Kostenbewusstes Konstruieren
Jan O. Fischer
Kostenbewusstes Konstruieren Praxisbewährte Methoden und Informationssysteme für den Konstruktionsprozess
Mit Beiträgen von Uwe Götze
123
Dr. Jan O. Fischer Franzstraße 11 50931 Köln fi
[email protected]
ISBN 978-3-540-78312-1
e-ISBN 978-3-540-78313-8
DOI 10.1007/978-3-540-78313-8 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. c 2008 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Herstellung: le-tex Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Einbandgestaltung: WMX Design GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de
Vorwort
Die methodischen Ansätze zum kostenbewussten Konstruieren bestehen teilweise schon seit Jahrzehnten. Nichtsdestoweniger werden diese Methoden in der Praxis oft nur ansatzweise und mitunter gar nicht eingesetzt. Dies verwundert umso mehr, als ihre Einsatzmöglichkeit weder auf eine bestimmte Branche noch auf einen bestimmten Fertigungstyp beschränkt ist. Die Erfahrungen aus den Beratungs- und Verbundprojekten der vergangenen sieben Jahre seit Bestehen der Gesellschaft für kostenorientierte Produktentwicklung (GKP) haben vielmehr gezeigt, dass sich die Methoden zum kostenbewussten Konstruieren – gegebenenfalls entsprechend modifiziert – in praktisch jedem Unternehmen mit eigener Konstruktion erfolgreich einsetzen lassen und so einen bedeutenden Beitrag zum Kostenmanagement und damit zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit leisten können. Ein Grund für die geringe Anwendung der Methoden mag darin zu finden sein, dass ihre Darstellung in der Literatur häufig mit einem starken Schwerpunkt auf der Theorie erfolgt und nur wenige Hilfestellungen für den konkreten Einsatz in der Praxis gegeben werden. Ziel des vorliegenden Buches ist es daher, durch die realitätsnahe Darstellung des Methodeneinsatzes einen Beitrag dazu zu leisten, dass die verfügbaren Instrumente zum kostenbewussten Konstruieren verstärkten Eingang in die Praxis finden und damit helfen, das enorme Potential auszuschöpfen, welches die kostenorientierte Produktentwicklung bietet. Vor diesem Hintergrund werden hier die theoretischen Grundlagen zur Konstruktionslehre und Kostenrechnung bewusst sehr knapp gehalten und beschränken sich auf das Notwendigste, das zum Verständnis der anschließend dargestellten Methoden unerlässlich ist. Bei dieser Methodendarstellung wurde besonderer Wert auf die Praxisnähe gelegt und an vielen Stellen mit einer Beschreibung der einzelnen Arbeitsschritte die konkrete Vorgehensweise zur Anwendung einer Methodik aufgezeigt. Außerdem wird für jeden der aufgenommenen Ansätze mindestens ein reales Fallbeispiel beschrieben, um dem Leser Anregungen zu geben, wie die Umsetzung im eigenen Unternehmen erfolgen kann. Wir danken den Unternehmen, die in den hier beschriebenen Projekten mitgearbeitet haben, für die zahlreichen Anregungen, welche zum Projekt-
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Vorwort
erfolg beigetragen haben, und für die Einwilligung, dass ihre Praxisbeispiele – meist etwas verfremdet – veröffentlicht werden. Der Dank gilt den Unternehmen KARDEX Bellheimer Metallwerk GmbH, MAN Diesel SE, MAN Roland Druckmaschinen AG, SCHUMAG AG und SPICER Gelenkwellenbau GmbH. Wir wünschen allen Lesern große Erkenntnisgewinne aus der Lektüre dieses Buches sowie viel Erfolg und freuen uns über Kritik und Anregungen*! Köln und Chemnitz im Januar 2008
* Gerne per E-Mail:
[email protected]
Jan O. Fischer Uwe Götze
Inhaltsverzeichnis
1 Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung...................................................................................1 1.1 Grundlagen der Konstruktion ...............................................................1 1.1.1 Einführung..................................................................................1 1.1.2 Vier-Phasen-Modell des Konstruktionsprozesses ......................4 1.1.3 Konstruktionsarten......................................................................6 1.2 Grundlagen der Kostenrechnung ..........................................................8 1.2.1 Einführung..................................................................................8 1.2.2 Bereiche und Methoden der Kostenrechnung...........................15 1.3 Kostenmanagement im Konstruktionsprozess ...................................34 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4
Einführung................................................................................34 Management von Herstellkosten ..............................................36 Management von Selbstkosten .................................................45 Management von Lebenszykluskosten .....................................51
2 Target Costing.....................................................................................59 2.1 Methodik des Target Costing..............................................................59 2.1.1 Einführung................................................................................59 2.1.2 Ablauf des Target Costing........................................................60 2.1.3 Stärken und Schwächen des Target Costing.............................68 2.2 Praxisbeispiel: Zielkostenanalyse eines dynamischen Lagersystems.......................................................................................72 2.2.1 Ausgangssituation: Entwicklung einer neuen Produktreihe .....72 2.2.2 Ermittlung der Standardkosten .................................................73 2.2.3 Spaltung der Zielkosten und Ergebnisinterpretation ................76
VIII
Inhaltsverzeichnis
3 Wertanalyse .........................................................................................85 3.1 Methodik der Wertanalyse..................................................................85 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4
Wertanalyse zur Erzielung des wirtschaftlichen Optimums.....85 Ablauf der Wertanalyse ............................................................87 Vorgehen bei der Funktionskostenberechnung.........................94 Stärken und Schwächen der Wertanalyse.................................96
3.2 Praxisbeispiel: Softwaregestütze Funktionskostenermittlung.............99 3.2.1 Ausgangssituation: Problembehaftete Ermittlung von Funktionskosten........................................................................99 3.2.2 Lösungsansatz: Paarvergleiche nach der AHP-Methodik ......100 3.2.3 Softwaremodul zur praktischen Anwendung der AHP-Methodik .......................................................................102 3.2.4 Beurteilung des softwaregestützten AHP-Prozesses ..............104 4 Relativkosten-Informationssysteme ................................................107 4.1 Grundlagen von Relativkosten-Informationen..................................107 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4
Einführung..............................................................................107 Erstellung von Relativkosten-Informationssystemen .............112 Beispiel zur Erstellung von Relativkosten-Informationen......118 Stärken und Schwächen von Relativkosten-Informationen....121
4.2 Praxisbeispiel: Das Relativkosten-Informationssystem ‚costfact’....122 4.2.1 Inhalte und Funktionen von costfact.......................................122 4.2.2 Kostenbasis für überbetrieblich gültige RelativkostenInformationen .........................................................................124 4.2.3 Vorteile dynamischer Relativkosten-Informationen...............127 5 Konstruktionsbegleitende Kalkulation ...........................................131 5.1 Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation .....................131 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.1.5
Einführung..............................................................................131 Verfahrensüberblick ...............................................................136 Expertenschätzung..................................................................139 Ähnlichkeitskalkulation..........................................................140 Analytisch-funktionale Verfahren ..........................................144
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IX
5.1.6 Statistisch-funktionale Verfahren ...........................................150 5.1.7 Detaillierte Kostenprognosen .................................................160 5.1.8 Stärken und Schwächen der Kalkulationsverfahren ...............164 5.2 Praxisbeispiel: Softwaregestützte Regressionsanalyse .....................167 5.2.1 Ausgangssituation: Hoher Aufwand für Regressionsrechnungen ..........................................................167 5.2.2 Softwaremodul ‚CostRegression’...........................................167 5.2.3 Ablauf der softwaregestützten Kostenprognose mit CostRegression .......................................................................168 5.2.4 Erfahrungen beim praktischen Einsatz von CostRegression ..174 5.3 Praxisbeispiel: Angebotskalkulation in der Einzelfertigung.............175 5.3.1 Ausgangssituation: Problembehaftete manuelle Angebotskalkulation...............................................................175 5.3.2 Lösungsansatz: Angebotskalkulation mit Kostenfunktionen..177 5.3.3 Einbindung der Kostenfunktionen in ein Softwaresystem......181 5.3.4 Beurteilung des Systems zur Angebotskalkulation ................182 6 Variantenmanagement .....................................................................187 6.1 Grundlagen des Variantenmanagements...........................................187 6.1.1 Ursachen und Folgen der Variantenvielfalt ............................187 6.1.2 Management von Produktvarianten........................................191 6.1.3 Management von Teilevarianten ............................................201 6.2 Praxisbeispiel: Erstellung eines Produktkonfigurators .....................210 6.2.1 Ausgangssituation: Hohe Variantenvielfalt im Anlagenbau...210 6.2.2 Lösungsansatz: Vorgabe zulässiger Anlagenkonfigurationen 212 6.2.3 Realisierung des Produktkonfigurators...................................213 Literatur..................................................................................................221 Sachverzeichnis ......................................................................................227
1 Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
Globalisierung und der Wandel von Verkäufer- zu Käufermärkten üben einen starken Wettbewerbsdruck auf die Unternehmen der westlichen Industrienationen aus. Die steigende internationale Konkurrenz in Entwicklung und Fertigung erfordert kostengünstige Produkte mit immer kürzeren Entwicklungs-, Produktions- und Produktlebenszyklen. Der wirtschaftliche Erfolg produzierender Unternehmen hängt damit maßgeblich von der Entwicklung und Konstruktion ab, da hier die wesentlichen technischen Eigenschaften eines Erzeugnisses ebenso festgelegt werden wie – zum größten Teil – dessen Kosten. Gleichzeitig sind hier die betriebswirtschaftlichen Denkweisen und Controlling-Instrumente im Vergleich zu anderen Unternehmensbereichen nur relativ schwach entwickelt. Um die Kostensenkungspotentiale auszuschöpfen, die das Kostenmanagement im Konstruktionsprozess bietet, sind sowohl technische als auch kaufmännische Kenntnisse erforderlich. Bevor hier die verschiedenen Methoden des kostenbewussten Konstruierens beschrieben werden und gezeigt wird, wie sich diese in der Praxis anwenden lassen, sollen daher nachfolgend zunächst die zum Verständnis notwendigen Grundlagen von Konstruktion und Kostenrechnung kompakt dargestellt sowie ein Überblick zum Kostenmanagement im Konstruktionsprozess gegeben werden.
1.1
Grundlagen der Konstruktion
1.1.1
Einführung
Konstruieren stellt die Gesamtheit aller Tätigkeiten dar, mit denen ausgehend von einer Aufgabenstellung die Informationen erarbeitet werden, die zur Herstellung und Nutzung eines technischen Produktes notwendig sind. Dabei sollen die Eigenschaften des Produktes so festgelegt werden, dass sie den Forderungen des Nutzers bzw. des Marktes entsprechen. Darüber hinaus sind auch die Ziele des Herstellers zu berücksichtigen. Diese liegen unter anderem darin, die für ihn anfallenden Kosten möglichst gering zu
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Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
halten. Hieraus wiederum ergeben sich Forderungen z.B. nach einer fertigungsgerechten Gestaltung des Produktes. Die Produktkosten verbinden die Anforderungen des Marktes mit denen des Herstellers, da zum einen das Unternehmen seine Produkte nicht dauerhaft zu Preisen verkaufen kann, die unterhalb der eigenen Kosten liegen, und zum anderen vom Markt nur Produkte nachgefragt werden, deren Verkaufspreise in einem adäquaten Verhältnis zu ihren Eigenschaften und damit dem erwarteten Nutzen stehen. Der Begriff „Konstruktion“ wird oft synonym zu „Entwicklung“ eingesetzt. Nichtsdestoweniger lässt sich die Konstruktion von der Entwicklung, sowohl im Sinne einer Unternehmensabteilung als auch einer Tätigkeit, dahingehend abgrenzen, dass die Entwicklung zusätzlich Abteilungen bzw. Tätigkeiten wie Versuch, Musterbau, Normung etc. umfassen kann. Damit stellt die Konstruktion eine Teilmenge der Entwicklung dar. Ein wesentliches Merkmal des Konstruierens ist die methodische Vorgehensweise, mit der eine Aufgabe durch Analyse und Synthese gelöst wird. Bei der Analyse werden Informationen gewonnen, indem einzelne Elemente zerlegt, gegliedert und untersucht werden. Die Synthese hingegen stellt eine zusammenführende Informationsverarbeitung dar, mit der schließlich Ergebnisse entwickelt werden. Das generelle Vorgehen beim Konstruieren wird in der VDI-Richtlinie 2221 in sieben Arbeitsschritte unterteilt. Abb. 1-1 zeigt diese Schritte sowie die dabei jeweils erreichten Arbeitsergebnisse. Wie im linken Bereich der Abbildung skizziert, können einzelne Arbeitsschritte auch iterativ mehrfach durchlaufen werden. Ein Überspringen von Abschnitten ist ebenfalls möglich. So werden insbesondere bei der Anpassungs- und Variantenkonstruktion (vgl. Abschnitt 1.1.3) meist nicht alle Schritte durchlaufen. Zwischen den einzelnen Arbeitsschritten und den gestellten Anforderungen bestehen zudem Wechselwirkungen, wie im rechten Teil der Abbildung angedeutet wird: Der fortlaufende Erkenntnisgewinn während des Konstruierens kann dazu führen, dass die Anforderungen angepasst und ergänzt werden müssen. Die Suche nach Lösungen im Konstruktionsprozess kann sowohl intuitiv als auch diskursiv erfolgen. Bei der intuitiven Vorgehensweise werden Lösungen im Unterbewusstsein gefunden, ohne dass eine Reflexion der Gedankenfolge möglich ist. Eine verbreitet eingesetzte Methode, welche die intuitive Lösungssuche unterstützt, ist das so genannte Brainstorming. Bei dieser Kreativitätstechnik werden in einer interdisziplinär besetzten, von einem Moderator geleiteten Arbeitsgruppe Lösungsvorschläge generiert (zunächst ganz ohne diese zu bewerten), visualisiert und weiterentwickelt. Werden Lösungen diskursiv gesucht, so erfolgt dies in einzelnen Schritten, die bewusst ablaufen und damit auch benannt werden können. Ein Beispiel hierfür ist die Lösungssuche mit Hilfe von Konstruktionskata-
Grundlagen der Konstruktion
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logen, in denen Teillösungen aufgeführt sind, die vom Anwender kombiniert werden.
Aufgabe
Lösungsprinzipien und deren Strukturen suchen Prinzipielle Lösungen In realisierbare Module gliedern Modulare Strukturen Maßgebende Module gestalten Vorentwürfe Gesamtes Produkt gestalten Gesamtentwurf Fertigungs- u. Nutzungsangaben ausarbeiten Produktdokumentation
Phase 4
Funktionsstrukturen
Phase 3
Funktionen und deren Strukturen ermitteln
Erfüllen und Anpassen der Anforderungen
Iteratives Vor- oder Zurückspringen
Anforderungsliste
Phase 2
Phase 1
Aufgabenstellung klären und präzisieren
Weitere Realisierung
Abb. 1-1. Generelles Vorgehen beim Konstruieren (nach Pahl et al. 2006, S. 198)
Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
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Die sieben Arbeitsschritte des generellen Vorgehens beim Konstruieren lassen sich, wie in Abb. 1-1 ganz rechts gezeigt, in vier, sich teilweise überlappende, Konstruktionsphasen zusammenfassen. Die Ausgestaltung der Methoden, mit denen der Konstrukteur die Kosten eines Produktes beeinflussen kann, richtet sich z.T. stark an diesen Phasen aus. Daher wird auf deren Inhalte im nächsten Abschnitt näher eingegangen. 1.1.2
Vier-Phasen-Modell des Konstruktionsprozesses
Den vier Phasen des Konstruktionsprozesses lassen sich verschiedene Tätigkeiten zuordnen (vgl. Pahl et al. 2006, S. 194 ff.):
Phase 1: Planen und Aufgabe klären
Phase 2: Konzipieren
Phase 3: Entwerfen
Phase 4: Ausarbeiten
In jeder dieser vier Phasen werden Lösungsalternativen geprüft, bewertet und selektiert. Im Folgenden werden die einzelnen Konstruktionsphasen beschrieben. Planen und Aufgabe klären
In dieser Phase wird die Aufgabenstellung, die z.B. in Form eines Lastenhefts vorliegt, konkretisiert. Das Lastenheft enthält die Forderungen des Auftraggebers an das Produkt. Hieraus wird das Pflichtenheft abgeleitet, in dem die zur Erfüllung dieser Anforderungen notwendigen Hauptfunktionen bestimmt sind. Die Konkretisierung der Aufgabenstellung sollte möglichst in einem interdisziplinären Team durchgeführt werden, um Kompetenzen verschiedener Disziplinen einzubringen. Neben den technischen Anforderungen an das Produkt ist auch eine Kostenobergrenze festzulegen, die nicht überschritten werden darf. Mit Hilfe eines solchen Kostenziels werden in den späteren Phasen der Konstruktion wirtschaftlich nicht vertretbare Lösungen ausgesondert. Das Kostenziel kann z.B. vom Kunden direkt vorgegeben sein oder mit Hilfe des Target Costing (vgl. Abschnitt 2) ermittelt werden. Außerdem sind auch Informationen darüber zu sammeln, welche Rahmenbedingungen, z.B. beim Einsatz des Produktes, zu beachten sind. Das Ergebnis der ersten Konstruktionsphase ist eine Anforderungsliste, welche die Ziele und Bedingungen der zu lösenden Aufgabe enthält. Diese Anforderungen werden in der Regel unterteilt in „Forderungen“, die in
Grundlagen der Konstruktion
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jedem Fall erfüllt werden müssen und meist quantitativ festgeschrieben sind, und „Wünschen“, die nach Möglichkeit zu erfüllen sind und in der Regel eine stärker qualitative Beschreibung aufweisen. Konzipieren
Beim Konzipieren werden ausgehend von den in der ersten Konstruktionsphase festgelegten Hauptfunktionen die Teilfunktionen des Produktes formuliert und die physikalischen Wirkprinzipien bestimmt, mit denen diese Teilfunktionen erfüllt werden sollen. Anhand von Kombinationen dieser Prinzipien zu (alternativen) Wirkstrukturen werden mehrere prinzipielle Lösungen ermittelt. Diese Lösungsvarianten werden dann anhand ihrer wesentlichen technischen und wirtschaftlichen Eigenschaften beurteilt und bewertet. Auf dieser Basis wird der Entschluss getroffen, welches Konzept weiter zu verfolgen ist. Entwerfen
Beim Entwerfen wird von der Wirkstruktur bzw. prinzipiellen Lösung ausgehend die Baustruktur nach technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten eindeutig und vollständig erarbeitet. Dies betrifft mit der geometrischen Gestalt des Konstruktionsobjekts auch die Definition und Dimensionierung der einzelnen Systemkomponenten. Neben den geometrischen Merkmalen werden auch die wesentlichen stofflichen Merkmale des geplanten Produktes bestimmt. Wie beim Konzipieren werden auch beim Entwerfen in der Regel mehrere Alternativen erarbeitet und verglichen. Oft lässt sich dabei eine vorteilhafte Variante durch Teillösungen anderer Vorschläge, die in ihrer Gesamtheit nicht so günstig erscheinen, weiter verbessern. Ausarbeiten
In der Ausarbeitungsphase wird der Entwurf des Produktes um die Unterlagen ergänzt, welche Anordnung, Form, Maße, Toleranzen, Passungen und Oberflächenbeschaffenheit aller Einzelteile beschreiben und sämtliche Werkstoffe festlegen. Die Herstell- und Montagemöglichkeiten der einzelnen Bauteile werden überprüft, und es werden die Stücklisten und Fertigungsunterlagen zusammengestellt sowie Anleitungen für Montage, Transport, Betrieb, Wartung etc. angefertigt. Damit sind die zeichnerischen und sonstigen Unterlagen für die Herstellung und Nutzung des Produktes geschaffen. In der Praxis werden sich diese vier Phasen meist nicht vollständig
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voneinander trennen lassen, da die abschließende Beurteilung einer Lösung oft deren Konkretisierung erfordert. Hieraus ergibt sich ein iterativer Wechsel zwischen den einzelnen Konstruktionsphasen. Ebenso können es die Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Komponenten innerhalb der Baustruktur eines Produktes notwendig machen, mehrfach zwischen den einzelnen Phasen zu wechseln. Das ist z.B. dann der Fall, wenn das Konzept einer Baugruppe den Entwurf einer anderen erfordert. 1.1.3
Konstruktionsarten
In Abhängigkeit von der Aufgabenformulierung lassen sich verschiedene Konstruktionsarten unterscheiden. Hierfür werden teilweise unterschiedliche Abgrenzungen getroffen, wobei eine verbreitete Einteilung die Unterscheidung in
Neukonstruktion,
Anpassungskonstruktion und
Variantenkonstruktion
vorsieht. In Abhängigkeit von der Konstruktionsart werden typischerweise nicht immer alle Phasen des Konstruktionsprozesses durchlaufen. Abb. 1-2 zeigt den Zusammenhang zwischen Konstruktionsarten und Konstruktionsphasen. Die Neukonstruktion umfasst die Erarbeitung eines neuen Lösungsprinzips. Die Phasen Konzipieren, Entwerfen und Ausarbeiten werden vollständig durchlaufen, und das Ergebnis dieser Konstruktionsart ist ein gänzlich neues Produkt. Bei der Anpassungskonstruktion werden bei Beibehaltung eines vorhandenen Lösungsprinzips die Gestalt und evtl. der Werkstoff eines bestehenden Produktes an eine veränderte Aufgabenstellung angepasst. Die Konzeptphase wird hierbei höchstens für einzelne Funktionsträger durchlaufen, die gegebenenfalls neu konstruiert werden. Die Anpassungskonstruktion ist häufig anzutreffen, wenn vorhandene Produkte weiter entwickelt werden oder auf ihrer Basis Baureihen und Baukastensysteme (vgl. Abschnitt 6.1.2) konstruiert werden. Bei der Variantenkonstruktion schließlich werden neben dem Prinzip auch die Gestalt und der Werkstoff des bearbeiteten Produktes zu großen Teilen beibehalten, so dass lediglich die Maße und die Anordnung der Funktionsträger geändert werden.
Grundlagen der Konstruktion
Konstruktionsart
Neukonstruktion
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Anpassungskonstruktion
Variantenkonstruktion
Konstruktionsphase Planen Aufgabenklärung Konzipieren Funktionsfindung, Prinziperarbeitung Entwerfen Gestaltung Ausarbeiten Zeichnungserstellung, Stücklistenerstellung Phase vollständig durchlaufen Phase nicht oder nur für einzelne Funktionsträger durchlaufen
Abb. 1-2. Zuordnung von Konstruktionsphasen zu Konstruktionsarten
Wie bei den Konstruktionsphasen ist auch bei den Konstruktionsarten in der Praxis nicht immer eine eindeutige Abgrenzung möglich. Der Grund hierfür liegt zum einen darin, dass, wie oben erwähnt, auch bei der Anpassungskonstruktion mitunter einzelne Komponenten neu konstruiert werden müssen. Zum anderen kann auch bei der Neukonstruktion eines Produktes bei einzelnen Produktkomponenten oft auf bereits vorhandene Baugruppen zurückgegriffen werden, die dann lediglich im Rahmen einer Anpassungsoder Variantenkonstruktion modifiziert werden.
Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
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1.2
Grundlagen der Kostenrechnung*
1.2.1
Einführung
Wesensmerkmale der Kostenrechnung
Die Kostenrechnung, hier als Begriff vereinfachend für Kosten- und Erlösrechnung verwendet, ist ein Teilgebiet des Rechnungswesens von Unternehmen. Sie dient der Information von Führungskräften und anderen Mitarbeitern des Unternehmens, zählt damit zum sog. internen Rechnungswesen und ist vom externen Rechnungswesen abzugrenzen. Mit Letzterem werden unter Beachtung der relevanten rechtlichen Regelungen vor allem in der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung Informationen für nicht dem Unternehmen zugehörige Personen oder Institutionen (z.B. Gläubiger, Anteilseigner, Staat) bereitgestellt. Rechengrößen der Kostenrechnung sind die Kosten und die Erlöse. Kosten werden in der Regel als bewerteter, durch den betrieblichen Leistungserstellungs- und -verwertungsprozess bedingter Güterverzehr, Erlöse als das bewertete Ergebnis des betrieblichen Leistungserstellungs- und -verwertungsprozesses angesehen. Sie sollen jeweils im Rahmen der Kostenrechnung erfasst, geplant, analysiert, verrechnet und/oder kontrolliert werden. Ein Merkmal von Kosten und Erlösen ist gemäß den obigen Definitionen, dass es sich um Güterverzehr (bzw. geschaffenen Wert) handelt, der monetär bewertet worden ist. Außerdem müssen diese im Haupttätigkeitsbereich des Unternehmens entstanden sein, d.h. einen sog. Betriebsbezug aufweisen. Schließlich werden außerordentliche und nicht in der betrachteten Periode entstandene Wertverzehre (bzw. geschaffene Werte) nicht als Kosten (bzw. Erlöse) betrachtet, da sie das mit der Kostenrechnung den Informationsadressaten zu vermittelnde Bild verfälschen würden. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Kosten und Erlöse von den Aufwendungen und Erträgen als Rechengrößen des externen Rechnungswesens, die auch nicht-betriebsbezogene, außerordentliche sowie periodenfremde Wertverzehre (bzw. geschaffene Werte) umfassen (sog. neutrale Aufwendungen und Erträge). Im Gegenzug werden den Kosten und Erlösen aber auch relevante Wertverzehre und Werte zugerechnet, die aufgrund der angesprochenen rechtlichen Regelungen nicht im externen Rechnungswesen als Erträge und Aufwendungen angesetzt werden dürfen (sog. *
Von Uwe Götze
Grundlagen der Kostenrechnung
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Zusatzkosten und -erlöse wie Zinskosten für Eigenkapital, Personalkosten für einen im eigenen Unternehmen arbeitenden Einzelunternehmer oder selbst erstellte immaterielle Güter des Anlagevermögens). Schließlich werden manche Vorgänge zwar sowohl im externen Rechnungswesen als auch in der Kostenrechnung erfasst, dies aber aufgrund der verschiedenartigen Rechnungsziele mit unterschiedlichen Wertansätzen (sog. Anderserlöse bzw. Anderskosten wie kalkulatorische Abschreibungen, die von den bilanziellen Abschreibungen des externen Rechnungswesens abweichen). Bei den obigen Aussagen sind bereits einige Merkmale der Kostenrechnung wie die Zugehörigkeit zum internen Rechnungswesen sowie die Verwendung der Rechengrößen Kosten und Erlöse angesprochen worden. Daneben ist herauszustellen, dass es sich um eine eher kurzfristige und von gegebenen Strukturen ausgehende Rechnung (mit Betrachtungszeiträumen bis zu einem Jahr), eine Erfolgsrechnung (die das Ergebnis des gesamten Betriebs und/oder einzelner Geschäftsbereiche, Produkt- oder Kundengruppen, Produktarten oder Leistungseinheiten bestimmt), eine in weiten Teilen regelmäßig erstellte Rechnung sowie eine in der Regel freiwillig ausgeführte Rechnung handelt (vgl. Hummel u. Männel 1986, S. 7 ff.). Die Kostenrechnung soll Informationen über das betriebliche Geschehen bereitstellen, die einen fundierten Einblick in dieses ermöglichen und dessen Steuerung dienen. Im Einzelnen soll sie die folgenden Aufgaben erfüllen (vgl. Schweitzer u. Küpper 2003, S. 26 ff.):
Abbildung und Dokumentation des Betriebsprozesses (durch Erfassung von Kosten und Erlösen sowie deren Zurechnung zu bestimmten Bezugsobjekten wie Abteilungen oder Produkte),
Bereitstellung von Informationen zur Planung des Betriebsprozesses (zur Vorbereitung von Entscheidungen über das Absatz-, Produktions- und Beschaffungsprogramm inklusive Make-or-BuyEntscheidungen, über die Preisgestaltung für abzusetzende Güter sowie interne Leistungen sowie über den Verfahrenseinsatz in Absatz, Produktion und Beschaffung),
Bereitstellung von Informationen zur Kontrolle des Betriebsprozesses (zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit von Betriebsbereichen, Produktgruppen etc. und zur Gewinnung von Anregungen für Verbesserungen des Betriebsprozesses),
Steuerung des Verhaltens der Entscheidungsträger und Mitarbeiter (über die Vorgabe von Erlös- und Kostenzielen, die gezielte Weitergabe von Kosten- und Erlösinformationen sowie die bereits erwähnten Kontrollen),
Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
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Bewertung von fertigen und halbfertigen Erzeugnissen sowie selbst erstellten Gütern des Anlagevermögens (die u. a. für die gesetzlich vorgeschriebene Erstellung des Jahresabschlusses erforderlich ist).
Inwieweit die Kostenrechnung eines Unternehmens dessen konkrete, unternehmensspezifisch formulierte Rechnungsziele erfüllt, ist von ihrer Ausgestaltung abhängig. Die Kostenrechnung kann als Modell bzw. als Modellsystem interpretiert werden, in dessen Rahmen einige Vereinfachungen vorgenommen werden, die Modellannahmen implizieren. Die Aussagekraft der Ergebnisse einer Kostenrechnung beruht auf diesen Prämissen, die daher bei der Interpretation und Verwendung der Resultate berücksichtigt werden sollten. Kostenverläufe, -einflussgrößen und -zurechnungsprinzipien
Für die Entscheidungsvorbereitung ist es in der Regel notwendig, zu wissen, in welcher Form sich die Kosten (und ggf. auch Erlöse) in Abhängigkeit von den Ausprägungen der relevanten Einflussgröße(n) verändern. Die entsprechenden Kostenverläufe werden unter anderem durch das Verhältnis von fixen und variablen Kosten bestimmt. Variable Kosten verändern sich bei einer Änderung der entsprechenden Kosteneinflussgröße in der betrachteten Periode, fixe Kosten nicht. Beispielsweise steigen bei einer Erhöhung der Kosteneinflussgröße Beschäftigung (als Maß für den Output des Betriebs oder eines Betriebsbereichs) oftmals die Kosten des Rohstoffverbrauchs (und sind damit variable Kosten), Gehälter hingegen oftmals nicht (und stellen dann fixe Kosten dar). Die variablen und fixen Kosten können unterschiedliche Verlaufsformen aufweisen (vgl. Hummel u. Männel 1986, S. 103 ff.). Für die in Abhängigkeit von der Beschäftigung variablen Kosten lassen sich die folgenden Kategorien bilden:
Proportionale Kosten: Die Kosten verändern sich im gleichen Verhältnis wie die Beschäftigung.
Überproportionale oder progressive Kosten: Die Kosten steigen stärker als die Beschäftigung.
Unterproportionale oder degressive Kosten: Die Kosten steigen in geringerem Ausmaß als die Beschäftigung.
Regressive Kosten: Die Kosten sinken (steigen) bei einer Erhöhung (Senkung) der Beschäftigung.
Bei den beschäftigungsfixen Kosten können zwei Formen unterschieden
Grundlagen der Kostenrechnung
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werden:
Sprung- oder intervallfixe Kosten: Die fixen Kosten steigen bei bestimmten Werten der Beschäftigung sprunghaft an (z.B. bei beschäftigungsbedingter Einführung eines Zwei-Schicht-Betriebs).
Absolut fixe Kosten: Die Kosten verändern sich in Abhängigkeit von der Beschäftigung überhaupt nicht (z.B. die Kosten eines für sämtliche möglichen Beschäftigungen ausreichend großen Betriebsgrundstücks).
In der Kostenrechnung wird häufig vereinfachend von einem linearen Verlauf der variablen und/oder Gesamtkosten ausgegangen. Bisher wurde als Kosteneinflussgröße vor allem die Beschäftigung betrachtet. Oft beeinflussen aber auch andere Faktoren die Höhe der Kosten. Dazu können beispielsweise die Qualität der Einsatzgüter und deren Veränderlichkeit, die Preise der Einsatzgüter, die Vielfalt der Einsatzgüter, die Lieferanten, der Standort, die Betriebsgröße, die internen Prozesse und deren Komplexität sowie das Produktions- und Absatzprogramm einschließlich dessen Variabilität und der Variantenvielfalt zählen. Für die Kostenrechnung ist es wichtig, die jeweils relevante(n) Einflussgröße(n) zu identifizieren, um die Kosten in Abhängigkeit von diesen prognostizieren, analysieren, verrechnen und kontrollieren zu können. Oftmals werden die Kosten lediglich in Abhängigkeit von einer Einflussgröße betrachtet; damit geht aber in der Regel eine Vereinfachung einher, welche die Aussagekraft beeinträchtigen kann. Im Rahmen der Kostenrechnung sind Kosten (und Erlöse) in verschiedenen Schritten Kostenstellen (betriebliche Teilbereiche, die als selbständige Einheiten behandelt werden) und Kostenträgern zuzuordnen bzw. auf diese zu verrechnen. Als Grundlage hierfür können u. a. die folgenden Kostenzurechnungsprinzipien dienen (vgl. Haberstock 2005, S. 47 ff.):
Verursachungsprinzip: Einem Bezugsobjekt werden nur diejenigen Kosten zugeordnet, die von diesem verursacht worden sind. Das Verursachungsprinzip kann unterschiedlich ausgelegt werden. Gemäß einer kausalen Sichtweise liegt zwischen dem Bezugsobjekt und den Kosten eine Ursache-Wirkungs-Beziehung vor: So werden beispielsweise einer Produkteinheit nur die Kosten zugerechnet, die bei ihrer Erstellung zusätzlich anfallen; die Erstellung der Produkteinheit ist also Voraussetzung für die Kostenentstehung. Eine finale Interpretation hingegen geht von einem ZweckMittel-Verhältnis zwischen Kosten und Bezugsobjekt aus. Der die Kosten verursachende Einsatz von Produktionsfaktoren dient als Mittel zum Zweck der Leistungserstellung. Die Leistungen können
Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
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nicht ohne die Kosten zustande kommen, Kosten können aber anfallen, ohne dass Leistungen erbracht werden.
Durchschnittsprinzip: Es erfolgt eine durchschnittliche Verteilung von Kosten auf Bezugsobjekte. Bei Existenz mehrerer Kostenstellen oder -träger können dazu Bezugsgrößen genutzt werden; die Kosten werden dann proportional zu deren Ausprägungen verrechnet.
Tragfähigkeitsprinzip: Die Zuordnung von Kosten auf Bezugsobjekte wird an dem Ausmaß ausgerichtet, in dem diese die Kosten decken können (z.B. am Absatzpreis oder Stückdeckungsbeitrag, definiert als Preis minus variable Stückkosten, von Kostenträgern).
Diese Prinzipien der Kostenverrechnung liegen auch der Unterscheidung zwischen Einzel- und Gemeinkosten (bzw. analog den entsprechenden Erlösgrößen) zugrunde. Einzelkosten können ausgehend vom Verursachungsprinzip einem Bezugsobjekt eindeutig bzw. direkt zugeordnet werden (wobei die Aussagekraft der Resultate bei Zugrundelegung der kausalen Sichtweise tendenziell höher ist). Bei Gemeinkosten ist dies nicht der Fall, weil sie mindestens ein weiteres Bezugsobjekt betreffen. Sollen diese Gemeinkosten einzelnen Bezugsobjekten zugeordnet werden, dann sind dazu das Durchschnitts- oder das Tragfähigkeitsprinzip heranzuziehen. Werden die Begriffe Einzelkosten und Gemeinkosten ohne Zusatz verwendet, beziehen sie sich in der Regel auf Kostenträger, ansonsten erfolgt eine nähere Bezeichnung (z.B. als Kostenstelleneinzelkosten/-gemeinkosten). In der Unternehmenspraxis werden häufig zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit bestimmte Kostenkomponenten nicht als Einzelkosten erfasst, obwohl dies grundsätzlich möglich wäre (z.B. bei Hilfsstoffen). Die entsprechenden Kosten stellen so genannte unechte Gemeinkosten dar. Echte Gemeinkosten hingegen lassen sich ausgehend vom Verursachungsprinzip nicht eindeutig einem Bezugsobjekt zuordnen. Bereiche und Systeme der Kostenrechnung im Überblick
Die Kostenrechnung kann gemäß mehreren Kriterien in Bereiche untergliedert werden. Zumeist wird sie ausgehend vom Informationsziel in die folgenden drei Bereiche unterteilt:
Kostenartenrechnung (zur Beantwortung der Frage: Welche Kosten sind angefallen bzw. werden anfallen?)
Kostenstellenrechnung (Wo sind die Kosten angefallen bzw. werden sie anfallen?)
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Kostenträgerrechnung (Wofür sind die Kosten angefallen bzw. werden sie anfallen?)
Abb. 1-3 zeigt diese Bereiche der Kostenrechnung sowie die Verbindungen zwischen ihnen. Kostenartenrechnung Kostenartenrechnung (Welche (Welche Kosten Kosten sind sind angefallen?) angefallen?)
Einzelkosten
Gemeinkosten
(Kostenträgern direkt zurechenbare Kosten)
(Kostenträgern nicht direkt zurechenbare Kosten)
Kostenstelleneinzelkosten
Kostenstellengemeinkosten
Kostenstellenrechnung Kostenstellenrechnung (Wo (Wo sind sind Kosten Kosten angefallen?) angefallen?) Materialbereich Materialbereich Fertigungsbereich Fertigungsbereich VerwaltungsVerwaltungs- und und Vertriebsbereich Vertriebsbereich
Kostenträgerrechnung Kostenträgerrechnung (Wofür (Wofür sind sind Kosten Kosten angefallen?) angefallen?)
Abb. 1-3. Bereiche der Kostenrechnung (zusammengestellt auf der Grundlage von Coenenberg 2003, S. 31 und S. 68)
Mit der Kostenartenrechnung wird eine möglichst vollständige Erfassung der im Betrieb angefallenen bzw. erwarteten Kosten angestrebt. In der Kostenstellenrechnung werden die Gemeinkosten betrieblichen Bereichen zugeordnet und zwischen diesen verrechnet. Dies geschieht unter anderem, um eine Grundlage für die – häufig nach Kosten des Material-, des Fertigungs-, des Verwaltungs- und des Vertriebsbereichs differenzierte – Zuordnung der Gemeinkosten zu Kostenträgern zu schaffen. Die Kostenstel-
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Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
lenrechnung ist damit ein Bindeglied zwischen Kostenarten- und Kostenträgerrechnung. In der Kostenträgerrechnung werden zum einen die Kosten von Kostenträgern wie Mengeneinheiten eines Produktes, Aufträge, Dienstleistungen oder selbst erstellte Betriebsmittel (Kostenträgerstückrechnung) ermittelt, zum anderen der Betriebserfolg einer Periode (Kostenträgerzeitrechnung). Die drei Bereiche der Kostenrechnung sind Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts 1.2.2. Auch Systeme der Kostenrechnung können hinsichtlich verschiedener Kriterien differenziert werden. Eine Unterscheidung bezieht sich auf den Umfang der verrechneten Kosten. Bei einer Vollkostenrechnung werden den Kostenträgern sämtliche Kosten (sowohl variable als auch fixe bzw. Einzel- und Gemeinkosten) zugeordnet, bei einer Teilkostenrechnung hingegen wird nur ein Teil der Kosten auf die Kostenträger verrechnet, z.B. nur die variablen Kosten oder nur die Einzelkosten. Die Teilkostenrechnung kann weitgehend analog zu einer Vollkostenrechnung durchgeführt werden, wobei sie in jedem Fall eine Aufspaltung der anfallenden Kosten in variable und fixe Kostenelemente erfordert. Die Argumente für eine Wahl zwischen einer Voll- und einer Teilkostenrechnung sollen hier nicht weiter erörtert werden. Es ist aber anzumerken, dass die Erfüllung mancher Rechenziele eher Vollkosteninformationen (z.B. die Vorbereitung mittelfristiger Entscheidungen oder die Beeinflussung des Verhaltens von Außendienstmitarbeitern), die Realisierung anderer eher Teilkosteninformationen (z.B. die Vorbereitung kurzfristiger Programmentscheidungen oder eine aussagekräftige Kostenkontrolle bei Beschäftigungsschwankungen) erfordern kann. Dies legt es nahe, parallel beide Arten von Rechnungen durchzuführen. Einer anderen Differenzierung liegt der Zeitbezug der Kosten und damit die Unterscheidung zwischen Ist-, Normal- und Plankosten zugrunde. Istkosten sind in einer Periode tatsächlich angefallene Kosten, d.h. Vergangenheitswerte. Bei Normalkosten handelt es sich um Kosten, die als Durchschnittswerte aus Istkosten mehrerer Perioden gewonnen werden. Gegebenenfalls werden dabei die Durchschnittswerte um die Effekte von Vorgängen bereinigt, die zwar in die Kostenrechnung eingingen, in der mehrperiodigen Betrachtung aber als außergewöhnlich anzusehen sind. Plankosten stellen Kosten dar, die für eine zukünftige Periode bei der geplanten Beschäftigung und ordnungsgemäßem Betriebsverlauf erwartet werden. Zwischen der Realisierung einer Ist-, Normal- oder Plankostenrechnung besteht grundsätzlich ebenfalls eine Wahlmöglichkeit, allerdings erscheint die Durchführung einer Normal- oder Plan- ohne eine Istkostenrechnung wenig sinnvoll, da Istkosten als Ausgangsbasis für die Ermittlung von Normalkosten sowie als Vergleichsgröße benötigt werden. Für die zusätz-
Grundlagen der Kostenrechnung
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liche Realisierung einer Plankostenrechnung sprechen der Zukunftsbezug der Daten sowie die dadurch geschaffenen Möglichkeiten einer aussagekräftigen Kostenkontrolle. Mit den oben angesprochenen Voll- bzw. Teilkostenrechnungen sind die gemäß dem Zeitbezug der Kosten unterschiedenen Systeme beliebig kombinierbar. Kostenrechnungen lassen sich weiterhin gemäß dem Zeitpunkt ihrer Durchführung in Vorrechnungen (z.B. die Vorkalkulation eines Auftrages) und Nachrechnungen (z.B. eine Nachkalkulation) differenzieren. Für eine Vorrechnung sind grundsätzlich Normal- und Plankostenrechnungen geeignet, für eine Nachrechnung Istkostenrechnungen. Bei der Darstellung der Bereiche und Methoden der Kostenrechnung im folgenden Abschnitt wird von einer Vollkosten- und einer Istkostenrechnung ausgegangen. Auf die Besonderheiten von Teil- und Plankostenrechnungen sowie Vor- und Nachrechnungen kann aufgrund des begrenzten Rahmens des Abschnitts nicht eingegangen werden, dazu ist auf die entsprechende Spezialliteratur zu verweisen (vgl. z.B. Schweitzer u. Küpper 2003, Freidank 2007, Kilger et al. 2007). Aufgrund der entsprechenden Relevanz sollen aber in Abschnitt 1.2.2 kurz die Merkmale der Prozesskostenrechnung skizziert werden, eines spezifischen Kostenrechnungssystems, für das die Verrechnung von Kosten über Prozessmengen charakteristisch ist. 1.2.2
Bereiche und Methoden der Kostenrechnung
Kostenartenrechnung
In der Kostenartenrechnung soll die Frage beantwortet werden, welche Kosten angefallen sind bzw. anfallen werden. Dazu werden sämtliche in einer Abrechnungsperiode entstandenen oder für diese erwarteten Kosten – zum Teil zunächst getrennt nach Mengen- und Wertkomponenten – erfasst und nach bestimmten Kriterien gegliedert. Im Rahmen der Kostenartenrechnung ist eine Untergliederung der Kosten nach den verbrauchten oder eingesetzten Produktionsfaktoren üblich. Einen Überblick über die danach unterschiedenen „natürlichen“ Kostenarten sowie die Charakterisierung des ihnen zugrunde liegenden Verbrauchs enthält die umseitig folgende Abbildung. Die Kostenartenrechnung liefert Daten für die ihr nachgelagerten Rechnungen, d.h. für die Kostenstellenrechnung und die Kostenträgerrechnung. Es können aber auch unabhängig von diesen bereits in der Kostenartenrechnung eigenständige Analysen durchgeführt werden, z.B. zum Anteil
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Art des Verbrauchs I.
Kurzfristiger Verbrauch 1. Verbrauch von materiellen Gütern (Sachgüter) 2. Verbrauch von immateriellen Gütern a) Verbrauch eigener Arbeitsleistungen b) Verbrauch fremder Dienstleistungen c) Verbrauch von Gütern, die auf Rechten beruhen
II.
Langfristiger Verbrauch (von Sachgütern und Gütern, die auf Rechten beruhen)
Kostenarten (1) Material- bzw. Stoff- oder Werkstoffkosten (2) Personalkosten (Lohn- und Gehaltskosten) (3) Kosten für Fremddienste (4) Kosten für Rechtsgüter (5) Abschreibungen
III. Zwangsverbrauch 1. Technisch-ökonomische Vernichtung 2. Staatlich-politische Abgaben
(6) Wagniskosten (7) Abgaben
IV.
(8) Zinsen
Zeitlicher Vorrätigkeitsverbrauch
Abb. 1-4. Klassifikation von Kostenarten nach den Merkmalen Güterart und Verbrauchscharakter (nach Schweitzer u. Küpper 2003, S. 78)
oder zur zeitlichen Entwicklung bestimmter Kostenarten. Im Folgenden wird kurz auf die oben aufgeführten Kostenarten, deren typische Behandlung als Einzel- oder Gemeinkosten sowie Verfahren zu ihrer Erfassung eingegangen. Materialkosten setzen sich aus den bewerteten Verbrauchsmengen an fremdbezogenen, materiellen Verbrauchsgütern, insbesondere Roh-, Hilfsund Betriebsstoffen, zusammen. Sowohl Rohstoffe als auch Hilfsstoffe werden zu Produktbestandteilen. Dabei stellen Rohstoffe Hauptbestandteile der Produkte dar; zu ihnen können auch fremdbezogene Halbfabrikate bzw. Teile, Baugruppen etc. gezählt werden, die oftmals einen hohen Anteil der Materialkosten verursachen. Hilfsstoffe hingegen bilden nur unwesentliche Produktelemente (z.B. Schrauben, Klebstoffe). Betriebsstoffe (wie Schmierstoffe oder Kühl- und Reinigungsmittel) werden zwar im Leistungserstellungs- und -verwertungsprozess verbraucht, gehen aber nicht in die Produkte ein. Materialkosten können Einzel- oder Gemeinkosten darstellen. Bei Rohstoffkosten wird es sich häufig um Einzelkosten handeln, und sie werden in der Regel auch als solche erfasst. Dies ist bei Hilfsstoffkosten zwar oftmals ebenfalls grundsätzlich möglich; aus Wirtschaftlichkeitsgründen wird aber zumeist darauf verzichtet (dann handelt es sich um unechte Gemeinkosten). Betriebsstoffkosten sind zumeist echte Gemeinkosten.
Grundlagen der Kostenrechnung
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Die Materialkosten ergeben sich aus Mengen- und Wertkomponenten; sie werden bestimmt, indem zunächst die Verbrauchsmengen ermittelt und diese anschließend bewertet werden. Zur Ermittlung der Verbrauchsmengen können Inventuren durchgeführt sowie Stücklisten aufgelöst werden; als der hinsichtlich der Aussagekraft geeignetste Weg erweist sich aber häufig die Erfassung über Materialbestandskonten und Materialentnahmescheine (Skontrationsmethode). Die Bewertung der verbrauchten Materialmengen ist zu Istpreisen (z.B. Durchschnittspreisen) oder Planpreisen möglich. Personalkosten sind die Kosten, die durch den Einsatz des Produktionsfaktors „menschliche Arbeit“ verursacht werden. Dazu zählen Löhne, Gehälter, Kalkulatorischer Unternehmerlohn (fiktives Entgelt, mit dem Arbeitsleistungen eines Unternehmers erfasst werden) sowie gesetzliche und freiwillige Sozialkosten. Bei den meisten Personalkostenkomponenten handelt es sich in der Regel um Gemeinkosten. Eine Ausnahme bilden die Löhne der in der Fertigung eingesetzten Lohnempfänger, die in der Unternehmenspraxis zumeist als Einzelkosten angesetzt werden. Aber auch bei diesen ist diskussionswürdig, ob sie ausgehend vom Verursachungsprinzip wirklich Einzelkosten darstellen. Mit Ausnahme weniger Fälle (Überstundenlöhne, aufgrund höherer Beschäftigung gezahlte zusätzliche Akkordzuschläge) müssen die entsprechenden Arbeitnehmer unabhängig von der Herstellung konkreter Produkte entlohnt werden; dann rechtfertigt es allenfalls das Verursachungsprinzip der finalen Sichtweise, sie als Einzelkosten anzusetzen. Eine wichtige Frage der Personalkostenermittlung bezieht sich auf den Umgang mit Zeiten, in denen Arbeitnehmer entlohnt werden, obwohl sie keine Arbeitsleistungen erbringen (Urlaubs-, Krankheits- und Feiertage), sowie einmaligen Zahlungen. Hierzu ist zu empfehlen, die einmaligen Zahlungen ebenso wie die für „nicht-produktive“ Zeiten anfallenden Personalkosten anteilig auf die Anwesenheitstage zu verrechnen bzw. den für diese Tage direkt anfallenden Personalkosten hinzuzurechnen. Kosten für Fremddienste (resultierend aus Reparaturen, Beratung etc.) lassen sich ebenso wie solche für Rechtsgüter (z.B. als Ergebnis von Zahlungen für Lizenzen) zumeist relativ unproblematisch erfassen. Kosten für Fremddienste können Einzel- oder Gemeinkosten darstellen, Kosten für Rechtsgüter häufig zwar nicht einzelnen Produktmengeneinheiten, aber doch Produktarten oder Produktgruppen zugeordnet werden. Durch kalkulatorische Abschreibungen werden Wertverzehre bei materiellen Gebrauchsgütern oder immateriellen Gütern des Anlagevermögens erfasst, die durch Zeitverschleiß, Gebrauchsverschleiß, technischen Fortschritt oder Fristablauf (bei Patenten) verursacht werden. Abschreibungen werden in der Regel als Gemeinkosten verrechnet; in Ausnahmefällen
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können sie auch Einzelkosten darstellen, z.B. bei nutzungsabhängigem Wertverzehr und entsprechender Abschreibung einer Maschine. Um die Abschreibungen für einen Gegenstand des Anlagevermögens bestimmen zu können, sind Informationen über dessen Ausgangswert (Anschaffungskosten, bewertet mit historischen oder tagesaktuellen Preisen), wirtschaftliche(s) Nutzungsdauer und/oder Nutzungspotential sowie Restwert bzw. Liquidationserlös am Ende der Nutzungsdauer erforderlich. Außerdem muss eine Abschreibungsmethode festgelegt werden, die zur Erfassung des Wertverzehrs geeignet ist. Hierfür kommen – im Unterschied zum externen Rechnungswesen – grundsätzlich sämtliche Formen der kalenderzeitabhängigen Abschreibung (lineare, degressive oder progressive Abschreibung), der nutzungsabhängigen Abschreibung oder von Kombinationen aus beiden in Betracht. Bei der linearen Abschreibung beispielsweise werden die Anschaffungskosten abzüglich Restwert gleichmäßig auf die Nutzungsdauer verteilt, so dass die Abschreibungsbeträge pro Periode konstant sind. Bei der nutzungsabhängigen Abschreibung wird der abzuschreibende Betrag proportional zur Inanspruchnahme des Nutzungspotentials des abzuschreibenden Gegenstands auf die einzelnen Perioden verteilt. Dies setzt voraus, dass eine Maßgröße für die Nutzung festgelegt wird, z.B. Maschinenstunden bei einer Maschine oder Kilometer bei einem Fahrzeug. Es ist dann das gesamte Nutzungspotential zu prognostizieren, welches das Betriebsmittel aufweist. Indem der abzuschreibende Betrag durch das Nutzungspotential dividiert wird, lässt sich ein Abschreibungsbetrag pro Nutzungseinheit berechnen und zur Ermittlung der periodenbezogenen Abschreibung verwenden. Wagniskosten dienen der Abdeckung der verschiedenen Risiken, denen Betriebe insbesondere im Hinblick auf Bestände, Anlagen, die Fertigung, die Gewährleistung, die Entwicklung und den Vertrieb ausgesetzt sind. Falls Versicherungen existieren, stellen deren Prämien die entsprechenden Kosten dar. Werden die Wagnisse selbst getragen, sollten die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Risikoquelle sowie der zu erwartende Wertverzehr der Bemessung der Wagniskosten zugrunde gelegt werden. Beispielsweise kann bei Forderungsausfällen ein Anteil der Ausfälle am Forderungsbestand aus den Werten vergangener Perioden sowie den Erwartungen zum zukünftigen Zahlungsverhalten abgeleitet werden. Wagniskosten stellen zumeist Gemeinkosten dar, da sie sich nicht eindeutig einzelnen Kostenträgern zuordnen lassen. Abgaben fallen in Form von Gebühren (für Leistungen öffentlichrechtlicher Institutionen), Beiträgen (für Selbstverwaltungsorgane wie Industrie- und Handelskammern) sowie bestimmten Verbrauchs- oder Verkehrssteuern an. Bei ihnen handelt es sich zumeist um Gemeinkosten.
Grundlagen der Kostenrechnung
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Kalkulatorische Zinsen als letzte der Kostenarten stellen die Kosten dar, die durch die Bereitstellung von Kapital entstehen. In der Kostenrechnung sollten diese für das gesamte betriebsnotwendige Kapital angesetzt werden, also sowohl für mit Fremdkapital als auch für mit Eigenkapital finanzierte Vermögensbestandteile. Die kalkulatorischen Zinsen stellen oftmals kostenträgerbezogene Gemeinkosten dar. Um Einzelkosten handelt es sich z.B. bei einer Auftragsfertigung, wenn speziell für den Kostenträger „Auftrag“ Vermögensgegenstände unter dem Einsatz von Kapital beschafft werden. Die Berechnung der kalkulatorischen Zinsen erfolgt, indem das betriebsnotwendige Kapital mit dem kalkulatorischen Zinssatz multipliziert wird. Bei der Festlegung dieses Zinssatzes kann man sich an dem Bestandteil des Eigen- oder des Fremdkapitals orientieren, der bei einer Veränderung des Kapitalbedarfs entweder als nächstes vermindert oder aber weiter in Anspruch genommen wird, und damit z.B. auf den Zinssatz des letzten aufgenommenen Kredites oder die Verzinsung der besten gerade nicht mehr realisierbaren eigenen Anlagemöglichkeit zurückgreifen. Das betriebsnotwendige Kapital lässt sich aus dem betriebsnotwendigen Vermögen ableiten, das ausgehend von der Bilanz oder aber durch Analyse der in den einzelnen Kostenstellen benötigten Vermögensgegenstände ermittelbar ist. Kostenstellenrechnung
Der Kostenstellenrechnung liegt die Frage zugrunde, wo, d.h. in welchen Bereichen eines Betriebes, Kosten entstehen bzw. entstanden sind. Diese Frage bezieht sich vor allem auf die (kostenträgerbezogenen) Gemeinkosten des Betriebes, da die Einzelkosten den Kostenträgern direkt zugeordnet werden können. Zur Beantwortung der Frage werden Kostenstellen gebildet. Dies sind Betriebsabteilungen oder betriebliche Teilbereiche, die in der Kostenrechnung als selbständige Abrechnungseinheiten behandelt werden. Ihnen werden in einer periodenbezogenen Rechnung in der Kostenartenrechnung erfasste Gemeinkosten zugeordnet, wobei im Zusammenhang damit oft auch eine Planung, Verrechnung, Auswertung und Kontrolle der Gemeinkosten erfolgt. Die Kostenstellenrechnung hat vor allem zwei Aufgaben (vgl. Götze 2007, S. 73 ff.): Die erste Aufgabe besteht darin, eine relativ genaue Zurechnung der Gemeinkosten auf die Kostenträger zu ermöglichen. Ohne eine Kostenstellenrechnung könnten die Gemeinkosten eines Betriebes den Kostenträgern entweder nur undifferenziert gemeinsam mit den Einzelkosten oder lediglich in Form eines Gesamtzuschlags auf eine Zuschlagsbasis (z.B. die Einzelkosten) zugeordnet werden. Im letztgenannten Fall würde
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Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
dann unterstellt, dass das Verhältnis zwischen den Gemeinkosten und den insgesamt angefallenen Einheiten der Zuschlagsbasis bei allen Kostenträgern gleich ist. Mit Hilfe der Kostenstellenrechnung lässt sich bei der Zurechnung von Gemeinkosten zu Kostenträgern berücksichtigen, ob und in welchem Ausmaß ein Kostenträger die Leistungen einer Kostenstelle in Anspruch genommen und damit Gemeinkosten „verursacht“ hat. Die zweite Aufgabe der Kostenstellenrechnung ist die Überwachung der betrieblichen Aktivitäten in den einzelnen Kostenstellen hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit und der Einhaltung von Kostenbudgets. Durch die Aufgliederung des Betriebes in Teilbereiche soll eine wirksame Kostenkontrolle ermöglicht werden. Eine Basis der Kostenstellenrechnung stellt die Einteilung eines Betriebes in Kostenstellen dar. Diese sollte möglichst so vorgenommen werden, dass eine eindeutige Zuordnung der Gemeinkosten zu einer Kostenstelle möglich ist, eine eindeutige Beziehung zwischen den Leistungen, die eine Kostenstelle erstellt und abgibt, und den in den Kostenstellen verursachten Kosten besteht, die Kostenstellen Verantwortungsbereichen entsprechen sowie die Wirtschaftlichkeit der Kostenstellenrechnung gewahrt bleibt. Da diese Forderungen zum Teil zu widersprüchlichen Empfehlungen für die Kostenstellenbildung führen, ist ein Kompromiss zu suchen, der eine zufriedenstellende Erfüllung aller Grundsätze bedeutet. Im Zusammenhang mit der Kostenstellenbildung ist es daher auch erforderlich, Bezugsgrößen für die Kostenstellen festzulegen. Diese werden für die Planung und Kontrolle der Kostenstellenkosten sowie deren Weiterverrechnung auf andere Kostenstellen oder Kostenträger benötigt. Zur Bestimmung der Bezugsgrößen ist zu analysieren, von welcher oder welchen Einflussgröße(n) die Kosten abhängig sind. Oftmals wird vereinfachend unterstellt, dass eine homogene Kostenverursachung und damit lediglich eine relevante Einflussgröße vorliegt, die dann als Bezugsgröße verwendet oder aus der eine Bezugsgröße abgeleitet werden kann. Im Fertigungsbereich können die Fertigungsmenge oder die Fertigungszeit eine solche Einflussgröße sein. Eventuell wirken sich aber auch mehrere Einflussgrößen auf die Kosten aus, z.B. können die Kosten sowohl von der Rüstzeit als auch von der Bearbeitungszeit oder aber von der Maschinenlaufzeit und der Einsatzzeit des Personals abhängig sein. Bei einer derartigen heterogenen Kostenverursachung sind mehrere Bezugsgrößen zu verwenden, falls keine konstante Beziehung zwischen den Bezugsgrößen besteht (z.B. aufgrund wechselnder Auftragszusammensetzung, die zu unterschiedlichen Verhältnissen von Rüst- und Bearbeitungszeiten führt) und die Kosten möglichst exakt zugeordnet werden sollen. Für die Kostenplanung, -verrechnung und -kontrolle ist des Weiteren wichtig, in welcher Form die Kosten von den Ausprägungen einer Bezugsgröße oder mehrerer
Grundlagen der Kostenrechnung
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Bezugsgrößen abhängig sind. Oftmals wird vereinfachend eine proportionale Beziehung zwischen den Werten von Bezugsgrößen und den anfallenden Kosten unterstellt. Für die Verrechnung der einer Kostenstelle zugeordneten Kosten, aber auch für die Verteilung von Gemeinkosten auf die Kostenstellen, lässt sich grundsätzlich eine Vielzahl von Bezugsgrößen bzw. Schlüsselgrößen verwenden, zu denen Mengengrößen (wie die angesprochenen Zähl- und Zeitgrößen sowie Raum-, Gewichts- oder technische Maßgrößen) und Wertgrößen (Kosten-, Erlös-, Bestandsgrößen etc.) zählen. Die Kostenstellenrechnung erfolgt in vier Schritten (vgl. Haberstock 2005, S. 115 ff.). Im ersten Schritt wird die Zuordnung der in der Kostenartenrechnung erfassten Gemeinkosten zu Kostenstellen vorgenommen, und zwar so weit wie möglich bzw. wirtschaftlich sinnvoll entsprechend dem Verursachungsprinzip. Die aus der Kostenartenrechnung übernommenen Kosten werden als primäre Kosten bezeichnet. Bei ihnen kann es sich um Stelleneinzelkosten oder Stellengemeinkosten handeln. Während sich Stelleneinzelkosten gemäß dem Verursachungsprinzip direkt bestimmten Kostenstellen zuordnen lassen, ist eine Verteilung bei Stellengemeinkosten nur mit Hilfe von Schlüsselgrößen möglich. Um die Überlegungen zu Bereichen und Methoden der Kostenrechnung sowie den zwischen diesen bestehenden Zusammenhängen zu veranschaulichen, soll hier ein Fallbeispiel eingeführt werden. In diesem möchte ein Betrieb die Stückkosten seiner Produktarten A und B bestimmen. Bevor dies möglich ist, ist allerdings noch die Kostenstellenrechnung durchzuführen. In deren erstem Schritt wurden bisher für die Kostenstellen des Betriebes – Fertigungshilfsstelle I (1), Fertigungshilfsstelle II (2), Fertigungshauptstelle I (3), Fertigungshauptstelle II (4), Materialstelle (5), Verwaltungsstelle (6) und Vertriebsstelle (7) – die in der nachfolgenden Tabelle angegebenen primären Stellenkosten für das betrachtete Jahr aus der Kostenartenrechnung übernommen. Bisherige primäre Stellenkosten [€] (1) Fertigungshilfsstelle I (2) Fertigungshilfsstelle II (3) Fertigungshauptstelle I (4) Fertigungshauptstelle II (5) Materialstelle (6) Verwaltungsstelle (7) Vertriebsstelle
51.600 27.800 121.140 82.560 30.400 132.100 52.040
Raumgröße [m2] 720 520 1.100 2.000 560 300 200
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Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
Zu berücksichtigen sind außer diesen noch die in der Kostenartenrechnung bestimmten Abschreibungen dreier Maschinen und zwar der in der Fertigungshauptstelle I genutzten Maschinen 1 und 2 (10.000 € sowie 7.500 €) sowie der in der Fertigungshauptstelle II eingesetzten Maschine 3 (12.000 €). Während diese ein Beispiel für Stelleneinzelkosten darstellen, handelt es sich bei den ebenfalls noch auf die Kostenstellen zu verteilenden Heizölkosten von 54.000 € um Stellengemeinkosten. Bei deren Zuordnung soll die Größe der von den Kostenstellen genutzten Räume, die ebenfalls in der Tabelle angegeben ist, als Verteilungsgrundlage genutzt werden. Werden die Heizölkosten proportional zu dieser verteilt, ergeben sich die nachfolgend aufgeführten gesamten primären Stellenkosten: (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7)
Fertigungshilfsstelle I: Fertigungshilfsstelle II: Fertigungshauptstelle I: Fertigungshauptstelle II: Materialstelle: Verwaltungsstelle: Vertriebsstelle:
51.600 27.800 121.140 82.560 30.400 132.100 52.040
+ 7.200 + 5.200 + 11.000 + 10.000 + + 20.000 + 12.000 + 5.600 + 3.000 + 2.000
= = 7.500 = = = = =
58.800 [€] 33.000 [€] 149.640 [€] 114.560 [€] 36.000 [€] 135.100 [€] 54.040 [€]
Der zweite Schritt der Kostenstellenrechnung ist die innerbetriebliche Leistungsverrechnung zwischen den Kostenstellen. Dieser Schritt ist erforderlich, da in Betrieben häufig Kostenstellen existieren, deren Leistungen im Betrieb sofort wieder verzehrt werden und keinen unmittelbaren Bezug zu den Kostenträgern aufweisen. Diese Leistungen bzw. deren Kosten sind in der entsprechenden Periode im Rahmen der Kostenstellenrechnung zwischen den abgebenden Kostenstellen (den sog. Vorkostenstellen) und den empfangenden Kostenstellen (den sog. Endkostenstellen, deren Kosten unmittelbar den Kostenträger zugeordnet werden können), zu verrechnen. Die Aufgabe der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung ist es, die im ersten Schritt den Vorkostenstellen zugeordneten primären Kosten entsprechend der Leistungsabgabe und -inanspruchnahme auf die Endkostenstellen zu verrechnen. Dabei ist wiederum dem Verursachungsprinzip zu folgen. Zur Kostenverrechnung werden Bezugsgrößen genutzt, wobei in der Regel vereinfachend unterstellt wird, dass deren Ausprägungen sowohl zur Leistungsabgabe einer Kostenstelle als auch zu den in dieser entstehenden Kosten in einem proportionalen Verhältnis stehen. Beispielsweise bietet sich für eine Reparaturkostenstelle die Anzahl der geleisteten Reparaturstunden als Bezugsgröße an. Die Kosten pro Bezugsgrößeneinheit lassen sich als Verrechnungspreise zur Kostenverteilung nutzen. Die im Rahmen der Kostenverrechnung von den Vor- auf die Endkostenstellen verteilten Kosten werden als sekundäre Kosten bezeichnet. Nach Ab-
Grundlagen der Kostenrechnung
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schluss der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung sind sämtliche einbezogenen Gemeinkosten den Endkostenstellen zugeordnet. Für die innerbetriebliche Leistungsverrechnung sind verschiedene inexakte und exakte Verfahren wie das Anbau-, das Stufenleiter-, das Gleichungs- sowie Iterationsverfahren entwickelt worden. Im Fallbeispiel sind die Kosten der Fertigungshilfsstellen (Vorkostenstellen) auf die Fertigungshauptstellen (Endkostenstellen) zu verteilen (die Kostenstellen 5, 6 und 7 werden nicht in die innerbetriebliche Leistungsverrechnung einbezogen, da sie weder innerbetriebliche Leistungen erhalten noch solche abgeben). Die Fertigungshilfsstellen geben die folgenden Einheiten nicht näher beschriebener Leistungen an andere Fertigungskostenstellen ab: nach
1
2
3
4
Summe
20
30 -
60 50
50 20
140 90
von 1 2
Die innerbetriebliche Leistungsverrechnung soll mit dem zu exakten Ergebnissen führenden Gleichungsverfahren erfolgen, in dem mittels je einer Gleichung für jede Kostenstelle unter Einbeziehung der primären Stellenkosten, aber auch der Werte sämtlicher erhaltener Leistungen die exakten Werte der Verrechnungspreise für die Leistungen der Kostenstellen (als Variablen im Gleichungssystem) ermittelt werden. Dabei ergibt sich das folgende Gleichungssystem: 58.800 33.000 149.640 114.560
+ + + +
20 q2 30 q1 60 q1 + 50 q2 50 q1 + 20 q2
= 140 q1 = 90 q2 = q3 = q4
Bei der Lösung des Gleichungssystems sind zunächst für die durch wechselseitige Leistungsbeziehungen verbundenen Kostenstellen 1 und 2 die Verrechnungspreise zu bestimmen. Diese lauten: q1 = 496 (€/LE), q2 = 532 (€/LE)
Daraus ergeben sich die folgenden „Verrechnungspreise“ der Kostenstellen 3 und 4, die hier – da keine Leistungsmengen angegeben sind – deren aus primären und sekundären Stellenkosten bestehenden Gesamtkosten entsprechen: q3 = 206.000 (€/Periode), q4 = 150.000 (€/Periode)
Der dritte Schritt der Kostenstellenrechnung dient der Bildung von perio-
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Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
denbezogenen Kalkulations- bzw. Zuschlagsätzen für die Kostenträgerrechnung und stellt eine Nahtstelle zwischen Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung dar. In ihm werden die gesamten einer Endkostenstelle zugeordneten – primären und sekundären – Gemeinkosten zu einer bestimmten Bezugsgröße (z.B. Fertigungseinzelkosten, geleistete Maschinenstunden) in Relation gesetzt. Es resultiert daraus ein Zuschlagsatz (bei Verwendung einer Wertgröße als Bezugsbasis) bzw. ein Verrechnungssatz (bei Nutzung anderer Größen), mit dessen Hilfe die Gemeinkosten bei der Kostenträgerrechnung differenziert berücksichtigt werden können. Die typischen Zuschlag- bzw. Verrechnungssätze ergeben sich wie folgt (vgl. Hummel u. Männel 1986, S. 247 f.): MaterialgemeinMaterialgemeinkosten (MGK) ⋅ 100 kostenzuschlagsatz [%] = Materialeinzelkosten
Fertigungsgemeinkosten (FGK) Fertigungsgemein= ⋅ 100 kostenzuschlagsatz [%] Fertigungseinzelkosten (Fertigungslöhne) Maschinenstundensatz [€/h]
=
Fertigungsgemeinkosten Maschinenstunden
Verwaltungsgemeinkosten (VwGK) Verwaltungsgemein= ⋅ 100 kostenzuschlagsatz [%] Herstellkosten des Umsatzes Vertriebsgemeinkosten (VtGK) Vertriebsgemein= ⋅ 100 kostenzuschlagsatz [%] Herstellkosten des Umsatzes
Dabei wird mit den Herstellkosten des Umsatzes auf die abgesetzten Mengen Bezug genommen. Im Fallbeispiel sollen die ebenfalls aus der Kostenartenrechnung bzw. im Fall der Maschinenstunden aus der Maschinenbelegungsplanung übernommenen Werte der Zuschlags- bzw. Verrechnungsgrundlagen wie folgt lauten: Materialstelle: Fertigungshauptstelle I: Fertigungshauptstelle II:
Materialeinzelkosten (144.000 €) Fertigungseinzelkosten (515.000 €) Maschinenstunden (2.000 h)
Die Herstellkosten des Umsatzes sollen mit der Summe der berücksichtigten Material- und Fertigungseinzelkosten und -gemeinkosten übereinstimmen (die Fertigungseinzelkosten der Fertigungshauptstelle II sollen 300.000 Euro betragen). Dann ergeben sich die folgenden Zuschlags- bzw. Maschinenstundensätze:
Grundlagen der Kostenrechnung
Materialgemeinkosten:
Fertigungsgemeinkosten I:
Fertigungsgemeinkosten II:
Verwaltungsgemeinkosten:
Vertriebsgemeinkosten:
25
36.000 144.000 206.000 515.000 150.000 2.000
= 25 [%] = 40 [%] = 75 [€/h]
135.100 1.351.000 54.040 1.351.000
= 10 [%] = 4 [%]
Der vierte Schritt einer Kostenstellenrechnung ist die Wirtschaftlichkeitskontrolle. Diese kann vor allem bei Durchführung einer Plan- und einer Istkostenrechnung zu aussagekräftigen Informationen über Kostenabweichungen und deren Ursachen führen. Die Kostenstellenrechnung wird entweder mit Hilfe von Konten, in denen die Kosten der einzelnen Kostenstellen erfasst werden, oder in einer tabellarischen Form durchgeführt. Zur tabellarischen Rechnung dient der sogenannte Betriebsabrechnungsbogen (BAB). Der Betriebsabrechnungsbogen ist ein Kostensammelbogen, in dem die Kostenarten vertikal und die Kostenstellen horizontal – sinnvollerweise in einer Reihenfolge, die dem Leistungsfluss entspricht – angeordnet sind (vgl. Götze 2007, S. 81 ff.). Es lassen sich verschiedene Bereiche des Betriebsabrechnungsbogens unterscheiden, die den Schritten der Kostenstellenrechnung entsprechen. Auch der Betriebsabrechnungsbogen ist betriebsindividuell zu gestalten. Seine Grundstruktur wird in der Abb. 1-5 unter Einbeziehung der ersten drei Schritte sowie Bezugnahme auf das Zahlenbeispiel veranschaulicht.
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1
Erzeugnisgemeinkostenarten
Primärkosten
Schritt
Verteilungsgrundlage
Gesamtbetrag
Bisher zugerechnete Primärkosten
497.640
Kalkulatorische Abschreibungen Heizölkosten
Raumgröße
Sekundärkosten Kostenverrechnung
51.600
27.800
Mat.kostenstelle 30.400
II
121.140
82.560
17.500
12.000
Verwaltung
Vertrieb
132.100
52.040
5.200
5.600
11.000
20.000
3.000
2.000
58.800
33.000
36.000
149.640
114.560
135.100
54.040
29.760
24.800
26.600
10.640
36.000
206.000
150.000
135.100
54.040
Bezugsbasen
144.000
515.000
2.000 h 1.351.000 1.351.000
Zuschlagsätze und Maschinenstundensatz
25%
40%
Umlage Fert.hilfsstelle I
Entlastung LeistungsBelastung einheiten
Umlage Fert.hilfsstelle II
Entlastung LeistungsBelastung einheiten
54.000
I
7.200
Summe der auf die Erzeugnisse zu verrechnenden Stellenkosten
3
Fert.hilfs- Fert.hilfsstelle I stelle II
29.500
gesamte Primärkosten
2
Endkostenstellen Fertigung
581.140
-69.440 14.880 -47.880 10.640 581.140
0
0
75 €/h
10%
4%
Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
Abb. 1-5. BAB im Fallbeispiel
Vorkostenstellen
Grundlagen der Kostenrechnung
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Kostenträgerrechnung
In der Kostenträgerrechnung werden Informationen bezüglich der Kostenträger zusammengestellt, um die Frage zu beantworten, wofür Kosten angefallen sind bzw. anfallen werden. Kostenträger sind erzeugte Güter und andere betriebliche Leistungen, die einen Wertverzehr auslösen und daher Kosten „tragen“ sollen. Beispiele sind Aufträge bei Einzelfertigung (z.B. Anlagen- oder Schiffbau), Produkteinheiten oder Lose von Halb- und Fertigfabrikaten bei Sorten-, Serien- oder Massenfertigung sowie innerbetriebliche Leistungen (z.B. selbst erstellte Anlagegüter). Die Kostenträgerrechnung besteht aus zwei Bereichen. In der Kostenträgerstückrechnung (Kalkulation) werden die Kosten einzelner Leistungseinheiten bestimmt, und zwar oftmals als stück-, los- oder auftragsbezogene Herstellkosten (Einzel- und Gemeinkosten des Material- und des Fertigungsbereichs) und Selbstkosten (Herstellkosten zuzüglich Verwaltungs- und Vertriebskosten). Dies dient vor allem der Vorbereitung von Entscheidungen, beispielsweise über das Produktionsprogramm einschließlich der Wahl zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug, die Absatzpreise sowie die Fertigungsverfahren. Die gewonnenen Informationen ermöglichen zudem – zum Teil in Verbindung mit der nachfolgend angesprochenen Kostenträgerzeitrechnung – die Beurteilung der Ertragskraft der Kostenträger, Kostenvergleiche und Kontrollen, die Bildung von internen Verrechnungspreisen sowie die Bewertung von Erzeugnisbeständen und sonstigen Leistungen. In der Kostenträgerzeitrechnung (Kurzfristige Erfolgsrechnung, Betriebsergebnisrechnung) erfolgt mittels des Umsatzoder des Gesamtkostenverfahrens eine Gegenüberstellung der Erlöse und der Kosten zur Ermittlung des Betriebsergebnisses für einen – in der Regel relativ kurzen – Abrechnungszeitraum. Dies dient der Bestimmung des Erfolgs sowie der Analyse der Erfolgs- bzw. Misserfolgsursachen und damit der kurzfristigen Steuerung des Betriebs (vgl. hierzu z.B. Götze 2007, S. 131 ff.). Für die hier zu betrachtende Kostenträgerstückrechnung sind eine Reihe von Verfahren entwickelt worden, deren Eignung von den Eigenschaften des jeweiligen Betriebes und seiner Produkte (Produktionsverfahren, Anzahl der Produktarten und -einheiten, Aufbau der Produkte etc.) abhängt. Dazu zählen
die bei Relevanz lediglich eines Kostenträgers anwendbare Divisionskalkulation, bei der die gesamten Kosten einer Periode gleichmäßig auf die einzelnen Einheiten dieses Kostenträgers verteilt werden,
Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
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die bei Sortenfertigung mehrerer einander ähnelnder Produkte einsetzbare Äquivalenzziffernkalkulation, bei der die als konstant unterstellten Verhältnisse zwischen den Stückkosten der einzelnen Sorten über Äquivalenzziffern erfasst und zur Kalkulation genutzt werden,
die bei Serien- oder Einzelfertigung unterschiedlicher Produkte anwendbare Zuschlagskalkulation, bei der die Gemeinkosten den Kostenträgern über – mittels einer monetären Zuschlagsgrundlage festgelegte – Zuschläge zugerechnet werden,
die Bezugsgrößenkalkulation, die sich von der Zuschlagskalkulation dadurch unterscheidet, dass die Gemeinkosten auf Grundlage nicht-monetärer Bezugsbasen verteilt werden.
Für die in diesem Buch angesprochenen Betriebe sind vor allem die Zuschlags- und die Bezugsgrößenkalkulation relevant. Die Zuschlagskalkulation existiert in einer summarischen und einer differenzierenden Form, wobei allein die Letztgenannte zu einer aussagekräftigen Kalkulation nutzbar ist. Bei der differenzierenden Zuschlagskalkulation werden die Gemeinkosten nach Betriebsbereichen bzw. Kostenstellen differenziert zugeschlagen. Sie setzt daher die Durchführung einer Kostenstellenrechnung voraus. Die dort jeweils für eine Periode ermittelten Zuschlagsätze werden nun für die Kalkulation der einzelnen in der Periode hergestellten bzw. abgesetzten Kostenträger genutzt, indem sie jeweils mit der kostenträgerspezifischen Zuschlagsgrundlage (Einzelkosten bzw. Herstellkosten) multipliziert werden, um die dem Kostenträger zuzurechnenden Gemeinkosten zu berechnen. Für die differenzierende Zuschlagskalkulation hat sich das in Abb. 1-6 dargestellte allgemeine Kalkulationsschema herausgebildet. Dieses enthält – im Gegensatz zum Fallbeispiel – auch so genannte Sondereinzelkosten der Fertigung und des Vertriebs. Diese nehmen eine Mittelstellung zwischen Einzel- und Gemeinkosten ein, denn sie können zwar nicht einzelnen Produkteinheiten, aber einzelnen Aufträgen oder Losen verursachungsgerecht zugeordnet werden. Beispiele sind Kosten für die Anfertigung eines Spezialwerkzeugs für einen Fertigungsauftrag (Kleinserie) und Kosten für Verpackungsmaterial, die für einen Auftrag entstehen. Bei der Bezugsgrößenkalkulation werden die Gemeinkosten – in der Regel beschränkt auf Kostenstellen des Fertigungsbereiches – nicht über Zuschlagsätze, sondern über „direkte“ Bezugsgrößen wie Fertigungs-, Arbeits- oder Rüstzeiten den Kostenträgern zugeordnet. Für diese Bezugsgrößen sollte gelten, dass zwischen ihren Ausprägungen und den zu verrechnenden Gemeinkosten ein (annähernd) proportionales Verhältnis be-
Grundlagen der Kostenrechnung
Materialeinzelkosten Materialgemeinkosten
Materialkosten
Fertigungseinzelkosten Fertigungsgemeinkosten
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Herstellkosten Fertigungskosten
Selbstkosten
Sondereinzelkosten der Fertigung Verwaltungsgemeinkosten Vertriebsgemeinkosten Sondereinzelkosten des Vertriebs
Verwaltungs- und Vertriebskosten
Abb. 1-6. Kalkulationsschema der Zuschlagskalkulation (nach Schweitzer u. Küpper 2003, S. 169)
steht. Oftmals werden die Fertigungsgemeinkosten über die Bezugsgröße Maschinenstunden verrechnet, das entsprechende Vorgehen wird dann auch als Maschinenstundensatzrechnung bezeichnet. Bei ihr wird der in der Kostenstellenrechnung periodenbezogen ermittelte Maschinenstundensatz mit der zeitlichen Inanspruchnahme der Maschinen durch den Kostenträger multipliziert. Das Ergebnis stellt die dem Kostenträger bezogen auf eine Kostenstelle zuzurechnenden Gemeinkosten dar. Das Vorgehen der Maschinenstundensatzrechnung und der differenzierenden Zuschlagskalkulation wird nachfolgend anhand des Fallbeispiels veranschaulicht. Die Kalkulation setzt die Kenntnis der in der Kostenartenrechnung ermittelten Einzelkosten der jeweiligen Kostenträger sowie der in Anspruch genommenen Maschinenstunden voraus. Diese betragen hier für die Produktarten A und B:
Materialeinzelkosten [€/ME] Fertigungseinzelkosten Stelle I [€/ME] Fertigungseinzelkosten Stelle II [€/ME] Maschinenstunden in Stelle II [ZE/ME]
A 90,00 130,00 80,00 0,5
B 160,00 200,00 120,00 0,8
Die Herstell- und die Selbstkosten pro Stück ergeben sich dann in einer kombinierten Zuschlags- und Bezugsgrößenkalkulation wie umseitig folgend:
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Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
Produkt A 90,00
Produkt B 160,00
22,50
40,00
Materialkosten [€/ME]
112,50
200,00
Fertigungseinzelkosten I [€/ME] Fertigungsgemeinkosten I [€/ME] (40% der Fertigungseinzelkosten I)
130,00
200,00
52,00
80,00
80,00
120,00
37,50
60,00
Fertigungskosten [€/ME]
299,50
460,00
Herstellkosten [€/ME] Verwaltungsgemeinkosten [€/ME] (10% der Herstellkosten) Vertriebsgemeinkosten [€/ME] (4% der Herstellkosten)
412,00
660.00
41,20
66,00
16,48
26,40
Selbstkosten [€/ME]
469,68
752,40
Materialeinzelkosten [€/ME] Materialgemeinkosten [€/ME] (25% der Materialeinzelkosten)
Fertigungseinzelkosten II [€/ME] Fertigungsgemeinkosten II [€/ME] (0,5 bzw. 0,8 mal Maschinenstundensatz)
Demzufolge werden durch die Produktart A bzw. B Herstellkosten pro Stück von 412,00 € bzw. 660,00 € und Selbstkosten pro Stück von 469,68 € bzw. 752,40 € verursacht. Das Zustandekommen dieser Ergebnisse über die verschiedenen Bereiche und Schritte der Kostenrechnung veranschaulicht zusammenfassend die Abb. 1-7. Zu den Resultaten einer derartigen Kalkulation ist aber einschränkend zu bemerken, dass sie lediglich in Ausnahmefällen exakt den entstehenden Wertverzehr angeben werden und eher als Näherungswerte zu interpretieren sind. Ursachen für Abweichungen von den exakten Werten können zum einen Vereinfachungen in der Kostenarten- und Kostenstellenrechnung, die Verrechnung vergangenheitsorientierter Istwerte, die mit Unsicherheiten behaftete Prognose von Planwerten sowie die Einbeziehung nicht veränderlicher Fixkosten darstellen. Zum anderen wird bei der Zuschlagskalkulation vereinfachend ein bestimmtes, für alle Kostenträger und Kostenträgereinheiten identisches Verhältnis zwischen Gemeinkosten und Zuschlagsgrundlage, bei der Bezugsgrößenkalkulation ein proportionales Verhältnis zwischen Gemeinkosten und Bezugsgrößenausprägung unterstellt. Beides wird häufig nicht gegeben sein. So eignen sich die ermittelten Werte nicht für eine kurzfristige Entscheidung über einen Zusatzauftrag, falls die Gemeinkosten Fixkostenanteile enthalten. Dann sollten in einer Teilkostenrechnung, z.B. mittels
MEK:
144.000
FEK I: FEK II:
515.000 300.000
Abschreibungen: 29.500
Heizölkosten: 54.000
Weitere Gemeinkosten: 497.640
Gemeinkosten Einzelkosten
Stelleneinzelkosten
Stellengemeinkosten
Kostenstellenrechnung K1
K2
K3
K4
51.600
27.800
121.140 17.500
82.560
7.200
5.200 33.000
11.000
58.800 Kostenträgerrechnung Produkt B
90,00 22,50 130,00 52,00 80,00 37,50 412,00 41,20 16,48 469,68
160,00 40,00 200,00 80,00 120,00 60,00 660,00 66,00 26,40 752,40
206.000 40%
150.000 75 €/h
30.400
K6
K7
132.100
52.040
5.600
3.000
36.000
135.100
2.000 54.040
36.000 25%
135.100 10%
54.040 4%
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MEK MGK FEK I FGK I FEK II FGK II HK VwGK VtGK SK
Produkt A
149.640 56.360
12.000 20.000 114.560 35.440
K5
Grundlagen der Kostenrechnung
Abb. 1-7. Herstell- und Selbstkostenberechnung über die verschiedenen Bereiche und Schritte der Kostenrechnung
Kostenartenrechnung
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Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
analoger Zuschlags- bzw. Bezugsgrößenkalkulationen, lediglich die variablen Gemeinkostenanteile den Kostenträgern zugerechnet werden. Weitere typische Mängel, die aus einer Zuschlagskalkulation resultieren, lassen sich mit einer Kalkulation mit Prozesskostensätzen vermeiden bzw. mindern, wie sie nachfolgend skizziert wird. Prozesskostenrechnung
Mit der Prozesskostenrechnung wird vor allem darauf abgezielt, die Gemeinkosten von Unternehmen zu analysieren, zu steuern und möglichst verursachungsgerecht den Produkten zuzurechnen. Zu diesem Zweck werden die Prozesse untersucht, die die Gemeinkosten bewirken. Die in Deutschland vorherrschende Form der Prozesskostenrechnung ist dadurch charakterisiert, dass sie sich auf sich wiederholende, strukturierte Abläufe in den indirekten Bereichen von Unternehmen konzentriert und damit die eigentliche Fertigung ausklammert. Weitere Merkmale und zum Teil zugleich Neuerungen gegenüber der traditionellen Kostenrechnung bestehen darin, dass abteilungsübergreifende Prozesse („Hauptprozesse“) analysiert, aus Kostenbestimmungsfaktoren abgeleitete Bezugsgrößen zur Messung von Prozessmengen verwendet, Prozesskosten und Prozesskostensätze (als durchschnittliche Prozesskosten pro Prozessdurchführung) ermittelt sowie mit Blick auf die Vorbereitung mittel- und langfristiger Entscheidungen auch fixe Kosten verrechnet werden (vgl. Horváth u. Mayer 1993). Die Schritte der Prozesskostenrechnung umfassen die Analyse von Tätigkeiten und die Bildung von Teilprozessen auf Kostenstellenebene, die Zusammenführung der Teilprozesse zu kostenstellenübergreifenden Hauptprozessen sowie die Bestimmung von Bezugsgrößen für Prozesse, die Planung von Prozessmengen, die Ermittlung von Prozesskosten und die Berechnung von Prozesskostensätzen auf Teil- wie Hauptprozessebene. Die Resultate der Prozesskostenrechnung können einerseits – über das Aufdecken unwirtschaftlicher Prozesse, die Identifikation von Kostentreibern, die Ermittlung von Prozessmengen als Basis der Budgetierung sowie die Schaffung prozessbezogener Kontrollmöglichkeiten – der Steuerung und Senkung der Gemeinkosten dienen. Andererseits ist mit ihnen eine gegenüber der Zuschlagskalkulation verbesserte Zurechnung der Gemeinkosten zu Kostenträgern möglich. Dazu wird formal wie bei der oben beschriebenen Bezugsgrößenkalkulation vorgegangen, indem den Kostenträgern jeweils das Produkt aus dem Prozesskostensatz (als Kosten einer Prozesseinheit) und der vom Kostenträger in Anspruch genommenen Anzahl von Prozesseinheiten (dem sog. Prozesskoeffizienten) zugerechnet wird. Damit lässt sich berücksichtigen,
Grundlagen der Kostenrechnung
33
inwieweit Kostenträger die Prozesse und damit die entsprechenden Gemeinkostenbereiche beanspruchen und zur Entstehung von Gemeinkosten beitragen. Unter anderem kann so erreicht werden, dass komplexere Produkte tendenziell stärker mit Gemeinkosten belastet und Großaufträgen geringere Auftragsabwicklungskosten pro Stück als Kleinaufträgen zugerechnet werden. Dies ist ein entscheidender Vorteil gegenüber der Zuschlagskalkulation, mit der derartige Komplexitäts- und Degressionseffekte nicht erfassbar sind.
34
Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
1.3
Kostenmanagement im Konstruktionsprozess
1.3.1
Einführung
Konstruktionsphase
Das Ausmaß, in dem die Konstruktion die Kosten eines Produktes bestimmt, übertrifft das der nachgelagerten Stellen im Produktentstehungsprozess deutlich. Dabei werden von der Konstruktion nicht nur die Materialeinzelkosten und die Fertigungslöhne beeinflusst, sondern auch ein großer Teil der fertigungsnahen Gemeinkosten. Gleichzeitig verursacht die Konstruktion selbst nur einen verhältnismäßig geringen Teil der Kosten des Produktes. Abb. 1-8 veranschaulicht diesen Sachverhalt.
Möglichkeit der Kostenbeeinflussung Kostenentstehung kumuliert
Zeitfortschritt im Produktentstehungsprozess
Abb. 1-8. Kostenbeeinflussung und -entstehung im Produktentstehungsprozess
Durch Wertanalysen wurde festgestellt, dass die Entwicklung und Konstruktion durchschnittlich 70% der Selbstkosten festlegt und 6% dieser Kosten verursacht (vgl. Ehrlenspiel 1985, S. 2). In Bezug auf die Lebenszykluskosten wurde der Anteil der Kostenfestlegung durch die Konstruktion auf 80% beziffert (vgl. Scholl 1988, S. 21). Der konkrete Anteil der Konstruktions- an den Gesamtkosten eines Unternehmens hängt zwar unter anderem auch von der Art der Fertigung ab,
Kostenmanagement im Konstruktionsprozess
35
die in dem entsprechenden Betrieb vorliegt (z.B. Einzel- vs. Großserienfertigung). Nichtsdestoweniger lässt die verhältnismäßig hohe Kostenbeeinflussung in der Konstruktion bei gleichzeitig geringer Kostenentstehung dem Konstrukteur ausnahmslos eine Schlüsselposition in Bezug auf die Kosten zukommen und verspricht eine hohe Effizienz von Kostenmanagementmaßnahmen in diesem Bereich. Das Kostenmanagement lässt sich hierbei definieren als „Gesamtheit aller Steuerungsmaßnahmen, die der frühzeitigen und antizipativen Beeinflussung von Kostenstruktur und Kostenverhalten sowie der Senkung des Kostenniveaus dienen“ (Götze 2007, S. 271 f.). Der Konstrukteur beeinflusst die Kosten mit verschiedenen konstruktiven Entscheidungen. Wie in Abb. 1-9 gezeigt, können dabei die von ihm zu gestaltenden Einflussgrößen den unterschiedlichen Konstruktionsphasen zugeordnet werden. Konstruktionsphase
Planen
Konstruktive Kosteneinflussgröße
Produktfunktionen Funktionsstruktur
Konzipieren
Lösungsprinzip
Entwerfen
Baugröße
Standardisierung
Baustruktur
Werkstoff Ausarbeiten
Oberflächenqualität Toleranzen
Abb. 1-9. Konstruktionsphasen und konstruktive Kosteneinflussgrößen
Aus der Abbildung wird ersichtlich, dass in den einzelnen Phasen des Konstruktionsprozesses jeweils über die Ausprägungen verschiedener Kosteneinflussgrößen entschieden wird. Eine Ausnahme bildet hierbei die Standardisierung, die in sämtlichen Konstruktionsphasen beeinflusst wer-
Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
36
den kann. Im Folgenden werden die möglichen Maßnahmen für ein Kostenmanagement in der Konstruktion dargestellt. Hierbei erfolgt eine Kategorisierung nach den beeinflussten Kosten, die sich an den Funktionsbereichen des Unternehmens und den Phasen des Lebenszyklus orientiert. 1.3.2
Management von Herstellkosten
Entsprechend der Zusammensetzung der Herstellkosten aus Material- und Fertigungskosten lassen sich die in Abb. 1-10 dargestellten Möglichkeiten der Kostenbeeinflussung identifizieren. Hierbei sind die Fertigungskosten unterteilt in die eigentlichen Teilefertigungskosten (incl. der Sondereinzelkosten für Werkzeuge, Vorrichtungen etc.) und die Kosten der Montage. Die Abbildung soll zeigen, dass die Kostenbeeinflussung jeweils zum einen an der Anzahl der erforderlichen Materialien bzw. Fertigungsoperationen, zum anderen an den pro Einheit entstehenden Kosten ansetzen kann.
Herstellkosten
Materialkosten
Teilefertigungskosten
Montagekosten
Maßnahmen des Kostenmanagements
weniger Material
kostengünstigeres Material
weniger Teilefertigungsoperationen
kostengünstigere Verfahren zur Teilefertigung
weniger Montageoperationen
kostengünstigere Montageoperationen
Abb. 1-10. Maßnahmen zur Reduzierung der Herstellkosten (nach Ehrlenspiel et al. 2007, S. 162)
Analog zu dem Verlauf der Kostenfestlegung über den gesamten Produktentstehungs- und Produktlebenszyklus ist auch innerhalb des Entwicklungsprozesses der Einfluss auf die Kosten in den frühen Phasen am größten. Dementsprechend besteht die stärkste Möglichkeit zur Steuerung der Herstellkosten bei der Festlegung der Produktanforderungen und des Produktkonzepts in der Planungs- bzw. der Konzeptphase.
Kostenmanagement im Konstruktionsprozess
37
Herstellkostengestaltung in der Planungsphase
Ein wichtiger Bestandteil der Planungsphase ist die Klärung der Anforderungen an das Produkt (vgl. Abschnitt 1.1.2). Diese Anforderungen können aus dem Lasten- oder Pflichtenheft abgeleitet werden, das vom Kunden bzw. Vertrieb erstellt wird. In Hinblick auf die Kostenentstehung ist dieser Schritt vor allem deshalb von besonderer Bedeutung, weil Unklarheiten in Bezug auf Entwicklungsziele oft der Hauptgrund für spätere Änderungen sind, die in der Regel mit hohen zusätzlichen Kosten einhergehen. Bei der Erstellung der Anforderungsliste ist es sinnvoll, die Anforderungen nach ihrer Wichtigkeit zu gliedern. Insbesondere bei den nicht unbedingt zu erfüllenden Anforderungen kann dann fallweise abgewogen werden, ob die durch ihre Erfüllung erreichte Wertsteigerung des Produktes die durch sie verursachten Kosten rechtfertigt. Mit dem kritischen Hinterfragen der Anforderungen und dem fallweisen Ausscheiden von Wünschen sowie dem Erkennen von überflüssigen Funktionen kann einem wirtschaftlich nachteiligen „Over-Engineering“ entgegengewirkt werden. Die festgelegten Anforderungen wirken sich auf die Produktkosten in einem Ausmaß aus, wie es im weiteren Produktentstehungsprozess meist nicht mehr übertroffen wird. Daher ist über die Klärung der – von Marketing oder Vertrieb vorgegebenen – Aufgabenstellung hinaus eine aktive Mitwirkung von Entwicklung und Konstruktion auch beim Festlegen der Anforderungen anzustreben. Der Informationsaustausch zwischen Entwicklung / Konstruktion und Marketing / Vertrieb sollte daher beidseitig erfolgen, so dass z.B. die Kosten für die Erfüllung bestimmter Kundenanforderungen ausreichend berücksichtigt werden können, wenn über die Aufnahme dieser Forderungen in das Lastenheft entschieden wird. Wie in Abschnitt 1.1.2 erwähnt, werden bei der Anforderungsklärung in der Regel auch die maximal zulässigen Herstellkosten bestimmt. Diese Zielkosten können insbesondere mit der in Abschnitt 2 erörterten Methodik des Target Costing ermittelt und auf die einzelnen Produktbestandteile aufgespalten werden. In Hinblick auf die Ermittlung der Zielkosten kann der zeitliche Unterschied zwischen Marktanalyse und Verkaufsbeginn problematisch sein, so dass es auch in diesem Zusammenhang vorteilhaft ist, die Entwicklungszeiten zu reduzieren. In Verbindung mit den maximalen Herstellkosten können zudem Höchstgrenzen für notwendige Investitionen oder deren Amortisationszeit festgelegt werden. Zeigt es sich, dass es schwierig sein wird, Zielkosten oder technische Grenzwerte einzuhalten, lassen sich bereits in der Planungsphase bei den fachbereichsübergreifenden Diskussionen zur Anforderungsklärung für alle an der Produkterstellung mitwirkenden Abteilungen Maßnahmen definieren, die zur Zielerreichung beitragen. So kann z.B. vereinbart werden,
38
Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
dass die Entwicklung einzelne Bauteile für alternative Fertigungsverfahren umgestaltet, der Einkauf bestimmte Funktionsträger bei Zulieferern anfragt oder die Produktion Untersuchungen für alternative Fertigungsverfahren durchführt. Herstellkostengestaltung in der Konzeptphase
Mit dem Produktkonzept, also dem Funktionsprinzip, werden die Herstellkosten sehr maßgeblich beeinflusst, da hier das Produkt in seinen wesentlichen Eigenschaften festgelegt wird. Dies umfasst auch die zur Erfüllung der Produktfunktionen gewählten Energiearten und physikalischen Effekte, die einen starken Einfluss auf die Produktkomplexität und -baugröße und damit auf die Herstellkosten eines Produktes haben. Wegen diesem starken Einfluss auf die Kosten ist es sinnvoll, verschiedene Konzepte zu erstellen, auch wenn dadurch ein erhöhter Entwicklungsaufwand in Kauf genommen werden muss. Die Konzepte lassen sich dann unter anderem hinsichtlich von Kostengesichtspunkten vergleichen. Diese Vergleiche werden zweckmäßigerweise durch Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation unterstützt, die in der Lage sind, bereits in dieser frühen Entwicklungsphase Aufschluss über die voraussichtlichen Herstellkosten zu geben (vgl. Abschnitt 5). Lassen sich keine Aussagen zu absoluten Kosten treffen, sollten zumindest die relativen Kostenverhältnisse alternativer Produktkonzepte ermittelt werden. Tendenziell können mit Konzepten, mit denen sich eine kleine und leichte Bauweise realisieren lässt, niedrigere Herstellkosten erreicht werden. Ebenso führen Konzepte mit einfachem Aufbau und wenigen Teilen prinzipiell zu günstigeren Produkten, wobei die geringere Teileanzahl insbesondere bei hohen Stückzahlen vorteilhaft ist (vgl. hierzu die Ausführungen zur Standardisierung in Abschnitt 6). Herstellkostengestaltung in den Entwurfs- und Ausarbeitungsphasen
In den sich an die Aufgabenklärung und Konzeption anschließenden Phasen des Entwerfens und Ausarbeitens liegen die Kosteneinflussgrößen des Konstrukteurs insbesondere in der Produktgestalt, den eingesetzten Materialien und den unter diesen Prämissen zu bestimmenden Fertigungsverfahren. Mit der Produktgestalt werden die Abmessungen, die Anzahl und Lage von Produktelementen (z.B. Maschinenelemente und Flächen) sowie deren Eigenschaften festgelegt. Durch die Wahl der Abmessungen und damit der Baugröße werden sowohl die Materialkosten als auch die Fertigungskosten stark beeinflusst.
Kostenmanagement im Konstruktionsprozess
39
Mit der Spezifikation der Produktflächen in Hinblick auf Anzahl und Eigenschaften wie Rauheit und Toleranzen wird Einfluss auf die möglichen Fertigungsverfahren und die notwendige Bearbeitungsdauer genommen. Dementsprechend beeinflusst der Konstrukteur hierbei abermals direkt die Fertigungskosten. Die hinsichtlich dieser Kosten optimale Produktgestaltung hängt von dem ausgewählten Fertigungsverfahren ab. Hierzu sind eine Fülle von Regeln und Checklisten verfügbar (z.B. in dem Kosteninformationssystem ‚costfact’, vgl. Abschnitt 4.2), die eine fertigungs- und montagegerechte Gestaltung gewährleisten sollen. Abb. 1-11 zeigt beispielhaft drei solche Gestaltungsregeln. Gestaltungsregel
Komplexitätsreduzierung durch Verwendung einheitlicher Teile
schlechter
besser
M5
M 10
M 10
Mehrere hintereinander angeordnete Bearbeitungsflächen auf gleiche Höhe bringen (Durchfräsen, Durchhobeln, gleiche Werkzeuge)
Reduzierung von Fertigungskosten durch Vermeiden von Sacklöchern
Abb. 1-11. Beispielhafte Gestaltungsregeln mit Gut/Schlechtbeispielen (nach Reischl 2001, S. 22)
Während sich die Personalkosten der Fertigung, bezogen auf das gesamte Unternehmen, durch Maßnahmen der Konstruktion tendenziell nur mittelfristig beeinflussen lassen, ist die Kostenwirkung bei konstruktiven Entscheidungen zum Material sehr viel direkter. Der Grund hierfür liegt darin, dass bei den Materialkosten, also den Kosten für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, der Anteil der Einzelkosten vergleichsweise hoch ist, und die Materialeinzelkosten variable Kosten darstellen.
40
Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
Die Kosten von Rohmaterialien können durch eine Verringerung des Volumens und / oder durch eine Verminderung der spezifischen Werkstoffkosten, also der Kosten pro Volumeneinheit, reduziert werden. Hierbei muss die gegenseitige Abhängigkeit der beiden Einflussgrößen berücksichtigt werden: So kann z.B. möglicherweise mit einem teureren, aber festeren Werkstoff eine solche Bauteilgrößenverringerung erzielt werden, dass die insgesamt entstehenden Kosten reduziert werden. In Abb. 1-12 sind potenzielle Maßnahmen zur Reduktion der Materialkosten überblicksartig dargestellt. „Kleinbau“ bedeutet hierbei die Reduktion der Baugröße eines Produktes, die häufig durch eine Variation des Konzepts erreicht werden kann. „Sparbau“ hingegen ist das Einsparen von Materialvolumen ohne Änderung des konstruktiven Entwurfs. Dies lässt sich z.B. durch die Verringerung von Wanddicken etc., oder durch eine Änderung des Fertigungsverfahrens (z.B. Gießen anstatt Schweißen) erreichen. Die Verringerung des Abfalls bewirkt neben einer Materialeinsparung auch die Senkung des mit seiner Verwertung oder Beseitigung entstehenden Aufwands. Maßnahmen zur Standardisierung lassen sich in allen Phasen des Konstruktionsprozesses ergreifen und werden an späterer Stelle noch erläutert. Materialkosten
Rohmaterialkosten
Bruttovolumen
Kaufteilkosten
Kosten / Volumeneinheit
Materialgemeinkosten
Realisierung von Kleinbau
Verwendung von preisgünstigem Material
Realisierung von Sparbau
Realisierung von Funktionstrennung
Abfallsenkung
Standardisierung von Material Material & Teile& Teilen standardisieren
Abb. 1-12. Objekte und Maßnahmen des materialkostengünstigen Konstruierens (nach Ehrlenspiel et al. 2007, S. 198)
Über die Verwendung von preisgünstigem Material hinaus kann durch Funktionstrennung eine Reduktion der Kosten pro Volumeneinheit erreicht werden: So ist es beispielsweise im Zusammenhang mit Korrosion und
Kostenmanagement im Konstruktionsprozess
41
Verschleiß oft vorteilhafter, anfallende Kräfte durch kostengünstige Werkstoffe zu übertragen und nur deren Oberfläche zum Verschleiß- und Korrosionsschutz zu behandeln, anstatt teure Werkstoffe zu verwenden, die gleichzeitig verschleißgünstig und korrosionsfest sind. Wie oben bereits dargestellt, nimmt der Konstrukteur durch die Festlegung sowohl der Produktgestalt als auch der Materialien Einfluss auf die möglichen Fertigungsverfahren und damit die Fertigungskosten. Hierbei müssen stets die gegenseitigen Abhängigkeiten und möglicherweise gegenläufigen Kostenwirkungen von konstruktiven Entscheidungen berücksichtigt werden, so dass beispielsweise eine Reduktion der Materialkosten einer dadurch evtl. bewirkten Erhöhung der Fertigungskosten gegenüber zu stellen ist. Für die Auswahl des Fertigungsverfahrens ist oft auch die zu produzierende Stückzahl von hoher Bedeutung, da das Verhältnis der Kosten, welche unabhängig von der Stückzahl anfallen (z.B. für Werkzeuge, Vorrichtungen oder Messzeuge) und den stückzahlabhängigen Kosten bei den verschiedenen Verfahren meist unterschiedlich ist. So haben z.B. Verfahren der spanenden Bearbeitung in der Regel relativ niedrige Fixkosten in Bezug auf die zu produzierende Stückzahl eines Bauteiles, weil sowohl Maschinen als auch Werkzeuge meist universell einsetzbar sind. Die variablen Kosten hingegen sind aufgrund der Notwendigkeit mehrerer Arbeitsgänge und längerer Bearbeitungszeiten je Stück vergleichsweise hoch. Verfahren der spanlosen Fertigung wiederum haben meist hohe Fixkostenanteile, da sie spezielle Werkzeuge erfordern. Die variablen Fertigungskosten sind dabei aufgrund der kurzen Bearbeitungszeit je Stück verhältnismäßig niedrig. Da die stückzahlunabhängigen Kosten auf alle Bauteile umgelegt werden und die variablen Kosten je Stück konstant bleiben, ergibt sich eine im Einzelfall zu ermittelnde „Grenzstückzahl“. Dies ist die Stückzahl, welche die wirtschaftliche Gleichwertigkeit zwischen zwei konkurrierenden Fertigungsverfahren angibt (vgl. Abb. 1-13). Ein Vergleich der zu fertigenden Stückzahl mit der Grenzstückzahl gibt dementsprechend darüber Aufschluss, welches Fertigungsverfahren unter Kostengesichtspunkten vorzuziehen ist und welche Produktgestalt und welches Material daher einzusetzen sind.
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Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
Kosten / Stück
Kosten / Stück Verfahren 2
Kosten / Stück Verfahren 1 variable Kosten Verfahren 1
variable Kosten Verfahren 2
Grenzstückzahl
Stückzahl
Abb. 1-13. Stückzahlabhängige Kosten verschiedener Fertigungsverfahren (nach Gerhard et al. 1994, S. 192) Herstellkostengestaltung durch Standardisierung
Eine Möglichkeit der Herstellkostenbeeinflussung, die – in verschiedenen Formen – in sämtlichen Phasen des Konstruktionsprozesses gegeben ist, ist die Standardisierung. Standardisierung bedeutet „… das Festlegen und Konstanthalten der Parameterwerte, Anordnungen und Typen von Produkten und Prozessen über eine begrenzte (längere) oder unbegrenzte Zeit“ (Firchau u. Franke 2002, S. 55). Eine solche Vereinheitlichung kann sich über das Produktprogramm hinaus sowohl auf Wirkprinzipien als auch auf Produktstrukturen, Baugruppen oder Bauteile beziehen. Mit der Vereinheitlichung kann die Variantenvielfalt und damit die Komplexität auf den verschiedenen Bezugsebenen gesenkt werden. „Komplexität“ kennzeichnet hierbei eine Systemeigenschaft, deren Grad von der Anzahl der Systemelemente, von der Vielzahl der Beziehungen zwischen diesen Elementen sowie der Anzahl möglicher Systemzustände abhängt. Wie bei den Ausführungen zum Variantenmanagement im Abschnitt 6 noch ausführlich dargestellt wird, sind die meisten Unternehmensbereiche von den durch die Komplexität verursachten Kosten betroffen, so dass eine Reduktion der Variantenvielfalt unter anderem auch ein wirksames Mittel zur Senkung der Herstellkosten ist. Werden in der Planungsphase die Produktfunktionen vereinheitlicht, so hat dies direkte Auswirkungen auf die vom Kunden wahrgenommenen
Kostenmanagement im Konstruktionsprozess
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Produkteigenschaften. Wie mit dem Produktprogramm selbst kann in der Planungsphase dementsprechend die externe, also von außen wahrnehmbare Vielfalt beeinflusst werden. Mit der externen Vielfalt ändert sich ohne spezielle Maßnahmen fast zwangsläufig auch die interne Vielfalt bis zur Bauteilebene. Durch Funktionsstruktur und Lösungsprinzipien wird ein Konstruktionsobjekt bereits in der Konzeptphase in allen wesentlichen Eigenschaften festgelegt. Dementsprechend hoch ist hier der Einfluss des Konstrukteurs auf die Komplexität eines solchen Objekts. Ein einheitliches Produktkonzept für Konstruktionsobjekte mit gleichen Funktionen, aber unterschiedlichen Größen lässt sich mit der so genannten Baureihenkonstruktion erreichen: Durch die systematische Stufung eines Produktes über einen bestimmten Größenbereich mit einheitlicher Baustruktur werden Sonderkonstruktionen vermieden, die sonst bei unterschiedlicher Größe trotz gleicher Funktion notwendig wären. In Verbindung mit einem Baureihensystem wird häufig das Baukastensystem eingesetzt, das ein Kombinationssystem von Bausteinen (Produktkomponenten) unterschiedlicher oder gleicher Funktion und Gestalt darstellt. Hiermit wird eine Vereinheitlichung auf Ebene von Baugruppen und Teilen erreicht. Sowohl Baureihen- als auch Baukastensysteme werden im Zusammenhang mit dem Management von Produktvarianten in Abschnitt 6.1.2 ausführlich dargestellt. Die Standardisierungsmaßnahmen, welche in den Entwurfs- und Ausarbeitungsphasen eingesetzt werden können, zielen meist unmittelbar auf eine Verringerung der Teilevielfalt ab. Hierin liegt – neben der Auswahl von generell günstigeren Teilen – eine besonders gute Möglichkeit des Konstrukteurs zum Senken der Kosten, welche durch die Beschaffung von Kaufteilen verursacht werden. Durch den vermehrten Einsatz gleicher Teile lassen sich größere Abnahmemengen und damit höhere Preisnachlässe realisieren. Neben solchen Rabatten, welche die Materialeinzelkosten reduzieren, führen die größeren Abnahmemengen gleicher Teile zudem zu einem geringeren Aufwand in der Materialwirtschaft und damit auch geringeren Materialgemeinkosten. Eine Standardisierung der Teile wird insbesondere durch die Verwendung von Gleich- und Wiederholteilen erreicht, also Teilen, die bereits am gleichen bzw. an anderen Produkten eingesetzt werden. Generell sind im Hinblick auf den Einsatz von Wiederholteilen symmetrische Produktkomponenten vorzuziehen, bei denen unterschiedliche „Links-/Rechtsausführungen“ vermieden werden. Ist der Einsatz eines Neuteils unumgänglich, so sollte nach Möglichkeit ein Norm- oder zumindest Kaufteil ausgewählt werden, da diese Teile in der Regel in großer Stückzahl gefertigt werden. Eine Verringerung der Teilevielfalt kann fallweise auch durch den Ein-
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Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
satz der Integralbauweise erzielt werden. Bei dieser Bauweise werden mehrere Bauteile zu einem einzigen zusammengefasst. Das Gegenteil hiervon ist die Differenzialbauweise, bei der ein Bauteil auf mehrere Teile aufgeteilt wird. Wie in Abb. 1-14 gezeigt, können prinzipiell beide Bauweisen unabhängig von der Anzahl der Funktionen realisiert werden, die das Bauteil bzw. die Baugruppe erfüllen: Eine Funktion
Mehrere Funktionen
F1
F1
F2
F3
B1
B2
B3
F1
F2
F3
Differenzialbauweise B1
B2
F1
B3
Integralbauweise Bauteil
Bauteil
Abb. 1-14. Differenzial- und Integralbauweise (nach Rapp 1999, S. 53)
Das Ziel der Integralbauweise ist es, die (absolute) Anzahl der Einzelteile und damit der Beschaffungs-, Fertigungs- und Montagevorgänge zu reduzieren. Gleichzeitig erhöhen sich jedoch tendenziell die Kosten für Werkzeuge und auch die der Fertigungsvorgänge selbst, da die Komplexität der Teilegestalt meist zunimmt. Spezifische Vorteile der Differenzialbauweise können darin liegen, dass nicht nur die Entstehung von Varianten im Produktentstehungsprozess nach hinten (in die Montage) verlegt, sondern auch eine größere Wiederholhäufigkeit von Teilen erzeugt wird. Beim Vergleich von Integral- und Differenzialbauweise sind jedoch nicht nur die Auswirkungen auf die Herstellkosten zu beachten. So müssen beispielsweise auch unterschiedliche Kosten für Ersatzteile und damit für die Instandhaltung berücksichtigt werden. Dies beinhaltet den Aspekt, in welchem Umfang ein Austausch von Bauteilen bei Verschleiß eines einzelnen Funktionsträgers notwendig ist. Weitere Faktoren, die auf Entscheidungen zu Differenzial- und Integralbauweise Einfluss nehmen kön-
Kostenmanagement im Konstruktionsprozess
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nen, sind z.B. das Fertigungsrisiko und die Lieferzeiten. Welche der beiden Bauweisen vorzuziehen ist, muss daher im Einzelfall abgeschätzt werden. Tendenziell ist bei der Einzel- und Kleinserienfertigung großer Bauteile die Differenzialbauweise zu bevorzugen, da hier die Einführungskosten für Werkzeuge, Modelle etc. stark ins Gewicht fallen, während die Integralbauweise dementsprechend prinzipiell eher bei hohen Stückzahlen und kleineren Bauteilen vorteilhaft sein wird. Prinzipiell muss von der Integralbauweise noch die Funktionsvereinigung unterschieden werden: Bei der Integralbauweise sind die für die Realisierung einzelner Funktionen nötigen Elemente wie Wirkflächen am integrierten Bauteil nach wie vor getrennt vorhanden. Bei der Funktionsvereinigung hingegen gehen diese Elemente ineinander auf. In beiden Fällen entsteht aber aus mehreren Teilen ein Teil, so dass aus Sicht der Teilezahlreduzierung beide Prinzipien zum gleichen Ergebnis führen (vgl. Ehrlenspiel 2003, S. 449). 1.3.3
Management von Selbstkosten
Nachdem vorangegangen die Gestaltung der Material- und Fertigungskosten dargestellt wurde, sollen nun die Möglichkeiten zur Beeinflussung der über die Herstellkosten hinausgehenden Komponenten der Selbstkosten betrachtet werden. Einfluss der Produktentwicklung auf Vertriebs- und Verwaltungskosten
Die Selbstkosten umfassen neben den im vorangegangenen Abschnitt behandelten Herstellkosten auch die Kosten für Vertrieb und Verwaltung incl. Forschung, Entwicklung und Konstruktion, die hier zusammengefasst betrachtet werden. Neben den unmittelbaren Auswirkungen auf die Produktentwicklungskosten selbst hat die Konstruktion auch Einfluss auf die Vertriebs- und übrigen Verwaltungskosten außerhalb des Konstruktionsbereichs. Der Grund hierfür liegt insbesondere in der bereits erwähnten Festlegung der Produktkomplexität durch die Konstruktion. Die Vielfalt des Produkt- und Teilespektrums stellt einen Treiber für die Vertriebs- und Verwaltungskosten dar, da komplexe Strukturen in der Regel auch komplexe und damit aufwändige Prozesse bedingen. Dies betrifft in gleichem Maß die Konstruktionsprozesse selbst. Daher können mit den im vorangegangenen Abschnitt genannten Maßnahmen zur Reduktion der Produktkomplexität nicht nur die Herstellkosten, sondern auch die Verwaltungs- und Ver-
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Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
triebskosten sowohl innerhalb als auch außerhalb von Entwicklung und Konstruktion positiv beeinflusst werden. Darüber hinaus bestehen weitere Möglichkeiten zu einer direkten Beeinflussung der Kosten für die Produktentwicklung. Diese werden nachfolgend erörtert. Gestaltungsmöglichkeiten der Produktentwicklungskosten
Die Kosten für die Produktentwicklung betragen unterschiedlichen Studien zufolge durchschnittlich etwa 10% der Gesamtkosten eines Unternehmens des Maschinenbaus. Die angegeben Schwankungsbreiten reichen dabei von ca. 5% bei Unternehmen mit Großserienfertigung bis zu 15% bei solchen mit Einzelfertigung (vgl. Cueva 2004, S. 16). Die Struktur der Entwicklungskosten stellt sich gemäß einer VDMA-Studie im Mittel wie in Abb. 1-15 gezeigt dar.
Materialkosten (4,9 %) Personalkosten (69,1 %)
Raumkosten (4,7 %) CAD-Kosten (4,2 %) Kosten für Fremdvergabe (4,5 %) EDV-Kosten ohne CAD (1,6 %) Reisekosten (1,6 %) sonstige Kosten (9,4 %)
Abb. 1-15. Struktur der Entwicklungskosten (nach Ehrlenspiel 2003, S. 276)
Auch wenn anzunehmen ist, dass seit dieser Untersuchung der Anteil der CAD-Kosten zugenommen hat, kommt den Personalkosten eindeutig ein sehr dominierender Anteil an den gesamten Kosten der Entwicklung zu. Die Maßnahmen, mit denen die Kosten der Produktentwicklung positiv beeinflusst werden können, lassen sich prinzipiell zwei Kategorien zuordnen: Zum einen können diese Maßnahmen dazu dienen, die Entwicklungstiefe, also die durch den Anteil der fremdvergebenen Leistungen determinierte Leistungstiefe in der Entwicklung, zu optimieren. Zum anderen kann
Kostenmanagement im Konstruktionsprozess
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angestrebt werden, die Effizienz der eigenen Entwicklungstätigkeit zu steigern, so dass die durch das Erreichen eines vorgegebenen Entwicklungsziels verursachten Kosten reduziert werden. Beide Ansatzpunkte werden nachfolgend erörtert. Optimieren der Entwicklungstiefe
Die Entwicklungskosten stellen ein wesentliches Kriterium bei Entscheidungen zur Entwicklungstiefe dar. Werden die Kosten von interner und externer Entwicklung verglichen, so hängt es von der Fristigkeit der Entscheidung ab, ob den externen Kosten die internen Voll- oder die Teilbzw. variablen Kosten gegenüber gestellt werden. Auch wenn die externen Stundensätze häufig unter den intern errechneten Vollkosten liegen (etwa aufgrund einer Spezialisierung des Lieferanten und den damit verbundenen Produktivitätsfortschritten), wird kurzfristig unter Kostenaspekten oft eine interne Entwicklung vorteilhaft sein, da dann lediglich die variablen Kosten entscheidungsrelevant und in den Kostenvergleich einzubeziehen sind. Außerdem muss bei der externen Entwicklung der zusätzliche Aufwand berücksichtigt werden, der durch die Informations- und Verwaltungsschnittstellen zum Lieferanten entsteht. Wie hoch dieser Aufwand ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Möglichkeiten zur Steuerung der Kosten liegen hierbei unter anderem in der Koordinationsform und der Häufigkeit, mit welcher der Austausch von Entwicklungsleistungen wiederholt wird. In der Regel sind die Transaktionskosten nicht gleichmäßig über die gesamte Zeit der Lieferantenbeziehung verteilt, sondern verringern sich mit deren zunehmenden Dauer. Daher erfolgt eine Beurteilung des Werts der Geschäftbeziehung zweckmäßigerweise auf Basis des so genannten Customer Lifetime Value-Ansatzes, der den verschiedenen Phasen einer solchen Zusammenarbeit Rechnung trägt. Allerdings wird bei kurzfristigen Entscheidungen die Wahl zwischen interner oder externer Entwicklungsleistung meist weniger von dem Ziel geleitet werden, die gesamten Entwicklungskosten zu minimieren. Hier wird vielmehr der Aspekt im Vordergrund stehen, ob ein Entwicklungsauftrag angenommen werden kann oder aufgrund zu geringer quantitativer oder qualitativer Kapazität zurückgestellt bzw. abgelehnt werden müsste, wenn keine Fremdvergabe stattfindet. Der Grund dafür, dass Entscheidungen zur Entwicklungstiefe unter Gesichtspunkten des Kostenmanagements meist strategischen Charakter haben, liegt darin, dass die Entwicklungskosten in der Regel zu einem großen Teil fix sind und daher Maßnahmen zu ihrer Steuerung nur mittelfristig eine Wirkung entfalten können. Ausnahmen hiervon sind z.B. durch Überstunden verursachte Gehaltsbestandteile. Ein Beispiel für eine strategische
Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
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Optimierung der Entwicklungstiefe könnte eine Verringerung derselben sein, um den Anteil der Fixkosten zu reduzieren, womit sich wiederum bei einem niedrigeren Beschäftigungsgrad geringere Gesamtkosten erreichen lassen. Nichtsdestoweniger müssen jedoch bei der Optimierung der Leistungstiefe, wie bei jeder Make-or-Buy-Entscheidung, neben den Kosten auch eine Reihe weiterer Aspekte berücksichtigt werden. Hierzu zählen z.B. die Gefahren von Know-how-Verlust, Lieferausfall und Qualitätsproblemen. Steigern der Entwicklungseffizienz
Der Umstand, dass trotz der hohen Kostenbeeinflussung die Konstruktion und Entwicklung selbst nur einen verhältnismäßig geringen Teil der Produktkosten verursacht, könnte den Gedanken nahe legen, in diesem Bereich keine Rationalisierungsmaßnahmen durchzuführen, da die Gefahr besteht, dass zwar die Entwicklungskosten gesenkt werden können, gleichzeitig aber die Kosten der nachgelagerten Bereiche steigen, weil durch verknappte Ressourcen in der Entwicklung die Erfolge eines kostenbewussten Konstruierens geschmälert werden. Dies ist zwar insofern richtig, als der Verzicht auf Qualifizierungsmaßnahmen, EDV-Unterstützung etc. sowie erhöhter Zeitdruck bei der Entwicklung zweifelsohne einen negativen Effekt auf die Produktkostenbeherrschung haben können. Nichtsdestoweniger sind Maßnahmen zur Steigerung der Entwicklungseffizienz, also dem Verhältnis von Leistung zu Kosten der Entwicklung, dann sinnvoll, wenn sie
das kostenbewusste Konstruieren unterstützen und dabei gleichzeitig den Arbeitsaufwand in der Entwicklung und damit die Entwicklungskosten reduzieren oder
die Art der Entwicklungstätigkeiten eine Rationalisierung, Standardisierung oder Priorisierung erlaubt, die keine negativen Auswirkungen auf das kostenbewusste Konstruieren hat.
Eine Maßnahme, die das kostenbewusste Konstruieren unterstützt und gleichzeitig den Arbeitsaufwand in der Entwicklung reduziert, ist die bereits erwähnte Produkt- und Teilestandardisierung, mit deren Hilfe sich die Kosten senken lassen, welche durch die Komplexität bedingt werden. Eine Steigerung der Entwicklungseffizienz kann auch mithilfe des Simultaneous Engineering erreicht werden. Dies stellt streng genommen weniger eine eigenständige Methode als vielmehr einen Grundsatz des FuE-Managements dar. Ziel des Simultaneous Engineering ist eine zielgerichtete, integrierte und zeitparallele Produkt- und Prozessgestaltung,
Kostenmanagement im Konstruktionsprozess
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mit der unter anderem die gesamten Produktkosten gesenkt werden sollen, während die Entwicklungskosten dabei zumindest unverändert bleiben oder ebenfalls gesenkt werden. Zu den Elementen des Simultaneous Engineering zählen neben der Parallelisierung von Produkt- und Fertigungsentwicklung auch die Standardisierung von Abläufen, Arbeit im interdisziplinären Team und die Intensivierung der frühen Produktentwicklungsphasen. Rationalisierung, Standardisierung und Priorisierung von Entwicklungstätigkeiten
Auch bei dem von Kreativität geprägten Konstruieren gibt es viele Routineabläufe, die Rationalisierungsbestrebungen auch unter dem Gesichtspunkt des kostenbewussten Konstruierens zulassen. Hierbei ist zwischen den verschiedenen Konstruktionsarten zu unterscheiden: Während bei Neukonstruktionen der Innovationsgrad meist sehr hoch ist, haben Anpassungs- und Variantenkonstruktionen einen nennenswerten Anteil an Routinetätigkeiten, bei denen Analogien zu Fertigungsprozessen bestehen. Besonders in diesem Bereich können Rationalisierungsmaßnahmen wie z.B. höhere Arbeitsteilung oder andere Maßnahmen zur Senkung der komplexitätsbedingten Kosten umgesetzt werden. Neben einer Reduktion der Produkt- und Teilevielfalt kann die Komplexität in der Entwicklung auch durch Maßnahmen zur Standardisierung und Priorisierung, welche sich auf die Entwicklungsprozesse selbst beziehen, gesenkt werden. Ziel solcher Maßnahmen des Prozessmanagements ist eine Effektivität- und Effizienzsteigerung der betrachteten Prozesse. So trägt das Standardisieren der Tätigkeiten, aus denen sich die einzelnen Prozesse zusammensetzen, analog zum Fertigungsbereich auch in der Entwicklung tendenziell zu einer Aufwandsreduzierung bei. Eine Standardisierung des Konstruktionsprozesses lässt sich erreichen, indem das Vorgehen bei wiederkehrenden Entscheidungsprozessen festgelegt und dokumentiert wird. Dies kann sich sowohl auf konstruktive Prozesse beziehen, als auch auf solche, welche die Steuerung von Entwicklungsabläufen betreffen. Der erste Fall betrifft nicht nur den Einsatz von Wiederhol- und Gleichteilen, sondern prinzipiell alle konstruktiven Lösungen. Hier eignet sich der Einsatz von (idealerweise unternehmensspezifischen) Konstruktionskatalogen, in denen bewährte technische Lösungen dargestellt sind und die so einen schnellen und aufgabenorientierten Zugriff auf solche Lösungen ermöglichen. Bei Routinevorgängen im Konstruktionsprozess kann zudem ein hoher Grad an EDV-Unterstützung dazu beitragen, dass diese Vorgänge schnell und fehlerfrei abgewickelt werden. Bei Entscheidungsprozessen, die den Ablauf eines Entwicklungsprojekts betreffen, können
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Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
Regeln für den gesamten Ablauf und Teilabläufe in einem Projekthandbuch festgelegt werden. Weitere Inhalte eines solchen Handbuchs sind z.B. einzusetzende Arbeitsmethoden und -hilfsmittel oder Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Letzteres spielt insbesondere beim Änderungsmanagement eine wichtige Rolle, da hier die fallbezogene Klärung von Zuständigkeiten und Entscheidungswegen sehr zeit- und damit kostenintensiv sein kann. Das Priorisieren der verschiedenen Projekte eines Entwicklungsprogramms ist notwendig, da in der Regel in einem Unternehmen mehrere solche Projekte parallel bearbeitet werden, wobei Mitarbeiter häufig in unterschiedliche Projekte gleichzeitig eingebunden sind. Sind die Prioritäten der verschiedenen Projekte nicht eindeutig geklärt, so führt dies beinahe zwangsläufig zu Effizienzeinbußen, da Koordinationschwierigkeiten und z.B. sich widersprechende Zielsetzungen von Vertrieb und Geschäftsleitung unnötigen Aufwand verursachen. Wird die Entwicklungsleistung für Projekte erbracht, die in Bezug auf die Unternehmensziele unwichtig sind, so kann dies darüber hinaus dazu führen, dass selbst mit einer technisch guten Entwicklungsleistung nur ein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten geringer Entwicklungsoutput erzielt wird. Daher ist es notwendig, die Entwicklungsprojekte gemäß ihrer Wichtigkeit und Dringlichkeit zu ordnen und entsprechende Schwerpunkte zu bilden. Als Anhaltspunkte für eine solche Einschätzung sind neben den Marktanforderungen auch die voraussichtliche Projektrendite und die benötigten Entwicklungskapazitäten zu berücksichtigen. Bei der eigentlichen Durchführung der Entwicklungsprojekte wiederum ist es vorteilhaft, wenn Mitarbeiter schwerpunktmäßig nur in einem Projekt eingesetzt werden. Um den Erfolg der genannten Maßnahmen steuern zu können, ist es notwendig, Entwicklungskosten, -zeiten und -qualität mit Hilfe von Controllingmaßnahmen zu planen und zu kontrollieren, die auf den Entwicklungs- bzw. Konstruktionsbereich und dessen Prozesse ausgerichtet sind. Für die verursachungsgerechte Zuordnung der in diesem Bereich dominierenden Gemeinkosten eignet sich die Prozesskostenrechnung (vgl. Abschnitt 1.2.2). Weiterhin sollte eine wie im Abschnitt 5 beschriebene konstruktionsbegleitende Kalkulation Bestandteil eines solchen Controllings sein. Mit deren Hilfe können Plan-/Istabweichungen bei den Produktkosten frühzeitig erkannt werden, so dass Anzahl und Umfang der Iterationen im Konstruktionsprozess, die zum Beheben der festgestellten Abweichungen notwendig sind, reduziert werden. Neben solchen gezielten Rationalisierungsmaßnahmen im organisatorischen Bereich können auch mit Veränderungen der Ressourcenstruktur eine Verkürzung der Entwicklungsdauer und damit eine Reduktion der Kosten erreicht werden. Hierzu zählen z.B. Maßnahmen im Personalbe-
Kostenmanagement im Konstruktionsprozess
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reich wie Mitarbeiterqualifikationen oder auch der verstärkte EDV-Einsatz für Berechnungs- oder Informationsprozesse. 1.3.4
Management von Lebenszykluskosten
Lebenszyklusbezogene Kostenbetrachtung
Die Lebenszykluskosten (auch „Lebenslaufkosten“ oder „Life-cycle-costs“) umfassen, aus der Sicht des Produktnutzers betrachtet, sämtliche Kosten, die bei ihm aufgrund des Kaufs und der Nutzung des Produktes anfallen. Neben den Anschaffungskosten enthalten sie somit auch die Kosten für Betrieb, Instandhaltung und Entsorgung bzw. Recycling des Produktes. Die Struktur der Lebenszykluskosten kann zwischen verschiedenen Produktarten sehr stark variieren, wie in Abb. 1-16 beispielhaft dargestellt, wobei die konkrete Ausprägung der Kosten von weiteren Parametern wie z.B. der Nutzungshäufigkeit und -dauer sowie der gesamten Lebensdauer des Produktes abhängt. 100%
Betriebskosten Instandhaltungskosten
Lebenszykluskosten
Entsorgungskosten Anschaffungskosten 0%
Hammer
Pkw
Wasserwerkpumpe
Abb. 1-16. Verschiedene Strukturen von Lebenszykluskosten (nach Ehrlenspiel et al. 2007, S. 129)
Sind die durch ein Produkt für den Kunden entstehenden Kosten, die erst nach dem Kauf anfallen, nicht vernachlässigbar, so sollte der Produzent diesem Umstand Rechnung tragen und der Minimierung der gesamten
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Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
Produktlebenszykluskosten Priorität einräumen. Dies kann zur Folge haben, dass also z.B. auch höhere Herstellkosten bei insgesamt niedrigeren Lebenszykluskosten akzeptiert werden können. Um mit einem solchen Vorgehen Wettbewerbsvorteile zu generieren, muss allerdings die Voraussetzung erfüllt sein, dass Berechnungen der Lebenszykluskosten auf der Käuferseite auch tatsächlich konsequent durchgeführt werden und sich der Kunde nicht, ungeachtet geringer Lebenszykluskosten, ausschließlich oder vorwiegend am Verkaufspreis orientiert. Der starke Einfluss, den der Konstrukteur auf den gesamten Produktlebenszyklus hat, bezieht sich ebenfalls auf dessen Kosten und übersteigt auch hier den der anderen Unternehmensbereiche deutlich. Daher müssen bei der Produktentwicklung die Auswirkungen konstruktiver Entscheidungen auf die Kosten für Betrieb, Instandhaltung und Entsorgung bzw. Recycling eines Produktes berücksichtigt werden, wie es beim Life Cycle Costing der Fall ist. Dieses Vorgehen kann mitunter dadurch erschwert werden, dass die Daten über Lebenslaufkosten nur schwer zu erhalten sind, woran bislang auch die Weiterentwicklung des Produktdatenmanagements hin zu Systemen des „Product Lifecycle Management“ (PLM) wenig geändert hat. PLM soll die Verfügbarkeit von Informationen über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg sicherstellen, der Kostenaspekt jedoch wird bei den derzeit vorhandenen PLM-Systemen nur sehr unzureichend berücksichtigt. Life Cycle Costing ist häufig ein Bestandteil des Life Cycle Design, das neben den ökonomischen auch ökologische Aspekte des Produktlebenszyklus berücksichtigt und seinen Ursprung in dem seit den 70er Jahren stetig zunehmenden ökologischen Bewusstsein findet. Begrenzte Ressourcen und die beschränkte Aufnahmefähigkeit der Umwelt für Emissionen erfordern eine Produktgestaltung, die eine umweltverträgliche Produktnutzung sicherstellt und eine Verwertung von nach dem Gebrauch entstehenden Abfällen ermöglicht. Werden die in den nachfolgenden Abschnitten beschrieben Maßnahmen zur Beeinflussung der Lebenszykluskosten erwogen, so sollten dabei auch unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Auswirkungen auf die übrigen Produkteigenschaften berücksichtigt werden, da sich der Konstrukteur wie häufig auch hier im Spannungsfeld zwischen Nutzen und Kosten bewegt. Dementsprechend ist neben den Kosten auch der Produktnutzen aus der Kundenperspektive zu betrachten. Dies kann bei der Produktentwicklung beispielsweise die Entscheidung bedingen, höhere Wartungskosten in Kauf zu nehmen, wenn sich dadurch die Wartungsdauer verkürzen lässt, da diese für den Kunden zu einer Umsatzschmälerung führt. Gleichzeitig sind Differenzierung und Flexibilitätssteigerung auch für den Kunden eine Möglichkeit, um auf den Kostendruck zu reagieren,
Kostenmanagement im Konstruktionsprozess
53
so dass unter Umständen eine Verbesserung der Leistungsmerkmale eines Produktes zielführender sein kann als ein weiteres Kostensenken. Gestaltung der Betriebs- und Instandhaltungskosten
Um ein Produkt auch in Bezug auf die Betriebs- und Instandhaltungskosten zu optimieren, ist es notwendig, die bei der Nutzung des Produktes ablaufenden Prozesse zu analysieren. Hierdurch lässt sich nicht nur das Verhältnis der für den Käufer entstehenden Anschaffungs-, Betriebs- und Instandhaltungskosten abschätzen, sondern es kann auch jeweils die Struktur der Betriebs- und der Instandhaltungskosten selbst ermittelt werden. Die Struktur der Betriebskosten gibt Aufschluss darüber, welche Anteile jeweils die Kosten von z.B. Betriebs- und Hilfsstoffen oder Maschinenbedienung haben, so dass deutlich wird, an welcher Stelle eine Optimierung der Produkteigenschaften den höchsten Nutzen bringt. Eine weitere Analyse der Betriebskosten kann auch dahingehend erfolgen, dass die Kosten der „sekundären Produkte“ berechnet werden, die zumindest teilweise aus den Betriebskosten resultieren. Sekundäre Produkte sind die Produkte, welche mit der betrachteten Maschine oder Anlage hergestellt werden sollen. Mit einer solchen Betrachtung, bei der also z.B. bei einem Kraftwerk die Kosten für die Produktion einer kWh oder bei einem Lkw die Kosten pro zurückgelegtem km berechnet werden, wird der Perspektive des Kunden noch stärker Rechnung getragen. In Kombination mit der Kostenstrukturanalyse können dann die meist sehr produkt- bzw. anwendungsspezifischen Maßnahmen identifiziert werden, mit denen sich die Betriebskosten steuern lassen. Beispiele für Maßnahmen, die in den meisten Fällen zu einer Reduktion der Betriebskosten führen können, sind eine Maschinen- bzw. Anlagengestaltung, die Energieverluste (z.B. durch Wandlung oder Reibung) so weit wie möglich senkt und somit die Energiekosten reduziert. Hier hat das Konstruktionsprinzip einen maßgeblichen Einfluss, so sind z.B. in der Regel mechanische Getriebe verlustärmer als hydrodynamische. Um die Kosten für Betriebs- und Hilfsstoffe zu reduzieren, sollten soweit wie möglich Standardstoffe vorgesehen werden. Die Instandhaltungskosten resultieren aus den Maßnahmen zur Erhaltung und Wiederherstellung der Funktionstüchtigkeit von Betriebsmitteln. Die Instandhaltung umfasst hierbei die Wartung, Inspektion und Instandsetzung (vgl. Abb. 1-17).
Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
54
Instandhaltung
Wartung
Inspektion
Sollzustand bewahren
Ist-Zustand = Soll-Zustand?
Instandsetzung
nein
Sollzustand wiederherstellen
ja
Abb. 1-17. Bestandteile und Prozesse der Instandhaltung
Die Wartung beinhaltet sämtliche Tätigkeiten, die der Bewahrung eines definierten Soll-Zustands einer Maschine oder Anlage dienen. Zu diesen Tätigkeiten zählen z.B. das Reinigen, Pflegen, Ölen, Schmieren etc. Hierbei können auch Betriebsmittelteile vorbeugend ausgetauscht werden, um Stillstände weitgehend zu vermeiden. Bei der Inspektion wird durch Messen oder Inaugenscheinnahme der IstZustand eines Betriebsmittels festgestellt und mit dem definierten SollZustand verglichen. Wird bei der Inspektion eine Abweichung des Ist-Zustands vom SollZustand festgestellt, so wird im Rahmen der Instandsetzung der SollZustand wieder hergestellt, indem Baugruppen oder Bauelemente ausgetauscht oder repariert werden. Der Nutzer einer Maschine beeinflusst die Instandhaltungskosten unter anderem durch das Instandhaltungskonzept, welches neben geringen Instandhaltungskosten auch eine möglichst große Maschinenverfügbarkeit (und damit geringe Ausfallkosten) zum Ziel hat. Die Einflussmöglichkeit des Konstrukteurs auf die Instandhaltungskosten liegt in der instandhaltungsgerechten Konstruktion. Diese sollte insbesondere auf die Erfüllung der folgenden Anforderungen gerichtet sein:
Lange Inspektions- und Wartungsintervalle
Wenige Schmierstellen, kein Einsatz von Sonderschmierölen, nach Möglichkeit Lebensdauerschmierung
Kostenmanagement im Konstruktionsprozess
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Übersichtliche Anzeige von Überwachungsdaten und Messgrößen
Notwendigkeit nur weniger Montageoperationen bei einer etwaigen Instandsetzung
In Bezug auf die Instandsetzungen ist auch nochmals auf den Einfluss von Entscheidungen zur Integral- bzw. Differentialbauweise (vgl. Abschnitt 1.3.2) hinzuweisen, von denen abhängt, wie viele Funktionsträger z.B. bei Verschleiß eines einzelnen Trägers ausgetauscht werden müssen. Neben diesen Aspekten ist auch die Baugröße eines Produktes zu beachten, da mit ihr Einfluss auf die Betriebs- und Instandhaltungskosten genommen werden kann: Wie vorangegangen beschrieben, nehmen die Herstellkosten tendenziell mit der Baugröße zu. Dies trifft häufig ebenfalls, wenn auch weniger stark, für die Betriebskosten zu. Der Grund hierfür liegt darin, dass der Verbrauch an Energie und anderen Betriebsstoffen mit zunehmender Baugröße meist ebenfalls steigt. Die Instandhaltungskosten hingegen sinken häufig mit steigenden Produktabmessungen. Eine größere Auslegung kann zwar zu höheren Kosten pro Wartung oder Instandsetzung führen, durch die niedrigere spezifische Beanspruchung der Maschinen- oder Anlagenteile reduziert sich aber in der Regel auch das Ausfallrisiko, so dass sich die Inspektionsintervalle verlängern und weniger Instandsetzungen notwendig werden. In Abb. 1-18 sind der Kostenverlauf der Herstell-, Betriebs- und Instandhaltungskosten sowie die daraus resultierenden gesamten Lebenszykluskosten in Abhängigkeit von der Baugröße schematisch dargestellt. Wie in der Abbildung gezeigt, existiert eine Baugröße, bei welcher die Summe der dargestellten Kosten ihr Minimum annimmt und die daher nach diesem Kriterium optimal ist. Gestaltung der Entsorgungskosten
Wie bei den übrigen Bestandteilen der Lebenszykluskosten, die für den Kunden über die Anschaffungskosten hinausgehen, liegt die Motivation des Herstellers zum Senken der Entsorgungskosten insbesondere darin, dass der Käufer dies möglicherweise honoriert, z.B. durch die Zahlung eines höheren Preises. Nimmt der Hersteller, entweder freiwillig oder auf Basis einer gesetzlichen Verpflichtung, das Produkt nach dessen Nutzung vom Käufer zurück, so kann er auch direkt von den niedrigeren Entsorgungskosten profitieren. Ist eine erneute Verwendung von Produkten oder Produktkomponenten möglich, lässt sich mit den ursprünglich eingesetzten Ressourcen ein höherer Nutzen erzielen.
Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
Kosten
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Lebenszykluskosten ohne Entsorgung Herstellkosten
Betriebskosten Instandhaltungskosten technische Grenze
lebenszykluskostenoptimale Baugröße
Baugröße
Abb. 1-18. Lebenszykluskosten in Abhängigkeit von der Baugröße (nach Ehrlenspiel et al. 2007, S. 194)
Um die Entsorgungskosten gezielt beeinflussen zu können, müssen die Anforderungen der Entsorgung geklärt werden. Dies kann in einem iterativen Prozess geschehen, in welchem zum einen die Entsorgungsprozesse festgelegt werden (z.B. Demontage, Shreddern, Pressen etc.), und zum anderen anhand dieser Prozesse die daraus resultierenden Anforderungen der Entsorgung weiter konkretisiert werden. Mit Hilfe des so genannten Rückgewinnungsgraphen kann dabei bewertet werden, ob es möglich sein wird, Komponenten zu verwenden oder zu verwerten oder ob sie beseitigt werden müssen (vgl. Abb. 1-19). Auf Basis des Rückgewinnungsgraphen lassen sich Umfang und Ablauf von möglichen Demontagealternativen nach technischen und wirtschaftlichen Kriterien bewerten. So ist z.B. nach Festlegung eines Demontagevorgangs zu klären, ob der Aufwand einer weiteren Demontage im Hinblick auf die Erlöse der demontierten Komponenten bzw. die Einsparung von Beseitigungskosten wirtschaftlich sinnvoll ist. Dabei ist zwischen den folgenden Fällen zu unterscheiden: 1. Verwendung: Hierbei werden das Produkt oder Komponenten davon nach einer Aufarbeitung erneut eingesetzt. Die Produkt- bzw. Bauteilgestalt bleibt dabei zumindest weitgehend erhalten.
Kostenmanagement im Konstruktionsprozess
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2. Verwertung: Diese Recyclingform betrifft die Werkstoffe. Bei ihr wird nach Auflösung der Produktgestalt nur das Material wieder verwendet, was möglicherweise eine Aufbereitung notwendig macht. 3. Beseitigung: Hiermit wird das in der Regel mit Kosten verbundene Deponieren oder Verbrennen (ohne Energiegewinnung) der Produktbestandteile gekennzeichnet.
Produkt
Baugruppe / Komponente
Demontagemöglichkeiten
Baugruppe / Komponente
Aufarbeitung
Verwendung
Aufbereitung
Verwertung
Beseitigung
Recycling-Prozessoptionen für jedes Demontageobjekt
Abb. 1-19. Rückgewinnungsgraph (nach Seliger et al. 1997, S. 71)
In der VDI-Richtlinie 2243 zum recyclinggerechten Konstruieren werden praktische Maßnahmen dargestellt, mit denen der Konstrukteur eine Verringerung der Entsorgungskosten erreichen kann. Zu diesen Maßnahmen zählen: Einsatz von weiter verwendbaren Materialien Verbindungen demontierbar gestalten, so dass sich die wieder
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Kostenbewusstes Konstruieren – eine interdisziplinäre Herausforderung
verwendbaren Produktkomponenten schnell und einfach lösen lassen Leichte Entfernbarkeit von Schadstoffen Minimierung der Anzahl unterschiedlicher Werkstoffe
Insbesondere bei Produkten, deren Nutzungsdauer sich über mehrere Jahre erstreckt, stellt es beim entsorgungsgerechten Konstruieren eine Schwierigkeit dar, dass zum Konstruktionszeitpunkt die Informationen über Art und Umfang der Ressourcenrückgewinnung noch nicht vollständig vorliegen. So hängt die Entscheidung darüber, welche Komponenten verwendet und welche Materialien verwertet werden können, auch davon ab, wie sich die technischen Möglichkeiten und die künftigen ökonomischen, gesetzlichen und ökologischen Rahmenbedingungen voraussichtlich entwickeln werden. Die Prognose der Lebenszykluskosten ist daher auch aus diesem Grund meist mit Unsicherheiten behaftet. Diesen Unsicherheiten lässt sich z.B. mit Hilfe der Szenariotechnik begegnen, indem zukünftige Szenarien entwickelt werden und dabei analysiert wird, welche Faktoren Einfluss auf die Szenarien nehmen und welche Ausprägungen diese dabei annehmen können.
2 Target Costing
2.1
Methodik des Target Costing*
2.1.1
Einführung
Mit dem aus Japan stammenden Target Costing bzw. marktorientierten Zielkostenmanagement wird bezweckt, über eine vom Markt ausgehende, kostenorientierte Steuerung von produktbezogenen Unternehmensaktivitäten die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Anwendungsschwerpunkt ist die Entwicklung und Einführung neuer Produkte. Beim Target Costing werden zunächst die Kundenwünsche analysiert, um festzustellen, wie viel ein Produkt kosten darf. Dann sind unter Berücksichtigung der verfügbaren Ressourcen Zielkosten für dieses Produkt sowie für die diesem zugeordneten Funktionen und / oder Komponenten zu bestimmen. Diese Zielkosten haben eine Orientierungsfunktion für den Leistungserstellungs- und Leistungsverwertungsprozess; die sie beeinflussenden Maßnahmen des Unternehmens müssen auf ihre Erreichung abzielen. Im Einzelnen lässt sich Target Costing durch die folgenden Merkmale charakterisieren:
*
Ausrichtung der Aktivitäten auf den Markt, die Kundenwünsche und die Produktfunktionen.
Kostenorientierte Steuerung von Unternehmensaktivitäten im gesamten Produktlebenszyklus, vor allem der Produktentwicklung und -einführung.
Bestimmung von Zielkosten für Produkte sowie deren Funktionen und / oder Komponenten.
Streben nach permanenter Verbesserung der Kostensituation.
Einflussnahme auf das Verhalten der Mitarbeiter und insbesondere deren Kostenbewusstsein.
Von Uwe Götze und Jan O. Fischer
Target Costing
60
Mit der Anwendung des Target Costing wird angestrebt, eine Reduktion der Kosten herbeizuführen, die ein Produkt während seines Lebenszyklus verursacht (vgl. Abschnitt 1.3.4). Gleichzeitig wird darauf abgezielt, die Produkte möglichst gut auf die Kundenwünsche abzustimmen. In diesem Zusammenhang sollen vor allem Fehler bei der Produktentwicklung vermieden werden, die dazu führen, dass Produkte – eventuell aufgrund nicht gewünschter oder zu teurer Zusatzfunktionen – mit zu hohen Kosten bzw. Preisen auf den Markt gelangen. 2.1.2
Ablauf des Target Costing
Der Ablauf des Target Costing lässt sich in vier Hauptschritte untergliedern (vgl. Abb. 2-1).
1. Produktplanerstellung Marktforschung / Kundenanfrage
Produkteigenschaften / -funktionen festlegen
3. Zielkostenspaltung
Unternehmensplan 2. Zielkostenbestimmung
Verkaufspreis festlegen
Gewinnzuschlag
Zielkosten Produkt bestimmen
Komponentenkonzept festlegen
Zielkosten auf Komponenten spalten
4. Zielerreichung Simultane Erreichung von Zielkosten und Produkteigenschaften
Abb. 2-1. Ablauf des Target Costing (nach Seidenschwarz 2002, S. 57)
Methodik des Target Costing
61
Schritt 1: Erstellung eines Produktplans Dieser erste Schritt als Ausgangspunkt des Target Costing wird auf Basis der verfolgten Unternehmensgesamt- und Geschäftsbereichsstrategien durchgeführt. Ausgehend von den Kundenwünschen werden die wesentlichen Produkteigenschaften bzw. -funktionen festgelegt. Bei einem anonymen Käufermarkt erfolgt die Ermittlung der Kundenwünsche mit Hilfe der Methoden, welche die Marktforschung zur Verfügung stellt. Schritt 2: Zielkostenbestimmung für das Produkt Hierbei können grundsätzlich verschiedene Ansätze gewählt werden. So ist eine Orientierung an den Kosten des Unternehmens oder der Wettbewerber sowie am erzielbaren Marktpreis möglich. Im Einzelnen bestehen die folgenden Möglichkeiten zur Bestimmung der Zielkosten (vgl. Seidenschwarz 1991, S. 62 f.):
„Market into Company“ (Ausrichtung am erzielbaren Marktpreis).
„Out of Company“ (Ableitung aus realisierten Kosten, die zur Prognose der Produktkosten in Abhängigkeit von quantifizierbaren Produktmerkmalen genutzt werden).
„Into and Out of Company” (Verbindung zwischen Market into Company und Out of Company).
„Out of Standard Costs“ (Ableitung der Zielkosten unter Nutzung von Abschlägen auf die eigenen Standardkosten, d.h. die Kosten, die mit den aktuellen Verfahrensweisen erreichbar sind).
„Out of Competitor“ (Orientierung an den Kosten bzw. Preisen des führenden Wettbewerbers).
Da mit dem Market into Company am ehesten die angestrebte Marktorientierung des Target Costing erreicht werden kann, soll im Folgenden nur dieser Ansatz behandelt werden (von ihm wird auch in Abb. 2-1 ausgegangen). Beim Market into Company sind, sofern es sich nicht um Individualprodukte mit vom Abnehmer festgelegten Produkteigenschaften handelt, zunächst fundierte Marktforschungsaktivitäten erforderlich, um Erkenntnisse über den Wert zu gewinnen, den die Kunden den von ihnen gewünschten Produkteigenschaften (einschließlich Preisen) beimessen. Dafür erscheint besonders die Conjoint-Analyse geeignet. Bei dieser kann die Präferenzwirkung der einzelnen Produktmerkmale unter Einbeziehung von Preisvorgaben ganzheitlich gemessen und damit die Präferenz der Kunden für verschiedene Kombinationen von Produkteigenschaften sowie -preisen erklärt und prognostiziert werden (vgl.
62
Target Costing
Schubert 1991). Als Ergebnis der Marktforschungsaktivitäten ist – für ein bestimmtes Absatzvolumen, einen langfristigen Zeitraum und eine spezifische Wettbewerbskonstellation – der (Durchschnitts-)Preis zu ermitteln, den die Kunden für ein Produkt zu zahlen bereit sind und der daher in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit realisierbar sein wird. Von diesem „erlaubten Preis“ eines Produktes wird ein angestrebter Gewinnanteil subtrahiert. Das Resultat, die „vom Markt erlaubten Kosten“ oder „allowable costs“, können als Zielkosten, also „target costs“, angesetzt werden. Diese haben, wie sich aus dem beschriebenen Vorgehen bei ihrer Bestimmung ableiten lässt, einen Vollkostencharakter. Häufig liegen die allowable costs jedoch weit unter den mit den aktuellen Verfahrensweisen erreichbaren Kosten, also den Standardkosten (diese werden zum Teil auch als „drifting costs“ bezeichnet). Die Zielkosten des Produktes werden dann zumeist im Bereich zwischen den erlaubten Kosten und den Standardkosten festgelegt. Eine solche – wenn auch häufig vorgeschlagene – Vorgehensweise genügt jedoch offensichtlich keinen Anforderungen an Konsequenz und Transparenz. So bleibt z.B. völlig offen, wie die Differenz zwischen den Zielkosten und den erlaubten Kosten letztlich zu behandeln ist – wird der geplante Gewinnzuschlag entsprechend geschmälert, oder soll versucht werden, einen höheren Preis als ursprünglich angenommen zu realisieren? Wenn die „erlaubten Kosten“ voraussichtlich nicht erreicht werden können, bietet sich als Alternative zu einem solchem „Aufweichen“ des Ziels das in Abb. 2-2 gezeigte Entscheidungs- und Vorgehensschema an. Hiermit kann die Bestimmung der sinnvollen Zielkosten und damit auch des Gewinnanteils von der jeweiligen Wettbewerbssituation und der verfolgten Strategie abhängig gemacht werden – bis hin zur Akzeptanz der Nicht-Erreichung von Zielkosten bei zukunftsträchtigen, „strategischen“ Produkten. Gleichzeitig bleiben die getroffenen Entscheidungen eindeutig und nachvollziehbar. Als weiterer Vorteil kann gesehen werden, dass den Verantwortlichen die gegebenenfalls notwendigen Entscheidungen eindeutig aufgezeigt werden, bis hin zum Abbruch des Projekts zur Produktentwicklung und -einführung. Die in der Abbildung gezeigte Vorgehensweise hat einen rein schematischen Charakter; praktische Anwendungsfälle können auch ein iteratives Durchlaufen der einzelnen Schritte mit Rücksprüngen notwendig machen. Ebenso kann dem Entschluss zur Einführung des Produktes auch eine Kombination der einzelnen Maßnahmen vorangehen. Schritt 3: Zielkostenspaltung Der dritte Schritt des Target Costing umfasst die Zielkostenbestimmung für die Produktfunktionen und / oder -komponenten (Zielkostenspaltung). Hierbei werden aus den Zielkosten des Produktes Kostenvorgaben für
Methodik des Target Costing
63
Produktfunktionen bzw. -komponenten abgeleitet.
Zielkosten erreichbar?
Ja
Zielkosten akzeptieren
Ja
Zielkosten ändern
Nein Verkaufspreis änderbar?
Produkt einführen
Nein Funktionalität änderbar?
Ja
Zielkosten akzeptieren bzw. ändern
Ja
Zielkosten ändern
Nein Strategisches Produkt? Nein Projekt abbrechen
Abb. 2-2. Vorschläge zur Vorgehensweise bei nicht erreichbaren Zielkosten (nach Cooper u. Slagmulder 1997, S. 116)
In die Zielkostenspaltung müssen aber nicht die gesamten Zielkosten des Produktes einbezogen werden. Es bietet sich vielmehr an, von den Zielkosten des Produktes die Gemeinkosten abzuziehen, die nicht in Verbindung mit der Erfüllung von Produktfunktionen durch Komponenten entstehen. Dabei handelt es sich um produktferne Gemeinkosten (z.B. der Unternehmensführung) sowie produktbezogen entstehende, aber komponentenferne Gemeinkosten (z.B. im Marketing und in der Verwaltung). In die Zielkostenspaltung gehen dann nur die komponentenbezogenen Einzel- und Gemeinkosten ein. Diese setzen sich aus den Materialkosten der Rohstoffe und Zulieferteile, den Fertigungskosten sowie den Gemeinkosten in Einkauf, Logistik, fertigungsnahen Bereichen und Marketing, die sich Komponenten zurechnen lassen, zusammen (vgl. Seidenschwarz 1993, S. 195). Die Ermittlung der in die Zielkostenspaltung eingehenden komponentenbezogenen Einzel- und Gemeinkosten (als Anteil an den gesamten Zielkosten des Produktes) ist allerdings aufgrund der Schwierigkeit der Zurech-
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Target Costing
nung von Gemeinkosten sowie der in dieser Phase geringen Kenntnis des Produktes und seiner Komponenten problematisch. Näherungsweise kann sie mit Hilfe der Daten von Vorgängerprodukten oder Benchmarks erfolgen. Um die in die Zielkostenspaltung eingehenden Kosten den Komponenten zuzuordnen, sind prinzipiell verschiedene Methoden möglich. Im Folgenden wird ein Vorgehen beschrieben, bei dem die gesamten Kosten auf die einzelnen Komponenten anhand deren geschätzter Nutzenanteile aufgeteilt werden. Wegen ihrer starken Ausrichtung an den Kundenanforderungen erscheint diese Methode für das Target Costing besonders geeignet. Hierbei werden zunächst zur Bestimmung des Nutzenanteils die Bedeutung der Produktfunktionen bzw. -merkmale aus Kundensicht sowie die Beiträge, welche die Komponenten zur Erfüllung der einzelnen Funktionen leisten, ermittelt. Zur Berechnung des Nutzenanteils einer Komponente werden dann deren Beiträge zur Erfüllung der Funktionen mit den Bedeutungsanteilen der Funktionen gewichtet und die gewichteten Werte über alle Produktfunktionen aufsummiert. Die Zielkosten der Komponenten werden auf diese Weise als dem Nutzenanteil entsprechender Anteil an den in die Zielkostenspaltung eingehenden Kosten ermittelt. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass der bewertete Ressourceneinsatz entsprechend dem Wert der Produktfunktionen für die Kunden – und der daraus abgeleiteten Komponentenbewertung – erfolgen soll. Die einzelnen Schritte sind in Abb. 2-3 zusammengefasst dargestellt. Die auf diese Weise berechnete Differenz zwischen den prognostizierten Kosten der Produktkomponenten (Standardkosten) sowie den Zielkosten stellt dann einen Bedarf zur Kostensenkung dar, die durch geeignete Maßnahmen zu verwirklichen ist. Hinweise auf Kostensenkungspotentiale lassen sich aus den im letzten Schritt in Abb. 2-3 ermittelten Zielkostenindizes ableiten. Der Zielkostenindex einer Komponente wird oft definiert als Quotient ihres Nutzenanteils und ihres Anteils an den Standardkosten. Bei der oben angesprochenen Annahme, dass der bewertete Ressourceneinsatz entsprechend dem Nutzenanteil der Komponenten erfolgen soll, beträgt der Zielkostenindex im Idealfall für alle Komponenten Eins. Ein Wert kleiner Eins deutet darauf hin, dass eine Komponente im Vergleich zu den anderen zu „aufwändig“ gestaltet ist. Bei einem Wert größer Eins ist die Komponente evtl. zu „einfach“, da die anfallenden Kosten in Relation zu denen anderer Komponenten nicht der relativen Bedeutung entsprechen, welche die Komponente für den Kunden hat. Die Kundenwertschätzung des Produktes könnte möglicherweise durch eine aufwändigere Gestaltung deutlich gesteigert werden. Da aber lediglich das Nutzen-Kosten-Verhältnis betrachtet und die Relation zwischen Zielkosten und Standardkosten vernachlässigt wird, kann aus dem Zielkostenindex nicht auf den absoluten Kostenreduktions-
Methodik des Target Costing
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bedarf, also die Differenz zwischen den Standardkosten und den Zielkosten, geschlossen werden. Weil die Zielkosten in der Regel unter den Standardkosten liegen, wird mitunter selbst bei zu „einfachen“ Komponenten noch ein Kostenreduktionsbedarf bestehen. Gesamtfunktion 1. Komponentenkonzept festlegen
Gewichtung
2. Produktfunktionen gewichten
Nutzen- Komponentenkosten anteil Zielkosten Standardkosten
Komponente 1 Komponente 2
3. Komponenten hinsichtlich der Erfüllung der Produktfunktionen gewichten
5. Kosten einzelner Komponenten (Standardkosten) prognostizieren
Komponente n 4. Zielkosten der Komponenten berechnen
Vergleich
6. Zielkosten und Standardkosten der Komponenten gegenüberstellen und - Kostenreduktionsbedarf - Zielkostenindizes - Zielkostenkontrolldiagramm ermitteln bzw. erstellen
Abb. 2-3. Schritte der Zielkostenspaltung
Weitgehend die gleichen Aussagen wie mit der Bestimmung von Zielkostenindizes erhält man über die Positionierung der Komponenten in einem Zielkostenkontrolldiagramm mit den Achsen „Nutzenanteil“ und „Kostenanteil“. In diesem Diagramm lässt sich – mit Hilfe von Wurzelfunktionen, deren Verlauf durch einen von den Beteiligten individuell bestimmbaren Parameter (q) determiniert wird – ein Korridor abgrenzen, um die Aufmerksamkeit auf Komponenten mit besonders hohen Abweichungen vom Idealwert und zugleich aufgrund ihres Kosten- und / oder Nutzenanteils relativ hoher Bedeutung zu lenken. Diese liegen außerhalb des Korridors, der in der Nähe des Ursprungs des Koordinatensystems breiter ist. Ein entsprechendes Zielkostenkontrolldiagramm zeigt die Abb. 2-4. Die Auswahl des Parameters q wird zweckmäßigerweise in Abhängigkeit von der Anzahl der Komponenten getroffen, da deren Kosten- und Nutzenanteile
Target Costing
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mit steigender Anzahl geringer werden und die absoluten Streuungen somit tendenziell abnehmen. y Kostenanteil [%]
y = x (Ideallinie)
Zielkostenkorridor
40 'zu aufwendig' aufwändig' 30
20
Y1: y = (x2 - q2) 0,5 mit: x ≥ q Y2: y = (x2+q2) 0,5 mit: Y1 = Untere Begrenzung des Zielkostenkorridors Y2 = Obere Begrenzung des Zielkostenkorridors x = Nutzenanteil y = Kostenanteil q = Lageparameter (hier q = 15 %)
Y2
q 10
Y1
10
q
20
'zu einfach'
30
40
x Nutzenanteil [%]
Abb. 2-4. Zielkostenkontrolldiagramm (nach Horváth u. Seidenschwarz 1992, S. 148)
Aus der Interpretation der Zielkostenindizes und des Zielkostenkontrolldiagramms ergeben sich Ansatzpunkte für die Zielkostenerreichung. So sollten sich Überlegungen zur Kostensenkung vorwiegend auf „kostenintensive“ Komponenten mit einem Zielkostenindex kleiner Eins richten. Bei Komponenten mit einem Wert größer Eins kann – je nach absolutem Kostenreduktionsbedarf – eine aufwändigere Gestaltung erwogen werden, die dem Beitrag der Komponente zur Erfüllung der Produktfunktionen gerecht wird und die Kundenzufriedenheit erhöht. Allerdings sollten die Aussagen nur als Hinweise verstanden werden, da der absolute Kostenreduktionsbedarf nicht berücksichtigt wird. Zu einer Erweiterung von Zielkostenkontrolldiagrammen, welche dieser Schwäche begegnet und auch den Kostenreduktionsbedarf darstellt, vgl. Fischer u. Schmitz 1995, S. 948. Im Abschnitt 2.2.3 wird außerdem an einem praktischem Beispiel dargestellt, wie durch eine Modifikation der Berechnung des Zielkostenkontrolldiagramms der absolute Kostenreduktionsbedarf mit einbezogen werden kann.
Methodik des Target Costing
67
Eine exakte Einhaltung der Zielkostenindizes von Eins wird allerdings kaum möglich und auch nicht unbedingt erstrebenswert sein. Dies ist unter anderem dadurch begründet, dass die Annahme eines proportionalen Verhältnisses zwischen Nutzen und Kosten der Komponenten nicht unbedingt sinnvoll ist. Auf diesen Sachverhalt, der eine Revision der ursprünglich veranschlagten Zielkosten der Komponenten für den weiteren Target Costing-Prozess sinnvoll erscheinen lassen kann, wird bei der Beurteilung des Target Costing noch eingegangen. Ergebnisse des dritten Schritts sind spezifizierte Zielkosten für die Produktkomponenten. Die Zielkostenspaltung sollte gemeinsam von Mitarbeitern von Vertrieb, Entwicklung / Konstruktion, Service etc. vorgenommen werden, um die Kenntnisse und Erfahrungen dieser verschiedenen Unternehmensbereiche einfließen zu lassen. Schritt 4: Simultane Erreichung von Zielkosten und Zielqualität Dieser letzte Schritt des Target Costing umfasst die Bemühungen zur Zielerreichung zum einen im Rahmen der Entwicklung und Konstruktion und zum anderen in dem sich daran anschließenden Markt- und Nachlaufzyklus. Wie auch bei der Zielkostenspaltung sollten hierbei interdisziplinäre Teams beteiligt sein, um langwierige Abstimmungsprozesse zwischen den verschiedenen Unternehmensbereichen zu vermeiden. Bei der Zielerreichung im Rahmen von Entwicklung und Konstruktion wird versucht, die Komponenten eines Produktes so zu gestalten, dass dessen Zielkosten unter Berücksichtigung der Kundenwünsche eingehalten werden können. Dies hat auch Auswirkungen auf den Beschaffungsbereich, der seinerseits den Lieferanten Kostenziele für die Beschaffungsgüter vorgeben kann. Aufgrund der Bezugnahme auf Produktfunktionen kann dieses Vorgehen auch als eine Form der Wertgestaltung (Value Engineering) angesehen werden. Die Zielkostenerreichung vollzieht sich in einem iterativen Prozess, in dem die Produktkomponenten so lange überarbeitet werden, bis die Zielkosten erreicht sind. Wird die Zielkostenspaltung über die zweite Ebene der Produktstruktur hinaus fortgesetzt, erfolgt zudem ein Wechselspiel von Zielkostenspaltung und -erreichung. Ebenfalls begleitend laufen die Aktivitäten zur Produktionsvorplanung und -vorbereitung ab, wobei unter Umständen auch schon Investitionen in Fertigungseinrichtungen erforderlich sind. Die Zielkostenerreichung und -verbesserung während des Marktzyklus und des Nachlaufzyklus (der die auf Herstellung und Absatz folgenden Aktivitäten wie Kundendienst, Entsorgung und Desinvestition der Fertigungsanlagen umfasst) stellt das letzte Element des Target Costing dar. Die Zielkosten für die Komponenten, Funktionen und Produkte dienen nun
Target Costing
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zur Vorgabe (neuer) Standardkosten, deren Einhaltung in den relevanten Unternehmensbereichen anzustreben und zu überwachen ist. Hierbei erfolgt zunächst nach Anlauf der Fertigung die Realisierung der aus der Zielkostenspaltung resultierenden Ziel- bzw. Standardkosten, um dann – im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses – diese Kosten weiter zu verringern. Dabei sind bei den jeweiligen Kostenvorgaben die Kosteneinflussgrößen, wie z.B. Lern- und Erfahrungskurveneffekte, ebenso möglichst weitgehend einzubeziehen wie Kosten für zukünftige Produktpflege- oder Marktbearbeitungsmaßnahmen oder Aktivitäten des Nachlaufzyklus. Im Rahmen des Target-Costing-Prozesses lassen sich eine Reihe von Instrumenten einsetzen. Neben Marktforschungsinstrumenten sind dies unter anderem das Quality Function Deployment als Konzept zur Übertragung von Qualitäts- bzw. Kundenanforderungen in die Produkt- und Prozessgestaltung sowie das Simultaneous Engineering (vgl. hierzu die Ausführungen auf Seite 48 f.). Die jeweiligen Standardkosten der Komponenten und die anderen benötigten Kosteninformationen, z.B. über produkt- und komponentenferne Gemeinkosten, sollten durch das Kostenrechnungssystem des Unternehmens bereitgestellt werden. Als Instrument der Zielkostenerreichung und -verbesserung lassen sich vor allem die Wertanalyse und -gestaltung nutzen. 2.1.3
Stärken und Schwächen des Target Costing
Die (potentiellen) Vorteile des Target Costing können aus dessen in Abschnitt 2.1.1 aufgeführten Merkmalen und Zielen abgeleitet werden. Durch die Einbeziehung von Kundenwünschen, Produktfunktionen und Preisvorstellungen leistet es einen Beitrag zur Entwicklung marktgerechter Produkte. Die Zielkosten stellen eine Planungs- und Kontrollgröße dar, welche die Steuerung der mit Produkten sowie ihren Komponenten verbundenen Aktivitäten über den Produktlebenszyklus ermöglicht. Des Weiteren wird mit dem Target Costing Kostensenkungsdruck bei Mitarbeitern und Lieferanten erzeugt und die Zusammenarbeit zwischen den an der Produktentstehung Beteiligten, unter anderem zwischen Technikern und Kaufleuten, initiiert bzw. intensiviert. Bei der Anwendung des Target Costing können jedoch einige Probleme auftreten bzw. es wird die Aussagekraft der Ergebnisse durch verschiedene Aspekte beeinträchtigt: Schwierigkeiten bereitet unter anderem die Datenermittlung. Problematisch sind besonders die Ermittlung des Marktpreises (vor allem bei Neuentwicklungen), die Festlegung des Gewinnanteils (in Abhängigkeit
Methodik des Target Costing
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von der Wettbewerbs- und Strategiekonstellation) sowie die Bestimmung der Bedeutung von Produktfunktionen für die Kunden und des Beitrags von Komponenten zur Erfüllung der Produktfunktionen. Ebenso ist die Preisentwicklung von Werkstoffen mitunter nur schwer prognostizierbar. Ein besonderes Problem des Target Costing stellt die Zielkostenspaltung dar. Neben den bereits angesprochenen Schwierigkeiten der Datenermittlung und der eingeschränkten Aussagekraft von Zielkostenindizes ist vor allem die Annahme eines proportionalen Verhältnisses von Nutzen und Kosten kritisch zu sehen. Dazu ist auf die Aussagen des KANO-Modells zu verweisen. Gemäß diesem existieren – wie Abb. 2-5 zeigt – drei Arten von Kundenanforderungen. Kundenzufriedenheit Begeisterungsanforderung
Leistungsanforderung
Erfüllungsgrad Basisanforderung
Abb. 2-5. KANO-Modell (nach Kano et al. 1996, S. 170)
Die Erfüllung von Basisanforderungen wird vom Kunden vorausgesetzt. Ein nicht ausreichender Erfüllungsgrad führt zu hoher Unzufriedenheit, ein sehr hoher Erfüllungsgrad steigert die Kundenzufriedenheit kaum über ein bestimmtes Ausmaß hinaus. Beispiele für Basisanforderungen stellen die Kühlleistung eines Kühlschranks oder die TÜV-Zulassung eines Neuwagens dar. Bei Leistungsanforderungen, wie dem Design eines Kühlschranks oder der Fahrzeuggeschwindigkeit, verhält sich die Kundenzufriedenheit tendenziell proportional zum Erfüllungsgrad. Für Begeisterungsanforderungen ist charakteristisch, dass ein geringer Erfüllungsgrad keine Unzufriedenheit bewirkt, ein hoher Erfüllungsgrad die Kundenzu-
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Target Costing
friedenheit jedoch gravierend steigert. Der Pfeil in Abb. 2-5 soll verdeutlichen, dass der Charakter von Anforderungen sich im Zeitablauf ändert: aus Begeisterungs- werden Leistungs- und/oder Basisanforderungen. Aus der Existenz dieser unterschiedlichen Arten von Kundenanforderungen lassen sich Rückschlüsse auf die Gültigkeit der dem oben beschriebenen Vorgehen bei der Zielkostenspaltung zugrunde liegenden Prämisse ziehen, der Ressourceneinsatz sei ideal, falls ein proportionales Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen existiert. Eine proportionale Beziehung zwischen Erfüllungsgrad einer Anforderung und Kundenzufriedenheit liegt nur bei Leistungsanforderungen vor. Diese führt zudem nur bei einem linearen Kostenverlauf in Abhängigkeit vom Erfüllungsgrad zu einer proportionalen Relation zwischen Kosten und Kundenzufriedenheit. Daraus lässt sich ableiten, dass fraglich ist, inwieweit dass oben dargestellte Vorgehen bei der Zielkostenspaltung zu einer optimalen Produktgestaltung führt (Ansätze zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Kundenanforderungen finden sich bei Rösler 1997, S. 285 ff.; Götze u. Weber 2007, S. 98 ff.). Eine weitere Problematik ergibt sich daraus, dass es sich beim Target Costing um einen Vollkostenansatz handelt, bei dem den Produkten und Komponenten auch Gemeinkosten zuzuordnen sind. Dies ist – wie auch in der Kostenrechnung – nicht eindeutig und verursachungsgerecht möglich, so dass eine weitere Ungenauigkeit entsteht (zu Ansätzen zur Berücksichtigung der Gemeinkosten vgl. Götze 2007, S. 295). Schwierigkeiten bei der Ermittlung und Spaltung der Zielkosten sind auch zu erwarten, wenn ein Produkt nicht nur auf einem Markt angeboten und abgesetzt werden soll, sondern auf mehreren Märkten mit typischerweise unterschiedlich ausgeprägten Zahlungsbereitschaften und Wünschen der Kunden. Dies wiegt umso schwerer, als die internationale Ausrichtung mit länderspezifischen Produktgestaltungen bei vielen produzierenden Unternehmen bereits sehr ausgeprägt ist und tendenziell noch weiter zunehmen wird (Ansätze zur Anwendung des Target Costing bei der Entwicklung von Produkten für unterschiedliche Märkte beschreibt Ortelbach 2005). Soll das Target Costing für Produkte mit vom Kunden unterschiedlich spezifizierbaren Konfigurationsmöglichkeiten angewandt werden, so kommt die Problematik zum Tragen, dass der klassische Target-CostingAnsatz auf der Prämisse basiert, dass die Anzahl der betrachteten Komponenten konstant ist. Insbesondere im Anlagenbau wird dies jedoch eher die Ausnahme als die Regel darstellen. Ebenso können die Arbeitsschritte für die Ermittlung und Spaltung der Zielkosten nicht unmodifiziert bei der Entwicklung von Baukastensystemen (vgl. Abschnitt 6.1.2) angewandt werden. Ein Ansatz zur Anwendung des Target Costing bei modularen
Methodik des Target Costing
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Produkten findet sich bei Eversheim, W. et al. 1999. Des Weiteren finden Optimierungsbestrebungen hinsichtlich der Produkteigenschaften im Target-Costing-Prozess nur eingeschränkt Berücksichtigung. Von einem Grobentwurf des Produktes ausgehend wird eine realisierbare Preis-Absatzmengen-Kombination und damit der geplante Umsatz festgelegt. Die Konstruktion des Produktes geschieht dann so, dass eine vorgegebene Umsatzrendite möglichst eingehalten wird. Zur Erreichung dieses Ziels wird eine Optimierung des Verhältnisses von Nutzenund Kostenanteilen, unter anderem über die Auswertung von Zielkostenindizes, angestrebt. Allerdings wird nicht bzw. nicht zu Beginn des Prozesses hinterfragt, ob durch eine andere Kombination von Produktmerkmalen sowie daraus resultierenden Kosten und Umsätzen ein höherer Gewinn erzielbar wäre (Ansätze zur Optimierung der Produkteigenschaften mit Hilfe des „Conjoint + Cost“-Ansatzes stellen Bauer et al. 1994, S. 81 ff. dar). Schließlich handelt es sich beim Target Costing um einen statischen Ansatz. Zwar wird eine lebenszyklusbezogene Betrachtung vorgenommen, das zugrunde liegende Rechenmodell jedoch ist statisch. Die einbezogenen Größen (Umsatz, Kosten und Umsatzrentabilität) beziehen sich auf den Planungszeitraum insgesamt bzw. als Durchschnittsgrößen auf eine hypothetische Periode. Die Daten sollten dabei soweit wie möglich aus Überlegungen zum gesamten Planungszeitraum abgeleitet werden, z.B. unter Berücksichtigung von Preisstrategien und Kostensenkungspotentialen über diesen Zeitraum. Um Zins- und Zinseszinseffekte exakt einbeziehen zu können, ist aber darüber hinaus die Formulierung und Auswertung eines dynamischen Modells erforderlich (Ansätze zur dynamischen Modellierung finden sich z.B. bei Schild 2005, S. 284 ff.). Gemäß den obigen Ausführungen weist das Target Costing einige Problembereiche auf. Dies ist jedoch angesichts seines Einsatzfeldes primär in den frühen Phasen des Produktlebenszyklus bei entsprechend schlechter Informationslage nicht weiter verwunderlich und angesichts der unzweifelhaft großen Potenziale des Instruments zu relativieren. Viele Praxisberichte zeigen jedenfalls, dass die Anwendung des Taget Costing zu zielgerichteter Produktentwicklung, einer Steigerung des Kundennutzens und damit auch zum Geschäftserfolg beiträgt.
Target Costing
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2.2
Praxisbeispiel: Zielkostenanalyse eines dynamischen Lagersystems
2.2.1
Ausgangssituation: Entwicklung einer neuen Produktreihe
Die KARDEX Bellheimer Metallwerk GmbH entwickelt und fertigt an ihrem Standort in Bellheim dynamische Lager- und Bereitstellungssysteme für die Nutzung in der industriellen Lagerhaltung und in Büros. Zu dem Zeitpunkt des hier beschriebenen Projekts wurden zwei verschiedene Produktreihen produziert: Umlaufregale, bei denen die Tablare bzw. Kassetten mit der Lagerware durch eine rotierende Bewegung zu der Entnahmeöffnung gebracht werden, sowie Shuttle-Regale, deren einzelnen Tablare in der bei Hochregalsystemen üblichen Weise von einem Extraktor erfasst und transportiert werden. Abb. 2-6 zeigt den Aufbau der beiden Systeme.
Abb. 2-6. Aufbau von Umlauf- (links) und Shuttle-Regalystem (rechts)
Praxisbeispiel: Zielkostenanalyse eines dynamischen Lagersystems
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Um die eigene Marktposition weiter auszubauen, wurde die Entwicklung einer dritten Produktreihe geplant. Bei dieser wird bei geringen Raumhöhen eine hohe Raumausnutzung erreicht, indem bis zu zehn Säulen von Lagerkassetten hintereinander angeordnet werden (vgl. Abb. 2-7). Die Zielkosten für das neue System wurden aus den Herstellkosten der anderen beiden Systeme abgeleitet, und es wurde festgelegt, dass die Kosten des neuen Systems trotz des völlig anderen Funktionsprinzips nicht die eines Umlaufregals überschreiten dürfen, das in Bezug auf die Lagerkapazität vergleichbar ist.
Säule Lagerkassette
Realisierbar: 2 - 10 Säulen
Abb. 2-7. Anordnung der Lagerkassetten beim neuen Regalsystem
Um die Grundlage für effiziente Maßnahmen des Kostenmanagements zu schaffen, sollten in einem ersten Schritt die Standardkosten für das neue Regalsystem ermittelt, sowie die Zielkosten auf dessen Hauptbaugruppen aufgespalten werden, um auf dieser Basis dann die Zielkostenindizes zu berechnen. Nachfolgend wird die hierbei gewählte Vorgehensweise beschrieben und gezeigt, welche Ergebnisse dabei erzielt wurden. Die dargestellten Kosten sind aus Geheimhaltungsgründen abgewandelt. 2.2.2
Ermittlung der Standardkosten
Um die Zielkostenindizes der betrachteten Baugruppen zu berechnen, muss bekannt sein, wie hoch deren Standardkosten sind und welchen Anteil diese jeweils einnehmen. Zu dem Zeitpunkt der Zielkostenanalyse befand sich die Konstruktion in der Konzeptphase, und für das neue Lagersystem lag lediglich ein sehr grobes Lösungsprinzip vor. Nichtsdestoweniger ließen sich bereits die Hauptbaugruppen auf der obersten Ebene der Produktstruktur benennen. Um auf Basis des vorliegenden Konzepts
Target Costing
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für diese Baugruppen eine Abschätzung zu deren voraussichtlichen Kosten zu treffen, wurde die im Abschnitt 5.1.4 beschriebene Ähnlichkeitskalkulation eingesetzt. Wie im Zusammenhang mit der konstruktionsbegleitenden Kalkulation noch ausführlich beschrieben, erfolgt hier die Kostenprognose für ein neues Konstruktionsobjekt anhand von Vergleichen mit – je nach Betrachtungsebene – bereits gefertigten Produkten, Baugruppen oder Einzelteilen, deren Kosten bekannt sind. Die Objekte, die im vorliegenden Fall für Vergleiche herangezogen werden konnten, waren die vorhandenen Produkte, also Umlauf- und Shuttleregalsysteme. Diese verfügen, wie oben dargestellt, über verschiedene Funktionsprinzipien, von denen sich das Prinzip des neuen Systems abermals unterscheidet. Dennoch ließ ein direkter Vergleich der Hauptbaugruppen auf der obersten Ebene starke Parallelen zwischen den drei Systemen erkennen: Mit zwei Ausnahmen konnte für jede Hauptbaugruppe des neuen Regalsystems eine technisch-funktionale Analogie zu den beiden vorhandenen Systemen identifiziert werden, so dass dort eine direkte Zuordnung möglich war. Abb. 2-8 zeigt die drei Systeme mit den jeweiligen Baugruppen; in den oberen Teilen der Listen sind dabei die Baugruppen aufgeführt, welche – wenn auch z.T. in gänzlich anderen Ausführungen – bei allen drei Systemen vorhanden sind. Vorhandenes System ‚Umlaufregal‘ Baugruppe
Kosten
Steuerung Antrieb Gehäuse Kassetten Entnahme
x€ x€ x€ x€ x€
Führung
x€
Neues Regalsystem
Vergleich und Modifikation Vorhandenes System ‚Shuttle-Regal‘ Baugruppe
Kosten
Steuerung Antrieb Gehäuse Kassetten Entnahme
x€ x€ x€ x€ x€
Extraktor
x€
Abb. 2-8. Kostenvergleich von Funktionsbaugruppen
Baugruppe
Kosten
Steuerung Antrieb Gehäuse Kassetten Entnahme
? ? ? ? ?
Vertikalmodul ? Horizontalmodul ?
Praxisbeispiel: Zielkostenanalyse eines dynamischen Lagersystems
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Im Zusammenhang mit der Benennung der Baugruppen ist zu beachten, dass diese hier im Sinne von „Funktionsbaugruppen“ zu verstehen sind. Funktionsbaugruppen werden gebildet, indem die Produktkomponenten (bzw. deren Kosten), die zur Erfüllung der jeweiligen Funktion beitragen, zusammengefasst betrachtet werden. Da Funktionen nicht nur oft von mehreren Baugruppen gemeinsam ausgeführt werden, sondern einzelne Baugruppen auch zur Erfüllung mehrerer Funktionen beitragen können, müssen die „realen“ Baugruppen den Funktionsbaugruppen mitunter anteilig zugeordnet werden (vgl. hierzu auch die Problematik der Funktionskostenbestimmung im Zusammenhang mit der Wertanalyse, Abschnitt 3). Häufig lassen sich jedoch Funktionsgruppen so bilden, dass die Kostenzuordnung nur durch Zusammenfassen von Baugruppen zumindest mit akzeptabler Genauigkeit möglich ist. Anhand der Kosten der Vergleichsobjekte wurden im nächsten Schritt die Kosten der Baugruppen des neuen Objekts prognostiziert, indem abgeschätzt wurde, wie sich die technischen Unterschiede (z.B. andere Belastungen) auf die Kosten auswirken. Da zudem sowohl die Kassettengröße als auch die Anzahl der Ebenen und Säulen, in denen diese angeordnet sind, aus dem Lastenheft hervorgingen, lagen auch die Hauptabmessungen des Regalsystems bereits relativ genau fest, obwohl die Konstruktion noch nicht die Entwurfsphase erreicht hatte. Die daraus erkennbaren Größenverhältnisse zwischen den Baugruppen der Vergleichsobjekte und dem neuen Regalsystem konnten ebenfalls für die Kostenprognosen genutzt werden (zur Methodik vgl. Abschnitt 5.1.4). Mit den Ähnlichkeitsvergleichen ließen sich die Standardkosten für die meisten Funktionsbaugruppen des neuen Regalsystems schätzten. Bei den Baugruppen, bei denen sich keine direkten Analogien zu Shuttle- und Umlaufregal finden ließen, wurde das Konzept so weit detailliert, bis eine grobe Kostenschätzung anhand von Ähnlichkeitsvergleichen auf Basis von Entwürfen dieser Baugruppen durchgeführt werden konnte. In Abb. 2-9 sind die beschriebenen Schritte der Kostenprognose in der Konzeptphase zusammengefasst dargestellt. In den prognostizierten Kosten der einzelnen Baugruppen sind auch die Montagekosten des gesamten Regalsystems anteilig enthalten. Bei deren Schätzung wurde vereinfacht angenommen, dass das Verhältnis von Montage- zu Material- und Fertigungskosten bei den Baugruppen des neuen Systems etwa dem der Baugruppen der beiden Vergleichsobjekte entspricht.
Target Costing
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Shuttle UmlaufNeues System
Ausarbeitung
Konzept / Vorentwurf der Konzeptphase
Ausarbeitung Konzept / Vorentwurf der Konzeptphase Konzept / Vorentwurf der Konzeptdetaillierung aus Konzeptphase Funktionsmodell
1 1. Analyse des neuen Konzepts und der Konzepte vorhandener Produkte
2. Direkte Kostenschätzung durch Vergleich der Kosten von Baugruppen
2
3
3. Durchführung notwendiger Detaillierungen für Kostenvergleiche
Abb. 2-9. Ablauf der Kostenprognose in der Konzeptphase
2.2.3
Spaltung der Zielkosten und Ergebnisinterpretation
Die Spaltung der Zielkosten für das gesamte neue Regalsystem auf dessen einzelne Hauptbaugruppen incl. der Ergebnisanalyse erfolgte in drei Schritten: 1. Ermittlung und Gewichtung der Produktfunktionen 2. Abschätzung des Beitrags der Baugruppen zur Funktionserfüllung 3. Zielkostenberechnung für die Baugruppen und Ergebnisinterpretation Die Durchführung dieser Arbeitsschritte wurde mit der Softwarelösung „CostTarget“ unterstützt. Schritt 1: Ermittlung und Gewichtung der Produktfunktionen Um zu gewichteten Produktfunktionen zu gelangen, wurden zunächst in einem interdisziplinär besetzten Team die Anforderungen zusammengetragen, die voraussichtlich von Kundenseite an das Regalsystem gestellt werden. Aus diesen Anforderungen wurden dann die erforderlichen Funktionen des Systems abgeleitet und dabei über mehrere Ebenen strukturiert. Die Strukturierung half zum einen, die Funktionen vollständig zu erfassen,
Praxisbeispiel: Zielkostenanalyse eines dynamischen Lagersystems
77
und ermöglichte zum anderen eine weitgehend überschneidungsfreie Abgrenzung derselben voneinander. Die Hauptfunktion auf der obersten Ebene wurde mit „Ware verwalten“ benannt. Diese Funktion teilt sich dann auf in „Ware effektiv lagern“ und „Ware effektiv bereitstellen“. Unterhalb dieser beiden Funktionen ließen sich schließlich auf der dritten Ebene jeweils weitere Funktionen benennen. Abb. 2-10 zeigt den so in CostTarget erstellten Funktions-Hierarchiebaum.
Abb. 2-10. Definition, Strukturierung und Gewichtung der Produktfunktionen
Anschließend wurden die einzelnen (untergeordneten) Funktionen gewichtet. Hierbei wurde abgeschätzt, welchen Anteil – abermals aus Kundensicht – eine Funktion an der Erfüllung der ihr übergeordneten Funktion hat. Die Prozentwerte sind in dem Funktionsbaum aus Abb. 2-10 den Einträgen vorangestellt. CostTarget unterstützt die Gewichtung, indem mit Hilfe von Symbolen innerhalb der Baumstruktur angezeigt wird, ob die Gewichtung rechnerisch plausibel ist. Schritt 2: Abschätzung des Beitrags der Baugruppen zur Funktionserfüllung Um die Beiträge festzulegen, mit denen die einzelnen Baugruppen die Erfüllung der verschiedenen Funktionen unterstützen, wurden diese Baugruppen („Komponenten“) zunächst in CostTarget eingegeben. Abb. 2-11 zeigt die entsprechende Dialogmaske.
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Target Costing
Abb. 2-11. Eingabe der Produktkomponenten und Standardkosten
Hierbei wurden für jede Baugruppe auch bereits die für die späteren Berechnungen notwendigen Standardkosten der Komponenten sowie deren anteilige Montagekosten eingegeben. Im nächsten Schritt wurden die einzelnen Funktionen nacheinander bearbeitet und dabei jeweils Abschätzungen getroffen, wie hoch die Beiträge der einzelnen Baugruppen zu ihrer Erfüllung sind (vgl. Abb. 2-12).
Abb. 2-12. Gewichtung der Komponenten hinsichtlich der Funktionserfüllung
Praxisbeispiel: Zielkostenanalyse eines dynamischen Lagersystems
79
In dem Listenfeld in der Mitte der Dialogmaske wählt der Anwender hierfür die zu bearbeitende Funktion aus. Im rechten Bereich der Programmmaske sind die zuvor eingegebenen Komponenten aufgeführt. Dann wird für jede Baugruppe der geschätzte Anteil eingegeben, den diese im Vergleich zu den übrigen Komponenten an der Erfüllung der gewählten Funktion hat. In der zweiten Spalte des Listenfelds wird angezeigt, ob der betreffenden Funktion korrekt und vollständig Komponentenbeiträge zugeordnet sind. Schritt 3: Zielkostenberechnung für die Baugruppen und Ergebnisinterpretation Nach Abschluss der Zuordnung von Komponenten zu Funktionen sind sämtliche Angaben gemacht, die für die Zielkostenspaltung und weitere Auswertungen erforderlich sind. Somit können dann in der Programmstufe „Ergebnis auswerten“ verschiedene Analyseergebnisse betrachtet werden (vgl. Abb. 2-13).
Abb. 2-13. Tabellarische Ergebnisanzeige (Kosten abgewandelt)
Die tabellarische Auswertung in Abb. 2-13 enthält in den beiden ersten Spalten die zuvor ermittelten Standardkosten der einzelnen Komponenten sowie die daraus resultierenden Kostenanteile an den gesamten Standardkosten. In der dritten Spalte sind die Nutzenanteile der Baugruppen aufgeführt, die sich, wie beschrieben, anhand der Gewichtung der Funktionen sowie dem Beitrag der jeweiligen Komponente zu deren Erfüllung errech-
80
Target Costing
nen. Die Zielkosten der einzelnen Komponenten sind in Spalte 4 enthalten, ermittelt anhand dem Nutzenanteil der Komponenten und den gesamten Zielkosten. Diese gesamten Zielkosten wiederum wurden, wie in Abschnitt 2.2.1 beschrieben, aus den Kosten des Umlaufregals abgeleitet. Die beiden letzten Spalten schließlich stellen die Zielkostenindizes dar, die das Verhältnis von Nutzen- zu Kostenanteil zeigen, sowie den absoluten Kostenreduktionsbedarf jeder Baugruppe, der sich aus der Differenz von Standard- und Zielkosten ergibt. Das dargestellte Ergebnis zeigt, dass vier der sieben Baugruppen des Regalsystems „zu teuer“ sind, wobei das Vertikal- und das Horizontalmodul sowohl relativ, d.h. in Bezug auf das Nutzen-/Kostenverhältnis, als auch absolut den deutlich höchsten Kostensenkungsbedarf aufweisen. Eine Ergebnisvisualisierung bietet die Darstellung der Nutzen- und Kostenanteile im Zielkostenkontrolldiagramm, wie es in Abb. 2-14 gezeigt ist.
Abb. 2-14. Zielkostenkontrolldiagramm (Basis Standardkosten)
In dem Diagramm liegen nur drei Baugruppen im Bereich oberhalb der Diagonalen und werden somit als „zu teuer“ angezeigt. Dieser scheinbare Widerspruch zu den Ergebnissen aus Abb. 2-13, mit denen für vier Baugruppen ein Kostensenkungsbedarf aufzeigt wurde, begründet sich damit, dass die relative Betrachtung im Zielkostenkontrolldiagramm auf Basis der Standardkosten erfolgt. Das bedeutet, dass der Kostensenkungsbedarf auf Ebene des Gesamtproduktes hier noch nicht berücksichtigt ist; die vertikalen Abstände im Diagramm zwischen den einzelnen Baugruppen und der
Praxisbeispiel: Zielkostenanalyse eines dynamischen Lagersystems
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Diagonalen ergeben aufsummiert Null. Würde es durch konstruktive Überarbeitungen der einzelnen Baugruppen gelingen, diese alle exakt auf der Diagonalen liegen zu lassen, so wäre das Verhältnis von Nutzen- und Kostenanteilen der Baugruppen zwar ideal, d.h. durchweg ausgewogen, das gesamte Produkt jedoch immer noch um den Betrag zu teuer, den die gesamten Standardkosten die gesamten Zielkosten überschreiten. Um dieser möglicherweise irreführenden Darstellung des konventionellen Zielkostenkontrolldiagramms zu begegnen, bietet CostTarget die Möglichkeit, als Kostenbasis anstatt der Standardkosten die Zielkosten des gesamten Produktes zu verwenden. Der im Zielkostenkontrolldiagramm gezeigte Kostenanteil einer Komponente errechnet sich dann als das Verhältnis zwischen den Standardkosten dieser Komponente und den Zielkosten des gesamten Produkts.Wird die entsprechende Einstellung gewählt, so verschieben sich die Positionen der Baugruppen im Diagramm vertikal um den relativen Unterschied zwischen den gesamten Ziel- und Standardkosten (vgl. Abb. 2-15).
Abb. 2-15. Zielkostenkontrolldiagramm (Basis gesamte Zielkosten)
Da in das Diagramm nun auch der absolute Kostenreduktionsbedarf eingeht, liegen, in Übereinstimmung mit der tabellarischen Auswertung, vier Baugruppen in dem Bereich „zu teuer“. Allerdings wird in der Darstellung ebenfalls ersichtlich, dass fünf der sieben Baugruppen auch bei zugrunde gelegten Zielkosten keine (viel) zu hohen Kosten aufweisen. Deutlich „zu teuer“ und auch weit außerhalb des Zielkostenkorridors sind nur die beiden
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Target Costing
bereits genannten Baugruppen Vertikal- und Horizontalmodul. Ein wichtiges Ergebnis der Zielkostenspaltung ist somit, dass die Suche nach Kostensenkungspotentialen bei diesen beiden Komponenten ansetzen sollte. Neben der komponentenbezogenen Auswertung wurden auch die Nutzen- und Kostenanteile der Funktionen berechnet. Der Nutzenanteil einer Funktion ergibt sich direkt aus den im ersten Arbeitsschritt gemachten Angaben. Die Anteile der Funktionskosten werden von CostTarget anhand der absoluten Kosten der Funktionen berechnet. Diese wiederum lassen sich ermitteln, indem die Kosten der verschiedenen Komponenten den Funktionen mit den gleichen Anteilen zugeordnet werden, mit denen die Komponenten zur Erfüllung der einzelnen Funktionen beitragen. Das Vorgehen hierbei ist im Zusammenhang mit der Wertanalyse im Abschnitt 3.1.2 ausführlich beschrieben. Die Ist- und Zielkosten der Funktionen können in CostTarget ebenfalls tabellarisch angezeigt werden, ebenso der daraus resultierende Kostenreduktionsbedarf auf Funktionsebene. Eine anschauliche Darstellung der Kosten- und Nutzenanteile bietet wiederum eine Grafik in Diagrammform (vgl. Abb. 2-16).
Abb. 2-16. Kosten-/Nutzenvergleich von Funktionen
Anhand dieser Ergebnisse lassen sich Hinweise auf mögliche Überfunktionalitäten gewinnen, die vom Benutzer nicht honoriert werden („Overengineering“). So zeigt sich im vorliegenden Fall, dass insbesondere die beiden Funktionen „Flexible Erweiterung ermöglichen“ und „Warenschutz
Praxisbeispiel: Zielkostenanalyse eines dynamischen Lagersystems
83
gewährleisten“ im Verhältnis zu ihrem Nutzen zu teuer sind. Mit diesen Erkenntnissen kann die Suche nach Kostensenkungspotentialen auch unter einem funktionsorientierten Blickwinkel erfolgen. Die Funktion „kurze Zugriffszeiten ermöglichen“ wiederum verursacht relativ wenig Kosten im Vergleich zu dem hohen Kundennutzen, den sie anscheinend stiftet. Dies deutet darauf hin, dass hier evtl. die Möglichkeit besteht, mit verhältnismäßig geringem Aufwand die Kundenzufriedenheit weiter zu erhöhen, womit sich gegebenenfalls ein höherer Preis am Markt durchsetzen lässt. In diesem Zusammenhang trat jedoch auch bei der Entwicklung des hier betrachteten Regalsystems eine der im Abschnitt 2.1.3 genannten Schwächen des Target Costing zutage, nämlich dass in diesem Prozess in der Praxis – wie auch im vorliegenden Fall – die Zielkosten meist unveränderlich festgelegt sind und damit möglicherweise Potentiale zur Gewinnmaximierung ungenutzt bleiben. Nichtsdestoweniger konnte mit den erzielten Ergebnissen in der nächsten Phase des Konstruktionsprozesses, dem eigentlichen Entwurf des Regalsystems, sehr planmäßig auf die Einhaltung der Zielkosten hingearbeitet werden. Die Erreichung derselben wurde fortlaufend kontrolliert, indem die erarbeiteten Entwürfe mit den Methoden der konstruktionsbegleitenden Kalkulation bewertet wurden (vgl. Abschnitt 5). Zeigte sich dabei die Notwendigkeit weiterer Kostensenkungen, so wurde versucht, diese durch Überarbeitungen der Entwürfe zu erreichen. Eine der dafür geeigneten Methoden ist die Wertanalyse, die im nächsten Abschnitt dargestellt wird.
3 Wertanalyse
3.1
Methodik der Wertanalyse
3.1.1
Wertanalyse zur Erzielung des wirtschaftlichen Optimums
Gemäß der VDI-Richtlinie 2800 stellt die Wertanalyse ein planmäßiges Verfahren zur Minimierung der Kosten unter Einfluss umfassender Gesichtspunkte dar. Durch den Einsatz von Wertanalyse sollen die Kosten der Funktionen eines Produktes so weit reduziert werden, wie es ohne einen negativen Einfluss auf die Qualität möglich ist. Umfassende Analysen von Produkten, die wertanalytisch überarbeitet wurden, ergaben erzielbare Herstellkostensenkungen von 5% bis 75%, wobei die durchschnittlich erzielte Kostensenkung mit 23% bzw. 33% angegeben wird (vgl. Ehrlenspiel 2003, S. 614; Horváth et al. 1996, S. 54). Der Hauptteil der Kostensenkung ließ sich dabei auf konstruktive Änderungen zurückführen. Mittlerweile hat sich die Wertanalyse jedoch von einer reinen Kostensenkungsmethode zu einer Methodik gewandelt, deren Ziel es ist, das „wirtschaftliche Optimum“ zu erreichen. Die Zielsetzung der Wertanalyse lässt sich folglich dahin gehend erweitern, dass das Produkt bzw. die Produktkomponente so konzipiert wird, dass sich das Verhältnis von Funktionskosten zu Funktionserfüllung verbessert. Somit soll mit der Wertanalyse nicht die absolut kostengünstigste, sondern die „gewinnträchtigste“ Lösung gesucht und realisiert werden. Der „Wert“ eines Produktes wird bei der Wertanalyse unter anderem als das Verhältnis von Funktionserfüllung zu Funktionskosten definiert: Wert =
Funktionserfüllung Funktionskosten
Mit Hilfe des Erfüllungsgrads kann die Bestimmung des Werts eines Objekts bzw. einer Lösung konkretisiert werden. Der Erfüllungsgrad stellt die Annäherung an entsprechende Zielvorgaben dar. Bezieht sich der Erfüllungsgrad auf die geforderten Funktionen eines technischen Objekts, so
Wertanalyse
86
stellt er die „technische Wertigkeit“ dar: Technische Wertigkeit =
reale Funktionserfüllung geforderte Funktionserfüllung
Um die technische Wertigkeit alternativer Lösungen zu quantifizieren, können diese Lösungen durch Punkte beurteilt werden, von 0 Punkten für „völlig unbefriedigend“ bis zu einer maximal zu vergebenden Punktezahl, welche auch der Quantifizierung der Zielvorgabe entspricht. Analog zur technischen Wertigkeit kann sich der Erfüllungsgrad auch auf die Kosten beziehen und damit die wirtschaftliche Wertigkeit ausdrücken: Wirtschaftliche Wertigkeit =
Kostenziel Kosten
Um eine gesamtheitliche Beurteilung des Objektwerts zu erreichen, müssen die technische und die wirtschaftliche Wertigkeit gemeinsam betrachtet werden. Hierzu eignet sich das so genannte „Stärke-Diagramm“, wie es in der Abb. 3-1 dargestellt ist.
wirtschaftliche Wertigkeit
1,0 wirtschaftlich gute, technisch aber unbefriedigende Lösungen
technisch mangelhafte r Lösungen be n a e e, g ig sun t h wirtic Lö ew afte schaftlich g h h c l mangelhafte ei e gl ang Lösungen m
0,5
r eh t s gen am un es Lös g s in ute g
technisch gute, wirtschaftlich aber unbefriedigende Lösungen
0 0
0,5
1,0
technische Wertigkeit
Abb. 3-1. Stärke-Diagramm zum Einordnen von Lösungen nach ihren Wertigkeiten (nach Gierse 1995, S. 63)
Methodik der Wertanalyse
87
Zu den typischen Merkmalen der Wertanalyse zählen:
Denken in Funktionen.
Systematisches Vorgehen nach dem Wertanalyse-Arbeitsplan.
Ressortübergreifende Teamarbeit, mit der das Wissen aller betroffenen Bereiche und alle für ein Problem relevanten Gesichtspunkte erfasst werden sollen.
Einbindung der Führungsebene, deren Unterstützung für den Erfolg der Wertanalyse notwendig ist.
Kooperatives, veränderungsbereites Verhalten aller in das Wertanalyseprojekt eingebundenen Personen.
Abhängig von der Lebensphase des analysierten Objektes lassen sich zwei Formen der Wertanalyse unterscheiden: Wird sie bei Produkten angewandt, die sich bereits in der Herstellung befinden, so wird sie als „Wertverbesserung“ bezeichnet. Wird die Wertanalyse schon während der Entwicklung eingesetzt, so handelt es sich um „Wertgestaltung“ bzw. „Value Engineering“. Da der mögliche Einfluss auf die Gestalt eines Produktes in der frühen Entwicklungsphase am größten ist, ist auch der Nutzen einer wertanalytischen Bearbeitung tendenziell umso höher, je früher diese durchgeführt wird. Der nachfolgend beschriebene prinzipielle Ablauf der Wertanalyse ist jedoch bei beiden Formen gleich. 3.1.2
Ablauf der Wertanalyse
Der Wertanalyse liegt ein logischer Arbeitsplan nach VDI-Richtlinie 2803 (ehemals DIN 69910) zu Grunde. Aus diesem lassen sich die einzelnen Analyseschritte ableiten (vgl. Abb. 3-2). Nachfolgend werden die Inhalte der einzelnen Arbeitsplanschritte dargestellt. Schritt 1: Projekt vorbereiten Nachdem der Entschluss gefasst wurde, ein bestimmtes Objekt wertanalytisch zu bearbeiten, wird zunächst ein Moderator für das Projekt benannt, dessen Aufgabe nicht nur die Moderation von Teamsitzungen ist, sondern vielmehr auch die Leitung des gesamten Wertanalyseprojekts. Eine der ersten Aufgaben des Moderators ist es dann, gemeinsam mit dem Auftraggeber der Wertanalyse deren Grobziel abzustimmen und zu fixieren, wobei auch das zu erzielende Rationalisierungspotential festzulegen ist. Die Zielvorgabe kann sich z.B. an Markterfordernissen, Konkurrenzvergleichen oder, dem Target-Costing-Ansatz entsprechend, an dem Nutzwert der
Wertanalyse
88
Funktionen des Produktes bzw. der Produktkomponenten orientieren. Neben der Zielvorgabe selbst müssen bei diesem Arbeitsschritt auch die Rahmenbedingungen festgelegt werden, unter denen diese Vorgabe erreicht werden soll. Logische Abfolge
Wertanalysebenennung
Initialphase
Projekt vorbereiten
Informationsphase
Objektsituation analysieren
Definitionsphase
Soll-Zustand beschreiben
Kreationsphase
Lösungsideen entwickeln
Bewertungsphase
Lösungen festlegen
Realisierungsphase
Lösungen verwirklichen
Abb. 3-2. Wertanalyse-Arbeitsplan (nach Bronner u. Herr 2003, S. 19)
Nach der Festlegung des Grobziels werden aus diesem Einzelziele abgeleitet, beschrieben und quantifiziert. Bei den Detailzielen können neben Kosten- z.B. auch Funktions-, Markt-, Qualitäts- und Terminaspekte berücksichtigt werden. Für die Quantifizierung der Einzelziele lassen sich Kenngrößen wie Herstellkostensenkung, Amortisationszeit, Ausschussquote etc. nutzen. Um sicherzustellen, dass nur zielkonforme Arbeiten getätigt werden, muss vor Beginn der Projektarbeit auch der inhaltliche Untersuchungsrahmen abgegrenzt werden. Außerdem sind etwaige gesetzliche Vorschriften und technische Randbedingungen festzustellen, die das Lösungsfeld eingrenzen. Weiterhin sind der finanzielle und der zeitliche Rahmen für das Wertanalyseprojekt zu bestimmen. Ein weiterer Bestandteil der Projektvorbereitung ist die Bildung der Projektorganisation. Dabei wird die Entscheidungsstelle festgelegt und das Projektteam unter Berücksichtigung fachlicher und menschlicher Qualifikationen zusammengestellt. Bei der Bildung des Wertanalyse-Teams ist es besonders wichtig, auf eine interdisziplinäre Zusammensetzung zu achten,
Methodik der Wertanalyse
89
da so Rückkopplungen reduziert werden können, die bei sequentieller Arbeitsweise sehr viel Zeit beanspruchen. Sinnvoll kann auch die Einbeziehung von Lieferanten in das Wertanalyse-Team sein, wenn das analysierte Objekt einen entsprechenden Anteil an Zukaufteilen aufweist. Der letzte Schritt der Projektvorbereitung ist die (zeitliche) Planung des Projektablaufs. Während die inhaltliche Abfolge der Arbeitsschritte prinzipiell durch den Ablaufplan festgelegt ist, werden die Arbeitsschritte nun zeitlich eingeplant und Terminziele für Meilensteine festgelegt. Schritt 2: Objektsituation analysieren Um die Objektsituation zu analysieren, werden zunächst sämtliche Objektdaten gesammelt und ausgewertet, die für die Wertanalyse und die Weiterentwicklung des Objekts relevant sind. Zu diesen Informationen zählen z.B. Muster, Zeichnungen, Fertigungspläne, Anwender- und Marktdaten sowie Gesetzesvorschriften. Außerdem wird der das Objekt betreffende Stand des Wissens bzw. Stand der Technik ermittelt und Informationen zu den Kosten des Wertanalyseobjekts beschafft (z.B. Kalkulationsunterlagen) oder auch in Form von Auswertungen wie ABC-Analysen neu erstellt. Im nächsten Schritt werden die Funktionen des Wertanalyseobjekts ermittelt und benannt. Die Benennung erfolgt dabei zweckmäßigerweise in der Form „Substantiv + Verb“, also z.B. „Teile verbinden“. Je abstrakter die Funktionsbezeichnung ist, umso breiter ist prinzipiell der Gestaltungsfreiraum bei der späteren Suche nach neuen Lösungen (vgl. Abb. 3-3).
Bsp. Konstruktionslösung
Gestaltungsfreiraum Abstraktionsgrad
hoch
niedrig
„Kräfte weiterleiten“
„Teile verbinden“
„Bleche verschrauben“
Abb. 3-3. Abstraktionsgrad eines Funktionsbegriffs und Gestaltungsfreiraum (nach Kaniowsky 1995, S. 116)
Ist der Abstraktionsgrad einer Funktionsbezeichnung niedrig, so ist diese eng mit der vorhandenen Lösung oder einer konkreten Lösungsvorstellung verbunden. Eine Funktionsbezeichnung mit mittlerem Abstraktionsgrad
Wertanalyse
90
enthält die im Ist-Zustand vorhandene Lösung als eine von mehreren möglichen Lösungen. Ein hoher Abstraktionsgrad der Funktionsbezeichnung wiederum enthält die im Ist-Zustand vorhandene Lösung als eine von vielen möglichen bzw. kann im Soll-Zustand als Ausgangspunkt für die nahezu unbegrenzte Suche nach neuen Lösungen dienen. Idealerweise sollte die Festlegung der Funktionsbezeichnung und damit des Abstraktionsgrads
so eng sein, dass das Lösungsfeld klar umrissen ist und nicht zu viele unrealistische Lösungsansätze erscheinen, und gleichzeitig
so weit, dass alle realistischen Lösungen gefunden werden können.
Die identifizierten Funktionen werden dann gegliedert, z.B. in Haupt- und Nebenfunktionen, Gesamt- und Teilfunktionen oder erwünschte und unerwünschte Funktionen. Anschließend werden die Funktionen strukturiert, z.B. hierarchisch mit einem Funktionenstammbaum, bei dem die Grundfunktionen in ihre Hilfsfunktionen und diese gegebenenfalls noch weiter in mehreren Rangstufen gegliedert werden. Im Zusammenhang mit der Funktionsanalyse sind auch die lösungsbedingten Vorgaben zu beachten, also die zu berücksichtigenden Randbedingungen. Hierzu können z.B. thermische oder chemische Umgebungseinflüsse zählen. Solche vorhandenen lösungsbedingten Vorgaben sind festzustellen und erforderlichenfalls zu quantifizieren. Das Hauptziel der vorangehend beschriebenen Benennung und Strukturierung der Funktionen ist es, funktionsorientierte Ausgangspunkte für das Entwickeln neuer Lösungen zu schaffen. Um in diesem Zusammenhang Aufwand und Nutzen von Funktionen miteinander vergleichen zu können, müssen die Funktionskosten ermittelt werden. Hierzu werden die Kosten der Funktionsträger (also der Produktkomponenten) den Funktionen zugeordnet. Die Objektkosten werden dabei nach einem geschätzten Gewichtungsschlüssel auf die einzelnen Funktionen aufgeteilt. Funktionsweise aufaddiert ergeben sich schließlich die Kosten der Funktionen (vgl. hierzu das Beispiel im Abschnitt 3.1.3). Schritt 3: Soll-Zustand beschreiben Ziel des dritten Grundschritts ist die Festlegung und eindeutige Beschreibung des Soll-Zustands, aus dem sich durch Gegenüberstellung zum IstZustand die eigentliche Aufgabe der Wertanalyse ableiten lässt. Hierfür werden zunächst die bei der Analyse der Objektsituation gesammelten und aufbereiteten Informationen geprüft. Dabei werden im Fall von vorangegangener Einzelarbeit die Informationen zur Objektsituation incl. der IstFunktionen kritisch im Team hinterfragt und gegebenenfalls ergänzt. Anhand der Zielvorgaben werden Kriterien aufgestellt, welche für eine späte-
Methodik der Wertanalyse
91
re Bewertung der Arbeitsergebnisse herangezogen werden können. Anschließend werden die Soll-Funktionen festgelegt. Hierzu wird jede Ist-Funktion, beginnend bei der ersten Rangstufe des Funktionsbaums, betrachtet und nochmals sorgfältig daraufhin geprüft, ob sie zur Zielerfüllung tatsächlich unerlässlich ist. Nur wenn die Aussage getroffen werden kann, dass die betrachtete Funktion genau in der bestehenden Form notwendig ist, handelt es sich um eine Soll-Funktion. Anderenfalls stellt sie eine produktbezogene Ist-Funktion dar. Bei den zur Erfüllung einer produktbezogenen Ist-Funktion notwendigen Hilfsfunktionen kann es sich dementsprechend ebenfalls nicht um Soll-Funktionen handeln. Die so bestimmten Soll-Funktionen auf der letzten Rangstufe stellen, gegebenenfalls erweitert um zusätzliche, über die Ist-Funktionen hinausgehende SollFunktionen, die Ausgangsbasis für die nachfolgende Lösungssuche dar. Problematisch bei der geschilderten Vorgehensweise ist, dass sich die Soll-Funktions-Gliederung eng an der Gliederung der Ist-Funktionen ausrichtet, obwohl sie nicht nur eine Voraussetzung für die nachfolgenden Wertanalyseschritte, sondern vielmehr auch ein Ergebnis derselben sein müsste. Dieser Umstand kann dazu führen, dass einzelne Arbeitsschritte mehrfach durchlaufen werden müssen. Nachdem die Soll-Funktionen bestimmt wurden, müssen die im zweiten Grundschritt ermittelten lösungsbedingten Vorgaben anhand des neuen Kenntnisstands auf Gültigkeit für den Soll-Zustand geprüft werden. Hieraus kann sich die Notwendigkeit ergeben, die Vorgaben anzupassen und zu ergänzen. Anschließend wird das Kostenziel, das im vorangegangenen Wertanalysegrundschritt für das Gesamtobjekt ermittelt wurde, auf die SollFunktionen aufgeteilt. Dies ermöglicht eine Gegenüberstellung von Sollund Ist-Kosten der Funktionen. Damit können diejenigen Funktionen identifiziert werden, welche das (absolut) höchste Verbesserungspotential aufweisen. Selbst wenn es sich dann als notwendig erweist, nicht nur einzelne Funktionen, sondern das gesamte Wertanalyseobjekt neu zu gestalten, wird dennoch der Bereich deutlich gemacht, in dem die Schwerpunkte der Verbesserungen liegen müssen. Die Aufteilung des Kostenziels auf die einzelnen Funktionen orientiert sich einerseits an den Nutzenwerten der Soll-Funktionen, andererseits aber auch an der Einschätzung, welches Kostenziel jeweils realisierbar erscheint. Das zweite Kriterium macht wiederum die Notwendigkeit der iterativen Arbeitsweise deutlich. Schritt 4: Lösungsideen entwickeln Die Entwicklung von Lösungsideen konzentriert sich auf diejenigen SollFunktionen, welche eine hohe Abweichung von Nutzen und Kosten auf-
92
Wertanalyse
weisen und gleichzeitig über ein absolut betrachtet hohes Rationalisierungspotential verfügen. Um auch Lösungsmöglichkeiten zu nutzen, die bereits existieren, werden Anregungen, Verbesserungs- und Änderungsvorschläge von Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten erfasst und sortiert sowie Markt- und Wettbewerbsinformationen ausgewertet. Der Schwerpunkt bei der Entwicklung von Lösungsideen liegt jedoch insbesondere auf der intuitiven Suche von neuen Lösungen. Typisch für die Wertanalyse ist hierbei der Einsatz von Ideenfindungstechniken wie z.B. Brainstorming oder Morphologie. Außerdem können Kreativitätshilfen genutzt werden wie die Ideenstimulation. Hierbei werden neue Gedanken durch die Analyse bestehender Objekte gewonnen. Solche Objekte können z.B. erfolgreiche Produkte und Lösungen aus anderen Bereichen sein. Schritt 5: Lösungen festlegen Das Festlegen von Lösungen ist von der kreativen Phase strikt getrennt und beginnt erst, wenn ausreichend viele Ideen vorliegen. Bei diesem Schritt der Wertanalyse werden zunächst aus den zuvor festgelegten Zielvorgaben Kriterien für die Bewertung der Lösungen entwickelt. Anhand dieser Bewertungskriterien werden die Lösungsideen dann beurteilt. Zunächst werden hierbei günstige Ideen hervorgehoben und nach dem Grad ihrer Realisierungsmöglichkeit geordnet, die nicht realisierbaren Ideen hingegen werden ausgeschlossen. Anschließend erfolgt die eigentliche Bewertung der verschiedenen Ideen. Dies geschieht entweder intuitiv (z.B. durch Punktevergabe), oder auch mit Methoden, die über analytische Elemente verfügen wie die Nutzwertanalyse. Damit lassen sich dann diejenigen Funktionslösungen ermitteln, die der Wertanalyseaufgabe am besten entsprechen. Durch Kombination der vorteilhaft bewerteten Lösungsideen werden diese zu ganzheitlichen Lösungsansätzen verdichtet. Dies geschieht z.B., indem die Ideen in einer Matrix nach Funktionen geordnet dargestellt und daraus entsprechend dem morphologischen Prinzip Konzepte zusammengestellt werden, wie es in Abb. 3-4 mit der morphologischen Matrix schematisch gezeigt ist. Die so generierten Lösungsansätze werden hinsichtlich ihrer voraussichtlichen Wertigkeit beurteilt und verglichen. Schließlich sollten mindestens drei realisierbare Lösungsansätze identifiziert werden können. Diese werden ausgearbeitet, und zwar bis zu dem Detaillierungsgrad, der eine sachliche Prüfung der Technik und Technologie sowie der Herstellung ermöglicht. Auf diese Weise werden aus den Lösungsansätzen Lösungen abgeleitet und festgelegt.
Methodik der Wertanalyse
Funktionen
Lösungsideen
93
1
2
3
4
Funktion 1
Idee 1
Idee 2
Idee 3
Funktion 2
Idee 1
Idee 2
Idee 3
Funktion 3
Idee 1
Idee 2
Idee 3
Idee 4
Funktion 4
Idee 1
Idee 2
Idee 3
Idee 4
Funktion 5
Idee 1
Idee 2
Idee 3
Idee 4
Lösungsansatz 1
Idee 4
Lösungsansatz 2
5 Idee 5
Idee 5
Lösungsansatz 3
Abb. 3-4. Morphologische Matrix zur Verdichtung von Ideen
Die Bewertung der ausgearbeiteten Lösungen kann dann unter ganzheitlichen Gesichtspunkten erfolgen, z.B. mit Hilfe des eingangs dargestellten Stärke-Diagramms, in dem die technische und die wirtschaftliche Wertigkeit einer Lösung abgebildet werden. Die gesamten Projektergebnisse incl. der ausgearbeiteten und bewerteten Lösung(en) werden schließlich in Form einer Entscheidungsvorlage zusammengestellt und dem Entscheidungsgremium präsentiert. Zu den Bestandteilen der Entscheidungsvorlage zählen dabei in der Regel:
Vor- und Nachteile der Lösungen incl. der möglichen Risiken.
Planung zur Realisierung der Lösungen incl. Verantwortlichkeiten, Termine und Kapazitäten.
Gegebenenfalls notwendige Investitionen in Betriebsmittel, welche durch die wertanalytische Überarbeitung notwendig werden.
Wirtschaftlichkeit des Projekts incl. der erreichten Herstellkostensenkung und / oder Wertsteigerung des Objekts, sowie der Zeitraum, in dem sich die durch die Wertanalyse bedingten Aufwendungen amortisieren.
Auf Basis dieser Vorlage trifft das Entscheidungsgremium eine Entscheidung zur Realisierung einer Lösung, wobei es dabei von der Wertanalysegruppe durch Empfehlungen unterstützt werden kann. Schritt 6: Lösungen verwirklichen Nachdem die Entscheidung zur Realisierung einer Lösung getroffen wurde, wird die Umsetzung im Detail geplant und eingeleitet. Hierfür werden zunächst der Arbeitsablauf sowie der Personal- und Finanzaufwand der
Wertanalyse
94
Realisierung im Detail geplant. Dies schließt die Planung von Kapazitäten, Terminen, Informationswegen etc. ein. Alle betroffenen Personen und Stellen werden informiert. Nachdem die verschiedenen Maßnahmen zur Verwirklichung einer Lösung von dem Wertanalyse-Team formuliert und von den Entscheidungsträgern akzeptiert wurden, werden auf Basis der Planung die Aktivitäten abgestimmt und eingeleitet. Damit gegebenenfalls korrigierende Maßnahmen ergriffen werden können, wird die Durchführung der Aktivitäten überwacht. Dies erfordert ein Kontrollsystem, mit welchem der Grad der Zielannäherung festgestellt werden kann. Der aktuelle Ist-Zustand wird dabei erfasst (z.B. mit den Methoden der konstruktionsbegleitenden Kalkulation, vgl. Abschnitt 5) und mit dem Soll-Zustand verglichen. Ist die Realisierungsphase abgeschlossen, so werden die erzielten Ergebnisse mit einem Abschlussbericht dokumentiert. In diesem Bericht werden das tatsächlich realisierte Einsparungspotential und auch die verschiedenen Ergebnisse der Wertanalyse so aufbereitet dargestellt, dass sich die gewonnenen Erkenntnisse auch an anderer Stelle nutzen lassen. In diesem Zusammenhang werden, sofern möglich, Hinweise auf weitere Projekte gegeben, die mit ähnlichen Ergebnissen bearbeitet werden können. 3.1.3
Vorgehen bei der Funktionskostenberechnung
Zu den wichtigsten Arbeitsschritten bei der Wertanalyse zählt neben der eigentlichen Funktionsermittlung auch die Berechnung der Funktionskosten, mit deren Hilfe Kostenschwerpunkte erkannt und Kosten-NutzenVergleiche ermöglicht werden. Da dies Voraussetzungen für eine zielführende Bearbeitung aller nachfolgenden Wertanalyseschritte sind, nimmt die Funktionskostenermittlung einen maßgeblichen Einfluss auf den gesamten Erfolg des Wertanalyseprojekts. Im Folgenden soll an einem Beispiel verdeutlicht werden, wie die Istkosten der Funktionen bestimmt werden (vgl. Kern u. Schröder 1978, S. 379). Bei dem ausgewählten Wertanalyseobjekt handelt es sich um einen Kugelschreiber. Dieser besteht aus drei Komponenten (Mine, Schaft und Kappe). Um Kostenschwerpunkte erkennen und Kosten-NutzenVergleiche durchführen zu können, sollen für den Kugelschreiber die Funktionskosten ermittelt werden. Die Ist-Kosten der Komponenten betragen (GE = Geldeinheiten): Mine: Schaft: Kappe:
22 GE 58 GE 12 GE
Methodik der Wertanalyse
95
Im ersten Schritt wurden für den Kugelschreiber verschiedene Funktionen ermittelt und strukturiert. Anschließend wurden die Funktionen den Produktkomponenten in der in Abb. 3-5 gezeigten Matrix gegenüber gestellt.
Abb. 3-5. Matrix „Funktionen-Komponenten“ des Wertanalyse-Objekts
Für jede Komponente wird nun abgeschätzt, mit welchem Verhältnis sie zur Erfüllung der verschiedenen Funktionen beiträgt. Im dargestellten Beispiel nimmt die Mine Anteil an der Erfüllung von insgesamt drei Funktionen und wird diesen Funktionen nach einem geschätzten Gewichtungsschlüssel anteilig zugeordnet. Analog dazu wird bei den beiden anderen Produktkomponenten vorgegangen. Hieraus ergibt sich die in Abb. 3-6 gezeigte Aufteilung der Komponentenkosten auf die Funktionen.
Abb. 3-6. Aufteilung der Komponentenkosten auf die Funktionen
Im nächsten Schritt werden die prozentualen Gewichtungen anhand der Komponentenkosten in absolute Kostenwerte umgerechnet, indem sie mit
Wertanalyse
96
den Komponentenkosten multipliziert werden. Anschließend lassen sich die so ermittelten Kostenanteile funktionsweise aufsummieren. Das Ergebnis sind die Kosten der verschiedenen Produktfunktionen, wie sie in der rechten Spalte in Abb. 3-7 gezeigt sind. Komponenten Funktionen
Mine 22 GE
Schaft 58 GE
Striche ziehen Farbpaste speichern
8,8 GE
Farbpaste ausbringen
8,8 GE
Minenbefestigung ermöglichen
4,4 GE
Strichziehen erleichtern
Kappe 12 GE
40% x 22 GE = 8,8 GE
Funktionskosten
8,8 GE 8,8 GE
23,2 GE
27,6 GE
17,4 GE
17,4 GE
Hersteller kennzeichnen
8,7 GE
1,8 GE
10,5 GE
Status des Besitzers verbessern
8,7 GE
1,8 GE
10,5 GE
Befestigung ermöglichen
2,4 GE
2,4 GE
Verschmutzung des Besitzers verhindern
6,0 GE
6,0 GE
12 GE
92 GE
Summen:
22 GE
58 GE
Abb. 3-7. Ergebnis: Ermittelte Funktionskosten
Die so berechneten Funktionskosten geben z.B. Aufschluss darüber, welche Funktionen den größten Anteil an der Kostenverursachung haben, wie es in dem Beispiel insbesondere bei der Funktion „Minenbefestigung ermöglichen“ der Fall ist. Somit wird es bei den nächsten Schritten der Wertanalyse sinnvoll sein, den Schwerpunkt auf eine Suche nach Lösungen zu legen, mit denen sich diese Funktion kostengünstiger erbringen lässt. 3.1.4
Stärken und Schwächen der Wertanalyse
Die praktischen Erfahrungen mit der Wertanalyse belegen, dass mit diesem Ansatz ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Produktgestaltung geleistet werden kann. Gründe hierfür liegen in den folgenden Vorteilen der Wertanalyse:
Die Konzentration auf die Objektfunktionen führt zu einer engen Ausrichtung an den Kundenbedürfnissen.
Die Loslösung der Funktionen von der Art ihrer technischen Realisierung schafft einen weiten Lösungsraum und erweitert den Handlungsspielraum bei der Lösungssuche erheblich.
Die systematische Vorgehensweise, bedingt durch die Vorgabe ei-
Methodik der Wertanalyse
97
nes Arbeitsplans, unterstützt die umfassende Problemanalyse und Lösungsfindung. Nichtsdestoweniger weist die Wertanalyse auch einige Schwächen auf:
Zu den bedeutendsten Schwächen zählt hierbei zweifelsohne die Problematik der Verrechnung der Kosten des Analyseobjekts auf die einzelnen Funktionen. Eine solche Zuordnung ist nur dann eindeutig möglich, wenn zwischen den Elementen des Objekts und den Funktionen n:1 Relationen bestehen. Immer dann, wenn ein Element zur Erfüllung mehrerer Funktionen beiträgt, treten Funktionsgemeinkosten auf, deren Verrechnung auf einzelne Funktionen mit Willkür verbunden ist.
Nicht-eindeutige Nutzenwerte: Analog zur Kostenverteilung wird bei der Wertanalyse auch vorausgesetzt, dass den einzelnen Funktionen eindeutige Nutzenwerte unabhängig vom Vorhandensein und dem Erfüllungsgrad anderer Funktionen zugeordnet werden können. Eine solche Nutzenunabhängigkeit der einzelnen Funktionen wird in der Realität aber meistens nicht gegeben sein.
Eine Einschränkung ihres Einsatzbereichs erfährt die Wertanalyse dadurch, dass bei ihr grundsätzlich unterstellt wird, dass alle Kosten entscheidungsrelevant sind. Somit eignet sie sich nicht für kurzfristig orientierte Analysen. Im Rahmen der strategischen Produktgestaltung wiederum ist der Nutzen der Wertanalyse dadurch begrenzt, dass sie keine eigenen Beiträge zur auf dieser Ebene ausschlaggebenden Festlegung der Soll-Funktionen und der zugehörigen lösungsbedingten Vorgaben leistet. Die bei der Wertanalyse zentrale Frage nach dem „Wie“ der Funktionserfüllung steht bei der strategischen Produktgestaltung nicht im Mittelpunkt. Auch auf der taktisch-operativen Ebene stellt das Fehlen einer Methode zur Ermittlung des Funktionsnutzens eine deutliche Schwäche der Wertanalyse dar.
Rekursiver Arbeitsablauf: Die vollständige Bearbeitung mancher Wertanalyse-Arbeitsschritte setzt Informationen voraus, die endgültig erst nach Abschluss der nachfolgenden Schritte vorliegen. Dies betrifft insbesondere: a) Die Auswahl des Analyseobjekts und die Festlegung des Analyseziels incl. der Aufteilung des Kostenziels auf die einzelnen Funktionen. Diese Schritte orientieren sich an der Einschätzung, welche Kostenziele jeweils realisierbar erscheinen, womit die Wertanalyseergebnisse bekannt sein müssten.
98
Wertanalyse
b) Die Festlegung der Soll-Produktfunktionen, die durchgeführt wird, bevor die technischen Möglichkeiten zur Erfüllung dieser Funktionen untersucht werden. Obwohl sich die jeweils notwendigen Annahmen auch auf andere Anhaltspunkte stützen können und das iterative Durchlaufen von Arbeitsschritten bei der Wertanalyse explizit vorgesehen ist, kann die Problematik damit nur abgeschwächt, aber nicht behoben werden. So kann auch keine wirklich simultane Berücksichtigung technischer und nicht-technischer Aspekte stattfinden. Werden die genannten Nachteile mit den zweifelsohne beträchtlichen Vorteilen der Wertanalyse verglichen, so muss festgestellt werden, dass der Einsatz der Wertanalyse zwar zu einer deutlichen Erhöhung des Werts des bearbeiteten Objekts führen kann, aber auch bei voller Ausschöpfung ihrer Potentiale keine Gewähr für die wirkliche Optimierung der Produktgestaltung besteht.
Praxisbeispiel: Softwaregestütze Funktionskostenermittlung
3.2
Praxisbeispiel: Softwaregestütze Funktionskostenermittlung*
3.2.1
Ausgangssituation: Problembehaftete Ermittlung von Funktionskosten
99
Die MAN Roland Druckmaschinen AG entwickelte und fertigte zum Zeitpunkt des hier beschriebenen Projekts unter anderem Bogenoffsetmaschinen und ist in Bezug auf die erzielten Umsätze einer der größten Hersteller in diesem Marktsegment. Zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit werden regelmäßig Maschinen bzw. Maschinenkomponenten wertanalytisch überarbeitet, um deren Kosten-/Nutzenverhältnis zu verbessern. Der Ablauf der Wertanalyse und die Durchführung ihrer einzelnen Schritte orientieren sich bei der MAN Roland Druckmaschinen AG an dem in Abschnitt 3.1.2 beschriebenen Wertanalyse-Arbeitsplan. Wie in den Abschnitten 3.1.2 und 3.1.3 dargestellt, ist die Ermittlung von Funktionskosten elementarer Bestandteil des Wertanalyseablaufs. Insbesondere bei komplexen Wertanalyseobjekten mit einer Vielzahl von Bauteilen oder Baugruppen, welche jeweils Träger mehrerer Funktionen sind, konnten bei der MAN Roland Druckmaschinen AG diese Istkosten in der Vergangenheit häufig nur unter Schwierigkeiten und verbunden mit einem hohen Unsicherheitsfaktor abgeschätzt werden. Der Grund hierfür liegt in der bereits dargestellten Problematik bei der Verrechnung der Kosten des Analyseobjekts auf die einzelnen Funktionen. Vor diesem Hintergrund wurde eine Arbeitsgemeinschaft zwischen der MAN Roland Druckmaschinen AG und der Gesellschaft für kostenorientierte Produktentwicklung, Köln, sowie dem Lehrstuhl für Unternehmensrechnung und Controlling der Technischen Universität Chemnitz initiiert. Ziel dieser Kooperation war die Entwicklung einer Methodik, mit welcher diesem Schwachpunkt der Wertanalyse begegnet werden kann. Gegenstand der Wertanalyse war ein Saugbändertisch, der zum Anleger einer Druckmaschine gehört. Der Saugbändertisch transportiert die zu bedruckenden Bögen vom Anleger zum ersten Druckwerk (siehe Abb. 3-8) und soll bei einfacher Bedienung einen kratzerfreien Bogenlauf verschiedener Bedruckstoffe gewährleisten.
*
Von Jan O. Fischer und Uwe Götze
100
Wertanalyse
Abb. 3-8. Saugbändertisch einer Bogenoffsetmaschine (im linken Bereich der Abbildung)
3.2.2
Lösungsansatz: Paarvergleiche nach der AHP-Methodik
Um die Ermittlung der Funktionskosten zu verbessern, wurde eine Vorgehensweise entwickelt, deren Kern der Analytische Hierarchie Prozess (AHP) ist, der zur Analyse komplexer Entscheidungssituationen entwickelt wurde und die Berücksichtigung sowohl qualitativer als auch quantitativer Kriterien bei der Bewertung von Alternativen, Zielgrößen etc. erlaubt. Um zu Gewichtungsfaktoren für die Komponenten des WertanalyseObjekts zu gelangen, werden hierbei (bei funktionsweisem Vorgehen) alle diejenigen Komponenten, die zur Erfüllung der betrachteten Funktion beitragen, Paarvergleichen hinsichtlich ihres Funktionserfüllungsbeitrags unterzogen. Dabei wird bei jedem Vergleich die Aussage getroffen, in welchem Verhältnis der Beitrag der ersten betrachteten Komponente zu dem der zweiten Komponente steht. Um das Verhältnis der Funktionsbeiträge zu quantifizieren, lässt sich bei diesem Arbeitsschritt die von Saaty, dem Begründer des AHP, vorgeschlagenen Neun-Punkte-Skala nutzen (vgl. Abb. 3-9). Die bei den Paarvergleichen getroffenen Aussagen können anschließend verwendet werden, um zu Gewichtungsfaktoren für die Komponenten zu gelangen. Dabei wird beim AHP wie nachfolgend beschrieben vorgegangen (vgl. Götze 2006, S. 188 ff.).
Praxisbeispiel: Softwaregestütze Funktionskostenermittlung
101
Abb. 3-9. Neun-Punkte Skala von Saaty (vgl. Haedrich et al. 1986, S. 123)
Bei Nutzung der dargestellten Skala resultieren aus den Vergleichen die Werte Eins bis Neun sowie deren Kehrwerte. Diese Werte lassen sich bei K betrachteten Komponenten in Form einer K x K - Matrix darstellen. Die Werte der Hauptdiagonalen sind jeweils Eins. Darauf aufbauend können der maximale Eigenwert Lmax der Paarvergleichsmatrix und damit der zugehörige Eigenvektor bestimmt werden. Wird dieser Eigenvektor so normiert, dass die Summe seiner Komponenten Eins ergibt, erhält man den Gewichtungsvektor und damit die Gewichtungsfaktoren der verschiedenen Komponenten. Ob die bei den Paarvergleichen getroffenen Aussagen konsistent sind, kann mittels eines Konsistenzindexes (KI) geprüft werden. Dieser berechnet sich als: KI = (Lmax - K) / (K - 1) Wird dieser Konsistenzindex in Relation zu einem von der Matrixgröße abhängigen Durchschnittswert für das Konsistenzmaß gesetzt, so lässt sich mit diesem Verhältnis eine Aussage zu der Konsistenz der in der Matrix erfassten Vergleichswerte treffen: Ist das Verhältnis größer als 0,1, so liegt keine ausreichende Konsistenz vor, und es sollte eine Überprüfung und Revision der Paarvergleichsurteile erfolgen. Wenn eine ausreichende Konsistenz erzielt wurde, so können die errechneten Gewichtungsfaktoren zur Aufteilung der Komponentenkosten herangezogen werden. Damit ist der letzte Schritt des gesamten Prozesses zur Funktionskostenbestimmung abgeschlossen.
Wertanalyse
102
3.2.3
Softwaremodul zur praktischen Anwendung der AHPMethodik
Um den Anforderungen an Benutzerführung und dem verhältnismäßig hohem Rechenaufwand beim Einsatz der AHP-Methodik zu begegnen, wurde ein Softwareprogramm erstellt, das den Anwender durch die verschiedenen Arbeitsschritte führt und die Funktionskosten schließlich automatisch berechnet. In dieses Programm wurden zunächst die 18 Komponenten sowie 34 Haupt- und Nebenfunktionen des Saugbändertischs eingegeben, die bei der Analyse der Objektsituation ermittelt wurden. Daraufhin generiert die Software eine Zuordnungsmatrix, in welcher der Anwender durch Anklicken der entsprechenden Felder angibt, welche Komponenten prinzipiell zur Erfüllung welcher Funktionen beitragen (vgl. Abb. 3-10).
Abb. 3-10. Zuordnungsmatrix Komponenten - Funktionen
Um diese Erfüllungsbeiträge zu quantifizieren, müssen im nächsten Schritt nun die verschiedenen Funktionen nacheinander durchlaufen und jedes Mal Paarvergleiche zwischen allen zur Erfüllung dieser Funktion beitragenden Komponenten durchgeführt werden. Bei der Funktion „Bedruckstoff-Transport ermöglichen“ (in Abb. 3-10 in der vierten Zeile) beispielsweise werden die drei Komponenten „Bänderwalze“, Saugbändertisch“ und „Transportband“ miteinander verglichen, so dass bei den daraus
Praxisbeispiel: Softwaregestütze Funktionskostenermittlung
103
resultierenden drei Paarvergleichen jeweils die Aussage getroffen werden muss, welche der beiden Komponenten einen um wie viel höheren Beitrag zur Erfüllung der Funktion „Bedruckstoff-Transport gewährleisten“ erbringt als die andere Komponente. Das Softwareprogramm führt den Anwender hierbei durch die Vergleiche und stellt eine Dialogmaske zur Verfügung, in welcher unter Nutzung der oben beschriebenen Neun-PunkteSkala die notwendigen Angaben gemacht werden, wie Abb. 3-11 zeigt.
Abb. 3-11. Dialogmaske Komponentenpaarvergleiche
In dem dargestellten Beispiel werden bei den Paarvergleichen die folgenden Aussagen getroffen: Bänderwalze: Sehr viel größerer Beitrag zur Funktionserfüllung als Saugbändertisch Bänderwalze: Erheblich größerer Beitrag zur Funktionserfüllung als Transportband Transportband: Etwas größerer Beitrag zur Funktionserfüllung als Saugbändertisch
Dies führt zu der folgenden Matrix:
Wertanalyse
104
Das Softwareprogramm errechnet hieraus den maximalen Eigenwert Lmax der Matrix (3,0649) und daraus die Komponentengewichtungen, nämlich: Bänderwalze: Saugbändertisch: Transportband:
0,7306 0,0810 0,1884
Demzufolge leistet die Bänderwalze den deutlich höchsten Beitrag für die Funktion „Bedruckstoff-Transport gewährleisten“, wohingegen der Saugbändertisch nur einen sehr geringen Anteil an der Funktionserfüllung hat. Bei der parallel erfolgten Konsistenzprüfung ergibt sich ein Konsistenzindex von 0,0325. Der durchschnittliche Konsistenzindex einer Matrix mit drei Elementen beträgt 0,58. Daraus ermittelt das EDV-Programm einen Konsistenzwert von 0,0559, womit eine hinreichende Konsistenz der Paarvergleichsmatrix angenommen werden kann, was dem Benutzer entsprechend angezeigt wird. Analog zu dieser Vorgehensweise werden sämtliche Funktionen durchlaufen. Anschließend berechnet das EDV-Programm die Istkosten der Funktionen des Saugbändertischs, indem zunächst anhand ihres Beitrags zur Funktionserfüllung Relationen für die Kostenverteilung bestimmt werden und anhand dieser dann die Komponentenkosten aufgeteilt werden. 3.2.4
Beurteilung des softwaregestützten AHP-Prozesses
Bei der softwaregestützten Anwendung des AHP-Prozesses zeigte sich, dass die Paarvergleiche der Komponenten im Vergleich zu einer freihändigen Vergabe von Gewichtungspunkten mit weitaus weniger Willkür verbunden sind. Der Einsatz der Methodik des Analytischen Hierarchie Prozesses ermöglicht hierbei neben einer nachvollziehbaren Berechnung der Gewichtungsfaktoren eine Konsistenzprüfung der bei den Paarvergleichen getroffenen Aussagen. Hiermit können widersprüchliche Beurteilungen sofort aufgedeckt werden. Über die angestrebte Verbesserung der Funktionskostenbestimmung hinaus erwies es sich im praktischen Wertanalyseprozess als Vorteil, dass die Paarvergleiche der Komponenten hinsichtlich ihres Funktionserfüllungsbeitrags den Anwender zu einer wesentlich tieferen Auseinandersetzung mit den Funktionsbeiträgen einzelner Komponenten zwingen als es bei der konventionellen Vorgehensweise der Fall ist. Die mit den Paarvergleichen verbundene Notwendigkeit, eine explizite Beurteilung jeder Komponente vorzunehmen, führt schon während der Durchführung dieses Arbeitsschritts zu einem Erkenntnisgewinn beim Anwender in Bezug auf den Nutzen der verschiedenen Komponenten. Bei der konventionellen
Praxisbeispiel: Softwaregestütze Funktionskostenermittlung
105
Vorgehensweise hingegen stellt die isolierte Betrachtung der einzelnen Komponenten eine Schwäche dar: Da kein direkter Vergleich der Komponenten hinsichtlich ihrer Beiträge zur Erfüllung einer Funktion stattfindet, wird nicht deutlich, inwieweit der durch eine Komponente verursachte Wertverzehr angesichts ihres Beitrags zur Funktionserfüllung gerechtfertigt ist.
4 Relativkosten-Informationssysteme
4.1
Grundlagen von Relativkosten-Informationen
4.1.1
Einführung
Ein Kerngedanke des kostenbewussten Konstruierens ist es, das Wissen über Kostenzusammenhänge in die Konstruktion von Erzeugnissen einfließen zu lassen. Hiermit soll erreicht werden, dass die Produktmerkmale nicht festgelegt werden, ohne ihre Kostenwirkung in den verschiedenen Phasen der Produktentstehung abschätzen zu können. Diese Bereitstellung von Kostenwissen kann mit Hilfe der so genannten RelativkostenInformationen geschehen. Solche Informationen lassen sich insbesondere in den Konstruktionsphasen Entwerfen und Ausarbeiten, teilweise aber auch beim Planen und Konzipieren nutzen. Als „Relativkosten-Zahl“ wird formal der Quotient aus den Absolutkosten des zu untersuchenden Kalkulationsobjektes und den in gleicher Weise ermittelten Absolutkosten eines Vergleichs- oder Bezugsobjektes bezeichnet. Ein Relativkosten-Blatt ist dann die textlich und meist auch graphisch aufbereitete Darstellung von Relativkosten-Zahlen für einen bestimmten, abgegrenzten Anwendungsfall. Die Abb. 4-1 veranschaulicht dies beispielhaft für bestimmte Welle-Nabe-Verbindungen. In dem dargestellten Beispiel sind die Relativkosten für sieben verschiedene Welle-Nabe-Verbindungen in Abhängigkeit von der Baugröße dargestellt. Als Bezugsobjekte mit Relativkosten-Zahl = 1 wurden die häufig verwendeten Passfederverbindungen für die jeweilige Baugröße gewählt. Die Kosten aller weiteren Verbindungen sind im Verhältnis hierzu ausgedrückt. Aus der Abbildung wird ersichtlich, dass sich bei der vorgegebenen Losgröße die durchweg günstigste Verbindung mit dem Zylinderpressverband realisieren lässt. Bei dem Ölpressverband und der Passfederverbindung wiederum ergibt sich mit steigender Baugröße ein Wechsel der Vorteilhaftigkeit in Bezug auf die Kosten. Werden solche einzelnen, objektbezogenen Blätter mit Informationen über die Relativkosten geordnet zusammengestellt, entstehen Relativkosten-Kataloge.
Relativkosten-Informationssysteme
108
Relativkosten für Welle, Zusatzteile und Fügen
Relativkosten
3 Spannsatzverband
Losgröße n = 4
Polygonverbind.
2 Zahnwellenverb. Passfederverb.
1
Ölpressverband
Kegelpressverb.
Zylinderpressverband
0 10
20
50
100
200
500
1.000
Baugröße [mm]
Abb. 4-1. Relativkosten am Beispiel von Welle-Nabe-Verbindungen (nach Kittsteiner 1990, S. 38)
Die Begriffe „Relativkosten-Blatt“ und „Relativkosten-Katalog“ stammen aus der Zeit, als solche Kosteninformationen meist in Papierform erstellt wurden und eignen sich bei der heutigen EDV-gestützten Erstellung und Nutzung von Relativkosten-Informationen kaum mehr. Daher wird hier im Folgenden die Darstellung von Kostenverhältnissen für einen bestimmten, abgegrenzten Anwendungsfall als „Relativkosten-Information“ und die Zusammenstellung solcher einzelner Informationen als „RelativkostenInformationssystem“ bezeichnet. Der Konstrukteur kann Relativkosten-Informationen nutzen, um bei einer gegebenen Funktionsanforderung unter vergleichbaren Parametern von Werkstoffen, Bauteilen etc. die kostengünstigste Alternative auszuwählen und sich ein Bild über die Größenordnung der Verteuerung bzw. Verbilligung bei einer Lösungsvariation zu verschaffen. Damit kann dem Umstand begegnet werden, dass oft wegen fehlender oder unzureichender Hilfsmittel auf eine Überprüfung von Alternativen verzichtet wird, obwohl bei einer konstruktiven Entscheidung in den meisten Fällen eine Wahlmöglichkeit zwischen Konstruktionsalternativen besteht, die sich sämtlich zur Erfüllung der geforderten Funktion eignen. Erfahrungsberichte aus der Praxis beziffern die Kosteneinsparungen, welche durch den Einsatz von Relativkosten-Informationssystemen erreicht werden, auf 3% bis 30% der Herstellkosten. Hierbei stellt der erste Wert einen Mittelwert über das ge-
Grundlagen von Relativkosten-Informationen
109
samte Produktspektrum des betrachteten Unternehmens dar, der zweite Wert hingegen bezieht sich auf einzelne Anwendungsfälle (vgl. Männel 1996, S. 80; Steinsiek et al. 1990, S. 111; Steinwachs 1986, S. 50). Der Informationsgehalt von Relativkosten-Informationen, der über das in den Köpfen der Mitarbeiter vorhandene Kostenwissen hinausgeht, hängt neben diesem bereits vorhandenen Wissen insbesondere von dem betrachteten Objekt und den verglichenen Konstruktionsalternativen ab. In Abb. 4-2 werden drei verschiedene – nicht völlig überschneidungsfreie – Informationsbereiche gezeigt, denen sinnvolle Relativkosten, d.h. solche mit praktischem Nutzen, hinsichtlich ihres Informationsgehalts zugeordnet werden können. Informationsbereiche:
1
Die tendenziellen Kostenverhältnisse der Konstruktionsalternativen sind offenkundig, die quantitative Veränderung der Kosten bei einer Lösungsvariation ist jedoch unbekannt. Steigender Informationsgehalt
2
Die Kostenverhältnisse der unterschiedlichen Konstruktionsalternativen sind nicht bekannt.
und zunehmende Notwendigkeit von RelativkostenInformationen
3
In Abhängigkeit von den Rahmenumständen wechseln die Konstruktionsalternativen, welche zur kostengünstigsten Lösung führen.
Abb. 4-2. Informationsbereiche verschiedener Relativkosten-Informationen
Der erste Bereich umfasst die Informationen mit Relativkosten, deren tendenzieller Verlauf in der Regel bereits bekannt ist. Beispiele hierfür sind:
Relativkosten für unterschiedliche Toleranzen und Oberflächenqualitäten.
Relativkosten für die Bearbeitung eines Bauteils bei unterschiedlichen Größenabmessungen des Teils.
Auch wenn der Anwender keine Relativkosten-Informationen benötigt, um zu wissen, dass z.B. die Fertigungskosten mit zunehmender Oberflächenqualität steigen, können diese Informationen hilfreich sein. Das ist immer dann der Fall, wenn die Kostenzunahme nicht gleichmäßig ist, sondern überproportionale Zunahmen oder Sprünge aufweist. Solche Kostensprün-
Relativkosten-Informationssysteme
110
ge werden z.B. durch einen notwendigen Wechsel des Fertigungsverfahrens verursacht. In diesen Fällen können die Kostentreiber identifiziert werden, deren konstruktive Ausprägungen im Bereich des Kostensprungs liegen. Damit lässt sich dann die Möglichkeit prüfen, ob sich durch eine geringfügige Änderung der jeweiligen Ausprägung eine Konstruktionslösung realisieren lässt, deren Kosten unterhalb des Kostensprungs liegen. Eine zweite Anwendungsmöglichkeit solcher Informationen ist die Ähnlichkeitskalkulation (vgl. Abschnitt 5.1.4). Hier können die Relativkosten genutzt werden, um von den Kosten eines vorhandenen Kalkulationsobjekts anhand der technischen Unterschiede auf die Kosten eines neuen Objekts zu schließen. Dem zweiten Informationsbereich sind Relativkosten-Informationen der Anwendungsfälle zugeordnet, bei denen die Kosten alternativer Konstruktionslösungen, die in Hinblick auf die Anforderungen eines einzelnen Anwendungsfalls die gleiche Wertigkeit aufweisen, unbekannt sind. Beispiele hierfür können, je nach vorhandenem Wissen des Informationsnutzers, sein:
Relativkosten für die Erzielung einer geforderten Festigkeit bei verschiedenen Werkstoffen.
Relativkosten von alternativ einsetzbaren Einzelteilen wie bestimmten Schrauben, Wälzlagern oder Sicherungselementen.
Der dritte Bereich schließlich umfasst Relativkosten von Konstruktionsalternativen, bei denen es von den konstruktiven oder fertigungstechnischen Rahmenumständen abhängt, welche Alternative zur kostengünstigsten Lösung führt. Beispiele hierfür sind:
Relativkosten von alternativen Welle-Nabe-Verbindungen in Abhängigkeit von dem zu übertragenden Drehmoment.
Relativkosten von Gießen und Schweißen zur Erstellung eines Bauteils in Abhängigkeit von dessen Stückzahl.
Relativkosten von verschiedenen Schweißverbindungen in Abhängigkeit von der Nahtdicke. Ein Beispiel für diesen Anwendungsfall zeigt Abb. 4-3.
Auch wenn, in Bezug auf das Beispiel in Abb. 4-3, bereits Regeln zum kostenbewussten Konstruieren in der Form „Schweißen bei geringen, Gießen bei hohen Stückzahlen“ vorliegen, wird in den meisten Fällen nicht der Bereich bekannt sein, in dem ein Wechsel der Vorteilhaftigkeit stattfindet. Außerdem ist in solchen Fällen die fallweise Kostenermittlung mit deutlich mehr Aufwand verbunden als z.B. der Vergleich von Einstands-
Grundlagen von Relativkosten-Informationen
111
preisen bei Kaufteilen. Daher können in diesen Fällen durch die Zuhilfenahme von Relativkosten-Informationen Kosteneinsparungen erreicht werden, die anderenfalls normalerweise nicht möglich wären. Relativkosten von Schweißnähten (incl. Schweißnahtvorbereitung)
9 8
R ee ll aa tt i v kk oo ss tt e n
7
Kehlnaht
6 5 4
HV-Naht + Kehlnaht
3 2 1 6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
S c h w e i ß n a h t d i c k e [mm]
Abb. 4-3. Relativkosten von Schweißnähten
Die Bildung von Relativzahlen anstelle von Absolutwerten verhindert zwar deren Einsatz zu Kalkulationszwecken, hat aber den bedeutenden Vorteil, dass die Kosteninformationen nicht bei jeder Preis- und Bezugsmengenänderung berichtigt werden müssen. Somit ist die Aktualisierung und Pflege der Relativkostenwerte kostengünstiger als die Anpassung von Listen mit Absolutwerten, also z.B. Cost Tables (vgl. Abschnitt 5.1.7). Weitere Vorteile von Relativwerten sind geringere Probleme mit der Geheimhaltung und, bei graphischer Visualisierung, die sehr viel anschaulichere Darstellung solcher Zahlen. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass Relativzahlen innerhalb der Konstruktion eine höhere Akzeptanz erfahren als absolute Kostenwerte (vgl. Heller u. Kiewert 1985, S. 345). Das Haupteinsatzgebiet von Relativkosten-Informationssystemen ist die Einzel- und Kleinserienfertigung, da hier ausführliche Wertgestaltungen, wie sie im Zusammenhang mit der Wertanalyse im Abschnitt 3 beschrieben wurden, unwirtschaftlich und oft wegen kurzer Lieferzeiten auch terminlich nicht möglich sind. Doch auch in der Serienfertigung ist der Einsatz von Relativkosten in der Konstruktion sinnvoll und kann nachträgliche Änderungen am Produkt zum Erreichen des Kostenziels überflüssig
Relativkosten-Informationssysteme
112
machen. Außerdem kann der effiziente Zugriff auf Kosteninformationen die Entwicklungsgeschwindigkeit erhöhen. Die Berücksichtigung günstiger Bearbeitungsmöglichkeiten wiederum trägt neben einer Kostenreduzierung häufig auch zu einer Durchlaufzeitverkürzung der Produktionsgegenstände in der Arbeitsplanung und Fertigung bei. Relativkosten-Informationssysteme lassen sich jedoch nicht nur in der Konstruktion, sondern auch in anderen Abteilungen mit Erfolg einsetzen, wie z.B. in der Arbeitsvorbereitung, wenn Kosteninformationen über alternative Fertigungsverfahren genutzt werden können. Zu den möglichen Objekten, die in ein Relativkosten-Informationssystem aufgenommen werden können, zählen eigengefertigte Einzelteile, Norm- und Kaufteile sowie Werkstoffe und Halbzeuge. Darüber hinaus können auch für Fertigungsverfahren, Gestaltzonen (wie z.B. Verbindungen oder Wellenenden) und Baugruppen Relativkosten-Informationen erstellt und genutzt werden. Da das Kostenverhalten in starkem Maße von den betriebsspezifischen Parametern abhängig ist, welche in die Berechnung eingegangen sind, lassen sich Relativkosten-Informationen nur bedingt von dem erstellenden Betrieb auf andere übertragen. Allerdings gibt es verschiedene Möglichkeiten, für bestimmte Objekte auch überbetrieblich einsetzbare Relativkosten-Informationen zu erstellen. Diese Methoden werden im Zusammenhang mit dem Relativkosten-Informationssystem costfact (vgl. Abschnitt 4.2) beschrieben. 4.1.2
Erstellung von Relativkosten-Informationssystemen
Die innerbetriebliche Erstellung eines Relativkosten-Informationssystems läuft typischerweise in den folgenden Schritten ab (vgl. Gerhard et al. 1994, S. 260 ff.): Schritt 1: Objektauswahl Die in den Katalog aufzunehmenden Objekte werden ausgewählt. Diesem Schritt kommt eine besonders hohe Bedeutung zu, da von der sinnvollen Objektauswahl die Wirtschaftlichkeit des Informationssystems sehr stark abhängt. Das Kriterium für die Aufnahme eines Objekts in den Katalog ist ein möglichst vorteilhaftes Verhältnis von dem durch die Anwendung der Informationen erzielten Nutzen zu dem Aufwand für die Erstellung dieser Informationen. Der Nutzen ist determiniert durch den Anteil an den gesamten Produktkosten des Unternehmens, die Wiederholhäufigkeit und das Vorhandensein mehrerer Alternativlösungen, das dem Konstrukteur die Möglichkeit zur Einflussnahme gibt. Maßgebliche Auswirkung auf die
Grundlagen von Relativkosten-Informationen
113
Höhe des Erstellungsaufwands wiederum hat neben dem Gegenstand der Relativkosten-Informationen (z.B. Zukaufteil vs. Gestaltzone) auch das Ausmaß, in welchem die notwendigen Informationen neu beschafft bzw. aufbereitet werden müssen. Darüber hinaus nehmen unter anderem auch die Informationssysteme und -strukturen des Unternehmens Einfluss auf den Erstellungsaufwand, da von ihnen die zum Zusammentragen der Informationen notwendige Arbeitszeit abhängt. In Abb. 4-4 ist schematisch dargestellt, wie eine Beurteilung und Auswahl der potentiellen Relativkosten-Objekte erfolgen kann. Prioritätsportfolio
Auswahlkriterien
hoher Produktkostenanteil hohe Wiederholhäufigkeit Beeinflussungsmöglichkeit durch Konstrukteur
Aufwand zur Realisierung
Verfügbarkeit der Kosteninformationen Qualität der Informationen Komplexität / Anpassungsbedarf Möglichkeit der automatischen Aktualisierung
Gewichtung
+ : Objekt
hoch
35 % 35 % 30 %
Gewichtung
25 % 25 % 15 %
++ + + + ++ + + + + + + ++ + ++ + ++ + + + + + + + + + ++ + + + ++ + ++ + + ++ + + + ++ + + + + ++ + +++ + + ++ + + + + + + +
Nutzenpotenzial
Nutzenpotenzial
gering Aufwand zur Realisierung
35 %
hoch
gering
Abb. 4-4. Kriterien für die Auswahl von Relativkosten-Objekten (Beispiel)
In dem dargestellten Beispiel wurden zunächst mögliche Objekte anhand ihrer wertmäßigen Bedeutung mittels ABC-Analysen, Expertengesprächen etc. bestimmt. Das Kostensenkungspotential dieser Objekte wurde dann in Bezug auf die (hier beispielhaft gewichteten) Kriterien Produktkostenanteil, Wiederholhäufigkeit und Beeinflussungsmöglichkeit beurteilt. Jedes Objekt wurde dann in Hinblick auf sein Kostensenkungs- und damit Nutzenpotential auf einer Skala von 0 bis 10 eingeordnet. Außerdem wurde der Aufwand zur Erstellung und Aktualisierung der verschiedenen Relativkosten-Informationen abgeschätzt und ebenfalls durch einen dimensionslosen Wert zwischen 0 und 10 ausgedrückt. Zur Abschätzung des Aufwands wurden die Verfügbarkeit und Qualität der benötigten Kosteninformationen, der Aufwand zum Anpassen der vorhandenen Informationen sowie die Möglichkeit zur automatischen Aktualisierung der hieraus zu erstellenden Relativkosten-Informationen berücksichtigt. Schließlich wurde jedes
Relativkosten-Informationssysteme
114
Relativkosten-Objekt anhand seines Nutzenpotentials und Realisierungsaufwandes in das dargestellte Prioritätsportfolio eingeordnet. Entsprechend ihrer Position in dieser Matrix lassen sich die Objekte vier Gruppen zuordnen, wobei diejenigen Objekte, welche im oberen rechten Feld liegen, offensichtlich das beste Nutzen-/Aufwandverhältnis haben. Für die innerbetriebliche Erstellung eines Relativkosten-Informationssystems kann ein stufenweises Vorgehen sinnvoll sein: Im ersten, kurzfristig realisierbaren Schritt werden die Objekte aufgenommen, für die mit geringem Arbeitsaufwand anhand von Verkaufskatalogen, Preistabellen etc. Relativkosten-Informationen erstellt werden können. Die sich daran anschließenden Ausbaustufen enthalten die Aufnahme von RelativkostenObjekten, deren Erstellung mit mehr Aufwand verbunden ist (vgl. Eversheim et al. 1977, S. 104 ff.). Abb. 4-5 zeigt beispielhaft, welche Ausbaustufen hierbei gewählt werden können. Ausbaustufe des Systems
Aufgenommene Objekte Kauf- & Normteile
1
Wiederholteile Werkstoffe Halbzeuge
Fertigungsverfahren
2
Gestaltzonen Oberflächengüten Toleranzen
3
Baugruppen Funktionskomplexe Funktionen
Abb. 4-5. Mögliche Ausbaustufen eines Relativkosten-Informationssystems
Ein Vorteil dieser Vorgehensweise ist darin zu sehen, dass zunächst mit den Relativkosten-Informationen, deren Erstellung verhältnismäßig wenig Aufwand verursacht, Erfahrungen gesammelt werden können, die sich sowohl auf die Erstellung als auch auf die Anwendung der Informationen beziehen. Letzteres kann wiederum dazu dienen, den Nutzen solcher
Grundlagen von Relativkosten-Informationen
115
Informationen besser abschätzen zu können, womit sich die Auswahl der nächsten Objekte verbessern lässt. Schritt 2: Festlegen der Zugriffsstrategie Bei der Bestimmung der durch die Systemstruktur festgelegten Zugriffsstrategie auf die Relativkosten-Informationen steht das Ziel eines möglichst effizienten Zugriffs auf die vom Benutzer gewünschten Informationen im Vordergrund. Prinzipiell ist zwischen einer funktionalen und einer erzeugnisorientierten Systemstruktur zu unterscheiden: Bei dem funktionalen Aufbau steht dem Konstrukteur als Suchkriterium für die Ermittlung alternativer Lösungsmöglichkeiten die geforderte Funktion bzw. Teilfunktion zur Verfügung. Dieser Aufbau ist dementsprechend dann anzuwenden, wenn der Konstrukteur vorwiegend Funktionen wie z.B. „Drehmoment übertragen“ zu realisieren hat. Der erzeugnisorientierte Aufbau unterteilt die Objekte nach unterschiedlichen Erzeugnissen und Werkstoffen. Dieser Aufbau ist vorzuziehen, wenn wie bei Einzelteilen oder Gestaltungselementen eben diese Gestaltung im Vordergrund steht. Während früher bei Relativkosten-Katalogen in Papierform die Entscheidung für eine (starre) Struktur getroffen werden musste, ermöglicht die heutzutage übliche EDV-gestützte Realisierung des Informationssystems einen flexiblen Zugriff, bei dem als Suchkriterium sowohl eine Funktion als auch ein Erzeugnis oder eine Kombination von beiden verwendbar ist. Schritt 3: Ermittlung und Auswahl der kostenbestimmenden Parameter Hierbei werden zunächst die kostenbestimmenden konstruktiven Parameter ermittelt. Unter Berücksichtigung der Auswahlkriterien des Konstrukteurs werden dann diejenigen Parameter, deren Kostenverhältnisse differenziert dargestellt werden sollen, festgelegt. Das bedeutet, dass die Kosteninformationen sich auf die konstruktiven Parameter beziehen sollen, welche durch den Konstrukteur variiert werden können und von ihm schließlich festzulegen sind. Schritt 4: Kostenermittlung Die vorhandenen Kosteninformationen werden zusammengetragen, um daraufhin die Kosten eines Relativkosten-Objekts zu berechnen. Welche Kosten in die Rechnung einbezogen werden, hängt von dem Objekt und dem betriebsspezifischen Kostenrechnungsverfahren ab: Werden eigengefertigte Teile verglichen, so sind bei einer Teilkostenrechnung die variablen Material- und Fertigungskosten sowie die variablen Sondereinzelkosten der Fertigung heranzuziehen. Bei einer Vollkostenrechnung werden die Materialeinzelkosten, die Fertigungslohnkosten, die Sondereinzelkosten
Relativkosten-Informationssysteme
116
der Fertigung und die Gemeinkosten bzw. bestimmte Anteile derselben berücksichtigt. Für die Ermittlung der Relativkosten-Zahlen von Kaufteilen sind insbesondere die Einstandspreise zu verwenden. Werden Relativkosten-Zahlen erarbeitet, die Informationen für Entscheidungen über Eigenfertigung oder Fremdbezug liefern sollen, so ist bei einem kurzfristigen Entscheidungshorizont ein Vergleich auf Teilkostenbasis anzustellen, während bei langfristiger Betrachtung auch eine Gegenüberstellung der Kosten auf Vollkostenbasis sinnvoll sein kann. Schritt 5: Ermittlung der Relativkosten-Zahlen Um zu den Relativkosten-Zahlen zu gelangen, werden die errechneten Kosten in Relationen zueinander gesetzt. Dabei gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten: Bei der ersten wird das Verhältnis der Kosten der einzelnen Vergleichsobjekte zueinander bestimmt. Die Relativkosten-Zahl RK errechnet sich dann als: RK i , j =
Kosten des Vergleichsobjekts i Kosten des Vergleichsobjekts j
Sinnvoller ist es jedoch, ein gemeinsames Bezugsobjekt für alle Vergleiche zu definieren, da dies zu einer einheitlichen und damit anschaulicheren Darstellung führt. Hierbei wird das Verhältnis der Kosten eines Vergleichsobjektes zu den Kosten des zuvor festzulegenden Bezugsobjektes bestimmt. Dann gilt: RK k =
Kosten des Vergleichsobjekts k Kosten des Vergleichsobjekts 0
Der Index „0“ kennzeichnet hierbei das Bezugsobjekt. Wird ein Bezugsobjekt definiert, so sollte dieses bei der Erstellung der RelativkostenInformation als solches gekennzeichnet werden. Als geeignetes Bezugsobjekt kann z.B. das Vergleichsobjekt dienen, welches die geringsten Kosten aufweist oder zum Zeitpunkt der Untersuchung am häufigsten eingesetzt wird. Alternativ zu einem Bezugsobjekt und dessen Kosten kann auch ein Wert festgelegt werden, der außerhalb des durch die Vergleichsobjekte abgedeckten Kostenbereichs liegt, z.B. der Wert eines angestrebten Kostenziels. Schritt 6: Dokumentation der Relativkosten Die ermittelten Relativkosten werden in Tabellen und Diagrammen dokumentiert, wobei hier die Übersichtlichkeit und, soweit möglich, Visualisierung mit Hilfe von Grafiken im Vordergrund steht. Bei der Erstellung der
Grundlagen von Relativkosten-Informationen
117
Relativkosten-Informationen sind verschiedene Vorgaben zu beachten, wenn dabei die Gestaltungsgrundsätze nach DIN 32991, Teil 1 für Kosteninformations-Unterlagen befolgt werden sollen, die eine einheitliche und eindeutige Abfassung solcher Unterlagen zum Ziel haben. Hervorzuheben ist dabei die Forderung, nicht nur die eigentlichen Relativkosten-Zahlen in den Inhalt aufzunehmen, sondern neben dem Ermittlungsweg der Informationen auch den Anwendungsbereich derselben zu beschreiben, d.h. die Voraussetzungen zu spezifizieren, die bei der Anwendung des Informationssystems berücksichtigt werden müssen. Darüber hinaus sollen unter anderem Angaben zu der Präzision der Ergebnisse gemacht werden, um einen Anhaltspunkt für die Richtigkeit dieser Informationen zu vermitteln. Schritt 7: Implementierung des Relativkosten-Informationssystems Im letzten Schritt erfolgt schließlich die Implementierung des Systems, die neben der Installation bzw. Anbindung an bestehende Informationssysteme vor allem auch die Schulung der Konstrukteure im Umgang mit dem Relativkosten-Informationssystem beinhaltet. Um die Einsatzfähigkeit der Relativkosten-Informationen zu erhalten, ist es schließlich notwendig, diese in regelmäßigen Abständen auf ihre Aktualität hin zu überprüfen, da sich sowohl unternehmensexterne als auch unternehmensinterne kostenbestimmende Faktoren, z.B. durch Änderungen bei Einstandspreisen für Teile und Materialien oder Einsatz neuer Maschinen und Fertigungsverfahren, ändern können. Die wirtschaftlich optimalen Zeitpunkte der Überarbeitung hängen dabei von der Geschwindigkeit ab, mit der sich die einflussnehmenden Faktoren verändern. In Hinblick auf die systemtechnische Gestaltung wird EDV-gestützten Relativkosten-Informationssystemen heute wohl ausnahmslos der Vorzug vor konventionellen Relativkosten-Katalogen in Papierform zu geben sein. Neben dem bereits oben erwähnten Vorteil, dass dem Informationszugriff eine dynamische Systemstruktur zugrunde gelegt werden kann, spricht eine Reihe weitere Gründe dafür, wie z.B. die komfortablere und schnellere Nutzung des Informationssystems direkt am CAD-Arbeitsplatz des Konstrukteurs und vor allem auch die einfachere Verteilung der Informationen durch Einbindung in das unternehmensinterne Data-Warehouse. Letzteres ist auch in Hinblick auf notwendige Aktualisierungen der Informationen bedeutsam. Ein besonders hoher Integrationsgrad des Informationssystems wird erreicht, wenn die Relativkosten mit anderen Informationen verknüpft und dem Konstrukteur angezeigt werden, ohne dass er sie explizit aufrufen muss. Ein Beispiel hierfür ist die Anbindung an die in den meisten CAD-Programmen verfügbaren Halbzeug- und Teilekataloge, bei welcher beim Abrufen solcher Objekte direkt die dazugehörigen Relativkosten-Informationen dargestellt werden.
Relativkosten-Informationssysteme
118
4.1.3
Beispiel zur Erstellung von Relativkosten-Informationen
Im Folgenden soll mit einem einfachen Beispiel die Vorgehensweise bei der Berechnung einer Relativkosten-Information für Werkstoffe gezeigt werden. Hierbei findet eine Beschränkung auf die vorangehend beschriebenen Arbeitsschritte drei bis sechs statt („Ermittlung und Auswahl der kostenbestimmenden Parameter“; „Kostenermittlung“; „Ermittlung der Relativkosten-Zahlen“ und „Dokumentation der Relativkosten“). Als Relativkosten-Objekt wurde warmgewalzter Rundstahl ausgewählt, der im allgemeinen Maschinen- und Anlagenbau häufig zum Einsatz kommt. Die Relativkosten-Information soll die Kostenverhältnisse von vier verschiedenen Legierungen dieses Stahls aufzeigen. In Abb. 4-6 sind diese Legierungen zusammen mit den jeweiligen zum Zeitpunkt der Erstellung aktuellen (Basis-)Einstandspreisen und den mechanisch-/technologischen Eigenschaften sowie der Werkstoffdichte dargestellt. Preis
Zugfestigkeit Streckgrenze
Dichte
[€/kg]
[N/mm2]
[N/mm2]
[kg/dm3]
C 45
0,73
700
490
7,85
42 Cr Mo 4
1,03
1100
900
7,85
16 Mn Cr 5
0,92
900
630
7,85
20 Mn Cr 5
0,92
1100
730
7,85
Abb. 4-6. Preise und Eigenschaften der ausgewählten Stahlsorten
Für den Konstrukteur sind oft nicht nur die Verhältnisse der Kosten pro Masseneinheit interessant, welche in der Regel vom Lieferanten bzw. Einkauf angegeben werden. Vielmehr wird meist die Minimierung der Kosten zur Erfüllung einer geforderten Funktion im Vordergrund stehen, also z.B. die Auswahl des Werkstoffs, mit dem eine bestimmte Festigkeit am kostengünstigsten erreicht werden kann. Daher sollen sich die Relativkosten neben der Masse auch auf die Zugfestigkeit und die Streckgrenze der verschiedenen Werkstoffe beziehen. Die Zugfestigkeit kennzeichnet hierbei die maximale Zugspannung, die in einem Werkstoff herrschen kann, d.h. bei einer weiteren Zunahme dieser Spannung würde der Werkstoff brechen. Die Streckgrenze hingegen ist die maximale Zugspannung, die in einem Werkstoff herrschen kann, bevor er über die elastische Dehnung hinaus gestreckt und damit plastisch ver-
Grundlagen von Relativkosten-Informationen
119
formt wird. Für die Berechnung der Relativkosten werden hier lediglich die jeweiligen Einstandspreise herangezogen und innerbetriebliche Kosten für Materialwirtschaft etc. vernachlässigt. Neben der Stahlsorte können jedoch auch Parameter wie die Bestellmenge, Abmessung des Halbzeugs oder zusätzliche Anforderungen an eine Anarbeitung des Stahls durch den Lieferanten Einfluss auf diesen Einstandspreis nehmen. Das hier gezeigte Beispiel bezieht sich jedoch auf Rundstahl in Standardabmessung ohne Zuschläge für Mehr- bzw. Mindermengen etc., so dass die Stahlsorte als einzig kostenbestimmender Parameter verbleibt. Die jeweiligen Kosten in der Einheit Euro pro Kilogramm wurden durch Anfrage beim Lieferanten ermittelt. Um nun auf Basis der gewichts- bzw. massebezogenen Einstandspreise die Relativkosten-Zahlen zu ermitteln, wurde wie folgt vorgegangen (vgl. dazu auch Abb. 4-7):
RK bezogen auf Streckgrenze
7
RK bezogen auf Zugfestigkeit
6
RK bezogen auf Gewicht
5
Kosten bezogen auf Streckgrenze
4
Kosten bezogen auf Zugfestigkeit
3
Kosten [€/dm3]
2
Kosten [€/kg]
1
C 45
0,730
5,73
0,00819
0,01169
1,00
1,24
1,31
42 Cr Mo 4
1,025
8,04
0,00731
0,00894
1,40
1,11
1,00
16 Mn Cr 5
0,919
7,21
0,00802
0,01145
1,26
1,22
1,28
20 Mn Cr 5
0,924
7,25
0,00659
0,00994
1,27
1,00
1,11
Abb. 4-7. Berechnung der Relativkosten (RK), Bezugswerte hervorgehoben
Um die gewichtsbezogenen Relativkosten zu berechnen, wurde die Stahlsorte mit den niedrigsten Kosten pro Kilogramm bestimmt und deren Kosten als Bezugsgröße ausgewählt (C 45 mit 0,730 €/kg). Werden die Kosten der verschiedenen Stahlsorten im Verhältnis hierzu ausgedrückt, führt dies zu den Relativkosten-Zahlen, die in Spalte 5 der Abb. 4-7 dargestellt sind. Um zu Kostenverhältnissen für eine geforderte Festigkeit zu gelangen, muss zunächst der geometrische Bezug hergestellt werden, da sich die Festigkeit auf eine Spannung pro Querschnittsfläche bezieht. Hierfür wur-
Relativkosten-Informationssysteme
120
den zunächst die volumenbezogenen Kosten ermittelt (siehe Spalte 2 der Abbildung), indem durch Multiplikation der Kosten pro Kilogramm mit der – in diesem Fall einheitlichen – Dichte der verschiedenen Stahlsorten die Kosten pro dm3 berechnet wurden. Werden nun diese volumenbezogenen Kosten durch den jeweiligen Festigkeitswert (Zugfestigkeit bzw. Streckgrenze) dividiert, resultiert hieraus ein auf die Festigkeit bezogener Kostenwert (Spalte 3 bzw. Spalte 4 in der Abbildung). Analog zur gewichtsbezogenen Ermittlung der Relativkosten wurden dann auch hier die jeweils niedrigsten Kosten als Bezugswert ausgewählt, um die festigkeitsbezogenen Relativkosten der verschiedenen Stahlsorten zu berechnen. Diese sind in Spalte 6 bzw. Spalte 7 der Abbildung dargestellt. Die Dokumentation dieser Ergebnisse erfolgt in einem gemeinsamen Diagramm, welches Abb. 4-8 zeigt. Relativkosten von Rundstahl 1,45 Gewicht
Relativkosten
1,40 Zugfestigkeit
1,35 1,30
Streckgrenze
1,25 1,20 1,15 1,10 1,05 1,00 C 45
42 Cr Mo 4
16 Mn Cr 5
20 Mn Cr 5
W e r k st o f f
Abb. 4-8. Relativkosten von verschiedenen Rundstählen
Ein Vergleich der Relativkosten zeigt, dass in dem hier betrachteten Fall je nach Anforderung (Erreichen einer geforderten Masse; Erreichen einer geforderten Zugfestigkeit; Erreichen einer geforderten Streckgrenze) diese Anforderung jeweils mit einer anderen Stahlsorte am kostengünstigsten zu erreichen ist. Im Beispiel einer Stange, welche auf Zugfestigkeit auszulegen ist, wären die Materialkosten bei Verwendung von 20 Mn Cr 5 um ca. 20% günstiger als bei C 45, obwohl 20 Mn Cr 5 einen um ca. 27% höheren Kilogrammpreis hat. Da aber dank der „überproportional“ höheren Festig-
Grundlagen von Relativkosten-Informationen
121
keit (ca. 64% höher als bei C 45) entsprechend weniger Material benötigt wird, ist der Einsatz von 20 Mn Cr 5 letztlich günstiger. Beim Vergleich von Werkstoffen mit unterschiedlichen Dichten könnte bei solchen Informationen außerdem auch die Berechnung von auf das Volumen bezogenen Relativkosten sinnvoll sein (etwa bei Blechen, welche zur Verkleidung dienen). Dabei zeigt sich z.B., dass der Preisnachteil von Aluminium im Vergleich zu Stahl sich bei einer volumenbezogenen Betrachtung auf einen Faktor von derzeit ca. 2,5 reduziert, während er in Bezug auf die Masse bei ca. 7 liegt. Bei der Auswahl eines Werkstoffs anhand dieser RelativkostenInformation ist zu beachten, dass bei einer gegebenenfalls noch notwendigen Bearbeitung des Materials auch die Bearbeitungskosten zu berücksichtigen sind, da diese sich möglicherweise in Abhängigkeit vom Werkstoff ebenfalls ändern. 4.1.4
Stärken und Schwächen von RelativkostenInformationen
Relativkosten-Informationssysteme stellen ein wirksames Instrument dar, um dem Konstrukteur Einblick in die Kostenverhältnisse verschiedener konstruktiver Lösungen zu geben. Gleichzeitig ist der Aufwand zur Pflege eines solchen Systems deutlich geringer als der eines Kosteninformationssystems mit absoluten Kostenwerten. Dies wird allerdings mit dem Nachteil erkauft, dass Relativkosten-Informationssysteme für sich alleine genommen nicht zur entwicklungsbegleitenden Kalkulation eingesetzt werden können. Diese Schwäche wird aber dadurch relativiert, dass in der betrieblichen Praxis solche Kalkulationen nicht fortwährend durch den Konstrukteur parallel zu seiner eigentlichen Entwicklungstätigkeit durchgeführt werden, sondern vielmehr nur zu bestimmten Zeitpunkten (z.B. nach dem Abschluss von Entwicklungsmeilensteinen) stattfinden. Gleichzeitig kann ein Relativkosten-Informationssystem eine sinnvolle Unterstützung für die Ähnlichkeitskalkulation (vgl. Abschnitt 5.1.4) darstellen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass mit RelativkostenInformationssystemen zwar keine genaue Prognose der Produktkosten erreicht wird, dafür aber dem Konstrukteur die Möglichkeit gegeben wird, schnell und mit geringem Aufwand die günstigste der technisch möglichen Konstruktionsalternativen auszuwählen. Nichtsdestoweniger ersetzt auch die Implementierung eines solchen Systems nicht die interdisziplinäre und persönliche Zusammenarbeit mit Vertretern von Fertigung und Einkauf, welche notwendig ist, um bestehende Schnittstellenprobleme zu anderen Unternehmensbereichen wirksam zu überwinden (vgl. Fischer 2004, S. 19).
Relativkosten-Informationssysteme
122
4.2
Praxisbeispiel: Das RelativkostenInformationssystem ‚costfact’
4.2.1
Inhalte und Funktionen von costfact
Das Relativkosten-Informationssystem costfact ist eine datenbankbasierte Softwarelösung, deren Hauptfunktion die Bereitstellung überbetrieblich gültiger Relativkosten-Informationen ist. Im Folgenden wird ein Überblick zu den Merkmalen dieses Systems gegeben. Enthaltene Relativkosten-Informationen und Informationszugriff
In costfact sind überbetriebliche Relativkosten-Informationen zu Baugruppen, Fertigungsverfahren, Funktionen, Gestaltzonen, Werkstoffen und Normteilen hinterlegt. Darüber hinaus enthält costfact RelativkostenBeispiele, die aus Industrie- und Forschungsprojekten stammen. Diese Beispiele lassen sich zwar in der Regel nicht unmodifiziert beim eigenen Unternehmen einsetzen, können aber dazu dienen, Kostentendenzen aufzuzeigen und Anregungen für die Erstellung innerbetrieblicher Relativkosten-Informationen zu geben. Außerdem lassen sich mit solchen in anderen Unternehmen gesammelten Kostenvergleichen möglicherweise Hinweise auf Kostensenkungspotentiale gewinnen, die aus der Nutzung von im eigenen Unternehmen bislang nicht eingesetzten Werkstoffen, Fertigungsverfahren etc. resultieren können. Darüber hinaus ist die Integration innerbetrieblich erstellter Relativkosten in costfact vorgesehen. Somit können auch Kosteninformationen, die unternehmensspezifische Belange abbilden, in das System mit aufgenommen werden, so dass für die Verwaltung und den Zugriff durch den Anwender eine einheitliche Systemumgebung genutzt werden kann. Die in costfact bereits enthaltenen überbetrieblichen RelativkostenInformationen können nach verschiedenen Kriterien unterteilt werden, z.B. nach
statischen und dynamischen Relativkosten-Informationen,
den verschiedenen Objektgruppen, welchen die RelativkostenInformationen zugeordnet sind und nach
quantitativen und qualitativen Relativkosten-Informationen.
Statische Relativkosten-Informationen zeigen die Kostenverhältnisse für einen bestimmten Anwendungsfall unter vorgegebenen Prämissen. Dyna-
Praxisbeispiel: Das Relativkosten-Informationssystem ‚costfact’
123
mische Relativkosten-Informationen hingegen können vom Benutzer interaktiv aufgebaut werden. Hierbei kann der Anwender die aufzunehmenden Inhalte spezifizieren und / oder die Parameter, unter deren Berücksichtigung die Relativkosten berechnet werden, selbst vorgeben. Die Unterscheidung nach unterschiedlichen Objektgruppen bezieht sich auf die verschiedenen Klassen, denen die einzelnen RelativkostenInformationen zugeordnet sind. Qualitative Relativkosten-Informationen schließlich lassen sich von den quantitativen dadurch abgrenzen, dass sie nicht das konkrete Kostenverhältnis alternativer Lösungen zeigen, sondern lediglich deren Vorteilhaftigkeit unter Kostengesichtspunkten im Sinne von „Gut-/SchlechtBeispielen“. Für den Zugriff auf die Relativkosten-Informationen stehen in costfact generell zwei alternative Möglichkeiten zur Verfügung: 1. Klassifikationsbasierter Zugriff nach den unterschiedlichen Objektgruppen. 2. Textbasierte Suche nach der Bezeichnung der RelativkostenInformation oder innerhalb derer Beschreibung. In beiden Fällen erfolgt der Zugriff, ebenso wie die Anzeige der entsprechenden Relativkosten-Information, anhand einer Dialogmaske, wie sie in Abb. 4-9 gezeigt ist. Im linken Bereich der Abbildung ist ein Teil der Klassifikationsstruktur zu sehen. Der Zugriff auf die RelativkostenInformationen kann durch Anklicken einer Klasse in dem Klassifikationsbaum erfolgen. Bei der alternativen begriffsbasierten Suche werden entsprechende Schlüsselwörter in das dafür vorgesehene Feld eingegeben (links unten in der Abbildung), nach denen anschließend entweder innerhalb der Bezeichnungen oder der gesamten Beschreibung der Relativkosten-Informationen gesucht wird. Die Beschreibungen der den Suchkriterien entsprechenden Relativkosten-Informationen werden in einer „Trefferliste“ angezeigt, innerhalb derer der Anwender dann die anzuzeigende Darstellung auswählen kann.
124
Relativkosten-Informationssysteme
Abb. 4-9. Dialogmaske zur Auswahl und Anzeige der RelativkostenInformationen
4.2.2
Kostenbasis für überbetrieblich gültige RelativkostenInformationen
Mit den softwaregestützten Such- und Verwaltungsmöglichkeiten kann eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu konventionellen Relativkosten-Katalogen erzielt werden. Der wesentliche Vorteil von costfact liegt jedoch in der überbetrieblichen Gültigkeit, die ein großer Teil der dort aufgenommenen Informationen hat. Da die Höhe der Kosten für die Erstellung eines bestimmten Produktes, Bauteils oder auch eines einzelnen Bauteilfeatures von einer Vielzahl betrieblicher Faktoren abhängt, sind nicht nur absolute Kosten, sondern auch Kostenverhältnisse in der Regel zunächst nicht von einem Unternehmen auf ein anderes direkt übertragbar. Um dennoch allgemeingültige Aussagen treffen zu können, wurden bei der Erstellung der in costfact hinterlegten überbetrieblichen Relativkosten die nachfolgend beschriebenen vier alternativen Ansätze gewählt.
Praxisbeispiel: Das Relativkosten-Informationssystem ‚costfact’
125
1. Überbetrieblich vergleichbare Einstandspreise
Bei einer Reihe von häufig eingesetzten Normteilen, Werkstoffen und Halbzeugen liegt eine Kostenstruktur vor, die nicht nur bei den Lieferanten, sondern auch bei den Abnehmern weitgehend einheitlich ist. Während die häufige Homogenität auf der Lieferantenseite aus der hohen Markttransparenz bei diesen Objekten resultiert, begründet sich die Übertragbarkeit der Kostenverhältnisse auf der Abnehmerseite damit, dass absolute Unterschiede bei den Einstandspreisen (z.B. aufgrund unterschiedlicher Bestellmengen und damit verschiedener Rabattierungen) durch die Umwandlung in Relativkosten eliminiert werden. Somit haben die Kostenverhältnisse, die anhand von Lieferantenpreislisten gebildet werden, bei solchen weit verbreiteten Materialien oft pauschale Gültigkeit. Vorausgesetzt ist hierbei, dass das Unternehmen, welches eine auf dieser Basis erstellte Relativkosten-Information nutzt, das verglichene Materialspektrum bei nur einem Lieferanten zu einheitlichen Konditionen bezieht. 2. Kostenwachstumsgesetze
Wie auch die beiden folgenden Ansätze nutzt der Einsatz von Kostenwachstumsgesetzen zur Erstellung von Relativkosten-Informationen den Umstand, dass Relativkostenwerte die Kosten auf einem niedrigeren Konkretisierungsniveau darstellen als Absolutwerte, und damit teilweise auf die Errechnung von absoluten Kosten gänzlich verzichtet werden kann (vgl. Fischer 2003, S. 140 ff.). Kostenwachstumsgesetze stellen die Beziehung der Kosten von einander ähnlichen Objekten dar, wie es im Zusammenhang mit der konstruktionsbegleitenden Kalkulation noch ausführlich dargestellt wird (vgl. Abschnitt 5). Anhand des Stufensprungs, d.h. Größenverhältnisses von geometrisch ähnlichen Objekten, lassen sich mit Hilfe der in costfact hinterlegten Wachstumsgesetze die Veränderungen von verschiedenen Kostenkomponenten ähnlicher Objekte berechnen. Dies kann sowohl komplette Kalkulationsobjekte betreffen, als auch die Kosten von einzelnen Fertigungsschritten. Ein Beispiel für den zweiten Fall ist in Abb. 4-10 für den Arbeitschritt „Passfedernuten fräsen“ dargestellt. Nach Auswahl der betrachteten Fertigungsart und Eingabe des Stufensprungs berechnet costfact anhand der hinterlegten, fertigungsartspezifischen Kostenrelationen das Kostenverhältnis dieses Arbeitsgangs zwischen dem Grund- und dem Folgeentwurf. Da der Anwender außerdem die absoluten Kosten beim Grundentwurf eingegeben hat, können somit auch die absoluten Kosten beim Folgeentwurf berechnet und dem Anwender angezeigt werden. Neben den voraussichtlichen Kosten des betrachteten
126
Relativkosten-Informationssysteme
Abb. 4-10. Anwendung der Kostenwachstumsgesetze in costfact
Fertigungsschritts wird außerdem ein pauschaler Hinweis auf die Verlässlichkeit der Schätzung gegeben. 3. Fertigungsrichtwerte
Werden die Objekte, für welche Relativkosten ermittelt werden sollen, an der gleichen Maschine bzw. dem gleichen Arbeitsplatz gefertigt, so lassen sich die Kostenunterschiede von Fertigungsalternativen direkt aus den Fertigungszeiten ableiten. Überbetriebliche Relativkosten können dann erstellt werden, wenn es möglich ist, anhand von allgemein gültigen Richtwerten für Bearbeitungsverfahren die Fertigungszeiten für verschiedene Konstruktionslösungen zu ermitteln. Ein einfaches Beispiel für einen Anwendungsfall, der die Berechnung von Relativkosten anhand von Fertigungsrichtwerten ermöglicht, ist das Bohren, bei dem die Umlaufgeschwindigkeit und der Vorschub aus technischen Parametern wie Werkzeug- und Werkstoffmaterial, Werkzeugart, Bohrlochgeometrie, Bohrverfahren etc. abgeleitet werden kann. Aus Umlaufgeschwindigkeit und Vorschub wiederum lässt sich die gesamte Bearbeitungszeit berechnen. Das Verhältnis der Bearbeitungszeiten für die
Praxisbeispiel: Das Relativkosten-Informationssystem ‚costfact’
127
verschiedenen betrachteten Fertigungsalternativen entspricht dann den Relativkostenwerten, so dass auf die Ermittlung eines – immer nur innerbetrieblich gültigen – Stundensatzes verzichtet werden kann. 4. Bemessungsgleichungen
Bemessungsgleichungen sind ebenfalls im Abschnitt 5 zur konstruktionsbegleitenden Kalkulation dargestellt und beschreiben den Einfluss der wesentlichen technischen Merkmale eines Objekts auf dessen Herstellkosten anhand physikalischer Zusammenhänge. Um das originäre Ziel dieser Methode, die Prognose absoluter Kosten, zu erreichen, müssen in die Bemessungsgleichungen spezifische Kostensätze einfließen. Diese wiederum können nur betriebsspezifisch gültig sein. Da es für die Erstellung von Relativkosten-Informationen jedoch ausreicht, die Kostenverhältnisse zwischen Alternativen zu errechnen, ist es möglich, auf diese Kostensätze zu verzichten. Die Aussagen, die sich dann mit Bemessungsgleichungen treffen lassen, zeigen die relative Kostenwirkung, welche eine Variation der technischen Merkmale hat. 4.2.3
Vorteile dynamischer Relativkosten-Informationen
Während die Inhalte von statischen Relativkosten-Informationen fest vorgegeben sind, kann der Benutzer die in costfact enthaltenen dynamischen Informationen interaktiv aufbauen und dabei Einfluss auf die zu vergleichenden Objekte nehmen. Die prinzipielle Vorgehensweise hierbei soll am Beispiel von Halbzeugen verdeutlicht werden (vgl. Abb. 4-11). In der Dialogmaske wählt der Benutzer („Schritt 1“) zunächst aus, ob verschiedene Werkstoffe einer Halbzeugform oder verschiedene Halbzeugformen eines Werkstoffs verglichen werden sollen. Hiervon abhängig werden in einer Auswahlliste entweder die verfügbaren Halbzeugformen oder die verfügbaren Werkstoffe angezeigt. In dieser Liste wird dann die Form bzw. der Werkstoff ausgewählt, innerhalb dessen der Vergleich stattfinden soll („Schritt 2“). Daraufhin werden in einem Listenfeld sämtliche für die getroffene Auswahl verfügbaren Alternativen angezeigt, unter denen der Anwender diejenigen selektieren kann („Schritt 3“), welche in der Relativkosten-Information angezeigt werden sollen. Zuletzt gibt der Benutzer an, hinsichtlich welchen Parameters (Gewicht, Volumen, Festigkeit etc.) der Kostenvergleich erfolgen soll („Schritt 4“). Mit dieser vierstufigen Auswahlmöglichkeit lässt sich erreichen, dass die Inhalte der Relativkosten-Information exakt den tatsächlich verfügbaren und technisch sinnvollen Alternativen entsprechen.
128
Abb. 4-11. Dialogmaske Informationen
Relativkosten-Informationssysteme
zum interaktiven Aufbau von Relativkosten-
Neben der Möglichkeit zur Bestimmung des Inhalts kann mit dem interaktiven Aufbau auch eine bedeutende Schwäche herkömmlicher Relativkosten-Informationen überwunden werden: Bei der Erstellung einer statischen Relativkosten-Information muss für die meisten der kostenbestimmenden Parameter eine konkrete Ausprägung festgelegt werden, um die Kostenrelationen in Abhängigkeit der verbliebenen Parameter darzustellen. Der Grund für die Eingrenzung auf wenige offene Parameter ist die beschränkte Anzahl der grafisch oder tabellarisch darstellbaren Dimensionen. Meist können lediglich zwei konstruktive Parameter aufgenommen werden, um ihren Einfluss auf die Relativkosten darzustellen. Dies bedeutet zwangsläufig, dass in der Regel mehrere Prämissen festgelegt werden müssen, auf welchen die Berechnung aufbaut. Dies verringert den Nutzen einer Relativkosten-Information, da die getroffenen Voraussetzungen bei einem speziellen Anwendungsfall nicht sämtlich gegeben sein werden, so dass der Konstrukteur gezwungen ist, von den angezeigten Informationen auf seinen aktuellen Anwendungsfall zu abstrahieren (vgl. Fischer u. Götze 2003, S. 42 f.). Bei vielen der dynamischen Relativkosten-Informationen in costfact ist die Anzahl der vorgegebenen Prämissen reduziert, und der Anwender kann die offenen Parameter im interaktiven Dialog auswählen oder eingeben.
Praxisbeispiel: Das Relativkosten-Informationssystem ‚costfact’
129
Abb. 4-12 zeigt dies am Beispiel der Relativkosten von fräsender Bearbeitung verschiedener Materialien.
Abb. 4-12. Benutzerdefinierte Eingabe von Relativkosten-Prämissen
In der Dialogmaske, die im oberen rechten Teil der Abbildung gezeigt ist, macht der Anwender zunächst Angaben zu dem Fräsertyp, -durchmesser und dem Werkzeugwerkstoff. Die auf dieser Basis erstellte RelativkostenInformation, die in der Abbildung als Balkendiagramm gezeigt ist, weist damit eine sehr hohe Spezifikation in Hinblick auf den aktuell betrachteten Anwendungsfall auf. Außerdem hat der Benutzer die Möglichkeit, mit geringem Aufwand verschiedene Szenarien zu betrachten und damit Erkenntnis darüber zu gewinnen, welche Kostenverhältnisse sich aus Änderungen im Umfeld seines Anwendungsfalls (z.B. Einsatz eines anderen Werkzeugs) ergeben.
5 Konstruktionsbegleitende Kalkulation
5.1
Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
5.1.1
Einführung
Ein wirksames Kostenmanagement benötigt frühzeitig im Konstruktionsprozess Informationen über die voraussichtlichen Kosten eines Produktes. Die Erkenntnisse, welche mit Hilfe der konventionellen Vorkalkulation gewonnen werden, reichen jedoch für eine kostenbewusste Konstruktion nicht aus, da bei dieser Kalkulationsform die Kosten auf Grundlage weitgehend vollständiger Konstruktions- und Fertigungsunterlagen ermittelt werden. Diese Unterlagen können selbstverständlich erst nach Abschluss der konstruktiven Tätigkeiten zur Verfügung stehen. Damit die Produktmerkmale jedoch nicht ohne eine Abschätzung ihrer Kostenwirkung festgelegt werden, muss die Kostenwirkung konstruktiver Entscheidungen schon während des Konstruktionsprozesses mit Hilfe von Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation beurteilt werden. Neben dem Einsatz bei der Produktkostensteuerung kommt der konstruktionsbegleitenden Kalkulation auch bei der Erstellung von Angeboten für Individualprodukte eine wichtige Rolle zu. Solche Angebote müssen sowohl genau als auch schnell erarbeitet werden. Die Genauigkeit der Angebotskalkulation hat wesentlichen Einfluss auf die Verkaufschancen und den wirtschaftlichen Erfolg eines Kundenauftrags. So soll der Auftrag einerseits nicht durch überhöhte Preisforderungen an Wettbewerber verloren gehen, und andererseits soll sichergestellt sein, dass im Falle einer späteren Auftragsabwicklung die anfallenden Kosten gedeckt werden und ein Überschuss erzielt werden kann. Die Forderung nach einer schnellen bzw. aufwandsarmen Angebotserstellung resultiert daraus, dass Angebote zum einen oft kurzfristig abgegeben werden müssen und zum anderen meist nur ein geringer Teil der in der Regel unentgeltlich erstellten Angebote zu Aufträgen führt. Daher ist es in aller Regel weder möglich noch sinnvoll, komplette Konstruktions- und Fertigungsunterlagen zu erstellen, anhand deren eine konventionelle Vorkalkulation durchgeführt werden könnte.
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
132
Ein weiteres wichtiges Einsatzgebiet der konstruktionsbegleitenden Kalkulation ist der Vergleich unterschiedlicher Gestaltungsalternativen: Bestehen für einen konstruktiven Anwendungsfall mehrere Lösungsmöglichkeiten, so kann durch einen Vergleich der Kosten die günstigste Lösung ausgewählt werden. Bei keinem der oben beschriebenen Anwendungsfälle bedeutet „konstruktionsbegleitend“ zwangsläufig eine quasi permanent parallel zur konstruktiven Tätigkeit durchgeführte Kalkulation. Vielmehr werden alle Kalkulationsverfahren als konstruktionsbegleitend bezeichnet, die zu einem oder mehreren Zeitpunkten während des Konstruktionsprozesses eine Kostenprognose auf Basis der zu diesem Zeitpunkt bekannten Produktmerkmale ermöglichen (vgl. König 1994, S. 3). In Abb. 5-1 ist dies beispielhaft für eine Kontrolle der Zielkostenerreichung nach jeder Konstruktionsphase im Vergleich zur konventionellen Vorkalkulation gezeigt. Marktforschung / Kunde
Marktforschung / Kunde
Anforderungen mit Zielkosten
Anforderungen mit Zielkosten
Ausarbeitung
nein
Zielkosten erreicht? ja Produktion
kurze Regelkreise
Entwurf
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
Konzept
langer Regelkreis
konventionelle Vorkalkulation
Konzept
nein
Zielkosten erreicht? ja
Entwurf
nein
Zielkosten erreicht? ja
Ausarbeitung
nein
Zielkosten erreicht? ja
Produktion
Abb. 5-1. Ablauf von konventioneller Vor- und konstruktionsbegleitender Kalkulation (nach Ehrlenspiel et al. 2007, S. 51)
Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
133
Die Ermittlung der voraussichtlichen Produktkosten nach jeder Konstruktionsphase ermöglicht im Falle einer Zielkostenüberschreitung ein sofortiges Eingreifen, so dass lediglich die letzte Phase bzw. ein Teil von ihr erneut durchlaufen werden muss. Voraussetzung ist hierfür, dass die Zielkosten den ermittelten Kosten in einer Struktur gegenübergestellt werden, die detaillierte und aussagekräftige Vergleiche möglich macht. Dies ist mit einer Gliederung nach Produktkomponenten und Kostenarten zu erreichen. Die Kostenstrukturierung sollte über die verschiedenen Zeitpunkte der Kostenprognose hinweg einheitlich sein, da sich die Entwicklung der voraussichtlichen Produktkosten nur so über den gesamten Konstruktionsprozess hinweg transparent darstellen lässt. Zu den wichtigsten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Einsatz der konstruktionsbegleitenden Kalkulation zählt außerdem, dass diese fest im Entwicklungsprozess verankert ist, was die Klärung von Verantwortlichkeiten und die Festlegung von Entscheidungsprozessen im Fall von identifizierten Kostenabweichungen einschließt. Unabhängig von der Frequenz der Kalkulationen während des Konstruktionsprozesses richtet sich die eingesetzte Methodik unter anderem am jeweiligen Informationsstand aus. Wie in Abb. 5-2 dargestellt, nimmt dieser mit dem zunehmenden Detaillierungsgrad über den gesamten Produktentstehungsprozess zu. Zeitpunkt bzw. -phase im
Vorhandene Informationen
Produktentstehungsprozess
für Kalkulationen (Beispiele)
Anfrage (Kunde/Vertrieb/Marketing)
Geforderte Funktionen, Zielkosten
Grobkonzept, ggf. Angebot
Kosten und Merkmale ähnlicher Produkte
Konzept
Entwurf
Gestalt (grob), Werkstoffart, Masse (grob)
Ausarbeitung
Fertigungsplanung
Plankosten von Material und Fertigung
Fertigung
Nachkalkulation
Ist-Kosten von Material und Fertigung
Physikalisch-technische Lösungswege, Kosten von Wiederholteilen
Gestalt, Masse, Werkstoffe, Ähnlichteilkosten
z.T. Ist-Kosten von Material und Fertigung
Abb. 5-2. Produktentstehungsphasen und kalkulationsrelevante Informationen (nach Bronner 1998, S. 24)
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
134
Die erzielbare Genauigkeit der Kostenermittlung nimmt demzufolge mit dem Zeitfortschritt im Konstruktionsprozess zu. Außerdem wird die Genauigkeit beeinflusst durch den Anteil an bereits vorhandenen Komponenten, die in dem zu entwickelnden Produkt eingesetzt werden: Bei Anpassungs- und Variantenkonstruktionen, deren Anzahl die der Neukonstruktionen in der Regel deutlich übersteigt, sind die meisten Kostenbestandteile bereits bekannt. Da auch Neukonstruktionen oft zu einem großen Teil aus schon vorhandenen Teilen und Baugruppen mit weitgehend bekannten Kosten bestehen, ist die Genauigkeit für das ganze Produkt höher als für einzelne Teile. Bei unveränderten Kosten der bekannten Komponenten würde sich somit bei einem Produkt, welches beispielsweise zu 70% aus vorhandenen Baugruppen besteht, eine mit ± 20% angenommene Ungenauigkeit auf den Anteil der neuen Teile begrenzen und damit für das gesamte Produkt nur noch ± 6% betragen. In diesem Zusammenhang ist auch der so genannte Fehlerausgleich zu beachten: Die Genauigkeit einer Kalkulation lässt sich wesentlich verbessern, wenn die Gesamtkosten als Summe von einzelnen Kostenbestandteilen ermittelt werden. Die Kosten können hierbei z.B. nach der Kostenart in Material- und Fertigungskosten unterteilt und / oder entsprechend der Produktstruktur differenziert für einzelne Produktkomponenten betrachtet werden. Treten nur zufällige und keine systematischen Fehler bei der Kostenermittlung auf, so werden sich dann die positiv und negativ verteilten Fehler der einzelnen Kostenbestandteile zum Teil ausgleichen. Unter Annahme einer Gaußschen Normalverteilung errechnet sich der relative Fehler des gesamten Kalkulationswertes als: n
f ges =
∑( f
i
⋅ yi ) 2
i =1
2 y ges
mit fges
= relativer Fehler des gesamten Kalkulationswertes
fi
= relative Fehler der einzelnen Kalkulationswerte
yges = gesamter Kalkulationswert (Summe der einzelnen Kalkulationswerte) yi
= einzelne Kalkulationswerte
Abb. 5-3 zeigt, wie sich der relative Gesamtfehler für eine Baugruppe in Abhängigkeit von der Anzahl ihrer Bauteile ändert, wenn jedes Bauteil einzeln mit einer Genauigkeit von ± 50% kalkuliert wird und gleiche Kosten der Bauteile vorausgesetzt werden.
Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
135
relativer Fehler
50% 25% 0% -25% -50% 1
20
40
60
80
100
Anzahl der Bauteile
Abb. 5-3. Abhängigkeit des Gesamtfehlers von der Anzahl der Einzelschätzungen (nach Bronner 1998, S. 149)
Die bei der konstruktionsbegleitenden Kalkulation letztlich zu fordernde Genauigkeit hängt von dem Kalkulationszweck ab. Soll lediglich ein Variantenvergleich durchgeführt und die günstigere von zwei alternativen Lösungen ermittelt werden, so lässt sich evtl. eine relativ große Abweichung bei der Kalkulation tolerieren, insbesondere dann, wenn sich die Alternativen in Bezug auf die Kosten deutlich unterscheiden, wie es z.B. in der Konzeptphase meist der Fall ist. Bei der Kalkulation zur Erstellung eines Angebots hingegen kann bei geringen Gewinnmargen und hohem Wettbewerbsdruck bereits eine verhältnismäßig geringe Abweichung im Bereich von wenigen Prozent dazu führen, dass mit einem angenommenem Auftrag kein Gewinn realisiert bzw. ein Angebot wegen zu hoch prognostizierten Kosten abgelehnt wird. Aus der insgesamt erforderlichen Genauigkeit lässt sich unter Berücksichtigung des Fehlerausgleichseffekts der zulässige Fehler für eine einzelne Komponente in Abhängigkeit von ihrem Anteil an den Gesamtkosten ableiten:
f i , zul =
f ges , zul ki
mit fi, zul
= zulässiger relativer Kalkulationsfehler der betrachteten Komponente
fges, zul
= zulässiger relativer Kalkulationsfehler des gesamten Objekts
ki
= Kostenanteil der betrachteten Komponente an gesamten Objektkosten
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
136
Wird diese Funktion bei praktischen Anwendungsfällen eingesetzt, so wird deutlich, dass der Aufwand für die konstruktionsbegleitende Kalkulation in der Regel dadurch stark reduziert werden kann, dass der Einsatz von genauen und damit aufwändigen Kalkulationsverfahren auf die Kostenprognose derjenigen Komponenten beschränkt wird, die einen hohen Kostenanteil haben. So würde es z.B. bei einer insgesamt geforderten maximalen Abweichung von 10% ausreichen, die Kosten einer Komponente mit einem Kostenanteil von 5% mit einer Genauigkeit von ca. +/- 45% zu schätzen. Bei einer Komponente, deren Kostenanteil bei 50% liegt, dürfte der Kalkulationsfehler unter den gleichen Umständen hingegen lediglich ca. 14% betragen. 5.1.2
Verfahrensüberblick
Die Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation lassen sich nach einer Fülle unterschiedlicher Kriterien unterteilen, was wiederum zu verschiedenen Verfahrenskategorien führt. Beispiele hierfür sind:
In Abhängigkeit davon, wie die Zusammenhänge zwischen den Kosten und deren Einflussgrößen ermittelt werden, können heuristische, statistische und analytische Modelle unterschieden werden.
Globale und detaillierte Modelle werden anhand des Kriteriums voneinander abgegrenzt, ob die Kosten eines Objekts pauschal oder differenziert nach einzelnen Komponenten betrachtet werden. Eine zweite Betrachtungsweise unterscheidet diese beiden Modelle danach, ob von den konstruktiven Merkmalen direkt auf die Produktkosten geschlossen wird oder ob eine explizite Berücksichtigung des Herstellungsprozesses erfolgt.
Nach der Anzahl der berücksichtigten kostenrelevanten Produktmerkmale lassen sich univariate und multivariate Verfahren unterscheiden. Während univariate Verfahren nur eine Kosteneinflussgröße berücksichtigen, verarbeiten multivariate Verfahren dementsprechend mehrere Einflussgrößen.
Die einzelnen Verfahren weisen Berührungspunkte und Überschneidungen auf. Manche von ihnen können, je nach Ausgestaltung, unterschiedliche Ausprägungen der oben genannten Gliederungsmerkmale annehmen. Gleichzeitig werden einige der Verfahren in der Praxis zweckmäßigerweise miteinander kombiniert. Bevor die einzelnen Verfahren beschrieben werden, sollen sie gemäß ihres Einsatzzeitpunktes innerhalb des typischen Ablaufs einer konstruktionsbegleitenden Kalkulation kurz vorgestellt wer-
Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
137
den: Werden die Kosten für ein in der Entwicklung befindliches Produkt oder eine Produktkomponente gesucht, so liegt es anfangs nahe, in einem ersten Schritt anhand einer zumindest teilweise intuitiven Expertenschätzung Aussagen über diese Kosten zu treffen. Hierbei wird implizit die Erfahrung genutzt, welche durch die Auseinandersetzung mit bereits vorhandenen, vergleichbaren Lösungen gewonnen wurde. Genauere Kostenprognosen lassen sich erreichen, wenn die vorhandenen Informationen von bereits realisierten Lösungen explizit genutzt werden, wie es bei der Ähnlichkeitskalkulation der Fall ist. Hier wird von den Kosten eines bereits vorhandenen Objekts, das dem neu entworfenen Objekt ähnlich ist, auf dessen Kosten geschlossen. Da bei der Ähnlichkeitskalkulation meist keine vollständige Übereinstimmung zwischen dem vorhandenen und dem neuen Objekt vorliegt (anderenfalls könnte auch das bestehende Objekt eingesetzt werden), lassen sich die Kostenwerte des identifizierten Objekts jedoch nicht unverändert übernehmen. Werden mehrere ähnliche Objekte gefunden, kann aus deren Kosten ein Mittelwert gebildet werden, oder die Prognosekosten für den aktuellen Anwendungsfall werden durch Approximation gewonnen. Neben der Notwendigkeit, möglichst mehrere ähnliche Objekte identifizieren zu müssen, beinhalten die genannten Vorgehensweisen jedoch Schwierigkeiten bei der Bildung eines „richtigen“ Mittelwerts bzw. die Problematik, dass die Voraussetzungen für eine sinnvolle Approximation nicht immer gegeben sind. Diese Probleme können durch den Einsatz von Kostenfunktionen umgangen werden. Kostenfunktionen beschreiben den Verlauf der Kosten in Abhängigkeit eines oder mehrerer Parameter(s). Diese Funktionen lassen sich grob unterteilen in die oft überbetrieblich gültigen analytisch erstellten Kostenfunktionen, welche z.B. die Kostenverhältnisse zwischen vergleichbaren Entwürfen in Abhängigkeit ihrer konstruktiven Merkmalen anhand technischer bzw. physikalischer Gegebenheiten beschreiben, und in die statistisch erstellten Kostenfunktionen. Letztere wiederum werden gebildet, indem die Art des Zusammenhangs zwischen Objektmerkmalen und Kosten durch die Analyse einer größeren Menge vorhandener Objekte ermittelt wird. Dabei können oft nicht nur Aussagen zu den Kostenverhältnissen von verschiedenen Objekten gemacht werden, sondern auch innerhalb von definierten Objektklassen anhand der kostenrelevanten Parameter absolute Kosten prognostiziert werden. Somit kann in diesem Fall auf die Identifikation eines ähnlichen Objekts verzichtet werden, und es genügt, das neue Objekt derjenigen Klasse zuzuordnen, für welche die entsprechende Kostenfunktion gültig ist. Diese verschiedenen Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation tragen dem Umstand Rechnung, dass zum Zeitpunkt ihres Einsatzes
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
138
keine vollständigen Informationen über das betrachtete Objekt vorliegen. Können hingegen bereits genaue Angaben zu Gestalt, Fertigungsschritten und -verfahren etc. gemacht werden, so lassen sich detaillierte Kostenprognosen durchführen, bei denen sämtliche Materialien und Tätigkeiten, die zur Produkterstellung notwendig sind, vorherbestimmt und monetär bewertet werden. Abb. 5-4 gibt einen Überblick zu den genannten Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation. Konstruktionsbegleitende Kalkulation
Expertenschätzung
Ähnlichkeitskalkulation
Kostenfunktionen
Analytisch erstellte Kostenfunktionen
Detaillierte Kostenprognosen
Statistisch erstellte Kostenfunktionen
Abb. 5-4. Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
Zu den Begriffen, die bisweilen synonym zu „konstruktionsbegleitende Kalkulation“ benutzt werden, zählen unter anderem „Kurzkalkulation“ und „Schnellkalkulation“. Deren Verwendung ist allerdings uneinheitlich, so wird die Kurzkalkulation beispielsweise in DIN 32990, Teil 1 generell als eine zeitlich und / oder sachlich vereinfachte Kalkulation definiert, während in der VDI-Richtlinie 2235 bei der Kurzkalkulation der Einsatz von Kostenfunktionen vorausgesetzt wird. EDV-Unterstützung bei der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
Für fast jedes der genannten Kalkulationsverfahren wurden in Hochschulprojekten, aber auch von kommerziellen Anbietern, EDV-gestützte Systeme entwickelt, welche die Anwendung der Verfahren unterstützen sollen. Manchen dieser Systeme liegt der Gedanke zugrunde, dass mit einer im CAD-System festgelegten Geometrie die für Arbeitsvorbereitung und Kalkulation notwendigen Informationen vorhanden sind, so dass eine automatische Berechnung der Produktkosten anhand der CAD-Daten möglich sein
Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
139
sollte. Dieses Ziel ist allerdings bislang nur in einigen Sonderfällen erreicht. Ein Grund dafür, dass die Kalkulation noch nicht durchgängig automatisiert erfolgen kann, liegt darin, dass auch die Arbeitsvorbereitung kreative und damit (bislang) nicht programmierbare Arbeitsschritte enthält. Neben den ressourcenorientierten Systemen gibt es auch Ansätze für Kostenprognosen, denen parametrische Schätzmodelle zugrunde liegen. Hier sind die Beziehungen zwischen Kosten und den sie bestimmenden Einflussgrößen in Form von Kostenfunktionen hinterlegt, die in der Industrie und in anderen Wirtschaftszeigen gesammelt wurden. Diese zunächst allgemeinen Funktionen müssen unternehmensspezifisch kalibriert werden, um den unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Außerdem ist im Anschluss daran eine Prüfung der Funktionen hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit notwendig (vgl. International Society of Parametric Analysts 2005, S. 5/9). 5.1.3
Expertenschätzung
Das Schätzen der Kosten von Produkten, Baugruppen oder Teilen kennzeichnet die zumindest teilweise intuitive Prognose dieser Kosten durch Fachleute auf Basis von Erfahrungswissen. Hierbei sind umfassende Kenntnisse von dem betrachteten Objekt und dessen Herstellungsprozesses notwendig. Da sich der Ablauf der Schätzung nur selten vollständig ins Bewusstsein rufen lässt, ist sie für Dritte oft schwer nachvollziehbar, und nachträglich erkannte Fehler können kaum zur Verbesserung zukünftiger Schätzungen genutzt werden. Zudem ist sie an Personen mit Expertenwissen gebunden, welche selbst die bei der Schätzung bewusst genutzte Erfahrung oft nur unvollständig formulieren können. Eine der größten Schwächen der Schätzung ist jedoch, dass die voraussichtliche Ungenauigkeit bei ihr im Vergleich zu anderen Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation wie zu erwarten am höchsten ist, was auch durch empirische Untersuchungen belegt wird (vgl. Bronner 1998, S. 150). Nichtsdestoweniger kann auch die Kostenschätzung bei der Produktkostenprognose sinnvoll eingesetzt werden. Hierbei sind jedoch verschiedene Bedingungen zu beachten: Zunächst ist die Kostenschätzung prinzipiell auf die Objekte zu beschränken, welche einen verhältnismäßig geringen Anteil an den Gesamtkosten haben. Für die übrigen Objekte sollten die genaueren, wenn auch aufwändigeren, Kalkulationsverfahren eingesetzt werden. Die Genauigkeit der Schätzung selbst kann deutlich erhöht werden, wenn sie nicht pauschal (summarisch), sondern differenziert (analytisch) erfolgt. Die daraus resultierende Qualitätsverbesserung liegt zum einen in
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
140
dem bereits erwähnten Fehlerausgleicheffekt, zum anderen aber auch darin, dass sich einzelne Kostenbestandteile auf diesem Weg leichter schätzen lassen. Daher sollte die Schätzung nach Möglichkeit auf der Ebene von einzelnen Bauteilen erfolgen und dabei die notwendigen Fertigungsvorgänge getrennt betrachten. Außerdem ist es sehr hilfreich, in Anlehnung an die nachfolgend beschriebene Ähnlichkeitskalkulation ein Vergleichsobjekt heranzuziehen und dann die Mehr- bzw. Minderkosten für Material und Fertigung zu schätzen. Eine weitere Möglichkeit zur Erhöhung der Schätzgenauigkeit besteht darin, dass mehrere Personen unabhängig voneinander schätzen und aus den verschiedenen Ergebnissen ein Mittelwert gebildet wird. 5.1.4
Ähnlichkeitskalkulation
Ziel der Ähnlichkeitskalkulation (oft auch als „Suchkalkulation“ bezeichnet) ist es, die Kosten eines neuen Konstruktionsobjekts auf Basis von Vergleichen mit bereits gefertigten ähnlichen Produkten, Baugruppen oder Einzelteilen, deren Kosten bekannt sind, zu prognostizieren. Mit der „Ähnlichkeit“ wird hierbei ausgedrückt, in welchem Ausmaß die betrachteten Objekte hinsichtlich der Ausprägungen ihrer konstruktiv beeinflussbaren kostenbestimmenden Merkmale übereinstimmen. Damit sich dieser Übereinstimmungsgrad quantifizieren lässt, müssen die betrachteten Merkmale numerisch erfassbar sein. Unter technischen Gesichtspunkten werden meist vier Arten der Ähnlichkeit unterschieden, nämlich die geometrische, fertigungstechnische, funktionale und physikalische Ähnlichkeit. In Abb. 5-5 sind Beispiele für Merkmale gezeigt, anhand derer die verschiedenen Ähnlichkeiten ermittelt werden können. Ähnlichkeit
geometrisch
fertigungstechnisch
funktional
physikalisch
- Länge, Breite, Höhe
- Fertigungsverfahren
- Drehmoment übertragen
- Leistung
- Durchmesser
- Fertigungstoleranzen
- Energie leiten
- Zerspanbarkeit
- Volumen
- Montierbarkeit
- Stoffe verbinden
- Leitfähigkeit
- …
- …
- …
- …
Abb. 5-5. Beispiele technisch geprägter Ähnlichkeitsmerkmale (nach König 1994, S. 39)
Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
141
Bei der Suche nach ähnlichen Objekten ist es möglich, sowohl mehrere Merkmale heranzuziehen als auch nur eine einzelne Eigenschaft zu betrachten. Da jedoch oft mehrere Merkmale verglichen werden, wird die Ähnlichkeitskalkulation den multivariaten Verfahren zugeordnet. Gleichzeitig kann sie sowohl global als auch detailliert durchgeführt werden, in Abhängigkeit davon, ob von dem oder den Vergleichsobjekt(en) die gesamten Kosten pauschal übernommen werden oder eine Differenzierung nach einzelnen Kostenkomponenten erfolgt. Unabhängig von diesen verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten lässt sich der Ablauf der Ähnlichkeitskalkulation in drei Hauptschritte unterteilen: Schritt 1: Ermittlung der kostenrelevanten Merkmale Anhand der Skizzen, Zeichnungen und weiteren Spezifikationen des neuen Konstruktionsobjekts werden zunächst dessen kostenrelevante Grundmerkmale bestimmt. Aus diesen Grundmerkmalen, zwischen denen keine Abhängigkeiten bestehen, können in der Regel dann weitere, davon abhängige Merkmale abgeleitet werden. Schritt 2: Suche ähnlicher Objekte Die Voraussetzungen für eine effiziente Suche nach ähnlichen, bereits vorhandenen Objekten sind prinzipiell dieselben, wie sie ausführlich im Zusammenhang mit der Wiederholteilsuche im Rahmen des Variantenmanagements beschrieben werden (vgl. Abschnitt 6). Zweck des dort dargestellten Wiederholteilsuchsystems ist zwar die Identifikation von Objekten, die nach Möglichkeit unverändert am neuen Produkt eingesetzt werden können, doch die Grundfunktion des Systems ist zunächst lediglich das Suchen und Finden von bereits vorhandenen Konstruktionslösungen anhand derer Merkmale. Daher lässt sich ein solches System ebenso für die Suche nach ähnlichen Objekten einsetzen. Der Kern des Wiederholteilsuchsystems ist die Klassifikation bereits vorhandener Produkte und Produktkomponenten. In Hinblick auf die Suche nach ähnlichen Objekten muss allerdings berücksichtigt werden, dass eine Klassifikation alleine nicht ausreichend ist, da dort die originären Ausprägungen der Merkmale intervallweise auf Klassen verdichtet werden. Somit besteht keine Möglichkeit mehr, Aussagen über das Maß der Übereinstimmung des neuen mit den gefundenen Objekten zu treffen. Daher ist es unerlässlich, den klassifizierten Objekten eine Beschreibung in Form ihrer Merkmalsausprägungen hinzuzufügen. Anhand der jeweiligen Abweichungen bei den verschiedenen Ausprägungen können dann für jedes Merkmal die Ähnlichkeiten zwischen dem Neuteil und jedem einzelnen der bereits gefertigten Teile innerhalb der betrachteten Klasse ermittelt werden. Das Ergebnis
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
142
dieses Vergleichs ist eine Rangfolge, welche für jedes Merkmal die bereits vorhandenen Objekte nach fallender Ähnlichkeit in Bezug auf das neue Objekt ordnet. Insbesondere in der Konzeptphase, bei welcher der Konstruktionsschwerpunkt nicht auf einzelnen Bauteilen, sondern auf der Funktionsstruktur und dem Lösungsprinzip liegt, kann bei der Ähnlichkeitskalkulation auch eine funktionsorientierte Vorgehensweise sinnvoll sein. Hierfür müssen die vorhandenen Produkte in Funktionsgruppen zerlegt werden, denen jeweils die verschiedenen Produktkomponenten mit ihren Kosten ganz oder anteilig, entsprechend ihrem Beitrag zur Funktionserfüllung, zugeordnet werden. Die so ermittelten Funktionskosten unterscheiden sich in der Regel von den Baugruppenkosten, da zum einen oft mehrere Baugruppen zur Erfüllung einer Funktion notwendig sind und zum anderen eine Baugruppe häufig für mehrere Funktionen eingesetzt wird. Die Suche nach Funktionsgruppen erfolgt dann dementsprechend nicht nach den technischen Merkmalen der Baugruppe, sondern basiert auf Ähnlichkeitsvergleichen, die sich auf die zu erfüllende Funktion beziehen. Die Suche nach ähnlichen Objekten und die Ähnlichkeitsbestimmung kann dadurch erschwert werden, dass nur eine unscharfe Beschreibung des aktuellen Problems vorliegt und somit die oben beschriebene Forderung nach einer numerischen Erfassbarkeit der Merkmale nicht erfüllt wird. Das Problem der sich daraus ergebenden mangelnden Quantifizierbarkeit der Übereinstimmung ist bislang nur ansatzweise gelöst (z.B. durch den Einsatz fuzzybasierter Methoden) und ist umso ausgeprägter, je früher im Konstruktionsprozess die Ähnlichkeitskalkulation durchgeführt wird, da sich die Merkmalsausprägungen eines Objekts in frühen Konstruktionsphasen meist noch nicht vollständig in messbaren Größen darstellen lassen. Schritt 3: Kalkulation des neuen Objekts Im letzten Schritt erfolgt die Kalkulation des neuen Objekts anhand der Kosten und Merkmalsausprägungen des ähnlichen Objekts bzw. der ähnlichen Objekte. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Im einfachsten Fall werden die Kosten eines vorhandenen Objekts direkt übernommen. Wurden mehrere Objekte identifiziert, so werden die Kosten des ähnlichsten Objekts für die Kostenprognose herangezogen. Erfolgt der Ähnlichkeitsvergleich anhand mehrerer kostenbeeinflussender Merkmale, so müssen diese Merkmale anhand ihrer jeweiligen Einflussnahme gewichtet werden, um unter den im zweiten Schritt identifizierten Objekten das ähnlichste zu bestimmen. Der hiermit verbundene Aufwand lässt diese Vorgehensweise nur bei kostenintensiven Produktkomponenten gerecht-
Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
143
fertigt erscheinen. Unter diesen Umständen stellt sich jedoch die Frage, ob eine unmodifizierte Übernahme der Kosten wegen der damit verbundenen Ungenauigkeiten überhaupt sinnvoll sein kann.
Sollen die Kosten von mehreren vorhandenen Objekten berücksichtigt werden, so kann dies geschehen, indem ein gewogener Mittelwert aus diesen Kosten berechnet wird. Dabei wird der Einfluss der Objekte anhand deren jeweiliger Ähnlichkeit mit dem neuen Objekt gewichtet. Die Anzahl der ähnlichsten Objekte, deren Kosten in den Mittelwert eingehen, kann z.B. absolut festgelegt werden („die n ähnlichsten Objekte“) oder relativ („die Objekte mit einer Abweichung von höchstens x%“). Alternativ zu der Bildung eines Mittelwerts können die Kosten für den aktuellen Anwendungsfall aus den Kosten der ähnlichsten Objekte durch lineare Approximation prognostiziert werden, indem diese interbzw. extrapoliert werden. Im Gegensatz zur Bildung eines Mittelwerts, bei der die merkmalsspezifischen Unterschiede zwischen den Objekten lediglich implizit in Form des Übereinstimmungsgrades in die Kostenprognose einfließen, werden bei der Kostenapproximation die Merkmalsdifferenzen explizit berücksichtigt. Hierbei wird meist ein linearer Kostenverlauf vorausgesetzt, der jedoch nur in Ausnahmefällen gegeben sein wird.
Mit bestimmten Kostenfunktionen kann auch bei nur einem identifizierten ähnlichen Objekt auf die Kosten des aktuellen Anwendungsfalls geschlossen und dabei gleichzeitig den verschiedenen Merkmalsausprägungen Rechnung getragen werden. Diese Kostenfunktionen werden nachfolgend noch beschrieben und stellen den Kostenverlauf in Abhängigkeit von einem oder mehreren Parametern dar. Mit ihrer Hilfe wird anhand der Abweichungen bei den Merkmalsausprägungen ermittelt, in welchem Verhältnis die Kosten des ähnlichen Objekts zu den prognostizierten Kosten des neuen Objekts stehen.
Wird die Ähnlichkeitskalkulation mit der ebenfalls nachfolgend noch beschriebenen detaillierten Kostenprognose kombiniert, so entspricht das Vorgehen dem Verfahren der Variantenkalkulation. Hierbei werden die Stücklisten und Arbeitspläne des identifizierten Objekts dahingehend analysiert, wie sie für das neue Objekt angepasst werden müssen. Auf dieser Basis können dann die Kostendifferenz und damit die prognostizierten Kosten ermittelt werden.
Die Auswahl der Methode, mit der im letzten Schritt der Ähnlichkeits-
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
144
kalkulation die Kosten des neuen Objekts errechnet werden, orientiert sich neben der geforderten Genauigkeit und dem vertretbarem Aufwand vor allem an der vorhandenen Datenbasis. Dies bezieht sich sowohl auf die Anzahl der Objekte, welche als ähnlich identifiziert werden können, als auch auf die vorhandenen Informationssysteme, die z.B. Kostenfunktionen bereitstellen oder detaillierte Kostenprognosen ermöglichen. Wenn keine Möglichkeit besteht, eine der zuvor beschriebenen Methoden anzuwenden, kann der Kostenunterschied zum Vergleichsobjekt auch durch Schätzung ermittelt werden (vgl. hierzu die Ausführungen zur Kostenschätzung im vorangegangenen Abschnitt). Unabhängig von ihrer jeweiligen Gestaltung ist die wichtigste Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz der Ähnlichkeitskalkulation, dass die Kosten der Referenzobjekte dem aktuellen Stand entsprechen. Dies setzt voraus, dass sie regelmäßig geprüft und gegebenenfalls angepasst werden, wenn sich z.B. bei Löhnen oder Einstandspreisen, Bezugsarten oder Fertigungstechnologien Änderungen ergeben haben. 5.1.5
Analytisch-funktionale Verfahren
Analytisch erstellte Kostenfunktionen zeichnen sich dadurch aus, dass der Kostenverlauf nicht durch die Auswertung von Vergangenheitsdaten, sondern mit Hilfe von technisch-physikalischen Gesetzmäßigkeiten oder produktionstheoretisch fundierten Verbrauchsfunktionen ermittelt wird. Kostenwachstumsgesetze
Kostenwachstumsgesetze lassen sich bei geometrisch ähnlichen Produkten oder Produktkomponenten anwenden und werden daher mitunter auch der Ähnlichkeitskalkulation zugeordnet. Geometrisch ähnliche Objekte unterscheiden sich lediglich durch ihre Baugröße, während die Relation aller jeweiligen Längen konstant ist. Das Verhältnis der Baugrößen wird durch den Stufensprung ϕ in Bezug auf ein Längenmaß angegeben (vgl. hierzu auch die Erläuterungen zu Baureihensystemen im Abschnitt 6.1.2). Anhand des Stufensprungs lassen sich mit Kostenwachstumsgesetzen Aussagen zu der Veränderung von Materialkosten, Bearbeitungszeiten und Rüstkosten treffen. Damit können die Herstellkosten eines Folgeentwurfs F alleine auf Basis des Längenverhältnisses ϕL und der Kosten des Grundentwurfs G prognostiziert werden (vgl. Pahl u. Beelich 1982, S. 130): Da die Materialkosten sich in erster Näherung proportional zum Materialvolumen verhalten, steigen sie etwa in der dritten Potenz mit dem Stufensprung , der das Abmessungsverhältnis der zu vergleichenden Entwür-
Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
145
fe darstellt: MKF = MKG · ϕL3 Abweichungen von dem volumenproportionalen Wachstum können sich durch mengenabhängige Einstandspreise ergeben, oder dadurch, dass unterschiedlich große Ausgangsmaterialien verschiedene Herstellungsverfahren erfordern. Die Fertigungseinzelzeiten, die keine Zeitanteile für das Rüsten enthalten, verhalten sich bei vielen spanenden Bearbeitungsverfahren proportional zu der Oberflächengröße des Werkstücks. Die aus diesen Einzelzeiten durch Bewertung mit dem entsprechenden Kostensatz resultierenden Fertigungseinzelkosten FKe nehmen in diesem Fall etwa in der zweiten Potenz mit dem Stufensprung zu, so dass gilt: FKeF = FKeG · ϕL2 Für die Rüstkosten hingegen wurde empirisch ermittelt, dass sie häufig etwa mit der Quadratwurzel des Stufensprungs zunehmen: FKrF ≈ FKrG · ϕL0,5 Abb. 5-6 zeigt die daraus resultierende, tendenzielle Zunahme der Herstellkosten in Abhängigkeit von der Baugröße. Fkr ~ 0,5 Rüstzeitabhängige Fertigungskosten
Herstellkosten
Fke ~ 2 Bearbeitungszeitabhängige Fertigungskosten
MK ~ 3 Volumen- bzw. Masseabhängige Kosten
Baugröße Abb. 5-6. Einfluss der Baugröße auf die Herstellkosten (nach Ehrlenspiel et al. 2007, S. 182)
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
146
Bei manchen Fertigungsverfahren wächst die Bearbeitungszeit jedoch auch in einem anderen Verhältnis als die Oberfläche des Werkstücks. In Abb. 57 sind die unterschiedlichen Exponenten, mit denen der Stufensprung zu potenzieren ist, für verschiedene Fertigungsverfahren dargestellt. Während sich die Veränderung der zu einem unmittelbaren Arbeitsfortschritt führenden Hauptzeiten (im linken Teil der Abbildung) in Abhängigkeit des Stufensprungs über technisch-physikalische Zusammenhänge bei der Bearbeitung oder anhand von Fertigungsrichtwerten ermitteln lässt, ist dies bei den Nebenzeiten, aus denen nur ein mittelbarer Arbeitsfortschritt resultiert (im rechten Teil der Abbildung) auch bei einer tiefgehenden Analyse der einzelnen Fertigungsverfahren nicht immer möglich. In den Fällen, in welchen der gesuchte Exponent nicht analytisch berechnet werden kann, wurden die in der Abbildung dargestellten Werte empirisch ermittelt, so dass hier eine Vermischung mit den statistisch aufgestellten Kostenfunktionen stattfindet.
Hauptzeiten
Universaldrehbank
Exp.
Außen-, Innendrehen
2
Gewindedrehen
1
Abstechen, Nuten drehen
1,5
Fasen drehen
1
Karusseldrehmasch.
Außen-, Innendrehen
2
Radialbohrmaschine
Bohren, Gewindeschneiden, Senken
1
Bohr- und Fräswerke Drehen, Bohren, Fräsen Nutenfräsmaschine
Passfedernuten fräsen
Rundschleifmaschine Außenrundschleifen Kreissäge
Profile sägen
Tafelschere
Bleche scheren
Kantmaschine
1 1,2 1,8 2 1,75
Bleche kanten
1,25
Presse
Profile richten
1,65
Fasmaschine
Bleche fasen
1
Brennmaschine
Bleche brennen I-Nähte
1,25 2
V-, X-, Kehl-, Ecknähte
2,5
MIG- und E-Handschweißen Glühen
3
Montieren Heften zum Schweißen
1 1
Lackieren
2
Fertigungsverfahren Auf- und Abspannen Drehen
Bohren Nebenzeiten
Fertigungsverfahren
Fräsen
1
Schalten und Einstellen
0,5
Messen
0,3
Auf- und Abspannen
1
Verfahren der Spindel
0,5
Messen
0,35
Einstellen
0,5
Werkzeugwechsel
1
Auf- und Abspannen
1
Alle anderen Arbeiten
0,5
Auf- und Abspannen
1
Wälzfräsen Anstellen
Sägen
Exp.
1
Rundlaufprüfen
1
Alle Arbeiten
0
Auf- und Abspannen
1
Messen und Anstellen
0,25
Auf- und Abspannen
1
Werkzeugwechsel
1
Schleifen
Hobeln
Abb. 5-7. Exponenten für Fertigungszeiten in Abhängigkeit vom Stufensprung (nach Pahl u. Rieg 1982, S. 63 f.)
Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
147
Bei einer differenzierten Anwendung der Kostenwachstumsgesetze werden die Fertigungsschritte bei der Erstellung der betrachteten Produktkomponente mit Hilfe der verschiedenen Exponenten einzeln berücksichtigt, um so den unterschiedlichen Veränderungen der Fertigungszeiten Rechnung zu tragen. Obwohl der Einsatz differenzierter Exponenten eine relativ hohe Genauigkeit bei der Anwendung von Kostenwachstumsgesetzen erwarten lässt, können dabei auch einige Probleme auftreten:
Auch wenn ein großer Teil der ermittelten Funktionen auf tatsächlichen „Gesetzmäßigkeiten“ aufbaut, werden sich meist Abweichungen bei den Kostenkomponenten ergeben, deren Veränderung auf Basis empirisch ermittelter Zusammenhänge zwischen Baugröße und Kosten berechnet wird.
Nicht-technische Abhängigkeiten werden nicht implizit berücksichtigt. In diesem Zusammenhang sind z.B. die Einstandspreise für Werkstoffe und Halbzeuge zu beachten, welche in der Regel ebenso wie Prozesskosten bei steigenden Abnahmemengen sinken.
Wenn durch die Baugrößenänderung ein Wechsel des Fertigungsverfahrens notwendig wird, ist nur noch eine sehr restriktive Anwendung der Kostenwachstumsgesetze möglich.
Die Einschränkung auf geometrisch ähnliche Konstruktionsobjekte schließlich grenzt die Einsatzmöglichkeiten von Kostenwachstumsgesetzen erheblich ein.
Trotz dieser verschiedenen Schwächen sind Kostenwachstumsgesetze innerhalb der skizzierten Anwendungsfelder geeignet, um zumindest einen Anhaltspunkt für die Kosten eines Konstruktionsobjekts zu erhalten. Insbesondere der auch bei differenzierter Anwendung verhältnismäßig niedrige Kalkulationsaufwand stellt einen besonderen Vorteil dieses Verfahrens dar. Bemessungsgleichungen
Bemessungsgleichungen erfassen den Einfluss der wesentlichen technischen Merkmale eines Objekts auf dessen Herstellkosten anhand physikalischer Zusammenhänge. Um eine Bemessungsgleichung erstellen zu können, müssen sich sowohl die Kosten als auch die technischen Parameter durch Variablen beschreiben lassen, anhand derer eine Integration der verschiedenen Funktionen in ein Gleichungssystem erfolgen kann. Die Erstellung einer Bemessungsgleichung erfolgt in den nachfolgend dargestellten Schritten (vgl. VDI-Richtlinie 2225 Blatt 4 1997, S. 3 ff.):
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
148
1 Anhand physikalischer Gesetze wird der Zusammenhang zwischen der zu erfüllenden Funktion des betrachteten Produktes bzw. Einzelteils und seinen technischen Eigenschaften wie geometrischen Größen und werkstoffbezogenen Kennzahlen dargestellt. Dieser Zusammenhang wird in der so genannten Beanspruchungsgleichung dargestellt (Beispiel: Notwendige Abmessung einer Schraube in Abhängigkeit von der zu übertragenden Kraft und dem eingesetzten Werkstoff). 2 Die Herstellkosten (oder auch andere Kosten) werden in einer so genannten Kostengleichung in Abhängigkeit von den konstruktiven Merkmalen ausgedrückt (Beispiel: Material- und Fertigungskosten einer Schraube als Funktion von Abmessungen, Werkstoff usw.). 3 Im letzten Schritt wird die Beanspruchungsgleichung mit der Kostengleichung anhand der Variablen zusammengefasst, welche in beiden Gleichungen enthalten sind. Wird diese Formel nach den Kosten aufgelöst, resultiert daraus die so genannte Bemessungsgleichung, welche den Zusammenhang zwischen den Kosten und der zu erfüllenden Funktion darstellt (Beispiel: Kosten einer Schraube in Abhängigkeit von der zu übertragenden Kraft). Im Folgenden soll die Vorgehensweise zur Erstellung einer Bemessungsgleichung am Beispiel des in Abb. 5-8 abgebildeten elektrischen Leiters (eigenerwärmte Stromschiene) dargestellt werden (vgl. Lowka 1996, S. 65 f.). Ziel soll es sein, die Materialkosten aus der geforderten Leitungsfähigkeit abzuleiten.
h I
χ
b l
Abb. 5-8. Eigenerwärmte Stromschiene
Für die elektrische Verlustleistung Pv eines Leiters gilt: ⎞ ⎛ l ⎟⎟ Pv = I 2 ⋅ ⎜⎜ ⎝χ ⋅b⋅h⎠
mit
Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
I
149
= zu übertragender Strom
l
= Übertragungslänge der Leitung
χ
= elektrische Leitfähigkeit
b
= Leiterbreite
h
= Leiterhöhe
Die abgestrahlte thermische Leistung Pv hängt von der Wärmeübergangszahl, der Temparaturdifferenz und der Oberfläche des Leiters ab: Pv = α ⋅ Δϑ ⋅ 2 ⋅ (b + h ) ⋅ l
mit α = Wärmeübergangszahl zwischen Leiteroberfläche und Umgebung Δϑ = maximale Übertemparatur an der Leiteroberfläche
Im quasistationären Zustand, wenn die abgegebene thermische Leistung gleich der elektrischen Verlustleistung ist, lassen sich die beiden Gleichungen gleichsetzen. Aufgelöst nach dem Leiterquerschnitt (b ⋅ h) ergibt sich die Beanspruchungsgleichung: b⋅h=
I2 χ ⋅ α ⋅ Δ ϑ ⋅ 2 (b + h )
Die Materialkosten MK des Leiters lassen sich aus dessen Volumen und den Materialkosten pro Volumeneinheit errechnen. Die Kostengleichung lautet somit: MK = b ⋅ h ⋅ l ⋅ k v
mit kv = Materialkosten bezogen auf die Volumeneinheit
Wird nun die Beanspruchungsgleichung mit der Kostengleichung zusammengefasst, so ergibt sich die folgende Bemessungsgleichung: MK =
I 2 ⋅ l ⋅ kv χ ⋅ α ⋅ Δ ϑ ⋅ 2 ⋅ (b + h )
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
150
Die Bemessungsgleichung gibt damit Aufschluss darüber, wie sich die Materialkosten bei einer Variation der physikalischen, konstruktiven und wirtschaftlichen Merkmale verändern. Lässt sich das Minimum dieser Gleichung bestimmen, kann somit auch die kostenoptimale Gestaltung des Leiters ermittelt werden. Die Möglichkeit, anhand der Kostengleichung das betrachtete Objekt kostenoptimal auszulegen (im Beispiel die geometrischen Abmessungen), stellt neben dem Einsatz zur konstruktionsbegleitenden Kalkulation einen erheblichen Nutzen der Bemessungsgleichungen dar. Eine starke Einschränkung bei der Anwendung dieser Gleichungen liegt jedoch darin, dass der Aufwand für ihre Erstellung oft erheblich ist und insbesondere die physikalischen und technischen Zusammenhänge nur bei sehr einfachen Objekten durchgängig formalisierbar sind. Für komplexe Produkte und Produktkomponenten lassen sich Bemessungsgleichungen in der Regel nicht erstellen. 5.1.6
Statistisch-funktionale Verfahren
Eine weitere Möglichkeit zur Bildung von Kostenfunktionen ist die Analyse des Zusammenhangs zwischen den Ist-Kosten bereits gefertigter Konstruktionsobjekte mit den Ausprägungen der für diese Kosten wahrscheinlich maßgeblichen Größen. Hierbei wird versucht, einen statistischen Zusammenhang zwischen diesen Einflussgrößen und den Kosten zu ermitteln. In Abhängigkeit von der Anzahl der betrachteten Einflussgrößen können diese statistischen Methoden sowohl den uni- als auch den multivariaten Verfahren zugeordnet werden. Auch in Bezug auf die Detaillierung hängt die Zuordnung von der konkreten Ausgestaltung des Verfahrenseinsatzes ab, da bei der statistischen Bildung von Kostenfunktionen die Objektkosten entweder pauschal oder differenziert nach einzelnen Komponenten berücksichtigt werden können. Die wichtigsten statistisch-funktionalen Verfahren sind die Regressionsanalyse (die mitunter in modifizierter Form angewandt und dabei abweichend bezeichnet wird) und die Kalkulation mit Neuronalen Netzen. Regressionsanalysen
Regressionsanalysen befassen sich als ein statistisches Verfahren mit der Aufdeckung und Beschreibung der Abhängigkeiten zwischen zwei und mehr Größen. Im Gegensatz zur Korrelationsanalyse, mit welcher der Grad des Zusammenhangs bestimmt werden soll, ist es das Ziel der Regressionsanalyse, die Art dieser Beziehung zu ermitteln.
Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
151
Bei der entwicklungsbegleitenden Kalkulation besteht die zentrale Aufgabe der Regressionsanalyse darin, zwischen den Kosten K eines Objekts und seinen konstruktiven Merkmalen Mj (j = 1, 2, … n) einen funktionalen Zusammenhang K = f (M1, M2, … Mn) zu spezifizieren. Die Kosten sind hierbei die abhängige Variable (Regressand), während die Merkmale die untereinander unabhängigen Variablen (Regressoren) darstellen. Während bei der multiplen Regressionsanalyse mehrere solcher Regressoren betrachtet werden, ist es prinzipiell auch möglich, der Analyse neben den Kosten nur eine weitere Variable zugrunde zu legen. Um die gesuchte Beziehung zu ermitteln, werden innerhalb einer Stichprobe die Ist-Kosten der gewählten Objekte mit den konstruktiven Merkmalen verglichen, welche diese Kosten wahrscheinlich beeinflussen. Dabei wird ein statistischer Zusammenhang zwischen Einflussgrößen und Kosten gesucht. Kann ein solcher Zusammenhang identifiziert werden, so wird auf dessen Basis diejenige Kostenfunktion ermittelt, die zu den minimalen Abweichungen der Istwerte von den mit der Formel errechneten Werten führt. Hierbei kann sowohl eine lineare als auch eine nichtlineare Beziehung zwischen Regressand und Regressor(en) unterstellt werden. Ein Beispiel für den einfachsten Fall der Regressionsanalyse, bei dem ein linearer Verlauf unterstellt und nur eine Einflussgröße berücksichtigt wird, ist die so genannte Gewichtskostenkalkulation. Bei dieser Methode wird mittels der folgenden Formel ein „Gewichtskostensatz“ errechnet: Gewichtskostensatz =
∑ Kosten aller berücksichtigten Objekte ∑ Gewicht aller berücksichtigten Objekte
Die voraussichtlichen Kosten eines neuen Produktes werden dann durch Multiplikation seines Gewichts mit dem Gewichtskostensatz ermittelt. Solche univariate Verfahren der Regressionsanalyse werden in der Literatur mitunter auch als eigenständige Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation bezeichnet („Kennzahlenverfahren“) oder auch insbesondere für einzelne Kostenkomponenten als „Kostenabschätzung über Indexzahlen“ empfohlen (vgl. Lowka 1996, S. 64). Als ein spezieller Fall der Regressionsanalyse kann die Ermittlung so genannter „Kostenstrukturen“ betrachtet werden, wie sie z.B. in der VDIRichtlinie 2225, Blatt 1 zum technisch-wirtschaftlichen Konstruieren vorgeschlagen wird. Hierbei werden nicht konstruktive, sondern wirtschaftliche Merkmale, nämlich einzelne Kostenbestandteile, als Regressoren ausgewählt. Lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Höhe verschiedener Kostenbestandteile ermitteln, so kann mit der erstellten Regressionsfunktion von einem Kostenbestandteil auf einen anderen geschlossen werden. Im
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
152
einfachsten Fall führt die Regressionsanalyse zu einem fast konstanten Verhältnis der verschiedenen Kostenbestandteile, wie es auch in der genannten Richtlinie vorausgesetzt wird. Sind von einem neuen Produkt also z.B. die Materialkosten bekannt, kann anhand des statistisch ermittelten Verhältnisses der verschiedenen Kostenarten auf die Höhe der gesamten Herstellkosten des neuen Produktes geschlossen werden. In Anbetracht der Tatsache, dass oft selbst bei ein und demselben (eigengefertigten) Produkt die Kostenstruktur starken Schwankungen unterliegen kann (z.B. in Abhängigkeit von der Stückzahl), erscheint es jedoch fraglich, ob sich mit dieser Vorgehensweise zufrieden stellende Kalkulationsergebnisse erreichen lassen, wenn nicht sehr restriktive Einschränkungen bezüglich der vorausgesetzten Vergleichbarkeit getroffen oder zumindest noch weitere Regressoren in die Analyse mit aufgenommen werden. Ein Beispiel für eine nichtlineare Regressionsanalyse ist in Abb. 5-9 in Form eines Streupunktdiagramms mit Regressionsformel dargestellt, wobei hier die Leistung von Elektromotoren als Einflussgröße auf deren Kosten berücksichtigt wurde.
1.600 € 1.400 € ausgewertete Stichproben Herstellkosten
1.200 € 1.000 € Regressionsformel:
800 €
K = 522,24 x M
600 €
0,5658
400 € 200 € 0€ 0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
4,5
5,0
Leistung [kW]
Abb. 5-9. Regressionsanalyse bei Elektromotoren
Zu den Merkmalen, anhand deren Ausprägung die Kosten eines Objekts prognostiziert werden sollen, kann auch die zu erfüllende Funktion zählen. Ein beträchtlicher Vorteil liegt hierbei zum einen darin, dass die hiermit erzielbaren Kosteninformationen den funktionsorientierten Fragestellungen im Konstruktionsprozess sehr entgegen kommen, und sich zum anderen solche Regressionsfunktionen in sehr frühen Phasen des Konstrukti-
Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
153
onsprozesses einsetzen lassen, da keine Informationen zu Baustruktur und -größe des Objekts benötigt werden. Die Durchführung einer funktionsorientierten Regressionsanalyse ist jedoch häufig mit Problemen verbunden, da sich Funktionen meist mit unterschiedlichen physikalischen Effekten und Wirkstrukturen realisieren lassen, was sehr große Schwankungen der Kosten zur Folge haben kann. Daher müssen die betrachteten Lösungsmöglichkeiten bei der Erstellung solcher Regressionsanalysen stark eingeschränkt werden. Die Durchführung der Regressionsanalyse erfolgt unabhängig von der Art der Regressoren in den folgenden drei Arbeitsschritten: Schritt 1: Bestimmung von Einflussgröße(n) und Funktionstyp Zunächst müssen die Merkmale des Konstruktionsobjekts festgelegt werden, welche die unabhängigen Variablen darstellen sollen. Dies geschieht in der Regel durch ein sachlogisches Urteil, welches die Einschätzung enthält, bei welchen Größen ein Einfluss auf die Kosten zu erwarten ist. Wie vorangegangen erwähnt, kann es sich dabei auch nur um ein einziges Merkmal handeln. Bei der Bestimmung des Funktionstyps ist zu entscheiden, ob von einer linearen Beziehung ausgegangen werden kann oder ein nichtlinearer Typ, z.B. ein potenzieller oder expotenzieller, zugrunde zu legen ist. Bei der einfachen Regressionsanalyse kann diese Entscheidung etwa mit Hilfe eines Streupunktdiagramms getroffen werden. Lässt sich noch keine verlässliche Aussage zu dem Funktionstyp treffen, so bietet es sich an, zunächst verschiedene Formelansätze parallel zu verfolgen, um diese im dritten Arbeitsschritt vergleichend zu bewerten und einen Ansatz auszuwählen. Schritt 2: Erstellung der Regressionsfunktion Die Regressionsfunktion wird prinzipiell so bestimmt, dass die Abweichungen zwischen den prognostizierten Kosten und den tatsächlichen Kosten möglichst klein werden. Dies geschieht z.B. mit der Methode der kleinsten Quadrate. Hierbei ist die optimale Anpassung der Regressionsfunktion erreicht, wenn die Summe der quadrierten Abweichungen der Istwerte von den mit der Formel errechneten Werten minimiert wird. Die verbleibenden Abweichungen resultieren entweder aus Zufallsabweichungen oder aus nicht erfassten Kosteneinflussgrößen. Werden mehrere Einflussgrößen Mj berücksichtigt, um die Kosten K zu berechnen, stützt sich die Regressionsanalyse in der Regel auf einen additiven Ansatz vom Typ: K = b0 + b1 ⋅ M1 + b2 ⋅ M2 + ... + bj ⋅ Mj + ... + bJ ⋅ MJ
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
154
b0, b0, b2, ..., bJ stellen hierbei die durch Minimierung der Summe der Abweichungsquadrate zu ermittelnden Regressionsparameter dar. Die Zielfunktion der multiplen Regressionsfunktion lautet somit: N
N
[
¦ en2 = ¦ y n − (b0 + b1 x1n + b2 x 2n + + b j x jn + + bJ x Jn ) n =1
n =1
]
2
→ min
mit
y
!!"
#
$
*
* ; <
Die Identifikation der Regressionsparameter, die das Zielkriterium minimieren, erfordert die Lösung eines linearen Gleichungssystems. Dies kann mit erheblichem Rechenaufwand verbunden sein, so dass der Einsatz von EDV-Software zweckmäßig ist. Die Forderung, dass die ermittelte Funktion so bestimmt werden soll, dass die Abweichungen zwischen den prognostizierten und den tatsächlichen Kosten möglichst klein werden, muss allerdings der folgenden Überlegung wegen eingeschränkt werden: Letztlich ist es nicht das Ziel, eine Funktion mit möglichst hohem Bestimmtheitsmaß zu ermitteln, sondern eine solche, mit der sich die Kosten eines neuen Kalkulationsobjekts möglichst genau schätzen lassen. Die Erfüllung dieser Forderungen kann durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. So könnte prinzipiell, sofern eine hohe Komplexität der Regressionsfunktion in Kauf genommen wird, in den meisten Fällen eine Funktion ermittelt werden, deren Bestimmtheitsmaß annähernd gleich 1 ist. Hierbei würden jedoch die Auswirkungen von Zufallsschwankungen und nicht erfassten Einflussgrößen den Verlauf der Funktion stärker beeinflussen, als es bei einer weniger komplexen Funktion der Fall ist. Ein sachlogisches Urteil über Funktionstyp und -verlauf ist daher unverzichtbar. Durch Gewichtung lässt sich mitunter die Genauigkeit einer mittels Regression erstellten Kostenprognose verbessern. Hierbei wird die Regressionsfunktion bei jeder Kostenprognose neu erstellt. Dabei werden dann nur diejenigen vorhandenen Objekte für die Erstellung der Funktion herangezogen, die in Bezug auf die betrachteten Merkmale eine möglichst
Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
155
große Ähnlichkeit mit dem neu zu kalkulierenden Objekt haben. Schritt 3: Beurteilung der Regressionsfunktion Mit der Beurteilung der Regressionsfunktion soll eine Aussage bezüglich der Zuverlässigkeit der mit ihr erstellten Kostenprognosen getroffen werden. Hierbei ist zum einen zu prüfen, ob die Regressionsfunktion innerhalb der zu Grunde gelegten Stichprobe die Mindestanforderungen an die Prognosequalität erfüllt, und zum anderen, ob die gebildete Stichprobe und die daraus ermittelten Ergebnisse tatsächlich Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit zulassen. In Hinblick auf die erste Fragestellung kann das so genannte Bestimmtheitsmaß r2 zum Einsatz kommen. Dieser Indikator zeigt den Grad der Übereinstimmung zwischen den geschätzten Werten der Regressionsfunktion und den tatsächlichen Daten der Stichprobe. Das Bestimmtheitsmaß errechnet sich als N
r2 =
∑ ( yˆ
i
− y)
i
− y)
2
n =1 N
∑ (y n =1
2
mit yi = Beobachtungswerte der einzelnen Stichproben
yˆ i = Geschätzter Regressionswert y = Arithmetisches Mittel Das Bestimmtheitsmaß misst damit hier den Anteil der Varianz der Istkosten, welcher sich durch die Regression erklären lässt. Ein Wert von beispielsweise 0,9 besagt somit, dass die Gesamtstreuung zu 90% auf die berücksichtigten Variablen zurückgeht, während 10% der Streuung aus nicht erfassten Einflüssen resultieren. Dementsprechend ist die Verlässlichkeit der Regressionsfunktion umso höher, je näher der Wert des Bestimmtheitsmaßes bei 1 liegt. Allerdings wird das Bestimmtheitsmaß auch durch den Stichprobenumfang beeinflusst. So führt ein abnehmender Stichprobenumfang tendenziell zu einem Anstieg des Bestimmtheitsmaßes. So könnte im Extremfall bei einem Stichprobenumfang von n = 2 und einer unabhängigen Variablen immer eine lineare Regressionsfunktion mit einem Bestimmtheitsmaß von r2 = 1 aufgestellt werden. Daher ist es notwendig, die anhand der Stichprobe erstellte Regressionsfunktion mit Objekten zu testen, die nicht in die Stichprobe aufgenommen wurden. Indem die Kosten, welche sich für diese
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
156
Objekte anhand der Regressionsfunktion berechnen, mit den tatsächlichen Objektkosten verglichen werden, lässt sich auch eine Aussage dazu treffen, ob die Stichprobe und die auf ihrer Basis ermittelten Ergebnisse Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit zulassen. Eine weitere Beurteilung der Regressionsfunktion kann mit Hilfe der Residuenanalyse erfolgen: Das Residuum ist die Differenz zwischen dem empirischen Wert und dem mit Hilfe der Regressionsfunktion geschätzten Wert. Während das Bestimmtheitsmaß eine pauschale Aussage über das Verhältnis des erklärten zum nicht erklärten Teil der Streuung trifft, gibt eine Residuenanalyse also Aufschluss über die Verteilung der einzelnen Abweichungen. Die aussagekräftige Durchführung einer Regressionsanalyse setzt einige Bedingungen voraus. Hierzu zählen:
Für die Erstellung der Regressionsfunktion müssen ausreichend viele Ist-Daten zur Verfügung stehen. Als Anhaltspunkt für die Mindestanzahl n der kalkulierten Objekte, aus denen sich die Stichprobe zusammensetzt, kann bei m Einflussgrößen angenommen werden: n 7 + 3 (m - )
Alle verwendeten Variablen, d.h. sowohl der Regressand als auch die Regressoren, müssen sich metrisch oder binär skalieren lassen.
Die Regressoren müssen voneinander unabhängig sein. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, können die Kosteneinflüsse der konstruktiven Merkmale nicht mehr eindeutig separiert werden, und es besteht die Möglichkeit, dass die Regressionsfunktion fälschlicherweise als zuverlässig eingestuft wird. Die Überprüfung der Unabhängigkeit der Regressoren kann z.B. paarweise in einer Korrelationsmatrix erfolgen.
Beim Einsatz der erstellten Regressionsfunktion ist darauf zu achten, dass sie in der Regel nur innerhalb der Wertgrenzen sinnvoll angewandt werden kann, welche durch die Stichprobe gegeben sind. Bei einer Extrapolation über diese Grenzen hinaus können meist keine zuverlässigen Aussagen getroffen werden. Außer diesen Bedingungen und Einschränkungen schmälert auch der relativ hohe Arbeitsaufwand die grundsätzlich großen Vorzüge von Regressionsanalysen. Durch Softwareeinsatz (vgl. Abschnitt 5.2) lässt sich dieser Aufwand jedoch deutlich reduzieren. Neben den innerbetrieblich erstellen Funktionen können für Regressionsrechnungen in manchen Fällen auch aus Vergangenheitswerten abgeleitete Erkenntnisse genutzt werden, die auf betriebsübergreifenden Zusam-
Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
157
menhängen aufbauen. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür ist das so genannte Lerngesetz der industriellen Produktion. Dieses besagt, dass der Fertigungsaufwand der Erstellung einer Einheit mit der Zunahme der Wiederholungen bis zu einem bestimmten Grenzwert abnimmt. Die Kostensenkungen resultieren aus der zunehmenden Erfahrung und der damit einhergehenden Zeitverkürzung bei der Fertigung. Die Zeitersparnis, die bei einer Verdopplung der Anzahl der erstellten Güter realisiert wird, liegt nach empirischen Untersuchungen zwischen 10% und 30% (vgl. Corsten 2007, S. 209). Die verhältnismäßig starke Schwankung der prozentualen Veränderung macht jedoch deutlich, dass diese so genannten Gesetze lediglich Tendenzen aufzeigen können und unternehmensintern geprüft und gegebenenfalls angepasst werden müssen. Neuronale Netze
Neuronale Netze gleichen den zuvor beschriebenen Regressionsfunktionen dahingehend, dass durch die statistische Auswertung vorhandener Daten der Zusammenhang zwischen bekannten Ein- und Ausgangsgrößen ermittelt werden soll. Daher werden Neuronale Netze mitunter auch als ein Spezialfall der Regressionsanalyse betrachtet. Ein wesentlicher Unterschied zu den vorangehend beschriebenen Kostenfunktionen liegt jedoch darin, dass der funktionale Zusammenhang zwischen den Ein- und Ausgangsgrößen, bei der konstruktionsbegleitenden Kalkulation also den konstruktiven Merkmalen und den Kosten, unbekannt bleibt. Die Systembezeichnung „Neuronales Netz“ resultiert daraus, dass mit einem solchen künstlichen Netz die Funktionsweise natürlicher Nervenzellen nachgeahmt wird. Diese Zellen können Signale empfangen, auswerten und weitergeben, sind aber erst durch ihre Verknüpfung in der Lage, komplexe Aufgaben zu erfüllen. Der prinzipielle Aufbau eines Neuronalen Netzes für die konstruktionsbegleitende Kalkulation ist in Abb. 5-10 dargestellt. Die drei Teile, aus denen das Neuronale Netz besteht, sind die Eingangsschicht, eine oder mehrere versteckte Schicht(en) und die Ausgangsschicht. Über die Neuronen der Eingangsschicht werden die Ausprägungen der konstruktiven Merkmale in das Netz aufgenommen. Die versteckten Schichten dienen der Approximation des unbekannten Zusammenhangs zwischen den konstruktiven Merkmalen und den Kosten des betrachteten Objekts. Die Ausgangsschicht schließlich, die bei der konstruktionsbegleitenden Kalkulation aus lediglich einem Neuron besteht, gibt das Ergebnis aus, hier in Form der prognostizierten Kosten.
158
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
Merkmal 1 Merkmal 2 Prognostizierte Kosten
Merkmal 3
Merkmal n Neuron
Eingangsschicht
versteckte Schicht(en)
Ausgangsschicht
Abb. 5-10. Struktur eines Neuronalen Netzes (nach Eisinger 1997, S. 176)
In diesem Netz erhält jedes Neuron Eingangssignale von allen Neuronen der vorgelagerten Schicht. Diese Signale werden innerhalb des Neurons zunächst mit Faktoren gewichtet. Über die so genannte Aktivitätsfunktion wird dann aus den gewichteten Eingangssignalen das Aktivitätspotential des Neurons berechnet, üblicherweise als Summe der gewichteten Eingangssignale. Ob dieses Aktivitätspotential anschließend an die Neuronen der nächsten Schicht weiter gegeben wird, hängt von dem Schwellenwert des Neurons ab, der von dem Potential überschritten werden muss. Die Weitergabe des Signals erfolgt dann über die so genannte Ausgabeoder Aktivierungsfunktionen. Hierbei wird meist eine sigmoide Funktion eingesetzt, mit der das schwellenartige Impulsverhalten natürlicher Neuronen simuliert werden kann. Aufgrund ihres S-förmigen Verlaufs (vgl. Abb. 5-11) werden kleine Signale im Verhältnis zu großen Signalen stärker berücksichtigt, d.h. die größte Sensibilität liegt im Bereich des Schwellenwerts. Wie die Anzahl der Schichten und die Anzahl der Neuronen pro Schicht wird auch die Aktivierungsfunktion in der Regel einmalig beim Netzwerkaufbau festgelegt und danach nicht mehr geändert. Daher werden die Signale der Ausgangsneuronen, also die prognostizierten Kosten, ausschließlich durch die verschiedenen Gewichtungsfaktoren und Schwellenwerte beeinflusst. Diese Parameter werden während der Lernphase eines Netzes festgelegt. Dafür werden sie zunächst mit Zufallszahlen belegt, um dann
Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
159
das Netz mit vorhandenen Objekten zu „trainieren“. Hierfür wird dem Netz zu jedem Eingabemuster, also den Merkmalen eines Objekts, das korrekte Ausgabemuster in Form der Ist-Kosten präsentiert. In Analogie zur Ermittlung der Faktoren bzw. Exponenten einer Regressionsfunktion werden dabei die Gewichtungsfaktoren und Schwellenwerte kontinuierlich so geändert, dass die Summe der Differenzen zwischen den prognostizierten Kosten und den Ist-Kosten kleiner wird. Ziel ist es, dass das Netz nach der Präsentation verschiedener Paare von Eingabe- und Ausgabemuster diese Assoziation selbständig auch für unbekannte, ähnliche Eingabemuster durchführen und so die Kosten von neuen Objekten prognostizieren kann.
1,0
f ( x) =
0,9
1 1 + e−x
0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1
-10 -9
-8
-7
-6
-5
-4
-3
-2
0,0 -1 0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Abb. 5-11. Sigmoide Aktivierungsfunktion
Im Gegensatz zur Methode der kleinsten Quadrate, wie sie bei der Regressionsanalyse nach Festlegung des Funktionstyps angewandt werden kann, ist der Lernalgorithmus beim Neuronalen Netz kein analytisch exaktes Optimierungsverfahren, sondern ein heuristischer Suchprozess. Daher besteht nicht die Gewähr, dass mit den resultierenden Gewichtungsfaktoren und Schwellenwerten das Minimum für die Summe der Differenzen zwischen den prognostizierten Kosten und den Ist-Kosten der Trainingsdatensätze erreicht wird. Da zudem keine interpretierbare Formel angezeigt wird, kann ein im Neuronalen Netz abgebildeter Einfluss auch nicht als das Resultat zufälliger Ereignisse identifiziert werden, während bei Regressionsfunktionen eine sachlogische Überprüfung mitunter erkennen lassen kann, wenn eine Beziehung keinen tatsächlichen Zusammenhang widerspiegelt. Diesen Nachteilen ist die sehr hohe Flexibilität von Neuronalen Netzen entgegenzusetzen. So sind bei ihrer Anwendung weniger einschränkende
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
160
Modellprämissen als bei der Regressionsanalyse zu beachten, und es können auch unscharfe Zusammenhänge zwischen Ein- und Ausgangsgrößen erkannt und verarbeitet werden. 5.1.7
Detaillierte Kostenprognosen
Die detaillierte Kostenprognose stellt ein analytisches Verfahren dar und wird somit immer getrennt für einzelne Fertigungsgänge, Tätigkeiten und / oder Bauteile durchgeführt. Dies setzt voraus, dass ein fertiger Entwurf vorliegt, anhand dessen sämtliche Teile, Materialien und Fertigungsschritte bestimmt werden können. Die prinzipielle Vorgehensweise bei dieser Kalkulationsform kommt somit von allen hier dargestellten Verfahren der konventionellen Vorkalkulation am nächsten. Der wesentliche Unterschied zur Vorkalkulation liegt jedoch darin, dass die detaillierte Kostenprognose bei der konstruktionsbegleitenden Kalkulation zu einem Zeitpunkt durchgeführt wird, zu dem noch keine Arbeitsplanung stattgefunden hat. Daher existieren z.B. auch noch keine Arbeitspläne, anhand derer die Fertigungskosten ermittelt werden können. Somit muss an vielen Stellen auf Durchschnittswerte zurückgegriffen werden, die auf Vergangenheitswerten basieren. Prognose der Materialkosten
Die Kostenprognose erfolgt in der Regel zunächst auf Ebene der Materialeinzelkosten, um dann aus diesen Kosten durch Multiplikation mit den jeweiligen Materialgemeinkostenzuschlagsätzen die gesamten Materialkosten abzuleiten. Die hiermit einhergehenden Schwächen resultieren aus der zumindest teilweise pauschalen Umlage der Gemeinkosten. Zur Behebung dieser Unzulänglichkeiten kann auch die hier beschriebene detaillierte Kostenprognose entsprechend der Vorgehensweise bei der Prozesskostenrechnung (vgl. Abschnitt 1.2.2) modifiziert werden. Auf Grund der stärkeren Verbreitung erfolgt die Verfahrensdarstellung im Folgenden jedoch anhand der differenzierenden Zuschlagskalkulation. Für eine Kostenprognose der Einzelkosten zugekaufter Teile lassen sich Anhaltspunkte verhältnismäßig einfach durch Anfragen bei Lieferanten gewinnen. Die detaillierte Prognose der Materialeinzelkosten von eigengefertigten Teilen ist hingegen mit mehr Aufwand verbunden: Die Materialkosten eines Konstruktionsobjekts ergeben sich, indem der mengenmäßige Verbrauch an Roh- Hilfs- und Betriebsstoffen mit den entsprechenden Materialkosten bewertet wird. Als Grundlage für die Bestimmung der Kosten pro Mengeneinheit wird zweckmäßigerweise eine
Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
161
Kostendatenbank erstellt. In dieser Datenbank werden die Materialkosten für die verschiedenen Werkstoffe und Halbzeuge in Abhängigkeit von den verfügbaren Abmessungen dargestellt. Außerdem wird für Gewichtsberechnungen die relative Dichte der Materialien aufgenommen. Der Materialverbrauch wird anhand des Volumens des betrachteten Objekts berechnet, wobei ein möglicher Materialverlust bei der Fertigung berücksichtigt werden muss. Hierbei sind verschiedene Arten von Verlusten zu unterscheiden: Während manche Verluste als Verschnitt aus den Entwürfen ersichtlich sind oder zumindest verlässlich abgeschätzt werden können, resultieren andere aus Fehlern im Produktionsprozess und unterliegen einer höheren Prognoseungewissheit. Anhand des Volumens des verbrauchten Materials, der relativen Materialdichte und der gewichtsbezogenen Materialkosten können dann die gesamten Materialkosten berechnet werden. Prognose der Fertigungskosten
Während bei der Materialkostenberechnung mit der differenzierenden Zuschlagskalkulation noch akzeptable Ergebnisse erzielt werden können, ist dies aufgrund des meist sehr hohen Gemeinkostenanteils in den Fertigungsbereichen normalerweise nicht mehr möglich. Daher sollten sich auch die detaillierten Kostenprognosen auf eine zwar möglicherweise aufwändigere, aber besser geeignete Kalkulationsmethodik, wie z.B. die Bezugsgrößenkalkulation, stützen. Bei der Bezugsgrößenkalkulation werden zur Berechnung der Fertigungskosten für die verschiedenen Fertigungs(kosten)stellen Fertigungskostensätze ermittelt (vgl. Abschnitt 1.2.2). Die Fertigungskosten eines Produktes oder einer Produktkomponente in einer Fertigungsstelle errechen sich dann als: Fertigungskosten = Fertigungskostensatz pro Zeiteinheit ⋅ Fertigungszeit
Um die prozessspezifischen Fertigungszeiten bestimmen zu können, wird zunächst ähnlich der Vorgehensweise zur Materialkostenberechung verfahren: In einem ersten Schritt wird für die Fertigungsprozesse der verschiedenen Fertigungsstellen eine Datenbank mit Durchschnittszeiten der einzelnen Arbeitsschritte erstellt. Damit unterschiedlichen Losgrößen Rechnung getragen werden kann, ist hierbei zwischen Rüst- und Ausführungszeiten zu differenzieren. Um die Zeiten einzelner Arbeitsschritte zu bestimmen, können verschiedene Vorgehensweisen gewählt werden, z.B.:
Die messenden Verfahren nehmen entweder manuell oder (teil-) automatisiert die Zeitdauer zur Erzielung eines Arbeitsfortschritts auf.
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
162
Mit den Kleinstzeitverfahren (auch als „rechnende Zeitstudien“ bezeichnet) werden Bewegungsabläufe in kleinste Elemente zerlegt, um dann hierfür den jeweiligen Zeitbedarf zu bestimmen. Durch Summierung ergibt sich dann der Zeitbedarf des gesamten Arbeitsschritts. Schließlich muss noch die durchschnittliche Verteilzeit, die durch Tätigkeiten außerhalb des planmäßigen Arbeitsablaufs anfällt, in Form eines Zuschlags berücksichtigt werden.
Bei der statistischen Methode hingegen wird die zuvor bereits beschriebene Regressionsanalyse angewandt. Zunächst werden dabei die verschiedenen Fertigungsprozesse bzw. -teilprozesse den Fertigungsstellen zugeordnet, um dann durch eine statistische Auswertung von bereits gefertigten Teilen den Zusammenhang zwischen den Teilemerkmalen und der Fertigungszeit zu ermitteln.
Aus den so bestimmten Fertigungszeiten können schließlich durch Bewertung mit dem entsprechenden Fertigungskostensatz die Fertigungskosten berechnet werden. Cost Tables als Hilfsmittel zur Kostenprognose
Ein möglicher Bestandteil der oben beschriebenen Vorgehensweise zur Material- und Fertigungskostenprognose ist die Erstellung von „Cost Tables“ oder „Kostentableaus“. Dies sind zu Datenbanken zusammengefasste Datentabellen, in denen Informationen zu Kosten und Prozesszeiten strukturiert abgelegt sind. Cost Tables werden bei der konstruktionsbegleitenden Kalkulation genutzt, um Aufschluss über die Auswirkungen unterschiedlicher Konstruktionsalternativen oder Produktionsverfahren zu erhalten. Die verschiedenen Alternativen der Produktherstellung oder der möglichen Produktmaterialien werden in den Cost Tables über mehrere Stufen dargestellt (vgl. Abb. 5-12). Die Komplexität von Cost Tables kann sehr unterschiedlich ausfallen. Mit einfachen Cost Tables werden die Produktkosten über wenige Maßgrößen für die Produktionsverfahren oder Ressourcenverwendung prognostiziert, während detaillierte Cost Tables eine große Anzahl von Variablen und deren relevanten Kosten enthalten. Unabhängig von ihrem Umfang sollten Cost Tables regelmäßig, eventuell mehrmals jährlich, überarbeitet werden, um die Aktualität der hinterlegten Informationen sicherzustellen. Trotz der dank ERP- und PPS-Systemen oft guten Datenverfügbarkeit kann dies auch bereits bei einfachen Cost Tables mit viel Aufwand verbunden sein, da für jede Kosteneinflussgröße eine separate Kostenanalyse durchgeführt werden muss. Die mit steigender Prozessheterogenität zunehmende Vielfalt an Kosteneinflussgrößen ver-
Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
163
stärkt diesen Effekt. Daher stellt der hohe Aufwand für Erstellung und Aktualisierung den größten Nachteil von Cost Tables dar. Schraubenverbindung
Bohren
Schraubenart
Maschinentyp
Sechskant
Zylinder
Schlitz
Maschine 1
Festigkeitsklasse 6.8
8.8
M8
9.8
Material A
10.000
Objektorientiert
Material B
Material C
Lochtiefe [mm] M10
15
Vorspannkraft [N] 4.000
Maschine 3
Materialart
Abmessung M6
Maschine 2
20
25
Lochdurchmesser [mm] 16.000
5
6
8
Prozessorientiert
Abb. 5-12. Beispielhafter Aufbau von Cost Tables (nach Scholl 1998, S. 128)
Eine Möglichkeit, um bei meist vertretbarem Informationsverlust den Erstellungs- und Aktualisierungsaufwands zu reduzieren, ist die Zusammenfassung einzelner Teile zu Fertigungsfamilien. Die Cost Tables müssen dann nur noch für jeweils eine Gruppe von Teilen erstellt werden, anstatt für einzelne Teile oder sogar einzelne Fertigungsprozesse. Ein weiterer Vorteil dieses Vorgehens liegt darin, dass ein neues Teil zur Nutzung eines Cost Table nicht mehr vollständig spezifiziert, sondern lediglich der entsprechenden Gruppe zugeordnet werden muss. Damit wird die Kostenprognose zu einem früheren Zeitpunkt möglich. Die Bildung von Fertigungsfamilien erfolgt auf Basis der Arbeitspläne der Teile, welche zusammengefasst werden sollen. Hierbei wird in einer Matrix angegeben, welche Teile auf welchen Maschinen bearbeitet werden (vgl. den linken Teil von Abb. 5-13). Dabei kann es sinnvoll sein, verschiedene Bearbeitungsmaschinen nach Maschinentypen oder auch -gruppen zusammenzufassen. Anschließend wird die Matrix so umsortiert, dass gleiche bzw. ähnliche Kombinationen von Teilen und Maschinen untereinander angeordnet sind, wie es im rechten Teil der Abbildung gezeigt ist. Das Ergebnis gibt Hinweise darauf, welche Teile sich mögli-
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
164
cherweise durch die Bildung von Fertigungsfamilien zusammenfassen lassen. Innerhalb der definierten Teilefamilien werden dann repräsentative Arbeitspläne ausgewählt, anhand derer die verbliebenen Kosteneinflussgrößen identifiziert sowie Art und Stärke ihres Einflusses auf die Kosten analysiert werden. Nummer der Maschine 1
X
2 3
2
3
4
5
7
8
9
X X
X
X
X
X
X X
5
X
X
X
X
X
6
X
7
Nummer der Maschine
10 11 12 13
X
4
X
X
X
X
X
8
Teilenummer
6
9
X
X
X
X
X
X
X
X
10
X X
X
11
X
X
X
X
12
X
X
X
X
Teilenummer
1
2
4
8
12
2
X
X
X
X
6
7
9
10 13
4
X
X
X
X
6
X
X
X
8
X
X
X
10
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
7
X
X
11
X
X
X
X
12
X
X
X
X
1
3
5
17 1
X
X
3
X
X
X
X
X
5
13
X
X
X
13
X
X
X
14
X
X
X
14
X
X
X
15
X
X
19
X
16
X
20
X
X
17
X X
18
X
19
X
20
X
X
X
X
X
X
X X
Ausgangsmatrix
11
15
X
16
X
X
9
X
18
X
X
X X
X X
X
X
X
X
X
X
X
Sortierte Matrix
Abb. 5-13. Teile-Maschinen-Matrix zur Bildung von Fertigungsfamilien
5.1.8
Stärken und Schwächen der Kalkulationsverfahren
An die Methoden der konstruktionsbegleitenden Kalkulation sind unterschiedliche Anforderungen zu stellen. Hierzu zählen:
Genauigkeit und Aufwand der Kalkulation: Je genauer die Produktkosten mit einem Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation prognostiziert werden können, umso höher ist dessen Nutzen. Wird dieser Nutzen dem Aufwand gegenübergestellt, den die Anwendung des Verfahrens verursacht, kann eine Aussage zu der Effizienz der jeweiligen Vorgehensweise getroffen werden.
Einsatzbreite der Verfahren und Einschränkungen bei deren Anwendung: Der Nutzen eines Verfahrens steigt, wenn es sich frühzeitig im
Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation
165
Konstruktionsprozess einsetzen lässt. Außerdem ist es selbstverständlich von Vorteil, wenn wenige Einschränkungen in Bezug auf den jeweiligen Anwendungsfall beachtet werden müssen.
Transparenz der Kostenprognose: Wenn sich der (Rechen-)Weg, der zu den prognostizierten Kosten führt, nachvollziehen lässt, so hat dies die Vorteile, dass zum einen die Verlässlichkeit des Ergebnisses besser eingeschätzt werden kann und zum anderen die Möglichkeit steigt, Erkenntnisse zu gewinnen, durch welche Maßnahmen die Konstruktion kostengünstiger wird.
Um die verschiedenen Kalkulationsverfahren unter den genannten Kriterien zu beurteilen, ist eine differenzierte Beurteilung notwendig, da die Erfüllung der verschiedenen Anforderungen zum einen davon abhängt, wie ein Verfahren individuell gestaltet wird, und zum anderen davon, ob eine – oft empfehlenswerte – Kombination mit anderen Methoden erfolgt. Abb. 5-14 zeigt einen zusammenfassenden Vergleich der Verfahren zur konstruktionsbegleitenden Kalkulation hinsichtlich der für ihren Einsatz notwendigen Voraussetzungen, dem Aufwand für die Vorbereitungen und die Durchführung der Kalkulation, dem möglichen Einsatzzeitpunkt im Konstruktionsprozess sowie der mit ihrem Einsatz erreichbaren Genauigkeit und der Transparenz der jeweiligen Kalkulationsmethode.
Transparenz
Zeitpunkt
Genauigkeit
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
166
Keine Vorbereitungen erforderlich, geringer Aufwand
- /o o
Vorhandensein von kalkulierten ähnlichen Objekten
Mitunter hoher Aufwand erforderlich für die Schaffung einer Suchmöglichkeit nach ähnlichen Objekten (sofern nicht bereits verfügbar)
Kostenwachstumsgesetze
Vorhandensein von kalkulierten Objekten mit geometrischer Ähnlichkeit
Keine Vorbereitungen erforderlich (Kostenwachstumsgesetze i.d.R. nicht betriebsspezifisch erstellt), geringer Aufwand
Bemessungsgleichungen
Möglichkeit der Bildung von Kosten- und Beanspruchungsgleichungen
Separate Erstellung jeder Bemessungsgleichung notwendig, Arbeitsaufwand lässt sich über die Auswahl der Kalkulationsobjekte steuern
Regressionsanalysen
Vorhandensein von kalkulierten Objekten, die statistisch ausgewertet werden können
Separate Bildung jeder Regressionsfunktion notwendig, Aufwandsreduktion durch Softwareeinsatz
o
o
Neuronale Netze
Vorhandensein von kalkulierten Objekten, mit denen das Neuronale Netz trainiert werden kann
Erstellung bzw. Kauf des Neuronalen Netzes, Training des Netzes für jeden Betrachtungsfall
o
-
Informationen zu Material- und Fertigungskosten
Gegebenenfalls Aufbereitung von Kosteninformationen, z.B. durch Erstellung von Cost Tables. In diesem Fall hoher Aufwand für Erstellung & Pflege der Datenbasis
+
+
Expertenschätzung
Ähnlichkeitskalkulation
Detaillierte Kostenprognosen
Ausarbeit.
Vorhandenes Expertenwissen
Methode
Entwurf
Aufwand für Vorbereitungen und Durchführung der Kalkulation
Konzept
Notwendige Voraussetzungen
o/+ +
o
+
o/+ +
Abb. 5-14. Vergleich der Verfahren zur konstruktionsbegleitenden Kalkulation (: Einsatz möglich; +: Bewertung gut; o: Bewertung mittel; -: Bewertung schlecht)
Praxisbeispiel: Softwaregestützte Regressionsanalyse
5.2
Praxisbeispiel: Softwaregestützte Regressionsanalyse
5.2.1
Ausgangssituation: Hoher Aufwand für Regressionsrechnungen
167
Wie vorangegangen dargestellt, können Regressionsanalysen eine geeignete Methode sein, um die Kosten neuer Kalkulationsobjekte bereits innerhalb des Konstruktionsprozesses zu prognostizieren und damit frühzeitig Erkenntnisse bzgl. der Erreichbarkeit geplanter Zielkosten zu erlangen. Gleichzeitig sind bei vielen Unternehmen die für den Einsatz dieses Verfahrens notwendigen Voraussetzungen gegeben. Insbesondere bei der – häufig anzutreffenden – Baureihenentwicklung stehen in der Regel ausreichend viele Vergleichsobjekte für eine statistische Analyse zur Verfügung. Ein Grund dafür, dass die konsequente Anwendung dieser Analysen in der Praxis dennoch die Ausnahme darstellt, mag darin liegen, dass die Durchführung der Regressionsrechnung zu aufwändig ist, um ihren Einsatz fest im Konstruktionsprozess vorzuschreiben. Vor diesem Hintergrund wurde von der Gesellschaft für kostenorientierte Produktentwicklung, Köln, in einem Verbundprojekt mit der MAN Diesel SE, Augsburg, ein Softwaresystem erstellt, das die Durchführung von Regressionsanalysen im Turboladerbereich der MAN Diesel SE unterstützt. Mittlerweile wurde dieses System für die überbetriebliche Nutzung weiterentwickelt und ist unter dem Namen „CostRegression“ verfügbar. 5.2.2
Softwaremodul ‚CostRegression’
Entsprechend der Methodik von Regressionsanalysen erfolgt die Kostenprognose mit CostRegression anhand einer statistischen Auswertung von vorhandenen, dem neuen Kalkulationsobjekt ähnlichen Bauteilen oder Baugruppen. Zu den wesentlichen Funktionen von CostRegression zählen: 1. Merkmals- und klassenorientierte Identifikation von Vergleichsobjekten für die Regressionsanalyse. 2. Möglichkeit zur Gewichtung der zu erstellenden Kostenfunktion durch manuelle Eingrenzung der Vergleichsobjekte.
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
168
3. Berechnung der Kostenfunktion und Beurteilung ihrer Zuverlässigkeit anhand Bestimmtheitsmaß, Korrelations- und Residuenanalyse. 4. Prognose der Kosten des neuen Kalkulationsobjekts anhand der ermittelten Kostenfunktion. 5. Grafische Veranschaulichung der Ergebnisse. Abb. 5-15 zeigt die Dialogmaske, in welcher der Anwender die Kosten eines neuen Objekts anhand von Vergleichsobjekten schätzen kann. Nachfolgend werden die einzelnen Schritte zur Kostenprognose mit CostRegression beschrieben.
Abb. 5-15. Dialogmaske zur Kostenprognose mit CostRegression
5.2.3
Ablauf der softwaregestützten Kostenprognose mit CostRegression
Die Prognose der Kosten eines neuen Bauteils erfolgt beim Einsatz von CostRegression in sechs Schritten: Schritt 1: Referenzobjekte selektieren Um dem Anwender eine schnelle Identifikation der Vergleichsobjekte zu
Praxisbeispiel: Softwaregestützte Regressionsanalyse
169
ermöglichen, enthält CostRegression eine Suchfunktion. Diese greift nach Anbindung an das unternehmenseigene PPS- bzw. ERP-System auf die dort hinterlegte Klassifikation zu und erlaubt dem Anwender eine objektklassen- und merkmalsorientierte Suche. Abb. 5-16 zeigt beispielhaft, wie die Suche nach Komponenten von Turboladern (TL), die bestimmten Kriterien entsprechen sollen, eingegrenzt werden kann.
Abb. 5-16. Dialogmaske zur Suche nach Vergleichsobjekten
Der Anwender trifft in diesem Beispiel zunächst eine Auswahl innerhalb der hinterlegten Turboladertypen, Werkstoffe und Teileklassen. Nach Auswahl der Teileklasse werden die Merkmale dieser Klasse angezeigt, innerhalb derer eine weitere Eingrenzung vorgenommen werden kann. Anhand dieser Eingaben sucht CostRegression die Roh- und Fertigungsteile, die den Suchkriterien entsprechen und zeigt sie in einer „Trefferliste“ mit ihren Bezeichnungen und Merkmalsausprägungen an. Zu den einzelnen Referenzobjekten kann der Anwender mittels der Schnittstelle von CostRegression zum PPS- bzw. ERP-System sämtliche dort hinterlegten Detailinformationen aufrufen. Für den Fall, dass das unternehmenseigene System nicht über eine Klassifikation verfügt, und um einfache „ad hoc“-Auswertungen zu ermöglichen, können Vergleichsobjekte auch direkt, durch manuelle Eingabe oder Import aus einem Tabellenkalkulationsprogramm, übernommen werden. Um dabei eine fehlerfreie Abgrenzung von beschreibenden Merkmalen,
170
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
Regressanden und Regressoren zu erreichen, erstellt CostRegression in einem ersten Schritt anhand vom Benutzer abgefragten Parametern eine Tabellenvorlage, in der die notwendigen Inhalte eindeutig definiert sind. Die entsprechende Dialogmaske ist in Abb. 5-17 dargestellt. Im linken Bereich der Maske macht der Anwender Angaben zu den Kosten, die prognostiziert werden sollen sowie den Merkmalen der Vergleichsobjekte. Oben rechts in der Maske wird eine Vorschau auf den daraus resultierenden Tabellenaufbau gegeben.
Abb. 5-17. Tabellenkonfiguration für direkten Datenimport
Unabhängig davon, ob die Daten durch Anbindung an das PPS- bzw. ERPSystem oder anhand eines Tabellentransfers nach CostRegression importiert wurden, können die Vergleichsobjekte mit ihren Merkmalsausprägungen und Kosten in einer Projektverwaltung innerhalb von CostRegression abgespeichert und organisiert werden. Schritt 2: Kostenbeeinflussende Merkmale ermitteln Unter den Merkmalen der selektierten Objekte wählt der Anwender durch Anklicken in der Liste „Auswahl Referenzmerkmal“ (vgl. den oberen Teil
Praxisbeispiel: Softwaregestützte Regressionsanalyse
171
von Abb. 5-15) dasjenige aus, welches für die betrachtete Kostenart (Material-, Fertigungs- oder Herstellkosten) den voraussichtlich größten Kosteneinfluss hat. Daraufhin werden die Referenzobjekte in einem Punktediagramm dargestellt, auf dessen Achsen die ausgewählte Kostenart und die entsprechende Merkmalsgröße abgetragen sind (vgl. Abb. 5-18).
Abb. 5-18. Darstellung der Referenzobjekte im Punktediagramm
In dem dargestellten Beispiel wurden die Materialkosten als betrachtete Kostenart und die Masse als vermutete Einflussgröße auf diese Kosten ausgewählt. Die Visualisierung ermöglicht es dem Anwender, schnell zu erkennen ob, und wenn ja in welchen Bereichen, ein Zusammenhang zwischen Regressand und Regressor als gegeben betrachtet werden kann. Darüber hinaus werden auch „Ausreißer“ sofort ersichtlich, d.h. Kalkulationsobjekte mit ungewöhnlich hohen Residuen. Diese Abweichungen können dann daraufhin analysiert werden, ob z.B. Inkonsistenzen in den bestehenden Kalkulationen vorliegen oder die Divergenzen durch verschiedene Bezugsquellen bzw. Fertigungsverfahren bedingt sind, was wiederum Hinweise auf Kostensenkungspotentiale geben kann. Schritt 3: Referenzobjekte eingrenzen In diesem Schritt kann der Anwender die Regressionsfunktion gewichten, indem er Vergleichsobjekte, die dem neu zu kalkulierenden Objekt gegen-
172
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
über nur eine unzureichende Ähnlichkeit aufweisen, durch Anklicken in der Trefferliste vom Referenzpool ausschließt. Neben einer solchen Ausgrenzung einzelner Objekte lassen sich auch anhand von Schiebereglern oberhalb des Diagramms ganze Bereiche ausschließen. Damit kann z.B. abweichenden Bezugs- oder Fertigungsarten einzelner Referenzobjekte Rechnung getragen werden, etwa wenn ab einer bestimmten Bauteilgröße andere Betriebsmittel zum Einsatz kommen, mit denen ein Kostensprung einhergeht. Auf diese Weise lässt sich also explizit bestimmen, welche Objekte für die Erstellung der Kostenprognose herangezogen werden sollen. Die abgewählten Objekte werden sowohl im Diagramm als auch in der Liste farbliche gekennzeichnet. Schritt 4: Regressionsfunktionen berechnen und beurteilen Anhand der Kosten und Merkmalsausprägungen der identifizierten und gegebenenfalls manuell eingegrenzten Vergleichsobjekte erstellt CostRegression die Regressionsfunktion mit der „Kleinste-QuadrateMethode“. Bei dieser Methode ist die optimale Anpassung der Funktion erreicht, wenn die Summe der quadrierten Abweichungen der Istwerte von den mit der Formel errechneten Werten minimiert wird. Für die Funktion sind drei verschiedene Regressionstypen hinterlegt (linear, logarithmisch, potenziell), die in praktischen Anwendungsfällen häufig anzutreffen sind. CostRegression ermittelt selbständig den Regressionstyp, der die höchste Übereinstimmung zwischen der Funktion und den Istwerten ergibt und schlägt ihn als Voreinstellung vor. Der Benutzer hat die Möglichkeit, diese Vorgabe zu akzeptieren, oder einen anderen Regressionstyp zu wählen. Durch die Lage der Objekte im Diagramm kann sich der Anwender ein Bild über deren Streuung und damit die voraussichtliche Zuverlässigkeit der Kostenprognose verschaffen. CostRegression berechnet für jeden Regressionstyp das Bestimmtheitsmaß und führt eine Korrelationsprüfung zwischen den betrachteten Kosten und dem zugeordneten Merkmal durch, um auch dem Stichprobenumfang Rechnung zu tragen. Das Ergebnis wird dem Benutzer mit einer Ampel visualisiert, die in Abhängigkeit von dem Bestimmtheitsmaß und der Korrelationswahrscheinlichkeit entweder grün, gelb oder rot ist. Darüber hinaus werden die verschiedenen Residuen berechnet und das Ergebnis in einem Balkendiagramm zusammengefasst dargestellt, so dass sich der Anwender einen schnellen Überblick über die Verteilung der Abweichungsgrößen verschaffen kann. Die Grenzen der Abweichungen sind hierbei vom Anwender frei wählbar. Schritt 5: Kosten prognostizieren Im fünften Schritt erfolgt die Kostenprognose für das neue Bauteil. Der Anwender gibt hierfür zunächst die Ausprägung des kostenbestimmenden
Praxisbeispiel: Softwaregestützte Regressionsanalyse
173
Merkmals ein. Anhand der Kostenfunktion, die für den ausgewählten Regressionstyp ermittelt wurde, sowie der Merkmalsausprägung des neuen Objekts werden dann dessen voraussichtliche Kosten errechnet. Zur Visualisierung wird das Ergebnis auch im Diagramm angezeigt. Die Abb. 5-19 zeigt diese Visualisierung für ein Beispiel zusammen mit den – z.T. ausgegrenzten – Referenzobjekten sowie der berechneten Kostenfunktion.
Abb. 5-19. Darstellung des Berechnungsergebnisses im Punktediagramm
Auf Basis dieser Kostenprognose kann der Anwender entscheiden, ob mit dem vorliegenden Entwurf die Zielkosten des betrachteten Bauteils voraussichtlich erreicht werden oder Modifikationen notwendig sind. Schritt 6: Ergebnisse dokumentieren Neben der Speicherung einer kompletten Kostenprognose innerhalb der Projektverwaltung von CostRegression lassen sich die prognostizierten Kosten zusammen mit der zugrunde liegenden Kostenfunktion sowie sämtlichen Referenzobjekten inklusive deren Kosten und Merkmalsausprägungen in einer separaten Datei abspeichern (wahlweise im Text oder MSExcelformat). Diese Datei kann z.B. zu Dokumentations- und Archivierungszwecken verwendet werden.
174
5.2.4
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
Erfahrungen beim praktischen Einsatz von CostRegression
Bei dem Pilotanwender der Software zur regressionsgestützten Kostenschätzung, der MAN Diesel SE, konnten bei der Entwicklung von neuen Gliedern innerhalb der bestehenden Turboladerbaureihen umfangreiche praktische Erfahrungen gesammelt werden. Hierbei erfuhr das System von Seiten der Anwender eine hohe Akzeptanz, die neben der einfachen und schnellen Bedienung auch auf die hohe Transparenz der Kostenprognosen zurückgeführt werden kann. Ein Vergleich der mit CostRegression prognostizierten Kosten mit den Kosten der Vorkalkulation bzw. den Kosten der Nachkalkulation zeigte, dass die Schätzfehler weniger als 10% bzw. weniger als 15% betragen (vgl. Fischer et al. 2007, S. 66). Diese Werte beziehen sich auf die einzelnen Bauteile. Wird eine Baugruppe oder ein fertiges Erzeugnis betrachtet, so ist zu erwarten, dass wegen des Fehlerausgleichseffekts die Gesamtabweichung deutlich niedriger ist. Über die Produktkostenprognose hinaus zeigte sich bei der Arbeit mit CostRegression ein weiterer sehr vorteilhafter Nutzen: Durch die Abbildung der Referenzobjekte im Punktdiagramm werden „Ausreißer“, d.h. Kalkulationsobjekte mit ungewöhnlich hohen Residuen, sofort ersichtlich. Die Analyse dieser Abweichungen ergab häufig, dass sie auf Inkonsistenzen in den bestehenden Kalkulationen (z.B. fehlerhafte Arbeitspläne oder fehlerhafte Daten im ERP-System) beruhten und darauf hin korrigiert werden konnten. Mitunter zeigten sich auch Hinweise auf Optimierungspotenziale, z.B. wenn eine Fremdvergabe zu niedrigeren Herstellkosten führte.
Praxisbeispiel: Angebotskalkulation in der Einzelfertigung
5.3
Praxisbeispiel: Angebotskalkulation in der Einzelfertigung
5.3.1
Ausgangssituation: Problembehaftete manuelle Angebotskalkulation
175
Die SPICER Gelenkwellenbau GmbH entwickelt, konstruiert und fertigt zum Zeitpunkt des hier beschriebenen Projekts in führender Marktposition mit ca. 700 Mitarbeitern an zwei Standorten in Essen Kreuzgelenkwellen für Fahrzeug- und Industrieanwendungen, welche die Übertragung von Leistung in rotierenden Antrieben mit unterschiedlichen Abständen der An- und Abtriebskomponenten ermöglichen. Die Gelenkwellen des Industriebereichs (sowohl Allgemeiner Maschinenbau als auch Walzen-Antriebe und Walzwerk-Hilfsantriebe) sind vorwiegend nach dem Baureihen- und Baukastenprinzip konzipiert und können Drehmomente von bis zu 15.000.000 Nm übertragen. In diesem Bereich wird fast ausschließlich kundenauftragsbezogen gefertigt, so dass hier der Erstellung von Angeboten eine große Bedeutung zukommt. Ein Arbeitsschwerpunkt bei der Angebotskalkulation liegt dabei auf den so genannten Verschiebeprofilen, da die Konstruktion dieser zwei- oder dreiteiligen Baugruppen stark von kundenspezifischen Erfordernissen abhängt und ihre Herstellung zahlreiche unternehmensinterne und -externe Bearbeitungsschritte erfordert. Mit den Verschiebeprofilen, bei denen eine Flanschwelle mit Außenprofil mit einer innenprofilierten Nabenhülse kombiniert wird (vgl. Abb. 5-20), wird ein axialer Längenausgleich zwischen der An- und Abtriebskomponente ermöglicht.
Abb. 5-20. Gelenkwelle mit Verschiebeprofil
Die bisherigen Angebotskalkulationen wurden erstellt, indem bei eigengefertigten Teilen anhand der Konstruktionszeichnung mit Hilfe der Ähnlichkeitskalkulation die Kostendifferenz zu vorhandenen Vergleichsobjek-
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Konstruktionsbegleitende Kalkulation
ten geschätzt wurde. Die Kosten fremdbezogener Teile wurden entweder auf die gleiche Weise prognostiziert oder, sofern ausreichend viel Zeit zur Verfügung stand, beim Lieferanten angefragt. Bei den Angebotskalkulationen traten häufig die folgenden Schwächen auf: 1. Unzureichende Genauigkeit der Angebotskalkulation: Das dargestellte Vorgehen für die Erstellung der Angebotskalkulationen birgt zwei Fehlerquellen: So können die Kosten des zum Vergleich herangezogenen Objekts falsch kalkuliert sein, da keine durchgängige Nachkalkulation erfolgt und die Zeitplanung der verschiedenen Fertigungsschritte oft großen subjektiven Entscheidungsspielräumen des Arbeitsvorbereiters unterliegt. So ergeben sich selbst bei erfahrenen Arbeitsvorbereitern bei gleichen Konstruktionsunterlagen im gleichen Unternehmen sowohl für Rüstwie Hauptzeiten der gleichen Arbeit Zeitstreuungen von ± 35% (vgl. Ehrlenspiel et al. 2007, S. 475). Überdies werden Abweichungen oft nicht erkannt, da die gleiche Arbeit selten mehrmals von verschiedenen Personen kalkuliert wird. Doch auch wenn die Kosten des Vergleichsobjekts anhand einer Nachkalkulation, also auf Basis erfasster Arbeitszeiten, ermittelt werden würden, besteht die Gefahr von fehlerhaft zugeordneten Arbeitsplänen, veralteten Kaufteilpreisen etc. Die zweite Fehlerquelle liegt darin, dass die Ermittlung der Differenz zwischen den betrachteten Kosten(komponenten) des neuen Objekts und denen des Vergleichsobjekts ebenfalls stark subjektiv beeinflusst wird. Die erzielte Genauigkeit hängt dabei in vielen Fällen vom Zufall ab. 2. Hoher Arbeitsaufwand für die Erstellung der Angebotskalkulation: Die Erstellung einer Angebotskalkulation für ein Verschiebeprofil nimmt zwischen einem und zwei Arbeitstagen in Anspruch. Der dargestellten Forderung nach einer schnellen Angebotserstellung (vgl. Abschnitt 5.1.1) wird damit nur unzureichend entsprochen. 3. Hohe Zeitdauer bis zum Vorliegen der Angebotskalkulation: Bedingt durch die hohe Auslastung der Kalkulatoren und, im Fall von eigenen Lieferantenanfragen, die Dauer bis zum Vorliegen derer Angebote, vergingen bei der SPICER Gelenkwellenbau GmbH häufig zwei Wochen und mehr, bis das eigene Angebot dem Kunden übermittelt werden konnte. Um diesen Schwierigkeiten zu begegnen wurde gemeinsam mit der Gesellschaft für kostenorientierte Produktentwicklung (GKP), Köln, ein softwaregestütztes System zur Angebotskalkulation erstellt. Dieses System
Praxisbeispiel: Angebotskalkulation in der Einzelfertigung
177
soll die Material- und Fertigungskosten neuer Verschiebeprofile weitgehend automatisiert und mit möglichst hoher Genauigkeit anhand technischer Parameter, die der Konstruktionszeichnung entnommen werden können, prognostizieren. 5.3.2
Lösungsansatz: Angebotskalkulation mit Kostenfunktionen
Zur Ermittlung von Kostenfunktionen, mit denen sich die Kosten neuer Verschiebeprofile prognostizieren lassen, wurde in zwei Schritten vorgegangen: Schritt 1: Analyse der Kosten vorhandener Objekte Zunächst wurden die Konstruktionszeichnungen, Stücklisten und Arbeitspläne von bereits gefertigten Verschiebeprofilen ausgewertet, um Aufschluss über deren technischen Merkmale und wesentlichen Kostenkomponenten zu erhalten. Hierbei kam das Softwaremodul ‚CostAnalyzer’ zum Einsatz. Mit diesem Werkzeug können die Kosten eines Produktes automatisch aus dem ERP- bzw. PPS-System ausgelesen und der Erzeugnisstruktur entsprechend vom Gesamtprodukt bis zum Einzelteil in einer übersichtlichen Baumhierarchie angezeigt werden. Hiermit lässt sich dem Umstand begegnen, dass die meisten Unternehmenssysteme keine solche Kostenanzeige ermöglichen, sondern aufwändige Systemabfragen und manuelle Kostenaggregationen erfordern, um die komplette Kostenstruktur eines Produktes oder einer Baugruppe abzubilden. Abb. 5-21 zeigt beispielhaft die Darstellung eines Verschiebeprofils in CostAnalyzer (mit abgewandelten Kosten). Anhand verschiedener Anzeige- und Filteroptionen, welche über die Schaltflächen im rechten Bereich der Dialogmaske gesteuert werden, können die strukturierten Produktkosten dann analysiert werden. Bei dem hier beschriebenen Projekt wurden die einzelnen Kostenkomponenten, deren Anteil zusammengenommen ca. 95% der gesamten Kosten eines Verschiebeprofils einnimmt, mit CostAnalyzer identifiziert und analysiert. Für die übrigen Kostenkomponenten sollten keine Kostenfunktionen erstellt werden, da diese entweder aufgrund ihres geringen Kosteneinflusses auch anhand eines pauschalen Zuschlags geschätzt werden können oder leicht bezifferbare Zubehörteile (wie z.B. Ventile etc.) darstellen. Die ermittelten Kostenkomponenten sind tabellarisch in Abb. 5-22 (auf Seite 179), unterteilt nach den drei Bauteilen des Verschiebeprofils, aufgeführt. Im rechten Teil der Abbildung ist gekennzeichnet, ob es sich um Materialkosten (MK) oder Fertigungskosten (FK) handelt, sowie ob bei
178
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
Bearbeitung Eigen- oder Fremdfertigung vorliegt. Teilweise wird die Entscheidung über Fremdvergabe fallweise, kapazitäts- oder baugrößenbedingt, getroffen, so dass hier beide Alternativen möglich sind.
Abb. 5-21. Dialogmaske CostAnalyzer (Kosten abgewandelt)
Schritt 2: Berechnung der Kostenfunktionen Im zweiten Schritt erfolgte dann für jede einzelne Kostenkomponente die eigentliche Berechnung der Kostenfunktionen. Hierbei ist zu unterscheiden, ob es sich um Eigen- oder Fremdfertigung bzw. den Bezug von Rohteilen handelt: Bei der Eigenfertigung wurden Arbeitspläne ausgewertet und Expertenbefragungen innerhalb der Arbeitsvorbereitung durchgeführt, um Aufschluss über die kostenbestimmenden Konstruktionsmerkmale zu erlangen. Hierbei zeigte sich, dass eine Prognose der Rüstkosten bei den betrachteten Objekten meist relativ einfach ist, da diese Kosten entweder konstant sind, also nicht in Abhängigkeit der Merkmalsausprägungen variieren, oder sich die Kostenunterschiede bei gleichen Rüstzeiten auf die unterschiedlichen Kostensätze verschiedener Maschinen zurückführen lassen, wobei die Maschinenbelegung leicht nachvollziehbar und damit prognostizierbar ist.
Praxisbeispiel: Angebotskalkulation in der Einzelfertigung
179
Abb. 5-22. Kostenkomponenten eines Verschiebeprofils
Da die Fertigungskosten der einzelnen Bauteile nicht pauschal in ihrer Gesamtsumme, sondern nach den einzelnen Fertigungsschritten unterteilt betrachtet wurden, konnten auch bei den Fertigungseinzelkosten sehr direkte Zusammenhänge mit wenigen kostenbestimmenden Merkmalen identifiziert werden. So zeigte z.B. die Auswertung der Flanschwellen einen sehr engen linearen Zusammenhang zwischen den Fertigungseinzelkosten für das Fräsen des Evolventenprofils und der dabei zerspanten Werkstoffmasse. Da zudem lediglich ein Profil-Modul betrachtet werden musste, konnte vereinfachend die Profiloberfläche als das kostenbestimmende Konstruktionsmerkmal herangezogen werden. Die Ermittlung der einzelnen Kostenfunktionen erfolgte hierbei mit der Softwarelösung CostRegression (vgl. Abschnitt 5.2). Mit einer Fertigungsdauer von teilweise mehr als zehn Stunden ist auch das Verschweißen von Rohrflansch und Nabenhülse eine wesentliche Kostenkomponente. Bei vielen Schweißverfahren ist die Zeit zum Schweißen der Naht bei gleichen Rahmenbedingungen und damit konstanter Schweißgeschwindigkeit etwa proportional dem Produkt aus Schweißnaht-
180
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
länge und Anzahl der Schweißlagen. Daher lag es nahe, anhand der vorhandenen Verschiebeprofile einen durchschnittlichen Kostensatz pro Volumeneinheit zu ermitteln. Die Eingangsgrößen der anhand dieses Kostensatzes gebildeten Kostenfunktion sind die Maße der Schweißfugengeometrie von Flanschwelle und Nabenhülse, die der Konstruktionszeichnung entnommen werden können. Bei Fremdfertigung und Rohteilbezug lassen sich Kostenfunktionen für auswärtige Bearbeitung und Ansätze zur Prognose von Rohteilpreisen prinzipiell auf die gleiche Weise wie bei der Eigenfertigung finden, indem anstelle der Fertigungskosten die (gegebenenfalls bezuschlagten) Lieferantenpreise zum Ansatz gebracht werden. Dies wird allerdings durch verschiedene Umstände erschwert. So ist zum einen der Rüstkostenanteil bei den Fertigungskosten des Lieferanten in der Regel unbekannt. Liegt jedoch eine ausreichend große Stichprobe für die statistische Auswertung vor, so kann die Stückzahl als zusätzliches kostenbeeinflussendes Merkmal mit aufgenommen werden, um deren Einfluss auf die Preise zu ermitteln. Zum anderen wird eine Kostenprognose dadurch weiter erschwert, dass in der Regel keine Anhaltspunkte gegeben sind, wie sich die Kosten des Lieferanten und damit auch der von ihm geforderte Preis auf die unterschiedlichen Kostenkomponenten (verschiedene Bearbeitungsschritte, evtl. zusätzliche Materialkosten etc.) aufteilen, so dass lediglich eine pauschale Kostenbetrachtung möglich ist. Bei dem hier beschriebenen Projekt war diese Schwierigkeit bei den bezogenen Rohteilen am stärksten ausgeprägt. Neben den Materialkosten für die Brammen gehen hier die Fertigungskosten für Wärmebehandlung, Freiformschmieden und Drehen in die Herstellkosten bzw. die Preisbildung des Lieferanten ein. Um Anhaltspunkte über die Kostenaufteilung zu gewinnen, wurden zunächst Befragungen unter Forschungsinstituten und Herstellern von Freiformschmiedeteilen durchgeführt. Dabei konnte ermittelt werden, dass bei Freiformschmiedeteilen, die mit den betrachteten Bauteilen vergleichbar sind, die Materialkosten in der Regel den größten Anteil einnehmen, gefolgt von den Fertigungskosten für das Drehen. Die Wärmebehandlung und das eigentliche Schmieden hingegen verursachen gemeinsam weniger als 20% der Kosten. Im nächsten Schritt wurde versucht, die absolute Höhe der einzelnen Kostenkomponenten auf Lieferantenseite grob abzuschätzen. Dies war möglich, indem neben der relativen Kostenaufteilung die aktuellen Marktpreise des betrachteten Werkstoffs, sowie öffentlich zugängliche Kennzahlen über die durchschnittlichen Gemeinkosten- und Gewinnzuschläge innerhalb der stahlverarbeitenden Industrie zum Ansatz gebracht wurden. Mit den erzielten Ergebnissen wurden analog zum Vorgehen bei Eigenfertigung Kostenfunktionen erstellt. Als kostenbeeinflussende Merkmale wurden dabei die Masse (für Materi-
Praxisbeispiel: Angebotskalkulation in der Einzelfertigung
181
alkosten und Wärmebehandlung) sowie die Oberfläche (für Schmieden und Drehen) angenommen. Die Abweichungen der mit diesen Kostenfunktionen geschätzten Kosten von den Ist-Kosten der Vergleichsobjekte lagen großteils unter 10% und überschritten 15% in keinem Fall. Entsprechend der an diesen Beispielen dargestellten Vorgehensweise wurden Kostenfunktionen für sämtliche Kostenkomponenten erstellt. 5.3.3
Einbindung der Kostenfunktionen in ein Softwaresystem
Um eine komfortable Nutzung der erstellten Kostenfunktionen zu ermöglichen, wurden diese in einem Softwaresystem hinterlegt, das dem Anwender eine Dialogmaske zur Eingabe bzw. Auswahl der Eingangsgrößen zur Verfügung stellt. Der Aufbau dieser Maske orientiert sich dabei an der CAD-Zeichnung eines beispielhaften Verschiebeprofils, so dass ein schneller Übertrag der benötigten Daten aus der dem Kalkulator vorliegenden Zeichnung möglich ist. Abb. 5-23 zeigt diese Dialogmaske.
Abb. 5-23. Dialogmaske zur Eingabe der Eingangsgrößen
Zur Erhöhung der Übersichtlichkeit der Dialogmaske wurden die Eingabefelder und Auswahlmenüs durch farbige Hinterlegung entsprechend den drei betrachteten Bauteilen gruppiert. Dabei ist die Anzahl der notwendigen Eingaben geringer als die der technischen Merkmale, welche in den
182
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
Kostenfunktionen die Eingangsgrößen darstellen, da mitunter aus der Angabe einer Größe die Ausprägung eines zweiten Merkmals abgeleitet werden kann (z.B. entspricht der Teilkreisdurchmesser des Evolventenprofils der Flanschwelle dem der Nabenülse). Nach Eingabe bzw. Auswahl aller Werte wird von dem System die Kostenprognose erstellt. Das Ergebnis enthält für sämtliche in Abb. 5-22 aufgeführten Kostenkomponenten die berechneten Material- bzw. Fertigungskosten. Da die Rüstkosten bei der Berechnung der Fertigungskosten separat ermittelt werden, kann der Anwender die Stückzahl des Kalkulationsobjekts beliebig variieren, falls sie in Einzelfällen größer als 1 ist. Die Aktualisierung der Kostensätze, die in den Kostenfunktionen enthalten sind, erfolgt manuell in einer eigenen Dialogmaske. Auf eine – durch Verknüpfung zum ERP-System prinzipiell mögliche – automatische Aktualisierung wurde bewusst verzichtet, da die damit notwendigen Anpassungen bei Änderungen am ERP-System (Releasewechsel etc.) voraussichtlich aufwändiger wären als eine jährliche Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung von wenig mehr als 20 Kostensätzen. 5.3.4
Beurteilung des Systems zur Angebotskalkulation
Neben der Verkürzung der Zeitdauer bis zum Vorliegen eines Angebots sollte mit dem erstellten System die Genauigkeit der Angebotskalkulation erhöht sowie der Arbeitsaufwand zur Erstellung derselben reduziert werden. Wird dem reduzierten Arbeitsaufwand der zusätzliche Aufwand für die Erstellung und Nutzung des Systems gegenüber gestellt, so lässt sich eine Aussage zu dessen Wirtschaftlichkeit treffen. Nachfolgend wird dargestellt, welche Genauigkeit bei praktischen Anwendungsfällen mit dem System zur softwaregestützten Angebotskalkulation erreicht wurde, sowie in welchem Verhältnis der Systemnutzen zu den Kosten des Systems steht. Erzielbare Genauigkeit der Kostenprognosen
Als Ziel des Systems zur Kostenprognose wurde eine deutliche Erhöhung der Prognosegenauigkeit im Vergleich zur manuellen Kostenschätzung festgelegt. Die Qualität der Angebotskalkulation sollte nach Möglichkeit so weit verbessert werden, dass die geplanten Kosten in Bezug auf das gesamte Verschiebeprofil um maximal 5% von den Istkosten abweichen. Eine generelle Verbesserung der Prognosegenauigkeit war mit der hier beschriebenen Vorgehensweise nahezu zwangsläufig der Fall, da die manuelle Angebotskalkulation, wie oben bereits erwähnt, wegen der mögli-
Praxisbeispiel: Angebotskalkulation in der Einzelfertigung
183
cherweise falsch kalkulierten Kosten des Vergleichsobjekts großen Unsicherheiten unterliegt. Beim Einsatz von Kostenfunktionen hingegen ist diese Fehlerquelle weitgehend ausgeschlossen, da für deren Erstellung eine größere Anzahl vorhandener Objekte analysiert wurde. Hierbei konnten „Ausreißer“ erkannt, auf Fehler geprüft und dann gegebenenfalls korrigiert werden. Die geforderte 5%-Grenze für den Prognosefehler konnte für das gesamte Verschiebeprofil wegen des Fehlerausgleichseffekts in der Regel ebenfalls eingehalten werden. Allerdings ist insbesondere bei den komplex zu kalkulierenden Rohteilen zu beachten, dass diese auftragsspezifisch gefertigt werden und deren Kosten auf den Angebotspreisen des Lieferanten und damit auch auf dessen Kostenschätzungen beruhen. Aus Prognosefehlern bei den Rohteilen kann zwar auch in gewissem Umfang Rückschluss auf die Qualität der Kostenprognosen des Lieferanten gezogen werden. Letztlich ist aber nicht gewährleistet, dass die Angebote bei zukünftigen Anfragen keinen höheren Schwankungen unterliegen, da die Methodik der Angebotskalkulation des Lieferanten unbekannt bleibt. Zudem besteht auch die Möglichkeit, dass bei steigender Kapazitätsauslastung des Lieferanten dieser seinen Gewinnzuschlag unvermittelt erhöht („Abwehrpreis“). Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei den bezogenen Bauteilen in Einzelfällen ein Prognosefehler eintritt, der zu einer Gesamtabweichung von mehr als 5% führt. Daher sollten diese Kostenprognosen für die eigene Angebotserstellung nach Möglichkeit nur dann genutzt werden, wenn aus zeitlichen Gründen das Angebot des Lieferanten nicht abgewartet werden kann. Wirtschaftlichkeit des Softwareeinsatzes
Der bisherige Zeitaufwand des Kalkulators für die Erstellung eines Angebots betrug etwa 1 bis 2 Tage bzw. im Durchschnitt ca. 10 Arbeitsstunden. Diese Zeit konnte durch den Systemeinsatz auf ca. 2,5 Arbeitsstunden reduziert werden, wobei hiervon nur ein geringer Teil auf die Eingabe der benötigten Werte in das Kalkulationssystem entfällt. Der Großteil der Arbeitszeit wird für indirekt mit der Angebotserstellung zusammenhängenden (z.B. organisatorischen) Tätigkeiten aufgebracht, sowie für die Kalkulation von Objekten, die zusätzlich zu den im System aufgenommenen Kostenelementen berücksichtigt werden müssen. Die Zeitersparnis entspricht 75% bzw. 7,5 Stunden pro Angebot. Bei einem beispielhaften Kostenstellensatz von 330,00 Euro pro Arbeitstag, 8 Arbeitsstunden pro Tag und jährlich 45 Angeboten, ergibt dies eine Kostenersparnis von knapp 14.000,00 Euro pro Jahr.
Konstruktionsbegleitende Kalkulation
184
Auf der anderen Seite ist der Aufwand für die Erstellung des Systems und die Aktualisierung der hinterlegten Kostensätze zu berücksichtigen: Die Ermittlung der Kostenfunktionen, deren Aufnahme in das Softwaresystem, sowie die Programmierung der Eingabe- und Aktualisierungsfunktionalitäten benötigte ca. 12 Arbeitstage. Hierin enthalten ist der Zeitaufwand für Projektbesprechungen inklusive deren Vor- und Nachbereitung. Wird dabei ein gemittelter Tagessatz von 800,00 Euro angesetzt, ergeben sich Kosten von 9.600,00 Euro für die Systemerstellung. Die Aktualisierung der hinterlegten Kostensätze ist notwendig, um variierenden Stundensätzen der eingesetzten Maschinen oder Preisänderungen der Lieferanten Rechnung zu tragen. Letzteres betrifft insbesondere die Werkstoffpreise, die häufig starken Schwankungen unterworfenen sind und gleichzeitig einen hohen Anteil an den gesamten Kosten eines Verschiebeprofils einnehmen. Da, wie bereits erwähnt, nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl von Kostensätzen aktualisiert werden muss und hierbei die meisten Kostensätze direkt aus dem ERP-System übertragen werden können, wird der jährliche Arbeitsaufwand selbst bei mehrmaliger Aktualisierung pro Jahr 2 Arbeitstage nicht überschreiten. Damit ergeben sich jährliche Kosten von 660,00 € für die Aktualisierung. Abb. 5-24 zeigt diese Beziehungen zusammengefasst. Einmalige Erstellungskosten des Systems Zeitaufwand [Arbeitstage] x
Kostensatz Arbeitstag Systemerstellung [€]
=
Kosten [€]
12,00 800,00 9.600,00
Jährliche Kostenersparnis Kostenersparnis bei der Angebotserstellung Zeitaufwand manuelle Angebotserstellung [h]
10,00
-
Zeitaufwand systemgestützte Angebotserstellung [h]
2,50
=
Zeitersparnis pro Angebot durch Systemeinsatz [h]
7,50
x
Anzahl jährlich zu erstellender Angebote
=
Zeitersparnis pro Jahr [h]
=
Zeitersparnis pro Jahr [Arbeitstage]
x
Kostensatz Arbeitstag Systemeinsatz [€]
=
Kostenersparnis pro Jahr [€]
45 337,50 42,19 330,00 13.921,88
Kosten der Aktualisierung Zeitaufwand pro Jahr [Arbeitstage]
2,00
x
Kostensatz Arbeitstag Systemeinsatz [€]
330,00
=
Kosten pro Jahr [€]
660,00
Resultierende jährliche Kostenersparnis [€]
13.261,88
Abb. 5-24. Systemkosten und Kostenersparnis durch den Softwareeinsatz
Praxisbeispiel: Angebotskalkulation in der Einzelfertigung
185
Wie aus der Darstellung ersichtlich wird, liegt der Amortisationszeitpunkt für die Systemerstellung bereits innerhalb des ersten Jahres. Eine Variation der erzielten Zeitersparnis zeigt, dass selbst eine Reduktion um nur 55% (anstatt der tatsächlichen 75%) ausreichen würde, damit bereits im ersten Jahr die Kostenersparnis den Aufwand der Systemerstellung übersteigt.
6 Variantenmanagement
6.1
Grundlagen des Variantenmanagements
6.1.1
Ursachen und Folgen der Variantenvielfalt
In den vergangenen Jahrzehnten hat die Anzahl von Produktvarianten und unterschiedlichen Bauteilen sowohl im Maschinen- und Anlagenbau als auch in der Automobilindustrie stetig und zum Teil dramatisch zugenommen. Für diese Entwicklung ist eine Reihe verschiedener Gründe verantwortlich, die sowohl im unternehmensexternen als auch unternehmensinternen Bereich zu finden sind. Zu den externen Gründen zählen z.B. der erhöhte Wettbewerb durch die Globalisierung, kürzere Produktlebenszyklen und Diversifikationserfordernisse. Beispiele für unternehmensinterne Variantentreiber sind unzureichende Kenntnisse bezüglich der Variantenkosten, eine intransparente Variantenvielfalt und Mängel beim Produktdatenmanagement. Die Folgen zusätzlicher Varianten werden vielfach unterschätzt und oft lediglich in der Notwendigkeit gesehen, in Konstruktion und Arbeitsvorbereitung zusätzliche Zeichnungen und Stücklisten zu verwalten. Tatsächlich sind aber die meisten Unternehmensbereiche von einer steigenden Variantenvielfalt betroffen, wie Abb. 6-1 zeigt. Wie aus den Beispielen in dieser Abbildung ersichtlich, tragen manche Folgen einer hohen Variantenvielfalt nur indirekt zu einer Kostenerhöhung bei. Daher verwundert es nicht, dass die Ermittlung der Kosten, welche durch die Variantenvielfalt und der damit einhergehenden Komplexität verursacht werden, oft problematisch ist und der Intransparenz dieser Kosten nur unzureichend entgegengewirkt werden kann. Als Folge hiervon werden Entscheidungen über die Ausweitung des Produktprogramms häufig einseitig unter dem Aspekt der kurzfristigen Umsatzsteigerung getroffen und gleichzeitig wird die Notwendigkeit verkannt, wirksame Maßnahmen zur Beherrschung der Produkt- und Teilevielfalt zu ergreifen. Doch nicht nur die indirekte Wirkungsweise erschwert das Management der komplexitätsbedingten Kosten, sondern auch die Tatsache, dass die Kostenwirkung oft mit einer Zeitverzögerung auftritt. Diese Verzögerung ist darauf zurückzuführen, dass bei einer zunächst geringen Zunahme der
Variantenmanagement
188
Entwicklung
Einkauf / Logistik
Fertigung / Montage
Rechnungswesen
Vertrieb
Anspruchsvollere Mehraufwand für VertriebsschuKalkulation lung Erhöhter AufHeterogenere wand für EinHöhere Erstellen und Einstandspreise Höhere Rüstkos- kaufsrichtwerte Kundensegmente Verwalten ten und Anlauf- und Rechnungsdurch kleinere zusätzlicher Höhere Fehlerverluste aufgrund prüfung Produktdokumen- Stückzahlen quote bei der kleinerer Lostationen AuftragsErhöhte Anzahl größen abwicklung an BestellvorErhöhter AufKomplexere wand für Ände- gängen Höhere Anzahl Kapazitätsplarungen und von VerkaufsHöhere Lagerbe- nung und FertiProduktweiterdokumenten stände gungssteuerung entwicklungen Aufwändigere Pflege zusätzli- Ausweitung der AuslastungsPreissetzung Lieferantenbeschwankungen cher Teile / ziehungen Stammdaten Geringere Produktivität Erschwerte Aufwand für Konstruktion der Materialbedarfsermittlung neuen Teile
Zusätzliche Arbeitspläne, Werkzeuge und Vorrichtungen
Service Anspruchsvollere Ausbildung des Kundendienstes Zusätzliche Unterlagen für den Kundendienst Vergrößerung des Reklamationsrisikos Erhöhte Ersatzteilbevorratung
Abb. 6-1. Kostenrelevante Auswirkungen der Variantenvielfalt (nach Kohlhase 1998, S. 56)
Vielfalt noch keine bzw. nur unbeträchtliche Kostenzuwächse entstehen. Erst ab einer bestimmten Höhe sind zusätzliche Investitionen wie z.B. Lagererweiterungen, neue EDV-Systeme oder zusätzliche Mitarbeiter notwendig. Bei einer Reduktion der Vielfalt wiederum können diese Investitionen bzw. die damit verbundenen Kosten jedoch nicht in gleichem Maße abgebaut werden. Es liegt also eine so genannte „Kostenremanenz“ vor (vgl. Abb. 6-2). Das oberste Ziel des Variantenmanagements muss es daher sein, unnötige Varianten möglichst schon vor ihrer Entstehung zu verhindern. Bei einer Einschränkung der Vielfalt müssen die dadurch eingesparten Kosten der Nutzenwirkung der Varianten gegenüber gestellt werden, denn eine richtig eingesetzte Produktvielfalt kann dem Unternehmenserfolg zweifelsohne auch zuträglich sein. Nichtsdestoweniger ist das Kostensenkungspotential durch eine Reduzierung der Varianten ausgesprochen hoch. So kostet bereits die Einführung einer DIN A4-Zeichnung bis zu 2.000 Euro (vgl. Grabowski et al. 2002, S. 13). Die Kosten, die ein einzelnes Bauteil allein durch die Artikelverwaltung verursacht, werden auf 750 Euro bis 1.450 Euro pro Jahr veranschlagt (vgl. Schöttner 1999, S. 328; Decker 2002, S. 134). Einzelne größere Unternehmen errechnen die Lebenszykluskosten eines Bauteils auf Beträge in Größenordnungen von
Grundlagen des Variantenmanagements
189
Kostenniveau Komplexitätsreduktion
Kostenremanenz
Komplexitätsaufbau
Variantenvielfalt
Abb. 6-2. Kostenremanenz beim Auf- und Abbau der Variantenvielfalt (nach Schuh u. Schwenk 2001, S. 21)
50.000 Euro. Das mögliche Einsparungspotential, das durch die Eliminierung eines solchen Teils realisiert werden könnte, wird dabei auf 15.000 Euro geschätzt (vgl. Eversheim u. Kuemper 1993, S. 235). Diese Werte müssen allerdings dahingehend relativiert werden, dass sie nicht pauschal für alle Bauteile gelten können. So sind die Kosten einer inaktiven Teilevariante niedriger, da sie zwar einmalig bei der Einführung Kosten verursacht hat, die elektronische Speicherung der Nummer bzw. Zeichnung aber einen vernachlässigbaren Aufwand darstellt und lediglich die Recherche in von solchen Teilen unbereinigten Datenbeständen verzögert und der Aufwand für Systemumstellungen erhöht wird. In Bezug auf die Herstellkosten (hier incl. Entwicklungskosten) einer Baugruppe kann das Kostensenkungspotential durch Variantenmanagement auf 15-20% geschätzt werden. Abb. 6-3 zeigt die Aufteilung dieses Potentials auf die verschiedenen Unternehmensbereiche. Die Vermutung, dass die negative Ergebniswirkung von Varianten den zuvor erwähnten Nutzen einer externen Variantenvielfalt (also der Produktvarianten) in der Praxis oft übersteigt, wird von Untersuchungen bestätigt, denen zufolge erfolgreiche Unternehmen im Vergleich zu weniger erfolgreichen Unternehmen ca. 40% weniger Produkte, etwa 75% weniger Baugruppen und fast 80% weniger Bauteile haben (vgl. Kluge et al. 1994, S. 54).
Variantenmanagement
190
Herstellkosten einer Baugruppe
Entwicklung (15-25%) Fertigung / Montage (40-60%) Arbeitsvorbereitung (10-20%) Lager / Materialwirtschaft (10-20%)
Abb. 6-3. Kostensenkungspotential durch Variantenmanagement (nach Ehrlenspiel et al. 2007, S. 298)
Eine Möglichkeit, um der variantenbedingten Komplexität zu begegnen, ist die variantengerechte Prozessgestaltung. So können z.B. segmentierte selbststeuernde Produktionsstrukturen wie Fertigungsinseln aufgebaut und eine variantengerechte Anpassung der Ablauforganisation vorgenommen werden. Ein ursachenorientierter und damit nachhaltiger Ansatz zum Senken der komplexitätsbedingten Kosten zielt jedoch auf die Reduktion der Vielfalt von Produkten, Produktvarianten und Teilevarianten selbst. Die Methoden zu einem entsprechenden Variantenmanagement auf Ebene des Produktprogramms werden in der Regel außerhalb der Konstruktion eingesetzt. Hierbei handelt es sich meist um strategische Entscheidungen zur Einschränkung des Produktsortiments, die auf Basis ausführlicher Analysen dieses Sortiments getroffen werden. Bei solchen Analysen können z.B. Umsatz, Gewinn, Stückzahlen oder Deckungsbeiträge nach Produktarten ABC-Analysen unterworfen werden, um Aufschluss über den Beitrag dieser Produktarten zum Unternehmenserfolg zu erlangen. Um eine vom Markt geforderte Ausweitung des Produktangebots zu beherrschen, wird empfohlen, das Produktprogramm zunächst in verschiedene Gruppen einzuteilen, die den Status der Produkte widerspiegeln (Produkte im aktiven Verkaufsprogramm, „Altlasten“, die nicht mehr für den Verkauf bestimmt sind und kundenspezifische Einzellösungen). Hierauf aufbauend werden Strategien definiert, die helfen sollen, eine variantengerechte Produktpolitik im Unternehmen durchzusetzen und aufzeigen, wie je nach Marktdynamik und eigener Innovationskraft die Entwicklung des
Grundlagen des Variantenmanagements
191
Leistungsprogramms gesteuert werden soll. Auch wenn solche Methoden und Maßnahmen nicht von den Konstrukteuren selbst eingesetzt bzw. durchgeführt werden, ist es bei ihrer Anwendung notwendig, auf das Wissen aus der Konstruktion (und der Materialwirtschaft etc.) zuzugreifen, damit die Auswirkungen von Entscheidungen zur Produktprogrammbereinigung auf die verbleibenden Produkte erkannt werden können, wie es z.B. beim Einsatz gleicher Baugruppen in verschiedenen Produkten notwendig ist. Da der Schwerpunkt solcher Methoden und Maßnahmen jedoch außerhalb der Konstruktion liegt, sollen sie hier nicht weiter vertieft werden. Die in und von der Konstruktion angewandten Methoden und Instrumente lassen sich nach verschiedenen Gesichtspunkten unterteilen: In Bezug auf die Produktstrategie des Variantenmanagements dient eine Maßnahme entweder der Standardisierung, also der Variantenreduktion, oder der Modularisierung. Mit der Modularisierung soll eine prinzipiell hohe Endproduktvielfalt durch die Möglichkeit der Konfiguration verschiedener Baugruppen (Module) erreicht werden. Voraussetzung hierfür ist die Vereinheitlichung der Schnittstellen zwischen diesen Modulen. Im Hinblick auf das betrachtete Objekt lassen sich ebenfalls zwei Gruppen unterscheiden: So erfolgt das Variantenmanagement entweder mit Bezug zu einem bestimmten Produkt (also auf Produkt- oder Produktstrukturebene) und wirkt sich damit direkt auf die Produktvarianten aus. Dies wiederum hat zwangsläufig eine direkte oder indirekte Wirkung auf die Teilevarianten. Oder es wird eine Reduktion der Teilevielfalt angestrebt, ohne dass die Maßnahmen ihren Ausgangspunkt bei einzelnen Produkten haben. Im Folgenden werden die wichtigsten Methoden und Instrumente des Variantenmanagements dargestellt, und zwar ausgehend von der Unterscheidung nach dem betrachteten Objekt. 6.1.2
Management von Produktvarianten
Baureihensysteme
Die Bildung einer Baureihe ist ein sehr wirkungsvolles Mittel, um ein Produkt über einen bestimmten Baugrößen- oder Leistungsbereich zu standardisieren und damit die Teilevielfalt einzuschränken. Unter einer Baureihe versteht man technische Gebilde wie Maschinen, Baugruppen oder Einzelteile, die systematisch der Größe nach skaliert sind. Die einzelnen Glieder der Baureihe erfüllen somit dieselbe qualitative Funktion mit der gleichen konstruktiven Lösung in mehreren Größenstufen und mit unterschiedlichen Leistungsdaten. Nach Möglichkeit sollen neben der konstruktiven Lösung
192
Variantenmanagement
auch die eingesetzten Fertigungsverfahren über die gesamte Baureihe einheitlich sein. Um eine Baureihe zu entwickeln, geht man von einer Baugröße aus und leitet von dieser dann weitere Größen nach geometrischen, mechanischen oder physikalischen Gesetzmäßigkeiten ab. Dabei werden der Ausgangsentwurf als Grundentwurf und die Entwürfe der abgeleiteten Baugrößen als Folgeentwürfe bezeichnet. Bei umfangreichen Baugruppen ist ein einzelner Ausgangsentwurf möglicherweise nicht ausreichend. In einem solchen Fall müssen Grenzen für verschiedene Bereiche innerhalb der Baureihe festgelegt werden, zwischen denen eine hinreichende Ähnlichkeit der verschiedenen Varianten gegeben ist. Diese Werte können anhand physikalischer Leistungs- oder Festigkeitsgrenzen oder auf Basis technischer Gesichtspunkte, wie z.B. Begrenzung eines Fertigungsverfahrens durch Stückzahl oder Baugröße, bestimmt werden. Für die einzelnen Bereiche werden dann unterschiedliche Ausgangsentwürfe erstellt, von denen die Folgeentwürfe abgeleitet werden. Wichtig ist aber auch in diesem Fall, dass die Varianten der gesamten Baureihe möglichst viele Gemeinsamkeiten hinsichtlich Wirkprinzip, Werkstoff und Bauteilgestalt aufweisen. Neben der Kostenersparnis durch die Reduktion der Variantenvielfalt schafft die Bildung von Baureihensystemen noch weitere Vorteile. So wird beispielsweise in der Regel eine Qualitäts- und Zuverlässigkeitssteigerung erreicht, weil durch die Wiederverwendung der konstruktiven Lösung „Kinderkrankheiten“ des Produkttyps ausgemerzt sind. Bei der Entwicklung von Baureihen müssen die so genannten Ähnlichkeitsgesetze beachtet werden (vgl. hierzu auch die Ausführungen in Abschnitt 5.1.5). Mit Hilfe dieser Gesetze lassen sich aufgrund physikalischer Gesetzmäßigkeiten für konstruktiv und fertigungstechnisch ähnliche Produkte Informationen über deren Eigenschaften gewinnen: Unterscheiden sich die Produkte in der Baugröße um Stufensprünge ϕ, stellen geometrische Ähnlichkeitsgesetze dann die Beziehungen zwischen dem Stufensprung der Länge ϕL = lL/l0 (l0 = typisches Längenmaß des Grundentwurfs, lL = typisches Längenmaß des Folgeentwurfs) und den übrigen am Produkt interessierenden Größen dar. So nehmen bei geometrischer Ähnlichkeit z.B. Kräfte und Leistungen in der zweiten Potenz, Gewichte und Drehmomente in der dritten, Flächenträgheitsmomente in der vierten und Massenträgheitsmomente in der fünften Potenz zum Stufensprung der Länge ϕL zu. Eine rein geometrische Vergrößerung innerhalb einer Baureihe wird nicht immer möglich sein, da beispielsweise übergeordnete Faktoren wie der Einfluss der Schwerkraft oder thermische Vorgänge dies verhindern können. Weitere Einschränkungen können auch durch die Forderung ent-
Grundlagen des Variantenmanagements
193
stehen, aus wirtschaftlichen Gründen bestimmte Bauteile (wie Aufhängösen oder Buchsen) in ihrer Größe konstant zu halten, um hier nicht überflüssige Varianten zu erzeugen. Wenn aufgrund solcher Einflüsse einzelne Abweichungen von der geometrischen Ähnlichkeit erzwungen werden, entstehen so genannte „halbähnliche Baureihen“. Für die Entwicklung von Baureihen nicht zwingend notwendig, aber sehr zweckmäßig sind Normzahlreihen, mit denen die Größenstufen innerhalb der Baureihe festgelegt werden können. Normzahlreihen schließen an den dezimalen Bereich an, d.h. sie enthalten alle ganzzahligen Potenzen von 10. Die Reihung physikalischer Größen kann entweder durch eine additive oder eine multiplikative Gesetzmäßigkeit erfolgen. Hiermit gelangt man zu einer arithmetischen bzw. (bei multiplikativem Bildungsgesetz) zu einer geometrischen Reihe, wobei der letztgenannte Fall in der Technik sehr viel häufiger anzutreffen ist. Bei einer geometrisch gestuften Reihe ergibt sich jedes Glied einer Dekade durch Multiplikation mit einem konstanten Faktor aus dem vorherigen Glied. Der dabei verwendete Faktor ist der bereits oben erwähnte Stufensprung ϕ und errechnet sich bei einer dezimal-geometrisch gestuften Reihe als
ϕ = n 10 , wobei n die gewünschte Anzahl der Stufen darstellt. Soll z.B. eine Dekade 5 Stufen (und damit 6 Glieder) umfassen, beträgt der Stufensprung also ϕ = 5 10 ≈ 1,5849. Daraus ergibt sich die so genannte „Genauwertreihe“ für n = 5 als: 1
1,5849
2,5119
3,9811
6,3096
10
Da diese Genauwerte unhandlich sind, werden sie gerundet, woraus die eigentlichen Normzahlen (= Hauptwerte) resultieren, welche in diesem Fall (n = 5) lauten: 1
1,6
2,5
4
6,3
10
Diese Normzahlreihe wird als „R 5“ bezeichnet. Neben dieser (mit n = 5 sehr grob unterteilten) genormten dezimalgeometrischen Reihe sind auch die Dekadenteilungen mit n = 10, 20, 40 und 80 nach DIN 323 genormt. Um bei der Bildung einer Baureihe die Anzahl der Varianten und damit die Größen der ausgewählten charakteristischen Eigenschaften innerhalb dieser Reihe zu bestimmen, muss unter technischen und wirtschaftlichen
Variantenmanagement
194
Gesichtspunkten zwischen der optimalen Funktionserfüllung für den Kunden und einer aus Herstellersicht möglichst geringen Variantenvielfalt abgewogen werden. Hierbei ist die Untersuchung hilfreich, in welchem Ausmaß sich die durch das Produkt verursachten Kosten (incl. der Betriebskosten beim Kunden) bei einer Variation der Größe verändern, auf die sich der Stufensprung beziehen soll. Je flacher die so ermittelte Kostenkurve verläuft, umso gröber darf die Stufung prinzipiell sein, da es für den Kunden weniger schwer wiegt, wenn seine Leistungsanforderungen überstiegen werden. Einschränkungen können sich dadurch ergeben, dass neben dem Kostenaspekt andere Beschränkungen eine zu große Abweichung von der vom Kunden geforderten Größe verbieten, wie es z.B. Einbaumaße sein können. Ein weiterer Anhaltspunkt zur Ermittlung der optimalen Variantenanzahl lässt sich durch eine Vergangenheitsanalyse gewinnen, indem Verkaufszahlen der zurückliegenden Zeiträume ausgewertet werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass damit nicht die eigentliche Marktnachfrage ermittelt wird, sondern nur die Nachfrage in Bezug auf das eigene Angebotsspektrum, das z.B. durch die Produktpalette und Konditionen gekennzeichnet ist. Das sich an diese Analysen anschließende Festlegen der Variantenanzahl wird als Typisierung bezeichnet. Abb. 6-4 zeigt beispielhaft, wie von Herstellerseite die Leistung verschiedener Maschinentypen durch Bildung einer Baureihe genormt wurde: Maschinenleistung 125 kW
200 kW
315 kW
Kundenwünsche: 17 unterschiedliche Leistungen Baureihe (R 10/2)
6 mal 125 kW
6 mal 200 kW
5 mal 315 kW
Produktspektrum des Herstellers: drei Maschinentypen in größeren Stückzahlen
Abb. 6-4. Baureihenbildung am Beispiel der Maschinenleistung (nach Ehrlenspiel et al. 2007, S. 331)
Wie im oberen Teil der Abbildung veranschaulicht, besteht von Kunden-
Grundlagen des Variantenmanagements
195
seite der Bedarf an 17 verschiedenen Maschinenleistungen, die im Bereich zwischen 100 kW und 350 kW liegen. Der Hersteller entwickelt eine Baureihe auf Basis der Normzahlreihe R 10, deren Stufensprung ϕ = 1,25 ist. Außerdem wandelt er diese Reihe noch dahingehend ab, dass er nicht jedes, sondern nur jedes zweite Glied verwendet. Hieraus entsteht eine „abgeleitete Reihe“, die in diesem Fall als R 10/2 bezeichnet wird. Als Ergebnis dieser Reihenbildung werden nur noch drei Maschinen hergestellt, deren Leistungen somit 125 kW, 200 kW und 315 kW betragen. Neben den beträchtlichen Vorteilen kann der Einsatz eines Baureihensystems aber auch Nachteile mit sich bringen. Außer dem bereits genannten Umstand, dass die Leistungsdaten des Produktes den Anforderungen des Produktnutzers nicht immer exakt entsprechen, ist insbesondere der relativ hohe Aufwand für die Erstellung aller notwendigen Unterlagen für eine Baureihe zu erwähnen. Dieser Aufwand kann aber durch den richtigen Einsatz der Ähnlichkeitsgesetze und Normzahlstufung reduziert werden. Das Baureihenkonzept führt zu einer Aussage, welche Eigenschaften das Produkt haben soll. Keine Aussage hingegen wird darüber gemacht, aus welchen Elementen das Produkt besteht bzw. wie die Zuordnung dieser Elemente untereinander ist. Dies betrifft die Bildung von Baukastensystemen, die im nächsten Abschnitt beschrieben werden. Baukastensysteme
Baukastensysteme sollen es ermöglichen, Produktvarianten unterschiedlicher Gestalt und Funktion mit standardisierten Komponenten herzustellen. Hierzu wird die Gesamtfunktion eines Produktes in wiederkehrende Teilfunktionen zerlegt, die miteinander kombiniert unterschiedliche Gesamtfunktionen erfüllen können. Auf Basis dieser funktionsorientierten Gliederung der Produktstruktur werden Bausteine definiert, die Einzelteile, Baugruppen oder selbst Baukastensysteme einer unteren Rangordnung sein können. Die Gesamtheit dieser Bausteine stellt dann ein Baukastensystem dar und umfasst einen möglichst hohen Anteil von kunden-, kundengruppen- und auftragsneutralen Funktionsträgern, die idealerweise auch bei verschiedenen Produkttypen verwendet werden können. Wie in Abb. 6-5 gezeigt, können in Abhängigkeit von der möglichen Varianz und dem möglichen Kundeneinfluss verschiedene Arten von Bausteinen unterschieden werden. Der wesentliche Unterschied von Baukastensystemen zu Baureihen liegt darin, dass die Funktionen, die mit Baukästen realisiert werden, sich nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ voneinander unterscheiden. Allerdings treten Bausteine bei der Baukastenbauweise häufig auch in mehreren Größenstufungen auf, d.h. Baukästen werden mit Baureihen kombiniert.
Variantenmanagement
196
Gesamtfunktion Varianten
Grundfunktionen
grundlegend, immer wiederkehrend, allgemein Grundbaustein
Hilfsfunktionen
Sonderfunktionen
Anpassfunktionen
verbindend, anschließend
besonders, ergänzend, erweiternd
nicht genau in allen Teilen festlegbar
Hilfsbaustein
Sonderbaustein
Anpassbaustein
Ausführung
Muss-Baustein
Varianten
Kann-Baustein
Abb. 6-5. Funktions- und Bausteinarten bei Baukastensystemen (nach Flemming et al. 2007, S. F 29)
Generell lassen sich verschiedene Arten von Baukästen unterscheiden. Ein mögliches Unterscheidungskriterium ist, ob der Zusammenbau der einzelnen Bausteine vom Hersteller getätigt wird und sich vom Nutzer in der Regel nicht mehr verändern lässt (wie z.B. bei Kraftfahrzeug- oder Getriebebaukästen) oder durch den Anwender durchgeführt wird. Ein Beispiel für den zweiten Fall sind Anbaugeräte an Agrarmaschinen. Die jeweilige Bezeichnung lautet dementsprechend Herstellerbaukasten bzw. Anwenderbaukasten. Um ein Baukastensystem zu erstellen, werden zunächst in einer Planungsphase die Anforderungen potentieller Abnehmer an die jeweilige Produktgruppe analysiert, indem der Verwendungszweck und die unterscheidungsrelevanten Produktmerkmale bestimmt werden. Damit sich die erforderliche Varianz auf Baugruppenebene bestimmen lässt, werden die unterschiedlichen Kundenanforderungen systematisiert und der Bezug zwischen diesen Anforderungen und den jeweils erforderlichen Baugruppen hergestellt. Im nächsten Schritt werden die Produktfunktionen aufgespalten. Wird das Baukastensystem aus bereits vorhandenen Produktvarianten heraus
Grundlagen des Variantenmanagements
197
entwickelt, so erfolgt zunächst eine Analyse, welche Funktionen mittels welcher Funktionsträger in welcher Anzahl realisiert werden und wie sich diese Funktionen zusammenfassen oder sinnvoll aufteilen lassen. Die verschiedenen Funktionen werden dann einzelnen Bausteinen zugewiesen. Wie oben bereits erwähnt, ist hierbei die erforderliche Varianz und technische Bedeutung dafür ausschlaggebend, ob Muss- oder Kann-Bausteine für das Produkt gebildet werden. So weit wie möglich sind in diesem Schritt auch zukünftige Anforderungen zu berücksichtigen, damit die spätere Entstehung von Varianten vermieden oder zumindest durch die Realisierung offener Funktionsstrukturen und definierter Schnittstellen begrenzt wird. Neben dieser Elementarisierung der Bausteine erfolgt eine Definition der Schnittstellen zwischen den Bausteinen. Außerdem wird die Baukastenstruktur festgelegt, welche die Beziehungen zwischen den einzelnen Baukastenprodukten angibt. Ein Baukastenprodukt stellt hierbei das konkrete Endergebnis für einen bestimmten Anwendungsfall dar. Im letzten Schritt schließlich erfolgt die Detailkonstruktion der einzelnen Bausteine. Bei der Konzeption des Baukastens ist darauf zu achten, dass die Varianten bei der Konfiguration der Modulkombinationen spät im Produktentstehungsprozess generiert werden. Der Grund hierfür ist, dass sowohl die Bereithaltung von Ressourcen in den jeweiligen Wertschöpfungsstufen als auch die Steuerung der verschiedenen Varianten durch den Prozess die Kosten negativ beeinflussen. Je größere Anteile des Produktentstehungsprozesses ohne diese Mehraufwände auskommen, umso weniger zusätzliche Kosten werden durch eine gegebene Anzahl von Varianten verursacht. Abb. 6-6 zeigt schematisch die Auswirkung des Variantenentstehungszeitpunkts auf die Komplexität.
Abb. 6-6. Auswirkung des Entstehungszeitpunkts von Varianten (nach Franke 1998, S. 8 f.)
198
Variantenmanagement
Bei den Nachteilen, die im Zusammenhang mit Baukastensystemen zu nennen sind, lassen sich einige Parallelen zu den Baureihensystemen feststellen. So ist auch bei Baukästen der oft beträchtliche Aufwand für die Erstellung und Einführung eines solchen Systems zu beachten, ebenso der Umstand, dass ein Baukastenprodukt häufig weniger bedarfsgerecht ist als ein Sonderprodukt. Bei dem Einsatz eines Baukastensystems kann es nützlich sein, ein softwaregestütztes Konfigurationssystem für die schnelle Angebotserarbeitung im direkten Kontakt mit dem Kunden zu nutzen. Ein solches System wird gemeinsam von Entwicklung und Vertrieb erarbeitet und bildet die Baukastenstruktur incl. der Kombinationsbedingungen der verschiedenen Bausteine ab. Außerdem sind darin die technischen Leistungsparameter und Verkaufspreise der verschiedenen Baukastenprodukte hinterlegt. Neben der Unterstützung des Vertriebsmitarbeiters liegt der Nutzen eines solchen (prinzipiell auch ohne vollständiges Baukastensystem einsetzbaren) Produktkonfigurators insbesondere darin, dass durch die automatische Prüfung der Zulässigkeit von Konfigurationen die entstehenden Kosten durch falsch konfigurierte Aufträge gesenkt werden. Außerdem trägt der Konfigurator dazu bei, kundenspezifische Sonderlösungen zu vermeiden bzw. hierfür entsprechend höhere Preise durchzusetzen. In Abschnitt 6.2 ist die Konzeption und Erstellung eines Produktkonfigurators an einem praktischen Beispiel dargestellt. Eine vom Hersteller bewusst vorweggenommene Einschränkung der Konfigurationsmöglichkeiten ist die Bildung von Paketen. Das Ziel der Paketbildung ist die Reduzierung der Verkaufsvarianten. Pakete setzen sich aus Anbauteilen für verschiedene Ausstattungen und Funktionen zusammen, die jeweils nur gemeinsam, nicht aber in einem anderen Paket auftreten. Als durchgängige Methodik für die Planung und Entwicklung der erforderlichen Produktvarianten und zur Beherrschung der notwendigen Komplexität dient die Variant Mode and Effects Analysis. Diese Methode wird nachfolgend beschrieben. Variant Mode and Effects Analysis (VMEA)
Die Variant Mode and Effects Analysis (VMEA) lehnt sich an die Failure Mode and Effects Analysis (FMEA) zur frühzeitigen Erkennung und Vermeidung von Fehlern an und soll die Konsequenzen von Produktvarianten in allen Bereichen des Unternehmens, von der Entwicklung des Produktprogramms bis zum Vertrieb, darstellen. Ziel der VMEA ist es, eine systematische Entwicklung der Variantenvielfalt nach technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu ermöglichen. Dabei sollen die optimalen
Grundlagen des Variantenmanagements
199
Produktstrukturen durch die Variation von Teilen und Baugruppen ermittelt werden. Die VMEA wird in den folgenden Arbeitsschritten durchgeführt (vgl. Bennet 1999, S. 41): 1. Ermitteln der Marktanforderungen in Bezug auf die Produkteigenschaften bzw. Produktfunktionen und Ermitteln der Zielkosten mit Hilfe des Target Costing. 2. Festlegen alternativer Szenarien zur Realisierung einer variantenarmen Produktstruktur. 3. Bewerten der Szenarien unter technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten und Auswahl der Variantenlösung. 4. Definieren des Produktprogramms und kommunizieren desselben an den Vertrieb. Ein Fokus der VMEA liegt dabei auf der aus Produktstruktur und Teilebzw. Baugruppenvielfalt resultierenden Varianz im Fertigungs- und Montagebereich. Hierbei ist die Abbildung der bestehenden bzw. im Rahmen der Entwicklung zu erwartenden Produktvarianz im zweiten der oben genannten Schritte ein spezifischer Kernbestandteil der VMEA. Dafür bietet sich der Einsatz der Variantenbaummethodik an, mit deren Hilfe die Teileund Variantenvielfalt über die Montagereihenfolge graphisch dargestellt werden kann. Zur Erstellung des Variantenbaums werden die verschiedenen Ausprägungen der variantenerzeugenden Produkteigenschaften und der zugehörigen Bauteile erfasst sowie die Kombinationsverbote und -zwänge zwischen den einzelnen Bauteilen festgelegt. Unter Berücksichtigung der Montagereihenfolge lässt sich dann die Entwicklung der Variantenvielfalt im Montageverlauf graphisch durch Zuordnung der Bauteile zu den Zusammenbauvarianten mit Hilfe von Verbindungslinien darstellen. Die Anzahl der Zusammenbauvarianten nimmt dabei solange zu, bis das vollständige Produktprogramm erzeugt ist. Abb. 6-7 zeigt einen solchen Variantenbaum. Außerdem ist hier auch bereits schematisch angedeutet, was das Ziel der Maßnahmen zur variantenarmen Produktgestaltung ist, nämlich das Erreichen eines möglichst schmalen Variantenbaums. Um den ermittelten Ist-Zustand in einen solchen optimierten Soll-Zustand zu überführen, lassen sich die im Variantenbaum dargestellten Informationen zur Varianz auf Einzelteil- und Baugruppenebene für die Erstellung von Produktgestaltungsszenarien nutzen. Hierbei kann prinzipiell zwischen Szenarien auf Funktions- und auf Bauteilebene unterschieden werden (vgl. Schuh u. Schwenk 2001, S. 118):
Bei Szenarien auf Funktionsebene wird der Kundennutzen ver-
Variantenmanagement
200
schiedener Varianten geprüft, um dann die Anzahl der Ausprägungen durch Eliminierung oder Integration von Funktionen zu reduzieren. Eine weitere Reduktion der Vielfalt kann auf dieser Ebene erreicht werden, indem durch die Definition von Kombinationsverboten oder -zwängen Pakete gebildet werden.
Auf Bauteilebene können Maßnahmen wie das Eliminieren von Bauteilen oder der Einsatz von Standard- und Integralbauteilen die Variantenvielfalt reduzieren. Auf die Vorgehensweise zur Bildung solcher Teile wird im Abschnitt 6.1.3 im Zusammenhang mit der Reduktion von Teilevarianten noch eingegangen. Außerdem kann die Montagereihenfolge von Bauteilen und -gruppen geändert werden, um der schon erwähnten Forderung zu entsprechen, dass bis zu einem möglichst späten Zeitpunkt auftragsneutral montiert wird.
Durch den Einsatz der VMEA kann auf diese Weise eine Variantenvielfalt auf Baugruppen- und Teilebene vermieden werden, die aufgrund der funktionalen Anforderungen an die Produktgestaltung nicht erforderlich ist. Damit ist eine weitgehend variantenoptimale Gestaltung des Produktprogramms im Rahmen der Produktentwicklung gewährleistet. IST - Zustand
SOLL - Zustand
Montagereihenfolge
Optimieren
Variantenvielfalt
Abb. 6-7. Variantenorientierte Produktgestaltung mit dem Variantenbaum (nach Schuh u. Schwenk 2001, S. 119)
Grundlagen des Variantenmanagements
6.1.3
201
Management von Teilevarianten
Mit den dargestellten Methoden zum Management von Produktvarianten kann die Komplexität sehr effektiv reduziert werden. Bei der Einführung von Baukasten- oder Baureihensystemen besteht allerdings die Gefahr, dass die Einschränkungen der Produktvarianten von den Kunden negativ aufgenommen werden, da das Produkt möglicherweise nicht mehr exakt an ihren Anforderungen ausgerichtet ist. Die nachfolgend beschriebene Vorgehensweise zur Reduzierung von Teilevarianten kann auch ohne Auswirkungen auf die externe Vielfalt angewandt werden und birgt ebenfalls ein nennenswertes Kostensenkungspotential. Einschränkung der bestehenden Teilevielfalt
Für die Verringerung der Teilevielfalt in einem Unternehmen gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten (vgl. Ehrlenspiel et al. 2007, S. 310 ff.): 1. Die absolute Teileanzahl wird reduziert. Bei gleich bleibender Produktvielfalt kann dies durch Funktionsintegration erreicht werden. Funktionsintegration bedeutet, dass zwei oder mehrere Teile durch ein einzelnes Bauteil ersetzt werden, das die gesamte Funktionalität enthält (vgl. hierzu auch die Ausführungen zur Integralbauweise auf S. 44). Die absolute Zahl der Teile ist insbesondere in der Serienfertigung von Bedeutung, da hier zwar die Einführungskosten eines neuen Teiles in Bezug auf die Stückzahl relativ klein werden können, aber die von der absoluten Teileanzahl beeinflussten Kosten für Verbindungen, Montage etc. bei jedem einzelnen der hergestellten Produkte anfallen. 2. Die Anzahl der unterschiedlichen Teile wird reduziert. Die Einführungskosten unterschiedlicher Teile spielen vor allem in der Einzel- und Kleinserienfertigung eine wichtige Rolle. Aufgrund der permanenten Kosten für die Stammdatenpflege unterschiedlicher Teile ist deren Reduktion aber auch für Unternehmen mit großen Serien eine sinnvolle Maßnahme. Die Anzahl unterschiedlicher Teile lässt sich reduzieren, indem konstruktive Teilefamilien gebildet werden. Hierbei werden Teile, die im Wesentlichen die gleiche Funktion erfüllen, zusammengefasst. Ein Beispiel für solche funktionsgleiche, aber formunähnlichen Teile zeigt Abb. 6-8.
Variantenmanagement
202
Einlegedeckel in geteilte Maschinengehäuse
Blechdeckel zum Anschrauben
Blechdeckel zum Einpressen
Anschraubdeckel mit Bund
Anschraubdeckel mit Gewinde
Abb. 6-8. Funktionsgleiche Teile unterschiedlicher Formen (nach Ehrlenspiel 2003, S. 644)
Konstruktive Teilefamilien werden zweckmäßigerweise in vier Schritten gebildet: Schritt 1: Bestehende Variantenvielfalt analysieren In diesem Schritt werden der Umfang der verschiedenen Teilearten, die Anzahl der einzelnen Teile und deren Veränderung über die vergangenen Jahre ermittelt. Ausgehend von der bestehenden Teilevielfalt kann ein Ziel festgelegt werden, wie viele Varianten eliminiert werden sollen. Schritt 2: Zu bearbeitende Objekte identifizieren Zur Identifikation der zu bearbeitenden Objekte können z.B. die folgenden Größen untersucht werden:
Durchschnittliche Einsatzmenge der Varianten bei der Produktion neuer Produkte
Durchschnittliche Einsatzmenge der Varianten als Ersatzteile
Geometrische Ähnlichkeit der Varianten
Anzahl der Werkstoffvarianten
Durchschnittliche Losgröße der Varianten
Lagerhaltungskosten der Varianten
Mit diesen Werten lassen sich die Objekte bestimmen, bei denen die Eliminierung unnötiger Varianten ein besonders hohes Kostensenkungspotential erwarten lässt. Schritt 3: Einschränkungen erarbeiten Die verschiedenen Ausführungen der Teile werden nach ihren Ausprägungen wie Form- und Werkstoffeigenschaften geordnet. Daraufhin lassen sich die Teilevarianten identifizieren, die als nicht notwendig betrachtet werden. Hierbei können auch – unabhängig von Teilevarianten – die
Grundlagen des Variantenmanagements
203
Werkstoffvarianten eingeschränkt werden, indem die Anzahl unterschiedlicher Werkstoffe und Halbzeuge für die verschiedenen Teile reduziert wird. Auch der Einsatz eines neuen Teils ist möglicherweise sinnvoll, wenn dadurch mehrere bestehende Teilevarianten ersetzt werden. Hierbei sind die gesamten Kosten des neuen Teiles (incl. Einführung) mit den erzielbaren Einsparungen durch den Wegfall der überflüssig gewordenen Teile zu vergleichen, wie in Abb. 6-9 veranschaulicht. spezielle Variante, geringe Einzelkosten
universelle Variante, geringe Herstellkosten Einsparung
Gemeinkosten
Einzelkosten
Gemeinkosten
Einzelkosten
Abb. 6-9. Kostenreduzierung durch Zusammenfassen von Varianten (nach Behr 1998, S. 45)
Bei der Erarbeitung von Einschränkungen ist die interdisziplinäre Teamarbeit, bei der neben Entwicklung und Konstruktion hier insbesondere auch die Materialbeschaffung, die Arbeitsvorbereitung und der Vertrieb eingebunden sind, besonders wichtig. Schritt 4: Ergebnisse dokumentieren und kommunizieren Im letzten Schritt der Bildung konstruktiver Teilefamilien werden die Ergebnisse kommuniziert und die erarbeiteten Standards im Werknormsystem oder im CAD-System als Standard-Features dokumentiert. Um die Suche nach geeigneten Objekten für die Bildung von Teilefamilien zu beschleunigen, ist es sinnvoll, zuvor eine Reduzierung der Teilestammdaten vorzunehmen, indem diese von passiven Teilestämmen bereinigt werden. Passive Teilestämme lassen sich dadurch erkennen, dass auf sie die folgenden Eigenschaften nicht zutreffen (vgl. Mehlo u. Frentzel 1998, S. 265 f.):
Offene Arbeitsaufträge z.B. für Beschaffung oder Fertigung, wel-
Variantenmanagement
204
che die Aktivität des Teils anzeigen.
Das Teil wurde erst vor kurzer Zeit produziert, so dass die Verwendung in einem Produkt noch bevorsteht (je nach der unternehmens- und produktspezifischen Durchlaufzeit können zwischen Erstellungsdatum des Teilestamms und Verwendung des Teils 12 bis 18 Monate liegen).
Lagerbewegungen geben Hinweise auf eine aktuelle Verwendung des Teils.
Das Teil wird als Ersatzteil für ein Produkt verwendet, dessen letzter Verkauf noch nicht so lange zurück liegt, dass keine Ersatzteile mehr verfügbar gehalten werden müssen.
Die auf diesem Weg identifizierten passiven Teilestämme werden archiviert und etwaige Bestände können abverkauft oder verschrottet werden. In den verbliebenen, aktiven Teilestämmen kann dann effizient nach geeigneten Objekten für konstruktive Teilefamilien gesucht werden. Wurde die bestehende Teilevielfalt erfolgreich eingeschränkt, müssen anschließend die Voraussetzungen geschaffen werden, um zukünftig unnötige Varianten bereits vor ihrer Entstehung zu vermeiden. Die dafür notwendigen Schritte sind im nächsten Abschnitt dargestellt. Beherrschung der Teilevielfalt
Um dem Anwachsen der Komplexität auf Teileebene entgegenzuwirken, muss der Wiederverwendungsgrad von Teilen oder auch konstruktiven Lösungen im Allgemeinen erhöht werden. Eine Möglichkeit für den zweiten Fall ist der Einsatz von Konstruktionsrichtlinien, in denen Lösungswege für konstruktive Aufgabenstellungen vorgegeben werden. Die Vorgehensweise zur Erstellung einer Konstruktionsrichtlinie ähnelt dabei der Bildung konstruktiver Teilefamilien: Für das Merkmal, das mit der Richtlinie beschrieben werden soll (z.B. Schraubverbindung, Teilkreisbohrung etc.) werden alle vorhandenen Bauteile, die dieses Merkmal aufweisen, analysiert und die Ausprägungen der charakteristischen Größen dieses Merkmals ermittelt. Anhand der Häufigkeitsverteilung je charakteristischer Größe werden Auswahlreihen gebildet und die Konstruktionsrichtlinien abgeleitet, in denen diese Standards dargestellt sind. Um den Wiederverwendungsgrad von Teilen zu erhöhen, muss jedes Mal, bevor ein Teil neu konstruiert bzw. aus einem Norm- oder Kaufteilkatalog neu ausgewählt wird, geprüft werden, ob im Unternehmen bereits ein Teil existiert, das entweder in gleicher oder in leicht geänderter Form wieder verwendet werden kann. Die meisten ERP- bzw. PPS-Systeme
Grundlagen des Variantenmanagements
205
bieten hierfür die Möglichkeit, vorhandene Bauteile in Sachmerkmalleisten mit ihren exakten Merkmalsausprägungen explizit zu beschreiben. Eine Sachmerkmalleiste ist laut DIN 4000, Teil 1, die formalisierte Zusammenstellung und Anordnung der für eine Gegenstandsgruppe relevanten Sachmerkmale. Die Merkmale werden für jedes Objekt mit Werten bzw. Ausprägungen versehen. In Abb. 6-10 ist beispielhaft der Ausschnitt einer Sachmerkmalleiste eines Rotationsteiles mit verschiedenen Formelementen dargestellt. Sachmerkmalleiste DIN 4000 KennA B buchstabe SachGesamtWerkstoff merkmallänge benennung Einheit mm Identnummer Ident.-Nummer 0815 ST 37 120 0816 ST 37 125 0817 ST 37 130 0818 ST 37 135 0819 ST 37 140
C C
D D
E E
F F
G G
Flanschdurchmesser mm
Teilkreisdurchmesser mm
Bohrungsteilung
Gewinde
Grad
Bohrungsdurchmesser mm
90 90 95 95 100
70 70 75 75 80
4x90 4x90 4x90 4x90 6x60
5 5 5 5 6
M20 M20 M20 M24 M24
-
Abb. 6-10. Sachmerkmalleiste (nach Montau 1996, S. 94)
Neben den Sachmerkmalen, die einen Gegenstand unabhängig von seinem Umfeld (z.B. Herkunft oder Verwendung) beschreiben, können auch Relationsmerkmale, wie z.B. Herstellkosten oder Bestellmengen, in eine Sachmerkmalleiste aufgenommen werden. Für unterschiedliche geometrische Formen müssen mehrere Sachmerkmalleisten angelegt werden, da diese über verschiedene Merkmale verfügen. So kann ein Sachmerkmal für Rotationsteile z.B. der Durchmesser sein, der für prismatische Teile hingegen nicht existiert. In Bezug auf den Einsatz zur Suche von Teilen haben Sachmerkmalleisten allerdings einen gravierenden Mangel: Über die einstufige Abstraktion auf Sachmerkmalleistenebene hinaus weisen sie keine weitere Gliederungslogik auf. Damit muss eine Suche nach vorhandenen Teilen zunächst bei der Teilebenennung ansetzen. Solche Benennungen können jedoch vielfältig und damit uneindeutig sein, wie in Abb. 6-11 am Beispiel eines Hohlzylinders gezeigt. Die Folge dieser Uneindeutigkeit ist, dass eine Suche nach Teilen, die sich ausschließlich auf Sachmerkmale stützt, auch bei leistungsstarken Datenbanksystemen und umfassenden Abfragefunktionalitäten sehr zeitaufwändig ist und gleichzeitig wenig Erfolg verspricht. Oft ist es dann für den Konstrukteur einfacher, ein Teil neu zu konstruieren bzw. aus einem
Variantenmanagement
206
Gestalt: Hohlzylinder Parameter: Außendurchmesser, Innendurchmesser, Länge
Blende
Ring
Scheibe
Buchse
Hülse
Abb. 6-11. Uneindeutigkeit von Benennungen am Beispiel Hohlzylinder (nach Montau u. Zwicker 1995, S. 304)
Katalog neu auszuwählen. Dieses Teil wird dann in dem die Sachmerkmalleisten enthaltenden System neu erfasst und vergrößert so wiederum das zu durchsuchende Teilespektrum und damit die Suchzeit. Untersuchungen aus der Praxis zufolge verbringen Konstrukteure teilweise mehr als 20% der Konstruktionszeit mit der Recherche nach Teilen (vgl. Lewandowski et al. 2000, S. 168 f.). Um die Suche nach Teilen für deren Wiederverwendung praktikabel zu gestalten, ist es daher notwendig, ein Wiederholteilsuchsystem einzusetzen, das losgelöst von begrifflichen Interpretationsmöglichkeiten eine effiziente Zugriffsstrategie bietet. Kern eines solchen Systems ist die strukturierte Verwaltung der Bauteile, der eine Klassifikation der Objekte zu Grunde liegt. Diese Klassifikation umfasst dabei die Klassifizierung und das Klassieren. Klassifizierung beschreibt die Bildung von Klassen und den Aufbau der Klassenstruktur, Klassieren hingegen stellt die Zuordnung von Objekten in die vordefinierten Klassen dar. Ein Klassifikationssystem kann hierarchisch (verzweigt) oder ahierarchisch (parallel) aufgebaut werden. Außerdem ist es möglich, beide Formen miteinander zu kombinieren. Beim hierarchischen Aufbau werden Begriffe mit gleichen oder ähnlichen Merkmalen durch einen Oberbegriff zusammengefasst und damit anhand ihrer Ähnlichkeit bzw. Verschiedenheit hierarchisch verknüpft. Ein besonderer Vorteil eines solchen hierarchischen Ordnungssystems in Bezug auf die Suche nach Wiederholteilen ist der Umstand, dass zu Beginn der Suche noch keine vollständige Be-
Grundlagen des Variantenmanagements
207
schreibung der Zielvorstellung erforderlich ist. Vielmehr kann der Anwender des Systems auf einer übergeordneten Ebene mit der Suche beginnen und sich anhand der Klassenbezeichnungen bis zu einer finalen Klasse „vorarbeiten“. Für die Systematik, nach der die Klassifizierung stattfindet, existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Vorschläge. Die meisten Klassifizierungsschlüssel basieren auf rein formorientierten Merkmalen und eignen sich daher insbesondere für Einzelteile. Zu den bekanntesten Schlüsseln mit einer breiten internationalen Anwendung zählt der Opitz-Schlüssel. Bei diesem Schlüssel werden Formelemente als Leitmerkmale genutzt. Für eine weitere Detaillierung sind Merkmale wie Werkstoff und Genauigkeitsgrade vorgesehen. Bei einer Klassifizierung kann alternativ zur Gestalt auch die Funktion als Suchmechanismus benutzt werden. Da eine Funktion jedoch erst durch das Zusammenwirken von Elementen erfüllt werden kann, wird nach einer Lösung zur Erbringung einer Funktion sinnvollerweise nicht nach Einzelteilen, sondern nach Baugruppen gesucht. Normteilen wiederum kommt eine gewisse Sonderstellung zu: Da bei ihnen Uneindeutigkeiten bei der Benennung aufgrund der Normung vermieden werden, ist für sie eine Suche über die Benennung sinnvoll möglich. Zusammengefasst lässt sich daraus ableiten, dass ein integriertes Suchsystem über drei unterschiedliche Suchmechanismen verfügen muss, mit denen
Einzelteile anhand ihrer Gestalt,
Baugruppen über die Funktion und
Normteile über ihre Normbenennung
gesucht werden. Neben der Gliederung des Objektspektrums anhand des Klassifizierungsschlüssels muss in einem Ordnungssystem zur Wiederholteilsuche eine Beschreibung der klassierten Objekte enthalten sein. Daher liegt es nahe, ein hierarchisch gegliedertes Klassifikationssysteme mit Sachmerkmalleisten zu verbinden. Abb. 6-12 stellt den daraus resultierenden Aufbau des Suchsystems dar. In dem oberen Gliederungsbereich des Systems wird dabei anhand eines eindimensionalen Unterscheidungsmerkmals die Ausschließlichkeit der Gruppenzuordnung gewährleistet. Einzelteile können dabei beispielsweise durch das Unterscheidungsmerkmal „Anzahl Rotationsachsen“ in die sich gegenseitig ausschließenden Untergruppen „Rotationsteile“ (Ausprägung n ) und „Nicht-Rotationsteile“ (Ausprägung n = 0) unterschieden werden.
Variantenmanagement
208
Objekt
Gestaltmerkmale
Funktionsmerkmale
Benennungsmerkmale
Einzelteile
Baugruppen
Normteile eindimensionale Gliederung
Unterscheidungsmerkmal a
...
Unterbegriff 1
Unterbegriff n
Unterscheidungsmerkmal b
...
Unterbegriff 1
Unterscheidungsmerkmal c
Unterbegriff n
Unterscheidungsmerkmal d
Unterbegriff 1 Unterbegriff n Unterbegriff 1 Unterbegriff n
Unterscheidungsmerkmal e SML 1
SML n
mehrdimensionale Gliederung
Unterscheidungsmerkmal f SML 1
SML n
Beschreibung durch Sachmerkmalleisten (SML)
Abb. 6-12. Aufbau eines Wiederholteilsuchsystems (nach Montau 1996, S. 100)
Die mehrdimensionale Gliederung im unteren Bereich verringert die Gliederungstiefe und ermöglicht eine mehrdimensionale Vorgabe expliziter Suchanforderungen über mehrere Untergruppen. Ein Beispiel dafür sind bei Einzelteilen Nebenformelemente wie Fase oder Nut, die ein gesuchtes Bauteil aufweisen soll. Hiermit können solche gleichrangigen Merkmale unabhängig voneinander auf einer Hierarchiestufe behandelt werden, ohne dass eine hierarchische Unterordnung eingehalten werden muss. Für jedes einzelne dieser Unterscheidungsmerkmale kann wiederum die Ausschließlichkeit sichergestellt werden (Ausprägungen: „vorhanden“ oder „nicht
Grundlagen des Variantenmanagements
209
Herstellkosten
vorhanden“). Die explizite Beschreibung der Objekte erfolgt dann durch Sachmerkmalleisten, die nach Möglichkeit durch grafische Darstellungen ergänzt werden. Nach der Einführung eines Wiederholteilsuchsystems muss sichergestellt werden, dass es fortlaufend gepflegt wird. Werden die Einführungskosten von Neuteilen kalkulatorisch nicht erfasst, ist es außerdem sinnvoll, für diese Teile einen „Malus“ vorzugeben, der den geschätzten Einführungskosten von Neuteilen entspricht. Damit können die Kosten alternativer Alt- und Neuteile unter Berücksichtigung der Stückzahl verglichen werden, so dass beurteilt werden kann, ob die Einführung eines neuen Teils wirtschaftlich sinnvoll ist (vgl. Abb. 6-13). Altteil Neuteil Neuteil ohne Malus
Malus nmin
Stückzahl n
Abb. 6-13. Mindeststückzahl zur Einführung eines Neuteils (nach Ehrlenspiel et al. 2007, S. 315)
Variantenmanagement
210
6.2
Praxisbeispiel: Erstellung eines Produktkonfigurators
6.2.1
Ausgangssituation: Hohe Variantenvielfalt im Anlagenbau
Die Schumag AG entwickelt und fertigt zum Zeitpunkt des hier beschriebenen Projekts an ihrem Standort in Aachen unter anderem Maschinen und Anlagen für die Kaltumformung von Stangenmaterial aus Stahl und Nichteisen-Werkstoffen sowie Kupferrohren. Abb. 6-13 zeigt beispielhaft eine komplette Anlage für das Ziehen von Stahlvollmaterial.
Abb. 6-13. Anlage zum Ziehen von Stahlvollmaterial
Bei der dargestellten Anlage wird das auf Spulen („Coils“) aufgewickelte Stangenmaterial (links in der Abbildung) abgehaspelt und über eine Vorrichterkombination in eine Entzunderung geschickt. Danach erfolgen durch das Ziehen im Ziehteil die Umformung und das „auf-Maß-Ziehen“. Anschließend wird das Endlosmaterial mit einer hydraulischen Schlagschere in Einzelstangen geschnitten, um danach über eine Vereinzelung durch die Richtmaschine zu fahren. Die geraden Stangen werden dann in einer Fasmaschine an beiden Enden angefast und anschließend induktiv auf Oberflächenfehler geprüft. Mangelbehaftete Stangen werden aussortiert, die übrigen in einer Mulde abgelegt. Kundenspezifisch erfolgt schließlich meist noch ein Bündelungs- und Verpackungsvorgang.
Praxisbeispiel: Erstellung eines Produktkonfigurators
211
Die von der Anlage konkret zu erfüllende Bearbeitungsaufgabe wird vom Kunden vorgegeben und umfasst in der Regel noch weitere spanende und nicht-spanende Bearbeitungsschritte, etwa zur Erhöhung der Oberflächenqualität des Materials. Da die geforderten Funktionen kundenspezifisch sind, werden die Anlagen immer auftragsbezogen aus mehreren einzelnen Maschinen zusammengestellt. Die Maschinen selbst weisen ebenfalls eine Vielzahl unterschiedlicher Variationsmöglichkeiten auf. Dies betrifft zum einen den Einsatz zusätzlicher, optionaler Module. Zum anderen werden häufig auch Module, die in einer Maschine standardmäßig enthalten sind, gegen alternative Module ausgetauscht. Die konkrete Festlegung der Komponenten einer Anlage erfolgte bislang ohne Systemunterstützung im Dialog von Vertrieb und Kunden. Die zahlreichen Kombinations- und Modifikationsmöglichkeiten bedingten dabei eine hohe Komplexität bei der Angebotserstellung und -abwicklung. In der Vergangenheit führte dies zu den folgenden Problemen:
Aus dem fast beliebigen Zusammenstellen von Anlagen durch den Vertrieb resultierte eine sehr hohe Variantenvielfalt an Maschinen und Maschinenmodulen. Die damit einhergehende Komplexität wiederum stellte einen starken Kostentreiber dar (vgl. Abschnitt 6.1).
Die Möglichkeiten, die Maschinenkomplexität und Teilevielfalt aktiv zu begrenzen und zu reduzieren, waren stark eingeschränkt, da die Erfordernis (neuer) Varianten durch den Vertrieb gewissermaßen vorgegeben wurde.
In dem Bestreben, individuelle Kundenwünsche zu erfüllten, wurden regelmäßig Sonderlösungen erzeugt. Die Kosten solcher „Exoten“ werden mit dem eingesetzten Kalkulationsverfahren, nämlich der differenzierenden Zuschlagskalkulation (vgl. Abschnitt 1.2.2), verfahrensimmanent zu niedrig berechnet, ebenso die darauf basierenden Angebotspreise. Daher wurde mit solchen Angeboten zwar der Umsatz gesteigert, möglicherweise jedoch gleichzeitig das Ergebnis geschmälert.
Technisch fehlerhafte Angebote: Die in einer Anlage aufgenommenen Maschinen(module) passten mitunter nicht zueinander, da die technischen Kompatibilitätsbedingungen vom Vertrieb nicht immer ausreichend berücksichtigt wurden.
Kalkulatorisch fehlerhafte Angebote: Die Komplexität der individuell zusammengestellten Angebote führte zu einer Intransparenz bezüglich der enthaltenen Komponenten. Daher wurden bei der
Variantenmanagement
212
Angebotspreisbildung bisweilen nicht die Kosten sämtlicher Komponenten korrekt berücksichtigt. Nachfolgend ist beschrieben, wie die Schumag AG gemeinsam mit der Gesellschaft für kostenorientierte Produktentwicklung (GKP), Köln, ein System erstellte, das die Anlagenkonfiguration in der Angebotsphase unterstützt und den genannten Problemen begegnet. 6.2.2
Lösungsansatz: Vorgabe zulässiger Anlagenkonfigurationen
Zielsetzung des Projekts war es, ein System zu schaffen, mit dem sich die Produktkomplexität und Variantenvielfalt bereits während der Auftragsgewinnung beherrschen lassen und das es dem Vertrieb ermöglicht, schnell kalkulatorisch korrekte und technisch geklärte Angebote abzugeben. Aus diesen Anforderungen resultierten die folgenden Hauptfunktionen, die das System erfüllen soll: 1. Bereitstellung eines Maschinenspektrums für die Anlagenkonfiguration Um die Varianz der eingesetzten Maschinen zu beschränken, soll ein verfügbares Spektrum an Maschinen definiert werden, innerhalb dessen der Anwender Maschinen zur Anlagenkonfiguration auswählen kann. Damit wird dem Umstand begegnet, dass bei der Angebotserstellung des Öfteren Maschinen in die Anlage aufgenommen wurden, die z.B. in der Vergangenheit hergestellt wurden, aber nicht (mehr) zum Verkauf bestimmt sind. Durch die Festlegung eines solchen Spektrums wird sichergestellt, dass eine angebotene Anlage und die Maschinen, aus denen sich diese zusammensetzt, der vom Unternehmen festgelegten Produktstrategie entsprechen. 2. Konsistenzprüfung der gewünschten Maschinen- und Anlagenvarianten In dem zu erstellenden System sollen Konfigurationsregeln hinterlegt werden, anhand derer automatisch die Konsistenz der gewünschten Variante geprüft wird. Diese Konsistenzprüfung bezieht sich auf zwei Ebenen:
Auf Ebene der einzelnen Maschine muss bei Auswahl von Tauschund Zusatzoptionen sichergestellt sein, dass diese zulässig sind. Neben der technischen Möglichkeit betrifft dies auch die inhaltliche Logik. So dürfen beispielsweise nicht gleichzeitig zwei alternative Tauschoptionen als Ersatz für ein Standardmodul ausgewählt werden.
Auf Ebene der gesamten Anlage wiederum ist zu berücksichtigen, dass die verschiedenen Maschinen untereinander technisch kompa-
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tibel sein müssen. Diese Kompatibilität hängt dabei zum einen von der jeweiligen Maschinenkonfiguration, d.h. der getroffenen Auswahl von Tausch- und Zusatzoptionen, und zum anderen von der Reihenfolge der Maschinen innerhalb der Anlage ab. So kann z.B. der Einsatz von zwei grundsätzlich kompatiblen Maschinen den Einbau eines Zwischenaggregats erfordern, so dass die beiden Maschinen in der Anlage nicht direkt aufeinander folgen dürfen. 3. Automatische Angebotspreisberechnung Mit der Bestimmung der Maschinen und Komponenten, welche für die Angebotserstellung herangezogen werden können, wird die Möglichkeit geschaffen, für sämtliche dieser Bausteine „geprüfte“ Kosten zu hinterlegen. Damit kann für jede vom Systemnutzer gewählte Anlagenkonfiguration in Kombination mit hinterlegten Kalkulationsschemata eine automatische Angebotspreisberechnung für die Anlage und deren einzelnen Konfigurationsbausteine erfolgen. So erhält der Vertriebsmitarbeiter mit Hilfe des Systems unmittelbar nach Abschluss der Anlagenkonfiguration Kenntnis über den Angebotspreis und kann dem Kunden die Auswirkungen von technischen Änderungen auf diesen Preis darstellen. Neben diesen Hauptfunktionen war eine Reihe weiterer Anforderungen zu berücksichtigen. Hierzu zählen eine Visualisierung des Anlagenaufbaus unter Berücksichtigung der unternehmens- bzw. produkttypischen Anlagenstruktur, eine einfache Bedienung, verschiedene Leistungsmerkmale bei der Projektverwaltung usw. 6.2.3
Realisierung des Produktkonfigurators
Auf Basis der zu erfüllenden, oben grob skizzierten Funktionen wurde ein Produktkonfigurator konzipiert und in Form einer datenbankgestützten Software realisiert. Dabei wurde eine Trennung in drei Module vorgenommen: Im „Administratormodul“ werden die für eine Anlagenkonfiguration einsetzbaren Maschinen und Maschinenkomponenten incl. der jeweiligen Tausch- und Zusatzoptionen als „Bausteinpool“ eingegeben. Durch eine Anbindung an das ERP-System lassen sich die Herstellkosten dieser Komponenten mit aufnehmen. Außerdem werden in diesem Modul die Kalkulationsschemata hinterlegt und gepflegt, welche für die Angebotspreisberechnung notwendig sind. Der Anwender wiederum stellt in dem „Konfigurationsmodul“ die Anlagen zusammen und lässt dort die Angebotspreise errechnen. Die so er-
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stellten „Projekte“, die neben der technischen Konfiguration auch die kompletten Angebotskalkulationen umfassen, werden in dem „Projektmanagementmodul“ verwaltet. Dieses Modul ermöglicht einen Austausch der Projekte zwischen den lokalen Anwendern des Konfigurators sowie ein Archivieren der Projekte. Außerdem können aus vorhandenen Projekten „Vorlagen“ für neue Projekte erstellt werden. Abb. 6-14 zeigt schematisch die Einbettung dieser Module in den Produktkonfigurator und die Schnittstellen zu den weiteren Objekten des gesamten Konfiguratorsystems. Produktkonfigurator (Server und lokal) Administratormodul Kosten
ERP-System (Server)
Administratoreingaben
Konfigurationsmodul
Projektmanagementmodul
Bausteine mit Kosten
Konfigurationsbausteine
Konfigurationsregeln
Anlagenkonfiguration
Kalkulationsschemata
Angebotskalkulation
Projektverwaltung und -austausch
Anwender (lokal, mit und ohne Serveranbindung)
Abb. 6-14. Aufbau und Objekte des Produktkonfiguratorsystems
Im Folgenden werden der Ablauf und die wesentlichen Inhalte der einzelnen Schritte dargestellt, die erforderlich sind, um im Konfigurator die notwendigen Informationen zu hinterlegen und auf deren Basis Angebotspreise für Anlagen zu ermitteln: Schritt 1: Administratoreingaben Die Eingaben durch den Administrator sind zum einen technischer und zum anderen kaufmännischer Art. Eingaben technischer Art beziehen sich auf die Bausteine, welche dem Anwender für die Anlagenkonfiguration
Praxisbeispiel: Erstellung eines Produktkonfigurators
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zur Verfügung stehen sollen, sowie die Regeln für die Anordnung und Konfiguration dieser Bausteine. Die Eingaben kaufmännischer Art sind die Kalkulationsschemata, anhand derer für eine konfigurierte Anlage bzw. deren einzelne Maschinen der Angebotspreis berechnet wird. Für die technischen und kaufmännischen Administratoreingaben steht jeweils eine Dialogmaske zur Verfügung. Abb. 6-15 zeigt das Formular für die Eingabe von Bausteinen und Konfigurationsregeln.
Abb. 6-15. Dialogmaske zur Eingabe von Bausteinen und Konfigurationsregeln
Um die Verwaltung und Auswahl der Maschinen zu erleichtern, werden diese in eine Klassifikationsstruktur eingeordnet. Hierfür werden zunächst Funktionen definiert und in der mit gekennzeichneten Liste eingegeben. Nach Auswahl einer Funktion können die Maschinentypen, welche dieser zuzuordnen sind, in der Liste angelegt werden. Neben einer frei zu vergebenden Bezeichnung ist hier die Eingabe der Identifikationsnummer notwendig, anhand derer sich später die im ERP-System kalkulierten Kosten für diese Maschine abrufen lassen. Außerdem können jeder Maschine Bilder oder Symbole zugeordnet werden. Diese werden dann bei der späteren Konfiguration einer Anlage angezeigt, so dass deren Aufbau visualisiert wird. Die Vorgabe geeigneter Folgebausteine für jede Maschine wird in der Liste gemacht: Nach Auswahl einer Maschine in Liste können sämtliche – bereits erfasste – Maschinen ausgewählt und übernommen werden,
216
Variantenmanagement
die in der realen Anlagenkonfiguration als Baustein auf die betrachtete Maschine direkt folgen dürfen. In der Liste lassen sich für die aktuell ausgewählte Maschine mögliche Zusatzoptionen angegeben, also Module, die in der Standardausführung der Maschine nicht enthalten sind, aber für die Erfüllung bestimmter Funktionen ergänzend zu den vorhandenen Komponenten eingesetzt werden können. Liste schließlich ermöglicht für jede Maschine die Eingabe von Tauschoptionen, bei denen ein in der Standardausführung enthaltenes Modul durch ein anderes ersetzt wird. Der Unterschied zu den Zusatzoptionen besteht also darin, dass für das neu eingesetzte Modul ein bereits vorhandenes entfällt, was bei der Kosten- und Angebotspreiskalkulation entsprechend berücksichtigt werden muss. Für jede einzelne Tauschoption wiederum lassen sich, falls erforderlich, mehrere alternativ einsetzbare Module definieren, durch die das Standardmodul ersetzt werden kann. Durch die explizite Angabe der Tausch- und Zusatzoptionen ist die Zulässigkeit der später ausgewählten Varianten zwangsläufig sichergestellt, da der Anwender immer nur innerhalb der Optionen auswählt, deren Einsatz prinzipiell möglich ist. Neben der Gewähr, dass bei der Anlagenkonfiguration die Kompatibilitätsbedingungen berücksichtigt werden, gibt die Definition der einsetzbaren Tausch- und Zusatzoptionen außerdem die Möglichkeit (analog zu den „erlaubten“ Maschinen), die Varianz auf der Ebene der Maschinenmodule stark einzugrenzen. Die Kalkulationsschemata werden in einer zweiten Dialogmaske hinterlegt. Diese enthält die unternehmensinterne Struktur des Kalkulationsschemas und Eingabefelder für die Gemeinkosten- und sonstigen Zuschlagsätze. Hierbei lassen sich auch mehrere solcher Schemata anlegen und verwalten, was erforderlich sein kann, da z.B. Zuschlagsätze für Risikoversicherung, Transportkosten etc. von dem Land abhängen, in welches die Anlage geliefert wird. Schritt 2: Kostenimport vom ERP-System Nach Eingabe der Maschinen, Tausch- und Zusatzoptionen erstellt der Produktkonfigurator auf Anordnung des Administrators eine vom ERPSystem einlesbare „Anforderungsdatei“, welche die Identifikationsnummern sämtlicher eingegebener Objekte enthält und stößt die Kalkulation dieser Objekte durch das ERP-System an. Das ERP-System berechnet für jedes angeforderte Objekt auf Basis der Standardstückzahl die Materialund Fertigungskosten und erstellt damit eine „Ergebnisdatei“. Die Inhalte dieser Datei werden in den Produktkonfigurator eingelesen, so dass dieser neben den Komponenten und Regeln zum Konfigurieren derselben auch die Kosten jedes Objekts enthält.
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Schritt 3: Datenspiegelung Server – lokaler Speicher Damit der Einsatz des Produktkonfigurators auch dann möglich ist, wenn kein Serverzugang besteht (z.B. vor Ort beim Kunden), spiegelt jeder Systemnutzer über eine Importroutine sämtliche serverseitig im Administratormodul vorhandenen Informationen auf den Datenspeicher seines eigenen Arbeitsplatzes. Dort, am lokalen PC bzw. Laptop, wird dann die eigentliche Anlagenkonfiguration durchgeführt. Schritt 4: Konfiguration und Angebotspreisberechnung Die Dialogmaske, die der Anwender für die Anlagenkonfiguration nutzt, ist in Abb. 6-16 gezeigt.
Abb. 6-16. Dialogmaske zur Konfiguration von Anlage und Maschinen
Beim Anlegen eines neuen Konfigurationsprojekts ist die „Maschinenleiste“ (vgl. Abbildung) noch vollständig leer. Über die mehrstufige Auswahl von Funktion und Maschinentyp lassen sich dann Maschinen auswählen und der Anlage hinzufügen. Diese Auswahl wird in der Maschinenleiste anhand der Bilder bzw. Symbole visualisiert, die der Administrator den Maschinen zugeordnet hat. Die Grafiken geben somit ein komplettes Abbild der in die Anlage aufgenommenen Maschinen in deren realer Reihenfolge. Die Farbe der Verbindungslinien zwischen den einzelnen Maschinen (grün oder rot) zeigt dabei an, ob die Reihenfolge den vom Administrator vorgegebenen Regeln entspricht.
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Variantenmanagement
Um innerhalb der so zusammengestellten Anlage eine Maschine zu konfigurieren, wählt der Anwender diese durch Anklicken in der Maschinenleiste aus. Daraufhin kann er durch Auswahl in den entsprechenden Listenfeldern Tausch- und Zusatzoptionen bestimmen. Sämtliche ausgewählte Komponenten dieser Maschine werden in dem Listenfeld „Konfigurationsergebnis“ im rechten Teil der Dialogmaske von Abb. 6-16 angezeigt. Neben diesen technischen Angaben weist der Anwender außerdem jeder Maschine eines der vom Administrator hinterlegten Kalkulationsschemata zu. Anhand dieser Angaben errechnet der Produktkonfigurator dann für jede Komponente der betrachteten Maschine den Angebotspreis und als Summe daraus den Angebotspreis der Maschine. Der Angebotspreis für die gesamte Anlage ergibt sich dementsprechend durch die Addition der Werte der einzelnen Maschinen, wobei hier noch zusätzlich die Kosten auf Ebene der Gesamtanlage zu berücksichtigen sind, nämlich die Montage der gesamten Anlage und deren Elektrik. Diese werden separat hinterlegt und analog der Vorgehensweise bei den einzelnen Maschinen mit Zuschlagsätzen beaufschlagt. Neben der maschinenbezogenen Anzeige der Angebotspreise (rechts unten in Abb. 6-16) kann das Ergebnis der Kalkulation auch tabellarisch für die gesamte Anlage detailliert nach einzelnen Kostenarten dargestellt werden, wie auf der folgenden Seite in Abb. 6-17 mit beispielhaften Kostenwerten gezeigt. In der dargestellten Tabelle sind zeilenweise die Maschinen der Anlage sowie die Montage- und Elektrikkosten aufgeführt. Die Spalten enthalten für jede einzelne Maschine die Kosten der verschiedenen Positionen der Kalkulation und im rechten Bereich der Tabelle den Angebotspreis. In der unteren Zeile schließlich sind die Summenwerte aller Maschinen und damit die Kosten bzw. der Angebotspreis der gesamten Anlage aufgeführt. Zusätzlich zu der Berechnung und Darstellung der Angebotspreiskalkulation lässt sich auch eine Ergebnissimulation durchführen: In dem Bereich unterhalb der Tabelle kann der Anwender errechnen lassen, wie hoch das Ergebnis bei einem von ihm vorgegebenen, vom Angebotspreis abweichenden, Verkaufspreis ausfällt. Schritt 5: Aktualisierung der Kalkulationen Die oben dargestellten, der eigentlichen Anlagenkonfiguration vorangehenden administrativen Prozesse (Eingabe von Bausteinen und Konfigurationsregeln, Import der vom ERP-System kalkulierten Kosten etc.) werden selbstverständlich nicht nur einmal durchlaufen. Vielmehr erfordern neue Bausteine und insbesondere auch Änderungen der hinterlegten Kalkulationsschemata sowie der Kosten von bereits eingegebenen Maschinen und Maschinenkomponenten, dass diese Prozesse regelmäßig wiederholt
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Abb. 6-17. Anzeige der Angebotspreiskalkulation und Ergebnissimulation (beispielhafte Kostenwerte)
werden. Der Anwender aktualisiert dann nach durchgeführten Änderungen im Administratormodul seine lokal gespeicherten Werte. Hierbei werden ihm Auswirkungen auf die Angebotskalkulationen von bereits konfigurierten Anlagen angezeigt und er kann selbst entscheiden, ob solche Kalkulationen aktualisiert werden sollen (z.B. bei geänderten Kosten von in diesen Anlagen bereits eingesetzten Komponenten). Anderenfalls wird der ursprüngliche Stand beibehalten und als nicht mehr aktuell gekennzeichnet. Durch die Möglichkeit dieser Auswahl, die differenziert nach einzelnen Maschinen einer Anlage getroffen werden kann, lässt sich dem Umstand Rechnung tragen, dass bereits abgegebene Angebote verbindlich sind und daher auch bei intern geänderten Kosten der Verkaufspreis nicht mehr angepasst werden kann. Durch die Berücksichtigung solcher praktischer Anforderungen und insbesondere auch dank der besonders einfachen Bedienung ließ sich erreichen, dass der Produktkonfigurator nicht nur zur Verwirklichung der eingangs genannten Ziele beiträgt, sondern außerdem auch für den Anwender eine maßgebliche Arbeitserleichterung im Tagesgeschäft darstellt.
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Sachverzeichnis
Abschreibungen 17 f. Abstraktionsgrad 89 Ähnlichkeit, geometrische 144, 192 Ähnlichkeitsbestimmung 142 Ähnlichkeitsgesetze 192 Ähnlichkeitskalkulation 137, 140 ff. Ähnlichkeitsvergleiche 75 Allowable costs 62 Analytischer Hierarchie Prozess 100 ff. Anforderungsliste 4, 37 Angebotskalkulation 131, 175 ff. Anpassungskonstruktion 2, 6 Anschaffungskosten 53 Anwenderbaukasten 196 Äquivalenzziffernkalkulation 28 Aufgabe klären 4 Aufwendungen 8 Ausarbeitungsphase 4 f., 38 Ausgangsentwurf 192 Basisanforderungen 69 Baukastensysteme 6, 43, 195 Baureihensysteme 6, 43, 191 Baustruktur 5 Beanspruchungsgleichung 148 Begeisterungsanforderungen 69 Bemessungsgleichungen 127, 147 Beschäftigung 10 f. Beseitigung 57 Bestimmtheitsmaß 155 Betriebsabrechnungsbogen 25 Betriebskosten 53 Betriebsstoffe 16
Bezugsgrößen 21 Bezugsgrößenkalkulation 28, 161 Brainstorming 2 Conjoint-Analyse 61 Cost Tables 111, 162 f. Customer Lifetime Value 47 Differenzialbauweise 44 Divisionskalkulation 27 Drifting costs 62 Durchschnittsprinzip 12 Einführungskosten 188, 209 Einzelkosten 12 Entsorgung 52, 55 Entwicklung 2 Entwicklungsdauer 50 Entwicklungseffizienz 48 Entwicklungstiefe 47 f. Entwurfsphase 4, 5, 38 Erfüllungsgrad 85 f. Erträge 8 Expertenschätzung 137, 139 Fehler, zulässiger 135 Fehlerausgleich 134 Fertigungsfamilien 163 Fertigungskosten 29 Fertigungskostenprognose 161 Fertigungsrichtwerte 126 Forderungen 4 Fremddienste 17 Funktionen, erwünschte 90
228
Funktionen, unerwünschte 90 Funktionenstammbaum 90 Funktionsanalyse 90 Funktionsbaugruppen 75 Funktionserfüllung 85 Funktionskosten 85, 94 ff., 142 Funktionstrennung 40 Funktionsvereinigung 45 Fuzzy 142 Gemeinkosten 12, 32 Genauwertreihe 193 Gesamtfunktion 90 Gewichtskostenkalkulation 151 Gewichtung 154 Gewichtungsfaktoren 100 Gleichteile 43 Grundfunktion 90 Hauptfunktion 5, 90 Herstellerbaukasten 196 Herstellkosten 29, 36 ff. Hilfsstoffe 16 Ideenstimulation 92 Inspektion 54 Instandhaltung 52 f. Integralbauweise 44 Ist-Funktionen 91 Ist-Kosten 14 Ist-Zustand 90 Kalkulation, konstruktionsbegleitende 131 ff. KANO-Modell 69 Klassieren 206 Klassifikation 141, 206 Klassifizierung 206 Kleinbau 40 Kleinste-Quadrate-Methode 153 Komplexität 42, 190, 197 Komponentenbewertung 64
Sachverzeichnis
Konsistenzindex 101 Konstruieren 1 ff. Konstruktionsarten 6 ff. Konstruktionskataloge 3 Konstruktionsprozess, VierPhasen-Modell 4 ff. Konstruktionsrichtlinien 204 Konzeptphase 38 Konzipieren 4 f. Kosten, erlaubte 62 Kosten, fixe 10 Kosten, komplexitätsbedingte 187 Kosten, variable 10 Kostenartenrechnung 12 f., 15 Kostenbeeinflussung 34, 35 Kosteneinflussgröße 11 Kostenentstehung 34 f. Kostenermittlung, Genauigkeit 134 Kostenfunktionen 137 Kostenfunktionen, analytisch erstellte 144 Kostenfunktionen, statistischfunktionale 150 Kostengleichung 148 Kostenmanagement 34 ff. Kostenobergrenze 4 Kostenprognose, detaillierte 138, 160 ff. Kostenrechnung 8 ff. Kostenrechnung, Systeme der 14 Kostenremanenz 188 f. Kostenstellen 19 Kostenstellenrechnung 12 f., 19 ff. Kostenstrukturen 151 Kostentableaus 162 Kostenträgerrechnung 13 f., 27 ff. Kostenträgerstückrechnung 27 Kostenträgerzeitrechnung 27 Kostentragfähigkeitsprinzip 12 Kostenverläufe 10 Kostenverursachung 20 Kostenwachstumsgesetze 125, 144
Sachverzeichnis
Kostenziel 4 Kostenzurechnungsprinzipien 11 Kurzkalkulation 138 Lastenheft 4 Lebenszykluskosten 34, 51 ff. Leistungsanforderungen 69 Leistungsverrechnung, innerbetriebliche 22 Life Cycle Costing 51 f. Life Cycle Design 52 Lösungsideen 91 Lösungssuche 2 Malus 209 Marktzyklus 67 Maschinenstunden 24 Maschinenstundensatzrechnung 29 Materialeinzelkosten 29 Materialgemeinkosten 29 Materialkosten 16, 29 Materialkostenprognose 160 Merkmale, kostenrelevante 141
229
Pflichtenheft 4 Planen 4 Plankosten 14 Planungsphase 37, 42 PLM 52 Priorisierung 48 ff. Produkte, sekundäre 53 Produktentwicklungskosten 46 Produktfunktionen 42, 62, 85 Produktgestalt 38 Produktkonfigurator 198, 210 ff. Produktkonzept 38 Produktplanerstellung 61 Produktvarianten 191 ff. Prozessgestaltung, variantengerechte 190 Prozesskostenrechnung 32 Prozesskostensätze 32 Quality Function Deployment 68
Objektsituation 89 Objektsuche 141 Opitz-Schlüssel 207 Optimum, wirtschaftliches 85 f. Over-Engineering 37
Rationalisierung 48 f. Rechnungswesen, externes 8 Rechnungswesen, internes 8 Rechtsgüter 17 Recycling 52 Regressand 151 Regressionsanalyse 150 ff., 167 ff. Regressionsparameter 154 Regressoren 151 Relativkosten, dynamische 122 Relativkosten, qualitative 122 Relativkosten, quantitative 122 Relativkosten, statische 122 Relativkosten-Informationen 107 ff. Relativkosten-Zahl 107, 116 Residuenanalyse 156 Rohstoffe 16
Paarvergleiche 100 Paketbildung 198 Personalkosten 17
Sachmerkmalleiste 205 Schnellkalkulation 138 Selbstkosten 29, 45 ff.
Nachlaufzyklus 67 Nebenfunktionen 90 Netze, neuronale 157 Neukonstruktion 6 Normalkosten 14 Normzahlreihe 193 Nutzenanteil 64 Nutzwert 87
230
Simultaneous Engineering 48, 68 Soll-Funktionen 91 Soll-Zustand 90 Sondereinzelkosten 29 Sparbau 40 Standardisierung 42, 48 f. Standardkosten 65 Stichprobenumfang 155 Stufensprung 144, 192 f. Stufung 43, 193 Suchkalkulation 140 Synthese 2 Target Costing 4, 59 ff. Teamarbeit 87 Teilefamilien, konstruktive 202 Teilevarianten 201 ff. Teilfunktionen 5, 90 Teilkostenrechnung 14 Tragfähigkeitsprinzip 12 Value Engineering 67, 87 Variant Mode and Effects Analysis 198 Variantenbaum 199 Variantenkonstruktion 2, 6 Variantenmanagement 187 ff. Variantentreiber 187 Variantenvielfalt 42, 187 ff. Verbesserungsprozess, kontinuierlicher 68 Verrechnungspreise 23 Vertriebsgemeinkosten 29 Verursachungsprinzip 11, 21 Verwaltungsgemeinkosten 29
Sachverzeichnis
Verwendung 56 Verwertung 57 Vielfalt, externe 43 Vielfalt, interne 43 VMEA 198 Vollkostenrechnung 14 Vorkalkulation 131 Wagniskosten 18 Wartung 54 Wertanalyse 85 ff. Wertanalyse-Arbeitsplan 87 ff. Wertanalyse-Team 88 Wertgestaltung 67, 87 Wertigkeit, technische 86 Wertigkeit, wirtschaftliche 86 Wertverbesserung 87 Wiederholteile 43 Wiederholteilsuchsystem 206 Wiederverwendungsgrad 204 Wirtschaftlichkeitskontrolle 25 Wünsche 5 Zielerreichung 67 Zielkosten 37, 59 ff. Zielkostenbestimmung 61 Zielkostenindex 64, 66 Zielkostenkontrolldiagramm 65 f. Zielkostenmanagement 59 ff. Zielkostenspaltung 62, 65 Zinsen, kalkulatorische 19 Zuschlagsätze 24 Zuschlagskalkulation 28