurückdrängten. Ein A-Vaut-T-Diskus wurde von den grellen Strahlenbahnen in die Atmosphäre des rostbraunen Planeten getrieben. Der Pilot konnte die Flugscheibe
nicht mehr unter Kontrolle bekommen. Mehrere Antriebsaggregate fielen aus, und der Diskus fiel wie ein Stein durch die klare wolkenlose Atmosphäre. In der Tiefe des Planeten sah man wenige Augenblicke einen grellen roten Lichtpunkt, der sich rasch vergrößerte und schließlich langsam wieder verlöschte. Rex Corda war in diesen Sekunden ein aufmerksamer Beobachter und Leiter der Kampfaktionen. Die „Walter Beckett" wurde offensichtlich von den Schiffen Agelons gemieden. Auf der Seite der Orathonen schien man erkannt zu haben, daß es zwecklos war, Aktionen gegen die „Walter Beckett" zu fliegen. Das belastete nur unnötig den Energiehaushalt der Hantelraumer und führte doch zu keinem nennenswerten Erfolg. Und schließlich kam es so weit, daß die Orathonen die erste Kampfpause einlegten. Weit zogen sich die Hantelraumer zurück. In der eben noch hart umkämpften Zone zog eine ungewöhnliche Ruhe ein. Nur über der glasklaren Lufthülle des äußersten Planeten wurde noch ein erbitterter Kampf zwischen einigen AVaut-T-Diskusraumern Agelons und denen der „Walter Beckett" ausgetragen. Ein Diskus der Terraner scherte plötzlich aus und griff mit einem mörderischen Angriffsfeuer einen Diskus der eigenen Leute an! Corda stöhnte unterdrückt auf. Der angegriffene Diskusraumer wurde zurückgeworfen, sein Schutzschirm schwankte. Der Angreifer aus den eigenen Reihen setzte nach. „Sofort eine Holografen Verbindung!" brüllte Corda, nachdem er die Einsatznummer des A-Vaut-TDiskusraumers genannt hatte. Einer der zahlreichen Nebenholografen flammte auf. Das Innere einer Kabine formte sich. Eine Figur schälte sich aus den
wallenden Nebelfetzen. Da erschütterte ein schwerer Stoß das Holografenbild, noch ehe Corda die Gestalt richtig erkennen konnte. Der angreifende Diskus war nun selbst das Opfer eines verirrten Strahlschusses geworden. Der Diskus wurde wie ein welkes Blatt herumgewirbelt und auf die Atmosphäre des dritten Planeten zugeschleudert. Ein breiter Riß lief über die Kuppel des Diskusraumers, zwei Steueraggregate hingen zerfetzt aus den Stahlmänteln. Der Diskus drehte sich um seine eigene Achse, Flammen schlugen aus einzelnen Aggregatsöffnungen. Wie ein Stein stürzte er in die klare Atmosphäre des rostbraunen Planeten hinein. Da war die Holografenverbindung plötzlich wieder einwandfrei. Rex Corda sah die über die Instrumententafel gebückte Gestalt. Schmale Finger hasteten nervös über die Hebel und Knöpfe. Der Pilot versuchte verzweifelt, den Diskus unter seine Gewalt zu bekommen. Vergebens. Feine Rauchschwaden zogen in die Kabine. Rex Cordas Herzschlag schien auszusetzen. Der Pilot trug enganliegende dunkelrote Hosen und einen losen weißen Pulli. In einem schmalen hellen Gürtel steckte eine Strahlwaffe. Der verzweifelt um sein Leben Kämpfende wandte sich jetzt um — und Corda sah den goldbraunen Teint, der zu den dunklen Mandelaugen in einem hübschen Kontrast stand. Rex Corda merkte nicht, daß er flüsternd sagte: „Ierra Kretan..." * Der Bronzene zog den Mutanten mit unbarmherziger Gewalt nach draußen. An der Ecke zu den Mannschaftsunterkünften flammte ein Nebenholograf
auf. Sigam Agelon erschien. „Bringe ihn zum Hangar 3", sagte er mit harter Stimme. Mehr nicht. Der Holografenschirm wurde wieder dunkel und fleckig. Der Bronzene zog den Terraner in den Antigravschacht, der zu den Hangars führte. Als sie den Schacht verließen, tauchte Sigam Agelon am anderen Ende des Ganges auf. Einige erregte Offiziere und zwei Whims waren in seiner Begleitung. Sigam Agelon trug eine Waffe in der rechten Hand, die Mutara noch nie bei dem Orathonen gesehen hatte. Es war kein Strahler. Es war eine Kugelschußwaffe. Der Orathone blickte den Terraner eiskalt an. Er kam ihm jedoch keinen Schritt zu nahe. Die Offiziere und die beiden Whims gingen weiter, Agelon forderte den Bronzeroboter auf, den Terraner in den Hangar zu treiben. „Es eilt", sagte er nur. Eine weitere Erklärung schien er nicht für nötig zu halten. Mit offensichtlicher Genugtuung bemerkte er Mutaras Blicke. Sigam Agelon wiegte die Schußwaffe in seiner Hand. Er lachte höhnisch. „Gegen einen Strahler magst du immun sein, Terraner, aber nicht gegen eine Kugelschußwaffe. Eine harmlose Kugel kann dich töten. Es ist gut, daß ich eine so gute Waffenentwicklungsabteilung an Bord habe. Es bereitete meinen Waffentechnikern keine große Schwierigkeit, dieses Instrument hier zu bauen." Der Lauf der für Mutara so gefährlichen Waffe war bei diesen Worten unablässig auf ihn gerichtet. „Du siehst, daß deine Verzögerungstaktik nichts nützt, Terraner", kam es haßerfüllt über Agelons Lippen. „Du verfügst über sehr viele Kräfte", fuhr er
gleich darauf fort. „Ich will dir Gelegenheit geben, diese Kräfte auszunützen. In der ,Vanthos' haben die 'Zeitlosen' den Antrieb blockiert. Bevor der Lichtsog das Schiff zu Pulver vermahlt, will ich drüben sein. Du wirst die Blokkade brechen, Terraner." Ein Diskus vom Pon-Typ war startklar. Sigam Agelon nahm sofort den Platz hinter den Steuerkontrollen ein, nachdem der Bronzene den Mutanten in dem Viermann-Landungsboot in die äußerste Ecke verfrachtet hatte und aufmerksam darauf bedacht war, daß Mutara dem Agelon nicht zu nahe kam. Wenige Sekunden später wurde der Pon-Diskus ausgeschleust. Das wendige Kleinstschiff stürmte wie ein Blitz durch das All. Die Hantelraumer der Flotte hatten sich weit zurückgezogen, doch es gab hier und da noch einige Pyramidenschiffe, die den zurückweichenden Hantelraumern nachsetzten. Weit außerhalb des Systems wurde die eine oder andere Kampfhandlung fortgesetzt. Doch auch die „Zeitlosen" schienen im Augenblick mit der Kampfpause einverstanden zu sein. Die letzten Stunden hatten große Verluste gefordert. Wer wußte, wie lange die Kampfpause andauerte. Der Pon-Diskus bewegte sich durch einen Raumabschnitt, in dem die Ausläufer tobender Energiemassen noch wirksam waren. Sie rissen und zerrten an dem kleinen leichten Raumfahrzeug, drohten, es aus seiner Bahn zu schleudern. Doch verbissen hielt Sigam Agelon den Kurs. Die Holografen trugen die Ereignisse in das Innere der kleinen Kabine. Die „Vanthos" war deutlich zu sehen. Sie schwebte in einem grellgelben Lichtsog und hatte zu kreisen angefangen. Langsam drehte sie sich um ihre eigene Achse.
Der Pon-Diskus wurde wie auf einem riesigen Wellenberg dem Hantelraumer zugetragen. Manchmal verlor Sigam Agelon die Kontrolle über die Steuerung. Doch angegriffen wurde der PonDiskus nicht. Niemand achtete auf dieses kleine unbewaffnete Raumfahrzeug, das aus der „Lynthos II" gekommen war und schnell zur „Vanthos" überwechseln wollte, bevor ein Einschleusungsmanöver durch die rasende Kreisbewegung unmöglich wurde. Noch im Keime wollte Sigam Agelon den abermaligen Blockadeversuch der „Zeitlosen" unterbrechen. Er wurde in den Lichtsog hineingezogen. Die Schotts zum Hangar standen weit offen. Es bedurfte mehrerer Anflüge, ehe ein Einschleusungsmanöver gelang. Sigam Agelon lachte lautlos vor sich hin, als er den Diskus im Hangar aufsetzte. Das Gesicht des Orathonen war zu einer wahnsinnigen Fratze verzerrt. Agelon drängte zur Eile. Der Bronzeroboter riß den apathischen Tsati Mutara mit. Über mehrere Stege ging es zum Maschinenraum, in dem eine Unzahl orathonischer Techniker und Antriebsspezialisten vergebens versuchte, an die blockierten Schaltungen heranzukommen. Die Drehbewegung des Schiffes war bereits jetzt schon zu spüren. Ein Ächzen und Krachen lief durch die Wände, als würde die „Vanthos" zerspringen. „Öffne den Prallschirm", sagte Agelon rauh. Die Waffe war auf den Mutanten gerichtet. Die Techniker und Spezialisten traten zur Seite, bildeten eine schmale Gasse vor dem Prallschirm, der jeden, der sich ihm näherte, zurückschleuderte. Nur Mutara konnte sich dem Schirm nähern. Wie im Traum ging er auf den Prallschirm zu und öffnete ihn. Der Bronze-
roboter wich nicht von seiner Seite. Die Energie, die in Mutaras Körper sickerte, wurde Sekundenbruchteile später wieder abgeleitet. Der ungeheuere Energievorrat wurde der Schwerkraft der „Vanthos" zugeführt. Für den Bruchteil einer Sekunde verdoppelte sich die Schwerkraft an Bord des Hantelraumers. Doch niemand bemerkte etwas davon. Die Antigravitationsautomaten saugten die Mehrbelastung ab, ehe sie körperlich spürbar werden konnte. * Für Sekunden war Rex Corda wie gelähmt. Doch dann schien ein ungeheueres Leben seinen Körper zu durchfluten. Er brüllte Befehle und ließ einen Pon-Diskus startklar machen. Fan Kar Kont trat an seine Seite. „Was haben Sie vor, Sir?" fragte er besorgt. „Ierra Kretan schwebt in Lebensgefahr. Ich hoffe, ich komme noch zurecht, Fan Kar Kont." Er stürzte aus der Kabine, knöpfte im Laufen seine Kombination zu. Fan Kar Kont folgte ihm auf den Fersen. „Aber wäre es nicht besser, wenn ich...?" Er sprach nicht zu Ende. Mit einer Handbewegung unterbrach Corda den Chef Wissenschaftler. „Ich werde die ,Walter Beckett' in einem Pon-Diskus allein verlassen, Fan Kar Kont. Machen Sie sich keine Sorgen um mich." „Selbst wenn Sie es schaffen sollten, Ierra Kretan zu retten — dann wird die Gefahr erst losgehen, Sir! Ierra Kretan scheint nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte zu sein." Es war eine merkwürdige Art der Unterhaltung, die die beiden Männer miteinander führten. Sie rannten nebeneinander her, ohne sich einen Blick zuzu-
werfen. Corda verschwand in einem der Antigravschächte. Kont folgte ihm. „Sie vermuten, daß Ierra Kretan noch immer unter dem geheimnisvollen Befehl der ,Zeitlosen' steht, Kont?" fragte Corda leise, während der Anti-grav ihn rasch nach unten trug. Fan Kar Kont nickte. „Nach dem, was sich ereignete, möchte ich das fast annehmen, Sir." Corda schüttelte entschieden den Kopf. „Ich glaube nicht mehr daran, Bir Osgo, Hent Marat und Eric Jenkins standen auch unter einem fremden Willen. Sie haben während der letzten Stunde nicht ein einziges Mal versucht, mir ein Haar zu krümmen. Das Ganze ist keine Verstellung. Ich habe sie mehrmals heimlich beobachtet, Bir Osgo und die anderen sind wieder völlig in Ordnung. Ich glaube, soviel Vertrauen sollten wir zu — unseren Freunden..." er betonte das Wort „Freund" und lachte leise, „... soviel Vertrauen sollten wir zu den ,Zeitlosen' haben. Auch Ierra Kretan war ganz in Ordnung, davon bin ich überzeugt. Etwas aber muß bei ihr schiefgegangen sein. Vielleicht ein Kurzschluß, vielleicht eine unbeabsichtigte Nebenreaktion, die sie zu einer Handlung hinreißen ließ. Sie muß sich vom Anfang an in einem A-Vaut-T-Diskus versteckt haben. Vielleicht entwikkelte sie einen besonderen Plan, mir das Leben innerhalb der ,Walter Beckett' schwerzumachen. Dann kam der Gedankenbefehl, daß alles aufgehoben sei. Kurz danach aber gab ich schon wieder den Befehl, daß A-Vaut-T-Diskusraumer intensiv in die Kampfhandlungen eingreifen sollten. Ohne lange zu überlegen, stellte Jerra Kretan ihre Kraft zur Verfügung. Sie kämpfte entschlossen mit uns. Dann erst reagierte sie entgegengesetzt und griff die Diskusraurner der eigenen Seite an. Ich bin weit davon entfernt zu glauben, daß die
,Zeitlosen' ein Doppelspiel getrieben haben. Ich befürchte etwas viel Schlimmeres." Corda brauchte seine Ausführungen nicht fortzusetzen. Fan Kar Kont begriff. Corda befürchtete, daß auf der Seite der „Zeitlosen" etwas eingetreten war, was ihrer eigenen Kontrolle entgangen war. Ein geringfügiger Defekt in der phantastischen technischen Anlage, oder was immer es sein mochte, womit sie die Forscher und den Offizier geführt und beeinflußt hatten, konnte dafür verantwortlich gemacht werden, was sich mit Ierra Kretan ungewollt ereignet hatte. Rex Corda eilte durch das offene Schott des Pon-Diskus. Fan Kar Kont blieb zurück. Sinnend sah er, wie die Schotts sich schlössen. Er verließ den Hangar und beobachtete wenig später über einen Nebenholografen, wie Rex Corda mit dem Pon-Diskus die „Walter Beckett" verließ. Fan Kar Kont war sehr nachdenklich geworden... Während er langsam zum nächsten Antigravschacht schritt, stürmte Rex Corda mit dem Pon-Diskusraumer bereits durch das All. Der Pon-Diskus schien sich durch eine aufgepflügte See zu arbeiten. Riesige Wellen schienen ihn auf- und nieder zu tragen. Corda hatte Mühe, die kleine Flugscheibe, die nur einen Durchmesser von 20 m hatte, gegen die Gewalten anzusteuern. Mehr als einmal wurde er wreit abgegetrieben. Das kostete ihn wertvolle Minuten, die über den Tod oder das Leben Ierra Kretans entscheiden konnten. Auch Rex Corda fand keine Erklärung dafür, wie es zu der plötzlichen Kurzschlußhandlung der jungen hübschen Mathematikerin gekommen sein konnte. Doch er machte sich jetzt darüber keine weiteren Gedanken. Im Mo-
ment war es von alleiniger Bedeutung, ob es ihm gelang, den Todesfall der Laktonin aufzuhalten. Der rostbraune Planet lag unter ihm. Auf dem Ortungsholografen verfolgte Rex Corda den Fall des A-Vaut-TDiskusraumers. Das Schiff brannte an mehreren Stellen. Zerfetzte Metallteile wurden in die Luft gerissen und vom Wind davongetragen. Die Bordinstrumente des PonDiskus zeigten an, daß die Lufthülle des rostbraunen Planeten atembar war. Ihr Gehalt an Sauerstoff war etwas höher als der der Erde. Rex Corda riß den Diskus scharf nach links. Er aktivierte die Sprechverbindung zu dem angeschlagenen A-Vaut-T-Diskus Ierra Kretans. Nur ein Kratzen und Rauschen erscholl aus den Lautsprechern. Die atmosphärischen Störungen innerhalb dieser Atmosphäre waren enorm stark. Vergebens versuchte Corda, Ierra Kretan zu erreichen. Er warf seinen Diskus bis auf dreißig Meter neben den mächtigen A-Vaut-TDiskus heran. Der angeschossene Diskus Ierra Kretans war in eine dichte Rauchwolke gehüllt. Er versuchte Ierra Kretan über Helmfunk zu erreichen. Auf dem Holografen über dem Instrumentenpult lag der angeschossene Diskus greifbar nahe. Er war ein Riese im Verhältnis zu dem kleinen PonDiskusraumer. Er hatte mehr als den doppelten Durchmesser und verfügte über stärkste Bewaffnung, während ein Pon-Diskus nur mit leichten Bordwaffen bestückt war. Rex Corda rief die Laktonin mehrere Male mit ihrem Namen. Und plötzlich glaubte er aus der Tiefe des Universums eine ferne, sehr schwache Stimme zu hören. Er drehte die Verstärker auf und bekam die Stimme
Ierra Kretans deutlicher in die Helmlautsprecher. „Ich komme nicht mehr heraus, Sir. Der Rettungssitz ist eingeklemmt. Es brennt an Bord. Die Luft wird knapp." Ierra Kretan sprach kurz und abgehackt. Der A-Vaut-T-Diskus taumelte, drehte sich um die eigene Achse. Rex Corda setzte alle Mittel ein, die er zur Verfügung hatte. Mit seinem Antigravitationsautomaten versuchte er ein magnetisches Feld außerhalb des Pon-Diskusraumers zu errichten, um die Fallbewegung des beschädigten Diskus zu beeinflussen. Ununterbrochen schickte Corda die elektromagnetischen Impulse ab, beobachtete mit fiebrig glänzenden Augen die Wirkung der Magnetfelder auf die Taumelbewegung des Diskus, und er hatte das Gefühl, daß der Fall sich beruhigte. Die Kreiselbewegung hörte ganz auf, der A-Vaut-T-Diskus schlingerte noch einmal kurz, als Rex Corda ausgleichende Felder aufbaute — und dann hatte er den abstürzenden Diskus soweit in der Hand, daß er nur noch senkrecht nach unten fiel. Die Schlingerbewegung hatte ganz aufgehört. Schweiß perlte auf Cordas Stirn. „Wie geht es Ihnen, Ierra?" fragte er besorgt. „Sind Sie verletzt?" Ein leises Lachen klang in den Lautsprechern auf. „Ein wenig, Sir, es ist nicht der Rede wert." „Was können Sie tun, Ierra? Können Sie laufen, können Sie sich bewegen?" „Ja, Sir." Ihre Stimme klang matt und angegriffen. Rex Corda starrte auf den Holografen, als müsse er den fallenden Diskus mit seinen Blicken durchbohren. Er wäre jetzt gern an Bord gewesen, um ihr zu helfen. Doch er konnte ihr Hilfe-
stellung leisten, konnte aus seiner objektiven Sicht klar und nüchtern Entscheidungen treffen, konnte ihr sagen, was sie tun — und was sie unterlassen mußte. Im großen und ganzen aber nahm das Schicksal ihm die Dinge aus der Hand. Vielleicht gelang es ihr, den Fall soweit abzubremsen, daß der Aufschlag nicht zu stark erfolgen würde. Dann würde er innerhalb einer Minute zur Stelle sein und hatte die Möglichkeit, sie vor dem Feuertod zu bewahren. Das war alles, was er für sie tun konnte. War es wirklich alles? „Wie sieht es mit dem Brand an Bord aus?" erkundigte er sich. Die Verständigung war ein wenig besser geworden, wurde aber noch immer von zahlreichen Nebengeräuschen beeinträchtigt. „Ich habe den Helm geschlossen. So läßt es sich ertragen. Der Rauch behindert mich nicht mehr, Sir. Aber das Feuer greift um sich. Die umliegenden Aggregatsektoren sind bereits davon ergriffen." Rex Corda biß die Lippen zusammen. In rasendem Flug näherten sie sich dem rostbraunen Boden. Corda erkannte flache runde Hügel, die sich wie eine Perlenschnur am Horizont hinzogen. Ein breiter Fluß schlängelte sich träge durch die Landschaft. Dieser Planet schien hauptsächlich aus Sand zu bestehen, aus braunrotem Sand. Plötzlich grellte es gleißend neben ihm auf. Aus einer Aggregatöffnung des AVaut-T-Diskus schoß eine riesige Stichflamme. Knisternd fraß der Brand sich um die Öffnung herum. Das Metall verzog sich unter der ungeheueren Hitzeentwicklung wie eine Plastikschicht. Corda konnte sich genau vorstellen, wie Ierra Kretan sich in ihrer Falle jetzt fühlte. Der Rettungssitz fiel aus, soviel stand fest. Er arbeitete auf dem Prinzip des Schleudersitzes und hatte schon
manchem Schiffbrüchigen hervorragende Dienste geleistet. „Können Sie den Fall des Diskusraumers stoppen, Ierra? Es genügt schon, wenn eine geringfügige Verringerung der Geschwindigkeit eintritt. Versuchen Sie es, versuchen Sie es unter allen Umständen. Nützen Sie diese Chance." Rex Corda hatte den Pon-Diskus bis auf zehn Meter an den Diskus Ierra Kretans herangesteuert. Rasend schnell kam jetzt der Boden auf sie zu. Sie waren keine zweitausend Meter mehr von der Oberfläche des Planeten entfernt. Die Sekunden verrannen. Cordas Herz schlug schneller. „Es scheint — als ob er langsamer würde", flüsterte Ierra Kretans Stimme plötzlich. „Die Instrumente zeigen allerdings keine Veränderung. Sie funktionieren nicht mehr richtig." Corda hatte die Kontrolle über seine eigenen Instrumente, und er hatte seine Geschwindigkeit der des abstürzenden Diskus angepaßt. Der Zeiger fiel langsam auf einen niederen Wert zurück. „Weiter!" flüsterte er erregt. „Sie schaffen es. Drücken Sie weiter die Geschwindigkeit, Ierra. Werfen Sie sämtliche Reserven auf die Gegenaggregate, soweit sie noch einsetzbar sind." Der Diskus neben ihm schien in diesen Sekunden von einer Titanenfaust durchgeschüttelt zu werden. Funken sprangen über ihn hinweg, glutflüssiges Metall tropfte herunter, dunkelblauer Rauch quoll in dicken Wolken aus den zerfetzten Öffnungen der Aggregate. Doch der Diskus wurde langsamer. Rex Corda warf einen Blick auf den Höhenmesser. Noch 900 Meter. „Jetzt hören Sie mir genau zu, Ierra", begann Corda mit ruhiger und klarer Stimme. Noch 800 Meter.
Es war höchste Zeit, jetzt etwas zu unternehmen. „Hallo, Ierra? Hören Sie mich?" Rex Corda lauschte. Ein ungeheueres Kratzen und Rauschen machte jede Verständigung unmöglich. Er glaubte in unendlicher Ferne eine Erwiderung zu hören, doch er verstand nichts. „Ierra? Ierra?" Dann hörte er ihre Stimme wieder. „Ich kann ... schlecht verstehen ... Sir." Immer wieder war die Verbindung unterbrochen. Die ungewöhnlichen atmosphärischen Störungen schienen immer größer zu werden, je näher sie der Planetenoberfläche kamen. „Schlagen Sie sich durch bis zum äußeren Schott", brüllte Rex Corda in das Mikrofon, und er aktivierte sämtliche Verstärker der Bordübertragungsanlage. „Wir müssen jetzt alles versuchen. Es ist ein Risiko, das wir unternehmen, aber es ist besser, als gar nichts zu tun und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Sie haben jetzt noch eine Geschwindigkeit von 200 Stundenkilometern. Tiefer läßt sie sich nicht drücken. Verstehen Sie mich, Ierra?" „Ja." „Wo sind Sie jetzt?" fragte Corda laut und mit messerscharfer Stimme. „Ich befinde mich im Mittelgang. Aber ich komme durch das Hauptschott nicht durch. Die Aggregate stehen in hellen Flammen." Corda wußte, was das bedeutete. Doch er verlor in diesen entscheidenden Sekunden nicht die Nerven. In seinen blauen Augen glomm ein rätselhaftes Licht. „Sie schaffen es. Versuchen Sie es durch einen der zahlreichen Notausgänge. Wenn es sein muß, klettern Sie durch eines der ausgebrannten Aggregate. Ich sehe mehrere, die sich für diesen Zweck eignen. Aber Sie müssen auf je-
den Fall aus dem Diskus heraus. Sie müssen auf die Außenhülle! Rasch, Ierra, es eilt..." Noch 500 Meter! Der rostbraune Boden unter ihm füllte fast den gesamten Holografen aus. Er sah den glatten braunroten Sand, der sich von einem Horizont zum anderen auszudehnen schien. Ierra Kretan rannte um ihr Leben. Sie kroch aus einem der zahlreichen Notausstiege. Die Schotts glitten langsam auseinander. Mit einem Notstromaggregat wurde die Bewegung ausgeführt. Rex Corda atmete auf, als er die kleine schlanke Gestalt auf seinem Holografen erkannte. Ierra Kretan trug jetzt eine grüne Kombination. Sie hatte über die rote Hose und den weich fallenden weißen Pulli während der Geschehnisse im Raum die Kombination übergezogen. Der Transparenthelm war rußverschmiert. Ierra Kretan hockte jetzt auf der schmalen Plattform unterhalb des Notausstiegs. Keine fünf Meter von ihr entfernt quollen dunkelblaue Rauchwolken aus dem A-Vaut-T-Diskusraumer. Rex Corda steuerte seinen Diskus so nahe an den A-Vaut-T heran, daß er Ierra Kretans Gesicht ganz deutlich sehen konnte. Die junge Laktonin war überraschend gefaßt. Stand sie noch immer unter dem rätselhaften Einfluß? Der A-Vaut-T-Diskus stand bis auf wenige Quadratmeter in hellen Flammen. Er raste mit etwas weniger als 200 Stundenkilometern über den braunroten Wüstenboden dahin, auf dem kein Strauch und kein Baum wuchs. Die Fallgeschwindigkeit des Diskusraumers betrug dabei 20 Meter in der Sekunde. Rex Cordas Finger hasteten über die Schaltungen. Er aktivierte den Traktorstrahl. Das Gerät, das mit einer Kombi-
nation von Gravitation und Magnetismus arbeitete, konnte Gegenstände aller Art abfangen, vorausgesetzt, daß die Objektgeschwindigkeit nicht höher als 5 km pro Sekunde war. Vom Sitz des Kommandanten wurde der Traktorstrahl eingeschaltet und ausgerichtet. Danach arbeitete er automatisch mit Computersteuerung. Der unsichtbare Strahl bewegte sich auf den zusammengekauerten Körper zu. Der A-Vaut-T-Diskus war in diesen Sekunden noch einhundert Meter von der Oberfläche des Planeten entfernt. Da erschütterte eine ungeheuere Explosion den abstürzenden Diskus, noch ehe der Traktorstrahl den Körper der Laktonin hatte erfassen können! Rex Corda wurde bleich. Für Sekunden war auf dem Holografen alles in ein undurchdringliches Rauchmeer gehüllt. „Ierra?" brüllte er. Ihre Stimme war nicht zu hören. Krachende, tobende Geräusche erklangen aus den Lautsprechern in seinem Helm. Ein Teil des A-Vaut-TDiskusraumers wirbelte durch die Luft. Durch den zerreißenden Rauchvorhang erblickte er die junge Laktonin, die verkrampft auf dem Plattforrnvorsprung hockte. Die obere Hälfte des Diskus war verschwunden. Sekunden entschieden jetzt über Leben und Tod. Corda richtete den Traktorstrahl ein. Da hob sich plötzlich der Körper der jungen Laktonin. Der brennende Diskus raste unter ihr hinweg, während Ierra Kretan von den unsichtbaren Kräften in der Luft gehalten wurde. Für eine Sekunde schloß Rex Corda die Augen. Es war geschafft! Die Automatik führte den Traktor-
strahl langsam nach unten. Ierra Kretan war ruhig und entspannt. Sie fühlte sich sicher. Sie wußte, daß sie gerettet war. Jetzt konnte nichts mehr passieren. Und doch passierte es! Keiner hatte damit gerechnet. Die Besonderheit dieses Planeten war dafür verantwortlich zu machen, daß der Traktorstrahl plötzlich aussetzte! Der rostbraune Boden mit seinen ungeheueren elektromagnetischen Aufladungen unterbrach den Kontakt. Ierra Kretans Körper sackte ab. Sie stürzte wie ein Stein aus fünfzig Meter Höhe in die Tiefe! * Für eine Sekunde wich alles Leben aus Cordas Körper. Der Holograf vor ihm trug die Geschehnisse so lebensecht in das Innere der kleinen Kabine, daß er glaubte, selbst frei neben der jungen Laktonin durch die Luft zu stürzen. Er richtete den Traktorstrahl neu, versuchte die Forscherin abzufangen. Da faßte der Traktorstrahl. Der Körper der jungen Laktonin wurde sofort von der unsichtbaren Kraft gepackt, der rasende Sturz in die Tiefe abgebremst. Rex Cordas Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepreßt. Ierra Kretan wurde dreißig Meter tiefer getragen. Dann setzte der Traktorstrahl abermals aus. Verbissen kämpfte Corda um das Leben der jungen Laktonin. Er verstärkte die magnetischen Führungen, um eine Gegenkraft zum Elektromagnetismus des rostbraunen Bodens zu haben. Zehn Meter über der Oberfläche fing er abermals den Körper der Laktonin ab. Sanft wie ein Blatt schwebte die Forscherin zu Boden. Einen Meter über dem Boden setzte der Traktorstrahl infolge der ungeheu-
eren elektromagnetischen Störungen abermals aus. Doch aus dieser Höhe konnte der Fall für Ierra Kretan nicht mehr kritisch sein. Rex Corda warf seinen Pon-Diskus herum und ließ ihn absacken. Keine fünfzig Meter von ihm entfernt tobte das Inferno. Der A-Vaut-T verging in einer ungeheueren Explosion. Fünf Sekunden später landete Rex Corda, keine zehn Meter von der Laktonin entfernt. Er zuckte wie unter einem Peitschenschlag zusammen. Auf dem Holografen sah er Ierra Kretan. Er hatte damit gerechnet, daß sie ihm entgegenkommen könnte. Doch die grüne Gestalt lag verkrümmt auf dem Boden. Ierra Kretan rührte sich nicht. * Der Kampf hatte ein Höchstmaß an Einsatz und Kräften gefordert. Die Orathonen, denen der letzte entscheidende Schlag durch das Auftauchen der „Walter Beckett" versagt geblieben war, kamen um eine längere Kampfpause nicht herum. Viele Hantelraumer waren stark angeschlagen und nur noch beschränkt einsatzfähig. Viele Diskusraumer waren vernichtet worden. Die Orathonen mußten neue Kräfte sammeln, und sie brauchten die Zeit, um die dringend notwendigen Reparaturen durchführen zu können. Ein Mangel im Energiehaushalt war zum Glück nicht aufgetreten. Durch die Nähe der kleinen weißen Sonne war eine natürliche Energiequelle gegeben, die das gewaltige Energiepotential der Hantelraumer sättigte. Sigam Agelon befand sich noch immer in der „Vanthos". Er zitterte am ganzen Körper. Seine
grünen Hände schlossen und öffneten sich in heftiger Erregung. „Dieser elende Terraner, er hat es fertiggebracht, die Kampfsituation zu verändern." Ein Blick tödlichen Hasses traf Mutara. „Aber er wird es nicht verhindern können, daß nach dieser Kampfpause ein Blitzschlag erfolgen wird ..." * Der rostbraune Boden knirschte metallisch unter Rex Cordas Schritten. Corda bückte sich und drehte den leichten Körper der Frau langsam auf die Seite. Im ersten Augenblick erschrak er, als er Ierra Kretans Gesicht sah. Die junge Laktonin war bleich, und die mandelförmigen Augen lagen tief in den Höhlen. Doch sie atmete. Im letzten Augenblick hatten die ausgestandene Furcht und die ungeheueren Strapazen ihren Körper in eine wohltuende Ohnmacht getrieben. Rex Corda hatte seinen Helm im Pon-Diskus zurückgelassen. Die Luft war rein und atembar. Auf die Bordinstrumente war Verlaß. Er schraubte auch Ierra Kretans Transparenthelm ab, legte ihn vorsichtig auf den grobkörnigen harten Boden. Aus der Höhe hatte die Oberfläche ausgesehen wie eine einzige Sandwüste aus einem feinen weichen, samtigen Sand. Doch dies war kein Sand im herkömmlichen Sinne. Die „Sandkörner" waren hart, scharfkantig und erinnerten an Metallspäne. Rex Corda hatte alles aus dem PonDiskus mitgebracht, was zur ersten Hilfeleistung notwendig war. Er injizierte ein Präparat und wartete dann ab. Er kniete neben der hübschen Lakto-
nin und blickte ihr unverwandt ins Gesicht, Ierra Kretan atmete schwach. Doch ihr Atem wurde merklich ruhiger und tiefer. Einmal öffnete sie ihren kleinen roten Mund, ihre Lippen bewegten sich, doch kein Laut kam über sie. Farbe kehrte in ihr Gesicht zurück. Ierra Kretans Augenlider zuckten. Dann öffnete sie die Augen. Im ersten Augenblick starrte sie vor sich hin. Es dauerte eine geraume Zeit, ehe sie zu begreifen schien, was passiert war. Dann erkannte sie Rex Corda. Und sie lächelte. „Danke", sagte sie. Es klang beinahe zärtlich. Sie bemerkte es, und sofort fiel Rex Corda der plötzlich wieder distanzierte Zug auf ihrem Gesicht auf. Unsicher sah sie Corda an. Um die Mundwinkel Rex Cordas zuckte es. „Wie geht es Ihnen, Ierra?" fragte er leise, während er ihr behilflich war, sich aufzurichten. Ihr Gesicht verzog sich schmerzhaft. Corda kniff die Augen zusammen, er tastete ihre Arme und Beine ab. Hatte sie etwas gebrochen? Ierra Kretan hatte sich beide Beine ein wenig verstaucht und hatte Mühe, auf den Füßen zu stehen. Eine kurze Behandlung in der Medizinischen Abteilung der „Walter Bekkett" würde die junge Laktonin im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf die Beine bringen. „Schon ein wenig besser, Sir", kam es wie ein Hauch über ihre Lippen. Corda ließ sie keine Sekunde unbeobachtet. Er konnte keine Veränderung ihres Wesens feststellen. Dennoch konnte sie immer noch eine Gefahr sein. „Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, als Sie in den Diskus stiegen?" fragte er leise, während er ihr behilflich war, die ersten Schritte zu gehen. Ein leises Stöhnen kam über ihre Lippen.
„Ich hörte Ihren Befehl — und ich dachte, ich könnte mich auf diese Weise am nützlichsten machen." Sprach sie die Wahrheit? Ihre Blicke trafen sich für den Bruchteil einer Sekunde. Unsicher senkte die Laktonin ihren Blick. Corda gegenüber fühlte sie sich immer ein wenig befangen. Sie ärgerte sich darüber, konnte aber gegen diese Schwäche nichts tun. Rex Corda fühlte, was in der jungen Forscherin vor sich ging. Doch er schwieg. Er sah sie von der Seite her an, während sie an seinem rechten Arm zaghaft weiterging. Es waren winzige Schritte. Der Boden unter ihren Füßen knirschte. Sie fragte nach der Beschaffenheit dieses merkwürdigen Bodens. Corda erklärte ihr, daß es vermutlich ein stark kupferhaltiger Boden sei. Er nahm eine Handvoll des grobkörnigen Sandes auf. „Es ist Metall", sagte er leise. „Jedes ,Sandkorn' — ist in Wirklichkeit ein , Metallkorn'. Dieser ganze Planet scheint ein ungeheueres Vorkommen an Kupfer zu haben." Er starrte in die Ferne. Die ganze Wüste — war eine Metallwüste. Vielleicht, in vielen Millionen Jahren, wenn einmal eine dicke Staubschicht auf diese Metallfläche gefallen war, würde es auch auf dieser öden, harten und doch so reichen Welt zu den ersten niederen Vegetationen kommen. Es gab Sauerstoff. Lebensmöglichkeiten würde diese Welt genügend bieten — wenn erst einmal der Boden bereitet war. Ein ungeheueres Rauschen lag plötzlich in der Luft, wie von einem nahenden Orkan. Corda und Ierra Kretan hoben fast zu gleicher Zeit die Köpfe. Ein stumpfes Pyramidenschiff, von einem flimmernden grünlichen Schutzschirm umgeben, zog über ihnen in einer Höhe von weniger als tausend Me-
tern seine Bahn. Es zog über sie hinweg — und ging dann tiefer, setzte zur Landung an. Corda verhielt im Schritt. Keine fünfhundert Meter von ihnen entfernt setzte das Pyramidenschiff auf. Keine Erschütterung lief durch den rotbraunen metallischen Boden. Corda achtete nicht weiter auf das Schiff der „Zeitlosen". Er war Ierra Kretan behilflich, zum Pon-Diskus zu kommen. Sie kamen nur zentimeterweise voran. Da griff Rex Corda plötzlich zu. Er packte die zarte leichte Gestalt, und ein erstauntes Quietschen kam über Ierras Lippen. Sie rümpfte die Nase, als Corda sie jetzt auf den Armen, wie eine kostbare Last, mit raschen Schritten auf den PonDiskus zutrug. Corda merkte das leichte Zittern, das durch den Körper der jungen Laktonin lief. Corda lächelte. „Ich habe mir schon immer einmal gewünscht, Sie so auf den Armen zu tragen", sagte er mit fester Stimme. „Daran sieht man, daß unsere Wünsche doch eines Tages alle in Erfüllung gehen. In der unwahrscheinlichsten Situation wird selbst das Unmögliche möglich." „Lassen Sie mich sofort herunter", sagte sie aufgebracht, und ihre Augen schössen Blitze. Corda schüttelte den Kopf. „Wenn ich Sie herunterlasse, dann setze ich Sie mitten in den scharfkantigen Sand — und das dürfte Ihnen nicht behagen. Da ist es auf meinen Armen gemütlicher, finden Sie nicht auch?" Sie murmelte irgend etwas vor sich hin, ließ es sich aber gefallen, daß Corda sie in den Pon-Diskus trug und vorsichtig in einen der weichen Andrucksessel niederließ. Unsicher blickte die junge Laktonin
zu ihm auf. In Cordas Nähe gab sie sich immer besonders distanziert. Der junge Präsident fühlte die Zuneigung, die ihm hinter der kühlen unsicheren Maske entgegenschlug. Er nickte ihr aufmerksam zu und betrachtete sich die Mathematikerin von Kopf bis Fuß. „Wenn man bedenkt, daß Sie den Auftrag hatten, mich zu töten, dann sollte man..." Der Blick in ihren Augen ließ ihn verstummen. Unwissenheit, Erstaunen und Zweifel zeichneten sich darin ab. Corda erkannte sofort, daß er eine Dummheit gemacht hatte. Auch Ierra Kretan wußte nichts mehr von ihrem Auftrag. Doch nun hatte er die Dinge angerührt, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als der jungen Laktonin die Dinge haarklein auseinanderzusetzen. Es überraschte ihn nicht, daß sie auch von dem Angriff, den sie gegen die Diskusraumer der eigenen Leute geflogen hatte, nichtvS mehr wußte. Corda wurde in diesen Sekunden in dem Bewußtsein gestärkt, daß irgend etwas in den Reihen der „Zeitlosen" nicht so planmäßig gelaufen war, wie es sollte. Was war es? Ierra Kretan war nach der Zurücknahme des posthypnotischen Befehls rückfällig geworden. Sie hatte plötzlich wieder geglaubt, irgend etwas gegen die „Walter Beckett" unternehmen zu müssen. Erst als sie mit dem Diskus auf den Metallplaneten zugestürzt war, setzte ihr Erinnerungsvermögen wieder ein. Von all den Dingen, die vorher geschehen waren, wußte sie nichts mehr. Corda wandte sich um. Er wollte seinen Platz hinter den Steuerkontrollen einnehmen. Da sah er auf dem Holografen drei „Zeitlose", die sich von dem stumpfen Pyramidenschiff in der Ferne lösten und sich dem Pon-Diskus näher-
ten. Rex Corda begriff sofort, daß der Besuch ihm galt. Was wollten die „Zeitlosen" von ihm? * Rex Corda verließ den Diskus und ging den „Zeitlosen" entgegen. Sein Gesicht drückte Ruhe und Entschlossenheit aus. Wollten sie ihn erneut anklagen? Er war sich keiner Schuld bewußt. Er warf einen Blick zurück. Hundert Schritte hinter ihm stand der Pon-Diskus. Die kleine weiße Sonne ging unter. Dämmerlicht breitete sich um ihn herum aus. Der Boden unter ihm begann leicht zu schimmern und zu leuchten, als sei er von innen angestrahlt. Es schien, als würde das tagsüber auftreffende Sonnenlicht gespeichert und abends abgestrahlt werden. Unwillkürlich mußte Corda in diesem Moment auch an die starken Störungen denken, die einen Funkverkehr zwischen den beiden Diskusraumern fast unmöglich gemacht hatten. Weit vor ihm glühte das ausgebrannte Wrack des A-Vaut-T-Diskusraumers nach. Dann stand er den drei „Zeitlosen" gegenüber. Mit unverhohlener Arroganz musterten ihn die dunklen Augen. Einer der drei trat vor. Wie alle „Zeitlosen" hatte auch er weißes Haar, das im Nacken von einer Metallspange zusammengehalten wurde. Die muschelartigen Gebilde, die wie Perlmutter glänzten und die Ohren der „Zeitlosen" waren, waren bei diesem „Zeitlosen" ausgesprochen dunkel. „Ich bin Verlho", sagte der „Zeitlose". „Sie sind der Oberbefehlshaber des
terranischen Flaggschiffes", fuhr er ohne Übergang fort. „Durch Ihr Eingreifen haben sich die Schiffe unserer Flotte erstaunlich gut gefunden. Sie werden auch weiterhin für uns kämpfen!" Eine Bombe, die explodiert wäre, hätte Rex Corda nicht mehr schockieren können. Die Arroganz dieser Rasse aber war und blieb ohne Beispiel. Sie fragten nicht, sie baten nicht — sie bestimmten. „Sie werden deshalb für uns kämpfen, weil Sie nicht anders können. Sie bezahlen damit Ihre Strafe, die für Sie und Terra unausweichlich ist. Es wird eine empfindliche Strafe sein. Noch kein Volk ist ungestraft in die Vakuole eingedrungen!" Cordas Gesicht wurde hart. „Sie verkennen die Situation", entgegnete er scharf, ohne überheblich zu werden. Seine Blicke musterten den „Zeitlosen", der sich Verlho nannte, eingehend. „Ich kam in die Vakuole, weil ich dazu verpflichtet war." Ein unwilliger Zug lief über das Gesicht des „Zeitlosen". Ungerührt fuhr Corda fort. „Ich bin dazu verpflichtet", er wiederholte bewußt diese Worte, und er betonte jede einzelne Silbe. „Ich muß Sigam Agelon bekämpfen, weil die Erfindung, durch die der Orathone so mächtig wurde, eine terranische Erfindung ist. Becon wurde auf der Erde entwikkelt. Agelon wurde zu einer Macht, zu einer tödlichen Gefahr für die Galaxis. Warum haben die ,Zeitlosen' nichts gegen Sigam Agelon unternommen?" Seine Worte klangen wie eine Anklage. „Hatten sie nicht schon früher die Pflicht, etwas gegen den Orathonen zu unternehmen? Wie oft hat Sigam Agelon gegen die Großen Gesetze verstoßen? War es nicht mehrmals der Fall?" Er begegnete den Blicken Verlhos.
Doch der „Zeitlose" schien durch ihn hindurchzublicken. Corda griff die drei „Zeitlosen" scharf an, aber die „Zeitlosen" schienen an dieser Art der Diskussion nicht sonderlich interessiert zu sein. Corda schüttelte den Kopf. „Wo blieben sie, die Wächter der Großen Gesetze, als die Erde in die Fronten des Großen Galaktischen Krieges geriet? Terra hatte nichts mit den Dingen zu tun. Unschuldige wurden das Opfer zweier erbarmungslos kämpfender Mächte." Und Corda schilderte das Grauen, die Angst und die Verzweiflung der Menschen, als die gnadenlosen Invasoren über die Erde wie über ein Beutestück herfielen. „Warum hielten sich da die Wächter zurück, warum griffen sie nicht ein? War auch das nicht schon ein Verstoß gegen die Großen Gesetze?" Die Lippen bildeten einen schmalen Strich im Gesicht des Präsidenten. Verlhos farbig leuchtende Augenlider zuckten. Der zynische Zug um seinen Mund verschwand ein wenig, als er die Lippen jetzt öffnete. „Sie mißverstehen die Situation, in der die ,Zeitlosen' sich befinden", die Stimme Verlhos war klar und kalt. „Wir sind die Wächter der Großen Gesetze. Aber wir — werden niemals in den Galaktischen Krieg eingreifen. Wir haben nicht die Macht, diesen Krieg zu beenden. Es ist uns auch egal, welche Macht siegt. Ob Laktonen oder Orathonen — es ist uns gleichgültig. Entscheidend ist nur eines: Das Leben in der Galaxis darf nicht verlöschen. Das ist unsere Aufgabe. Mehr nicht." Corda war ein aufmerksamer Zuhörer. Das war die Aufgabe der „Zeitlosen". Das also war die Macht, von der er soviel hielt — und die, wie sich jetzt her-
ausstellte, gar nicht in der Lage war, die Rolle zu spielen, die man ihr zugedacht hatte. Die „Zeitlosen" waren nichts anderes als ein Werkzeug in der Hand einer weitaus größeren Macht. Corda schreckte hoch, als Verlhos Stimme abermals aufklang. „Es gab einmal eine Zeit — da waren wir mächtiger." Es klang wie eine Entschuldigung. Corda nickte bedächtig, und es schien, als würde ihm diese Bewegung gar nicht bewußt. Die „Zeitlosen" waren noch immer mächtig. Die phantastischen Möglichkeiten, die sie auf Grund ihrer hochentwickelten Technik hatten, hatte er selbst zu spüren bekommen. Er dachte an den Trümmerplaneten, an das manipulierte Wrack und an die Freunde Bir Osgo, Hent Marat, Ierra Kretan und Eric Jenkins, die die „Zeitlosen" gelenkt und gesteuert hatten. Sie waren noch immer mächtig — aber einst waren sie mächtiger gewesen. Sie waren am Ende ihrer Kraft als die große, souveräne Autorität. Ein furchtbarer Gedanke stieg in Rex Cordas Bewußtsein auf. Er fühlte, daß die Entscheidung über die Existenz der „Zeitlosen" schon im Kampf mit den Orathonen fallen würde. Corda sah den „Zeitlosen" Verlho lange stumm an. Dann sagte er leise: „Die ,Walter Beckett' wird für die "Zeitlosen" kämpfen. Sie wird kämpfen — weil wir es so wollen, und nicht, weil wir müssen." Verlho verstand den feinen Unterschied. Und er erwiderte nichts darauf. In einer kurzen Zeremonie schlossen Rex Corda und die drei „Zeitlosen" ein Bündnis. Eine schriftliche Fixierung wurde nicht vorgenommen. Rex Corda war bereit, für die „Zeitlosen" mit seinem unschlagbaren Schiff zu kämpfen. Dann wandte Verlho sich ab. Er und
seine drei Begleiter gingen auf das ferne Pyramidenschiff zu. Rex Corda sah ihnen nach. Der flimmernde grünliche Schutzschirm öffnete sich an einer Stelle, um die drei „Zeitlosen" durchzulassen — und dann schloß er sich hinter ihnen wieder. Rex Corda stieg in den Pon-Diskus. Im gleichen Augenblick meldete sich John Haick aus der „Walter Beckett" und erkundigte sich nach Cordas Unternehmen. „Alles in bester Ordnung, John", lachte der Präsident, während er der hübschen Laktonin einen kurzen Blick zuwarf. „Du würdest mich bestimmt beneiden. An Bord der ,Walter Beckett' ist alles okay?" „Es ist alles okay. Sigam Agelon mußte sich zurückziehen. Aber es sieht ganz so aus, als formiere er sich zu einem neuen Angriff." Corda fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. „Bis es soweit ist, will ich an Bord der ,Walter Beckett' sein. Sigam Agelon wird eine Überraschung erleben." * Und Sigam Agelon erlebte eine Überraschung! Mit neun Hantelraumern der WonnKlasse griff er blitzschnell an. Er war in dem Glauben, einen Sieg zu erringen wie in der ersten Phase des Kampfes. Doch er täuschte sich. Jetzt zeigte sich, daß die Kräfte der Terraner und die der „Zeitlosen" besser koordiniert waren als zuvor. Es gelang den Hantelraumern Agelons, einen einzigen Angriff zu fliegen. Dann schlugen die „Walter Beckett" und die stumpfen Pyramidenschiffe in einem derartig massiven Abwehrfeuer zurück, daß Sigam Agelon auf der Kommandobrücke der „Lynthos II" wie ein Wilder tobte.
Ein Wonn-Raumer unmittelbar vor der „Lynthos II" wurde schon im ersten Feuersturm so hart angeschlagen, daß der Kommandant sich sofort zurückziehen mußte. Ein zweiter Raumer de: Wonn-Klasse erhielt einen konzentrierten Feuerstoß, genau in die linke Kugel. Mehrere Hantelraumer wurden nach einem kurzen erbitterten Gefecht so hart angeschlagen, daß Sigam Agelom kein weiteres Risiko mehr eingeher wollte. Er wußte plötzlich, wenn er der Kampf in diesem Raumabschnitt weiterführte, würde seine kleine Flott« noch mehr zusammenschmelzen. Jedes Schiff aber war für ihn wichtig Er verfügte im Augenblick noch über neun Raumer der Wonn-Klasse. Von diesen neun Hantelraumern waren einige schon wieder so stark in Mitleidenschaft gezogen, daß sie bei einer Fortsetzung des Kampfes garantiert völlig vernichtet werden würden. Sigam Agelon ging das Risiko nicht ein. Die Computer in der „Lynthos II" arbeiteten ununterbrochen. Sigam Agelon ließ den neuen Kurs festsetzen. „Wir verlassen das Kampfgebiet", sagte er mit harter Stimme. Der Schweiß rann in Strömen über sein Gesicht. „Die Schiffe beschleunigen mit höchsten Werten. Sobald Lichtgeschwindigkeit erreicht ist, gehen wir für wenige Augenblicke in den Hyperraum. Ich denke, das wird uns weit genug aus der Kampfzone tragen." Er gab den Befehl. Die Hantelraumer glitten aus dem Kampfgebiet. Vereinzelte Kampfhandlungen waren in der ersten Phase des Rückzuges nicht zu vermeiden. Doch dann beschleunigten die neun teilweise hart angeschlagenen Hantelraumer mit ungeheueren Werten. Sie stießen tief in die Vakuole hinein, erreichten Lichtgeschwindigkeit und glitten dann innerhalb der Vakuole in den Hyperraum.
Sigam Agelon wußte, daß dieser Sprung nur kurz sein durfte, um nicht aus der Vakuole hinausgetragen zu werden. Und dennoch ging er ein unerhörtes Risiko ein: Durch seine überstürzte Flucht brachte er die Vakuole in höchste Gefahr! * Bir Osgo und die anderen Wissenschaftler, die sich in der Kommandozentrale der „Walter Beckett" aufhielten, erkannten es sofort. „Er ist wahnsinnig geworden", brüllte Bir Osgo. „Er weiß nicht, was ..." Er sprach nicht zu Ende. Ein Schrei des Entsetzens ging durch die Reihen der Menschen innerhalb der „Walter Beckett", und die „Zeitlosen" in ihren stumpfen Pyramidenschiffen schienen sekundenlang wie gelähmt. Sigam Agelon hatte es gewagt, innerhalb der Vakuole in den Hypersprung zu gehen. Die Männer in der „Walter Beckett" wirbelten durcheinander. Der Raum um das terranische Schiff und die Kampfverbände der „Zeitlosen" schien in Bewegung geraten zu sein. Die Meßinstrumente in dem terranischen Flaggschiff schlossen kurz. Die Raumschiffe der „Zeitlosen" wurden wie von der Faust eines Titanen
durchgeschüttelt. Panik breitete sich auf den Schiffen aus. Rex Corda brüllte Befehle. Doch niemand an Bord konnte etwas tun. Ein ungeheueres Energiebeben entstand in ihrer unmittelbaren Umgebung. Niemand wußte später mehr zu sagen, ob die furchtbaren Ereignisse nur Sekunden oder Minuten gewährt hatten. Es war ihnen vorgekommen wie eine Ewigkeit. Doch dann beruhigte sich die Vakuole wieder. Der kleine Bir Osgo fuhr sich mit einer fahrigen Bewegung über die schweißnasse Stirn. „Es ist noch einmal gutgegangen", sagte er leise, und er schien sich bereits schon wieder beruhigt zu haben. „Aber für wie lange? Durch diese Erschütterung ist eine tödliche Gefahr entstanden. Noch hält die Vakuole, sie hat sich wieder beruhigt. Aber in zehn, zwölf Tagen kann alles zu Ende sein." Rex Cordas Gesicht war wie aus Stein gemeißelt. Jeder der Umstehenden wußte, was diese Worte bedeuteten. Wenn die Vakuole zusammenstürzte, waren sie für alle Zeiten Gefangene dieses Raumes. Eine Rückkehr nach Terra würde unmöglich sein.
ENDE
Antigravitationsautomat: Einrichtung in Raumfahrzeugen, die unabhängig vom Triebwerk arbeitet und Erschütterungen, wie sie z. B. bei schweren Treffern entstehen können, bis auf ein leichtes Vibrieren abschwächt. FAMILIE: Herrschergeschlecht der Orathonen. Fan Kar Konf: Laktonischer Wissenschaftier, der sich mit Rex Corda angefreundet hat. Fatlo Bekoval: Ehemaliger laktonischer Agent, jetzt Cordas Freund. Featherhead: Siehe Orathone. Hent Marat: Biochemiker, Besatzungsmitglied der „Walter Beckett". John Haick: Junger Atomwissenschaftler mit künstlichem Gehör.
Kim Corda: 14 Jahre, Rex Cordas Bruder, hat telepathische Fähigkeiten. Laktonen: Humanoide (menschenähnliche) Rasse aus der Galaxis. Lithalon: Planet der Laktonen. Mutant: Ein Mensch, der durch Veränderung seines Körpers und Gehirns neue, positive bzw. negative Eigenschaften bekommen hat. Orathone: Angehöriger einer galaktischen Rasse. Grüne Haut und Federn auf dem Kopf an Stelle von Haaren. Auch Featherhead genannt. Percip: Laktonischer Agent, der an der Seite Rex Cordas kämpft. Ralf Griffith: Durch Becon „Veränderter", gilt als unbesiegbar. Freund Rex Cordas. Semibiotischer Conductor: Kugelförmiges
Gebilde, das die Orathonen ihren Gefangenen ins Gehirn operieren, um deren Willen zu beeinflussen. Singende Fäden: Verteidigungswaffe einer Engerlinqrasse im System „Fatty". Trops: Hilfsvolk der Orathonen, affenartiges Aussehen. Trop Thali: Angehöriger des orathonischen Hilfsvolkes, Freund Mutaras. Vakuole: Bezeichnung für das künstlich im Raum geschaffene Reich der „Zeitlosen". Wabash: Telepathisch veranlagter Delphin, Freund Kim Cordas. „Zeitlosen", die: Geheimnisvolle Rasse aus dem Randgebiet unseres Spiralarmes, die als Wächter der galaktischen Ordnung gilt.