Arnd Pölert Aktionärsorientierte Unternehmensführung
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Schriften zur Unternehmensentwicklun...
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Arnd Pölert Aktionärsorientierte Unternehmensführung
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Schriften zur Unternehmensentwicklung Herausgegeben von Universitätsprofessor Dr. Max J. Ringlstetter
In dieser Schriftenreihe werden aktuelle Forschungsergebnisse im Bereich der Unternehmensentwicklung präsentiert. Die einzelnen Beiträge orientieren sich an Problemen der Führungs- bzw. Managementpraxis. Im Mittelpunkt stehen dabei die Themenfelder Strategie, Organisation und Humanressourcen-Management.
Arnd Pölert
Aktionärsorientierte Unternehmensführung Optionen zur strategischen Positionierung börsennotierter Konzerne im Wettbewerb um Eigenkapital
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Max J. Ringlstetter
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, 2006
1. Auflage März 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Brigitte Siegel / Stefanie Loyal Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0722-2
Geleitwort
VII
GELEITWORT
Der Kapitalmarkt im Allgemeinen und der Eigenkapitalmarkt im Speziellen sind traditionell Gegenstand betriebswirtschaftlicher Forschungsbemühungen. Seit Ende des letzten Jahrtausends verstärkte sich das Interesse insbesondere an den Eigenkapitalmärkten. Die zentralen forschungsleitenden Begrifflichkeiten wurden in diesem Zusammenhang unter anderem um Kategorien wie Shareholder-Value-Managment, Investor-Relations und Corporate Governance ergänzt. Die Absicht von Arnd Pölert, sich in seiner Dissertation ebenfalls mit Eigenkapitalmärkten auseinanderzusetzen, erscheint zunächst also weder exotisch noch besonders innovativ. Ganz anders verhält es sich aber mit den Leitfragestellungen und den damit verbundenen Vorgehensweisen: Er implementiert „Wettbewerb“ als zentrale Kategorie in den kapitalmarkttheoretischen Bezugsrahmen. Dabei greift er auf die von Henry Mintzberg so bezeichnete „Positioning School“ und auf das Gedankengut ihres bekanntesten Vertreters Michael Porter zurück. Die Anwendung dieser für den Absatzmarkt entwickelten Konzepte auf den Eigenkapitalmarkt ist meines Wissens tatsächlich in umfassender Weise innovativ. Im ersten Teil der Arbeit rekonstruiert Arnd Pölert den Kapitalmarkt in einer strategischen Perspektive. Zentrale Fragestellungen sind dabei zu beantworten: Was heißt in diesem Kontext eigentlich Strategie, was bedeutet Erfolg auf den Eigenkapitalmärkten und was sind die Bedingungen der Möglichkeiten (Potentiale) dafür, solche Erfolge zu erzielen, und schließlich: was sind die zentralen Nutzenkategorien für die Anteilseigner. Die Frage nach den Nutzenpotentialen ist dann auch zentral im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit, in dem auch ihre gesamte angelegte Breite endgültig deutlich wird. Arnd Pölert verknüpft zur Beantwortung der Frage die Gestaltungsebenen Führung, Steuerung und Formatierung mit aktionärsrelevanten Transformations-, Interaktions- und Transaktionspotentialen. Schließlich wendet er den bis zu dieser Stelle entwickelten Bezugsrahmen auf den Konzern als spezifische Unternehmensform an. Damit gelingt es ihm gleichermaßen, die bemerkenswerte Reichweite seines Bezugsrahmens zu verdeutlichen, als auch diesen Bezugsrahmen im Hinblick auf die spezifische Konzernsituation zu präzisieren, also reichhaltiger zu machen. Arnd Pölert wendet den Bezugsrahmen der „Positioning School“ nicht nur in der ursprünglichen Form an, sondern er leistet erhebliche Weiterentwicklungen, die auch mit einer umfassenden Entwicklung zusätzlicher Begrifflichkeiten bzw. Sprachspiele zusammenhängen. Die damit auf Ebene der Entwicklung theoretischer Bezugsrahmen erbrachte Leistung ist bemerkenswert, der geleistete Beitrag zur entsprechenden Forschung erheblich. Insgesamt gelingt es Arnd Pölert auf überzeugende Weise, die Aktionärsorientierung als umfassenden Managementansatz zu entwerfen und diesen konzeptionellen Rahmen mit einer Vielzahl innovativer
VIII
Geleitwort
Vorschläge für die Ausgestaltung der „Positionierung von Konzernen im Wettbewerb um Eigenkapital“ auszufüllen. Auf diese Weise erhalten Fach- und Führungskräfte eine Fülle von stimulierenden Anregungen und Handlungsempfehlungen.
Prof. Dr. Max J. Ringlstetter
Vorwort
IX
VORWORT
Die meisten Bücher beginnen mit einem Vorwort. Das ist bei Dissertationen nicht anders, obwohl kein Mensch gerne Vorworte liest. Meistens sind Vorworte nämlich langweilig. Sie fassen zusammen, was sowieso schon im Buch steht, oder noch schlimmer, was aus guten Gründen nicht drin steht. Da kann sich der Leser in der Regel schon glücklich schätzen, wenn sie zu einer Art Rechtfertigung dessen geraten, was da geschrieben worden ist, denn in diesem Fall beinhalten sie wenigstens noch etwas Neues. Darum möchte ich Sie beruhigen – ich werde nicht wiederholen, was in diesem Buch steht oder aufzeigen, was man alternativ hätte schreiben können. Zu Ihrem Glück bedarf der Inhalt dieses Buches auch keiner vorgezogenen Rechtfertigung, denn um eine solche habe ich mich bereits in der Einführung ausführlich bemüht. Ich werde Sie also weder mit dem einen noch mit dem anderen langweilen. Glücklicherweise haben allerdings Vorworte – rein empirisch betrachtet – die paradoxe Eigenschaft in Büchern zwar am Anfang zu stehen, aber zuletzt geschrieben zu werden. In der Regel sind Vorworte also Nachworte, die vorne stehen. Sie qualifizieren sich somit als Möglichkeit, um ex post über das naturgemäß eher sachliche und hoffentlich objektive Äußere einer Dissertation hinweg einen Blick auf ihre in ihrem Entstehungsprozess begründeten persönlichen und subjektiven Charakterzüge zu gewähren. Für mich als Autor lebt das persönliche dieser Dissertation von den Freunden, Kollegen und Verwandten, die den Entstehungsprozess begleitet und bereichert haben. Sie haben damit einerseits sowohl meine Promotionszeit, als nicht selten auch den Inhalt dieses Buches auf die verschiedenste Weise entscheidend mitgeprägt. Somit bietet es sich an, das Vorwort zu nutzen, um die Rolle all dieser „Wegbegleiter“ angemessen zu würdigen und ihnen meinen herzlichen Dank auszusprechen. Um dem Gliederungsprinzip meiner Dissertation treu zu bleiben, bietet es sich an, sie ebenfalls in drei „Typen“ einzuteilen, auch wenn der eine oder andere durchaus zu mehreren Gruppen zählen kann. Als Typ A möchte ich diejenigen bezeichnen, die an den verschiedensten Stellen einfach für mich da waren und mir durch Gespräche, ihren Glauben an das gute Ende oder einfach ihre Anwesenheit in der oft auch nervenaufreibenden Zeit eine emotionale Stütze waren. Hierzu zählt zunächst mein Vater, Dr. Wolfgang Pölert, der zwar meine Promotionszeit nicht mehr erleben durfte, dessen „Nachwirken“ mir aber zu jeder Zeit die nötige innere Ruhe gegeben hat. In ähnlicher Weise wirkte auch das unerschütterliche Vertrauen meiner Mutter Hannelore Pölert, die mir zudem immer wieder auch in ganz pragmatischer Weise unter die Arme gegriffen hat. Meinem Onkel, Dr. Wolfgang Kötter, gebührt insofern besonderer Dank, als er meine Entscheidung überhaupt zu promovieren entscheidend beeinflusst hat. Auch meine Pa-
X
Vorwort
teneltern, die „Mozarts“ (Prof. Dr. Wolfgang und „Maggi“ Schubert) und Ines Gromes hatten für mich in dieser Zeit eine größere Bedeutung als ihnen das vielleicht selbst bewusst ist. Besonderer Dank in diesem Sinne gebührt weiterhin meinen ehemaligen Kollegen Dr. Yasmin Fargel, mit der ich auf sehr angenehme Weise das Büro teilen durfte, Dr. Christian Backmann, dem ich es maßgeblich zu verdanken habe, dass ich auch in meiner Freistellungszeit den Kontakt zur Praxis halten konnte, Heiko Maaß, mit dem ich in mehreren Monaten intensiven Arbeitens nicht nur meine Dissertation entscheidend voranbringen, sondern auch die Geheimnisse des Geodätikons erforschen durfte, sowie nicht zuletzt „Walli“ Mosburger, der guten Seele des Lehrstuhls, die mir jederzeit bei administrativen Fragen eine große Hilfe und in persönlichen Dingen stets eine sehr gute Zuhörerin war. Zu Typ B zählen diejenigen, die mir immer dann „Asyl“ gewährt haben, wenn aus meiner subjektiven Sicht die eigenen vier Wände dem Forschergeist nicht ausreichend freien Lauf liessen. In chronologischer Reihenfolge sind dies Alex Gisler, der mir sehr kurzfristig und unbürokratisch einen vierwöchigen Aufenthalt in der eigentlich geschlossenen Splügen Lodge ermöglichte, Silvia Kappeler, deren Appartement in Mürren ich ebenfalls einen guten Monat bewohnen durfte (in diesem Zusammenhang auch herzlichen Dank an Anja und Steven für Ihre Fürsorge), Dr. Klaus und Charlotte Wedekind, die mich nach meinem Mittelhandbruch drei Monate bei sich wohnen ließen und versorgten und mir so ungestörtes Arbeiten ermöglichten, sowie Roland Frese, bei dem ich in Bern eine ähnlich lange und arbeitsreiche Zeit verbringen durfte. Unter Typ C fallen schließlich diejenigen, welche durch teilweise akribisches und sehr hilfreiches Korrekturlesen in operativer Weise direkt zur Fertigstellung der Dissertation beigetragen haben. In alphabetischer Reihenfolge sind dies Nicole Detambel, Dr. Ulf Ehlers, Carolin Hutschgau, Dr. Stefan Kaiser, Hendrik Pelckmann, meine Freundin Andrea Pressl, Dr. Michael Schuster und Charlotte Wedekind. Jeder von ihnen weiß, dass ich ihm in ganz individueller Weise für weit mehr als das reine Korrekturlesen zu Dank verpflichtet bin. Entscheidenden Anteil an dem erfolgreichen Abschluss meiner Promotionszeit hat zu guter Letzt auch mein wissenschaftlicher Lehrer und Doktorvater Prof. Dr. Max Ringlstetter, von dem ich auch über mein Promotionsvorhaben hinaus viel lernen durfte.
Arnd Pölert
Inhaltsverzeichnis
XI
INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ................................................................................................. XVII ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ...............................................................................................XXIII EINFÜHRUNG:
TEIL I:
AKTIONÄRSORIENTIERUNG ALS STRATEGISCHE HERAUSFORDERUNG ....................................................................... 1 (1)
Aktionärsorientierung als legitime Zielsetzung ..................... 4
(2)
Aktionärsorientierung als Notwendigkeit für den Manager......................................................................... 10
(3)
Defizite in Wissenschaft und Praxis..................................... 23
(4)
Ein wettbewerbsstrategischer Ansatz als Perspektive ........................................................................... 27
PERSPEKTIVEN EINES KAPITALMARKTSPEZIFISCHEN STRATEGIEVERSTÄNDNISSES .................................................................................. 31 I.1
Der Markt für Eigenkapital als Wettbewerbsarena............................... 31 I.1.1
I.1.2
I.2
Der Kapitalmarkt ........................................................................... 31 (1)
Definition und Einordnung................................................... 32
(2)
Systematisierung und relevante Erscheinungsformen............................................................. 37
Die Aktienbörse ............................................................................. 41 (1)
Aktien als Handelsobjekte.................................................... 41
(2)
Die Aktienbörse als Handelsplattform ................................. 48
Grundzüge eines strategischen Ansatzes ................................................. 54 I.2.1
Strategisches Agieren als das „Denken in Erfolgspotenzialen“ ....................................................................... 55 (1)
Eine Annäherung an das Wesen des „Strategischen“..................................................................... 55
(2)
Erfolgspotenziale als zentrale Bezugspunkte einer Strategie....................................................................... 59
XII
Inhaltsverzeichnis
I.2.2
I.3
(1)
Relative Wettbewerbsvorteile als Ziel einer Wettbewerbsstrategie ........................................................... 63
(2)
Positionierung im Rahmen einer Wettbewerbsstrategie ........................................................... 68
Strategische Analyse des Wettbewerbs um Eigenkapital....................... 69 I.3.1
I.3.2
I.4
Wettbewerbsstrategien und Positionierung ................................... 62
Branchenanalyse ............................................................................ 70 (1)
Das fokale Unternehmen und seine Investitionsprojekte .............................................................. 70
(2)
Die Financial Community .................................................... 72
(3)
Wettbewerber in Form alternativer Investments........................................................................... 75
Umweltanalyse .............................................................................. 82 (1)
Rahmenfaktoren ................................................................... 83
(2)
Wirkungsbereiche................................................................. 86
Gestaltungsvariablen strategischer Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital ................................................................... 91 I.4.1
I.4.2
Erfolg ............................................................................................. 91 (1)
Die Entstehung von Börsenkursen ....................................... 92
(2)
Der Börsenkurs als Referenzgröße....................................... 99
Erfolgspotenziale ......................................................................... 107 (1)
Gestaltungsrahmen der Aktie ............................................. 108
(2)
Nutzenpotenziale des Investors.......................................... 109
(3)
Handlungsfelder des Unternehmens................................... 114
TEIL II: NUTZENPOTENZIALE DES INVESTORS UND HANDLUNGSFELDER DES UNTERNEHMENS ................................................................................................... 117 II.1
Transformationspotenziale und Ausgestaltung der Führungsebene ......................................................................................... 119 II.1.1
Ausprägungen von Transformationspotenzialen ......................... 121 (1)
Finanzielle Transformationspotenziale .............................. 122
(2)
Ideelle Transformationspotenziale ..................................... 123
Inhaltsverzeichnis
XIII
II.1.2
II.1.3
II.2
Erfolgsgrößen finanzieller Wertschöpfung ........................ 128
(2)
Erfolgsgrößen ideeller Wertschöpfung .............................. 141
Werttreiber auf der Führungsebene ............................................. 142 (1)
Exogene Werttreiber .......................................................... 143
(2)
Endogene Werttreiber ........................................................ 146
Interaktionspotenziale und Ausgestaltung der Steuerungsebene....................................................................................... 151 II.2.1
II.2.2
II.2.3
II.3
Wertschöpfung auf der Führungsebene ....................................... 127 (1)
Ausprägungen von Interaktionspotenzialen ................................ 153 (1)
Informationspotenziale....................................................... 155
(2)
Einflusspotenziale .............................................................. 156
Proaktiver Handlungsansatz auf der Steuerungsebene .......................................................................... 160 (1)
Informationsübermittlung................................................... 161
(2)
Informationsbeschaffung.................................................... 165
Strukturell-systematischer Handlungsansatz auf der Steuerungsebene .......................................................................... 167 (1)
Direkte Steuerung durch die Aktionäre.............................. 168
(2)
Direkte Steuerung durch den Aufsichtsrat ......................... 172
(3)
Formen der indirekten Steuerung....................................... 177
(4)
Anreiz- und Sanktionssysteme ........................................... 179
Transaktionspotenziale und Ausgestaltung der Formatierungsebene ................................................................................ 184 II.3.1
II.3.2
II.3.3
Ausprägungen von Transaktionspotenzialen............................... 185 (1)
Reduktion der Transaktionskosten ..................................... 185
(2)
Reduktion der Transaktionsrisiken..................................... 186
Gestaltungsansätze auf der Formatierungsebene......................... 188 (1)
Aktienstückelung................................................................ 188
(2)
Aktiengattung ..................................................................... 191
Platzierungsansätze auf der Formatierungsebene........................ 192 (1)
Die Wahl der Handelsplätze............................................... 193
XIV
Inhaltsverzeichnis
(2)
Indizes ................................................................................ 197
TEIL III: DIE ENTWICKLUNG VON POSITIONIERUNGSOPTIONEN FÜR KONZERNE ............................................................................................................ 201 III.1 Generische Positionierungsoptionen ...................................................... 201 III.1.1
III.1.2
III.1.3
Investorencharakteristika als Determinanten der Nutzenpräferenzen der Investoren............................................... 202 (1)
Aktionärs-Sentiment als Determinante von Grundstrategien .................................................................. 203
(2)
Individuelle Aktionärs-Charakteristika als Determinante von Nischenstrategien ................................. 210
Unternehmenscharakteristika als Determinanten der Handlungsoptionen des Unternehmens ....................................... 212 (1)
Unternehmenskonfiguration als Determinante der Handlungsoptionen ...................................................... 213
(2)
Unternehmensumfeld als Restriktion der Handlungsoptionen............................................................. 223
Die Ableitung generischer Positionierungsoptionen aus Nutzenpräferenzen und Handlungsoptionen ......................... 228 (1)
Basiselemente und die Ableitung konkreter fundamentaldatenbasierter Positionierungen ..................... 230
(2)
Archetypen fundamentaldatenbasierter Positionierungen................................................................. 235
(3)
Jenseits fundamentaldatenbasierter Positionierungen: Kapitalmarktdatenbasierte Ansätze ............................................................................... 243
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen................................................ 245 III.2.1
III.2.2
Die Konzernperspektive .............................................................. 246 (1)
Konzerndefinition............................................................... 246
(2)
Die Bewertung von Konzernen .......................................... 249
Ursachen für Wertsteigerungen durch Konzernstrukturen ....................................................................... 252 (1)
Wertpotenziale auf leistungswirtschaftlicher Ebene.................................................................................. 254
Inhaltsverzeichnis
XV
(2) III.2.3
Wertpotenziale auf finanzwirtschaftlicher Ebene.................................................................................. 263
Ursachen für Wertminderungen durch Konzernstrukturen ....................................................................... 272 (1)
Ursachen einer bewertungsbedingten Wertminderung................................................................... 273
(2)
Ursachen einer potenzialbedingten Wertminderung................................................................... 277
III.3 Optionen zur Positionierung von Konzernen........................................ 282 III.3.1
III.3.2
III.3.3
Strukturoptionen als konzernspezifische Handlungsfelder........................................................................... 283 (1)
Das Prinzip der „Partial-Exposition“ von Teileinheiten....................................................................... 283
(2)
Reale Erscheinungsformen der PartialExposition von Teileinheiten ............................................. 287
Die Entwicklung werthaltiger Konzern-Strukturen..................... 297 (1)
Allgemeine Methodik......................................................... 297
(2)
Herleitung adäquater Integrationsformen........................... 299
Positionierungsoptionen für Konzerne ........................................ 305 (1)
Identifikation und Bewertung alternativer Konzernpositionierungen ................................................... 306
(2)
Grundformen und Ausgestaltung einer Konzernpositionierung ....................................................... 314
SCHLUSSBETRACHTUNG ........................................................................................................ 319 (1)
Zusammenfassung zentraler Ergebnisse ............................ 319
(2)
Möglichkeiten weiterführender Forschungsbemühungen..................................................... 320
ANHANG ............................................................................................................................... 323 LITERATURVERZEICHNIS ...................................................................................................... 329
Abbildungsverzeichnis
XVII
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abb. E-1:
Aufhebung der klassischen Trennbarkeit zwischen Finanz- und Leistungswirtschaft durch Einbeziehung des Faktors „Information“................. 3
Abb. E-2:
Gegenüberstellung von Shareholder- und Stakeholder-Ansatz.......................... 5
Abb. E-3:
Motivstruktur des Managers und des Aktionärs............................................... 12
Abb. E-4:
Kontrollmechanismen und Kontrollinstanzen der Unternehmensführung ...................................................................................... 13
Abb. E-5:
Zunehmender Einfluss der Eigentümer auf das Management.......................... 16
Abb. E-6:
Der Markt für Unternehmenskontrolle und seine Teilmärkte .......................... 20
Abb. E-7:
Die Bedeutung des Börsenkurses für Manager, Unternehmen und Aktionäre .......................................................................................................... 22
Abb. E-8:
Aktionärsorientierte Ansätze der Unternehmensführung ................................. 25
Abb. I-1:
Einordnung und Systematisierung des Kapitalmarktes .................................... 34
Abb. I-2:
Systematisierung des Kapitalmarktes aus Sicht des Unternehmens................. 40
Abb. I-3:
Rechte und Pflichten des Aktionärs.................................................................. 45
Abb. I-4:
Handelssegmente und Indexfamilie der Deutsche Börse AG .......................... 52
Abb. I-5:
Interdependenz zwischen marktorientiertem und ressourcenorientiertem Ansatz bei der Erklärung der Entstehung von Erfolgspotenzialen ..................................................................................... 65
Abb. I-6:
Im Rahmen von Wettbewerbsstrategien sind Erfolgspotenziale auf die Erlangung relativer Wettbewerbsvorteile gerichtet .................................... 67
Abb. I-7:
Konzeptioneller Rahmen zur strategischen Analyse des Wettbewerbs um Eigenkapital.......................................................................... 70
Abb. I-8:
Das fokale Unternehmen und seine Investitionsprojekte ................................. 71
Abb. I-9:
Rahmenkonzept zur Segmentierung des Aktienmarktes .................................. 76
Abb. I-10:
Wettbewerber in Form alternativer Aktienanlagen und Substitutionsprodukten nach Neuartigkeit im Markt und Produktverwandtschaft ..................................................................................... 78
XVIII
Abbildungsverzeichnis
Abb. I-11:
Rahmenfaktoren der Unternehmensumwelt mit ihren Wirkungsbereichen und Effekten auf das Unternehmen .................................. 82
Abb. I-12:
Die Referenzgröße als Ziel-, Bewertungs- und Steuerungsgröße .................... 92
Abb. I-13:
Stufen- und Kreislaufmodell der Investitionsentscheidung.............................. 95
Abb. I-14:
Die Investitionsentscheidung als individueller Entscheidungsprozess....................................................................................... 98
Abb. I-15:
Der Börsenkurs als. Führungsgröße im kybernetischen Regelkreis............... 101
Abb. I-16:
Determinanten des Börsenkurses.................................................................... 102
Abb. I-17:
Determinanten von Positionierungsoptionen.................................................. 107
Abb. I-18:
Eine Systematik zu Annäherung an den Begriff des Nutzenpotenzials ............................................................................................ 111
Abb. I-19:
Führung, Steuerung und Platzierung als Handlungsfelder des Managements im aktionärsorientierten Managementmodell.......................... 115
Abb. II-1:
Betrachtungsebenen bei der Entwicklung generischer Positionierungsoptionen ................................................................................. 117
Abb. II-2:
Aggregation der Nutzenkomponenten des Investors...................................... 118
Abb. II-3:
Schichtenbetrachtung primärer Nutzenpotenziale.......................................... 120
Abb. II-4:
Transformationspotenziale und Handlungsansätze auf der Führungsebene................................................................................................ 121
Abb. II-5:
Kennzahlen des Unternehmens und Bewertungsmethoden des Kapitalmarktes................................................................................................ 128
Abb. II-6:
Eine Systematik wertorientierter Kennzahlen ................................................ 131
Abb. II-7:
Interaktionspotenziale und Handlungsansätze auf der Steuerungsebene ............................................................................................. 153
Abb. II-8:
Konflikt zwischen Nutzungs- und Verfügungsinteressen .............................. 154
Abb. II-9:
Empirische Untersuchungen zum Wert des Stimmrechts .............................. 160
Abb. II-10:
Transaktionspotenziale und Ausgestaltung der Formatierungsebene............. 184
Abb. II-11:
Empirischen Untersuchungen zum Indexeffekt für den S&P 500 ................. 199
Abbildungsverzeichnis
XIX
Abb. III-1:
Investoren- und Unternehmenscharakteristika als Determinanten der Positionierungsentscheidung .................................................................... 201
Abb. III-2:
Der Einfluss des Transformations-Sentiments auf die Transformations-Potenziale............................................................................ 205
Abb. III-3:
Der Einfluss des Interaktions-Sentiments auf die InteraktionsPotenziale........................................................................................................ 208
Abb. III-4:
Der Zusammenhang zwischen Sentimentlagen und Nutzenpotenzialen .......................................................................................... 209
Abb. III-5:
Wirkungszusammenhang zwischen allgemeinen, branchenspezifischen und unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen ...................................................................................... 213
Abb. III-6:
Der Einfluss der Wachstumsdynamik auf die Bedeutung der Transformations-potenziale ............................................................................ 215
Abb. III-7:
Der Einfluss der Historizität auf die Möglichkeit einer Positionierung mit Transformationspotenzialen............................................. 218
Abb. III-8:
Positionierungsoptionen vor dem Hintergrund der Unternehmenskonfiguration ........................................................................... 222
Abb. III-9:
Bedeutung der Informationsbereitstellung für die Positionierung ................. 226
Abb. III-10: Positionierungsoptionen vor dem Hintergrund des Unternehmensumfelds .................................................................................... 228 Abb. III-11: Grundelemente fundamentaldatenbasierter Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital ......................................................................... 231 Abb. III-12: Sentiment-Szenarien und korrespondierende Nutzenpräferenzen.................. 236 Abb. III-13: Positionierungsfreundliche Unternehmenskonfigurationen ........................... 237 Abb. III-14: Positionierungsfeindliche Unternehmenskonfigurationen ............................. 238 Abb. III-15: Archetypische Positionierungsoptionen vor dem Hintergrund der Sentiment-Szenarien....................................................................................... 241 Abb. III-16: Risiko/Rendite-Matrix zur kapitalmarktdatenbasierten Positionierung am Beispiel der 50 größten Unternehmen nach Marktkapitalisierung an der NYSE vom 29.03.2005 ..................................... 244
XX
Abbildungsverzeichnis
Abb. III-17: Preis/Rendite-Matrix zur kapitalmarktdatenbasierten Positionierung am Beispiel der 50 größten Unternehmen nach Marktkapitalisierung an der NYSE vom 29.03.2005 ..................................... 245 Abb. III-18: Eine Konzerntypologie zwischen Rahmenkonzeptentwurf und organisatorischer Wirklichkeit ....................................................................... 248 Abb. III-19: Leaning Brick Pile zur Darstellung der Additivität des Konzernwertes ................................................................................................ 251 Abb. III-20: Eine Typologie des potentiellen Wertbeitrags der Zentrale nach Wirkungsbereich und Wirkungsweise............................................................ 253 Abb. III-21: Modus der Wertschaffung durch Koordination (Synergiemanagement) ................................................................................... 255 Abb. III-22: Determinanten der Schaffung eines Mehrwerts durch die Konzernleitung auf leistungswirtschaftlicher Ebene ...................................... 258 Abb. III-23: Vergleich zwischen Einzelunternehmen (externer Kapitalmarkt) und Konzernteileinheit (interner Kapitalmarkt) ............................................. 263 Abb. III-24: Schema zur Identifikation der Determinanten des Mehrwerts einer finanzwirtschaftlichen Mobilisierung............................................................. 268 Abb. III-25: Teileinheiten mit unterschiedlicher Rendite................................................... 275 Abb. III-26: Teileinheiten in Sektoren mit unterschiedlicher Wachstumsperspektive ................................................................................... 276 Abb. III-27: Vorgehensweise in Kapitel III.3..................................................................... 282 Abb. III-28: Partial-Expositions-Matrix für Konzernteileinheiten ..................................... 286 Abb. III-29: Grad des Desinvestments von rechtlich selbständigen Teileinheiten............. 294 Abb. III-30: Gesamteinfluss der Konzerneinheit auf die Vorteilhaftigkeit der Integrationsform einer Teileinheit .................................................................. 298 Abb. III-31: Mögliche Formen der Partialexposition einer Teileinheit.............................. 299 Abb. III-32: Determinanten einer Wertsteigerung durch Konzernstrukturen..................... 300 Abb. III-33: Determinanten einer Wertminderung durch Konzernstrukturen .................... 302 Abb. III-34: Kreuztabellierung der Struktur-Determinanten .............................................. 305 Abb. III-35: Erfassungsformat für die verfügbaren Konzernteileinheiten.......................... 307
Abbildungsverzeichnis
XXI
Abb. III-36: Alternative Cluster von Teileinheiten............................................................. 309 Abb. III-37: Entscheidung zwischen Branchen- und Meta-Positionierung ........................ 310 Abb. III-38: Beispiele für alternative Positionierungsentscheidungen ............................... 312 Abb. III-39: Ausgestaltungstendenzen der Positionierungsformen .................................... 314 Abb. III-40: Kombinationsmöglichkeiten generischer Positionierungen ........................... 315 Abb. A-1:
Geldvermögen privater Haushalte in der BRD von 1950-1996 in Mrd. DM......................................................................................................... 325
Abb. A-2:
Anteil der Aktie am Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland .................................................................................................... 325
Abb. A-3:
Geldvermögensstruktur privater Haushalte in Deutschland Ende 2000 ................................................................................................................ 326
Abb. A-4:
Anzahl börsennotierter Aktiengesellschaften in Deutschland........................ 326
Abb. A-5:
Geschätzter Free-Float in ausgewählten Industrieländern.............................. 327
Abb. A-6:
Gliederungsarten verschiedener Index-Typen................................................ 327
Abb. A-7:
Empirisch herausragende Bedeutung professioneller und institutioneller Zielgruppen der Investor Relations ........................................ 328
Abkürzungsverzeichnis
XXIII
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ADR ...............................................American Depository Receipt AG..................................................Aktiengesellschaft AICPA ...........................................American Institute of Certified Public Accountants AktG ..............................................Aktiengesetz APT................................................Arbitrage Pricing Theory APV................................................Adjusted Present Value AVmG............................................Altersvermögensgesetz BaFin .............................................Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaWe .............................................Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel BCG ...............................................The Boston Consulting Group BGB ...............................................Bürgerliches Gesetzbuch BGBl ..............................................Bundesgesetzblatt BGH ...............................................Bundesgerichtshof BGHZ ............................................Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen BörsZulV .......................................Börsenzulassungsverordnung CalPERS........................................California Public Employees’ Retirement System CAPM............................................Capital Asset Pricing Model CDAX® ..........................................Der CDAX® umfasst segmentübergreifend alle deutschen Unternehmen des Prime Standard und General Standard sowohl aus den klassischen als auch den Technologiebranchen. CEO ...............................................Chief Executive Officer (Vorstand) CF...................................................Cash Flow CFO ...............................................Chief Financial Officer (Finanzvorstand) 2Cash Flow from Operations CFROA..........................................Cash Flow Return on Assets CFROI ...........................................Cash Flow Return on Investment CLV ...............................................Customer Lifetime Value CMH ..............................................Coherent Market Hypothesis CSP ................................................Corporate Social Performance CSR................................................Corporate Social Responsibility
XXIV
Abkürzungsverzeichnis
CVA ...............................................Cash Value Added CVM ..............................................Customer Value Management DAI.................................................Deutsches Aktieninstitut DAX® .............................................Deutscher Aktienindex; Enthält die nach Orderbuchumsatz und Marktkapitalisierung größten deutschen Werte aus klassischen und Technologie-Branchen, die im Teilbereich „Prime Standard“ des Amtlichen Marktes oder Geregelten Marktes zugelassen sind. DCF................................................Discounted Cash Flow DepotG...........................................Depotgesetz DUK ...............................................Durchschnittliche Unternehmens-Kapitalkosten DVFA.............................................Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management EVA® .............................................Economic Value Added EBIT ..............................................Earnings Before Interest and Tax EBITDA.........................................Earnings Before Interest and Tax, Depreciation and Amortization EI....................................................Economic Income EinfAktG .......................................Einführungsgesetz zum Aktiengesetz EinfHGB........................................Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch EK ..................................................Eigenkapital FASB..............................................Financial Accounting Standards Board FCF ................................................Free Cash Flow FGG ...............................................Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit FK ..................................................Fremdkapital FTE ................................................Flow To Equity (Nettozahlungen aus dem Unternehmen an die Eigentümer) FWB...............................................Frankfurter Wertpapierbörse GE ..................................................General Electric Co. GenG..............................................Genossenschafts-Gesetz GmbH ............................................Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG .........................................GmbH-Gesetz GSP ................................................Gesellschaft für Strategische Planung GWB ..............................................Geschäftswertbeitrag
Abkürzungsverzeichnis
XXV
HGB ...............................................Handelsgesetzbuch HRA ...............................................Human Ressource Accounting IAS .................................................International Accounting Standards IDW ...............................................Institut der Wirtschaftsprüfer IR ...................................................Investor Relations IuK-Technologie ...........................Informations- und Kommunikations-Technologie KAGG............................................Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften KfW ...............................................Kreditanstalt für Wiederaufbau KGV...............................................Kurs/Gewinn-Verhältnis (siehe P/E) KonTraG .......................................Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27.04.1998 KWG..............................................Kreditwesengesetz MDAX® .........................................Index der Deutschen Börse für mittelgroße (midcap) Unternehmen aus den klassischen Branchen. Schließt als Auswahlindex direkt unterhalb des DAX® an. Er umfasst 50 Werte, die im Teilbereich „Prime Standard“ des Amtlichen Marktes oder Geregelten Marktes zugelassen sind. MfCC .............................................Market for Corporate Control (Markt für Unternehmenskontrolle) MG .................................................Metallgesellschaft AG MRG ..............................................Marktwertbasierte Residualgewinne MVA ..............................................Market Value Added M&A..............................................Mergers and Acquisitions M/B ................................................Market/Book-Ratio (Marktwert/Buchwert-Verhältnis) NASDAQ .......................................National Association of Securities Dealers Automated Quotations system (Amerikanische Computerbörse) NaStraG.........................................Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung vom 18.01.2001 (Namensaktiengesetz) NEMAX-All-Share .......................Index aller Neuer Markt Werte (am 05.06.03 geschlossen) NOPAT..........................................Net operating profit after tax NPV................................................Net Present Value NYSE .............................................New York Stock Exchange (“Wall Street”) OECD ............................................Organization for Economic Cooperation and Development PPH................................................Price Pressure Hypothesis
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Abkürzungsverzeichnis
PV...................................................Present Value (Gegenwarts-/Barwert) PublG.............................................Publizitätsgesetz P/E..................................................Price/Earnings-Ratio (siehe auch KGV, ROP) RAROC .........................................Risk Adjusted Return on Capital RAROE .........................................Risk Adjusted Return on Equity REVA.............................................Refined Economic Value Added RO..................................................Real Options (Realoptionen) ROA ...............................................Return on Assets ROCE ............................................Return on Capital Employed ROE ...............................................Return on Equity ROI ................................................Return on Investment ROIC .............................................Return on Invested Capital RONA ............................................Return on Net Assets ROP ...............................................Return on Price (siehe auch KGV, P/E) RORAC .........................................Return on Risk Adjusted Capital ROS................................................Return on Sales SDAX® ...........................................Auswahlindex der Deutschen Börse für kleinere Unternehmen (small-caps) aus den klassischen Branchen unterhalb des MDAX® SE ...................................................Societas Europaea (Europäische Aktiengesellschaft) SEC ................................................Securities and Exchange Commission (Börsenaufsichtsbehörde) SGF ................................................Strategisches Geschäftsfeld SMAX ............................................Small-Cap-Exchange; „Qualitätssegment“ der Deutsche Börse AG für kleine börsennotierte Aktiengesellschaften (am 05.06.03 geschlossen) SRI .................................................Socially Responsible Investment StückAG ........................................Gesetz über die Zulassung von Stückaktien vom 01.04.98 (Stückaktiengesetz) SVA................................................Shareholder Value Added TE...................................................Teileinheit TecDAX® .......................................Auswahlindex der Deutschen Börse für mittelgroße (midcap) Unternehmen aus den Technologie-Branchen direkt unterhalb des DAX® TIAA-CREF..................................Teachers Insurance and Annuity Association College Re-
Abkürzungsverzeichnis
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tirement Equities Fund (New York, NY) TSR ................................................Total Shareholder Return US-GAAP ......................................United States - Generally Accepted Accounting Principles VA ..................................................Value Added WACC ...........................................Weighted Average Cost of Capital WpHG ...........................................Wertpapierhandelsgesetz WpÜG............................................Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz vom 01.01.02 WPO ..............................................Wirtschaftsprüferordnung XETRA..........................................Exchange Electronic Trading System; Elektronisches Börsenhandelssystem der Deutschen Börse AG
Aktionärsorientierte Unternehmensführung
EINFÜHRUNG:
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AKTIONÄRSORIENTIERUNG ALS STRATEGISCHE HERAUSFORDERUNG
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit geht es um die Frage, wie das Management den Erwartungen seiner aktuellen und potentiellen Aktionäre angemessen gerecht werden kann. Dazu werden in Form von Handlungsempfehlungen strategische Optionen zur Positionierung börsennotierter Konzerne im Wettbewerb um Eigenkapital aufgezeigt. Warum dies erforderlich scheint, wird im Folgenden kurz erläutert. Der Konzern ist in der Wirtschaftsrealität als die bedeutendste Erscheinungsform der Kapitalgesellschaft anzusehen.1 Aus ökonomischer Sicht bedarf die Schaffung konzernartiger Strukturen allerdings einer Rechtfertigung welche in der Konzernforschung in der Schaffung von Mehrwert gesehen wird. Dies ist die Aufgabe der Konzernleitung. Der organisationstheoretische Bereich der Konzernforschung befasst sich zwar mit der Frage, welche Prozesse und Mechanismen einer solchen Mehrwertschaffung existieren. Die Frage, um welche Art von Wert es sich dabei handelt und wem dieser zufließen soll, ist jedoch weitgehend politischer Natur, so dass der Wertbegriff notwendigerweise weitgehend abstrakt bleibt. Gegenwärtig wird in Wissenschaft und Praxis den Eigentümerinteressen in Form des Börsenkurses das Primat eingeräumt.2 Im Kern geht es dabei um eine Ausrichtung der leistungsund finanzwirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmens an den Erwartungen seiner aktuellen und potentiellen Aktionäre. Auch wenn diese Sichtweise nicht unkritisiert bleibt,3 belegen Beispiele wie die Übernahme von Time Warner durch AOL die faktisch große Bedeutung der Börsenkurse für die Unternehmensentwicklung. Die Frage, wem die Unternehmensführung eigentlich verpflichtet und an welchen Zielen sie daher auszurichten sei, entstand durch die Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht bei der modernen Kapitalgesellschaft.4 Mit wachsender Unternehmensgröße und zunehmen-
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Zur Charakterisierung des Konzerns und seiner Rolle im Wirtschaftsleben vgl. insgesamt Ringlstetter (1995). Verschiedene Strömungen haben diese Entwicklung vermutlich begünstigt. Zu nennen wären hier neben einer Popularisierung des angelsächsischen Kapitalmarktverständnisses und der Entwicklung der Shareholder-Value-Orientierung zu einer Art Managementmode vor allem ein gestiegener Eigentümer-Einfluß durch Machtakkumulation in Aktienfonds und eine höhere Informationseffizienz auf den Aktienmärkten. Vgl. stellvertretend Malik (2001). Dem Eigentümer eines Wirtschaftsguts – und damit auch eines Unternehmens – stehen in Bezug auf dieses Wirtschaftsgut grundsätzlich die Verfügungsrechte Nutzung, Veränderung von Form und Substanz, Aneignung des Erfolgs und Veräußerung zu. Mit zunehmender Größe der Unternehmungen hat sich jedoch eine Loslösung der Verfügungsrechte Nutzung und Veränderung vom Eigentümer eingestellt.
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Einführung: Aktionärsorientierung als strategische Herausforderung
der Kompliziertheit des Geschäftsbetriebs erfolgte durch Loslösung der Verfügungsrechte Nutzung und Veränderung eine Verwässerung der Verfügungsrechte der Eigentümer.5 Berle/Means (1932) gehörten zu den ersten, die sich explizit mit dieser Situation auseinandergesetzt und dabei ein von ihnen als ‚Managerial Revolution’ bezeichnetes Phänomen diagnostiziert haben. Sie stellten fest, dass die Manager sich im Zuge der Gründung von Aktiengesellschaften und der immer breiteren Streuung von Aktieneigentum von der vormals engen Überwachung und Kontrolle der Eigentümer emanzipierten, welchen letztlich nur noch die Verfügungsrechte Aneignung und Veräußerung blieben6 und für die Unternehmensführung faktisch keine Rolle mehr spielten. Sie seien zwar nicht rechtlos, aber ihre Stimme sei wertlos. Die jährlichen Hauptversammlungen seien eine „hochentwickelte Veranstaltung zur Förderung allgemeiner Illusionen“7. Die Delegation der Entscheidungsbefugnis lässt sich rational zwar mit der Unwilligkeit der Eigentümer begründen, das Unternehmen selbst zu leiten. Insbesondere bei mehreren Eigentümern werden so Abstimmungsschwierigkeiten vermieden. Im Gegenzug können sich angestellte Manager auf die Leitung von Unternehmen spezialisieren und so Humankapital bilden.8 Trotz dieser auf der Hand liegenden Vorteile, resultieren aus dieser Konstellation gravierende Probleme, die bereits von Adam Smith für so bedeutend erachtet wurden, dass er die Überlebensfähigkeit der modernen Unternehmung mit ihrer Trennung aus Eigentum und Verfügungsgewalt grundsätzlich in Frage stellte.9 Diese Vermutung basiert auf dem trivialen Zusammenhang zwischen Finanzwelt und realwirtschaftlicher Leistungsfähigkeit eines Unternehmens, welcher darin besteht, dass die Finanzwirtschaft die erforderlichen Mittel zur Finanzierung notwendiger leistungswirtschaftlicher Projekte zur Verfügung stellt.10 Nun lassen sich Investitionsentscheidungen über die mit ihnen verbundene Rendite erklären. Sofern diese als sicher unterstellt wird, ermöglicht das bei Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes auch die analytische Trennung von Leistungs- und Finanzwirtschaft.11 Bei Unternehmen ist aber diese
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Vgl. Galbraith (1968), S. 88. Neben Berle/Means (1932) weisen verschiedene andere Autoren auf eine Fortsetzung dieses Prozesses hin. Vgl. Staehle (1999), S. 423, für die USA sowie Steinmann/Schreyögg/Dütthorn (1983) für Deutschland. Allerdings scheint es aus heutiger Sicht gewagt, von einer „Managerial Revolution“ zu sprechen. Vgl. Staehle (1999), S. 10. Vgl. Galbraith (1967), S 72. Vgl. Hardtmann (1996), S. 43. Vgl. Karmann (1925). Dies können eine Reorganisation, neue Produkte, neue Produktionsmethoden, Marketing oder auch die Unternehmensführung sein. Die Trennbarkeit von Investition und Finanzierung in diesem Zusammenhang wurde erstmals von Irving
Einführung: Aktionärsorientierung als strategische Herausforderung
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Voraussetzung aufgrund der Unsicherheit bezüglich der Erwartungsrendite nicht gegeben. Dort kommt dem Handeln im leistungswirtschaftlichen Bereich für die Investitionsentscheidung im finanzwirtschaftlichen Bereich große Bedeutung zu. Durch den Einbezug des Faktors „Information“ wird bei der neuen Institutionenökonomie eine integrierte Betrachtung von Finanz- und Leistungswirtschaft möglich. Damit wurde die Bedeutung der Minimierung von Unsicherheit durch ein verbessertes Verständnis des leistungswirtschaftlichen Handelns transparent. Signalisierung von Projektqualität
Principal (Kapitalgeber, Aktionär)
Kapital
Abb. E-1:
Förderung durch Glaubwürdigkeit
Information
Agent (Manager)
Zurverfügungstellung von Kapital zu möglichst geringen Kapitalkosten
Aufhebung der klassischen Trennbarkeit zwischen Finanz- und Leistungswirtschaft durch Einbeziehung des Faktors „Information“
Mit der Übertragung von Verfügungsrechten entsteht eine Principal-Agent-Beziehung12, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sich nicht alle Handlungen des abhängigen Managers (Agenten) vertraglich festlegen lassen.13 Der Aktionär (Prinzipal) muss ihm notgedrungen die Möglichkeit zu diskretionärem Verhalten einräumen. Da der Manager seinerseits dem Ziel der Nutzenmaximierung folgt, kann nicht von Interessenidentität zwischen beiden Parteien ausgegangen werden.14 Dem Manager stehen „Hidden Information“ bei der Vertragsaushandlung und „Hidden Action“ bei der Vertragserfüllung zur Verfügung.15 Daher kann es zu einer Benachteiligung der Aktionäre kommen. Die damit verbundene Unsicherheit der Investoren wird als „Moral Hazard“ bezeichnet und führt in der Regel zu einer negativen Auslese („Adverse Selection“): sollten Investoren die Qualität einer Finanzanlage in Aktien nur schwer oder überhaupt nicht einschätzen können, sinkt der Preis der Aktien insgesamt, da ihre Zahlungsbe-
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Fisher hergeleitet und wird daher als „Fisher-Separation“ bezeichnet. Vgl. Perridon/Steiner (1995), S. 237. Zur Agency-Theorie vgl. allgemein Jensen/Meckling (1976). Vgl. Hardtmann (1996), S. 43. Vgl. allgemein Coase (1937) sowie Pölert (2002), S. 67.
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Einführung: Aktionärsorientierung als strategische Herausforderung
reitschaft sich an der Erwartungsrendite orientiert.16 Der recht gut informierte Manager muss dem Aktionär daher Projektqualität signalisieren. Dieses Signal muss glaubwürdig sein, um den Preis für die Aktie zu steigern und damit die Kosten für die Finanzierung zu senken (vgl. Abb. E-1). Die Zielsetzung dieser Arbeit entspringt genau dieser Frage: was nämlich das Management tun kann, um seinen aktuellen und potentiellen Aktionären diese Projektqualität zu signalisieren. In Form normativer Handlungsempfehlungen an das Management sollen strategische Optionen zur Positionierung börsennotierter Konzerne im Wettbewerb um Eigenkapital aufgezeigt werden. Die Entwicklung von Aussagen zur aktionärsorientierten Unternehmensführung macht jedoch nur unter zwei Voraussetzungen Sinn: Zunächst müssen sich jenseits ihrer Bedeutung in der aktuellen betriebswirtschaftlichen Diskussion gute Gründe für eine Aktionärsorientierung finden lassen (1). Darüber hinaus ist zu klären, ob die auf dieser Orientierung aufbauenden Handlungsempfehlungen für das Management als Adressat von Interesse sind, denn nur dann machen sie aus einer pragmatischen Perspektive heraus Sinn (2). Schließlich sollte in Theorie und Praxis ein Bedarf an solchen Aussagen bestehen (3). Alle drei Voraussetzungen werden im Folgenden als zutreffend identifiziert und legen entsprechend die Beschäftigung mit diesem Thema nahe. Aufbauend auf der in den Abschnitten (1) bis (3) geführten Diskussion erscheint die Entwicklung eines wettbewerbsstrategischen Ansatzes zur Positionierung beim Aktionär als sinnvolle Perspektive. Vor diesem Hintergrund wird schließlich der Fokus der Arbeit dargestellt und die Vorgehensweise erläutert (4). (1)
Aktionärsorientierung als legitime Zielsetzung
Die oben angesprochene Trennung von Interessen, Kontrolle und Gewinnverwendung zwischen Arbeitnehmern, Eigentümern und Managern17 hat zur Folge, dass unternehmerisches Handeln sich nicht notwendigerweise am Willen der Aktionäre orientieren muss. Mit dem Shareholder- und dem Stakeholder-Ansatz haben sich zwei markante Positionen herausgebildet, die einleitend zunächst kurz skizziert werden (a). Im Anschluss soll die Frage thematisiert werden, ob sich aus einer neutralen Position heraus eine überzeugende rationale Rechtfertigung für die primäre Orientierung am Aktionär finden lässt (b).
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17
Vgl. Akerlof (1970) und Arrow (1963). Vgl. Franke/Hax (1994), S. 410. Diese Situation wird in der gängigen Literatur am Beispiel des Marktes für „Lemons“ veranschaulicht, welche in der Regel auf den ursprünglichen Artikel von Akerlof (1970) verweisen. Vgl. Kochan/Rubinstein (2000), S. 368.
Einführung: Aktionärsorientierung als strategische Herausforderung
5
(a) Shareholder- und Stakeholder-Ansatz: Shareholde- und Stakeholder-Ansatz haben als „Sinn-Modelle“ der Unternehmung im öffentlichen Diskurs – vermutlich bedingt durch bestimmte ökonomische und soziale Anlässe – wechselnd phasenweise sehr hohe Bedeutung erlangen können.18 Sie geben vordergründig zwei unterschiedliche Antworten auf die Frage nach den legitimen Anspruchsgruppen einer Unternehmung (vgl. Abb. E-2), sind jedoch von ihrer Grundkonzeption her verwandt. Attribute
Shareholder-Modell
Stakeholder-Modell
Ziel(e)
Shareholder-Wert maximieren
Vielfältige Ziele unterschiedlicher Parteien verfolgen
Führungsstruktur
Principal-Agent Modell: Manager sind die Agenten der Aktionäre
Team-Produktivitäts-Modell
Performance-Maße
Shareholder-Value genügt zur Motivation der Aktionäre
Faire Verteilung des geschaffenen Wertes, um das Commitment der unterschiedlichen Stakeholder zu erhalten
Residualrisiko-Träger
Shareholder
Alle Stakeholder
Stakeholder Einfluss
Eigentümer mit ausreichendem Einfluss im Governance Prozess
Mehr als ein Stakeholder mit ausreichendem Einfluss im Governance Prozess
Abb. E-2:
Gegenüberstellung von Shareholder- und Stakeholder-Ansatz Quelle: Kochan/Rubinstein (2000), S. 369
Die Grundidee des Shareholder Ansatzes19 beruht auf der Tatsache, dass Aktionäre ihr Kapital zur Finanzierung der Unternehmenstätigkeit investieren und damit bei zumeist vertraglich festgelegten Kosten des Inputs wie Zinsen oder Löhnen lediglich Anspruch auf einen Residualgewinn haben.20 Sie tragen somit das Risiko des Ausbleibens zumindest kostendeckender Erlöse aus Erstellung und Verkauf eines Outputs. Vor diesem Hintergrund erscheint es nur fair, dass das Unternehmen im Sinne der Eigentümer gemanagt werden sollte.21 Dabei wird der Begriff Shareholder Value häufig recht unpräzise verwendet. Nach der Definition des Ar-
18
19 20 21
Vgl. u.a. Berle/Means (1932), Mason (1959), Kaysen (1996). Der Shareholder Ansatz entstand zum Ende des 19. Jahrhunderts, als dominierendes Ziel der modernen angloamerikanischen Unternehmung, als die Schaffung einer großen Menge von Finanzkapital als bedeutsamste Ressource zur Eroberung der wachsenden Massenmärkte angesehen wurde. Vgl. Kochan/Rubinstein (2000), S. 368, sowie u.a. Fligstein (1990), Roe (1994), Smith/Dyer (1996), sowie Calomiris/Ramirez (1996). Besonders in den 60er und 90er Jahren trat jedoch, bedingt durch soziale Unruhen der Stakeholder-Ansatz verstärkt in den Vordergrund, wohingegen die Übernahmewelle in den USA während der 80er Jahre zu einer realen Stärkung des Aktionärs führte. Vgl. bspw. Friedman (1970) und Useem (1996). Der Begriff „Shareholder Value“ wurde seit 1979 von Rappaport in zahlreichen Veröffentlichungen popularisiert. Vgl. Rappaport (1979, 1981, 1986, 1995). Vgl. Hungenberg (2000), S. 26ff, sowie zur Entwicklung der Shareholder Value Idee Günther (1994), S. 13ff. Vgl. Hart/Moore (1990).
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Einführung: Aktionärsorientierung als strategische Herausforderung
beitskreise „Finanzierung“ der Schmalenbach-Gesellschaft bezeichnet der Shareholder Value Ansatz eine „wertorientierte Unternehmenssteuerung, die darauf abzielt, den Unternehmenswert zu steigern und insbesondere sicherzustellen, dass das gesamte Unternehmen mehr Wert schafft als die Summe der einzelnen Geschäftsbereiche“.22 Hierbei bleibt offen, ob dieser als Gesamtwert des Unternehmens abzüglich des Fremdkapitalwerts (Entity-Ansatz) oder direkt als Wert des Eigenkapitals (Equity-Ansatz) errechnet werden soll.23 Beide Ansätze führen zu jeweils unterschiedlichen Führungsentscheidungen24 und weder die Maximierung des Marktwertes des Eigenkapitals noch die Maximierung des Marktwertes des Gesamtkapitals liegen zwangsläufig im Interesse der Aktionäre.25 Darüber hinaus ist es auch strittig, ob sich die Berechnung an der Wertschöpfung (Discounted Cash Flow Model) oder an der Wertverteilung (Discounted Dividend Model) orientieren sollte.26 Die Gegenposition bietet der Stakeholder Ansatz. Die angloamerikanische Literatur bezeichnet mit „Stakeholder“ jene Organisationsteilnehmer27 welche „die Ziele einer Organisation beeinflussen können oder […] von deren Zielerreichung betroffen sind“.28 Daher sollten sie einen Teil des geschaffenen Wertes oder des Residualgewinnes des Unternehmens beanspruchen können.29 Probleme bereitet bei diesem Ansatz zunächst die Definition des grundsätzlich sehr offenen Begriffs des Stakeholders.30 Die Hauptprobleme des StakeholderAnsatzes liegen allerdings zum einen in der Beantwortung der Frage, was „ausgeglichene Berücksichtigung von Interessen“ bedeutet und dass eine solche Orientierung an der Vielzahl 22 23 24
25 26 27 28
29 30
Schmalenbach-Gesellschaft (1996). Vgl. exemplarisch Hachmeister (1996), S. 251ff., oder Kaden u.a. (1997), S. 499ff. Dies trifft rechnerisch immer dann zu, wenn der Marktwert des Fremdkapitals nicht gegeben ist, was regelmäßig der Fall sein dürfte, da dieser von den strategischen Entscheidungen der Unternehmung abhängt. Vgl. Kürsten (2000), S. 359ff. Vgl. Albach (2001), S. 652ff. Vgl. Staehle (1999), S. 427 u.R.a. Hill/Fehlbaum/Ulrich (1981). Nach Freeman (1984), S. 25ff., ist das Stakeholder-Konzept 1963 am Stanford Research Institute (SRI) entwickelt worden, und zwar als Generalisierung des Begriffs Stockholder (Aktionär), um die Aufmerksamkeit des Managements auch auf andere Interessengruppen neben den Anteilseignern zu lenken. Malik (2001), S. 30, sieht den Ursprung der Stakeholder Theorie bereits in den frühen 50er Jahren. Vgl. allgemein Blair (1995). Im Rahmen einer in den 70er Jahren am SRI durchgeführten Studie wurden Eigentümer, Fremdkapitalgeber, Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten und die öffentliche Hand als Interessenträger analysiert. Vgl. Staehle (1999), S. 428. Mintzberg (1983), S. 26ff., spricht nicht von Stakeholdern, meint aber mit „Influencers“ sinngemäß dasselbe, wenn er zwischen externen und internen Beeinflussern der Organisation unterscheidet. Eine interessante Definition liefern Mitchell u.a. (1997) sowie Frooman (1999), indem sie Stakeholder über den Grad ihres Einflusses auf das Unternehmen definieren. Diesen sehen sie als Funktion aus dem Ausmaß, in welchem potentielle Stakeholder dem Unternehmen wertvolle Ressourcen zur Verfügung stellen und ihnen Kosten entstehen würden, falls das Unternehmen erfolglos ist und der Macht, welche sie über das Unternehmen besitzen. Vgl. Kochan/Rubinstein (2000), S. 369.
Einführung: Aktionärsorientierung als strategische Herausforderung
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von Zielen kaum zu operationalisieren ist. Zum zweiten kann das Modell eine solche Berücksichtigung nicht erzwingen, denn Manager, welche den unterschiedlichen Zielen multipler Interessengruppen dienen müssen, können von keiner Gruppe mehr für ihr Handeln verantwortlich gemacht werden. Auch ist keine der Interessengruppen letztlich für die Einhaltung des Modells durch die Unternehmensleitung verantwortlich.31 (b) Die ordnungs- und gesellschaftspolitische Bedeutung der Orientierung am Aktionär: Nachdem deutlich geworden ist, warum die Frage nach einem unternehmerischen Orientierungsmodell nicht nur real existiert sondern auch alles andere als trivial ist, soll nun untersucht werden, ob sich gute Gründe dafür finden lassen, der Orientierung am Aktionär das Primat einzuräumen. Um dies vorauszuschicken: Es kann nicht als belegt gelten, dass sich die Ausrichtung am Shareholder Value von der Ausrichtung am Stakeholder Value langfristig tatsächlich unterscheidet. Denn auch wenn dies kurzfristig der Fall zu sein scheint,32 weist Albach (2001) unter Rückgriff auf die neoklassische Wachstumstheorie nach, dass langfristig bei gleichgewichtigem Wachstum33 kein Gegensatz zwischen den beiden Prinzipien bestehen muss, weil alle Stakeholder ein Shareholder Value maximierendes Verhalten der Unternehmensleitung präferieren. Er belegt darüber hinaus, dass auch die Arbeitnehmer bei Shareholder Value Maximierung besser stehen als bei Stakeholder Value Maximierung.34 Aber selbst wenn die Ansätze unterschiedlich wären, spräche ein sehr gewichtiges Argument für die Orientierung am Aktionär: Beim Grundtyp der Beteiligungsfinanzierung wird im Gegenzug zur Überlassung von Kapital eine ex ante unsichere Erfolgsbeteiligung eingeräumt.35 Eigentümer riskieren also ihr Investitionskapital und besitzen damit als einzige Stakeholder ausschließlich einen Anspruch auf ex ante unsichere Residualgewinne, welche sich erst nach Abzug aller finanziellen Verpflichtungen gegenüber den anderen Gruppen ergeben, die auf Basis ihrer Grenzproduktivität vergütet werden. Daher erscheint es fair, dass Manager und andere Teilnehmer der Organisation sich im Sinne der Eigentümer verhalten.36 Auch jenseits dieses Fairness-Arguments spricht für die Orientierung am Aktionär, dass nur die Wahrung der Aktionärsinteressen die Erfüllung einer ordnungs- und gesellschaftspolitischen Funktion der AG ermöglicht. Nur über die Wahrung der Aktionärsinteressen kann die 31 32 33 34 35 36
Vgl. Hungenberg (2000), S. 26ff. Vgl. Albach (2001), S. 644f. Bei gleichgewichtigem Wachstum entspricht die Wachstumsrate der Gewinne der Wachstumsrate der Löhne. Vgl. Albach (2001), S. 670, u.R.a. Koubek (1973). Vgl. Franke/Hax (1994), S. 418. Vgl. Hungenberg (2000), S. 26ff., sowie Kochan/Rubinstein (2000), S. 370, u.R.a. Hart/Moore (1990).
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Einführung: Aktionärsorientierung als strategische Herausforderung
Rolle des Eigentums im System der Verkehrswirtschaft und die von ihr ausgehende ordnungspolitische Funktion gewahrt werden – der privatautonome, risikogesteuerte Einsatz wirtschaftlicher Mittel als Ordnungselement des Wirtschaftsablaufs.37 Zum zweiten kann nur so die gesellschaftspolitische Aufgabe erfüllt werden – die Beteiligung immer weiterer Schichten und Kreise der Bevölkerung an dem Produktionsvermögen der Wirtschaft. Allerdings ist die Tatsache nicht zu leugnen, dass die ordnungspolitischen Wirkungen des wirtschaftlichen Eigentums an der AG nur unter den Voraussetzungen eintreten, dass Aktionäre sowohl ein gewisses Maß an Sachverstand besitzen als auch die Bereitschaft zeigen, kontinuierlich auf eine Wahrung der eigenen Interessen zu achten. Dies widerspricht vordergründig dem gesellschaftspolitischen Ziel, die Aktie zu popularisieren, da die genannten Kriterien bei einem großen Teil der Bevölkerung eben nicht vorausgesetzt werden können. Vor diesem Hintergrund gibt es einige Einwände gegen die Orientierung am Aktionär, deren Relevanz im Folgenden untersucht werden soll. Der erste bedeutende Einwand gegen die Orientierung am Aktionär besagt, dass der Aktionär in Bezug auf sein wirtschaftliches Eigentum keinerlei Steuerungsfunktion übernähme und daher als Faktor einer funktionsfähigen Ordnung der AG nicht geeignet wäre. Die Verwaltung der AG emanzipiert sich von ihren Aktionären. Gesellschaftsrechtlich erfolgt dies über die brachliegenden Stimmrechte und auch der Aufsichtsrat ist nur in eingeschränktem Maß ein Mittel zur Wahrung der Interessen der Anleger.38 Eine ähnliche, auf der mangelnden Entscheidungsfähigkeit des Aktionärs aufbauende, Argumentation besagt, Aktionäre gefährdeten rationale Entscheidungsprozesse und spricht daher von einer „notwendigen Machtfülle des Managements“ zur Erfüllung einer soziologischen Aufgabe, die durch gesellschaftsrechtliche Kompetenzen der Aktionäre gestört werden könne.39 In den letzten Jahren zeichnet sich für diese beiden, auf der Entscheidungsunfähigkeit und -unwilligkeit des Aktionärs beruhenden Kritikpunkte durch die Institutionalisierung des Börsengeschehens zumindest theoretisch eine systematische Lösung ab, indem das Vermögen von Aktionären zunehmend institutionellen Investoren zur Verwaltung anvertraut wird, welche im Gegensatz zum Kleinaktionär willens und in der Lage sind, eine Kontroll- und Steuerungsfunktion zu übernehmen. Eine zweite Argumentation geht davon aus, dass das Aktionärsinteresse dem Unternehmensinteresse entgegensteht und das Unternehmen daher gegen Zerstückelung durch privatin37 38
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Vgl. Eucken (1949), S. 46ff. Vgl. für diesen und den vorangehenden Abschnitt insgesamt Immenga (1971), S. 6ff. Auch das in Deutschland gängige Depotstimmrecht der Banken wirkt dem wenig entgegen, da sie als Folge bestehender Geschäftsverbindungen in der Regel zugunsten der amtierenden Verwaltungen stimmen. Vgl. hierzu Püttner (1963), S. 60ff. Vgl. Galbraith (1967), S. 72ff.
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teressierten Partikularismus seiner eigenen Aktionäre geschützt werden müsse. Dabei kommt die Auffassung des Eigenwerts des von der Aktiengesellschaft betriebenen Unternehmens zum Ausdruck.40 Diese These von einem „Unternehmen an sich“41 mit einem dem Interesse der Aktionäre entgegenstehenden Unternehmensinteresse scheint insofern höchst fragwürdig als sie letztlich eine Verwaltung skizziert, die das Monopol zur Definition des Unternehmensinteresses besitzt. Dies widerspricht marktwirtschaftlichen Grundsätzen und erschwert nicht nur einen optimalen Einsatz volkswirtschaftlichen Kapitals sondern auch die Kapitalsammelfunktion der AG. Ein marktwirtschaftliches System dient durch die notwendige Rentabilitätsorientierung der Wirtschaftssubjekte der Selektion gesellschaftlich wünschenswerter Leistungen. Die Interessenlage des Aktionärs ist dem nicht grundsätzlich entgegengesetzt. Es stehen sich lediglich kurzfristiges und langfristiges Rentabilitätsinteresse gegenüber. Bei Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes dürfte selbst diese Annahme nicht zutreffen, da der Kapitalmarkt durch Ausschüttungen bedingte fehlende Investitionen über die Verringerung zukünftiger Gewinnerwartungen mit einem Kursabschlag belegen wird. Drittens gehen grundsätzliche Einwände gegen die Relevanz von Aktionärsinteressen davon aus, dass das Aktionärsinteresse anderen außerhalb des Unternehmens liegenden bedeutenderen Interessen entgegensteht. Sie werden aus der zentralen Bedeutung der regelmäßig in Form der AG geführten Großunternehmung für Wirtschaft und Gesellschaft hergeleitet. Die Großunternehmung sei heute überhaupt nicht mehr lediglich ein Gebilde privatrechtlicher Interessen sondern ein nationalwirtschaftlicher Faktor, der längst in steigendem Maße öffentlichen Interessen dienstbar geworden sei und sich hierdurch ein neues Daseinsrecht geschaffen habe.42 Da die mit der Leitung der AG verbundene Macht der Verwaltung in entscheidendem Maße andere Interessen als die der Aktionäre berühre und damit gesellschaftsrechtlich nicht gerechtfertigt sei,43 wird gefordert, die darüber hinausgehende Macht zu begrenzen.44 Dieser 40
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43 44
Rathenau (1917) bezeichnet die Entwicklung der AG als Substitution ihres Grundes und spricht in diesem Zusammenhang von einer „transpersonellen Schutzidee“, die auf das Unternehmensinteresse ausgerichtet ist. Vgl. Rathenau (1917), S. 23ff. Dieser Ausdruck wurde von Rathenau selbst nicht gebraucht sondern geht auf Fritz Haussmann zurück, der sich in seiner Schrift, Vom Aktienwesen und Aktienrecht gegen Rathenau wendet. Vgl. Haussmann (1928), S. 9f. Die sich in Deutschland in den 60er Jahren langsam durchsetzende faktische Konkursunfähigkeit bedeutender Unternehmen durch die Gewährung von Staatsdarlehen oder Staatsbürgschaften im Krisenfalle schien in dieselbe Richtung zu deuten. Krüger (1967), S. 413, vertrat die Auffassung, dass der Konkurs, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, nur noch für den Mittelstand in Betracht käme. Vgl. Berle (1959), S. 107. Ansätze in diese Richtung sind die Mitbestimmung der Arbeitnehmer, welche deren Abhängigkeit von unternehmerischen Entscheidungen überwinden soll (vgl. Immenga 1971, S. 17), die Gemeinwohlklausel im AktG von 1937, welche besagt, dass der Vorstand die Gesellschaft so zu leiten hat, wie das Wohl des Betriebes und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es erfordern (vgl. Immenga
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Ansatz unterschlägt jedoch implizit die Möglichkeit, dass die Interessen der Aktionäre und anderer Interessengruppen in irgendeiner Form der Interdependenz zueinander stehen. In der Marktwirtschaft ist dies aber insofern der Fall, als die optimale Bedarfsdeckung der Volkswirtschaft durch die Gewinnmaximierungsabsicht der einzelnen Wirtschaftssubjekte sichergestellt wird. Nicht alle in der AG handelnden Organe haben aber notwendigerweise eine durch Risiko und Verlust gesteuerte Motivation. Die Rolle zur Sicherstellung der Gewinnmaximierung können jedoch die Aktionäre übernehmen, die das Ziel einer rentablen Kapitalanlage verfolgen. Die wirtschaftlich durch den Markt legitimierte Macht der Großunternehmen ist somit rechtlich an die Vermögensinteressen der Aktionäre zu binden, um die Legitimation zu gewährleisten. Diese Funktion der Aktionärsinteressen macht es deutlich, dass sie zu der Berücksichtigung von Interessen einer irgendwie definierten Allgemeinheit (als Folge der öffentlichen Bedeutung der großen AG) nur auf gleicher Ebene stehen können. Während also der erste Einwand gegen eine Aktionärsorientierung durch die Institutionalisierungstendenzen des Kapitalmarkts weitgehend entkräftet werden kann, spricht gegen die letzten beiden Einwände, dass das Aktionärsinteresse in einer Marktwirtschaft nicht als dem Unternehmensinteresse oder irgendeinem öffentlichen Interesse als grundsätzlich entgegenstehend angenommen werden kann. (2)
Aktionärsorientierung als Notwendigkeit für den Manager
Bislang wurde lediglich aus Sicht der Anteilseigner oder anderer Stakeholder, nicht aber aus Sicht des Managements argumentiert. Normative Handlungsempfehlungen, wie sie diese Arbeit anstrebt, müssten aber, wenn sie Sinn machen sollen, an denjenigen gerichtet werden, der das Unternehmen steuert und beeinflusst - ergo an das Management. Es kann aber nicht per se davon ausgegangen werden, dass das Management die gleichen Interessen hat wie die Eigenkapitalgeber. Es stellt sich daher die Frage, ob eine Positionierung im Markt für Eigenkapital überhaupt für das Management von Interesse ist. Anderenfalls wären Handlungsempfehlungen für den Manager sinnlos. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass sein Ziele zwar in der Regel von den Zielen der Eigentümer abweichen (a), dass es aber Mechanismen gibt, die ihn dennoch dazu bewegen können, diesen Bedeutung beizumessen (b). Als primär relevante Kontrollmechanismen werden dann Shareholder Activism und der Markt für Unternehmenskontrolle45 identifiziert und
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1971, S. 17f.), oder das sogenannte „korporative Gewissen“, mit welchem die innere Verpflichtung des Managements zum Wohlverhalten mit der Sanktion des Verlustes öffentlicher Anerkennung bezeichnet wird (vgl. Berle 1954, S. 61ff.). Im Folgenden auch „Market for Corporate Control“ (MfCC). Vgl. diesbezüglich die Erläuterungen zu Abb. E-6, S. 20, unter Punkt (c) unten.
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ihre Wirkungsweise erläutert (c). Schließlich werden die vor diesem Hintergrund relevanten Handlungsmöglichkeiten des Managements aufgezeigt und die Orientierung am Aktionär als vorteilhafte Alternative identifiziert (d). (a) Die Motivstruktur des Managers: Die meisten Annahmen über Motive von Managern basieren implizit auf den klassischen Inhaltstheorien der Motivation.46 Spezifischere Managermodelle beschreiben reale Verhaltensweisen von Topmanagern und geben Erklärungen für Abweichungen vom gewinnmaximalen Verhalten.47 Dabei wird der Manager, wie auch der Aktionär, als rationales, nutzenmaximierendes und risikoaverses Individuum verstanden. Während aber dem Aktionär für die risikobehaftete Kapitalüberlassung insbesondere die Verzinsung des eingesetzten Kapitals als Anreiz dient, besteht beim Manager das Motiv für die Überlassung seiner Arbeitskraft in materiellen und immateriellen Anreizen.48 Während sein materieller Nutzen primär im Gehalt, in der Sicherung seiner Anstellung und in der Steigerung seines Humankapitals besteht, umfasst sein als „Private Benefits“49 bezeichneter immaterieller Nutzen Kategorien wie persönliche Reputation und gesellschaftliche Anerkennung, Größe des Dienstwagens und Ausstattung der Büroräume oder Anzahl der unterstellten Mitarbeiter.50 Kritisch sind solche „Private Benefits“ aus Sicht der Eigentümer regelmäßig dann, wenn sie zu Lasten der den Aktionären aus der Finanzierungsvereinbarung zustehenden Residualgewinne gehen. Dies kann z.B. angenommen werden, wenn der Manager mehr Freizeit in Anspruch nimmt, Mittel des Unternehmens einsetzt, um sich persönlich Annehmlichkeiten und Vorteile zu verschaffen, friedliche Einigungen mit Interessengruppen der Gewinnerzielung vorzieht, oder Privatgeschäfte zu Lasten des Unternehmensgewinns macht.51
46
47 48 49
50 51
Vgl. bspw. Maslow (1954), Alderfer (1969), oder McClelland/Atkinson (1953), sowie zusammenfassend Staehle (1999), S. 155f., 221ff. und Häusel (2000), S. 9ff. Eine eindeutige Bestimmung der Motivstruktur des Managers ist nahezu unmöglich, was darauf zurückzuführen ist, dass Motivation lediglich ein hypothetisches Konstrukt zwischen situativen Bedingungen und beobachtbarem Verhalten darstellt, das sich nicht unmittelbar messen lässt. Vgl. Staehle (1999), S. 219. Vgl. Baumol (1967), Marris (1964), oder Williamson (1964), sowie überblicksartig Kräkel (1999), S. 263ff. und Ricketts (1987), S. 101ff. und 266ff. Vgl. Staehle (1999), S. 432. Es handelt sich hierbei um persönliche Vorteile, die mit dem Agency Problem in Zusammenhang stehen. Im Gegensatz dazu ist der Fokus der einschlägigen Literatur in den letzten Jahren auch auf die „Private Benefits of Control“ gerichtet, welche Mehrheitsaktionäre aus ihren Unternehmen ziehen. Vgl. Hill/Jones (1992), S. 46, u.R.a. Marris (1964). Vgl. Franke/Hax (1994), S. 419f.
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Einführung: Aktionärsorientierung als strategische Herausforderung
Aktionär
Manager
„Private Benefits“
Maximierung
Portfoliorendite
Maximierung
+ +
Umsatz / Größe + Risikoavers
Abb. E-3:
Verminderte Eigenkapitalrendite
Hohe Eigenkapitalrendite
Risikoneutral
Motivstruktur des Managers und des Aktionärs
Darüber hinaus ist sowohl materieller als auch immaterieller Nutzen des Managers positiv mit der Unternehmensgröße korreliert.52 Es liegt also nahe, anzunehmen, dass Manager einen Anreiz haben, als Voraussetzung für die Inanspruchnahme persönlicher Vorteile den Umsatz zu maximieren, und zwar auch dann, wenn die Kapitalwerte der zusätzlichen Investitionen negativ sind.53 Ein weiteres Problem liegt in der angenommenen Risikoaversion des Managers.54 Da seine Arbeitsplatzsicherheit und vermutlich der größte Teil seines Einkommensstroms wie auch der Wert seines eigenen Humankapitals vom Überleben seines Unternehmens abhängt, wird häufig unterstellt, dass er sich bemühe, das Risiko seines Unternehmens zu reduzieren.55 Dies kann durch ein Abweichen von der optimalen Kapitalstruktur und durch unerwünschte Diversifizierung geschehen. Demgegenüber sind Aktionäre dem vom Management beeinflussbaren firmenspezifischen (unsystematischen) Risiko gegenüber als risikoneutral anzusehen, da sie es im Rahmen ihrer Portfoliogestaltung weitgehend wegdiversifizieren können.56 Vor diesem Hintergrund kann ein vom Aktionärsinteresse abweichendes und diesem gegebenenfalls schädliches Eigeninteresse des Managers nicht per se ausgeschlossen werden. Mechanismen zur Verhaltenssteuerung könnten jedoch eine Angleichung des Management52 53
54 55 56
Vgl. Baumol (1967), S. 46, sowie Marris (1964), S. 48ff. Vgl. Hill/Jones (1992), S. 46f. Dieses Überinvestitionsproblem wird durch die so genannte „Managerial Discretion Hypothese“ beschrieben. Vgl. Kaserer/Ahlers (2000), S. 545 u.R.a. Stulz (1990). Dazu zählt auch die unternehmensinterne Finanzierung solcher Investitionsprojekte, die vom bestehenden Sachinvestitionsprogramm der Unternehmung völlig unabhängig sind und daher direkt über externe Kapitalmärkte finanziert werden könnten. Vgl. Baumol (1967), S. 88ff. oder Marris (1964), S. 47, sowie Harris/Raviv (1979). Vgl. Jensen/Meckling (1976), Amihud/Lev (1981). Vgl. Mehran (1995), S. 165.
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verhaltens an die Aktionärsinteressen bewirken. Ob solche Kontrollmechanismen existieren, wird unter Punkt (b) kurz beleuchtet. (b) Kontrollmechanismen und Kontrollinstanzen: In Bezug auf die Unternehmensführung werden insbesondere politische, regulatorische oder legale Systeme, wettbewerbliche Marktmechanismen und gesellschaftsrechtliche Kontrollmechanismen diskutiert (vgl. Abb. E-4). Die Wahl der optimalen Kontrollmechanismen erfolgt dabei über die Höhe der Kontrollkosten im Vergleich mit dem jeweiligen Kontrollpotenzial.57 Allgemeine Kontrollmechanismen
Politische, regulatorische oder legale Systeme
Management Selbstkontrolle Leistungslohn Positionssicherung
Wettbewerb in Produktund Faktor-Märkten
Gesellschaftsrechtliche Kontrollmechanismen
AR/Aktionäre
Gläubiger
MfCC
c e f
d
Direkte Steuerung
Abb. E-4:
Kontrollmechanismen und Kontrollinstanzen der Unternehmensführung
Das politische, regulatorische oder legale System ist zu behäbig, um Verzerrungen des Wettbewerbs, welche aus ineffizienten Entscheidungen des Managements entstehen, effizient zu beheben und ist daher für eine wirksame Kontrolle des Managements nicht geeignet.58 Der Wettbewerb in Produkt- und Faktor-Märkten wirkt zwar unausweichlich und nachhaltig, indem er jene Firmen aus dem Markt drängt, die nicht effizient arbeiten. Dieser Mechanismus erfolgt allerdings zumeist so verzögert, dass aufgrund der weit vorangeschrittenen ineffizienten Ressourcenverwendung häufig eine Liquidation des Unternehmens als ökonomischste Lö-
57 58
Vgl. zu Mechanismen der Unternehmenskontrolle insgesamt Maug (1993), S. 115ff. und Maug (1997), S. 135f. Vgl. Jensen (1993), S. 850ff. Ganz nebenbei ist dies auch nicht seine Aufgabe, da es in der Marktwirtschaft lediglich die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs festlegen sollte. Vgl. Homann/Blome-Drees (1992), S. 47ff.
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Einführung: Aktionärsorientierung als strategische Herausforderung
sung erscheint.59 Zudem zwingt er nicht zu einer absoluten sondern nur zu einer relativen Effizienzoptimierung im Vergleich zum Wettbewerb.60 Am effektivsten können gesellschaftsrechtliche Kontrollsysteme die effiziente Verwendung von Unternehmensressourcen sicherstellen.61 Potenzielle Kontrollinstanzen gesellschaftsrechtlicher Kontrollsysteme sind das Management selbst, die Gläubiger, der Aufsichtsrats oder die Aktionäre und schließlich der Markt für Unternehmenskontrolle (vgl. nochmals Abb. E-4).62 Die c Selbstkontrolle des Managements stellt sozusagen die Ausgangssituation ohne Eingriff anderer gesellschaftsrechtlicher Kontrollinstanzen dar. Sie erfolgt kontinuierlich und intern durch den Manager selbst, solange seine Vergütung durch den ursprünglichen Organisationsentwurf festgelegt ist und er die vollständige Verfügungsgewalt über die Unternehmensressourcen hat. Es ist allerdings davon auszugehen, dass der Manager zumindest vordergründig wenig Interesse daran haben kann, sich im Sinne des Aktionärs selbst zu kontrollieren.63 Die d Kontrolle durch Gläubiger des Unternehmens übt eine Art latente Drohung auf das Management aus. Im Falle einer Insolvenz geht die Kontrolle über die Ressourcenausstattung des Unternehmens auf die Fremdkapitalgeber über. Solange das Überleben des Unternehmens gesichert ist, greift der Mechanismus nicht, selbst wenn die erzielte Eigenkapitalrendite zur Befriedigung der Aktionäre nicht ausreicht.64 Daher bietet sich primär die e Kontrolle durch die Eigentümer als Kontrollinstanz an. Ein erster Ansatz basiert auf der Implementierung von Anreizsystemen und erfordert wenige Informationen über das aktuelle Geschäft. Während Manager nach wie vor die Verfügungsgewalt über die Unternehmensressourcen innehaben, nutzt der Aufsichtsrat seine Kontrolle über die Management-Vergütung, um dessen Politik zu beeinflussen.65 Ein zweiter Ansatz basiert 59 60
61 62 63 64 65
Vgl. Jensen (1993), S. 850ff., sowie Scherer (1988), S. 69, ähnlich Picot/Michaelis (1984), S. 258ff. Galbraith (1968), S. 162f., argumentiert, die Kontrolle über das Unternehmen ruhe so lange sicher bei den Managern, wie ihre Autonomie (hier im Sinne von Ressourcenunabhängigkeit) gewährleistet sei, indem die Gewinne für die gewohnten Dividendenzahlungen und die Rücklagen zur Reinvestition ausreichten. Dieses Niveau übersteigende Gewinne nützen der Autonomie des Managements nichts mehr und würden folglich auch nicht angestrebt. Zu gesellschaftsrechtlichen Kontrollsystemen vgl. insgesamt ausführlich Maug (1997), S. 21ff. und S. 113ff. Fama/Jensen (1983a,b) unterscheiden zwischen ‚Decision Making’ als typische Funktion des Executive Management und ‚Decision Control’ als Überwachungsfunktion, die dem Board oder Aufsichtsrat zufällt. Vgl. Jensen (1993), S. 852. Empirisch betrachtet kann die Gläubigerkontrolle aufgrund der geringen Zahl der Beteiligten häufig aber deutlich effektiver sein, als die Eigentümerkontrolle. So können beispielsweise am Eigentümerinteresse ausgerichtete Entlohnungssysteme wie Gewinn- oder Eigentumsbeteiligung den Manager motivieren, im Sinne der Eigentümer zu handeln. Vgl. Picot/Michaelis (1984), S. 258ff.
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auf der Stellenbesetzung durch den Aufsichtsrat und erfordert einen besseren Informationsstand. Die Bevorzugung von Managern, die im Eigentümerinteresse handeln, führt zu einer positiven Auslese geeigneter Manager und setzt gleichzeitig Anreize für aktionärskonformes Verhalten. Schließlich können Eigentümer im Sinne einer direkten Steuerung die Entscheidungen des Managements beeinflussen, wozu sie aber relativ kostenintensive Informationen über das Unternehmen benötigen.66 Als alternativer Mechanismus zur Kontrolle durch bestehende Eigentümer fungieren feindliche Übernahmen im f Markt für Unternehmenskontrolle.67 Das beruht auf der Möglichkeit des Verkaufs von Kontrollrechten. Führt Unzufriedenheit der Anteilseigner zu sinkenden Anteilskursen, kann ein Dritter die Kontrolle über das Firmenvermögen übernehmen, indem er die Anteile erwirbt und den Manager dispensiert. Bereits die Möglichkeit einer solchen Entwicklung wirkt sich disziplinierend auf die Manager aus.68 Der Markt für Unternehmenskontrolle stellt jedoch aufgrund der hohen Transaktionskosten als Alternative zur Kontrolle durch bestehende Eigentümer nur eine Second-Best Lösung dar.69 Nur die von den aktuellen oder potentiellen Eigentümern selbst ausgeübten Kontrollmechanismen scheinen somit das Potenzial zu haben, das Management nachhaltig im Sinne der Eigentümer zu beeinflussen. Im Folgenden wird nun gezeigt, dass diese Kontrollmechanismen ausreichen, um für das Management die Notwendigkeit einer Orientierung am Aktionär zu begründen. (c) Shareholder Activism und der Markt für Unternehmenskontrolle: In der nahen Vergangenheit lässt sich ein wachsendes Engagement der Aktionäre („Shareholder Activism“) beobachten, was indirekt durch den so genannten Markt für Unternehmenskontrolle gefördert wird, welcher die Kontrollrechte in die Hände derer transferieren kann, die bereit sind, die Unternehmensführung direkt zu beeinflussen. Diese Entwicklung lässt sich in die drei Teilbereiche c Veränderungen der Anlegerstruktur, d direktere Einflussnahme auf die Unternehmensführung und e stärkere Beeinflussung der Börsenkurse differenzieren (vgl. Abb. E-5).
66
67 68 69
Manager, die mit einem Ressourcenentzug rechnen müssen, werden allerdings ggf. ihre für das Unternehmen optimale Investition in spezifisches Humankapital durch eine Investition in generelles Humankapital substituieren. Vgl. Maug (1997), S. 113. Eine empirische Bestätigung dieser These findet sich bei Kini/Kracaw/Mian (1995) und Shivdasani (1993). Vgl. insgesamt Maug (1997), S. 31ff. und S. 113ff., sowie Jensen/Ruback (1983), S. 44. Picot/Michaelis (1984), S. 258ff. Vgl. übergreifend Maug (1997), S. 31ff. und S. 113ff.
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d
e
Beeinflussung der Unternehmensführung
c
Privater Kleinanleger
Beeinflussung der Börsenkurse
• Verbesserter Informationsstand • Vereinfachte Möglichkeit der Stimmabgabe
• Verbesserter Informationsstand • Direkte Reaktionsmöglichkeit durch An-/Verkauf
• Hohe Informationsverarbeitungskapazität • Vielfach Notwendigkeit der Einflussnahme • Hoher Einfluss auf Vorstand
• Hohe Informationsverarbeitungskapazität • Bei Desinvestition großer Einfluss auf Börsenkurse
Kapitalmigration Neues Kapital
Institutioneller Großanleger
Einfluss
Abb. E-5:
=
Direkter Einfluss
+
Drohpotenzial
Zunehmender Einfluss der Eigentümer auf das Management
Die c Änderungen in der Anlegerstruktur reflektieren die Bedeutungszunahme von Großanlegern, insbesondere institutioneller Investoren in den letzten Jahren.70 Diese Entwicklung resultiert zum einen aus der Tatsache, dass institutionellen Investoren zusätzliche Gelder zur Verfügung stehen, nicht zuletzt aufgrund der wachsenden Bedeutung von Pensionsfonds für die Altersvorsorge. Zum anderen scheinen immer mehr Privatpersonen bei der Investition in Aktien den Erwerb von Fondsanteilen der Direktanlage vorziehen.71 Mit der Größe ihrer Beteiligung steigt der potentielle Einfluss institutioneller Investoren auf die Börsenkurse (durch Kauf- und Verkaufentscheidungen) und direkt auf die Unternehmensführung (z.B. durch Stimmrechtsausübung oder One-on-ones).72 Dies ist insofern von Bedeutung als institutionelle Investoren ihren potentiellen Einfluss tatsächlich auch deutlich effektiver geltend machen als private Kleinanleger dies können oder querverflochtene Unternehmen dies wollen. Sie haben nämlich durch ein hohes Maß an Sachverstand der Fondsmanager die erforderlichen Fähigkeiten und die notwendigen Informationsverarbeitungskapazitäten. Zum anderen haben sie durch den Druck ihrer Kunden in Richtung einer hohen Rendite und durch die Verringerung der Trittbrettfahrerproblematik73 einen Motivationsvor70 71
72 73
Vgl. David/Kochhar (1996), S. 457ff. Zu institutionellen Investoren vgl. die Ausführungen zur Financial Community in Abschnitt I.3.1(2), S. 72ff. Vgl. Steiger (1999), S. 60. In den USA besitzen allein Pensionsfonds bereits über ein Viertel des Aktienkapitals. Aus dem Aktienvermögen der deutschen Haushalte entfiel in 1998 mit etwa 80 Mrd. € fast ein Drittel auf Fondsbeteiligungen. Vgl. Blumencron/Pauly (1999), S. 88. Vgl. Blumencron/Pauly (1999), S. 84f. Am effektivsten lassen sich Eigentümerinteressen gegenüber dem Management nämlich durchsetzen,
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teil. Die zunehmende Kapitalakkumulation in den Händen institutioneller Investoren ist damit die Voraussetzung für einen wachsenden Druck auf die Manager, den Anforderungen ihrer Aktionäre zu entsprechen. Vor allem in Zeiten hohen Eigenkapitalbedarfs74 können diese sehr nachdrücklich im Interesse ihrer Kunden eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals fordern.75 Heinrich von Pierer, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, stellte daher fest: „Der Druck ist [...] stärker geworden, vor allem der, der von den Analysten und den Verwaltern großer Aktienfonds ausgeht.“ (von Pierer, zitiert bei Blumencron/Pauly 1999, S. 88)
Die d Beeinflussung der Unternehmensführung ergibt sich als direkte Notwendigkeit aus der passiven Verwaltung und der Größe vieler Fonds.76 Während bei passivem Management grundsätzlich keine Möglichkeit besteht, sich von einer Position mit schlechter Performance zu trennen, ist dies auch bei aktiv gemanagten Fonds ab einer bestimmten Größe nicht mehr ohne gravierende Kursverluste möglich oder sogar vollständig ausgeschlossen, wenn keine ausreichende Anzahl alternativer Unternehmen mit der notwendigen Marktliquidität verfügbar ist.77 Um ihre Portfolio-Performance zu beeinflussen, müssen Fonds-Manager sich direkt in die Unternehmensführung einschalten, um Einfluss auf die Geschäftsentwicklung zu nehmen und dadurch eine Steigerung des Unternehmenswertes zu erreichen.78 Aber neben institutionellen Investoren beginnen auch private Kleinanleger im Rahmen ihrer Möglichkeiten Einfluss auf die Unternehmensführung zu nehmen. Dies erklärt sich einerseits mit einer besseren und zeitnäheren Verfügbarkeit relevanter Informationen und der Möglichkeit einer kostengünstigen Stimmrechtsausübung auf der Hauptversammlung auf dem
74 75 76
77
wenn der Aktienbesitz an einem Unternehmen in wenigen Händen konzentriert ist. Vgl. David/Kochhar (1996), S. 459f. sowie Olson (1968) allgemein zur Theorie des kollektiven Handelns. Bei hoher Konzentration des Aktienbesitzes profitieren diejenigen, die Unternehmenskontrolle ausüben, in vollem Umfang von den höheren Erträgen. Bei Streubesitz besteht dagegen ein Trittbrettfahrer-Problem: Den Aktionären fehlt der Anreiz, die Kosten der Kontrolle in Form von Corporate Governance zu tragen, weil sich dessen Nutzen auf zu viele Köpfe verteilt. Vgl. Steiger (1999), S. 60. Nach Galbraith (1968) fällt die Macht in der Regel dem Faktor zu, dessen Angebotsspielraum am wenigsten elastisch ist. Vgl. Galbraith (1968), S. 59f. Vgl. Rosen (1997a), S. 3. Vgl. o.V. (1999d), S. 12ff. Bei passivem Fonds-Management werden Indizes nachgebildet. Aus Renditegesichtspunkten lässt sich die Auflage von Indexfonds durchaus rechtfertigen, da sie im Schnitt nicht schlechter performen als ihre aktiv gemanagten Pendants. Darüber hinaus ist ihre Verwaltung erheblich billiger, da einerseits der Verwaltungsaufwand geringer ist und andererseits aufgrund der eindeutigen Anlagerichtlinien einzelnen Fondsmanagern höhere Summen anvertraut werden können und so insgesamt weniger Fondsmanager benötigt werden und die Kontrollkosten sinken. In Deutschland ist der Anteil der Papiere, welcher von Investmentfonds gehalten werden darf, sowohl im KAGG als auch im Ausl.InvestmG gesetzlich auf 5% bzw. 10% des Fondsvolumens und 10% des Grundkapitals einer Gesellschaft limitiert. Vgl. § 8a Abs. 1 KAGG.
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Einführung: Aktionärsorientierung als strategische Herausforderung
Wege der elektronischen Abstimmung. Andererseits bekommen Kleinaktionäre auch mehr Rechte zugebilligt. Dies zeigt sich an der steigenden Zahl von Sammelklagen („Class Action Lawsuits“), bspw. die Klage gegen VerticalNet und einige Manager dieser Firma79 oder die gerichtliche Verhinderung der Übernahme von Legrand durch Schneider,80 welche für alle europäischen Unternehmen Signalwirkung gehabt haben dürfte. Diese aktive Wahrnehmung der Kontrollrechte durch die Aktionäre, speziell durch institutionelle Anleger, wird mit dem angelsächsischen Begriff „Shareholder Activism“ bezeichnet. Typische Mittel aktiver institutioneller Investoren, um Druck auf das Management auszuüben, sind z.B. die Drohung der Aufnahme des Unternehmens in eine „Schwarze Liste“, der direkte Dialog mit der Firmenleitung in so genannten „One-on-Ones“ („Grillparties“), Auftritte auf Aktionärsversammlungen, Kommunikation zwischen den institutionellen Anlegern oder auch die Nutzung der Presse.81 Ein sehr massives Mittel besteht darin, ihren recht großen Stimmanteil in der Hauptversammlung zur Beeinflussung oder auch Abberufung der Geschäftsführung einzusetzen.82 Die e Beeinflussung der Börsenkurse ergibt sich direkt aus einer Veränderung der Wertschätzung von Aktien durch die Investoren, sobald diese in Form von Kauf- oder Verkauforders an der Börse wirksam werden.83 Dies erfolgt dann, wenn unzufriedene Investoren keine Möglichkeit einer erfolgreichen Beeinflussung der Unternehmensführung sehen. Auch hier geht der größte Einfluss von institutionellen Investoren aus. Selbst wenn sie nicht direkt auf die Unternehmensführung einzuwirken, stellen sie aufgrund der großen Volumina ihrer Kaufund Verkaufaufträge für das Management ein ebensolches Drohpotenzial dar.84 Auch hier hat 78 79 80
81
82
83 84
Vgl. Rosen (1997a), S. 3. Die erfolgreiche Klage bezog sich auf das Vortäuschen falscher Tatsachen bezüglich des geschäftlichen und finanziellen Zustands des Unternehmens. Vgl. o.V. (2001f), S. 1. Diese Entscheidung des Gerichts in Paris in 2001 stellte einen überraschenden Sieg für Minderheitsaktionäre von Legrand dar, die mit dem Argument geklagt hatten, dass die Bedingungen der Übernahme sie als Inhaber von Vorzugsaktien diskriminieren würden. Vgl. o.V. (2001a), S. 1. Vgl. o.V. (1999d), S. 16. Bspw. verschickte der Pensionsfonds CalPERS die von GM entwickelten „Corporate Governance Guidelines“ an seine Beteiligungen und wies darauf hin, dass sich etwaiges Desinteresse an effizienter Corporate Governance auf CalPERS' Anlageverhalten auswirken könne. Vgl. o.V. (1999e), S. 20. Vgl. Rosen (1997c), S. 7. So verfolgt der britische Fonds UK Active Value die Strategie, Unternehmen mit unterdurchschnittlicher Aktienperformance einkaufen und falls notwendig das Management zu entlassen und die Firma umzustrukturieren. Vgl. Blumencron/Pauly (1999), S. 85. Ein prominentes Beispiel für eine solche Vorgehensweise ist die Vorstands-Entlassung bei der Cafeteria-Kette Furr's/Bishop (vgl. Steiger 1999, S. 60), die Neukonstitution des Boards von General Motors und die darauffolgende Entlassung des CEO 1992 oder ähnliche Schritte der Boards von IBM und Westinghouse 1993 (vgl. o.V. 1999e, S. 20). Vgl. Altman (1988), S. 49. Die Höhe der Beteiligung von Fondsgesellschaften ist zwar vielfach gesetzlich beschränkt, aber zum ei-
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die Bedeutung privater Kleinanleger zugenommen. Während die Informationenverfügbarkeit gestiegen ist, sind die Reaktionszeiten gefallen und die Transaktionskosten gesunken, so dass Reaktionen bereits auf marginal relevante Führungsentscheidungen des Managements zeitnah erfolgen und zumindest in engen Märkten die Kursentwicklung beeinflussen können. Führt mangelnde Zufriedenheit der Aktionäre zu einem Sinken des Aktienkurses, so ergibt sich für Außenstehende die Möglichkeit zum Aufkauf eines größeren Anteils. Aufgrund der Natur der gehandelten Papiere werden neben den Ansprüchen auf Erfolgsbeteiligung zugleich Kontrollrechte übertragen.85 Damit fungiert die Aktienbörse gleichzeitig als so genannter Markt für Unternehmenskontrolle.86 Fama/Jensen (1983a, 1983b) definieren Unternehmenskontrolle als „the rights to determine the management of corporate resources - that is, the rights to fire, hire and set the compensation of top-level managers”.87 In dieser Sichtweise agieren Aktionäre, indem sie Kontrollrechte erwerben und dann das Management einstellen oder entlassen, um eine bessere Ressourcennutzung zu erreichen. Jensen/Ruback (1983) nehmen mit ihrem „Managerial competition model“ eine andere Perspektive ein, indem sie Management Teams als die primär agierenden Einheiten skizzieren, welche um das Recht konkurrieren, Unternehmensressourcen managen zu dürfen, während die Aktionäre eine eher passive Rolle spielen.88 Um die Wirkungsmechanismen klar darstellen zu können, soll hier der Markt für Unternehmenskontrolle als Überbegriff für die Teilmärkte ‚Markt für Kontrollrechte’ und ‚Markt für Managementrechte’ verstanden werden (vgl. Abb. E-6). Beide Teilmärkte selektieren sich gegenseitig, was als evolutorischer Prozess auch bei mangelnder Rationalität der Marktteilnehmer zu Verteilungseffizienz führen kann.
85 86
87 88
nen ermöglicht das immer noch einen signifikant großer Anteil und zum anderen lässt sich das Einflusspotential noch vergrößern durch „Block Transactions“ oder „Parallel Trading“ verschiedener Gesellschaften. Vgl. Schmid (2002), S. 35. Eine Studie der empirischen Literatur zum Markt für Unternehmenskontrolle findet sich bei Jarrel/Brickley/Netter (1988), während Weston/Chung/Hoak (1990) eine Diskussion bedeutender theoretischer Beiträge vornehmen. Der MfCC ist vielleicht nicht im eigentlichen, zumindest aber im weiteren Sinne als Markt aufzufassen. Zwar existiert kein echtes Forum zum Handeln von Kontrollrechten, er lässt jedoch sich als Rekonstruktion eines institutionellen Rahmens verstehen, innerhalb dessen die Unternehmenskontrolle gehandelt wird. Vgl. Fama/Jensen (1983a, 1983b). Ähnlich Manne (1965), der den Market for Corporate Control als Wettbewerb um Kontrollrechte über Vermögensgegenstände und Unternehmen sieht. Vgl. Jensen/Ruback (1983), S. 6 und S. 41f.
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Markt für Unternehmenskontrolle Aktien (Eigentumsanteile)
Markt für Kontrollrechte
selektieren
RenditeAnspruch
erwerben
KontrollRechte
Aktionäre
Markt für Managementrechte
erwirtschaften
Manager selektieren
konkurrieren um das Recht, das Management kontrollieren zu dürfen
Abb. E-6:
konkurrieren um das Recht, UnternehmensRessourcen managen zu dürfen
Der Markt für Unternehmenskontrolle und seine Teilmärkte Quelle: in Anlehnung an Day u.a. 1993, S. 256
Die Entwicklung des Marktes für Unternehmenskontrolle zeichnete sich im letzten Jahrzehnt durch einen starken Anstieg von Zahl und Volumen der Transaktionen aus. Waren noch in den 80er Jahren vornehmlich Corporate Raider für Übernahmen verantwortlich, wurde die Übernahmeszene in den 90ern von Unternehmensübernahmen (M&A) bestimmt.89 Rappaport (1990) stellt fest, dass die Welle von Übernahmeaktivitäten in den 80er Jahren die Einstellungen und Verhaltensweisen von US-Managern erheblich verändert hätte und sieht darin die bislang effektivste erkennbare Kontrolle der Autonomie von Managern, welche der börsennotierten Unternehmung sozusagen „neues Leben“ einhauche.90 Grossman/Hart (1980) gehen noch einen Schritt weiter, indem sie feindliche Übernahmen sogar aus gesamtwirtschaftlicher Sicht positiv beurteilen.91 Franks/Mayer (1996) weisen im Nachgang einer feindlichen Über89
90 91
Von 150 Transaktionen mit einem Volumen von rund 25 Mrd. USD in 1991 stieg ihre Zahl auf 750 Transaktionen mit einem Volumen von etwa 900 Mrd. USD in 1999. Vgl. Schmid (2002), S. 35f. Ein Großteil der Transaktionen entfiel auf die USA und Großbritannien. Vgl. Jensen (1988) und Franks/Mayer (1996), S. 164. Vgl. Rappaport (1990), S. 100. Vgl. Grossman/Hart (1980), S. 329. Bei dieser Argumentation stehen allerdings die Rechte des Kapitals im Vordergrund. Andere Autoren vertreten die Auffassung, dass feindliche Übernahmen eine ausgesprochen teure und unpräzise Lösung darstellen (vgl. Herzel/Shepro 1990, S. 3), wertvolle Unternehmenskulturen zerstören, ernsthafte allokative Konsequenzen nach sich ziehen (vgl. Shleifer/Summers 1988, S. 37) und sich somit zunehmend negativ auf die Wirtschaft auswirken (vgl. Peter Drucker, zitiert bei Franks/Mayer 1996, S. 164).
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nahme tatsächlich eine hohe Wechselrate in Vorstand und Aufsichtsrat sowie hohe Restrukturierungs-Aktivitäten nach. Da der Manager somit real Gefahr läuft, das Recht zum Management der Unternehmensressourcen zu verlieren, stellt sich daher nicht die Frage, ob, sondern lediglich, wie er mit dieser Tatsache umgeht. (d) Reaktionsmöglichkeiten des Managers: Um seine eigenen Ziele, sofern diese mit seiner Managementfunktion in Beziehung stehen, mittel- bis langfristig zu realisieren, bleiben dem Manager zwei grundsätzliche Reaktionsmöglichkeiten: Er kann zu Abwehrstrategien greifen, um den Einfluss der Aktionäre zu vermeiden, oder er kann diesen anerkennen und dieser Tatsache mit Wertmaximierungsstrategien begegnen. Abwehrstrategien, die sich nach dem Zeitpunkt der Maßnahme in proaktiv und reaktiv unterteilen lassen, sollen eine Übernahme des Unternehmens erschweren. Während proaktive Abwehrstrategien ein Übernahmeinteresse von vornherein verhindern sollen, dienen reaktive Abwehrstrategien der Vereitelung einer bestehenden Übernahmeabsicht. Eine zweite Unterscheidung kann nach dem Wirkungsmechanismus in managementorientiert und aktionärsorientiert erfolgen. Während managementorientierte Abwehrstrategien zur Positionssicherung des Managements eine Übernahme durch Zusatzkosten oder legale Hemmnisse erschweren oder gänzlich verhindern sollen, haben aktionärsorientierte Abwehrstrategien das Ziel, die Verhandlungsmacht des Managements zum Wohle der Aktionäre zu erhöhen. Sofern Maßnahmen primär managementorientiert sind, es dem Management also darum geht, die Mechanismen des Marktes für Unternehmenskontrolle in Bezug auf sich selbst auszuschalten, sinkt der Wert einer Beteiligung für potentielle Nachfrager, was allerdings in der Regel einen direkten Einfluss auf den Börsenkurs hat, womit sich auch der realisierbare Wert für die aktuellen Aktionäre reduziert.92 Ist der Wertverlust stark genug, werden Übernehmen wiederum wahrscheinlicher oder die Aktionäre werden so unzufrieden, dass sie das Management ihres Unternehmens selbst austauschen. Mittel- bis langfristig können also managementorientierte Abwehrstrategien nicht als positionssichernd angenommen werden. Sofern der Marktwert des Managers mit dem Wert des von ihm gemanagten Unternehmens korreliert, läuft er zudem Gefahr, sein eigenes Humankapital zu entwerten. Die andere grundsätzliche Möglichkeit besteht im Maximieren des Unternehmenswertes für den Aktionär, um eine alternative, höheren Wert generierende Verwendung der Ressourcen auszuschließen. Die bestehenden Anteilseigner sind mit dem Management zufrieden und für andere Anteilseigner besteht keine Veranlassung das Unternehmen zu kaufen. Die mit der Unternehmenswertmaximierung (als primäre Aufgabe des Managements in den Augen der 92
Vgl. Maug (2000). Der Effekt von Abwehrmaßnahmen ist für alle nicht übernommenen Unternehmen
22
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Aktionäre) verbundene persönliche Marktwertmaximierung kommt dem Manager aber selbst im Falle einer Übernahme zugute. Einerseits sichert sie seine Position im fokalen Unternehmen, da sein Austausch keine zusätzlichen Wertsteigerungen erwarten lässt, andererseits erhöht sie im Falle einer Freisetzung seine Chancen auf einen neuen Managementauftrag. Der Erfolg des Managers ist mittel- bis langfristig nur bei Erfolg für die Aktionäre zu realisieren. Das Management muss davon ausgehen, dass die Steigerung des Unternehmenswertes nicht nur unmittelbar im Interesse der Aktionäre liegt, sondern auch direkt für die zukünftige Unternehmensentwicklung relevant ist. Sie schlägt sich in einem höheren Börsenkurs nieder, der als Grundlage für sinkende Kapitalkosten und damit die notwendige Kapitalausstattung, hohe strategische Freiheitsgrade für das Management93 und eine gestärkte Position im Markt für Unternehmenskontrolle einen direkten Nutzen für das Unternehmen selbst darstellt. Daneben kommt es für das Management über die Steigerung des eigenen Marktwertes, die Maximierung der eigenen Vergütung und die Sicherung der eigenen Position auch zu einem direkten Nutzen (vgl. Abb. E-7).94 Manager
Aktionärsorientierte Unternehmensführung
Positionssicherung Marktwertsteigerung Vergütungsmaximierung
Abb. E-7:
93 94
Eigenkapital kosten
Börsenkurs
Strategische Freiheitsgrade Akquisitionswährung
Die Bedeutung des Börsenkurses für Manager, Unternehmen und Aktionäre
nach Ankündigung im Vergleich zu übernommenen ausgesprochen negativ. Vgl. Roventa/Aschenbach (2003), S. 128. Die aufgezeigte mittel- bis langfristige Interessenkongruenz zwischen Management und Aktionären ist sicherlich eine idealtypische Sichtweise. Es soll daher nicht versäumt werden, darauf hinzuweisen, dass Manager zumindest kurzfristig auch durch vollständig eigennütziges Verhalten ihre Ziele erreichen können. Da es sich dabei aber eher um Sonderfälle handelt, ändert das grundsätzlich nichts an der dargestellten Situation.
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Defizite in Wissenschaft und Praxis
Wenn die Orientierung am Aktionär sowohl aus einer neutralen Perspektive als legitim angesehen werden kann als auch aus Sicht des Managers notwendig erscheint, stellt sich die Frage, inwieweit diese Haltung bereits handlungsleitend ist (a) bzw. es zumindest entsprechende handlungsleitende Konzepte gibt (b). Bei näherem Hinsehen fällt auf, dass ein übergreifendes Konzept zur Positionierung beim Aktionär nicht erkennbar ist (c). (a) Unternehmensrealität: Die dargestellten Auswirkungen der Veränderungen in der Aktionärsstruktur sowie der damit in Zusammenhang stehende Wandel in den Forderungen dieser Gruppe scheinen von deutschen Managern vor 1990 kaum wahrgenommen worden zu sein.95 Eine 1987 von Schering durchgeführte Studie unter den Mitgliedern der DVFA ergab, dass nur 14% der Befragten deutsche Unternehmen als sehr gut oder gut eingestuft haben, was ihre Bereitschaft zu informativer Berichterstattung anging. Offensichtlich ließ sich die Einstellung deutscher Manager zu ihren Aktionären noch vor einigen Jahren tatsächlich etwas zynisch mit dem eingangs zitierten Ausspruch von Carl Fürstenberg karikieren: „Aktionäre sind dumm und frech. Dumm, weil sie uns ihr Geld geben, und frech, weil sie dafür auch noch Dividende haben wollen.“ (Carl Fürstenberg, zitiert bei Öchsner 1997, S. 18).
Aber auch international schien das Management von einem an den Erwartungen der Aktionäre orientierten Verhalten noch weit entfernt. Die beiden der Corporate Finance grundsätzlich zuschreibbaren Funktionen, nämlich Investitionsprojekte zu bewerten (Investitionsfunktion) und Finanzierungsmittel zu beschaffen (Finanzierungsfunktion) sind in der Realität vielfach getrennt. Nach Myers (1998) scheint sich dabei die Investitionsfunktion in Bezug auf ihre Methoden und ihr Selbstverständnis vielfach von den Fragen der finanziellen Betriebswirtschaftslehre „emanzipiert“ zu haben: „[...] I believe it is fair to say that most strategic planners are not guided by the tools of modern finance.“ (Myers 1998a, S. 121)
Vor dem Hintergrund anspruchsvoller werdender Investoren erscheint es jedoch nicht geraten, Investitionsentscheidungen ohne Berücksichtigung des Investoreninteresses vorzunehmen; zumal diese die finanzwirtschaftlich deutlich größeren Auswirkungen haben als die Finanzierungsentscheidungen.96 Aufgrund der oben dargestellten Informationsasymmetrien zwischen Management und Investoren ist der Nachweis einer investorenorientierten Wahrnehmung der Investitionsfunktion zudem Voraussetzung für die erfolgreiche Wahrnehmung der Finanzie-
95 96
Vgl. Rogala (1990), S. 21. Vgl. insgesamt zu diesem Thema Myers (1998), S. 119ff.
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Einführung: Aktionärsorientierung als strategische Herausforderung
rungsfunktion. Im Folgenden soll daher in Kürze dargestellt werden, welche bestehenden Forschungsbereiche oder Praxiskonzepte eine Orientierung am Aktionär thematisieren. (b) Forschungsansätze und Praxiskonzepte: Auf einer ersten Ebene sind leistungswirtschaftliche von aktionärsorientierten (finanzwirtschaftlichen) Ansätzen zu unterscheiden. Dabei lässt sich nicht immer klar abgrenzen, ob es sich um Forschungsansätze, Praxiskonzepte, oder nur um beobachtbare Phänomene handelt. Die leistungswirtschaftlichen Ansätze beziehen sich, wenn überhaupt, auf einen abstrakt gehaltenen Wertbegriff als Zielgröße. Sie können daher zwar grundsätzlich als Mittel zur Umsetzung des Eigentümerinteresses dienen, weisen aber keinen direkten Bezug zum Eigentümerinteresse auf. Es bleibt unklar, ob und wie die betrachteten Wertpotentiale in einen Börsenwert transformiert werden können. Hierzu zählen u.a. Portfolio- und Wettbewerbsstrategien, Wertschöpfungsstrategien und wertorientierte Organisationsstrategien, ebenso Management-Moden wie Kaizen, Lean-Management, Business Reengineering, oder die Balanced Scorecard. Aktionärsorientierte Ansätze unterscheiden sich davon insofern, als ihnen ein weitgehend konkreter Wertbegriff zugrunde liegt und sie sich an einem bestimmten, zumeist fix unterstellten, Investorennutzen orientieren. Sie können als zielgrößenorientierte, marketingorientierte und interaktionsorientierte Ansätze bezeichnet werden (vgl. die Übersicht in Abb. E-8). Zielgrößenorientierte Ansätze umfassen Konzepte wie Shareholder Value Management97 und Total Value Management, Wertmanagement und Wertsteigerungsmanagement oder Value Based Management und Value Based Performance Management. Sie setzen grundsätzliche Prämissen bezüglich der Nutzenfunktion des Investors, und leiten davon Steuerungskennzahlen und Werttreiber zur Maximierung dieser Nutzenfunktion ab. Dabei geht es im Kern um die Maximierung des Barwertes aller durchgeführten Investitionsprojekte unter Berücksichtigung der Kapitalkosten (Kapitalwertmaximierung).98 Unterschiede der Konzepte liegen in der Art der Spitzenkennzahl (EVA, CFROI, DCF, etc.), im Grad der Operationalisierung und den integrierten leistungswirtschaftlichen Konzepten.
97
98
Vgl. Rappaport (1986). Inzwischen wurde dieses Konzept weiterentwickelt und für den Verkauf eigener Ideen enlehnt, so dass eine klare Abgrenzung nicht mehr möglich zu sein scheint. So bezeichnet Rosen (1997e, S. 1f.) bspw. den Investor Relations-Gedanken als Teil des Shareholder Value Konzept, was nicht der ursprünglichen Stoßrichtung von Rappaport entspricht. Vgl. z.B. Copeland/Weston (1992), S. 26, sowie Rosen (1997a), S. 2.
Einführung: Aktionärsorientierung als strategische Herausforderung
Zielgrößenorientierte Ansätze
Shareholder Value Management: Rappaport (1986), Bischoff (1994), Raster (1995), Sierke (1998) Value Based Management: Reimann (1987) Wertmanagement: Copeland/Koller/Murrin (1990) Management Wertkonzept: Bühner (1990) Total Value Management: Lewis (1994) Wertsteigerungs-Management: Höfner/Pohl (Hrsg., 1994) Unternehmenswertorientiertes Management: Herter (1994) Wertsteigerungsanalyse: Klien (1995), Hardtmann (1996) Wertorientierte Gestaltung der Unternehmensführung: Knorren (1998) Value-Based Performance Management: Brunner (1999)
Marketingorientierte Ansätze
Investor Relations Finanzmarketing: Süchting (1986) Aktienmarketing: Link (1991), Schulz (1999) Shareholder Value Reporting: Müller (1998) Value Reporting: Labhart (1999), Pellens/Hillebrandt/Tomaszewski (2000), PriceWaterhouseCoopers (2001) Business Reporting Share Branding: Mei-Pochtler (2001) Investor Marketing: Simon/Ebel/Pohl (2002)
Interaktionsorientierte Ansätze
Corporate Governance Corporate Governance-Leitlinien für den Vorstand: General Motors (1992) OECD Principles of Corporate Governance: Ad Hoc Task Force on Corporate Governance der OECD (1999) Vertikale Wertkette: Veranen/Hensle (2000) Deutscher Corporate Governance Kodex: Regierungskommission DCGK (2000) Corporate Governance-Grundsätze für börsennotierte Gesellschaften: Grundsatzkommission Corp. Governance der DVFA (2000) German Code of Corporate Governance: Berliner Initiativkreises German Code of Corporate Governance (2000)
Abb. E-8:
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Aktionärsorientierte Ansätze der Unternehmensführung
Marketingorientierte Ansätze dienen der Transformation des leistungswirtschaftlich geschaffenen so genannten „inneren Wertes“ in einen Marktwert. In diesen Bereich fallen Konzepte wie Finanz- und Aktienmarketing, Value und Business Reporting, Investor Relations, Share Branding oder Investor Marketing. Wie bei den meisten Managementkonzepten besteht insgesamt nur wenig Konsens bezüglich der Begriffsinhalte. Finanz- und Aktienmarketing sind im wissenschaftlichen Kontext entstandene Begriffe von Süchting (1986) und Link (1991). Aktienmarketing bezeichnet den aktienmarktorientierten Teil einer marktorientierten Konzeption der Unternehmensführung99 und hat insofern derivativen Charakter, als es von den leistungswirtschaftlichen Handlungen des Unternehmens abhängig ist.100 Investor Relations ist ursprünglich kein Konzept sondern eine Unternehmensfunktion, welche die Informationspolitik mit dem Ziel einer angemessenen Börsenbewertung des Unternehmens und eines höheren Vertrauens bei bestehenden und potentiellen Anteilseignern umfasst.101 Investor Relations i.e.S. entsprechen in etwa dem deutschen Begriff Finanzkommunikation und sind damit sowohl Bestandteil des Finanzmarketings (Investor Relations i.w.S.) als auch der gesamten Unternehmenskommunikation (Public Relations).102 Sie umfassen die gesamte Kapitalmarkt99 100 101 102
Vgl. Link (1991), S. 7, u.R.a. Süchting (1986), S. 654, der erstmals eine Definition des Finanzmarketing entwarf, welches auch das Fremdkapital einschließt. Vgl. Link (1991), S. 28 oder die „Abschrift“ von Schulz (1999). Vgl. Rosen (1997e), S. 1f. Er sieht das Ziel in einer „langfristigen, nachhaltigen Aktienkursmaximierung“. Vgl. Günther/Otterbein (1996), S. 390f. Link (1991) bezeichnet das ganze Repertoire des Finanzmarketing (Aktien- und Fremdkapitalmarketing) inklusive der Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik als Investor Relations i.w.S., während er die Investor Relations i.e.S. auf
26
Einführung: Aktionärsorientierung als strategische Herausforderung
kommunikation, also sowohl die gesetzlich normierte, regelmäßige Publizität als auch Pressemitteilungen, Anzeigen, oder Roadshows.103 Value Reporting und Business Reporting ergänzen die gesetzliche, auf dem Rechnungswesen aufbauende, Publizität um nichtfinanzielle und zukünftige Informationen. Value Reporting, welches in jüngster Zeit verstärkt in Wissenschaft und Praxis diskutiert wird,104 bezeichnet die wertorientierte Zusatzberichterstattung über vergangene Wertschaffung, Instrumente der wertorientierten Steuerung und Werttreiber. Die Übergänge zu der in der angloamerikanischen Litaratur vorherrschenden Thematik des Business Reporting sind fließend.105 Value und Business Reporting sind damit gewissermaßen Bestandteil der Investor Relations, aber nicht ihr alleiniges Instrument.106 Schließlich sollen eine Reihe von Beratungs-Ansätzen dazu beitragen, die Aktie, ähnlich dem Aktienmarketing, eigenständig zu vermarkten und zu positionieren.107 Interaktionsorientierte Ansätze werden weitgehend unter dem Begriff Corporate Governance subsumiert. Dabei handelt es sich ursprünglich weniger um ein Konzept, als vielmehr um ein kaum abzugrenzendes Phänomen: „Corporate Governance has become the catchall description for institutional investor efforts to influence the fundamental business policies of corporate managements” (Sharpe/Alexander/Bailey 1995, S. 507)
Corporate Governance bezeichnet grundsätzlich die „oberste Gesamtführung des Unternehmens“108 und lässt sich interpretieren als eine Art, das Funktionieren von Unternehmen zu strukturieren.109 Dabei geht es sowohl um das System der Kontrollmechanismen als auch seine Gestaltung durch die Aktionäre. Ziel ist die Machtbalance zwischen Management, Aktionären und Aufsichtsgremien, um die Kosten aus möglichen Interessenkonflikten zwischen Aktionären und Management zu minimieren.110 Während sich der wohl erste Versuch einer
103 104
105 106 107
108 109 110
kommunikationspolitische Maßnahmen einschränkt. Vgl. Günther/Otterbein (1996), S. 404f. Beiträge, welche die bisherige Wahrnehmung des Value Reporting maßgeblich geprägt haben sind Müller (1998), Labhart (1999), Pellens/Hillebrandt/Tomaszewski (2000) und PriceWaterhouseCoopers (2001). Eine Diskussion der Konzepte erfolgt bei Eccles u.a. (2001), Fischer/Becker/Wenzel (2001, 2002), Fischer/Wenzel/Kühn (2001), Günther/Beyer (2001), sowie Ruhwedel/Schultze (2002). Vgl. hierzu AICPA (1994, 2000), FASB (2001), Haller/Dietrich (2001), S. 207. Vgl. Ruhwedel/Schultze (2002), S. 609. Zum Share Branding Konzept der Boston Consulting Group vgl. Mei-Pochtler (2001). In diese Kategorie fallen auch die Ansätze von Knüppel/Lindner (Hrsg., 2001), welche die Aktie als Marke thematisieren oder das Investor Marketing Konzept von Simon Kucher & Partner (vgl. Simon/Ebel/Pohl 2002). Die verfügbare Literatur lässt die zugrunde liegende Auseinandersetzung mit dem Produkt Aktie jedoch wenig fundiert erscheinen. Vgl. Malik (2001), S. 28. Vgl. o.V. (1999e), S. 22. Breiten Raum nimmt dabei daher die Lösung des Principal-Agent-Problems ein. Vgl. OECD (1999), S. 2.
Einführung: Aktionärsorientierung als strategische Herausforderung
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Formalisierung von Führungsgrundsätzen beinahe ausschließlich mit Pflichten des Vorstands beschäftigte,111 definierten spätere Initiativen Corporate Governance umfassender und thematisierten allgemein die Aufgaben aller Unternehmensgremien im Hinblick auf die Rechte aller forderungsberechtigter Interessengruppen.112 (c) Fehlen eines umfassenden Ansatzes: Bereits dieser kurze Überblick macht deutlich, dass die bestehenden Ansätze jeweils nur Teilbereiche der Thematik einer investorenorientierten Gestaltung der Unternehmensführung berühren. Zielgrößenorientierte Ansätze beschränken sich zumeist auf die Ausrichtung auf eine bestimmte Leistungsmessgröße, marketingorientierte Ansätze setzen die Bestimmung der Kommunikationsinhalte weitgehend voraus und fokussieren auf die Art der Kommunikation und interaktionsorientierte Ansätze argumentieren weitgehend aus der Investorenperspektive und sind damit nur beschränkt operationalisierbar. Der geneigte Leser könne daraus einen Bedarf für ein kapitalmarktorientiertes ManagementKonzept herleiten, welches auf einer fundierten, möglichst umfassenden Herleitung möglicher Nutzenpotenziale des Investors basiert und bei der Formulierung von Handlungsempfehlungen der spezifischen Situation eines Konzern-Managements Rechnung trägt. (4)
Ein wettbewerbsstrategischer Ansatz als Perspektive
Um die unter (3) aufgezeigte Lücke zu füllen und dabei dem unter (2) beschriebenen Wettbewerbscharakter des Eigenkapitalmarktes gerecht zu werden, scheint es sinnvoll, die Lösung in der Verwendung eines neuen strategischen Sprachspieles zu suchen.113 Diesem Gedanken entspricht der gewählte Fokus dieser Arbeit, welcher zunächst kurz dargestellt wird (a). In Anschluss wird eine Übersicht über die weitere Vorgehensweise gegeben (b).
111
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Dabei handelt es sich um die „Corporate Governance-Leitlinien für den Vorstand“ von General Motors aus dem Jahr 1992 (vgl. 1999e, S. 26), in welchen Auswahl und Führung, Zusammensetzung und Leistung, Kontakt zu Führungskräften nachgelagerter Ebenen sowie die Entwicklung der Unternehmensführung thematisiert werden. So fokussieren beispielsweise die „OECD Principles of Corporate Governance“ in ihrer Gliederung primär auf die Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat (vgl. OECD 1999, S. 4ff.), während sich der „Deutsche Corporate Governance Kodex“ primär an den Rechten der Aktionäre und Stakeholder orientiert (vgl. Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex 2000, S. 2). Weitere Initiativen zur Entwicklung von Corporate Governance Grundsätzen waren die „Corporate Governance-Grundsätze ('Code of Best Practice') für börsennotierte Gesellschaften“ der Grundsatzkommission Corporate Governance der DVFA (vgl. DVFA 2000b) und der „German Code of Corporate Governance (GCCG)” des Berliner Initiativkreises German Code of Corporate Governance (vgl. o.V. 2000a). Der Begriff „Sprachspiel“ wird hier als Ausdruck eines spezifischen lebensweltlichen Kontextes im Sinne Wittgensteins verstanden. Es geht dabei nicht um den Verkauf alten Weines in neuen Schläuchen durch die einfache Anwendung einer anderen Begriffssystematik, sondern um die Betrachtung und Vereinigung verschiedener Einzelaspekte aus einem neuen Blickwinkel heraus. Vgl. Wittgenstein (1984), S. 241, sowie Billing (1980), S. 100f. Siehe hierzu auch Kirsch/Maaßen (1990), S. 41.
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Einführung: Aktionärsorientierung als strategische Herausforderung
(a) Fokus der Arbeit: Ziel der Arbeit soll es folglich sein, normative Handlungsempfehlungen dahingehend zu geben, welche Wettbewerbs- und Positionierungsstrategien dem Management börsennotierter Konzerne auf dem Kapitalmarkt zur langfristigen Maximierung des Börsenkurses zur Verfügung stehen.114 In der Tradition der präskriptiv-modellhaften Strategieforschung soll eine logischdeduktive Ableitung möglicher Positionierungen für eine einheitliche strategische Ausrichtung erfolgen.115 Basis der Aussagen sind logische Erklärungen, und untermauernd Ergebnisse verfügbarer empirischer Untersuchungen. Eine „einheitliche strategische Ausrichtung“ bedeutet die Ausrichtung aller Teilbereiche, Teildisziplinien und Methodiken bzw. Forschungsansätze auf ein übergeordnetes Ziel, hier den Börsenkurs. In diesem Sinne ist es als Ziel dieser Arbeit zu verstehen, alle Handlungsalternativen in einen diesem Ziel untergeordneten Bezugsrahmen einzuordnen.116 (b) Vorgehensweise: Die Arbeit gliedert sich in drei Hauptteile, die logisch sequentiell aufeinander aufbauen. Voraussetzung für den angestrebten wettbewerbsstrategischen Ansatz ist es, die spezifischen Rahmenbedingungen des Eigenkapitalmarktes als Wettbewerbsarena und den Börsenkurs als wettbewerbsstrategische Referenzgröße zu akzeptieren. Daher wird in Teil I zunächst der Kapitalmarkt als Wettbewerbsarena (I.1), und der Begriff des Strategischen als übergreifende Handlungsorientierung (I.2) dargestellt. Auf dieser Basis erfolgt dann eine strategische Analyse des Eigenkapitalmarktes (I.3) und eine allgemeine Darstellung der Gestaltungsvariablen einer kapitalmarktorientierten Wettbewerbsstrategie (I.4). Teil II schließt an die dargestellten Gestaltungsvariablen an und beinhaltet eine Untersuchung der mit einer Aktieninvestition verbundenen Nutzenpotenziale für den Investor und der jeweils korrespondierenden Handlungsfelder des Unternehmens. Das erfolgt differenziert in die drei Ebenen Transformationspotenziale und Führung (II.1), Interaktionspotenziale und Steuerung (II.2), sowie Transaktionspotenziale und Formatierung (III.3).
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Um konkret argumentieren zu können, wird vornehmlich von Aktiengesellschaften gesprochen. Die getroffenen Aussagen lassen sich aber in großen Teilen ebenfalls auf andere, auch nicht börsennotierte, Formen der Kapitalgesellschaft beziehen. Im Unterschied dazu untersucht die empirisch-deduktive Strategieforschung, wie strategische Entscheidungen in Unternehmen tatsächlich getroffen werden, und nicht, wie sie getroffen werden sollten. Vgl. Minderlein (1993), S. 158f. Die Integrationsfunktion galt bis in die 60er Jahre als distinktives Merkmal der Unternehmenspolitik. Vgl. Rumelt u.a. (1991), S. 7. Minderlein (1993), S. 159, stellt darauf ab, dass die Forschung zur Unternehmensstrategie eine an amerikanischen Business Schools entstandene Wissenschaftsdisziplin sei, welche in erster Linie die praktische Verwertbarkeit ihrer Konzepte und nicht die Schaffung eigener theoretischer Grundlagen anstrebte.
Einführung: Aktionärsorientierung als strategische Herausforderung
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In Teil III werden die dargestellten Nutzenpotenziale aufgegriffen und davon ausgehend generische Positionierungen für unterschiedliche Rahmenbedingungen hergeleitet (III.1). Im Anschluss werden spezifischen Implikationen von Konzernstrukturen für eine Positionierung betrachtet (III.2). Schließlich werden auf dieser Basis grundlegende Positionierungsoptionen für Konzerne entwickelt (III.3). Abschließend erfolgen im Rahmen einer Schlussbetrachtung eine Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse und ein Ausblick auf mögliche weitere Forschungsfelder.
Aktionärsorientierte Unternehmensführung
Teil I:
31
PERSPEKTIVEN EINES KAPITALMARKTSPEZIFISCHEN STRATEGIEVERSTÄNDNISSES
Ausgangspunkt der Entwicklung strategischer Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital ist ein tieferes Verständnis der grundlegenden Begriffe. Deshalb wird zunächst der Wettbewerb um Eigenkapital als Betrachtungsobjekt thematisiert und Eigenkapital sowie Eigenkapitalmarkt beleuchtet und abgegrenzt. Dabei werden die Börse als strategisches Spielfeld und die Financial Community als handelnde Akteure dargestellt (I.1). Dann wird der Begriff des „Strategischen“ als Betrachtungsmethode thematisiert und darauf aufbauend Positionierungen im Kontext von Wettbewerbsstrategien im Sinne einer Arbeitsdefinition abgegrenzt (I.2). Auf dieser Basis kann dann eine Annäherung an die Entwicklung strategischer Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital erfolgen. Hierzu wird zunächst in methodischer Anlehnung an die Branchenanalyse von Porter ein konzeptioneller Rahmen zur strategischen Analyse des Wettbewerbs um Eigenkapital vorgestellt, welcher das fokale Unternehmen mit seinen Investitionsprojekten, Investoren und Wettbewerbern, sowie das relevante Umfeld umfasst (I.3). Aus dem in Kapitel I.2 dargestellten Verständnis von Wettbewerbsstrategie werden sodann vor diesem Hintergrund abstrakte Komponenten strategischer Positionierungen auf dem Eigenkapitalmarkt abgeleitet. Hierzu zählen neben der individuellen Definition von Erfolg als strategischer Zielsetzung an sich die damit in Beziehung stehenden Erfolgspotenziale, welche durch die Gestaltungsoptionen der Aktie, die Nutzenpotenziale des Investors und die Handlungsfelder des Unternehmens determiniert werden (I.4).
I.1
Der Markt für Eigenkapital als Wettbewerbsarena
Zur Charakterisierung der relevanten Wettbewerbsarena erfolgt in einem ersten Zugriff eine allgemeine Betrachtung der Begriffspaare Kapital/Eigenkapital und Kapitalmarkt/Eigenkapitalmarkt (I.1.1) und sodann eine Charakterisierung der Börse als regulierter Form des Kapitalmarktes im Allgemeinen und der Aktienbörse als regulierter Form des Eigenkapitalmarktes in Speziellen (I.1.2).
I.1.1
Der Kapitalmarkt
Der Begriff Kapitalmarkt ist einer der unpräzisesten und erklärungsbedürftigsten der betriebswirtschaftlichen Fachsprache, der als „Markt, auf dem Kapital gehandelt wird“ längst auch umgangssprachlich verwendet wird. Eine präzise Erklärung ist indes nicht einfach, denn auch die Fachsprache hat den Terminus Kapitalmarkt keineswegs genau und in allgemein ak-
32
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
zeptierter Weise festgelegt.1 Angesichts der vielfältigen Entwicklungen und der Komplexität muss wohl ein jeder Versuch einer Definition oder auch nur Beschreibung des realen Kapitalmarktes unvollkommen bleiben.2 Dennoch soll im Folgenden versucht werden, einen Zugang zum Kapitalmarktbegriff zu finden, indem dieser, zunächst ausgehend von einer begrifflichen Annäherung, eine Einordnung und Darstellung erfährt (1) und dann die für Unternehmen relevanten Erscheinungsformen dargestellt werden (2). (1)
Definition und Einordnung
Zunächst erfolgt (a) eine erste Annäherung an den Begriff des Kapitalmarktes und dann (b) eine Einordnung in übergeordnete Begriffskategorien. Um über die bislang recht abstrakte und technische Darstellung hinaus den Begriff etwas griffiger zu machen, sollen dann (c) die allgemeine volkswirtschaftliche Funktion des Kapitalmarktes, (d) aktuelle Entwicklungstendenzen sowie (e) die Zahlungsströme am Beispiel des deutschen Kapitalmarktes dargestellt werden. (a) Eine begriffliche Annäherung: Der Begriff Markt bezeichnet die, als abstrakte, gedachte Einheit von Instituten, Personen und Einrichtungen in Erscheinung tretende, organisierte Handelsmöglichkeit, bei der Angebot und Nachfrage in Verbindung gebracht werden.3 Der Begriff Kapital hat seinen Ursprung in dem aus dem mittelalterlichen Latein stammenden Begriff „capitale“4 und bezeichnet ein zur ertragbringenden Verwendung geeignetes Vermögen, das sowohl aus Geld (Geld- oder Finanzkapital) wie aus Gütern (Sach- oder Realkapital) bestehen kann.5 In der modernen Finanzierungspraxis geht es um Finanzkapital als „Geld für Investitionszwecke“.6 Da dieses gegen einen bestimmten Geldbetrag übereignet wird, ist es notwendig, die gehandelte Ware (Kapital) von den gehandelten Geldbeträgen zu unterscheiden. Loistl (1994) spricht im Zusammenhang mit der auf dem Kapitalmarkt gehandelten Ware von „Bündeln von rechtlichen Ansprüchen und ökonomischen Ansprüchen auf die künftigen Einnahmen aus dem Unternehmensgeschehen“ und bezeichnet diese je nach der betrachteten Dimension als Kapitalgüter (ökonomische Werte), Finanztitel (juristische An1
2 3 4 5 6
Diese Problematik auch in anderen bedeutenden westlichen Sprachen anzutreffen, so im Englischen („capital market“), im Französischen („marché des capitaux“, “marché financier“), im Italienischen („mercato finanziario“) oder im Spanischen („mercado de capitales“). Vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S. 11f. Vgl. Loistl (1994), S. 5f. Vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S. 11ff. Mit „capitale“ wurde zunächst ein Darlehen und später allgemein ein Vermögen bezeichnet, das einen Ertrag abwirft. Vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S. 13f. Vgl. Loistl (1986), S. 71 und die dort angegebene Literatur, insbesondere Preiser (1963).
I.1 Der Markt für Eigenkapital als Wettbewerbsarena
33
sprüche) oder Finanzierungsinstrumente (liquide Mittel). Häufig wird dabei zwischen Nutzungs- und Verfügungsrechten unterschieden.7 Im Hinblick auf die angestrebte Betrachtung des Eigenkapitalmarktes soll hier vereinfacht zwischen Eigenkapital und Fremdkapital unterschieden werden. Eigenkapital8 stellt für das betroffene Unternehmen eine Beteiligungs- oder Einlagenfinanzierung dar, für welche dem Kapitalgeber ein Beteiligungstitel überlassen wird, die diesen zu Entnahmen im Falle von Personengesellschaften oder Gewinnausschüttungen und Kapitalrückzahlungen im Falle von Kapitalgesellschaften berechtigt. Fremdkapital9 stellt für das betroffene Unternehmen eine Kreditfinanzierung dar, für welche dem Kapitalgeber ein Forderungs- oder Schuldtitel überlassen wird, welcher einen Anspruch auf künftige Zins- und Tilgungszahlungen enthält.10 Damit lässt sich der Begriff Kapitalmarkt zunächst mit der Formulierung von Häuser/Rosenstock (1997) umschreiben: „Der Kapitalmarkt ist definiert als die gedachte Einheit der Beziehungen und Institutionen, die der Zusammenführung des Angebots an Kapital und der Nachfrage nach Kapital dienen. Als Kapital wird dabei nur das Finanzkapital, d.h. die finanzielle Dispositionsmöglichkeit über investiv zu verwendende Mittel berücksichtigt.“ (Häuser/Rosenstock 1997, S. 14f.)
(b) Verortung des Kapitalmarktes: Märkte können auf einer ersten Unterscheidungsebene in Gütermärkte, Finanzmärkte und Faktormärkte differenziert werden,11 wobei es umstritten ist, ob der Personalmarkt den Faktormärkten zugerechnet werden oder als eigenständige Marktform angesehen werden soll (vgl. Abb. I-1). Die Bezeichnung Finanzmarkt dient als Oberbegriff für alle Marktsegmente, auf denen Geld sowie in Geld bezifferte Titel, sog. Wertpapiere und Wertrechte, aber auch Vermögensanteile gehandelt werden.12 Auch wenn sich die vielfältige Realität schwerlich in ein klares Schema pressen lässt, kann man doch von einer Dreiteilung des Finanzmarktes in Geldmarkt, Kapitalmarkt und Markt für Derivate ausgehen.13 Geldmarkt und Kapitalmarkt lassen sich da7 8 9 10
11 12 13
Vgl. Loistl (1994), S. 6f. Vgl. hierzu ausführlich Assmann in Großkommentar AktG (1992), Enl. Rdn. 381ff. Vgl. Franke/Hax (1994), S. 1 sowie Perridon/Steiner (1995), S. 3. Innerhalb dieser beiden Grundtypen gibt es vielfältige Möglichkeiten zur differenzierten Ausgestaltung. Dabei können sowohl Beteiligungstitel mit Eigenschaften ausgestattet werden, die den Forderungstiteln ähneln (z.B. Vorzugsaktien mit fester Dividende und ohne Stimmrecht) und Forderungstitel mit Eigenschaften, die den Beteiligungstiteln ähneln (z.B. Darlehen mit Gewinnbeteiligung). Vgl. Franke/Hax (1994), S. 31. Vgl. Assmann (1994), S. 4f. Vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S. 18. Auch wenn mitunter keine Einigkeit darüber besteht, ob der Markt für Finanzderivate dem Kapitalmarkt zugerechnet werden sollte, wird er gemeinhin als eigenständiges Marktsegment des Finanzmarktes angesehen (vgl. Häuser/Rosenstock 1997, S. 19). Dieser Auffassung wird hier gefolgt.
34
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
bei kaum theoretisch sauber voneinander abgrenzen. Während unter Geld die nur dem Zahlungsverkehr und der Liquidität dienenden, in der Regel kurzfristigen Mittel verstanden werden, geht es bei Kapital um die langfristigen, zur Kapitalbildung bestimmten Mittel14. Der Unterschied zwischen Geld und Kapital liegt also zunächst in ihrer Funktion begründet. Da eine Unterscheidung nach ihrer intendierten Funktion in der Praxis nahezu unmöglich ist, hat sich als theoretisch zwar wenig überzeugendes, immerhin aber praktikables Kriterium zur Unterscheidung der beiden Märkte eine Fristigkeit von weniger bzw. mehr als 3 bis 12 Monaten durchgesetzt.15 Geldmarkt Gütermarkt Renten Finanzmarkt
Kapitalmarkt
Aktien Investmentanteile
Markt Faktormarkt
Futures Derivate-Markt
Optionen Sonstige
Personalmarkt
Abb. I-1:
Einordnung und Systematisierung des Kapitalmarktes Quelle: in Anlehnung an Häuser/Rosenstock (1997), S. 19
Der Kapitalmarkt dient demzufolge dem Handel der langfristigen, zur Kapitalbildung bestimmten Mittel und besteht aus den Teilmärkten Aktienmarkt, Rentenmarkt und Investmentmarkt für die verschiedenen Arten des Finanzkapitals. Auf dem Kapitalmarkt wird nur Finanzkapital gehandelt, sodass Kapitalmärkte also stets Finanzmärkte und keine Gütermärkte sind.16 (c) Charakterisierung: Eine mögliche Charakterisierung des Kapitalmarktes kann anhand seiner volkswirtschaftlichen Funktion, aktueller Entwicklungstrends und der konkret beobachtbaren Kapitalströme erfolgen. Die volkswirtschaftliche Funktion des Kapitalmarktes liegt 14 15
Vgl. Brealey/Myers (1996), S. 4. Während Sharpe u.a. (1995, S. 9) Finanztitel mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr dem Geldmarkt und mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr dem Kapitalmarkt zurechnen, ziehen Häuser/Rosenstock (1997, S. 15f.) die Grenze bei einer Laufzeit von 3 Monaten. Nach der Laufzeit unterscheidet man Tagesgeld (bis 24 Stunden), tägliches Geld (täglich kündbar), Monatsgeld, Dreimonatsgeld und weitere Formen.
I.1 Der Markt für Eigenkapital als Wettbewerbsarena
35
darin, dass verfügbares Finanzkapital gesammelt und in ertragsorientierter Weise investorischer Nutzung zugeführt wird. Ausgangspunkt ist die Bereitschaft, alle nicht für den sofortigen Konsum benötigten Mittel aufzunehmen. In einem zweiten Schritt ermöglicht der Kapitalmarkt die nutzbringende Verwendung des gesammelten Kapitals. Man spricht davon, dass das Finanzkapital in Realkapital umgewandelt wird. Das Prinzip der Marktpreise bewirkt einerseits, dass der größtmögliche Austausch zwischen Anbietern und Nachfragern zustande kommt und so möglichst viel Finanzkapital in Sachkapital transformiert wird. Zudem entsteht auf diese Weise ein Wettbewerb um die knappen Kapitalbeträge, der eine optimale ertragsorientierte Lenkung der Kapitalströme garantiert. Kapitalmärkte haben damit in der Volkswirtschaft eine sehr bedeutende Funktion für das Wirtschaftswachstum.17 Die Umformung von Finanz- in Real-Kapital ist gekennzeichnet durch eine Transformation von Beträgen, Risiken und Fristen. Dadurch wird die Interessendivergenz zwischen Finanzinvestor und Realinvestor überwunden.18 Der Kapitalmarkt leistet eine Transformation der Beträge durch Zusammenfassung kleiner Sparbeträge zur Finanzierung großer Investitionsprojekte19 bzw. Stückelung großer Investitionsprojekte in bequeme Teilbeträge.20 Er leistet eine Transformation der Fristen durch Intermediäre oder einen funktionierenden Sekundärmarkt.21 Schließlich leistet er auch eine Transformation der Risiken, indem das verfügbare Kapital in einen sicheren Strom der Verzinsung für Fremdkapital und einen riskanteren für Eigenkapital umgewandelt werden kann. Loistl (1994) diagnostiziert in Bezug auf den Kapitalmarkt vier bedeutende Entwicklungstrends, die sich mit Internationalisierung, Integration, Intellektualisierung und Institutionalisierung umschreiben lassen.22 Die Internationalisierung der Kapitalmärkte ist darauf zurückzuführen, dass Anleger globale Strategien als selbstverständlich und notwendig erachten, um die unterschiedlichen Entwicklungen in den einzelnen Ländern auszunutzen oder die Rückwirkungen globaler Wirtschaftsfaktoren auf die einzelnen nationalen Wirtschaften zu berücksichtigen. Ein Ausbau der einzelnen nationalen Märkte zu einem internationalen Markt ist 16 17 18
19 20 21
Vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S. 14. Vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S. 75f. Während der Finanzinvestor (Sparer) seine Mittel liquide, sicher und mit möglichst hoher Rendite in Höhe eines ihm passenden (meist eher kleinen) Betrages anlegen möchte, ist das Interesse des Realinvestors (Unternehmers) meist darauf gerichtet, die Mittel unkündbar bis zur Amortisation möglichst billig und fast immer als große Beträge aufzunehmen. Vgl. Loistl (1994), S. 30. Vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S. 86. Anleger gehen für sich persönlich nur kurzfristige Bindungen ein, das Kapital insgesamt steht für den Realinvestor jedoch langfristig zur Verfügung. Die Stückelung (s.o.) macht die Papiere fungibel. Infolge dieser verbesserten Handelbarkeit ist die Laufzeit aus Sicht des Investors nahezu aufgehoben.
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Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
aber bislang kaum erfolgt. Es findet sich allerdings eine Tendenz zur technischen Integration der Zirkulations- und Emissionsmärkte sowie der Kassa- und Terminmärkte. Dass die heute gebräuchlichen Handelsmöglichkeiten komplex und intellektuell anspruchsvoll sind, in diesem Zusammenhang steht auch die Bündelung von realen Instrumenten zu so genannten synthetischen Instrumenten, führt zu einer Intellektualisierung der Anleger. Die damit einhergehende Institutionalisierung beschreibt die Entwicklung, dass institutionelle Anleger, wie Pensionsfonds, Investmentfonds, Versicherungsgesellschaften und große Investmentbanken mit ihren gewaltigen Volumina zunehmend das Wertpapiergeschäft beherrschen. In Deutschland laufen ca. zwei Drittel des investierten Kapitals über den Kapitalmarkt (Kapitalströme). Unternehmen und Wohnungsbau bestreiten einen großen Teil ihrer Investitionen auf dem Weg der Selbstfinanzierung.23 Anbieter des Kapitals sind primär die privaten Haushalte. Sie weisen eine recht konstante Sparquote von 12% bis 14% auf, die restlichen 86% - 88% entfallen auf den privaten Konsum. Von den Ersparnissen der privaten Haushalte dienen relativ konstant ca. 20% (ca. 2,8% des gesamten Einkommens) als Direktinvestition zum Erwerb von Wohneigentum. Die übrigen ca. 80% ihrer Ersparnisse (ca. 17,2% des gesamten Einkommens) fließen zu etwa zwei Dritteln in Anlagen bei Banken und Versicherungen,24 während ca. ein Drittel zu Wertpapierkauf verwendet wird (davon ca. 33% direkt, 67% Investmentanteile). Der Anteil, welcher in den Kapitalmarkt fließt, bleibt zwar relativ konstant, dafür ändern sich die Anlageformen bisweilen drastisch. Sie werden zwar meist über Finanzintermediäre angelegt, aber je nach Zins- und Börsenentwicklungen verändert.25 In der ersten Hälfte der 90er Jahre liefern die privaten Haushalte gut 70% der gesamtwirtschaftlichen Ersparnisse. Die restlichen Ersparnisse entfallen auf Unternehmungen, die sie häufig direkt zur Finanzierung ihrer eigenen Investitionen verwenden (Selbstfinanzierung). Die privaten Haushalte liefern daher ca. 80% der vom Inland stammenden auf dem Kapitalmarkt verfügbaren Mittel, der Rest besteht aus Überschüssen der Finanzinstitute und seit 1991 aus Nettokapitalimport aus dem Ausland. In 1995 betrug die gesamtwirtschaftliche Ersparnis 149 Mrd. €. Davon entfielen auf die privaten Haushalte 113 Mrd. €, auf Unternehmen inkl. Wohnungswirtschaft 65 Mrd. €, wobei mit ca. 33 Mrd. € etwa die Hälfte zur Selbstfinanzierung herangezogen und somit nicht über den Kapitalmarkt geleitet wurde. Öffentliche Haus22 23
24 25
Vgl. insgesamt Loistl (1994), S. 10ff. Je höher die Selbstfinanzierung ist, desto geringer ist der Einfluss des Kapitalmarktes auf die Unternehmenspolitik durch Vergabe neuen Kapitals. Lediglich die Ausübung der Stimmrechte in der Hauptversammlung kann dann noch Einfluss ausüben. Vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S. 88. Für eine Übersicht der Vermögensstruktur privater Haushalte vgl. Abb. A-1, A-2 und A-3 im Anhang.
I.1 Der Markt für Eigenkapital als Wettbewerbsarena
37
halte entsparten um -29 Mrd. € und der Netto-Kapitalimport betrug 15 Mrd. €. Mithin betrugen die gesamten Ersparnisse 164 Mrd. € und das am Kapitalmarkt verfügbare Kapital 131 Mrd. €.26 Nachfrager von Kapital sind hauptsächlich Unternehmungen, Wohnungswirtschaft und Staat. Die Nachfrage der Unternehmen beschränkt sich auf jenen Teil des Finanzbedarfs, den sie nicht selbst erwirtschaften. Ihr Nettoselbstfinanzierungsbedarf (nach Abzug der Selbstfinanzierung) betrug 1995 rund 38 Mrd. €. Davon wurden nur ca. 10 Mrd. € in Form von Aktienneuemissionen über den organisierten Kapitalmarkt aufgenommen. 28 Mrd. € waren Bankkredite. Inländische Anleihen spielen erst neuerdings bei großen internationalen Unternehmen eine nennenswerte Rolle. Im Gegensatz dazu wird die Wohnungswirtschaft mit jährlich fast 50 Mrd. € weitgehend über den Rentenmarkt finanziert, wobei der Staat (Bund) der gewichtigste Nachfrager ist.27 (2)
Systematisierung und relevante Erscheinungsformen
Um die Rolle des Kapitalmarktes aus Unternehmenssicht besser zu erfassen, erfolgt zunächst eine Übersicht über relevante Dimensionen des Kapitalmarktes aus Sicht des Unternehmens (a) und dann ein kurzer Überblick über die für Unternehmen relevanten Segmente (b). (a) Kapitalmarktdimensionen aus Unternehmenssicht: Aus Sicht des Unternehmens dient der Kapitalmarkt primär der Kapitalbeschaffung zur Finanzierung der Unternehmenstätigkeit und lässt sich über 5 relevante Dimensionen erfassen:28 Eigenkapital vs. Fremdkapital Emissionsmarkt vs. Zirkulationsmarkt Regulierter Markt vs. Unregulierter Markt Nationaler Kapitalmarkt vs. Internationaler Kapitalmarkt Interner Kapitalmarkt vs. Externer Kapitalmarkt Die Dimension Eigenkapital vs. Fremdkapital wurde bereits im vorangegangenen Abschnitt betrachtet. Die theoretische Unterscheidung dieser beiden Märkte ist für diese Arbeit von großer Bedeutung. Allerdings soll noch einmal darauf hingewiesen werden, dass weder die Titel an sich noch die jeweiligen Marktsegmente in der Realität immer eindeutig voneinander abgrenzbar sind. 26 27 28
Vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S. 88. Vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S. 92ff. Loistl (1994) nennt als weitere Dimensionen Kassa- vs. Terminmarkt und reale vs. synthetische Instrumente. Da es durch diese aber nicht zu Kapitalzuflüssen zum Unternehmen kommen, sollen sie an dieser Stelle keine Rolle spielen. Vgl. Loistl (1994), S. 16.
38
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
Die Dimension Emissionsmarkt vs. Zirkulationsmarkt unterscheidet nach der Art der Transaktionspartner. Auf dem Emissionsmarkt (Primärmarkt) werden Kapitalmarkttitel geschaffen und erstmals platziert. Kapitalsuchende Realinvestoren und anlagewillige Sparer treten unmittelbar miteinander in Kontakt. Auf dem Zirkulationsmarkt (Sekundärmarkt) findet dagegen der Handel von bereits emittierten und umlaufenden Titeln statt. Für den Verkäufer kann das Kapital der Investition oder dem Konsum dienen. Für den Käufer ist es eine Realinvestition (bei Erlangen der Verfügungsgewalt durch entsprechende Beteiligungsrelationen) oder eine Finanzinvestition (zur Erzielung einer Rendite).29 Der Zirkulationsmarkt gibt dem Investor die Möglichkeit, die Dauer seines Investments frei zu gestalten. Der Sekundärmarkt generiert zwar zunächst keinen Cash Flow für das Unternehmen, ist aber eine wichtige Voraussetzung dafür, dass das Unternehmen die Papiere überhaupt platzieren kann.30 Des Weiteren dienen die am Sekundärmarkt durch fortlaufenden Handel entstehenden Preise als Orientierung für den Wert bei Ausgabe neuer Anteile, z.B. im Rahmen von Kapitalerhöhungen oder Unternehmensübernahmen. Eine weitere Dimension unterscheidet nach dem Umfang der Regulierung den regulierten vs. unregulierten Markt. Ähnliche Unterscheidungen sind organisiert vs. nicht organisiert sowie institutionalisiert vs. nicht institutionalisiert. Der regulierte Kapitalmarkt stellt einen durch Gesetz oder Gewohnheit institutionalisierten sowie durch Publizität und dauerhafte Organisation charakterisierten Markt dar, z.B. den Aktien- und Rentenmarkt.31 Die Strukturen sind vom Staat, von den Anbietern und den Marktteilnehmern geschaffen worden. Als klassisches Beispiel kann die Börse dienen, die in Deutschland bis 1896 von den Börsenmitgliedern allein geregelt, danach durch Gesetz gewissen Mindestnormen unterworfen, vom Staat beaufsichtigt und im übrigen der Selbstverwaltung der Börsen überantwortet wurde.32 Typisch für den regulierten Kapitalmarkt ist die Standardisierung der Titel und seine weit größere Publizität und Information. Aus diesem Grund kann der regulierte Kapitalmarkt bei weitem als der wichtigste Teil des Kapitalmarktes angesehen werden, welcher „[...] der Öffentlichkeit den Kurs der Entwicklung anzeigt und auf den sich die Wirtschafts-, Finanz- und Kreditpolitik im allgemeinen konzentriert, wenn sie auf Zinsen, Investitionen, internationale Kapital- und Wechselkursbewegungen und andere gesamtwirtschaftliche Größen Einfluss zu nehmen sucht.“ (Häuser/Rosenstock 1997, S. 26)
29 30 31 32
Vgl. Loistl (1994), S. 15. Vgl. Sharpe u.a. (1995), S. 2. Vgl. Loistl (1994), S. 15, ähnlich Häuser/Rosenstock (1997), S.24. Vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S.24.
I.1 Der Markt für Eigenkapital als Wettbewerbsarena
39
Der nicht regulierte Markt dagegen schließt die individuellen Beziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern außerhalb des organisierten Marktes ein. Charakteristisch für ihn ist das Fehlen einer ständigen Marktorganisation und eines vorgegebenen Rahmens, vorgegebener Regeln, eines festen Teilnehmerkreises, einer geregelten Publizität sowie einer Aufsicht.33 Grundlage des ungeregelten Marktes sind ausschließlich allgemeine Gesetze und Verhaltensnormen des wirtschaftlichen Verkehrs. Die Differenzierung in nationalen vs. internationalen Kapitalmarkt lässt sich auf zweifache Weise interpretieren. Einerseits kann Internationalität sich darauf beziehen, dass ein Kapitalmarkt einer anderen Währungs-/Wirtschaftsregion als der fokale Marktteilnehmer angehört. In diesem Sinn sind internationale Kapitalmärkte sowohl für Kapitalanbieter als auch nachfrager, wenn auch mit einigen Einschränkungen, verfügbar. Andererseits lässt sich Internationalität so verstehen, dass ein Kapitalmarkt mehreren Währungs-/Wirtschaftsgebieten angehört. Dieser in den Augen des Verfassers sinnvolleren, da standpunktunabhängigen, Sichtweise soll hier gefolgt werden. In diesem Sinn kann bis heute lediglich im unregulierten Fremdkapitalbereich von einem real existierenden internationalen Kapitalmarkt gesprochen werden. 34 Eine letzte Perspektive differenziert internen Kapitalmarkt vs. externen Kapitalmarkt. Der interne Kapitalmarkt eines Unternehmens bezeichnet den Finanzmittelfluss zwischen den Teileinheiten und der Zentrale innerhalb eines Unternehmensverbundes. Je größer die Anzahl der Investitionsprojekte im Rahmen eines Unternehmens im Verhältnis zur Anzahl der Unternehmensteile mit Zugang zum externen Kapitalmarkt, desto größer ist der interne Kapitalmarkt. Interne Kapitalmärkte können nicht einheitlich als vorteilhaft oder nachteilig bezeichnet werden. Dies ist von wichtigen Kontingenzfaktoren abhängig.35 (b) Relevante Erscheinungsformen des Kapitalmarktes für das Unternehmen: Aufbauend auf den unter (a) dargestellten Dimensionen lassen sich zunächst zwei für Unternehmen praxisrelevante Erscheinungsformen isolieren. Dies ist zum einen der graue Kapitalmarkt als Gesamtheit aller nicht regulierten nationalen und internationalen Emissions- und Zirkulationsmärkte. Zum anderen ist dies die Börse welche den regulierten nationalen Zirkulationsmarkt darstellt und aus den Teilmärkten Aktienbörse und Rentenbörse besteht. Sie stellt auch die Grundlage für die Bewertungsmechanismen in dem regulierten Emissionsmarkt dar, weshalb letzterer an dieser Stelle nicht gesondert betrachtet wird. 33 34 35
Vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S. 23. Vgl. Loistl (1994), S. 15. Vgl. bspw. Liebeskind (2000), S. 59. Vor- und Nachteile der organisatorischen Ausgestaltung in Bezug auf interne und externe Kapitalmärkte sind Gegenstand der Betrachtung in Teil III.
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Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
Nationaler Kapitalmarkt
Zirkulationsmarkt
Emissionsmarkt
Reguliert
Abb. I-2:
Nicht reguliert
Internationaler Kapitalmarkt Reguliert
Nicht reguliert
Eigenkapital
Fremdkapital
Eigenkapital
Aktienbörse
Fremdkapital
Rentenbörse
Systematisierung des Kapitalmarktes aus Sicht des Unternehmens Quelle: in Anlehnung an Loistl (1994), S. 17
Der so genannte graue Kapitalmarkt umfasst alle nicht regulierten Kapitalmarktsegmente und hat ein geschätztes jährliches Anlagevolumen von 40 bis 50 Mrd. €.36 Der weitaus größere Teil davon entfällt auf den internationalen Kapitalmarkt.37 Gemeinsam ist allen Anlageformen des grauen Kapitalmarktes das besondere Risiko für den Investor aufgrund der fehlenden Regulierung. Dagegen stellt die Börse als nationaler regulierter Zirkulationsmarkt ein deutlich geringeres Risiko für den Investor dar. Die Aktienbörse hat im Rahmen dieser Arbeit besondere Bedeutung. Sie stellt den nationalen regulierten Zirkulationsmarkt für Eigenkapital von Aktiengesellschaften dar. Ihre Eigenschaft als regulierter Zirkulationsmarkt bedeutet eine laufende Wertfeststellung der Unternehmensanteile. An der Börse notierte Kurse verkörpern weitgehend objektiv festgestellte Marktpreise, die Ausstattung neuer Emissionen ist in der
36 37
Vgl. Zimmer (1998), S. 969. Im nationalen unregulierten Kapitalmarkt werden im Eigenkapitalemissionsmarkt einige GmbH-Anteile, Anteile an Personengesellschaften, sowie Anteile von nicht börsennotierten Aktiengesellschaften gehandelt. Der Fremdkapitalemissionsmarkt ist hingegen kaum ausgeprägt, da der überwiegende Teil der Fremdkapitalplatzierungen über den regulierten Bankensektor abgewickelt wird. Der unregulierte nationale Eigenkapitalzirkulationsmarkt hat ebenfalls bis auf den Handel einiger Kommanditbeteiligungen und Beteiligungen als stille Gesellschafter kaum eine Bedeutung. Etwas stärker ausgeprägt ist hingegen der Fremdkapitalzirkulationsmarkt, vor allem in Form verschiedener Arten der Darlehensabtretung.
I.1 Der Markt für Eigenkapital als Wettbewerbsarena
41
Regel an der Bewertung umlaufender Papiere orientiert, Kursnotierungen bieten wichtige Orientierungshilfe für die Konditionen anderer Kapitalmarktgeschäfte und auch für die Unternehmensbewertung fungieren Aktienkurse vielfach als entscheidende Ansatzpunkte. Auch wenn ihr Volumen im Vergleich zum Gesamtvolumen des nationalen Kapitalmarkts ziemlich gering ist,38 hat sie dadurch eine qualitative Sonderstellung in Form einer Preisführerschaft. Weder der Emissionsmarkt noch der unregulierte Zirkulationsmarkt können nämlich diese laufende Bewertungsfunktion leisten. Der Emissionsmarkt kennt lediglich diskretionäre Perioden der Preisfindung, die sich allerdings bei Kapitalerhöhungen direkt an den im Zirkulationsmarkt festgestellten Preisen gleicher Papiere und bei Neuemissionen (IPOs) zumindest an denen ähnlicher UnternehmensAnteile (Peer-Group) orientieren. Auch der unregulierte Zirkulationsmarkt liefert keine dauernde Preisfeststellung. Auf ihm wird zwar ein größeres Volumen gehandelt, allerdings handelt es sich dabei auch dort in der Regel um vereinzelte diskrete Episoden (Block-Trades), die sich ebenfalls an den an der Börse festgestellten Preisen orientieren.
I.1.2
Die Aktienbörse
Die Aktienbörse ist als regulierter Zirkulationsmarkt für Eigenkapital von Aktiengesellschaften zu verstehen. Sie ist die einzige Börse, an welcher Eigenkapitalanteile direkt gehandelt werden können. Zu ihrer Charakterisierung soll zunächst die börsenfähige Gesellschaftsform Aktiengesellschaft mit den dazugehörigen Mitgliedschaftsurkunden Aktie betrachtet werden (1), bevor konkret auf die Aktienbörse als Handelsplattform eingegangen wird (2). (1)
Aktien als Handelsobjekte
Die Aktiengesellschaft mit den von ihr emittierten Aktien ist die einzige in Deutschland börsenfähige Rechtsform. In Deutschland firmieren gut drei Viertel aller Unternehmen als Kapitalgesellschaft.39 Allerdings wird nur ein kleiner Teil davon in der Rechtsform der AG betrieben. Dennoch ist deren wirtschaftliche Bedeutung aufgrund ihrer Größe sehr hoch. Die in anderen Ländern geltenden Rechtsformen sind der deutschen AG weitgehend vergleichbar.40 Die Unterschiede liegen im Wesentlichen in der Reichweite der Arbeitnehmer38 39 40
Vgl. Loistl (1994), S. 27. In Deutschland firmierten 1999 534.528 (76,9%) Kapitalgesellschaften als GmbH und nur 5.611 (0,8%) als AG. Vgl. Abb. A-4 im Anhang. In Kontinentaleuropa sind dies die in der Verordnung zur Europäischen Gesellschaft genannten Gesellschaftsformen der Mitgliedsländer. Vgl. Anh. I sowie Titel I Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE). Im angelsächsischen
42
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
Mitbestimmung und in der Gestaltung der Gesellschafts-Organe. Während im, auch in Deutschland zwingenden, dualistischen System eine strikte Trennung von Kontrolle und Geschäftsführung in Aufsichtsorgan (Aufsichtsrat) und Leitungsorgan (Vorstand) vorgesehen ist, werden im monistischen System des angelsächsischen Rechts die beiden Funktionen in einem Verwaltungsorgan (Board of Directors) zusammenfasst. Im Folgenden werden zunächst exemplarisch rechtliche Grundlagen (a) und Organe (b) der AG aufgezeigt, und dann zur Beleuchtung formaler Gestaltungsmerkmale der Aktie erst die mit der Aktie verbundenen Rechte und Pflichten der Aktionäre skizziert (c) und darauf basierend die Charakteristika unterschiedlicher Aktiengattungen dargestellt (d). (a) Rechtliche Grundlagen der AG: Rechtsgrundlage für die AG ist das Aktiengesetz (AktG) nebst Einführungsgesetz vom 6. September 1965.41 Die AG hat eine eigene Rechtspersönlichkeit und kann als solche selbständige Trägerin von Rechten und Pflichten sein.42 Sie ist deliktsfähig, nicht aber strafrechtlich verantwortlich.43 Die Aktiengesellschaft gilt in jedem Fall als Handelsgesellschaft und sie ist ausnahmslos Vollkaufmann.44 Die wirtschaftlichen Eigentümer der AG sind die Aktionäre. Da für die Verbindlichkeiten der AG den Gläubigern grundsätzlich nur das Gesellschaftsvermögen haftet,45 dürfen den Aktionären ihre Einlagen weder direkt zurückgewährt werden, noch dürfen ihnen feste Zinsen zugesagt oder ausgezahlt werden.46 Das in Aktien zerlegte Grundkapital soll als feste Größe den „Garantiefonds“ der Aktiengesellschaft bilden, der nicht angegriffen werden darf. Die Höhe des Grundkapitals wird durch die Satzung festgelegt.47 Es kann nur durch Kapitalerhö-
41
42 43 44 45
46 47
Rechtsraum sind dies die Public Limited Company (Plc.) in GB sowie die Incorporated (Inc.) bzw. die Corporation (Corp.) in den USA. Eine Sonderstellung nimmt die ab Herbst 2004 zugelassene Europa AG, die Societas Europaea (SE) ein. Dabei handelt es sich um eine in Grundzügen einheitliche Gesellschaftsform, die sich aber in Einzelheiten auf die im jeweiligen nationalen Gesellschaftsrecht vorgesehenen Regelungen bezieht. Zur Europa AG und insgesamt zu den Zukunftsperspektiven des europäischen Aktienrechts vgl. Rosen (2003) sowie insbesondere Kallmeyer (2003). Vgl. BGBl I, S. 1089. Während die ursprüngliche Regelung auf dem System der staatlichen Verleihung und danach auf der staatlichen Genehmigung (Konzessionssystem) beruhte, führte die Novelle von 1870 das Normativsystem ein. Danach entstand die AG durch Eintragung im Handelsregister. Eine Aufstellung neuerer Änderungen des AktG findet sich bspw. bei Balser/Bokelmann/Piorrek (1992), S. 15ff. Durch ihre eigene Rechtspersönlichkeit steht die AG dem Verein näher als der BGB-Gesellschaft. Vgl. Geßler (o.J.) § 1 Rdn. 50, sowie Baumbach/Hueck (1970), § 1 Rdn. 50. Vgl. Balser/Bokelmann/Piorrek (1992), S. 20. Vgl. § 3 HGB sowie § 6 Abs. 2 HBG. Nur in Ausnahmefällen haftet der Aktionär direkt, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt oder wenn es sich um Fälle von beherrschten oder eingegliederten Unternehmen handelt („Durchgriffstheorie“). Vgl. grundlegend Serick (1955). Vgl. § 57 Abs. 2 AktG, sowie Baumbach/Hueck (1970) § 57 Rdn. 2. Vgl. § 23 Abs. 3 Ziffer 3 AktG.
I.1 Der Markt für Eigenkapital als Wettbewerbsarena
43
hung48 und Kapitalherabsetzung49 geändert werden. Vor Auflösung der Gesellschaft darf unter die Aktionäre daher nur der Bilanzgewinn verteilt werden, der das Grundkapital übersteigt.50 Bei Auflösung und Abwicklung darf nur das „nach der Berichtigung der Verbindlichkeiten“ verbleibende Vermögen der Gesellschaft unter die Aktionäre verteilt werden.51 (b) Organe der AG: Nach dem AktG von 1965 gelten Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung als Organe der AG. Die Zuständigkeiten der einzelnen Organe sind zwingend vorgeschrieben. Die Hauptversammlung (HV) beschließt über die grundsätzlichen Fragen der Gesellschaft und wählt den Aufsichtsrat (AR). Dieser ernennt und überwacht den Vorstand, welcher die Gesellschaft unter eigener Verantwortung leitet.52 Die Hauptversammlung ist das gesellschaftliche Organ der Aktionäre, in welchem sie ihre Rechte in Angelegenheiten der Gesellschaft ausüben. Neben den Aktionären teilnahmeberechtigt und zudem teilnahmeverpflichtet sind alle Mitglieder des Vorstands und des AR. Die Aufgaben der HV sind zwingend festgelegt.53 Die wichtigsten Aufgaben der HV sind die Entlastung von Vorstand und AR, der Beschluss über die Verwendung des Bilanzgewinns und die Wahl des Abschlussprüfers. Über Fragen der Geschäftsführung kann die Hauptversammlung nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt.54 Der Vorstand ist gesetzlicher Vertreter der AG.55 Er trägt für die Leitung der Gesellschaft die alleinige Verantwortung.56 Bestellung und Abberufung des Vorstands geschieht durch den AR.57 Die Zahl der Mitglieder des Vorstandes ist nicht per Gesetz festgelegt und wird in der 48
49
50 51 52
53 54 55 56
57
Die Kapitalerhöhung bedarf einer Satzungsänderung. Das deutsche Aktiengesetz unterscheidet Kapitalerhöhung gegen Einlage, bedingte Kapitalerhöhung, genehmigtes Kapital und die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Vgl. insgesamt Leven (2000a), S. 22. Die Kapitalherabsetzung bedarf ebenfalls einer Satzungsänderung. Das deutsche Gesetz unterscheidet ordentliche Kapitalherabsetzung, vereinfachte Kapitalherabsetzung, sowie Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien. Vgl. insgesamt Balser/Bokelmann/Piorrek (1992), S. 80. Vgl. § 57 Abs. 3 i.V.m. § 58 Abs. 5 AktG. Vgl. § 271 Abs. 1 AktG. Vgl. § 76 Abs. 1 AktG. Das AktG von 1965 sieht davon ab, die Rechte der HV zur Entscheidung über Fragen der Geschäftsführung wesentlich zu erweitern. Zur Begründung siehe Balser/Bokelmann/Piorrek (1992), S. 65. Sie kann weder in anderen Angelegenheiten Beschlüsse fassen, noch können die ihr übertragenen Aufgaben von anderen Gesellschaftsorganen wahrgenommen werden. Vgl. Gadow (o.J.), § 119 Anm. 6. Vgl. insgesamt §§ 118f. AktG. Das AktG unterscheidet zwischen Vertretung (§ 73) im Außenverhältnis und Geschäftsführung (§ 77) im Innenverhältnis. Entscheidungen bezüglich der Leitung der AG und Maßnahmen der Geschäftsführung lassen sich nicht auf andere Organe übertragen. Vgl. Gadow (o.J.), § 76 Anm. 6. Die Haftung des Vorstandes entfällt auch dann nicht, wenn AR oder HV eine Handlung gebilligt haben. Vgl. § 93 Abs. 4 Satz 2 AktG. Vgl. § 84 AktG. Die auf höchstens 5 Jahre zulässige Bestellung, welche dem Vorstand eine Rechtsmacht
44
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
Regel auch nicht durch die Satzung bestimmt.58 Sind mehrere Personen zu Vorstandsmitgliedern bestellt worden, kann der AR ein Mitglied zum Vorsitzenden des Vorstands ernennen.59 Die Hauptaufgabe des Aufsichtsrats besteht darin, den Vorstand zu bestellen und die Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen.60 Daneben ist der AR Berater des Vorstands.61 Aufgaben des Vorstandes dürfen ihm nicht übertragen werden, bestimmte Geschäfte können aber seiner Zustimmung bedürfen. Schließlich hat der AR die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten.62 Der AR hat aus einer durch drei teilbaren Zahl von Mitgliedern zu bestehen, welche in der Satzung festgelegt werden kann. Er setzt sich zusammen aus Aktionären und ggf. Arbeitnehmern sowie aus weiteren Mitgliedern.63 (c) Rechte und Pflichten des Aktionärs: Die Aktie ist ein Wertpapier, das ein Mitgliedschaftsrecht verbrieft und den Aktionär als Gesellschafter ausweist.64 Sie steht ihm aufgrund seines Kapitalbeitrags zu, der ihn zum wirtschaftlichen Eigentümer des Unternehmens macht. Die Mitgliedschaftsrechte sind von der Person des einzelnen Aktionärs unabhängig und insofern verselbständigt, als sie zugleich eine Quote am Grundkapital darstellen.65 Daraus ergibt sich, dass der Aktionär, anders als beim rechtsfähigen Verein, mehrfach Mitglied sein kann. Kennzeichnend für die Mitgliedschaft sind die damit verbundenen Rechte und Pflichten (vgl. Abb. I-3).
58 59 60
61 62 63 64 65
nach Außen gibt, ist von der Anstellung zu unterscheiden, welche vertragliche Rechte und Pflichten zwischen Vorstand und AG begründet. In der Satzung wird meist keine konkrete Zahl angegeben, um Änderungen dieser Zahl nicht schwerfällig zu machen. Vgl. Balser/Bokelmann/Piorrek (1992), S. 31. Vgl. § 84 Abs. 2 AktG. Vgl. die bei Balser/Bokelmann/Piorrek (1992), S. 70, zitierten Gerichtsurteile. Der Aufsichtsrat hat alles zu tun, was zu einer wirksamen Kontrolle im Interesse der Aktionäre und der Gläubiger erforderlich ist. Vgl. RGZ (Bd. 48), S. 44; Die Überwachung soll durch die Vorschrift des § 90 AktG zu Berichten an den AR erleichtert werden. Vgl. näher Meyer-Landrut in Gadow (o.J.), § 95 Anm. 1, vgl. auch Lutter/Krieger (1981). Vg. § 112 AktG. AR-Mitglieder dürfen weder Vorstand eines vom fokalen Unternehmen abhängigen Unternehmens sein, noch Vorstand oder leitender Angestellter der Gesellschaft sein. Der Begriff Aktie bezeichnet sowohl die Mitgliedschaftsrechte (Beteiligung an der Aktiengesellschaft) als auch das Wertpapier, das diese Rechte verkörpert. Vgl. Geßler (o.J.) § 1 Rdn. 44.
I.1 Der Markt für Eigenkapital als Wettbewerbsarena
45
Allgemeine Mitgliedschaftsrechte Vermögensrechte
Gewinnbeteiligung Teiln. an Kapitalerhöhungen Erwerb von Zusatzaktien Teiln. am Liquidationserlös
Sonderrechte Recht auf Vorzugsdividende ...
Rechte Verwaltungsrechte
Teilnahme an der HV Stimmrecht auf der HV Auskunftsrecht auf der HV
Aktie Hauptpflicht Leistung der Kapitaleinlage Pflichten
Abb. I-3:
Nebenpflichten Erbringung nicht monetärer Leistungen
Rechte und Pflichten des Aktionärs
Die so genannten Vermögensrechte beschreiben den Anspruch des Aktionärs, am Erfolg des Unternehmens beteiligt zu werden. Zunächst hat der Aktionär einen Anspruch auf Gewinnbeteiligung. Diese wird in der Regel als Dividende jährlich oder vierteljährlich gezahlt.66 Die Höhe der Dividende legt, nach Vorschlag des Vorstands und Aufsichtsrats, die Hauptversammlung der AG fest. Die Anteile der Aktionäre am Gewinn bestimmen sich grundsätzlich nach dem Verhältnis der Aktiennennbeträge.67 Weiterhin steht dem Aktionär ein Bezugsrecht bei der Ausgabe von "jungen" Aktien zu. Für den Fall, dass eine Aktiengesellschaft ihr Grundkapital erhöht, haben die Aktionäre das Recht, die neuen Aktien entsprechend ihrem bisherigen Anteil am Grundkapital zu beziehen, wodurch die bestehenden Besitzverhältnisse am Unternehmen auch nach der Kapitalerhöhung gesichert werden. Sodann hat der Aktionär ein Recht auf den Bezug von Zusatz- oder Berechtigungsaktien. Diese müssen dem Aktionär infolge einer Kapitalerhöhung aus der Umwandlung von Rücklagen in Eigenkapital unentgeltlich zugeteilt werden.68 Dadurch bleibt sein Vermögensanteil an der AG ebenfalls unverändert. Schließlich hat der Aktionär auch einen Anspruch auf Teilnahme am Liquidationserlös, für den Fall, dass die AG aufgelöst wird.
66 67 68
Andere Möglichkeiten der Kapitalrückgabe sind Aktienrückkauf oder Gratisaktien. Vgl. § 60 AktG. Bei (nennwertlosen) Stückaktien ist die Ausgabe solcher Aktien nicht erforderlich, da sie keinen absoluten sondern lediglich einen quotalen Anteil am Grundkapital verkörpern.
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Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
Die so genannten Verwaltungsrechte umfassen das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung, das Stimmrecht für Inhaber von Stammaktien, sowie das Auskunftsrecht. Hierzu zählt zunächst einmal der Anspruch auf Teilnahme an der HV. Es ist dem Stimmrecht nicht identisch, vielmehr ist es umfassender als dieses. Auch der Aktionär ohne Stimmrecht ist berechtigt, an der HV teilzunehmen. Die Satzung darf dieses Recht nicht einschränken. Grundsätzlich steht weiterhin jedem Aktionär in der HV ein Stimmrecht zu.69 Es kann nicht von der Aktie abgespalten und ohne diese übertragen werden.70 Schließlich hat der Aktionär in der HV gegenüber dem Vorstand auch ein Auskunftsrecht.71 Neben den allgemeinen Mitgliedschaftsrechten bestehen Sonderrechte, z.B. das Recht auf eine Vorzugsdividende. Die Hauptpflicht des Aktionärs ist die Verpflichtung zur Leistung der Einlage. Sonstige Verpflichtungen des Aktionärs sind im Regelfall unzulässig.72 Unter gewissen Voraussetzungen können in der Satzung jedoch Nebenverpflichtungen der Aktionäre festgesetzt werden.73 (d) Aktiengattungen: Grundsätzlich gibt die Aktie allen Aktionären gleiche Rechte. Der Grundsatz der Gleichbehandlung kann durch die Satzung nicht ausgeschlossen werden.74 Die Durchführung des Gleichbehandlungsgrundsatzes richtet sich, entsprechend dem Wesen der AG nach der Höhe des Kapitaleinsatzes.75 Die Ungleichbehandlung der Aktionäre ist aber zulässig, wenn sie sachlich berechtigt ist und damit nicht den Charakter der Willkür trägt.76 Das AktG lässt es damit zu, dass in der Satzung verschiedene Aktiengattungen geschaffen werden. Einzelne Gattungen von Aktien können verschiedene Rechte haben, namentlich bei der Verteilung des Gewinns und des Gesellschaftsvermögens.77 Die Aktien besonderer Gattung werden durch Bestimmung in der ursprünglichen Satzung oder durch Satzungsänderung
69
70 71
72 73 74 75 76 77
Es darf durch die Satzung nicht beeinträchtigt werden (vgl. RGZ. Bd. 55, S. 41), auch kann der Aktionär nicht wirksam darauf verzichten, indem er es auf die Gesellschaft überträgt (vgl. Baumbach/Hueck (1970) § 134 Rdnr. 3). Dies gilt, sofern nicht § 139 AktG eingreift. Vgl. BGH, NJW 198, 780. Es sichert die sachgemäße Erörterung der Gegenstände der Tagesordnung, welche der Abstimmung voranzugehen hat, und ist auch auf diese Punkte beschränkt. Vgl. RGZ (Bd. 36), S. 26, sowie ergänzend Baumbach/Hueck (1970) § 131 Rdnr. 4. Vgl. § 54 AktG und Gadow (o.J.), § 54 Anm. 6. Eine Ausnahme ermöglicht § 55 AktG mit Bezug auf sogenannte Nebenverpflichtungen der Aktionäre. Vgl. § 55 Akt und Gadow (o.J.), § 55 Anm. 1, sowie die Ausführungen zu vinkulierten Namensaktien im folgenden Abschnitt (d). Vgl. näher Hueck (1958), S. 305f. Geßler (o.J.), § 11 Rdn. 5. Vgl. BGHZ 33, 175. Vgl. § 11 AktG.
I.1 Der Markt für Eigenkapital als Wettbewerbsarena
47
geschaffen.78 Sie können nach der Übertragbarkeit, nach den Rechten des Aktionärs und nach der Aufteilung des Grundkapitals differenziert werden. Nach der Übertragbarkeit der Aktien lassen sich Aktien in Inhaber-, Namens- und vinkulierte Namensaktien unterteilen. Die Inhaberaktie ist ein so genanntes Inhaberpapier über die mitgliedschaftliche Beteiligung.79 Die Übertragung erfolgt formlos durch Einigung und Übergabe. Wer Eigentümer des Papiers ist, dem steht auch das in dem Papier verbriefte Recht zu. Bei Inhaberaktien sind die Eigentümer gegenüber der Aktiengesellschaft anonym. Die AG kann somit auch keinen Einfluss auf die Übertragung der Aktie nehmen. Im Gegensatz dazu ist die Namensaktie ein geborenes Orderpapier.80 Sie kann durch Indossament übertragen werden.81 Namensaktien sind unter der Bezeichnung des Inhabers nach Name, Wohnort und Stand in das Aktienbuch einzutragen, zu dessen Führung die AG verpflichtet ist.82 AGs können dadurch einen engeren Kontakt zu ihren Aktionären pflegen. Von einer vinkulierten Namensaktie spricht man, wenn die Übertragung der Namensaktie an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist.83 Inzwischen stellen Namensaktien die dominierende Aktiengattung dar.84 Nach den Rechten des Aktionärs lassen sich Aktien in Stamm- und Vorzugsaktien unterscheiden. Stammaktien („Voting Stock“) gewähren entsprechend ihrem Nennwert gleiche Rechte: den gleichen Anteil auf Gewinn, Beteiligung am Liquidationserlös und gleiches Stimmrecht. Vorzugsaktien („Preferred Stock“) sind mit Sonderrechten ausgestattet, wie Vorzüge bei der Verteilung des Gewinns, z.B. Dividendenvorzug oder garantierte Mindestdividende, oder Mehranteil am Liquidationserlös.85 78 79
80 81 82 83 84
85
Vgl. Balser/Bokelmann/Piorrek (1992), S. 30. Vgl. Gadow (o.J.), § 10 Anm. 5. Inhaberaktien dürfen nur ausgegeben werden, wenn die Einlagen auf die Aktien voll geleistet sind. Zwischenzeitlich können „Interimsscheine“ ausgegeben werden, welche allerdings auf den Namen lauten müssen (§ 10 Abs. 3 AktG). Vgl. Balser/Bokelmann/Piorrek (1992), S. 29 und. S. 49. Vgl. § 68 Abs. 1 AktG. § 67 Abs. 1 AktG. Inzwischen ist die Angabe der Email-Adresse ausreichend. Diese erfolgt durch den Vorstand, sofern in der Satzung nichts anderes geregelt ist. Die Satzung der AG kann zudem bestimmen, in welchen Fällen die Zustimmung verweigert werden darf. In den USA sind Inhaberaktien seit 1991 nicht mehr erlaubt. In Deutschland waren sie bis 1999 vorherrschend. Der technische Fortschritt bei der Abwicklung hat den Namensaktien jedoch zu neuer Popularität verholfen, indem sie heute genauso leicht übertragbar sind wie Inhaberpapiere. Mit dem am 25. Januar 2001 in Kraft getretenen „Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung“ wurden die notwendigen Anpassungen im deutschen Aktiengesetz vorgenommen. Vgl. Herdina/Ziegert (2001), S. 1. Inzwischen haben die meisten der DAX30 Unternehmen auf Namensaktien umgestellt. Für eine umfassende Darstellung aller mit der Namensaktie in Verbindung stehender Aspekte vgl. Rosen/Seifert (Hrsg., 2000). Mehrstimmrechte sind gemäß § 12 Abs. 2 AktG unzulässig. Sie „widersprechen dem Grundsatz, dass jeder nur so viele Rechte haben soll, wie er auf Grund seiner Kapitalbeteiligung beanspruchen kann“. Bis-
48
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
Nach der Aufteilung des Grundkapitals lassen sich Aktien in Nennwert- und nennwertlose Stückaktien (Quotenaktien) unterscheiden. Der Unterschied zwischen diesen beiden Aktienarten hat vor allem formale Bedeutung. Die Nennwertaktie („Par Stock“) bezieht sich mit ihrem Nennwert auf einen absoluten Teil des ursprünglichen Grundkapitals. Bei Stückaktien („NonPar Stock“) wird dieser Anteil quotal angegeben. Die Stückaktie hat gegenüber der Nennwertaktie eine Reihe von Vorteilen.86 Daher ist in Großbritannien, Japan und den USA schon lange die nennwertlose Stückaktie (Quotenaktie) gängig. In Deutschland wurde neben der Nennwertaktie erst seit 1998 auch die nennwertlose Stückaktie zugelassen.87 Im Zuge der Euro-Umstellung haben dann fast alle deutschen börsennotierten Gesellschaften nennwertlose Stückaktien eingeführt.88 (2)
Die Aktienbörse als Handelsplattform
Zur Beschreibung der Aktienbörse als Handelsplattform erfolgt einleitend eine allgemeine Charakterisierung der „Börse“ als Institution (a). Im Anschluss wird die spezifische Erscheinungsform der Aktienbörse dargestellt (b). Schließlich wird auf reale Segmentierungen und die daraus resultierenden Handelssegmente sowie Indizes eingegangen (c). (a) Die Börse als Institution: Die Börse stellt die institutionalisierte Form eines regulierten Marktes dar. Im Kern bedeutet das eine Verkehrskonzentration unter weitgehendem Ausschluss von Bonitätsrisiken der Handelspartner und Qualitätsrisiken der gehandelten Waren.89 An Börsen werden grundsätzlich vertretbare Güter wie Wertpapiere, Devisen, Rohstoffe oder Energie durch ausgewählte Personen und Institutionen nach strengen Regeln gehandelt. Trotz unzähliger teilweise sehr umfangreicher Definitionsversuche90 ist eine genaue Abgrenzung allerdings schwierig. Das Börsengesetz enthält bis heute keine Begriffsbestimmung der Börse.91
86 87
88 89 90 91
lang konnte der zuständige Wirtschaftsminister eines Landes Ausnahmen zulassen, wenn und soweit es zur Wahrung überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange erforderlich war. Diese vom Bundestag eingefügte Bestimmung galt schon immer als fragwürdig und umstritten und ist inzwischen nicht mehr zulässig. Vgl. insgesamt DAI (1996), S. 3ff. Rechtliche Grundlage war das Stückaktiengesetz zum 1. April 1998. Vgl. o.V. (2002a). Deutschland hat sich dabei bislang für das Konzept der so genannten unechten Stückaktie entschieden, da nach der zweiten Gesellschaftsrechtsrichtlinie der EU gezeichnetes Kapital ausgewiesen werden muss. Die Aktien sind auf Stück ausgestellt, d.h., sie verbriefen nicht direkt eine feste Quote am Unternehmen, sondern der Anteil am Vermögen ergibt sich aufgrund der Zahl der ausgegebenen Stücke. Rechnerisch muss ein Mindestnennwert von einem Euro gegeben sein. Vgl. o.V. (2002a). Vgl. Loistl (1994), S. 36. Vgl. stellvertretend Leven (2000), S. 51. Vgl. Loistl (1994), S. 35.
I.1 Der Markt für Eigenkapital als Wettbewerbsarena
49
Die wohl aktuellste Legaldefinition findet sich im KonTraG, in welchem Börse definiert wird als „Markt [...], der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum mittelbar oder unmittelbar zugänglich ist.“ (Art. 1 92 Abs. 1 c) KonTraG)
Börsen haben ihre Anfänge je nach Ansicht in den großen Handelsplätzen zum Ausgang des Mittelalters. Das Verkehrsbedürfnis der Kaufleute führte zur Institutionalisierung dieser Zusammenkünfte. Die erste Börse wurde 1409 in Brügge gegründet.93 In Deutschland begann die Entstehung von Börsen im 16. Jahrhundert. Die Beteiligten organisierten die Börse zunächst selbst. Erst sehr viel später nahm sich der Staat dieser Institution an und erließ Börsenordnungen, z.B. in Berlin 1739.94 Inzwischen hat sich auch der Wettbewerb der Märkte untereinander, sowohl national als auch international, verschärft.95 In den letzten Jahren haben sich daher die Börsen zu kundenorientierten Dienstleistern entwickelt, die sich nicht mit den klassischen, im wesentlichen vom Gesetzgeber ausgestalteten Marktsegmenten begnügt, sondern neue Produkte entwickelt haben, die sowohl den Interessen der Unternehmen als auch denen der Anleger gerecht werden sollen.96 Börsen lassen sich allgemein nach den gehandelten Gütern in Wertpapier-, Rohstoff-, Energie- und Devisenbörsen unterscheiden. Die hier im Fokus stehenden Wertpapierbörsen lassen sich in Kassa- und Terminbörsen differenzieren, wobei erstere als Aktien- und Rentenbörsen auftreten. Sie lassen sich nach dem Kursfindungsprinzip und der Ortsgebundenheit differenzieren. Die Kursfindung kann entweder nach dem Auktions- oder nach dem
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93
94 95
96
Die Formulierung in Artikel 1 Abs. 1 c) KonTraG bezieht sich eigentlich auf die Neufassung des §3 AktG Abs. 2, der den Begriff der börsennotierten Aktiengesellschaft neu definiert: „Börsennotiert im Sinne dieses Gesetztes [KonTraG; A.P.] sind Gesellschaften, deren Aktien an einem Markt gehandelt werden, der […].“. Vgl. Rosen (2000b), S. 1, sowie Häuser/Rosenstock (1997), S. 101. Dort entstand vermutlich der im kontinentaleuropäischen Sprachgebrauch gängige Begriff „Börse“ (bourse, borsa, bolsa, beuse, usw.) als Abwandlung des Namens „Van Ter Beurze“, einer Kaufmannsfamilie im belgischen Brügge, vor deren Haus zuvor täglich Geld- und Wechselgeschäfte getätigt wurden. Vgl. Heilfron (1912), S. 346, sowie Rehm (1909), S. 2, Anm. 6. Der im angelsächsischen Sprachgebrauch übliche Begriff „Stock Exchange“ geht auf das erste in London 1566 errichtete Börsengebäude zurück, welches von seinem Erbauer Thomas Gesham „Royal Exchange“ genannt wurde. Vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S. 102. Vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S. 127. Das hat auch in Deutschland zu einer Zentralisation geführt, so dass Frankfurt inzwischen zur unangefochtenen Zentralbörse geworden ist. So erfolgte 1993 die Gründung der Deutsche Börse AG, unter deren Dach die Frankfurter Wertpapierbörse, die EUREX und der XETRA-Handel vereinigt sind. Vgl. Rosen (2000c), S. 3.
50
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
Market-Maket-Prinzip erfolgen.97 In Bezug auf die Ortsgebundenheit differenziert man zwischen Präsenzbörse („Parketthandel“) und Computerbörse („Elektronischer Handel“).98 Alle an der Börse gehandelten Papiere sind so genannte Effekten. Für die Beschreibung der Effekten gibt es keine eindeutige gesetzliche Regelung.99 Grundsätzlich handelt es sich dabei um vertretbare bzw. fungible Wertpapiere100, die im Verkehr nach der Zahl, nach Stücken oder nach Nennbeträgen bestimmt werden. Die weitgehende Standardisierung und Typisierung der Eigenschaften von Effekten führen dazu, dass eine Prüfung der wesentlichen juristischen und wirtschaftlichen Merkmale nicht erforderlich und dadurch die Handelbarkeit in besonderem Maß gegeben ist. Nach der Art des verbrieften Rechts unterscheidet man die gemeinhin als Aktien bezeichneten Beteiligungs- oder Dividendenpapiere von Forderungspapieren, Mischformen, Fonds und Derivaten.101 (b) Die Aktienbörse: An den Aktienbörsen findet im Rahmen des laufenden Handels das „normale“ tägliche Geschäft mit Aktien statt. Größere Transaktionen erfolgen in der Regel außerbörslich unter Banken, Investmentfonds, Versicherungen, M&A-Spezialisten und anderen Finanzinstitutionen. Man spricht in diesem Zusammenhang von „Block-Trading“ oder „Pakethandel“. In Deutschland ist im internationalen Vergleich nur ein geringer Teil aller verbrieften Mitgliedschaftsrechte an Kapitalgesellschaften überhaupt börsennotiert. Darüber hinaus hat der Aktienmarkt auch für börsennotierte Unternehmen in Deutschland traditionell eine geringere Bedeutung bei der Unternehmensfinanzierung als in den angelsächsischen Ländern.102 Der Aktienumsatz an den Börsen und der Aktienumlauf insgesamt erreichen nur rund ein Drittel der Werte für Anleihen.103 Dennoch spielt die Aktienbörse auch in Deutschland eine besondere Rolle. Während nämlich für die nicht börsennotierten AGs ein Handel meist nur im Bereich
97 98 99
100 101 102
103
Vgl. dazu ausführlich u.a. Häuser/Rosenstock (1997), S. 135ff. Vgl. Freihube u.a. (1999), S. 1f. Häufig erfolgt ein Verweis auf § 1 Abs. 1 DepotG (vgl. Vallenthin 1974, S. 188ff.), das insbesondere Aktien, Kuxe, auf den Inhaber lautende oder durch Indossament vertretbare Schuldverschreibungen explizit aufzählt und generell auf vertretbare Wertpapiere abstellt. Vgl. Schönle (1971), S. 199ff. Andere Autoren verstehen unter Effekten generell Kapitalmarktpapiere. Vgl. Brox (1978), Rdnr. 482, sowie Hueck/Canaris (1986), S. 185. Zu den einzelnen Wertpapier-Gattungen vgl. Hueck/Canaris (1986), S. 1. Zu den Formen von Wertpapieren vgl. Loistl (1994), S. 46ff., sowie Häuser/Rosenstock (1997), S. 32. Wichtigste Form der Kapitalbeschaffung war in dem bankenorientierten deutschen System, ähnlich wie in Japan, die Kreditaufnahme. Vgl. z.B. Maselli (2000), S. 297. Obwohl Aktien und Aktienkurse unbestritten im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses stehen bleibt daher die Bedeutung von Aktien hinsichtlich Umsatz, notierter Titel, sowie Volumen zumindest an deutschen Wertpapierbörsen deutlich hinter den Rentenwerten zurück. Vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S. 202.
I.1 Der Markt für Eigenkapital als Wettbewerbsarena
51
des nicht organisierten Kapitalmarktes als diskretionärer Handel von Aktienpaketen oder ganzen Gesellschaften stattfindet (M&A), sind Organisation und Institutionalisierung der Börse Grundlage eines fortlaufenden Handels der Aktien unter Einbeziehung der größtmöglichen Anzahl von Beteiligten. Die Börse führt damit zu einer permanenten, weitgehend objektiven Bewertung der Anteile der notierten Unternehmen. Die daraus resultierende Marktkapitalisierung reflektiert die gegenwärtigen und zukünftigen Möglichkeiten des Unternehmens. In Deutschland existieren neben dem immer bedeutender werdenden XETRA®-Handel acht weitere Börsenplätze: Frankfurt, München, Stuttgart, Düsseldorf, Bremen, Hamburg, Hannover und Berlin.104 Die Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) hat sich mit ca. 75% des Umsatzes als Leitbörse in Deutschland etabliert. (c) Die reale Segmentierung des Aktienmarktes: Die an der Aktienbörse gehandelten Aktien stellen vor dem Hintergrund geeigneter Differenzierungskriterien eine heterogene Grundgesamtheit dar. Mögliche Segmentierungen basieren auf der Ausprägung der Zulassungs- und Publizitätspflichten für das emittierende Unternehmen, sodann auf der Zuordnung nach Branchen, nach Größe oder nach den Wachstumsaussichten des Unternehmens. Sie finden bei der Asset Allocation, bei der Kategorisierung von Investmentfonds, bei der Bildung von Handelssegmenten oder der Gestaltung von Indizes Verwendung, wobei die beiden letzten Begriffe in praxi nicht immer überschneidungsfrei sind.105 Im Folgenden soll (a) Börsensegmenten und (b) Aktienindizes als real existierenden, öffentlichen und permanenten Segmentierungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, da sie der Anlageentscheidung des Investors zugrunde liegen. Börsen- oder Handelssegmente dienen der Festlegung bestimmter mit der Notierung verbundener qualitativer Anforderungen an die notierten Unternehmen und werden vom Börsenbetreiber oder durch den Gesetzgeber geschaffen. Sie sind für die Öffentlichkeitswirksamkeit einer Notierung von großer Bedeutung und lassen Rückschlüsse auf die Qualität der Corporate Governance der notierten Unternehmen zu, da sie sich insbesondere nach den Regelungen bezüglich Zulassungsvoraussetzungen und Berichterstattung unterscheiden. Dabei kann es sich sowohl um staatliche Verordnungen als auch um Regelwerke der entsprechenden Börsen handeln. Staatliche Regulierung liegt der Differenzierung in Amtlicher Handel, Geregelter Markt und Freiverkehr zugrunde,106 während die Segmentierung der Deutsche Börse AG seit 104 105
106
International führende Börsen befinden sich in New York, London, Paris und Tokio. So entsprach der NEMAX-All-Share Index dem NEMAX Handelssegment und auch die entsprechenden Zulassungs- und Publizitätsrichtlinien sowohl für die Aufnahme in das Handelssegment als auch in den Index waren identisch. Vgl. die entsprechenden Informationen der Deutsche Börse AG unter www.deutsche-boerse.de, sowie das Börsengesetz in Verbindung mit dem Börsenzulassungsgesetz vom 16.12.1986, darüber hinaus ergänzend
52
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
2003 zu der Unterscheidung in General Standard und Prime Standard geführt hat (vgl. Abb. I-4). PRIME STANDARD Zusatzanforderungen - Quartalsberichte - Internationale Rechnungslegung - Unternehmenskalender - Aktive IR - Ad-hoc-Mitteilungen
Dax
MDax TecDax
SDax
Nemax
Im Prime Segment gelistete weitere Unternehmen
GENERAL STANDARD Mindestanforderungen - Jahresbericht/Halbjahresbericht - Ad-hoc-Mitteilungen in deutsch
Abb. I-4:
Handelssegmente und Indexfamilie der Deutsche Börse AG Quelle: Gries (2002), S. 29
Der General Standard stellt die gesetzlichen Mindestanforderungen des Amtlichen Handels und des geregelten Marktes. Darunter fallen Zulassungskriterien hinsichtlich Unternehmensalter, Emissionsvolumen, Mindeststückzahl der Aktien, Aktiengattungen und -streuung, sowie Folgepflichten in Bezug auf Jahresabschlüsse, Zwischenberichte, Ad-hoc-Publizität und Publikationssprache. Der Prime Standard stellt darüber hinaus weitere Transparenzanforderungen, wie Quartalsberichterstattung, Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, Veröffentlichung eines Unternehmenskalenders, Durchführung mindestens einer Analystenkonferenz pro Jahr sowie Ad-hoc-Mitteilungen und laufender Berichterstattung in englischer Sprache.107 In einer zweiten Dimension erfolgt gelegentlich die Unterscheidung nach bestimmten Charakteristika der notierten Unternehmen. Die Unterscheidung nach der Unternehmensgröße
107
Grill/Perczynski (1989), S. 401, Häuser/Rosenstock (1997), S. 152ff., Loistl (1994), S. 40 und Rosen (2000c). Vgl. die entsprechenden Veröffentlichungen der Deutsche Börse AG unter http://deutscheboerse.com/INTERNET/EXCHANGE.
I.1 Der Markt für Eigenkapital als Wettbewerbsarena
53
war bspw. Basis der Schaffung des SMAX, während die Klassifizierung als Wachstumswerte zur Einführung des Neuen Marktes führte, beides privatrechtliche Handelssegmente der Deutsche Börse AG, die inzwischen eingestellt wurden. Auch in den USA haben beispielsweise NYSE und NASDAQ zunächst unterschiedliche Anforderungen an Zulassungsvoraussetzungen und Berichtspflichten, unterscheiden sich aber darüber hinaus dadurch, dass der NYSE eine sehr hohe Mindestkapitalisierung verlangt, wodurch die NASDAQ sich strategisch primär auf Wachstumswerte ausgerichtet hat. Aktienindizes sind fiktive Aktienportfolios, welche in der Regel von Börsen, Wirtschaftsmedien, Rating-Agenturen, Finanzdienstleister oder Banken errechnet und publiziert werden. Im ersten Halbjahr 2000 gab es weltweit über 33.000 Aktienindizes.108 Sie haben eine hohe Bedeutung für Anlageentscheidungen, weshalb die Zugehörigkeit zu, die Aufnahme in oder das Herausfallen aus einem Index großen Einfluss auf die Kursentwicklung und die Finanzierungsmöglichkeiten über den Kapitalmarkt hat.109 Aktienindizes dienen als Indikator für das Marktgeschehen. Eng mit dieser Indikatorfunktion verbunden ist ihre Funktion als Benchmark, mit dem der Investor seinen Erfolg messen kann. Beim aktiven Portfoliomanagement ermöglichen sie eine Kontrolle, ob der Investor in der Lage war, durch Selektion und Timing eine Überrendite zu erzielen. Beim passiven Portfoliomanagement dienen sie als Vorbild. Bei Einzelinvestitionen dienen sie als Vergleichsmaßstab, indem die Performance einzelner Werte mit einem passenden Index verglichen werden kann, und als Qualitätsindikator, da bereits die Zugehörigkeit zu einem Index einen Gradmesser für den Erfolg des Unternehmens darstellt.110 Die Gewichtung der Indexwerte erfolgt regelmäßig als Kapitalgewichtung, entweder über die Marktkapitalisierung111 oder zunehmend auch über den sog. „Free Float“.112 Für die Auswahl wird häufig weiterhin der Börsenumsatz als aussagefähige Größe in Bezug auf die Liquidität der Aktien herangezogen.113 Der Anbieter kann zudem weitere Aspekte, wie die
108 109 110 111 112
113
Vgl. Deutsche Börse Group (2003), S. 19. Vgl. Wetzel (2000), S. 5f., u.R.a. Brealey (2000), S. 61ff. Vgl. Wetzel (2000), S. 7f. In der Angelsächsischen Literatur wird Marktkapitalisierung als Oberbegriff synonym zu Kapitalgewichtung benutzt. Der Free-Float ergibt sich aus der Marktkapitalisierung abzüglich der in festem Beteiligungsbesitz gehaltenen Kapitalanteile. Anteile passiv gemanagter Fonds werden nicht berücksichtigt. Für eine Schätzung des Free-Float in ausgewählten Industrieländern vgl. Abb. A-5 im Anhang. Im DAX erfolgt dies z.B. durch die sogenannte 35/35-Regel. Unternehmen müssen in beiden Auswahlkriterien zu den 35 größten Unternehmen zählen, um in den 30 Werte zählenden DAX aufgenommen werden zu können.
54
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
Branchenrepräsentation114 oder qualitative Kriterien, einfließen lassen. Damit werden Indexanbieter für Emittenten de facto zum Entwickler von Kapitalmarktstandards über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Als Index-Arten unterscheidet man Kurs- und PerformanceIndizes sowie Auswahl- und All-Share-Indizes.115 Von den Index-Arten zu unterscheiden sind die Index-Typen, welche nach den Auswahlkriterien differenzieren.116
I.2
Grundzüge eines strategischen Ansatzes
Der Begriff der „Strategie“117 ist ein weitgefasster Begriff mit so vielen Verwendungen im allgemeinen Sprachgebrauch, dass er fast seine Bedeutung verloren hat.118 Etymologisch entstammt er wohl dem altgriechischen Terminus „Strategos“ (Funktion des Generals im griechischen Heer), welcher sich aus „Stratos“ (das Heer) und „Agein“ (Führen) zusammensetzt.119 Auch wenn dies auf militärische Wurzeln des Begriffs hinweist, herrscht über die inhaltlichen Ursprünge des strategischen Denkens im Rahmen der Wirtschaftswissenschaften wenig Einigkeit.120 Häufig wird zwar die Militärtheorie als Ausgangspunkt des Strategiebegriffs kolportiert; so sprechen Daudel/Vialle (1989) von einer kriegerischen Sprache des unternehmerischen Wettbewerbs,121 die Angemessenheit einer solchen Analogiebildung ist jedoch strittig.122 Daneben finden sich mögliche Wurzeln123 in der Spieltheorie, aber auch in der sozialwissenschaftlichen Handlungstheorie. In der Betriebswirtschafts- und Managementlehre hat der Strategiebegriff in den 80er Jahren eine Vielfalt von Spezifizierungen auf die
114 115 116 117
118 119 120
121 122
123
Bei den Dow Jones Global Indizes wird bspw. die 60%-80%-Regel angewandt. Vgl. Wetzel (2000), S. 27. Vgl. Wetzel (2000), S. 19ff. Vgl. die Übersicht in Abb. A-6 im Anhang. Zum Begriff der „Strategie“ vgl. exemplarisch Corsten (1998), Day (1990), Hill/Jones (1992), Hinterhuber (1990), Hinterhuber/Al-Ani/Handlbauer (Hrsg., 1996), Hungenberg (2000), Kirsch (Hrsg., 1991), Müller-Stewens/Lechner (2001), sowie Wolfrum (1993). Vgl. u.a. Day (1990), S. 21. Vgl. Welge/Al-Laham (2001), S. 12 u.R.a. Mintzberg (1990a), S. 172, Evered 1983) und Bracker (1980). Eine ähnliche Ansicht findet sich bei Quinn u.a (1988), S. 2. Zur Entwicklung des Strategiebegriffs vgl. z.B. Bracker (1980), S. 219ff., oder Hinterhuber (1996), S. 17f. Einen Überblick über die deutschsprachige und angloamerikanische Literatur geben Welge/AlLaham (2001), S. 165ff. Vgl. Daudel/Vialle (1989), S. 13. Vgl. Corsten (1998), S. 3. Ein relevanter Unterschied besteht darin, dass wettbewerbliche Konkurrenzsituationen nicht zwangsläufig ein Nullsummenspiel darstellen, wie dies im Falle kriegerischer Auseinandersetzungen angenommen werden kann. Ein Großteil der strategischen Bemühungen etwa im Rahmen von Differenzierungsstrategien zielt im Gegenteil darauf ab, potentielle Gegnerschaft durch eine Besetzung von Nischen abzuwenden. Vgl. Gälweiler 1987, S. 60ff. Vgl. Wolfrum (1993), S. 40ff.
I.2 Grundzüge eines strategischen Ansatzes
55
verschiedensten Anwendungsbereiche erfahren, womit „Strategie“ und „strategisch“ zu Modewörtern mutiert sind, die damit nicht selten relativ unscharf definiert wurden oder gar deplaziert Verwendung fanden.124 Die Betonung unterschiedlicher Kriterien führte zu vielfältigen Typologien und entsprechenden Strategieschulen.125 Die Vielfalt der wissenschaftlichen Ansätze erschwert es, das Wesen des strategischen Denkens und Handelns auf nur einige wenige, voneinander unabhängige Merkmale zu reduzieren.126 Wolfrum (1993) kommt daher zu dem Schluss, eine stringente „Definition“ der strategischen Dimension müsse stets einseitig oder eklektisch ausfallen. Gerade vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten, welche mit einer allgemeingültigen Rekonstruktion des Strategiebegriffs verbunden sind, erscheint es jedoch notwendig, der Entwicklung von Positionierungen im Rahmen von Wettbewerbsstrategien eine greifbare Definition des Strategiebegriffs voranzustellen. Dies soll im folgenden geschehen, indem strategisches Handeln als „Denken in Erfolgspotenzialen“ dargestellt und auf dieser Grundlage eine allgemeine Arbeitsdefinition des Strategiebegriffs entwickelt wird (I.2.1). Im Anschluss werden die Besonderheiten der Wettbewerbsstrategien und davon ausgehend der Positionierung erläutert (I.2.2).
I.2.1
Strategisches Agieren als das „Denken in Erfolgspotenzialen“
In einer ersten Annäherung an das Wesen des Strategischen, können Strategien wertneutral als Handlungsmuster definiert werden, welche in Beziehung zu Zielen, Ressourcen und Umweltbedingungen stehen (1). Da diese Handlungsmuster das Erreichen von Zielen in einer unsicheren Zukunft ermöglichen sollen, zielen sie zunächst auf so genannte Erfolgspotenziale als Möglichkeiten des Erfolgs (2). (1)
Eine Annäherung an das Wesen des „Strategischen“
Für eine Annäherung an das Wesen des „Strategischen“ erscheinen zwei Perspektiven als fruchtbar: der erste Blick richtet sich auf die formale Struktur (a) und der zweiten auf die Inhalte (b) von Strategien. 124
125
126
Vgl. „Strategisches Management / Strategische Unternehmensführung“ in Arentzen (Hrsg., 1993). Das führte zum dem Versuch der GSP, die in der Literatur anzutreffenden Definitionen grob zu klassifizieren. Hanssmann (1985) unterschied dabei in formale, instrumentelle und teleologische Definitionen. So wird bspw. unterschieden nach dem strategischen Urheber, dem strategischen Aktor, dem strategischen Grundprinzip, der strategischen Zielgruppe oder der Intention/Realisation einer Strategie. Vgl. Corsten (1998), S. 6f. Vgl. Wolfrum (1993), S. 53.
56
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
(a) Das „strategische Format“: In der Literatur wird Strategie als in sich konsistentes Handlungsmuster angesehen. Mintzberg (1978) bezeichnet sie als Muster in einem Strom von Entscheidungen oder Aktionen und Handlungen.127 Im Kontext der Unternehmung lässt sich dieses Muster als „Handlungsplan“ oder „Handlungsprogramm“ auffassen.128 Dabei wird unterschieden zwischen Strategien im engeren Sinne und strategischen Manövern. Während Strategien i.e.S. als handlungsleitende Orientierungen verstanden werden, die dem Handeln der Mitglieder einer Unternehmung ex ante zugrunde liegen, Kirsch spricht von „Wegbeschreibungen“129, handelt es sich bei strategischen Manövern um Ex-postRekonstruktionen der tatsächlich beobachtbaren Unternehmensentwicklung.130 In Zusammenhang mit der Bezeichnung eines solchen Verhaltensmusters131 als Strategie ist regelmäßig das Auftreten einer zugrundeliegenden Zielorientierung zu beobachten.132 Kirsch beschreibt Ziele als „angestrebte zukünftige Zustände der Welt“, zu denen Strategien in Umrissen Wege beschreiben.133 Im Kontext der Unternehmung können Ziele mit unternehmerischem Erfolg gleichgesetzt werden. Da die Gesichtspunkte, nach denen der Erfolg unternehmerischen Handelns beurteilt wird, jedoch vielfältig sind und erst im Rahmen eines unternehmensindividuellen politischen Aushandlungsprozesses legitimiert werden, lässt sich über die Art der Ziele ex ante keine Aussage treffen. Diese Thematik wird bei Kirsch im Rahmen der „Modelle der Sinnorientierung“ in Unternehmen134 aufgegriffen. Kirsch unterscheidet dort ein Zielmodell, ein Überlebensmodell und ein Fortschrittsmodell. Ferner ist die Abhängigkeit von verfügbaren Ressourcen zur Erreichung des angestrebten Zieles ein determinierendes Merkmal einer jeden Strategie. Im Kontext der Unternehmung können darunter sowohl das Personal als auch Technologien, Finanzmittel, Rohstoffe oder Informationen verstanden werden. Bei der Gestaltung von Strategien ist daher immer diese „Ressourcenschranke“ zu beachten, welche den Möglichkeitenraum denkbarer Strategievarianten begrenzt.135
127 128
129 130 131 132 133 134 135
Vgl. Mintzberg (1978), S. 935, sowie Mintzberg/Waters (1985), S. 257. Vgl. Corsten (1998), S. 3 u.R.a. Heß (1991), S. 47ff. Dies entspricht auch der weitgehend homogenen Meinung im Schrifttum. Vgl. hierzu Wolfrum (1993), S. 32 u.R.a. Glueck (1976), S. 3, Evered (1983), S. 70, Diesch (1986), S. 34ff., Gälweiler (1987), S. 66, sowie Kreikebaum (1989), S. 25f. und die dort angegebene Literatur. Vgl. Wolfrum (1993), S. 29, u.R.a. Kirsch (1991b), S. 112. Vgl. Obring (1992), S. 81 und ausführlich Kirsch/Habel (1991), Kirsch (1991b), sowie Kirsch (1996). Chandler (1962), S. 13, spricht in diesem Zusammenhang von Handlungsverläufen („courses of action“). Vgl. Wolfrum (1993), S. 32. Vgl. Kirsch (1991a), S. 19. Vgl. Kirsch (1990) sowie Kirsch (1991a), S. 11f. und S. 20. Vgl. Ringlstetter (1997), S. 30, teilweise u.R.a. Obring (1992), S. 163ff.
I.2 Grundzüge eines strategischen Ansatzes
57
Schließlich ist die Umwelt als notwendige Bezugsgröße des Strategen, zumindest aber als Einflussfaktor auf die Ausgestaltung von Strategien ein wesentliches Merkmal.136 Wolfrum (1993) spricht im Kontext des Unternehmens in diesem Zusammenhang von dem „Umgang mit (sozialer) Interdependenz, den Relationen im organisatorischen Feld“137. Im Kontext der Unternehmung lässt Strategie sich definieren als „grundsätzliche Umschreibung, Charakterisierung und/oder Kennzeichnung von Verfahrensweisen, mit denen sich eine Organisation gegenüber ihrem Umfeld zu behaupten versucht“138. Dabei erscheint es sinnvoll, die unmittelbar relevanten Teile der Umwelt von den weniger bedeutsamen zu unterscheiden. Dies ist in den Wirtschaftswissenschaften zunächst durch die Einteilung in Aufgabenumwelt und generelle Umwelt geschehen139, welche dann später im Rahmen der Marktstrukturanalyse, basierend auf dem Industrial Organization Paradigma, bei Porter (1979, 1980) eine Präzisierung erfuhr.140 In einem ersten Zugriff lassen sich Strategien im Kontext der Unternehmung also als Handlungsmuster verstehen, die unter Beachtung von Umweltgegebenheiten und Unternehmensressourcen die Erreichung übergeordneter Unternehmungsziele sicherstellen sollen.141 Diese Definition stellt bereits eine brauchbare begriffliche Abgrenzung dar, ist aber bei genauer Betrachtung nach wie vor gewissermaßen „hohl“. Der Schlüssel zum „Wesen“ des Strategischen scheint erst in einer näheren Betrachtung des angesprochenen Handlungsmusters zu liegen. (b) Der Schlüssel zum „Wesen“ des Strategischen: Im Rahmen seines Ansatzes eines „Integrativ-Strategischen Managements“ (ISM) identifiziert Scholz (1987) drei in der Literatur anzutreffende Merkmale: die Betonung des Wichtigen (Relevanz), die methodische Beschränkung auf wesentliche Gesichtspunkte (Vereinfachung) und das Streben nach frühzeitigem Handeln (Proaktivität).142 Der letztgenannte Punkt spricht die Tatsache an, dass die strategische Dimension eine Zukunftsorientierung aufweist. Dabei handelt es sich naturgemäß um eine offene, nicht prognostizierbare Zukunft, wobei mit der Länge des Betrachtungszeit-
136 137 138 139
140 141 142
Vgl. Werkmann (1989), S. 37. Wolfrum (1993), S. 55. Vgl. „Strategie“ in Arentzen (Hrsg., 1993). Ausgangspunkt dieser Überlegungen war die empirischen Organisationsforschung zum Einfluss der Unternehmensumwelt auf die Organisationsstruktur und das Verhalten der Organisationsmitglieder. Vgl. exemplarisch Dill (1958) und Hall (1972). Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Unterkapitel I.2.2, S. 59ff. Ähnlich Hofer/Schendel (1978), S. 25, Noetel (1993), S. 55 und Segler (1981), S. 237. Scholz (1987), S. 32ff.
58
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
raums tendenziell dessen Prognostizierbarkeit abnimmt.143 Vor diesem Hintergrund lässt sich folgern, dass es bei der Formulierung von Strategien um die Handhabung von Unsicherheit geht. Je weniger es möglich ist, Dynamik und Komplexitätsgrad zukünftiger Situationen zu erkennen, desto zwingender wird es, „Strategien zu suchen und zu finden, die auf die Bewältigung des Unerwarteten und nicht auf Optimierung des Erwarteten ausgerichtet sind.“144 Eine solche „Bewältigung des Unerwarteten“ basiert gewissermaßen auf der Erwartung des Unerwarteten, was die grundsätzliche Anerkennung der Möglichkeit zukünftiger Ereignisse voraussetzt. Diesen Akt der Antizipation bezeichnet Kirsch (1991a) als „Denken in möglichen Welten“.145 Das Strategische hat also etwas mit dem Aufbau – insgesamt der Gestaltung - von Handlungsmöglichkeiten zu tun. Ein Ziel wird damit nicht direkt angesteuert, sondern es wird eine Art Umweg beschritten, welcher zunächst lediglich Handlungsmöglichkeiten eröffnet, die erforderlich sind, um das angestrebte Ziel unter verschiedensten Umweltbedingungen erreichen zu können. Eine ähnliche Auffassung vertrat bereits Xenophon, auf welchen die Formulierung zurückgeht, dass die Kunst der Strategie in der Kunst der Wahrung der Handlungsfreiheit bestehe.146 Es werden also zunächst in Hinsicht auf mögliche zukünftige Welten Potenziale aufgebaut, welche dann bei Bedarf realisiert werden können.147 Das schließt die Entwicklung von Fähigkeiten ein, die nicht unmittelbar markt- bzw. wettbewerbsrelevant sein müssen, sondern diese „marktnahen“ Fähigkeiten gleichsam vorsteuern. Im Mittelpunkt des strategischen Denkens stehen also die „strukturellen Vorbedingungen“ oder „die Bedingungen der Möglichkeit“148 des operativen Geschehens. Da es sich bei den Zielen von Strategien immer um irgendwie geartete Erfolge handelt, lässt sich feststellen, dass strategische Handlungsmuster auf die Entwicklung von Erfolgspotenzialen als Vorsteuergrößen zukünftiger Erfolge gerichtet sind. Betrachtet man also Strategien als formierte oder formulierte „strategische Wegbeschreibungen und umschreibt das Adjektiv „strategisch“ mit der Formulierung „die Erfolgspotenziale
143 144 145 146 147
148
Vgl. Wolfrum (1993), S. 57. Bernet (1985), S. 5. Vgl. Kirsch (1991a), S. 17. Vgl. Xenophon (o.J.), S. 5f., zitiert bei Hinterhuber (1990), S. 8. Kirsch u.a. (1990), S. 145, sowie Wolfrum (1993), S. 54 illustrieren dies mit einem Bild aus der Forstwirtschaft: Der Potenzialaufbau entspricht dem Aufforsten eines Waldes und die Potenzialnutzung dem Fällen der Bäume und Holzhacken. Luhmann (1982), S. 155.
I.2 Grundzüge eines strategischen Ansatzes
59
signifikant betreffend“, so lassen sich Strategien als formierte oder formulierte, die Erfolgspotenziale signifikant betreffende Wegbeschreibungen interpretieren.149 (2)
Erfolgspotenziale als zentrale Bezugspunkte einer Strategie
Die unter (1) getroffenen Überlegungen und insbesondere die resultierende Definition lassen die herausragende Bedeutung der Erfolgspotenziale für einen Zugang zu Strategien deutlich werden. Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden zunächst typische Merkmale (a) und dann die Schaffung von Erfolgspotenzialen (b) näher betrachtet werden. (a) Merkmale von Erfolgspotenzialen: Die Bedeutung der Erfolgspotenziale wurde hervorgehoben von Gälweiler (1974), der diese als zentralen Bezugspunkt einer strategischen Planung, später als die im Mittelpunkt stehende Führungs- und Steuerungsgröße bezeichnet.150 Er bezeichnet Erfolgspotenziale als das „Gefüge sämtlicher jeweils geschäftsspezifisch erfolgsrelevanter Voraussetzungen“151. Eine generelle Begriffserklärung erfolgt bei Gälweiler jedoch nicht. Einen Beitrag hierzu liefern Kirsch/Esser/Gabele (1979), indem sie dieses Sprachspiel in das Episoden-Konzept integrieren und in diesem Zusammenhang Potenziale als Konstellationen struktureller Merkmale interpretieren: „Potenziale eines Aktors (Individuums, sozialen Systems) für eine oder mehrere interessierende Episoden [...] manifestieren sich in spezifischen Konstellationen struktureller Merkmale des für die Analyse dieser Episoden relevanten sozio-ökonomischen (Um)Feldes, die zum Teil bewußt gestaltet werden und deren Existenz im Falle einer Aktivierung Wirkungen auf die interessierenden Episoden zeitigt.“ (Kirsch/Esser/Gabele 1979, S. 238)
Die Notwendigkeit der Aktivierung von Erfolgspotenzialen weist darauf hin, dass diese allein noch keine hinreichende Bedingung für das Auftreten von Erfolgswirkungen darstellen.152 Sie stellen darüber hinaus aber auch keine notwendige Bedingung dar, weil nämlich davon ausgegangen werden muss, dass zu den jeweiligen strukturellen Konstellationen - gegebenenfalls nicht einmal bewusst aufgebaute - funktionale Äquivalente153 existieren können, die dieselben Wirkungen zeitigen.154 Zur geplanten Ansteuerung von Erfolgen kann das Warten auf zufälli-
149 150 151 152 153 154
Vgl. Wolfrum (1993), S. 34. Vgl. Gälweiler (1987), S. 23. In früheren Veröffentlichungen verwendet Gälweiler die Bezeichnung Ertragspotenziale. Vgl. Gälweiler (1974), S. 132ff. Gälweiler (1987), S. 26. Vgl. Kirsch/Kutschker (1978), S. 42, sowie Kirsch/Esser/Gabele (1979), S. 239. Zum Begriff des Äquivalenz-Funktionalismus vgl. Kirsch (1989), S. 450 sowie ausführlich Luhmann (1971). Vgl. Kirsch (1984), S. 636.
60
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
ge funktionale Äquivalente allerdings keine ernsthafte Alternative darstellen. Ein bewusstes Vorsteuern zukünftiger Erfolge bedarf mithin des Aufbaus von Erfolgspotenzialen. Diese Sichtweise etablierte sich als grundlegender Bestandteil der Explikation des typisch Strategischen im Rahmen der Forschung zum strategischen Management insbesondere der Münchner Schule.155 Sie wurde von verschiedenen Autoren im Rahmen ihrer Arbeit zu Strategien oder zum strategischen Handeln aufgegriffen und weiter entwickelt.156 Nach der in diesen Arbeiten vertretenen allgemeinen Auffassung handelt es sich bei Erfolgspotenzialen „um eine in einer Unternehmung durch den Aufbau von wichtigen und dominierenden Fähigkeiten bewusst geschaffene Voraussetzung, die es dieser Unternehmung erlaubt, im Vergleich zur Konkurrenz langfristig überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen“.157 Zentrales Merkmal dabei ist die Gegenüberstellung von kritischen Erfolgsfaktoren auf der einen Seite und den Fähigkeiten des Unternehmens auf der anderen Seite. Wolfrum (1993) verwendet zur Illustration in Anlehnung an Kirsch die Metapher von Schlüssel (organisatorische Fähigkeiten) und Schloss (sich bietende Gelegenheiten).158 Dies erinnert stark an den S.W.O.T.-Ansatz als Grundmodell der „Design School“,159 dessen zentraler Gedanke in der Herstellung eines „Fit“ zwischen Unternehmen und Umwelt besteht.160 Das Sprachspiel der Gefahren und Gelegenheiten, der relativen Stärken und Schwächen und die dahinterstehende Denkweise hat nicht nur die anderen „Schools of Thought“, sondern auch die verbreitete Auffassung einer „strategischen Denke“ maßgeblich beeinflusst.161 Die Design School allerdings sieht die Strategiegenerierung als kreativen Akt, was den Rückgriff auf Normstrategien, wie sie für die „Positioning School“ typisch sind, zu verbieten scheint. Dieser Widerspruch wird jedoch von Porter (1998a) entschärft, indem er verschiedene Konkretisierungsebenen der Strategiegenese unterscheidet: „[...] Firms have discovered many different approaches to this end, and the best strategy for a given firm is ultimately a unique construction reflecting its particular circumstances. However, at the broadest level we can identify […] internally consistent generic strategies [...].” (Porter 1998a, S. 34) 155 156 157
158 159 160 161
Vgl. Kirsch/Maaßen (1990), Kirsch u.a. (1990), sowie Kirsch (1991a). Vgl. exemplarisch Pümpin (1982, 1992), Scholz (1987), Richert (1992), S. 102f. oder MüllerStewens/Lechner (2001), S. 19f. Pümpin (1982), S. 34, unterscheidet als grundsätzliche Arten produktbezogene, marktbezogene und funktionale „Erfolgspositionen“. In einer späteren Veröffentlichung findet sich ein deutlich stärker differenziertes Spektrum. Vgl. Pümpin (1992), S. 31ff. Vgl. Wolfrum (1993), S. 62. Vgl. Wolfrum (1993), S. 17 u.R.a. Mintzberg (1990b), S. 112. Zum Ansatz der „Design School“ vgl. insgesamt Learned u.a. (1965), sowie Mintzberg (1990a). Vgl. Venkatraman/Camillus (1984). Vgl. Wolfrum (1993), S. 18f.
I.2 Grundzüge eines strategischen Ansatzes
61
In diesem Sinne wird in dieser Arbeit davon ausgegangen, dass es möglich ist, „robuste“ Grundstrategien zur Positionierung im Wettbewerb um Eigenkapital zu entwickeln, welche allerdings weder als abschließende Aufzählung begriffen werden sollen, noch auf eine Anpassung an die jeweils spezifische Unternehmenssituation gänzlich verzichten können. Die Aufgabe solcher Strategien besteht mithin darin, „Ziel- und Aktionsräume“ im Hinblick auf Aufbau und Aktivierung relevanter Erfolgspotenziale im Unternehmen zu definieren.162 (b) Schaffung von Erfolgspotenzialen: Die Ausgestaltung dieser „Ziel- und Aktionsräume“ erfordert die Annahme bestimmter und gleichzeitig die Ablehnung anderer Handlungsalternativen. Porter formuliert dies so: “The importance of fit among functional policies is one of the oldest ideas in strategy. […] The essence of strategy is choosing what not to do. Without trade-offs, there would be no need for choice and thus no need for strategy.” (Porter 1996a, S. 57ff.)
Gründe für die Notwendigkeit solcher Trade-offs, also der Auswahl und damit auch der Ablehnung bestimmter Handlungsalternativen liegen in andernfalls möglichen Inkonsistenzen im Image bzw. der Reputation, in der eingeschränkten Eignung bestimmter internen Koordinations- und Kontrollsysteme und in der Notwendigkeit unterschiedlicher ProduktKonfigurationen, unterschiedlicher Ausstattung, Mitarbeiterverhalten, Fähigkeiten und Management-Systemen für unterschiedliche Positionierungen. Solche Konsistenzen müssen sowohl zwischen den einzelnen Aktivitäten und der Gesamtstrategie bestehen als auch zwischen den einzelnen Aktivitäten untereinander, die sich dadurch gegenseitig erleichtern und in ihrer Wirkung verstärken.163 Um eine zielgerichtete Auswahl von Handlungsalternativen im obigen Sinne zu gewährleisten, muss der Wirkungszusammenhang beim Entstehen von Erfolgspotenzialen transparent gemacht werden. Die wohl umfassendste und analytisch sauberste Ausarbeitung zur Entstehung von Erfolgspotenzialen findet sich bei Krüger/Schwarz (1990), welche diese auf die Ausgestaltung von in Erfolgssegmente gegliederten Erfolgsfaktoren zurückführen.164 Die Güte der Ausgestaltung wird bei Krüger/Schwarz (1990) durch Erfolgsdimensionen erfasst welche sich auf die segmentinterne Abstimmung (Intra-Segment-Fit), die Abstimmung zwischen den Segmenten (Inter-Segment-Fit) und die Abstimmung zwischen den Segmenten und der Umwelt (Segment-Umwelt-Fit) beziehen. Dieser Ansatz dient als Grundlage der weiteren Argumentation und wird daher im folgenden etwas modifiziert erläutert:
162 163 164
Vgl. Scholz (1987), S. 33. Vgl. Porter (1996), S. 61ff. Vgl. Krüger/Schwarz (1990), S. 192.
62
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
Ausgangspunkt der Entstehung von Erfolgspotenzialen sind Erfolgsfaktoren. Diese beschreiben allgemeine, relativ abstrakt formulierte, isolierte Einflussgrößen innerhalb und außerhalb des Unternehmens, die den Erfolg von Unternehmen „vorsteuern“. Der Aufbau von Erfolgspotenzialen eines Unternehmens als unternehmensspezifische, konkrete, in der Regel relativ komplexe Wirkungsgefüge bestimmter erfolgsrelevanter Variablen, beginnt nun mit der Verfügbarmachung von internen und externen Erfolgsfaktoren. Dies geschieht, allgemein gesprochen, durch die Zuordnung von Ressourcen zu relevanten Aspekten. Dabei kann es sich um monetäre, materielle, aber auch immaterielle Ressourcen wie Humanpotenzial oder Managementzeit handeln.165 Die Stärke des jeweiligen Erfolgspotenzials hängt damit zunächst von der Verfügbarkeit der jeweils relevanten Erfolgsfaktoren ab. Aber auch verfügbar gemachte Erfolgsfaktoren leisten unterschiedlich hohe, ggf. sogar negative, Beiträge zum Aufbau einzelner Erfolgspotenziale. Für einen positiven Beitrag ist die Kompatibilität („Fit“) der vorhandenen Erfolgsfaktoren erforderlich.
I.2.2
Wettbewerbsstrategien und Positionierung
Der Begriff „Wettbewerbsstrategie“ wurde entscheidend geprägt von Porter (1980). Dabei handelt es sich um eine teleologische Strategie-Definition,166 d.h., sie zeichnet sich durch eine Zielgerichtetheit aus. In seiner Veröffentlichung „Competitive Strategy“ geht es um die Wahl geeigneter Strategien, um im Spannungsfeld der fünf Wettbewerbskräfte eine gefestigte Branchenposition zu schaffen.167 Porter entwickelte vor diesem Hintergrund Normstrategien oder „Generic Strategies“, die sich in einer zweidimensionalen Vierfelder-Matrix verorten lassen. Zentraler Aktionsparameter aller Wettbewerbsstrategien ist die Produkt-Markt-Kombination. Als strategischen Vorteil unterscheidet er Differenzierungsvorteile und Kostenvorteile, als strategisches Zielobjekt Marktsegment und Gesamtmarkt. Daraus ergeben sich als generische Wettbewerbsstrategien „Kostenführerschaft“ und „Differenzierung“, sowie „Fokussierung“. Typisch für Wettbewerbsstrategien sind ihre Zielsetzung und das spezifische Verständnis der Unternehmensumwelt (1). Vor diesem Hintergrund treffen sie eine Aussage über die Art und Weise, wie eine Unternehmung sich mit einer Wettbewerbssituation auseinandersetzen
165
166 167
Vgl. Pümpin (1992), S. 36. An dieser Stelle ist die Parallele zum Kernkompetenzen-Konzept, auffällig. Dieses besagt, dass die Kernkompetenzen eines Unternehmens möglichst gut mit den zentralen Erfolgsfaktoren übereinstimmen sollten. Vgl. Hanssmann (1985), der formale, instrumentelle und teleologische Definitionen strategischer Planung unterscheidet. Vgl. Porter (1980).
I.2 Grundzüge eines strategischen Ansatzes
63
sollte. Die nach außen sichtbare Manifestation dieser Strategie kann im weitesten Sinn als Positionierung bezeichnet werden (2). (1)
Relative Wettbewerbsvorteile als Ziel einer Wettbewerbsstrategie
Typischerweise bestehen die Ziele bei Wettbewerbsstrategien darin, Wettbewerbsvorteile aufzubauen, um eine langfristig verteidigungsfähige Wettbewerbsposition zu erreichen (a).168 Dabei basieren sie auf einem wettbewerbsspezifischen Verständnis der relevanten Unternehmensumwelt (b). (a) Relative Wettbewerbsvorteile: Wenn davon gesprochen wird, dass aufzubauende Erfolgspotenziale sich auf Wettbewerbsvorteile beziehen sollen, dann scheint es sinnvoll, den Begriff „Wettbewerbsvorteile“ näher zu betrachten. Ein Blick auf die Definition des Wettbewerbs führt hier weiter. Zäpfel/Pölz (1987) charakterisieren wirtschaftlichen Wettbewerb als „das direkt empfundene oder indirekt vorhandene Rivalisieren von Wirtschaftseinheiten [...], um für die einzelnen vorteilhafte Geschäftsabschlüsse [...]“169 zu erlangen. Vorteile in einem solchermaßen verstandenen Wettbewerb müssen sich im Kaufverhalten widerspiegeln. Sie haben also aus Unternehmenssicht die Konsequenz, dass sich ein quasi monopolistischer, reaktionsfreier Gestaltungsspielraum ergibt, in dem eine geringe Nachfrageelastizität gegeben ist.170 Ein Wettbewerbsvorteil lässt sich somit – in einer Präzisierung der oben getroffenen Aussage171 – durch folgende 3 Aussagen beschreiben:172 Erstens muss er sich auf ein für den Kunden wichtiges Leistungsmerkmal beziehen. Nur dann hat er das Potenzial, dessen Entscheidungsverhalten zu beeinflussen. Ob ein Merkmal für den Abnehmer wichtig ist, hängt davon ab, ob es für ihn nutzenrelevant ist. Auf Wettbewerbsvorteile gerichtete Erfolgspotenziale stellen also gleichzeitig Nutzenpotenziale für die Abnehmer dar. Zweitens muss er vom Kunden tatsächlich wahrgenommen werden können. Ein versteckter Nutzen kommt dem Abnehmer zwar zugute, kann aber nicht in die Entscheidungsfindung einfließen und daher keine Wirkungen im Kaufverhalten hervorrufen.
168 169 170 171 172
Vgl. Hax/Majluf (1988), S. 39 u. Bresser (1989), S. 545, sowie Schreyögg (1984), S. 5. Zäpfel/Pölz (1987), S. 257, zitiert bei Bartling (1992), S. 735. Vgl. Schreyögg (1984), S. 27. Corsten (1998), S. 12, spricht in diesem Zusammenhang von einer „doppelt geknickten Preis-Absatz-Funktion“. Vgl. Abschnitt I.2.1(2), S. 59ff. Vgl. Corsten (1998), S. 11.
64
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
Drittens sollte er von der Konkurrenz nicht schnell einholbar sein. Olemotz (1995) verwendet dieses Kriterium, um zwischen (dauerhaftem) strategischem und (kurzfristigem) operativem Wettbewerbsvorteil zu unterscheiden. Der Nutzen dient in diesem Zusammenhang als vermittelndes Konstrukt zwischen der Leistung und dem Nachfrager zur Erklärung des Kaufverhaltens.173 Auch Pümpin (1992) betont in diesem Zusammenhang den Kundennutzen als zentrale Referenzgröße und spricht von (internen und externen) Nutzenpotenzialen als „Quellen der Wertschöpfung“.174 Diese beschreibt er als „attraktive Konstellationen in der Umwelt, im Markt, oder im Unternehmen selbst, die durch Aktivitäten des Unternehmens zum Nutzen seiner Bezugsgruppen erschlossen werden können“. Eine erfolgreiche Strategie muss daher in seinen Augen auf attraktive Nutzenpotenziale ausgerichtet sein, um Wettbewerbsvorteile generieren zu können. Solchermaßen verstandene Wettbewerbsvorteile – oder auf Wettbewerbsvorteile gerichtete Erfolgspotenziale – können interne und externe Quellen haben. Diese Annahme basiert auf zwei verschiedenen Forschungsansätzen, denen unterschiedliche Paradigmen zugrunde liegen: dem marktorientierten („Market-Based-View“) und dem ressourcenorientierten Ansatz („Resource-Based-View“).175 Der marktorientierte Ansatz (MBV) stammt aus der Industrieökonomik. Er basiert auf dem Structure-Conduct-Performance Paradigma, welches besagt, dass die Marktstruktur (Structure) das Marktverhalten (Conduct) und dieses das Marktergebnis (Performance) beeinflusst. Somit wird versucht, Beziehungen zwischen der Marktstruktur und der durchschnittlichen Branchenattraktivität herzustellen, wobei überdurchschnittliche Gewinne auf der Grundlage der Bedingungen unvollständiger Märkte erklärt werden.176 Die Unternehmung muss versuchen, die Kundenbedürfnisse im Vergleich zur Konkurrenz besser zu befriedigen, um so wahrnehmbare, geschäftsfeldspezifische Vorteile zu erlangen. Dabei handelt es sich in der Regel um produktbezogene Kosten- oder Differenzierungsvorteile. Der ressourcenorientierte Ansatz (RBV) erklärt den Erfolg des Unternehmens aus einer internen Perspektive, d. h. die Einzigartigkeit der Ressourcen einer Unternehmung wird als Ursprung von Wettbewerbsvorteilen gesehen. Das Potenzial eines Unternehmens (Ressource) ist somit ausschlaggebend für die gewählte Strategie (Conduct), welche wiederum über den 173 174
175 176
Vgl. Feuerhake (1991), S. 35. Vgl. Pümpin (1992), S. 20ff. Er nennt beispielsweise Beschaffungspotenzial, externes Humanpotenzial, Finanzpotenzial und Imagepotenzial als externe Nutzenpotenziale sowie Bilanzpotenzial, Immobilienpotenzial, internes Humanpotenzial, Know-How-Potenzial und Standortpotenzial als interne Nutzenpotenziale. Vgl. allgemein Corsten (1998), S. 16 und Schreyögg (1984), S. 55. Vgl. Corsten (1998), S. 18 u.R.a. Bamberger/Wrona (1996), S. 146.
I.2 Grundzüge eines strategischen Ansatzes
65
Markterfolg (Performance) entscheidet. Es wird davon ausgegangen, dass jede Unternehmung über spezifische Ressourcen und Fähigkeiten verfügt, die durch gezielte Kombination zum Aufbau von Erfolgspotenzialen beitragen können.177 Diese zunächst konträr erscheinenden Ansätze schließen sich nach herrschender Meinung jedoch nicht gegenseitig aus sondern ergänzen sich.178 Ähnlich denkt offensichtlich auch Porter, welcher zur Bestimmung generischer Wettbewerbsstrategien die Wertkette des Unternehmens als Analyseinstrument heranzieht. Damit werden interne Fähigkeiten im Sinne des RBV als Grundlage für das Agieren im Markt im Sinne des MBV akzeptiert.
Marktorientierter Ansatz
Externe Bedingungen
Schlüsselerfolgsfaktoren Erfolgspotential
Interne Bedingungen
Wettbewerbsrelevante Ressourcen
Ressourcenorientierter Ansatz
Abb. I-5:
Interdependenz zwischen marktorientiertem und ressourcenorientiertem Ansatz bei der Erklärung der Entstehung von Erfolgspotenzialen Quelle: Corsten (1998), S. 21
Abb. I-5 zeigt, dass zwischen den Schlüsselfaktoren, die aus der marktorientierten Sicht resultieren, und den wettbewerbsrelevanten Ressourcen eine wechselseitige Beziehung gegeben ist, die einerseits auf einen gegenseitigen Abstimmungsbedarf und andererseits auf ein synergetisches Zusammenwirken im Hinblick auf das Erfolgspotenzial hinweist.179 (b) Unternehmensumwelt: Aufbauend auf die Einteilung in generelle Umwelt und Aufgabenumwelt180 lässt sich die Branche, der ein Unternehmen zuzuordnen ist, als unmittelbar
177 178 179 180
Vgl. Corsten (1998), S. 20. Vgl. Corsten (1998), S. 18 u.R.a. Bamberger/Wrona (1996), S. 147, Buchholz/Olemotz (1995), S. 3, sowie Child (1972), S. 18. Vgl. Bamberger/Wrona (1996), S. 147 und 149. Vgl. Abschnitt I.2.1(1).
66
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
wettbewerbsrelevanter Umweltausschnitt (bzw. Aufgabenumwelt) ansetzen.181 Eine Begründung für diese Auswahl findet sich bei Bain (1968), welcher in der Denktradition der Industrial Organization feststellt: „The industry is the primary focus of competitive forces; it is its structure which primarily conditions enterprise conduct and performance; it is the logical and convenient unit for study as we consider the conduct and performance of enterprise.” (Bain 1968, S. 6f.)
In diesem als Marktstrukturkonzept von Bain (1968) bekannt gewordenen Ansatz bezeichnet ein Industriezweig bzw. eine Branche eine Untergruppe von Anbietern, die in einer engen Substitutionsbeziehung stehende Güter an eine gemeinsame Abnehmergruppe vertreiben.182 Diese Abgrenzung wird im Konzept der strategischen Gruppen aufgegriffen und verfeinert.183 Dabei handelt es sich um Cluster von Unternehmen innerhalb einer Branche, die primär ähnlichen oder gleichen Strategien folgen und deren Produkte vom Käufer als Substitute wahrgenommen werden. Zwischen unterschiedlichen strategischen Gruppen bestehen so genannte „Mobilitätsbarrieren“, die darauf zurückzuführen sind, dass die Strategiewahl, welche die Zugehörigkeit zu einer bestimmten strategischen Gruppe begründet, Trade-Offs beinhaltet. Der Wechsel in eine andere strategische Gruppe würde die Verfolgung einer mit der gegenwärtigen Ausrichtung nicht zu vereinbarenden Strategie voraussetzen.184 Dadurch wird die Wettbewerbsarena gegen neue Wettbewerber abgeschottet, gleichzeitig wird aber auch der Wechsel in andere Gruppen erschwert.185 Die für strategische Gruppen relevante ProduktMarkt-Kombination lässt sich aus Sicht der beteiligten Unternehmen als strategisches Geschäftsfeld (SGF) bezeichnen. Vor diesem Hintergrund wird auch deutlich, dass Wettbewerb in seiner direkten Form nicht zwischen juristischen Einheiten sondern zwischen sog. strategischen Geschäftsbereichen mit jeweils homogener strategischer Ausrichtung stattfindet, denen diese SGFs zugeordnet werden können. Sind unterschiedliche Cluster von Unternehmen lediglich durch freiwillig gesetzte oder grundsätzlich überwindbare Wechselbarrieren voneinander getrennt, bietet sich der Begriff der „quasi-strategischen Gruppe“ an. Abb. I-6 fasst die wesentlichen Aussagen aus Abschnitt (1) nochmals zusammen: Die Wettbewerbsstrategie bestimmt die Art und Weise, mit der die Unternehmung in einzelnen strategischen Geschäftsfeldern in Wettbewerb treten soll. Grundlage des Handelns ist eine im Wettbewerbsvergleich überlegene Leistungsfähigkeit, die eine relative Unangreifbarkeit gegenüber Wettbewerbern begründet. Aufgrund eines dadurch entstehenden, für den Kunden 181 182 183 184
Vgl. Thomas (1974), S. 28. Vgl. Minderlein (1993), S. 166. Vgl. Hill/Jones (1992), S. 82 und die dort angegebene Literatur. Vgl. Porter (1996), S. 78f.
I.2 Grundzüge eines strategischen Ansatzes
67
wichtigen und von diesem auch tatsächlich wahrgenommenen Leistungsmerkmals, das möglichst dauerhaft vor Imitationsversuchen der Konkurrenz zu verteidigen ist, werden strategische Wettbewerbsvorteile begründet, die zu einer langfristig verteidigungsfähigen Wettbewerbsposition führen.186
Neue Konkurrenten
Gesellschaftliche Entwicklung
Erfolg
Unternehmen
Wettbewerber in der Branche
Politisch-rechtliche Entwicklung
Relativer Wettbewerbsvorteil EPa
EPb
EPc
Lieferanten
Abnehmer
STRATEGIE
EF
EF
EF
Ressourcenbasis EF
Technologische Entwicklung
Abb. I-6:
EF
EF
EF
EF
Ersatzprodukte
Konjunkturelle Entwicklung
Im Rahmen von Wettbewerbsstrategien sind Erfolgspotenziale auf die Erlangung relativer Wettbewerbsvorteile gerichtet
Wettbewerbsstrategien bilden sich, so verstanden, in der Interaktion mit den Marktakteuren heraus. Aufgrund der eingeschränkten Antizipierbarkeit von Wettbewerbshandlungen fordert Heß (1991) eine dynamische Konzeption von Wettbewerbsstrategien. Ansoff findet dafür eine sehr plastische Metapher: „Strategy is like trying to ride a bicycle while you’re inventing it.“ (Igor Ansoff, zitiert bei Day 1990, S. 21)
185 186
Vgl. Hill/Jones (1992), S. 84f. Vgl. Corsten (1992), S. 931.
68
(2)
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
Positionierung im Rahmen einer Wettbewerbsstrategie
Die Positionierung stellt das logische Bindeglied zwischen dem Unternehmen und seiner Umwelt dar. Sie hat zwar spezifische Charakteristika (a), muss aber im Einzelfall situationsabhängig ausgestaltet werden (b). (a) Natur der Positionierung: Wie oben bereits angesprochen, kann ein Erfolgspotenzial nur dann einen Wettbewerbsvorteil darstellen, wenn es sich auf ein für den Kunden relevantes und wahrnehmbares Leistungsmerkmal bezieht. Eine Positionierung muss daher dem Kunden die Vorteile eines Anbieters im Vergleich zur Konkurrenz vor Augen führen.187 Der Begriff der Positionierung ist mit der Frage verbunden, welche Einstellung der Abnehmer gegenüber dem Produkt hat. Nur wenn eine klare und eindeutige Positionierung gelingt, ist der Abnehmer überhaupt in der Lage, einen Unterschied zwischen den im Grundnutzen häufig substituierbaren Produkten zu erkennen und Präferenzen zu entwickeln. Bei der Positionierung geht es um die zielgruppenspezifische Festlegung der nachfragerelevanten Nutzenversprechungen der eigenen Leistungen im Vergleich zu denen der Konkurrenz sowie denen eines Idealobjektes.188 Positionierung beruht auf Wettbewerbsvorteilen. Über Wettbewerbsstrategien positioniert sich das Unternehmen gegenüber seinen Wettbewerbern.189 Es bezieht in der Wahrnehmung seiner Kunden eine Position. Diese beruht auf einem Handlungsprogramm, dass sich von den Wettbewerbern ausreichend unterscheiden muss, um vom Kunden als einzigartiger NutzenMix wahrgenommen zu werden. „Competitive strategy is about being different. It means deliberately choosing a different set of activities to deliver a unique mix of value [leading to] the creation of a unique and valuable position. (Porter 1996a, S. 45f.)
Daraus ergeben sich zwei Schlussfolgerungen: Zum einen handelt es sich bei Wettbewerbsvorteilen immer um relative Vorteile im Vergleich zu den Wettbewerbern, dementsprechend erfolgt auch eine Positionierung immer relativ zum Wettbewerb. Zum anderen ist Positionierung mehr als reine Werbung und muss auf real gelebten Strategien des Unternehmens basieren, um dauerhaft glaubwürdig zu bleiben.
187 188 189
Vgl. Corsten (1998), S. 11, u.R.a. Engelhardt/Freiling (1995), S. 11 sowie auf Zäpfel/Pölz (1987), S. 257ff. Vgl. Meyer/Davidson (2001), S. 469. Vgl. „Wettbewerbsstrategie“ in Arentzen (Hrsg., 1993). Zum Begriff der Positionierung vgl. insgesamt Müller-Stewens/Lechner (2001), S. 24.
I.3 Strategische Analyse des Wettbewerbs um Eigenkapital
69
(b) Die Positionierungsentscheidung: Die Frage, womit ein Unternehmen sich positioniert, hängt sowohl von der eigenen Ressourcensituation ab als auch von den Anforderungen der Abnehmer und muss daher im Einzelfall beantwortet werden. Bei der Wahl der Positionierung „[...] stellt sich die Frage, durch welche Eigenschaften spezifische (z.B. Kapitalmarkt-) Produkte im Wahrnehmungsraum des Konsumenten bzw. Kunden verankert werden sollen, damit eine Differenzierung gegenüber der Konkurrenz und eine Präferenz bei den Konsumenten erreicht werden kann. Grundsätzlich sind eine flankierende, eine gleichberechtigte oder eine dominante Einbeziehung der spezifischen Produkteigenschaften in die Markenpositionierung denkbar.“ (Meffert 2000, S. 1305f.)
Porter (1996) nennt Variety-, Needs- und Access-based Positioning als grundlegende Ansätze zur Auswahl differenzierender Positionierungen.190
I.3
Strategische Analyse des Wettbewerbs um Eigenkapital
Ausgangspunkt der Entwicklung strategischer Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital ist ein spezifisches „strategisches Verständnis“ für den Eigenkapitalmarkt als Wettbewerbsarena. Grundlage dafür ist die strategische Wettbewerbsanalyse, die sich aus Branchenund Umfeldanalyse zusammensetzt. Im Rahmen der Branchenanalyse liegt der Fokus auf dem im Wettbewerb stehenden fokalen Unternehmen mit seinen Investitionsprojekten und Investoren sowie auf den Wettbewerbskräften (I.3.1). Die Umfeldanalyse dient der Identifikation relevanter Einflussfaktoren auf Wettbewerbsintensität und Investorenerwartungen, die sich in politisch-rechtlich, sozio-kulturell, technologisch und ökonomisch differenzieren lassen (I.3.2). Abb. I-7 visualisiert die einzelnen Analysefelder.
190
Variety-based Positioning stützt sich auf das Angebot einer spezifischen Auswahl relevanter Produkt(merkmal)e. Dies ist ökonomisch sinnvoll, wenn ein Unternehmen bestimmte Produkt(merkmal)e besser herstellen kann, als andere. Basis einer solchen Positionierung sind mithin Unterschiede zwischen verschiedenen Unternehmen im Sinne des RBV. Beim Needs-based Positioning wird eine umfassende, auf die Bedürfnisse einer bestimmten Kunden¬gruppe zugeschnittene, Produktpalette angeboten, was sich anbietet, wenn verschiedene Gruppen von Kunden mit unterschiedlichen Bedürfnismustern existieren. Basis einer solchen Positionierungsentscheidung sind Unterschiede bei Unternehmen und Kunden im Sinne des MBV. Beim Access-based Positioning schließlich wird eine spezifische Angebotsform für bestimmte Kundengruppen zur Verfügung gestellt, was ebenfalls ökonomisch sinnvoll sein kann, wenn ein Unternehmen diese signifikant besser erreichen kann als die Wettbewerber. Auch diese Form basiert auf Unterschieden zwischen Unternehmen.Vgl. Porter (1996), S. 71ff.
70
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
(3) Wettbewerb (2) Sozio-kulturelle Entwicklung
Börsengänge Kapitalerhöhungen
(1) Politisch-rechtliche Entwicklung
Alternative Aktienanlagen
(1) Fokales Unternehmen Investitionsprojekte
(3) Technologische Entwicklung
Konzernzentrale
Alternaive Anlageinstrumente
(2) Investoren
(4) Ökonomische Entwicklung
I.2.1.1 Branchenanalyse I.2.1.2 Umweltanalyse
Abb. I-7:
I.3.1
Konzeptioneller Rahmen zur strategischen Analyse des Wettbewerbs um Eigenkapital
Branchenanalyse
Die Branchenanalyse im klassischen Sinn umfasst alle relevanten Kräfte innerhalb der Grenzen einer „Industrie“. Übertragen auf den Wettbewerb um Eigenkapital, bei dem es um den Verkauf von Unternehmensbeteiligungen an Investoren geht, sind dies das fokale Unternehmen mit seinen Investitionsprojekten (1), die Financial Community, bestehend aus aktuellen und potentiellen Investoren sowie Multiplikatoren (2) und die Wettbewerber in Form alternativer Investments (3). (1)
Das fokale Unternehmen und seine Investitionsprojekte
Das Unternehmen positioniert sich (a) über seine Konzernzentrale mit seiner Aktie bei den Investoren gegenüber möglichen Investitionsalternativen. Es lässt sich dabei (b) als Portfolio von Investitionsprojekten betrachten, welche gewissermaßen die Funktion der Lieferanten im Porterschen Denkschema übernehmen. Der Zusammenhang zwischen den Beteiligten ist in Abb. I-8 dargestellt.
I.3 Strategische Analyse des Wettbewerbs um Eigenkapital
71
Interner Kapitalmarkt
Externer Kapitalmarkt
Investition in leistungswirtschaftliche Projekte und reale Vermögenswerte
Investition in finanzielle Vermögenswerte
Realwirtschaftliches Handeln Investitionsprojekte
Finanzwirtschaftliches Handeln Kapitalzuflus s
Investition
P1
I1
Corporate Finance
P2
KapitalReinvestition
I2
P3
I3
...
...
Pn
Abb. I-8:
Investoren
Kapitalrückflus s
Kapitalrückzahlung Im
Das fokale Unternehmen und seine Investitionsprojekte Quelle: in Anlehnung an Brealey/Myers (1996), S. 4
(a) Die Konzernzentrale als strategisches Zentrum: Die Unternehmenszentrale mit der ihr zugehörigen Corporate Finance Funktion bildet das Bindeglied zwischen dem fokalen Unternehmen und dem Markt für Eigenkapital.191 Auf finanzwirtschaftlicher Ebene hat sie eine Investitions-, eine Finanzierungs-, und eine Ausschüttungsfunktion. Ihr obliegt zunächst die Auswahl, Akquisition oder Schaffung renditestarker Investitionsprojekte im Unternehmen. Für diese muss sie das erforderliche Investitionskapital auf dem externen Kapitalmarkt beschaffen und über den internen Kapitalmarkt verteilen. Schließlich muss sie entscheiden, ob die Mittelrückflüsse reinvestiert oder an die Aktionäre weitergeleitet werden sollen. Voraussetzung für eine günstige Beschaffung dieses Investitionskapitals ist eine hohe Bewertung der Unternehmensanteile durch die Investoren. Diesem Ziel dient der Aufbau von Positionierungen auf dem Markt für Eigenkapital durch die Zentrale. Dies erfordert die Festlegung der Erfolgsgröße, bzw. der Referenzgröße der Strategie und den Aufbau korrespondierender Erfolgspotenziale. Diese müssen unter Berücksichtigung des Wettbewerbs und der Rahmenbedingungen sowohl der Ressourcensituation des Unternehmens (RBV) als auch den Erwartungen der Investoren (MBV) angemessen und somit dazu geeignet sein, dem Unternehmen durch eine positive Differenzierung von verfügbaren Investitionsalternativen relative Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Sie können sich allgemein auf die Charakteristika der verfügbaren Investitionsprojekte oder auf die Erfüllung der dargestellten Aufgabe der Zentrale beziehen. 191
Vgl. ähnlich Rogala (1990), S. 25.
72
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
(b) Investitionsprojekte als Cash Flow Lieferanten: Die Investition in unterschiedliche Projekte durch die Zentrale des fokalen Unternehmens dient dem Ziel, eine angemessene Rendite zu erwirtschaften. Je geringer die Rendite eines Investitionsprojektes ist, desto kleiner wird die der Zentrale verbleibende Gewinnmarge nach Weiterleitung der erwarteten Rendite an die Investoren im externen Kapitalmarkt. Daher geht es für die Zentrale darum, rentable Investitionsprojekte für ein Investment verfügbar zu machen.192 Stehen der Zentrale viele unabhängige Projekte zur Verfügung, so hat sie die Möglichkeit, weniger rentable Investitionen abzulehnen. Gibt es im Verhältnis zur Menge verfügbarer Investitionsmittel aber nur eine geringe Anzahl verfügbare Investitionsmöglichkeiten oder sind diese in wenigen relativ autonomen Teileinheiten konzentriert, dann vermindert das die Verhandlungsmacht der Konzernzentrale. Sie muss dann auch weniger rentable Projekte finanzieren, bzw. gemessen an den erzielbaren Cash Flows einen höheren Preis zahlen, sofern Sie das Kapital nicht an den externen Kapitalmarkt zurückleiten will. Ähnliches gilt, wenn die Kosten eines Wechsels zwischen Investitionsalternativen für die Zentrale relativ hoch sind. (2)
Die Financial Community
Die Financial Community besteht in einer ersten groben Segmentierung aus Investoren und Informationsintermediären. Investoren sind die „Abnehmer“ des fokalen Unternehmens, indem sie Kapitalbeteiligungen kaufen (a). Sie zahlen dabei den Wert für ihren Kapitalanteil und erhalten, sozusagen als Produkt, Stimmrechte und Gewinnbeteiligung. Informationsintermediäre übernehmen für die Investoren teilweise die Investitionsentscheidung (b). Ihre Wahrnehmung ist damit oft ausschlaggebend für ein Investment. Es lässt sich diesbezüglich eventuell von einer funktionalen Ausdifferenzierung der Financial Community sprechen. Die Wettbewerbsintensität ist positiv determiniert durch die Investorenmacht. Diese wiederum steigt zunächst mit einem relativ zum Angebot insgesamt sinkenden Anlagevolumen. Je weniger Kapital im Verhältnis zu den Investitionsmöglichkeiten vorhanden ist, desto stärker ist die Verhandlungsmacht und desto niedriger sind Zahlungsbereitschaft und Nachfrage der Investoren, sowie schließlich auch der Gleichgewichtspreis. Steigende Verhandlungsmacht der Investoren resultiert darüber hinaus aus einer steigenden Konzentration auf Seiten der Investoren. Aber auch eine zunehmende Standardisierung der Leistungen der Anbieter, al-
192
Die Einordnung der Investitionsprojekte als „Lieferanten der Konzernzentrale“ weist bereits darauf hin, dass die leistungswirtschaftliche Ausgestaltung des Unternehmens im Sinne operativer Exzellenz nicht Gegenstand dieser Arbeit sein soll. Hier geht es eher darum, wie Investitionsprojekte ausgewählt werden, welche Zielgrößen dieser Auswahl zugrunde liegen, wie dem Aktionär diese Auswahl präsentiert werden kann und seine Anlage liquide gehalten werden kann.
I.3 Strategische Analyse des Wettbewerbs um Eigenkapital
73
so einer Vergleichbarkeit und ggf. sogar Austauschbarkeit der Investitionsmöglichkeiten trägt zur Verhandlungsmacht der Investoren bei.193 (a) Investoren: Eine gängige Trennung von Investoren erfolgt zwischen privaten und institutionellen Investoren. Im Wesentlichen reflektiert eine solche Trennung auch die Grenze zwischen unterschiedlichen Investitionsstilen und der unterschiedlichen Bedeutung der Investoren für das Unternehmen. Privatinvestoren zeichneten sich über lange Zeit durch hohe Loyalität gegenüber dem Management aus und wirkten damit kursstabilisierend. Wenn dies auch heute im Wesentlichen nur noch auf Belegschaftsaktionäre zutrifft,194 ist der Einfluss von Privataktionären auf das Management zumeist dennoch begrenzt.195 Daneben ist aber auch die direkte Ausrichtung auf bestimmte Privatanleger für das Unternehmen mit Schwierigkeiten verbunden. Zwar hat sich das Identifizieren und Kontaktieren der Privatanleger vereinfacht, dessen ungeachtet ist die Positionierung bei Privatanlegern aufgrund ihrer Heterogenität äußerst problematisch. Obwohl nämlich verhältnismäßig viele Aktionäre zu gehobenen Einkommens- und Bildungsklassen gehören,196 deckt eine feinere sozioökonomische Segmentierung in die für das Investmentverhalten verantwortlichen Determinanten deutliche Unterschiede bei der Entscheidungsfindung auf.197 Der Nutzwert einer solchen weitergehenden Segmentierung für eine Positionierungsentscheidung des Unternehmens ist jedoch als eher gering einzuschätzen.198 Selbst wenn eine Segmentierung von Privataktionären partiell hilfreich sein kann, um diese zu gewinnen und zu binden, lässt sich die Wirtschaftlichkeit der dafür erforderlichen sehr detaillierten Analyse in Frage stellen.199 Institutionelle Investoren setzen sich in Anlehnung an die Definition der Deutschen Bundesbank200 aus privaten Versicherungsgesellschaften, Pensionskassen und Pensionsfonds sowie Kapitalanlagegesellschaften (Investmentfonds) zusammen. Die im Gegensatz zu 193 194 195 196 197
198
199 200
Vgl. Porter (1996), S. 59ff. Vgl. Nix (2000), S. 42. Vgl. dazu die Ausführungen unter (1) und (2) in der Einführung. Diese Beobachtung wird mit abnehmender Risikoaversion und potentiell längeren Anlagezeiträumen bei steigendem Vermögen erklärt. Siersleben (1999), S. 187 differenziert z.B. in Einkommen, Vermögen, Bildung und Beruf. Weitere Segmentierungen erfolgten bspw. durch Bailand, Bichl & Kaiser für „aktienaffine Menschen“ sowie durch das deutsche Institut für qualitative Marktanalysen „Rheingold“ für „Kleinanleger“. Vgl. Röhr (2001), S. 234f. Auch eine von Siersleben (1999) durchgeführte Segmentierung anhand der beim Aktienkauf empfundenen Emotionen erscheint eher zur Analyse und Rationalisierung des eigenen Anlageverhaltens und zur Erklärung von Kapitalmarktanomalien geeignet. Vgl. Siersleben (1999), S. 191. Vgl. Link (1991), S. 113. Ähnlich die Abgrenzung der OECD. Vgl. Steiger (2000), Kapitel 2.
74
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
Privatanlegern überschaubare Menge institutioneller Investoren weist gezwungenermaßen eine eindeutige Performanceorientierung auf. Sie bewegen meist große Anlagevolumina, wobei sie sich durch hohe Professionalität und ein weitgehend rationales Anlegerverhalten unter Einsatz moderner Technologien auszeichnen.201 Die Bedeutung institutioneller Investoren für das fokale Unternehmen ist aus zwei Gründen hoch. Zum einen sind sie (selbst in Deutschland) die einzige bedeutende Gruppe im Free Float Bereich. Zum zweiten haben sie allgemein ein sehr großes Anlagevolumen: In den USA halten sie etwa 40% und in Großbritannien sogar 70% aller umlaufenden Aktien. Insbesondere Pensionsfonds stellen in den angelsächsischen Ländern eine bedeutende Investorengruppe dar, die ihre Portfolios bis zu 80% aus Aktien aufbaut.202 In Deutschland sind institutionelle Investoren mit etwa 20% noch recht schwach in Aktien vertreten,203 es lässt sich aber ein wachsendes Volumen nachweisen und auch weiterhin erwarten204. Trotz aller Eigenheiten in Bezug auf die Investitionsentscheidung der einzelnen Segmente institutioneller Investoren müssen diese bei der Anlage des ihnen zur Verfügung stehenden Kapitals jedoch die Vorstellungen ihrer eigenen Kapitalgeber berücksichtigen. Dies sind zu großen Teilen private Haushalte, die durch ihren traditionellen Überschuss (oft über den Umweg einer anderen Anlageform) als die „natürlichen Financiers“ des Unternehmenssektors fungieren. (b) Multiplikatoren: Multiplikatoren sind zu verstehen als Informationsintermediäre. Sie fungieren als Bindeglied zwischen AG und Aktionär, indem sie den Investoren bei den Anlageentscheidungen helfen. Aus finanztheoretischer Sicht erhöhen sie damit die Kapitalmarkteffizienz durch schnellere Informationsdiffusion. Zu den Multiplikatoren zählen Finanzanalysten, Wirtschaftsjournalisten, Rating Agenturen und Anlageberater. Finanzanalysten, als die wohl wichtigste Gruppe, produzieren Anlageempfehlungen auf Basis umfangreicher Branchen- und Unternehmensanalysen zur Feststellung von Chancen und Risiken eines Unternehmens. Sie lassen sich unterscheiden in Sell-Side und Buy-Side Analysten.205 Allgemein kombinieren Finanzanalysten die Informationen, welche sie über ein Unternehmen erhalten und formulieren auf dieser Basis Investitionsempfehlungen für die
201 202
203 204 205
Vgl. Schulz (1999), S. 148ff. Relativ zu Börsenkapitalisierung und Börsenumsätzen ist das Anlagevolumen von Pensionsfonds in den USA damit um den Faktor 4 höher, was auch in Deutschland einen volumenmäßigen Bedeutungszuwachs institutioneller Investoren erwarten lässt. Vgl. Rosen (1998c), S. 4. Dies kann nicht zuletzt auch an den Anlagevorschriften über deren Investitionsverhalten liegen. Vgl. Schneider (1983), S. 5ff. Vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S. 202, Rosen (1997c), S. 7, oder Rosen/Gerke (2001), S. 11ff. Vgl. Schulz (1999), S. 153f. u. S. 189 sowie Sharpe u.a. (1995), S. 11f.
I.3 Strategische Analyse des Wettbewerbs um Eigenkapital
75
Portfoliomanager ihrer Bank (Buy-Side), sonstige institutionelle Investoren, Privatanleger, Kleinaktionäre und Anlageberater.206 Ihr Einfluss kann immens sein. Sie werden daher als wichtige Gruppe im Rahmen der IR-Strategie einer AG angesehen.207 Wirtschaftsjournalisten sind primär eine wichtige Informationsquelle für Privatanleger. Sie haben daher besonders in engen Märkten Einfluss auf die Kursentwicklung. Ihre Berichte können aber ggf. das Interesse von Analysten wecken, welche dann auch institutionelle Investoren ansprechen.208 Rating-Agenturen erstellen Credit Ratings auf Basis umfassender Unternehmens- und Umfeldanalysen zur Wettbewerbssituation, Finanzlage, Risiken, etc.209 Theoretisch lässt sich über ihren Einfluss auf die Fremdkapitalkosten und damit auf das Unternehmensergebnis auch ein Einfluss auf den Aktienkurs herleiten.210 Empirisch konnte aber bislang ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Rating und Aktienkursentwicklung nicht festgestellt werden.211 Anlageberater schließlich sind zwar ebenfalls Informationsintermediäre, beziehen aber ihre Informationen weitgehend von anderen Informationsintermediären und sind daher für die AG im Rahmen einer Positionierungsstrategie von untergeordneter Bedeutung.212 (3)
Wettbewerber in Form alternativer Investments
Potentielle Wettbewerber des fokalen Unternehmens sind alle „Player“, die mit diesem um Investoren konkurrieren, also aktuelle und neue Wettbewerber, sowie Substitutionsprodukte. Wer von diesen tatsächlich als Wettbewerber angesehen werden muss, hängt davon ab, wie ein Unternehmen seine Leistung definiert und in welchem Marktsegment es sich folglich verortet. Als Raster für eine solche Marktsegmentierung dient im klassischen Fall des Absatzoder Gütermarkts die Gliederung in Branchen und strategische Gruppen. Analog lässt sich der Kapitalmarkt (aus Sicht des Investors der Markt für Investitionsrenditen) in verschiedene In-
206 207 208 209
210
211 212
Vgl. Rogala (1990), S. 22. Vgl. Nix (2000), S. 36f. Vgl. Schumacher (2001), S. 51ff. „Ratings sind durch Rating-Symbole ausgedrückte Meinungen spezialisierter Institutionen über die Fähigkeit und rechtliche Bindung von Emittenten, die mit einem bestimmten Finanztitel verbundenen Zahlungsverpflichtungen vollständig und rechtzeitig zu erfüllen.“ (Everling 1991, S. 312). Zu RatingSystemen vgl. Kniese (1996), S. 14f. Die verringerten Fremdkapitalkosten basieren nicht nur auf einem tatsächlich vorhandenen geringeren Risikoprofil sondern auch auf einem durch das gute Rating erleichterten Marktzugang. Vgl. Kniese (1996), S. 41. Vgl. für eine Übersicht Kniese (1996), S. 36ff. Vgl. Link (1991), S. 76.
76
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
vestmentformen und anschließend ebenfalls in strategische Gruppen oder quasi-strategische Gruppen unterteilen (vgl. Abb. I-9).
Marktformen
Investmentformen
Strategische Gruppen
Relevante Wettbewerber in Form alternativer Investments
Kapitalmarkt (Markt für Investitionsrenditen)
...
Aktien (Markt für Gewinnbeteiligungen)
...
SG 1
SG 2
SG 3
SG 4
SG 5
Direkter Wettbewerb
Substitutionsprodukte
Abb. I-9:
Rahmenkonzept zur Segmentierung des Aktienmarktes
Der Kapitalmarkt lässt sich zunächst (entsprechend den Branchen im Gütermarkt) in verschiedene Investmentformen wie Aktien, Anleihen oder Immobilien untergliedern. Jede dieser Anlageformen befriedigt die Bedürfnisse der Investoren in Bezug auf die interdependenten Investitionsziele Sicherheit, Liquidität und Rendite in unterschiedlicher Weise. Investmentformen eignen sich deshalb in besonderem Maße als „Branchen“ des Kapitalmarktes, weil die idealtypische Aufteilung der Investitionen eines Individuums in sichere und risikobehaftete Anlagen nach dem Separationstheorem213 ausschließlich auf der individuellen Risikoneigung der Investoren beruht. Damit ist sie von der individuellen Charakteristik einzelner Aktien, und damit von der Positionierungsstrategie des fokalen Unternehmens, theoretisch zunächst unabhängig. Eine weitere Unterteilung des Aktienmarktes (als Markt für risikobehaftete Kapitalbeteiligungen mit variablen und tendenziell unlimitierten Renditen) kann sich nun an der Positionierungsentscheidung der einzelnen Unternehmen orientieren und führt zur Identifikation strategischer Gruppen214. Obwohl genau betrachtet jedes Unternehmen für den Investor eine
213
214
Unter der Tobin-Separation versteht man die Trennbarkeit der Entscheidung über die Zusammensetzung eines Portfolios risikobehafteter Wertpapiere (Investitionsprojekte) von der Risikoneigung des Investors. Eine Voraussetzung für die unbegrenzte Gültigkeit dieser Aussage ist die Fisher-Separation, welche besagt, dass die Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes (auf dem zum Marktzinsfuß in beliebiger Höhe Kapital angelegt und aufgenommen werden kann) bei Entscheidungen unter Sicherheit die Trennung von Investition und Finanzierung erlaubt. Vgl. Perridon/Steiner (1995), S. 237f. Zum Begriff der strategischen Gruppe vergleiche Abschnitt I.2.2(1), S. 63ff. oben.
I.3 Strategische Analyse des Wettbewerbs um Eigenkapital
77
einzigartige Form der Bedürfnisbefriedigung darstellt,215 bietet es sich aus Praktikabilitätsgründen an, möglichst homogene Segmente abzugrenzen, innerhalb welcher ähnliche bzw. gleiche Entwicklungen zu erwarten sind und damit, aus Sicht des Investors, relativ stabile Substitutionsbeziehungen bestehen. Als solche Segmente lassen sich zunächst einmal die Aktien aller Unternehmen einer Industrie bzw. einer Wirtschaftsregion verstehen. Innerhalb dieser Grenzen sind nämlich in der Regel sowohl wesentliche Aspekte der Unternehmenstätigkeit als auch die äußeren Einflüsse vergleichbar. Regionalen Faktoren scheinen dabei in neuerer Zeit gegenüber branchenspezifischen Faktoren an Bedeutung zu verlieren.216 Eine Segmentierung kann weiterhin auf Basis gestaltbarer oder veränderlicher Faktoren erfolgen, so dass zwischen den Segmenten keine unüberwindbaren Strategieunterschiede und Wechselbarrieren erkennbar sind. Einige in der Praxis gängige Einteilungen differenzieren bspw. nach der Wachstumscharakteristik, dem Rendite-/Risiko-Profil217, der Unternehmensgröße, oder unterschiedlichen Börsen- oder Handelssegmenten.218 Hier bietet es sich an, von quasi-strategischen Gruppen zu sprechen. Je nachdem, wie das fokale Unternehmen nun sein Wettbewerbsumfeld abgrenzt, ergeben sich unterschiedliche Cluster von Konkurrenten, die sich stets nach dem gleichen Grundmuster aus direkten Wettbewerbern innerhalb des Segments in Form (a) bestehender und (b) neu hinzukommender alternativer Aktienanlagen, sowie (c) aus Wettbewerbern im weiteren Kreis in Form von Substitutionsprodukten zusammensetzen. Beide Kategorien lassen sich in bereits vorhandene und neu hinzukommende Investitionsmöglichkeiten unterteilen (vgl. Abb. I-10).219
215 216 217 218 219
Vgl. Link (1991), S. 48. Vgl. Stich/Trede (2000), S. 30; siehe auch Sayn-Wittgenstein (1999) zu der abnehmenden Bedeutung der Länderdiversifikation im europäischen Binnenmarkt. Obwohl nach der Tobin-Separation nur das Rendite/Risiko-Verhältnis relevant sein dürfte. Vgl. hierzu auch Wetzel (2000), S. 5. Anders als bei der streng dichotomen Trennung zwischen vorhandenen und neuen Wettbewerbern in der porterschen Branchenstrukturanalyse geht es hier nicht um Anbieter, sondern um Produkte, die durchaus unterschiedliche Verfügbarkeitsstufen aufweisen können.
78
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
IPO
Gleiches Segm.
Aktien
Produktverwandschaft
Gehandelte Aktien eines an dieser Börse gelisteten Unternehmens im gleichen Segment
Noch nicht gehandelte Aktien eines an dieser Börse gelisteten Unternehmens im gleichen Segment
Noch nicht gehandelte Aktien eines an einer anderen Börse gelisteten Unternehmens im gleichen Segment
Noch nicht gehandelte Aktien eines noch gar nicht gelisteten Unternehmens im gleichen Segment
Gehandelte Aktien eines an dieser Börse gelisteten Unternehmens in anderem Segment
Noch nicht gehandelte Aktien eines an dieser Börse gelisteten Unternehmens in anderem Segment
Noch nicht gehandelte Aktien eines an einer anderen Börse gelisteten Unternehmens in anderem Segment
Noch nicht gehandelte Aktien eines noch gar nicht gelisteten Unternehmens in anderem Segment
Bereits verfügbar
Ähnliche Char.
Substitute
Zirkulierende Menge
Andere Char.
gering
Dual Listing
gering
Abb. I-10:
Neues Listing
Kapitalerhöhung
Anderes Segm.
hoch
Bereits gelistet Platziertes Kapital
Neu verfügbar
Neue Einheiten
Neu im Markt
Ganz neu
Anleihen Finanzderivate Immobilien Antiquitäten Charakteristika: Realwert, Risikocharakteristik, Liquidität
Neuartigkeit im Markt
hoch
Wettbewerber in Form alternativer Aktienanlagen und Substitutionsprodukten nach Neuartigkeit im Markt und Produktverwandtschaft
(a) Bestehender direkter Wettbewerb: Direkter Wettbewerb besteht in Form verfügbarer alternativer Aktienanlagen. Zunächst einmal stehen alle einer strategischen Gruppe zugehörigen Unternehmen direkt miteinander im Wettbewerb um das Kapital der Aktionäre. Darüber hinaus sind jedoch auch Unternehmen anderer strategischer Gruppen als Wettbewerber anzusehen, da aus Sicht des Investors im Rahmen der Asset Allocation auch zwischen strategischen Gruppen Substitutionsbeziehungen bestehen. Bei all diesen Wettbewerbern handelt es sich zunächst sowohl um bereits platzierte Aktien als auch um die im Rahmen von Kapitalerhöhungen neu zu platzierenden Aktien bereits an der Börse gelisteter Unternehmen. Je intensiver dieser Wettbewerb ist, desto geringer sind die Preise, die sich im Schnitt für eine Aktie erzielen lassen. Die Wettbewerbsintensität steigt mit dem Bedarf an Eigenkapital und sinkt mit der Menge an verfügbarem Investivkapital.220 Ein hoher Kapitalbedarf ist typisch für junge Unternehmen in Wachstumsbranchen. Zudem steigt der aggregierte Kapitalbedarf eines Segments mit der Zahl der Wettbewerber, die wiederum nicht nur von der Attraktivität der Branche für Unternehmen sondern auch von evtl. vorhandenen Austrittsbarrieren bedingt wird. Ein partieller Austritt in Form der teilweisen 220
Vgl. zu Branchenrivalität und Wettbewerbsintensität allgemein Porter (1996), S. 50ff. sowie Porter
I.3 Strategische Analyse des Wettbewerbs um Eigenkapital
79
Substitution von Eigenkapital durch Fremdkapital ist bis zu einem gewissen Prozentsatz besonders in Niedrigzinsphasen und vor allem bei Unternehmen mit hohem Anlagevermögen relativ einfach möglich. Der vollständige Rückzug von der Börse durch ein Going Private kommt dagegen relativ selten in Betracht und rentiert sich zumeist nur in Zeiten sehr niedriger allgemeiner Bewertungsniveaus an der Börse. Die Höhe des verfügbaren Kapitals sinkt mit der Konsumneigung bzw. Zeitpräferenzrate sowie tendenziell mit der Risikoaversion der Investoren. Auch das Zinsniveau beeinflusst die Neigung zur Investition in Aktien tendenziell negativ. Einen positiven Effekt auf die Investitionsneigung hat die Attraktivität des Finanzplatzes bzw. der Börse, sowie des Segments (der Branche des Unternehmens). Die Verfügbarkeit von Investitionskapital hängt in hohem Maße vom Verhalten der anderen Unternehmen innerhalb eines Segmentes ab. Man kann in diesem Zusammenhang von so genannten „guten Wettbewerbern“221 sprechen, die dazu beitragen, die Verfügbarkeit von Eigenkapital für das fokale Unternehmen zu erhöhen. Steigt die Investitionsneigung der Investoren in einem bestimmten Segment schneller als der Bedarf, dann steigt die Nettoverfügbarkeit des Kapitals für die in dieser strategischen Gruppe verorteten Unternehmen, was eine sinkende Wettbewerbsintensität und ein tendenziell höheres Bewertungsniveau zur Folge hat. (b) Neue Konkurrenten: Neue Konkurrenten im Aktienmarkt können in Form von Dual Listings oder originären Börsengängen auftreten. Im ersten Fall ist die Aktie bereits an einer anderen, beispielsweise einer ausländischen, Börse notiert und damit potentiell verfügbar. Ihre Verfügbarkeit kann aber durch gesetzliche Beschränkungen, höhere Transaktionskosten oder technische Barrieren für einzelne Investoren wesentlich eingeschränkt sein. Durch eine Notierung im fokalen Markt wird sie nun zu einem echten Wettbewerber. Im zweiten Fall handelt es sich um ein echtes Going Public, so dass sich das Unternehmen damit überhaupt erstmalig als Investment für die Käufer börsennotierter Aktien anbietet. Die Markteintrittsbarrieren sind in beiden Fällen relativ niedrig und können durch die bereits notierten Unternehmen kaum beeinflusst werden. Hauptkriterien bei der Entscheidung für einen Markteintritt bzw. eine Notierung sind die Kosten des Börsenganges in Form monetärer Zahlungen222, in Form psychologischer Widerstände durch die Alteigentümer, welche eine Schwächung ihrer Position befürchten, daraus resultierend Einflussverlust des Managements, und unternehmensstrategische Kosten durch die Verpflichtung zu höherer Publizität. Sodann stellen die Zulassungsvoraussetzungen von Gesetzgeber und Börsenplatzbetreiber
221 222
(1979), S. 39f. Vgl. Porter (1992), S. 265ff und S. 278ff. Vgl. Pfender/Pölert (2001), S. 315ff. sowie Hannich u.a. (2005), S. 40ff.
80
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
sowie spezielle Anforderungen der Handelssegmente häufig eine Hürde dar.223 Schließlich spielt das Volumen des am Markt verfügbaren Kapitals für die Entscheidung ebenfalls eine Rolle. Daraus ergeben sich als Möglichkeiten der Beeinflussung durch bereits notierte Unternehmen die Durchsetzung höherer Zulassungsvoraussetzungen und Publizitätspflichten, was allerdings auch dem fokalen Unternehmen Kosten verursacht sowie das „Aufsaugen“ des am Markt vorhandenen Kapitals. Neue Konkurrenten im Aktienmarkt sind vornehmlich negativ für etablierte Player, da sie das Angebot erhöhen und potentiell Kapital abziehen, wodurch sie das Angebots-/NachfrageGleichgewicht zugunsten der Nachfrager verschieben. Allerdings können neue Player auch einen positiven Effekt für die etablierten Unternehmen haben, wenn sie entweder im Sinne „Guter Wettbewerber“ positiv zur Positionierung einer Branche beitragen und evtl. sogar ganz neue Investoren wecken.224 (c) Substitute: Als Substitut zu einer Investition in Aktien kann im weitesten Sinne jedes aktienfremde Investment angesehen werden, das eine zukünftige Mehrung des Vermögens verspricht. An dieser Stelle sollen jedoch schwerpunktmäßig Finanzprodukte, nämlich Renten, Mischformen und Finanzderivate betrachtet werden, da sie einen Großteil des insbesondere durch institutionelle Anleger geprägten Marktes ausmachen.225 Die allgemeinen Determinanten der Substitutionsgefahr226 treffen auch bei Aktien zu. Dabei handelt es sich um die relative Preisleistung der Ersatzprodukte und um die Substitutionsneigung der Abnehmer. Inwieweit dies bei einzelnen Substituten zutrifft wird von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst: Renten zeichnen sich gegenüber Aktien durch niedrigere Volatilitäten und Erwartungsrenditen aus. Sie dienen, wie oben dargestellt, dem rationalen Investor zur Risikoadjustierung des Gesamtportfolios, indem sie dem risikobehafteten Wertpapierportfolio beigemischt werden. Bei sinkender Risikoneigung des Investors würde also der Rentenanteil seines Portfolios zulasten des Aktienanteils steigen. Nach diesem Verständnis kann sich ein Unternehmen mit seinen Aktien nicht sinnvoll gegenüber Rentenwerten positionieren. Die Nachfrage nach einzelnen Anleihen wird positiv beeinflusst durch die Emittentenqualität (Rating), die Laufzeit,
223 224 225
226
Vgl. hierzu die Ausführungen unter Punkt (c) in Abschnitt I.1.2(2), S. 48. Vgl. Schumacher (2001), S. 14, der die T-Aktie als Beispiel anführt. Weiterhin könnten auch Immobilien, Devisen, Edelmetalle und Rohstoffe eine Rolle spielen. Investmentanteile stellen insofern keine Konkurrenz für Aktien dar, als ihr Erwerb zwar zunächst Kapital bindet, dieses aber in der Folge durch die Fondsgesellschaft wieder in die genannten Anlagewerte investiert werden muss. Vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S. 50f. Vgl. Porter (1996), S. 32.
I.3 Strategische Analyse des Wettbewerbs um Eigenkapital
81
die Erwartung in Bezug auf die Währungsstabilität, das Zinsniveau227, die Wechselkursentwicklung bei Währungsanleihen228 und die Liquidität. Zu den Mischformen zwischen Aktien und Renten zählen Wandelanleihen, Optionsanleihen und Genussscheine,229 sowie im weitesten Sinne Zero Bonds, Floater und Doppelwährungsanleihen. Wandel- oder Optionsanleihen können durchaus als Substitute für die ihnen zugrunde liegenden Aktien angesehen werden, da sie zusätzlich zu der Option auf den Kauf der Aktie eine feste Verzinsung beinhalten.230 Unter den Begriff Finanzderivate fallen vor allem Futures und Optionen, sowie Zertifika231 te . Dabei besteht durchaus die Möglichkeit der Substitution von Aktien durch Finanzderivate. Theoretisch lässt sich nämlich der Erwerb einer Aktie durch Finanzderivate replizieren.232 Im Falle von Zertifikaten ist dies auch der Fall. Für den Investor dienen Optionen und Futures jedoch meist entweder zur Absicherung von Positionen oder zur Erzielung von positiven Renditen in Zeiten fallender Kurse bzw. bei Seitwärtsbewegungen der Börse durch Ausnutzen von Volatilitätsschwankungen. Faktoren, welche die Nachfrage nach Optionen und Futures positiv beeinflussen233 sind die Kursvolatilität des Basiswertes und das allgemeine Zinsniveau, wobei letzteres den Wert der Optionen indirekt auch negativ beeinflussen kann. Um das Abwandern von Kapital zu Derivaten zu verhindern, sollte daher eine möglichst stetige und positive Kursentwicklung angestrebt werden. Bezogen auf die eigene Aktie könnte natürlich auch eine Maßnahme darin bestehen, einen möglichst hohen Anteil der Rendite in Form der Dividende auszuschütten, welche von Derivaten nicht erfasst wird, aber die Kursentwicklung negativ beeinflusst. Darüber hinaus können auch Immobilien, Devisen, Edelmetalle und Rohstoffe als Substitute dienen. Immobilien gelten als relativ sichere Anlageform. Während das Kursrisiko ähnlich niedrig wie bei Renten liegt, weisen sie als Sachwerte eine Inflationssicherheit ähnlich der Aktien auf. Sie dienen der Erwirtschaftung einer Rendite und werden häufig steuerlich begünstigt. Edelmetalle, Devisen und Rohstoffe werfen als Kapitalanlage zunächst keine Rendi227 228 229 230
231 232
Vgl. Perridon/Steiner (1995), S. 176ff. zur Inflationsanfälligkeit von Aktien und Renten. Vgl. Foley (1991), S. 78. Zu den Mischformen, insb. Genussscheinen vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S. 205. So hat bspw. die Ankündigung der von der KfW 2003 begebenen Telekom-Wandelanleihe den Kurs der T-Aktie um über 5 % gedrückt. Nach Analystenmeinung hatten „viele Investoren Telekom-Aktien verkauft, um in die Anleihe umzuschichten“. Vgl. o.V. (2003), S. 1. Zertifikate entsprechen in ihrer Funktion für den Investor tendenziell eher einem Fondsanteil, mit dem Unterschied, dass ihnen keine realen Werte zugrunde liegen. Die Replikation einer Aktie A im Hinblick auf einen bestimmten Zielkurs Z erfolgt z.B. durch den Kauf eines Calls auf A mit Basispreis Z, dem Verkauf eines Puts auf A mit Basispreis Z sowie dem Halten von Z Geldeinheiten.
82
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
te ab. Sie unterliegen lediglich Preisänderungen, die zu Kursgewinnen führen können. Edelmetalle dienen in schlechten Aktienzeiten vielfach der Kapitalsicherung. Andere Anlageformen wie Antiquitäten, Schmuck, Autos, können zwar ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Wertbeständigkeit oder Wertsteigerung erworben werden, sind aber nicht ausreichend liquide, um als Investitionssubstitute eine ernsthafte Rolle zu spielen. Allen Substituten ist die Tatsache gemein, dass die Substitutionswahrscheinlichkeit so gut wie gar nicht von dem Aktien emittierenden Unternehmen beeinflusst werden kann.
I.3.2
Umweltanalyse
Die Umweltanalyse betrachtet alle Rahmenfaktoren mit Einflusspotenzial auf den Erfolg des Unternehmens in der betrachteten Wettbewerbsarena. Bei der Umweltanalyse gilt es, zunächst diese Rahmenfaktoren zu identifizieren und dann ihre jeweiligen Wirkungen in den einzelnen Wirkungsbereichen zu analysieren. Die durch den Einfluss der Rahmenfaktoren in den drei Wirkungsbereichen verursachten Veränderungen haben bestimmte Effekte für das Unternehmen, die sich als Positionierungspotenziale und Positionierungszwänge Darstellen (vgl. Abb. I-11). Rahmenfaktoren
Wirkungsbereiche
Politisch-rechtl. Technologisch Sozio-kulturell
Effekte auf das Unternehmen Ökonomisch
Potenziale
Zwänge
Akt
T/H
Unt
Abb. I-11:
Rahmenfaktoren der Unternehmensumwelt mit ihren Wirkungsbereichen und Effekten auf das Unternehmen
Positionierungspotenziale bezeichnen Differenzierungsmöglichkeiten: z.B. beinhaltet ein gestiegenes Gesamtvermögen der Investoren oder eine gestiegene Bereitschaft zur Investition in Aktien (als Wirkung ökonomischer und sozio-kultureller Rahmenfaktoren auf die Aktionäre) das Potenzial zur Akquisition neuen Kapitals; eine erhöhte Informationseffizienz der Kapitalmärkte (als Wirkung technologischer Rahmenfaktoren auf die Transaktionsbedingungen)
233
Für eine Übersicht der Einflussfaktoren auf den Preis von Optionen vgl. Brealey/Myers (1996), S. 573.
I.3 Strategische Analyse des Wettbewerbs um Eigenkapital
83
das Potenzial für verbesserte Unternehmenskommunikation; und eine Gesetzesänderung zum Aktienrückkauf (als Wirkung rechtlicher Rahmenfaktoren auf die Unternehmen) die Möglichkeit von Kapitalstrukturmaßnahmen. Positionierungszwänge stellen hingegen Hygienefaktoren im Sinne eines „sine qua non“ dar: so erfordert bspw. das Aufkommen von Pensionsfonds (als Wirkung ökonomischer und rechtlicher Rahmenfaktoren auf die Aktionäre)234 einen stärkere Performance-Orientierung des Managements. Im Folgenden sollen (1) Rahmenfaktoren und (2) Wirkungsbereiche übersichtsartig dargestellt werden. (1)
Rahmenfaktoren
Die Unternehmensumwelt lässt sich entsprechend der gängigen Klassifizierung relativ vollständig in (a) politisch-rechtlichen, (b) technologischen, (c) sozio-kulturellen und (d) ökonomischen Rahmenfaktoren abbilden. Bei einer solchen Klassifizierung ist allerdings einerseits von regionalen Unterschieden auszugehen, andererseits ist zu beachten, dass beobachtbare Entwicklungen sich häufig nicht eindeutig einem bestimmten Rahmenfaktor zuordnen lassen und ihre Wirkungen häufig reziprok interdependent sind.235 (a) Politisch-rechtliche Rahmenfaktoren: Unter politisch-rechtlichen Rahmenfaktoren sind im weitesten Sinne alle Gesetzesinitiativen und juristischen Entwicklungen zu verstehen, welche das Wettbewerbsumfeld an den Kapitalmärkten beeinflussen. Da es sich bei Aktien letztlich um unvollständige Finanzierungsverträge zwischen einem kapitalsuchenden Unternehmen und einem Investor handelt, ist es erforderlich, für entsprechende Verhaltenssicherheit zu sorgen. Die Summe dispositiven und zwingenden Rechts, die das marktliche Zustandekommen solcher Finanzierungsbeziehungen institutionell absichert, wird als Kapitalmarktrecht bezeichnet.236 Neben dem Kapitalmarktrecht, wozu vor allem Bank- und Börsenrecht zu zählen sind, ist weiterhin das Gesellschaftsrecht von Bedeutung, worunter Aktien-, Übernahme- und Unternehmenssteuerrecht fallen. Regelungen zu diesen Rechtsgebieten finden sich in Deutschland in den unterschiedlichsten Gesetzeswerken.237 In Europa finden gegenwärtig große Veränderungen in Bezug auf die Rechtsprechung statt. Die Vision eines harmonisierten europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts bedarf
234 235
236 237
Vgl. Rosen (1997b), S. 2f., sowie Rosen (1997d), S. 10ff. Das Aufkommen von Pensionsfonds beispielsweise hat seine Ursache sowohl in der ökonomischen Notwendigkeit aufgrund der Defizite der staatlichen Altersvorsorge, andererseits in den relevanten Gesetzen, die solche Fonds definieren und zulassen. Vgl. Assmann (1994), S. 5ff. Dazu zählen bspw. AktG, GenG, GmbHG, EinfAktG, EinfHGB, HGB, PublG, WpHG, BörsZulV, WPO, FGG, oder KAGG.
84
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
allerdings angesichts der Komplexität der miteinander zu verknüpfenden Rechtsgebiete238, der unterschiedlichen Rechtskulturen und der Vielfalt der Einstellungen der europäischen Völker zum kodifizierten Recht in ihrer Umsetzung wohl mehrerer Jahrzehnte.239 In Europa liegt der Anlass für die Ausfertigung von Gesetzen auf nationaler Ebene häufig in Richtlinien der EU.240 Beispiele sind die europäische Wertpapierdienstleistungsrichtlinie und die europäische Kapitaladäquanzrichtlinie, welche beide zur Ratifizierung der 6. KWG-Novelle geführt haben, sowie weitere EU-Richtlinien zur Rechnungslegung, Ein-Personen-Kapitalgesellschaft, Fusion und Spaltung von Aktiengesellschaften und der Einrichtung von Zweigniederlassungen, Kundenschutz, Aufsichtsrecht, Vorschriften über Börsenzulassung und Börsenpublizität, Verhinderung von Insidergeschäften, die Transparenzrichtlinie, eine Richtlinie über wechselseitige Anerkennung von Börsenzulassungsprospekten oder die gesellschaftsrechtlichen Richtlinien der EWG241. Aber auch BASEL II hat über das Kreditvergabeverhalten der Banken großen Einfluss auf das Finanzierungsgebaren der Unternehmen und damit auf den Kapitalmarkt; ebenso die Einführung des Euro als einheitlicher europäischer Währung. Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Kapitalmarktrechts in Deutschland umfassten in den letzten Jahren u.a. das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts, den Übernahmekodex242 und später das WpÜG243, das KonTraG, vier Finanzmarktförderungsgesetze, die 6. KWG-Novelle, StückAG und NaStraG oder Regelungen zur Erleichterung des Aktienrückkaufs sowie zur Zulassung von US-GAAP oder IAS als Bilanzierungsmethoden. (b) Technologische Rahmenfaktoren: Technologische Entwicklungen können das leistungswirtschaftliche Agieren des Unternehmens und damit indirekt die Performance und den Bör238
239 240
241 242
243
Das für den Kapitalmarkt relevante Recht stellt ein ausgesprochen komplexes Geflecht von Gesetzen dar. So waren für die Einführung der nennwertlosen Stückaktie in Deutschland bspw. bis zu 150 Änderungen des Aktiengesetzes und der damit verbundenen Gesetze notwendig. Vgl. Jahr/Stützel (1963), S. 83ff. Vgl. Rosen (1998a), S. 8. Richtlinien sind das weitaus häufigste Regelungsinstrument der EU, während Verordnungen deutlich seltener zum Einsatz kommen. Sie sind für die Mitgliedsstaaten bezüglich des Ziels verbindlich, überlassen ihnen jedoch die Wahl und Form des Mittels. Innerhalb des von den Richtlinien vorgegebenen Rahmens verbleibt den Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung in nationales Recht also ein Regelungsspielraum. Die gesellschaftsrechtlichen Richtlinien der EWG regeln für die Unterzeichnerstaaten verbindlich die Mindestanforderungen, die an das nationale Gesellschaftsrecht zu stellen sind. Vgl. DAI (1996), S. 8. Hierbei handelte es sich nicht um zwingendes Recht, die Akzeptanz des Übernahmekodex war aber obligatorisch für die Aufnahme in die meisten Handelssegmente der Deutsche Börse AG. Vgl. Deutsche Börse AG (2001), S. 19. Das WpÜG zementiert den bis dahin relevanten freiwilligen Übernahmekodex. Anstelle von freundlicher und feindlicher Übernahme kann man nun eigentlich nur noch von behördlich genehmigten Übernahmen sprechen. Abwehrmöglichkeiten des Übernahmekandidaten werden eingeschränkt, stattdessen sind Fristen zur Prüfung des Angebots durch die Aktionäre vorgesehen. Außerdem gewährleistet es die Gleichbe-
I.3 Strategische Analyse des Wettbewerbs um Eigenkapital
85
senkurs beeinflussen.244 Die im Rahmen dieser Arbeit interessierenden technologischen Entwicklungen sind jedoch insbesondere jene, die direkten Einfluss auf das finanzwirtschaftliche Verhalten der Unternehmen haben. Hierzu sind vor allem die mit der Weiterentwicklung der IuK-Technologie verbundenen Möglichkeiten zu rechnen: So ermöglicht sie die kostengünstigen Führung eines Aktienbuches und damit die Einführung der Namensaktie, welche ein individuelleres Informationsverhalten der Unternehmen gegenüber den Investoren ermöglicht. Gleichzeitig führt die weltweite Vernetzung der Finanzmärkte zu einer schnelleren Reaktion von Aktionären auf aktuelle Entwicklungen und stellt damit auch erhöhte Anforderungen an das Informationsverhalten der Unternehmen. Die Weiterentwicklung des Internet und der Verschlüsselungstechnologie steigert darüber hinaus durch virtuelle Teilnahme an der HV und internetbasierte Stimmabgabe den Einfluss von Kleinanlegern.245 (c) Sozio-kulturelle und psychologische Rahmenfaktoren: Hier geht es um die allgemeine Einstellung zu dem Produkt „Aktie“. Es stellt sich konkret die Frage, welche Faktoren zu einem bestimmten Zeitpunkt die Bereitschaft zur Investition in Aktien beeinflussen und vertrauenskritisch sind. Dabei geht es sowohl um alle Mitglieder der Financial Community als auch um das Management der gelisteten Unternehmen. Von Seiten der Investoren geht es um das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Unternehmensinformationen sowie in die gesamtund einzelwirtschaftliche Entwicklung einerseits und die Ausrichtung des eigenen Verhaltens in Form der Governance insbesondere durch die Fondsgesellschaften andererseits. Bei den Unternehmen stellt sich die Frage nach der grundsätzlichen Einstellung zum Shareholder Value Gedanken und zu einer Verbesserung der Kommunikation mit den Anlegern. (d) Ökonomische Rahmenfaktoren: Ökonomische Rahmenfaktoren betreffen primär den Investitionsbedarf der Unternehmen und die Investitionsfähigkeit der Aktionäre. Beides steigt in Zeiten der Hausse und sinkt in einer Baisse. Je besser die wirtschaftlichen Aussichten desto größer ist der Bedarf an Investitionskapital. Auch die zunehmende Globalisierung und steigender internationaler Wettbewerb führen zu einer stärkeren Nachfrage nach Investitionskapital durch die Unternehmen246 und damit zu ei-
244
245
246
handlung aller Aktionäre. So führen komplexere Produkt- oder Produktionstechnologien zu einem erhöhten Investitionsbedarf der Unternehmen, damit zu einem steigenden Angebot an Investitionsmöglichkeiten und einem Absinken der Aktienkurse. Andererseits könnte das mit dem Aufkommen neuer Technologien verbundene Entstehen neuer Wachstumsmärkte auch zu verbesserten Ertragsaussichten und damit steigenden Aktienkursen führen. Grundsätzlich scheint es nicht erforderlich, das Legitimationsverfahren bei der Abstimmung in HVs strengeren Regeln zu unterwerfen als beim Online-Banking. Mit dem HBCI- bzw. PIN/TAN-Verfahren wäre also bereits eine Möglichkeit vorhanden. Vgl. o.V. (2002b), S. 5f. Vgl. Rogala (1990), S. 22.
86
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
ner Verbesserung der Bedingungen für Aktien als Finanzierungsinstrument.247 In Europa verlangt der wachsende Wettbewerbsdruck durch den größeren Binnenmarkt einen höheren Eigenkapitalanteil, um international wettbewerbsfähig zu bleiben,248 was zusätzliche Aktienemissionen erwarten lässt.249 Die Investitionsbereitschaft der Aktionäre korreliert vor allem mit Zinsentwicklung und Inflation, sowie mit dem letztlich weitgehend von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abhängigen Gewinnwachstum.250 Aber auch das Vermögen der privaten Haushalte, welches für Investitionen zur Verfügung steht, steigt mit den wirtschaftlichen Aussichten. Die so genannte „Erbengeneration“ wird zunehmend Anlagekapital zur Verfügung haben.251 Schließlich hat sowohl das Niveau der privaten Besteuerung als auch der Soziallasten einen negativen Einfluss auf die Investitionsneigung der privaten Haushalte. (2)
Wirkungsbereiche
Die genannten Rahmenfaktoren beeinflussen die Gesamtheit des Verhaltens von Investoren und Unternehmen in Bezug auf das handelbare Eigenkapital, welches häufig recht nebulös mit dem Begriff Aktienkultur252 beschrieben wird. Dahinter verbirgt sich das Zusammenwirken der Objektbereiche Handels-/Transaktionsbedingungen (a), Aktionäre/Investoren (b) und Unternehmen/Management (c), welche daher als Wirkungsbereiche der Rahmenfaktoren bezeichnet werden sollen. Die Rahmenfaktoren wirken dabei jeweils direkt oder über die allgemeinen Transaktionsbedingungen auf die handelnden Akteure in Form der Investoren und der Unternehmen. (a) Transaktionsbedingungen: Zunächst können Rahmenfaktoren auf die Transaktionsbedingungen wirken. Dabei handelt es sich konkret um die Höhe der Transaktionskosten, die steuerinduzierten Bewertungsdifferenzen, die Teilbarkeit der Wertpapiere, die Vollständigkeit des Wettbewerbs, den Grad der Informationseffizienz und die Rationalität der Anleger. Vollkommene Kapitalmärkte zeichnen sich durch Transaktionskosten- und Steuerfreiheit, beliebi247 248 249
250 251 252
Dies gilt insbesondere für Kontinental-Europa und Deutschland, wo historisch betrachtet die Eigenkapitalfinanzierung eine geringere Rolle spielt als in den angelsächsischen Ländern.Vgl. Rosen (1998c), S. 1. Vgl. Rosen (1998c), S. 6. Vgl. Rosen (1998c), S. 6, der von möglichen 1.500 Emissionen in Deutschland spricht. Diese These lässt sich allerdings hinterfragen, da die Frage nach einer optimalen Kapitalstruktur nach wie vor weder in Wissenschaft noch Praxis eindeutig beantwortet ist. Vgl. zur Problematik „optimaler“ Kapitalstrukturen Kirsch (1968, 1981), sowie Langner (2001), Prager (1971) oder Wohlschiess (1997). Vgl. Koller/Williams (2001), S. 114ff. Die Kapitalrendite ist für die Entwicklung von Indizes kaum verantwortlich, da sie aggregiert betrachtet sehr stabil ist. Vgl. Rogala (1990), S. 22. Abgeleitet aus dem angelsächsischen „Equity Culture“.
I.3 Strategische Analyse des Wettbewerbs um Eigenkapital
87
ge Teilbarkeit der gehandelten Papiere, vollständigen Wettbewerb, strenge Informationseffizienz und rationale Anleger aus.253 Ist dies teilweise nicht der Fall, ist das mit Zusatzkosten für die Transaktionspartner verbunden, welche den Wert der gehandelten Papiere für sie verringern. Die Transaktionsbedingungen werden in erster Linie von politisch-rechtlichen und technologischen Rahmenfaktoren beeinflusst. Als Beispiele für neuere politisch-rechtliche Einflüsse in Deutschland lassen sich die mit den Finanzmarktförderungsgesetzen oder der 6. KWGNovelle angestrebten Ziele anführen,254 die sich primär auf die Gewährleistung eines vollständigen Wettbewerbs und eine hohe Informationsverfügbarkeit beziehen. Aber auch privatrechtliche Standards wie Zulassungsvoraussetzungen zu bestimmten Marktsegmenten oder Kriterien für die Aufnahme in bestimmte Indizes fallen in diesen Bereich.255 Die mit der Euro-Einführung begonnene Entstehung eines einheitlichen europäischen Kapitalmarktes führt zu einem erhöhten Wettbewerbsdruck auf Börsen und Finanzintermediäre, der voraussichtlich ebenfalls zu einem weiteren Sinken der Transaktionskosten führen wird,256 was wiederum die Attraktivität der Aktienanlage erhöht. Technologische Einflüsse betreffen in erster Linie Transaktionskosten und -geschwindigkeit,257 sowie Informationsverfügbarkeit für die Transaktionspartner. (b) Investoren: Wirken Rahmenbedingungen direkt auf die Investoren, dann können dadurch für diese bestimmte Handlungszwänge geschaffen oder aufgehoben werden oder es kann sich die Vorteilhaftigkeit bestehender Handlungsalternativen ändern. Wirken die Rahmenbedingungen positiv auf Kontroll- und Reaktionsmöglichkeiten der Investoren gegenüber dem Management, erhöht dies den Druck, den Investoren auf das Unternehmen ausüben können, verringert somit das Investitionsrisiko und erhöht den Wert einer Aktieninvestition. Politisch-rechtliche Faktoren beeinflussen z.B. die Ausgestaltung der Kon253 254
255
256 257
Vgl. Steiner/Bruns (1998), S. 3 und S. 41. Hierzu zählen z.B. die Gründung des BaWe (später Teil das BaFin), die Einführung der Ad-hocPublizitätspflicht, die Verpflichtung zur Publikation größerer Beteiligungen an börsennotierten Gesellschaften (2. Finanzmarktförderungsgesetz), ebenso verschiedene Deregulierungen im Börsen- und Wertpapierwesen, Verbesserungen im Investmentrecht und Erleichterungen für Unternehmensbeteiligungsgesellschaften sowie die Beseitigung von Hemmnissen im Bereich des Going Public (3. Finanzmarktförderungsgesetz). Die 6. KWG-Novelle hat zu Beginn des Jahres 1998 große Teile des grauen Kapitalmarktes unter Aufsicht gestellt und damit in den regulierten Kapitalmarkt überführt. Vgl. Rosen (1999a), S. 1. Der Neue Markt der Deutsche Börse AG setzte bspw. Standards in Bezug auf Publizitätsanforderungen oder internationale Rechnungslegung, welche die gesetzlichen Vorgaben des amtlichen Handels überstieg. Vgl. Rosen (1998c), S. 12ff. Vgl. Rosen (1998c), S. 5. Der Computerhandel XETRA der FWB gilt bspw. als schnellstes, kostengünstigstes und zuverlässigstes Handelssystem in Europa. Vgl. Rosen (1998c), S. 14f.
88
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
trollrechte von Minderheitsaktionären oder das Verbot von Mehrstimmrechten. Technologische Faktoren erlauben eine direkte Reaktion auf aktuelle Entwicklungen, z.B. in Form schneller Informationsbeschaffung, Online-Orders, oder die Ausübung des Stimmrechts auch für Kleinaktionäre durch die Teilnahme an einer virtuellen HV und Stimmabgabe im Internet. Beeinflussen die Rahmenbedingungen das für Aktien verfügbare Investitionsvolumen, indem sich Motivation und Möglichkeit zu einer Investition in Aktien verändern, dann wirkt das über die Marktliquidität auf das Preisniveau. Entscheidenden Einfluss haben hier zunächst ökonomische Rahmenfaktoren wie das verfügbare Vermögen der privaten Haushalte und die Notwendigkeit der Investition in Aktien. Steigt beispielsweise der Bedarf an privater Altersvorsorge, wie dies gegenwärtig in Deutschland der Fall ist, werden neue Investitionsmöglichkeiten benötigt und durch den Aktienmarkt bereitgestellt.258 Rechtliche Rahmenfaktoren ermöglichen gleichzeitig für Deutschland das Angebot auf private Rentenziele zugeschnittener Pensionsfonds, die nach anglo-amerikanischem Vorbild ihr Vermögen weitgehend in Aktien investieren dürfen.259 Hinzu kommt mit der Riester-Rente die erste vom Staat geschaffene Anlageform, die eine Anlage in Aktien zur Deckung der eigenen Altersvorsorge ermöglicht. Beides lässt einen signifikanten Anstieg des für eine Aktieninvestition zur Verfügung stehenden Anlagevolumens erwarten.260 Beeinflussen Rahmenbedingungen die Investitionssteuerung der Investoren in Form von Portfolioselektion und Portfoliomanagement, dann verändert das die Vorteilhaftigkeit möglicher Positionierungen des fokalen Unternehmens. Ökonomische Faktoren, wie der Wegfall des Risikos von Wechselkursschwankungen sowie die Erleichterung der Bewertung verschiedener Anlagevarianten durch Einführung des Euro verringern bspw. die Barrieren für eine grenzüberschreitende Aktieninvestition. Aber auch sozio-kulturelle Faktoren können eine Rolle spielen, wenn Aktien, wie bspw. während des Hightech-Booms 1999, als LifestyleObjekte angesehen werden. Dann fließt ein größerer Teil des Investivkapitals unreflektiert in Aktienanlagen, als dies bei Vertrauenskrisen in Bezug auf das Management oder die Glaubwürdigkeit von Unternehmensinformationen der Fall ist. In solchen Phasen, wie z.B. nach dem ENRON-Skandal oder einer hohen Zahl von Betrugsfällen am Neuen Markt spielen Gewinne und solide Rechnungslegung wieder eine bedeutende Rolle. (c) Unternehmen: Wirken Rahmenbedingungen direkt auf die Unternehmen, bedeutet dies, dass für diese, ähnlich wie bei Investoren, bestimmte Handlungszwänge geschaffen oder auf258 259 260
Vgl. Rosen (1998c), S. 1. Das bislang häufig in Pensionsrückstellungen einzelner Wirtschaftszweige „gebunkerte“ Kapital kann so durch Pensionsfonds in zukunftsträchtige Industrien fließen. Vgl. Rosen (1999b), S. 1. Vgl. Rosen (1998c), S. 6.
I.3 Strategische Analyse des Wettbewerbs um Eigenkapital
89
gehoben werden oder dass sich die Vor- oder Nachteile bestehender Handlungsalternativen ändern. Neben allgemein auf die Wettbewerbssituation wirkenden Faktoren kann vor allem direkt der Handlungsrahmen des Unternehmens oder die Kontrolle über das Unternehmen beeinflusst werden. Als allgemein auf die Wettbewerbssituation des Unternehmens wirkender Faktor wäre auch hier die Einführung des Euro zu nennen. Die mit dem größeren europäischen Markt261 einhergehende gestiegene Anzahl konkurrierender Emittenten führt zu einer Wettbewerbsverschärfung. Der stärkere Wettbewerbsdruck auf alle Emittenten führt zu stärkeren Bemühungen um das Kapital der Anleger.262 Andererseits darf jedoch nicht übersehen werden, dass sich tendenziell auch die Kapitalquellen für wettbewerbsstarke Unternehmen vergrößern. Weiterhin können Rahmenfaktoren auf Handlungszwänge und –potenziale in Bezug auf den finanz- oder leistungswirtschaftlichen Handlungsrahmen des Unternehmens wirken. Beispiele für die Beeinträchtigung des finanzwirtschaftlichen Handlungsrahmens sind die Vereinfachung bei der Namensaktie sowie die Einführung der Stückaktie in Deutschland oder die Neuregelung des Erwerbs eigener Aktien durch die Gesellschaft.263 In Bezug auf den leistungswirtschaftlichen Handlungsrahmen wäre die Erleichterung der Begebung von Aktienoptionen zur Verhaltenssteuerung oder die Verpflichtung zur Einführung eines Risikomanagement-Systems zu nennen.264 Wirken Rahmenfaktoren auf den Bereich der Führungs- und Aufsichtsstrukturen des Unternehmens, wie dies mit dem KonTraG umfassend erfolgte, betrifft dies die Gestaltung der Aufsichtsratstätigkeit, die Pflichten der Wirtschaftsprüfer, die Verzahnung der einzelnen Organe, die Ausübung des Stimmrechts durch Kreditinstitute, die Behandlung wechselseitiger Beteiligungen, oder die Berichtspflichten der Unternehmen. Die Aufsichtsratstätigkeit ist durch eine Fülle von Maßnahmen betroffen. Beispiele sind hier Regelungen zur Höchstzahl von Aufsichtsratsmandaten265, zur Häufigkeit der Zusammenkunft,266 Sitzungsfrequenz und Bildung von Ausschüssen, die Möglichkeit der Verkleinerung des AR bei mittelgroßen AGs,
261 262 263
264
265 266
Gemäß Rosen (1998a) handelt es sich bei der Euro-Zone um den drittgrößten Markt der Welt. Vgl. Rosen (1998c), S. 5. Grundlage ist die 2. gesellschaftsrechtliche Richtlinie der EWG, welche die Erlaubnis für einen Aktienrückkauf durch das Unternehmen in Höhe von 10 Prozent vorsieht. Umgesetzt wurde diese Regelung in Art. 1 Abs. 5 KonTraG. Vgl. DAI (1996), S. 8. „Der Vorstand hat geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden.“ Art. 1 Abs. 9 c) KonTraG. Vgl. Art. 1 Abs. 10 b) KonTraG. In Deutschland legt Art. 1 Abs. 11 KonTraG fest, dass der AR einmal im Quartal zusammentreten soll und einmal (bei börsennotierten Gesellschaften zweimal) im Halbjahr zusammentreten muss.
90
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
der Beitrag der Wirtschaftsprüfer zur Kontrolle der Unternehmen, weiterhin die Abschaffung der Mehrstimmrechte, sowie Kontrolle der Stimmausübung bei verflochtenen Unternehmen267 oder bei Ausübung des Depotstimmrechtes durch Kreditinstitute.268 Ein weiteres Gebiet ist das Thema einer engeren Verzahnung von Vorstand, Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfern bei der Zusammenarbeit.269 Schließlich kann auch Umfang und Gegenstand der Berichterstattung des Unternehmens Gegenstand gesetzlicher Regelungen sein. So kann das Eingehen auf die Risiken künftiger Entwicklungen270 oder Erläuterungen zu eigenen Aktien und Bezugsrechten von Organmitgliedern und Arbeitnehmern271 zwingend vorgeschrieben werden. Auch in Bezug auf die Ausgestaltung des Zahlenwerks können Sollvorschriften den Handlungsspielraum beschneiden, wie in Deutschland inzwischen Kapitalflussrechnung und Segmentberichterstattung im Konzernanhang zur Pflicht wurden.272 Eine Erweiterung des Handlungsspielraums ergibt sich bspw. aus der Möglichkeit der Bilanzierung nach international anerkannten Standards. Dem Unternehmen ist damit die Möglichkeit gegeben, durch eine solche aktionärsorientierte Maßnahme die Arbeit der Analysten zu vereinfachen. Schließlich beeinflussen die Rahmenbedingungen zur steuerlichen Gestaltung der Veräußerung von Beteiligungen die Möglichkeiten einer Entflechtung. Dies würde wiederum den Einfluss von Investoren auf das Management betreffen und eine Öffnung für ausländische Investoren bewirken. Auch Regelungen wie BASEL II haben insofern Einfluss auf den Handlungsspielraum, als sie einen verstärkten Bedarf für eine Finanzierung über die internationalen Kapitalmärkte und damit notwendigerweise eine Ausrichtung auf die Vorstellung der dort agierenden Investoren bewirken.
267 268
269
270 271 272
Vgl. Art. 1 Abs. 33 a) KonTraG. In Deutschland, wo Kreditinstitute aufgrund der Kreditvergabe häufig kein Eigentümer- sondern ein Gläubigerinteresse besitzen, muss die Stimmabgabe nun im Sinne des Aktionärs erfolgen (Art. 1 Abs. 17 b) KonTraG) und ist bei eigenen Anteilen am Grundkapital auf die ausdrückliche Weisung des Aktionärs beschränkt (Art. 1 Abs. 21 a) KonTraG). Zudem ist die Information über die Interessenlage des Kreditinstituts ausdrückliche Voraussetzung (Art. 1 Abs. 17 b) KonTraG). Art. 1 Abs. 25 a) KonTraG regelt in Deutschland die Verzahnung zwischen AR und Abschlussprüfer, während Art. 1 Abs. 34 KonTraG sich mit Vorstand und AR befasst. In Art. 2 Abs. 6 KonTraG sind erweiterte Prüfpflichten der Abschlussprüfer vorgesehen, sowie schärfere Regelungen, wann eine Person als Wirtschaftsprüfer fungieren darf (Abs. 8). Vgl. Art. 2 Abs. 3 und Abs. 5 KonTraG. Vgl. Art 6 KonTraG. Vgl. Art. 2 Abs. 4 KonTraG.
I.4 Gestaltungsvariablen strategischer Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital
I.4
91
Gestaltungsvariablen strategischer Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital
Geht es nun darum, auf Basis der bisher getroffenen Überlegungen eine Positionierungsstrategie zu entwickeln, stellt sich ganz pragmatisch die Frage nach den real gestaltbaren Elementen. Diese sollen als Gestaltungsvariablen einer Positionierungsstrategie bezeichnet werden. Hier kommen zwei grundsätzliche Größen in Betracht: Zum einen ist dies der angestrebte Erfolg an sich (I.4.1), welcher der strategischen Zielsetzung entspricht. Zum anderen handelt es sich dabei um die auf diesen Erfolg zielenden Erfolgspotenziale des Unternehmens (I.4.2), quasi die angestrebten Zwischenstationen auf dem Weg zum Ziel.
I.4.1
Erfolg
Der angestrebte Erfolg einer Positionierungsstrategie ist die Voraussetzung für die Bestimmung der Erfolgspotenziale und der adäquaten Positionierung. Er findet seinen Ausdruck in der Referenzgröße der Positionierungsstrategie. Seine explizite Berücksichtigung ist erforderlich, weil die sequentielle Trennung von Erfolgspotenzialen und Erfolg lediglich eine analytische, idealtypische Differenzierung darstellt. Wird diese vereinfachte duale Sichtweise aufgegeben, können Erfolge ebenfalls wieder als Erfolgspotenziale für weitere Erfolge interpretiert werden.273 Sie sind dann gleichermaßen als unabhängige wie als abhängige Variablen zu behandeln. Die Unterscheidung von Erfolgspotenzial und Erfolg setzt also im Einzelfall voraus, die angelegten Maßstäbe für den Erfolg ebenfalls zu thematisieren.274 Die Entscheidung für den Börsenkurs als Referenzgröße einer aktionärsorientierten Wettbewerbsstrategie, wie sie dieser Arbeit zugrunde liegt, bedarf daher einer Begründung.275 Die Referenzgröße einer Strategie muss vor allem drei Anforderungen genügen. Sie muss als Zielgröße für die Betroffenen relevant sein und vom Management aktiv angesteuert werden können, sie muss als Bewertungsgröße Rückschlüsse auf die Managementleistung als Ganzes ermöglichen und sie muss als Steuerungsgröße Rückschlüsse auf den Erfolgsbeitrag einzelner Maßnahmen des Managements ermöglicht (vgl. Abb. I-12).276 273
274 275 276
Wird z.B. ein gutes operatives Ergebnis als Vorsteuergröße für einen höheren Börsenkurs gewertet, so stellt jener die Voraussetzung für eine „kostengünstige“ Eigenkapitalfinanzierung dar, welche wiederum Voraussetzung für notwendige Investitionen ist, um auch im Folgejahr ein positives Ergebnis erwirtschaften zu können. Vgl. Wolfrum (1993), S. 59. Diese Argumentation ähnelt dem Sachverhalt der „Duality of Structure“ bei Giddens (1984). Vgl. Wolfrum (1993), S. 93f. Vgl. die detaillierte Argumentation in der Einführung. Vgl. Porter/Lawler/Hackman (1975), S. 78f., welche die Rechtfertigung von Handlungen gegenüber Drit-
92
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
Relevanz im Rahmen der fokalen Strategie für die Beteiligten und Betroffenen
Abb. I-12:
Referenzgröße
Zielgröße
Beeinflussbarkeit durch die Gesamtleistung des Managements
Bewertungsgröße
Rückschlüsse auf den Erfolgsbeitrag der Gesamtleistung des Managements
Steuerungsgröße
Rückschlüsse auf den Erfolgsbeitrag einzelner Maßnahmen des Managements
Die Referenzgröße als Ziel-, Bewertungs- und Steuerungsgröße
Der Börsenkurs ist in dieser Hinsicht nicht unumstritten, weshalb im Folgenden (1) seine Entstehung erläutert und (2) untersucht wird, inwieweit er vor diesem Hintergrund als Referenzgröße einer Wettbewerbs- oder Positionierungsstrategie geeignet scheint. (1)
Die Entstehung von Börsenkursen
Um die Frage zu beantworten, ob das Management eines Unternehmens auf dessen Börsenkurs überhaupt einen Einfluss hat und umgekehrt vom Börsenkurs Rückschlüsse auf die Gesamtleistung oder einzelne Maßnahmen des Managements möglich sind, ist zu klären, wie denn der Kurs zustande kommt. Erklärungen für das Zustandekommen von Börsenkursen liefern zunächst (a) die Gleichgewichtsmodelle der Kapitalmarkttheorie. Auf Basis der für die Kapitalmarkttheorie typischen Makro-Sichtweise lassen sich allerdings nur inhaltliche und keine prozeduralen Aussagen ableiten. Anschließend wird deshalb (b) eine Mikro-Sichtweise eingenommen und der allgemeine Preisbildungsmechanismus an Aktienbörsen sowie die in diesen eingebundene individuelle Entscheidungsstruktur des einzelnen Investors betrachtet. (a) Makro-Ansatz der Portfolio- und Kapitalmarkttheorie: Die von Markowitz (1952) entwickelte Portfoliotheorie geht davon aus, dass Renditemaximierung und Risikominimierung für Investoren die relevanten Kriterien bei der Auswahl und Bewertung von Wertpapieren sind.277 Das Risiko eines Wertpapiers i wird dabei als Varianz der Renditen dieses Wertpapiers verstanden. Durch die Mischung verschiedener Wertpapiere in einem Portfolio lässt sich, je nach Korrelation der Renditen, das Risiko des Gesamtportfolios minimieren. Ziel ist
277
ten, Information über den Zweck der Organisation, Handlungsanleitung und Motivation, sowie Maßstab der Leistungsbeurteilung als Zweck von Zielen nennen. Vgl. Markowitz (1952), S. 77ff., sowie Perridon/Steiner (1995), S. 229ff. oder Steiner/Bruns (1998), S. 6ff. für eine zusammenfassende Darstellung.
I.4 Gestaltungsvariablen strategischer Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital
93
die Konstruktion so genannter effizienter Portfolios. Für die Praxis liegt das Hauptproblem des Modells in der Notwendigkeit, die zukünftigen Renditen vorherzusagen.278 Aufbauend auf Markowitz versucht sollte das Capital Asset Pricing Model (CAPM), die Erwartungsrendite – und damit den „fairen“ Preis – eines Wertpapiers durch das mit dem Wertpapier verbundene Risiko erklären.279 Die Renditeerwartung E(Ri) für eine risikobehaftete Kapitalanlage i entspricht danach im Kapitalmarktgleichgewicht der risikolosen Renditerate Rf zuzüglich einer Risikoprämie, die sich aus dem Marktpreis für die Risikoübernahme auf dem Kapitalmarkt, multipliziert mit der Risikohöhe ßi der risikobehafteten Kapitalanlage i ergibt: ER i R f >ER m R f @ E i
Die Risikohöhe Beta (ß) entspricht der Kovarianz zwischen den Renditeerwartungen des Wertpapiers i und des Marktportfolios M, dividiert durch die Varianz der Renditeerwartungen des Marktportfolios M: Ei
V im V 2m
COVR i , R m VAR R m
k im
Vi Vm
Beta bezieht sich allerdings nur auf das systematische Risiko des Wertpapiers i, da das unsystematische Risiko in effizienten Portfolios wegdiversifiziert werden kann. Problematisch ist die eindimensionale Fokussierung auf das nicht erklärte Risiko bei der Prognose von Preisunterschieden.280 Das führte zur Entwicklung so genannter Mehrfaktormodelle. Die Arbitrage Pricing Theory (APT) basiert auf der Annahme, dass es mehrere systematische Komponenten des Risikos gibt.281 Daraus folgt, dass viele Portfolios nahezu Substitutionsgüter sind, die konse-
278
279
280
281
Um effiziente Portfolios zu generieren, wäre eine Vorhersage der relevanten Variablen erforderlich. Da aber dem Modell selbst die Vorstellung zugrunde liegt, daß Renditen einem stochastischen Zufallsprozess unterliegen, muss näherungsweise mit historischen Daten gearbeitet werden. Das CAPM geht zurück auf Sharpe (1964), Lintner (1965) und Mossin (1966). Weitere Einflüsse werden Treynor und Fama zugeschrieben; vgl. Loistl (1994), S. 287. Für eine zusammenfassende Darstellung vgl. Perridon/Steiner (1995), S. 237ff. Darüber hinaus ist das so genannte Marktportfolio nicht beobachtbar (vgl. Roll 1977, S. 129f.). Das CAPM konnte zudem auch empirisch nicht ausreichend bestätigt werden, was u.a. auf die sehr rigiden Modellprämissen zurückzuführen ist (vgl. insg. Schneider 1992, S. 510, sowie Perridon/Steiner 1995, S. 239ff.). Daraus resultierten vielfältige Versuche, diese Prämissen zu lockern (vgl. Merton 1973, Lee 1976, Gilster 1983, Lintner 1969, Black 1972 und Brennan 1970). Das grundsätzliche Problem der eindimensionalen Fokussierung auf das nicht erklärte Risiko bei der Prognose von Preisunterschieden konnten sie aber nicht lösen. was zur Entwicklung so genannter Mehrfaktormodelle führte. Propagiert von Ross (1976, 1977); ausführliche Darstellungen bei Roll/Ross (1980), S. 1077ff., Müller (1985), Wilhelm (1985), und Perridon/Steiner (1995), S. 251.
94
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
quenterweise auch den gleichen Wert haben müssen. Die Rendite Ri des Wertpapiers i in der Betrachtungsperiode entspricht der zu Beginn der Periode erwarteten Rendite E(Ri) des Wertpapiers i zuzüglich der Produkte aus unerwarteten Komponenten der Ausprägung des Faktors K und der jeweiligen Sensitivität der Rendite des Wertpapiers i gegenüber Ausprägungen des Faktors K (bikFk) sowie der wertpapierspezifischen Störgröße İi: Ri
ER i b i1 F1 b i 2 F2 ... b iK FK H i
Das praktische Problem ist, dass die für die Praxis interessante die Frage, welches die relevanten Faktoren sind und mit welchen beobachtbaren Größen sie verknüpft sind in der APT unbeantwortet bleibt.282 Die Gleichgewichtsmodelle der Kapitalmarkttheorie weisen zwar auf die Rolle von Rendite und Risiko für die Entstehung von Börsenkursen, scheinen aber insgesamt nur eingeschränkt als Erklärungsmodell geeignet. Die Gründe liegen in Unzulänglichkeiten bei der Bestimmung der Erwartungsrendite, da den Gleichgewichtsmodellen der klassischen Kapitalmarkttheorie eine Ungleichgewichtsrealität gegenüber steht.283 Auch neuere Entwicklungen der Kapitalmarkttheorie, welche die Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes aufgeben, können keinen Beitrag zur Erklärung des Anlegerverhaltens leisten, solange die Entscheidungen der Aktionäre nicht explizit modelliert werden.284 Die mit diesen Modellen angewendete Makro-Sichtweise birgt insgesamt das Problem, dass kausallogische Zusammenhänge, selbst wenn sie existierten, nicht beobachtet werden könnten. „Die Kausalität der makroskopischen Welt kann allenfalls durch die bei vielen gleichzeitig zusammenwirkenden Elementarprozessen fühlbar werdende nivellierende Wirkung des ‚Gesetzes der großen Zahlen’ vorgetäuscht werden.“ (Neumann 1932, S. 109)
Eine Lösung für diese Problematik deutet sich mit dem von Haken (1983) entwickelten Konzept der Synergetik an.285 Danach ist das Marktsystem ein offenes System, das permanent die 282
283 284
285
Als solche Faktoren werden u.a. die Entwicklung der Wechselkurse, der Inflationsrate, des Zinsniveaus und anderer gesamtwirtschaftlicher Variablen angesehen, deren Einfluss nur ex post empirisch ermittelt werden kann. Vgl. Perridon/Steiner (1995), S. 250. Die empirische Überprüfung der APT ergab ähnlich wie beim CAPM ein heterogenes Bild. Vgl. für weitere Problembereiche Loistl (1994), S. 316f. Die Coherent Market Hypothesis (CMH) versucht bspw. mit Hilfe der Parameter (a) aktuelle fundamentale Marktsituation und (b) Grad des Gruppenverhaltens der Anleger die zukünftige Aktienrenditeverteilung zu prognostizieren. Die Schätzung der Parameter mit Hilfe von Neuronalen Netzen erscheint gegenwärtig erfolgversprechend. Allerdings handelt es sich auch hierbei um kein Modell, zur logischen Erklärung von Anlegerverhalten, da die zugrundeliegenden Entscheidungen der Aktionäre nicht explizit modelliert werden. Vgl. Vega (1990). Vgl. Haken (1983). Konzipiert wurde es im Rahmen seiner Beschäftigung mit der Laserphysik und Weiterentwicklung in der Beschreibung analoger Phänomene der Naturwissenschaften.
I.4 Gestaltungsvariablen strategischer Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital
95
von der Umwelt neu gestellten Probleme entdecken und durch vielfältige Anpassungsprozesse lösen muss.286 Diese Anpassungsprozesse beruhen auf den Interaktionen von Millionen von Individuen.287 Der Anpassungsprozess auf der Makroebene ist dabei lediglich das Resultat zahlreicher Aktivitäten auf der Mikroebene. Es scheint also eine differenzierte, mikrofundierte Betrachtung angeraten. (b) Mikrofundierte Betrachtung der Preisbildung: Bei einer mikrofundierten Betrachtung der Preisbildung am Aktienmarkt geht es um das reale entscheidungstheoretische Modell eines einzelnen Investors, welches zunächst zu beobachtbarem Angebots- und Nachfrageverhalten und schließlich durch den Preisbildungsmechanismus an Aktienbörsen zu einem beobachtbaren Marktpreis führt. Die einer Investition vorangehenden Überlegungen des Investors lassen sich analytisch idealtypisch in drei Entscheidungsprobleme zerlegen (vgl. Abb. I-13). Investmentbetrag Investment Policy bestimmen
Sparen
Infestmentformen Immobilien
Bankguthaben
Renten
Aktien
...
naly apiera Wertp hführen durc
Per for bew manc erte e n
Konsum
s
Abb. I-13:
Aktie B
Aktie C
Aktie D
Aktie E
Aktie F
...
lio n fo e rt ach Po rw e üb
Aktienportfolio Aktie A
o o li n rtf ere Po trui ns ko
Stufen- und Kreislaufmodell der Investitionsentscheidung Quelle: in Anlehnung an Sharpe/Alexander/Bailey (1995), S. 10ff.
In einer ersten Entscheidung legt der Investor fest, welcher Teil seines verfügbaren Kapitals durch Konsumverzicht für eine Investition zur Verfügung steht.288 Seine Zeitpräferenzrate und seine Risikoneigung determinieren dabei die für eine Investition notwendige Rendite. In einer zweiten Entscheidung bestimmt der Investor nun die Aufteilung seines Vermögens in unterschiedliche Anlageformen. Laut Portfoliotheorie geht es dabei darum, das Verhältnis von risikolosen zu risikobehafteten Papieren festzulegen. In der Realität sind die unterschiedlichen Anlagemöglichkeiten nicht ganz so trennscharf. Der Investor hat sich z.B. zwischen Real- und 286 287
Vgl. Hoppmann (1980), S. 28f., sowie Loy (1988), S. 28f. Vgl. Loy (1988), S. 17.
96
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
Finanzanlagen oder Fremd- und Eigenkapitalanlagen zu entscheiden und bestimmt, abhängig von seiner Risikoneigung auf diese Weise den Anteil der Aktien289 an seinem gesamten Investitionsvolumen. In einer dritten Entscheidung definiert der Investor die Zusammensetzung seines Aktienportfolios. Der Investitionsprozess lässt sich als Kreislauf darstellen.290 Die Analyse und Bewertung der Aktien erfolgt vor dem Hintergrund der relevanten Entscheidungsfaktoren sowohl als Einzelnbewertung als auch im Portfoliokontext. Bei der Bewertung von Aktien war bis in die 60er Jahre der Versuch vorherrschend, einen objektiven Unternehmenswert in Form des „Substanzwertes“ zu ermitteln.291 Mellerowitz (1952) war einer der ersten, die den Gedanken einbrachten, dass das Unternehmen einem Investitionsobjekt gleichzustellen sei, dessen Vorteilhaftigkeit über seine Erträge definiert werden müsse. Allerdings muss man sich dabei mit der mangelnden Eindeutigkeit dieses „Ertragswertes“ auseinandersetzen: Erstens ist es eine offene Frage, ob dieser an Einzahlungen (Gewinnen oder Cash Flow) oder an Auszahlungen (Dividenden oder Aktienrückkäufen) festgemacht wird. Zum anderen sind die wie auch immer definierten Zukunftserfolge unsichere Größen, die zum einen das Prognoseproblem, zum anderen das (im Kalkulationszins enthaltene) Bewertungsproblem unter Berücksichtigung von Risiko und Chance aufwerfen.292 Basierend auf der Überlegung, dass Aktienkurse das Ertragspotenzial der jeweiligen Unternehmen reflektieren, versuchen Investoren, diesbezüglich möglichst viele verfügbare Informationen zu erhalten und zu verarbeiten. Das Ausmaß verfügbarer Informationen, die von den Investoren verarbeitet werden und damit in den Kursen enthalten sind, wird als Informationseffizienz des Kapitalmarktes bezeichnet. Man unterscheidet schwache, halbstrenge und strenge Informationseffizienz, von denen in empirischen Untersuchungen meist die Informationseffizienzhypothese in ihrer halbstrengen Form Verwendung findet.293 Allerdings weist das relativ junge Forschungsgebiet der „Behavioral Finance“ darauf hin, dass auch die ver288 289 290 291
292 293
Vgl. Link (1991), S. 47. Die Portfoliotheorie spricht allgemeiner von risikobehafteten Wertpapieren. Vgl. Sharpe u.a. (1995), S. 10ff. Beim sogenannten „Substanzwert“ handelt es sich um den Betrag der für eine identische Reproduktion des zu bewertenden Unternehmens aufzuwenden ist. Eine theoretische Untermauerung wurde durch die sogenannte „Normalwerthypothese“ angestrebt, die damit argumentierte, dass sobald die Rendite den Normalzins überstiege, das Unternehmen nachgebaut und durch diese Konkurrenz die Verzinsung wieder gesenkt würde. Vgl. Kraus-Grünewald (1995), S. 1839. Die Hypothese der schwachen Informationseffizienz besagt, dass alle Informationen über vergangene Kursentwicklungen vollständig berücksichtigt sind, bei der Hypothese der halbstrengen Informationseffizienz wird die vollständige Berücksichtigung aller öffentlich verfügbaren Informationen in den Wertpapierkursen unterstellt und als streng informationseffizient gilt ein Markt, falls sämtliche, auch nichtöffentliche, Informationen in den Wertpapierkursen vollständig berücksichtigt sind. Vgl. Steiner/Bruns (1998), S. 41ff., ähnlich Perridon/Steiner (1995), S. 386ff. u. S. 237.
I.4 Gestaltungsvariablen strategischer Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital
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fügbaren und verarbeiteten Informationen nicht immer rational verarbeitet werden. Für die Beschaffung relevanter Informationen zur Bewertung von Aktien verwenden Investoren zwei grundsätzlich unterschiedlichen Methoden, die Chartanalyse und die Fundamentalanalyse. Die Chartanalyse wird in Bezug auf ihre langfristige Prognosequalität häufig kritisiert,294 ist aber in der Praxis weit verbreitet und hat, möglicherweise gerade deshalb, auch kurzfristige Prognoseerfolge. Sie nimmt nur indirekt über die Kursentwicklung der Vergangenheit Bezug auf das reale Unternehmensgeschehen und ermöglicht daher auch keine Rückschlüsse auf potentielle Positionierungen bei dem Investor, da das Investorenverhalten ausschließlich durch die Vergangenheitskurse und nicht direkt durch das Unternehmensverhalten determiniert wird. Die Fundamentalanalyse basiert auf der Annahme, dass der Kurs einer Aktie um ihren inneren Wert schwankt.295 Daher werden im Rahmen einer Global-, Branchen- und Unternehmensanalyse zur Ermittlung des inneren Wertes von Aktien alle als relevant angesehenen fundamentalen Daten einbezogen. Da die Fundamentalanalyse explizit auf das Unternehmensgeschehen Bezug nimmt, ermöglicht ihre Anwendung Rückschlüsse auf potentielle Positionierungen bei dem Investor. Dieses Bewertungsverhalten individueller Investoren führt nun über den Preisbildungsmechanismus des Marktes zu Börsenkursen. Dieser, in seinen Grundzügen einfache Preisbildungsmechanismus ist in praxi sehr komplex, denn er zeichnet sich durch das Aufeinandertreffen von nicht immer vollständig rational agierenden Käufern und Verkäufern mit individueller Wahrnehmung und subjektiven Wertvorstellungen aus: „Das tägliche Börsengeschehen wird bestimmt von Anlegern, die gar nicht, nur teilweise oder zu erheblichen Kosten Informationen verarbeiten, nach teilweise erheblicher Bedenkzeit entscheiden, selektiven Wahrnehmungsprozessen und einem selektiven Gedächtnis unterliegen [und] untereinander soziale Einflüsse ausüben.“ (Bienert 1996, S. 6)
Die teilweise interdependenten Entscheidungsprozesse der Investoren sind in Abb. I-14 am Beispiel zweier Investoren dargestellt: Diese bilden zunächst Erwartungen hinsichtlich der Entwicklung der Aktie bzw. des Unternehmens.296 Diese Erwartungsbildung basiert zum ei294
295 296
Das Ziel besteht in der rechtzeitigen Erkennung von Aktienkursverläufen, von denen angenommen wird, dass sie sich in der Zukunft wiederholen. Sind allerdings die Märkte auch nur schwach informationseffizient, dann sind durch die Chartanalyse keine Überrenditen zu erwarten, denn das Kursbild der Vergangenheit ist bei einem schwach informationseffizienten Markt längst im Wertpapierkurs berücksichtigt und die Chartanalyse kann keinen gewinnbringenden Nutzen mehr erbringen. Vgl. Steiner/Bruns (1998), S. 42 und 221ff. Der innere Wert einer Aktie ist der Wert, der ihr objektiv zukommt. Er entspricht dem Barwert aller zukünftigen Gewinne. Vgl. insgesamt zur Fundamentalanalyse Steiner/Bruns (1998), S. 202ff. Bereits für Keynes (1964), S. 154ff., war der erwartete zukünftige Wert einer Aktie die wesentliche Determinante für Transaktionen auf dem Aktienmarkt. Dies bestätigt eine Umfrage unter amerikanischen
98
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
nen auf der Analyse der verfügbaren Informationen über Unternehmen, Branche und Umwelt und zum anderen auf der Analyse des Verhaltens anderer Marktteilnehmer und daraus sich ergebender Rückschlüsse auf deren Erwartungen. Aus ihren Erwartungen bilden sie in Verbindung mit ihren persönlichen Nutzenpräferenzen im Rahmen einer Kongruenzanalyse eine subjektive Wertvorstellung bezüglich der fokalen Aktie.
Nutzenpräferenzen Informationen (Umwelt, Unternehmen, ...)
Kongruenzanalyse
Subjektive Wertvorstellungen
Erwartungsbildung
Häufigkeitsverteilung der Preisgebote
Informationen bzgl. Verhalten anderer
Informationen bzgl. Verhalten anderer
Informationen (Umwelt, Unternehmen, ...)
Erwartungsbildung Nutzenpräferenzen
Abb. I-14:
Kongruenzanalyse
Subjektive Wertvorstellungen
Die Investitionsentscheidung als individueller Entscheidungsprozess Quelle: In Anlehnung an Schulz (1972), S. 121, sowie Loistl (1994), S. 325
Nun wird der Preis einer Aktie an den Vorstellungen vom Wert dieser Aktie gemessen.297 Existiert für eine bestimmte Aktie ein von den handelnden Parteien nicht unmittelbar zu beeinflussender Börsenkurs und bewertet ein Investor das Eigentum an dieser Aktie niedriger, reagiert er mit einem Verkaufsangebot, schätzt er die Verfügungsgewalt über die Aktie höher ein als den Kurs, der zu zahlen ist, reagiert er mit einem Kaufangebot. Dies führt an der Börse zunächst einmal zu einer Häufigkeitsverteilung der Preisgebote. Kommt es dann durch eine Angebotsannahme zu einer (am Markt explizit beobachtbaren) Transaktion, dann werden die subjektiven Wertvorstellungen der Investoren in dem aus dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessenlagen resultierenden Marktpreis objektiviert.
297
Anlegern, in welcher sich die erwartete künftige Kurssteigerung als der bedeutendste Kaufgrund herausstellte. Vgl. Baker u.a. (1977). Hier setzt auch die Hauptfragestellung der Kapitalmarkttheorie an. Über die zu Finanztiteln zugeordneten Zahlungsstromcharakteristika sollen bestimmte Wertvorstellungen in einem Zeitpunkt ermittelt werden. Diese sollen dazu beitragen zu klären, wie man von subjektiven intrapersonalen Wertvorstellungen zu den beobachtbaren, aus interpersonalen Transaktionen resultierenden Preisen kommt. Vgl. Loistl (1994), S. 7.
I.4 Gestaltungsvariablen strategischer Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital
99
In diesem Fall überdenken alle Investoren entsprechend der wahrgenommenen Veränderung erneut ihre potentiellen Handlungen. Hat dagegen ein Agent eine (am Markt nicht beobachtbare) Revision seiner Wertvorstellung vorgenommen, überprüft lediglich der die Wertkorrektur vornehmende Agent seine Handlungsalternativen erneut. Sofern die einzelnen Preisnotizen nicht zu sehr schwanken, verdichten sich die subjektiven Werturteile zu einem Einheitspreis, an dessen Festsetzung die Individuen nur noch mitwirken, diesen aber nicht mehr souverän bestimmen.298 Damit ist erklärbar, wie aus dem individuellen Verhalten der Investoren Aktienkurse bzw. Marktpreise entstehen. Da ihr individuelles Verhalten, soweit es auf der Fundamentalanalyse beruht, durch die Positionierung des Unternehmens beeinflussbar ist, kann nun gezeigt werden, dass es sich beim Börsenkurs tatsächlich um eine im Rahmen von Wettbewerbs- und Positionierungsstrategien anwendbare Referenzgröße handelt. (2)
Der Börsenkurs als Referenzgröße
Vor diesem Hintergrund bietet sich zur Untersuchung der Eignung des Börsenkurses als Referenzgröße die eingangs zu I.4.1 genannte differenzierte Betrachtung nach seiner Eignung als (a) Zielgröße, (b) Bewertungsgröße und (c) Steuerungsgröße an. (a) Der Börsenkurs als Zielgröße: Ziele sind „Aussagen mit normativem Charakter, die einen von einem Entscheidungsträger gewünschten, von ihm oder anderen anzustrebenden, auf jeden Fall zukünftigen Zustand der Realität beschreiben“299. Sie müssen also gewünscht und proaktiv ansstrebbar sein.300 Probleme bei der Verwendung des Börsenkurses als Zielgröße könnten sich nun ergeben, falls er entweder aus Sicht der betrachteten Bezugsgruppe nicht relevant und deshalb nicht gewünscht, oder nicht operationalisierbar und deshalb nicht proaktiv anstrebbar wäre. Die Relevanz des Börsenkurses resultiert sowohl aus seiner Rolle als Nutzenindikator, als auch aus seinem direkten Nutzen für die Aktionäre. Einerseits kann der Börsenkurs als Abbild und damit Indikator des originären Nutzenpotenzials der Unternehmung angesehen werden. Unabhängig davon stellt dieser derivative Börsenkurs nun aber einen realisierbaren Wert301 und damit einen direkten Nutzen für den Investor dar. Für das Management reflektiert er damit tendenziell die Wertschätzung der Aktionäre in Bezug auf die originären Nutzenpotenziale, an denen das Unternehmen sich orientieren sollte. Zudem ist er für das Unternehmen direkt relevant, da er verstärkende Rückkoppelungseffekte auf die Lage des Unternehmens hat, in298 299 300
Vgl. Rieger (1928), S. 9f. Hauschildt (1977), S. 9. Zu Kriterien von Zielen vgl. Staehle (1999), S. 440f. u.R.a. Heinen (1976).
100
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
dem er bspw. die Möglichkeit zur Kapitalbeschaffung beeinflusst. Aufgrund der Relevanz der Aktionäre für die Sicherung der Interessen des Managements ist der Börsenkurs damit auch zur Erhaltung der Eigenständigkeit des Managements von großer Bedeutung.302 Auch die Beeinflussbarkeit des Börsenkurses durch das Management ist eindeutig zu unterstellen. Wenn es nämlich stimmt, dass Fundamentaldaten des Unternehmens die Investitionsentscheidung zumindest mittel- bis langfristig beeinflussen und damit über die Marktmechanismen einen Einfluss auf den Marktpreis haben, dann muss man davon ausgehen, dass der Börsenkurs über die Fundamentaldaten des Unternehmens tendenziell beeinflussbar ist. Allerdings muss die Börsenkursentwicklung kurz- bis mittelfristig nicht immer mit der Einflussnahme des Managements korrelieren. Das liegt zum einen an der Möglichkeit, dass Investoren andere als fundamentale Unternehmensdaten zur Bewertung von Aktien heranziehen. Die „Gefahr zur Ausbildung einer alternativen Bewertungskonvention“303 nimmt dann zu, wenn der Marktprozess Umverteilungsgewinne für Entscheidungsregeln zulässt, die den Gewinn informationsverarbeitender Fundamentalstrategien schmälern, indem sie deren Verhalten antizipieren. Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass externe Einflüsse die Maßnahmen des Managements überkompensieren. Dadurch wird zwar nicht ihre Wirksamkeit, wohl aber ihre Erkennbarkeit verringert. Zunächst einmal kann jedoch festgestellt werden, dass der Börsenkurs als Zielgröße geeignet ist. Man könnte zwar auch einfach eine fundamentale Größe nehmen, die weniger Fremdeinwirkungen unterliegt und damit direkter beeinflussbar ist, damit besteht aber die Gefahr, an den Nutzenerwartungen des Investors vorbei zu agieren und damit potentiell auch den realen Nutzen in Form eines maximalen Börsenkurses zu gefährden. Weitaus anspruchsvoller ist die Forderung, dass der Börsenkurs sich als Führungsgröße eignen soll. Als solche sollte er erstens für die Betroffenen im Sinne einer Bewertungsgröße einsetzbar sein, um die Managementleistung als Ganzes anhand des Zielerreichungsgrades zu beurteilen (b),304 zum zweiten muss es dem Management selbst möglich sein, ihn als Steuerungsgröße einzusetzen (c). Ob es sich bei dem Börsenkurs der Aktien eines Unternehmens in diesem Sinne um eine im Rahmen der strategischen Führung anwendbare Referenzgröße han-
301 302 303 304
Vgl. Hachmeister (1995), S. 38. Vgl. hierzu Abschnitt (2) der Einführung, S. 12ff., sowie Hill/Jones (1992), S. 41. Bienert (1996), S. 296. Dies ergibt sich daraus, dass Referenzgrößen, wie im Rahmen der Diskussion des Börsenkurses als Zielgröße bereits festgestellt wurde, auch der Kommunikation der Unternehmenstätigkeit nach außen dienen.
I.4 Gestaltungsvariablen strategischer Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital
101
delt, soll mit Hilfe des in Abb. I-15 dargestellten kybernetischen Regelkreises305 als Bezugsrahmen untersucht werden. Führungsgröße
Börsenkurs
Regler
Management Effektor
Rezeptor
Handlungsfelder
Informationssysteme Regelstrecke
Unternehmen
Investorenverhalten
Börsenkurs
Umwelt
Gesamtwirtschaft und Branche
Abb. I-15:
Der Börsenkurs als. Führungsgröße im kybernetischen Regelkreis Quelle: in Anlehnung an Kirsch (1997), S. 44ff.
(b) Der Börsenkurs als Bewertungsgröße: Bereits die Eignung des Börsenkurses als Bewertungsgröße für die Managementleistung als Ganzes stellt sich als problematisch dar. Das ist zum einen dadurch zu erklären, dass der Börsenkurs selbst eine Bezugsgröße benötigt, die entweder in dem Kurs der Vorperiode oder in einem absoluten Wert (bspw. dem Buchwert) besteht. Zum anderen besteht das Problem darin, dass der Börsenkurs neben der Unternehmenspolitik des Managements von verschiedenen anderen Einflussgrößen abhängt. Dazu zählen insbesondere allgemeinwirtschaftliche und branchenspezifische Einflüsse, spekulatives Verhalten der Investoren und markttechnische Einflüsse, sowie mangelnde Berücksichtigung verfügbarer Informationen durch den Markt. Trotzdem wäre die Eignung des Börsenkurses als Bewertungsgröße gegeben, wenn entweder das Management die Möglichkeit hätte, diese Einflüsse abzumildern oder sich der Einfluss des Managements auf die Entwicklung des Börsenkurses durch Herausrechnen aller sonstigen Einflüsse analytisch isolieren ließe. Im Folgenden soll daher untersucht werden, wie mit den
305
Vgl. Kirsch (1997), S. 44f.
102
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
oben genannten Problemen umgegangen werden kann. Dabei bietet sich, um dies vorweg zu nehmen, eine Steuerungsgrößenhierarchie oder ein relativer Bewertungsansatz als Lösung an. Was ein Börsenkurs wirklich „wert“ ist, ist abhängig von bestimmten Inputfaktoren, wie Arbeit, Kapital, etc. und lässt sich daher nur in Relation zu diesen Größen beurteilen. Diese Relativität bei der Bewertung eines Aktienkurses stellt von allen genannten jedoch das geringste Problem dar. Kennzahlen wie bspw. MVA, M2B, oder Tobin’s Q, erlauben es, den Börsenkurs in Bezug auf entsprechende Inputgrößen zu „normalisieren“. Ein erstes echtes Problem stellen globale oder regionale, allgemeinwirtschaftliche oder branchen-/gruppenspezifische Einflüsse dar, die das Nachfragevolumen und damit das Preisniveau aller Aktien beeinflussen können.306 Studien zu diesem Phänomen lassen eine eindeutige Tendenz erkennen: Über Zeiträume von 5 Jahren lassen sich bis zu 30% der Kursbewegungen mit fundamentalen Leistungsmessgrößen wie Gewinn, Residualeinkommen, DCF, oder EVA erklären. Bei Eliminierung von Brancheneinflüssen sind dies teilweise bis zu 50%. Das bedeutet, dass der Index und damit unternehmensunspezifische Einflüsse 50%-70% der Kursbewegungen einzelner Wertpapiere erklärt (vgl. Abb. I-16).307
Marktspezifische Faktoren: Marktspezifische Faktoren:
Branchenspezifische Faktoren:
Unternehmensspezifische Faktoren:
307
Marktspezifische Faktoren:
31%
Gruppenspezifische Faktoren:
14%
Branchenspezifische Faktoren:
12%
Unternehmensspezifische Faktoren:
43%
50%
Gruppenspezifische Faktoren:
37%
Branchenspezifische Faktoren:
12%
Unternehmensspezifische Faktoren:
20%
20%
30%
Marktportfolio
Aktienportfolio
Einzelne Aktien
Fischer/Jordan (1983), S. 108ff.
Altman (1988), S. 38f. u.R.a. King (1966)
Altman (1988), S. 38f. u.R.a. Farrell (1975), S. 58
Abb. I-16:
306
31%
Determinanten des Börsenkurses Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an King (1966), Farrell (1975), Fischer/Jordan (1983), S. 108ff. sowie Altman (1988), S. 38ff.
Vgl. Hachmeister (1995), S. 47. Vgl. für ähnliche Ergebnisse Fischer/Jordan (1983), S. 108ff., sowie King (1966) und Farrell (1975), die neben unternehmens-, branchen- und marktspezifischen Faktoren auch gruppenspezifische Faktoren als Determinanten des Börsenkurses identifizieren.
I.4 Gestaltungsvariablen strategischer Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital
103
Politische Ereignisse können die Kurse direkt oder indirekt über die gesamtwirtschaftliche Situation und die künftige Ertragsentwicklung von Unternehmen beeinflussen. Auch Krisen an den Finanzmärkten können einen massiven Einfluss auf die Kurse ausüben und jenseits kurzfristiger Kursverluste eine nachhaltige Beschädigung des Anlegervertrauens bewirken. Beispiele sind308 die Ölkrise der 90er Jahre, der Börsencrash von 1987, die Kuwait-Krise und der Golfkrieg, oder die Asienkrise. Allgemeinwirtschaftliche Einflüsse gelten für ganze Volkswirtschaften, zumindest aber für ganze Branchen. Hier besteht die Möglichkeit, dass sie in geringem Umfang durch das Management abgemildert werden können, indem z.B. ein Unternehmen in mehreren Ländern oder Branchen tätig ist. Bei größerer Handlungsfreiheit des Managers ließe sich unter bestimmten Umständen auch ein Branchenwechsel als Handlungsoption ansehen. Die rechnerische Kompensation real wirkender allgemeinwirtschaftlicher Einflüsse ließe sich durch die Normierung auf einen Index erreichen. Es ist möglich, dass der Börsenkurs die unternehmensspezifischen Einflussfaktoren nicht adäquat reflektiert und daher nicht mit dem „inneren Wert“ einer Aktie übereinstimmt. Erstens ist es denkbar, dass der Börsenkurs von spekulativen Einflüssen bestimmt wird und damit nicht eindeutig die Ertragskraft des Unternehmens widerspiegelt.309 Zu solchen Einflüssen zählen spekulative Übertreibungen oder Irrationalitäten als Folge psychologischer Einflüsse (psychologische Börsenkurstheorien). Theoretische Ansätze zur Erfassung solcher Phänomenen sind „Noise Trader-Ansätze“, oder die Theorie „spekulativer Blasen“.310 Ein solches Verhalten ist auch bei rational handelnden Marktteilnehmern möglich, indem sie auf das „irrationale“ Verhalten der anderen Marktteilnehmer setzen. Wird diese Argumentation rekursiv angewendet, dann verhalten sich alle Marktteilnehmer rational, indem sie von irrationalem Verhalten der anderen Marktteilnehmer in Bezug auf die Fundamentaldaten ausgehen. Auch spekulatives Verhalten kann unbestritten die Marktpreise jenseits fundamentaler Wertvorstellungen beeinflussen. Zunächst stellt sich allerdings die Frage, ob dies die Eignung des Börsenkurses als Steuerungsgröße konterkariert. Dabei bleibt nämlich zu bedenken, dass auch spekulatives Verhalten der Investoren letztlich durch Managerverhalten beeinflusst werden kann und ggf. sogar dadurch hervorgerufen wird. Sodann lässt es sich in den meisten Fäl-
308 309 310
Vgl. Wetzel (2001b), S. 1f. Vgl. Hachmeister (1995), S. 38ff., sowie für einen Überblick Hoffjan/Siemes (1999), S. 452ff. und Dangl u.a. (2001), S. 341f. und 360ff. Vgl. o.V. (2001b), S. 1f. Im ersten Halbjahr 2000 bspw. floss das Kapital in den USA von sogenannten Old Economy Werten zu New Economy Werten wodurch diese einen überproportionalen Kursanstieg erfuhren. Nur so ist beispielsweise die Übernahme von Time Warner durch AOL zu erklären. Nur wenige Monate später aber hatte sich die Situation bereits wieder gedreht. Vgl. o.V. (2001b), S. 2.
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Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
len kaum klären, ob der Markt übertreibt oder ob der Betrachter den wahren Wert eines Unternehmens lediglich noch nicht erkannt hat. Das widerspricht zwar nicht der Annahme, dass so etwas wie spekulatives Verhalten existiert, die Feststellung jedoch, wann spekulatives Verhalten zu unangemessen hohen Kursen führt, lässt sich vor diesem Hintergrund nicht mehr eindeutig beantworten. Schließlich existieren Überreaktionen des Marktes nach unten genauso wie nach oben, weshalb davon auszugehen ist, dass sie sich dauerhaft ausgleichen. Eine Möglichkeit, spekulativ bedingte Fehlbewertungen des Marktes zu eliminieren, könnte daher in der Verwendung von Durchschnittskursen bestehen. Aus markttechnischer Sicht hat sowohl die Struktur als auch Motivation und Finanzkraft bisheriger und potentieller Aktionärsgruppen, die Höhe des Aktienkapitals und der Festbesitzanteile ggf. einen Einfluss auf den Kurs.311 Auch können hohe Mittelrückflüsse bei Investmentfonds für Aktien mit hohen Fondsanteilen zu einem Sinken der Kurse führen, weil sich dann die Fonds von ihren Anteilen trennen.312 Verstärkt wird das noch durch das Problem der „Marktenge“. In engen Märkten genügt bereits eine kleine Anzahl von Transaktionen, um den Börsenkurs zu beeinflussen. Allerdings ist es dort auch eher möglich, den Kurs zu pflegen.313 Solche markttechnischen Einflüsse sind durch den Manager so gut wie nicht abzumildern. Sie wirken sich jedoch regelmäßig auf alle Aktien eines Marktes aus. Es besteht deshalb hier eine Lösung darin, die zur Bewertung des Unternehmens herangezogenen Börsenkurse auf einen Index zu normieren. Denkbar wäre ein Branchenindex, ein Länderindex, ein Segmentindex oder ein globaler Aktienindex. Auf diese Weise ließen sich markttechnische Einflüsse – in der Portfoliotheorie das so genannte systematische Risiko – eliminieren. Schließlich ist es denkbar, dass im Börsenkurs nicht alle Informationen reflektiert sind. Eine mögliche Ursache wird darin gesehen, dass der Zeithorizont des Marktes zu kurz sei; man spricht dann von „Kurzsichtigkeit des Marktes“. Gewinnkennzahlen aus Quartalsberichten würden auf Kosten der Informationen über zukunftssichernde Investitionen überbewertet. Weiterhin können aber auch Defekte bzw. Verzögerungen in der Informationsverarbeitung auftreten.314 Für das Problem, dass im Börsenkurs nicht alle Informationen reflektiert sind, besteht ebenfalls eine Lösung. Diese liegt allerdings nicht darin, die Zielgröße zu normieren. Wären alle Unternehmen in gleichem Maße betroffen, würde diese Tatsache überhaupt kein Problem 311 312
313 314
Vgl. Hachmeister (1995), S. 46. Allerdings verschafft die Vielschichtigkeit des Kapitalmarktes diesem eine gewisse Elastizität, die dafür sorgt, dass Veränderungen bei Kapitalangebot oder -nachfrage nicht sofort auf den gesamten Markt durchschlagen. Vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S. 86. Vgl. Hachmeister (1995), S. 47. Vgl. Hachmeister (1995), S. 42f.
I.4 Gestaltungsvariablen strategischer Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital
105
darstellen. Besonders betroffen sind davon aber Unternehmen, deren Gegenwartswert in besonders starkem Maße von Faktoren beeinflusst wird, die in der Bewertung des Kapitalmarktes keine Rolle spielen. Dies können weit in der Zukunft liegenden Ertragspotenziale von Investitionen sein („Kurzsichtigkeit der Kapitalmärkte“) oder Flexibilitätspotenziale („Realoptionstheorie“), welche laut Aussagen des Managements vom Kapitalmarkt häufig nicht honoriert werden. In manchen Fällen ist diese Aussage aber grundsätzlich fragwürdig, da der Kapitalmarkt bspw. sehr wohl zukünftige Cash Flows abdiskontiert und damit der zukünftigen Entwicklung des Unternehmens Rechnung trägt. Die ausgesprochen hohe Bewertung von Wachstumsunternehmen in den Jahren 1998-2000 ist dafür ein gutes Beispiel. Zum anderen ist auch hier, wie bei den spekulativen Effekten die Frage zu stellen, ob das Management nicht dafür verantwortlich zu machen ist, wenn das zukünftige Ertragspotenzial durch die Investoren nicht erkannt wird. Die Lösung läge in diesem Fall darin, die mit den getätigten Investitionen verbundenen zukunftsbezogenen Vorteile nachhaltiger zu kommunizieren. Die genannten Störfaktoren lassen sich also entweder dem Managementverhalten wenigstens teilweise zurechnen und sind deshalb in einer Bewertungsgröße relevant oder sie lassen sich nachträglich rechnerisch derart eliminieren, dass der Börsenkurs trotzdem als Bewertungsgröße Verwendung finden kann. (c) Der Börsenkurs als Steuerungsgröße: Die Frage nach der Eignung des Börsenkurses als Steuerungsgröße einer Wettbewerbsstrategie geht allerdings noch einen Schritt weiter. Steuerungsgröße bedeutet nämlich, dass die Wirkung bestimmter Maßnahmen auf die Referenzgröße zumindest in ihrer Tendenz prognostiziert werden kann und dass eine Erfolgsmessung möglich ist. Selbst wenn es gelänge, den Einfluss des Managements auf die Kursentwicklung analytisch zu isolieren, ist es aufgrund der Eindimensionalität des Börsenkurses als Zielgröße fraglich, ob der Rückschluss auf den Erfolgsbeitrag einzelner Handlungsprogramme des Managements möglich ist. Es müssten sich also Zusammenhänge zwischen den einzelnen Elementen der Wettbewerbsstrategie und der Entwicklung des Börsenkurses identifizieren lassen. Diese könnten logisch deduktiv hergeleitet und dann hypothesengestützt empirisch bestätigt werden. Zwar ist es nicht Aufgabe der vorliegenden Arbeit, eine Lösung dafür zu finden, wie der Börsenkurs konkret als Steuerungsgröße Verwendung finden kann, allerdings ist das Aufzeigen der Möglichkeit eine wichtige Voraussetzung für die Sinnhaftigkeit der Entwicklung von auf den Börsenkurs ausgerichteten Positionierungsstrategien. Eine Erfolgsmessung kann nur dann erfolgen, wenn die Steuerungsgröße messbar ist. Dies ist beim Börsenkurs der Fall. Zum zweiten kann sie nur dann effizient erfolgen, wenn sich die gemessene Abweichung der IstGröße von der Soll-Größe auf bestimmte Faktoren zurückführen lässt, so dass das Handlungsprogramm zielgerichtet modifiziert werden kann. Im Folgenden wird kurz dargestellt,
106
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
um welche Faktoren es sich dabei handelt und dass die Isolierung einzelner Einflüsse auf den Börsenkurs grundsätzlich denkbar ist. Ein erster relevanter Faktor ist die Rendite- und Wachstumserwartung. Zunächst sollte es möglich sein, den Einfluss der kurz-, mittel- und langfristigen Renditeerwartung auf den Gegenwartswert zu isolieren. Nur dann lassen sich zielgerichtete Maßnahmen ergreifen, um entweder die Strategie an die Erwartungen der Investoren anzupassen oder umgekehrt. Dies scheint möglich, wenn Investoren den inneren Wert des Unternehmens tatsächlich annahmegemäß auf Basis ihrer Erwartungen hinsichtlich der Erträge und der Wachstumscharakteristik (also Aufteilung in kurz-, mittel- und langfristige Erträge) ableiten. Da die kurzfristigen Ertragserwartungen auf Basis von Konsensschätzungen der Analysten vorliegen, lässt sich mit Hilfe des aktuellen Kurses und des Diskontsatzes ableiten, welches Wachstum Aktionäre für die Zukunft erwarten.315 Agiert bspw. ein Unternehmen eher langfristig, während die Investoren kurzfristige Erträge erwarten, wird es tendenziell unterbewertet. Nun gibt es neben der Ertragserwartung aber noch weitere Einflüsse auf den Börsenkurs, welche im Rahmen von Positionierungsstrategien abgedeckt werden.316 Es sollte daher möglich sein, den Einfluss einzelner Handlungsfelder zu isolieren. Auch hier scheint sich eine Möglichkeit in Form von Investorenbefragungen oder direkter Kommunikation mit Investoren anzubieten. Bislang wurde von der mit Konzernstrukturen zusammenhängenden Problematik abstrahiert. Existieren allerdings mehrere Teileinheiten, stellt sich die Frage, in welchen Bereichen wie viel Wert geschaffen wird Es muss also möglich sein, den Einfluss der einzelnen Teileinheiten (TE) auf den Börsenkurs zu isolieren. Auch hier bieten sich Lösungen durch Teilexposition der Teileinheit oder durch direktes oder indirektes Feedback der Investoren an.317 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass insbesondere die Nutzung des Börsenkurses als Steuerungsgröße Herausforderungen birgt, dass diese aber durchweg lösbar erscheinen. Der Börsenkurs sollte damit als legitime Referenzgröße einer Positionierungsstrategie für den Eigenkapitalmarkt angesehen werden können.
315 316 317
Mögliche Vorgehensweisen finden sich bei Bruckner u.a. (1999) sowie Altman (1988), S. 168, u.R.a. Rappaport (1986), S. 148ff. Vgl. hierzu die Ausführungen unter II.2.2 (2). Vgl. die Ausführungen zu (2) Nutzenpotenzialen und (3) Handlungsfeldern unter I.2.2.2 sowie detailliert die Teile II.1 bis II.3. Vgl. insbesondere Unterkapitel III.3.1, S. 283ff. dieser Arbeit.
I.4 Gestaltungsvariablen strategischer Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital
I.4.2
107
Erfolgspotenziale
Neben der als Erfolg definierten Referenzgröße einer Wettbewerbsstrategie spielen die vom Unternehmen in dieser Hinsicht aufzubauenden Erfolgspotenziale die bedeutende Rolle.318 Da Erfolg bei einer Positionierung an der Börse eng mit der Wahrnehmung eines Nutzens durch den Investor zusammen hängt, sind die Erfolgspotenziale des Unternehmens weitgehend identisch mit den Nutzenpotenzialen des Investors.319 Zunächst muss deshalb (1) nach dem Gestaltungsrahmen der Aktie gefragt werden, welcher die Grenzen der mit dem Produkt „Aktie“ transportierbaren Nutzenversprechen festlegt. Vor diesem Hintergrund kann (2) als zentrale Frage untersucht werden, welche Kriterien sich den Investoren als Nutzenpotenziale darstellen, und welche Konstellationen im organisatorischen Feld diesbezüglich als Erfolgspotenziale angesehen werden dürfen. Im Zusammenhang mit (3) Handlungsfeldern der Unternehmung wird schließlich thematisiert, wo strategisches Handeln überhaupt ansetzen kann und welche Erfolgsfaktoren dadurch in den strategischen Überlegungen zum Aufbau von Erfolgspotenzialen zugelassen werden (vgl. insgesamt Abb. I-17).
Aktie
l zia e
318 319
fel d
en ot np ze
Abb. I-17:
Ha nd lu ng s
t Nu
Investor
Positionierung
er
Gestaltungsrahmen
Unternehmen
Determinanten von Positionierungsoptionen
Vgl. die Herleitung in Abschnitt I.2.1(2), S. 59 dieser Arbeit. Der Begriff Positionierung wurde in I.1.2.2 (2) eingeführt als „zielgruppenspezifische Festlegung der nachfragerelevanten Nutzenversprechungen der eigenen Leistungen im Vergleich zu denen der Konkurrenz“ (Meyer/Davidson 2001, S. 469).
108
(1)
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
Gestaltungsrahmen der Aktie
Aktien lassen sich als im Kapitalmarkt zu positionierende und abzusetzende Produkte auffassen.320 Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie einen Anteil am Unternehmen verkörpern und damit die Unternehmensentwicklung selbst den Produktkern darstellt.321 Ihre Gestaltungselemente bestehen aus322 verbrieften Vermögensrechten, verbrieften Verwaltungsrechten und der Form der Verbriefung an sich. Aufgrund verschiedener rechtlicher Restriktionen zeichnen sie sich dabei durch eine hohe Standardisierung aus, was einerseits zu einer erhöhten Markttransparenz, andererseits zu einem eingeschränkten Gestaltungsspielraum zur Berücksichtigung individueller Präferenzen führt. Trotzdem ist die Erklärungsbedürftigkeit ihrer Produkteigenschaften hoch, da der Investor die Aktie vor Leistungserstellung erwerben muss und das Leistungsversprechen, sofern es überhaupt eindeutig definiert ist, angezweifelt werden kann.323 Dies führt zu einer hohen Vertrauensempfindlichkeit der Aktie. Im Rahmen einer Differenzierung nach der ex ante Verfügbarkeit relevanter Informationen,324 kann die Aktie als ein Bündel von Nutzenpotenzialen aufgefasst werden, welches die Eigenschaften von Vertrauensgütern aufweist, da die für ihre Bewertung relevanten Informationen ex ante nicht verfügbar bzw. trotz erheblichen Aufwands nur mit großer Unsicherheit zu prognostizieren sind.325 Dabei erfolgt die Preisfestlegung nachfragerseitig an der Börse (Zirkulationsmarkt) über Angebot und Nachfrage und ist weitgehend flexibel. Für das Unternehmen stellt der Preis daher kein gestaltbares Produktmerkmal dar. Er ist im Gegenteil eine Resultante der vom Investor subjektiv empfundenen Nutzenpotenziale.326
320 321 322 323 324
325 326
Vgl. Link (1995), S. 690. Eine exaktere Betrachtung der Besonderheiten der Aktie als Produkt findet sich in Teil II. Vgl. für die ersten beiden Merkmale Abschnitt I.1.2(1), S. 41, dieser Arbeit. Vgl. Link (1991), S.29ff. Vgl. sinngemäß Meffert (2000), S. 51ff. Entscheidend für die Einordnung eines Gutes ist, welchen Informationsgrad über seine Qualität der Kunde vor Erwerb in Erfahrung bringen kann. Vgl. Darby/Karny (1973), S. 68f. Bei Inspektions- und Suchgütern kann sie vor dem Kauf durch den Kunden beurteilt werden, bei Erfahrungs- und Vertrauensgütern ist dies erst nach bzw. während dem Kauf oder Gebrauch möglich. Zu Eigenschaften von Vertrauens- und Erfahrungsgütern vgl. Weiber/Adler (1995), zit. bei Büschken (2002), S. 1. Vgl. Leven (2000), S. 13, sowie zu allgemeinen Nutzenkategorien Knyphausen/Ringlstetter (1991), S. 553.
I.4 Gestaltungsvariablen strategischer Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital
(2)
109
Nutzenpotenziale des Investors
Bei finanzwirtschaftlichen, auf den Börsenkurs gerichteten Wettbewerbsstrategien entspricht der Erfolg des Unternehmens dem Nutzen des Investors. Das Ziel des Unternehmens muss in der Maximierung des Investorennutzens liegen, weil dieser die individuelle Wertschätzung des Aktionärs steigert und damit nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage zu einem höheren Börsenkurs und damit zum Erfolg des Unternehmens führt. Da der Investorennutzen immer subjektiv ist, bietet es sich an, zunächst die relevante Investorengruppe zu identifizieren, bevor dann auf Grundelemente des Nutzens eingegangen wird. Zur Ableitung generischer Strategien, wie sie mit dieser Arbeit angestrebt wird, erscheint eine zu detaillierte Segmentierung der Zielgruppe nicht sinnvoll. Es soll daher von Finanzinvestoren als einer verhältnismäßig homogenen Zielgruppe ausgegangen werden, deren Investmentstil sich dann relativ eindeutig bestimmten formal abgrenzbaren Investorengruppen zuordnen lässt. Zunächst werden Investoren hierzu als rational, risikoavers und renditemaximierend angenommen. Risikoaversion und Renditemaximierung werden dabei als Entscheidungskriterien unterstellt. Die Annahme von Rationalität bezieht sich auf den Entscheidungsprozess und bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, dass Investoren notwendigerweise immer ex post optimale Entscheidungen treffen, sondern im Sinne des von Graham (1949) skizzierten „Intelligent Investor“ die Fähigkeit aufweisen, relevante Informationen zu verstehen, zu speichern und weitgehend logisch zu verarbeiten.327 Auch ein rationaler Investor kann mithin Entscheidungen treffen, die sich ex post als unvorteilhaft herausstellen. Diese Annahmen klammern zwar alle nicht rationalen Investoren aus den weiteren Überlegungen aus und machen das Verhalten der Zielgruppe damit theoretisch berechenbar, sie sagen allerdings jenseits der Rationalitätsprämisse noch nichts über die Art und Weise der Entscheidungsfindung aus. Auch hier soll ein Rückgriff auf Graham (1949) weiterführen. Er trifft eine generische Unterscheidung rationaler Finanzinvestoren nach ihren Investmentstilen in aktive („aggressive“ oder „enterprising“) und passive („defensive“ oder „conservative“) Investoren. Der passive Investor ist darauf bedacht, unter Minimierung des eigenen Aufwands grobe Anlagefehler und einen ernsthaften Kapitalverlust zu vermeiden.328 Der aktive Investor wird charakterisiert durch seine Bereitschaft, Zeit und Arbeit für die Selektion möglichst attraktiver Investments aufzuwenden. Er trifft nur Investitionsentscheidungen, die er durch eigene Überlegungen rechtfertigen kann. Er benötigt mithin ein Mindestmaß an Zeit und
327 328
Vgl. Graham (1949), S. 4. Übersetzung durch den Verfasser. Für grundlegende Investmentstrategien des passiven Investors vgl. Graham (1949), S. 11f.
110
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
Investitionsvolumen, um sich mit dem Markt und den Einzelwerten intensiv beschäftigen sowie das erforderliche Wissen, um die Informationen auswerten zu können.329 Im Rahmen dieser Arbeit sollen alle aktiven „Player“ der Financial Community als Zielgruppe angesehen werden. Dies sind neben den aktiven Investoren als Hauptzielgruppe auch professionelle Finanzintermediäre, da deren Bewertung häufig für die Entscheidung sowohl aktiver als auch passiver Investoren maßgeblich ist.330 Diese aktiven Player der Financial Community eignen sich aus mehreren Gründen in besonderem Maße als Zielgruppe von Positionierungsstrategien. Erstens ist eine gezielte Kommunikation nur mit aktiven Investoren uneingeschränkt möglich. Zweitens können auch nur sie sich ausreichend mit dem Investitionsobjekt auseinander setzen, um die Positionierung im gewollten Umfang wahrzunehmen und zu verstehen. Und drittens sind sie auch für den größten Teil des Anlagevolumens verantwortlich.331 Schließlich beziehen auch passive Investoren die für ihre Investitionen relevanten Informationen von aktiven Playern oder orientieren sich an deren Anlageentscheidung.332 Joseph Shanton, President der OLC Corporation, drückte dies folgendermaßen aus: „If you aim your financial communications for the most sophisticated investors, they will take care of the share price. Don’t worry about the mass of investors. Instead seek out the 50 investors that are going to make a difference to your stock and communicate with them.” (Shanton, zitiert bei Chew Hrsg., 1998, S. 87f.)
Mit der Fokussierung auf den aktiven „Investmentstil“ und damit auf die Gruppe der professionellen Finanzinvestoren und Intermediäre wird jedoch noch keine Entscheidung über die Art der Positionierung getroffen. Diese erfolgt erst mit der Entscheidung für die Betonung bestimmter Nutzenpotenziale. Der Begriff des Nutzens dient als vermittelndes Konstrukt zwischen der Leistung und dem Nachfrager zur Erklärung des Kaufverhaltens.333 Nutzenpotenzialen kommt daher bei der Entwicklung von Positionierungsstrategien eine besondere Bedeutung zu.334 Um sich diesem Thema systematisch zu nähern, wird zwischen (a) Nutzen-Kategorien und (b) Nutzenpotenzial-Ebenen unterschieden (vgl. Abb. I-18).
329 330 331
332 333 334
Für grundlegende Investmentstrategien des aktiven Investors vgl. Graham (1949), S. 12ff. Vgl. die Ausführungen zu der Rolle von Finanzintermediären im Rahmen der Financial Community in Abschnitt I.2.1.1 (2). Vgl. Stewart (1998), S. 58 und 65f., der von so genannten „Lead Steers“ unter den Investoren spricht, da 55% des Handelsvolumens an der NYSE aus Block Trades mit über 40.000 Aktien und fast 70% aus Block Trades mit mindestens 5.000 Aktien besteht. Ähnlich äußert sich Rosen (1997e), S. 3. Auch empirische Untersuchungen belegen die de facto große Bedeutung dieser Zielgruppe für Investor Relations Aktivitäten (vgl. Abb. A-7 im Anhang). Vgl. Feuerhake (1991), S. 35. Vgl. Trommsdorf/Bleicker/Hildebrandt (1980), S. 272f.
I.4 Gestaltungsvariablen strategischer Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital
111
(a) Nutzenkategorien
(b) Nutzenpotenziale
Finanzieller Nutzen
Abb. I-18:
Strategischer Nutzen
Sonstiger Nutzen
Transformationspotenziale Interaktionspotenziale Transaktionspotenziale
Eine Systematik zu Annäherung an den Begriff des Nutzenpotenzials
(a) Nutzen-Kategorien: Der mit einer Aktieninvestition angestrebte Nutzen lässt sich differenzieren in strategischen, finanziellen und sonstigen Nutzen. Der strategische Nutzen muss als über alle Investoren stark heterogen charakterisiert werden, da er von individuellen Zielvorstellungen abhängig ist. Er ist mittelbarer Natur, da sein Wert letztlich an seinem Beitrag zur Realisierung eines finanziellen oder sonstigen Nutzens gemessen wird.335 Für den bei dieser Arbeit im Fokus stehenden Finanzinvestor, der aus seiner Investition unmittelbaren Nutzen ziehen will, ist er kaum von Interesse. Zudem ist die Ausrichtung auf einen strategischen Nutzen aufgrund der mangelnden Homogenität schwierig. Deshalb wird ihm an dieser Stelle keine weitere Beachtung geschenkt. Der finanzielle Nutzen kann dagegen über alle Investoren als sehr homogen angenommen werden.336 Er ist unmittelbarer Natur und entspricht ex post dem Total Shareholder Return (TSR), welcher als die Summe aller Kursgewinne und Ausschüttungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums definiert ist.337 Im Portfoliokontext kann eine gezielte Diversifizierung darüber hinaus dazu beitragen, bei unverändertem Erwartungswert des TSR das unsystematische Risiko des Gesamtportfolios zu verringern. Ein wie auch immer gearteter sonstige Nutzen ist ebenfalls unmittelbarer Natur und liegt bezüglich seiner Homogenität in der Mitte. Er kann grundsätzlich viele Ausprägungen annehmen. Primär ist dabei an einen ethisch-moralischen Nutzen zu denken. Hierzu zählt die 335 336
337
Diese Sichtweise entspricht der Definition des „Strategischen“ als Vorsteuergröße zukünftiger Erfolge. Investoren präferieren zwar annahmegemäß ex ante unterschiedliche Rendite/Risiko-Profile. Ex post bleibt die Homogenität des finanziellen Nutzens davon aber unberührt, da dann die Risikokomponente entfällt. Zum TSR vgl. Plenborg (2002), S. 305, The Boston Consulting Group (2000), S. 3, sowie Dobbs/Koller (1998), S. 33. Dabei wird die Aktienkursentwicklung als Wert aller nicht ausgeschütteten Überschüsse verstanden. Vgl. Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 128.
112
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
Bedürfnisbefriedigung durch die Investition in ökologisch oder ethisch unbedenkliche Unternehmen. (b) Nutzenpotenzial-Ebenen: Auf vollkommenen Märkten wäre eine Positionierung durch Differenzierungsstrategien nicht möglich. Zwar sind Aktien stark standardisiert und daher vergleichbar und auch die Informationseffizienz im Kapitalmarkt ist relativ hoch. Dies bedeutet jedoch nur, dass verfügbare Informationen weitgehend eingepreist sind. Aus den Besonderheiten der Aktie ergibt sich jedoch, dass der Nutzen für den Aktionär primär in der zukünftigen, mithin unsicheren Unternehmensentwicklung begründet liegt. Die Kapitalmarkttheorie erfasst diese Tatsache über die Größen Erwartungsrendite und Varianz. In der realen Welt sind beide Größen aber nur ex post verfügbar. Die Aktienmärkte suchen daher nach Hinweisen auf die Möglichkeiten zukünftiger Erfolge. Definitionsgemäß handelt es sich dabei um Erfolgspotenziale und in Bezug auf den Investor um Nutzenpotenziale. Bei der Bewertung solcher Nutzenpotenziale ist es für den Investor relevant, inwiefern diese den Erwartungsnutzen erhöhen (Chance) bzw. die Unsicherheit über das Eintreten des Erwartungsnutzens (Risiko) reduzieren können.338 Durch die ex ante Bewertung von Erfolgspotenzialen anstelle der ex post Bewertung bereits eingetretener Erfolge wird die Aktie für den Investor von einem Erfahrungsgut zu einem Quasi-Inspektionsgut. Die Bewertung solcher, vielfach kaum quantifizierbarer, Erfolgspotenziale durch die Aktionäre eröffnet erst die Möglichkeit differenzierender Positionierungsstrategien für das Unternehmen. Im Folgenden soll es darum gehen, welche Arten solcher Nutzenpotenziale für den Investor werthaltig sein und somit für eine Positionierung des Unternehmens am Kapitalmarkt geeignet sein könnten. Wenn im Sinne einer Nullhypothese der Aktienpreis sich aus dem Erwartungsnutzen (als Diskontierungsbasis) abzgl. dem Nutzenverlust durch die Unsicherheit bezüglich des Eintretens dieses Erwartungsnutzens (als Diskontierungsfaktor) ergibt, dann geht es für das Unternehmen letztlich darum, die Investitionsrendite zu steigern und die Kapitalkosten zu senken.339 Eine Reduktion des Risikos (Beta) senkt den Diskontierungsfaktor und führt damit zu einem höheren Barwert. Für die Steigerung der Investitionsrendite ist primär das leistungswirtschaftliche Verhalten des Unternehmens verantwortlich. Zum Senken des Risikos340 338
339 340
Als Maß für die Unsicherheit dient in der Kapitalmarkttheorie die Varianz der Renditen. Dieses Risikoverständnis ist allerdings keineswegs unumstritten. Vgl. exemplarisch Keppler (1990), S. 610ff. sowie Bauer (1991), S. 172ff. Umgangssprachlich wird nur die Gefahr der negativen Abweichung vom erwarteten Wert als Risiko verstanden, was bei der Entwicklung von Anlagestrategien mit den Begriffen „Ausfallrisiko“ oder „Downside Risk“ bezeichnet wird. Vgl. Zimmermann (1991), S. 164ff. Dieser Grundsatz führt auch zur Modellierung der Security Market Line (Kurve effizienter Portfolios). Vgl. exemplarisch Altman (1988), S. 122. In der Entscheidungstheorie spricht man dann von Risiko, wenn ein Entscheidungsträger unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten verschiedener Umweltkonstellationen angeben kann, die mit un-
I.4 Gestaltungsvariablen strategischer Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital
113
des Investors bieten sich zwei Ansatzpunkte an: Zum einen kann eine bessere Informationspolitik gegenüber dem Investor zur Verbesserung der Entscheidungsbasis und Senkung des Informationsrisikos beitragen. Zum anderen bewirken höhere Einflussmöglichkeiten des Investors eine Senkung des potentiellen Principal-Agent-Risikos und des Liquiditätsrisikos. In Bezug auf ein Einzelinvestment lassen sich in Anlehnung an diese Punkte drei Nutzenpotenzialebenen unterscheiden, welche sich additiv zu einem Gesamtnutzen zusammensetzen.341 Sie liegen logisch quer zu den Nutzenkategorien und sollen als Transformationspotenziale, Interaktionspotenziale und Transaktionspotenziale bezeichnet werden. Die Transformationspotenziale auf der primären Ebene beziehen sich auf das leistungswirtschaftliche Potenzial des Unternehmens. Sie umfassen Rendite- und Risiko-Komponenten wie Wachstum und Rendite in Bezug auf den Erwartungsnutzen, also die grundsätzliche leistungswirtschaftliche Ausrichtung oder die Positionierung in bestimmten Branchen und Ländern. Dieser kann im Sinne eines moralischen Nutzens auch durch die Einhaltung moralischer Selbstverpflichtungen erzielt werden. Die Reduktion des diesem Erwartungsnutzen inhärenten Risikos erfolgt auf den folgenden Nutzenpotenzial-Ebenen.342 Die auf der sekundären Ebene liegenden Interaktionspotenziale beziehen sich auf das Kontrollpotenzial durch Interaktion. Der darin enthaltene Nutzen resultiert aus der generellen Senkung des Schätz- und Vertrauensrisikos durch Verbesserung der Entscheidungsbasis einerseits und der der Einflussmöglichkeiten zur Verringerung der Principal-Agent-
341
342
terschiedlichen Handlungskonsequenzen verbunden sind. Eine Risikosituation muss damit vom Entscheidungsträger nicht als a priori negativ empfunden werden. Allerdings herrscht in der Literatur Einigkeit darüber, dass Entscheidungsträger meist risikoavers agieren. Vgl. Bamberg/Coenenberg (1994), S. 66ff. Auch im vorliegenden Zusammenhang soll Risiko nicht wie bspw. in der Portfolio-Theorie allgemein als Varianz sondern lediglich als „Downside-Risk“ verstanden werden. Ein erhöhtes Risiko bedeutet also eine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer negativen Abweichung vom Erwartungswert und damit ein Absinken des Erwartungswertes. Die Marketingforschung belegt die Pluralität der Teilnutzenkomponenten eines Produktes erstmalig durch die Conjoint-Analyse (vgl. Backhaus u.a. 1989, S. 345f.). Sie ermittelt, welchen Beitrag die einzelnen Ausprägungen einzelner Eigenschaften eines Objektes zum Nutzen des Objektes leisten. Konzepte, die versuchen, verschiedene Ebenen der Wertentstehung zu unterscheiden sind Pentagon-Konzept., das VierPhasen- Konzept der Wertsteigerungsanalyse. Vgl. Hardtmann (1996), S. 190ff., u.R.a. Copeland/Koller/Murrin (1998), S. 61ff., Weber (1990), S. 576, Guatri (1994), S. 50f., sowie Knorren (1998), S. 85ff. Die tatsächliche Bestimmung des Ertrags eines Aktivums ist in der Praxis insofern problematisch, als auch nicht-pekuniäre Erträge existieren, die nur subjektiv bewertet werden können, wie der Vorteil der Risikominderung, Annehmlichkeiten oder Prestigenutzen einer bestimmten Vermögensanlage. Diese Erträge lassen sich folglich nur in ihrer Tendenz berücksichtigen. Vgl. Klein (1999), S. 9f. An den Finanzmärkten wird häufig auf Positionierungen über „Financials“ und „Strategy“ rekurriert. Diese Kategorien sind weitgehend den hier angesprochenen Transformationspotenzialen zuzurechnen. Sie weisen aber nicht die für die weitere Entwicklung von Positionierungen erforderliche Trennschärfe auf. Gleiches gilt für den Begriff „Corporate Governance“, welcher ähnlich dem hier eingeführten Konstrukt der „Interaktionspotenziale“ verwendet wird.
114
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
Unsicherheit343 andererseits. Die dazu zählenden Einfluss- und Informationspotenziale stellen einen eigenen Wert dar. Die Transaktionspotenziale auf der tertiären Ebene beziehen sich auf die Handelbarkeit der Aktie. Der darin enthaltene Nutzen resultiert aus der Reduzierung eines möglichen Liquiditätsrisikos auf einem nicht vollständigen Kapitalmarkt. Markt- und Wertpapiercharakteristika können dazu beitragen, mit der Liquidität auch die Flexibilität und damit den Gesamtnutzen der Aktieninvestition zu erhöhen.344 (3)
Handlungsfelder des Unternehmens
Aus Managementsicht stellt sich die Frage, wo das Unternehmen ansetzen kann Nutzenpotenzialen für den Investor zu schaffen. Als Ausgangspunkt möge die Vorstellung dienen, dass das Unternehmen sich als Kombination zweier quer zueinander liegender Wertketten darstellen lässt, in deren Zentrum das Management, als intellektuelle Kernressource verortet ist (vgl. Abb. I-19). Es muss im Rahmen der finanzwirtschaftlichen Wertkette die Finanzströme sowohl im Unternehmen, als auch zwischen Unternehmen und Kapitalmarkt leiten. Zum anderen muss es im Rahmen der leistungswirtschaftlichen Wertkette die leistungswirtschaftlichen Aktivitäten koordinieren. Erwirtschaften die Investitionsprojekte einen Überschuss, kann dieser reinvestiert werden und somit durch eine Vergrößerung der Investitionsbasis den Wert der Unternehmensanteile erhöhen oder direkt an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Die Summe der Wertsteigerungen und Ausschüttungen stellt als TSR die Investitionsrendite der Aktionäre dar. Das Management kann nun auf der Führungs-, Steuerungs- und Platzierungsebene gestaltend agieren. Im Rahmen seiner Führungsfunktion kann das Management die leistungswirtschaftliche Wertgenerierung gestalten. Hierzu gehören Produkt-/Markt-Strategie, die Wahl der finanzund leistungswirtschaftlichen Zielgrößen, oder die Organisatorische Gestaltung. Investitionskapital kann dabei entweder im Sinne einer rein finanzwirtschaftlichen Funktion auf aussichtsreiche Investitionsprojekte verteilt und diesen gegebenenfalls auch wieder entzogen werden (Mobilisierung) oder die Zentrale kann sich in den leistungswirtschaftlichen Ablauf
343 344
Vgl. Graham (1949), S. 19f. sowie S. 217ff. Ein weiteres Nutzenpotenzial ergibt sich bei Betrachtung des Wertpapiers im Portfoliokontext. Versteht man die Aktie als Teil eines Portfolios, dann ist der Beitrag der einzelnen Aktie zum Gesamtnutzen darüber hinaus durch die Kovarianz ihrer Renditen mit denen der anderen Wertpapiere determiniert. Je geringer die Kovarianz, desto besser gelingt durch Streuung das Wegdiversifizieren des unsystematischen Risikos, was ebenfalls einen Nutzen für den Investor darstellt. Dieses Potenzial ist für das Unternehmen aber im Kontext von Konzernstrukturen sinnvoll gestaltbar und wird daher in Abschnitt III.2.3 (1) thematisiert.
I.4 Gestaltungsvariablen strategischer Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital
115
des Unternehmens einschalten, um die Effizienz zu steigern (Binnenmobilisierung und Synergiemanagement).345
TSR
Aktionäre Wertentwicklung
Ausschüttung
Steuerung
Management
Faktormärkte
Inv.-Projekte
Faktormärkte
Führung
Finanzergebnis Platzierung Marktwert Finanzströme Finanzpotenziale Güterströme
Abb. I-19:
Führung, Steuerung und Platzierung als Handlungsfelder des Managements im aktionärsorientierten Managementmodell
Als zweites Handlungsfeld bietet sich der Steuerungsbereich als Interaktionsfeld zwischen Eigentümern und Management an. Die Ausgestaltung der Unternehmenssteuerung (Corporate Governance) beeinflusst die mit der Principal-Agent-Problematik verbundene Unsicherheit der Eigentümer über die tatsächliche Unternehmensführung und kann so wertsteigernd wirken. Drittens bietet es sich an, Format und Platzierung der Aktien zu gestalten. Dabei kann das generelle Liquiditätsrisiko der Eigentümer verringert, aber auch ihre Handlungsflexibilität im Falle ihrer Unzufriedenheit mit der Führung erhöht werden. Alle drei Handlungsfelder können Einfluss auf die Entwicklung des Marktwertes haben. Dabei lassen sich die einzelnen Maßnahmen innerhalb der Handlungsfelder ähnlich der von Porter346 verwendeten Nutzen- und Signalkriterien-Systematisierung in Maßnahmen mit direkten Nutzeneffekten und Maßnahmen mit Signaleffekten differenzieren.347
345 346 347
Vgl. Ringlstetter (1997), S. 85ff. Vgl. Porter (1998b), S. 196ff. So führt bspw. eine Dividendenerhöhung einerseits zu einem direkten Mittelzufluss, gleichzeitig enthält
116
Teil I: Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses
Direkte Nutzeneffekte wirken über eine tatsächliche Beeinflussung der jeweiligen Nutzenpotenzialebene entweder als objektiv feststellbare Wertpotenziale oder über lediglich subjektiv empfundene Vorteile (z.B. Trendiness einer Maßnahme). So spricht Mei-Pochtler (2001) davon, dass Investitionsentscheidungen für Finanztitel bis zu 40% von „Emotionen“ und „nicht-finanziellen Informationen“ beeinflusst würden und dass die daraus resultierenden nicht-fundamentalen Prämienanteile auch dauerhaft zu erhalten seien.348 Signaleffekte fungieren dagegen als „glaubwürdige Zeugen“ für die Existenz von Nutzenpotenzialen. Das Management sendet durch sein Handeln Signale aus, die zutreffende Informationen über die Situation des Unternehmens vermitteln. Das Prinzip besteht darin, dass das Aussenden eines falschen Signals für das Management immer ungünstiger ist als das richtige Signalisieren. Dabei werden drei Varianten unterschieden: Beim kostenverursachenden Signaling wird das Management durch die mit dem Signalisieren verbundenen Kosten davon abgehalten, falsche Signale zu geben.349 Beim kostenlosen Signaling werden die Signale des Managements deshalb glaubwürdig, weil falsche Signale zu nachteiligen Marktreaktionen führen würden.350 Bei „Self Selection“ oder „Screening“ geht die Initiative vom Investor aus. Er bietet dem Management z.B. mehrere alternative Finanzierungsverträge an, deren Auswahl Rückschlüsse auf die spezifischen Risikomerkmale zulässt und dadurch die relevanten Informationen offen legt. Eine Sonderrolle nimmt die Reputation ein: 351 Durch konstant verlässliches Handeln schafft sich das Management einen Vertrauensbonus, der den Investor veranlasst, seinen Aussagen seinen Aussagen zu vertrauen. Hier liegen die Kosten für das Management darin, die in die Reputation getätigten Investitionen zu verlieren.
348 349 350 351
sie aber auch Informationen über die finanzielle Lage (positive Cash Flows), die Realinvestitionslage (kein Wachstumspotenzial, da keine Projekte über Kapitalkostensatz verfügbar) und die Einstellung des Managements (keine Investition unterhalb der Kapitalkosten zu tätigen). Vgl. Mei-Pochtler (2001), S. 12ff. Vgl. Hartmann-Wendels (1986), zit. bei Franke/Hax (1994), S. 414. Beispiele sind Dividendenpolitik oder Aktienrückkauf. Vgl. Franke (1987), zit. bei Franke/Hax (1994), S. 414. Ein Beispiel ist die Wahl der Finanzierungsstruktur: Beteiligungstitel signalisieren Überbewertung, Forderungstitel signalisieren Unterbewertung. Vgl. Rothschild/Stiglitz (1976), zit. bei Franke/Hax (1994), S. 415, sowie Spreman (1985), S. 235ff.
Aktionärsorientierte Unternehmensführung
Teil II:
117
NUTZENPOTENZIALE DES INVESTORS UND HANDLUNGSFELDER DES UNTERNEHMENS
Gegenstand von Teil II ist die Identifikation möglicher Positionierungselemente. Dazu erfolgt, aufbauend auf den in Teil I entwickelten Grundlagen, eine detaillierte Untersuchung grundlegender Nutzenpotenziale des Investors und korrespondierender Handlungsfelder des Unternehmens. Das Untersuchungsraster bildet die in I.4.2 eingeführte Ebenenbetrachtung von Aktie, Investor und Unternehmen (vgl. Abb. II-1). Die Aktie gibt mit Vermögensrechten, Verwaltungsrechten und Transaktionsfähigkeit den Gestaltungsrahmen vor, innerhalb dessen sich durch Ausgestaltung der Handlungsfelder des Unternehmens die Nutzenpotenziale des Investors realisieren lassen. Investor
Aktie
Unternehmen
Nutzenpotenziale
Gestaltungsrahmen
Handlungsfelder
Primäre Ebene
Transformationspotenziale
Vermögensrechte
Interaktionspotenziale
Verwaltungsrechte
Transaktionspotenziale
Transaktionsfähigkeit
Ausgestaltung der Führung
Sekundäre Ebene
Ausgestaltung der Steuerung
Tertiäre Ebene
Abb. II-1:
Ausgestaltung der Formatierung
Betrachtungsebenen bei der Entwicklung generischer Positionierungsoptionen
Die Nutzenpotenziale auf den drei Ebenen lassen sich zu einem Gesamtnutzen aggregieren (vgl. Abb. II-2). Der innere Wert des Unternehmens, verringert um das aus Informationsmangel und Principal-Agent-Konflikten resultierende Schätz- und Vertrauensrisiko, sowie um das mit einer ggf. eingeschränkten Veräußerbarkeit der Beteiligung zusammenhängende Liquiditätsrisiko entspricht dem relativen Börsenkurs.1 Gelingt es dem Management, zusätzliche 1
An dieser Stelle wird von dem relativen Börsenkurs gesprochen, weil der Kurs sich mit Schwankungen des gesamten Index unabhängig von unternehmensspezifischen Nutzenpotenzialen verändern kann. Vgl.
118
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
Nutzenpotenziale in Form von Transformations-, Interaktions- und Transaktionspotenzialen zu realisieren, wirkt dies über die einzelnen Nutzenkomponenten positiv auf den Gesamtwert. Wertkomponenten in t0 Realisierte Nutzenpotenziale Wertkomponenten in t1 Realisierte Interaktionspotenziale Realisierte Transaktionspotenziale Insgesamt realisierte Nutzenpotenziale
Realisierte Transformationspotenziale
„Innerer“ Wert inkl. Geschäftsrisiko
Abb. II-2:
-
Schätz- und Vertrauensrisiko
-
LiquiditätsRisiko
=
Relativer Börsenkurs
Aggregation der Nutzenkomponenten des Investors
Zur Ableitung der Nutzenpotenziale wird dem exemplarischen Investor ein der Kapitalmarkttheorie äquivalentes Verhalten unterstellt.2 Dies entspricht dem Ansatz der Wertrelevanz („value-relevance“), bei dem Faktoren dann als nutzenrelevant charakterisiert werden, wenn sie zur Erklärung der Preisbildung am Kapitalmarkt beitragen.3 Im Anschluss wird dann abgeleitet, welche Ausgestaltung der Handlungsfelder4 zur Steigerung eines solchermaßen definierten Nutzens beitragen kann. Die logischen Ergebnisse werden dabei verfügbaren empirischen Untersuchungen gegenübergestellt. Als Erkenntnisquellen bieten sich bei der empirischen
2 3
4
hierzu die Ausführungen in Abschnitt I.4.1 (2). Dies ist insofern zulässig, als die Kapitalmarkttheorie lediglich versucht Regeln zu finden, die die Preisbildung erklären, indem sie das aggregierte Verhalten aller Investoren abbilden. Vgl. Ruhwedel/Schultze (2002), S. 605. Dieser Ansatz ist besser operationalisierbar als der Ansatz der Entscheidungsrelevanz („decision-usefulness“), bei welchem darauf abgestellt wird, ob bestimmte Faktoren dazu beitragen, den Nutzen einer wirtschaftlichen Anlageentscheidung zu verbessern. Vgl. Möller/Hüfner (2000), S. 412, zit. bei Ruhwedel/Schultze (2002), S. 605. Das dafür notwendige Nutzenprofil einzelner Investoren ist kaum messbar und für die Gesamtheit der Investoren realiter wohl kaum zu ermitteln. Vgl. jeweils die Unterkapitel 2 und 3.
II.1 Transformationspotenziale und Ausgestaltung der Führungsebene
119
Vorgehensweise vor allem die Anlegermeinung5, das Unternehmensverhalten6, die Interpretation durch Intermediäre und schließlich die beobachtbare Kursentwicklung an, aus deren Korrelation mit beobachtbaren Maßnahmen auf deren Wirksamkeit geschlossen werden kann, weil der Ansatz der Wertrelevanz die Unterstellung zulässt, dass alle Maßnahmen, die mit positiven Kurseffekten korreliert sind, aus Investorensicht Nutzenpotenzial beinhalten. In Abschnitt II.1 wird zunächst auf die Transformationspotenziale des Aktionärs (II.1.1) und Möglichkeiten ihrer Realisierung durch Ausgestaltung der Führungsebene (II.1.2 und II.1.3) eingegangen. Abschnitt II.2 hat dann die Interaktionspotenziale des Aktionärs (II.2.1) und Möglichkeiten ihrer Realisierung durch Ausgestaltung der Steuerungsebene (II.2.2 und II.2.3) zum Gegenstand. Schließlich werden in Abschnitt II.3 Transaktionspotenziale des Aktionärs (II.3.1) und Möglichkeiten ihrer Realisierung durch Ausgestaltung der Formatierungsebene (II.3.2 und II.3.3) thematisiert.
II.1
Transformationspotenziale und Ausgestaltung der Führungsebene
Transformationspotenziale liegen auf der primären Betrachtungsebene (vgl. Abb. II-1) und begründen den so genannten „inneren“ Wert eines Unternehmens. Sie werden durch die Ausgestaltung der Führungsebene beeinflusst und bezeichnen den potenziellen Nutzen, der für den Investor aus der zukünftigen Transformation von Produktionsfaktoren in marktfähige Leistungen resultiert.7 Dieser ist unabhängig vom Schätz-, Vertrauens- und Liquiditätsrisiko. Die auf der primären Ebene angesiedelten Risiken liegen in der Tätigkeit des Unternehmens selbst begründet.8 Dabei handelt es sich um die so genannten Geschäftsrisiken („Business Risk“), wie Marktrisiken, Kaufkraftrisiken, Finanzierungsrisiken, oder strategische Risiken.
5
6
7
8
Für die Relevanz der Anlegermeinung lässt sich zweifach begründen. Zum einen könnte man unterstellen, dass Anleger tatsächlich wissen, was auf Unternehmensebene langfristig in ihrem eigenen Interesse ist. Aber auch wenn man den Anlegern dieses Wissen abspricht, scheint die Anlegermeinung eine gewisse Relevanz zu haben, da sie die Nachfrage und damit die Aktienkurse beeinflusst. Das Unternehmensverhalten lässt sich indes nur eingeschränkt als Erkänntnisquelle heranziehen, da die logische Voraussetzung, dass Unternehmen das Investoreninteresse kennen und diesem auch folgen, nicht notwendigerweise zutreffen muß. Der Wirkungsbereich der Transformationspotenziale umfasst damit die Phasen 2 (strategischer und operativer Ansatz) und 3 (Kapitalkostenansatz) der Wertsteigerung bei Knorren (1998), S. 86f., ist aber von seiner Definition her offener und ermöglicht beispielsweise auch die Berücksichtigung nicht monetäre Nutzenpotenziale (vgl. Abschnitt II.1.1.2). Loistl (1994), S. 172, spricht in einem ähnlichem Zusammenhang von „endogener Qualität“ der Unternehmung. Würde es diese nicht geben, dann ließe sich der Wert innere Wert eines Unternehmens zumindest für einen bestimmten Investor eindeutig ex ante bestimmen, womit eine strategische Differenzierung auf der primeren Ebene unmöglich würde.
120
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
Wertverteilung Monetäre Zahlungsströme
Moralische Befriedigung
Wertschöpfung (Wertverteilungspotenziale) Finanzielle Erfolgsgrößen
Ideelle Erfolgsgrößen
Werttreiber (Wertschöpfungspotenziale) Operative Performance und Strategie
Abb. II-3:
Ressourcensituation des Unternehmens
Schichtenbetrachtung primärer Nutzenpotenziale
Transformationspotenziale können gleichermaßen als Wertverteilung, Wertschöpfung oder Werttreiber erfasst werden (vgl. Abb. II-3). Die Wertverteilung wird an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Investor „gemessen“ und bezeichnet den dem Investor effektiv zufließenden Wert. Bewertungsrelevant in diesem Sinne sind alle vom Unternehmen zu erwartenden Zahlungen, wie Gewinnausschüttungen, Anteilsrückkäufe, oder Bezugsrechtsverkäufe.9 Über diesen Grundsatz der Bewertung von Rückflüssen an die Eigner, das sog. Zuflussprinzip, ist sich die Theorie einig.10 Da es im Interesse des Investors liegt, die zukünftige Wertverteilung möglichst früh vorhersagen zu können, macht es Sinn, zur Nutzenerfassung nicht erst bei der Wertverteilung, sondern bereits bei der Wertschöpfung anzusetzen. Diese im Unternehmen messbare Wertschöpfung stellt die Möglichkeit der Wertverteilung (Wertverteilungspotenzial) dar. Um nicht nur die gegenwärtige Wertschöpfung zu messen, sondern die zukünftige Wertschöpfung abschätzen zu können, bietet es sich an, nochmals einen Schritt früher anzusetzen und die Wertschöpfungspotenziale in Form der Werttreiber zu erfassen. So sind Modigliani/Miller (1958) zu verstehen, wenn sie als Möglichkeit zur Bestimmung des „inneren Wertes“ von Aktien den Ansatz bei den Investitionsmöglichkeiten vorschlagen.11
9 10 11
Vgl. Leven (2000), S. 38f., der auf die Bedeutung der zukünftigen Ertragsentwicklung hinweist. Vgl. Coenenberg (2002), S. 6f. Vgl. Modigliani/Miller (1958), S. 261ff.
II.1 Transformationspotenziale und Ausgestaltung der Führungsebene
121
II.1.1 Transformationspotenziale
(1) Finanzielle Transformationspotenziale
(2) Ideelle Transformationspotenziale
II.1.2 Wertschöpfung auf der Führungsebene
(1) Erfolgsgrößen finanzieller Wertschöpfung
(2) Erfolgsgrößen ideeller Wertschöpfung
II.1.3 Werttreiber auf der Führungsebene
Abb. II-4:
(1) Exogene Werttreiber (2) Endogene Werttreiber
Transformationspotenziale und Handlungsansätze auf der Führungsebene
Abb. II-4 verdeutlicht die Vorgehensweise im Abschnitt II.1. Zunächst werden finanzielle und ideelle Erfolgsgrößen als zentrale Ausprägungen von Transformationspotenzialen dargestellt und deren Nutzenbeitrag logisch begründet (II.1.1). Bei der Ausgestaltung der Führungsebene lassen sich diese beiden Ausprägungen auf zwei Ebenen realisieren. Dies ist zum einen die Wertschöpfung (II.1.2), zum anderen handelt es sich dabei um die Werttreiber (II.1.3).
II.1.1
Ausprägungen von Transformationspotenzialen
Als relevante Ausprägungen von Transformationspotenzialen im Unternehmen lassen sich finanzielle und ideelle Erfolgsgrößen identifizieren. Dabei ist die Frage theoretisch nicht eindeutig zu beantworten, ob es sich dabei um konfligierende oder komplementäre Ziele handelt,12 allerdings scheinen beide Ziele für Investoren von Bedeutung zu sein.13 Daher wird im Folgenden zunächst (1) auf finanzielle (monetäre) und im Anschluss (2) auf ideelle (moralische) Transformationspotenziale (2) Bezug genommen.
12 13
Für eine tiefere Diskussion dieser Frage vgl. unten II.1.1.2. So geht aus einer Umfrage des imug im Hinblick auf das Marktpotenzial für prinzipiengeleitetes Investment hervor, dass soziale und ökologische Elemente für 9% der privaten Investoren neben der Rendite eine moderat wichtige, und für 28% sogar eine wichtige Rolle spielen. Vgl. insgesamt Franck (2001a), sowie Stremlau (2002), S. 32f.
122
(1)
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
Finanzielle Transformationspotenziale
Aus Sicht des Finanzinvestors besteht die Aufgabe des Unternehmens darin, den Vermögenswert der Aktionäre zu mehren, was genau dann der Fall ist, wenn die erwirtschafteten Erträge über den Kapitalkosten liegen.14 Die Unternehmen, die das meiste Eigenkapital zu den größten positiven Spreads über den längstmöglichen Zeitraum investieren können, schaffen den größten Wert.15 Dass die Kurse tatsächlich auf die Erträge reagieren ist vielfach empirisch bestätigt worden.16 Um den Ertragswert eines Unternehmens zu errechnen werden die Erwartungswerte zukünftiger Erträge mit dem Kapitalkostensatz auf den Gegenwartswert abgezinst. Zukünftige Erträge sind abhängig von Umsatz, Umsatzwachstum17, Umsatzrendite, Zusatzinvestitionen und ggf. Gewinnsteuern.18 Der Kapitalkostensatz ergibt sich als WACC aus der Kapitalstruktur, dem Beta, Ratings, dem allgemeinen Zinsniveau und der Inflation. Versteht man den Unternehmenswert, wie oben dargestellt, als Zukunftserfolgswert, dann können bereits erzielte Gewinne und Cashflows rein rechnerisch nur einen Minimalen Anteil am Unternehmenswert ausmachen, da sie nur einen kleinen Teil des gesamten Ertragspotenzials wiedergeben und es sich bei ihnen um Vergangenheits-, bzw. bei sehr zeitnaher Bewertung bestenfalls um Gegenwarts-, keinesfalls aber um Zukunftswerte handelt.19 Dennoch ist die gegenwärtige Profitabilität eine der wichtigsten Determinanten für das Marktwert/Buchwert-Verhältnis unterschiedlicher Unternehmen,20 da sie einen hohen impliziten Erklärungsgehalt für die zukünftige Profitabilität aufweist.21 Investoren, deren kurzfristige Erwartungen nicht erfüllt werden, müssen annehmen, dass auch ihre langfristigen Erwartungen, die
14 15 16 17 18 19 20 21
Vgl. Arbeitskreis Finanzierung der Schmalenbach-Gesellschaft (2003), S. 524. Vgl. Altman (1988), S. 29. „Spread“ bezeichnet die Differenz aus Eigenkapitalkostensatz und Eigenkapitalrendite bzw. den Quotient aus absoluten Eigenkapitalkosten und absoluter Rendite. Für Studien zur Korrelation bestimmter Ertragskennzahlen mit den Börsenkursen vgl. die in Abschnitt II.1.2 und bei Loistl (1994), S. 172, zitierten Quellen. Vgl. Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 121. Nach Baker u.a. (1977), S. 1ff. hat das Umsatzwachstum für amerikanische Anleger herausragende Bedeutung bei der Beurteilung von Wertpapieren (Rang 5). Vgl. hierzu The Boston Consulting Group (2000), S. 8. Vgl. Marcus/Wallace (1991), S. 12. Vgl. Young/Sutcliffe (1990), S. 22f. Vgl. Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 128. Es wäre aber auch denkbar, dass Analysten an der Richtigkeit ihrer eigenen Forecast interessiert sind und deshalb Unternehmen, welche diese nicht einhalten, durch eine schlechtere Empfehlung abstrafen. Ein solches Verhalten könnte für die Unternehmen einen Anreiz darstellen, die Analysten-Forecasts nach Möglichkeit einzuhalten, auch wenn dies nicht unbedingt realwirtschaftlich rationalem Verhalten entspricht. Vgl. ähnlich Bruckner u.a. (1999), S. 108f.
II.1 Transformationspotenziale und Ausgestaltung der Führungsebene
123
in den meisten Fällen für einen viel größeren Teil des Unternehmenswertes verantwortlich sind, evtl. nicht erreicht werden.22 Die empirisch nachweisbaren Korrelationen mit dem Börsenkurs zeigen insgesamt, dass keines der gängigen ex post ermittelten Performancemaße die am Kapitalmarkt erzielten Renditen vollständig erklären kann. Dies ist insofern kaum verwunderlich, als die Kurse weitgehend von der antizipierten zukünftigen Performance abhängen.23 Wären finanzielle Ex-PostGrößen das einzige Maß für den Wert eines Unternehmens, dann wäre eine Positionierung durch Differenzierungsstrategien nicht möglich. Durch die mit der Zukunftsbezogenheit verbundene Unsicherheit spielen jedoch Indikatoren für die zukünftige Entwicklung als Wertpotenziale eine große Rolle. Auf der Primärebene sind dies mittelbar die Wertschöpfung und unmittelbar Werttreiber.24 (2)
Ideelle Transformationspotenziale
Auch ideelle Zukunftserfolge stellen mögliche Nutzenpotenziale für den Investor dar. Dabei ist der ideelle innere Unternehmenswert ebenso wie der finanzielle als Zukunftserfolgsgröße zu verstehen. „Wenn ein Unternehmen nachhaltig wirtschaftet und dies richtig am Kapitalmarkt kommuniziert, dann beeinflusst dies den Shareholder Value positiv.“ (Flotow/Häßler/Kachel 2003, S. 26)
Ideelle Erfolgsgrößen beziehen sich auf die mit einem Investment verbundenen religiösen, ethischen, sozialen, oder ökologischen Kriterien. Wird bei der Investition in ein Unternehmen auf diese Kriterien Wert gelegt, spricht man übergreifend von „prinzipiengeleitetem Investment“.25 Erfolgt darüber hinaus weiterhin eine explizite Berücksichtigung der ökonomischen Dimension, was bedeutet, dass die Aktie sich auch bezüglich der Faktoren Rentabilität und wirtschaftliche Risiken an anderen Produkten am Markt messen lassen muss, wird dies als „nachhaltiges Investment“ bezeichnet.26 Dem liegt die Sichtweise zugrunde, dass ökologi22 23
24 25
26
Vgl. ähnlich Bruckner u.a. (1999), S. 108. Vgl. Boehringer (2002), S. 1, die darauf verweist, dass dies die Kurse negativ beeinflussen kann. Nach dem Urteil amerikanischer Anleger haben künftige wirtschaftliche Aussichten des Unternehmens die zweithöchste Bedeutung aller Informationen über Wertpapiere. Vgl. Baker u.a. (1977), S. 1ff. Vgl. die Unterkapitel II.1.2, S. 127ff. und II.1.3, S. 142ff. Etwas fokussierter auf bestimmte Ausprägungen ideeler Nutzenpotenziale sind die Ausdrücke „Ethisches Investment“, „grünes Investment“, „ökologisches Investment“, oder „socially responsible Investment“ (SRI). Die Idee des prinzipiengeleiteten Investments entstand vermutlich im viktorianischen Zeitalter durch Mitglieder der der Quäker zur Vermeidung von Investments in Sklaverei und Waffenherstellung sowie in so genannte „Sin Stocks“, womit Unternehmen der Alkohol-, Tabak- , Glücksspielindustrie bezeichnet wurden. Flotow/Häßler/Kachel (2003), S. 13, bezeichnen die Berücksichtigung von ökonomischen, sozialen und
124
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
sche, sozialpolitische, oder allgemein ethische Zielsetzungen als eine Art Zweitziel aufgefasst werden sollten, das idealerweise nicht zur Rentabilitäts-Zielsetzung in Widerspruch geraten sollte.27 Eine einheitliche Definition der Nachhaltigkeit existiert allerdings nicht. Stattdessen finden sich bei Fondsgesellschaften28, Index-Anbietern29 und Research-Gesellschaften30 unterschiedliche Konzepte. Es existieren verschiedene Erklärungsansätze, warum Unternehmen sich für die Nachhaltigkeit entscheiden.31 Jedenfalls dürften die Gründe für eine nachhaltige Unternehmensführung nicht nur in einer altruistischen Befriedigung ethisch-moralischen Verantwortungsbewusstseins der Unternehmensführung liegen sondern auch in einer durchaus egoistischen Prävention der Stakeholderreaktion auf fehlendes Sozialverhalten. Das Interesse der Privatanleger, der Druck institutioneller Investoren, sowie gesetzliche Initiativen32 führen dazu, dass Unternehmen auch in Bezug auf ihr soziales, politisches, gesellschaftliches, religiöses, ethisches und kulturelles Verhalten in Wettbewerb treten. Nach einer Umfrage des imug33 erachten ca. 85% der Privatanleger es als wichtig, dass Pensionsfonds die ökologischen Hintergründe ihres Investments offen legen. 43% empfinden SRI-Fonds als attraktiv bis sehr attraktiv.34 Der Markt wird dabei primär von institutionellen Akteuren ge-
27 28 29
30
31 32 33 34
ökologischen Kriterien als „triadische Definition“ der Nachhaltigkeit. Weitgehend bedeutungsgleich sind die Begriffe „sustainable Investment“, „zukunftsfähiges Investment“ oder „prinzipiengeleitetes Investment“. Etwas fokussierter auf bestimmte Ausprägungen ideeler Nutzenpotenziale sind die Ausdrücke „Ethisches Investment“, „grünes Investment“, „ökologisches Investment“, „ethical Investment“ oder „socially responsible Investment (SRI)“. Vgl. Döring (2002), S. 46, sowie Hill/Jones (1992), S. 60. Für eine Übersicht entsprechender Fonds vgl. http://www.nachhaltiges-investment.org/. Beispielhaft zu nennen sind hier der Natur-Aktien-Index (NAI), der Calvert Social Index (CSI), der Ethibel Sustainability Index (ESI), der Advanced Sustainable Performance Index (ASPI), der Dow Jones Sustainability World Index (DJSWI) oder der FTSE4GOOD der Financial Times und der Börse London. Beispielhaft zu nennen ist hier der Ethical Investment Research Service, London (EIRIS), auf dessen Informationen der Ethical Portfolio Manager (EPM) basiert, centre info, die imug Beratungsgesellschaft mbH, INrate, oekom research AG, scoris GmbH, sowie die Züricher Kantonalbank. Vgl. Bansal/Roth (2000), Sharma (2000), Stanwick/Stanwick (1998). Vgl. Hill/Jones (1992), S. 59, teilweise u.R.a. Bowman (1973), S. 21-43. Als Beispiele nennen sie SüdAfrika (1986) und Union Carbide (1985). Ähnlich Flotow/Häßler/Kachel (2003), S. 14. Vgl. Franck (2001b). Dieselben Anleger kritisieren aber Information und Angebot Fonds. Vgl. Stremlau (2002), S. 28ff. Franck (2001a), S. 9ff., stellt fest, dass ein Drittel der Privatanleger zwar von ethischem Investment gehört hat, dass aber nur 3% ethische Fonds angeboten bekommen haben. Das dürfte einer der Hauptgründe dafür sein, dass der Markt für nachhaltiges Investment zurzeit noch eher klein ist. Während man in Deutschland, allerdings bei einem Wachstum von etwa 40% p.a., von gegenwärtig etwa 1% des gesamten investierten Kapitals ausgeht, wurde in den USA Anfang 2002 gut 10% des gesamten Kapitals unter Beachtung von ethischen, sozialen, ökologischen oder nachhaltigkeitsbezogenen Kriterien angelegt. Vgl. insgesamt Deml/May (2002), S. 4ff.
II.1 Transformationspotenziale und Ausgestaltung der Führungsebene
125
trieben.35 2001 gab es in Deutschland rund 100, in Europa rund 320 und weltweit ca. 600 derartige Publikumsfonds.36 Daneben werden Unternehmen im Hinblick auf ökologische, ethische und soziale Standards von so genannten Öko-Rating-Agenturen untersucht.37 Auch wurde in verschiedenen Ländern eine gesetzliche Berichtspflicht für Kapitalanlagegesellschaften eingeführt,38 welche indirekt auf die Unternehmen zurückwirkt, da Informationen über Produktionsweisen, Management, etc. bereitgestellt werden müssen. Einige Studien fanden eine positive Korrelation zwischen Umwelt-Kriterien und Anlageerfolg und sogar eine starke positive Korrelation zwischen explizitem Stakeholder Management und MVA. Demgegenüber konnte ein solcher Zusammenhang allein für ethische Kriterien noch nicht explizit nachgewiesen werden und Social Issue Participation (SIP) ist sogar negativ mit der Schaffung von Shareholder Value korreliert.39 Nicht klar ist dabei die Wirkungsweise der Nachhaltigkeit auf die Bewertung.40 Im Sinne der Definition ideeller Nutzenpotenziale lässt sich wohl von einem verbesserten Zugang zu Kapital bei Investoren ausgehen, die auf Nachhaltigkeitskriterien achten.41 Dies dürfte eine direkte zumindest schwach positive Wirkung auf die Kurse haben, so dass auch bei gleich bleibender finanzieller Performance eine dauerhafte Höherbewertung erreicht werden könnte. Dagegen ist die indirekte Wirkung auf die Kurse über die finanzielle Performance des Unternehmens nicht eindeutig. Die Börsenbewertung würde in diesem Fall auf Wechselwirkungen zwischen ideellen und finanziellen Nutzenpotenzialen reagieren.42 Es scheint zwar eine leicht positive Korrelation zwischen Finanz- und Nachhaltigkeitsperformance zu bestehen, die
35 36 37
38
39 40 41 42
Vgl. Stremlau (2002), S. 36. Vgl. zu Deutschland und Europa auch Stremlau (2002), S. 26ff. Nach einer Umfrage des DAI wurden im Jahr 2002 62,5 % der erhobenen Unternehmen von Nachhaltigkeitsanalysten zu sozialen und ökologischen Aspekten der Tätigkeit ihre Unternehmens befragt. Vgl. Flotow/Häßler/Kachel (2003), S. 25 u. 33f. In Großbritannien gilt die Berichtspflicht bspw. seit Mitte 2000. Vgl. www.legislation.hmso.gov.uk/ si/si1999/19991849.htm vom 12.09.03. In Deutschland müssen Anbieter von privaten und betrieblichen Altersvorsorgeprodukten seit 2002 jährlich schriftlich darüber informieren, ob und wie sie ethische, soziale und ökologische Belange bei der Verwendung der eingezahlten Altersvorsorgebeiträge berücksichtigen. Vgl. Art. 6a, § 1, Abs. 1 Pkt. 9 AVmG für die private Altersvorsorge, sowie Art. 7 Nr. 4, § 115, Abs. 2, bb) für die betriebliche Altersvorsorge. Vgl. exemplarisch Eder (2002), S. 2ff., sowie Hillman/Keim (2001), S. 132f. Vgl. Berman u.a. (1999), Burke/Logsdon (1996), Dowell/Hart/Yeung (2000), Waddock/Graves (1997) für unterschiedliche Erklärungsansätze. Vgl. Epstein/Roy (2001), S. 598. Vgl. Epstein/Roy (2001), S. 589 und S. 601.
126
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
Wirkungsrichtung konnte bislang aber nicht geklärt werden.43 Grundsätzlich wären drei Erklärungen denkbar.44 Eine erste Erklärung geht von einer sequentiellen Interdependenz aus, bei der hohe Nachhaltigkeitsperformance zu hoher Finanzperformance führt.45 Dem liegen im Wesentlichen vier Annahmen zugrunde: Zum einen wird vermutet, dass eine hohe Nachhaltigkeitsperformance positive Auswirkungen auf das öffentliche Image hat und dem Unternehmen auf diese Weise eine bessere Marktstellung verschafft. Zweitens kann sie das Geschäftsrisiko in der Weise senken, dass im Falle strengerer Gesetze in Bezug auf Umwelt- und Sozialstandards geringere Anpassungskosten anfallen.46 Die dritte Annahme wird mit dem Schlagwort „Ökoeffizienz“ umschrieben und basiert auf der Erkenntnis, dass Unternehmen durch den ökonomischen Einsatz von Ressourcen finanzielle Vorteile erzielen können.47 So können durch höhere Energie- und Rohstoffeffizienz Kosten gespart,48 durch Materialsubstitution die Betriebssicherheit erhöht und durch neue Produkte Wettbewerbsvorteile am Markt erzielt werden.49 Schließlich scheint es auch denkbar, dass aktive Stakeholder-Orientierung in Form interdependenter Netzwerke Flexibilitätspotenziale schafft, welche es erleichtern, mit einer zunehmend unsicheren und kompetitiven Umwelt umzugehen.50 Eine zweite Erklärung unterstellt ebenfalls sequentielle Interdependenz, bei der allerdings die Wirkungsrichtung entgegengesetzt verläuft und hohe Nachhaltigkeitsperformance aus hoher Finanzperformance resultiert. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Unternehmen mit höherem Gewinn einfach deshalb mehr Umweltschutz und soziale Standards aufweisen, weil sie sich diese leisten können. Eine dritte Erklärung unterstellt gepoolte Interdependenz, indem sie behauptet, sowohl hohe Finanz- als auch hohe Nachhaltigkeitsperformance resultiere aus gutem Management. Unternehmen mit höherer Nachhaltigkeitsperformance zeichnen sich danach durch ein insgesamt
43 44 45
46 47 48 49 50
Vgl. exemplarisch Hoffmann (2002), S. 56f., sowie zu neueren Untersuchungen Flotow/Häßler/Schmidt (2002), Bank Sarasin (2002), Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (2002, 2003). Vgl. Hoffmann (2002), S. 57 unter Verweis auf die dort zitierten Studien. Vgl. Flotow/Häßler/Kachel (2003), S. 14. McWilliams/Siegel (2001) gehen davon aus, dass Corporate Social Responsibility (CSR) keinen Einfluß auf das Unternehmensergebnis haben sollte, gestehen aber ein, dass ihre Hypothesen empirisch schwierig zu testen seien. Vgl. McWilliams/Siegel (2001), S. 125f. Vgl. Hill/Jones (1992), S. 59, teilweise u.R.a. Bowman (1973), S. 21ff., sowie Flotow/Häßler/Kachel (2003), S. 14. Dieser Ansatz liegt bspw. seit 1996 den Öko-Fonds der UBS zugrunde. Vgl. Epstein/Roy (2001), S. 598. Vgl. Schumacher (2002), S. 82. Vgl. Hillman/Keim (2001), S. 127.
II.1 Transformationspotenziale und Ausgestaltung der Führungsebene
127
besseres Management aus, stärkere Mitarbeiter-Motivation, besseres Image bei Kunden, Verbrauchern und Öffentlichkeit, was gleichzeitig zu einer höheren Finanzperformance führt.
II.1.2
Wertschöpfung auf der Führungsebene
Der erste Handlungsansatz zur Positionierung auf der Führungsebene liegt in der Gestaltung der Wertschöpfung. In einer zukunftsorientierten Sichtweise umfasst dies zunächst das Festlegen und Erreichen verbindlicher Erfolgsgrößen. Die mit der Festlegung von Erfolgsgrößen einhergehende handlungssteuernde Wirkung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass diese tatsächlich optimiert werden. Da ihnen unterschiedliche Werttreiber und damit auch unterschiedliche Managemententscheidungen zugrunde liegen, ist bereits die Wahl der anzustrebenden Erfolgsgrößen eine bedeutende Determinante, wenn nicht sogar Voraussetzung der tatsächlichen Wertschöpfung.51 Sie fungieren sozusagen als „Leitplanken“ auf dem Weg zu wertkompatiblen Entscheidungen und bieten gleichzeitig Anreize zu wertkompatiblem Verhalten.52 Zum anderen lässt das tatsächliche Erreichen bestimmter Kenngrößen in der Vergangenheit über die Annahme, dass die ursächlichen Faktoren relativ nachhaltiger Natur sind, die Erwartung ähnlicher Erträge in der Zukunft zu. Beide Aspekte geben dem Investor Anlass zu einer berechtigten Zukunftserfolgsvermutung und stellen somit ein Nutzenpotenzial dar. Die Wahl der anzustrebenden Erfolgsgrößen kann aus zwei Perspektiven heraus erfolgen (vgl. Abb. II-5). Aus einer unternehmensorientierten Sicht eignet sich ein Ansatz insbesondere dann, wenn er entscheidungsrelevante Informationen abbildet und so in optimaler Weise die Führung des Unternehmens ermöglicht. Aus einer kapitalmarktorientierten Sicht eignet sich ein Ansatz dann, wenn er die Zielgrößen des Kapitalmarktes abbildet und das Unternehmen sich so mit der eigenen Strategie von vornherein auf die Bewertungsmethoden des Marktes ausrichten kann.53 Im Idealfall sind die Bewertungsmethoden des Kapitalmarktes und des Managements identisch. Weichen sie allerdings voneinander ab, dann wird die Unternehmensstrategie möglicherweise vom Kapitalmarkt nicht honoriert. In dem Fall wird der Kapitalmarkt entweder mit eigenen, vom Unternehmen nicht optimierten Kennzahlen einen geringeren Unternehmens51
52 53
Vgl. Stern/Stewart/Chew (1998), S. 149, die über das von Stern Stewart entwickelte „EVA Drivers“-Tool schreiben: „[it] enables management to trace EVA through the income statement and balance sheet to key operating and strategic levers abailable to them in managing their business.“ Vgl. Coenenberg (2002), S. 15, der Entscheidungsunterstützung und Verhaltenssteuerung als die Aufgaben kennzahlenbasierter Steuerungssystemen sieht. Im Extremfall kann es sein, dass ein Markt für eine bestimmte Branche so dominante ist, dass man sich in den Standards diesen Unternehmen anpassen muss. Vgl. Kagermann (2003), der sich auf die von Analysten erwarteten Rechnungslegungsmethoden US-amerikanischer Softwareunternehmen bezieht.
128
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
wert errechnen oder mangels Kennzahlen überhaupt keinen Unternehmenswert errechnen. Trotz „optimaler“ Führung ergeben sich dann die mit einer Unterbewertung assoziierten Probleme. Finanzierung
Bewertungsmethode des Kapitalmarkts
Marktwert
Kapitalmarkt
Unternehmensgeschehen
Management
Bewertungsmethode des Managements
Führungspotenzial
Führung
Abb. II-5:
Kennzahlen des Unternehmens und Bewertungsmethoden des Kapitalmarktes
Die Lösung liegt in einem solchen Fall entweder in der Anpassung der eigenen Erfolgsgrößen an die Kapitalmarktbewertung, was gegebenenfalls zu einer schlechteren Steuerbarkeit des Unternehmens führen kann oder in der überzeugenden Kommunikation der eigenen Sichtweise an den Kapitalmarkt, damit dieser die Bewertungsmethoden des Managements übernimmt. Im Folgenden werden mögliche Erfolgsgrößen finanzieller (1) und ideeller (2) Wertschöpfung dargestellt und vor dem Hintergrund der oben dargestellten Kriterien gewürdigt. (1)
Erfolgsgrößen finanzieller Wertschöpfung
Die Maxime finanzieller Wertschöpfung aus Sicht der Investoren besteht darin, nachhaltige, im Idealfall steigende, über den Kapitalkosten liegende Kapitalrenditen zu erwirtschaften.54 Als Erfolgsgrößen dienen dabei so genannte wertorientierte Kennzahlen, die mit einer zukunftsorientierten Ertragswertbestimmung kompatibel sind.55 Ihre Anwendung im Unterneh-
54 55
Vgl. Afra/Aders (2001), S. 99. Für eine Übersicht über gebräuchliche Methoden der an einem Zukunftserfolgswert orientierten Wertbestimmung vgl. Knorren (1998), S. 37, u.R.a. Helbling (1990), S. 534, sowie Drukarczyk (1996), S. 105ff., Jacob/Klein (1996), S. 64ff. und Mandl/Rabel (1997), S. 28ff.
II.1 Transformationspotenziale und Ausgestaltung der Führungsebene
129
men lässt sich sowohl nach ihrer Implementierungstiefe als auch nach den Nutzungsformen im Rahmen der Unternehmensführung differenzieren.56 Die geringste Implementierungstiefe stellt die so genannte „Analysten-Lösung“ dar, bei welcher die wertorientierten Kennzahlen lediglich „nach außen“ kommuniziert werden und keine Rolle im Rahmen der Unternehmensführung spielen. Die nächste Stufe lässt sich als „engagierter Beginn“ bezeichnen. Hier werden wertorientierte Kennzahlen unternehmensintern in der Zentrale verankert und zur Steuerung von Teileinheiten verwendet. Ist ein „professioneller Standard“ erreicht, dann werden wertorientierte Kennzahlen über alle Hierarchieebenen im Unternehmen durch Definition so genannter, meist nicht-finanzieller Werttreiber angewendet. Als Nutzungsformen unterscheiden Weber u.a. (2002) die „instrumentelle Nutzung“, bei welcher die Kennzahlen als Bewertungsregel oder periodisierte Zielgröße der Entscheidungsfindung dienen, die „konzeptionelle Nutzung“, bei welcher sie durch Beeinflussung der Denkprozesse und Haltungen der Mitarbeiter bezüglich ihrer Tätigkeiten der Verhaltenssteuerung dienen, und die „symbolische Nutzung“, bei der durch einen selektiven Einsatz der durch die Kennzahlen wiedergegebenen Informationen die Durchsetzung einer bestimmten Entscheidung im Unternehmen unterstützt wird. Die Vorziehenswürdigkeit eines Ansatzes kann, wie oben dargestellt, unternehmensorientiert oder kapitalmarktorientiert hergeleitet werden. Aus unternehmensorientierter methodischer Sicht lassen sich kaum pauschale Empfehlungen für die Auswahl wertorientierter Kennzahlen geben. Unter Voraussetzung eines Clean Surplus Accounting führen die Berechnungen des Barwerts über Dividenden (DDM), Cashflows (DCF), oder Residualeinkommen (RIM) zu übereinstimmenden Ergebnissen.57 Werden gleiche Annahmen zugrunde gelegt, sind alle Bewertungsansätze im Rahmen der Zukunftserfolgsmethodik grundsätzlich äquivalent.58 In der Praxis werden jedoch regelmäßig vereinfachende Annahmen in die Unternehmensbewertung eingeführt, was je nach Bewertungsmethode auch bei theoretisch äquivalenten Methoden zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann.59 Solche vereinfachenden Annahmen sind beispielsweise die pauschalen Annahmen eines prozentualen Wachs-
56 57 58
59
Vgl. Weber u.a. (2002), S. 9f. und S. 26ff. Clean Surplus bezeichnet ein Periodenergebnis, das alle nicht auf Außenfinanzierung beruhenden Änderungen des Eigenkapitals enthält. Vgl. Coenenberg (2002), S. 10. Vgl. Coenenberg (2002), S. 19, und Plenborg (2002), S. 306, sowie ausführlich Schultze (2001), S. 391ff. und Penman (1997). Auch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) akzeptiert Ertragswertmethode und DCF-Methode als gleichwertig. Vgl. Plenborg (2002), S. 305, sowie Olsson (1998), S. 12.
130
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
tums60 oder einer kapitalwertneutralen Reinvestition61. Die Auswahl eines Konzeptes stellt somit eine Entscheidung dar, die sich nur vor dem Hintergrund einer konkreten Unternehmenssituation treffen lässt.62 Aus kapitalmarktorientierter, zumeist empirischer Sicht sind solche Kennzahlen vorzuziehen, die eine Optimierung der Kapitalmarktbewertung ermöglichen, also über eine hohe Korrelation mit den Aktienrenditen verfügen und somit auf ihre Relevanz für die Investoren schließen lassen. Eine Optimierung dieser Zielgrößen würde dann eine simultane Optimierung des Marktwertes erwarten lassen.63 Im Folgenden werden die grundsätzlichen Formen wertorientierter Kennzahlen dargestellt und gewürdigt. Ertragsorientierte Kennzahlen lassen sich nach vier Dimensionen untergliedern. Der bedeutendste Differenzierungsmerkmal liegt in der zugrunde liegenden Zukunftserfolgsdefinition. Dabei kann es sich um Dividenden, Cashflows, buchhalterische Größen, oder ggf. auch reale Optionen handeln. Sodann lassen sie sich danach unterscheiden, ob sie Kapitalkosten berücksichtigen. Eine weitere Differenzierung ergibt sich aus der Länge des Betrachtungszeitraums; Periodenerfolgswerte messen die Wertschöpfung innerhalb einer Periode, während sich bei Berücksichtigung eines unendlichen Zeithorizonts der Unternehmenswert als Barwert aller zukünftigen Periodenerfolge ergibt. Schließlich unterscheiden Kennzahlen sich nach ihrer Relativität, indem Ertragsgrößen entweder absolut wiedergegeben oder zu Bestandsgrößen bzw. Ertragsgrößen der Vorperiode in Beziehung gesetzt werden. In dieser Systematik lassen sich nun verschiedene wertorientierte Kennzahlen verorten (vgl. Abb. II-6).64 Als Ausgangspunkt einer differenzierteren Betrachtung dient eine wertverteilungsorientierte Sichtweise. Dabei setzt die Wertberechnung an der Wertverteilung an. Die relevante Größe
60
61
62 63 64
Wenn das Residualeinkommen Null beträgt, beeinflusst das Wachstum den Unternehmenswert nicht. Der RI Ansatz ist in diesem Fall unabhängig von verschiedenen Wachstumsraten. DCF wird aber regelmäßig weiter von Null entfernt sein als RI, da dort die Eigenkapitalkosten nicht abgezogen werden. RI wird daher genauere Schätzungen des Unternehmenswertes liefern als der DCF Ansatz wenn Wachstumsprognosen von der Realität abweichen. Zudem wird das Residualeinkommen von den Bilanzierungsmethoden beeinflusst, die Cashflows nicht. Wachstumsunternehmen erziele also bei einer DCF-Bewertung rechnerisch die positiveren Unternehmenswerte. Vgl. Plenborg (2002), S. 310ff.. Das tatsächliche Ausschüttungsverhalten wird nur bei der Ertragswertmethode explizit berücksichtigt, während bei der DCF-Methode mit Hinweis auf die Prämisse einer kapitalwertneutralen Reinvestition üblicherweise auf die explizite Berücksichtigung des Ausschüttungsverhaltens verzichtet wird. Erfolgt die Reinvestition über dem Kapitalkostensatz, dann sinkt der reale Unternehmenswert mit zunehmender Ausschüttung und umgekehrt. Vgl. Coenenberg (2002), S. 8. Schwetzler (1998), S. 697ff., macht zudem darauf aufmerksam, dass diese Annahme, nicht zuletzt wegen des Gewerbesteuereffekts, im Einzelfall explizit überprüft werden müsse. Vgl. Weber u.a. (2002), S. 32. Einen Überblick über Studien geben Schremper/Pälchen (2001). Traditionelle Kennzahlen weisen im Schnitt keine geringere Korrelation mit dem Börsenkurs auf als die wertorientierten Kennzahlen. Eine Übersicht in der Praxis verwendeter Kennzahlen findet sich bei Afra/Aders (2001), S. 100, und Steinle/Thiem/Krüger (2001), S. 494.
II.1 Transformationspotenziale und Ausgestaltung der Führungsebene
131
ist dann die Dividende. Wird diese ins Verhältnis zum Börsenkurs gesetzt, spricht man von Dividendenrendite.65 Indem über einen unendlichen Zeithorizont die Summe der mit den Kapitalkosten abdiskontierten Dividenden gebildet wird lässt sich der Barwert des Unternehmens errechnen.66 Dieser auf Williams (1938) zurückgehende und vor allem durch Gordon/Shapiro (1956) popularisierte Ansatz wird als Dividendenbarwertmodell bzw. Dividendendiskontierungsmodell (DDM) bezeichnet.67 Miller/Modigliani (1961) sehen ihn als fundamentales Modell der Unternehmensbewertung.68 Ertragswert (vor Eigenkapitalkosten)
Residualwert (nach Eigenkapitalkosten)
Periodenerfolg
Barwert
Periodenerfolg
Barwert
absolut
Gewinn, EBIT, EBITDA, NOPAT
PV
RI, EVA, REVA, MRG, EP, VA, GWB
NPV, MVA, M/B, Tobin‘s Q
relativ
ROI, ROE, ROS, ROIC, ROCE, ROA, RONA, RORAC, RAROC
absolut
CF
DCF
CVA, SVA
relativ
CFROI, CFROA
Buchhalterisch
a
c
b
Cash Flow
absolut
RO
Real Options
d relativ
Abb. II-6:
Eine Systematik wertorientierter Kennzahlen
Allerdings lässt sich mit dem DDM nur ein deutlich kleinerer Teil des Börsenkurses erklären, als mit gewinnbasierten Ansätzen.69 Der Grund mag darin liegen, dass die Reinvestition von Gewinnen die Erfassung der Ertragskraft über Dividenden in die Zukunft verlagert, weshalb 65
66 67 68 69
In einer rein periodenorientierten Betrachtung ist der Total Shareholder Return (TSR) vorzuziehen. Dies liegt daran, dass die Höhe der Dividenden nicht unbedingt dem erwirtschafteten Ertrag entsprechen muß und sich die Differenz ggf. im Unternehmenswert niederschlägt. Daher wird im TSR zu den Dividenden noch der für den Investor potenziell realisierbare Kursgewinn hinzugerechnet. Vgl. Volkart (1997), S. 7ff., sowie Plenborg (2002), S. 305f., u.R.a. Miller/Modigliani (1961) Vgl. Plenborg (2002), S. 305 u.R.a. Miller/Modigliani (1961). Vgl. Miller/Modigliani (1961), zit. bei Plenborg (2002), S. 305. Vgl. Bernard (1995), der zu dem Ergebnis kommt, dass das DDM nur 29% des Börsenkurses erklärt, während bspw. das RI-basierte Verfahren 68% des Börsenkurses erklären kann. Auch Penman/Sougiannis (1998), sowie Francis/Olsson/Oswald (2000) kommen zu dem Ergebnis, dass RI-basierte Unternehmenswertschätzungen weniger verfälschte Ergebnisse lieferen als das DDM.
132
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
die für eine Vorhersage erforderliche Beobachtungsperiode deutlich länger ist als für gewinnbasierte Ansätze.70 Zudem ist die Gestaltung der Dividenden für das Management zumindest mittelfristig unabhängig von der Ertragskraft, weshalb der Ansatz an der Wertschöpfung erfolgsversprechender ist. Dies führt Penman (2002) zu der Feststellung: “Price is based on future dividends, but observed dividends do not tell us anything about price.” (Penman 2002, S. 305)
Daher wird im Folgenden entsprechend der Systematik in Abb. II-6 auf (a) gewinnbasierte, (b) cashflowbasierte und (c) residualwertbasierte Kennzahlen für die Wertschöpfung und schließlich auf (d) realoptionsbasierte Kennzahlen für Werttreiber eingegangen. (a) Buchhalterische Erfolgsgrößen vor Eigenkapitalkosten: Der Gewinn71 ist die zentrale buchhalterische absolute Periodenerfolgsgröße vor Berücksichtigung der Eigenkapitalkosten. Die Rechtfertigung für den Gewinn als relvante Erfolgsgröße besteht darin, dass aus Gewinnen die möglichen Ausschüttungen abgeleitet werden können. Der Gewinn ist nur dann wertsteigernd aus Sicht der Aktionäre, wenn er mindestens der geforderten Eigentümerrendite entspricht.72 Dem Gewinn verwandte absolute Erfolgsgrößen sind NOPAT, EBIT, EBITDA, etc. Wird der Gewinn als „Return on ...“ in Prozent einer Bezugsgröße ausgedrückt, handelt es sich um relative Periodenerfolgsgrößen. Sie können mithilfe der Bezugsgröße bestimmte Renditerelationen darstellen, sind dadurch aber auch schwieriger zu interpretieren. Wird der Gewinn auf den Börsenkurs bezogen (ROP)73, können Unterschiede jenseits vom Gewinn z.B. auf risikoinduzierte Unterschiede in den geforderten Renditen, divergierende PayoutRatios oder abweichende Erwartungen hinsichtlich der langfristigen Wachstumsraten des Gewinns zurückzuführen sein. Weitere gängige Bezugsgrößen stellen der Umsatz ( ROS), das Unternehmensvermögen (ROA bzw. RONA), das Gesamtkapital (ROI), das investierte Kapital (ROIC, bzw. ROCE), das risikoadjustierte Kapital (RORAC, bzw. RAROC) oder das Eigenkapital (ROE) dar.74 Hier gilt äquivalent, dass der ROI den Gesamtkapitalkostensatz (WACC) und der ROE den Eigenkapitalkostensatz übersteigen muß, um aus Sicht der Aktionäre wertsteigernd zu sein.75 Da dieser von weiteren Faktoren, wie z.B. dem Unternehmensrisiko abhängig ist, sind auch diese Zahlen isoliert betrachtet nur eingeschränkt aussagefähig. 70 71 72 73 74 75
Vgl. Plenborg (2002), S. 307. Vgl. Dimson/Marsh (1999), S. 61. Vgl. Rappaport (1995), S. 28ff. Dieser Tatsache tragen die unten erläuterten Residualgewinnmodelle Rechnung, indem sie den Gewinn um die Eigenkapitalkosten vermindern. Ähnlich Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) und Price/Earnings-Ratio (P/E). Vgl. Stewart (1998), S. 50. Vgl. Marcus/Wallace (1991), S. 46f. Zum sogenannten Equity-Spread vgl. Günther (1997), S. 302.
II.1 Transformationspotenziale und Ausgestaltung der Führungsebene
133
Ein weiteres Problem des ROE neben allen anderen typischen Problemen der Gewinngröße ist die Reaktion auf den Verschuldungsgrad.76 Viele Unternehmen, darunter DaimlerChrysler, RWE, oder vormals Mannesmann, verwenden diese Kennzahlen als Wertorientierte Zielgrößen. Die DaimlerChrysler AG orientiert sich am RONA. Als Bezugsgröße dient der operative Gewinn. Konzernweit sollen mindestens die WACC erwirtschaftet werden, die Geschäftsbereiche sollen vor Steuern und Zinsen wenigstens die Eigenkapitalkosten erwirtschaften.77 Auch die Zielgröße „Brutto-Betriebsvermögens-Rendite“ (BBV-Rendite) bei der Mannesmann AG stellte konzeptionell eine Sonderform des ROI dar. Das BBV wurde aktivseitig ermittelt. Es wurde dem Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Goodwillabschreibungen gegenübergestellt und sollte über den Gesamtkapitalkosten liegen.78 Die RWE AG arbeitet mit dem „Kapitalrenditekonzept“, welches weitgehend dem ROIC entspricht. In jedem Geschäftsbereich soll eine Rendite erreicht werden, die über den Kapitalkosten liegt. Als investiertes Kapital gilt das betriebliche Vermögen abzgl. unverzinslicher Verbindlichkeiten.79 Wird der Gesamtwert des Unternehmens als Wert der Fortführung des Unternehmens an den erwirtschafteten Erträgen gemessen, spricht man vom Barwert oder Present Value (PV). Auf Basis von Gewinnen ergibt sich dieser als Summe der mit den Kapitalkosten abgezinsten Periodengewinne. Wird von diesem das investierte Kapital abgezogen, ergibt sich der Net Present Value (NPV).80 Ein zentrales Problem bei der Einschätzung der Ertragskraft besteht darin, zu beurteilen, ob eine Veränderung der messbaren Wertschöpfung nur zufällig von den bisherigen Ergebnissen abweicht oder eine Änderung der grundlegenden Situation zur Ursache hat.81 Dies wird durch die Gestaltungsmöglichkeiten der buchhalterischen Rechnungslegung erschwert. Das ist der zentrale Grund dafür, dass Rappaport (1995) Gewinne und gewinnbasierte Größen sogar als „unzulässige“ Indikatoren für die Maximierung der Eigentümerrendite bezeichnet.82 Dennoch stellt der Gewinn eine bedeutende Größe bei der Bewertung von Aktien dar.83 Der Vorteil von
76 77 78 79 80 81 82
83
Vgl. Rappaport (1995), S. 44. Vgl. Voss (1999), S. 50. Vgl. Esser (2000), S. 176ff. Vgl. Börsig (2000), S. 167ff. Vgl. Myers (1998), S. 119. Vgl. Loistl (1994), S. 172. Vgl. Rappaport (1995), S. 20ff. Die weiteren von ihm genannten Gründe treffen jedoch grundsätzlich auf alle Periodenerfolgsgrößen in Reinform, inklusive der von ihm favorisierten Cashflows zu. Ähnlich argumentieren Knorren (1998), S. 10ff. und Stewart (1998), 50ff. in Bezug auf P/E. Vgl. Marcus/Wallace (1991), S. 45. Entscheidungsrelevante Faktoren sind dabei die Stabilität des Gewinns (vgl. Baker u.a. (1977), S. 1ff.) und das Gewinnwachstum (vgl. Dimson/Marsh 1999, S. 63, sowie Baker u.a. 1977, S. 1ff.).
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Gewinnen gegenüber Cashflows liegt darin, dass Investitionsauszahlungen über die Nutzungsdauer verteilt und somit im Sinne des Matching Principle vergleichmäßigt werden. Die daraus resultierende geringere Varianz von Gewinnen im Vergleich mit Cashflows84 ermöglicht verlässlichere Prognosen über kürzere Prognosezeiträume. Gewinne weisen im Vergleich mit allen gängigen Performance-Maßen im Allgemeinen die höchsten Korrelationen mit der Aktienrendite auf.85 Dies gilt sowohl für jährliche86 als auch für mehrjährige Betrachtungszeiträume87. Der Grund könnte in der Verwendung dieser Größen durch Finanzanalysten in Verbindung mit deren starkem Einfluss auf die Kursbildung liegen.88 Auch in Bezug auf den Marktwert des Unternehmens weisen Gewinne den höchsten Erklärungsgehalt auf. Auch wenn dieser angeblich seit Anfang der 90er Jahre von bis zu 90% auf allenfalls noch bei 50% abgenommen hat,89 scheinen Gewinne nach wie vor höher korreliert mit Unternehmenswerten als EVA, RI oder CF.90 (b) Cashflowbasierte Erfolgsgrößen vor Eigenkapitalkosten: Cashflows (CF) stellen eine weitere absolute Periodenerfolgsgröße vor Kapitalkosten dar. Dabei handelt es sich um die tatsächlichen, von buchhalterischen Einflüsse freien Zahlungsströme des Unternehmens.91 Sie
84
85
86
87
88 89 90
91
Vgl. Plenborg (1996), sowie Shroff (1998). Dies führt dazu dass Gewinne sogar zukünftige Cashflows besser prognostizierenals gegenwärtige Cashflows selbst. Vgl. Shroff (1998), sowie Dechow/Kothari/Watts (1998). Für einen Vergleich mit Cashflows vgl. Shroff (1998) und Biddle/Bowen/Wallace (1997), S. 301ff., in Bezug auf RI und EVA vgl. Dechow/Kothari/Watts (1994) und Plenborg (2002), S. 316. Günther/Landrock/Muche (2000b), S. 130, weisen für traditionelle buchhalterische gewinnorientierte Performancemaße höhere Korrelationen mit den Aktienrenditen nach (RoE 49,64%, RoS 47,47%, RoI 45,15%) als für wertorientierte Performancemaße (CVA 31,42%, DCF 20,17%, EVA und Tobin's Q unter 5%). Biddle/Bowen/Wallace (1997), S. 304, stellen in Bezug auf jährliche Aktienrenditen für Gewinne (R² = 12,8%) einen höheren Erklärungsgehalt (Wertrelevanz) fest als für RI (R² = 7,3%), EVA (R² = 6,5%) oder CFO (R² = 2,8%). Biddle/Bowen/Wallace (1997), S. 326, stellen in Bezug auf fünfjahres-Aktienrenditen für Gewinne (R² = 31,2%) einen deutlich höheren Erklärungsgehalt (Wertrelevanz) fest als für CFO (R² = 18,9%), EVA (R² = 14,5%) oder RI (R² = 10,9%). Auch über eine 4-Jahres-Periode erklären die akkumulierten Gewinne 22% der Börsenkursvarianz, während akkumulierte FCF weniger als 1% erklären können. Vgl. Plenborg (1999). Vgl. Günther/Landrock/Muche (2000b), S. 133. Vgl. Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 121. Vgl. Biddle/Bowen/Wallace (1997), S. 301. O’Byrne (1996) weist zwar für EVA mit R² = 56% eine deutlich höhere mit dem Marktwert nach als für NOPAT mit R² = 17%, dieses Ergebnis resultiert jedoch aus einer Reihe von Anpassungen der EVA-Regression, welche für NOPAT nicht vorgenommen wurden. Vorher betrug der Erklärungsgehalt für EVA R² = 31% und NOPAT R² = 33% (vgl. O'Byrne 1996, S. 116ff.). Werden die von O'Byrne vorgenommenen Anpassungen für alle Performancemaße durchgeführt, sind die Unterschiede mit R² (EBEI) = 53%, R² (EVA) = 50% und R² (NOPAT) = 49% unerheblich. Vgl. Biddle/Bowen/Wallace (1997), S. 330. Vgl. zu CF-Größen insgesamt Schildbach (2000), S. 709, Hardtmann (1996), S. 63ff., sowie umfänglich Hachmeister (1995).
II.1 Transformationspotenziale und Ausgestaltung der Führungsebene
135
haben eine empirisch hohe Bedeutung für die Aktienbewertung,92 da die Investitionstheorie davon ausgeht, dass nur tatsächliche Zahlungen verzinslich und somit diskontierbar sind. Als korrespondierendes Maß für den relativen Periodenerfolg hat sich der Cashflow Return on Investment (CFROI) etabliert.93 Eine Wertsteigerung liegt dann vor, wenn der CFROI die WACC übersteigt.94 Der Barwert auf Basis von Cashflows wird mit dem Discounted Cashflow Model (DCF)95 errechnet, indem die zur Ausschüttung an die Investoren zur Verfügung stehenden Free Cashflows (FCF) mit den Kapitalkosten abdiskontiert werden. Die bekanntesten Ansätze sind die Eigenkapital-Methode96, bei welcher der Eigenkapitalwert direkt aus den auf das Eigenkapital entfallenden Zahlungsüberschüssen ermittelt wird, und die Gesamtkapital-Methode97, bei welcher zunächst der Gesamtunternehmenswert aus dem FCF ermittelt und dann durch Subtraktion des Fremdkapitalwertes in den Eigenkapitalwert übergeleitet wird.98 Bei korrekter Anwendung und im Zeitablauf konstanten Einzahlungsüberschüssen führen beide Verfahren ceteris paribus zu gleichen Ergebnissen.99 Im Falle sich ändernder Einzahlungsüberschüsse ist dies aufgrund der sich ändernden Kapitalstruktur nur bei vollständiger Eigenfinanzierung der Fall. Trotz der theoretischen Äquivalenz zwischen den unterschiedlichen Ansätzen zur Ertragswertbestimmung wurde in der Finanzliteratur meist zugunsten des DCF-Ansatzes argumentiert. Der dabei immer wieder in den Vordergrund gestellte Vorteil der Performance-Messung auf Cashflow Basis ist ihre Kongruenz mit der Investitionstheorie insofern, als die durch Cashflows erfassten Zahlungsüberschüsse im Vergleich zu buchhalterischen Periodenergebnissen von möglichen bilanzpolitischen Einflüssen frei sind.100 Dennoch werden CF-basierte Zielgrößen in der Praxis selten angewandt, weil der Umrechnungsaufwand aus der regulären Buchführung den damit verbundene Nutzen übersteigt.101
92 93 94 95 96 97 98 99 100 101
Vgl. Dimson/Marsh (1999), S. 63, Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 128 und Plenborg (2002), S. 303. Vgl. zu dieser von Holt Planning Associates entwickelten und von BCG eingeführten Kennzahl exemplarisch Lewis (1994) und Günther (1997), S. 300. Vgl. auch Knorren (1998), S. 74ff., sowie ausführlich Lewis (1994), S.40ff. Vgl. exemplarisch Copeland u.a. (1990). Man spricht auch von „Equity-Approach“ oder „Netto-Methode“. Man spricht auch von „Entity-Approach“ oder „Brutto-Methode“. Für die Darstellung unterschiedlicher Varfahren, wie z.B. APV-, WACC- und DUK-Verfahren, vgl. exemplarisch Schildbach (2000), S. 709ff. Vgl. bspw. Weber u.a. (2002), S. 21, u.R.a. Knorren (1998). Vgl. Knorren (1998), S. 42f. u.R.a. Brealey/Myers (1996), S. 525ff. für APV, Copeland/Koller/Murrin (1998), S. 130ff. für WACC und Hachmeister (1995), S. 109f. Vgl. Plenborg (2002), S. 304. Vgl. bspw. Börsig (2000), S. 174.
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Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
Da Cashflows Aufwände und Erträge nicht nach der wirtschaftlichen Nutzungsdauer verteilen, weisen sie im Zeitablauf eine höhere Varianz auf als buchhalterische Größen.102 Die für eine Vorhersage erforderliche Beobachtungsperiode ist bei Cashflows daher theoretisch länger als bei buchhalterisch orientierten Ansätzen.103 Das gilt vor allem bei wachsenden oder in Restrukturierung befindlichen Unternehmen, da zunächst über längere Zeiträume negative Werte entstehen und die entsprechenden Rückflüsse erst relativ spät ins Kalkül eingehen. Tatsächlich weisen Cashflows empirisch eine geringere Korrelation mit der Aktienrendite auf als buchhalterische Größen.104 Erwartungsgemäß gilt dies umso mehr, je kürzer die Betrachtungszeiträume angesetzt werden.105 Auch für den Marktwert des Unternehmens haben Cashflows im Allgemeinen einen geringeren Erklärungsgehalt als buchhalterische Größen.106 (c) Residualwertbasierte Erfolgsgrößen: Werden absolute Periodenerfolgsgrößen um die Kapitalkosten verringert, so spricht man von residualwertbasierten Erfolgsgrößen. Dient der Gewinn als Ausgangspunkt, führt dies zum Residualgewinn oder Residual Income (RI). Der auf die 1920er Jahre zurückgehende Ansatz wurde unter verschiedensten Bezeichnungen weiterentwickelt.107 Die heute wohl bekannteste Variante des RI-Modells ist der von Stern Stewart entwickelte Economic Value Added (EVA).108 Hierbei wird der NOPAT um die Gesamtkapitalkosten vermindert.109 Eine Steigerung des Unternehmenswertes erfolgt theoretisch dann, wenn der Residualgewinn positiv ist, also der ROI die WACC übersteigt.110 An 102 103 104
105
106 107
108 109 110
Vgl. Bernard (1989), Plenborg (1996) und Shroff (1998). Vgl. Plenborg (2002), S. 307. Vgl. Shroff (1998) Dechow/Kothari/Watts (1998) und weitere bei Plenborg (2002), S. 316, zitierte Studien, sowie Biddle/Bowen/Wallace (1997), S. 301. Eine Ausnahme bildet Lewis (1994), S. 46f., der für Cashflows mit 65% Korrelation die höchste Erklärungskraft für Börsenkurse feststellt. In Bezug auf jährliche Aktienrenditen haben Cashflows den geringsten Erklärungsgehalt (R² = 2,8%) im Vergleich zu Gewinnen (R² = 12,8%), RI (R² = 7,3%), oder EVA (R² = 6,5%), während sie in Bezug auf 5-Jahres-Renditen mit R² = 18,9% gegenüber Gewinnen (R² = 31,2%), EVA (R² = 14,5%) oder RI (R² = 10,9%) bereits besser abschneiden. Vgl. Biddle/Bowen/Wallace (1997), S. 304 und 326. Vgl. Loistl (1994), S. 173, Biddle/Bowen/Wallace (1997), S. 301, Penman/Sougiannis (1998), Francis/Olsson/Oswald (2000), S. 57, und AAA (2001), S. 165f. Der in den 1920er Jahren zunächst unter der Bezeichung „Residual Earnings“ (vgl. Plenborg 2002, S. 303) bekannte Ansatz (vgl. Stern Stewart 1994) wurde in der Folgezeit auch bekannt als „Excess Earnings“ (vgl. Canning 1929 und Preinreich 1936, 1937, 1938) und „Residual Income“ (vgl. Stern Stewart 1994). In Deutschland war das Konzept in den 50er Jahren als Alternative zu einer auf Cashflows basierten Investitionsrechnung von Lücke (1955) in die betriebswirtschaftliche Diskussion eingeführt worden („Lücke-Theorem“). Weiterentwicklungen benutzten die Bezeichnungen „Super-Profits“ (vgl. Edey 1957), „Excess Realizable Profit“ (vgl. Edwards/Bell 1961) sowie „Excess Income“ (vgl. Kay 1976, Peasnell 1981, 1982) und in neuerer Zeit „Abnormal Earnings“ (vgl. Ohlsen 1995, Feltham/Olsen 1995) sowie „Economic Profit“ (vgl. Volkart 1997b, S. 7ff., sowie Günther 1997c, S. 301). Vgl. Stewart (1991), zit. bei Plenborg (2002), S. 305. Vgl. Voss (1999), S. 41. Vgl. Günther/Landrock/Muche (2000a), S. 72. Die Kritik, dass der EVA nicht kapitalmarktorientiert sei,
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diesem Ansatz orientiert sich bspw. der von Siemens als Steuerungsgröße verwendete Geschäftswertbeitrag (GWB). Der Geschäftswert als Barwert aller zukünftigen GWBs basiert auf Daten des externen Rechnungswesens und entspricht der Differenz aus Marktwert und Geschäftsvermögen. Dabei wird die Kapitalbasis definiert als Aktivseite, vermindert um das unverzinsliche Fremdkapital, während die Kapitalkosten bereichsspezifisch auf Basis der jeweiligen Beta-Faktoren errechnet werden.111 Werden absolute Periodenerfolgswerte nach Kapitalkosten auf Cashflow Basis gebildet, führt dies zum Cash Value Added (CVA) oder Shareholder Value Added (SVA). Der von Holt Planning Associates entwickelte CVA112 entsteht durch Multiplikation des um die WACC verringerten CFROI mit der Bruttoinvestitionsbasis, während der von Arthur Andersen entwickelte SVA sich als Differenz aus operativem Cashflow und Gesamtkapitalkosten ergibt. Wird der SVA als relativer Wert in Prozent des investierten Kapitals ausgedrückt, spricht man vom Shareholder Value Return (SVR).113 Der Barwert aller zukünftigen EVAs wird als Market Value Added (MVA) bezeichnet. Er stellt als Differenz zwischen Marktwert und Buchwert des Unternehmens eine Form des Net Present Value (NPV) dar.114 Solange dieser positiv ist, hat das Unternehmen für die Investoren insgesamt Wert geschaffen. Ähnliche, aber quotale auf dem Vergleich von Ertrags- und Substanzwerten beruhende Größen sind das Marktwert/Buchwert-Verhältnis und Tobin’s Q115, welches sich als Quotient aus Marktwert der Assets und Wiederbeschaffungswert errechnet. Quotale Größen eignen sich im Gegensatz zum MVA auch zum Vergleich unterschiedlich großer Unternehmen. Eine Wertsteigerung liegt dann vor, wenn der Bruch größer als 1 ist. Soll der Gesamtwert des Unternehmens als PV ausgehend vom Residualgewinn errechnet werden, dann wird dem MVA einfach das investierte Kapital hinzuaddiert. Während beim Cashflow- und Gewinn-basierten Ertragswertmodell der Unternehmenswert ausschließlich durch Stromgrößen erklärt wird, macht die Bestandsgröße Eigenkapital bzw. Betriebsvermögen beim Residualgewinnmodell einen wesentlichen Anteil des Unternehmenswertes aus. Der
111 112 113 114 115
da die Bezugsbasis nicht marktorientiert sei, führte zur Entwicklung des Refined Economic Value Added (REVA) und der marktwertbasierten Residualgewinne (MRG), bei welchen das investierte Kapital auf Marktwertbasis angesetzt wird. Vgl. Knorren (1998), S. 71. Vgl. Neubürger (2000), S. 188ff. Vgl. Lewis (1994), S. 127ff. sowie Günther/Landrock/Muche (2000a), S. 72f. Vgl. Brunner (1999), S. 51ff. Tobin’s Q = (Börsenwert + Marktwert des FK) / Wiederbeschaffungswert. MVA = (Börsenwert + Finanzschulden) - (Buchwerte des Eigenkapitals + Fremdkapitals) Vgl. für das von Tobin entwickelte und von Callard, Madden & Associates bekannt gemachte Tobin’s Q Günther (1997), S. 301f., sowie Günther/Landrock/Muche (2000a), S. 71f.
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Vorteil gegenüber der Berechnung des Ertragswerts auf Gewinnbasis ist ein nochmals verringerter Fortführungswert, da für die Zukunft lediglich die Überrenditen geschätzt werden müssen, während die Eigenkapitalkosten bereits vollständig durch die Addition des Eigenkapitals erfasst werden. Der besondere Vorteil residualwertbasierter Erfolgsgrößen liegt in der Berücksichtigung der Eigenkapitalkosten. Darüber hinaus beruht das RI-Modell gegenüber Cashflow-basierten Ansätzen auf Daten, die unmittelbar mit dem ergebnisorientierten Planungs- und Kontrollsystem des Unternehmens verknüpft sind.116 RI ist daher als internes Erfolgsmaß besonders für Teileinheiten geeignet, die aufgrund unterschiedlicher Risikostrukturen voneinander abweichende Kapitalkosten aufweisen. Als wichtigster Werttreiber des RI-Ansatzes fungiert der ROE.117 Dass der ROE aus Sicht der Finanzanalysten eine zentrale Größe in den meisten Analysekonzepten der Praxis darstellt, scheint RI darüber hinaus auch als externes Erfolgsmaß für das finanzielle Reporting zu prädestinieren.118 So ist der EVA laut seinen Erfindern angeblich die Kennzahl, die am engsten mit dem Marktwert des Unternehmens korreliert.119 Tatsächlich existiert eine große Zahl empirischer Studien, die zeigt, dass dem Residualgewinn ein bedeutend besserer Erklärungsgehalt von Unternehmenswerten am Kapitalmarkt zukommt als Cash120 Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass aufgrund der oben in flows oder Dividenden. Bezug auf Gewinngrößen genannten Gründe die für eine Vorhersage erforderliche Beobachtungsperiode auch für den RI Ansatz kürzer ist als für das DCF oder DDM.121 Ein weiteres Indiz für die Kapitalmarktrelevanz der Residualgewinnmethode liefern Lehn/Makhija (1997), indem sie feststellen, dass niedrige EVA-Ergebnisse die Wahrscheinlichkeit, dass das Management ausgetauscht wird, überproportional erhöhen.122 Allerdings stellen Biddle/Bowen/Wallace (1997) fest, dass zwar BuchführungsKomponenten einen signifikanten Anteil der Aktienrenditen erklären, dies aber kaum für die
116
117 118 119 120 121 122
Nachdem sowohl Gewinnschätzungen als auch die Budgetkontrolle in der Regel auf Größen der Buchführung beruhen und nicht auf Cashflow Basis erfolgen, erscheint es logisch, auch den Unternehmenswert auf Basis dieser Zahlen zu bestimmen, womit sich eine Vorzug des RI vor dem DCF ergeben würde. Vgl. Plenborg (2002), S. 303. Vgl. Plenborg (2002), S. 315, der ROE als eine entscheidende Determinante des RI identifiziert. Er lässt sich weiter aufsplitten in Gewinnmarge, Kapitalumschlag, Zinsertrag und Verschuldungsgrad. Vgl. Anthony (1973, 1982a, 1982b). Vgl. Stern (1993), S. 31. Entsprechend titelt eine Anzeige der Beratung Stern Stewart im Harvard Business Review: „Forget EPS, ROE and ROI. EVA is what drives stock prices.” (Stern Stewart 1995, S. 20). Vgl. Bernard (1995), Biddle/Bowen/Wallace (1997), Penman/Sougiannis (1998), Ehrbar (1999), S. 21, Francis/Olsson/Oswald (2000) und für eine Zusammenstellung neuerer Studien AAA (2001), S. 165f. Vgl. Plenborg (2002), S. 307. Vgl. Lehn/Makhija (1997), S. 90.
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darüber hinausgehenden EVA-Bestandteile zutrifft.123 Gewinne sind im Allgemeinen sogar höher mit der Aktienrendite und Unternehmenswerten korreliert als EVA oder RI.124 (e) Realoptionsbasierte Erfolgsgrößen: Die im Rahmen von DCF-, PV-, oder NPVVerfahren übliche Vorgehensweise, die auf perioden- und zustandsspezifische Diskontierungsfaktoren verzichtet, ist zur Bewertung der den meisten Investitionsprojekten inhärenten unternehmerischen Flexibilität weniger geeignet. Zwar gestattet die Verwendung zustandsspezifischer Sicherheitsäquivalente bzw. Diskontierungsfaktoren im Rahmen eines rekursiven Vorgehens eine ökonomisch korrekte Bewertung solcher Handlungsspielräume auch mittels DCF-Methode auf Basis des CAPM.125 Eine Bewertung mit Hilfe des Realoptionsansatzes scheint aber Erfolg versprechender,126 da dieser nicht auf die Ermittlung risikoadjustierter Diskontierungsfaktoren zw. Sicherheitsäquivalente und die Schätzung von subjektiven Eintrittswahrscheinlichkeiten für die Bewertung der Handlungsspielräume angewiesen ist.127 Die Realoptionsbewertung misst dem Wahlrecht des Unternehmens, bestimmte Rechte in der Zukunft auszuüben oder verfallen zu lassen, einen Wert bei und ermöglicht so die Berücksichtigung der Effekte strategisch-dynamischer Freiheitsgrade. Der Wert der Realoption wird durch ihre Laufzeit, die Volatilität des Projekts, den Wert der strategischen Alternative, die mit ihr verbundenen Kosten und die Höhe des risikofreien Zinses positiv beeinflusst. Bis auf den Zinssatz lassen sich die Einflussfaktoren durch die Erhöhung des zukünftigen Wertes des Underlying, die Senkung der Kosten für die Ausübung, die Erhöhung der Unsicherheit des Wertes des Underlying, oder die Verlängerung der Laufzeit der Option steuern und damit der Unternehmenswert beeinflussen.128 Indem Realoptionsmodelle das Prinzip der risikoneutralen Bewertung anwenden, vermeiden sie grundsätzlich die Bestimmung eines risikoadjustierten Zinssatzes und können zudem
123 124
125 126
127 128
Vgl. Biddle/Bowen/Wallace (1997), S. 304. Das gilt sowohl in Bezug auf jährliche Aktienrenditen als auch für 5-Jahres-Renditen. In Bezug auf jährliche Aktienrenditen haben Gewinne mit R² = 12,8% eine höhere Wertrelevanz als RI (R² = 7,3%) und EVA (R² = 6,5%). Dies gilt auch für 5-Jahres-Renditen, wo Gewinne EVA (R² = 14,5%) oder RI (R² = 10,9%) mit R² = 31,2% ebenfalls deutlich übertreffen. Vgl. Biddle/Bowen/Wallace (1997), S. 304. vgl. Fischer/Hahnenstein/Heitzer (1999) Der von Black/Scholes entwickelte und 1973 erstmals publizierte Ansatz zur Bewertung finanzwirtschaftlicher Optionen wurde 1977 von Myers auf die Bewertung realwirtschaftlicher Optionen transformiert. Vgl. Black/Scholes 1973, S. 637 sowie Trigeorgis (1988, 1996) und Bearley/Myers [1996). Im deutschsprachigen Raum sind vor allem die Beiträge von Laux (1993), Eble/Völker (1993), Mostowfi (1997) sowie die Monographien von Kilka (1995) und Meise (1998) zu nennen. Einen umfassenden Überblick über den Stand der angelsächsischen Literatur bietet Trigeorgis (1995). Vgl. Fischer/Hahnenstein/Heitzer (1999, S. 1208). Vgl. Fischer/Hahnenstein/Heitzer (1999), S. 1226 Vgl. Rams (1998), S. 423
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die Interaktionen zwischen Unsicherheit und Flexibilität explizit abbilden.129 Der Realoptions-Ansatz eignet sich deshalb insbesondere in einem Umfeld schneller und damit ungewisser Märkte, sowie für wachstumsstarke, innovative Unternehmen, deren Wert zu einem großen Teil auf F&E sowie intangiblen Vermögensgegenständen beruht. Wann immer strategischdynamische Freiheitsgrade das zu bewertende Unternehmen zu einem hohen Grad kennzeichnen, wird der Unternehmenswert durch herkömmliche Bewertungsmethoden zu niedrig angesetzt.130 Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens neuer Informationen groß ist und die Möglichkeit der Reaktion auf eine neue Informationslage gegeben ist.131 Eine Kombination aus DCF- oder RI-Bewertung für den Wertbestandteil der Assets in place mit der Realoptionsmethodik zur Bewertung des optionswertbestimmten Managements kann dann eine zweckmäßige Vorgehensweise sein.132 Der potentiell höheren Präzision der Unternehmensbewertung stehen aber zumindest zwei grundsätzliche Probleme gegenüber. Zum einen schränken die hohen Kosten zur Informationsbeschaffung die Anwendbarkeit des RO-Ansatzes ein. Zum zweiten entsteht bei der Realoptions-Methodik ein Problem in Bezug auf die Kommunikation mit dem Kapitalmarkt, da auf kein einheitliches Bewertungsformelsystem zurückgegriffen werden kann. Dies hat zur Folge, dass der Bewertende die Bewertungsgleichung für die Optionspreisberechnung selbst aufstellen muss. Dadurch steigt der Anteil der subjektiven Bewertung zu Lasten einer objektivierten kapitalmarktorientierten Bewertung.133 Diese in Prinzipal-Agent-Verhältnissen relevante Situation dürfte insbesondere bei solchen wachstumsstarken innovativen Unternehmen von Bedeutung sein, die sich in ihrem Lebenszyklus in der Gründungs- und Entwicklungsphase befinden.134
129
130 131 132 133 134
Vgl. Hommel/Pritsch (1999). Dadurch können die Eigenschaften eines F&E-Projektes mit seinen komplexen Risiken und Chancen transparent gemacht und die Vorteilhaftigkeit eines Projekts objektiviert und kommuniziert werden.Vgl. Pritsch/Schäffer (2001), S. 31. Vgl. Myers (1998), S. 124f., Rams (1998), S. 424, Schäfer/Schässburger (2001), S. 100f., sowie Sturm (2003), S. 26. Vgl. Copeland/Keenan (1998), S. 46 Vgl. Rams (1998), S. 680, sowie Sturm (2002), S. 18, und Myers (1998), S. 125. Vgl. Kieschnick (1990), S. 21. Kapitalgeber haben dann kaum die Möglichkeit, die ihnen unbekannten Investitionen auf deren Risikogehalt zu prüfen. Hohe Ressourcenplastizität, mangelnde Hinweise auf persönliche und fachliche Eigenschaften der Gründer sowie meist kaum Nachweise über die geschäftliche Entwicklung des Unternehmens begründen dann Informationsasymmetrien. Vgl. Nippel (1996).
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Erfolgsgrößen ideeller Wertschöpfung
Die Festlegung und Bewertung ideeller Kriterien erfolgt am Kapitalmarkt in der Regel durch spezielle Rating-Agenturen, in selteneren Fällen durch Indexanbieter oder noch seltener durch die Fondsmanager direkt. In einem zumeist mehrstufigen Bewertungsprozess135 werden einzelne Unternehmen oder ganze Branchen untersucht.136 Branchenbewertungen sind Grundlage von Branchenfonds. Um darauf zu reagieren, bleibt dem Unternehmen nur die Branchenwahl an sich. Aktionärsorientierte Konzepte ideeller Wertschöpfung orientieren sich zweckmäßigerweise an den durch diese Institutionen festgelegten Bewertungskriterien. Bei solchen als „nachhaltige Unternehmensführung„ oder gelegentlich auch als „Corporate Social Performance“ (CSP)137 bezeichneten Konzepten handelt es sich um mehrdimensionale Zielsysteme, welche auf die ökonomische, rechtliche, religiöse, kulturelle, ethische, ökologische und soziale Verantwortung des Unternehmens gegenüber seinen Stakeholdern, dem Gesetz und der Gesellschaft als Ganzes abstellen. Sie beziehen sich entweder auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Branche oder auf die Anwendung bestimmter Praktiken.138 Während ökonomische und rechtliche, sowie letztlich auch soziale Kriterien, relativ problemlos definiert werden können, sind die anderen nicht so zweifelsfrei festzulegen. Kulturelle Kriterien beziehen sich auf die Einhaltung kulturell oder subkulturell geprägter, in einer pluralistischen Gesellschaft nicht verallgemeinerbarer religiöser oder weltanschaulicher Werte.139 Noch weniger objektivierbar ist dies bei ethischen Kriterien, da die Bemessungsgrundlage dafür, was ein Anleger für ethisch vertretbar hält, weitgehend eine Frage seines Gewissens ist.140 135
136 137 138
139
140
Der Bewertungsprozess lässt sich an dem Mehrebenenmodell des Frankfurt-Hohenheimer Leitfadens (FHL) veranschaulichen. Vgl. Hoffmann (2002), S. 58ff. Nachdem auf einer ersten Ebene grundlegende Dimensionen der Bewertung (beim FHL sind dies Naturverträglichkeit, Sozialverträglichkeit, Kulturverträglichkeit) festgelegt wurden, werden diese auf den folgenden Ebenen zunächst in Handlungsbereiche und dann nochmals in Bewertungsobjekte in den einzelnen Handlungsbereichen unterteilt. Auf der vierten Ebene werden dann konkrete Handlungen bezüglich der Bewertungsobjekte identifiziert und auf der fünften Ebene schließlich bewertet. Zu den Bewertungsobjekten vgl. Flotow/Häßler/Kachel (2003), S. 18f. Zu CSP vgl. Carroll (1979). Übersichten über relevante Kriterien finden sich bei Stremlau (2002), S. 30 oder Hoffmann (2002), S. 53. Als Ausschlussbranchen gelten vielfach z.B. Gentechnik, Waffenproduktion, Atomenergie, Alkohol- und Tabak, Pornografie, Glücksspiel oder die Ausbeutung nicht erneuerbarer Rohstoffe. Zu den abgelehnten Praktiken zählen bspw. Kinderarbeit, Tierversuche, Menschenrechtsverletzungen oder nicht nachhaltiges Forstmanagement. Vermutlich ist der Grad der Relevanz stark abhängig von der aktuellen gesellschaftlichen Debatte zu dieser Thematik. In Bezug auf das Christentum kann wäre an einen Verzicht auf Investitionen in der Tabak-, Alkohol-, Glücksspiel-, Abtreibungs- oder Verhütungsindustrie zu denken, im islamischen Raum gehört dazu bspw. die Berücksichtigung des Zinsverbots. Vgl. Donnersmarck (2002), S. 19, und Stremlau (2002), S. 31.
142
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
Ökologische Kriterien lassen sich zwar zweifelsfreier definieren, aufgrund der begrenzten Möglichkeiten, im ökologischen Anlagegeschäft zu arbeiten, dürften allerdings neben so genannten „dunkelgrünen“ Unternehmen, die ökologische Produkte wie Recycling oder erneuerbare Energien herstellen, mit wachsendem Markt auch „hellgrüne“ Unternehmen interessant werden, die sich lediglich an ökologische Herstellungsverfahren orientieren, und damit eine klare Abgrenzung erschweren.141 Im Falle von Ausschluss-Kriterien geht es für das Unternehmen letztlich darum, bestimmte Mindestanforderungen zu erfüllen, um einen Marktanteil zu erreichen. Positiv-Kriterien hingegen führen lediglich zu einer Über- oder Untergewichtung einzelner Portfoliopositionen, wodurch sich für das Unternehmen die Möglichkeit eröffnet, durch verbesserte nachhaltige Performance seinen Anteil am Markt für nachhaltiges Investment auszuweiten.142
II.1.3
Werttreiber auf der Führungsebene
Der Ansatz bei Werttreibern versucht die bei der Betrachtung der VergangenheitsWertschöpfung implizit angenommenen Faktoren zu explizieren. Der Begriff des Werttreibers („Value Driver“) bezeichnet bei Rappaport (1986) zunächst alle übergeordneten finanziellen Einflussgrößen auf den FCF.143 Andere Autoren unterscheiden später zwischen finanziellen und operativen Werttreibern.144 Im Geschäftsbericht der DaimlerChrysler AG bspw. wird dieser Begriff allgemein wie folgt definiert: „Werttreiber sind alle jene beeinflussbaren Faktoren, die einen maßgeblichen Einfluss auf das wirtschaftliche Ergebnis einzelner Funktionen oder Prozesse ausüben und deren Verbesserung zu einer Steigerung des Unternehmenswertes führt.“ (Brunner 1999, S. 66)
Im vorliegenden Zusammenhang soll der Begriff Werttreiber aus Sicht der Investoren strategische und operative Faktoren bezeichnen, die wertsteigernd wirken können,145 ohne unmittelbar über wertorientierte Kennzahlenkonzepte in einen Unternehmenswert transformierbar sein zu müssen. Dabei kann es sich um Pläne bzw. Strategien oder Investitionsmöglichkeiten handeln, die zum Erreichen bestimmter Kennzahlen geeignet scheinen, aber auch um den Zu-
141 142
143 144 145
Vgl. Eder (2002), S. 2f. Vgl. Franck (2001b), sowie Stremlau (2002), S. 30f. oder Hoffmann (2002), S. 53. Gängige Positivkriterien sind z.B. Umweltschutz, soziale Leistungen für Mitarbeiter, die Verfügbarkeit von Informationen über soziale und ökologische Fragen, Rechte von Minderheiten, Einsatz für Verbraucherinteressen oder Fragen der Gleichberechtigung. Vgl. Rappaport (1995), S. 95. Vgl. bspw. Weber u.a. (2002), S. 36, sowie zu Wertgeneratoren Herter (1994), S. 55ff. Vgl. ähnlich auch Brunner (1999), S. 67.
II.1 Transformationspotenziale und Ausgestaltung der Führungsebene
143
gang zu Ressourcen als Basis der Umsetzung solcher Strategien. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Management als „intellektuelle Kernressource“ des Unternehmens. Solche nicht monetären Leistungsindikatoren scheinen nach neueren Studien einen erheblichen Einfluss auf den Börsenwert zu haben. So werden angeblich die Entscheidungen der meisten Portfoliomanager für ein Engagement zu rund 50% von nicht monetären Faktoren bestimmt und auch die Verlässlichkeit von Analystenbewertung scheint umso höher zu sein, je mehr nicht monetäre Faktoren in die Bewertung einbezogen werden.146 Die jeweils relevanten Faktoren werden dabei maßgeblich von der Branche bestimmt.147 Mit der Zunahme der Bedeutung von Werttreibern (strategischen Vorsteuergrößen) neben traditionellen Kennzahlen für die Bewertung durch den Investor weiten sich die Möglichkeiten zur Positionierung des Unternehmens in der Wahrnehmung potenzieller Investoren aus.148 Versucht man die relevanten Werttreiber zu kategorisieren, könnte man auf einer ersten Ebene von nicht bzw. kaum beeinflussbaren exogenen Werttreibern (1) und relativ gut beeinflussbaren endogenen Werttreibern (2) sprechen. (1)
Exogene Werttreiber
Als exogen sollen alle jene Werttreiber bezeichnet werden, die nicht im direkten Einflussbereich des Unternehmens liegen. Sie lassen sich unter dem Überbegriff der relevanten Unternehmensumwelt zusammenfassen und können entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des Unternehmens haben. Konkreter handelt es sich dabei einerseits um die Gesamtwirtschaft (a), andererseits um die jeweils relevante Branche (b).149 (a) Gesamtwirtschaft: Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hat starken Einfluss auf die Ertragssituation des Unternehmens und wirkt auf alle Unternehmen. Die Kapitalmarkttheorie spricht in diesem Zusammenhang von Marktrisiko oder systematischem Risiko.150 Konjunkturlage und Konjunkturrisiko151 haben über die generellen Ertragsperspektiven des Unternehmens152 indirekten Einfluss auf die Kursbewegungen.153 Aus Sicht des Unterneh-
146 147 148 149 150 151 152 153
Vgl. Low/Siesfeld (1998), S. 25. Vgl. Klingebiel (2000), S. 28. Vgl. Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 129. Verweis auf Teil I. „Market Risk“ beschreibt die Effekte makroökonomischer Faktoren auf Gewinne und Cashflows, die grundsätzlich alle Unternehmen betreffen. Konjunkturrisiko bezeichnet die konjunkturellen Schwankungen der Gesamtnachfrage. Vgl. Klein (1999), S. 11. Vgl. Häuser/Rosenstock (1997), S. 209, sowie Boehringer (2002), S. 1. Nach Baker u.a. (1977), S. 1ff., stellen die allgemeinen wirtschaftlichen Aussichten für US-Anleger eine
144
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
mens handelt es sich dabei um ein Geschäfts- oder Kaufkraft-Risiko. Inflation, Zinsniveau und Zinsänderungsrisiko beeinflussen über Kapitalkosten und Finanzierungsrisiko ebenfalls die Renditen und damit die Aktienpreise der Unternehmen.154 Weitere Einflussfaktoren auf die Unternehmensrenditen sind die Steuerstruktur und das technologische Risiko, welches in den Effekten des technologischen Fortschritts besteht, der den Wert des vorhandenen Sachkapitals beeinflussen kann.155 Demgegenüber hat das Verhältnis von verfügbarem Investitionskapital und verfügbaren Investitionsmöglichkeiten direkten Einfluss auf die Aktienkurse. Der erhöhte Wettbewerb zwischen interessierten Investoren treibt in so genannten „heißen Börsenphasen“ die Preise. In der US-amerikanischen Private Equity Branche konnte eine positive Relation zwischen dem Niveau der Kapitalzuflüsse und den Unternehmensbewertungen nachgewiesen werden. Es schien „zu viel Geld zu geben, das zu wenige Deals jagt“.156 Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung kann von der Unternehmensführung nicht beeinflusst werden und ist daher für die Positionierungsentscheidung des Managements nur in sofern von Bedeutung, als die Ausrichtung des Unternehmens mit ihr korrespondieren sollte. (b) Branche: Durch die in Abschnitt I.3.1(3) angesprochene Segmentierung der Gesamtwirtschaft in strategische Gruppen entstehen in Bezug auf die Einflussfaktoren homogenere Cluster von Unternehmen. Primär relevant ist die Wettbewerbssituation innerhalb einer bestimmten Branche.157 Das so genannte Branchenrisiko („Industry specific Risk“) bezieht sich auf eine mögliche Änderung der Struktur der Gesamtnachfrage in Form von Nachfragevolumen und Preisniveau158. Der wirtschaftliche Kontext bzw. die Wettbewerbssituation, sowie Struktur und Charakteristika einer Branche führen für die zugehörigen Unternehmen zu einer spezifischen Beeinflussung der Ertragssituation159 und damit indirekt auch der Aktienkurse. Die
154 155 156 157 158
159
wichtige Information bei der Beurteilung von Wertpapieren dar (Rang 9). Vgl. Altman (1988), S. 28. Vgl. Klein (1999), S. 11. Vgl. Illenberger/Weizsäcker (2001). Vgl. Moody's (1998), S. 4, und Sayn-Wittgenstein (1999), S. 79f. Zum Nachfragevolumen vgl. Klein (1999), S. 11. Zu den Auswirkungen des Preisniveaus vgl. Tufano (1998) und Blose/Shieh (1995), die eine positive Relation zwischen dem Wert von Goldminenaktien und dem Goldpreis nachweisen, sowie Strong (1991), der dies in Bezug auf den Aktienpreis von Ölfirmen und den Ölpreis dokumentiert. Auch die Unsicherheit bzgl. der Preisentwicklung im Absatzmarkt wirkt sich auf den Wert des Unternehmens aus, da mit steigender Preisunsicherheit die Wahrscheinlichkeit einer Cashflow Unterversorgung steigt. Vgl. dazu ausführlich Haushalter/Heron/Lie (2002), S. 273ff. Vgl. Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 128, sowie Marcus/Wallace (1991), S. 42. Nach Baker u.a. (1977), S. 1ff., stellen die künftigen wirtschaftlichen Aussichten einer Branche für amerikanische Anleger eine wichtige Information bei der Beurteilung von Wertpapieren dar (Rang 4).
II.1 Transformationspotenziale und Ausgestaltung der Führungsebene
145
Branchenentwicklung, insbesondere die Preis- und Margenentwicklung ist daher für Analysten und institutionelle Investoren von großer Bedeutung.160 Aktivitäten in einem Wachstumsmarkt führen so bspw. zu einer langfristigen Outperformance des Gesamtmarkts.161 Die Sektor- bzw. Marktentwicklung wird auch für die Performance anderer Querschnitte wie bspw. Small-Caps verantwortlich gemacht, da Small-Caps in bestimmten Sektoren aufgrund ihrer Natur über- bzw. unterrepräsentiert sind.162 Zur direkten Beeinflussung der Kurse über das Nachfrageverhalten der Investoren reicht aber ggf. bereits eine gewisse „Trendyness“ einer bestimmten strategischen Gruppe:163 “The speculative public is incorrigible. In financial terms it cannot count beyond 3. It will buy anything at any price, if there seems to be some 'action' in progress. It will fall for any company identified with 'franchising', computers, electronics, technology, or what have you, when the particular fashion is raging.” (Graham o.J.)
Ebenso wie die für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung verantwortlichen Fundamentaldaten können auch die für die Branchenentwicklung verantwortlichen Fundamentaldaten, wie Marktvolumen, Marktwachstum, Differenzierbarkeit der Produkte, etc. vom Management kaum beeinflusst werden.164 Allerdings ist es denkbar, dass Wettbewerber gemeinsam bewusst oder unbewusst eine Art Branchenentwicklung betreiben. Porter spricht diesbezüglich von einem strategischen Nutzen „guter“ Wettbewerber.165 Zumindest langfristig besteht im weitesten Sinne die Möglichkeit einer Wahl der strategischen Gruppe. Nun korreliert die Entwicklung eines Unternehmens nicht automatisch vollständig mit der Gesamtwirtschaft oder der Branche in welcher es verortet ist, sondern es ist durchaus möglich, die eigene Entwicklung innerhalb einer Branche unabhängig von den Wettbewerbern oder gar auf deren Kosten zu verbessern. Umgekehrt besteht das so genannte Wettbewerbsrisiko darin, dass Gewinne und Cashflows von Aktionen des Wettbewerbs beeinflusst werden können. Wettbewerber stellen daher eine bedeutende Information für Analysten und Institutionelle Investoren dar.166
160 161 162 163 164 165 166
Vgl. Klingebiel (2000), S. 28. Vgl. Ochner (2001), S. 185. Vgl. Dimson/Marsh (1999), S. 62 f. Als Beispiel lässt sich die Internet-Branche in den Jahren 1998 bis 2000 aufzeigen. Vgl. Pierschke (2001), S. 151. Für eine umfangreiche Auflistung relevanter Markt- und Wettbewerbsfaktoren vgl. Altman (1988), S. 178, u.R.a. Wertheim (1978). Vgl. Porter (1992), S. 265ff. sowie allgemein Kotler/Bliemel (1999), S. 417f. Vgl. Klingebiel (2000), S. 28.
146
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
Für das fokale Unternehmen stellt sich daher die Frage nach Wettbewerbsvorteilen in der Branche. Diese haben Bedeutung bei der Bewertung von Unternehmen,167 denn sie führen über eine verbesserte Wettbewerbsposition168 zu einem höheren Marktanteil169 und damit zu einer langfristigen Outperformance.170 Sie basieren auf den im folgenden Abschnitt (2) dargestellten Werttreibern. (2)
Endogene Werttreiber
Als endogene Werttreiber kommen grundsätzlich alle intangiblen Ressourcen in Betracht.171 Sie erscheinen überwiegend nicht in der buchhalterischen Bilanz eines Unternehmens, im Zeitvergleich gestiegene M/B-Verhältnisse deuten aber auf ihre gewachsene Bedeutung für die Wertschöpfung hin.172 Die Investition in intangible Ressourcen ist Voraussetzung für Innovation und zukünftige Profitabilität und sollte sich in einer höheren Eigenkapitalrendite niederschlagen. Die Darstellung solcher Werttreiber gibt daher Aufschluss über das zukünftige mittel- bis langfristige Entwicklungspotenzial und ist für die Einschätzung der Nutzenpotenziale von besonderer Bedeutung.173 Lev (2000) belegt, dass eine mangelhafte Darstellung in der Finanzkommunikation eines Unternehmens zu hoher Volatilität und systematischer Unterbewertung der Aktien führt.174 Die Fokussierung auf bestimmte Werttreiber kann damit als eigenständige Positionierung dienen.175 Werttreiber im Sinne der oben eingeführten Definition können zunächst das Management als „intellektuelle Kernressource“ (a) und die vom Management entwickelten Strategien als Sonderformen intangibler Ressourcen (b), sowie Humankapital (c), Wissenskapital (d) und Markt- und Kundenkapital (e) als die drei typischen intangiblen Ressourcenkomplexe sein.176
167 168 169 170 171
172 173 174 175 176
Vgl. Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 130f. sowie Moody's (1998), S. 4. Vgl. Moody's (1998), S. 4. Vgl. Low/Siesfeld (1998), S. 25, und Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 128. Vgl. Ochner (2001), S. 185. Sie lassen sich definieren als nicht-physische Produktionsfaktoren, welche zur Leistungserstellung und damit zur Wettbewerbsfähigkeit beitragen und für ihre Eigentümer potentiell zukünftigen Nutzen schaffen. Vgl. Walsh (2000), S. 16. Vgl. Röhr (2001), S. 243. Vgl. Lev (2000), S. 5. Vgl. Lev (2000), S. 1. Im weitesten Sinne können auch Finanzkapital und Sachkapital, wie z.B. Bodenschätze, als strategische Ressourcen bezeichnet werden. Allerdings existieren für sie in der Regel Marktpreise, so dass eine Bewertung als strategische Ressource nicht notwendig ist.
II.1 Transformationspotenziale und Ausgestaltung der Führungsebene
147
(a) Management als intellektuelle Kernressource: Das Management, insb. der Vorstandsvorsitzende (CEO),177 kann insofern als Kernressource des Unternehmens angesehen werden, als seine Aufgabe darin besteht, alle anderen Werttreiber und Nutzenkomponenten zu beeinflussen. Die Geschichte des Unternehmens kann somit als Folge von ManagementEntscheidungen angesehen werden, wobei es vor allem die Strategien zur Nutzung und Beschaffung der Ressourcen gestaltet.178 Daher ist die Qualität des Managements von hoher Relevanz für Analysten und Investoren.179 Sie ist Schlüsselfaktor für den wirtschaftlichen Erfolg180 und hat damit direkte Bedeutung für den Wert eines Unternehmens.181 Das Image des CEO kann laut einer Studie der Boston Consulting Group zu Prämien auf den Aktienpreis von 15-20% führen.182 Eine Umfrage des Beratungsunternehmens Güttler+Klewes stellte fest, dass für 32% aller Befragten die „Medienbekanntheit des CEO“ ein Grund sei, Aktien eines krisengeschüttelten Unternehmens nicht zu verkaufen.183 Auch das Image des Unternehmens, welches angeblich eine Prämie von bis zu 15% auf den Aktienpreis bewirken kann,184 wird Umfrageergebnissen zufolge zu zwei Dritteln durch die Person des CEO bestimmt.185 Umgekehrt wird Fehlverhalten von Managern als ein Grund für die Aktienbaisse im Jahr 2002 identifiziert.186 Als bspw. Chris Steffen 1993 als Eastman Kodak’s CFO eingestellt wurde, stiegen die Aktien des Unternehmens um etwa 15%, nur um bei seinem Ausscheiden einige Monate später wieder um den gleichen Prozentsatz zu fallen.187 Als 2004 bekannt wurde, dass der ehemalige DaimlerChrysler-Manager Wolfgang Bernhard zu Volkswagen wechselt, stieg die VW-Aktie um 7,9 Pro-
177 178
179 180 181 182 183 184
185 186 187
Vgl. Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 121 u. 128. Als Komponenten der Managementqualität nennen Low/Siesfeld (1998) Managementerfahrung, Führungsverständnis/Qualität der Führung, Glaubwürdigkeit des Managements, Erreichbarkeit des Managements, Qualität der Unternehmensstrategie/Unternehmensvision, Realisierungsgrad der Unternehmensstrategie. Vgl. Low/Siesfeld (1998), S. 25. Vgl. Klingebiel (2000), S. 28, und Baker u.a. (1977), S. 1ff. Vgl. Ochner (2001), S. 185. Vgl. Preis (1996), S. 240ff. und Marcus/Wallace (1991), S. 12 und 42, sowie Leven (2000), S. 38f. Vgl. Mei-Pochtler (2001), S. 12. Vgl. o.V. (2001e), S. 29. Die Bekanntheit der Firma kann laut BCG eine Prämie von 10-15% auf den Aktienpreis bewirken. Während die bekannten Firmen aus dem DAX100 eine Prämie von durchschnittlich 7 % erwirtschafteten, trifft Firmen mit niedriger Bekanntheit ein Bewertungsabschlag von 4 %.Vgl. Mei-Pochtler (2001), S. 12 und S. 22. Weitere Hinweise zur Wertrelevanz des Unternehmens-Images finden sich bei Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 128, sowie Baker u.a. (1977), S. 1ff., der das Ansehen der Gesellschaft als entscheidungsrelevante Information für amerikanische Anleger darstellt (Rang 8). Vgl. Leendertse (2001), S. 60. Boehringer (2002), S. 1. Vgl. Chew (Hrsg., 1998), S. 79.
148
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
zent.188 Auch die DaimlerChrysler-Aktie stieg um gut 10 Prozent, als 2005 der Vorstandsvorsitzende Jürgen Schrempp überraschend seinen Rücktritt erklärte. Weitere prominente Beispiele sind die mit den Personalien Kajo Neukirchen (MG) oder Jack Welch (GE) verbundenen Kurseffekte. (b) Strategie des Unternehmens: Im Zentrum aller Vorsteuergrößen zukünftiger Erfolge steht die Art und Weise, wie bestehende Ressourcen genutzt und notwendige Ressourcen beschafft werden sollen. Sie manifestiert sich im Geschäftsmodell und im strategischen Programm des Unternehmens.189 Insbesondere das Geschäftsmodell und die langfristigen Strategien sind für Analysten und Institutionelle Investoren von Interesse.190 Sie müssen verständlich und plausibel sein, denn Investoren bewerten die subjektiv nachvollziehbare Wahrscheinlichkeit, dass eine Rendite erwirtschaftet wird.191 Daher hat die Überzeugungskraft der Strategien große Bedeutung für die Bewertung eines Unternehmens.192 Strategische Flexibilität scheint dabei die Marktbewertung eines Unternehmens positiv zu beeinflussen, wohingegen eine tatsächlich hohe „Strategieveränderungsintensität“ einen gegenteiligen Effekt zu haben scheint. Letzteres könnte darauf zurückzuführen sein, dass dadurch sowohl die Verständlichkeit als auch die Überzeugungskraft der Strategien sinkt.193 Geht es darum, die Strategie für den Informationsbedarf von Eigenkapitalgebern in die Sprache der Investoren, Analysten und Medien zu übersetzen, spricht man von „Equity Story“. Dabei handelt es sich nicht nur um eine sprachliche sondern auch um eine inhaltliche Transformation, in welcher die Alleinstellungsmerkmale des Unternehmens aus Sicht der Investoren in den Vordergrund gestellt werden.194 Damit erfolgt eine Positionierung des Unternehmens über seine Werttreiber. (c) Humankapital: Als Humankapital bezeichnet man den für ein Unternehmen mit der Verfügbarkeit von Humanressourcen verbundenen Wert. Er äußert sich in Will und Skill der Hu-
188 189
190 191 192 193
194
Vgl. Ostmann (2004), S. 3. Dazu gehört die Auswahl und Durchführung von Investitionsprojekten. Shapiro nennt als Grundregeln zur Auswahl der „richtigen“ Projekte das Ausnutzugen eigener Wettbewerbsvorteile und das Aufbauen von Markteintrittsbarrieren. Vgl. Shapiro (1998), S. 107ff. Vgl. Klingebiel (2000), S. 28. Nach Günther (2000), S. 13, bedeutender Inhalt des Reportings. Vgl. Marcus/Wallace (1991), S. 12 und S. 42. Das Totalmodell strategischer Flexibilität bei Burmann/Meffert (2003), S. 155ff., welches zwischen Rekonfigurationsfähigkeit und Replikationsfähigkeit als Komponenten unterscheidet, kann insgesamt 44% der Varianz von Tobin's Q erklären. Vgl. Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 121 u. 128, Pierschke (2001), S. 147, sowie Pohl/Tesch (2000), S. 31.
II.1 Transformationspotenziale und Ausgestaltung der Führungsebene
149
manressourcenbasis als Gesamtheit aller Mitarbeiter.195 Während Skill die Qualität und das Wissen der Mitarbeiter darstellt, bezeichnet Will ihre Bereitschaft, dieses Potenzial auch abzurufen.196 Der Aufbau von Humankapital stellt sich für das Unternehmen zunächst als Make-or-Buy Entscheidung dar. Die Ausschöpfung des Humankapitals erfolgt durch Akquisition, Placement, Motivation und Entwicklung. Die Fähigkeit, diese Aufgaben zu erfüllen wird von manchen Autoren auch als Organisationskapital bezeichnet.197 Die mit dem Humankapital verbundenen Risiken liegen in der Beschaffung von qualifiziertem Personal, Fluktuation, Standortnachteil, Motivations- und Integritätslücken, Fehlzeiten, etc.198 Die Literatur ist darüber einig, dass qualifiziertes Mitarbeiterpotenzial die Grundlage einer langfristig positiven Unternehmensentwicklung darstellt.199 Als empirischer Hinweis darauf, dass Humanressourcen für Unternehmen eine hohe strategische Bedeutung haben, kann auch die Gründung vieler Corporate Universities dienen. Schrempp äußert dazu eindeutig, „das Potential der Mitarbeiter entscheidet über den Erfolg.“200 Daher stellt das Humankapital eine eigenständige Positionierung dar. Es ist mithin ein System zur Messung und Berichterstattung wünschenswert, welches das Wertpotenzial der Humanressourcen zum Ausdruck bringt.201 Aus einer internen Sicht würde dies eine Förderung bzw. Steigerung des bestehenden Humankapitals unterstützen, aus einer externen Sicht stellt es eine Voraussetzung für eine effektive Kommunikation der Werttreiber dar. Es besteht jedoch wenig Einigkeit darüber, welche Art von nicht-finanzieller Informationen zur Beschreibung des Humankapital-Wertes relevant sind.202 Vielfach liegt das Forschungsinteresse auf den Treibern des Humanressourcen-Wertes, wie Training, Motivation, Kultur, Organisation, Gesundheit und Sicherheit.203 Ein neuerer Versuch der Quantifizierung 195 196 197 198 199 200 201 202 203
Vgl. umfänglich Ringlstetter (1997). Für Untersuchungen der Korrelation zwischen Skill Level und Produktivität vgl. Blair/Wallmann (2000), S. HCAP-6 und Stadelmann (2000). Vgl. Polterauer u.a. (2000), S. 26f. Für eine unvollständige Auflistung relevanter Faktoren zum Aufbau von Humankapital vgl. Low/Siesfeld (1998), S. 25. Zu Humankapital als Teil des Wissenskapitals vgl. Polterauer u.a. (2000), S. 26f. Vgl. bspw. Ochner (2001), S. 185. Jürgen Schrempp, zit. bei Voss (1999), S. 54. Vgl. bspw. Nölting (2000). Eine Übersicht über Ansätze nichtfinanzieller Humanressourcen-Bewertung findet sich bei Blair/Wallmann (2000), S. HCAP-7. Chew (Hrsg., 1998), S. 86. Als fruchtbarer Ansatz könnte sich die ASTD Initiative herausstellen. Modelle, die eine Verbindung zwischen den Investitionen in Humanresourcen und dem damit zusammenhängenden finanziellen Erfolg herstellen, lassen sich unter dem Terminus Human Resource Accounting (HRA) zusammenfassen. Spätere Ansätze erschienen unter den Bezeichnungen „utility analysis“ (UA) zur Personalauswahl, „costing human resource“ für das Downsizing und „calculating human resource
150
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
des tatsächlichen Wertbeitrags der Humanressourcen ist das von BCG stammende WorkonomicsTM-Konzept.204 (d) Wissenskapital: Unter Wissenskapital lassen sich zum einen bereits vorhandene Eigentumsrechte in Bezug auf intellektuelle Ansprüche oder Reputation, wie Patente, Gebrauchsmuster, Markenrechte oder Urheberrechte verstehen. Der Wert intellektueller Eigentumsrechte wird beeinflusst durch die Reichweite, Natur und Durchsetzbarkeit dieser Rechte.205 Zu Wissenskapital gehört aber weiterhin auch die von einigen Autoren mit Innovationskapital206 bezeichnete Fähigkeit zur Schaffung solcher Eigentumsrechte, wie Forschungsfähigkeiten, Effizienz und Durchlaufzeiten in der Produktentwicklung, was u.a. im Umsatzanteil neuer Produkte zum Ausdruck kommt.207 Wissenskapital wird insbesondere unter dem Stichwort Technologie diskutiert.208 Die Investitionen in Forschung und Entwicklung scheinen im Vergleich zu Sachinvestitionen an Bedeutung zu gewinnen. Während erstere in führenden Industriestaaten von 19701997 jährlich um etwa 8% gewachsen sind, konnten letztere nur um 6,8% p.a. zulegen.209 In den USA hatten die als Wachstumsindustrien angesehenen Pharma, Software und BiotechUnternehmen F&E-Ausgaben in Höhe von 12%, 17% und 41% ihres Umsatzes wogegen sich die Ausgaben aller US-Unternehmen im Durchschnitt bei ca. 4% ihres Umsatzes bewegten.210 F&E stellt mithin einen bedeutenden Wachstumsfaktor dar und sollte daher entscheidenden Einfluss auf die Aktienpreise haben.211 Tatsächlich hat es große Bedeutung für Analysten und Institutionelle Investoren212 und ist, obwohl buchhalterisch als Ausgabe zu behandeln,213 grundsätzlich positiv mit dem Börsenwert korreliert.214 Allerdings scheint der Aktienmarkt
204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214
costs and benefits“ im Bereich der Gesundheits- und Sicherheits-Vorsorge. Für eine Zusammenstellung relevanter Literaturquellen vgl. insgesamt Blair/Wallmann (2000), S. HCAP-6. Es basiert auf dem Value added per person (VAP) und den Average cost per person (ACP): CVA = (VAP – ACP) ·P. Vgl. Strack/Villis (2001), S. 70ff. Vgl. Blair/Wallmann (2000), S. INTEL- 1. Vgl. bspw. Polterauer u.a. (2000), S. 26f. Vgl. Low/Siesfeld (1998), S. 25. Die Grenzen zu Humankapital werden hier unscharf. Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 121. Vgl. Blair/Wallmann (2000), S. RD-2. Vgl. Lev (1999). Vgl. Branch/Gale (1983). Vgl. Klingebiel (2000), S. 28. Vgl. Stewart (1998), 53, der kritisch feststellt, dass F&E-Ausgaben bei externem Erwerb als Investition aktiviert werden können, wenn sie selbst getätigt wurden, jedoch als Ausgaben behandelt werden müssen. Vgl. Hall (1993), Chan/Martin/Kensinger (1990), sowie Schwartz (1999), S. 5 und die dort zitierten Studien, was der Annahme widerspricht, dass Investoren kurzfristig denken. Auch Burmann/Meffert (2003), S. 157, stellen fest, dass eine Veränderung der Basistechnologien positiv mit Tobin's Q korreliert, was schließen lässt, dass der Einsatz neuer Technologien von Investoren offenbar positiv bewertet wird.
II.2 Interaktionspotenziale und Ausgestaltung der Steuerungsebene
151
nur bestimmte Unternehmen für Investitionen in F&E zu belohnen. Insbesondere ist dies der Fall bei High-Tech-Werten, bei denen F&E zum Erreichen eines Wettbewerbsvorteils geeignet erscheint.215 In Medium bis low tech-Sektoren scheint der Markt dagegen F&E-Ausgaben deutlich selektiver zu bewerten, wodurch diese im Schnitt in einem Wertverlust resultieren.216 Auch wenn die Börse den Wert von Wissenskapital ohnehin zu erkennen scheint, sollte auch für interne Zwecke die Rechnungslegung so gestaltet sein, dass F&E-Ausgaben auch als Investitionen in Intellectual capital erkannt werden können. Damit ist allerdings noch nicht automatisch der Wert eines F&E-Projekts erfasst. Dieser bestimmt sich in der Regel erst durch die Nutzung der Ergebnisse und ist daher vor diesem Zeitpunkt noch nicht bewertungswirksam. Eine Bewertung von F&E-Projekten kann durch den Realoptions-Ansatz erfolgen, welcher die in der Unsicherheit solcher Projekte enthaltenen Chancen berücksichtigen kann.217 (e) Markt- und Kundenkapital: Markt- und Kundenkapital bezieht sich auf den Wert, den die Kundenbasis eines Unternehmens für seine zukünftigen Erfolge hat.218 Dabei handelt es sich um eine dem Markenwert verwandte Sichtweise. Zur Messung bieten sich einerseits qualitative Ansätze wie die Messung der Kundenloyalität anhand der Wiederkaufrate oder der Kundenzufriedenheit anhand der Anzahl der Kundenbeschwerden.219 Andererseits kann der Wert bestehender Kunden quantitativ erfasst werden. Gängige Ansätze sind z.B. der Customer Lifetime Value (CLV), Customer Value Management (CVM) von Intercai oder das CustonomicsTM-Konzept der Boston Consulting Group.220 Bei beiden quantitativen Ansätzen wird jedoch nicht das Ex-ante-Wertpotenzial der Kunden sondern ausschließlich deren Ex-post-Wertbeitrag ermittelt.
II.2
Interaktionspotenziale und Ausgestaltung der Steuerungsebene
Der durch die Nutzung von Transformationspotenzialen auf der primären Ebene begründete „innere Wert“ eines Unternehmens wird auf einer sekundären Ebene durch ein mit fehlender Information verbundenes Bewertungsrisiko und ein aus der Principal-Agent-Situation resul-
215 216 217 218 219 220
Hierzu rechnen Stern Stewart die pharmazeutische und chemische Industrie, Ölindustrie, Automobil und Maschinenbau, sowie Brauereien und Brennereien. Vgl. Schwartz (1999), S. 4f. Vgl. Schwartz (1999), S. 6. Vgl. hierzu Stein u.a. (2001). Sowie die Ausführungen in Abschnitt II.1.2(1) dieser Arbeit. Zu Marktkapital als Teil des Wissenskapitals vgl. Polterauer u.a. (2000), S. 26f. Vgl. Eccles (1991), S. 16, und Low/Siesfeld (1998), S. 25. Zu CVM vgl. Münger (2000), S. 56ff. CustonomicsTM operiert mit dem Value added per customer (VAC) und den Average cost per customer (ACC): CVA = (VAC – ACC) · C.
152
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
tierendes Vertrauensrisiko gemindert. Interaktionspotenziale, welche durch die Ausgestaltung der Steuerungsebene entstehen, können diese Risiken verringern. Sie stellen damit sekundäre Nutzenpotenziale für den Investor dar. Die der Steuerung des Unternehmens zurechenbaren Aspekte, werden in der Praxis weitgehend unter der Thematik Corporate Governance subsummiert. Das Ziel einer „guten“ Unternehmenssteuerung wird dabei beschrieben als eine Balance zwischen der Gewährleistung von Aktionärsrechten und der Möglichkeit des Managements, das Unternehmen effektiv zu führen.221 Das kann für Investoren bisweilen herausragende Bedeutung haben: „What really matters to investors today is […] the management process and the incentives that go along with it. For this reason, I think companies could benefit greatly just by focusing their disclosures on how they manage, what their goals are, how they monitor their progress in meeting those goals, and what their incentives are to bring it all off.” (Bennett Stewart, zitiert bei Chew, Hrsg., 1998, S. 178)
Gerade institutionelle Investoren stellen ihre Finanzanlagen zunehmend im Hinblick auf die Steuerung des Unternehmens auf den Prüfstand.222 Empirische Untersuchungen zeigen, dass sie Interaktionspotenziale als bedeutende Wertkomponente empfinden. Zu diesem Ergebnis kommt bspw. eine Studie von McKinsey, bei der die Hälfte der Befragten eine durchschnittliche Prämie von 16% für gute Corporate Governance zahlen würde.223 Die Höhe dieser Prämie differiert länderabhängig224 und ist dabei direkt mit dem Nutzen der Interaktionspotenziale korreliert. Sie steigt einerseits mit der Unsicherheit bzw. der Mangelhaftigkeit der Standards225 und andererseits mit der Entfernung zum Objekt226. Interaktionspotenziale können demnach dazu beitragen, dauerhaft höhere Aktienkurse und damit niedrigere Eigenkapitalkosten zu erreichen.227 Abb. II-7 veranschaulicht die Vorgehensweise in diesem Abschnitt. Zunächst werden zentrale Ausprägungen von Interaktionspotenzialen dargestellt und ihr Nutzenbeitrag für den Ak221 222 223
224 225
226
Vgl. TIAA-CREF (2004), S. 1, sowie ähnlich Clearfield (2001), S. 38. Vgl. o.V. (2002a), S. 2, Moody's (1998), S. 5, und Felton/Hudnut/Heeckeren (1996), S. 171. Vgl. McKinsey (2000). So messen mehr als 75% der institutionellen Anleger der Corporate Governance eine ebenso große Bedeutung bei wie der sonstigen Performance und wären bereit für die Anteile einer gut kontrollierten Gesellschaft mehr zu zahlen als für die Papiere eines Unternehmens mit vergleichbarer Performance, aber schlechterer Kontrolle. Vgl. o.V. (2002a), S. 2. Bspw. beträgt sie für die USA 18%, für Italien 22% und für Venezuela oder Indonesien 27%. Vgl. McKinsey (2000), S. 1. In Europa besteht dieses Nutzenpotenzial in effektiverer Berichterstattung, in Asien und Lateinamerika nicht nur in fundamentalere Berichterstattung sondern auch in der Ausübung von Aktionärsrechten. Dort wird der Wert zusätzlicher Informationen unterminiert, so lange sich Aufsichtsrats- oder Vorstandsentscheidungen nicht beeinflussen lassen. Vgl. McKinsey (2000), S. 2. Einerseits haben bspw. Asien und Lateinamerika höhere Prämien, andererseits würden ausländische Investoren jeweils höhere Prämien zahlen. Vgl. McKinsey (2000), S. 11.
II.2 Interaktionspotenziale und Ausgestaltung der Steuerungsebene
153
tionär logisch begründet (II.2.1). Bei der Ausgestaltung der Steuerungsebene zur Realisierung dieser Nutzenpotenziale lassen sich sodann ein proaktiver (II.2.2) und ein struktureller Handlungsansatz (II.2.3) unterscheiden.228
II.2.1 Interaktionspotenziale
(1) Informationspotenziale
(2) Einflusspotenziale
II.2.2 Proaktiver Handlungsansatz auf der Steuerungsebene
(1) Informationsübermittlung
(2) Informationsbeschaffung
II.2.3 Struktureller Handlungsansatz auf der Steuerungsebene
Abb. II-7:
II.2.1
(1) (2)
Direkte Steuerung durch die Aktionäre Direkte Steuerung durch den Aufsichtsrat (3) Formen indirekter Steuerung (4) Anreiz- und Sanktionssysteme
Interaktionspotenziale und Handlungsansätze auf der Steuerungsebene
Ausprägungen von Interaktionspotenzialen
Ursächlich für die Risiken des Aktionärs auf der Steuerungsebene, welche zur Existenz von Interaktionspotenzialen führen, sind die als „Hidden Information“ und „Hidden Action“ diskutierten Phänomene, welche aus der Principal-Agent-typischen Informationsasymmetrie vor und nach Vertragsabschluss resultieren und durch das Auseinanderfallen von Nutzungs- und Verfügungsinteressen zu Konflikten führen können.229 Die Schärfe des darin begründeten Konflikts ist abhängig von der relativen Bedeutung des Unternehmungsinteresses für den Manager sowie der Dauer der Interessenbindung des Managers an das Unternehmen (vgl. Abb. II-8). Je stärker seine Interessen innerhalb des Unternehmens im Verhältnis zu jenen außerhalb des Unternehmens ausgeprägt sind, umso weniger divergiert seine Motivation von der Interessenlage der Aktionäre.230 Gleichzeitig wirkt auch 227 228 229 230
Vgl. Goobey (2001), S. 43. Für eine praxisorientierte Übersicht möglicher Handlungsansätze vgl. DVFA (2000a, b) Vgl. Franke/Hax (1994), S. 413ff., sowie Loistl (1994), S. 176. Ähnlich bereits Steinitzer (1908), S. 65ff., der von Unternehmungs- und Unternehmungsführungsinteresse spricht. In diesem Sinne dient bspw. ein prinzipielles Wettbewerbsverbot für Vorstandsmitglieder (§88 AktG) ebenso wie eine erfolgsabhängige Entlohnung dem Zweck, die relative Bedeutung des Unternehmungsinteresses beim Manager hoch zu halten. Vgl. exemplarisch Süchting (1989), S. 284.
154
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
die Dauer seiner Interessenbindung darauf hin, seine Interessen den Aktionärsinteressen anzugleichen.231 Sie steigt mit dem Grad der Investition in das eigene unternehmensspezifische Humankapital und sinkt mit dem Nahen des alters- oder kündigungsbedingten Ausscheidens aus dem Unternehmen. Relative Bedeutung des Unternehmungsinteresses
groß
Best Case
Interessenlage innerhalb
klein
Dauer der Interessenbindung
groß
Best Case
Investition in Humankapital
klein
Worst Case
groß
klein
Worst Case
klein
Interessenlage außerhalb
Abb. II-8:
groß Entfernung des Karriereendes
Konflikt zwischen Nutzungs- und Verfügungsinteressen
Der Aktionär (Prinzipal) antizipiert, dass es für den Manager (Agent) im eigenen Interesse liegt, sich nach Abschluss des Finanzierungsvertrags opportunistisch zu verhalten. Die Möglichkeit, sich wenigstens partiell dagegen abzusichern, würde ihn auf eine günstigere Aufteilungsregel verzichten lassen: Er wäre bereit, auf einen Teil der Rendite zu verzichten oder ein höheres Unternehmensrisiko zu tragen. Beides führt in der Finanzierungstheorie zu höheren gezahlten Preisen für die Aktien des Unternehmens.232 Daher ist der Manager ebenfalls daran interessiert, die Möglichkeit seines eigenen opportunistischen Verhaltens einzuschränken.233 Eine rationale Vertragsgestaltung durch das Management kann aufgrund ihrer Anreizwirkung für die Zahlungsbereitschaft des Investors also
231 232
233
Vgl. Loistl (1994), S. 178. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Diskussion zu effizienten Verträgen bei Franke/Hax (1994), S. 416. Verträge gelten genau dann als effizient, wenn es keinen anderen Vertrag gibt, der mindestens einen Vertragspartner besser stellt, ohne gleichzeitig einen anderen schlechter zu stellen (Prinzip der ParetoOptimalität in der Vertragsgestaltung). Vgl. Franke/Hax (1994), S. 427. Zur Interessenlage der handelnden Personen im Principal-AgentVerhältnis vgl. auch Loistl (1994), S. 175ff. Menschen können natürlich nicht immer in ihrem Eigeninteresse handeln und lassen sich in ihren Handlungen auch nicht durchgängig auf ihr eng definiertes Eigeninteresse beschränken. Vgl. Brennan (1998), S. 22.
II.2 Interaktionspotenziale und Ausgestaltung der Steuerungsebene
155
nicht zu einem grundlegend anderen Ergebnis führen als eine rationale Vertragsgestaltung durch den Investor.234 Bei der Gestaltung der Vertragsbeziehung mit dem Aktionär dienen in diesem Sinne Informations- und Einwirkungsrechte dazu, die Kontrolle zu vereinfachen oder die Kontrollnotwendigkeit zu senken. Durch den Faktor Information kann der Aktionär bereits vor Vertragsabschluß seine Unsicherheit über relevante Eigenschaften von Sachen und Personen reduzieren und nach Vertragsabschluß seine Unsicherheit über das Verhalten des Managements als besser informierten Vertragspartner verringern.235 Durch Einflussnahme hat er nach Vertragsabschluß die Möglichkeit bei Interessendivergenz auf das Handeln des Managements und damit die Entwicklung seines Beteiligungsobjekts einzuwirken. Interaktionspotenziale lassen sich entsprechend in (1) Informationspotenziale und (2) Einflusspotenziale differenzieren. (1)
Informationspotenziale
Die Verfügbarkeit von Informationen über das Unternehmen, stellt ein eigenständiges Nutzenpotenzial für den Investor dar.236 Der potentielle Nutzen einer Information hängt dabei davon ab, ob sie zur Wertbestimmung beiträgt. Entscheidungsrelevant sind für den Aktionär zwar grundsätzlich alle Informationen, die einen Nutzen bei der Entscheidungsfindung stiften.237 Da der Nutzen einer Information für die Entscheidungsfindung aber schwer messbar ist und zumeist nur subjektiv bestimmt werden kann, bietet es sich an, auf den operationaleren Ansatz der Wertrelevanz zurückzugreifen. Danach ist eine Information genau dann wertrelevant, wenn sie die Bestimmung des fundamentalen („inneren“) Unternehmenswertes erleichtert bzw. präzisiert.238 Als direktes Interaktionspotenzial ist die Verringerung des Bewertungs- und Vertrauensrisikos des Investors anzusehen. Zunächst ermöglicht der verbesserte Informationsstand dem Investor eine exaktere Bestimmung des fundamentalen „inneren“ Unternehmenswertes.239 Sowohl die Möglichkeit, potentiell wertsteigernde Maßnahmen zu erkennen, als auch das verringerte Risiko, wertmindernde Entwicklungen zu übersehen, reduziert das Informationsrisiko 234 235 236 237 238 239
Vgl. Franke/Hax (1994), S. 416f., sowie Jensen (1998), S. 30. Vgl. Baumgartner/Hruschka (2002), S. 302. Vgl. Labhart (1999), S. 200 sowie Fischer/Wenzel/Kühn (2001), S.1209, die Informationen als Werttreiber mit selbständigem Wertsteigungsbeitrag bezeichnen. Vgl. Ruhwedel/Schultze (2002), S. 605. Vgl. hierzu auch Kames (2000), zitiert bei Ruhwedel/Schultze (2002), S. 605. Potenziell wertrelevante Informationen sind die in Abschnitt II.1 dargestellten Handlungsansätze. Vgl. Ruhwedel/Schultze (2002), S. 604ff.
156
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
und in der Folge das Bewertungsrisiko und führen in der Tendenz zu höheren Aktienkursen.240 Darüber hinaus senkt eine stabile Informationsqualität und -quantität das subjektiv wahrgenommene Vertrauensrisiko, welches aus der Principal-Agent-Beziehung zwischen Aktionär und Management resultiert. Je dauerhafter zutreffende Informationen bereitgestellt werden, desto größer ist das Vertrauen in die Vorhersage zukünftiger Ertragskraft und was in der Tendenz ebenfalls zu geringeren Erwartungsrenditen und höheren Aktienkursen führt.241 Die Verfügbarkeit von Informationen stellt darüber hinaus aber auch ein indirektes Interaktionspotenzial für den Aktionär dar. Denn ein ausreichender Informationsstand ist unabdingbare Voraussetzung für die Möglichkeit einer zielgerichteten Einflussnahme auf das Management.242 Die Bereitstellung von Informationen kann weiterhin zu Transaktionspotenzialen243 führen, indem sie sowohl einer asymmetrischen Informationsverteilung als auch bei symmetrischer Informationsverteilung einem allgemeinen Informationsmangel entgegenwirkt. Der erste Fall begünstigt das Entstehen homogener Erwartungen in Bezug auf die Wertentwicklung.244 Das führt zu einer niedrigeren Volatilität der Kursentwicklung245 und verringert parallel das Adverse-Selection-Problem.246 Der zweite Fall führt zu einer höheren Nachfrage und damit einer höheren Liquidität der Aktie.247 Alle Wirkungszusammenhänge resultieren schließlich in einem höheren Kurs bzw. niedrigeren Eigenkapitalkosten. (2)
Einflusspotenziale
Auch die Einwirkung des Investors auf maßgebliche Entscheidungen im Unternehmen, wie Strategie, Management, Kapitalbasis, oder auch Operatives248 kann opportunistisches Verhalten des Managers wirksam einschränken. Solche Einwirkungsrechte sind typisch für Beteiligungsfinanzierungen und dienen der Verringerung der mit der Prinzipal-Agenten-Problematik 240 241 242 243 244 245 246
247
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (1990), S. 40 und Günther/Beyer (2001), S. 1623f. Ähnlich in Bezug auf Transparenz als Wertfaktor Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 128. Vgl. Altman (1988), S. 15, sowie Barry/Brown (1984, 1985), Barry/Jennings (1992), Coles/Loewenstein/Suay (1995), zitiert bei Easley/Hvidkjaer/O'Hara (2002), S. 2188. Vgl. Pölert (2002), S. 67f. sowie teilweise auch Franke/Hax (1994), S. 413. Transaktionspotenziale sind Gegenstand der Betrachtung in Abschnitt II.3 dieser Arbeit. Vgl. Admati (1985), Grossman/Stiglitz (1980), sowie Müller (1996), S. 32f. Für eine empirische Bestätigung dieser These vgl. Easley/Hvidkjaer/O'Hara (2002), S. 2211. Dieses besteht darin, dass uninformierte Marktteilnehmer eine Prämie für das Risiko verlangen, mit informierten Marktteilnehmern handeln zu müssen Vgl. in diesem Zusammenhang Wang (1993), zitiert bei Easley/Hvidkjaer/O'Hara (2002), S. 2187. Vgl. Easley/Hvidkjaer/O'Hara (2002), S. 2187, ähnlich Merton (1987), Basak/Cuoco (1998) und Shapiro (2002).
II.2 Interaktionspotenziale und Ausgestaltung der Steuerungsebene
157
verbundenen Vertrauensrisiken.249 Eingeschränkt wird die Mitsprache der Kapitalgeber natürlicherweise durch die mit ihr verbundenen Informations- und Mitarbeitskosten sowie die mit der Vergrößerung der Entscheidungsarena verbundenen Reibungsverluste.250 Sehr weitgehende Einwirkungsrechte, durch die Kapitalgeber quasi zu Mitunternehmern werden – im Extremfall entspricht das einer direkten Verhaltenssteuerung251 – sind daher um so schwieriger realisierbar, je größer der Kreis der Beteiligten ist.252 Die Einflussnahme der Aktionäre ist formal in der Stimmrechtskomponente der Aktie verankert. Sie stellt damit einen eigenen Wertbestandteil der Aktie dar und kann unter Umständen genauso wichtig werden, wie Renditeansprüche.253 Dies ist bspw. dann der Fall, wenn durch äußere Einflüsse die Eigentumsverhältnisse verändert werden oder die Erwartung einer feindlichen Übernahme besteht. Olbrich (2000) spricht von einem so genannten „Kontrollzuschlag“ auf den Aktienwert bei Erwerb großer Anteile bzw. einer Mehrheit, welcher sich aus der Möglichkeit der Einflussnahme auf die Unternehmenspolitik ergibt.254 Die Möglichkeit der Einsteuerung kann auf unterschiedliche Weise als Nutzenpotenzial für den Investor interpretiert werden. Zunächst verringert die Möglichkeit, auf das Verhalten des Managements Einfluss zu nehmen, falls dieses nicht den Erwartungen der Aktionäre entspricht, das Vertrauensrisiko des Investors.255 Sie stellt damit für den Aktionär selbst dann ein Nutzenpotenzial dar, wenn sie nicht aktiv genutzt wird oder sich kein unmittelbarer Einfluss auf das Verhalten des Managements nachweisen lässt. Wird dagegen die Möglichkeit der Einflussnahme tatsächlich genutzt, kann sie ein unmittelbares Nutzenpotenzial für den Investor 248 249
250
251 252
253 254 255
Vgl. Esser (2003). Häufig werden sie auch für Fremdkapitalfinanzierungen gewährt, soweit dies zur Sicherung des Kapitals notwendig erscheint. Vgl. Franke/Hax (1994), S. 440, sowie ausführlich Kittel (1971), S. 33ff, der Information, Kündigungsrecht, Richtlinienkompetenz und Mitentscheidungsrechte für Fremdkapitalgeber nennt. Mit der Anzahl der Beteiligten wachsen die Kosten der Ausübung von Einwirkungsrechten. Zudem können sowohl die Vermutung dass keiner bereit sein wird, die Kontrollkosten zu tragen, als auch, dass irgend ein anderer dies ohnehin tun wird, eine Einwirkung vollständig unterbinden. Vgl. Franke/Hax (1994), S. 440. Vgl. zu dieser, auch als „Direct Supervision“ bezeichneten Form der Führung Ringlstetter (1995), S. 160, Ringlstetter (1997), S. 99ff. oder Backmann (2001), S. 53ff. Vgl. Milgrom/Roberts (1992), S. 497ff. sowie Shleifer/Vishny (1997), die den Zusammenhang unterstellen, dass eine Konzentration des Kapitals eine abgestimmtere, schärfere Kontrolle und aktivere Einflußnahme auf das Management bewirken kann. Lins/Servaes (1999) zeigen, dass ein konzentrierter Eigenkapitalanteil in Deutschland zu einer besseren Bewertung gerade diversifizierter Unternehmen führt. Einschränkend sei angemerkt, dass eine Eigenkapitalverteilung mit oligopolistischen Charakteristiken ggf. durch politische Machtspiele zu einer Hemmung von Entscheidungsprozessen führen kann. Vgl. Zingales (1995), S. 1048. Vgl. Olbrich (2000), sowie auch ausführlich Pratt/Reilly/Schweihs (1996), S. 298ff. Vgl. Felton/Hudnut/Heeckeren (1996), die damit das Wertpotenzial „guter“ Corporate Governance be-
158
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
darstellen, weil er auf diese Weise seine Vorstellungen direkt in die Unternehmensprozesse einbringen und damit bspw. das operative Ergebnis beeinflussen kann.256 Darüber hinaus scheint es plausibel anzunehmen, dass bereits die in dieser Möglichkeit liegende latente Androhung einer tatsächlichen Einflußnahme auf das Management tendenziell leistungsmotivierend und damit wertsteigernd wirkt. Ein institutioneller Investor verwendet die Metapher eines Löwen, der eine Herde Büffel jagt: “The significance is not the three or four laggards you catch - it's that you get the whole herd to run ... We need to scare all the animals.” (David/Kochhar 1996, S. 464)
Schließlich ist es auch denkbar, dass Aktionäre mit einer Stimmrechtsmehrheit einen überproportional großen Nutzen aus dem Unternehmen ziehen können („Private Benefits“).257 Sofern ein Aktionär größere Aktienpakete erwirbt, wird ihm dieser zusätzliche Wert zugänglich und er muss ihn in Form einer Übernahmeprämie bezahlen. Wenn größere Aktienpakete durch eine Reihe von kleinen Transaktionen über die Börse erworben werden, ist mit der Stimmrechtsakkumulation eine Höherbewertung verbunden,258 wodurch Nichtinsider ebenfalls an einer Übernahmeprämie partizipieren.259 Der Versuch einer theoretischen Quantifizierung der Nutzenpotenziale, die für den Aktionär mit der Möglichkeit seiner Einflussnahme assoziiert sind, erfolgte in der Praxis im Zusammenhang mit Mehrstimmrechtsaktien.260 Sie dienten in Deutschland als Instrument zur Stärkung des Einflusses bestimmter Anteilseigner innerhalb der Hauptversammlung. Die mit einem generellen Verbot von Mehrstimmrechten erforderlich gewordene Abfindung der Inhaber solcher Mehrstimmrechtsaktien führte zu dem Versuch, ein objektives Bewertungsverfahren für den Wert dieser Stimmrechte zu entwickeln. Theoretisch errechnet sich der Stimmrechtswert als Produkt aus der Wahrscheinlichkeit (WE), mit der das Stimmrecht Be-
256
257
258 259 260
gründen. Vgl. Cox/Roden (2002), S. 338. Easterbrock/Fischel (1983) sprechen im Zusammenhang mit den Gründen für das Auftreten von Stimmrechtsprämien von der “opportunity of those with votes to improve the performance of the corporation”. Vgl. Zingales (1995), S. 1047, der bei außerbörslichen Verhandlungen für große Aktienpakete eine Prämie auf den Börsenkurs beobachtet, die er als den Wert der „Private Benefits of Control“ interpretiert. Vgl. ähnlich Cox/Roden (2002), S. 338. Stimmrechtsaktien notieren höher als stimmrechtslose Aktien. Vgl. Lease/McConnell/Mikkelson (1983, 1984), zit. bei Zingales (1995), S. 1947. Vgl. Cox/Roden (2002), S. 338. Ihren Ursprung hatten sie in den 1920er Jahren, als deutsche AGs versuchten, sich vor einer ausländischen Überfremdung zu schützen. Vgl. insg. Hering/Olbrich (2001), S. 20ff. Einen Überblick über die Ausgestaltung des mehrfachen Stimmrechts bei diversen Unternehmungen geben Matschke (1991), S. 85, Kermel (1994), S. 54f. oder Vogl-Mühlhaus (1998). Seit 1937 gelten sie in Deutschland als grundsätzlich unzulässig, doch erlaubte das Aktiengesetz bislang Ausnahmen von diesem Verbot. Aufgehoben wurde diese Ausnahmeregelung mit dem KonTraG. Vgl. BGBl. I, S. 786.
II.2 Interaktionspotenziale und Ausgestaltung der Steuerungsebene
159
deutung erlangt und dem Erwartungswert des Preises (EP), den das Stimmrecht dann erzielt. Entscheidende Bedeutung erlangt das Stimmrecht insbesondere dann, wenn eine Übernahmesituation entsteht. WE für diesen Fall wird primär durch die Eigentümerstruktur determiniert und ist besonders groß, wenn es viele Großaktionäre mit ähnlich großen Stimmenminderheiten gibt (Oligopolsituation) und strebt gegen Null, wenn ein Großaktionär eine Stimmenmehrheit besitzt. Dazwischen liegen die Fälle, in denen das Unternehmen ganz oder zu einem großen Teil in Streubesitz ist und höchstens ein kontrollierender Großaktionär mit Stimmenminderheit existiert.261 EP ist abhängig von dem Anteil börslich gehandelter Stimmrechte, der Größe der mit der Kontrolle verbundenen privaten Vorteile „Private Benefits of Control“ und dem zusätzlichen dem Aktionär zustehenden Residualgewinn bei Einsteuerung. Hering/Olbrich (2001) gehen davon aus, dass Wert eines Stimmrechts sich nach seinem Einfluss auf die Zahlungsströme bemisst und kommen so zu dem Schluss, dass er im Fall einer Stimmenmehrheit erheblich sein könne, sobald keine Kapitalmehrheit vorliegt, wäre er aber zumindest im Betrachtungszeitpunkt gleich Null. Empirisch betrachtet wurde von den meisten Unternehmen an ihre Mehrstimmrechtsaktionäre tatsächlich keine Abfindung gezahlt.262 Auch wenn die exakte Quantifizierung der mit einer Einflussnahme assoziierten Nutzenpotenziale schwierig ist, werden diese jedoch im Aktienkurs reflektiert.263 Daher lassen sich aber auf Basis von Kursdifferenzen zwischen Aktien mit unterschiedlicher Stimmrechtsausstattung zumindest Tendenzaussagen machen. Als bspw. SAP seine Vorzugsaktien in Stammaktien tauschte, stieg der Preis aller Aktien um fast 25%. Obwohl niemand mit einer Übernahme rechnete, förderte das Wissen darum, dass nun alle Aktien Stimmrecht besaßen und die AG nicht mehr von einer Minderheit kontrolliert wurde, offenbar eine große Menge versteckten Wert zutage.264 Der Wert der Einflussnahme wird auch daran deutlich, dass Dodd/Warner (1983) für Stimmrechtsaktien am Tag nach der Stimmabgabe durchschnittliche Kursrückgänge um 1,4% dokumentieren.265 DeAngelo/DeAngelo (1985) dokumentieren hohe Prämien für Mehrstimmrechtsaktionäre bei Unternehmensakquisitionen266 und Cox/Roden (2002) stellen Prämien für Mehrstimmrechtsaktien selbst gegenüber einfach stimmberechtigten Aktiengattungen mit
261 262 263 264 265 266
Vgl. Hering/Olbrich (2001), S. 27ff. Vgl. Hering/Olbrich (2001), S. 27ff. und S. 37. Vgl. Zingales (1995), S. 1048. Vgl. Clearfield (2001), S. 40. Vgl. Dodd/Warner (1983), zit. bei Jensen/Ruback (1983), S. 42. dokumentieren Akquisitionen von Unternehmen mit mehr als einer Aktiengattung zwischen 1960 und 1980. In 40% der Fälle wurden an die Inhaber von Mehrstimmrechtsaktien Prämien zwischen 83,3% und 200% gezahlt. Vgl. DeAngelo/DeAngelo (1985) sowie ähnlich Megginson (1990).
160
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
Vorzugsdividende fest267. Weitere Untersuchungen zum Wert des Stimmrechts sind in Abb. II-9 übersichtsartig zusammengefasst. Quelle
Land
Bemerkungen zum Untersuchungsobjekt
Lease/McConnell/ Mikkelson (1983) Zingales (1995) Rydqvist (1987) Rydqvist (1996) Megginson (1990)
USA
30 Unternehmen mit unterschiedlichen Aktiengattungen zwischen 1940 und 1978 94 Unternehmen zwischen 1984 und 1990
USA Schweden Schweden UK
Chung/Kim (1999) Robinson/White (1990) Horner (1988) Levy (1982)
Korea Kanada
Zingales (1994)
Italien
Abb. II-9:
II.2.2
Schweiz Israel
152 britische Unternehmen mit zwei Aktiengattungen von 1955 bis 1982
Stimmrechtsprämie 5,4% 10,5% 6,5% 12,0% 13,3% 9,6% 23,3%
Untersuchung von Mehrstimmrechtsaktien im Vergleich zu normalen Stimmrechtsaktien
27,0% 45,5% 81,0%
Empirische Untersuchungen zum Wert des Stimmrechts Quelle: Zingales (1995), S. 1059 und Cox/Roden (2002), S. 338
Proaktiver Handlungsansatz auf der Steuerungsebene
Die Formulierung „Proaktives Handeln“ bezieht sich auf jene Teile der Interaktion zwischen Aktionären und Management, die durch das Management initiiert und aktiv gestaltet werden können. Dabei handelt es sich also um das eigene Kommunikationsverhalten im Rahmen der bidirektionalen Kommunikation mit den Aktionären. Die Financial Community erwartet von dem Unternehmen, dass sich dieses in einem kontinuierlichen bidirektionalen Dialog mit den Investoren befindet.268 Der Sinn dieser Erwartung wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, dass der Markt ein Unternehmen häufig anders bewertet als das Management selbst. Sofern die Ursache darin liegt, dass der Markt nicht weiß, welchen Wert das Management potentiell schaffen kann, liegt die Lösung (1) in einer aktiven Interpretation der Rolle des Kommunikators, um den Aktionären relevante Informationen zur Verfügung zu stellen. Wenn aber das Management nicht weiß, wie bzw. was der Markt bewertet oder wie sich der Bewertungsansatz des Marktes beeinflussen lässt, dann liegt
267
268
Sie sprechen von 11,1% gegenüber Aktien mit gleicher Dividende, 6,5% gegenüber Aktien mit mindestens gleicher Dividende und immerhin noch 3,8% gegenüber Aktien mit Vorzugsdividende. Vgl. Cox/Roden (2002), S. 342. Vgl. Rogala (1990), S. 22.
II.2 Interaktionspotenziale und Ausgestaltung der Steuerungsebene
161
die Lösung zunächst einmal (2) in der aktiven Interpretation der Rolle des Rezipienten, um sich relevante Informationen von den Aktionären zu beschaffen.269 (1)
Informationsübermittlung
Die erste Form des proaktiven Handels auf der Steuerungsebene zur Schaffung von Interaktionspotenzialen besteht in der aktiven Interpretation der Kommunikator-Rolle. Dabei geht es um die Bereitstellung oder Übermittlung von Informationen an bestehende oder potentielle Aktionäre.270 Dies kann im Rahmen einer direkten Kommunikation mit dem Kapitalmarkt als auch mit den relevanten Intermediären erfolgen. Auch eine steigende Analyst Coverage bewirkt eine erhöhte Aufmerksamkeit der Investoren und produziert Informationen, was zu reduzierten Agency-Kosten führt. Beides kann zu einem höheren kapitalisierten Wert der Eigentümerrechte beitragen.271 Empirische Untersuchungen belegen durchweg den eigenständigen Charakter der Informationspolitik als wertsteigernden Faktor.272 Eine amerikanische Marktstudie kommt zu den Ergebnis, 40% eines Aktienwertes würden von kommunikativen Faktoren bestimmt und BCG gibt an, eine Verbesserung der IR-Arbeit könne zu einer Prämie auf den Aktienpreis von 1015% führen.273 Rosen (2001a) behauptet sogar, nichts werde „an der Börse so stark bewertet wie eine mangelhafte Informationspolitik des Unternehmens“274. Die Art der Informationsübermittlung lässt sich charakterisieren durch die Kommunikationsformate (a) und Kommunikationsinhalte (b). (a) Kommunikationsformate: Zur Übermittlung solcher Informationen bieten sich die typischerweise als Investor Relations Maßnahmen genannten Kommunikationsformate an.275 Rogala (1990) teilt diese in dialogorientierte und ergänzende Maßnahmen ein.276 Zu ersteren sind 269 270 271
272 273 274
275 276
Vgl. Zu beiden Grundproblemen Altman (1988), S. 4. Vgl. Rogala (1990), S. 22. Zu Zielgruppen der IR vgl. auch Achleitner/Bassen (2001), S. 33ff. Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 355, die Analysten-Berichterstattung als externe Kontrollfunktion interpretieren, sowie zu „Analyst-Neglect“ als gegenteiligem Effekt Dimson Marsh (1999), S. 61. Auch Merton (1987) geht von einer positiven Beziehung zwischen der Aufmerksamkeit der Investoren für eine Aktie und dem Wert dieser Aktie aus. Vgl. Chen/Steiner (2000), S. 366. Tatsächlich weisen Chung/Jo (1996) eine positive Korrelation zwischen der Anzahl der Analysten und Tobin's Q (Unternehmenswert) nach. Vgl. Wulff (2000), S. 431. Vgl. Mei-Pochtler (2001), S. 12 u. 20. Vgl. Rosen (2001a), S. 1. Mei-Pochtler (2001), S. 20, berichtet, dass zwischen 51% und 56% der Analysten eine Aktie nicht empfehlen und dass 48% der Portfoliomanager sogar vor einem Kauf zurückschrecken, wenn die IR-Arbeit starke Mängel aufweist. Für ein Systmatisierung von IR-Instrumenten vgl. Achleitner/Bassen (2001), S. 38ff. Vgl. Rogala (1990), S. 24.
162
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
One-on-ones (84%), Unternehmenspräsentationen und Informelle Kurzinformationen für kleine Gruppen von Finanzanalysten (45%), sowie die Hauptversammlung, Investorenseminare und Roadshows zu rechnen, zu letzteren zählen Geschäftsberichte allgemein (54%), sowie im besonderen Quartals- und Spartenberichte (54%), Presseberichte und Pressekonferenzen (38%), Unternehmensbroschüren (3%), Ad-hoc-Meldungen sowie Finanzwerbung im weitesten Sinne.277 Darüber hinaus scheinen Aktionäre in zunehmendem Maße OnlineInformationen über Unternehmen zu fordern.278 Eine zentrale Rolle nimmt die aller Berichterstattung zugrunde liegende Rechnungslegung ein.279 Grundlage ist die obligatorische Konzernrechnungslegung, in Deutschland bestehend aus allgemeinen Publizitätspflichten mit Konzernabschluss (Bilanz, GuV, Anhang) und Konzernlagebericht sowie Quartalsberichten für DAX-Unternehmen. Zusätzliche Publikationspflichten für börsennotierte AG bestehen in einer Kapitalfluss- und einer Segmentrechnung.280 Die Transparenzanforderungen der Investoren verlangen dabei nach einem global anerkanntes Rechnungslegungssystem, wie US-GAAP oder IAS/IFRA, um die Transparenz, Vergleichbarkeit und umfassende Information zu gewährleisten.281 Damit steigt das Vertrauen der Anleger, die Liquidität verbessert sich und der Preisbildungsprozess wird effizienter. Insbesondere Unternehmen, die auf internationale Kapitalmärkte angewiesen sind, zeigen eine starke Tendenz zu internationalen Rechnungslegungsstandards. Dies gilt in Deutschland vor allem für die DAX-Gesellschaften, bei denen bis zum Jahr 2000 US-GAAP, vor allem aber IAS/IFRA stark zugenommen, HGB-Rechnungslegung dagegen abgenommen hat.282 Bei der Ankündigung von deutschen Unternehmen, auf das Rechnungslegungssystem nach USGAAP umzuschwenken und sämtliche Publizitäts- und Verhaltensregeln der SEC zu beachten, waren tatsächlich positive Überrenditen zu beobachten.283 Prof. Jerold Zimmermann (University of Rochester) argumentiert allerdings, dass Buchführungsinformationen weder jemals dem Zweck dienen sollten, externe Investoren bei der
277
278 279
280 281 282 283
Vgl. Baumgartner/Hruschka (2002), S. 302, oder o.V. (1999i), S. 175. Die Prozentzahlen in Klammern bezeichnen die Anwendungshäufigkeit der einzelnen Formate gem einer DVFA-Studie von 1987 (vgl. Rogala 1990, S. 23). Vgl. o.V. (1999c). Einen empirischen Nachweis, dass Qualität und Umfang der im Jahresabschluss enthaltenen Informationen zur Steigerung des Unternehmenswertes beitragen können, liefern bspw. Pellens/Tomaszewski (1999). Vgl. Busse von Colbe (2002), S. 162. Vgl. Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 128. Vgl. Spanheimer/Koch (2000), S. 308f. Vgl. Pellens/Tomaszewski (1999), zit. bei Wulff (2000), S. 430. Dabei handelt es sich allerdings um eine sehr kleine Stichprobe von nur 5 Unternehmen.
II.2 Interaktionspotenziale und Ausgestaltung der Steuerungsebene
163
Bewertung eines Unternehmens zu unterstützen, noch dies überhaupt könnten.284 Der Informationsnachteil der Investoren gegenüber dem Management, welcher den Wert von Aktien durchaus negativ beeinflussen kann, wird durch diese weitgehende Unzulänglichkeit der Buchführung, relevante Informationen bereitzustellen, noch verschärft. Werden keine langfristigen Wert-Perspektiven vermittelt, sind Investoren gezwungen, das Unternehmen auf Basis kurzfristiger Performance Maße zu bewerten, z.B. Quartalszahlen. Daraus resultiert eine deutlich höhere Volatilität.285 (b) Kommunikationsinhalte: Die in diesen „Standard-Formaten“ vorgesehenen Informationen sind damit nicht nur häufig unzulänglich, sondern haben auch weitgehend den Status von Hygienefaktoren. Bei gravierenden Mängeln können sie sich negativ auf die Bewertung von Unternehmen auswirken.286 Die über die allgemeine, gesetzlich vorgeschriebene, auch als „Reporting“287 bezeichnete Information hinausgehenden freiwilligen Kommunikationsmaßnahmen werden meist als „wertorientierte Berichterstattung“ bezeichnet.288 Dazu zählen grundsätzlich alle Informationen, die auch für die Unternehmensführung von Bedeutung sind und sich deshalb dazu eignen, die Informationsasymmetrien zwischen internen und externen Stakeholdern zu verringern289 und damit die so genannte „Wertlücke“ zwischen dem „inneren Wert“ und dem Börsenwert des Unternehmens zu schließen.290 Neben Umfang und Qualität der Informationen spielt für die Investoren auch die Kontinuität und Zeitnähe der Informationspolitik eine wichtige Rolle.291 Die Inhalte wertorientierter Berichterstattung entsprechen den in diesem Teil dargestellten Potentialebenen.292 Neben der Kommunikation der am Kapitalmarkt tatsächlich erzielten Rendite293 handelt es sich daher zunächst um Transformationspotenziale, die sich entsprechend der Darstellung in II.1 in Wertschöpfung und Werttreiber aufteilen lassen.294 Zu den Nutzenpotenzialen auf der Wertschöpfungsebene zählen die unter II.1.2 dargestellten Nutzen-
284 285 286 287 288 289 290 291 292 293 294
Vgl. Chew (Hrsg., 1998), S. 3. Vgl. Chew (Hrsg., 1998), S. 94. Vgl. o.V. (1999i), S. 175. Vgl. Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 128. Müller (1998) spricht von „Shareholder Value Reporting“, Labhart (1999), Pellens/Hillebrandt/ Tomaszewski (2000) und PriceWaterhouseCoopers (2001) verwenden den Begriff „Value Reporting“. Vgl. Labhart (1999), S. 30f., Eccles u.a. (2001), S. 5, sowie PriceWaterhouseCoopers (2001), S. 48. Vgl. Ruhwedel/Schultze (2002), S. 606. Spanheimer/Koch (2000), S. 315ff. Natur und Inhalt der Information siehe u.a. Günther (2000), S. 13ff. Müller (1998) bezeichnet dies als „Total Return Reporting“. Vgl. Ruhwedel/Schultze (2002), S. 611, nehmen eine leicht abweichende Systematisierung vor, indem sie die Transformationspotenziale in vergangenheits- und zukunftsorientiert unterscheiden.
164
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
potenziale, wie die über die gesetzlichen Angaben hinausgehenden freiwilligen Angaben zur Gewinn- und Verlustrechnung, zu den Auswirkungen aus der Veränderung des Konsolidierungskreises oder einer Veränderung des Umrechnungskurses, oder Kennzahlen, wie UmsatzAuf der rendite, Nettoverschuldung, Verschuldungsgrad, Eigenkapitalquote.295 Werttreiberebene geht es um die Kommunikation der unter II.1.3 dargestellten Nutzenpotenziale. Dabei geht es um über die Angaben im gesetzlich vorgeschrieben Prognosebericht296 hinausgehende Informationen zur zukünftig zu erwartenden Wertschaffung.297 Dabei kann es sich bspw. um Daten zu strategischen Ausrichtung, Intellectual Capital Statements, absehbare Risikofaktoren oder Renditeerwartungen handeln.298 Auf der Ebene der Interaktionspotenziale geht es darum, die mit der Führung des Unternehmens verbundenen Potenziale zu kommunizieren. Dabei handelt es sich um die in II.2 dargestellten Nutzenpotenziale der Informationsbereitstellung und Informationsbeschaffung. Es tritt hier insofern eine Art Zirkelbezug auf, als die kommunizierten Informationen sich u.a. auf die Kommunikation von Informationen beziehen. Die Kommunikation von Informationen stellt einen eigenständigen Wert dar und muß sich daher auch auf sich selbst beziehen. Daneben können prinzipiell alle mit Interaktionspotenzialen in Verbindung stehenden Informationen, wie Kapitalstrukturveränderungen, Informationen über gesellschaftsrechtliche Organe des Unternehmens, die Corporate Governance Policy, oder Informationen über Directors' Dealings299 Gegenstand der Kommunikation sein. Ein viel versprechender, wenn auch noch nicht durchgängig praktizierter Ansatz ist es, nicht nur die Bewertungsgrundlagen zu kommunizieren und den Analysten die Bewertung zu überlassen, sondern die Bewertung selbst zu übernehmen und zu kommunizieren. Das erhöht die Steuerbarkeit des Ergebnisses, weil das Unternehmen sich der Mechanismen bewusst wird, verstärkt das Vertrauen der Analysten in die Unternehmensführung, und erhöht die
295 296
297 298 299
Vgl. u.a. Spanheimer/Koch (2000), S. 315ff. Müller (1998) bezeichnet die damit angesprochene intern generierte Wertschaffung als „Value Added Reporting“. Der Prognosebericht ist Teil des Lageberichts. Eine darauf bezogene empirische Untersuchung von Pechtl (2000) kommt zu dem Ergebnis, dass der Informationswert der Prognoseangaben insgesamt eher gering ist. Müller (1998) bezeichnet dies als „Strategic Advantgage Reporting“. Vgl. u.a. Pellens/Hillebrandt/Tomaszewski (2000), S. 178. Sie könnten im Sinne eines Signalling auf die Entwicklung des Vertrauens der besser informierten Manager in das Ertragspotenzial des Unternehmens hindeuten. In den USA sind geplante Transaktionen schon vor ihrer Ausführung bekannt zu geben. Vgl. Rosen (2001b), S. 1. Ähnlich wirkt der Rückerwerb von Aktien.
II.2 Interaktionspotenziale und Ausgestaltung der Steuerungsebene
165
Steuerbarkeit des Analystenverhaltens. Gegebenenfalls kann den Analysten auf diese Weise notwendiges Bewertungs-Know-How vermittelt werden.300 (2)
Informationsbeschaffung
Die zweite Form des proaktiven Handels auf der Steuerungsebene zur Schaffung von Interaktionspotenzialen besteht in der aktiven Interpretation der Rezipienten-Rolle. Dabei geht es um die Beschaffung und Verwertung von Informationen von bestehenden oder potentiellen Aktionären. Häufig wird ein Unternehmen vom Markt anders bewertet als vom Management selbst und das Management weiß nicht, wie bzw. was der Markt bewertet oder wie sich der Bewertungsansatz des Marktes beeinflussen lässt.301 Empirische Studien belegen, dass Manager ihr Unternehmen in weit mehr als der Hälfte aller Fälle für unterbewertet halten.302 Durch die Nutzung der Aktionäre als intellektuelle Ressource kann allgemein die Qualität der Unternehmensführung gesteigert werden.303 Darüber hinaus führt dies zu einer besseren Kenntnis der Bedürfnisse der Aktionäre und bildet damit die Grundlage einer höheren Konvergenz der Unternehmensführung mit den Aktionärsinteressen.304 Beides kann in einer Strategieanpassung oder einer Kommunikationsanpassung resultieren, sowie Grundlage für den Kauf (bei Unterbewertung) oder Verkauf (bei Überbewertung) eigener Aktien sein. Für Unternehmen, die sich am Aktionärsinteresse ausrichten wollen, ist es notwendig, ein Managementsystem zu implementieren, welches zunächst einmal die Berücksichtigung identifizierter Aktionärsinteressen sicherstellt. Da diese für jedes Unternehmen individuell bestimmt werden müssen, nicht automatisch als vollständig angenommen werden können, und zudem permanenten Veränderungen unterworfen sind, ist darüber hinaus die Informationsbeschaffung als eine permanente Überprüfung der identifizierten Aktionärsinteressen anzustreben. Dies kann entweder (a) im Rahmen einer direkten Kommunikation durch Einrichten eines Kommunikationskanals oder (b) durch Ablesen aus der Kursentwicklung erfolgen. (a) Bereitstellung eines formalen Kommunikationskanals: Die bereits unter (1) genannten dialogorientierten Kommunikationsformate sind gleichermaßen geeignet, um Informationen 300 301 302
303 304
Hier ist bspw. an Bewertungsansätze mit dem Realoptions-Ansatz zu denken. Vgl. Abschnitt II.1.1. Vgl. Altman (1988), S. 4. Vgl. Exemplarisch Altman (1988), S. 159, u.R.a. o.V. (1984), S. 14. In einer Befragung von mehr als 600 Finanzvorständen hielten 60% ihr Unternehmen für stark unterbewertet, 32% für fair bewertet, 2% für überbewertet und 6% waren sich nicht sicher. Selbstverständlich ist die Frage berechtigt, was die „armen Kerle“ denn sonst antworten sollen … Vgl. Veranen/Hensle (2000), S. 139ff. zu „wertschöpfendem Eigentum“. Vgl. Young/Sutcliffe (1990), S. 32.
166
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
vom Investor zu beziehen. In diesem Sinne dient die Interaktion als dynamische Institution zur Anpassung der Positionierung. Dadurch lässt sich der Tatsache Rechnung tragen, dass nicht nur das Umfeld sondern auch die Investoren-Präferenzen veränderlich sind. Die Einschätzung der Investoren kann bereits im Vorfeld strategische Schwierigkeiten des Unternehmens im Produktmarkt erkennen lassen und liefert dem Management Informationen über die erwarteten Aussichten des Unternehmens. (b) Interpretation der Kursentwicklung: Auch ohne die explizite Äußerung der Aktionäre lässt sich aus dem Aktienkurs in Verbindung mit der geforderten Eigentümerrendite deren Ertragserwartung ableiten.305 Denn niedrige KGVs sind nicht notwendigerweise ein Zeichen von Unterbewertung, sondern können auch darauf hinweisen, dass die Aktionäre von dem Unternehmen eine andere Rendite oder andere Wachstumscharakteristik erwarten.306 Um diese Erwartungen zu identifizieren, muss der Marktwert des Unternehmens (P) in seine gegenwärtigen (PCP), sowie seine kurz- (PWK) und langfristigen (PWL) Wachstumskomponenten aufgespaltet werden.307 Die Basis bildet der Teil des Aktienpreises (P), der aus Erwartungen bzgl. der gegenwärtigen Performance resultiert (PCP). Der Teil des Aktienpreises (P), der aus zukünftigem Wachstum resultiert (PW) errechnet sich dann als P - PCP. Rappaport (1995) bezeichnet PW als Wertsteigerungsoption („Value Growth Option“), die er als zukünftige Cashflows aus neuen Investitionen definiert. Sie ergibt sich als Differenz aus Aktienkurs und dem Barwert der Cashflows aus der Investition in existierende Vermögenswerte.308 Stern Stewart verwendet analog als Maßgröße für diese Differenz den Future Growth Value (FGV). Dabei handelt es sich um eine Residualwertbasierte Meßgröße, die sich aus der Differenz zwischen den MVAs vor und nach Ankündigung eines neuen Projekts errechnet. Bleiben die EVAs gleich, beträgt er Null.309 In einem zweiten Schritt kann nun der aus Wachstum resultierenden Wert (PW) in seine kurz- (PWK) und langfristigen (PWL) Komponenten differenziert werden. Die kurzfristigen Wachstumserwartungen ergeben sich aus den Earnings Estimates von Analysten und Investoren abzgl. der gegenwärtigen Performance (PCP). Die langfristigen Wachstumserwartungen
305
306 307 308 309
Einen solchen Ansatz verfolgt bspw. die Commerzbank mit der Einführung des „Wertmonitors“ in Zusammenarbeit mit dem „Arbeitskreis Strategieentwicklung und Controlling in Banken der SchmalenbachGesellschaft“. Vgl. Hanft (2003), S. 15. Vgl. Piper/Fruhan (1981), S. 125f. Vgl. Bruckner u.a. (1999), S. 101ff. Vgl. Rappaport (1995), S. 166ff. Vgl. Voss (1999), S. 42.
II.2 Interaktionspotenziale und Ausgestaltung der Steuerungsebene
167
(PWL) ergeben sich dann als PW – PWK.310 Auf Konzernebene ist die Dekomposition nicht ganz trivial. Hier müssen nämlich zunächst einmal der Marktpreis und die Analystenerwartungen auf die einzelnen Teileinheiten herunter gebrochen werden, bevor eine Zerlegung in Current Performance, Short Term Growth und Long Term Growth möglich ist. Ein hoher PWK bedeutet, dass Investoren kurzfristige Profite erwarten, ein hoher PWL bedeutet, dass sie langfristiges Wachstum erwarten. Der Schlüssel zur Steigerung des Marktpreises ist die (insb. langfristigen) Wachstumserwartungen zu steigern. Ist der Kurs bereits deutlich über dem angemessenen Kurs für die aktuelle Performance, dann bedeutet dies für die Manager, dass hohe Wachstumsraten bei Investitionsrenditen über den Kapitalkosten notwendig sind, um den Kurs wenigstens zu halten.311
II.2.3
Strukturell-systematischer Handlungsansatz auf der Steuerungsebene
Neben den oben untersuchten proaktiven Handlungsoptionen stellen auch die auf der Steuerungsebene verorteten Strukturen und Systeme ein Mittel zur Kontrolle des Managements dar. Sie ermöglichen den Aktionären die Beeinflussung der Management-Entscheidungen und wirken somit über die Reduktion der mit der Principal-Agent-Problematik verbundenen Unsicherheit auf den Unternehmenswert.312 Die Säulen einer solchen Kontrolle bilden die Aktionäre (1) und der Aufsichtsrat (2) als gesellschaftsrechtliche Organe mit der Möglichkeit einer direkten Verhaltenssteuerung,313 Formen der indirekten Einflussnahme (3), sowie Anreiz- und Kontrollsysteme (4) als besondere Form von Teilungsregelungen.314
310 311 312 313
314
Vgl. Bruckner u.a. (1999), S. 101f., sowie Altman (1988), S. 165. Vgl. hierzu die in Abschnitt II.1.1 (1) dargestellte Differenzierung der Unternehmen nach ihrer Wachstumscharakteristik bei Bruckner (1999), S. 101f. Vgl. Yermack (1996), S. 185. Wirtschaftsprüfer stellen als unabhängige Revisoren die dritte gesellschaftsrechtlich vorgesehene Kontrollinstanz dar und tragen durch ihre Tätigkeit ebenfalls dazu bei, dass die vom Unternehmen übermittelten Informationen glaubwürdig sind (vgl. Ballwieser 1987, S. 351ff.). Dass ein Vertrauensschaden solcher unabhängiger Kontrolleure zu einem Wertverlust für die Eigentümer führen kann, ist mit den Bilanzskandalen um Enron, Worldcom oder Flowtex spürbar geworden. Das Management kann allerdings bis auf die Auswahl des Wirtschaftsprüfers dessen Tätigkeit nicht legal beeinflussen. Daher wird hier von einer gesonderten Betrachtung abgesehen. Hinweise zur Ausgestaltung solcher Kontrollstrukturen, sowohl aus Aktionärs- als auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht, gibt bspw. das Joint Committee on Corporate Governance (www.jointcomgov.com). Vgl. o.V. (2001c).
168
(1)
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
Direkte Steuerung durch die Aktionäre
Die Aktionäre selbst stellen die erste gesellschaftsrechtlich vorgesehene Kontrollinstanz dar. Voraussetzung für die Wahrnehmung dieser Aufgabe ist, dass ihnen überhaupt ein Stimmrecht zusteht und dass (a) ein Forum existiert, in dessen Rahmen sie bereit und in der Lage sind, ihr Stimmrecht ausüben. Ist dies der Fall, dann wird die Effektivität der Kontrolle weitgehend durch die Identität und Struktur der Aktionäre315 bestimmt. Es ist zwar davon auszugehen, dass für verschiedene Unternehmen unterschiedliche Strukturen geeignet sind, so dass allgemeingültige Aussagen über den Einfluss bestimmter Eigentümerstrukturen auf die Performance kaum möglich scheinen,316 dennoch lassen sich Tendenzaussagen über den Einfluss bestimmter Charakteristika der Aktionärsbasis tätigen. Bei diesen handelt es sich um den Konzentrationsgrad (b), die Unabhängigkeit (c) und die Professionalität (d) der Aktionäre. Will das Management eines Unternehmens auf diesem ersten strukturell-systematischen Handlungsfeld Nutzen für den Investor schaffen, dann liegen seine Optionen primär darin, auf eine entsprechende Aktionärsstruktur hinzuwirken und diesen bei der Ausübung ihrer Kontrollfunktion im Sinne der unten genannten Prämissen (a) optimale Rahmenbedingungen zu bieten. (a) Prämissen: Die erste Voraussetzung dafür, dass Aktionäre ihre Kontrollfunktion wahrnehmen und somit Interaktionspotenziale realisieren, besteht darin, dass ihnen überhaupt ein Stimmrecht zusteht. Stimmrechtslose Vorzugsaktien führen daher tendenziell zu einer Wertminderung, weil davon ausgegangen wird, dass sie ein ineffizientes Management schützen.317 So erklärt sich der Kursgewinn von etwa 25% für alle Aktien, als SAP seine Vorzugsaktien in Stammaktien tauschte.318 Als zweite Voraussetzung ist die Existenz eines Forums zur Ausübung der Kontrollfunktion anzusehen. Das zentrale Instrument der Unternehmenskontrolle durch die Aktionäre ist die Hauptversammlung. Sie kann durch sinkende Präsenz einen Teil ihrer Kontrollfunktion einbüßen.319 Die starke Internationalisierung der Aktionärsstruktur und die teilweise ausufernde Dauer der Hauptversammlungen mögen in der Vergangenheit dazu beigetragen haben. Die 315 316
317 318 319
Vgl. Thomsen/Pedersen (2000), S. 702, sowie McConnel/Servaes (1990), Nickel/Nicolitsas/Dryden (1997), Short (1994). Vgl. Demsetz/Villalonga (2001), S. 230. Diese Problematik wird dadurch verschärft, dass die Aktionärsstruktur zumindest teilweise aus der Positionierung auf den drei Nutzenpotenzial-Ebenen resultiert und der Markt für Unternehmenskontrolle sich so für jede Situation die optimale Eigentümerstruktur schafft. Vgl. Chew (Hrsg., 1998), S. 89ff. Vgl. Ruback (1988), zit. bei Taylor/Whittred (1998), S. 108. Vgl. Abschnitt II.2.1 (2) dieser Arbeit. Bei DAX-Unternehmen betrug die durchschnittliche Präsenz im Jahr 1999 lediglich ca. 40% des stimmberechtigten Kapitals. Vgl o.V. (1999b).
II.2 Interaktionspotenziale und Ausgestaltung der Steuerungsebene
169
Nutzung neuer Technologien, insbesondere des Internet zur Realisierung einer so genannten „virtuellen Hauptversammlung“ sowie die Stimmabgabe der Aktionäre über das Internet, wie dies im Rahmen des Proxy-Voting bei US-amerikanischen Unternehmen inzwischen teilweise praktiziert wird, könnte den Einfluss der Aktionäre deutlich stärken und den Wert des Unternehmens erhöhen.320 (b) Konzentrationsgrad: Der Konzentrationsgrad der Aktionärsstruktur ist der erste bedeutende Faktor für eine effektive Wahrnehmung der Kontrollfunktion und kommt im Anteil der Großaktionäre zum Ausdruck. Die „Large Shareholder Monitoring-Hypothese“ legt die Annahme nahe, dass mit der Aufsicht durch Großaktionäre die Performance besser wird,321 weil diese generell einen größeren Anreiz322 und mehr Macht besitzen, ihre Interessen gegenüber dem Management durchzusetzen.323 Diese Annahme wird grundsätzlich durch die Empirie bestätigt. So steigt der Eigenkapitalwert tendenziell in Verbindung mit der Ankündigung von Block-Käufen durch Unternehmen oder Corporate Raider.324 Mikkelson/Ruback (1985) stellen beispielsweise nach der Ankündigung des Erwerbs eines mehr als fünfprozentigen Anteils durch einen Aktionär positive abnorme Aktienrenditen fest.325 Dabei korreliert die Große der Marktpreisreaktion mit der Größe des Anteils.326 Es gibt unterschiedliche Erklärungen für den positiven Effekt von Großaktionären auf den Unternehmenswert. Shleifer/Vishny (1986) sehen den Vorteil einer hohen Konzentration darin, dass Großaktionäre eine glaubhafte Übernahmegefahr ausstrahlen und daher eine stärker disziplinierende Wirkung auf das Management ausüben.327 Eine zunehmende Konzentration der Aktionäre kann somit Effektivität und Effizienz der Managementkontrolle erhöhen.328 Insbesondere drei Effekte können dabei zu einem steigenden Eigenkapitalwert führen: Eine effiziente Kontrolle kann erstens den Überinvestitionstendenzen des Managements entgegenwirken,329 zweitens die Tendenz zur Risikoreduktion und damit zum Werttransfer hin zu Fremdkapitalgebern verringern und ggf. sogar einen Vermögenstransfer von Fremdkapitalge320 321 322 323 324 325 326 327 328
Vgl. Rosen (1998b), S. 1. Vgl. Shleifer/Vishny (1986), zit. bei Shome/Singh (1995), S. 3. Vgl. allgemein Grossman/Hart (1980), sowie Woidtke (2002), S. 100. Aufgrund des Freerider-Problems hat nur ein großer Investor einen Anreiz zur Überwachung des Managements. Vgl. Shleifer/Vishny (1997), S. 753, sowie Thomsen/Pedersen (2000), S. 691. Vgl. Holderness/Sheehan (1985), Mikkelson/Ruback (1985) und Shome/Singh (1995), S. 3f. Vgl. Denis/Denis/Sarin (1997), S. 197. Vgl. Shome/Singh (1995), S. 4. Vgl. Shleifer/Vishny (1986), zit. bei Denis/Denis/Sarin (1997), S. 197. Vgl. Masulis (1988), S. 48, u.R.a. Demsetz/Lehn (1985).
170
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
bern zu Aktionären unterstützen.330 Außerdem ist der Aufwand der Kommunikation mit diesen Aktionären ebenso geringer wie das Risiko, dass vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit gelangen.331 Allerdings lassen sich jedoch kaum sofortige Veränderungen in der operativen Performance nachweisen, was darauf hindeutet, dass die Wertsteigerung nicht primär auf intensive und permanente Kontrolle der Großaktionäre zurückzuführen ist,332 sondern eher antizipativen Charakter hat. Man könnte sagen, Großaktionäre fungieren sozusagen als „Qualitätssiegel“ für das Unternehmen und führen zu weiteren Investitionen von anderen Aktionären und damit zu Kurssteigerungen.333 Dem stehen allerdings auch mögliche negative Effekte auf den Eigenkapitalwert gegenüber. Sie liegen zunächst im Anstieg des firmenspezifischen Portfoliorisikos des Großaktionärs, was zu höheren Kapitalkosten führt.334 Auch die potenzielle Ausbeutung von Minderheitsaktionären, bspw. durch Insider Trading335 oder die Möglichkeit einer GreenmailPrämie, welche nur dem Großaktionär zukommt, kann zu einer Wertminderung des Eigenkapitals führen.336 Die größeren Einflussmöglichkeiten können außerdem zu politischen Machtspielen und daraus resultierender Entscheidungslethargie führen. Zudem wirkt sich eine Konzentration des Aktienbesitzes negativ auf die Börsenliquidität und damit auf die Stabilität der Kursentwicklung aus.337 (c) Unabhängigkeit: Die Unabhängigkeit der Aktionäre vom Management ist der zweite bedeutende Faktor für eine effektive Wahrnehmung der Kontrollfunktion. Sie lässt sich aber näherungsweise durch den Anteil externer Großaktionäre abbilden. Dabei handelt es sich um alle Aktionäre, die nicht dem Management angehören oder ihm in einer anderen Weise ver-
329 330 331 332 333 334 335 336 337
Vgl. Jensen (1986), zit. bei Shome/Singh (1995), S. 7. Vgl. Jensen/Meckling (1976), Smith/Warner (1979) und Easterbrook (1984), zit. bei Shome/Singh (1995), S. 7. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der ausschließlichen Kommunikation relevanter Informationen an bestimmte Investoren regulatorische Grenzen gesetzt sind. Vgl. Shome/Singh (1995), S. 4. Vgl. Merton (1987), zit. bei Shome/Singh (1995), S. 10. Vgl. Fama/Jensen (1983) und Shleifer/Vishny (1997), S. 760. Vgl. Demsetz (1986), zit. bei Shome/Singh (1995), S. 7. Vgl. Shome/Singh (1995), S. 7, und Dann/DeAngelo (1983). Vgl. unten Abschnitt II.3.1(2), S. 186ff. Theoretisch lässt sich vor diesem Hintergrund ein optimaler Konzentrationsgrad ableiten. Mit steigenden Kosten der Ausübung der Kontrollrechte und sinkendem Grad der Eigeninitiative des Managements steigt der optimale Konzentrationsgrad. Thomsen/Pedersen (2000), S. 690, bspw. beziffern den Anteil eines Investors am Unternehmen, bei dem die höchste Unternehmensperformance erreicht ist aufgrund empirischer Beobachtungen auf etwa 70%. Vgl. ähnlich Morck/Shleifer/Vishny (1988).
II.2 Interaktionspotenziale und Ausgestaltung der Steuerungsebene
171
bunden sind. Unabhängigkeit wird allgemein als wertsteigernd angesehen, weil sie eine objektive Kontrolle begünstigt.338 Tatsächlich korreliert die Existenz externer Großaktionäre positiv mit der Marktpreisentwicklung.339 Offensichtlich sind sie besser in der Lage, Managemententscheidungen zu beeinflussen.340 Shome/Singh (1995) gelingt es zwar nicht, einen nachhaltigen Einfluss auf die Cashflow Verwendung nachzuweisen,341 dafür nimmt aber die Wahrscheinlichkeit eines Management-Wechsels mit der Existenz externer Großaktionäre zu.342 (d) Professionalität: Die Professionalität der Aktionäre ist der dritte bedeutende Faktor für eine effektive Wahrnehmung der Kontrollfunktion. Sie lässt sich als Funktion des Anteils institutioneller Aktionäre verstehen. Professionalität wird allgemein als wertsteigernd angesehen, weil sie die Effektivität der Kontrolle erhöhen kann.343 Tatsächlich lässt sich eine positive Korrelation zwischen dem Anteil institutionell gehaltener Aktien und dem Unternehmenswert nachweisen.344 Allerdings ist der positive Einfluss institutioneller Großaktionäre auf den Unternehmenswert im Vergleich zu dem anderer Großaktionäre wie Unternehmen nur geringfügig stärker.345 Es ist also anzunehmen, dass der Größe des Aktionärs eine höhere Bedeutung zukommt als seiner Identität. Die Frage, ob institutionelle Großaktionäre wertsteigerndes Verhalten zeigen oder sich im Gegenteil mit dem Management „verbünden“, wird in der Literatur widersprüchlich behandelt.346 Es besteht zwar eine positive Korrelation zwischen institutionell gehaltenen Aktien und den Stimmen gegen Übernahme-Abwehrmechanismen,347 was für die Annahme eines wertsteigernden Verhaltens spricht, und es sind auch zahlreiche Fälle bekannt, in denen institutionelle Aktionäre von Firmen bspw. die personelle Trennung von CEO und Chairman of
338
339 340 341 342 343 344 345 346 347
Dabei muss jedoch folgender Zusammenhang bedacht werden: Je größer der Anteil externer Aktionäre, desto geringer ist tendenziell der Anteil der Managementbeteiligung, der ebenfalls als wertsteigernder Faktor angesehen wird. Vgl. hierzu (4) Anreiz- und Sanktionssysteme. Vgl. Shome/Singh (1995), S. 4. Vgl. Shleifer/Vishny (1986). Vgl. Shome/Singh (1995), S. 12. Vgl. Denis/Denis/Sarin (1997), S. 193f., sowie Ofek (1993) am Beispiel konkursgefährdeter Unternehmen. Vgl. Pound (1991) und Black (1992b), zitiert bei Woidtke (2002), S. 100. McConnell/Servaes (1990) stellen eine solche Korrelation am Beispiel von Tobin’s Q fest. Vgl. auch Denis/Denis/Sarin (1997), S. 194ff. Vgl. Barcley/Holderness (1991), Holderness/Sheehan (1988), zitiert bei Shome/Singh (1995), S. 8. Vgl. Agrawal/Mandelker (1990), Brickley/Lease/Smith (1988, 1994), Jarrell/Poulson (1987), Pound (1988), zitiert bei Shome/Singh (1995), S. 8. Vgl. Brickley/Lease/Smith (1988), zitiert bei Denis/Denis/Sarin (1997), S. 197.
172
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
the Board verlangt haben.348 Allerdings erscheint das Verhalten institutioneller Aktionäre nicht einheitlich. Dabei fiel bislang vor allem eine Unterscheidung zwischen privaten und staatlichen Pensionsfonds auf. Insbesondere bei öffentlichen Pensionsfonds ist es denkbar, dass die Ziele des Fondsmanagers nicht primär in der Maximierung des Shareholder Value bestehen.349 Die Anträge, welche durch staatliche Pensionsfonds in der Hauptversammlung gestellt werden, legen tatsächlich die Vermutung nahe, dass sozialer und politischer Druck das Verhalten ihrer Fondsmanager beeinflusst.350 Passend zu dieser Beobachtung ist der Unternehmenswert mit dem Anteilsbesitz staatlicher Pensionsfonds tatsächlich negativ korreliert. Demgegenüber ist der Unternehmenswert (Tobin’s Q) mit dem Anteilsbesitz privater Pensionsfonds positiv korreliert, was sich mit der größeren, performance-orientierten Vergütung für die Manager privater Pensionsfonds und die damit einhergehende Interessenkonvergenz mit anderen Aktionären erklären lässt.351 (2)
Direkte Steuerung durch den Aufsichtsrat
Die vielleicht wichtigste gesellschaftsrechtlich vorgesehene Kontrollinstanz ist der Aufsichtsrat. Seine Gestaltung ist darüber hinaus durch das Management eher beeinflussbar als die Aktionärsstruktur. Eine Stärkung des Aufsichtsrats zur Intensivierung der Kontrolle der Unternehmensleitung ist daher auch eine Handlungsempfehlung der Regierungskommission Corporate Governance.352 Die Erfolgsfaktoren von Aufsichtsräten sind Gegenstand zahlreicher Untersuchungen gewesen. Auch hier gelten die Kriterien Struktur, Unabhängigkeit, Professionalität, welche in folgenden Variablen zum Ausdruck kommen: Ausgangspunkt der Gestaltung von Aufsichtsstrukturen ist (a) die Systemwahl, welche eine eigenständige Nutzenkomponente darstellt. Steht das Aufsichtssystem fest, dann wird der Nutzen für die Aktionäre durch (b) Selbstverständnis und Verhaltenshistorie, (c) organisatorische Kapazität, (d) Identität und (e) Vergütung des Aufsichtsgremiums beeinflusst.353 Dabei darf nicht übersehen werden, dass sich die einzelnen Faktoren in ihrer Wirkungsweise gegenseitig beeinflussen.
348 349 350 351 352 353
Vgl. Strickland/Wiles/Zenner (1996), Wahal (1996), zit. bei Vafeas (1999), S. 117. Vgl. Romano (1993), zit. bei Woidtke (2002), S. 100. Vgl. Chidambaran/Woidtke (1999). Vgl. Woidtke (2002), S. 102, sowie Wagster/Prevost (1996). Vgl. Bundesregierung (2002a, b). Vgl. Monks/Minow (1995) für eine Übersicht über die in der Literatur genannten Erfolgsfaktoren von Aufsichtsräten.
II.2 Interaktionspotenziale und Ausgestaltung der Steuerungsebene
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(a) Systemwahl als Ausgangspunkt: Allgemein stehen sich zwei historisch gewachsene Aufsichtssysteme gegenüber. Das zweistufige System trennt formal und personell strikt zwischen den Rollen der Führung und Kontrolle, indem es erstere ausschließlich dem Vorstand und letztere ausschließlich dem Aufsichtsrat überträgt. Das vor allem in den angelsächsischen Ländern vorherrschende einstufige System unterscheidet zwar gleichermaßen zwischen diesen Rollen, welche es den Executive- und Non-Executive-Directors zuweist, schließt aber eine Besetzung der Positionen in Personalunion nicht aus. Im Rollenverständnis der Führungs- und Kontrollorgane lassen sich gegenwärtig zwei Entwicklungen nachzeichnen. Zum einen verstehen sich immer mehr Vorstände nicht nur als Führungsorgan sondern agieren mit dem Anspruch, Vordenker und Leitfigur des Unternehmens zu sein – insbesondere, wenn sie zugleich Gründer und Hauptaktionär des Unternehmens sind, eine nachvollziehbare Einstellung. Zum anderen verstehen sich auch immer mehr Aufsichtsräte nicht nur als Kontrollorgan sondern leisten aktive Strategiearbeit, sind Rat- und Ideengeber für den Vorstand.354 Zur Ausschöpfung dieses Potenzials dürfte die einstufige Board-Struktur dem zweistufigen System oft vorzuziehen sein, da sie einfacher zu handhaben ist. Allerdings erfüllt sie die intendierte Kontrollfunktion nur dann, wenn auch eine ausreichende Anzahl externer Direktoren vorhanden ist. Das duale Kontrollsystem dagegen kann zwar ggf. nicht das volle Potenzial der Führungs- und Aufsichtsgremien ausschöpfen, ermöglicht aber durch die strikte Trennung eine verlässlichere Ausübung der Kontrollfunktion, sofern der Aufsichtsrat tatsächlich unabhängig ist.355 Welche der beiden Lösungen im Einzelfall besser geeignet ist, hängt einerseits von den Unternehmenscharakteristika und andererseits vom Vorhandensein alternativer Kontrollmechanismen ab. Aber auch wenn bspw. in Frankreich für Unternehmen ein Wahlrecht zwischen den beiden Formen der Aufsicht besteht, dürfte in den meisten Fällen der gesetzliche Rahmen die Wahl determinieren. (b) Selbstverständnis und Verhaltenshistorie: Das Selbstverständnis des Aufsichtsrats ist nach der Systemwahl der erste relevante Erfolgsfaktor von Aufsichtsräten. Aufsichtsräte können, wie bereits unter (a) angesprochen, nicht nur als Gremium zur Überwachung sondern auch als Rat- und Ideengeber fungieren und durch aktive Mitarbeit einen Trainingseffekt für den Vorstand haben.356 Eine solche Einbindung des Aufsichtsrats und ggf. auch der Aktionäre kann betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, was sich am Beispiel der Neugründungen im Rahmen der New Economy zeigte. Da Start-Ups häufig nicht über das notwendige betriebswirt354 355
Vgl. Rosen (2000a, i), S. 1. Vgl. Beyer (1998) zu den Auswirkungen von Verflechtungsbedingungen auf die Kontrolle.
174
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
schaftliche Verständnis verfügen, macht es Sinn, die Kaptalgeber intensiv in die Unternehmensführung einzubeziehen. Aber auch bei großen Publikumsgesellschaften wird zunehmend die Diskussion über eine weitere Professionalisierung der Tätigkeit und ein neues Rollenverständnis des Aufsichtsrats geführt.357 Bei dem Selbstverständnis des Aufsichtsrats handelt es sich um eine qualitative und deshalb nur schwer messbare Größe, die sich am ehesten an seiner Verhaltenshistorie ablesen lässt. Solche „Board Practices“ werden häufig als wenigstens so wichtig angesehen, wie die finanzielle Performance eines Unternehmens. Dazu zählen bspw. Themen wie die Quantität des Einsatzes von Ausschüssen (Board Committees), die Anzahl der Treffen externer Aufsichtsräte mit Großinvestoren oder die Kontakthäufigkeit des Aufsichtsrats mit dem Vorstand sowie die formale Bewertung des Vorstandsvorsitzenden durch den Aufsichtsrat.358 (c) Organisatorische Kapazität: Die organisatorische Kapazität ist der zweite relevante Erfolgsfaktor von Aufsichtsräten. Sie kann weitgehend auf seine Größe und Sitzungsfrequenz zurückgeführt werden. Die Größe des Aufsichtsrats beeinflusst die Qualität der Unternehmenssteuerung unabhängig von anderen Attributen. Dabei wird allgemein davon ausgegangen, dass kleinere Aufsichtsräte effektiver arbeiten.359 Die Begründung liegt darin, dass Gruppen mit zunehmender Größe an Effektivität verlieren, weil Kommunikations-, Koordinations- und Prozessprobleme die Vorteile einer größeren Manövriermasse überkompensieren.360 Mit einer steigenden Zahl von Aufsichtsräten steigt zwar die Kontrollkapazität, dieser Vorteil wird aber von den Kosten eines ineffektiveren Entscheidungsprozesses überlagert, so dass in der Summe die Fähigkeit abnimmt, das Management effektiv zu kontrollieren.361 Im Gegenteil würde die Wahrscheinlichkeit steigen, dass das Management den Aufsichtsrat kontrolliert.362 Da ein effektiver Aufsichtsrat als wertsteigernd angesehen wird, lässt sich infolgedessen eine negative Korrelation zwischen seiner Größe und dem Unternehmenswert vermuten.363
356 357 358 359 360 361 362 363
Vgl. o.V. (1999g), S. 36. Vgl. Rosen (2000d,e). Vgl. McKinsey (2000), S. 1, 8 und 13, sowie Moody’s (1998), S. 5. Vgl. Yermack (1996), S. 186ff., sowie ausführlich Jensen (1993) und Lipton/Lorsch (1992). Vgl. Jensen (1993), Steiner (1972), Hackman (1990), zitiert bei Yermack (1996), S. 188. Vgl. Eisenberg/Sundgren/Wells (1998), S. 37, und Yermack (1996), S. 186, sowie allgemein Lipton/Lorsch (1992), Jensen (1993) und Yermack (1996). Vgl. Yermack (1996), S. 186, der u.a. auf die Beobachtung hinweist, dass sich die AR-Größe positiv mit Höhe der Vorstandsgehälter korreliert. Vgl. Jensen (1993), zit. bei Eisenberg/Sundgren/Wells (1998), S. 36.
II.2 Interaktionspotenziale und Ausgestaltung der Steuerungsebene
175
Tatsächlich wird diese Annahme durch die Empirie bestätigt.364 Das gilt sowohl für Großunternehmen ab 6 Aufsichtsmitgliedern, als auch für kleine und mittelgroße Unternehmen.365 Dabei ist zu beobachten, dass die negative Relation zwischen AR-Größe und Unternehmenswert mit zunehmender AR-Größe abnimmt. Die größten inkrementalen Kosten fallen also bei kleinen bis mittelgroßen AR an. Lipton/Lorsch (1992) empfehlen eine Zahl von 8 bis 10 AR, Jensen (1993) legt sie nach einer empirischen Untersuchung auf maximal 7 bis 8 Personen fest und Yermack (1996) beobachtet für Großunternehmen ein Optimum von 6 Aufsichtsratsmitgliedern.366 Die Reduktion der Aufsichtsrats-Größe sollte daher für institutionelle Investoren oder Corporate Raider eine wichtige Priorität darstellen. Kini/Kracaw/Mian (1995) stellen tatsächlich fest, dass die Aufsichtsrats-Größe nach erfolgreichen Übernahmeangeboten für unterperformende Unternehmen abnimmt.367 Die Zunahme des Unternehmenswertes erfolgt der Größenreduktion zeitlich nachgelagert, was sie zu der Schlussfolgerung veranlasst, dass eine abnehmende AR-Größe wirklich den Unternehmenswert positiv beeinflusst und nicht umgekehrt.368 Auch der Sitzungsfrequenz wird allgemein großer Einfluss auf die Effektivität der Kontrolle zugeschrieben. Die Erklärung liegt darin, dass die für die meisten AR-Mitglieder zutreffende Zeitknappheit eines der größten Hindernisse für eine effektive Kontrolltätigkeit darstellt.369 Daher hat eine Ausweitung der in AR-Sitzungen verbrachten Zeit eine große Bedeutung für die Verbesserung der AR-Effektivität.370 Auch das scheint durch die Empirie bestätigt zu werden, wenn es dazu auch weniger Untersuchungen gibt als zur Größe des Aufsichtsrats. Vafeas (1999) stellt bspw. fest, dass die Anzahl der AR-Sitzungen in inverser Beziehung zum Unternehmenswert steht, wobei die Anzahl der AR-Sitzungen infolge von Aktienkursverlusten steigt und diese erhöhte AR-Aktivität dann nach einigen Jahren zu verbesserten Unternehmenserfolgen führt.371 (d) Identität: Die Identität seiner Mitglieder ist der dritte relevante Erfolgsfaktor von Aufsichtsräten. Sie determiniert den Grad ihrer Unabhängigkeit und Professionalität. 364 365 366 367 368 369 370
Vgl. Bhagat/Black (1996), zit. bei Eisenberg/Sundgren/Wells (1998), S. 36. Vgl. Yermack (1996), sowie Eisenberg/Sundgren/Wells (1998), S. 35ff., die feststellen, dass Unternehmen mit kleinem Aufsichtsrat im Vergleich zu ihren Industrie-Peers höhere ROIs erreichen. Vgl. Lipton/Lorsch (1992), Jensen (1993) und Yermack (1996), S. 186ff., der ab 6 Personen eine negative Korrelation zwischen Unternehmenswert und Aufsichtsrats-Größe feststellt. Vgl. Yermack (1996), S. 186. Vgl. Eisenberg/Sundgren/Wells (1998), S. 46. Vgl. Lipton/Lorsch (1992). Vgl. Conger/Finegold/Lawler III (1998), zit. bei Vafeas (1999), S. 114.
176
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
Im Schrifttum hat die Frage der Unabhängigkeit die größte Aufmerksamkeit erfahren. Als Indikator für die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats dient, analog zu der Diskussion im Zusammenhang mit Aktionären, der Anteil externer Mitglieder.372 Sie haben aufgrund ihrer Unabhängigkeit große Bedeutung für die Kontrolle des Managements zum Schutz der Aktionärsinteressen.373 Da dies definitionsgemäß ein Nutzenpotenzial für die Aktionäre darstellt, sollte der Anteil externer Aufsichtsratsmitglieder positiv mit dem Unternehmenswert korrelieren.374 Die empirischen Untersuchungen stellen tatsächlich mehrheitlich eine positive Korrelation zwischen dem Anteil externer Aufsichtsräte und dem Unternehmenserfolg fest.375 Dies deckt sich mit der Beobachtung, dass Vorstände bei einem hohen Anteil externer Aufsichtsräte häufiger diszipliniert werden. 376 So steigt bei einer Mehrheit externer Aufsichtsräte die Wahrscheinlichkeit feindlicher Übernahmen,377 während die Wahrscheinlichkeit von Poison Pill Adoptions sinkt.378 Offensichtlich scheinen die Aktionäre diese Entwicklung zu antizipieren, denn bereits die Bestellung externer Aufsichtsräte führt mehrheitlich zu positiven Kurseffekten.379 Diese scheinen insofern nachhaltig zu sein, als Unternehmen tendenziell höher bewertet werden, wenn der Vorstandsvorsitzende nicht in Personalunion AR-Vorsitzender ist.380 Beim Thema Professionalität geht es um die Branchenerfahrung des Aufsichtsrats. Dieser Aspekt hat in der Literatur deutlich weniger Aufmerksamkeit erfahren als die Unabhängigkeit. Die Gründe sind vielleicht in der Tatsache zu sehen, dass der Großteil der Untersuchungen dem angelsächsischen Sprachraum entstammt und daher primär auf das dort übliche einstufige System referenziert. Die dort übliche Besetzung der Positionen in Personalunion ist 371 372 373
374
375 376 377 378 379 380
Vgl. Vafeas (1999), S. 113. Vgl. Moody's (1998), S. 5. Vgl. Mehran (1995), Yermack (1996), S. 188, Cotter/Shivdasani/Zenner (1997) und Borokhovich/Parrino/Trapani (1996). Entsprechende Gremien empfehlen deshalb die personelle Trennung von CEO und Chairman.Vgl. exemplarisch Cadbury (1992), S. 21, Vafeas (1999), S. 117, oder McKinsey (2000), S. 1ff. Diese Argumentation gilt sinngemäß auch für das zweistufige System, da es sich auch bei „externen“ Aufsichtsräten um ehemalige oder dem Unternehmen „freundschaftlich verbundene“ Vorstände handeln kann. Allerdings findet sich kein so griffiger Indikator für ihre Unabhängigkeit, weshalb sich die verfügbaren empirischen Untersuchungen weitgehend auf das einstufige System beziehen. Vgl. exemplarisch Baysinger/Butler (1985) oder Eisenberg/Sundgren/Wells (1998), S. 37. Hermalin/Weisbach (1991) fanden allerdings keine signifikante Korrelation. Vgl. Weisbach (1988). Vgl. Byrd/Hickman (1992). Vgl. Brickley/Coles/Terry (1994). Vgl. Rosenstein/Wyatt (1990). Vgl. Yermack (1996), S. 198.
II.2 Interaktionspotenziale und Ausgestaltung der Steuerungsebene
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notwendigerweise mit einer gewissen Branchenkenntnis des Aufsichtsgremiums gleichzusetzen. Dagegen muss im zweistufigen System, wie z.B. in Deutschland, eine fachliche Eignung des AR vom Gesetz gefordert werden. (e) Vergütung: Schließlich liegt es nahe, anzunehmen, dass auch für den Aufsichtsrat die Art der Vergütung motivierend wirken kann und damit die Effektivität der Managementkontrolle beeinflusst. Es wird davon ausgegangen, dass die Orientierung der Vergütung am Aktienkurs dazu führt, dass Aufsichtsräte sich eher im Aktionärsinteresse verhalten. Entsprechend dieser Annahme halten Aufsichtsräte vor allem in US-amerikanischen Unternehmen signifikante Aktienanteile und es erfolgt ein großer Anteil der Bezahlung für Aufsichtsräte in Aktienoptionen. Verschiedene Autoren stellen eine signifikante, aber nicht monotone Verbindung zwischen dem Anteil der Kapitalbeteiligung der Aufsichtsräte und dem Unternehmenswert fest.381 (3)
Formen der indirekten Steuerung
Wird das Management nicht im Sinne einer direkten Verhaltenssteuerung sondern durch die Beschränkung seines Handlungsspielraums mittelbar gelenkt, kann dies als indirekte Steuerung bezeichnet werden. Ansätze für eine indirekte Steuerung sind (a) die Formalisierung und (b) die Steuerung über eine Ressourcenverteilung. (a) Formalisierung: Durch eine Formalisierung wird der Handlungsspielraum des Managements pauschal eingeschränkt. Das ermöglicht eine Handlungssteuerung ohne permanente Überwachung im Sinne einer „direct supervision“. Für Beteiligungsfinanzierung ist eine solche Formalisierung in gewissem Umfang gesetzlich vorgesehen. In Deutschland beschränkt das Gesetz bspw. die Höhe der Dividendenzahlungen oder den Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft.382 Eine Differenzierung durch Interaktionspotenziale kann nun darin bestehen, über den gesetzlichen Rahmen hinaus zusätzliche Beschränkungen vorzunehmen, welche die Rolle der Aktionäre bei der Unternehmenssteuerung stärken. Dies kann erfolgen, indem die Satzung oder die Geschäftsordnung des Vorstands für bestimmte Geschäfte die Mitwirkung des Aufsichtsrats oder ggf. stiller Gesellschafter, ggf. sogar der Hauptversammlung, vorsieht. So kann beispielsweise die Erhöhung der Gehälter leitender Angestellter oder die Aufnahme von Kre381
382
Vgl. Morck/Shleifer/Vishny (1988), McConnell/Servaes (1990), Hermalin/Weisbach (1991), alle zitiert bei Yermack (1996), S. 188. Als Maß für den Unternehmenswert dient allen Autoren Tobin’s Q. Eine eindeutige Wirkungsrichtung festzustellen dürfte schon deshalb schwierig sein, weil im einstufigen angelsächsischen System eine Vermengung von Aufsichtsrats- und Vorstandsmandaten stattfindet. Vgl. Franke/Hax (1994), S. 440f.
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Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
diten bis zu einer bestimmten Höhe den Vorständen pauschal genehmigt und darüber von der Zustimmung des AR abhängig gemacht werden. (b) Ressourcenverteilung: Die Ressourcenbeschränkung kann ebenfalls eine steuernde Wirkung auf das Management ausüben. Je mehr Ressourcen das Management zur Verfügung hat, desto eigenmächtiger kann es handeln. Ressourcenentzug verringert die Handlungsfreiheit des Managements. Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass das Management unerwünschte Investitionen gegen das Interesse der Aktionäre tätigt.383 Eine Erhöhung der erwarteten Dividende384 führt zu einer Verringerung der freien Cashflows, welche den Spielraum zur Verfolgung opportunistischer Strategien bestimmen.385 Damit sinken die Agency-Kosten des freien Cashflows, was ein Nutzenpotenzial für die Aktionäre darstellt. Die Festlegung auf regelmäßige Dividendenzahlungen wird daher in der Tendenz den Unternehmenswert erhöhen.386 Ein weiterer Ansatz ist die Erhöhung des Verschuldungsgrads.387 Eigenkapitalgeber verfügen in der Regel über konstantere Kontrollmöglichkeiten als Fremdkapitalgeber, deren Eingriffsrechte auf den Fall beschränkt sind, dass vertragliche Verpflichtungen nicht eingehalten werden. Dennoch könnte ein hoher Verschuldungsgrad eine effiziente Disziplinierung des Managements bewirken. Wie auch im Fall der Dividendenpolitik wird durch die aus einer hohen Verschuldung resultierende Zinslast die Höhe der freien Cashflows vermindert, welche den Spielraum zur Verfolgung opportunistischer Strategien bestimmt.388 Andererseits sollte nicht übersehen werden, dass eine hohe Zinslast zu übervorsichtigem Verhalten des Managements führen kann, welches nicht im Interesse der Aktionäre ist.389 Insgesamt ist aber davon auszugehen, dass eine hohe Verschuldung bis zu einem bestimmten Grad den Eigenkapitalwert des Unternehmens erhöht.390 Dieser Effekt wird unterstützt durch den Signaleffekt, dass das Management den mit einem hohen Verschuldungsgrad zusammenhängende Insolvenzrisiko eingeht. Dies signalisiert seine Überzeugung, dass von einer stabilen Geschäftsentwicklung auszugehen ist. Ein hoher Verschuldungsgrad kann insofern als effektive Zertifizierung der Management-Qualität gewertet werden.
383 384 385 386 387 388 389 390
Vgl. Steidl (1999) und Backmann (2001). Ähnlich Chew (1998), S. xxiii. Vgl. Jensen (1986), zit. bei Masulis (1988), S. 49. Vgl. Kochar (1996), S. 715f. sowie Jensen (1989), S. 67, oder Chew (1998), s. xxiii. Vgl. Masulis (1988), S. 49, u.R.a. Grossman/Hart (1982). Vgl. Jensen (1986), zit. bei Masulis (1988), S. 49. Vgl. Kochar (1996), S. 718f. sowie Jensen (1989), S. 67, oder Chew (1998), s. xxiii. Vgl. Miller (1998), S. 200. Vgl. Masulis (1988), S. 49, u.R.a. Grossman/Hart (1982).
II.2 Interaktionspotenziale und Ausgestaltung der Steuerungsebene
179
Gegenwärtig findet sich allerdings kaum direkte empirische Bestätigung für die These, dass das Management durch höhere Verschuldung oder Dividendenpolitik tatsächlich diszipliniert werden kann und dies auf den Wert des Unternehmens durchschlägt. Die Untersuchungen von Charest (1978) und Aharony/Swary (1980) scheinen mit der Theorie konsistent zu sein, während eine Studie von Asquith/Mullins (1986) die These eher nicht zu bestätigen scheint.391 (4)
Anreiz- und Sanktionssysteme
Anreiz- und Sanktionssysteme enthalten Regeln zur Aufteilung des erwirtschafteten Ergebnisses zwischen Managern und Aktionären und wirken so auf die Verteilung des Risikos unter den Vertragspartnern. Die damit verbundenen Verhaltensanreize für den Manager senken das Vertrauensrisiko der Aktionäre.392Anreiz- und Sanktionssysteme haben deshalb als Mittel zur Lösung von Interessendivergenzen aus Sicht des Aktionärs große Bedeutung und stellen ein wichtiges Investitionskriterium dar.393 Darum ist es auch aus Sicht des Managements sinnvoll, sich diese Anreiz- und Sanktionssysteme selbst aufzuerlegen.394 Die Ausrichtung der Managementinteressen am Aktionärsinteresse kann dabei in Form von (a) leistungsorientierter Vergütung oder (b) Eigenkapitalbeteiligungen erfolgen. Beide Alternativen sind zweifach interdependent: Einerseits stellen sie gewissermaßen Substitute zueinander dar, eine Annahme, die durch eine empirisch negative Korrelation gestützt wird.395 Andererseits kann eine leistungsorientierte Vergütung unter bestimmten Umständen zu einer steigenden Eigenkapitalbeteiligung führen. (a) Leistungsorientierte Vergütung: Die Unternehmenspraxis scheint von einem Nutzen leistungsorientierter Vergütung auszugehen. Dabei wird, in Anlehnung an die Prinzipal-AgentTheorie, recht einheitlich gefolgert, dass ein leistungsförderndes Entgelt so weit wie möglich dem (marginalen) Beitrag zum Unternehmenserfolg zu entsprechen habe.396
391 392 393 394 395 396
Vgl. Masulis (1988), S. 60. Vgl. Franke/Hax (1994), S. 439. Vgl. Young/Sutcliffe (1990), S. 32, sowie o.V. (2002a), S. 3. Vgl. Moody's (1998), S. 5. Vgl. Mehran (1995), S. 179. Vgl. exemplarisch Paul (1992) oder Sloan (1993). Es muss allerdings konstatiert werden, dass der Einfluss monetärer Incentives relativ gesehen nur gering sein kann. Jensen/Murphy (1990) sprechen von nur 3,25 USD Vermögensänderung der CEOs je 1.000,00 USD Aktienwertveränderung. Vgl. Brennan (1998), S. 24. Unter bestimmten Bedingungen kann die leistungssteigernde Wirkung von Leistungslohn auch vollständig ausbleiben. Vgl. ausführlich Frey (2000), S. 67ff. Umfangreiche Übersichten des gegenwärtigen Wissens geben Gibbons (1998) und Prendergast (1999)
180
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
Vor allem im wissenschaftlichen Diskurs wird die Ausgestaltung solcher Anreizsysteme aber kontrovers diskutiert. Jenseits dessen, dass das Agency-Modell selbst bereits Diskussionsstoff liefert, indem es eine Reihe von Annahmen beinhaltet, die nicht notwendigerweise zutreffen müssen,397 gibt es dafür vor allem wohl zwei Gründe. Zum ersten erfordert die Ausgestaltung von leistungsorientierten Vergütungssystemen vorab eine Festlegung der angestrebten Ziele, welche in Handlungssteuerung, Leistungsmotivation, Mitarbeiterbindung und Kostenminimierung bestehen können.398 Weil dabei Zielkonflikte unausweichlich sind, ist eine Priorisierung erforderlich, die ein Werturteil voraussetzt und daher kaum rational zu diskutieren ist. Zum anderen beruht die Steuerungswirkung von Anreizsystemen auf den ebenfalls konfligierenden Eigenschaften der Transparenz und Anreizadäquanz.399 In der praktischen Ausgestaltung der Anreizstrukturen muß daher ebenfalls eine häufig nur ungenügend rational zu begründende Priorisierung erfolgen. Die Frage, was Anreizadäquanz konkret bedeutet, ist zudem auch isoliert betrachtet schwierig zu beantworten. Wird nämlich die erweiterte Annahme zugelassen, dass Manager generell den Gegenwartswert ihrer zukünftigen Erträge maximieren wollen, der sowohl auf ihrem Finanzkapital als auch auf ihrem Humankapital beruht, dann sollten effektive Anreizstrukturen nicht nur einzelne Gehaltsbestandteile sondern die Entwicklung dieses kaum abschließend zu definierenden Gesamtvermögens an den Unternehmenserfolg koppeln.400 Wird darüber hinaus dem Modell der vollständigen Anspruchsgruppen-Orientierung gefolgt,401 dann ist auch die Frage nach den Performance-Maßen nicht mehr eindeutig zu beantworten. In der Praxis werden kennzahlenorientierte und aktienkursorientierte Programme unterschieden.402 Eine Orientierung an Kennzahlen, wie z.B. ROI oder EVA, hat den Vorteil, dass sie sich mit operationalisierbaren Werttreibern verknüpften lassen, die dann durch das Management direkt beeinflusst werden können. Verbesserungen der Werttreiber können auf diese Weise direkt belohnt werden.403 Bei einer niedrigen Komplexität des Geschäfts können sie relativ einfach implementiert werden, bei einer hohen Komplexität sind Kennzahlensysteme jedoch bald überfordert.404 Bei hoher Komplexität des Geschäfts bietet sich eine Orientierung
397 398 399 400 401 402 403 404
Vgl. Brennan (1998), S. 25f. Vgl. O’Byrne (1998), S. 157. Dies ist der Fall, da mit der Anreizadäquanz tendenziell die Komplexität steigt, welche die Transparenz verringert und vice versa. Vgl. O’Byrne (1998), S. 157f. Vgl. Kürsten (2001). In Bezug auf den grundsätzlichen Aufbau solcher Programme vgl. Luber (1999), S. 3ff. Vgl. Copeland/Koller/Murrin (1998), S. 106ff. und 168ff. Vgl. Stern/Stewart/Chew (1998), S. 151ff.
II.2 Interaktionspotenziale und Ausgestaltung der Steuerungsebene
181
am Aktienkurs an. Man unterscheidet zwischen Aktienbeteiligungs- und Aktienoptionsprogrammen.405 Der Einfluss aktienbasierter Vergütungsmodelle auf die Unternehmensperformance konnte empirisch nicht einwandfrei nachgewiesen werden. Zwar existieren einige empirische Belege dafür, dass eine aktienbasierte Vergütung die Entscheidungen des Managements generell beeinflusst406 oder sogar zu wertmaximalen Entscheidungen führt.407 Letztlich kommen Frey/Osterloh (2000) in einer Zusammenfassung empirischer Studien aber zu dem Schluss, dass keine der Studien eine effektive Wirkung von Aktienoptionsplänen auf die Geschäftsentwicklung nachweist.408 Davon unberührt scheint eine aktienbasierte Vergütung für die Aktionäre jedoch große Bedeutung zu haben. Eine Erklärung mag darin liegen, dass die Reduktion des Vertrauensrisikos für Aktionäre eine deutlich höhere Bedeutung hat, als die Steigerung der Erwartungswerte der Unternehmensperformance. Analysten und letztlich auch die Börse bewerten die Einführung solcher Anreizssysteme generell positiv. Brickley/Bhagat/Lease (1985) finden im Schnitt positive Aktienkursreaktionen auf die Einführung oder Modifikation anreizkompatibler Vergütungssysteme.409 Auch Mehran (1995) stellt fest, dass der aktienbasierte Anteil an der Vergütung positiv mit Tobin's Q korreliert.410 (b) Eigenkapitalbeteiligung: Eine hohe Eigenkapitalbeteiligung des Managements kann sowohl aus einer aktienbasierten Vergütung resultieren als auch diese substituieren. Auch für die Wirkungsweise von Management-Beteiligung fungiert das Principal-Agent-Problem als Erklärungsansatz.411 Die Eigenkapitalbeteiligung des Managements kann für den Aktionär insofern ein Nutzenpotenzial darstellen, als sie das Manager-Interesse dem Aktionärsinteresse annähert. Sie kann somit als interne Kontrollfunktion dienen und den Unternehmenswert steigern.412 Grundsätzlich räumt die Beteiligung des Managements diesem wie allen Aktionären
405
406 407 408 409 410 411 412
Vgl. Jensen/Murphy (1990), sowie Ringlstetter/Brandenberg (2001). Zu Aktienbeteiligungs- und Belegschaftsaktien-Programmen vgl. Rosen (1997f). Zur Ausgestaltung virtueller und realer, sowie absoluter und relativer Optionsprogramme vgl. Adam-Müller (1997), S. 92, Rosen (1998c), S. 10f., o.V. (1999a), o.V. (1999f), S. 30, Rudolph/Schäfer (2000), S. 53, sowie Baumeister/Freisleben (2001). Vgl. Perry (1996), zit. bei Vafeas (1999), S. 114. Vgl. Holmstrom (1979), Harris/Raviv (1979), Grossman/Hart (1983). So scheint sie das Management zur Übernahme eines höheren Risikos zu bewegen (vgl. Hirshleifer/Suh 1992). Vgl. Sprenger (2001), ähnlich Frey (2000). Vgl. Brickley/Bhagat/Lease (1985), zitiert bei Altman (1988), S. 19. Vgl. Mehran (1995), S. 179. Vgl. Berle/Means (1932), zit. bei Palia/Lichtenberg (1999), S. 324. Vgl. Chen/Steiner (2000), S. 365.
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Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
Vermögens- und Verwaltungsrechte ein und kann auf beiden Ebenen sowohl im Sinne des Aktionärsinteresses als auch entgegengesetzt wirken. Für den beteiligten Manager bedeutet ein Anteil am Unternehmen zunächst einmal ein Vermögensrecht. Ein steigender Anteil am Unternehmen ist mit einem steigenden Anteil des Unternehmens an seinem Gesamtvermögen gleichzusetzen. Deshalb wirken Kursveränderungen zwar direkt, aber je nach Wohlstand unterschiedlich stark auf seine Vermögenssituation. Für die Festlegung der optimalen Beteiligungshöhe wäre also im Idealfall immer die individuelle Vermögenssituation des Managers zu berücksichtigen.413 Zunächst einmal scheint eine Eigenkapitalbeteiligung des Managements tatsächlich einen positiven Anreizeffekt zu haben, indem sie die Interessen von Managern und externen Eigentümern aneinander angleicht, so dass eine positive Korrelation zwischen Management-Beteiligung und Produktivität bzw. Unternehmenswert angenommen werden kann.414 Vor diesem Hintergrund können Manager eine Eigenkapitalbeteiligung bewusst einsetzen, um dem Kapitalmarkt die Qualität ihrer Projekte zu signalisieren und damit den Marktwert zu steigern.415 Steigt der Anteil der Unternehmensbeteiligung am Gesamtportfolio des Managers jedoch auf eine Quote, die deutlich über jener der diversifizierten Aktionäre liegt, dann ist von einem Rückgang der Anreizkompatibilität auszugehen.416 Mit dem Anstieg der Beteiligung nimmt auch der Umfang der Stimmrechte zu. Eine steigende Beteiligungsquote des Managements kann dieses zunehmend gegen disziplinierende Maßnahmen der Aktionäre abschirmen,417 indem es die Wahrscheinlichkeit verringert, dass erfolgloses Management entlassen418 oder das Unternehmen übernommen419 wird. Beides
413
414
415 416
417 418
Crutchley/Hansen (1989) und Jensen/Solberg/Zorn (1992), zitiert bei Chen/Steiner (2000), S. 367, belegen allerdings, dass die Bestimmung der Beteiligungsquote nicht immer zielgerichtet im Sinne einer Anreizwirkung erfolgt und belegen verschiedene exogene Einflüsse auf den Grad der Managementbeteiligung. Vgl. grundlegend zu dieser Argumentation Jensen/Meckling (1976), S. 355, später auch Palia/Lichtenberg (1999), S. 323f., welche einen Produktivitätsanstieg empirisch bestätigt finden, sowie Chen/Steiner (2000), S. 366. Vgl. Leland/Pyle (1977), zit. bei Palia/Lichtenberg (1999), S. 324. Sehr große Beteiligungen können dazu führen, dass die Aktien des Unternehmens im Vermögensportfolio des Managers stark übergewichtet sind. Kursverluste stellen für ihn dann ein überproportional großes Risiko dar, sodass der Risikoaspekt gegenüber der Rendite für ihn in den Vordergrund tritt. Um sein Vermögen zu sichern, ist er dann gezwungen das Unternehmensrisiko auf ein Niveau zu senken, das nicht mehr dem von optimal diversifizierten Aktionären erwarteten Risko entspricht. Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 355, zit. bei Chen/Steiner (2000), S. 366, die von „Entrenchment Effects“ sprechen. Vgl. Morck/Shleifer/Vishny (1988). Denis/Denis/Sarin (1997), S. 194, finden eine empirische Bestätigung dafür, dass die Wahrscheinlichkeit einer Dispensation des Managements negativ mit ihrem Aktienanteil korreliert. Manager würden bereits ab 1% Beteiligung vor disziplinierenden Maßnahmen der Aktionäre geschützt. Vgl. Denis/Denis/Sarin (1997), zit. bei Palia/Lichtenberg (1999), S. 325.
II.2 Interaktionspotenziale und Ausgestaltung der Steuerungsebene
183
senkt die Sanktionswahrscheinlichkeit und das Kontrollpotenzial und damit den Unternehmenswert. Die sinkende Übernahmewahrscheinlichkeit hat darüber hinaus noch einen direkten Effekt auf den Aktienkurs, indem sie in einem niedrigen Ex-Ante-Marktwert resultiert.420 Insgesamt lässt sich aufgrund dieser Überlegungen eine negative Korrelation zwischen Management-Beteiligung und Unternehmenswert voraussagen, sobald der Anteil der vom Management gehaltenen Anteile zu groß wird. Die mit der Managementbeteiligung zunehmende Schwierigkeit, das Management zu entlassen, hat aber gleichzeitig den positiven Effekt hat, dass die Manager bereit sind in unternehmensspezifisches Humankapital zu investieren, was letztlich den Marktwert steigern sollte.421 Wie stark dieser letzte Effekt zum Tragen kommt, ist theoretisch positiv mit dem ex ante Grad der Eigenmotivation des Managements und negativ mit der persönlichen Unverzichtbarkeit des Managements korreliert. Er dürfte daher insbesondere bei Start-Ups von hoher Bedeutung sein, welche weitgehend vom Know-How ihrer Gründer abhängen. Allgemein lässt sich zunächst festhalten, dass es a priori kaum möglich scheint, für einen bestimmten Beteiligungsgrad vorherzusagen, welche dieser Effekte den anderen dominieren wird. Daher ist die Beziehung zwischen Unternehmenswert und Grad der Managementbeteiligung weitgehend eine empirische Frage.422 Es ist jedoch zu vermuten, dass ein Anstieg der Management-Beteiligung zunächst zu einer Zunahme, später zu einer Abnahme des Marktwertes führt.423 Die Empirie bestätigt zunächst einmal einen grundsätzlichen Bewertungseinfluss der Management-Beteiligung.424 Ein positiver Zusammenhang besteht uneingeschränkt für Beteiligungsquoten bis zu 5%. Bei höheren Quoten unterscheiden sich die Ergebnisse der Untersuchungen dann aber signifikant.425 419 420 421 422 423 424 425
Vgl. Denis/Denis (1995), Denis/Serrano (1996), zit. bei Denis/Denis/Sarin (1997), S. 215. Vgl. Stulz (1988), zit. bei Palia/Lichtenberg (1999), S. 324f. Vgl. DeAngelo/DeAngelo (1985), zit. bei Denis/Denis/Sarin (1997), S. 196. Vgl. Morck/Shleifer/Vishny (1988), zit. bei Palia/Lichtenberg (1999), S. 329. Vgl. Palia/Lichtenberg (1999) S. 325. Vgl. Berle/Means (1932), Demsetz (1983), Jensen/Meckling (1976), McConnell/Servaes (1990), Morck/Shleifer/Vishny (1988), Stulz (1988), u.a., zit. bei Shome/Singh (1995), S. 3. Während Mehran (1995), sowie Cho (1998) eine linear positive Abhängigkeit des Unternehmenswertes von der Beteiligungsquote feststellen, sehen Palia/Lichtenberg (1999) und Chen/Steiner (2000) die Höhe der Managementbeteiligung als nichtlineare Determinante des Unternehmenswertes. McConnell/Servaes (1990), Denis/Denis/Sarin (1997), Himmelberg/Hubbard/Palia (1999) und Chen/Steiner (2000) finden eine quadratische Relation, bei welcher die Managementbeteiligung mit dem Unternehmenswert zunächst positiv und bei hohen Beteiligungsquoten negativ korreliert. Hermalin/Weisbach (1991) und Morck/Shleifer/Vishny (1988) schätzen eine stückweise lineare Relation mit mehreren Wendepunkten. Ein Zusammenfassung empirischer Studien zur Korrelation zwischen Management-Anteil und Performance findet sich bei Demsetz/Villalonga (2001), S. 212.
184
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
II.3
Transaktionspotenziale und Ausgestaltung der Formatierungsebene
Der durch die Realisierung von Transformations- und Interaktionspotenzialen auf der primären und sekundären Ebene begründete Wert eines Unternehmens wird schließlich auf einer tertiären Ebene durch eventuelle Veräußerungskosten und ein allgemeines Veräußerungsrisiko gemindert. Transaktionspotenziale, welche durch die Ausgestaltung der Formatierungsebene entstehen, können diese Kosten bzw. Risiken reduzieren und so zur Wertsteigerung der Aktie beitragen.
II.3.1 Transaktionspotenziale
(1) Reduktion der Transaktionskosten
(2) Reduktion der Transaktionsrisiken
II.3.2 Gestaltungsansatz auf der Formatierungsebene
(1) Aktienstückelung
II.3.3 Platzierungsansatz auf der Formatierungsebene
(1) Handelsplätze
Abb. II-10:
(2) Aktiengattung
(2) Indizes
Transaktionspotenziale und Ausgestaltung der Formatierungsebene
Das weitere Vorgehen folgt der schematischen Übersicht in Abb. II-10. Zunächst werden zentrale Ausprägungen von Transaktionspotenzialen und ihr Nutzenbeitrag für den Aktionär dargestellt (II.3.1). Bei der Ausgestaltung der Formatierungsebene zur Realisierung dieser Nutzenpotenziale werden sodann zwei Ansätze unterschieden: Der Gestaltungsansatz (II.3.2) bezieht sich auf die Merkmale der Aktie an sich, während der Platzierungsansatz (II.3.3) das Umfeld thematisiert, in welchem die Aktie wahrgenommen und gehandelt wird.426
426
Simon/Ebel/Pohl (2002) würden tendenziell die Gestaltung dem Bereich „Produkt“ und die Platzierung dem Bereich „Distribution“ des Marketing-Mixes zurechnen.
II.3 Transaktionspotenziale und Ausgestaltung der Formatierungsebene
II.3.1
185
Ausprägungen von Transaktionspotenzialen
Transaktionspotenziale sind all jene Nutzenpotenziale des Investors, die nicht in der Führung oder Steuerung des Unternehmens selbst begründet sind, sondern mit der Handelbarkeit der Aktie zu tun haben. Es geht sozusagen um die „letzte Hürde“ auf dem Weg zur Realisierung des Aktienwertes am Kapitalmarkt. Beim Handel von Aktien bestehen Transaktionskosten und Transaktionsrisiken. Beide Faktoren beeinflussen die Kursbildung. (1) Transaktionskosten treten als direkte und indirekte monetäre und nichtmonetäre Kosten auf. Sie erhöhen über Ordergebühren, Spreads oder den Aufwand bei der Informationsbeschaffung generell die Kosten des Investors und wirken somit senkend auf die Trendkomponente des Kurses. (2) Das Transaktionsrisiko besteht darin, dass die Aktien zu einem beliebigen Zeitpunkt gar nicht oder nur zu einem ungünstigen Kurs veräußern werden können. Das kann auf niedriger Liquidität und hoher Volatilität beruhen und verstärkt die Zufallskomponente der Kursentwicklung, was über eine stärkere Abdiskontierung zu niedrigeren Kursen führt.427 Transaktionskosten und -risiken sollen zwar im Folgenden getrennt voneinander betrachtet werden, diese Trennung ist aber rein analytischer Natur. Tatsächlich sind sie insofern interdependent, als ein positiver Zusammenhang zwischen der Menge öffentlich verfügbarer Informationen und der Liquidität einer Aktie besteht.428 (1)
Reduktion der Transaktionskosten
Transaktionskosten entstehen dem Aktionär in mehrfacher Form. Einerseits handelt es sich dabei um explizit ausgewiesene monetäre Kosten in Form von Börsen- und Ordergebühren, die dem Aktionär für das Handeln an der Börse belastet werden. Zu weiteren monetären Kosten führt die Höhe der Spreads,429 die in Form höherer Kauf- bzw. niedrigerer Verkaufspreise ebenfalls von ihm getragen werden. Den bedeutendsten Anteil an den Transaktionskosten haben aber wohl nichtmonetären Kosten, die für die Informationsbeschaffung oder die rechtliche Absicherung der Übertragung anfallen und mit dem informatorischen und rechtlichen Standard der Handelsplattform variieren.430 Die Bezifferung der aus der Informationslage resultierenden Kosten ist schwierig, kann aber näherungsweise über die Erwartungsrendite be427 428 429 430
Börsenkurse lassen sich analytisch in eine Trendkomponente, eine zyklische Komponente und eine Zufallskomponente differenzieren. Vgl. Loisl (1994), S. 278ff. Vgl. Shleifer (1986), S. 587f. Easley/Hvidkjaer/O'Hara (2002), S. 2211, stellen umgekehrt fest, dass Aktien mit mehr privater Information eine geringere Liquidität aufweisen. Differenz zwischen Kauf- und Verkaufsgeboten im Orderbuch. Vgl. Dimson/Marsh (1999), S. 61. Geringere Kosten der Informationsbeschaffung können sich auch auf der Steuerungsebene durch eine gute Informationspolitik des Unternehmens entstehen. Vgl. Abschnitt
186
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
stimmt werden. Im Vergleich zwischen verschiedenen Aktien ergab eine Studie von Easley/Hvidkjaer/O’Hara (2002) für einen Unterschied von 10% in der Wahrscheinlichkeit für informationsbasierten Handel eine Differenz in der Erwartungsrendite von 2,5% p.a.431 Transaktionskosten stellen für den Investor eine Nutzenminderung dar, welcher er mit einer niedrigeren Bewertung der Aktie begegnet.432 Dieser Vorgang kann entweder als Subtraktion der antizipierten Kosten vom Kurswert oder als Anwendung eines höheren Diskontierungszinses beim Errechnen eines fairen Kurses modelliert werden.433 Es liegt auf der Hand, dass die Reduktion solcher Transaktionskosten zu einer höheren Bewertung der Aktie führt. Sie stellt somit ein Nutzenpotenzial für den Investor dar. (2)
Reduktion der Transaktionsrisiken
Transaktionsrisiken entstehen dem Investor in zweifacher Form: Erstens handelt es sich dabei um die Auswirkungen einer geringen Liquidität, zweitens um die Auswirkungen einer hohen Volatilität der gehandelten Aktie.434 Das damit verbundene Risiko des Investors besteht darin, dass es ihm zu einem gegebenen Zeitpunkt nicht mit Sicherheit möglich ist, seine Anteile zu einem angemessenen Preis zu veräußern. Jones/Slezak (1999) entwickeln ein Modell, in dem, basierend auf Veränderungen in der Varianz von Informationen und Liquiditätsschocks sich die Portfoliostrukturen der Marktteilnehmer im Zeitverlauf ändern und damit die Aktienrenditen beeinflussen.435 Die erwartete Rendite der Anleger nimmt mit zunehmender (abnehmender) Liquidität einer Aktie ab (zu) und impliziert somit einen Anstieg (Rückgang) des Kursniveaus.436 Der positive Einfluss eines liquiden Marktes auf den Wert der gehandelten Aktien lässt sich folgendermaßen erklären: Wird eine Aktie auf einem funktionierenden Markt gehandelt,
431 432 433
434
435 436
II.2.1. Vgl. Easley/Hvidkjaer/O'Hara (2002), S. 2185. Vgl. Easley/O'Hara (2000), zitiert bei Easley/Hvidkjaer/O'Hara (2002), S. 2186. Nach einem Modell von Amihud/Mendelson (1986) diskontieren rationale Investoren Aktien mit höheren Transaktionskosten und Handelsfriktionen stärker. Vgl. Amihud/Mendelson (1998), S. 69, sowie Wulff (2002), S. 277. Als Maß für die Volatilität dienen Varianz bzw. Standardabweichung. Als Maß für die Liquidität dienen primär Marktbreite und Markttiefe. Marktbreite bezeichnet die Handelsvolumina der ausgeführten Kaufund Verkaufaufträge, Markttiefe bezeichnet die Anzahl der offenen Verkaufsaufträge (Kaufaufträge) zu Preisen unmittelbar über (unter) dem herrschenden Marktpreis. Als weiteres Maß gilt der Quotient aus dem absoluten Volumen gehandelte Aktien und der Anzahl ausgegebener Aktien. Für sehr enge Märkte wird auch die Prozentzahl der Tage herangezogen, an denen überhaupt Handel in der Aktie stattfand. Vgl. Amihud/Mendelson (1986), S. 224f., sowie Wulff (2002), S. 290. Vgl. Jones/Slezak (1999), zitiert bei Easley/Hvidkjaer/O'Hara (2002), S. 2187. Vgl. Amihud/Mendelson (1986), zitiert bei Gerke/Arneth/Fleischer (1999), S. 4f..
II.3 Transaktionspotenziale und Ausgestaltung der Formatierungsebene
187
ist dies praktisch als Verkaufsoption zu verstehen, welche dem Aktionär die Möglichkeit gibt, aus einem unrentablen Projekt auszusteigen:437 „[An active] market gives the asset owner a put option which increases the value of the option to bail out of a poorly performing project.“ (Myers 1998a, S. 125)
Diese Möglichkeit, getroffene Investitionsentscheidungen zu revidieren, sobald neue Informationen verfügbar werden, verringert für den Investor sowohl das Informationsrisiko als auch das quantitativ messbare entscheidungslogische Risiko eines gemischten Kapitalanlagebestandes.438 Je höher also die Liquidität der Aktie, desto höher ist der Wert der in ihr enthaltenen Verkaufsoption, ergo der Wert der Aktie selbst. Ein entsprechendes Modell, das von einem positiven Zusammenhang zwischen Liquidität und Eigenkapitalwert ausgeht, wurde von Amihud/Mendelson (1986) entwickelt. Danach diskontieren rationale Investoren illiquide Aktien stärker als liquide Aktien.439 In der wissenschaftlichen Literatur finden sich zahlreiche empirische Studien, welche die höhere Attraktivität relativ liquider Aktien sowohl über Bid-Ask-Spreads440 als auch über andere Liquiditätsmaße441 nachweisen.442 Muscarella/Vetsuypens (1996) zeigen anhand einer Auswahl von ADR-Splits, dass der Anstieg in der Liquidität tatsächlich mit einem Vermögenszuwachs der Investoren verbunden ist.443 Auch eine Studie der Boston Consulting Group kommt zu dem Ergebnis, dass eine liquidere Aktie mit bis zu 10-15% höher bewertet wird.444 Als weiterer Beleg für den Einfluss der Liquidität auf den Wert der Aktien wird vielfach das signifikant niedrigere Bewertungsniveau nicht börsennotierter Unternehmen angesehen. Die-
437 438 439 440 441
442
443
444
Vgl. Myers (1998), S. 125, u.R.a. Myers/Majd (1983). Vgl. Schneider (1983). Vgl. Wulff (2002), S. 277, sowie Amihud/Mendelson (1998), S. 69. Vgl. Amihud/Mendelson (1986), Amihud/Mendelson (1989), Eleswarapu (1997), zitiert bei Easley/ Hvidkjaer/O'Hara (2002), S. 2186. Vgl. Brennan/Subrahmanyam (1996), Amihud/Mendelson/Lauterbach (1997), Brenan/Chordia/Subrahmanyam (1998), Datar/Naik/Radcliffe (1998), Amihud (2000), zitiert bei Easley/Hvidkjaer/O'Hara (2002), S. 2186. Demgegenüber existieren auch empirische Untersuchungen, die zu dem Ergebnis kommen, dass Liquidität nicht eingepreist wird. Vgl. Eleswarapu/Reinganum (1993), Chen/Kann (1996), Chalmers/Kadlec (1998), zitiert bei Easley/Hvidkjaer/O'Hara (2002), S. 2186. Dies kann allerdings daran liegen, dass die Illiquidität andeutenden Transaktionskosten zwischen den vielen Störfaktoren der Aktienrenditen häufig schwer aufzuspüren sind. Vgl. Wulff (2002) S. 277. Diese Untersuchung hat den Vorteil, dass der Vermögenszuwachs tatsächlich ursächlich der Liquidität zugeschriebe werden kann, da ADR-Splits zwangsläufig frei sind von Signaling Effekten. In der Studie von 50 DAX-Unternehmen konnten die Unternehmen mit einem Börsenumsatz von über 25 Mrd. € eine durchschnittliche Prämie von 10% generieren, während die Unternehmen mit Börsenumsätzen kleiner 2,5 Mrd. € einen Discount von -5% aufwiesen. Vgl. Mei-Pochtler (2001), S. 12 und S. 21f.
188
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
ser als „Fungibilitätsabschlag“445 oder „Liquidity Discount“446 bezeichnete Effekt wird empirisch dadurch bestätigt, dass die durchschnittlichen Renditen des Bieters beim Kauf privater Unternehmen positiv, beim Kauf börsennotierter Unternehmen hingegen negativ ausfallen.447
II.3.2
Gestaltungsansätze auf der Formatierungsebene
Der erste Handlungsansatz zur Realisierung von Transaktionspotenzialen auf der Formatierungsebene liegt in der Gestaltung der Aktie. Gestaltungsbereiche, mit denen sowohl Transaktionskosten als auch Transaktionsrisiken beeinflusst werden können, sind (1) die Stückelung und (2) die Gattung der Aktie. (1)
Aktienstückelung
Die Stückelung bzw. „Schwere“ der Aktie bezieht sich auf den Anteil, welchen die Aktie am Grundkapital ausmacht und verhält sich umgekehrt zu der Anzahl der emittierten Aktien eines Unternehmens. Je kleiner die Stückelung, desto „leichter“ ist die einzelne Aktie. Dabei können sowohl (a) die Aktienstückelung an sich als auch (b) die Veränderung der Stückelung einen Einfluss auf den Börsenwert des Unternehmens haben. (a) Stückelung an sich: Die theoretischen Ansätze, welche sich mit der Stückelung an sich beschäftigen, haben ihre Gemeinsamkeit darin, dass sie von der Existenz optimaler Handelspreise ausgehen. Der vielleicht zentrale, als Liquiditäts-Hypothese diskutiert Erklärungsansatz, besagt, dass eine kleinere Stückelung die Liquidität erhöht und damit positiv auf den Wert der Aktien wirkt.448 Eine erste Begründung für diese Annahme könnte darin liegen, dass für Kleinaktionäre mit einem relativ geringen Investitionsvolumens der Erwerb zu „schwerer“ Aktien die optimale Diversifizierung ihres Portfolios unmöglich machen kann. Sie würden dadurch als potentielle Investoren ausscheiden, wodurch die Liquidität sinkt und ggf. die Volatilität steigt. Umgekehrt können auch zu „leichte“ Aktien eine höhere Volatilität aufweisen. Ursächlich sind vermutlich die im Verhältnis zu ihrem Kurs relativ großen „Minimum Tic Sizes“. So lie-
445 446 447 448
Vgl. Olbrich (2000), S. 456, sowie Greenside (1976), S. 33f. Vgl. Fuller/Netter/Stegemoller (2002), S. 1763ff. Vgl. exemplarisch Hansen/Lott (1996) und Chang (1998). So sollte bspw. mit dem 1:3 Aktiensplit der Hannover Rückversicherungs-AG vom Juli 2002 laut einem Schreiben des Vorstands „die Liquidität der Aktie erhöht und die Nachfrage gestärkt werden“. Vgl. zu der „Liquiditäts-Hypothese“ Wulff (2002), S. 271.
II.3 Transaktionspotenziale und Ausgestaltung der Formatierungsebene
189
gen die kleinstmöglichen Kurssprünge bei so genannten Penny Stocks teilweise bei mehr als 10% des Aktienpreises. Darüber hinaus lässt sich auch die Existenz einer emotionalen Komponente nicht ausschließen: Einerseits wirkt eine Aktie mit kleiner Stückelung billiger. Andererseits wird gemeinhin vermutet, dass eine kleinere Stückelung, ähnlich wie beim Zahlen von Trinkgeldern, zu einer prozentual höherer Zahlungsbereitschaft führen könnte, da auch hohe relative Aufgelder als gering wahrgenommen werden. Insgesamt legt die Theorie nahe, dass der Wert der Aktien für den Aktionär durch die Wahl einer optimalen Stückelung gesteigert werden kann. Dahingehend ist auch die Empfehlung der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex (2001) zu verstehen, die nahe legt, dass ein Cent als Mindestnennwert von Nennbetragsaktien zugelassen werden sollte.449 In der empirischen Forschung wird der Einfluss der Stückelung auf den Aktienkurs und seine Determinanten weitgehend bestätigt. Lakonishok/Lev (1987) und Han (1995) liefern empirische Belege für die Existenz optimaler Handelspreise. Auch die Ergebnisse von Copeland (1979) und Conroy/Harris/Benet (1990), welche für den US-amerikanischen Markt in bestimmten Fällen einen Rückgang der Handelsaktivität nach einem Aktiensplit diagnostizieren, lassen die Existenz optimaler Preise vermuten.450 Eine fundierte Bezifferung der optimalen „Schwere“ wurde zwar verschiedentlich versucht,451 ist aber wohl nur situativ möglich, weil sie in Abhängigkeit von Faktoren wie dem realen gesamtwirtschaftlichen Investitionsvolumen und der subjektiven Wahrnehmung der Investoren variiert. (b) Veränderung der Stückelung: Zur Anpassung der Stückelung erfolgt in der Regel ein Aktiensplit.452 Auch für die mit solchen Aktiensplits verbundenen Kurseffekte finden sich Erklärungen, die als Signalhypothese und Neglected Firm Hypothese diskutiert werden. Die Signalhypothese453 unterstellt, dass Aktionäre die Entscheidung des Managements für einen Aktiensplit als Signal dafür ansehen, dass das Management zukünftige Kurssteigerun449 450 451
452
453
Vgl. Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex (2001), S. 192. Vgl. Wulff (2002), S. 277. Vgl. z.B. Meinel (1996), S. 76, sowie DAI (1996), S. 9. Für empirische Studien zu Effekten der Stückelung am Beispiel von Aktiensplits vgl. exemplarisch Grinblatt/Masulis/Titman (1984), Ohlson/Penman (1985), Lakonishok/Lev (1987), Asquish/Healy/Palepu (1989), Maloney/Mulherin (1992), Pilotte/Manuel (1996), Koski (1998), sowie Wulff (2002) unter Verweis auf Wulff (1996), Kaserer/Mohl (1998), Harrison (2000). Dabei wird die Anzahl der Aktien erhöht (Reverse Split: gesenkt) und im Fale von Nennbetragsaktien der Nennwert im gleichen Verhältnis gesenkt (erhöht), so dass weder Cashflows entstehen, noch sich die Investitionsmöglichkeiten des Unternehmens oder gar ihr Buchwert verändern. Vgl. Exemplarisch Grinblatt/Masulis/Titman (1984), Asquith/Healy/Palepu (1989), Rankine/Stice (1997),
190
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
gen erwartet. Dabei kommt der Wahl des Splitfaktors ein hoher Aussagegehalt zu.454 Während allerdings in den USA die Entscheidung über den Split Faktor dem Management (bzw. den Aktionären) obliegt, ist dieser in Deutschland bei Nennwertaktien stark durch deren Mindestnennwert bestimmt.455 Folglich sollte eine durch den Signaleffekt verursachte Marktreaktion in Deutschland geringer ausfallen als in den USA.456 Die Neglected Firm Hypothese457 geht auf Arbel/Strebel (1982) zurück und stellt auf die Qualität der auf unvollkommenen Kapitalmärkten verfügbaren Informationen ab. Sie besagt, dass Unternehmen, über die wenig bekannt ist, da sie nicht im Fokus der Investoren stehen, mit einem Abschlag gehandelt werden. Wenn sie durch besondere Ereignisse plötzlich erhöhte Aufmerksamkeit erfahren, steigt mit der Transparenz auch ihr Wert.458 In den USA scheinen Unternehmen den Aktiensplit auch in diesem Sinne zu nutzen.459 Die Empirie scheint dieses Annahmen weitgehend zu bestätigen.460 Wulff (2002) findet für Splits nach allen verwendeten Maßen eine Erhöhung der Liquidität.461 Dabei scheint der Effekt für wenig liquide Titel und Small Caps sehr viel deutlicher zu sein als für ohnehin schon liquide Titel und Large Caps. Diese Beobachtung lässt die Schlussfolgerung zu, dass neben einer erhöhten Liquidität vor allem die gestiegene Aufmerksamkeit zu Kurssteigerungen führten könnte. Ähnliche Ergebnisse finden Muscarella/Vetsuypens (1996). Auch bei einer Auswahl von ADR-Splits, die zwangsläufig frei von Signaleffekten sind, lässt sich ein Anstieg der Liquidität nach dem Split beobachten.462 Für die Varianz finden sich keine so eindeutigen Ergebnisse. Nach dem Aktiensplit lässt sich, basierend auf Trade-to-trade Returns keine Veränderung der Varianz feststellen. Allerdings steigt die Varianz der Simple Daily Returns nach dem Aktiensplit signifikant.463 Noch deutlichere Ergebnisse zeigen sich für Nordamerika.464
454 455 456 457 458
459 460 461 462 463 464
oder Wulff (2002). Vgl. McNichols/Dravid (1990). Vgl. Wulff (2002), S. 274, der feststellt, dass bei Einführung neuer Mindestnennwerte beinahe alle Aktiengesellschaften, die einen Aktiensplit durchführten, den Mindestnennwert wählten. Vgl. Wulff (2002), S. 277. Vgl. Grinblatt/Masulis/Titman (1984), Arbel/Swanson (1993), Rankine/Stice (1997). Die Neglected Firm Hypothese lässt sich bspw. in Bezug auf die kurssteigernde Wirkung von Kapitalerhöhungen bei kleinen Unternehmen (im Gegensatz zur der im Schnitt kurssenkenden Wirkung bei großen Unternehmen) als Erklärungsansatz heranziehen. Vgl. Wulff (2002), S. 277. Vgl. Wulff (2000), S. 431. Vgl. Wulff (2002), S. 291f. Vgl. Wulff (2002), S. 277. Vgl. Wulff (2002), S. 290, sowie Ohlson/Penman (1985), zit. bei Wulff (2002), S. 290. Vgl. Koski (1998), zit. bei Wulff (2002), S. 290 für die USA und Kryzanowski/Zhang (1993), zit bei Wulff (2002), S. 290, für Kanada.
II.3 Transaktionspotenziale und Ausgestaltung der Formatierungsebene
191
Unabhängig davon lässt sich eine positive Korrelation zwischen Splits und den Aktienrenditen nachweisen. Wulff (2002) stellt für den deutschen Markt sowohl bei Bekanntgabe als auch am Ausführungstag von Aktiensplits abnormale Renditen von knapp 1% fest.465 Für den amerikanischen Markt sind sogar abnormale Renditen bis 4% belegt.466 (2)
Aktiengattung
Die Aktiengattung bezieht sich in diesem Zusammenhang primär (a) auf die Ausgestaltung als Namens- bzw. Inhaberaktien, was im Falle einer ausländischen Notierung die Entscheidung zwischen Globalaktien und ADRs beeinflusst. Daneben ist (b) die Entscheidung zwischen Stamm- und Vorzugsaktien von Bedeutung.467 (a) Namens- vs. Inhaberaktien: Namensaktien verursachen grundsätzlich einen höheren Aufwand als Inhaberaktien. Allerdings hält sich dieser seit der Einführung eines elektronischen Aktienbuches im Rahmen. Mögliche Motive für die Einführung von Namensaktien468 liegen in einer Verbesserung der Investor Relations und in der Möglichkeit eines direkten Zweitlistings an ausländischen Börsen, vor allem der NYSE. Eine mögliche Verbesserung der Investor Relations kann darauf beruhen, dass die Gesellschaft Informationen über die Zusammensetzung der Anteilseigner erhält, die beim Kauf mit Name, Adresse, Nationalität und Beruf gespeichert werden.469 So kann sie einerseits frühzeitig Veränderungen der Aktionärsstruktur feststellen und der Gefahr feindlicher Übernahmen proaktiv begegnen.470 Andererseits hat sie die Möglichkeit, mit den Aktionären direkt in Kontakt zu treten und mit diesen gezielt zu kommunizieren.471 Das entstehende Vertrauensverhältnis führt dazu, dass sich Aktionäre auch in Krisensituationen nicht sofort von ihren Aktien trennen, was das Rückschlagspotenial der Kurse und damit die Volatilität verringert. Die Namensaktie dient damit als Basis sowohl für die Realisierung von Interaktionspotenzialen über 465
466
467 468 469 470
471
Vgl. Wulff (2002) der für die Tage (-2; +3) um den Bekanntgabezeitpunkt abnormale Renditen von 0,74% (simple daily returns) bzw. 0,80% (trade-to-trade returns) und für die Tage (-2; +3) um den Ausführungstag abnormale Renditen von durchschnittlich 0,93% feststellt. Ähnlich Harrison (2000), zitiert bei Wulff (2002), S. 285. Vgl. Grinblatt/Masulis/Titman (1984) und Arbel/Swanson (1993), die von 4% abnormaler Rendite sprechen, sowie Ikenberry/Renkine/Stice (1996) und Pilotte/Manuel (1996), die abnormale Renditen von 2% finden. Vgl. hierzu die Ausführungen zu Handelsobjekten in Abschnitt I.1.2 (2) oben. Vgl. insgesamt Herdina/Ziegert (2001), S. 2. Vgl. o.V. (1999h), S. 12. Voraussetzung ist allerdings, dass die „tatsächlichen“ Aktionäre im Aktienregister eingetragen sind, was bspw. in den USA überwiegend nicht der Fall ist. Dort werden in der Regel Dritte, wie Depotbanken und Treuhänder gespeichert. Vgl. o.V. (1999e), S. 24.
192
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
proaktives Handeln auf der Steuerungsebene (II.2), als auch für die Reduktion des Transaktionsrisikos und mithin zur Realisierung von Transaktionspotenzialen (II.3). Als Alternativen zur Namensaktie wird im Zusammenhang mit Investor Relations die Einrichtung von Aktionärsforen und Aktienclubs diskutiert.472 Darüber hinaus sind Namensaktien Voraussetzung für ein direktes Listing an der Wall Street, da dort keine Inhaberaktien zugelassen sind. Namensaktien machen somit den Umweg über ein sogenanntes ADR-Programm überflüssig.473 ADRs (American Depository Receipts) stellen zwar die kostengünstigste Möglichkeit eines Dual Listing dar, sie gelten aber gegenüber normalen Stammaktien als minderwertig, weil die Stimmrechte bei der Depotbank liegen. Die Emission sogenannter globaler Aktien, welche den Anforderungen unterschiedlicher Börsen gerecht werden, ist dagegen zwar deutlich kostenintensiver, hat dafür aber zwei bedeutende Vorteile:474 Zum einen erhöht sich die Liquidität, indem ein Split in Landesaktien und ADRs umgangen wird. Zudem dürfen z.B. in den USA viele nationale Pensionsfonds nur in nationale Aktien investieren. Diese Investoren gingen ohne eine Globalaktie verloren. Als Voraussetzung für ein Dual Listing, welches die Liquidität erhöhen und das Transaktionsrisiko senken kann, stellt die Namensaktie also ein indirektes Transaktionspotenzial für den Aktionär dar. (b) Stamm- vs. Vorzugsaktien: Vorzugsaktien unterscheiden sich von Stammaktien dadurch, dass sie die Verwaltungsrechte, insbesondere das Stimmrecht, teilweise ausschließen. Im Gegenzug wird Vorzugsaktionären häufig ein Vorrecht bei der Gewinnausschüttung eingeräumt. Stammaktien stellen damit die Voraussetzung für einen Großteil der in Kapital II.2 dargestellten Interaktionspotenziale dar und wirken sich positiv auf den Aktienkurs aus.475
II.3.3
Platzierungsansätze auf der Formatierungsebene
Der zweite Handlungsansatz zur Realisierung von Transaktionspotenzialen auf der Formatierungsebene liegt in der Platzierung der Aktie. Sie bestimmt das Umfeld, in welchem die Aktie wahrgenommen, bewertet und gehandelt wird. Platzierungsbereiche, welche sowohl Transaktionsrisiken als auch Transaktionskosten beeinflussen können, sind (1) die Börsen bzw. Bör472
473 474 475
Der Unterschied zwischen beiden Alternativen liegt darin, dass Clubs eine Mitgliedschaft erfordern und in ihrem Servicegedanken weitergehen als Foren. Vgl. Rosen (1997e), S. 14f. Beispiele sind die Foren der Deutschen Telekom (Forum T-Aktio) oder der Sanacorp AG. Zu den Auswirkungen einer Notierung an ausländischen Börsen vgl. auch unten II.3.3 (1). Vgl. o.V. (1999h), S. 12f. Auf die Nachteile der Vorzugsaktie in Bezug auf die Kapitalkosten weist gezielt Lewis (1994), S. 98, hin. Vgl. insgesamt auch die Ausführungen in Abschnitt II.2.1 dieser Arbeit.
II.3 Transaktionspotenziale und Ausgestaltung der Formatierungsebene
193
sensegmente, an welchen die Aktie gehandelt, und (2) die Indizes, in welche sie aufgenommen wird. (1)
Die Wahl der Handelsplätze
Die Börse bzw. das Börsensegment, in welchem die Aktie notiert wird, beeinflusst als erste Dimension der Platzierung die Transaktionskosten und –risiken.476 In diesem Rahmen ist (a) die Entscheidung zu treffen, an welcher Börse und in welchem Börsensegment die primäre Notierung der Aktie erfolgen soll. Darüber hinaus ist (b) der potentielle Nutzen eines zusätzlichen Listings, insbesondere an einer ausländischen Börse, zu erwägen. (a) Primärlisting: In einem ersten Zugang muss das Management entscheiden, welche Börse bzw. welches Segment die besten Voraussetzungen für den Handel der Aktien des Unternehmens bietet. Traditionell ist dies in der Regel eine Börse im Land der Niederlassung. Mit der Wahl der Börse bzw. des Segments gehen bestimmte Anforderungen an das Unternehmen, aber auch bestimmte Rahmenbedingungen des Handels einher. Die damit verbundenen Transaktionspotenziale, welche sich im Wesentlichen auf drei verschiedene Wirkungsmechanismen zurückführen lassen, sind den entstehenden Kosten gegenüberzustellen.477 Zum einen handelt es sich dabei um die direkten Effekte der Börsencharakteristika. Dazu zählen Publizierungsregeln, Ordergebühren, Regeln zur Zuordnung von „Designated Sponsors“, Minimum Tic Sizes, oder Spreads. Die mit einem Listing verbundenen Publizitätspflichten wirken senkend auf die Transaktionskosten des Investors. Das ist darauf zurückzuführen, dass zunächst einmal die Kosten zur Beschaffung der notwendigen Informationen sinken. Damit sinken auch die sektoralen Informationsasymmetrien durch private Informationen, die eine auf dem Adverse Selection Prinzip beruhende direkte wertmindernde Wirkung aufweisen würden. Schließlich ist auch von einem Rückgang der Irrationalität beim Handeln auszugehen, womit über die Volatilität auch das Transaktionsrisiko sinkt.478 Ordergebühren schlagen sich direkt auf die monetären Transaktionskosten nieder, da sie auch von Intermediären an den Investor weitergegeben werden. Die verpflichtende Zuordnung von „Designated Sponsors“ sorgt für die Liquidität der Aktie und vermindert auf diese Weise das Transaktionsrisiko.479 Schließlich wirkt die Minimum Tic Size auf die Volatilität, aber auch
476 477 478 479
Vgl. Easley/Hvidkjaer/O'Hara (2002), S. 2185f., welche darauf hinweisen, dass die Eigenschaften des Marktes bzw. Handelsprozesses über die Preisbildung die Aktienrenditen beeinflussen können. Für eine Übersicht der Kosten einer Börsennotierung vgl. Pfender/Pölert (2001), S. 315ff. Für das Unternehmen entstehen Kosten zur Bereitstellung eines leistungsfähigen Rechnungswesens, um den Publizitätspflichten nachzukommen. Vgl. Rosen (2000c), S. 2. Die Kosten für einen solchen Betreuer (Bank oder Wertpapierhandelshaus)
194
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
auf die Spreads, welche zusätzlich auf der Markt-Mikrostruktur beruhen und sowohl die Liquidität als auch die Transaktionskosten beeinflussen.480 Zum zweiten profitiert ein Unternehmen von einem Phänomen, das man vielleicht als „Markenwert der Börse“ bezeichnen könnte. Es basiert auf einer erfolgreichen Positionierung der Börse bei der Financial Community sowie der Anzahl der Begleiter481 und äußert sich in einer erhöhten Aufmerksamkeit der Financial Community und einem erhöhten Handelsvolumen. Beides verringert die Transaktionskosten durch ein höheres Mass an Informationsproduktion, senkt das Transaktionsrisiko durch ein geringeres Informationsrisiko und führt aufgrund einer höheren Aufnahmefähigkeit und Akzeptanzfreude des Marktes zu höheren Kursen.482 Drittens hat die Wahl der Börse bzw. des Börsensegments eine Signalwirkung, die damit zusammenhängt, dass das Unternehmen bestimmte, mit der Notierung verbundene Vorschriften, wie z.B. Haltefristen, Rechnungslegungsstandards oder Veröffentlichungspflichten, akzeptiert und somit die Fähigkeit signalisiert, diesen Vorschriften zu entsprechen.483 Je umfangreicher die Anforderungen für das Listing an einer bestimmten Börse sind, desto stärker werden die ausgesandten Signale bezüglich der Managementqualität. Letztlich handelt es sich dabei um eine versteckte Form der Kommunikation und damit um Interaktionspotenziale. (b) Zweitlisting: Eventuell kann es für ein Unternehmen vorteilhaft sein, seine Aktien an weiteren Börsen notieren zu lassen. Das ist darauf zurückzuführen, dass nationale Kapitalmärkte durch Marktbarrieren segmentiert werden, die aus gesetzlichen Investitionsbarrieren, Steuern oder Transaktionskosten resultieren können.484 Jede Aktivität des Unternehmens, welche die Kosten dieser Marktsegmentierung verringert, insbesondere eine Deregulierung der internationalen Eigentümerstruktur über das Listing an einer zusätzlichen Börse, kann den Unternehmenswert maximieren.485
480 481 482 483 484 485
werden mit etwa 50.000 bis 75.000 Euro p.a. Vgl. Hammer (2001), S. 56. Vgl. Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 128. Hierzu zählen bspw. Betreuer, Konsorten, Analysten, Wirtschaftsjournalisten, oder Anlageberater und die zugelassenen Händler. Vgl. Rosen/Prechtel (1996), S. 388. Pfender/Pölert (2001), S. 305, sprechen in diesem Zusammenhang von einem „Qualitätszeugnis erfolgreicher Unternehmensführung“. Vgl. Ramchand/Sethapakdi (2000), S. 1494. Vgl. Black (1974), Subrahmanyam (1975), Stapelton/Subramanyam (1977), Stulz (1981), Errunza/Losq (1985), Alexander/Eun/Janakiramanan (1987, 1988), Stulz/Wasserfallen (1995), Eun/Janakiramanan (1998), S. 165, sowie Ramchand/Sethapakdi (2000), S. 1494. Für eine empirische Untersuchung verschiedener Investitionsbarrieren auf die internationalen Gleichgewichtspreise von Aktien vgl. darüber hinaus, Errunza/Losq (1989), Eun/Janakiramanan (1986) und Hietala (1989).
II.3 Transaktionspotenziale und Ausgestaltung der Formatierungsebene
195
Wenn Finanzwerte aufgrund solcher Investitionsbarrieren marktspezifische Preise haben, dann beeinflussen Veränderungen in der internationalen Aktionärsstruktur den Unternehmenswert, selbst wenn die Fundamentaldaten des Unternehmens unverändert bleiben.486 Vorausgesetzt, die Aktie ist positiv mit dem inländischen Marktportfolio korreliert, gilt der folgende Zusammenhang: Wenn der von ausländischen Aktionären gehaltene Anteil zunimmt, steigt der Wert des Unternehmens mit einer abnehmenden Rate und nähert sich asymptotisch dem Wert im perfekten Kapitalmarkt. Während der Wert der ursprünglich von inländischen Investoren gehaltenen Aktien steigt, sinkt der Preis der ursprünglich bereits von ausländischen Investoren gehaltenen Aktien als Folge des zunehmenden Angebots.487 Das geschieht vorrangig über zwei Mechanismen. Zum einen erhöht die zusätzliche Notierung die Heterogenität der Aktionärsbasis und führt damit zur Steigerung der Liquidität.488 Damit sinkt tendenziell das Transaktionsrisiko. Dieser Effekt tritt vor allem dann auf, wenn dadurch Investoren erreicht werden, die vorher noch keinen Zugang zum Handel mit der Aktie hatten, sich also ein komplementäres Investorenund Branchenprofil erschließt. Ein Zweitlisting an einer ausländischen Börse, wie bspw. dem NYSE, hat daher in der Regel einen stärkeren Effekt auf die Kursentwicklung als wenn dies an einer weiteren inländischen Börse erfolgt.489 Mathematisch entspricht das der Addition zweier Nachfragekurven. Die fallende Nachfragekurve verschiebt sich nach rechts, was im Vergleich zu ausschließlich inländischen Emissionen den Preisdruck reduziert und damit die erzielbaren Preise erhöht.490 Zum anderen kann eine zusätzliche Notierung an ausländischen Börsen (insb. den USA) in besonderem Maß die Aufmerksamkeit von Analysten und anderen Begleitern auf das Unternehmen lenken und zusätzliche Research Coverage in dem neuen Markt hervorrufen.491 Die daraus resultierende erhöhte Transparenz reduziert die Informationskosten sowohl inländi-
486
487 488 489
490 491
Dem liegt die Annahme zugrunde, dass nationale Investoren jeden Vermögenswert in Bezug auf sein systematisches Risiko vor dem Hintergrund ihres Landesspezifischen Marktportfolios bewerten, welches sich aus den in ihrem Land erhältlichen in- und ausländischen Aktien zusammensetzt. Vgl. Eun/Janakiramanan (1998), S. 149ff. Vgl. Eun/Janakiramanan (1998), S. 160f.. Vgl. Tiemann (1997), S. 59ff. oder Westermann (2001), S. 137. Zu den Effekten internationale Zweitlisting vgl. die Untersuchungen von Alexander/Eun/ Janakiramanan (1987, 1988), Damodaran/Liu/Van Harlow (1993), Foerster/Karolyi (1998, 1999), Howe/Kelm (1987), Lau/Diltz/Apilado (1994), Lee (1991), Rothman (1995), Torabzadeh/Bertin/Zivney (1992) und Varela/Lee (1993). Vgl. Ramchand/Sethapakdi (2000), S. 1492 u. s. 1494 sowie die ebenda zitierten Stapleton/Subramanyam (1977), Alexaner/Eun/Janakiramanan (1987), Karolyi (1998). Vgl. Rosen/Prechtel (1996), S. 389, Westermann (2001), S. 137, sowie Ball (1998), S. 43.
196
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
scher als auch ausländischer Investoren.492 Das trifft insbesondere dann zu, wenn der ausländische Börsenplatz über effizientere Regulierungsstandards als der Heimatmarkt verfügt.493 Ggf. konnten die ausländischen Investoren die Aktien vorher bereits erwerben, die verbesserte Informationslage senkt aber die Transaktionskosten und stellt gleichzeitig ein Interaktionspotenzial dar. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Aktienpreise durch eine erhöhte Nachfrage steigen und gleichzeitig das systematische Risiko abnimmt.494 Schließlich ist auch noch ein Effekt auf die direkten monetären Kosten denkbar. Die Einführung eines neuen Marktes, der um den Order-Fluss konkurriert, kann ggf. die Transaktionskosten (Handelsprovisionen, etc.) reduzieren.495 Empirische Studien bestätigen den Rückgang des systematischen Risikos und damit der Kapitalkosten durch ein Zweitlisting der Aktie im Ausland. Es lässt sich sowohl eine Veränderung im allgemeinen systematischen Risiko der Aktie496 als auch des Beta im Inlandsmarkt497 nachweisen. Darüber hinaus stellen sie nach der Emission ausländischer Aktien in den USA abnormale Renditen fest und finden, dass diese positiv mit dem Anteil des Handelsvolumens korreliert sind, welches in den US-Markt verschoben wurde.498 Diesen mit einem Doppellisting verbundenen Nutzenpotenzialen stehen direkte und indirekte Kosten gegenüber. Sie beruhen nicht nur darauf, dass ggf. eine Aktienumstellung erforderlich wird, zusätzliche Emissionskosten anfallen und unterschiedliche börsenrechtliche Rahmenbedingungen zu beachten sind.499 Insbesondere bei einem Zweitlisting im Ausland sind andere Berichtspflichten zu erfüllen, was in sprachlicher, kultureller und zeitlicher Hinsicht zu einer Mehrfachkommunikation führt, die sich auch bei kleinen Unternehmen leicht auf mehr als 500.000 € p.a. belaufen kann.500 Darüber hinaus stellen erweiterte Haftungsrisiken und Marktaustrittsbarrieren ein zusätzliches Risiko dar.501 Sinnvoll ist eine ausländische Notierung daher nur dann, wenn die damit verbundenen Kurseffekte diese Kosten wenigstens übersteigen. Dies ist in der Regel nur bei großen internationalen unternehmen der Fall. Lewis (1994) nennt daher als Voraussetzungen eines Zweitlis492 493 494 495 496 497 498 499 500 501
Vgl. Ramchand/Sethapakdi (2000), S. 1494. Vgl. Betz/Gleisberg (2004), S. 20. Vgl. Ramchand/Sethapakdi (2000), S. 1510ff. Vgl. Ramchand/Sethapakdi (2000), S. 1494. Vgl. Howe/Kelm (1987), Lee (1991), Torabzadeh/Bertin/Zivney (1992), Damodaran/Liu/Van Harlow (1993), zitiert bei Ramchand/Sethapakdi (2000), S. 1495. Vgl. Karolyi (1998), Stulz (1998) für einen Überblick, zitiert bei Ramchand/Sethapakdi (2000), S. 1495. Vgl. Foerster/Karolyi (1998), zitiert bei Ramchand/Sethapakdi (2000), S. 1495. Vgl. Westermann (2001), S. 138. Vgl. Rodenstock (2001). Zu den Nachteilen, speziell den direkten Kosten eines Zweitlisting vgl. Hannich u.a. (2005), S. 41ff.
II.3 Transaktionspotenziale und Ausgestaltung der Formatierungsebene
197
tings eine hohe Marktkapitalisierung sowie eine leistungswirtschaftliche Präsenz und gute Wettbewerbsposition in dem Zielland.502 (2)
Indizes
Indizes, in welchen die Aktie enthalten ist, können als zweite Dimension der Platzierung ebenfalls die Transaktionskosten und Transaktionsrisiken beeinflussen. In diesem Rahmen ist die Entscheidung zu treffen, in welchen Indizes die Aktie enthalten sein sollte. Dazu muss das Management entscheiden, welche Indizes den Charakteristika des Unternehmens bzw. seiner Aktie am besten entsprechen und für das Unternehmen am attraktivsten sind. Für die Aufnahme in einen Index muss das Unternehmen, wie auch für eine Börsennotierung, die jeweiligen Aufnahmekriterien erfüllen. Dabei kann es sich um qualitative Kriterien, wie besondere Formen der Berichterstattung oder die Anerkennung des Übernahmekodex,503 und um quantitative Kriterien, wie Kapitalisierung, Börsenumsatz, oder Branchenrepräsentation, handeln.504 Der Einfluss von Indizes auf den Kurs der in ihnen enthaltenen Aktien ist unbestritten.505 Diese Einschätzung scheinen auch die betroffenen Unternehmen selbst zu teilen.506 In einer Studie des DAI bewerten mehr als 70% aller Teilnehmer die Zugehörigkeit zu einem Index als wichtig bzw. sehr wichtig für ihr Unternehmen.507 Als Gründe für diese Einschätzung nennen sie die damit verbundene Stärkung ihrer Position als Emittent, Senkung der Kapitalkosten und bessere Publizität. Die Aufnahme in einen Index hat zunächst einmal einen Signaleffekt. Die qualitativen Auswahlkriterien der Indizes stellen, ähnlich wie die von Handelsplätzen, bestimmte Anforderungen an ein Unternehmen. Die Zugehörigkeit zu einem Index sagt damit etwas über die Qualität eines Unternehmens aus und dient den Investoren insofern als Indikator für Transaktions- und Interaktionspotenziale. Des Weiteren ist mit einer Indexaufnahme, ähnlich mit der Notierung an einer Börse, ein Aufmerksamkeitseffekt verbunden. Die intensivere Beobachtung kann zu einer Reduzierung anfallender Agency-Kosten beitragen508 und motivationsfördernd auf das Management wirken 502 503 504 505 506 507 508
Vgl. Lewis (1994), S. 98f. Bei internationalen Indizes ist die qualitative Vereinheitlichung durch die unterschiedlichen gesetzlichen Voraussetzungen in den einzelnen Ländern nur sehr eingeschränkt möglich. Vgl. Wetzel (2001a), S. 16ff. und die diesbezüglichen Ausführungen in Abschnitt I.1.2 (2). Vgl. Dimson/Marsh (1999), S. 61, und Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 128, die das Listing in bedeutenden Indizes als kursrelevantes Kriterium bezeichnen. Vgl. Schmitz-Esser (2001), S. 304. Vgl. Wetzel (2001a), S. 5ff. vgl. Dhillon/Johnson (1991), S. 76
198
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
und somit dessen Effizienz erhöhen.509 Die daraus resultierenden Kurseffekte lassen sich über die Informationshypothese und die Transaktionskostenhypothese erklären. Die Informationshypothese510 dient als Erklärung für einen permanenten Kurseffekt. Dieser resultiere daraus, dass sich mit der Aufnahme in einen Index die der Aktie entgegengebrachte Aufmerksamkeit (z.B. durch die Zahl der Analysten) und infolgedessen auch die zur Verfügung stehende Informationsmenge und -qualität dauerhaft erhöht.511 Daher verlangen die Investoren eine geringere Risikoprämie, wodurch das Kursniveau steigt.512 Die Transaktionskostenhypothese leitet aus der gestiegenen Aufmerksamkeit eine Reduzierung der Transaktionskosten ab, welche ebenfalls zu einer geringeren Erwartungsrendite und damit zu steigenden Kursen führt.513 Der vermutlich bedeutendste Einfluss auf die Kursbildung lässt sich schließlich als Nachfrageeffekt bezeichnen: Da die Portfolios institutioneller Anleger vielfach an Indizes orientiert sind oder diese sogar nachbilden wirkt die Zugehörigkeit zu einem Index auf die Nachfrage nach der Aktie. So soll nach einer Studie der Deutschen Bank allein in Europa die Umstellung der MSCI-Indizes auf Free Float zu einer Umschichtung von 66 Mrd. US$ geführt haben.514 Die zunehmende Zahl der Aktionäre führt zu einem Rückgang der von den Aktionären geforderten Rendite. Das beruht nach Merton (1987) darauf, dass nur diejenigen Anleger in einen Titel investieren, die über die renditebestimmenden Faktoren informiert sind. Folglich sind die optimalen Portfolios der Investoren nicht vollständig diversifiziert. Merton zeigt, dass ein Anstieg der Anzahl der Aktionäre die Kapitalkosten einer Firma reduziert, was den Marktwert des Unternehmens bzw. dessen Aktienkurs erhöht515 Der daraus resultierende Einfluss auf die Kursentwicklung wird durch die Preisdruckhypothese und die Hypothese unvollständiger Substitute erklärt. Die Preisdruckhypothese516 dient als Erklärung für einen temporären Indexeffekt: Die kurzfristige Nachfrage nach den Aktien 509 510 511 512 513 514 515
516
Vgl. Jain (1987), S. 63, sowie Gerke/Arneth/Fleischer (1999), S. 5. Vgl. Schmitz-Esser (2001), S. 198, der diese Hypothese empirisch nicht bestätigen konnte. Hier wurde die Annahme aufgegeben, dass sämtliche bewertungsrelevanten Informationen allen Marktteilnehmern kostenlos zur Verfügung stehen. Vgl. Gerke/Arneth/Fleischer (1999), S. 4, sowie Arbel/Strebel (1982) und Arbel/Carvell/Strebel (1983), Gerke/Arneth/Fleischer (2001), S. 47, zum „Neglected Firm Effect“. Vgl. Amihud/Mendelson (1986), zitiert bei Gerke/Arneth/Fleischer (1999), S. 4f., sowie Schmitz-Esser (2001), S. 199, der diese These empirisch besätigen konnte (S. 319f.). Vgl. o.V. (2000b). Von der Umstellung der meisten Indizes auf Free Float waren bspw. vor allem deutsche, französische und japanische Gesellschaften negativ betroffen. Vgl. Wetzel (2001a), S. 20. für empirische Untersuchungen, die dieses Modell bestätigen, vgl. Amihud/Mendelson/Uno (1999) und Foerster/Karolyi (1999). Vergrößert sich also im Zuge einer erhöhten Aufmerksamkeit durch die Indexaufnahme eines Wertes die Investorenbasis, führt dies zu einem dauerhaften Anstieg des Kursniveaus. Vgl. Gerke/Arneth/Fleischer (1999), S. 4, Gerke/Arneth/Fleischer (2001), S. 47. Auch Price Pressure Hypothesis (PPH). Vgl. Schmitz-Esser (2001), S. 202, der diese Hypothese empirsch bestätigt. Vgl. Schmitz-Esser (2001), S. 320.
II.3 Transaktionspotenziale und Ausgestaltung der Formatierungsebene
199
eines Unternehmens wird als nicht vollständig elastisch angenommen. Im Rahmen von Portfolioanpassungen indexorientierter Anleger kommt es zu einem kurzfristigen Überschussangebot (-nachfrage) bei den Papieren, die aus dem Index herausfallen (aufgenommen werden). Aufgrund der vorübergehenden Illiquidität des Marktes sinken (steigen) die Kurse dieser Aktien. Da die langfristige Nachfrage annahmegemäß vollkommen elastisch ist, sind diese Kurseffekte nur vorübergehender Natur.517 Demgegenüber liefert die Hypothese unvollständiger Substitute518 eine Erklärung für permanente Kurseffekte. Es wird die Annahme aufgegeben, dass alle Aktien perfekte Substitute füreinander darstellen, d.h. auch die langfristige Nachfrage ist nicht mehr vollkommen elastisch. Fügen institutionelle Anleger aufgrund der Indexumstellung Anteile der neu aufgenommenen Gesellschaften ihren Portfolios hinzu, werden diese dem Markt langfristig entzogen, womit eine Reduzierung des Angebots an diesen Aktien verbunden ist, was bei einer negativ geneigten Nachfragekurve zu einer dauerhaften Erhöhung des Gleichgewichtspreises führt.519 Autor(en) Arnott/Vincent (1986)
Zeitraum 1980-1984
Harris/Gurel (1986)
1973-1983
Shleifer (1986) Woolridge/Gosh (1986)
1966-1983 1977-1983
Jain (1987)
1977-1983
Lamoureux/Wansley (1987)
1966-1985
Dhillon/Johnson (1991) Edmister/Graham/Pirie (1994) Beneish/Whaley (1996) Lynch/Mendenhall (1997)
1978-1988 1983-1989 1986-1994 1990-1995
Abb. II-11:
Gegenstand Aufnahmen Streichungen Aufnahmen Streichungen Aufnahmen Aufnahmen Streichungen Aufnahmen Streichungen Aufnahmen Streichungen Aufnahmen Aufnahmen Aufnahmen Aufnahmen Streichungen
Kurseffekt permanent permanent temporär temporär permanent permanent temporär permanent permanent temporär temporär permanent permanent permanent und temporär permanent und temporär permanent und temporär
Empirischen Untersuchungen zum Indexeffekt für den S&P 500 Quelle: Gerke/Arneth/Fleischer (2001), S. 49
Diese Hypothesen werden durch empirische Studien weitgehend bestätigt. Alle Untersuchungen stellen Indexeffekte in Form signifikanter Kursgewinne (bzw. Kursverluste) bei Aufnah-
517 518 519
Vgl. Gerke/Arneth/Fleischer (1999), S. 3, Gerke/Arneth/Fleischer (2001), S. 47. Auch Imperfect Substitute Hypothesis (ISH). Vgl. Schmitz-Esser (2001), S. 205, der diese Hypothese empirisch nicht bestätigt findet. Vgl. Schmitz-Esser (2001), S. 319. Vgl. Gerke/Arneth/Fleischer (1999), S. 3, Gerke/Arneth/Fleischer (2001), S. 47.
200
Teil II: Nutzenpotenziale des Investors und Handlungsfelder des Unternehmens
men in (bzw. Herausfallen aus) einem Index fest, wenn auch unterschiedlicher Natur (vgl. Abb. II-11).520 Schmitz-Esser (2001) findet für verschiedene Indizes Überrenditen bei Aufnahmen und negative Kursreaktionen bei Streichungen. Nach dem Verkettungstag kommt es allerdings in allen Fällen zu einer Preisumkehr, so dass über dauerhafte Effekte keine einheitliche Aussage gemacht werden kann. Für alle Auswechslungen zeigt sich ein hochsignifikanter Anstieg im Handelsumsatz am Verkettungstag.521Mei-Pochtler (2001) spricht davon, dass die unterschiedliche Größe verschiedener Indizes für Differenzen in der Prämie auf den Aktienpreis in Höhe von 5% führen kann.522 Gerke Arneth/Fleischer (1999) ermitteln bei Aufnahmen in den DAX 100 sogar Überrenditen von mehr als 9%. Bei Ausschluß aus dem DAX 100 beträgt der Index-Effekt umgekehrt etwa -9%.523
520 521 522
523
Vgl. die Übersicht bei Gerke/Arneth/Fleischer (1999), S. 5f., sowie Gerke/Arneth/Fleischer (2001), S. 45ff., und Brealey (2000). Vgl. Schmitz-Esser (2001), S. 241ff. Vgl. Mei-Pochtler (2001), S. 12 und S. 21f.. Sie begründet das mit dem allerdings nur eingeschränkt beweiskräftigen Argument, dass die Werte des DAX Im Zeitraum 1988-1997 33% besser abschneiden konnten als die des kleineren CDAX. Vgl. Gerke/Arneth/Fleischer (1999), S. 1.
Aktionärsorientierte Unternehmensführung
Teil III:
201
DIE ENTWICKLUNG VON POSITIONIERUNGSOPTIONEN FÜR KONZERNE
Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne erfolgt zweckmäßigerweise in einem zweistufigen Verfahren. Zunächst lassen sich vor dem Hintergrund relevanter Rahmenfaktoren generische Positionierungsoptionen für fiktive Einheitsunternehmen herleiten (III.1). In einem zweiten Schritt werden dann konzernspezifische Positionierungsoptionen hergeleitet. Dafür werden zunächst die mit dem Auftreten von Konzernstrukturen verbundenen Besonderheiten eingeführt (III.2). Vor diesem Hintergrund wird dann der Umgang mit einzelnen Teileinheiten im Konzernverbund dargestellt sowie mögliche Positionierungen des Gesamtkonzerns aufgezeigt (III.3).
III.1
Generische Positionierungsoptionen
Die in Teil II dargestellten drei Ebenen der Nutzenpotenziale und Handlungsfelder bilden die inhaltliche Grundlage einer Positionierung bei den Investoren. Welche Bedeutung ihnen dabei im Einzelnen zukommt, ist situativ abhängig von den Determinanten der Positionierungsentscheidung: den Investorencharakteristika, welche die Nutzenpräferenzen der Investoren determinieren, und den Unternehmenscharakteristika, welche die Handlungsoptionen des Unternehmens determinieren.
III.1.1 Investorencharakteristika
Nutzenpräferenzen
(1) Unternehmenskonfiguration
Transformation Interaktion Transaktion
(2) Unternehmensumfeld
Führung III.1.3 Generische Positionierung
Steuerung Formatierung
Handlungsfelder
Abb. III-1:
(2) AktionärsSpezifika
III.1.2 Unternehmenscharakteristika
Handlungsoptionen
Nutzenpotenziale
(1) AktionärsSentiment
Determinanten
Investoren- und Unternehmenscharakteristika als Determinanten der Positionierungsentscheidung
Einzelne Nutzenpotenziale können isoliert betrachtet genau dann Teil einer Positionierung sein, wenn sie eine Kontingenz mit den Nutzenpräferenzen der Investoren einerseits und den Handlungsoptionen des Unternehmens andererseits aufweisen. Da Positionierungen definiti-
202
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
onsgemäß als Bündel von Nutzenpotenzialen aufzufassen sind, müssen die einzelnen Nutzenpotenziale darüber hinaus zueinander kompatibel sein (vgl. Abb. III-1).1 In Abschnitt III.1.1 werden zunächst die Investorencharakteristika und ihr Einfluss auf die Bedeutung der Nutzenpotenziale für die Investoren dargestellt. Vor diesem Hintergrund werden dann die im jeweiligen Kontext relevanten Nutzenpräferenzen der Investoren abgeleitet. In Abschnitt III.1.2 werden dann die Unternehmenscharakteristika eingeführt und ihr Einfluss auf die Handlungsfelder des Unternehmens aufgezeigt. Sie stellen die Rahmenbedingung für die Ableitung der im jeweiligen Kontext faktisch vorhandenen Handlungsoptionen dar. Abschnitt III.1.3 hat schließlich die Vorgehensweise bei der Entwicklung generischer Positionierungen auf Basis der Nutzenpräferenzen und Handlungsoptionen zum Thema.
III.1.1
Investorencharakteristika als Determinanten der Nutzenpräferenzen der Investoren
Die Investorencharakteristika, welche die individuellen Eigenschaften der Investoren und ihre Wahrnehmung in Bezug auf das Investitionsumfeld umfassen, haben Einfluss darauf, was für die Investoren von Interesse und was ihnen vermittelbar ist. Sie determinieren damit die Nutzenpräferenzen der Investoren als jene Teilmenge der Nutzenpotenziale, welcher die Investoren im Betrachtungszeitpunkt einen signifikanten Wert beimessen.2 Investorencharakteristika liegen außerhalb des direkten Einflussbereichs der Unternehmung3 und resultieren letztlich in spezifischen Investitionsstrategien. Erfolgreiche Positionierungsstrategien erfordern Komplementarität zu den Investitionsstrategien der Investoren. Sie müssen daher an deren Nutzenpräferenzen ausgerichtet werden. Abhängig davon, wessen Nutzenpräferenzen für die Strategiegenese zugrunde gelegt werden, unterscheidet man zwischen Grundstrategien und Nischenstrategien. Grundstrategien orientieren sich an den Nutzenpräferenzen der Gesamtheit aller Investoren. Als idealtypische Annäherung an die Gesamtheit aller Investoren bietet sich der in Abschnitt I.4.2 (2) skizzierte „aktive Investor“ an. Seine Eigenschaften können als weitgehend konstant angenommen werden, allerdings kann seine Wahrnehmung des Investitionumfeldes
1 2
3
Vgl. zu Nutzenpotenzialbündeln Abschnitt I.4.2(2) und zu Komplementarität als Erfolgsdimensionen von Positionierungen nach Krüger/Schwarz (1990) Abschnitt I.2.2 dieser Arbeit. Damit ist die Gesamtheit aller (unternehmensunabhängiger) Erfolgsfaktoren definiert. Vgl. die Definition von Erfolgsfaktoren in Abschnitt I.2.1 (2), als „[...] allgemeine, relativ abstrakt formulierte, isolierte Einflussgrößen innerhalb und außerhalb des Unternehmens, die den Erfolg von Unternehmen ‚vorsteuern’.“. Ihre quasi exogene Rolle bei der Positionierungsentscheidung entspricht der Sichtweise des Market Based View. Vgl. Abschnitt I.2.2 (1a) dieser Arbeit.
III.1 Generische Positionierungsoptionen
203
im Zeitablaut variieren. Die aggregierte Wahrnehmung des Investitionsumfeldes aller Investoren kommt im so genannten Aktionärs-Sentiment zum Ausdruck. Verschiedene SentimentSzenarien können daher zur Differenzierung allgemeiner Nutzenpräferenz-Muster und somit als Basis für Grundstrategien dienen (1). Nischenstrategien orientieren sich an den Nutzenpräferenzen einzelner Investoren. Ausgehend von den individuellen Eigenschaften und der Wahrnehmung eines Investors lassen sich als Basis für Nischen-Strategien individuelle Nutzenpräferenz-Muster ableiten oder alternativ auch direkt erheben. Individuelle Investorencharakteristika können ebenso wie die auf ihnen basierenden Nischenstrategien sehr vielfältiger Natur sein und lassen sich kaum überschaubar schematisieren. Daher soll dem Bereich der Nischenstrategien mit einigen Beispielen lediglich untergeordnete Aufmerksamkeit gewidmet werden (2). (1)
Aktionärs-Sentiment als Determinante von Grundstrategien
Das so genannte Aktionärs-Sentiment ist Ausdruck der situativen Wahrnehmung des Investitionsumfeldes durch die Gesamtheit aller Investoren. Es kann mithin als Indikator für die aggregierten Nutzenpräferenzen der Financial Community und letztlich die Eignung verschiedener Grundstrategien angesehen werden. Unter Rückgriff auf Barberis/Shleifer/Vishny (1997) lässt sich das Aktionärs-Sentiment in Grundzügen folgendermaßen modellieren: Investoren gehen davon aus, dass die Welt nur zwei grundlegende Zustände annehmen kann. Zustand 1 wird dadurch bestimmt, dass Aktienrenditen sich umkehren (einem Kursanstieg folgt ein Kursverlust). Zustand 2 wird dadurch bestimmt, dass Aktienrenditen einem Trend folgen (einem Anstieg folgt ein weiterer Anstieg). Der Investor geht davon aus, dass ein zugrunde liegender Prozess festlegt, in welchem Zustand sich die Welt gerade befindet.4 Der Investor muss nun lediglich entscheiden, wann ein Zustandswechsel stattfindet. Je länger ein Zustand angehalten hat, desto überzeugter wird der Investor sein, dass dieser weiterhin Bestand hat.5 Dies kann entweder zu einer Überreaktion des Anlegers auf trendkonforme Nachrichten und eine Unterreaktion auf nicht trendkonforme Nachrichten (Zustand 2) oder zu einer Unterreaktion des Investors auf einen Trend (Zustand 1) führen. Gleichzeitig kann eine Sentiment-Änderung zu einer allgemeinen PreisniveauÄnderung durch Ab- bzw. Zunahme der verfügbaren Geldmenge am Markt, als auch zu einer sektoralen Preisniveau-Verschiebung führen. Es liegt somit eine gepoolte Interdependenz zwischen Aktionärs-Sentiment und dem Kursverlauf vor. 4
Dieser Prozess wird von den Autoren als Markov-Prozess modelliert, sodass der aktuelle Zustand ausschließlich vom Zustand der Vorperiode abhängt.
204
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Die möglichen Ausprägungen des Aktionärs-Sentiments bilden ein Kontinuum zwischen Optimismus und Pessimismus. Optimismus gilt als Motor steigender Kurse bis hin zu einer Hausse („Bull Markets“) mit hohen P/B- und P/E-Verhältnissen, während Pessimismus zu sinkenden Kursen bis hin zu einer Baisse („Bear Markets“) mit niedrigen P/B- und P/EVerhältnissen führt. In der Realität lässt sich der Optimismus (Pessimismus) ex post durch die Dauer der positiven (negativen) Returns in Folge oder durch den gesamten Preisanstieg (Preisverfall) bestimmen. Eine Quantifizierung des Aktionärs-Sentiments erfolgt durch Indikatoren und Indizes. Gängige Sentiment-Indikatoren sind bspw. die Internet-Panel sentix® für verschiedene Aktienmärkte oder animusX® bezüglich der Erwartungen für den DAX.6 Auch die Deutsche Börse AG hat gemeinsam mit Cognitrend einen Sentiment-Index für den DAX und den TecDAX entwickelt.7 Um die Auswirkungen des Investor-Sentiments auf die Nutzenpräferenzen fundierter beschreiben zu können, soll an dieser Stelle das relativ komplexe und weitgehend blackboxartige Konstrukt „Sentiment“ analytisch in ein (a) Transformations-Sentiment und ein (b) Interaktions-Sentiment sowie ergänzend ein (c) Transaktions-Sentiment differenziert werden. Dabei werden die Teil-Sentimente zunächst dargestellt und dann ihre jeweils resultierenden Nutzenpräferenzen abgeleitet. Im Anschluss werden (d) mögliche Gesamt-SentimentSzenarien als Basis für idealtypische Nutzenpräferenz-Muster hergeleitet. (a) Transformations-Sentiment: Das Transformations-Sentiment lässt sich als Erwartung der Investoren hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung der Branche oder des Gesamtmarktes verstehen. Es kann von Optimismus bis Pessimismus reichen. Optimismus bildet sich primär durch einen lang anhaltenden Trend positiver wirtschaftlicher Entwicklung sowie durch verschiedene Indikatoren. Als Auslöser für Pessimismus kommen neben allgemein getrübten Aussichten auch politische oder weltwirtschaftliche Krisen sowie die Verunsicherung durch externe Ereignisse in Betracht. Ein Beispiel ist der Terror nach dem 11. September 2001. Einerseits führte er zu negativ belasteten Ertragsprognosen, aufgrund dauerhafter Zusatzkosten durch neue Sicherheitsvorschriften, höhere Versicherungsprämien und schärfere Kontrollen der Finanztransfers. Andererseits stieg dadurch die Risikowahrnehmung der Investoren: Je höher (geringer) ihr Risikobewusstsein, umso geringer (größer) ist ihre Bereitschaft, so ge-
5 6 7
Vgl. Barberis/Shleifer/Vishny (1997), S. 10ff. Vgl. www.sentix.de sowie www.animusx.de. Diese Indizes basieren auf der wöchentlichen Befragung von 150 institutionellen und in Bezug auf den TecDAX zusätzlichen 200 Privatanlegern und spiegelt deren Erwartungen bezüglich der Kursentwicklung in den folgenden 30 Tagen wider. Vgl. Egberts-Huf (2002), S. 10.
III.1 Generische Positionierungsoptionen
205
nannte „Risikowerte“ zu erwerben.8 Durch die sinkende (steigende) Nachfrage steigt (sinkt) die Erwartungsrendite und damit sinkt (steigt) der Kurs von Risikowerten relativ zu dem defensiver Papiere. Das Transformations-Sentiment beeinflusst primär die Bedeutung der TransformationsPotenziale. In einem ersten Zugriff lässt sich dieser Zusammenhang folgendermaßen rekonstruieren: Je optimistischer Investoren die Situation beurteilen, desto längerfristiger denken sie und umso größere Bedeutung messen sie den Werttreibern im Verhältnis zu Wertschöpfung und Wertverteilung bei.9 Bei schwindendem Optimismus verschiebt sich die größte Bedeutung im Sinne der Bevorzugung des „Spatzen in der Hand vor der Taube auf dem Dach“ über die Wertschöpfung zur Wertverteilung (vgl. Abb. III-2). hoch
Wertverteilung
Wertschöpfung
Werttreiber
Bedeutung
gering Pessimismus
Neutral
Optimismus
Transformations-Sentiment
Abb. III-2:
Der Einfluss des Transformations-Sentiments auf die Transformations-Potenziale
Ein Einfluss des Aktionärs-Sentiments auf die Bedeutung einzelner Werttreiber lässt sich auf zwei Ebenen rekonstruieren. Einerseits scheint die Bedeutung der exogenen Werttreiber im Vergleich zu der Bedeutung der endogenen Werttreiber mit wachsendem Optimismus überproportional zu steigen. Wird die Entwicklung der Gesamtwirtschaft oder einer Branche sehr positiv eingeschätzt, wird allen Unternehmen innerhalb dieser Gruppe hohes Potenzial zugebilligt.10 Andererseits scheint das Transformations-Sentiment bei steigendem Optimismus die Bedeutung weniger direkt wirkender endogener Werttreiber überproportional zu steigern: 8
9 10
Zur Identifikation sog. Risikowerte vgl. Osigus (2002), S. 22f. Als Kriterien nennt er einen Umsatz von weniger als 15 Mio. €, ein Aktienkurs unter 3 € (sog. „Penny Stocks“), hohe Kursvolatilität, ein signifikanter Goodwill (von mehr als 60% des Eigenkapitals), operative Verluste und fehlender FCF. Vgl. zu den Ausprägungen der Transformationspotenziale die Ausfühungen in Teil II.1. Beispielsweise brachte für den Web-Space- und Community-Anbieter FortuneCity der Börsengang an den neuen Markt im März 1999 mit 112 Mio. EUR neuen Kapitals knapp das 300fache des damaligen Grundkapitals, obwohl das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt weder eine erfolgreiche Historie noch ein visionäres Geschäftsmodell vorzuweisen hatte. Vgl. die Börsengänge der Deutschen Börse unter http://deutsche-boerse.com.
206
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Während in einem pessimistischen Investitionsumfeld neben dem Finanz- und Sachkapital das Management die größte Bedeutung bei der Investitionsentscheidung zu haben scheint, gewinnt mit zunehmendem Optimismus die Strategie, sowie Human-, Wissens-, Markt- und Kundenkapital an Bedeutung. Der Einfluss des Transformations-Sentiments auf die Bedeutung einzelner Komponenten der Wertschöpfung lässt sich auf drei Ebenen rekonstruieren. Zum einen wirkt das Sentiment auf die Verteilung der Bedeutung zwischen Festlegen und Erreichen bestimmter Kennzahlen. Während das Setzen von Zielgrößen unabhängig vom Sentiment eine hohe Bedeutung zu haben scheint, scheint mit zunehmendem Optimismus die Tatsache an Bedeutung zu verlieren, inwieweit die gesetzten Zielgrößen in der Vergangenheit tatsächlich erreicht wurden. Zum anderen steigt mit dem Optimismus die Bedeutung der Realoptionen als zukunfts- und potenzialorientierte Wertgröße, während die Bedeutung des Cash Flow tendenziell abnimmt. Gewinn und Residualeinkommen haben als Wertschöpfungs-Zielgrößen unabhängig vom Transformations-Sentiment eine in etwa konstant hohe Bedeutung. Drittens scheint auch die Bedeutung der ideellen gegenüber der monetären Wertschöpfung mit zunehmendem Optimismus zu wachsen.11 Schließlich steigt in Zeiten des Pessimismus die „Präferenz zur Liquidität“, was sich darin äußert, dass die tatsächliche Wertverteilung bspw. in Form einer Dividende eine hohe Bedeutung hat, die sie mit wachsendem Optimismus weitgehend einbüßt. Zusammenfassend lässt sich sagen: Sehen Investoren die allgemeinen Transformationspotenziale eher optimistisch, dann ist die wichtigste Determinante der Marktbewertung das Wachstum im Stammgeschäft.12 Investoren „kaufen Performance“ und bevorzugen Wachstumsunternehmen, die steigende Umsätze oder Wettbewerbsvorteile in wachsenden (Produkt)Märkten aufweisen.13 Tendenziell handelt es sich dabei um junge Unternehmen mit einem hohem Risiko/Rendite-Profil.14 Ähnlich wie dem Unternehmensrisiko wird bei großem Optimismus auch dem Principal-Agent-Risiko eine untergeordnete Bedeutung beigemessen. Sind Investoren indessen gegenüber den allgemeinen Transformationspotenzialen eher pessimistisch eingestellt, hat die aktuelle Ertragsstärke, insbesondere der Umsatzrendite, die mit Ab-
11
12 13 14
Eine eindeutige Aussage läßt sich aber diesbezüglich kaum treffen, da die Form der Interdependenz zwischen finanziellem und ideellem Erfolg nicht eindeutig geklärt ist. Vgl. hierzu die Darstellung in Abschnitt II.1.1 (2) oben zu den Formen der Interdependenz zwischen ideellen und finanziellen Erfolgsgrößen. Vgl. Burmann/Meffert (2003), S. 158ff., die eine Korrelation mit der Marktbewertung von 34% feststellen. Vgl. Altman (1988), S. 137 und 180. Vgl. Altman (1988), S. 138.
III.1 Generische Positionierungsoptionen
207
stand größte Bedeutung zur Erklärung des Marktwertes.15 Investoren „kaufen Preis und Management“ und bevorzugen Value-Unternehmen mit geringen Betas, die eine hohe Management-Qualität, operativen Erfolg und eine solide Finanzlage und Bilanzstruktur aufweisen.16 Tendenziell handelt es sich dabei um (aus Sicht der Investoren) unterbewertete ertragsstarke Large-Caps in defensiven Industrien. (b) Interaktions-Sentiment: Das Interaktions-Sentiment spiegelt die Erwartung der Investoren bezüglich der Interaktionsrisiken wider. Die damit angesprochene Einstellung zur Vertrauenswürdigkeit der Unternehmensführung kann von Vertrauen bis Verunsicherung reichen. Vertrauen bildet sich primär durch einen lang anhaltenden Trend positiver Erfahrungen mit dem Management. Als Auslöser für Verunsicherung kommen alle Arten von Unredlichkeit des Managements gegenüber den Aktionären in Frage. Unredliches Informationsverhalten beinhaltet bspw. „kreative Bilanzierung“ und Gewinnmanipulation oder auch Insiderhandel.17 Ganz deutlich wurde die Bedeutung starker Verunsicherung im Jahr 2002, als die Rechnungslegungsskandale um Enron und Worldcom zu starken Kursverlusten nicht nur der beteiligten Unternehmen führten.18 Das ist damit zu erklären, dass bereits einzelne Fälle von Bilanzmanipulation die Risikowahrnehmung der Investoren verändern und ihr Vertrauen in die grundsätzliche Glaubwürdigkeit der in den Jahresabschlüssen dargestellten Finanzhistorie erschüttern.19 Das Interaktions-Sentiment beeinflusst primär die Bedeutung der Interaktions-Potenziale. Dieser Zusammenhang lässt sich allgemein in etwa folgendermaßen rekonstruieren: Je größer das Vertrauen der Investoren in das Geschäftsgebaren des Managements ist, desto weniger „Sicherheiten“ benötigen sie, um dem Management auch weiterhin zu vertrauen. Je verunsicherter sie sind, umso eher nehmen sie mangelnde Transparenz und mangelnden Einfluss als Risiko wahr. Es entsteht ein wachsendes Bedürfnis nach vertrauensbildenden Maßnahmen; die Handlungsoptionen des Unternehmens auf der Steuerungsebene gewinnen an Bedeutung. Dieser Zusammenhang erklärt auch die Beobachtung, dass der Kurs von Unternehmen, deren Geschäft von Natur aus transparent und verständlich ist, wie z.B. die Getränkeindustrie, deutlich weniger unter einem allgemeinen Vertrauensverlust leidet, als dies bei Unternehmen der Fall ist, deren Wert weitgehend von den Prognosen des Managements abhängt, wie bspw. in der Biotechnologie. 15 16 17 18 19
Vgl. Burmann/Meffert (2003), S. 158ff. Vgl. Altman (1988), S. 138 und 180. Vgl. Osigus (2002), S. 3ff. und S. 15ff. Vgl. Wetzel (2002a). Vgl. Sturm (2002), S. 3.
208
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Je länger die Phase des Anlegervertrauens andauert, desto größere relative Bedeutung erlangen die proaktiven Handlungsoptionen, während zu Beginn eines Vertrauensbildungsprozesses zunächst einmal die strukturell-systematischen Handlungsoptionen von Bedeutung sind. Das ist damit zu erklären, dass der Investor bei der Realisierung proaktiver Interaktionspotenziale eine passive Rolle hat. Ihr Wert kann daher nur ex post beurteilt werden. Es erfordert Zeit für den Aufbau einer ausreichenden Reputation, um dem Investor das Vertrauen zu vermitteln, dass es sich dabei für ihn um einen auch in Zukunft realen Nutzen handelt. Strukturell-systematische Interaktionspotenziale sind dagegen vom Aktionär jederzeit selbst auszuüben. Ihre Existenz und ihr Nutzen sind daher ex ante bewertbar. hoch
Strukturellsystematisch
Bedeutung
Proaktiv gering Verunsicherung
Neutral
Vertrauen
Interaktions-Sentiment
Abb. III-3:
Der Einfluss des Interaktions-Sentiments auf die Interaktions-Potenziale
Darüber hinaus ist bei steigender Verunsicherung auf der Wertschöpfungsebene eine Bedeutungszunahme der Cash Flow-Erfolgsgrößen zu beobachten, da bei diesen weniger bilanzpolitische Einflussmöglichkeiten bestehen als bei gewinnorientierten Erfolgsgrößen. (c) Transaktions-Sentiment: Das Transaktions-Sentiment spiegelt die Erwartung der Investoren bezüglich des Transaktions-Risiken wider. Ihre damit angesprochene Einstellung insbesondere zu Liquidität und Volatilität des Börsengeschehens kann von Vertrauen bis Verunsicherung reichen. Vertrauen bildet sich insbesondere durch längere Phasen stetiger Kursentwicklung und konstant hoher Handelsvolumina. Niedrige Handelsvolumina, hohe Volatilität oder eine deutlich erkennbare Überhitzung der Kurse führen dagegen zu Preisunsicherheit und steigender Verunsicherung. Das Transaktions-Sentiment beeinflusst primär die Bedeutung der Transaktions-Potenziale. Dieser Zusammenhang lässt sich generell in etwa folgendermaßen rekonstruieren: Je größer das Vertrauen der Investoren in die Verlässlichkeit der Börsenbewertung ist, desto unbedeutender sind die generellen Transaktionsrisiken in ihrer Wahrnehmung. Ist dagegen ihre Einstellung zur Börse von Verunsicherung geprägt, entsteht ein wachsendes Bedürfnis nach
III.1 Generische Positionierungsoptionen
209
vertrauensbildenden Maßnahmen: Transaktionspotenziale und die Handlungsoptionen des Unternehmens auf der Formatierungsebene gewinnen an Bedeutung. (d) Gesamt-Sentiment-Szenarien: Das Zusammenwirken der einzelnen Sentiment-Segmente ist sehr komplex und lässt sich kaum exakt quantifizieren. Es lassen sich aber, bezugnehmend auf Transformations- und Interaktions-Sentiment einige allgemeine Zusammenhänge ableiten (das Transaktions-Sentiment kann an dieser Stelle aufgrund seiner eher geringen Relation vernachlässigt werden): Zunächst lässt sich feststellen, dass zunehmender Optimismus bezüglich der Ertragslage die Bedeutung der Werttreiber relativ zur Wertschöpfung steigert. Darüber hinaus scheint dabei der Wertbeitrag der Transformationspotenziale so groß zu werden, dass Interaktions- und Transaktionspotenziale ihre Bedeutung als Sicherungsinstrumente einbüßen. Auf der anderen Seite führt auch wachsendes Vertrauen in die Unternehmensführung zunächst einmal zu einer sinkenden Bedeutung der Interaktionspotenziale, wodurch die relative Bedeutung der Transformationspotenziale steigt. Dies hat auch innerhalb der Transformationspotenziale eine relative Bedeutungszunahme der Werttreiber zur Folge. Interaktionspotenziale
Transformationspotenziale Wertschöpfung
Optimismus
D A C B
Transformations-Sentiment (Einstellung zur Ertragslage)
Pessimismus Werttreiber
Vertrauen Interaktions-Sentiment (Einstellung zur Unternehmensführung)
Verunsicherung
Abb. III-4:
Der Zusammenhang zwischen Sentimentlagen und Nutzenpotenzialen
210
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Dieser Zusammenhang ist in Abb. III-4 dargestellt: Steigt das Transformations-Sentiment auf der Ordinate in Richtung Optimismus nach oben, wandert der Schnittpunkt der beiden schrägen Geraden ebenfalls nach oben und gleichzeitig etwas nach rechts (und vice versa). Ähnliches geschieht, bewegt sich das Interaktions-Sentiment auf der Abszisse nach rechts in Richtung Vertrauen: der Schnittpunkt wandert ebenfalls nach rechts und gleichzeitig geringfügig nach oben (und vice versa). Aus diesen Zusammenhängen lassen sich, je nach Verortung des Schnittpunktes, vier grundsätzliche Sentiment-Szenarien ableiten: Im Quartil A sind Transformations- und Interaktions-Sentiment positiv. Für den Aktienmarkt sind überwiegend die Transformationspotenziale von Bedeutung, Interaktionspotenziale spielen eine eher untergeordnete Rolle. Innerhalb der Transformationspotenziale haben Werttreiber den größten Einfluss auf die Kursbildung, Wertschöpfung und Wertverteilung sind von relativ geringer Bedeutung. Im Quartil B ist das Interaktions-Sentiment vertrauensvoll, das TransformationsSentiment aber eher pessimistisch. In diesem Szenario sind die Transformationspotenziale relativ zu den Interaktionspotenzialen für den Aktienmarkt ebenfalls von herausragender Bedeutung, allerdings haben nun Wertschöpfung und Wertverteilung innerhalb der Transformationspotenziale eine mindestens ebenso große Bedeutung wie die Werttreiber. Im Quartil C sind sowohl das Transformations-Sentiment als auch das InteraktionsSentiment eher negativ. Die Bedeutung der Interaktionspotenziale ist gegenüber den Transformationspotenzialen relativ hoch. Innerhalb der Transformationspotenziale hat die Wertschöpfung relativ zu den Werttreibern eine nochmals höhere Bedeutung als bereits im Szenario B. Im Quartil D schließlich ist das Transformations-Sentiment positiv, das InteraktionsSentiment aber eher negativ. Vor diesem Hintergrund steigt im Vergleich zu C vor allem die Bedeutung der Werttreiber relativ zur Wertschöpfung. Daneben kann die relative Bedeutung der Interaktionspotenziale als leicht rückläufig angenommen werden, was auf den gestiegenen Erwartungsnutzen der Transformationspotenziale zurückzuführen ist. (2)
Individuelle Aktionärs-Charakteristika als Determinante von Nischenstrategien
Ausgangspunkt für die Entwicklung von Nischenstrategien sind Nutzenpräferenz-Muster einzelner bzw. weniger Aktionäre. Solche individuellen Nutzenpräferenz-Muster lassen sich entweder bei den fokalen Aktionären direkt erheben oder aus ihren Charakteristika ableiten. Bei letzteren handelt es sich um alle Attribute ihrer individuellen Lebenswelt in ihrer eigenen Wahrnehmung, mithin z.B. ihre Risikoneigung und ihre Nachhaltigkeitspräferenz, sowie ihre persönlichen und finanziellen Verhältnisse.
III.1 Generische Positionierungsoptionen
211
Nischenstrategien werden naturgemäß im Einzelfall für bestimmte Investoren in einer konkreten Situation entwickelt. Eine vollständige Enumeration aller denkbaren situativen Aktionärs-Charakteristika und der daraus resultierenden Nischenstrategien scheint, im Gegensatz zum Vorgehen bei dem nur wenige Dimensionen umfassenden Konstrukt „AktionärsSentiment“ als Basis für Grundstrategien, ausgeschlossen. Daher sollen an dieser Stelle lediglich beispielhaft heterogene Präferenzen der Aktionäre in Bezug auf (a) Interaktionspotenziale, (b) Wertverteilung und (c) Nachhaltigkeitspotenziale sowie mögliche zugrunde liegende Aktionärs-Charakteristika dargestellt werden: (a) Heterogene Präferenzen in Bezug auf Interaktionspotenziale: Ein Ansatzpunkt für Nischenstrategien sind heterogene Präferenzen der Aktionäre in Bezug auf die Interaktionspotenziale. Für große aktive Investoren, welche die Voraussetzungen mitbringen, aufgrund formaler Stimmrechte einen tatsächlichen Einfluss auszuüben und für die sich darüber hinaus nicht die Möglichkeit einer Kapitalumschichtung bietet, spielen Einflussmöglichkeiten eine bedeutende Rolle.20 Dem gegenüber können Transformations- und Transaktionspotenzialen für kleinere Investoren von höherer Bedeutung sein, da diese ohnehin keinen nennenswerten Einfluss ausüben können, anders als Großinvestoren aber sehr wohl in der Lage sind, ihren Anteil ggf. zu veräußern. (b) Heterogene Präferenzen in Bezug auf Wertverteilungspotenziale: Daran schließen auch heterogene Präferenzen der Aktionäre für Dividendenzahlungen (Wertverteilung auf Ebene der Transformationspotenziale) an. Allgemein scheinen Großaktionäre steuerlich bedingt Kurssteigerungen zu präferieren.21 Besteht aber Liquiditätsbedarf, dann müssten sie Anteile veräußern. Das würde ihren Stimmrechtsanteil verwässern und ihren Einfluss auf die Unternehmensführung schmälern. In einem solchen Fall ist es möglich, dass Großaktionäre Dividendenzahlungen vorziehen.22 (c) Heterogene Präferenzen in Bezug auf Nachhaltigkeitspotenziale: Ein weiterer Ansatzpunkt für Nischenstrategien sind unterschiedlich hohe Präferenzen für nachhaltige oder ethische Unternehmensführung als Folge besonderer Investitionsziele. Zwar ist die Interdependenz von Gewinn- und Nachhaltigkeitsorientierung nicht eindeutig geklärt, so dass sich kaum prognostizieren lässt unter welchen Bedingungen Nachhaltigkeitskriterien für einen 20 21 22
Vgl. die Ausführungen zur Änderung der Anlegerstruktur und Shareholder Activism in Abschnitt (2c) der Einführung, S. 19ff. Vgl. Spremann (1996), S. 679. Der Einfluss unterschiedlicher Aktionärsstrukturen auf die Dividendenpolitik konnte bspw. in einer vergleichenden Studie für die Daimler-Benz AG und die BMW AG nachgewiesen werden. Vgl. Langner (2001), S. 306ff., welche auf die Theorie der Selbstkontrolle, den Klienteleffekt und die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Aktionären als theoretische Erklärungsansätze hinweist.
212
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
einzelnen Investor eine kritische Bedeutung übersteigen. Allerdings wird die Nachfrage nach ethischen Investitionsmöglichkeiten durch darauf spezialisierte Fonds gebündelt. Um für dieses Kapital attraktiv zu sein, müssen Unternehmen den entsprechenden Nachhaltigkeitskriterien entsprechen.23 Diese Aufzählung ließe sich fortführen. Es ist jedoch bereits deutlich geworden, dass die Identifikation von Nutzenpotenzialen einzelner Aktionäre zur Besetzung strategischer Nischen ein spezifisches Wissen über die Präferenzen bestehender oder potentieller Aktionäre erfordert. Eine wichtige Voraussetzung ist daher die proaktive Informationsbeschaffung, welche selbst wiederum bereits ein Nutzenpotenzial darstellt.24
III.1.2
Unternehmenscharakteristika als Determinanten der Handlungsoptionen des Unternehmens
Die Unternehmenscharakteristika umfassen den Kontext des fokalen Unternehmens, insbesondere seine eigene Konfiguration und seine direkte Umwelt. Sie sind mittel- bis langfristig wenigstens partiell durch die Entscheidungen der Unternehmensführung beeinflussbar.25 Die Charakteristika eines Unternehmens haben signifikanten Einfluss auf seine konkreten Handlungsoptionen. Der Begriff Handlungsoptionen soll im vorliegenden Zusammenhang jene Teilbereiche der allgemeinen Handlungsfelder bezeichnen, die einem bestimmten Unternehmen zur Schaffung von Nutzenpotenzialen tatsächlich zur Verfügung stehen.26 Bei dem Einfluss der Charakteristika eines Unternehmens auf seine Handlungsoptionen lassen sich zwei unterschiedliche Wirkungsweisen rekonstruieren. Zum einen können bestimmte Handlungsoptionen durch die Unternehmenscharakteristika generell ausgeschlossen oder ihre Realisierung zumindest kurz- bis mittelfristig prohibitiv teuer sein: So kann ein Start-Up bspw. grundsätzlich keine Finanzhistorie vorweisen und die Erfassung und Kommunikation von Realoptionen kann sich evtl. als zu aufwendig darstellen. Zum anderen ist es denkbar, dass Handlungsoptionen zwar grundsätzlich existieren, im vorliegenden Zusammenhang für den Investor aber kein relevantes Nutzenpotenzial darstellen: Ist bspw. ein bestehendes Unter23 24 25 26
Vgl. die entsprechenden Ausführungen zu Nachhaltigkeitskriterien in Abschnitt II.1.2 (2) dieser Arbeit. Vgl. zu Informationsbeschaffung im Rahmen proaktiver Handlungsoptionen zur Schaffung von Interaktionspotenzialen Abschnitt II.2.2 (2) oben. Ihre quasi endogene Rolle bei der Positionierungsentscheidung entspricht der Sichtweise des Ressource Based View. Vgl. Abschnitt I.2.2 (1a) dieser Arbeit. Damit werden die Erfolgsfaktoren auf die Gesamtheit der möglichen unternehmensspezifischen Erfolgspotenziale beschränkt. Vgl. die Definition von Erfolgspotenzialen in Abschnitt I.2.1 (2) als „unternehmensspezifische, konkrete, in der Regel relativ komplexe Wirkungsgefüge bestimmter verfügbar gemachter Erfolgsfaktoren.“.
III.1 Generische Positionierungsoptionen
213
nehmen nach einem Managementwechsel umstrukturiert und strategisch neu ausgerichtet worden, dann stehen zwar historische Finanzdaten zur Verfügung, diese haben aber für den Investor nur eine geringe Aussagekraft. Abb. III-5 verdeutlicht die Wirkungszusammenhänge zwischen den Handlungsoptionen eines Unternehmens und ihren Determinanten: Die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind vom Unternehmen weder wählbar noch beeinflussbar, determinieren aber ihrerseits sowohl das Unternehmensumfeld als auch die Unternehmenskonfiguration und die Handlungsoptionen des Unternehmens. Das Unternehmensumfeld ist durch die Unternehmensführung bereits teilweise beeinflussbar und mittel- bis langfristig wählbar. Es beeinflusst seinerseits die Unternehmenskonfiguration sowie die Handlungsoptionen des Unternehmens. Schließlich ist die Unternehmenskonfiguration durch die Unternehmensführung direkt beeinflussbar und hat ihrerseits ebenfalls entscheidenden Einfluss auf die Handlungsoptionen des Unternehmens.
Allgemeine Rahmenbedingungen z.B. Weltwirtschaft
Unternehmensumfeld z.B. Branche oder strategische Gruppe
Unternehmenskonfiguration
Wählbarkeit bzw. Beeinflussbarkeit
Handlungsoptionen Unternehmenscharakteristika
Abb. III-5:
Wirkungszusammenhang zwischen allgemeinen, branchenspezifischen und unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen
Im Folgenden werden grundsätzliche Unternehmenscharakteristika und ihr Einfluss auf die Handlungsoptionen des Unternehmens dargestellt. Dabei sollen als Teilbereiche der Unternehmenscharakteristika zunächst die Unternehmenskonfiguration (1) und im Anschluss das direkte Unternehmensumfeld (2) betrachtet werden. (1)
Unternehmenskonfiguration als Determinante der Handlungsoptionen
Die Unternehmenskonfiguration umfasst alle im Unternehmen selbst verankerten Merkmale. Dabei kommt grundsätzlich jeder Aspekt in Betracht, der die Relevanz der Handlungsfelder beeinflussen kann. Um eine allgemein brauchbare Klassifizierung von Unternehmen zu ermöglichen, sollen im Folgenden drei Dimensionen in den Vordergrund gestellt werden, deren jeweilige Ausprägung einen signifikanten Einfluss auf die Verfügbarkeit der Handlungsfelder
214
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
hat: (a) die Wachstumsdynamik und (b) die Historizität eines Unternehmens sowie (c) die Vermittelbarkeit seiner relevanten Charakteristika. Ergänzend wird daneben (d) die Globalität betrachtet. (a) Wachstumsdynamik: In einem ersten Zugriff können Unternehmen nach ihrer Wachstumsdynamik differenziert werden.27 Man spricht in diesem Zusammenhang von Wachstumsunternehmen („Growth Companies“) und Wertunternehmen („Value Companies“). Wachstumsunternehmen zeichnen sich durch ein hohes Umsatzwachstum und geringe, häufig sogar negative aktuelle Renditen aus. Sie sind daher im Verhältnis zu ihren aktuellen Renditen meist hoch bewertet, da die absolute Rendite mit dem Investitionsvolumen in der Zukunft steigt. Empirisch weisen solche Unternehmen einen relativ niedrigen Umsatz, niedrigen Gewinn und eine geringe Ausschüttungsquote auf.28 Je nach Wachstumsdynamik des Unternehmens sind unterschiedliche Bewertungsansätzen vorherrschend – Investoren honorieren mithin unterschiedliche Nutzenpotenziale.29 Investoren in Wachstumsunternehmen honorieren vor allem die Idee, wie eine Leistung in Zukunft vollbracht werden kann. Wertunternehmen zeichnen sich primär durch solide aktuelle Zahlen, ein gutes Management, stabile Gewinne und eine hohe Dividendenrendite aus. Aufgrund des gleichzeitig geringen Wachstums sind Kurs-Gewinn-Verhältnis und Marktwert-Buchwert-Verhältnis relativ niedrig.30 Investoren in Wertunternehmen honorieren vor allem die gegenwärtige Leistung des Unternehmens.31 Sie kaufen Aktien, deren Kurs unter einem zukünftig realisierbaren Wert
27 28
29 30 31
Dieser Ansatz erinnert an die komplementären Investitionsstrategien des „Value Investment“ und „Growth Investment“. Die Umsatzkorrelation erklärt sich vermutlich über die Annahme einer optimalen Unternehmensgröße, oberhalb derer weiteres Wachstum keine zusätzlichen Wettbewerbsvorteile bringt. Die negative Korrelation mit dem Gewinn erklärt sich wahrscheinlich indirekt über die noch nicht weit fortgeschrittene Fixkostendegression bei geringen Umsätzen und die negative Korrelation mit der Ausschüttungsquote hat ihre Ursache wohl vor allem in dem hohen Investitionsbedarf wachsender Unternehmen. Für die 50 größten Unternehmen an der NYSE (nach Börsenkapitalisierung am 29.03.05) ergeben sich nach einer eigenen Auswertung als Korrelationskoeffizienten für das Gewinnwachstums mit dem Gewinn -0,509, mit der Ausschüttungsquote -0,550 und mit dem Umsatz -0,429. Mit der Umsatzrendite errechnet sich dagegen lediglich ein Korrelationskoeffizient von 0,180. Vgl. Esser (2003), S. 48ff., der sich auf unterschiedliche Bewertungsansätze in einem Wachstumsszenario und einem reifen Optimierungsszenario bezieht. Der Buchwert oder “Accounting Value” errechnet sich als Differenz aus Vermögen und Verbindlichkeiten. Value Investing hat seit 1926 den Gesamtmarkt outperformed. Seit dem Jahr 2000 sind Wertaktien wieder einmal verstärkt im Fokus der Investoren. Vgl. o.V. (2001d), S. 11.
III.1 Generische Positionierungsoptionen
215
liegt, im Glauben daran, dass der Markt irgendwann die „wahre Qualität“ des Unternehmens erkennt.32 Die Wachstumsdynamik eines Unternehmens beeinflusst primär die Bedeutung der Generierung von Transformations-Potenzialen auf der Führungsebene. In einem ersten Zugriff lässt sich dieser Einfluss folgendermaßen rekonstruieren: Bei geringem Wachstum kommt den gegenwärtigen Erträgen, mithin der Wertverteilung und der Wertschöpfung große Bedeutung für die Unternehmensbewertung zu. Je dynamischer ein Unternehmen wächst, desto größere Bedeutung gewinnen die Werttreiber als Potenziale zukünftiger Wertschöpfung, wohingegen die Relevanz der Wertverteilung und der Wertschöpfung abnimmt (vgl. Abb. III-6). Ein Einfluss der Wachstumsdynamik auf die Existenz und Relevanz der Wertverteilung lässt sich in etwa folgendermaßen rekonstruieren: bei geringem Wachstum sind keine hohen zukünftigen Erträge zu erwarten. Folglich sind die kurzfristigen Erträge für den Gegenwartswert relevant. Reinvestitionen sind daher ökonomisch uninteressant und die Wertverteilung ist aus Investorensicht eine notwendige Positionierung. Ist dagegen das Wachstum hoch, sind vor allem die zukünftigen Erträge für den Gegenwartswert relevant. Verteilungsfähige Gewinne liegen entweder nicht vor oder werden ökonomisch sinnvoll reinvestiert. Daher ist die Wertverteilung als Positionierung bei schnellem Wachstum unsinnig, ggf. sogar unmöglich.
Möglichkeit + Relevanz
notwendig
Wertverteilung
Werttreiber
sinnvoll
möglich
Wertschöpfung
uninteressant Hohes Wachstum (Growth)
Kein Wachstum (Value) Wachstumsdynamik
Abb. III-6:
32
Der Einfluss der Wachstumsdynamik auf die Bedeutung der Transformationspotenziale
Eine solche Konstellation kann im Wesentlichen aus drei Gründen entstehen: Zum einen ist es möglich, dass ein Unternehmen, z.B. durch eine Überreaktion des Kapitalmarktes, einer „echten Fehlbewertung“ unterliegt. Zum zweiten ist es denkbar, dass bestimmte Wertquellen des Unternehmens durch die ertragswertfokussierte Sichtweise des Kapitalmarkts nicht erfasst werden, so z.B. ein evtl. Zerschlagungswert oder die Veräußerung nicht betriebsnotwendigen Vermögens. Schließlich ist es auch denkbar, dass zukünftige wertsteigernde Einflüsse im Entscheidungszeitpunkt noch nicht eingepreist sind.
216
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Ein Einfluss der Wachstumsdynamik auf die Möglichkeit einer Positionierung mit Wertschöpfung lässt sich auf zwei Ebenen rekonstruieren. Zum einen scheint das ex post Erreichen der Wertschöpfungskennzahlen bei geringem Wachstum eine höhere Bedeutung zu haben als das ex ante Festlegen. Die erreichten Wertschöpfungskennzahlen stellen daher besonders bei geringem Wachstum eine sinnvolle Positionierung dar. Dieses Verhältnis kehrt sich mit zunehmender Wachstumsdynamik um. Die erreichten Kennzahlen sind dann bestenfalls als Zeitreihen zum Nachweis einer Wachstumsentwicklung von Interesse, während die Relevanz der Zielkennzahlen aufgrund des zukunftsorientierten Charakters von Wachstumsunternehmen nur geringfügig zunehmen dürfte. Zum zweiten scheinen in Bezug auf Kennzahlen bei Wachstumsunternehmen Cash Flow und Realoptionen von hoher Bedeutung zu sein und stellen insofern bei diesen eine mögliche Positionierung dar. Die Relevanz von Cash Flows begründet sich damit, dass bei einer für Wachstumsunternehmen typischen hohen Investitionsquote die Liquidität häufig den kritischen Faktor darstellt. Hinzu kommt häufig noch eine hohe Spezifität und Immaterialität der Vermögenswerte, so dass bei einem Fehlschlag der Investition eine alternative Nutzung kaum möglich ist. Die Bedeutung von Realoptionen ist darauf zurückzuführen, dass der Wert wachstumsstarker, innovativer Unternehmen zu einem großen Teil auf F&E sowie intangiblen Vermögenswerten beruht, deren Wertpotenziale sich mit Realoptionen besser erfassen lassen. Ein Einfluss der Wachstumsdynamik auf die Möglichkeit einer Positionierung mit Werttreibern lässt sich ebenfalls auf zwei Ebenen rekonstruieren. Einerseits scheinen bei hohem Wachstum die exogenen Werttreiber überproportionale Relevanz zu besitzen, da in einem stagnierenden Markt ein Umsatzwachstum nur schwer erreichbar ist. Gleichzeitig hat die Strategie in diesem Fall einen signifikant großen Wert. Eine Positionierung mit diesen Werttreibern erscheint absolut notwendig. Bei geringem Wachstum stellen dagegen Markt- und Kundenkapital sowie Finanz- und Sachkapital eine mögliche Positionierung dar. Die Bedeutung des Managements und des Humankapitals als gestaltender Faktor des Unternehmens ist dagegen weniger eindeutig bestimmbar – grundsätzlich ist anzunehmen, dass sie um so größer ist, je komplexer sich die Wettbewerbssituation darstellt, was überwiegend auf Wachstumsunternehmen zutreffen dürfte.33 Die Wachstumsdynamik eines Unternehmens hat darüber hinaus auch einen, wenngleich weit geringeren, Einfluss auf die Bedeutung der Steuerungsebene zur Generierung von Interaktions-Potenzialen. Dabei scheint deren Bedeutung mit steigender Wachstumsdynamik leicht zuzunehmen. Der Grund liegt vermutlich darin, dass gerade bei schnell wachsenden
33
Für diesen und den vorangegangenen Abschnitt vgl. Schwetzler (2001), S. 62ff.
III.1 Generische Positionierungsoptionen
217
Unternehmen mit hohen Freiheitsgraden viele Parameter der Wertbestimmung mit hoher Unsicherheit behaftet sind. Im Grunde wird daher zwischen Aktionär und Unternehmen ein hochgradig unvollkommener Vertrag geschlossen, für dessen Wert aus Sicht des Aktionärs im Zeitpunkt des Abschlusses die Möglichkeit des nachträglichen Einsteuerns vermutlich wichtiger ist als die korrekte Preisfindung.34 Insofern sind die wahrgenommene Kontrolle der Kontrollgremien sowie die Historie der Zusammenarbeit, wie auch das Feststellen des Jahresabschlusses durch den Wirtschaftsprüfer, sofern dies nicht ohnehin zwingend vorgeschrieben ist, für die Positionierung von Wachstumsunternehmen von erhöhter Bedeutung. Eine Differenzierung der Bedeutung proaktiver und struktureller Interaktionspotenziale ist auf Basis der Wachstumsdynamik hingegen schwerlich möglich.35 (b) Historizität: Weiterhin lassen sich Unternehmen nach dem Grad ihrer Historizität in geschichtslose, quasi-geschichtslose Unternehmen und Unternehmen mit Historie unterteilen. Bei geschichtslosen Unternehmen handelt es sich um junge Unternehmen, so genannte StartUps. Sie zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass sie selten bedeutungsvolle Umsätze, in der Regel jedoch ein hohes prognostiziertes Wachstum und damit einen hohen Investitionsbedarf aufweisen und nur in Ausnahmefällen bereits profitabel sind. Management und Private Equity Investoren fungieren als wesentliche Gesellschafter und häufig finden sich keine vergleichbaren Unternehmen zur Ableitung ihres Wertes durch Multiple-Verfahren. Als Erscheinungsformen kommen grundsätzlich alle Formen von Neugründungen in Frage. Sturm (2003) unterteilt diese in „echte Pioniere“, wenn ein neues Geschäftsmodell in einem neuen geografischen Markt eingeführt wird und „Importeure“, wenn ein neuer geografischer Markt mit einem bewährten Geschäftsmodell angegriffen wird.36 Quasi-geschichtslose Unternehmen haben zwar ein gewisses Alter, weisen jedoch signifikante Diskontinuitäten in der Unternehmensentwicklung auf. Konkret kann es sich dabei um größere Akquisitionen, Restrukturierungen oder eine radikale Veränderung des Geschäftsmodells handeln. Bei Akquisitionen können Reibungsverluste oder Synergieeffekte die Folge sein, Restrukturierungen können zu Einmaleffekten sowie in der Folge zu Ergebnisverfälschungen führen, und radikale Veränderungen von Geschäftsmodellen können die Maßgeblichkeit der gewohnten Erlösstruktur und – logik insgesamt in Frage stellen. Demgegenüber weisen Unternehmen mit relevanter Historie ein gewisses Alter und eine hohe Kontinuität in der Unternehmensentwicklung auf.
34 35
36
Vgl. Schwetzler (2001), S. 62ff. Eine erhöhte Relevanz struktureller Interaktionspotenziale ergibt sich lediglich dann, wenn es sich bei dem fokalen Unternehmen gleichzeitig um eines mit geringer Historie handelt. Zum Aspekt der Historizität vgl. Abschnitt (b). Vgl. Sturm (2003), S. 211f.
218
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Die Historizität beeinflusst primär die Bedeutung der Generierung von Transformationspotenzialen auf der Führungsebene (vgl. Abb. III-7). Weist das Unternehmen eine kontinuierliche Entwicklung über eine hinreichend lange Historie auf, dann können zur Unternehmensbewertung historische Finanzdaten herangezogen und in die Zukunft extrapoliert werden, ohne dass es erforderlich ist, die zugrunde liegenden Werttreiber im Detail zu kennen. Daher bietet sich für solche Fälle eine Positionierung im Bereich der Wertschöpfung an. Mit zunehmender Geschichtslosigkeit ist dagegen eine abnehmende Zahl aussagefähiger historischer Finanzdaten verfügbar.37 Hinzu kommt in den meisten Fällen eine allgemeine Unsicherheit über die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells.38 Geschichtslosigkeit bedingt somit eine höhere Unsicherheit der Prognosen auf Basis von Vergangenheitsdaten. Damit gewinnen die Werttreiber, insbesondere die konstanten Faktoren sowie Qualität und Erfahrung des Managements als gestaltender Faktor hinsichtlich der Planerfüllung an Bedeutung.
Möglichkeit + Relevanz
notwendig
sinnvoll
Werttreiber
Wertschöpfung
möglich Wertverteilung uninteressant Relevante Historie
Abb. III-7:
Quasi-Geschichtlosigkeit Historizität
Geschichtslosigkeit
Der Einfluss der Historizität auf die Möglichkeit einer Positionierung mit Transformationspotenzialen
Der Einfluss der Historizität auf die Bedeutung einzelner Komponenten der Wertschöpfung lässt sich folgendermaßen rekonstruieren. Der Einfluss auf die relative Bedeutung einzelner Formen performanceorientierter Kennzahlen kann als leicht gegenläufig angenommen werden: Gewinn und Residualeinkommen haben bei hoher Historizität eine etwas größere Bedeutung als bei geringer Historizität. Demgegenüber sind die Bedeutungen von Cash Flow und Realoptionen bei hoher Historizität eher gering, steigen aber mit sinkender Historizität stark
37
38
Sie sind entweder bei geschichtslosen Unternehmen überhaupt nicht vorhanden oder bei quasigeschichtslosen Unternehmen für die zukünftige Entwicklung nur beschränkt aussagefähig. Vgl. Sturm (2003), S. 210. Muster oder Abhängigkeiten bestimmter Variablen voneinander sind nicht erkennbar und Vergleichsunternehmen operieren unter anderen Rahmenbedingungen oder haben ebenfalls eine begrenzte Historie. Vgl. Sturm (2002), S. 11.
III.1 Generische Positionierungsoptionen
219
an, um schließlich bei vollständig geschichtslosen Unternehmen zu den bedeutendsten Wertschöpfungskomponenten einer Positionierung zu werden. Während nämlich Cash Flow Kennzahlen die Kontrolle des Liquiditätsrisikos ermöglichen, welches bei geschichtslosen Unternehmen eher auftritt als bei historischen Unternehmen, führt die Darstellung von Realoptionen zu einer fundierteren Bewertung des Unternehmens, wenn dessen Wert vor allem in intangiblen Vermögensgegenständen besteht, die sich durch strategisch-dynamische Freiheitsgrade auszeichnen und die Bestimmung eines risikoadäquaten Zinssatzes problematisch ist. Der Einfluss der Historizität auf die relative Bedeutung des Festlegens und Erreichens von Wertschöpfungskennzahlen ist dagegen recht eindeutig: Im Falle der Geschichtslosigkeit hat das Festlegen eine höhere Bedeutung, da dies bei hoher Historizität implizit auf Basis der historischen Kennzahlen erfolgt. Dagegen ist das Erreichen bei historischen Unternehmen das prägnante Nutzenpotenzial, was bei geschichtslosen Unternehmen ex definitione nicht möglich ist. Ein Einfluss der Historizität auf die Bedeutung einzelner Werttreiber lässt sich folgendermaßen rekonstruieren. Zunächst ist davon auszugehen, dass mit zunehmender Geschichtslosigkeit die relative Bedeutung exogener gegenüber endogenen Werttreibern ansteigt. Dies lässt sich mit dem fehlenden Wissen über endogene Erfolgsfaktoren begründen, welches dazu führt, dass Investoren exogene Faktoren als alternative Bewertungskriterien heranziehen. Bezogen auf endogene Werttreiber lässt sich in Hinblick auf ihre Bedeutung für eine Positionierung bei ausgeprägter Historie nicht von einem signifikanten Unterschied zwischen den einzelnen Werttreibern ausgehen, bei sinkender Historie nimmt allerdings die Bedeutung des Markt- und Kundenkapitals definitionsgemäß ab, während das Wissens- und Humankapital sowie Management und Strategie vermutlich an Bedeutung gewinnen. Darüber hinaus beeinflusst die Historizität die Bedeutung der Generierung von Interaktionspotenzialen auf der Steuerungsebene. Sie steigt mit zunehmender Geschichtslosigkeit. Dies ist auf die mit der Geschichtslosigkeit verbundene Unsicherheit zurückzuführen. Während Unternehmen mit relevanter Historie häufig auf einen Vertrauensvorschuss zurückgreifen können, können Unternehmen ohne eine solche Historie dies nicht. Je weniger zukünftige Erträge prognostizierbar sind, desto größer ist die Bedeutung der Interaktion zwischen Management und Investoren. Die relative Bedeutung proaktiver und struktureller Interaktionspotenziale auf Basis der Historizität lässt sich erst durch eine differenzierte Betrachtung erfassen. Die Positionierung eines (quasi-)geschichtslosen Unternehmens mit proaktiven Interaktionspotenzialen ist nur eingeschränkt möglich. Sie kann dann sinnvoll sein, wenn sein Management eine Reputation für die Schaffung proaktiver Interaktionspotenziale besitzt, bzw. ein quasi-geschichtsloses Unternehmen zumindest in Bezug auf seine Interaktionspotenziale eine relevante Historie
220
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
vorweisen kann. Dagegen ist die Positionierung mit strukturellen Interaktionspotenzialen grundsätzlich immer möglich, vor allem aber in den Fällen angeraten, in denen proaktive Interaktionspotenziale ausscheiden, also im Falle fehlender Interaktions-Reputation des Managements geschichtsloser Unternehmen bzw. fehlender Interaktions-Historie quasigeschichtsloser Unternehmen. Das ist darauf zurückzuführen, dass Investoren hier unabhängig von der Einstellung des Managements über Einsteuerungspotenziale verfügen. Die Bedeutung der Generierung von Transaktionspotenzialen auf der Formatierungsebene schließlich weist ebenfalls eine leichte Abhängigkeit von der Historizität auf. Transaktionspotenziale haben aber lediglich eine mittelbare Bedeutung, welche mit zunehmender Geschichtslosigkeit steigt. Im Bereich der Gestaltung steigt die Bedeutung der Namensaktien als Grundlage intensiver Kommunikation mit den Investoren, da die bei Geschichtslosigkeit erforderliche Vermittlung von Werttreibern komplizierter ist als die Vermittlung der Wertschöpfung. Im Bereich der Platzierung steigt die Bedeutung Zugehörigkeit zu bestimmten Börsen oder Indizes, da diese mit ihren besonderen Qualitätsanforderungen implizit Rückschlüsse auf die Qualität des fokalen Unternehmens ermöglichen, was ebenfalls besonders bei geschichtslosen Unternehmen relevant ist. (c) Vermittelbarkeit: Die Möglichkeit, dem Investor werthaltige Potenziale des Unternehmens in Form von Werttreibern zu kommunizieren, soll als Vermittelbarkeit bezeichnet werden. Sie wird im Wesentlichen von den Begriffen Sensitivität, Komplexität und Verfügbarkeit bestimmt. Mit Sensitivität soll die „Kommunikations-Elastizität“ der Wettbewerbsposition eines Unternehmens bezeichnet werden. Sie ist dann besonders hoch, wenn die kommunizierten Nutzenpotenziale Wettbewerbsvorteile darstellen, welche auf nicht exklusiven bzw. nicht schützbaren Ressourcen beruhen. Die öffentliche Verfügbarkeit dieser Information kann es Wettbewerber erleichtern, frühzeitig auf die geplanten Strategien zu reagieren oder diese zu imitieren. Will das Unternehmen wettbewerbsstrategische Nachteile und eine daraus resultierende Wertvernichtung vermeiden, kann das eine Kommunikation ausschließen. Unter Komplexität wird die Kompliziertheit und Dynamik der Kommunikationsinhalte subsumiert.39 Steigende Komplexität kann die Kommunikation erschweren oder ggf. vollständig verhindern. Dies ist z.B. der Fall bei der Kommunikation von Realoptionen, welche einem großen Teil der Financial Community kaum geläufig sind, oder komplizierter leistungswirtschaftlicher Zusammenhänge an Kleinanleger. Unter der Maßgabe der Effizienz macht daher die Konzentration auf einfach kommunizierbare Inhalte Sinn.40 Schließlich setzt die Vermittel-
39 40
Vgl. Ringlstetter (1997), S. 27. Vgl. Kagermann (2003), S. 21f. sowie Esser (2003), S. 48ff.
III.1 Generische Positionierungsoptionen
221
barkeit von Informationen deren Bekanntheit voraus. Sind die Erfolgsfaktoren eines Unternehmens gar nicht bekannt, können sie selbstverständlich auch nicht kommuniziert werden. Die Vermittelbarkeit hat zunächst einen relativ eindeutigen Einfluss auf die Möglichkeit der Generierung von Transformationspotenzialen auf der Führungsebene. Ist die Vermittelbarkeit bestimmter Informationen eingeschränkt, begrenzt dies eine mögliche Positionierung auf die verbleibenden Transformationspotenziale. In der Regel handelt es sich bei den begrenzt vermittelbaren Transformationenpotenzialen um Werttreiber, die entweder nicht bekannt oder zu komplex sind oder auf deren Kommunikation die Wettbewerbsposition zu sensibel reagiert. Im Fall der Sensitivität ist insbesondere die Positionierung mit Strategie und Wissenskapital schwierig, da eine explizite Kommunikation zu Imitationsgefahr führt. Ähnlich verhält es sich bei Realoptionen, da diese nicht nur kompliziert zu vermitteln sind, sondern zudem strategische Informationen enthalten. In allen Fällen begrenzter Vermittelbarkeit ist es angeraten die Positionierung des Unternehmens im Bereich der Transformationspotenziale vermehrt auf die Wertschöpfung zu stützen. Weiterhin beeinflusst die Vermittelbarkeit die Möglichkeit der Generierung von Interaktionspotenzialen auf der Steuerungsebene. Sie wirkt sich also auch direkt auf die Informationspolitik des Unternehmens aus. Im Falle einer hohen Sensitivität ist die Schaffung von Interaktionspotenzialen generell schwierig, weil damit immer die Offenlegung sensibler Informationen verbunden ist. Sind Informationen dagegen lediglich unbekannt oder komplex, dann ist eine Positionierung mit proaktiven Interaktionspotenzialen möglich, mit strukturellen Interaktionspotenzialen sogar sinnvoll. Diese letzte Unterscheidung ist darauf zurückzuführen, dass die proaktive Kommunikation unbekannter Wertkomponenten nicht und komplexer Wertkomponenten nur schwer möglich ist. Dagegen bieten strukturelle Interaktionspotenziale dem Investor zumindest die Möglichkeit des Entdeckens und Verstehens unbekannter und komplexer Wertkomponenten und stellen daher an sich bereits ein Wertpotenzial dar.41 (d) Globalität: Globalität soll in diesem Zusammenhang als Überbegriff für die Größe und Internationalität eines Unternehmens stehen. Beide Charakteristika weisen in der Unternehmensentwicklung eine signifikante empirische Korrelation auf, entwickeln sich aber nicht notwendigerweise logisch korreliert.42 Je größer ein Unternehmen ist, desto eher wird es auch auf internationalen Märkten vertreten sein und internationale Wertschöpfungskomponenten integrieren. 41 42
Vgl. Zur Wirkungsweise struktureller Interaktionspotenziale die Ausführungen in Abschnitt II.2.2 dieser Arbeit. Auf eine Differenzierung in der betriebswirtschaftlichen Literatur verschiedentlich verwandter Begriffe wie Internationalität, Transnationalität und Globalität soll an dieser Stelle bewusst verzichtet werden.
222
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Die Globalität eines Unternehmens hat einen geringen Einfluss auf Transformations- und Interaktionspotenziale. So steigt bei Unternehmen mit unterschiedlichem Risikoniveau in den Teileinheiten die Bedeutung des Residual Income als konzerneinheitliche Wertschöpfungsmessgröße, da über unterschiedliche Kapitalkosten die Risikostruktur bereits vorab erfasst werden kann. Primär beeinflusst der Grad der Globalität aber die Bedeutung der Schaffung von Transaktionspotenzialen auf der Formatierungsebene. Insbesondere die im Rahmen der Platzierungsansätze anfallenden Kosten verlieren mit zunehmender Größe aufgrund ihres degressiven Charakters an Bedeutung, während einige der dort verorteten Nutzenpotenziale bei internationaler Ausrichtung verstärkt zum Tragen kommen. Je größer das Unternehmen ist, desto eher lassen sich die Kosten der Börsennotierung tragen. Das gilt sowohl für die Erstnotierung als auch insbesondere für eine mögliche Zweitnotierung, bei der die Zusatzkosten den Nutzen in Form einer Kapitalkostensenkung nicht übersteigen sollten. Zudem kommen die Vorteile eines Dual Listings tendenziell vor allem bei global tätigen Großkonzernen zum Tragen, die in dem entsprechenden Auslandsmarkt operativ tätig sind und dieses Engagement noch ausbauen wollen.43 (e) Unternehmenskonfiguration in der Übersicht: In der Übersicht ergibt sich für die betrachteten Dimensionen der Unternehmenskonfiguration das in Abb. III-8 dargestellte Bild. Transformationspotenziale
Interaktionspotenziale
Transaktionspotenziale
Wertschöpfung
Proaktiv
Gestaltung
Werttreiber
Strukturell
Platzierung
hoch
Wachstumsdynamik gering
hoch
Historizität gering
hoch
Vermittelbarkeit gering
hoch
Globalität gering
notwendig
Abb. III-8:
43
sinnvoll
möglich
unmöglich
Positionierungsoptionen vor dem Hintergrund der Unternehmenskonfiguration
Für eine neuere Analyse der Vor- und Nachteile eines Dual-Listing vgl. insgesammt Hannich u.a. (2005).
III.1 Generische Positionierungsoptionen
223
Während Wachstumsdynamik, Historizität und Vermittelbarkeit primär die Bedeutung der Positionierung über Transformations- und Interaktionspotenziale beeinflussen wirkt die Globalität hauptsächlich auf die Bedeutung der Positionierung über Transaktionspotenziale. Dabei scheint die Unternehmenskonfiguration die Möglichkeit und Bedeutung der Generierung von Transformationspotenzialen auf der Führungsebene am klarsten zu beeinflussen. Daneben scheint ein marginaler Einfluss auf die Möglichkeit und Bedeutung der Generierung von Interaktionspotenzialen auf der Steuerungsebene zu bestehen. Eventuell noch etwas geringer fällt der Einfluss auf die Bedeutung der Generierung von Transaktionspotenzialen auf der Formatierungsebene aus.44 (2)
Unternehmensumfeld als Restriktion der Handlungsoptionen
Neben der oben untersuchten Unternehmenskonfiguration beeinflusst auch das Unternehmensumfeld die Handlungsoptionen des Managements bei der Positionierung des Unternehmens. Es umfasst alle nicht im Unternehmen selbst verankerten Merkmale, die aber seiner direkten Umwelt, mithin seiner Branche oder strategischen Gruppe, zurechenbar sind. Es ist jedoch keine bloße Residualkategorie, sondern ein „Set“ von unabhängigen oder voneinander abhängigen Variablen, die auf das Unternehmen einwirken.45 Das Unternehmensumfeld stellt für die Positionierung keine so bedeutende, gleichwohl aber eine härtere Restriktion als die Unternehmenskonfiguration dar. Ersteres ist darauf zurückzuführen, dass das Umfeld nur mittelbar auf die Positionierungsmöglichkeiten wirkt und langfristig teilweise wählbar ist, letzteres darauf, dass es durch die Unternehmensführung kaum beeinflussbar ist. Zur Charakterisierung des Unternehmensumfelds kommt grundsätzlich jeder Aspekt in Betracht, der die Relevanz der Handlungsfelder beeinflussen kann. Wie bereits unter (1) sollen auch hier im Folgenden drei Dimensionen in den Vordergrund gestellt werden, deren jeweilige Ausprägung einen signifikanten Einfluss auf die Verfügbarkeit der Handlungsfelder haben kann. Dabei handelt es sich um die Attraktivität (a) und Komplexität (b) des Marktes auf dem das fokale Unternehmen agiert, sowie die Vertrauensdistanz (c) zwischen dem Unternehmen und seinen (potentiellen) Investoren. Ergänzend wird der Investitionsdruck internationaler Investoren (d) als zusätzliche Determinante der Transaktionspotenziale betrachtet. (a) Marktattraktivität: In einem ersten Zugriff lässt sich das Unternehmensumfeld nach der Attraktivität der produkt- und länderspezifischen Absatzmärkte differenzieren, in denen das 44
45
Insgesamt lassen sich jeweils drei Unternehmenskonfigurationen identifizieren, die im Hinblick auf eine Positionierung des Unternehmens vereinfachend wirken oder zu Problemen führen können. Vgl. hierzu die Archetypen fundamentaldatenbasierter Positionierungen in Abschnitt III.1.3(2), S. 235ff. Vgl. Ringlstetter (1997), S. 24, u.R.a. Scott (1986), S. 229.
224
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
fokale Unternehmen tätig ist. Dies umfasst das Marktvolumen und -wachstum, Ein- und Austrittsbarrieren, die Anzahl der Wettbewerber sowie die Konzentration der Kunden und Lieferanten.46 Ein Einfluss der Marktattraktivität auf die Bedeutung der Transformationspotenziale lässt sich insbesondere dergestalt rekonstruieren, dass die Wertschöpfung bei hoher Marktattraktivität relativ weniger bedeutend erscheint als bei geringer Marktattraktivität, wo sie nicht unbedingt vorausgesetzt werden kann. Ein signifikanter Einfluss auf die Bedeutung der Werttreiber lässt sich dagegen nur insofern herleiten, als die Bedeutung exogener Werttreiber sowie der Werttreiber „Markt- und Kundenkapital“ mit steigender Marktattraktivität an Bedeutung gewinnt. Eine Besonderheit der Marktattraktivität liegt darin, dass sie selbst durch die Positionierung über eine bestimmte Branche (exogener Werttreiber!) als Wertproposition dienen kann. Dabei ist sogar eine Positionierung über die Branche wichtiger strategischer Partner oder Kundengruppen möglich. So positionierte sich Balda als Hersteller von Kunststoffteilen mit der Herstellung von Mobiltelefongehäusen als Lieferant für die Telekommunikationsindustrie47 oder die Deutsche Post als „Erfüllungsgehilfe„ und direkter Profiteur einer positiven Entwicklung des E-Commerce Marktes. Eine starke Branchenpositionierung ist besonders dann von Vorteil, wenn die Branche in Bezug auf Preis-, Mengen- und Margenentwicklung als attraktiv gilt und das Unternehmen innerhalb dieser Branche eine starke Position besitzt. Sie wird zu einem Nachteil, wenn es sich aus Sicht der Investoren um eine wenig attraktive Branche handelt. In diesem zweiten Fall bestehen die Möglichkeiten einer konzertierten Branchenentwicklung gemeinsam mit den Wettbewerbern oder der Wahl einer anderen strategischen Gruppe durch verbale Repositionierung oder faktische Portfolioumschichtung. Ähnlich wie bei der Wertschöpfung scheint auch die Bedeutung sowohl proaktiver als auch struktureller Interaktionspotenziale mit steigender Marktattraktivität abzunehmen, da die durch vorhandene Kontrollmechanismen gewonnene Sicherheit vor allem in einem schwierigen Umfeld von Bedeutung zu sein scheint. (b) Umweltkomplexität: Ein weiteres Kriterium zur Differenzierung des Unternehmensumfelds ist seine Komplexität. Der Begriff der Komplexität beinhaltet sowohl Kompliziertheit als auch Dynamik.48 Sie beeinflusst die Bedeutung der Transformationspotenziale und Interaktionspotenziale.
46 47 48
Vgl. die Auflistung der Wettbewerbskräfte bei Porter (1996). Vgl. Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 130f. Vgl. die Definition bei Ringlstetter (1997), S. 27f.
III.1 Generische Positionierungsoptionen
225
Die Wirkung der Umweltkomplexität auf die Transformationspotenziale kann auf zwei Ebenen rekonstruiert werden: Einerseits scheint mit zunehmender Komplexität die Bedeutung der Wertschöpfung abzunehmen, während andererseits die Bedeutung der Werttreiber tendenziell an Bedeutung gewinnt. Die leicht abnehmende Bedeutung der Wertschöpfung bei zunehmender Komplexität lässt sich damit erklären, dass eine höhere Umweltdynamik die Möglichkeit der Extrapolation von Vergangenheitserfolgen in die Zukunft verringert.49 Das Unternehmen befindet sich in einer Situation, die mit der eines „quasi-geschichtslosen“ Unternehmens vergleichbar ist. Die den Vergangenheitserfolgen zugrunde liegenden Umstände können nicht als konstant und damit für die Zukunft auch nicht als zutreffend angenommen werden. Bei insgesamt abnehmenden Bedeutung der Wertschöpfung scheinen sich die Gewichte der Kennzahlenkomplexe derart zu verschieben, dass Cash Flow und Realoptionen relativ an Bedeutung gewinnen. Der Cash Flow ermöglicht die Kontrolle des mit der Umfeldkomplexität tendenziell steigenden Insolvenzrisikos und gewinnt deshalb an Bedeutung. Realoptionen sind deshalb besonders geeignet, da sie bei hoher Wahrscheinlichkeit des Eintreffens neuer Informationen und gleichzeitiger Möglichkeit der Reaktion auf diese neue Informationslage eine sinnvolle Messgröße für Zukunftserfolge darstellen.50 Die leicht zunehmende relative Bedeutung der Werttreiber erklärt sich damit, dass die unter dem Begriff der Werttreiber subsumierten Ressourcen und Fähigkeiten in ihrer Gesamtheit eine adäquate Reaktion auf neue Umfeldsituationen ermöglichen. So ergab eine Differenzierung von Unternehmen anhand ihrer Umweltdynamik durch Rotem (1994), dass in dynamischen Umwelten die Ressourcen einen wesentlich höheren Erklärungsbeitrag des Unternehmenserfolgs leisteten als der Markt, in stabilen Umwelten sich jedoch ein umgekehrtes Verhältnis ergab.51 Bei geringer Umweltdynamik wäre folglich eine Positionierung über die Branche, bei hoher Umweltdynamik über die Werttreiber, insbesondere die Ressourcen des Unternehmens Erfolg versprechend. Exemplarisch lässt sich die bei hoher Umfeldkomplexität häufig gegebene Preisunsicherheit anführen, die für Investoren die Bedeutung der Eigenkapitalquote steigert. Die mit der Komplexität zunehmende Bedeutung der Interaktionspotenziale lässt sich darauf zurückführen, dass vor dem Hintergrund häufig sich ändernder Umfeldvariablen für Investoren eine zeitnahe Information über die Unternehmenssituation sinnvoll ist. Eine
49
50 51
Der Wert der Wertschöpfung wurde in Abschnitt II.1.1(1) damit begründet, dass bei Annahme konstanter zugrunde liegender Werttreiber auch ohne diese genau zu kennen, eine kontinuierliche Entwicklung der Ertragskennzahlen angenommen werden kann. Realoptionen sind zwar als Kennzahl im Bereich der Wertschöpfung verortet, haben aber ähnlich den Werttreibern einen starken Zukunftsbezug. Vgl. Raster (1995), S. 172, u.R.a. eine Untersuchung von Rotem (1994), S. 7ff., zur Koexistenz von Ressource Based View und Market Based View.
226
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Differenzierung zwischen proaktiven und strukturellen Interaktionspotenzialen lässt sich auf Basis der Umweltkomplexität schwerlich begründen. Allerdings ist im Bereich der Anreizsysteme bei hoher Umfeldkomplexität ein Vorteil der Aktienkursorientierung gegenüber der Kennzahlenorientierung anzunehmen, da diese der hohen Komplexität implizit besser gerecht werden kann. (c) Vertrauensdistanz: Die Vertrauensdistanz ist ein drittes relevantes Kriterium zur Klassifizierung des Unternehmensumfeldes. Sie misst den Grad der subjektiv empfundenen Unwägbarkeiten für den Investor. Diese Unwägbarkeiten ergeben sich einerseits aus der räumlichen, informatorischen und kulturellen Distanz des Unternehmens zum Investor und andererseits aus der Struktur der relevanten Gesetzeslage.52 Beide Faktoren führen dazu, dass sowohl das Risiko eines Informationsmangels als auch die Kosten der Informationsbeschaffung für den Investor zunehmen. Die Kombination aus den beiden genannten Kriterien ist in Abb. III-9 dargestellt. Je größer das Risiko, desto mehr Informationsbedarf besteht. Je höher gleichzeitig aber die Beschaffungskosten, desto weniger werden Aktionäre bereit sein, den Informationsbedarf selber zu decken.
hoch
Hoher Informationsbedarf
Hoher Informationsbedarf
InformationsBeschaffung
Risiko bei Informationsmangel
InformationsBedarf
Eigeninformation Geringer Informationsbedarf
Geringer Informationsbedarf
InformationsMöglichkeit Eigeninformation
niedrig
Kooperationsbedarf
InformationsVerzicht Kooperationsbedarf
niedrig
hoch Kosten der Informationsbeschaffung
Abb. III-9: 52
Bedeutung der Informationsbereitstellung für die Positionierung
Zur Zunahme der Bedeutung von Corporate Governance mit der Entfernung zum Investor vgl. McKinsey (2000), S. 3ff.
III.1 Generische Positionierungsoptionen
227
Die Schaffung von Interaktionspotenzialen ist daher vor allem für die Unternehmen im Nordosten der Matrix eine sinnvolle Positionierung. Diese sind aus der subjektiven Perspektive des Investors mit hohen Risiken behaftet, deren Minimierung durch Informationsbeschaffung für den Investor aber gleichzeitig mit hohen Kosten verbunden ist. Das ist vor allem bei Unternehmen der Fall, die eine hohe räumliche und kulturelle Distanz zum Investor aufweisen und deren legales Umfeld keine ausreichende Überwachung der Unternehmensleitung und Information des Investors sicherzustellen scheint. Aus westeuropäisch geprägter Sicht, dürfte das verstärkt auf räumlich weit entfernte Unternehmen in nicht demokratisch regierten oder islamisch geprägten Ländern zutreffen. Im Süden der Matrix ist der Informationsbedarf gering, so dass Investoren sich entweder selbst informieren können oder ganz auf Informationen verzichten. Im Nordwesten besteht ein hoher Informationsbedarf bei gleichzeitig relativ niedrigen Informationsbeschaffungskosten, so dass Aktionäre die benötigten Informationen tendenziell selbst beschaffen können. Die Positionierung mit Interaktionspotenzialen verliert damit an Bedeutung. Der Einfluss der Vertrauensdistanz auf die Bedeutung der Transaktionspotenziale kann als untergeordnet angenommen werden. Lediglich eine leicht erhöhte Bedeutung der Wertschöpfung gegenüber den Werttreibern erscheint insofern wahrscheinlich, als diese eine mit weniger Unsicherheiten behaftete Größe darstellen. Analog zu der Argumentation in Abschnitt III.1.1 (1) (a) gilt vermutlich auch hier der Satz: „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“. (d) Investitionsdruck: Schließlich hat der Investitionsdruck internationaler Investoren einen Einfluss auf die Bedeutung der Platzierungsansätze zur Generierung von Transaktionspotenzialen. Besteht das Bedürfnis ausländischer Investoren zum Erwerb von Aktien des Unternehmens, wird dies aber gleichzeitig durch Investitionsbarrieren behindert, dann kann eine Sekundärplatzierung für diese Investoren transaktionskostensenkend wirken und den Kurs der Aktie steigern. Ein erhöhter Anreiz zu einem Zweitlisting besteht daher vermutlich in Bullenmärkten. (e) Unternehmensumfeld in der Übersicht: In der Übersicht können die betrachteten Dimensionen des Unternehmensumfelds etwa entsprechend Abb. III-10 wiedergegeben werden. Während Marktattraktivität, Umweltkomplexität und Vertrauensdistanz primär die Bedeutung der Positionierung über Transformations- und Interaktionspotenziale beeinflussen wirkt die Investitionsbereitschaft hauptsächlich auf die Bedeutung der Positionierung über Transaktionspotenziale. Dabei scheint das Unternehmensumfeld tatsächlich einen etwas geringeren Einfluss auf die Möglichkeit und Bedeutung der Generierung von Nutzenpotenzialen auf den drei Betrachtungsebenen auszuüben als dies die Unternehmenskonfiguration tut. Daher sind zur Eignung
228
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
von Positionierungsinhalten in bestimmten Umfeldszenarien allenfalls Tendenzaussagen möglich. Eine Positionierung mit Wertschöpfungskennzahlen scheint sich demnach bei niedriger Marktattraktivität, niedriger Umweltkomplexität und gleichzeitig hoher Vertrauensdistanz anzubieten. Für eine Positionierung mit Werttreibern spricht insbesondere eine hohe Umweltkomplexität und evtl. eine hohe Marktattraktivität. Die Positionierung mit Interaktionspotenzialen scheint im Falle einer niedrigen Marktattraktivität, einer hohen Umweltkomplexität und einer hohen Vertrauensdistanz geeignet. Transformationspotenziale
Interaktionspotenziale
Transaktionspotenziale
Wertschöpfung
Proaktiv
Gestaltung
Werttreiber
Strukturell
Platzierung
hoch
Marktattraktivität gering
hoch
Umweltkomplexität gering
hoch
Vertrauensdistanz gering
hoch
Investitionsbereitschaft gering
notwendig
Abb. III-10:
sinnvoll
möglich
unmöglich
Positionierungsoptionen vor dem Hintergrund des Unternehmensumfelds
Insgesamt lassen sich jedoch keine Umfeldszenarien identifizieren, die bestimmte Positionierungen des Unternehmens eindeutig vorziehenswürdig oder vollständig unmöglich erscheinen lassen. Daher muss das Unternehmensumfeld bei der Entwicklung der Positionierungsentscheidung nicht im Mittelpunkt stehen, sondern kann flankierend hinzugezogen werden.
III.1.3
Die Ableitung generischer Positionierungsoptionen aus Nutzenpräferenzen und Handlungsoptionen
Auf Basis der in Teil II eingeführten Nutzenpotenziale und Handlungsfelder lassen sich nun generische Positionierungsoptionen ableiten. Dabei dienen Investoren- und Unternehmenscharakteristika als Determinanten zur Differenzierung unterschiedlicher Positionierungsoptionen nach spezifischen Situationsvariablen.
III.1 Generische Positionierungsoptionen
229
Positionierung wurde in Teil I als sichtbarer Output einer Wettbewerbsstrategie definiert, als „zielgruppenspezifische Festlegung der nachfragerelevanten Nutzenversprechungen der eigenen Leistungen im Vergleich zu denen der Konkurrenz“.53 Das Wesen der Positionierung liegt also darin, das Unternehmen bzw. seine Aktien durch das Herausstellen bestimmter Eigenschaften im Wahrnehmungsraum des Investors zu verankern, um bei diesem eine Präferenz und eine Differenzierung gegenüber der Konkurrenz zu erreichen.54 Die Differenzierung schafft sozusagen einen „reaktionsfreien Raum“, in welchem der Preis der Aktie nicht notwendigerweise direkt mit der messbaren Leistung korreliert ist und sich gegenüber Leistungsschwankungen als robust erweisen kann.55 Jung (2001) weist auf die Analogie einer solchen Aktien-Positionierung zum Markenverständnis hin. Wenn auch bei Aktien Produktleistung und Bepreisung nicht die gewohnte Kontinuität eines herkömmlichen Markenartikels aufweisen können, lassen sich solche Positionierungen wie Marken langfristig aufbauen und sind dann auf Basis des ihnen inhärenten Reputationskredits in der Lage, auch Schwächeperioden zu überleben. Die Marketingforschung referenziert diesbezüglich auf den Begriff der „Selbstähnlichkeit“ im Zeitablauf. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich eine Positionierung eher mit langfristig konstanten Werten als mit aktuellen Größen.56 Ein solches Verständnis beschränkt den Begriff der Positionierung aber nicht auf eine reine Kommunikation, insbesondere geht es nicht darum, ein unrealistisches Bild der tatsächlichen Verhältnisse zu vermitteln. Vielmehr soll die auf den Kapitalmarkt ausgerichtete Unternehmung unter optimaler Schwerpunktsetzung realistisch kommuniziert werden, wobei die tatsächliche Ausrichtung auf die Bedürfnisse des Kapitalmarktes einen integralen Bestandteil der Positionierung darstellt. Als Basis einer Positionierung kommen sowohl Fundamentaldaten als auch Kapitalmarktdaten in Betracht. Im Rahmen dieser Arbeit wird auf fundamentale Faktoren fokussiert. Der Grund liegt schlicht darin, dass Kapitalmarktdaten derivativen Charakter haben. Sie ergeben sich erst im Rahmen des Börsengeschehens aus den fundamentalen Faktoren. Dies hat zwei Implikationen: Zum einen können sie aus diesem Grund kaum direkt beeinflusst werden und erlauben mithin keine aktive Positionierung. Zum anderen stellen sie eine Art ex post Betrachtung dar und bieten somit keinen direkten Zugang zu den Wertpotenzialen des Unternehmens. Eine aktive Gestaltung der Positionierung mit den Wertpotenzialen des 53 54 55 56
Meyer/Davidson (2001), S. 469. Vgl. Meffert (2000), S. 1305f. Vgl. Kühn (1976), S. 17. Vgl. Jung (2001), S. 226ff.
230
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Unternehmens gestattet daher nur der Ansatz bei den fundamentalen Faktoren. Auch ist eine „echte“ Differenzierung zur Schaffung eines „reaktionsfreien Raumes“ mit „quasimonopolistischen Handlungsspielräumen“ auf der Basis von Kapitalmarktdaten nicht möglich, da diese im Gegensatz zu Fundamentaldaten eine hohe Vergleichbarkeit aufweisen. Aus diesen Gründen liegt die Konzentration bei der nun folgenden Darstellung generischer Positionierungsoptionen auf den bereits untersuchten fundamentalen Nutzenpotenzialen und ihren Determinanten, welche nicht nur eine „echte“ Differenzierung zulassen, sondern den Investoren auch die ex-ante Abschätzung zukünftiger Kapitalmarktdaten ermöglichen.57 In diesem Sinne werden zunächst zum besseren Verständnis die abstrakten Grundelemente fundamentaldatenbasierter Positionierungen skizziert und eine Systematik für die Herleitung konkreter Positionierungen aufgezeigt (1). Vor diesem Hintergrund werden dann Archetypen fundamentaldatenbasierter Positionierungen hergeleitet (2). Ergänzend erfolgt schließlich ein kurzer Exkurs zu kapitalmarktbasierten Positionierungsoptionen jenseits des fundamentaldatenbasierten Ansatzes (3). (1)
Basiselemente und die Ableitung konkreter fundamentaldatenbasierter Positionierungen
Die Positionierung eines Unternehmens im Wettbewerb um Eigenkapital entsteht durch das Belegen oder Nichtbelegen bestimmter Nutzenpotenzial-Komponenten. Die derart angestrebte Positionierung lässt sich analog zum Porterschen Wettbewerbsschema in einer Matrix mit den Dimensionen „strategischer Vorteil“ und „strategisches Zielobjekt“ verorten.58 In einer abstrakten Systematik grundlegender fundamentaldatenbasierter Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital lässt sich der „strategische Vorteil“ als Kombination aus den Nutzenpotenzialebenen und ihrem jeweiligen Zeitbezug erfassen (a). Eine Kreuztabellierung dieser beiden Dimensionen führt zu idealtypischen Elementen einer fundamentaldatenbasierten Positionierung (b). Wenn es sich bei dem „strategischen Zielobjekt“ um den Gesamtmarkt handelt spricht man von Grundstrategien, handelt es sich um eine einzelne, in sich homogene Investorengruppe mit spezifischen Nutzenpräferenzen spricht man von Nischenstrategien
57 58
Vgl. hierzu die Abschnitte II.1 bis II.3 sowie III.1.1 und III.1.2 dieser Arbeit. Vgl. Abschnitt I.2.2 dieser Arbeit. Anders als bei den Porterschen Wettbewerbsstrategien gibt es hier jedoch keine apodiktische „Zwischen-den-Stühlen“-Situation, was darauf zurückzuführen ist, dass die Positionierungsoptionen am Kapitalmarkt nur als unterschiedliche Formen der Differenzierung, nicht aber als Kostenführerschaft konstruiert werden können. Da die Investoren am Zirkulationsmarkt den Preis selbst festlegen. Die hier entwickelten Positionierungsstrategien tragen daher keine grundsätzliche selbstimmanente Unvereinbarkeit in sich. Sie können aber sehr wohl extern determiniert eine situativ unterschiedliche Eignung als Grundlage einer Positionierung aufweisen.
III.1 Generische Positionierungsoptionen
231
(vgl. Abb. III-11). Im Anschluss an die Darstellung dieser Dimensionen und idealtypischer Kombinationen wird eine Vorgehensweise zur Ableitung fundamentaldatenbasierter Positionierungen dargestellt (c). Zeitbezug eits enh ang zogen be
snft en ku og Zu bez
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Transaktio nspotenziale
e
Interaktionspo
Grundstrategien
Nutzenebenen
pp
enziale
Nischenstrategien
Transformations pot
gr u
g Ver
Abb. III-11:
Grundelemente fundamentaldatenbasierter Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital
(a) Nutzenpotenzialebenen und Zeitbezug: Die in Abschnitt I.4.2(2) eingeführten und in Teil II ausführlich dargestellten Nutzenpotenzialebenen stellen das Grundgerüst einer Positionierung dar. Im Bereich der Transformationspotenziale geht es um die Transformation so genannter Inputfaktoren zu Steigerung des „inneren Wertes“ des Unternehmens. Die Positionierung basiert dann auf Wertschöpfungskennzahlen und Werttreibern als so genannten „Return Generating Factors“:59 Im Bereich der Interaktionspotenziale geht es um die Interaktion mit den Aktionären zur Senkung der Principal-Agent-Risiken. Die Positionierung basiert auf der Möglichkeit von Information und Einflussnahme der Aktionäre. Die Kommunikation relevanter Informationen insbesondere über strategische Transformationspotenziale des Unternehmens senkt allerdings nicht nur die Kapitalkosten. Sie erreicht auch die Konkurrenten und könnte damit zu dem Verlust von Wettbewerbsvorteilen und damit letztlich zu einer sinkenden Erwartungsrendite führen.60 Zudem kann der Effekt eintreten, dass eine sehr hohe Transparenz als Ablenkung verstanden wird. Das Management sollte sich daher nicht für eine
59 60
Vgl. Altman (1988), S. 124ff. Vgl. dazu Gertner/Gibbons/Scharfstein (1988), sowie Fuller (2002), S. 4.
232
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Offenlegung der Informationen entscheiden, wenn die Erwartungsrendite im Absatzmarkt durch die Kommunikation stärker sinkt, als die Kapitalkosten.61 Im Bereich der Transaktionspotenziale geht es um die Senkung des Liquiditätsrisikos für den Investor. Bei börsennotierten Gesellschaften ist die dadurch zu erzielende Differenzierung aufgrund der vielfältigen Vorschriften im europäischen und angelsächsischen Börsenrecht nur noch gering, so dass es für einen Großteil der hier existierenden Nutzenpotenziale angemessener wäre, von Hygienefaktoren zu sprechen. Die Dimension Zeitbezug liegt logisch quer zu den Nutzenpotenzialebenen. Nutzenpotenziale können entweder vergangenheitsorientiert oder zukunftsorientiert sein. Vergangenheitsorientierte Nutzenpotenziale basieren auf einer induktiv-probabilistischen Erwartungsbildung. Sie betreffen einen in der Vergangenheit aufgetretenen Nutzen und lassen nicht direkt auf einen möglichen zukünftigen Nutzen schließen. Wenn der Vergangenheitsnutzen dauerhaft genug aufgetreten ist, um eine gewisse Reputation aufzubauen, und zudem die zugrunde liegenden Rahmenfaktoren stabil geblieben sind, ist es zulässig, davon auszugehen, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in der Zukunft auftreten wird.62 Vergangenheitsbezogene Nutzenpotenziale können nicht ausschließlich auf Kommunikation beruhen, bedürfen dieser jedoch auch nicht notwendigerweise, da sie beobachtbar sind. Im Bereich der Transformationspotenziale handelt es sich dabei vor allem um das tatsächliche Erreichen der Wertschöpfungskennzahlen mit Ausnahme der Realoptionen sowie um konstante Werttreiber, deren Wert insbesondere durch den Aufbau von Reputation entsteht. Im Bereich der Interaktionspotenziale fallen die proaktiven Handlungsansätze in diese Kategorie, weil die zukünftige aktive Schaffung von Interaktionspotenzialen durch das Management für den Investor erst mit einer gewissen reputationsfördernden Historie die notwendige Eintrittswahrscheinlichkeit erlangt. Gleiches gilt für einige wenige Bereiche der strukturellen Handlungsansätze, wie z.B. das Selbstverständnis und die Verhaltenshistorie des Aufsichtsrats. Transaktionspotenziale können nur in seltenen Einzelfällen den vergangenheitsorientierten Nutzenpotenzialen zugerechnet werden. Zukunftsorientierte Nutzenpotenziale basieren auf einer deduktiven Erwartungsbildung. Bei ihnen handelt es sich um Gründe, von einer positiven Entwicklung in der Zukunft auszugehen. Sie haben nicht notwendigerweise einen Vergangenheitsbezug und lassen direkt auf einen möglichen zukünftigen Nutzen schließen. Zukunftsorientierte Nutzenpotenziale können
61 62
Vgl. Gertner/Gibbons/Scharstein (1988), S. 173ff. Bei den Rahmenfaktoren kann es sich bspw. um einen Wettbewerbsvorteil, einen Ressourcenzugang oder auch die Person des Managers handeln. Sie stellen eine wichtige Ursache der Vergangenheitsentwicklung dar und sind insofern für eine Extrapolation in die Zukunft unerlässlich.
III.1 Generische Positionierungsoptionen
233
allein durch Kommunikation bzw. konkludentes Handeln in der Gegenwart entstehen. Im Bereich der Transformationspotenziale handelt es sich dabei um die Ankündigung bestimmter Zielkennzahlen sowie um Realoptionen sowie um Werttreiber, deren Wert für die zukünftige Entwicklung ohne vorhergehend vorherigen Reputationsaufbau anzunehmen ist. Im Bereich der Interaktionspotenziale fallen die strukturell-systematischen Handlungsansätze in diese Kategorie, weil diese dem Investor die definitive Möglichkeit geben, Informationen über das Unternehmen zu erlangen oder Einfluss auszuüben. Transaktionspotenziale sind beinahe vollständig zukunftsorientiert, weil ihre Schaffung sich in einem formalen Rahmen vollzieht, der dem Investor eine relativ hohe Sicherheit in Bezug auf ihr zukünftiges Bestehen gewährt. (b) Idealtypische Positionierungselemente: Durch eine Kreuztabellierung der Nutzenpotenzialebenen mit dem Zeitbezug lassen sich drei grundsätzliche idealtypische Positionierungselemente ableiten: Beruht die Positionierung primär auf vergangenheitsorientierten Transformationspotenzialen, dann erfolgen Kurssteigerungen vermehrt aufgrund von Reputation und Vertrauen auf die Fortsetzung der Vergangenheitsentwicklung. Diese Positionierung könnte als Modell „Jack Welch“ bezeichnet werden. Sie birgt zunächst die Gefahr der Unterbewertung, gestattet aber später einen Verzicht auf hohe Transparenz. Das befähigt zu einer gewissen Undurchschaubarkeit für die Konkurrenz und verschafft insofern ggf. strategische Vorteile auf dem Absatzmarkt.63 Beruht die Positionierung primär auf zukunftsorientierten Transformationspotenzialen, dann erfolgen Kurssteigerungen vermehrt aufgrund von Erwartungen in zukünftige Entwicklungen. Diese Positionierung könnte als Modell „Klaus Esser“ bezeichnet werden. Das entbindet zwar nicht von einer gewissen Transparenz, ermöglicht ggf. aber den Verzicht auf entsprechende Vergangenheitserfolge. Beruht die Positionierung primär auf Interaktionspotenzialen, dann erfolgen Kurssteigerungen vermehrt aufgrund von subjektiv wahrgenommener Kontrolle. Diese Positionierung könnte als Modell „CalPERS“ bezeichnet werden. Sie senkt durch hohe Transparenz die Principal-Agent-Kosten und schafft damit eine ex-ante Bewertungsmöglichkeit. Sie gewährt hohe strategische Vorteile durch Investor-Feedback, birgt aber die Gefahr der Durchschaubarkeit für Konkurrenten und führt damit ggf. zu einer schlechteren Performance am Absatzmarkt. Die Unterscheidung zwischen vergangenheits- und zukunftsorientierten Interaktions-
63
An dieser Stelle soll nicht der Eindruck erweckt werden, Jack Welch hätte keine Kommunikation mit den Eigentümern gepflegt. Der Hauptgrund für die enormen Wertsteigerungen von GE insbesondere in den letzten Jahren unter seiner Leitung ist aber wohl tatsächlich im Vertrauen der Aktionäre in die Fortsetzung der Vergangenheitsentwicklung zu sehen.
234
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
potenzialen sind zwar bei der aktiven Positionierungsgenese relevant, ex-post lässt sich aber die Quelle für bestimmte Interaktionsmaßnahmen nur schwer rekonstruieren. (c) Vorgehensweise bei der Ableitung fundamentaldatenbasierter Positionierungsoptionen: Generische Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital entstehen auf einer ersten Ebene durch das Belegen bzw. Nichtbelegen bestimmter Nutzenpotenzial-Kombinationen und, sofern eine Belegung erfolgte, auf nachgelagerter Ebene durch eine Entscheidung über die konkreten Inhalte. Dabei müssen die Kombinationen aus relevanten Nutzenpotenzialen sowohl in sich stimmig (kompatibel) als auch der jeweiligen Zielgruppe vermittelbar sein. Die Ermittlung fundamentaldatenbasierter Positionierungen folgt bis zur Ableitung generischer Positionierungsoptionen dem in Abschnitt III.1 eingeführten Schema, bevor dann in einem letzten Schritt unter Berücksichtigung komparativer Vorteile eine individuelle generische Positionierung hergeleitet werden kann (vgl. Abb. III-1, S. 201 oben): In einem ersten Schritt geht es um die Beantwortung der Frage „Was ist für die fokalen Investoren relevant?“, ergo um die Bestimmung ihrer Nutzenpräferenzen. Als Determinante der Teilmenge der tatsächlichen Nutzenpräferenzen der Investoren aus der Gesamtmenge der Nutzenpotenziale dienen die Investorencharakteristika.64 Sollen Grundstrategien entwickelt werden, welche die gesamte Financial Community als strategische Zielgruppe haben, geschieht dies vor dem Hintergrund des Aktionärssentiments, geht es um Nischenstrategien, welche abgegrenzte Investorengruppen zum Ziel haben, geschieht dies vor dem Hintergrund der jeweiligen Aktionärs-Spezifika. In einem zweiten Schritt geht es dann um die Beantwortung der Frage „Welche Handlungsfelder stehen dem fokalen Unternehmen überhaupt zur Verfügung?“, ergo um die Bestimmung der Handlungsoptionen des Unternehmens. Nicht jedes Nutzenpotenzial kann von einem Unternehmen auch realisiert werden. Entweder weil das Handlungsfeld überhaupt nicht zur Verfügung steht, oder weil sich aufgrund der besonderen Situation des Unternehmens trotz möglichen Handelns kein echter Nutzen für den Investor ergibt.65 Als Restriktion der Teilmenge der tatsächlichen Handlungsoptionen aus der Gesamtmenge der Handlungsfelder dienen die Unternehmenscharakteristika.66 Hier spielen sowohl die Unternehmenskonfiguration als auch das direkte Unternehmensumfeld eine Rolle.
64 65
66
Vgl. Unterkapitel III.1.1, S. 202ff. oben. So haben beispielsweise echte Start-Ups keine Möglichkeit, sich über historische Kennzahlen zu positionieren, weil keine Unternehmenshistorie existiert. Für strategisch neu ausgerichtete, restrukturierte Unternehmen unter neuer Leitung besteht dagegen zwar diese Möglichkeit, sie hat aber aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen für Investoren keinen Wert. Vgl. Unterkapitel III.1.2, S. 212ff. oben.
III.1 Generische Positionierungsoptionen
235
Mögliche Positionierungen des Unternehmens ergeben sich nun aus der Schnittmenge der Nutzenpräferenzen und Handlungsoptionen. Für eine erfolgreiche Positionierung im Wettbewerb um Eigenkapital sind nach Möglichkeit die Positionierungskomponenten zu wählen, bei denen ein komparativer Vorteil gegenüber den Wettbewerbern besteht. (2)
Archetypen fundamentaldatenbasierter Positionierungen
Zur Ableitung einer individuellen fundamentaldatenbasierter Positionierung wird dem oben unter (b) dargestellten Schema gefolgt. Für archetypische fundamentaldatenbasierte Positionierungen wird davon abweichend vereinfachend auf die explizite Berücksichtigung der Aktionärs-Spezifika, des Unternehmensumfelds und komparativer Vorteile verzichtet. Während nämlich das Unternehmensumfeld keinen absolut zwingenden Einfluss auf das Ergebnis hat, sind Aktionärs-Spezifika und komparative Vorteile sehr situationsspezifisch und daher für eine allgemeine Herleitung archetypischer Positionierungen nicht geeignet. Im Folgenden werden zunächst noch einmal (a) die relevanten Nutzenpotenziale vor dem Hintergrund der vier Sentiment-Szenarien rekapituliert. Im Anschluss werden (b) die Handlungsoptionen vor dem Hintergrund sechs bedeutender Unternehmens-Konfigurationen dargestellt. Schließlich werden aus der Kombination der beiden Perspektiven (c) archetypische Positionierungsoptionen abgeleitet. (a) Sentiment-Szenarien und korrespondierende Nutzenpräferenzen: Zur Ableitung der allgemeinen Nutzenpräferenzen im Rahmen von Grundstrategien (vgl. Abb. III-12) fungieren die bereits unter III.1.1 (1) dargestellten und erläuterten vier möglichen Sentiment-Szenarien.67 Sind Transformations- und Interaktions-Sentiment positiv, dann liegt die größte Bedeutung auf den Werttreibern. Wird das Transformations-Sentiment negativ, gewinnt insbesondere die Wertschöpfung zusätzlich an Bedeutung. Wird auch das Interaktions-Sentiment negativ, dann steigt die Bedeutung der Interaktionspotenziale und die Werttreiber verlieren geringfügig an Bedeutung. Wird das Transformations-Sentiment wieder positiv bei negativem InteraktionsSentiment, dann verlieren die Interaktionspotenziale etwas an Bedeutung, während sich das Verhältnis von Wertschöpfung und Werttreibern zugunsten der Werttreiber verschiebt.
67
Vgl. Abschnitt III.1.1 (1), S. 203ff., dieser Arbeit, insbesondere Unterpunkt (d).
236
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Transformationspotenziale
Interaktionspotenziale
Wertschöpfung
Proaktiv
Werttreiber
Strukturell
9
Tranformations-Sentiment (+) / Interaktions-Sentiment (+)
Tranformations-Sentiment (-) / Interaktions-Sentiment (+)
9 Tranformations-Sentiment (-) / Interaktions-Sentiment (-)
9 Tranformations-Sentiment (+) / Interaktions-Sentiment (-)
unverzichtbar
Abb. III-12:
9
hohe Bedeutung
geringe Bedeutung
kaum Bedeutung
Sentiment-Szenarien und korrespondierende Nutzenpräferenzen
(b) Unternehmenskonfigurationen und korrespondierende Handlungsoptionen: In Abschnitt III.1.2 (1) dieser Arbeit wurden bereits mögliche Unternehmenskonfigurationen in der Übersicht dargestellt.68 Nun gibt es einige Spezialfälle, welche die Positionierung besonders einfach oder extrem schwierig werden lassen. Konfigurationen, welche die Positionierung des Unternehmens unter einstweiliger Vernachlässigung der situativen Investorencharakteristika zunächst einmal grundsätzlich vereinfachen, sind in Abb. III-13 dargestellt. Dabei spricht eine hohe Historizität generell für eine Positionierung mit Wertschöpfungskomponenten, eine hohe Vermittelbarkeit der Erfolgspotenziale für eine Positionierung mit Werttreibern. In Fall der Konfiguration K1 ist eine Positionierung sowohl im Bereich der Wertschöpfung als auch mit Werttreibern, sowie Interaktionspotenzialen möglich. Solche Unternehmen zeichnen sich durch eine hohe Historizität sowie eine hohe Vermittelbarkeit ihrer Erfolgspotenziale aus. Jede Komponente dieses Konfigurationsmusters isoliert betrachtet führt dazu, dass eine Positionierung mit Wertschöpfung, Werttreibern sowie proaktiven oder strukturellen Interaktionspotenzialen zumindest möglich, ggf. sogar sinnvoll ist. Eine solche Konfiguration ist vor allem bei reifen Unternehmen in reifen Märkten anzutreffen, die entweder in einer weitgehend abgeschotteten Wettbewerbsarena agieren oder deren Wettbewerbsvorteile primär in schwer imitierbaren Faktoren, wie einer hohen operativen Exzellenz oder Ressourcenvorteilen liegen. Zu dieser Gruppe können bspw. Handelsunternehmen wie Walmart, Ölgesell-
68
Vgl. Abschnitt III.1.2 (1), S. 213ff., dieser Arbeit, insbesondere Unterpunkt (e).
III.1 Generische Positionierungsoptionen
237
schaften wie Exxon Mobile oder BP oder Getränkehersteller wie Coca-Cola, Cadburry Schweppes oder Anheuser Busch gezählt werden.
Wertschöpfung
Werttreiber
Wertschöpfung
Werttreiber
Wertschöpfung
Werttreiber
hoch Wachstumsdynamik gering hoch Historizität gering hoch Vermittelbarkeit gering
K1
K2
notwendig
Abb. III-13:
K3
sinnvoll
möglich
unmöglich
Positionierungsfreundliche Unternehmenskonfigurationen
Ist dagegen, wie im Fall der Konfiguration K2 dargestellt, bei ebenfalls hoher Historizität die Vermittelbarkeit der Erfolgspotenziale eher gering, dann scheidet eine Positionierung mit Werttreibern zumeist aus; stattdessen ist das Unternehmen für eine Positionierung im Bereich der Wertschöpfung prädestiniert. Dies wird durch eine geringe Wachstumsdynamik noch verstärkt. Während hohe Historizität und geringe Wachstumsdynamik eine wertschöpfungsorientierte Positionierung grundsätzlich sinnvoll erscheinen lassen, kann diese aufgrund der geringen Vermittelbarkeit der Erfolgspotenziale sogar notwendig werden, da eine Positionierung mit Werttreibern dann ausscheiden dürfte. Eine solche Konfiguration ist vor allem bei reifen Unternehmen anzutreffen, deren Wettbewerbsvorteile entweder in imitierbaren Faktoren, wie einem zeitlichen Entwicklungsvorsprung oder nicht schützbarem Wissen, liegen oder deren Kernkompetenzen für eine einfache Kommunikation zu komplex bzw. überhaupt nicht bekannt sind. Stellvertretend für solche Unternehmen lassen sich Sony, mittelgroße Ölgesellschaften mit ihrem Wissen über ergiebige Schürfgebiete, sehr komplexe Großkonzerne wie 3M oder GE69 und Brauereien, wie Augustiner Bräu,70 anführen.
69
70
GE fällt erst in der Post-Jack-Welch-Ära in diese Kategorie. In den vorausgehenden Jahren unter Jack Welch beruhte die Positionierung neben Wertschöpfungskennzahlen primär auf dem nicht imitierbaren Werttreiber „Management“. Augustiner Bräu konnte lange Premium-Preise verlangen, ohne eine entsprechende landesweite Werbepräsenz zu haben. Daher wurde ihnen nachgesagt, sie hätten Marken-Kompetenzen aufgebaut, ohne diese
238
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Ist schließlich, wie im Fall der Konfiguration K3, die Vermittelbarkeit der Erfolgspotenziale hoch, die Historizität aber gering, dann scheidet eine Positionierung mit Wertschöpfung zumeist aus; das Unternehmen ist stattdessen für eine Positionierung mit Werttreibern und (vor allem proaktiven) Interaktionspotenzialen prädestiniert. Dies wird durch eine hohe Wachstumsdynamik noch verstärkt. Während hohe Vermittelbarkeit und hohe Wachstumsdynamik eine Positionierung mit Werttreibern grundsätzlich sinnvoll erscheinen lassen, kann diese aufgrund der geringen Historizität sogar notwendig werden, da die Wertschöpfung nur wenig Prognosekraft besitzt. Eine solche Konfiguration kommt eher selten vor, und ist, wenn überhaupt, dann vor allem bei Unternehmen anzutreffen, die in Wachstumsmärkte expandieren und dabei auf bereits bestehende und nicht imitierbare Erfolgsfaktoren, wie operative Exzellenz und fähiges Management, setzen. Stellvertretend für diese Gruppe von Unternehmen lassen sich bspw. die ehemalige Mobilfunksparte von Mannesmann oder generell Unternehmens-Ausgründungen in reifen Märkten durch erfahrene Manager sowie Start-Ups mit hoher Kapitalausstattung nennen. Im Gegensatz zu den oben genannten Fällen gibt es auch drei Konfigurationen, welche sich für eine Positionierung des Unternehmens, unter einstweiliger Vernachlässigung der situativen Investorencharakteristika, zunächst einmal als problematisch erweisen. Diese sind in Abb. III-14 dargestellt.
Wertschöpfung
Werttreiber
Wertschöpfung
Werttreiber
Wertschöpfung
Werttreiber
hoch Wachstumsdynamik gering hoch Historizität gering hoch Vermittelbarkeit gering
K4
K5
notwendig
Abb. III-14:
K6
sinnvoll
Positionierungsfeindliche Unternehmenskonfigurationen
konkret zu kennen.
möglich
unmöglich
III.1 Generische Positionierungsoptionen
239
Grundsätzlich spricht hier eine geringe Historizität generell gegen eine Positionierung mit Wertschöpfungskomponenten und eine geringe Vermittelbarkeit der Erfolgspotenziale gegen eine Positionierung mit Werttreibern. In dem weitaus problematischsten Fall der Konfiguration K4 ist eine Positionierung weder im Bereich der Wertschöpfung noch mit Werttreibern und nur sehr eingeschränkt mit Interaktionspotenzialen möglich. Unternehmen, die in diese Kategorie fallen, zeichnen sich durch eine Kombination aus geringer Historizität und geringer Vermittelbarkeit ihrer Erfolgspotenziale aus. Ersteres verhindert eine effektive Positionierung mit Wertschöpfungskomponenten, wodurch eine Positionierung mit Werttreibern nahezu unumgänglich wird, letzteres macht aber eben die Positionierung mit Werttreibern unmöglich und verlangt daher nach einer Positionierung mit Wertschöpfungskomponenten. Eine solche Konfiguration trifft vor allem auf junge Wachstumsunternehmen zu, deren primäre Erfolgspotenziale in Wissenskapital, wie Know-How und Patenten, liegen. Solche Unternehmen lassen sich nur sehr schwer am Kapitalmarkt positionieren, allerdings ist der Konflikt unter gewissen Voraussetzungen „heilbar“: Grundsätzlich kann ein stark positives Transformations-Sentiment zu einer überproportional hohen Bedeutung exogener Werttreiber führen71 und damit die Kommunikation endogener Werttreiber wenigstens partiell substituieren. Die Bedeutung positiver Marktaussichten überlagert in diesem Fall die Bedeutung der Unternehmensspezifischen Erfolgspotenziale und führt an sich schon zu einer Wertattribution des in diesem Markt tätigen Unternehmens.72 Jenseits glücklicher äußerer Umstände stehen dem Management des fokalen Unternehmens zudem zwei proaktive Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung: Zum einen ist es möglich, die Nachteile der Kommunikation von Erfolgspotenzialen dadurch zu vermeiden, dass der Investorenkreis eingeschränkt wird, bspw. durch ein Private Placement. Zum anderen ist es denkbar, dass die Notwendigkeit der Kommunikation kritischer Erfolgspotenziale umgangen wird, indem das Management auf konstante Werttreiber und damit letztlich auf den Faktor Reputation rekurriert. So kann auch bei Start-Ups zunächst einmal als Werttreiber ein erfolgreiches Management-Team oder eine bewährte Strategie in den Vordergrund gestellt werden. Das „Verstecken“ innovativer Teileinheiten in Konzernstrukturen stellt im Prinzip eine Kombination dieser beiden Ansätze dar. So erfolgt eine Offenlegung der Erfolgspotenziale zunächst einmal nur gegenüber dem geschlossenen Kreis des Konzernmanagements, welches wiederum gegenüber dem externen Kapitalmarkt seine eigene Reputation quasi als Garantie verpfändet. Die Konfiguration K5 entspricht K4 in Bezug auf ihre geringe Historizität, wodurch eine Positionierung mit Wertschöpfungskennzahlen nahezu ausgeschlossen ist, verzeichnet aber 71
Vgl. zu den Wirkungen des Transformations-Sentiments Abschnitt III.1.1 (1) (a).
240
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
gleichzeitig eine geringe Wachstumsdynamik, die den Rückgriff auf eben diese Positionierung quasi erforderlich erscheinen lässt. Eine Positionierung mit Werttreibern wäre zwar grundsätzlich denkbar, vermag aber kaum echte Wertpotenziale zu vermitteln, da die Wachstumsphantasie fehlt. Bei den in diese Kategorie fallenden Unternehmen kann es sich einerseits um wachstumsschwache Start-Ups oder andererseits um sanierte, restrukturierte, oder konsolidierte reife Unternehmen in stagnierenden Märkten sowie Ausgliederungen von NichtWachstumsbereichen handeln. Während im ersten Fall kaum eine erfolgreiche Positionierung am Kapitalmarkt erfolgen kann, besteht für letztere eine Lösungsmöglichkeit darin, dass die Betonung auf ein bestehendes Managementteam oder bewährte Strategien und deren Wertschöpfungshistorie als konstante Werttreiber gelegt wird. Die Konfiguration K6 entsprich K4 in Bezug auf ihre geringe Vermittelbarkeit, die eine Positionierung mit Werttreibern und Interaktionspotenzialen nahezu ausschließt, konfligiert insofern aber mit den Erfordernissen einer hohen Wachstumsdynamik, deren Potenziale in der Positionierung mit Werttreibern am wirksamsten zum Ausdruck gebracht werden können. Eine Positionierung mit Wertschöpfungskennzahlen wäre bei ausreichender Historizität denkbar, vermag die für Wachstumsunternehmen relevanten Wertpropositionen häufig aber nur unzureichend zu vermitteln. Bei den in diese Kategorie fallenden Unternehmen handelt es sich primär um Unternehmen mit hohem Wissenkapitalanteil, die aufgrund ihrer Branchenpositionierung trotz ihres Alters eine hohe Wachstumsdynamik verzeichnen. Dazu zählen z.B. arrivierte Unternehmen im Bereich der Bio- und Informationstechnologie-, sowie Pharmaunternehmen. Die für solche Unternehmen bestehenden Positionierungsprobleme sind weniger gravierend als die bei K4 auftretenden Schwierigkeiten, was zunächst einmal darauf zurückzuführen ist, dass bei einer ausreichenden Historie auch Wertschöpfungskennzahlen zur Positionierung genutzt werden können. Darüber hinaus bestehen alle zu K4 genannten Möglichkeiten, die Schwierigkeiten zu „heilen“. Zum einen kann ein stark positives Transformations-Sentiment die Bedeutung exogener Werttreiber steigern und damit die Kommunikation endogener Werttreiber wenigstens partiell substituieren. Zum zweiten ist es möglich, die Nachteile der Kommunikation von Erfolgspotenzialen dadurch zu vermeiden, dass der Investorenkreis eingeschränkt wird und zum dritten ist es denkbar, dass die Notwendigkeit der Kommunikation kritischer Erfolgspotenziale umgangen wird, indem das Management neben der ggf. vorhandenen Unternehmenshistorie auf zusätzliche konstante Werttreiber und damit letztlich auf den Faktor Reputation rekurriert.
72
Vgl. Kagermann (2003), S. 14ff.
III.1 Generische Positionierungsoptionen
241
(c) Generische archetypische Positionierungsoptionen: Die unter (a) dargestellten vier Sentiment-Szenarien lassen sich nun mit den unter (b) dargestellten sechs Unternehmenskonfigurationen kreuztabellieren. Die resultierenden Positionierungsoptionen sind in Abb. III-15 zusammengefasst. Positionierungsfreundliche Konfigurationen K1
9 9
9 9
K2
Positionierungsfeindliche Konfigurationen
K3
99 9 9
9
K4
K5
99 9
8 8 8 8 8
99
8 8
9
9
9
9
9 9
9 9
99 9 9
8 8 9 9 9
9 9
9 9
99 9 9
8 8 9 9 9
8 8 8 8 8 ? ?
9 9
9 9
9 9
8 9
8 8
? ?
S4: TS+ / IS-
9
99 9
Wertschöpfung und -verteilung
Abb. III-15:
sehr sinnvoll
9
möglich
neutral
? ? 8
2.5
8 8 99 9 9
99 8 3.6
3.5
8 8 99 9 9
99 8 8 ? ?
8 9
99 ? ? 8 8
4.4
? ? 9
8
problematisch
? ? 8
4.6
99 9
Werttreiber
Proaktive Interaktionspotenziale
99
9 8
3.4
4.2
9
99
2.4
8 8 8 3.3
S3: TS- / IS-
99 8
1.6
? ? 8
2.3
S2: TS- / IS+
K6
99 9
1.4
1.2
S1: TS+ / IS+
8 9
Strukturelle Interaktionspotenziale
8 8
problematisch + kritisch
? ?
evtl. heilbar
Archetypische Positionierungsoptionen vor dem Hintergrund der Sentiment-Szenarien
In Sentiment-Szenario S1, welches sich durch ein jeweils positives Transformations- und Interaktions-Sentiment auszeichnet, ist eine Positionierung mit Werttreibern nahezu zwingend. Problematisch ist dies für Unternehmen, die eine geringe Vermittelbarkeit ihrer Werttreiber aufweisen, wie dies auf die Konfigurationen K2, K4 und K6 zutrifft (vgl. die Markierungen 1.2, 1.4 und 1.6). Dieser Mangel ist jedoch je nach Wesen der Vermittelbarkeitsdefizite73 durch die unter (b) dargestellten Maßnahmen heilbar, indem entweder nur ein beschränkter Investorenkreis zugelassen oder der Schwerpunkt der Positionierung auf dauerhafte Werttreiber, wie das Management gelegt wird. Insbesondere verliert die geringe Vermittelbarkeit ihre Bedeutung, wenn das Transformations-Sentiment so positiv wird, dass unternehmensinterne Werttreiber von externen Marktfaktoren überlagert werden. In Sentiment-Szenario S2, welches sich durch ein negatives Transformations-Sentiment und ein positives Interaktions-Sentiment auszeichnet, ist eine Positionierung mit Wertschöpfungskennzahlen erforderlich. Probleme entstehen hier für die Unternehmenskonfigurationen K3,
73
Vgl. hierzu die Erklärung der Eigenschaft „Vermittelbarkeit“ unter Punkt III.1.2 (1) (c).
242
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
K4 und K5, welche sich durch eine geringe Historizität auszeichnen (vgl. die Markierungen 2.3, 2.4 und 2.5). Für diese Unternehmen bietet sich auch keine echte Heilungsmöglichkeit an. Es besteht zwar die Möglichkeit des Einsatzes anderer Positionierungselemente. Deren Bedeutung ist im vorliegenden Sentiment-Szenario jedoch eingeschränkt. In Sentiment-Szenario S3, welches sich durch ein jeweils negatives Transformations- und Interaktions-Sentiment auszeichnet, scheint eine Positionierung mit Wertschöpfung und Interaktionspotenzialen erforderlich zu sein. Probleme entstehen hier für die bereits in Szenario S2 betroffenen Konfigurationen K3, K4 und K5 aufgrund ihrer mangelnden Historizität (vgl. die Markierungen 3.3, 3.4 und 3.5). Für die Konfigurationen K4 und K6 kommt zudem das Problem mangelnder Vermittelbarkeit hinzu (vgl. die Markierungen 3.4 und 3.6), sodass es ggf. nicht möglich ist, die erforderlichen Interaktionspotenziale zu generieren. Eine Heilungsmöglichkeit besteht dann, wenn die mangelnde Vermittelbarkeit nicht auf Sensitivität, sondern auf Komplexität und Unbekanntheit beruht. In diesen Fällen ist es möglich, strukturelle Interaktionspotenziale zu schaffen, die dem Investor zwar evtl. keine Informationen vermitteln, aber dennoch das Vertrauensrisiko senken. In Sentiment-Szenario S4 schließlich, welches sich durch ein positives TransformationsSentiment und ein negatives Interaktions-Sentiment auszeichnet, spielen alle vier Positionierungselemente eine Rolle, wobei den Werttreibern scheinbar die größte Bedeutung zukommt. Daher treten eventuelle Probleme bei den bereits in Szenario S1 betroffenen Unternehmenskonfigurationen K2, K4 und K6 auf (vgl. die Markierungen 4.2, 4.4 und 4.6). Auch hier bestehen die ebenda aufgezeigten Heilungsmöglichkeiten. Die mangelnde Darstellbarkeit von Interaktionspotenzialen fällt hier aufgrund des positiven Transformations-Sentiments nicht so stark ins Gewicht wie in Szenario S3. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Konfigurationen K3, K4 und K5 aufgrund ihrer mangelnden Historizität bei negativem Transformations-Sentiment als kritisch erweisen. Das wird im Fall der Konfiguration K4 durch ein negatives Interaktions-Sentiment noch verstärkt. Auf der anderen Seite scheinen die Konfigurationen K2, K4 und K6 aufgrund ihrer eingeschränkten Vermittelbarkeit bei positivem Transformations-Sentiment nicht ganz unproblematisch zu sein. Im Fall eines positiven Transformations-Sentiments sind also die Konfigurationen K1, K3 und K5 ideal zu positionieren, bei K2, K4 und K6 ist dies jedoch nicht unmöglich. Im Fall eines negativen Transformations-Sentiments sind die Konfigurationen K1, K2 und K6 für eine Positionierung geeignet.
III.1 Generische Positionierungsoptionen
(3)
243
Jenseits fundamentaldatenbasierter Positionierungen: Kapitalmarktdatenbasierte Ansätze
Jenseits fundamentaldatenbasierter Positionierungen sind kapitalmarktdatenbasierte Ansätze ergänzend oder in einigen Fällen, wenn nämlich eine fundamentaldatenbasierte Positionierung nicht möglich ist,74 auch alternativ denkbar. Dabei muss aber bedacht werden, dass es sich dabei nicht um eine echte Differenzierung im wettbewerbsstrategischen Sinne handeln kann. Fundamentaldaten, wie Strategien, Ressourcen oder Realoptionen, sind für Investoren selten auf einheitlicher Basis vergleichbar. Sie ermöglichen somit das Schaffen quasimonopolistischer Handlungsspielräume. Diese generieren einen so genannten „reaktionsfreien Raum“, in welchem der Preis der Aktie nicht notwendigerweise direkt mit der messbaren Leistung korreliert ist und sich gegenüber Leistungsschwankungen als robust erweisen kann.75 Das ist bei Kapitalmarktdaten anders. Sie beruhen auf gemessenen Größen, die dem Kapitalmarkt hoch standardisiert und meist in Echtzeit vorliegen. Kapitalmarktdatenbasierte Positionierungen vergleichen das unternehmensspezifische Risiko sowie die unternehmensspezifische Erwartungsrendite mit den Werten für alternative Investments.76 Die hierzu benötigten Daten sind insbesondere das Risiko (Beta), der Return (TSR) und der Preis (Market Value), welcher sich theoretisch aus Return, Wachstum und Risiko errechnet.77 Aus diesen Daten lassen sich unterschiedliche Positionierungsszenarien generieren, von denen (a) Risiko/Rendite und (b) Preis/Rendite die wohl prominentesten Erscheinungsformen darstellen. (a) Risiko und Rendite: Nach dem CAPM dürfte für den Aktionär nur das Risiko/RenditeVerhältnis, nicht aber die absolute Höhe des Risikos bzw. der Rendite relevant sein, da er auf Basis des Marktportfolios durch Teilinvestition in sichere Staatspapiere oder Überinvestition durch Aufnahme eines Kredites jede beliebige Risikohöhe darstellen könnte. Aus verschiedenen Gründen ist das aber nicht der Fall.78 Investoren scheinen in der Realität sehr wohl zwischen renditestarken Risikowerten und weniger renditestarken, aber vermeintlich „sicheren“ Investments zu unterscheiden. Vor diesem Hintergrund bietet sich die in Abb. III-16 dargestellte Risiko/Return-Matrix als Positionierungsraster an.
74 75 76 77 78
Vgl. die beschriebenen Fälle in Abschnitt (2) oben. Vgl. oben Abschnitt III.1.3 (1) dieser Arbeit, sowie Kaluza/Blecker/Bischof (1998), S. 19. Altman (1988), S. 121f., benutzt im Unterschied zu der hier favorisierten Begriffsverwendung die Bezeichnung „quantitative Positionierung“. Zum Begriff der Rendite vgl. Loistl (1994), S. 203f. Vgl. exemplarisch Brealey/Myers (1996), S. 183f, sowie S. 188.
244
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Aktionärsrendite (TSR)
60%
40%
20%
0% 0
1
2
3
Risiko (Beta)
Abb. III-16:
Risiko/Rendite-Matrix zur kapitalmarktdatenbasierten Positionierung am Beispiel der 50 größten Unternehmen nach Marktkapitalisierung an der NYSE vom 29.03.2005 Datenquelle: E*Trade Investor Informationsservice
Während links eines Betas von 1 die eher sicheren Investments verortet sind, liegen rechts davon die Risikowerte. Eine aktive Kommunikation dieser Darstellungsweise würde sich anbieten, wenn die eigene Aktie eine günstigere Rendite/Risiko-Relation aufweist als die jeweiligen Vergleichswerte, also nordwestlich dieser Werte verortet ist.79 (b) Preis und Rendite: Ein weiterer Ansatzpunkt zu einer kapitalmarktdatenbasierten Positionierung bietet sich mit der Gegenüberstellung des Marktpreises einer Aktie und ihrer Rendite. Dabei erweist es sich als vorteilhaft für die Vergleichbarkeit, anstelle der absoluten Werte relative Bezugsgrößen zu verwenden. Ein entsprechender Ansatz könnte bspw. die Aktionärsrendite (TSR) oder die Eigenkapitalrendite (ROE) in Relation zum Marktwert/BuchwertVerhältnis setzen (vgl. Abb. III-17).80
79 80
Als alternative Größen bieten sich als Risikomaß neben dem absoluten Risiko das „Downside Risk“ und als Ertragsmaße z.B. der ROI, ROCE, ROE, RAROE, oder die Earnings Estimates an. Eine dem TSR vergleichbare Größe ist das von der Existenz eines Börsenkurses unabhängige Economic Income (EI), welches sich als EIt = DCFt – DCFt-1 · (1+i) + FCFt errechnet. Vgl. Burger/Ulbricht (2005), S. 602f.
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
245
60%
Eigenkapitalrendite (ROE)
Aktionärsrendite (TSR)
60%
40%
20%
0%
40%
20%
0% 0
6
12
18
0
Marktwert/Buchwert-Verhältnis (M/B)
Abb. III-17:
6
12
18
Marktwert/Buchwert-Verhältnis (M/B)
Preis/Rendite-Matrix zur kapitalmarktdatenbasierten Positionierung am Beispiel der 50 größten Unternehmen nach Marktkapitalisierung an der NYSE vom 29.03.2005 Datenquelle: E*Trade Investor Informationsservice
Hohe Eigenkapital- oder Aktionärsrenditen in Verbindung mit einem relativ geringen Marktwert/Buchwert-Verhältnis würden für die Möglichkeit zukünftiger Kurssteigerungen sprechen. Eine Positionierung in diesem Szenario würde sich anbieten, wenn die eigene Aktie im Nordwesten des Koordinatensystems verortet wäre. Die Unternehmensleitung könnte damit den Versuch unternehmen, nachzuweisen, dass die eigene Aktie im Verhältnis zu ihrer Ertragsstärke unterbewertet ist.81
III.2
Besonderheiten von Konzernstrukturen
Bei der unter III.1 dargestellten Herleitung generischer Positionierungsansätze wurde bewusst die konzerntypische strukturelle Komplexität ausgeblendet. Es wurde quasi vor dem Hintergrund eines fiktiven Einheitsunternehmens bzw. einer homogenen Teileinheit argumentiert. 81
Diese Argumentation sollte nicht dahingehend missverstanden werden, dass ein niedriges M/B-Verhältnis zwingend auf hohe zukünftige Renditen schließen lässt. Zwar existiert eine Reihe von Untersuchungen zum M/B-Verhältnis als Determinante zukünftiger Renditen. Vgl. exemplarisch Rosenberg/Reid/Lanstein (1985) oder Fama/French (1992), die ebenfalls einen Rendite-Effekt des M/B-Verhältnisses feststellen. Neben verschiedenen Kritikpunkten an diesen Untersuchungen ist aber vor allem festzustellen, dass sie auffällige Parallelen zum „Mean Reversion“-Effekt aufweisen, wonach Aktienrenditen auf längere Sicht von etwa drei bis fünf Jahren tendenziell zu ihrem Querschnittsmittelwert zurückkehren, weil sie auf Überreaktionen der Anleger zurückzuführen sind, die dann spät korrigiert werden. Vgl. Daniel/Titman (1997), S. 3.
246
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Konzerne fassen nun aber mehrere solcher, in sich homogener, untereinander jedoch heterogener Teileinheiten zusammen. Das kann den Nutzen für den Aktionär jenseits einer bloßen Addition der Teileinheitswerte beeinflussen. Von Bedeutung wären dann insbesondere die Nutzenpotenziale, welche sich sozusagen zwischen diesen Teileinheiten bzw. zwischen den Teileinheiten und der Konzernzentrale ergeben. Sie haben tief greifende Konsequenzen für die Herleitung von Positionierungsoptionen für den Konzern als Ganzes. Daher soll im Folgenden zunächst eine erste Annäherung an das Wesen des Konzerns erfolgen (III.2.1). Auf dieser Basis werden dann mögliche Ursachen einer Wertsteigerung (III.2.2) und einer Wertminderung (III.2.3) im Konzern thematisiert. Diese dienen dann im weiteren Vorgehen als Ansätze zur Ableitung konzernspezifischer Positionierungsoptionen.
III.2.1
Die Konzernperspektive
Um die in der vorliegenden Untersuchung relevanten konzerntypischen Besonderheiten zu erfassen, erfolgt zunächst der Versuch einer definitorischen Abgrenzung des Phänomens „Konzern“ (1). In einem zweiten Schritt wird dann betrachtet, welche Besonderheiten es bei der Ermittlung der Wertpotenziale eines solchen Konzerns zu beachten gilt (2). (1)
Konzerndefinition
Das grundlegende Konstruktionsprinzip eines Konzerns lässt sich so beschreiben, dass mehrere Konzernglieder durch einheitliche Leitung zu einer „Einheit“ zusammengefasst werden, ohne dabei ihre „Vielheit“ zu opfern.82 Einen ersten Zugang zu diesem Phänomen ermöglicht die Legaldefinition des Konzerns. Sie erfolgt bei der Erfassung der „Vielheit“ des Konzerns aus einer juristischen Perspektive, während sie die Einheit – wenn überhaupt – in betriebswirtschaftlichen Kategorien expliziert (a). Eine betriebswirtschaftliche Konzernde-finition ermöglicht eine vollständigere und eindeutigere Erfassung real auftretender Erscheinungsformen als Basis für die Ableitung konzernspezifischer Positionierungsstrategien (b). (a) Allgemeine Legaldefinition: Wesentliches Merkmal des Konzerns ist nach § 18 Abs. 1 S. 1 AktG die Zusammenfassung mehrerer Unternehmen unter der einheitlichen Leitung eines anderen Unternehmens.83 Bei den zusammengefassten Unternehmen handelt es sich explizit
82 83
Vgl. Ringlstetter (1995), S. 30f., u.R.a. Reiser (1964), S. 54. Vgl. Emmerich/Sonnenschein (1993), S. 78.
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
247
um rechtlich eigenständige Einheiten. Der Begriff der einheitlichen Leitung als zentrales Merkmal des Konzerns wurde durch die Gesetzesverfasser jedoch nicht näher definiert.84 Unter diesen Umständen ergeben sich zwei Probleme.85 Zum einen existieren in der Unternehmenspraxis spezifische Formen der Vielheit, die nicht unter einem auf der Legaldefinition aufbauenden Konzernbegriff subsumierbar sind, aber andererseits doch vergleichbare Probleme aufwerfen. So können z.B. bei der Leitung eines Unternehmensbereiches ähnliche Probleme auftreten wie bei der Leitung von Beteiligungsunternehmen. Die Legaldefinition scheint aufgrund ihrer Fokussierung auf die rechtliche Subjektivität der Teileinheiten (Vielheit) nicht in der Lage, alle Formen der unternehmerischen Zusammenarbeit adäquat zu erfassen. Zum anderen ist die Legaldefinition durch das Fehlen einer klaren Explikation des Begriffs der einheitlichen Leitung (Einheit) nur schwer zu operationalisieren.86 (b) Betriebswirtschaftliche Definition: Für wettbewerbsstrategische Fragestellungen ist es aus den genannten Gründen zweckmäßig, ein rein betriebswirtschaftliches Grundverständnis des Konzerns zu erlangen. Ein erster Schritt liegt darin, sich von der rechtlichen Subjektivität der Teileinheiten bei der Konstitution des Konzerns als Erkenntnisobjekt zu befreien,87 denn Vielheit entsteht unabhängig davon einfach dadurch, dass die unter einheitlicher Leitung zusammengefassten Teileinheiten eine gewisse Eigenständigkeit aufweisen:88 Als Konzernunternehmung sollte jede Mehrheit juristisch selbständiger wie unselbständiger Unternehmen und Betriebe bezeichnet werden, die als wirtschaftliche Einheit [...] ein gemeinsames wirtschaftliches Ziel verfolgen [...].“ (Theisen 1991, S. 23)
Das macht jedoch alternative, wenigstens jedoch zusätzliche, Kategorien zur Erfassung der „Vielheit“ eines Konzerns erforderlich. Zudem bedarf es eines eindeutigen Zugangs zur Beschreibung der „Einheit“ eines Konzerns.
84
85 86
87 88
Die Gesetzesverfasser haben sich auf die Bemerkung beschränkt, das Vorliegen eines Konzerns setze nicht voraus, dass für alle wesentlichen Teile der unternehmerischen Tätigkeit Weisungen erteilt werden; es genüge vielmehr bereits wenn die Geschäftspolitik und sonstige grundsätzliche Fragen der Geschäftsführung abgestimmt werden, wobei sich die Abstimmung auch aus der personellen Verflechtung der Verwaltungen ergeben könne. Als wichtigstes, aber nicht zwingendes Indiz für das Vorliegen eines Konzerns diene die einheitliche Finanzplanung für die zusammengefassten Unternehmen. Im Sinne eines weiter gefassten Konzernbegriffs reiche bereits eine sonstige planmäßige Koordinierung anderer zentraler Unternehmensbereiche wie Einkauf, Organisation, oder Personalwesen aus. Vgl. Emmerich/Sonnenschein (1993), S. 82ff. Zu den typologischen, formalen und empirischen Problemen der Legaldefinition vgl. auch Ringlstetter (1995), S. 28ff. In der Tat hat die Rechtsprechung über die Anforderungen, die an das Vorliegen einer einheitlichen Leitung im Sinne des § 18 AktG zu stellen sind, bisher keine Einigkeit erzielt. Vgl. Emmerich/Sonnenschein (1993), S. 83. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 32. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 33f.
248
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Bei Ringlstetter (1995) findet sich ein Ansatz, der im vorliegenden Zusammenhang als fruchtbar erscheint, indem er zunächst anstelle gesetzlicher Regelungen auf das Konstrukt des Rahmenkonzepts zurückgreift. Dieser definitorisch wenig vorbelastete Begriff, erlaubt zugunsten einer vollständigeren Erfassung des Phänomens „Konzern“ eine zweidimensionale Ausweitung des Definitionsrahmens. Rahmenkonzepte können als Handlungsmaximen formuliert, lediglich aus der organisatorischen Wirklichkeit rekonstruierbar, oder eine Kombination aus beidem sein. Andererseits können sie sich neben Vorschriften des Gesetzgebers („Fremdverfassungskomponenten“) auch auf eigene unternehmensinterne Regeln („Eigenverfassungskomponenten“) stützen. Damit ist zunächst einmal der abstrakte Definitionsrahmen über die in der Legaldefinition vorgesehene formulierte Fremdverfassung hinaus erweitert worden. Die resultierende Konzerntypologie ist in Abb. III-18 dargestellt. Rahmenkonzept mit absolutem Eigenverfassungscharakter
mit Fremdverfassungskomponenten
Formalkonzern Nur Rahmenkonzeptentwurf
Quasikonzern
Legalkonzern
Realkonzern Rahmenkonzeptentwurf und organisatorische Wirklichkeit
Betriebswirtschaftlicher Konzern
Nur Rahmenkonzeptwirklichkeit
Abb. III-18:
Vollkonzern
Formierter Konzern
Eine Konzerntypologie zwischen Rahmenkonzeptentwurf und organisatorischer Wirklichkeit Quelle: Ringlstetter (1995), S. 59
Die weitgehende definitorische Unbelastetheit des Begriffs Rahmenkonzept erfordert jedoch eine Festlegung dahingehend, in welchen Kategorien mit einem solchen Rahmenkonzept Einheit und Vielheit erfasst werden können. Ringlstetter (1995) greift in diesem Zusammenhang auf die Begriffe Souveränität, Autonomie und Autarkie als Grundkategorien konzerntypischer Rahmenkonzepte zurück.89 Souveränität wird mit der Tatsache in Zusammenhang gebracht, 89
Vgl. Ringlstetter (1995), S. 42ff.
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
249
dass für die jeweilige Teileinheit ein eigenständiges Leitungsorgan vorgesehen ist. Entscheidungsautonomie äußert sich im Umfang der zugeordneten Autorisierungsrechte. Diese beiden Kategorien ermöglichen die vertikale Abgrenzung der Teileinheiten, mithin die Erfassung der „Einheit“ des Konzerns. Demgegenüber bringt Autarkie die Eigenständigkeit der Aufgabe zum Ausdruck, die eine Teileinheit zu erfüllen hat. Dies ermöglicht die horizontale Abgrenzung der Teileinheiten und damit die Erfassung der „Vielheit“ des Konzerns. Im Folgenden sollen alle Unternehmen und Unternehmensverbindungen als Konzerne angesehen werden, die aus einer Zentraleinheit und mindestens zwei Basisteileinheiten bestehen90 und dabei zwei Minimalvoraussetzungen erfüllen: Erstens muss die einheitliche Leitung aus der organisatorischen Wirklichkeit rekonstruierbar sein. Das Vorliegen eines formulierten Rahmenkonzepts ist dabei nicht zwingend erforderlich. Zweitens muss es sich um strategisch abgrenzbare Teileinheiten mit eigenständigem Marktpotenzial handeln, welche dem Kapitalmarkt gegenüber grundsätzlich auch selbstständig auftreten könnten. Diese müssen nicht zwingend rechtlich selbständig sein. Im Denkschema der oben eingeführten Typologie handelt es sich dabei insbesondere um Realkonzerne und formierte Konzerne. (2)
Die Bewertung von Konzernen
Der Wert eines Konzerns für seine Eigentümer ergibt sich aus der Addition der Einzelwerte seiner Teileinheiten. Dabei muss jedoch bedacht werden, dass durch die Zusammenfassung mehrerer Teileinheiten unter einheitlicher Leitung sozusagen zwischen den Teileinheiten zusätzliche Wertpotenziale entstehen, die diesen ggf. zuwachsen können. Sie stellen ein eigenständiges Nutzenpotenzial dar und bilden im Zusammenspiel mit den Positionierungsoptionen der einzelnen Teileinheiten91 die Basis der Herleitung von Positionierungsoptionen für den Konzern als Ganzes. Um sich diesem Phänomen zu nähern, wird im Folgenden zunächst auf die generelle Vorgehensweise bei der Bewertung von Konzernen eingegangen (a) und dann ein erster Zugang zu den „zwischen“ den Teileinheiten liegenden Wertpotenzialen gesucht (b). (a) Additive Vorgehensweise: Grundsätzlich wird der Gesamtwert eines Konzerns aus den Partialwerten seiner Teileinheiten aggregiert.92 Die Vorgehensweise lässt sich dreiteilen in
90 91 92
Vgl. Ringlstetter (1995), S. 37, u.R.a. Pausenberger (1957), S. 18f. Vgl. Abschnitt III.1.3, in welchem Positionierungsoptionen für isoliert betrachtete Teileinheiten hergeleitet wurden. Vgl. Myers (1998), S. 120, sowie Bühner (1990b). Die Additivität der Werte lässt sich analog auf alle diesen Partialwerten zugrunde liegenden Wertkomponenten, wie bspw. auch die WACC anwenden.
250
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Abgrenzung der Teileinheiten, Bewertung der einzelnen Teileinheiten und Aggregation der Teileinheits-Werte. Bei der Bewertung von Konzernen stellt die Abgrenzung der Teileinheiten die erste Herausforderung dar.93 Der „Zuschnitt“ muss sich dabei nicht notwendigerweise an gewachsenen Organisationsstrukturen oder der bestehenden Rechtsstruktur orientieren.94 Er sollte vielmehr nach dem Leitbild der kleinsten autonomen Einheit ohne „wesentliche Synergien mit irgendeinem anderen Teil des Unternehmens“ erfolgen:95 Die identifizierten Teileinheiten sollten ein eigenständiges Leistungsprogramm aufweisen, für das es auch einen externen Markt gibt.96 Nach der Abgrenzung autonomer Einheiten folgt als nächster Schritt ihre Bewertung. Hierzu ist einerseits eine möglichst weitgehende Zuordnung von Ein- und Auszahlungsströmen erforderlich.97 Andererseits müssen die teileinheitsspezifische Kapitalstruktur und die individuellen Kapitalkosten ermittelt werden.98 Beides ermöglicht dann die Diskontierung der CF. In dieser Phase stellt häufig die Ermittlung und Erfassung der Bereichsinformationen die größte Herausforderung dar, insbesondere, wenn es sich bei den untersuchten Teileinheiten nicht um eigenständige Rechtssubjekte handelt.99 Wurden die Einzelwerte der Teileinheiten ermittelt, können diese zu einem Gesamtwert aggregiert werden. Das Grundmuster einer solchen Konzernwertermittlung lässt sich in Form des so genannten „Leaning Brick Pile“ visualisieren (vgl. Abb. III-19).100 Dabei werden die Teileinheiten nach ihrem Marktwert/Buchwert-Verhältnis in absteigender Reihenfolge geordnet und zu einem Gesamtwert addiert. Es ist zu erkennen, wie TE1 und TE2, welche eine über den Eigenkapitalkosten liegende Rendite erwirtschaften, das M/B-Verhältnis steigern. TE3 erwirtschaftet genau die Eigenkapitalkosten, weshalb der Marktwert um den gleichen absoluten Betrag über dem Buchwert bleibt, obwohl die aggregierte Eigenkapitalrendite bereits sinkt. TE4 erwirtschaftet die Eigenkapitalkosten nicht mehr, dennoch liegt der Konzern insgesamt noch über den Kapitalkosten. T5 bis T7 erwirtschaften keinen buchhalterischen Gewinn
93 94 95 96 97 98 99 100
Vgl. Küting/Lorson (1997), S. 6. Vgl. Zens/Rehnen (1994), S. 90, sowie die Ausführungen in Abschnitt III.2.1 (1) (b). Vgl. Kilger (1986), S. 121f. Vgl. Copeland/Koller/Murrin (1998), S. 263, die vor diesem Hintergrund von „Geschäftsbereichen“ sprechen, oder Zens/Rehnen (1994), S. 90, die den Begriff „SGE“ (strategische Geschäftseinheit) verwenden. Vgl. Zens/Rehnen (1994), S. 90. Vgl. Küting/Lorson (1997), S. 6. Häufig muss auf die Daten vergleichbarer Unternehmen oder die Benutzung nicht konsolidierter Spartenergebnisse zurückgegriffen werden. Vgl. Höfner/Pohl (1994), S. 64. Vgl. Höfner/Pohl (1994), S. 74ff. sowie Höfner/Pohl (1993), S. 56.
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
251
und senken dadurch mit der durchschnittlichen Eigenkapitalrendite nicht nur das aggregierte M/B-Verhältnis, sondern auch den absoluten Marktwert des Konzerns.
Kapitalkostengerade B
A
C
30 TE5
Marktwert (M)
TE4
TE6
TE3
20
A:
M/B > 1
Der Bereich erwirtschaftet eine Rendite über den Eigenkapitalkosten 9/4 = +2,25 TE1: 10/7 = +1,43 TE2:
D
B:
M/B = 1
Der Bereich erwirtschaftet genau die Eigenkapitalkosten 4/4 = +1,00 TE3:
TE7
M1
C:
TE2
M/B < 1
Der Bereich erwirtschaftet seine Eigenkapitalkosten nicht 6/9 = +0,66 TE4:
10
D: TE1
10
20
30
B1
M/B < 0
Der Bereich erwirtschaftet seine Kosten nicht (vollständig) -2/5 = -0,40 TE5: -3/3 = -1,00 TE6: -8/4 = -2,00 TE7:
Buchwert (B)
Abb. III-19:
Leaning Brick Pile zur Darstellung der Additivität des Konzernwertes Quelle: Höfner/Pohl (1994), S. 76
Besonderes Augenmerk muss darüber hinaus der Zentrale und dem gelten, was sie zum Wert des Ganzen und seiner Teile beisteuert.101 Dabei ist es theoretisch unerheblich, ob der Wertbeitrag der Zentrale in Form einer eigenständigen rechnerischen Teileinheit erfasst oder anteilig den Teileinheiten zugeschlagen wird. (b) Werteffekte der Zentrale: In der Praxis kann die Zusammenfassung mehrerer Teileinheiten in einem Konzern unter einheitlicher Leitung zu einem Gesamtwert führen, der nicht der Summe der Teileinheitswerte entspricht. Auch wenn im aktuellen Diskurs unter Bezugnahme auf den so genannten „Conglomerate Discount“ ein Schwerpunkt auf Wertminderungen durch Konzernstrukturen liegt, kann ein „gutes“ Management den Wert eines Portfolios offensichtlich auch weit über den Wert der Summe seiner Einzelteile hinaus steigern.102 Die Ursache für diesen variablen Einfluss auf den Wert eines Unternehmensportfolios kann darin gesehen werden, dass Konzernstrukturen einerseits zu Kostensteigerungen und wertmindernden Effekten führen und andererseits strategische Freiheitsgrade schaffen, die es der Zentrale ermögli101 102
Vgl. zu dieser Perspektive bspw. Yavitz/Newman (1981), zitiert bei Friedrich/Hinterhuber (2000), S. 19. Als Beispiel wird oft die Wertentwicklung von GE unter Jack Welch angeführt. Vgl. exemplarisch
252
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
chen, „wertbeeinflussend“ zu agieren. Dabei können sie eine situativ bedingte unterschiedliche Funktionalität zum Herbeiführen von Wertsteigerungen aufweisen. Für die Zentrale besteht in diesem Rahmen quasi eine Verpflichtung zur Schaffung eines Mehrwertes. Investoren könnten nämlich die Zusammensetzung eines beliebigen Konzernportfolios durch gezielte Streuung ihres Investitionskapitals zu geringeren Kosten selbst replizieren, als dies bei der Integration in einen Konzern der Fall ist. Deshalb muss die Konzernleitung jenseits der Zusammenfassung der Teileinheiten einen Wertbeitrag leisten, dessen Replizierung sowohl für andere Konzernzentralen als auch für Investoren mit Kosten verbunden wäre, welche die Kosten der Zentrale übersteigen.103 Für die Positionierungen von Konzernen ist die Frage von entscheidender Bedeutung, wie die Zentrale dies tun kann und wo die resultierenden Wertveränderungen logisch verortet sein könnten.104 In den folgenden Abschnitten soll deshalb dargestellt werden, wo und wie das Zusammenfassen von Teileinheiten in einem Konzern zu einer „Wertsteigerung“ (III.2.2) oder einer „Wertminderung“ (III.2.3) führen kann.
III.2.2
Ursachen für Wertsteigerungen durch Konzernstrukturen
Konzernstrukturen führen zwar nicht in jedem Fall zu Wertsteigerungen, aber in der Regel zu neuen Möglichkeiten der Wertbeeinflussung durch die Zentrale. Diese kann dann durch zielgerichtetes Agieren zu einer Wertsteigerung beitragen, die ohne Konzernstrukturen nicht denkbar gewesen wäre. Das „wie“ und „wo“ dieser potenziellen Wertsteigerungen lässt sich mir ihrer „Wirkungsweise“ und dem jeweiligen „Wirkungsbereich“ systematisch erfassen. Als Wirkungsweise identifiziert Ringlstetter (1995) für die Konzernleitung zwei strategische Ansatzpunkte, um einen Mehrwert zu realisieren, welche durch entsprechende Grundstrategien genutzt werden können. Diese bezeichnet er als Grundfunktionen der Führung: Zum einen besteht im Rahmen der „Koordination“ der Leistungsbeziehungen zwischen den Teileinheiten die Möglichkeit eines „Synergiemanagements“.105 Das kann wertsteigernd wirken, sofern der Eigensinn der Teileinheiten einen gegenseitigen Leistungsaustausch bzw. eine umfassende dezentrale Koordination unwahrscheinlich macht. Zum anderen besteht im Rah-
103
104 105
Heuskel (2000), S. 348f, sowie Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 120. Vgl. Myers (1998b), S. 206. Goold/Campbell/Alexander (1994 und 1998) bezeichnen die Fähigkeit zur Wertsteigerung als „Parenting Skill“. Wenn diese Fähigkeit deutlicher ausgeprägt ist als bei anderen Wettbewerbern, sprechen sie von „Parenting Advantage“. Vgl. Küting/Lorson (1997), S. 6. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 86ff., wo er zunächst den Begriff „Synergiemanagement“ benutzt, sowie darauf aufbauend Steidl (1999). Später unterscheidet er „zentrale Koordination“ und „Integration“ (dezentrale Koordination). Vgl. Ringlstetter (1997), S. 38ff.
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
253
men der „Mobilisierung“106 der Teileinheiten die Möglichkeit eines „Autonomiemanagements“.107 In diesem Zusammenhang kann die Zentrale über die Verteilung knapper Ressourcen Einfluss auf das Leistungsniveau der Teileinheiten nehmen, um eine verbesserte Erfüllung ihrer Funktion im Gesamtkonzern zu bewirken.108 Zwischen beiden Wirkungsweisen gibt es Widersprüche, die dadurch zum Ausdruck kommen, dass die Realisierung von Synergiepotenzialen die Realisierung von Mobilisierungspotenzialen behindert und umgekehrt.109 Wirkungsweise
(1) Leistungswirtschaft
(a) Koordination
(b) Mobilisierung
(a) Formen der Wertschaffung durch Synergieeffekte auf leistungswirtschaftlicher Ebene
(b) Formen der Wertschaffung durch Autonomieeffekte auf leistungswirtschaftlicher Ebene
(c) Determinanten der Realisierung eines Mehrwertes auf leistungswirtschaftlicher Ebene
Wirkungsbereich (2) Finanzwirtschaft
(a) Formen der Wertschaffung durch Synergieeffekte auf finanzwirtschaftlicher Ebene
(b) Formen der Wertschaffung durch Autonomieeffekte auf finanzwirtschaftlicher Ebene
(c) Determinanten der Realisierung eines Mehrwertes auf finanzwirtschaftlicher Ebene
Abb. III-20:
Eine Typologie des potentiellen Wertbeitrags der Zentrale nach Wirkungsbereich und Wirkungsweise
Die oben dargestellten Möglichkeiten des Handelns der Zentrale können auf unterschiedliche Wirkungsbereiche gerichtet sein,110 die sich an einer Differenzierung von Ressourcen anhand 106 107 108 109 110
Vgl. Ringlstetter (1995), S. 99ff. in Anlehnung an Etzioni (1975), S. 406 und Gleissner (1994), S. 49ff. Der Begriff des Autonomiemanagements geht zurück auf Zettel (1994), der zwischen Synergie- und Autonomieeffekten unterscheidet. Zettel (1994) spricht sinngemäß äquivalent, aber vielleicht etwas anschaulicher von „Synergieeffekten“, „Autonomieeffekten“ und „Flexibilitätseffekten“. Vgl. Zettel (1994), S. 106ff. Dies gilt im Einzelfall auch für die Potenziale, die jeweils der gleichen Grundstrategie zuzuordnen sind. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 118. Die Wirkungsbereiche sind an der Sichtweise des Unternehmens als Portfolio leistungswirtschaftlicher Investitionsprojekte orientiert, bei der die Konzernzentrale als Bindeglied zwischen finanzwirtschaftlichen Investitionen des externen Kapitalmarktes und leistungswirtschaftlichen Investitionen im Rahmen des Konzernportfolios fungiert (vgl. Abb. I-8, S. 71). Das entspricht der Sichtweise, dass die Verfügungsrechte des Managements über reales Eigentum mit dem Recht der Steuerung der resultierenden Kapital-
254
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
ihrer Flexibilität orientiert.111 Ein leistungswirtschaftlicher Wirkungsbereich ist als Einsatzbereich materieller und immaterieller Ressourcen zu verstehen. Komplementär dazu lässt sich ein finanzwirtschaftlicher Wirkungsbereich als Einsatzbereich finanzieller Ressourcen definieren. Durch Kreuztabellierung von Wirkungsbereich und Wirkungsweise ergibt sich die in Abb. III-20 dargestellte Typologie des potentiellen Wertbeitrags der Zentrale in Konzernstrukturen. Sie kann als Raster zur Untersuchung möglicher Formen der Wertschaffung und ihrer Determinanten dienen. Im Folgenden werden die Wertpotenziale auf der leistungswirtschaftlichen Ebene (1) und jene auf der finanzwirtschaftlichen Ebene (2) untersucht. Dabei werden jeweils qualifizierte Aussagen darüber angestrebt, welche Wertpotenziale in Konzernstrukturen bestehen und welche situativen Variablen ihre Realisierung durch die Zentrale begünstigen. (1)
Wertpotenziale auf leistungswirtschaftlicher Ebene
Auf der leistungswirtschaftlichen Ebene werden sowohl Koordinations- als auch Mobilisierungspotenziale wirksam, wobei Ersteren im öffentlichen Diskurs (zumindest gegenwärtig) eine höhere Bedeutung beigemessen wird. Im Folgenden werden zunächst (a) mögliche Formen der Wertsteigerung durch Koordination und dann (b) mögliche Formen der Wertsteigerung durch Mobilisierung betrachtet, bevor schließlich (c) die Determinanten einer solchen Wertsteigerung dargestellt werden. (a) Formen der Wertsteigerung durch Koordination: Auf leistungswirtschaftlicher Ebene spielt die Wertsteigerung durch Koordination (Synergiemanagement) die dominante Rolle. Binder (1994) spricht diesbezüglich von „konzernbezogenen Grundfunktionen“112. Eine Systematik leistungswirtschaftlicher Synergiepotenziale liefert Ringlstetter (1995): Er unterscheidet zunächst mit „Schaffung zusätzlicher Werte“ und „Manipulation der Wettbewerbskräfte“ zwei Modi der Wertschaffung und differenziert in einem zweiten Zugang „Identität“ und „Komplementarität“ der Ressourcen als Quellen der Synergie.113 Für die vorliegende Untersuchung werden daraus drei generelle Formen der Wertschaffung durch Synergien abgeleitet (vgl. Abb. III-21).
111 112 113
flüsse einhergehen. Vgl. die Unterscheidung zwischen finanziellen, immateriellen und materiellen Ressourcen bei Ringlstetter (1995), S. 115 und S. 126. Binder (1994), S. 120ff. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 87ff.
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
255
Quellen der Synergie Komplementarität Marktperspektive
Schaffung zusätzlicher Werte durch Synergien auf den Absatzund Beschaffungsmärkten
Ressourcenperspektive
Schaffung zusätzlicher Werte durch Synergien bei Ressourcenallokation und -fluss
Schaffung zusätzlicher Werte
Manipulation der Wettbewerbskräfte
Abb. III-21:
Identität
Manipulation der Wettbewerbskräfte
Modus der Wertschaffung durch Koordination (Synergiemanagement) Quelle: in Anlehnung an Ringlstetter (1995), S. 90 und S. 94.
Ein erster Zugang zur Schaffung zusätzlicher Werte basiert auf Synergien auf den Absatz- und Beschaffungsmärkten. Auf den Absatzmärkten können sie zur Steigerung des Nutzens der Endprodukte beitragen, welcher sich dann z.B. in höheren Preisen oder Marktanteilsgewinnen niederschlagen kann. Eine solche Nutzensteigerung resultiert aus der Abstimmung der Leistungen untereinander.114 Das kann sowohl die Abstimmung von Produkten im Hinblick auf einen gemeinsamen Verwendungszusammenhang („Systemangebote“)115 als auch gemeinsame Angebote von Gütern, die im Allgemeinen auch gemeinsam nachgefragt werden („Komplettangebot“), sowie den Transfer von Imagekomponenten und den damit zusammenhängenden Werten umfassen.116 Auf den Beschaffungsmärkten können Synergien nach den gleichen Prinzipien realisiert werden.117 Daraus resultieren primär Kosteneffekte bei der Ressourcenbeschaffung und -entwicklung. Hierzu zählen die Nachfrage nach Kuppelprodukten durch zwei verschiedene Teileinheiten des Konzerns („Systemnachfrage“) oder die
114 115 116 117
Vgl. insgesamt Ringlstetter (1995), S. 90f. Hierzu lässt sich z.B. die größenbasierte Leistungsverbesserung von Telekommunikations-Anbietern durch International Roaming zählen. Vgl. Weissmüller (2003), S. 178. Vgl. Comment/Jarrell (1995), S. 68, sprechen von „Economies of scope in marketing“, Mirow (2000), S. 331, stellt den Einfluss weltweiter Präsenz auf Reputation und Markenbekanntheit heraus. Vgl. ausführlich Ringlstetter (1995), S. 91f.
256
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Nachfrage nach identischen Produkten in größeren Mengen („Nachfragebündelung“), aber bspw. auch eine bessere Möglichkeiten der Führungskräfteentwicklung.118 Ein zweiter Zugang zur Schaffung zusätzlicher Werte basiert auf Synergien im Rahmen der Ressourcenverwendung. Damit ist die grundsätzliche Optimierung des Ressourceneinsatzes angesprochen, welche es letztlich ermöglicht, den wahrgenommenen Kundennutzen zu steigern oder die Kosten der Leistungserstellung zu senken.119 Diese Effekte können aus einer gemeinsamen Nutzung identitärer Ressourcen („Bündelung der Aktivitäten“) oder aus der Übertragung von Wissen bzw. Kompetenzen („Wissenstransfer“) resultieren. In diese letzte Kategorie fällt auch die gemeinsame Nutzung von Management-Kompetenz. Dahinter steht die Tatsache, dass eine gemeinsame Nutzung von Input-Faktoren, die weder teilbar noch vermarktbar sind, zu Wertsteigerungen führen können, wenn diese vorher nicht vollständig genutzt wurden.120 Eine dritte Form der optimierten Ressourcennutzung liegt in der Kombination komplementären Wissens („vertikale Integration“).121 Einen dritten Zugang zur Wertschaffung stellt die Manipulation der Wettbewerbskräfte dar.122 Dieser Ansatz dient dem Aufbau von Marktmacht im weitesten Sinne. Prinzipiell werden Dritten dadurch Ressourcen entzogen oder der Entzug von Ressourcen durch Dritte wird verhindert, ohne dass zusätzliche Werte geschaffen werden.123 Dabei handelt es sich konkret um die Verbesserung der Verhandlungsposition gegenüber gesellschaftlichen Anspruchsgruppen, die Abschottung der Wettbewerbsarenen,124 den Aufbau von Marktmacht gegenüber
118 119
120
121 122 123 124
Vgl. Mirow (2000b), S. 330f. Vgl. ausführlich Ringlstetter (1995), S. 92. Andere Autoren sprechen in diesem Zusammenhang von „operational synergies“ (Chatterjee 1986, S. 123), von „operativen Synergien“ (Leber/Oberhausberg 1994, S. 151), von „funktionalen Synergien“ (Ganz 1991, S. 73ff.), oder von Synergien in „Produktion und Technologie“ (Kitching 1967, S. 93). Ropella (1989), S. 231f., sieht in diesem Bereich den einzigen, der sinnvoll für die Betriebswirtschaftslehre zu erfassen ist, da nur hier entsprechende (positive) synergetische Effekte eindeutig nachgewiesen werden könnten. Wilcox/Chang/Grover (2001), S. 460, u.R.a. Grover/Vaswani (2000), S. 80ff., sprechen von “Economies of scale”, Mirow (2000), S. 332 von “Größendegressionseffekten”. Vgl. Teece (1982). Vgl. Comment/Jarrell (1995), S. 68, sprechen von „Managerial economies of scale“. Ähnlich auch Weston (1970) und Chandler (1977). Ganz (1991), S. 73ff. verwendet den Begriff „Führungsmäßige Synergien“. Maksimovic/Phillipps (2002) ordnen in einer Studie die Segmente von Konzernen nach ihrer Größe und stellen fest, dass die Produktivität des x-ten Segments mit der gesamten Anzahl der Segmente steigt. Vgl. Maksimovic/Phillipps (2002), S. 746. Sie schließen daraus, dass die vorhandene Management-Kapazität in neue Branchen übertragen wird. Mirow (2000), S. 330f., nennt in diesem Zusammenhang die Vernetzung von Technologie und Wissen, Comment/Jarrell (1995), S. 68, sprechen von „economies of scope in production“. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 93ff. Vgl. ausführlich Ringlstetter (1995), S. 93ff. Wilcox/Chang/Grover (2001), S. 460, u.R.a. Grover/Vaswani (2000), S. 80ff. sprechen von TechnologieKontrolle und einem verbesserten Marktzugang.
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
257
Kunden und Lieferanten, z.B. durch das Setzen von Standards125 und um die Manipulation bzw. Abschwächung des bestehenden Wettbewerbs.126 (b) Formen der Wertschaffung durch Mobilisierung: Mobilisierung (Autonomiemanagement) lässt sich als Resultat eines komplementären Zusammenwirkens zwischen der Zentrale und den Teileinheiten eines Konzerns verstehen.127 Die Zentrale kann durch Motivation oder Machtausübung auf ein verändertes Verhalten der Teileinheiten hinwirken128 und dadurch zu einer Effizienz- und Effektivitätssteigerung sowohl einzelner Teileinheiten als auch des Gesamtkonzerns beitragen. Das mächtigste Instrument hierzu liegt in der Steuerung der Ressourcenverteilung.129 Ringlstetter (1995) unterscheidet je nach Fokus zwei Formen der Mobilisierung: Von Einzelmobilisierung spricht er, wenn die Zentrale eine einzelne Teileinheit durch Ressourcenentzug zu höherer Effizienz „zwingt“ oder durch Ressourcenumschichtung innerhalb der Teileinheit zur Steigerung der Effektivität beiträgt. Letzteres setzt jedoch ein tieferes Grundverständnis für das Geschäft der Teileinheit voraus. Eine Konzernmobilisierung kann dagegen durch das Setzen neuer Schwerpunkte bei der Ressourcenverteilung zwischen den Teileinheiten zu einer Effektivitätssteigerung beitragen. Es ist aber auch eine Erhöhung der Effizienz denkbar, insofern als „Slack“-Ressourcen innerhalb der Konzerngrenzen neuen Verwendungszwecken zugefügt werden können.130 125 126
127
128 129
130
Vgl. Wilcox/Chang/Grover (2001), S. 460, unte Rekurs auf Grover/Vaswani (2000), S. 80ff. Ringlstetter weist darauf hin, dass die mit der Manipulation der Wettbewerbskräfte zusammenhängenden Synergien selten in formulierten Rahmenkonzepten zu finden seien, was nicht zuletzt daran liegen könne, dass die entsprechenden Möglichkeiten kartellrechtlich problematisch oder aber wenigstens mit spezifischen „Geschäftsethiken“ unverträglich seien. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 93. Dem Thema leistungswirtschaftlicher Mobilisierung scheint im öffentlichen Diskurs eine geringere Bedeutung zuzukommen, als dem unter (a) dargestellten Synergiemanagement. Eine prinzipielle Begründung mag darin liegen, dass die auf leistungswirtschaftlicher Ebene betroffenen materiellen und immateriellen Ressourcen tendenziell entweder eine relativ immobil oder relativ spezifisch sind. Eine Umverteilung solcher Ressourcen in neue Verwendungszusammenhänge im Sinne einer Mobilisierung erscheint problematischer als das bloße Zusammenwirken aus den gewohnten Kontexten heraus. Auf finanzielle Ressourcen trifft diese Problematik kaum zu, weshalb der Mobilisierung auf finanzwirtschaftlicher Ebene eine höhere Bedeutung zukommt. Binder (1994), S. 120ff., spricht in diesem Zusammenhang mit Mobilisierung von „beteiligungsbezogenen Grundfunktionen“, was ebenfalls auf die eher finanzwirtschaftliche Eignung der Mobilisierung hinzudeuten scheint. Vgl. insgesamt Ringlstetter (1995), S. 99ff. Die unmittelbarste Form der Einflussnahme liegt im direkten Eingriff in Entscheidungsprozesse der entsprechenden Teileinheit. Dies setzt jedoch zum einen ein profundes Wissen über die jeweils relevanten Zusammenhänge voraus, welches in aller Regel nicht gegeben sein dürfte, zum anderen schränkt es die Eigenständigkeit der Teileinheit so weit ein, dass dadurch der Konzerncharakter generell in Frage gestellt werden kann. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 101f. Es wird hier schon erkennbar, dass eine klare Abgrenzung der beiden Mobilisierungsansätze insofern problematisch ist, als eine konzernweite Ressourcenumverteilung für einzelne Teileinheiten automatisch einen Ressourcenentzug bedeutet. Konzernmobilisierung ist damit in
258
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
(c) Determinanten der Realisierung eines Mehrwerts: Im Hinblick auf die Positionierung von Konzernen stellt sich die Frage, welche Variablen den Umfang der Synergie- und Autonomiepotenziale auf leistungswirtschaftlicher Ebene sowie die Wahrscheinlichkeit ihrer erfolgreichen Realisierung erklären können.131 Als Argumentationsrahmen dient der in Abb. III-22 dargestellte Zusammenhang. Nach diesem Modell kann das Auftreten von Konzernstrukturen als ursächlich für die Existenz von Synergie- und Autonomiepotenzialen angesehen werden, welche durch adäquates Agieren der Konzernleitung in Form von Koordination bzw. Mobilisierung logisch nachgelagert realisiert werden können. In Kombination trägt beides letztlich zu einer Steigerung des Konzernwerts bei. Im Folgenden wird zunächst auf mögliche Wertsteigerungen in Form einer Realisierung von Synergiepotenzialen durch Koordination Bezug genommen, bevor im Anschluss die Besonderheiten in Bezug auf die Realisierung von Autonomiepotenzialen durch Mobilisierung angesprochen werden.
Konzernstruktur (Teileinh.) Determinanten
Wertkomponenten
Abb. III-22:
Systemkonfiguration
Konzernleitung (Zentrale)
Steuerungslogik
determinieren/prognostizieren Umfang des Potenzials
determinieren/prognostizieren Wirksamkeit der Realisierung
Synergiepotenziale
Koordination
Autonomiepotenziale
Mobilisierung
Konzernwert
Koeffizienten
determinieren/prognostizieren Wirksamkeit Wertschöpfung
Wertsteigerung
Determinanten der Schaffung eines Mehrwerts durch die Konzernleitung auf leistungswirtschaftlicher Ebene
Koordination und Synergieeffekte: „Der Struktur des Konzernportfolios sollte eine überzeugende ‚Synergieidee’ zugrunde liegen.“132 Die Überzeugungskraft einer solchen „Idee“ ist ab-
131
132
letzter Konsequenz immer auch Einzelmobilisierung. Es ist nicht immer eindeutig zu entscheiden, ob zwischen Variablen und Erfolg ein logischer oder lediglich ein empirischer Zusammenhang besteht. Allerdings kann es zunächst einmal als unerheblich angesehen werden, ob die Variablen als Bedingung oder nur als Indikator des Erfolgs anzusehen sind. Ringlstetter (1995), S. 106ff. Als Beispiele für in der Praxis auftretende Ideen finden sich ebenda u.a. das Erbringen von Dienstleistungen, Möglichkeit des Technologieaustauschs und gemeinsame Nutzung selbst entwickelter Prozesstechnologien, Größenvorteile im Einkauf, Imagetransfer im Rahmen einer notwendi-
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
259
hängig von der Ausprägung zweier multiplikativ verknüpfter – meist interdependenter – Faktoren: Bei diesen handelt es sich um die (systemkonfiguratorisch determinierten) Potenziale der Wertschöpfung und die (steuerungslogisch determinierten) Strategien zur Realisierung dieser Potenziale. Ansätze, die auf die Systemkonfiguration als Determinante der Wertpotenziale fokussieren, gehen im Kern davon aus, dass die Synergiepotenziale mit dem Verwandtschaftsgrad der Teileinheiten zunehmen. Größe (Anzahl eigenständiger Teileinheiten), Diversität (Anzahl vertretener Branchen), Symmetrie (Verteilung der Wertschöpfung auf Branchen und TE) und Relatedness (Potentiell realisierbare synergetische Leistungsbeziehungen) dienen der formalen Operationalisierung des Verwandtschaftsgrades.133 Die inhaltliche Operationalisierung gestaltet sich ungleich schwieriger. Bislang konnte die Frage nicht befriedigend beantwortet werden, welche konkreten Wirkungszusammenhänge zwischen den Teileinheiten für das Auftreten von Synergiepotenzialen verantwortlich sind. Theoretische Erklärungsversuche zur Identifikation relevanter Systemvariablen im Rahmen ressourcenorientierter oder konsistenzorientierter Ansätze134 rekurrieren auf recht vage definierte oder schwer quantifizierbare Größen, was eine empirische Überprüfung erschwert. Die verfügbare Empirie bezieht sich daher auf ein eher oberflächliches Verständnis branchenbezogener „Relatedness“ und führt weitgehend einheitlich zu dem Ergebnis, dass der Unternehmenserfolg und Unternehmenswert positiv mit dem Grad der Relatedness bzw. dem Fokussierungsgrad korreliert sind.135 Im oben
133
gen regionalen Expansion, oder Kundenprobleme ähnlichen Typs. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 106. Zu empirischen Zwecken wird in der Praxis zumeist für die Größe auf die Anzahl der im Geschäftsbericht ausgewiesenen Segmente zurückgegriffen, als Diversitätsmaß dient die Anzahl vierstelliger SIC (Standard Industry classification) Codes und als Symmetriemaß können der umsatzbasierte oder vermögensbasierte Herfindahl-Index herangezogen werden. Der Herfindahl-Index N
über N Teileinheiten errechnet sich als HI N
n
n 1
134 135
2
N
§
¦ ¨© x ¦ x n 1
n
· ¸ mit xn = Umsatz bzw. Vermögen der ¹
n-ten Teileinheit. Zu dem eher qualitativen Konstrukt der Relatedness vgl. grundlegend Rumelt (1974). Vgl. Sinatra (2000), S. 36f. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 108, u.R.a. Kirchner (1991), S. 87. Wilcox/Chang/Grover (2001), S. 468, finden eine positive Korrelation zwischen Relatedness und Unternehmenswert. Wernerfelt/Montgomery (1988) und Lang/Stulz (1993) weisen eine positive Korrelation zwischen dem Fokussierungsgrad und Tobin’s Q nach. Zu gleichen Ergebnissen kommen Comment/Jarrell (1995), S. 77f. Einige Studien ergaben darüber hinaus, dass Branchen, in denen Unternehmungen mit korrelierter Diversifizierung arbeiten, ein durchschnittlich höheres Renditeniveau haben als Branchen, die durch nicht-korrelierte Diversifizierung charakterisiert sind. Vgl. Christensen/Montgomery (1981) und Bettis/Hall (1982). Für einen etwas differenzierteren Ansatz vgl. Rumelt (1974), der mit „related-constrained“, „relatedlinked“ und „unrelated-diversified“ drei Formen der Diversifizierung unterscheidet und zu einer vergleichbaren Aussage gelangt. Folgestudien von Salter/Weinhold (1978), Bettis (1981), Christensen/Montgomery (1981), Lecraw (1984) und Varadarajan/Ramanujam (1987) bestätigen seine Ergebnisse.
260
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
eingeführten Analyseschema würde das bedeuten, dass mit zunehmendem Umfang der Relatedness die Synergiepotenziale zunehmen.136 Trotz dieser klaren Tendenz gibt es auch Studien, die zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen137 oder eine nichtlineare Abhängigkeit des Unternehmenserfolgs von der Diversifizierung feststellen.138 Das könnte darauf hindeuten, dass Diversifizierung unabhängig vom Grad der Relatedness Synergiepotenziale beinhalten kann oder dass bei einem bestimmten Grad der Diversifizierung ein Optimum liegen müsste.139 Beide Schlussfolgerungen lassen vermuten, dass die Wahrscheinlichkeit von Synergieeffekten nicht nur in der Verwandtschaft der Geschäftsfelder liegt, sondern auch in der Fähigkeit, diese als Vorteil zu nutzen.140 Entscheidend dafür ist die Steuerungslogik im Konzern. Ansätze, die auf die Steuerungslogik als entscheidenden Faktor der Potenzialrealisierung abstellen, fokussieren meist auf das Management und die Art der Leitung eines Konzerns.141 Dazu zählen auf einer ersten Ebene Fähigkeiten und Kernkompetenzen,142 Werte und Zielsystem des Managements, Managementlogik und funktionale Managementsysteme, aber auch Organisationsstruktur,143 interne Prozesse und operative Systeme.144 Dabei kann es sich entweder um generelle Management-Fähigkeiten oder um branchenspezifische Fähigkeiten handeln. Daley/Mehrotra/Sivakumar (1997) schließen aus den Ergebnissen ihrer empirischen Untersuchung, dass eine Fokussierung nur dann die Ergebnisse verbessert, wenn sie in die Branchen erfolgt, in welchen das Management die höchsten branchenspezifischen Fähigkeiten hat.145 Auf einer zweiten Ebene kann darüber hinaus die Frage thematisiert werden, inwieweit die genannten Punkte der Forderung hinsichtlich eines „Fit“ zwischen Konzernleitung und den Leitungen der Teileinheiten genügen. Eine entsprechende Auffassung kommt im kognitiven Ansatz zum Ausdruck, der die Fähigkeit einer Gruppe von Führungskräften zum Aufbau einer gemeinsamen „General Dominant Management Logic“ als Voraussetzung zur Realisierung
136 137 138 139 140 141 142 143 144 145
Für eine neuere Diskussion hinsichtlich der Vorteilhaftigkeit fokussierter bzw. konglomerater Strukturen vgl. exemplarisch Funk (1999). Vgl. Michel/Shaked (1984) und Luffiman/Reed (1984). Vgl. exemplarisch Grant/Jammine/Thomas (1988) und Collis/Montgomery (1997). Vgl. Sinatra (2000), S. 35. Vgl. Heuskel (2000), S. 350. Vgl. Sinatra (2000), S, 34f. Vgl. Porter (1998b), oder Jose/Nichols/Stevens (1986). Vgl. Chandler (1962), sowie Rumelt (1974) oder Hoskisson (1987). Vgl. Bettis/Hall (1981), Leontiades/Tezel (1981), Haspelagh (1982). Vgl. Daley/Mehrotra/Sivakumar (1997), S. 280. Sie stellen fest, dass die ROA-Veränderungen für SpinOffs verwandter TE geringer sind als für Spin-Offs nicht verwandter TE.
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
261
von Synergiepotenzialen ansieht.146 Ein weiter gefasster Ansatz sieht die Voraussetzung für den Erfolg in einer kohärenten Strategie auf übergeordneter, die gesamte strategische Architektur betreffenden Ebene.147 Neben den Determinanten der Potenziale und der Realisierung gibt es weitere Faktoren, die zwar nicht die Wahrscheinlichkeit von Synergieeffekten beeinflussen, im Falle ihres Eintretens aber ihre Höhe. Sie könnten als Koeffizienten der Wertbeeinflussung bezeichnet werden. Beispielhaft sollen hier die Unternehmensgröße und der Verschuldungsgrad genannt werden. Eine positive Korrelation des Umfangs der Synergiepotenziale mit der Größe der beteiligten Unternehmen148 lässt sich empirisch insofern belegen, als in Allianzen zwischen kleinen und großen Firmen der Werttransfer primär zugunsten der kleinen Unternehmen verläuft.149 Die negative Korrelation des Verschuldungsgrads mit den realisierbaren Synergieeffekten für die Aktionäre geht darauf zurück, dass mit dem Verschuldungsgrad der relative Wert des Eigenkapitals im Verhältnis zum Fremdkapital steigt. Die Senkung der Volatilität infolge einer Diversifikation hat daher einen Werttransfer zurück auf die Fremdkapitalgeber zur Folge, der umso ausgeprägter ist, je höher der Verschuldungsgrad vor der Diversifizierung war. Insgesamt scheinen sich zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Realisierung von Synergiepotenzialen folgende Determinanten anzubieten: Die Identität oder Komplementarität der Teileinheiten in Bezug auf Ressourcen und/oder Märkte. Der Verwandtschaftsgrad der Teileinheiten in Bezug auf ihren jeweiligen strategischen Archetyp. Die Eignung der Steuerungsarchitektur zur Koordination der Teileinheiten. Ein vertieftes Branchenverständnis der Konzernleitung. Ein Kontextverständnis der Konzernleitung durch Kontextidentität oder durch die Fähigkeit zum Kontextpartisanentum.150 Die Flexibilität der Ressourcen, die quasi als Puffer für eine mangelnde Detailkenntnis
146 147 148 149
150
Das Konstrukt der „Managementlogik“ ist zu verstehen als kognitive Strukturen (subjektiv wahrgenommenen Sicht der Dinge), die vom Management internalisiert wurden. Vgl. Sinatra (2000), S. 37f. Vgl. Fuller/Netter/Stegemoller (2002), S. 1763. Vgl. Wilcox/Chang/Grover (2001), S. 468. Allianzen zwischen kleinen Unternehmen führen demnach in der Regel zu keinem nennenswerten Wertgewinn, während dies zwischen großen Unternehmen schon der Fall ist. … oder eine professionalisierte Form der Intuition ;-). Zum Begriff der Kontextgemeinschaften vgl. Kirsch /Maaßen (1990), S. 40ff.
262
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
der Zentrale aufgefasst werden kann.151 Mobilisierung und Autonomieeffekte: Die Determinanten einer erfolgreichen Realisierung von Autonomiepotenzialen unterscheiden sich nicht grundlegend von den eben diskutierten Determinanten in Bezug auf Synergien. Der Unterschied liegt darin, dass der „Fit“ zwischen den Teileinheiten hierbei keine dominante Rolle spielt. Da Mobilisierung nicht auf die Zusammenarbeit zwischen den Teileinheiten abzielt, sondern ggf. direkt in die Belange einer einzelnen Teileinheit eingreift, ist ein entsprechendes Verständnis für den spezifischen Kontext der fokalen Teileinheiten von Bedeutung. Das bedeutet letztlich, dass die Konzernleitung in der Lage sein muss, die Branchen- und Steuerungslogik einer Teileinheit zu handhaben. Unterstellt man dem Management eine begrenzte Kapazität, zur Internalisierung fremder Kontexte, erscheint es natürlich vorteilhaft, dass alle Teileinheiten einer möglichst eng gefassten Kontextgemeinschaft angehören. Im Rahmen der Einzelmobilisierung ist der Einblick in die Zusammenhänge, wie auch die Verwandtschaft der Steuerungslogik notwendigerweise besonders hoch. Goold/Campbell (1987) favorisieren daher in diesem Zusammenhang ein Portfolio von Teileinheiten, das sich über grundsätzlich vergleichbare Branchen erstreckt („Manageable Business“).152 Das ermöglicht einen unmittelbareren Vergleich und eine bessere Interpretation der Ergebnisse sowie daraus abgeleitet der Mobilisierungsansätze und Zielvorgaben. Erfolgt die Mobilisierung primär durch Verteilung sehr flexibler Ressourcen, dann kann dies die Bedeutung der Branchenkenntnis vermindern.153 Im Falle einer Mobilisierung des Gesamtkonzerns kann sich das Konzernportfolio auf unterschiedliche Branchen erstrecken. Bei hoher Portfoliodiversität besitzt die Konzernleitung allerdings nur ein geringes branchenspezifisches Wissen und ist deshalb auf eine hohe Kooperationsbereitschaft der Leitungen der Teileinheiten angewiesen.154 Nach einer feindlichen Übernahme sind die Voraussetzungen für eine Konzernmobilisierung daher eher schwierig. Die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Mobilisierungsstrategie scheint grundsätzlich vor allem mit folgenden Determinanten zusammenzuhängen: Eine möglichst hohe Einheitlichkeit der Kontexte in Leitung und Teileinheiten.
151
152 153 154
Ringlstetter (1995), S. 126, konstatiert einen proportionalen Zusammenhang zwischen der Flexibilität der Ressourcen und den Flexibilitätsverlusten der Teileinheiten. Je weniger „related“ die Teileinheiten sind, desto mehr kann sich die Funktion der Zentrale nur auf universell einsetzbare, flexible Ressourcen beschränken. Vgl. Williamson (1985), zitiert bei Kaserer/Ahlers (2000), S. 546. Vgl. Goold/Campbell (1987), S. 248, zit. bei Ringlstetter (1995), S. 108. Vgl. hierzu die Ausführungen zu finanzwirtschaftlichen Mobilisierungspotenzialen in Abschnitt III.2.1 (2) unten. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 108f.
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
(2)
263
Die Fähigkeit der Konzernleitung zum „Kontextpartisanentum“.155 Die Bereitschaft der Teileinheiten, mit der Leitung zu kooperieren. Die Flexibilität der Ressourcen, die quasi als Puffer für eine mangelnde Detailkenntnis der Zentrale aufgefasst werden kann.156 Wertpotenziale auf finanzwirtschaftlicher Ebene
Wertpotenziale auf finanzwirtschaftlicher Ebene beziehen sich auf finanzielle Ressourcen und damit auf die Schaffung von Mehrwert durch finanzwirtschaftliches Agieren. Die Zentrale nimmt die finanziellen Transaktionen mit dem externen Eigenkapitalmarkt vor und reallokiert Investitionsmittel auf Basis eigener Budgetierungs- und Realinvestitionsentscheidungen zwischen den Teileinheiten (vgl. Abb. III-23). Einzelunternehmen mit Kapitalversorgung über den externen Kapitalmarkt
Konzernteileinheit mit Kapitalversorgung über den internen Kapitalmarkt
Externe Finanzinvestoren
Externe Finanzinvestoren
EKM
EKM Zentrale
Zentrale
IKM ...
IKM ...
EKM = Externer Kapitalmarkt
Abb. III-23:
EU IKM = Interner Kapitalmarkt
... TE = Konzernteileinheit
...
TE EU = Einzelunternehmen
Vergleich zwischen Einzelunternehmen (externer Kapitalmarkt) und Konzernteileinheit (interner Kapitalmarkt)
Synergiepotenziale resultieren in diesem Zusammenhang primär aus einem gemeinsamen Auftreten am externen Kapitalmarkt (a). Die größere Bedeutung liegt hier allerdings im Bereich der Mobilisierung. Autonomiepotenziale ergeben sich aus dem Entstehen eines internen Kapitalmarktes und der damit verbundenen Möglichkeit einer zielgerichteten Steuerung der Verteilung monetärer Ressourcen (b).
155 156
Vgl. Kirsch (1990), S. 40ff. Vgl. erneut Ringlstetter (1995), S. 126, sowie Williamson (1985), zitiert bei Kaserer/Ahlers (2000), S. 546.
264
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
(a) Formen der Wertschaffung durch Koordination: Im Sinne der unter (1) oben eingeführten Systematisierung lassen sich finanzwirtschaftliche Synergiepotenziale zunächst aus der Perspektive des externen Kapitalmarktes als Schaffung zusätzlicher Werte auf Basis von Identität und Komplementarität verstehen. Identität besteht bei den Teileinheiten in Bezug auf die grundsätzliche Nachfrage nach Kapital. Die Addition gleicher Nachfragegüter in Form des Kapitalbedarfs führt zu Größeneffekten. Sie ermöglichen das Erreichen eines Mindestnachfragevolumens für einen direkten Marktzugang und einer Kostendegression bei zunehmendem Volumen. Komplementarität besteht bei den Teileinheiten in Bezug auf ihre unterschiedlichen Risikocharakteristiken. Die Aggregation solcher Risiken resultiert in einem insgesamt niedrigeren Risiko für die Kapitalgeber. Während identitäre Synergien gleichermaßen bei der Nachfrage nach Eigenkapital und Fremdkapital auftreten können, ist dies bei den genannten komplementären Synergien strittig. In der Tradition des CAPM müsste man davon ausgehen, dass dieser Effekt ausschließlich den Fremdkapitalgebern zugute kommt, für die eine Art Versicherungseffekt eintritt, indem die Ausfallrisiken ohne Renditeminderung gesenkt werden.157 Aus Sicht der Aktionäre besäße die Wegdiversifizierung des unternehmensspezifischen Risikos allein allerdings zunächst keinen Wert, da sie das systematische Risiko (Beta) nicht beeinflusst.158 Mansi/Reeb (2002) argumentieren sogar, dass Diversifikation den Shareholder Value verringert, indem sie das unsystematische Risiko senkt, dafür aber den Bondholder Value erhöht und ergo den Gesamtunternehmenswert unberührt lässt.159 Sie modellieren das Aktienkapital als Call Option auf den Unternehmenswert, die immer dann ausgeübt werden kann, wenn die Vermögenswerte größer sind als die Verbindlichkeiten. Wird das Unternehmensrisiko reduziert, verringert sich der Wert der Call Option und damit steigt der Wert des Fremdkapitals. Diese Argumentation ist nicht unwidersprochen. Ganz (1991) bemerkt bspw., das strategische Risiko des Unternehmens sei aus der Sicht des strategischen Managements nicht identisch ist mit dem kapitalmarkttheoretisch geprägten „unsystematischen Risiko“, sondern würde sich auch im „systematischen Risiko“ niederschlagen. Die Risikoreduktion durch das 157
158
Vgl. Mirow (2000), S. 330f. Theoretisch könnte das geringere Ausfallrisiko für Fremdkapitalgeber zu einer höheren Verschuldung genutzt werden. Das würde das Risiko für die Aktionäre und Gläubiger bei gleichzeitig erhöhter Finanzkraft konstant halten. Eine empirische Untersuchung durch Comment/Jarrell (1995) brachte jedoch das Ergebnis, dass Diversifikation entweder die Verschuldungsfähigkeit nicht erhöht, oder von dieser durch das Management kein Gebrauch gemacht wird. Vgl. Comment/Jarrell (1995), S. 84. Vgl. Comment/Jarrell (1995), S. 85, sowie Raster (1995), S. 126. und S. 142 u.R.a. Bühner (1985), S. 26, sowie für die USA Bettis (1981), Bettis/Mahajan (1985) und Melicher/Rush (1973), für Großbritannien Thompson (1984) und für Deutschland Bühner (1984b), S. 819f. und Spindler (1988), S. 868ff., alle zit. bei Knorren (1998), S. 181.
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
265
Management bei gleichzeitig konstanter Erwartungsrendite wäre damit auch für den Eigenkapitalmarkt von Bedeutung.160 Albach (2001) weist darauf hin, dass ein zentrales Risikomanagement den Geschäftsbereichen aggressivere Entscheidungen ermöglicht, als dies bei Einzelunternehmen der Fall wäre. Würde der Aktionär also die Konzernteileinheiten einzeln erwerben, würden diese, bezogen auf sein Portfolio, ein suboptimales Risikoverhalten an den Tag legen.161 Comment/Jarrell (1995) sehen in der Kombination komplementärer Risikostrukturen aufgrund der Verstetigung zukünftiger Cashflows auch für die Aktionäre eine Risikoreduktion,162 was unter Beibehaltung der Erwartungsrendite letztendlich zu einem höheren Aktienpreis führe.163 Aus der Stabilisierung der Cashflows ergeben sich weitere positive Effekte für den Eigenkapitalgeber. Auf Unternehmensebene verbessert sich nicht nur die Planungsfähigkeit164, was zumindest einen langfristigen Einfluss auf die Performance haben könnte, sondern es wird auch einfacher, eine optimale Kapitalstruktur aufrechtzuerhalten, wodurch Über- und Unterinvestitionskosten165 vermieden werden können. Auf Kapitalmarktebene können eine stabile Dividendenrendite und eine geringere Volatilität zu geringern Agency-Kosten führen.166 Schließlich kommt auch im Bereich finanzwirtschaftlichen Agierens die Manipulation der Wettbewerbskräfte als Quelle von Synergien in Betracht. Insbesondere große Konzerne, die in neuen Branchen junge Unternehmen aufkaufen, wie bspw. Cisco Systems, oder reife Branchen konzentrieren, können damit für Investoren die Freiheitsgrade bei der Asset Allocation einschränken. (b) Formen der Wertschaffung durch Mobilisierung: Eine Mobilisierung auf finanzwirtschaftlicher Ebene geschieht durch das Verteilen finanzieller Mittel innerhalb des Konzerns.167 Dadurch erfolgt praktisch eine Internalisierung des Kapitalmarktes.168 Im Rahmen eines solchen internen Kapitalmarktes können Teileinheiten am externen Kapitalmarkt evtl.
159 160 161 162 163 164 165 166 167 168
Vgl. Mansi/Reeb (2002), S. 2168ff. Vgl. Ganz (1991), S. 349. Vgl. Albach (2001), S. 657. Comment/Jarrell (1995), S. 68, sprechen von „Earnings Smoothing“ als Form finanzieller Synergien. Vgl. Arbeitskreis „Finanzierung“ der Schmalenbach-Gesellschaft (2003), S. 524. Vgl. Lewellen (1971). Vgl. hierzu das so genannte Free Cash Flow Problem bei Jensen (1986) und die Kosten zu geringer Verschuldung bei Myers (1977). Vgl. Amihud/Lev (1981) und Stulz (1990). Vgl. nochmals Abb. III-23, S. 263. Konzerne können grundsätzlich als internen Kapitalmärkte beschrieben werden. Für eine umfangreiche Auseinandersetzung mit dieser Sichtweise vgl. Löffler (1991), zit. bei Kaserer/Ahlers (2000), S. 546, sowie Gertner/Scharfstein/Stein (1994), S. 1211ff.
266
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Fremdkapital, nicht aber Eigenkapital aufnehmen. Konzernzentralen stehen damit aus Sicht der Aktionäre in unmittelbarer Konkurrenz zu entsprechenden Institutionen des externen Kapitalmarktes, wie etwa Investmentfonds.169 Williamson (1975) hat erstmals auf das Entstehen „interner Kapitalmärkte“ hingewiesen und festgestellt, dass ein solches institutionelles Arrangement möglicherweise Effizienz- und Effektivitätsvorteile gegenüber externen Kapitalmärkten aufweisen könnte.170 Interne Kapitalmärkte können theoretisch in der Lage sein, Kapital zwischen den Teileinheiten effizienter zu allokieren bzw. Fehlallokationen kostengünstiger zu korrigieren.171 Zudem können sie Teileinheiten mit hohem Erfolgspotenzial besser von solchen mit einem geringen unterscheiden und somit Kapital effektiver allokieren.172 Darüber hinaus sind interne Kapitalmärkte in der Lage, die Teileinheiten vor schädlichen Markteinflüssen zu schützen, indem sie trotz zyklischer Effekte und Investitionsmoden die Kapitalversorgung sicherstellen,173 sowie Cashflows in „junge“ Geschäftsfelder umschichten174 und somit Projekte mit hohen Anfangsinvestitionen und niedrigem kurzfristigen NPV von kurzfristig orientierten Aktionärsinteressen abschirmen.175 Die Vorteile des internen Kapitalmarktes basieren auf komparativen Spezialisierungs- und Informationsvorteilen der Konzernleitung gegenüber externen Finanzinvestoren.176 Sie können in niedrigeren Informations- und Kontrollkosten sowie einer besseren Feinsteuerung der Kapitalströme resultieren.177 (c) Determinanten der Realisierung eines Mehrwerts: Im Hinblick auf die Positionierung von Konzernen stellt sich nun die Frage, unter welchen Umständen der oben unter (a) und (b) dargestellte potenzielle Mehrwert durch Synergiemanagement und Mobilisierung auf finanzwirtschaftlicher Ebene realisiert werden kann. Als Argumentationsrahmen dient weiterhin der in Abb. III-22 dargestellte Zusammenhang. Auch hier geht es um die Beantwortung der Frage, welche Variablen herangezogen werden können, um einerseits den Umfang der Synergie- und Mobilisierungspotenziale und andererseits die Wahrscheinlichkeit ihrer erfolgreichen Reali-
169 170 171 172 173 174 175 176 177
Vgl. Hardtmann (1996), S. 52. Vgl. grundlegend Williamson (1975), sowie ähnlich Comment/Jarrell (1995), S. 68, Gertner/Scharfstein/Stein (1994), S. 1211ff., oder Ganz (1991), S. 78. Vgl. Williamson (1975), S. 253ff. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 101. Vgl. Henderson (1970, 1979). Zur Kritik am BCG-Modells vgl. bspw. Seeger (1984). Vgl. Leber/Oberhausberg (1994), S. 151. Vgl. Fluck/Lynch (1999), sowie Williamson (1975), S. 253ff. Vgl. Williamson (1975), S. 146f. Vgl. Ganz (1991), S. 78.
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
267
sierung zu erklären. Im Folgenden wird zunächst auf mögliche Wertsteigerungen durch die Realisierung von Synergiepotenzialen Bezug genommen, bevor im Anschluss die Besonderheiten in Bezug auf Mobilisierungspotenziale angesprochen werden. Synergie (externer Kapitalmarkt): Identitäre finanzwirtschaftliche Synergien, die in sinkenden Kapitalkosten resultieren, scheinen grundsätzlich mit dem Finanzierungsvolumen zu steigen. Dies gilt sowohl für die Beschaffung von Eigen- als auch von Fremdkapital. Dabei könnte es sich positiv auswirken, wenn die Kapitalkosten der Teileinheiten, welche in der Öffentlichkeitswahrnehmung dominant sind, unterhalb der Durchschnittskosten liegen.178 Komplementäre finanzwirtschaftliche Synergien, welche ebenfalls in sinkenden Finanzierungskosten resultieren, beruhen primär auf unterschiedlichen Risikocharakteristiken der Teileinheiten und scheinen folglich mit der Diversität des Risikos zu steigen. Einigkeit besteht in dieser Hinsicht aber nur dahingehend, dass dieser Effekt in Bezug auf Fremdkapital auftritt, während für Aktionäre als Eigenkapitalgeber von einer neutralen bis negativen Wirkung ausgegangen wird.179 Allgemein lassen sich folgende Aussagen treffen: Ein Vorteil durch finanzwirtschaftliche Synergien ist insbesondere dann zu erwarten, wenn Der Konzern insgesamt ein hohes Finanzierungsvolumen aufweist. Die Kapitalkosten der wahrgenommenen dominanten Teileinheiten unterdurchschnittlich sind. Die bei hohem Verschuldungsgrad die Risikocharakteristiken der Teileinheiten stark differieren (pro Gläubiger) bzw. bei geringem Verschuldungsgrad die Risikocharakteristiken der Teileinheiten weitgehend identitär sind (pro Aktionäre). Steuerungslogische Determinanten spielen nur eine untergeordnete Rolle, da bei finanziellen Ressourcen generell eine hohe Flexibilität gegeben ist.180 Mobilisierung (interner Kapitalmarkt): Die Mobilisierung auf finanzwirtschaftlicher Ebene geschieht, wie in Abschnitt (b) oben dargestellt, im Rahmen einer Internalisierung des Kapitalmarktes. Unter welchen Voraussetzungen ein solcher interner Kapitalmarkt seinem externen Pendant überlegen ist, lässt sich unter Rückgriff auf ein von Liebeskind (2000)
178
179
180
Bei vollständig rationalen Finanzierungsentscheidungen müsste man davon ausgehen, dass die Aufnahme von Kapital immer zum rechnerischen Durchschnittskostensatz erfolgt. Es liegt aber nahe, anzunehmen, dass reale Finanzierungsentscheidungen sich überproportional an den Unternehmensteilen orientieren, welche im Fokus der Öffentlichkeit stehen, und für die das Kapital vermutlich auch bestimmt ist. Mansi/Reeb (2002) gehen allerdings davon aus, dass die Wertverluste der Aktionäre durch Diversifikation mit dem Verschuldungsgrad steigen. Aktionäre von Unternehmen mit geringem Verschuldungsgrad sind von Diversifikation weniger betroffen, da ihre Option „tiefer im Geld“ ist. Vgl. Punkt (c) in Abschnitt (1) oben.
268
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
eingeführtes Beurteilungsschemas untersuchen. Dabei werden zwei organisatorische Erscheinungsformen einer wirtschaftlichen Einheit in Abhängigkeit von ihrer Wachstumscharakteristik auf ihre relative Vorteilhaftigkeit im Hinblick auf zwei Beurteilungskriterien untersucht. 1. Wachstumsunternehmen
2. Wertunternehmen
Organisatorische Alternativen
Organisatorische Alternativen
Einzelunternehmen
Konzernteileinheit
Kapitalgeber-Effekt
Kapitalgeber-Effekt
Einzelunternehmen
Konzernteileinheit Zentralisierungs-Effekt
A. Vollständigkeit der Information
A.1
A.2
B. Verläßlichkeit der Kapitalversorgung
B.1
B.2
Abb. III-24:
Schema zur Identifikation der Determinanten des Mehrwerts einer finanzwirtschaftlichen Mobilisierung Quelle: in Anlehnung an Liebeskind (2000), S. 58ff.
Die „wirtschaftliche Einheit“ kann als Untersuchungsobjekt zwei grundlegende organisatorische Erscheinungsformen annehmen: Zum einen kann sie als Teileinheit eines Konzerns auftreten; in diesem Fall wird der Kapitalbedarf über den internen Kapitalmarkt gedeckt. Alternativ kann sie als Einzelunternehmen existieren; die Kapitalversorgung erfolgt dann über den externen Kapitalmarkt.181 Die wirtschaftliche Einheit kann unabhängig von ihrer Erscheinungsform anhand ihrer Wachstumscharakteristik als Wachstumsunternehmen oder Wertunternehmen klassifiziert werden: Wachstumsunternehmen können nicht alle ihre Investitionen mit positivem Kapitalwert aus ihren Cashflows oder Rücklagen selbst finanzieren. Sie müssen Kapital als Einzelunternehmen über den externen Kapitalmarkt oder als Teileinheit bei der Konzernzentrale aufnehmen und sind insofern von diesen abhängig. Bei Wertunternehmen dagegen übersteigt der Cashflow die möglichen Investitionen mit positivem Kapitalwert. Sie können daher als Einzelunternehmen selbst über ihre Reinvestitionen entscheiden, während sie als Teileinheiten ggf. dennoch der Entscheidungsgewalt der Zentrale unterliegen. Beide Erscheinungsformen unterliegen zwei Effekten, welche die Qualität der Kapitalallokation beeinflusst: Der Kapitalgeber-Effekt beruht auf den Effizienz- und Effektivitätsvortei-
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
269
len einer bestimmten Institution bei der Zuteilung von benötigtem Investitionskapital. Während ein Einzelunternehmen benötigtes zusätzliches Kapital am externen Kapitalmarkt aufnimmt, bezieht eine Teileinheit dieses über die Zentrale.182 Dieser Effekt trifft auf Wachstumsunternehmen immer zu, unabhängig davon, ob sie als eigenständige Gesellschaft oder als Konzernteileinheiten auftreten.183 Der Zentralisierungs-Effekt beruht dagegen auf den Vorteilen einer bestimmten Verortung der Investitionsentscheidungen, unabhängig davon, ob es sich um neues Kapital oder Kapitalrücklagen handelt. Während das Management eines Einzelunternehmens über die Verwendung des FCF und der Kapitalrücklagen weitgehend frei bestimmen kann, sind Teileinheiten bei ihren Investitionen auch bei positiven FCF von den Entscheidungen der Zentrale abhängig.184 Daher trifft der Zentralisierungs-Effekt auf WertTeileinheiten zu, nicht aber auf Wert-Einzelunternehmen.185 Als Beurteilungskriterien der Determinanten eines Mehrwertes durch finanzwirtschaftliche Mobilisierung im Rahmen eines internen Kapitalmarkts fungieren in der folgenden Untersuchung die Vollständigkeit der Information (A), sowie die Verlässlichkeit der Kapitalversorgung (B). Die Vollständigkeit der Information (A) ist maßgeblich für die Güte der Investitionsentscheidungen. Sie kann in Bezug auf Wachstumsunternehmen (A.1) zunächst dadurch begünstigt werden, dass die Zentrale einen besseren Zugang zu sensiblen unternehmensspezifischen Informationen hat als externe Kapitalgeber.186 Darüber hinaus kann primär bei unternehmensspezifischen Investitionen ein leichter Spezialisierungs- und Effizienzvorteil der Zentrale gegenüber dem externen Kapitalmarkt angenommen werden.187 Dieser Zusammenhang muss 181 182 183 184
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Vgl. Abb. III-23, S. 263. Vgl. Liebeskind (2000), S. 60. Williamson (1975), Myers/Majluf (1984) und Stein (1997) begründen die Vorteile interner Kapitalmärkte mit dem Kapitalgeber-Effekt. Auf Wertunternehmen trifft der Kapitalgeber-Effekt nicht zu, weil sie kein Kapital benötigen. Vgl. Liebeskind (2000), S. 60. Dieser Effekt findet sich als Argument für die Vorteihaftigkeit interner Kapitalmärkte bei Jensen (1986, 1993). Detaillierte Studien über interne Kapitalmärkte zeigen, dass Bereichsvorstände in Konzernen innerhalb eines bestimmten Limits Investitionsentscheidungen ohne die unmittelbare Zustimmung der Zentrale treffen können. Die Autorisierung von darüber hinausgehende Ausgaben ist jedoch immer auf Ebene der Konzernleitung angesiedelt. Vgl. Bower (1970) oder Bromiley (1986). Auf Wachstumsunternehmen trifft der Zentralisierungs-Effekt nicht zu, weil Investitionsentscheidungen aufgrund des Kapitalbedarfs ohnehin unvermeidbar von externen Kapitalgebern oder der Konzernzentrale abhängen. Die Bereitschaft des Managements zur Bereitstellung von Informationen dürfte gegenüber der Zentrale insbesondere deshalb höher sein, weil sie die Informationen vermutlich besser schützen kann als externe Investoren. Diese generelle Korrelation lässt sich darauf zurückführen, dass die Zentrale über einen besseren Zugang zum „Tacit Knowledge“ ihrer Teileinheiten verfügt. Bei stark diversifizierten Konzernen ist das aufgrund der beschränkten Informationsverarbeitungskapazität jedoch nur eingeschränkt der Fall. Im Falle einer
270
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
jedoch als schwach angenommen werden, weil auch spezialisierte externe Investoren sich aktiv in die Unternehmensführung einschalten und damit potentiell über unternehmensspezifische Informationen verfügen können.188 Bei Wertunternehmen (A.2) lassen sich im Hinblick auf den Zugang zu unternehmensspezifischen Informationen keine Unterschiede zwischen eigenständigen Unternehmen und Konzernteileinheiten feststellen.189 Demgegenüber ist aber davon auszugehen, dass Investitionsentscheidungen eigenständiger Unternehmen einen Spezialisierungs- und Effizienzvorteil gegenüber denjenigen aufweisen, die von der Konzernzentrale für ihre Teileinheiten getroffen würden. Das liegt zunächst einmal daran, dass das Management eigenständiger Unternehmen weniger Komplexität bewältigen muss. Darüber hinaus steht eigenständigen Unternehmen neben dem internen Rechnungswesen auch die Bewertung durch den Kapitalmarkt als Informationsquelle zur Verfügung. Bei Konzernteileinheiten sind Rückschlüsse von der Gesamtbewertung auf einzelne Teileinheiten unter normalen Umständen nahezu unmöglich.190 Auch können dort vereinheitlichte Rechnungslegungsmethoden ggf. dazu führen, dass relevante Wertpotenziale der Teileinheiten übersehen werden.191 Schließlich wird das in Konzernen dominierende Budgetierungsverfahren zur Kapitalallokation von vielen Autoren als vergleichsweise manipulierbar und ineffizient eingestuft.192 Zusammenfassend zu A lässt sich festhalten, dass interne Kapitalmärkte nicht notwendigerweise einen Mehrwert schaffen, indem sie die Informationsqualität verbessern. Sie können aber bei der Finanzierung von Wachstumsunternehmen dann von besonderer Bedeutung sein, wenn entweder die unternehmensspezifischen Informationen sensibel und nicht schützbar sind, oder wenn für die unternehmens- oder branchenspezifischen Informationen keine spezialisierten externen Kapitalgeber existieren. Die Stabilität der Kapitalversorgung (B) trägt dazu bei, das Unterinvestitionsproblem zu reduzieren, welches aus Schwankungen des Kapitalangebots oder des Zinssatzes in externen Kapitalmärkten resultieren kann.193 Sie wird bei Wachstumsunternehmen (B.1) von einer In-
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190 191 192 193
eher branchenspezifischen Investition, wie dies bei stark diversifizierten Konzernen die Regel sein dürfte, sind dagegen Vorteile für den externen Kapitalmarktes zu vermuten. Vgl. Holderness/Sheehan (1985). Da der externe Kapitalmarkt bei ausreichender Kapitalversorgung in den Investitionsprozess nicht involviert ist, liegt der Unterschied lediglich darin, dass die Investitionsentscheidung bei eigenständigen Unternehmen durch das Management direkt getroffen wird, während das im Fall eines Konzerns durch die Konzernzentrale geschieht. Da aber beide die gleichen Informationsrechte besitzen, sind keine Vorteile für eine der beiden Varianten zu erwarten. Vgl. Alchian/Demsetz (1972) und Allen (1993). Vgl. Bromiley (1986) und Taggart (1987). Vgl. Bower (1970), Schiff/Lewin (1970), und Milgrom/Roberts (1992). In der Literatur finden sich zahlreiche Nachweise für Schwankungen in der Kapitalversorgung durch den externen Kapitalmarkt. So stellt Rajan (1994) fest, dass Banken ihre Kreditvergabepolitik in Abhängig-
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
271
ternalisierung des Kapitalmarktes genau dann positiv beeinflusst, wenn zum einen der Wert einer Investition in das Wachstumsunternehmen durch Verzögerung abnimmt,194 die internen Cashflows von der Kapitalknappheit in externen Kapitalmärkten unabhängig sind und den Kapitalbedarf der wachsenden Teileinheiten dauerhaft übersteigen,195 und wenn die benötigten Investitionen so hoch sind, dass sie durch die Bildung von Rücklagen nicht abgesichert werden können. Für Wertunternehmen (B.2) hat die Stabilität der Kapitalversorgung keine Bedeutung, da diese ex definitione kein zusätzliches Investitionskapital benötigen. Allerdings müssen sie das Kapital für die Wachstumseinheiten zur Verfügung stellen und können aus diesem Grund Kosten tragen, die aus einer Unterversorgung mit Kapital resultieren.196 Zusammenfassend zu B lässt sich festhalten, dass interne Kapitalmärkte aufgrund zuverlässiger Kapitalversorgung bei der Finanzierung des Kapitalbedarfs von Wachstumsunternehmen dann vorziehenswürdig sein können, wenn entweder eine größere Menge unaufschiebbarer Investitionen erforderlich ist, deren Wert durch eine Verzögerung signifikant reduziert würde, oder langfristige Investitionsprogramme anstehen, innerhalb derer eine Unterbrechung mit hohen (Opportunitäts-) Kosten verbunden wäre.197 Allgemein lassen sich folgende Aussagen treffen:198 Ein Vorteil durch die Internalisierung des Kapitalmarktes ergibt sich insbesondere bei Teileinheiten mit Kapitalbedarf, wenn die unternehmensspezifischen Informationen wertvoll, sensibel und nicht schützbar sind, für die unternehmens- oder branchenspezifischen Informationen keine spezialisierten externen Kapitalgeber existieren, oder eine Verzögerung ihrer Investitionen oder Unterbrechung ihrer Investitionsprogramme mit hohen Opportunitätskosten verbunden wäre.
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198
keit vom Immobilienmarkt ändern, Gertler/Gilchrist (1994) weisen nach, dass sie auf Geldmarktveränderungen reagieren und Welch (1992) findet Hinweise darauf, dass die Versorgung mit Eigenkapital durch den externen Kapitalmarkt sich sprunghaft mit der Meinung der Investoren verändern kann. Die Vorstellung, dass interne Kapitalmärkte derartige Schwankungen korrigieren könnten, liegt beispielsweise der BCG-Matrix zugrunde, wenn in einem Konzernportfolio die Cash Flows der „Cash Cows“ das Wachstum der „Question Marks“ finanzieren sollen. Vgl. Henderson (1970, 1979). Nur Unternehmen mit einer hohen Zahl zeitsensitiver Investitionsmöglichkeiten werden nachhaltig von Verbesserungen der Kapitalverfügbarkeit profitieren. Anderenfalls müsste die Zentrale zur Finanzierung der wachsenden Teileinheiten dennoch auf den externen Kapitalmarkt zurückgreifen, um eine Unterinvestition zu vermeiden. Vgl. Schlingemann/Stulz/Walkling (1999). Vgl. Schlingemann/Stulz/Walkling (1999). Dabei darf nicht übersehen werden, dass ein Konzern zur Sicherung der Kapitalversorgung der Wachstumseinheiten über Werteinheiten mit positivem Cashflow verfügen muss, für die der interne Kapitalmarkt mit der Gefahr einer Über- oder Unterinvestition verbunden ist. Vgl. auch Liebeskind (2000), S. 59ff.
272
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
III.2.3
Ursachen für Wertminderungen durch Konzernstrukturen
Entgegen der oben aufgezeigten Möglichkeiten der Wertsteigerung, welche durch Konzernstrukturen entstehen, wird jedoch in der Realität vielfach eine Wertminderung beobachtet. So stellen bspw. Morck/Shleifer/Vishny (1990) und Bühner (1990a) in empirischen Studien fest, dass der Kapitalmarkt negativ auf die Ankündigung eines konglomeraten Unternehmenszusammenschlusses reagiert.199 Dieser so genannte „Conglomerate Discount“200 betrage zwischen 10 und 20 Prozent, beziffert Paul Gibbs von J. P. Morgan die konkreten Folgen der Geringschätzung, andere sprechen sogar von 15 bis 30 Prozent.201 Allerdings hat der Kapitalmarkt Konzerne nicht immer mit einem Bewertungsabschlag belegt. Noch in den 60er Jahren waren die Reaktionen auf Ankündigung diversifizierender Akquisitionen sogar positiv. Für die Zeit zwischen 1950 und 1970 lässt sich ein allgemeiner Trend zur Diversifizierung nachweisen.202 Erst seit den 80er Jahren wurde der „Excess Value“ von Konglomeraten negativ. Entsprechend nahm die Fokussierung auch wieder zu.203 Mögliche Erklärungen für diesen „Sinneswandel“ kommen aus zwei grundsätzlichen Richtungen. Einerseits könnte eine Änderung in der Wertwahrnehmung insofern eingetreten sein, als sich die Sichtweise des strategischen Managements verändert und kapitalmarkttheoretische Erklärungsmodelle an Bedeutung gewonnen haben. Andererseits könnte eine Effizienzverbesserung des externen Kapitalmarktes die Vorteile interner Kapitalmärkte umgekehrt204 und durch eine Transaktionskostenreduktion sowie ein starkes Wachstum der Fonds-Industrie den Aktionären die Möglichkeit eröffnet haben, ihr eigenes Portfolio zu diversifizieren, wodurch die Diversifikation auf Unternehmensebene obsolet wurde.205 Neuere empirische Ergebnisse lassen die Allgemeingültigkeit dieses Phänomens jedoch wieder anzweifeln.206 Einige Autoren vertreten die These, dass ein angeblicher Konglomeratsabschlag oft gar nicht tatsächlich existiere, sondern aus falschen Vergleichsrechnungen 199 200 201 202 203 204
205 206
Vgl. Kaserer/Bühner (2002), S. 12. Vgl. z.B. Leber/Oberhausberg (1994), S. 157ff. Lang/Stulz (1994) und Berger/Ofek (1995) sprechen von „Diversification Discount“. Vgl. Heuskel (2000), S. 347. Lang/Stulz (1994) und Berger/Ofek (1995) errechnen für die Jahre 19861991 einen durchschnittlichen Preisabschlag von 13-15%. Vgl. exemplarisch Ravenscraft/Scherer (1987). Vgl. Comment/Jarrell (1995), S. 68ff. Vgl. erstmalig Bhide (1990), sowie Fauver/Houston/Narranjo (1999), die in weniger effizienten externen Kapitalmärkten keinen Diversification Discount feststellen, was darauf schließen lassen könnte, dass nur sehr effiziente externe Kapitalmärkte den internen Kapitalmärkten überlegen sind. Vgl. Comment/Jarrell (1995), S. 84. So konnten bspw. Lins/Servaes (1999) den „Diversification Discount“ für GB und Japan bestätigen, nicht aber für Deutschland. Andere Studien konnten für Emerging Markets keine Konglomeratsabschläge fest-
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
273
oder Messfehlern resultiere. Graham/Lemmon/Wolf (2002) kommen bspw. im Rahmen einer empirischen Untersuchung zu dem Schluss, dass die akquirierten Teileinheiten der untersuchten Konzerne bereits vor der Akquisition gegenüber den zum Vergleich herangezogenen Einzelunternehmen mit erheblichen Abschlägen versehen waren. Ihres Erachtens erklären diese Unterschiede die Preisreduktion beim Erwerber nahezu vollständig.207 Die Empirie legt insgesamt nahe, dass eine Wertminderung durch Konzernstrukturen nicht notwendigerweise eintreten muss. Ähnliches gilt für die tatsächliche Wertschaffung. Diesbezüglich stellt bspw. Heuskel (2000) fest, es sei empirisch nicht zu stützten, dass diversifizierte Unternehmen im Sinne der Wertschaffung grundsätzlich schlechter operieren als fokussierte.208 Das wird durch Maksimovic/Phillips (2002) gestützt, die finden, dass das Wachstum der meisten Konzerne mit optimalem Verhalten konsistent zu sein scheint.209 Damit stellt sich die Frage, welche Ursachen verantwortlich sind, wenn der Aktienmarkt Konzerne tatsächlich niedriger bewertet als Einzelunternehmen. Diese lassen sich in zwei grundsätzliche Kategorien klassifizieren. Die eine Gruppe von Ursachen ist im Bewertungsprozess der Marktteilnehmer verortet und führt zunächst einmal unabhängig vom Handeln der Zentrale zu einer Wertminderung des Gesamtkonzerns (1). Die andere Gruppe betrifft den inneren Wert des Konzerns und bildet quasi die Negativ-Seite der im vorangegangenen Kapital III.2.3 dargestellten Potenziale (2). (1)
Ursachen einer bewertungsbedingten Wertminderung
Eine erste Gruppe von Ursachen für eine Wertminderung durch Konzernstrukturen ist im Bewertungsprozess selbst verankert. Sie setzt damit erst nach der tatsächlichen Wertschöpfung an und ist wertschöpfungsunabhängig. Hierzu gehören (a) Probleme bei der Bewertung des Konzerns an sich und (b) Probleme bei der Bewertung im Kontext eines Anlageportfolios. (a) Erschwerte Bewertung: Konzernstrukturen führen in der Regel zu großen zusätzlichen Problemen bei der Bewertung des Unternehmens. Abgesehen davon, dass die häufig auf bestimmte Branchen spezialisierten Analysten evtl. den Konzern in seiner Gesamtheit kaum mehr verstehen, gibt es dafür zwei weitere entscheidende Gründe. Einerseits werden zusätzli-
207
208
stellen. Vgl. exemplarisch Fauver/Houston/Naranjo (1999). Eine Nichtberücksichtigung solcher Unterschiede kann zu Fehlschlüssen bzgl. der Bewertungseffekte der Diversifikation führen (vgl. Graham/Lemmon/Wolf 2002, S. 710ff.). Chevalier (2000) spricht von „Auswahlfehlern“. Whited (2001) argumentiert darüber hinaus, dass ein Großteil der „Beweise“, welche den Diversification Discount mit ineffizienter Quersubventionierung in Verbindung bringen, aus Messfehlern resultiere. Vgl. Heuskel (2000), S. 349, der findet, dass die Zerschlagung von Mischkonzernen nur dann den Wert erhöhe, wenn das Unternehmen zuvor unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielt habe.
274
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
che Informationen für die Bewertung von Synergien erforderlich, welche dem Investor häufig nicht zur Verfügung stehen, andererseits wird durch die Integration und ggf. Konsolidierung von Teileinheiten die Menge der verfügbaren Informationen verringert. Beides führt letztlich mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer niedrigeren Bewertung als dies bei vollständiger Informationslage der Fall wäre. Zunächst ist die Bewertung von Synergien für Aktionäre sehr problematisch, da diese - insbesondere aus einer externen Perspektive - ex ante kaum beziffert werden können. Die evtl. parallel auftretenden negativen Effekte von Synergien auf die Leistungsfähigkeit der einzelnen Teileinheiten lassen sich von Aktionären so gut wie überhaupt nicht abschätzen. Das kann dazu führen, dass Synergien als möglicher Mehrwert der Zentrale „durch das Bewertungsraster fallen“. Es würden quasi die Kosten der Zentrale, nicht aber der von ihr geschaffene Mehrwert berücksichtigt und der Wert des Konzerns würde damit unter den aggregierten Wert seiner Teileinheiten absinken. Darüber hinaus ist auch die Bewertung der Teileinheiten an sich problematisch. Die geringere Transparenz des externen Rechnungswesens in Bezug auf die Situation einzelner Teileinheiten erschwert grundsätzlich die Feststellung partieller Unternehmenswerte für die Teileinheiten.210 Das kann zur Bewertung entweder unter vereinfachten oder ggf. sogar unter irrationalen Annahmen führen.211 Eine Bewertung unter vereinfachten Annahmen kann in zwei Fällen zu einem geringeren Unternehmenswert führen. Der erste Fall liegt darin, dass die Profitabilität in den einzelnen Teileinheiten unterschiedlich groß ist (vgl. Abb. III-25). Theoretisch korrekt würde der Konzernwert als Summe der Marktwerte aller Teileinheiten errechnet, welche jeweils auf der adäquaten Teileinheits-Rendite basieren würden. Liegen darüber jedoch keine Informationen vor, dann bleibt nur vereinfachend die Möglichkeit, den Wert des Gesamtunternehmens direkt mit einer Durchschnittsrendite zu errechnen. Die Problematik einer solchen Vorgehensweise liegt darin, dass M/B-Verhältnisse nicht linear mit der Eigenkapitalrendite, sondern konvex steigen. Das bedeutet, dass der errechnete Marktwert höher ist, wenn er als Summe der Teileinheits-Werte errechnet wird, als wenn er unter Verwendung der Durchschnittsrendite als Wert des Gesamtunternehmens errechnet wird. Investoren scheinen bei der Konzernbewertung tatsächlich auf die Durchschnittsrendite zu fokussieren anstatt darauf, inwiefern unterschiedliche
209 210 211
Maksimovic/Phillips (2002). Vgl. Kaserer/Bühner (2002), S. 15. Zur Problematik unvollständiger bzw. fehlender Informationen über Teileinheiten vgl. auch Müller (1997b), S. 482. Vgl. Young/Sutcliffe (1990), S. 25f.
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
275
Teileinheiten dazu beitragen.212 Ohne adäquate Informationen seitens der Konzernleitung über die Profitabilität der Teileinheiten ist insofern von einer grundsätzlichen Wertminderung aufgrund vereinfachter Bewertungsverfahren auszugehen.
M/B 4 Hochprofitable Teileinheit
3 Einzelbewertung 2 Durchschnittsbewertung
1
Niedrigprofitable Teileinheit 0%
10%
20%
30%
40%
Eigenkapitalrendite
Abb. III-25:
Teileinheiten mit unterschiedlicher Rendite Quelle: Young/Sutcliffe (1990), S. 26
Der zweite Fall kann dann auftreten, wenn die Teileinheiten differierende Wachstumsaussichten aufweisen (vgl. Abb. III-25). Dies ist häufig der Fall, wenn Konglomerate in unterschiedlichen Branchen mit differierenden Zukunftsaussichten tätig sind. Diese erwarteten zukünftigen Renditesteigerungen kommen dadurch zum Ausdruck, dass Teileinheiten in Wachstumsmärkten auf steileren Kurven liegen, als das bei Teileinheiten in reifen Märkten der Fall ist. Wenn nun aber der Kapitalmarkt diese Unterschiede nicht wahrnimmt und die moderateren Zukunftsaussichten des Kerngeschäftsfeldes auch für die Bewertung der stark wachsenden Teileinheiten zugrunde legt, dann kann dies zu einer Unterbewertung des Konzerns als Ganzes führen.213 Eine Bewertung unter irrationalen Annahmen kann immer dann konstatiert werden, wenn der Marktwert keine korrespondierenden Bewertungsmethoden erkennen lässt.214 Dies könnte 212 213 214
Vgl. insg. Young/Sutcliffe (1990), S. 25ff. Zu Problemen der Kapitalbeschaffung für Wachstumsdivisionen vgl. insgesamt auch Anslinger u.a. (1997), S. 167ff. Vgl. Maksimovic/Phillips (2000), die im Hinblick auf die inkorrekte Bewertung von Teileinheiten von “imperfections in financial markets“ sprechen.
276
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
dann der Fall sein, wenn unter schlichter Berufung auf bestimmte Konventionen Modifikationen an rational errechneten Marktwerten vorgenommen werden. Sofern tatsächlich korrespondierende Bewertungsmethoden rekonstruierbar sind, scheinen diese sich dennoch einer rationalen Argumentation zu entziehen. So identifizieren bspw. Lamont/Polk (2001) eine höhere Erwartungsrendite als Grund für ein Drittel des Konglomeratsabschlags aller von ihnen untersuchter Konzerne.
M/B 4 Teileinheit mit guter Wachstumsperspektive
3 Differenzierte 2 Bewertung PauschalBewertung
Teileinheit mit weniger guter Wachstumsperspektive
1
0%
10%
20%
30%
40%
Eigenkapitalrendite
Abb. III-26:
Teileinheiten in Sektoren mit unterschiedlicher Wachstumsperspektive Quelle: Young/Sutcliffe (1990), S. 26
(b) Erschwerte Portfoliostrukturierung: Bei der Strukturierung eines Wertpapierportfolios geht es neben der Bewertung und Auswahl von Einzeltiteln darum, diese im Rahmen der „Asset Allocation“ optimal zu kombinieren. Dabei wird die relative Minimierung der Gesamtvarianz des Portfolios angestrebt.215 Da sich aber die zugrunde liegenden Varianzen und Kovarianzen der einzelnen Wertpapiere nicht vorhersagen lassen, greifen Investoren in der Regel auf Segmentierungen zurück, die erfahrungsgemäß mit einem bestimmten Risikoverhalten korrelieren. Das können Währungs- oder Wirtschaftsregionen, Branchen, Marktsegmente, oder auch historische Risiko/Ertrags-Profile sein. Je besser sich eine Aktie in dieser Systematik verortet lässt, desto gezielter kann sie vom Aktionär bei der Strukturierung seines Portfolios eingesetzt werden. 215
Vgl. hierzu die „Theorie der Portfolio Selection“ und die „Kurve effizienter Portfolios“ bei Loistl (1994), S. 201ff., u.R.a. Markowitz (1952).
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
277
Werden aber die Grenzen einer solchen Systematik überschritten, was bei Konzernen regelmäßig zutreffen dürfte, dann macht das eine gezielte Investition hinsichtlich einer optimalen Portfoliostrukturierung nahezu unmöglich. Levy (1991) argumentiert vor diesem Hintergrund, dass die Möglichkeit der Portfoliobildung auf Aktionärsebene durch Diversifizierung verringert wird.216 Das führt zu einer Nutzenminderung für den Aktionär, die sich möglicherweise unmittelbar in einer Wertminderung der fokalen Aktie niederschlägt. Beispielhaft kommt dies in dem folgenden Zitat aus der Financial Times (1988) zum Ausdruck: The stock market valuations for Vodafone […] alone are now expected to be as high as 2bn GBP, nearly 800m GBP more than the value that the stock market in mid-April was putting on the entire group. […] The only possible interpretation of the stock market's behavior is that it provides particularly clear-cut evidence of the heavy discount investors demand for buying the shares of diversified groups which bury their star performing subsidiaries in a mass of poorly performing businesses.” (Financial Times, 26. Juli 1988)
(2)
Ursachen einer potenzialbedingten Wertminderung
Die zweite Gruppe von Wertminderungen betrifft den Einfluss der Konzernstruktur auf den inneren Wert des Unternehmens. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Wertpotenziale auf leistungs- und finanzwirtschaftlicher Ebene (vgl. Abschnitt III.2.2) durch höhere zentrale Leitungskosten erkauft werden. Die erste Ursache einer potenzialbedingten Wertminderung liegt also (a) in den zusätzlichen Kosten der Zentrale. Darüber hinaus existieren (b) leistungswirtschaftlich bedingte Wertminderungen und (c) finanzwirtschaftlich bedingte Wertminderungen. (a) Kosten der Zentrale: In den meisten Fällen kann davon ausgegangen werden, dass bereits die Verwaltung finanzieller Transaktionen der Teileinheiten durch die Zentrale Kosten verursacht.217 Darunter fallen bspw. Mietkosten, Personalkosten, oder Kosten zusätzlicher Buchhaltung und Planungsdokumentation. Diese wirken netto grundsätzlich wertmindernd. Eine Brutto-Wertminderung tritt dann ein, wenn die Zentrale keine ausreichenden Vorteile realisiert, um ihre eigenen Kosten zu rechtfertigen. Die Vorteile, welche sich daraus ergeben, dass mehrere Teileinheiten lediglich im Sinne einer Finanzholding zusammengefasst werden, sind dabei nicht ausreichend. Diese Aufgabe kann von Investmentfonds zu weniger als einem Drittel der Kosten wahrgenommen werden, wie sie bei Konzernzentralen anfallen.218 Die 216
217 218
Kapitalmarkttheoretisch muss man in diesem Zusammenhang von Imperfektionen sprechen. Eine Ausgliederung würde für diese Investoren eine Investition denkbar machen. Vgl. Anslinger/Klepper/Subramanian (1999), S. 19. Vgl. Liebeskind (2000), S. 64 Vgl. Hardtmann (1996), S. 52, S. 64, der folgende Daten nennt: die Managementgebühren für Investmentfonds betragen etwa 0,7% der aktuellen Fondsgegenwerte, die der Konzernzentralen belaufen sich
278
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Kosten der Zentrale müssen also wenigstens zu dem Teil als wertmindernd angenommen werden, der die Kosten einer äquivalenten Investmentfonds-Konstruktion übersteigt. (b) Leistungswirtschaftliche Nachteile: Aus dem Bestehen von Konzernstrukturen lassen sich zum einen direkte leistungswirtschaftliche Nachteile ableiten, zum anderen Opportunitätskosten aus nicht genutzten Potenzialen, die in Verbindung mit den oben dargestellten Mehrkosten der Zentrale zu tatsächlichen Nachteilen werden können. Direkte Nachteile können vielfältiger Natur sein. Beispielhaft sollen an dieser Stelle strategische Restriktionen, Haftungstatbestände oder Nachteile in Bezug auf Humanressourcen genannt werden. Strategische Restriktionen ergeben sich dann, wenn Tochtergesellschaften aufgrund der Konzernzugehörigkeit in ihrer strategischen Flexibilität und Freiheit beschnitten sind. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Konzernzugehörigkeit erfolgreichen geschäftlichen Beziehungen zu Konkurrenten der Muttergesellschaft im Weg steht.219 Haftungstatbestände können dann wertmindernd wirken, wenn Teilbereiche, die aufgrund der Konsolidierung unbeschränkter Haftung ausgesetzt sind, den gesamten Konzern belasten können.220 Sind solche Geschäftsbereiche Teil des Konzerns, ist der Konzern ggf. für die damit verbundenen Risiken haftbar, was zu einer Verringerung des Aktienwertes führt.221 In Bezug auf Humanressourcen ist ein erster möglicher Nachteil aus Konzernstrukturen auf die wachsende Entscheidungskomplexität zurückzuführen. Es muss davon ausgegangen werden, dass für die Führungsentscheidungen des Managements ab einer bestimmten Konzerngröße „Diseconomies of scale“ gelten.222 Darüber hinaus sind auch im Bereich anderer Humanressourcen insbesondere dann wertmindernde Effekte zu erwarten, wenn die Teileinheiten des Konzerns keine eigenständige Rechtsform aufweisen.223 So könnten sich Probleme ergeben, High-Potentials zu akquirieren, da die Möglichkeiten zur Verantwortungsübernahme durch fehlende Führungspositionen in unabhängigen Tochtergesellschaften eingeschränkt sind. Auch eine Entlohnung kann nur schwer an die Entwicklung der gemanagten Teileinheit
219 220 221
222
auf 2% der Börsenwerte. Vgl. Wasserstein (2000), S. 104. Vgl. MacMinn/Brockett (1995), S. 63ff., die als Beispiel Öl-Transport-Unternehmen anführen. Die Ausgliederung solcher Teilbereiche kann den Aktienwert des Konzerns entsprechend zulasten anderer Anspruchsteller erhöhen, indem das Haftungsrisiko auf die Höhe des Haftungskapitals der ausgegliederten Teileinheit begrenzt wird. Für eine mathematische Begründung dieser These vgl. MacMinn/Brockett (1995), S. 64. Als möglicher Anspruchsteller kommt das gesamte soziale Umfeld in Frage, wenn bspw. durch die Beeinträchtigung der Umwelt, Produkthaftung, fehlerhafte ärztliche Behandlung oder andere Haftungsgründe Schäden entstehen, welche der Staat zu tragen hat, weil keine Partei dafür direkt in Anspruch genommen werden kann. Vgl. Coase (1937) und Lucas (1978).
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
279
gekoppelt werden, so dass die unternehmerischen Anreize für Leiter von Teileinheiten beschränkt sind. Schließlich können mögliche Nachfolger für das Management des Mutterunternehmens auch nicht bereits in dem kleineren Umfeld der Tochtergesellschaft „herangezogen“ und getestet werden. Darüber hinaus ergeben sich Nachteile einer Konzernstruktur in Form von Opportunitätskosten in Verbindung mit zusätzlichen Kosten der Zentrale immer dann, wenn die Potenziale nicht genutzt werden. Dies kann insbesondere in folgenden Situationen der Fall sein: In einem ersten Fall ist es denkbar, dass ein systemkonfiguratorisch bedingter Potenzialmangel besteht. Man könnte auch sagen, der Konzernstruktur liegt keine überzeugende „Synergie- Idee“ zugrunde. Insbesondere bei diagonal oder lateral diversifizierten Konglomeraten beschränken sich Synergien zumeist auf potentielle Finanz- oder Management-Synergien. 224 Das kann daran liegen, dass die Business-Logiken der Teileinheiten nicht zueinander passen (Konsistenz-Ansatz) oder grundsätzlich die Synergiepotenziale nicht mehr existieren. So sind bspw. in vielen Fällen in der Produktion die Größenvorteile geschwunden.225 Schließlich ist es auch möglich, dass eine Mobilisierungsstrategie deshalb nicht funktioniert, weil der Versuch, simultan Synergien zu realisieren, dem widerspricht.226 In einem zweiten Fall könnte ein steuerungslogisch bedingtes Umsetzungsproblem Ursache einer mangelhaften Potenzialnutzung sein. Offensichtlich ist das, wenn die Konzernleitung gegenüber dem Management der Teileinheiten keine kompetitiven Vorteile besitzt. Es ist aber auch denkbar, dass diese zwar bestehen, aber weitgehend wirkungslos bleiben, bspw. weil sie zwar in hohem Maße branchenspezifisch sind, sich aber lediglich auf wenige kleine Teileinheiten beziehen.227 Gleichermaßen wäre es denkbar, dass sie eher prozeduraler Natur sind, es aber nicht gelingt, eine dominante Management-Logik zu etablieren. (c) Finanzwirtschaftliche Nachteile: Auf finanzwirtschaftlicher Ebene lassen sich mit Potenzialmangel, Organisationskosten und Agency-Kosten drei Ansatzpunkte identifizieren, die einzeln oder in ihrem Zusammenwirken zu Wertminderungen führen können. Zunächst in ein Potenzialmangel denkbar, wenn nämlich die in Kapitel III.2.2 dargestellten Potenziale interner Kapitalmärkte situativ bedingt überhaupt nicht bestehen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Teileinheiten keinen Kapitalbedarf haben. Ein partieller Verlust möglicher Vorteile des internen Kapitalmarktes ist darüber hinaus anzunehmen, wenn 223 224 225 226 227
Vgl. insgesamt Anslinger u.a. (1997), S. 167ff. Vgl. Weber (1991), S. 104ff. Vgl. Hardtmann (1996), S. 53. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 118ff. Vgl. Maksimovic/Phillipps (2002), S. 746.
280
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
eine der folgenden Bedingungen zutrifft: Wenn eine Offenlegung unternehmensspezifischer Informationen unkritisch ist, dann geht der Vorteil eines besseren Zugangs zu unternehmensspezifischen Informationen verloren; wenn spezialisierte externe Kapitalgeber existieren, dann geht der Spezialisierungs- und Effizienzvorteil ganz oder teilweise verloren und wenn Verzögerungen bzw. Unterbrechungen im Investitionsprogramm keine Opportunitätskosten nach sich ziehen, dann spielt auch die möglicherweise höhere Stabilität der Kapitalversorgung keine Rolle. Ein weiterer Ansatzpunkt liegt in den Organisationskosten interner Kapitalmärkte. Sie sind als Maß für den Einsatz knapper Ressourcen zu Realisierung der Potenziale zu verstehen228 und müssen bei einer Berechnung des Bruttonutzens interner Kapitalmärkte von den realisierten Potenzialen subtrahiert werden. Organisationskosten sind Teil der in Abschnitt (a) oben dargestellten Kosten der Zentrale und sinken mit der Homogenität und Spezifität der zu tätigenden Investitionen. Ein dritter Ansatzpunkt sind die Agency-Kosten interner Kapitalmärkte. Sie bestehen darin, dass bestehende Potenziale nicht, nicht ausreichend, oder sogar in negativer Form realisiert werden. Als Ursache hierfür werden gemeinhin fehlende Kontrollanreize identifiziert. Somit könnte sich im Vergleich mit externen Kapitalmärkten für die Zentrale der Anreiz verringern, Kapital effizient zu investieren.229 Jensen (1986) prägt in diesem Zusammenhang den Begriff „agency costs of free cash flow“. Er bezieht sich damit auf die Anreize eines Managers, verfügbaren Cashflow abweichend von der Gewinnmaximierung für persönliche Vorteile auszugeben oder unterhalb der Kapitalkosten in Wachstum und Diversifizierung zu investieren.230 Es ist ebenfalls denkbar, dass die Kapitalallokation über den internen Kapitalmarkt durch operative und strategische Abhängigkeiten korrumpiert231 oder durch falsche oder veraltete bürokratische Verteilungsregeln beeinflusst wird.232 Schließlich wird auch die Meinung vertreten, dass die fehlende Möglichkeite einer Dekodierung des Marktpreises in Bezug auf Teileinheitsstrategien die optimale Kapitalallokation erschwert. 228 229
230
231 232
Vgl. Kaserer/Ahlers (2000), S. 546. Vgl. Jensen (1986), S. 323ff. und Jensen (1993), S. 831ff. Die modelltheoretischen Arbeiten, welche angeblich die Überlegenheit interner Kapitalmärkte beweisen, blenden diese Problematik weitgehend aus. Vgl. Diamond (1984) oder Gertner u.a. (1994), beide zit. bei Kaserer/Ahlers (2000), S. 547. Vgl. Jensen (1986), S. 323. Theoretische und empirische Beiträge zu dieser Thematik finden sich bei Marris (1964), Williamson (1964), Jensen/Meckling (1976), oder Amihud/Lev (1981), sowie später auch Heuskel (2000), S. 348. Vgl. Anslinger/Bonini/Patsalos-Fox (2000), S.101. Vgl. Bhide (1990), S. 70ff. Rajan/Servaes/Zingales (2000) entwickeln ein Modell zur Abbildung von Machtkämpfen zwischen den Teileinheiten eines Unternehmens und zeigen, dass Diversifikation zu einer suboptimalen Kapitalverteilung führen kann. Ähnlich zeigen auch Scharfstein/Stein (2000), wie die interne Kapitalallokation suboptimal sein kann.
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
281
Theoretisch lassen sich drei grundsätzliche Formen von Agency-Kosten identifizieren. Dabei ist es zunächst denkbar, dass die Zentrale das Kapital suboptimal allokiert. In diesem Zusammenhang wird häufig auch das Problem interner Quersubventionierung unprofitabler Teileinheiten diskutiert.233 Maksimovic/Phillips (2002) finden allerdings keine Bestätigung für die These, dass Konzerne renditeschwache Teileinheiten quersubventionieren würden. Im Gegenteil stellen sie fest, dass ihr Verhalten dem Wertmaximierungsmodell entspricht.234 Zweitens ist es denkbar, dass die Zentrale das Kapital optimal allokiert, aber über- oder unterinvestiert. In der Literatur findet sich dieses Phänomen unter der Bezeichnung Über- bzw. Unterinvestitionsproblem.235 Lang/Poulsen/Stulz (1995) finden hierfür eine Bestätigung, indem sie belegen, dass die durchschnittliche Kursreaktion bei Verkäufen von Teileinheiten oder Tochterfirmen nur dann positiv ist, wenn die Verkaufserlöse an die Kapitalgeber ausgeschüttet werden und nicht weiterhin dem Management der Muttergesellschaft zur Verfügung stehen.236 Schließlich ist es auch denkbar, dass die Zentrale das Kapital optimal allokiert, aber einen Teil für sogenannte „Private Benefits“ abzweigt.237 Solchermaßen definierte Agency-Kosten können nur bei Wertunternehmen auftreten, die über FCF verfügen.238 Sie unterliegen mangels Kapitalbedarf nicht automatisch der Kontrolle des Kapitalmarktes. Deshalb lässt sich die Neigung des Managers, Agency-Kosten zu generieren, nur durch die latente Übernahmedrohung im Markt für Unternehmenskontrolle disziplinieren,239 was zu folgender Argumentation genutzt werden kann: Wenn das Maximum der möglichen Agency-Kosten (KA) durch die Kosten einer Übernahme (KÜ) bestimmt wird, und diese gleichzeitig vom verfügbaren Cashflow (FCF) abhängen, dann ergibt sich für die Agency-Kosten: KA(KÜ) KÜ(FCF). Somit hängt die Vorteilhaftigkeit der Internalisierung davon ab, ob die Übernahmekosten KÜ(FCF) in Abhängigkeit von FCF sinken. Die Empirie belegt
233
234 235
236 237 238 239
Vgl. Weickart (1991), S. 18, Hardtmann (1996), S. 53, sowie umfänglich Meyer/Milgrom/Roberts (1992), Berger/Ofek (1995), sowie Lamont (1997) Shin/Stulz (1998), die dies mit mangelnder Sensitivität gegenüber den eigenen Cash Flows begründen, Scharfstein (1998), der dies mit mangelnder Sensitivität gegenüber den Entwicklungschancen der einzelnen Segmente begründet, sowie Rajan/Servaes/Zingales (2000), Scharfstein/Stein (2000), sowie Kaserer/Bühner (2002). Vgl. Maksimovic/Phillips (2002), 724 und 765. Vgl. grundlegend Jensen/Meckling (1976), sowie später Jensen (1986), Berger/Ofek (1995), S. 39ff., Shin/Stulz (1998), S. 531ff., Schlingemann/Stulz/Walkling (1999) und Matsusaka/Nanda (2002), sowie Kaserer/Bühner (2002), S. 12. Siehe ebenfalls die Ausführungen hierzu in der Einführung dieser Arbeit. Vgl. Kaserer/Bühner (2002), S. 14. Vgl. Lins/Servaes (1999). Sie können bei Wachstumsunternehmen nicht auftreten, da diese ex definitione über keinen FCF verfügen. Vgl. die Ausführungen zum Markt für Unternehmenskontrolle in der Einführung.
282
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
jedoch, dass die Übernahmekosten exponentiell mit dem FCF zunehmen.240 Dieser Zusammenhang wird darauf zurückgeführt, dass mit der Größe der Unternehmen die Anzahl der Eigentümer zunimmt, wodurch es erforderlich wird, teure Koalitionen zu formen, um eine disziplinierende Wirkung zu erreichen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die möglichen konzernbedingten Wertminderungen auf finanzwirtschaftlicher Ebene positiv mit der Konzerngröße, mit der Höhe der positiven Cashflows und mit der Diversität der Teileinheiten und damit zusammenhängend der zu tätigenden Investitionen korreliert sind.241 Darüber hinaus ist im Sinne eines Koeffizienten anzunehmen, dass Agency-Kosten auch mit Unterschieden in den Corporate GovernanceStandards eines Marktes variieren. Negative Agency-Effekte durch Konzernstrukturen sind insofern vor allem bei hohen Standards zu erwarten.242
III.3
Optionen zur Positionierung von Konzernen
Die in den vorangegangenen beiden Kapiteln entwickelten generischen Positionierungsoptionen (III.1) und strukturellen Besonderheiten des Konzerns (III.2) bilden gemeinsam die Basis zur Ableitung konzernspezifischer Positionierungsoptionen (vgl. Abb. III-27). III.1 Generische Positionierungsoptionen
PositionierungsDeterminanten
III.2 Besonderheiten von Konzernstrukturen
StrukturDeterminanten
III.3.1 III.3 KonzernPositionierung
Abb. III-27:
240 241 242
Grundsätzliche Strukturoptionen
III.3.2 StrukturEntscheidung
III.3.3 PositionierungsEntscheidung
Vorgehensweise in Kapitel III.3
Wenn KÜ(FCF) konstant ist oder mit abnehmender Rate steigt, dann würde eine Internalisierung die Kosten senken, wenn KÜ(FCF) linear mit dem FCF steigt, dann wäre keine der Lösungen vorteilhaft. Vgl. empirische Studien von Rajan/Servaes/Zingales (2000) und Lamont/Polk (2002), beide zit. bei Kaserer/Bühner (2002), S. 13. Vgl. Lins/Servaes (1999).
III.3 Optionen zur Positionierung von Konzernen
283
Dazu wird zunächst in III.3.1 das Prinzip der „Partial-Exposition“ eingeführt, welches der Herleitung und Systematisierung möglicher Formen der Konzernstrukturierung dient. Basierend auf diesen Strukturoptionen wird in III.3.2 unter Beachtung der Strukturdeterminanten aus III.2 eine Methodik zur Bestimmung einer optimalen Konzernstruktur entwickelt. Schließlich wird in III.3.3 dargestellt, wie sich auf Basis der gewählten Konzernstruktur unter Beachtung weiterer Positionierungsdeterminanten aus III.1 eine konzernspezifische Positionierungsentscheidung treffen lässt. Dabei ist es möglich, dass Restriktionen bei der Positionierungsentscheidung ein Überdenken der Strukturentscheidung erforderlich machen.
III.3.1
Strukturoptionen als konzernspezifische Handlungsfelder
Den logischen Ausgangspunkt für die Bestimmung optimaler Konzernstrukturen und schließlich einer Konzernpositionierung bildet die Menge prinzipiell denkbarer Strukturoptionen. Als Argumentationsrahmen für die Entwicklung möglicher Konzernstrukturierungen wird daher (1) zunächst das Prinzip der „Partial-Exposition“ eingeführt, indem die beiden grundlegenden Dimensionen sowie allgemeine Wirkungen dargestellt werden. Im Anschluss werden (2) konkrete Maßnahmen zur Realisierung relevanter Partial-Expositions-Kombinationen aufgezeigt sowie ihre spezifischen Vor- und Nachteile diskutiert. (1)
Das Prinzip der „Partial-Exposition“ von Teileinheiten
Das Prinzip der „Partial-Exposition“ beruht darauf, dass die mit dem Eigentum an einer Teileinheit potenziell verbundenen Rechte externer Investoren einzeln gestaltbar sind. So ist es denkbar, dass nur ein Teil dieser Rechte den Investoren unmittelbar zusteht, während die restlichen Rechte bei der Konzernzentrale verbleiben. Sie können dann durch externe Investoren, wenn überhaupt, nur indirekt über das Eigentum am Konzern wahrgenommen werden. Mögliche Kombinationen einer solchen partiellen Exposition von Eigentumsrechten lassen sich auf zwei grundlegende Dimensionen zurückführen (a), die jeweils unterschiedliche Wirkungen auf die Wertkomponenten eines Konzerns zur Folge haben (b) und durch Kreuztabellierung in einer zweidimensionalen Neun-Felder-Matrix typische Partial-ExpositionsKombinationen ergeben (c). (a) Dimensionen der Partial-Exposition von Teileinheiten: Das Spektrum möglicher PartialExpositionen von Teileinheiten eines Konzerns lässt sich über Verwaltungs- und Vermögensrechte als Dimensionen erfassen.243 Verwaltungsrechte, setzen sich aus Auskunftsrechten (In243
Vgl. zu diesen beiden Dimensionen analog die Darstellung der Mitgliedschaftsrechte von Aktionären un-
284
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
formation) und Stimmrechten (Einflussnahme) zusammensetzen. Dabei sind Auskunftsrechte, wenn sie überhaupt gewährt werden, entweder allein oder in Verbindung mit Einflussrechten denkbar, wohingegen letztere allein kaum vorkommen dürften. Vermögensrechte setzen sich grundsätzlich aus dem Recht auf Beteiligung am Gewinn (Renditeanspruch) und dem Recht auf Beteiligung am Liquidationserlös (Vermögensanspruch) zusammen. Auch hier ist ein direkter Renditeanspruch, wenn er überhaupt gewährt wird, entweder allein oder in Verbindung mit einem Vermögensanspruch denkbar, wohingegen letzterer allein nur für einen Mehrheitsaktionär mit strategischer Absicht von Nutzen sein könnte und daher bei der Exponierung einer Konzernteileinheit für den externen Kapitalmarkt keine sinnvolle Option darstellt. (b) Allgemeine Effekte der Partial-Exposition von Teileinheiten: Die Partial-Exposition einzelner Konzernteileinheiten hat Effekte auf den Gesamtwert des Konzerns, die sich direkt den drei untersuchten Nutzenpotenzial-Ebenen244 zuordnen lassen. Eine Partialexposition der Vermögensrechte stellt für externe Investoren vornehmlich eine Verbesserung ihrer Position im Bereich der Transformationspotenziale dar. So kann sie als Anstoß zu positiven Veränderungen in der Finanzierungs- und Investitionspolitik betrachtet werden. Sollen bspw. Equity Carve-Outs explizit der Senkung des Verschuldungsgrads oder der Finanzierung von Projekten mit positivem Residualwert dienen, wirkt dies wertsteigernd.245 Zudem ermöglicht eine Partialexposition die Verselbständigung gegenüber konzerninternen Kapitalmärkten bei verstärkter Kontrolle durch externe Kapitalgeber und führt so zu einer Erweiterung der Finanzierungsalternativen der Tochtergesellschaft.246 Gleichzeitig kann sie zu einer erhöhten Fokussierung des Konzerns auf seine Kernkompetenzen führen, was eine umso positivere beobachtbare Marktreaktion bewirkt, je vollständiger das Desinvestment ist.247 Eine Totalexposition durch rechtliche Verselbständigung und Börsennotierung senkt zudem die Transaktionskosten im Falle einer Übernahme der Teileinheit durch ein anderes
244 245 246 247
ter Punkt (1)(c) in Unterkapitel I.1.2 dieser Arbeit. Eine logisch davon zu unterscheidende dritte Dimension stellt die rechtliche Subjektivität der Teileinheiten dar. Da aber die mit einer rechtlichen Verselbständigung von Teileinheiten verbundene Veränderung in den Mitgliedschaftsrechten durch die beiden genannten Dimensionen vollständig abgedeckt wird, kann auf eine gesonderte Berücksichtigung der rechtlichen Selbständigkeit als eigenständige Dimension verzichtet werden. Vgl. ausführlich die Darstellung der drei Nutzenpotenzialebenen in Teil II oben. Vgl. Vijh (2002), S. 189. Vgl. Kaserer/Ahlers (2000), S. 538f. Vgl. Vijh (2002), S. 188f.
III.3 Optionen zur Positionierung von Konzernen
285
Unternehmen und erhöht auch dadurch den potentiellen Wert.248 Gleichzeitig schafft sie strategische Flexibilität und eine Akquisitionswährung für mögliche Unternehmenszukäufe.249 Eine Partial- oder Totalexposition in Bezug auf Verwaltungsrechte ist primär mit einem Anstieg der Interaktionspotenziale verbunden. Während eine kleine Konzernteileinheit in der Regel nur wenig Aufmerksamkeit erfährt, führt eine Ausgliederung zu der obligatorischen Informationspolitik börsenotierter Gesellschaften und einer insgesamt gestiegenen Informationssuche seitens der Analysten und Aktionäre. Einerseits ergibt sich daraus eine gesteigerte Produktion öffentlich verfügbarer Informationen und infolge dessen eine höhere Transparenz und Treffsicherheit der Börsenbewertung.250 Andererseits führt die höhere Intensität der Kapitalmarktkontrolle zu einer Reduktion diskretionärer Spielräume des Managements der Muttergesellschaft, so dass sich Eigentümerinteressen besser durchsetzen lassen.251 Insgesamt lässt sich auch eine Verbesserung der Anreize für den Bereichsmanager erwarten, da nicht nur sein Wertbeitrag zum Gesamtkonzern objektiv messbar wird, und er eine direkte straf und zivilrechtliche Verantwortung gegenüber den Investoren trägt, sondern weil sich zudem die Möglichkeit bietet, seine Vergütung an die Börsenkursentwicklung zu koppeln.252 Schließlich werden auch die Transaktionspotenziale des Investors durch eine (Partial)Exposition sowohl seiner Vermögens- als auch Verwaltungsrechte beeinflusst. Dies ist vorrangig damit in Verbindung zu bringen, dass der direkte Bezug der Aktionärsrechte auf die fokale ausgegliederte Teileinheit den Möglichkeitenraum der Investoren erweitert, indem ihnen bspw. eine Wahlmöglichkeit zwischen Dividenden und Kursgewinnen gegeben wird.253 Der Investor kann somit sein Portfolio besser auf seine Anlagebedürfnisse zuschneiden. (c) Systematik der Partial-Exposition von Teileinheiten: Durch Kreuztabellierung der beiden unter Punkt (a) oben eingeführten Dimensionen lässt sich die in Abb. III-28 dargestellte Parti248 249 250
251
252 253
Vgl. Schipper/Smith (1986), S. 155. Vgl. Anslinger/Klepper/Subramaniam (1999), S. 23. Vgl. Elder/Westra (2000), S. 38, sowie Anslinger/Kleper/Subramaniam (1999), S. 21, und Schipper/Smith (1986), S. 155. Krishnaswami/Subramaniam (1999) und Gilson u.a. (1997) zeigen in empirischen Studien, dass die Informationsasymmetrie nach einer Abspaltung geringer ist, da nach der Maßnahme die Anzahl als auch die Qualität der Analystenprognosen steigt. Vgl. Elder/Westra (2000), S. 38, Pellens (1993), S. 857, Stein (1989), S. 665, Allen/McConnell (1998), S. 163ff. sowie Jensen (1993), zit. bei Kaserer/Ahlers (2000), S. 539, sowie Anslinger/Bonini/Patsalos-Fox (2000), S.100, und ähnlich auch Hornung/Wullenkord (2001), S. 66. Vgl. insg. Kaserer/Bühner (2002), S. 16, sowie Anslinger/Bonini/Patsalos-Fox (2000), S.102, und Schipper/Smith (1986), S. 155. Vgl. Elder/Westra (2000), S. 39, Pellens (1993), S. 856, Hakansson (1982), S. 999, sowie ähnlich zur Trennung von einzelnen in der Aktie gebündelten Verfügungsrechten Koch/Schmidt (1981), S. 237, sowie Schüller (1979), S. 33. Positive Aktienmarktreaktionen sind dann als Effekt einer Marktvervollständigung auch ohne eine Veränderung des „inneren“ Wertes möglich. Vgl. hierzu die empirischen Ergebnisse von Miles/Rosenfeld (1983), S. 1598, und ebenda u.R.a. Lizenberger/Sosin (1977).
286
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
al-Expositions-Matrix ableiten. Die Matrixfelder c bis k repräsentieren die jeweils sich ergebenden Partialrechts-Kombinationen, welche im Folgenden erläutert werden.254 i Vermögen (Liquidationserlös)
Vermögensrechte
Rendite (Gewinnbeteiligung)
Keine
j Stimmrechtslose Vorzugsaktien auf Tochterunternehmen
k Stammaktien auf Tochterunternehmen
f
Spartenaktien ohne g Stimmrecht auf Teileinheit oder Genußscheine auf Teileinheitserfolge i. V. m. Segmentberichterstattung
Spartenaktien mit h Stimmrecht auf Teileinheit
c
d
e
Genußscheine auf Teileinheitserfolge
Keine Exposition in Bezug auf die Teileinheit
Segmentberichterstattung bzgl. der Teileinheit
Keine
Information (Auskunftsrecht)
Einfluss (Stimmrecht)
Verwaltungsrechte
Abb. III-28:
Partial-Expositions-Matrix für Konzernteileinheiten
Werden externen Investoren keine unmittelbaren Vermögensrechte an einer Teileinheit eingeräumt (c bis e), sind primär zwei Fälle denkbar: sofern ihnen auch keine direkten Verwaltungsrechte zustehen (c), findet keine Exposition der Teileinheit statt, es kann dann von einer Vollintegration in den Konzern gesprochen werden. Werden auf dem Wege einer ausführlichen Segmentberichterstattung zumindest weitgehende bewertungsrelevante und teileinheitsspezifische Informationen zur Verfügung gestellt (d), findet eine informatorische Partial-Exposition der Teileinheit statt. Eine darüber hinausgehende Einräumung von Einflussrechten (e) dürfte in der Praxis kaum Bedeutung haben, da vollumfängliche Verwaltungsrechte bei gleichzeitigem Verzicht auf sämtliche Vermögensrechte nur für strategische orientierte Mehrheitsaktionäre, nicht aber für die hier im Fokus stehenden Finanzinvestoren von Interesse sein können.255 254 255
Die dort bereits angesprochenen konkreten Maßnahmen zur Realisierung dieser Kombinationen werden ausführlich in Abschnitt (2) unten dargestellt. Der hiermit angesprochene Bereich von Allianzen bzw. strategischen Partnerschaften in Form von Querverflechtungen spielt sich weitgehend jenseits des frei zugänglichen Kapitalmarktes ab. Vergleiche zu den genannten Formen aus organisationstheoretischer Perspektive Ringlstetter (1995), S. 42, und Ringlstetter
III.3 Optionen zur Positionierung von Konzernen
287
Werden externen Investoren unmittelbare Renditeansprüche an einer Teileinheit eingeräumt, ohne dass ihnen vollständige Vermögensrechte zustehen (f bis h), handelt es sich grundsätzlich um eine Partialexposition der Teileinheit. Hier sind drei Fälle denkbar: Sollen dem Investor keine Verwaltungsrechte bezüglich der Teileinheit zustehen (f), dann kann dies durch die Begebung von Genussscheinenen auf Teileinheitserfolge erreicht werden. Sollen dem Investor neben direkten Renditeansprüchen unmittelbare Informationen bzgl. der Teileinheit zugänglich sein (g), dann lässt sich dies durch Genussscheine auf Teileinheitserfolge in Verbindung mit einer ausführlichen Segmentberichterstattung oder durch stimmrechtslose Spartenaktien auf die fokale Teileinheit darstellen. Soll ihm darüber hinaus ein direkter Einfluss auf die Teileinheit eingeräumt werden (h), kann das durch stimmberechtigte Spartenaktien auf die Teileinheit erfolgen. Werden schließlich externen Investoren vollständige unmittelbare Vermögensrechte an einer Teileinheit eingeräumt (Felder i bis k), was ein Eigentum an den Vermögensgegenständen und damit verbunden einen Anspruch auf einen evtl. anfallenden Liquidationserlös einschließt, sind wiederum drei grundsätzliche Fälle unterscheidbar: Vollständige unmittelbare Vermögensrechte ohne unmittelbare Verwaltungsrechte bzgl. einer Teileinheit (i) werden vermutlich kaum vorkommen, lassen sich aber prinzipiell durch die Begebung von Genussscheinen darstellen. Steht dem Investor ein Informationsanspruch zu (j), ist das über eine Ausgliederung der Teileinheit als rechtlich eigenständige Tochtergesellschaft in Verbindung mit stimmrechtslosen Vorzugsaktien realisierbar. In beiden Fällen handelt es sich um eine Form der Partial-Exposition. Sollen den Investoren vollständige Verwaltungsrechte zustehen (k), kann dies durch die Begebung von Stammaktien auf das Tochterunternehmen erfolgen. In diesem Fall handelt es sich um eine Total-Exposition der Teileinheit. (2)
Reale Erscheinungsformen der Partial-Exposition von Teileinheiten
Die Kombinationen möglicher Maßnahmen zur Partial-Exposition von Teileinheiten wurden bereits bei der Beschreibung der Matrixfelder in Punkt (c) des Abschnitts (1) oben genannt. Im Folgenden werden nun ihre grundlegenden Elemente Segmentberichterstattung (a), Mischformen aus Kredit- und Beteiligungsfinanzierung (b), Spartenaktien (c) und Vorzugs- sowie Stammaktien (d) genauer betrachtet. (a) Segmentberichterstattung: Die im Konzernabschluss erfolgende Aggregation von Informationen kann insbesondere bei diversifizierten Konzernen zu Intransparenz führen. Vor diesem Hintergrund ermöglicht die Segmentberichterstattung als zusätzlicher Bestandteil der (1997), S. 42ff.
288
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
externen Rechnungslegung eine zuverlässigere Bewertung der Teileinheiten eines Unternehmensportfolios.256 Sie ist daher in den internationalen Rechnungslegungsvorschriften fester Bestandteil des „Financial Statement“.257 Auch der deutsche Gesetzgeber hat durch das KonTraG die Pflicht zur Segmentberichterstattung für börsennotierte Muttergesellschaften im Konzernanhang eingeführt, dabei aber auf eine detaillierte gesetzliche Regelung verzichtet.258 Letztlich bleiben die Abgrenzung der berichtspflichtigen Segmente und die Bestimmung des Umfangs der segmentspezifischen Angaben den Unternehmen zu weiten Teilen selbst überlassen.259 Hier setzen dann auch Differenzierungsmöglichkeiten für eine verbesserte Segmentberichterstattung an. Zur Abgrenzung der einzelnen berichtspflichtigen Segmente eines Unternehmens werden in den internationalen Regelungen im Wesentlichen die für die interne Berichterstattung und operative Steuerung des Unternehmens gebildeten Einheiten zugrunde gelegt.260 Zur Bestimmung des Umfangs der berichtspflichtigen Angaben wird die Segmentberichterstattung international vorherrschend als zusätzliche Informationsquelle zum Konzernabschluss angesehen, die lediglich der rechnerischen Aufspaltung der konsolidierten Größen dient.261 Diesem Ansatz folgend wird in den internationalen Regelungen auf eine vollständige Segmentierung des Konzernabschlusses verzichtet und ausschließlich die Segmentierung erfolgsorientierter, vermögensorientierter sowie zahlungsorientierter Einzelangaben gefordert.262 (b) Mischformen aus Kredit- und Beteiligungsfinanzierung: Soll potenziellen Investoren in einer spezifischen Teileinheit ein Anspruch auf das wirtschaftliche Ergebnis dieser Teileinheit ermöglicht werden, ohne ihnen gleichzeitig ein Stimmrecht zu gewähren, dann bieten sich
256 257 258
259 260 261
262
Vgl. Günther (2000), S. 13. Vgl. IAS 14 (revised 1997), SFAS 131. Vgl. § 297 Abs. 1 HGB. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf sollte den Unternehmen damit die Möglichkeit gegeben werden, auf internationale Standards zurückzugreifen. Vgl. BT-DR 13/10038, Abschnitt III 2., Art. 2 Nr. 3a. Das gilt insbesondere in Deutschland bei Rechnungslegung nach HGB, aber auch international durch die Wahl des Rechnungslegungsstandards. Man spricht diesbezüglich von dem sog. „Management Approach“. Demgegenüber erfordert der „Risk and Reward Approach“ eine Abgrenzung der Segmente nach homogenen Risiken und Chancen. Man spricht diesbezüglich von dem sog. „Disaggregation Approach“. Demgegenüber sollen durch den „Autonomous Entity Approach“, welcher in Umkehrung der Einheitsfiktion für die Konzernbilanz von der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der einzelnen Segmente ausgeht, Informationen geliefert werden, die auch ein Unternehmen mit homogener Geschäftstätigkeit liefern würde. Zu den Vor- und Nachteilen der einzelnen Ansätze sowie zu den Unterschieden zwischen IAS 14 und SFAS 131 vgl. insgesamt Böcking/Benecke (1998), S. 92-107, und Ordelheide/Stubenrath (1998), sowie grundlegend Financial Accounting Standards Board (1997), S. 104-109, und International Accounting Standards Board (1997).
III.3 Optionen zur Positionierung von Konzernen
289
Mischformen aus Kredit- und Beteiligungsfinanzierung an. Diese sind weniger standardisiert als Aktien und können weitgehend frei gestaltet werden. Zu diesen Formen der Finanzierung zählen Gewinnschuldverschreibungen, Genussrechte und Partizipationsscheine. Gewinnschuldverschreibungen können neben einer festen Verzinsung eine Zusatzverzinsung verbriefen, deren Höhe vom Dividendensatz abhängig ist. Genussrechte bzw. Genussscheine können grundsätzlich eine Teilhabe sowohl am Gewinn als auch am Liquidationserlös verbriefen, sowie eine Zusatzdividende oder andere Vermögensrechte einräumen. Wenn die Unternehmung der Gewinnausschüttung auf den Genussschein den Charakter einer steuerrechtlich anerkannten Betriebsausgabe verleihen möchte, ist jedoch die Beteiligung am Liquidationserlös zu versagen. Partizipationsscheine, die in der Schweiz und Österreich vorkommen, weisen Analogien zur Stammaktie oder Vorzugsaktie ohne Stimmrecht sowie zu den Genussscheinen auf. Sie verkörpern ein Recht an Gewinnpartizipation und auf Teilhabe am Liquidationserlös, schließen jedoch keine Mitgliedschafts- und Mitwirkungsrechte, insbesondere keine Stimmrechte, ein.263 Die genannten Formen der Kapitalbeschaffung ermöglichen dem Investor die direkte Partizipation am Ergebnis einer Teileinheit, gewähren aber keine Verwaltungsrechte sowie in der Regel keinen Anteil am Liquidationserlös. Der größte Nachteil liegt darin, dass die immanente Unmöglichkeit einer Notierung an der Aktienbörse eine höhere Aufmerksamkeit breiterer Investorenschichten vermutlich ausschließt. (c) Spartenaktien: Unter Spartenaktien oder „Tracking Stock“264 versteht man Aktien, die ihren Inhaber nicht am Erfolg des gesamten Unternehmens, sondern nur am Erfolg einer bestimmten Teileinheit partizipieren lassen.265 Die Erfolgsbeteiligung aus der Spartenaktie kann sich dabei entweder nach dem Ergebnis einer rechtlich unselbständigen Unternehmenssparte („divisional shares“) oder nach den Gewinnen bemessen, welche die Spartenaktien emittierende Muttergesellschaft aus einer Tochtergesellschaft bezieht („subsidiary shares“).266 Die Dividenden werden meist als fester Prozentsatz des Gewinns oder als im Zeitablauf anzupassender absoluter Betrag vereinbart.267 Dabei bildet die Summe des in dem Unternehmen insgesamt erwirtschafteten Bilanzgewinnes die Obergrenze der Gewinnausschüttung an die
263 264 265 266 267
Vgl. Eilenberger (1991), S. 200f. Alternativ werden die Ausdrücke „divisionalisierte Aktien“, „letter stock“ oder „target stock“ bzw. „targeted stock“ verwendet. Vgl. Brauer (1993), S. 324, sowie Anslinger/Bonini/Patsalos-Fox (2000), S. 100. Vgl. grundlegend zu Spartenaktien Steiner/Natusch (1996), Sieger/Hasselbach (1999), und Müller (1997a). Vgl. Baums u.a. (2001), S. D4.39, D'Souza/Jacob (2000), S. 463, und Brauer (1993), S. 324. Vgl. Elder/Westra (2000), S. 39.
290
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Tracking Stock-Aktionäre.268 Obwohl Vermögen und Verbindlichkeiten des Unternehmens aus Berichterstattungsgründen den einzelnen „getrackten“ Sparten zugerechnet werden, verbleiben der Anspruch auf das Vermögen und die Verantwortung für die Verbindlichkeiten bei dem Gesamtunternehmen.269 Ein Spartenaktionär hat daher auch keinen Anspruch auf Beteiligung am Liquidationserlös. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich auch eine Schwierigkeit in Bezug auf die Stimmrechte. In den USA ist für Spartenaktionäre ein variables Stimmrecht („floating vote“) vorgesehen, welches sich nach dem Verhältnis der Börsenkurse der jeweiligen Geschäftsbereichsaktien zueinander richtet.270 Dies scheint in Deutschland nach geltendem Recht nicht möglich zu sein,271 stattdessen haben Spartenaktionäre dort faktisch ein Vetorecht für besondere HV-Beschlüsse.272 Jahresabschlüsse werden für den Gesamtkonzern und für jede „getrackte“ Teileinheit separat erstellt. Auch der Gewinn pro Aktie und Dividenden werden für jede getrackte Teileinheit separat errechnet.273 Es handelt sich insofern um eine umfassendere Form der Spartenberichterstattung. Spartenaktien können grundsätzlich entweder werden als neue Aktien ausgegeben werden, was sich anbietet, wenn das Konzept nicht auf das ganze Unternehmen ausgedehnt werden soll.274 Alternativ ist die Transformation bereits ausgegebener Aktien denkbar.275 In den USA sind Spartenaktien verbreitet, in Frankreich und Japan gibt es sie gleichfalls, in Deutschland wurden sie bislang nicht emittiert.276 Das wissenschaftliche Schrifttum, welches sich mit
268
269 270 271 272
273 274 275
276
Werden also in der tracked unit Gewinne erwirtschaftet, während die übrigen Unternehmensbereiche einen diesen Gewinn übersteigenden Verlust erzielen, ist auch eine Gewinnausschhüttung an die Tracking Stock- Aktionäre ausgeschlossen. Vgl. Thiel (2001), S. 235 und Steinberger/Hass (1993), S. 531f. Vgl. D'Souza/Jacob (2000), S. 463. Vgl. Baums u.a. (2001), S. D4.41. Vgl. Thiel (2001), S. 243f. und Sieger/Hasselbach (1999), S. 1283. Vgl. Sieger/Hasselbach (2001), S. 392. Partiell stimmrechtslose Spartenaktien, die dieses Problem ausschließen könnten, sind nach Deutschem Recht wohl nicht zulässig, da dies dazu führen würde, dass die übrigen Aktien des Unternehmens in bestimmten Fällen den Charakter von Mehrstimmrechtsaktien annehmen. Vgl. hierzu Lembcke (2001), S. 28, und die dort angegebene Literatur. D'Souza/Jacob (2000), S. 463. Diese Vorgehensweise ist in Form einer Dividende oder eines IPO denkbar. Vgl. Brealey/Myers (2000), S. 984. Vgl. Hass (1996) für rechtliche Fragen bezüglich der Einführung von Spartenaktien in den USA. Die für die zweite Alternative erforderlichen Satzungsänderungen sind kompliziert, zeit- und kostenaufwendig. Zudem besteht das Risiko von Anfechtungsklagen nicht uniform behandelter Minderheitsaktionäre. Vgl. dazu Lembcke (2001), S. 25. Zur Einführung von Spartenaktien auch in das deutsche Aktienrecht ohne übermäßige rechtliche Risiken vgl. Sieger/Hasselbach (1999), S. 1279ff. Eine Übersicht über alle Tracking Stock Einführungen in den USA findet sich bei Billett/Mauer (2000), S. 1472ff. Für praktische Beispiele der Anwendung von Tracking Stocks vgl. Lembcke (2001), S. 34ff.
III.3 Optionen zur Positionierung von Konzernen
291
Spartenaktien nach deutschem Recht beschäftigt, geht jedoch einhellig von der Zulässigkeit und grundsätzlichen Gestaltbarkeit solcher Aktien bereits nach geltendem Recht aus.277 Für Spartenaktien spricht allgemein, dass sich durch die mit Tracking Stocks verbundene Rendite-Exposition einzelner Teileinheiten für den Kapitalgeber eine ganze Reihe von Nachteilen eines Konzerns aufheben lassen, ohne dass dem Unternehmen die mit der Integration verbundenen Vorteile verloren gehen.278 Das sollte theoretisch zu einer Wertsteigerung für den gesamten Konzern führen, was sich empirisch auch bestätigen lässt.279 Im Vergleich zur Vollintegration von Teileinheiten lässt sich die Investorennachfrage differenzierter befriedigen,280 was bei Wachstumsdivisionen sowohl zu höheren Ausgabekursen281als auch zu einer effizienteren Kapitalversorgung führen kann. Darüber hinaus können auch Spartenaktien als Akquisitionswährung ggf. attraktiver sein als Aktien des Stammunternehmens282 und als Grundlage einer anreizkompatiblen Managementvergütung dienen.283 Zudem führen sie aufgrund der erweiterten Informations-Exposition zu einer höheren Transparenz und Analysierbarkeit der Teileinheiten durch die mit einer Notierung verbundenen Effekte.284 Gemessen an einer Totalexposition von Teileinheiten285 sprechen für Spartenaktien vor allem vier grundsätzliche Aspekte. Zum einen entfällt bei einer Segmentierung durch Spartenaktien der Rechtsformaufwand für Gründung und Betrieb mehrerer rechtlich selbständiger Gesellschaf277 278 279
280 281
282 283 284
285
Vgl. Baums (1996), sowie Baums u.a. (2001), S. D4.39. Vgl. Müller (1997b), S. 480. Billett/Mauer (2000), S. 1488, stellen in einer empirischen Untersuchung fest, dass Unternehmen mit Spartenaktien geringere Konglomeratsabschläge aufweisen als vergleichbare Unternehmen ohne Spartenaktien. Zudem sind die beobachteten Aktienkursreaktionen auf die Ankündigung der Einführung von Spartenaktien durchgängig positiv und mindestens so hoch wie bei anderen Formen der EigenkapitalRestrukturierung. Tompkins (2000), S. 77, argumentiert dagegen, dass Tracking Stocks den Wert eines Unternehmens insgesamt nicht ändern könnten, da die Aktien des Mutterunternehmens nicht mehr am Cash Flow der getrackten Division partizipieren, aber nach wie vor das Risiko tragen. Wenn Cash Flow und Risiko der getrackten Unit die Werte des Gesamtunternehmens übersteigen, dann würde das Risiko für die übrigen Aktionäre in Relation zum Cash Flow steigen und damit der Wert der Aktien sinken. D'Souza/Jacob (2000) stellen um den Ankündigungszeitpunkt der Einführung von Spartenaktien eine abnormale Rendite von 3,61% fest. Auch Elder/Westra (2000) beobachten ähnliche hohe abnormale Aktienrenditen. Vgl. Jaeger (1998), S. 93ff. Sie ermöglichen die Bewertung der Teileinheit entsprechend den Multiplikatoren der jeweiligen Branche, welche ggf. deutlich höher sein können als die für den gesamten Konzern Vgl. Baums u.a. (2001), S. D4.40f., sowie Caddell (1998), zit. bei Tompkins (2000), S. 74. Vgl. Billett/Mauer (2000), S. 1463. Vgl. Baums u.a. (2001), S. D4.40f, sowie D'Souza/Jacob (2000), S. 459. Vgl. Abschnitt (1) (b) oben. Ebenfalls zu dieser Thematik Baums u.a. (2001), S. D4.40f., Billett/Mauer (2000), S. 1463, und D'Souza/Jacob (2000), S. 459. Positive Werteffekte sind aus dieser Argumentation natürlich nur dann zu erwarten, wenn die betroffenen Teileinheiten vor der Emission unterbewertet waren. Vgl. Knorren (1998), S. 182. Vgl. die Ausführungen zu Spin-Off und Equity Carve-Out in Punkt (d) unten.
292
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
ten, während das Gesamtkonstrukt gleichzeitig flexibel ausweitbar oder auch umkehrbar ist. Zum zweiten ist die Ausgabe von Spartenaktien zumindest in den USA mit steuerlichen Vorteilen verbunden, während sie im weiteren Verlauf eine gemeinsame Steuererklärung der Divisionen ermöglichen, bei der Gewinne durch Verluste ausgeglichen werden können.286 Zum dritten sind die Fremdkapitalkosten für Konzerne mit Spartenaktien durch den Erhalt der rechtlichen Einheit niedriger als bei einer Aufsplittung in einzelne Rechtssubjekte, welche die Risikoposition für Fremdkapitalgeber negativ beeinflussen würde. Der Erhalt der rechtlichen Einheit bei nach der Ausgabe von Spartenaktien ermöglicht schließlich viertens die fortgesetzte Realisierung von Economies of Scope, erhält die internen Märkte, insb. den internen Kapitalmarkt und vermeidet die mit einer Aufspaltung verbundenen Transaktionskosten.287 Gegen Spartenaktien spricht allgemein, dass Investoren evtl. nur schwer verstehen könnten, dass sie die zugrunde liegenden Vermögenswerte nicht besitzen, obwohl der Wert ihrer Aktien auf dem Cash Flow beruht.288 Zudem besteht ein relativ hohes Konfliktpotenzial zwischen Inhabern herkömmlicher Stammaktien und Inhabern von Tracking Stocks, sofern die Interessen der Spartenaktionäre dem Gesamtunternehmensinteresse entgegengesetzt sind.289 Tatsächlich scheinen Spartenaktien der Sparte nicht die gleiche Selbständigkeit zu geben, wie eine vollständige Ausgliederung, da ihre Preisentwicklung sowohl mit dem Gesamtkonzern als auch mit anderen Spartenaktien im Konzern stärker korreliert als mit vergleichbaren Einheitsunternehmen ihrer jeweiligen Branche.290 Gegenüber einer Vollintegration von Teileinheiten verursachen Spartenaktien durch Notwendigkeit eines geschlossenen Buchungskreises und einer separaten Ergebnisrechnung einen internen Mehraufwand. Tracking Stock verursachen höhere Kosten als integrierte TE, da neben dem Mutterunternehmen zusätzlich für jede getrackte Einheit ein eigener Jahresabschluss erstellt werden muss.291 Jeder dieser Abschlüsse muss geprüft werden. Da die Grenzkosten dafür mit der Größe des Unternehmensvermögens 286 287
288 289 290
291
D'Souza/Jacob (2000), S. 461, finden für die steuerlichen Gründe eine empirische Bestätigung. Vgl. insgesamt D'Souza/Jacob (2000), S. 461ff., und Billett/Mauer (2000), S. 1460ff. Billett/Mauer (2000) stellen in ihrer empirischen Untersuchung positive Ankündigungseffekte bei Tracking Stocks fest. Da sie davon ausgehen, dass der Markt zum Ankündigungszeitpunkt bereits mit irgendeiner Art finanzieller Restrukturierung rechnete, rechnen sie diesen Effekt der Bewahrung interner Kapitalmärkte zu. Zu Transaktionskosten vgl. Anslinger/Klepper/Subramaniam (1999), S. 27. Coy (1999) berichtet darüber, dass Class E und Class H Aktionäre von GM die Firma wegen Betrugs/Täuschung verklagt haben. Vgl. Tompkins (2000), S. 75. Das bezieht sich sowohl auf operative unternehmerische Entscheidungen als auch auf Fragen der Kapitalallokation. Vgl. D'Souza/Jacob (2000), S. 460 und S. 471. In den zitierten Untersuchungen korrelieren Spartenaktien allerdings auch stärker mit ihrer Branche als vergleichbare unabhängige Unternehmen, was darauf zurückzuführen sein könnte, dass die herangezogenen Vergleichsunternehmen nicht vollständig auf die Branche fokussiert waren. Vgl. D'Souza/Jacob (2000), S. 475. Vgl. Tompkins (2000), S. 75.
III.3 Optionen zur Positionierung von Konzernen
293
abnehmen, steigen die Kosten, wenn statt eines Unternehmens, zwei geprüft werden müssen.292 Zudem erfordern Spartenaktien eine Selbstbeschränkung des Gesamtunternehmens hinsichtlich der betreffenden Sparte; insbesondere ist das Verbot der Quersubventionierung zu beachten. Verglichen mit einer Totalexposition der Teileinheiten ist festzustellen, dass Spartenaktien eine Übernahme der getrackten Teileinheit behindern, da sie keine Vermögensrechte an der Teileinheit verbriefen. Daher muss weiterhin die Aktienmehrheit am Gesamtunternehmen erworben werden. Umgekehrt sind sie auch als Zahlungsmittel nicht so gut geeignet, wie Aktien einer eigenständigen Gesellschaft. Spartenaktien können also vermutlich nicht die Übernahmeprämie verbuchen, die bei ausgegliederten Gesellschaften entsteht, da der Aufsichtsrat der Muttergesellschaft jede Transaktion genehmigen muss.293 Zudem können für das Management Anreize bestehen, Führungsentscheidungen im Sinne des Mutterunternehmens auf Kosten der getrackten Teileinheit zu treffen.294 (d) Vorzugs- oder Stammaktien: Werden auf eine Teileinheit Vorzugs- oder Stammaktien begeben, setzt das die rechtliche Selbständigkeit der betreffenden Teileinheit voraus. Während bei Vorzugsaktien keine Exposition des Einflusspotenzials erfolgt, kann man im Fall von Stammaktien von einer Totalexposition der Teileinheit sprechen.295 Diese Aussage bedarf einer Einschränkung insofern, als die Bezeichnung Totalexposition sich darauf bezieht, dass der externe Kapitalmarkt alle Formen der Mitgliedschaftsrechte unmittelbar bezogen auf die fokale Teileinheit erwerben kann. Sie sagt jedoch nichts über den Grad des Desinvestments aus (vgl. Abb. III-29). Der Grad des Desinvestments beeinflusst, inwieweit die mit einer Aktie verbundenen Rechte tatsächlich ausgeübt werden können. Solange die Muttergesellschaft die Mehrheit behält, oder einen Gewinnabführungs- bzw. Beherrschungsvertrag abgeschlossen hat, wirkt die Ausgliederung zumindest nicht im Renditebereich, da die Dividendenzahlung von der Mutter als Hauptaktionärin beschlossen werden muss oder die Gewinne durch die Muttergesellschaft
292 293 294
295
Tompkins (2000), S. 75, nennt den natürlichen Logarithmus der Vermögenswerte als eine Determinante der entstehenden Kosten. Vgl. Tompkins (2000), S. 75f., sowie D'Souza/Jacob (2000), S. 464f. Hierzu rechnen u.a. Vermögenstransfers zwischen den Sparten durch die Bestimmung suboptimale Transferpreise für Güter, Dienstleistungen oder Kredite, sowie durch die ggf. sogar unentgeltliche Überlassung von Ressourcen. Vgl. D'Souza/Jacob (2000), S. 465, sowie Elder/Westra (2000), S. 39. D'Souza/Jacob (2000), S. 477, können allerdings für eine Unterperformance keine Hinweise finden. Sie stellen gegenüber unabhängigen Unternehmen der gleichen Branche bei Spartenaktien kein signifikant niedrigeres KGV fest. Bzgl. der Eigenschaften von Vorzugs- und Stammaktien vgl. die Punkte (c) und (d) in Abschnitt I.1.2 (1) dieser Arbeit.
294
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
fließen.296 Auch bei Vollkonsolidierung kann die rechtliche Selbständigkeit im Fall der Eingliederung erhalten bleiben.297 Gegenüber der Verschmelzung ist dies zudem mit verfahrensmäßigen Erleichterungen sowie personalpolitischen, wettbewerblichen und steuerlichen Vorteilen verbunden.298 Vollständig
Keine Anteile mehr bei Konzernmutter
0–5%
Kleinbeteiligung
Hoch
Minderheit bei Konzernmutter
5 – 10 %
Echte Minderheitsbeteiligung
10 – 25 %
Einfache Sperrminorität
25 – 40 %
Qualifizierte Sperrminorität
Möglichkeit der Kontrolle durch die (ehemalige) Muttergesellschaft weiterhin in Form eines Beherrschungsvertrags
Mittel
Faktisch mehrheitsfähige Minderheit bei Konzernmutter
40 – 50 %
Mehrheitsfähige Minderheitsbeteiligung
Sie sollte in einer Hauptversammlung bei durchschnittlicher Präsenzquote die einfache Mehrheit ermöglichen.
Gering
Mehrheit bei Muttergesellschaft (ab hier Vermutung der Abhängigkeit gem. § 17 Abs. 2 AktG)
50 – 75 %
Einfache Mehrheitsbeteiligung
75 – 95 %
Qualifizierte Mehrheitsbeteiligung
Kein
Vollkonsolidierung
95 – 100 %
Eingliederungsbeteiligung
Abb. III-29:
Squeeze-Out-Möglichkeit
Grad des Desinvestments von rechtlich selbständigen Teileinheiten
Eine Partial- oder Totalexposition durch Vorzugs- oder Stammaktien kreiert einen Markt für die Aktien der Teileinheit und kann in Form eines Spin-Offs oder eines Equity Carve-Outs erfolgen. Dabei entsteht ein neues Unternehmen mit Vorstand, Aufsichtsrat, Vermögen und Verbindlichkeiten.299 Im Fall eines Spin-Offs werden die Anteile der Konzernzentrale an der vollkonsolidierten rechtlich selbständigen Teileinheit vollständig oder teilweise an die Aktionäre des Mutterunternehmens verteilt. Das erfolgt mittels einer Dividendenzahlung oder in Form von Gratisaktien, so dass der Konzernzentrale daraus keine Cash Flows erwachsen.300 Beim Equity Carve-Out werden die Anteile an der Teileinheit im Rahmen eines Börsenganges 296 297 298
299
Vgl. Cornell/Liu (2001), S. 344. Vgl. Emmerich/Sonnenschein (1993), S. 143. Eingliederungen lassen sich leichter rückgängig machen, sowohl die Zahl der begehrten Vorstandsposten als auch der Good Will des Firmennamens bleiben erhalten und die körperschaftssteuerrechtlich relevante Auflösung stiller Reserven lässt sich vermeiden. Vgl. Anslinger/Bonini/Patsalos-Fox (2000), S.100. Eine Sonderstellung nimmt der so genannte „Asset Sell-Off“ ein. Dabei verkauft die Konzernzentrale eine Teileinheit an einen Dritten. Dabei fließt Geld, es werden aber keine Aktien emittiert. Vgl. Slovin /Sushka/Ferraro (1995), S. 90, sowie Hite/Owers/Rogers (1987).
III.3 Optionen zur Positionierung von Konzernen
295
an Externe abgegeben, wobei die Konzernzentrale meist die Kontrollmehrheit behält.301 Dabei werden durch die Teileinheit selbst oder durch die Konzernzentrale Aktien für die Teileinheit emittiert oder bereits emittierte verkauft,302 so dass für die Konzernzentrale ein Cash Flow entsteht. Im Gegensatz zum Spin-Off ist ein Carve-Out teurer und aufwendiger und Gegenstand weitergehender Ansprüche an die Berichterstattung seitens der Börsenaufsicht. Theoretisch sollten Spin-Offs in drei Fällen einem Equity Carve-Out vorzuziehen sein: Wenn das Management der Konzernmutter die Teileinheit für unterbewertet hält, wenn die Konzernmutter Kapitalbedarf hat, oder wenn sie keinen ausreichend guten Zugang zum externen Kapitalmarkt besitzt. Die verfügbare Empirie lässt jedoch die Vermutung zu, dass die Wahl der Desinvestitionsmethode durch die Unternehmen in der Realität primär von ihrem Zugang zum Kapitalmarkt abhängig ist.303 Für eine Ausgliederung von Teileinheiten im Rahmen eines Spin-Offs oder Equity CarveOuts sprechen die bereits in Verbindung mit einer Exposition der Vermögens- und Verwaltungsrechte genannten Vorteile.304 In Bezug auf den Gesamtkonzern ergibt sich eine Verbesserung der Vermögensposition der Altaktionäre durch die Fokussierung auf das Kerngeschäft305 und die damit verbundene Befreiung von der Befürchtung, dass durch Quersubventionierung unprofitable Unternehmensbereiche unterstützt werden.306 Im Gegenteil können die beobachtbaren Aktienrenditen als Steuerungs- und Kontrollgrößen für die Finanzflüsse auf dem konzerninternen Kapitalmarkt dienen.307 Weitere Vorteile einer Ausgliederung ergeben auf Ebene der ausgegliederten Teileinheit. Sowohl die gestiegene Transparenz als auch Liquidität der Aktien der ausgegliederten Teileinheit stellen für Investoren einen Nutzen dar und können so wertschaffend wirken.308 Zudem ergeben sich Vorteile in Bezug auf die Portfoliostrukturierung, indem Investoren nur in einen bestimmten Teilbereich des Unternehmens investieren können.309 Die damit verbundene Möglichkeit einer direkten und ausschließ300 301 302 303
304 305 306 307 308 309
Vgl. Slovin/Sushka/Ferraro (1995), S. 91f., sowie Elder/Westra (2000), S. 38. Vgl. Knorren (1998), S. 182. Vgl. Anslinger/Bonini/Patsalos-Fox (2000), S.100, sowie Elder/Westra (2000), S. 39, und Slovin/Sushka/Ferraro (1995), S. 91. Michaely/Shaw (1995), S. 5ff., schließen das aus ihrer Beobachtung, dass riskantere, höher verschuldete und weniger profitable Unternehmen tendenziell eher durch einen Spin-Off desinvestieren. Auch sind die abgetrennten Teileinheiten kleiner und weniger profitabel als jene bei Carve-Outs. Vgl. Punkt (b) in Abschnitt III.3.1 (1) oben. Für eine Erhebung zur Motivlage für den Börsengang einer Konzerneinheit vgl. Arbeitskreis Finanzierung der Schmalenbach Gesellschaft (2003), S. 523. Vgl. Schipper/Smith (1983), zit. bei Masulis (1988), S. 75. Vgl. Lamont (1997), Shin/Stulz (1998), Scharfstein (1998), sowie Kaserer/Bühner (2002). Vgl. Pellens (1993), S. 855. Vgl. Knorren (1998), S. 192, sowie Schipper/Smith (1986), zit. bei Masulis (1988), S. 74. Vgl. Lamont (1997), Shin/Stulz (1998), Scharfstein (1998), sowie Kaserer/Bühner (2002).
296
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
lichen Finanzierung bestimmter Investitionsprojekte der fokalen Teileinheit310 kann zudem zu einer verbesserten Eigenkapitalbasis mit niedrigeren Kapitalkosten beitragen.311 Schließlich ermöglicht die Börsennotierung der Teileinheit eine Umgestaltung der Verantwortlichkeiten und Anreizstrukturen für das Management durch marktorientierte Vergütungsmodelle.312 Empirische Untersuchungen weisen darauf hin, dass Realteilungen in der Regel wertsteigernd sind.313 So führten bspw. Spin-Offs und Equity Carve-Outs in den Jahren 1988-1996 sowohl für das Mutterunternehmen als auch für das Tochterunternehmen zu signifikanten Steigerungen im TSR gegenüber dem Vergleichsindex.314 Die Wertsteigerung scheint immer dann besonders hoch zu sein, wenn der resultierende Cash Flow an die Investoren weitergeleitet bzw. im Falle hoch verschuldeter Unternehmen zur Fremdkapitalrückführung verwendet wird.315 Dabei sollte nicht übersehen werden, dass die Ausgründung von Teileinheiten aus Sicht der Konzernzentrale auch mit Nachteilen verbunden ist. Hierzu zählen zunächst einmal IPOund Publizitätskosten,316 sowie Transaktions- und Organisationskosten und tendenziell höhere
310 311 312 313
314
315
316
Vgl. Schipper/Smith (1986), S. 169ff. Über die Erhöhung des Minderheitenanteils kommt dies ggf. auch der Konzernmutter zugute. Vgl. Pellens (1993), S. 855. Vgl. Schipper/Smith (1986), S. 175ff., sowie Masulis (1988), S. 74. Vgl. Bühner (1984a), S. 958, und Bühner (1990a), S. 88ff., sowie Kaserer/Ahlers (2000), S. 538, in Bezug auf Börseneinführungen von Tochtergesellschaften in Deutschland. Bereits die Ankündigung von Spin-Offs führte in empirischen Studien von Hite/Owers (1983), Schipper/Smith (1983) und Copeland/Lemgruber/Mayers (1986) zu signifikanten Kursgewinnen. Gleiches stellten Schipper/Smith (1986) in Bezug auf Equity Carve-Outs fest, indem sie für den 5-Tages-Ankündigungszeitraum eine abnormale Rendite von knapp 2% errechnen. Miles/Rosenfeld (1983), S. 1605, beobachten eine positive außerordentliche Rendite von 22,1% für Spin-Offs, ähnlich Vijh (1999) für Equity Carve-Outs. Für den US-amerikanischen Markt sind die bei der Muttergesellschaft infolge der Ankündigung eines Equity Carve-Outs auftretenden Kurseffekte mehrfach mit dem Ergebnis untersucht worden, dass es eine signifikante positive abnormale Aktienkursreaktion gibt. Vgl. für einen Überblick Copeland/Weston (1992), S. 744ff. Anslinger/Bonini/Patsalos-Fox (2000), S.100, stellten bei Mutterunternehmen für SpinOffs 18,2% gegenüber 17,5% und bei Equity Carve-Outs 22,1% gegenüber 16,9% dem Markindex fest. Bei den Tochterunternehmen betrugen die Zahlen 27,1% gegenüber 16,3% für Spin-Offs und 23,8% gegenüber 11,0% bei Equity Carve-Outs. Vgl. stellvertretend Lang/Poulsen/Stulz (1995), zit. bei Kaserer/Ahlers (2000), Allen/McConnell (1998), S. 163ff. und weitere bei Kaserer/Ahlers (2000) zitierte Studien. Kaserer/Ahlers (2000) stellen bspw. für Platzierungen, bei denen der Erlös an die Aktionäre ausgeschüttet oder zur Schuldentilgung verwendet wurde abnormale Renditen von 6,63% fest, während Emissionen, bei denen der Erlös für interne Zwecke verwendet wurde, keine abnormale Kursreaktion auslösten. Für mögliche Erklärungen dieser Beobachtungen vgl. stellvertretend Vijh (2002). Hierzu zählen Gebühren für den Konsortialführer, Rechts- und Steuerberatungskosten, Wirtschaftsprüferkosten für die Prospekterstellung, Due-Dilligence und ggf. notwendige gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen, evtl. ein sogenannter Stay Bonus für die Mitarbeiter sowie Publizitätskosten, die relativ umso höher sind, je kleiner das Unternehmen ist. Vgl. insg. Hornung/Wullenkord (2001), S. 74f., sowie Pfender/Pölert (2001).
III.3 Optionen zur Positionierung von Konzernen
297
Fremdkapitalkosten für die ausgegründete Teileinheit.317 Hinzu kommen der Verzicht auf die höhere Flexibilität bei der Ressourcenallokation und die Nachteile, welche eine höhere Transparenz mit sich bringt, insbesondere im Fall schlechterer Performance und durch den damit verbundenen Verlust eines Informationsvorteils der Konzernzentrale gegenüber externen Kapitalgebern.318
III.3.2
Die Entwicklung werthaltiger Konzern-Strukturen
In den folgenden Abschnitten wird eine Vorgehensweise zur Bestimmung geeigneter Konzern-Strukturen entwickelt. Nun ist es im wissenschaftlichen Diskurs nicht nur umstritten, ob es möglich ist, aus situativen Variablen allgemeine Gestaltungsempfehlungen abzuleiten,319 sondern auch, ob es legitim ist, von der Existenz nur einer möglichen optimalen Konfiguration auszugehen.320 Der Anspruch, die Vorgehensweise schlechthin zur Herleitung der optimalen Konzern-Konfiguration entwickeln zu wollen, wäre vor diesem Hintergrund vermessen. Es lässt sich jedoch eine allgemeine Methodik skizzieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer wenigstens quasi-optimalen Konzern-Konfiguration führen kann (1). Auf Basis robuster Strukturdeterminanten lassen sich vor diesem theoretischen Hintergrund für einzelne Teileinheiten geeignete Integrationsformen herleiten (2). (1)
Allgemeine Methodik
Um zu einer quasi-optimalen Konzern-Konfiguration zu gelangen, sollte das Management jede Teileinheit so betrachten, als ob sie eine selbständige börsengehandelte Gesellschaft wäre.321 Von der Integration einer potentiell eigenständigen Teileinheit in einen Konzern gehen in der Regel gleichermaßen wertsteigernde und wertmindernde Effekte für den gesamten 317
318 319
320
321
Hierzu zählen Kosten für Verträge über Transferpreise, gemeinsame F&E, Technologie, Dienstleistungen, Markenrechte, etc., sowie Kosten des Aufbaus einer eigenen Kultur sowie eigener Steuerungs- und Anreizsysteme und sonstige administrative Kosten. Vgl. Anslinger/Bonini/Patsalos-Fox (2000), S.102f.., sowie Anslinger u.a. (1997), S. 171. Vgl. Anslinger/Klepper/Subramaniam (1999), S. 27, und Kaserer/Bühner (2002), S. 17. Für eine ausführliche Kritik am so genannten „situativen Ansatz“ vgl. Frese (1992), S. 190ff., sowie Kieser (1995), S. 169ff. Die wohl umfangreichste Dokumentation zum Forschungsstand der situativen Ansätze findet sich bei Kieser/Kubicek (1992). Vgl. Luhmann (1971), der darauf hinweist, dass auch mehrere unterschiedliche Konfigurationen im Hinblick auf die Lösung eines bestimmten Systemproblems eine äquivalente Funktionalität aufweisen können. Erläuternd zum Äquivalenz-Funktionalismus vgl. Kirsch (1989), S. 450. Dazu kann einerseits der spezifische Kapitalkostensatz der Teileinheit (finanzwirtschaftlicher Ansatz) und andererseits ihr Beitrag zur Wertschöpfung des Konzerns (leistungswirtschaftlicher Ansatz) errechnet
298
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Konzern aus. Von der Existenz und Art dieser Effekte ist es abhängig, welche Integrationsform für die fokale Teileinheit als quasi-optimal angesehen werden kann (vgl. Abb. III-30). hoch PartialExposition
TotalExposition
Minderwert
Voll-Integration ? niedrig hoch
Abb. III-30:
MehrwertPotenziale
niedrig
Gesamteinfluss der Konzerneinheit auf die Vorteilhaftigkeit der Integrationsform einer Teileinheit
Zunächst stellt sich die Frage, ob die Integration der fokalen Teileinheit in den Konzern wertsteigernde Wirkungen haben kann. Ist dies in ausreichendem Maße der Fall, spricht das grundsätzlich für eine Integration der Teileinheit in den Konzern. Anderenfalls ist die Teileinheit auszugliedern. Sodann stellt sich die Frage, ob mit der Integration gleichzeitig wertmindernde Effekte verbunden sind, welche sich gegebenenfalls durch eine Partial-Exposition der Teileinheit verhindern lassen. Daraus resultieren vier mögliche Fälle: Im Nordosten der Matrix sind aus einer Integration keine Mehrwertpotenziale, gleichzeitig aber wertmindernde Effekte zu erwarten. Diese Kombination spricht für eine Total-Exposition (Ausgliederung) der Teileinheit. Sind dagegen im Südwesten der Matrix bei erkennbaren Mehrwertpotenzialen keine substantiellen wertmindernden Effekte einer Integration zu erwarten, dann bietet sich eine Vollintegration der Teileinheit in den Konzern an. Sind schließlich im Südosten sowohl die wertsteigernden als auch die wertmindernden Effekte vernachlässigbar, dann ist die Entscheidung für eine bestimmte Konfiguration nur bedingt wertrelevant und es lässt sich nach der hier skizzierten Vorgehensweise keine eindeutige Aussage bezüglich einer optimalen Konfiguration treffen. Wenn im Nordwesten der Matrix mit einer Integration werden. Vgl. Altman (1988), S. 165f.
III.3 Optionen zur Positionierung von Konzernen
299
sowohl substantielle Mehrwert-Potenziale als auch zu erwartende Wertminderungen verbunden sind, dann spricht das grundsätzlich für eine Integration, sofern es gelingt, die wertmindernden Effekte in ausreichender Weise durch eine geeignete Partial-Exposition der Teileinheit abzumildern. (2)
Herleitung adäquater Integrationsformen
Zur Herleitung situativ adäquater Integrationsformen wird der unter (1) dargestellten Vorgehensweise gefolgt. Als Integrationsformen stehen eine Vollintegration der Teileinheit in den Konzern sowie die in Abb. III-31 dargestellten Varianten einer Partial- oder Total-Exposition zur Verfügung.322 c Segmentberichterstattung
d Spartenaktien (sine)
e Spartenaktien (cum)
Externer Eigenkapitalmarkt
Externer Eigenkapitalmarkt
Externer Eigenkapitalmarkt
Konzernzentrale
Konzernzentrale
Konzernzentrale
Teileinheit
Teileinheit
Teileinheit
Teileinheit
Teileinheit
Teileinheit
f Vorzugsaktien
g Stammaktien
Externer Eigenkapitalmarkt
Externer Eigenkapitalmarkt
Teileinheit
Teileinheit
Teileinheit
Erläuterung Starker Zugang aus Sicht des Kapitalmarktes Verwässerter Zugang aus Sicht des Kapitalmarktes Information
Konzernzentrale
Konzernzentrale
Einflussnahme Rendite Vermögen
Teileinheit
Abb. III-31:
Teileinheit
Teileinheit
Teileinheit
Teileinheit
Teileinheit
Mögliche Formen der Partialexposition einer Teileinheit
Die Vorteilhaftigkeit einer bestimmten Integrationsform richtet sich nach den mit ihr verbundenen Werteffekten. Im Folgenden werden daher die strukturellen Implikationen wesentlicher Formen und Determinanten möglicher Werteffekte323 herausgearbeitet. Dies umfasst die In-
322 323
Vgl. Abb. III-28, S. 286. Vgl. die vollständige Ausarbeitung wertsteigernde und wertmindernder Effekte in Unterkapital III.2.2 und III.2.3 dieser Arbeit.
300
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
tegration einer Teileinheit als Reaktion auf mögliche Wertsteigerungseffekte (a) und ihre Partial-Exposition als Lösung für potentiell auftretende Wertminderungseffekte (b). Abschließend erfolgt eine kombinierte Betrachtung beider Perspektiven (c). (a) Integration zur Realisierung wertsteigernder Effekte: Die Wahrscheinlichkeit der Schaffung und Realisierung von Mehrwertpotenzialen durch Integration lässt sich auf Basis der in Unterkapitel III.2.2 identifizierten Determinanten bzw. Indikatoren abzuschätzen. In Abb. III-32 werden den möglichen Formen einer Wertsteigerung und ihren jeweiligen Determinanten die Konfigurationen zugeordnet, die sich aufgrund dieser Partialbetrachtung ergeben. Formen der Wertsteigerung
Determinanten
Synergieeffekte durch Koordination auf leistungswirtschaftlicher Ebene (SL) Synergien auf Absatz- und Beschaffungsmärkten Synergien bei Ressourcenallokation und –fluss Manipulation der Wettbewerbskräfte
Abb. III-32:
mcdefg
Hohes Finanzierungsvolumen Unterdurchschnittliche Kapitalkosten der dominanten Teileinheiten des Konzerns Geringer Einfluss steuerungslogischer Determinanten aufgrund gegebener Flexibilität der finanziellen Ressourcen!
Autonomieffekte durch Mobilisierung auf finanzwirtschaftlicher Ebene (AF) Konzernmobilisierung
mcdefg
Möglichst hohe Einheitlichkeit der Kontexte in Leitung und Teileinheiten Fähigkeit der Konzernleitung zum Kontextpartisanentum Bereitschaft der Teileinheiten, mit der Leitung zu kooperieren Ressourcenflexibilität
Synergieeffekte durch Koordination auf finanzwirtschaftlicher Ebene (SF) Identitäre und komplementäre Synergien bei der Kapitalbeschaffung (Æ externer Kapitalmarkt) Primär Identitäre Synergien auf dem internen Kapitalmarkt (Æ interner Kapitalmarkt) Manipulation der Wettbewerbskräfte
mcdefg
Identität oder Komplementarität der Teileinheiten in Bezug auf Ressourcen und/oder Märkte Verwandtschaftsgrad der Teileinheiten in Bezug auf strategischen Archetyp und Steuerungsarchitektur Eignung der Steuerungsarchitektur zur Koordination von Teileinheiten Branchenverständnis der Leitung Kontextverständnis der Leitung (Kontextidentität oder Fähigkeit zum Kontextpartisanentum) Ressourcenflexibilität
Autonomieeffekte durch Mobilisierung auf leistungswirtschaftlicher Ebene (AL) Einzelmobilisierung Konzernmobilisierung
Konfigurationen
mcdefg
Vorhandener Kapitalbedarf der Teileinheiten Werthaltigkeit, Sensibilität und Nichtschützbarkeit unternehmensspezifischer Informationen Fehlen spezialisierter Kapitalgeber für unternehmens- bzw. branchenspezifische Informationen Anfall hoher Opportunitätskosten bei Verzögerung oder Unterbrechung der Investitionsprogramms
Determinanten einer Wertsteigerung durch Konzernstrukturen
Auf leistungswirtschaftlicher Ebene können durch Koordination zunächst die in Abschnitt (SL) der obigen Abbildung aufgezeigten drei Formen von Synergieeffekten realisiert werden.
III.3 Optionen zur Positionierung von Konzernen
301
Wird auf die Teileinheiten und ihre Potenziale fokussiert, scheint dies insbesondere dann wahrscheinlich, wenn die Konzernteileinheiten in Bezug auf Ressourcen oder Märkte identitär oder komplementär sind, wenn sie sich in Bezug auf den strategischen Archetyp und die Steuerungsarchitektur ähneln oder wenn die von ihnen benötigten Ressourcen eine hohe Flexibilität aufweisen. Wird dagegen der Blick auf die Zentrale und die Möglichkeit der Potenzialrealisierung gerichtet, scheinen die Eignung der Steuerungsarchitektur zur Beeinflussung der Teileinheiten,324 sowie das Branchen- und Kontextverständnis der Leitung von besonderer Bedeutung zu sein. Weiterhin können auf der leistungswirtschaftlichen Ebene durch Mobilisierung die in Abschnitt (AL) der Abbildung aufgezeigten Formen von Autonomieeffekten realisiert werden. Das wird begünstigt durch eine möglichst hohe Einheitlichkeit der Kontexte in Leitung und Teileinheiten, die Fähigkeit der Konzernleitung zum Kontextpartisanentum, die Bereitschaft der Teileinheiten, mit der Leitung zu kooperieren, oder eine hohe Ressourcenflexibilität. Auf finanzwirtschaftlicher Ebene können durch Koordination die in Abschnitt (SF) der obigen Abbildung aufgezeigten drei Formen von Synergieeffekten realisiert werden. Wird auf die Synergiepotenziale fokussiert, trifft dies insbesondere bei einem hohen Finanzierungsvolumen des Konzerns und dann zu, wenn die dominanten Teileinheiten unterdurchschnittliche Kapitalkosten aufweisen. Aufgrund der gegebenen Flexibilität der finanziellen Ressourcen kommt den steuerungslogischen Determinanten nur ein geringer Einfluss zu. Schließlich kann auf der finanzwirtschaftlichen Ebene durch Mobilisierung auch die in Abschnitt (AF) aufgezeigte Konzernmobilisierung durch Schaffung eines internen Kapitalmarktes erfolgen. Sofern die Teileinheiten eines Konzerns Kapitalbedarf haben, sind Wertpotenziale insbesondere dann zu erwarten, wenn die entscheidungsrelevanten unternehmens-spezifischen Informationen werthaltig, sensibel und nicht schützbar sind, wenn in Bezug auf die relevanten unternehmens- bzw. branchenspezifischen Informationen keine spezialisierten Kapitalgeber existieren, oder wenn eine Verzögerung oder Unterbrechung des Investitionsprogramms hohe Opportunitätskosten nach sich ziehen würde. Sprechen die einzelne oder mehrere der oben genannten Determinanten für eine Wertsteigerung auf finanz- oder leistungswirtschaftlicher Ebene durch Koordination oder Mobilisierung, dann spricht das zunächst einmal für eine Integration der Teileinheit in den Konzern.
324
Stein (2000) unterscheidet bspw. zwischen weichen und harten Informationen, und argumentiert in diesem Sinne, eine Integration sei nur bei Verfügbarkeit harter Informationen anzuraten, da sie einer hierarchischen Organisation bedarf, die auf harte Informationen angewiesen ist. Sind aber nur weiche Informationen verfügbar, würde das zu Steuerungsproblemen und einer ineffizienten „Produktion“ harter Informationen führen.
302
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
(b) Partial-Exposition zur Begrenzung wertmindernder Effekte: Lassen sich ausreichende Mehrwertpotenziale identifizieren, um die Integration einer Teileinhet zu rechtfertigen, dann stellt sich im nächsten Schritt die Frage, ob dadurch auch wertmindernde Effekte entstehen, welche ihren Nutzen ggf. sogar überkompensieren. Im Folgenden wird untersucht, inwiefern sich solche Wertminderungseffekte durch eine Partial-Exposition begrenzen lassen (vgl. Abb. III-33). Formen der Wertminderung
Determinanten
Konfigurationen
Wertminderung durch erschwerte Einzelbewertung des Konzerns (EB) Ignorieren von Synergie- bzw. Mobilisierungspotenzialen
Kompliziertheit der Synergie- und Mobilisierungspotenziale
ndefg
Bewertung einzelner Teileinheiten unter vereinfachten Annahmen
Unterschiedliche Profitabilität Unterschiedliche Wachstumscharakteristik
ndefg
Bewertung einzelner Teileinheiten unter irrationalen Annahmen
Kapitalmarkt-Trend zugunsten eines Konglomeratsabschlags
cdeqr
Wertminderung durch erschwerte Bewertung des Konzerns im Kontext eines Anlageportfolios (PB) Vermeidung der Aktie aufgrund von Unklarheiten bei der Portfoliostrukturierung
Überschreiten typischer Segmentierungskriterien
cdeqr
Wertminderung auf der Potenzialebene durch leistungswirtschaftliche Nachteile (LP) Strategische Restriktionen
Ausmaß relevanter bestehender Beziehungen zu Wettbewerbern der Konzernmutter
cdefr
Negative Humanressourcen-Effekte
Hohe Komplexität bei Managemententscheidungen Mangel an Führungspositionen aufgrund nicht eigenständiger Rechtsform (Anreize) Fehlende Referenzgröße für Anreizsysteme bei nicht eigener Börsennotierung
cdefr
Haftungstatbestände
Unbegrenztes Haftungsrisiko der Konzernteileinheiten
cdefr
Organisationskosten in Verbindung mit Opportunitätskosten aufgrund mangelnder Potenzialnutzung
Systemkonfiguratorisch bedingter Potenzialmangel Steuerungslogisch bedingtes Umsetzungsproblem
cdeqr
Wertminderung auf der Potenzialebene durch finanzwirtschaftliche Nachteile (FP) Potenzialmangel (Möglichkeiten existieren nicht!)
Höhe der positiven Cash Flows Informationsoffenlegung ist unkritisch Existenz spezialisierter externer Investoren Verzögerungen im Investitionsprogramm sind unkritisch
cdeqr
Organisationskosten
Diversität der Teileinheiten und Inhomogenität und Unspezifität der zu tätigenden Investitionen
cdeqr
Agency-Kosten
Fehlende Kontrollanreize Fehlende Möglichkeit einer Dekodierung des Marktpreises bei nicht eigenständiger Börsennotierung Höhe der positiven Cash Flows
copfg
Abb. III-33:
Determinanten einer Wertminderung durch Konzernstrukturen
Auf der Bewertungsebene können durch eine erschwerte Einzelbewertung sowohl der fokalen Teileinheit als auch des gesamten Konzerns zunächst die in Abschnitt (EB) aufgeführten drei Effekte auftreten. Werden in einem ersten Fall die angestrebten Synergie- oder Autonomiepo-
III.3 Optionen zur Positionierung von Konzernen
303
tenziale zu kompliziert, sind sie für den Investor nicht mehr durchschaubar und werden von diesem möglicherweise ignoriert. Diesem Effekt kann bestenfalls mittel- bis langfristig durch eine verbesserte Berichterstattung begegnet werden, welche entweder aus einer bewussten Segmentberichterstattung oder aus den mit der Emission von Spartenaktien, Vorzugsaktien oder Stammaktien verbundenen Berichtspflichten resultiert. Differieren in einem zweiten Fall die Teileinheiten bezüglich Profitabilität oder Wachstum, ohne dass detaillierten Informationen über die einzelnen Teileinheiten verfügbar sind, dann erfolgt durch den Investor eine Bewertung auf Basis angenommener Durchschnittswerte. Diesem Effekt kann kurzfristig auf oben dargestellte Weise durch eine verbesserte Berichterstattung begegnet werden. Gibt es schließlich in einem dritten Fall einen allgemeinen Kapitalmarkttrend zugunsten eines Konglomeratsabschlags, dann ist dem vermutlich nur dadurch zu begegnen, dass die Teileinheit durch rechtliche Eigenständigkeit weitgehend exponiert wird. Inwieweit dazu eine bloße Segmentberichterstattung oder die Emission von Spartenaktien ausreicht, um einer Wertminderung wirkungsvoll zu begegnen, muss fallweise entschieden werden. Darüber hinaus kann durch eine erschwerte Bewertung des Konzerns im Kontext eines Anlageportfolios auch die in Abschnitt (PB) aufgezeigte Wertminderung auftreten. Diesem Effekt ist in Bezug auf den Konzern durch die rechtliche Subjektivität der Teileinheit in Verbindung mit Vorzugs- oder Stammaktien zu begegnen. In Bezug auf die fokale Teileinheit ist darüber hinaus die Emission von Spartenaktien eine mögliche Lösung. Auf der Potenzialebene können durch leistungswirtschaftliche Nachteile vor allem die in Abschnitt (LP) der Abb. III-33 aufgezeigten Effekte auftreten. Bringt in einem ersten Fall die Integration aufgrund einer Gefährdung bestehender Beziehungen zu Wettbewerbern der Konzernmutter strategische Restriktionen für die Teileinheit mit sich, dann ist jede Form der Integration schädlich, so dass im Umkehrschluss nur eine Total-Exposition in Form einer rechtlich eigenständigen Teileinheit mit Stammaktien oder Vorzugsaktien eine echte Lösung darstellen kann. Gleiches gilt, wenn in einem zweiten Fall aufgrund erhöhter Entscheidungskomplexität und fehlender Anreize negative Humanressourcen-Effekte auftreten. Spielen in einem dritten Fall Haftungs- und Regulierungstatbestände eine Rolle, die bei einer Integration der betroffenen Teileinheit auf den Mutterkonzern durchschlagen, kann sogar nur eine echte Total-Exposition mit einer hohen, ggf. sogar vollständigen Desinvestition eine Lösung darstellen. Schließlich ist es im Sinne von Opportunitätskosten auch möglich, dass die mit der Integration verbundenen zusätzlichen Organisationskosten aufgrund eines Potenzialmangels oder Umsetzungsproblems die realisierten Potenziale übersteigen. Auch hier ist stellt eine Totalexposition die einzig sinnvolle Lösung dar. Gleichermaßen kann es auf der Potenzialebene durch finanzwirtschaftliche Nachteile zu den in Abschnitt (FP) aufgezeigten Effekten kommen. In einem ersten Fall muss man davon
304
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
ausgehen, dass eine Integration um so geringere Potenziale hat, je höher die Cash Flows der Teileinheiten, je unkritischer die Informationsoffenlegung und evtl. Verzögerungen im Investitionsprogramm und je verfügbarer spezialisierte externe Investoren sind. Sind gleichzeitig die relativen Organisationskosten des internen Kapitalmarktes hoch,325 dann spricht dies gegen eine Integration der Teileinheit. Ein weiterer Effekt könnte darin liegen, dass bei positiven Cash Flows bei nicht börsennotierten Teileinheiten die Agency-Kosten aufgrund fehlender Kontrollanreize steigen. Auch hier kann eine echte Lösung nur in rechtlicher Selbständigkeit der Teileinheit liegen, ggf. noch in der Einführung von Spartenaktien oder unter besonderen Umständen sogar in einer dezidierten Segmentberichterstattung. (c) Kombinierte Betrachtung der Struktur-Determinanten: Abb. III-34 stellt noch einmal übersichtsartig (und stark vereinfacht) die möglichen Integrationsformen für eine fokale Teileinheit bei unterschiedlichen Wertsteigerungspotenzialen und Wertminderungseffekten dar.326 Es wird deutlich, dass Problemen der Einzelbewertung unabhängig von der Art der Wertsteigerungspotenziale durch eine erweiterte Segmentberichterstattung wirkungsvoll begegnet werden kann. Irrationalitäten bei der Einzelbewertung und Probleme im Rahmen der Portfoliostrukturierung können dagegen nur mit Spartenaktien, ggf. sogar nur mit Stamm- oder Vorzugsaktien gelöst werden. Finanzwirtschaftlichem Potenzialmangel in Verbindung mit Organisationskosten kann im Falle leistungswirtschaftlicher Wertsteigerungspotenziale durch Segmentberichterstattung oder Spartenaktien abgemildert werden. Leistungswirtschaftlicher Potenzialmangel in Verbindung mit Organisationskosten kann im Falle finanzwirtschaftlicher Wertsteigerungspotenziale nur durch Stamm- oder Vorzugsaktien verringert werden. Schließlich bleibt im Falle unbegrenzter Haftungsrisiken oder drohender Regulierungstatbestände nur eine weitgehend vollständige rechtliche Selbständigkeit der Teileinheit.
325
326
Einerseits kann dies aufgrund mangelnder Spezifität der Investitionen in sehr diverse Teileinheiten der Fall sein. Vgl. Kaserer/Ahlers (2000), S. 551, sowie Rajan/Servaes/Zingales (2000). Eine andere Erklärung liegt in einer relativ hohen Effizienz des externen Kapitalmarktes. So scheint es in Emerging Markets keinen Konglomerate Discount zu geben, was sich damit erklären ließe, dass der externe Kapitalmarkt weniger effizient und somit ein interner Kapitalmarkt der betroffenen Konzerne relativ effizienter ist. Vgl. Fauver/Houston/Naranjo (1999). Zudem steigt der Informationsdiscount und damit der Kapitalkostensatz für die Teileinheit bei Eingliederung, wenn externe Investoren den Wert der Teileinheit besser abschätzen können als den der Konzernmutter. Vgl. Schipper/Smith (1986), zit. bei Masulis (1988), S. 74. Dabei sind uneingeschränkt mögliche Formen der Partial-Exposition fett gedruckt und nur bedingt denkbare Lösungen in Klammern gesetzt. Grundsätzlich ist immer abzuwägen, ob die Wertminderungen, sollten sie sich nicht vollständig eliminieren lassen, toleriert werden können, was der Fall wäre, wenn ihr Erwartungswert die Mehrwertpotenziale nicht übersteigt.
III.3 Optionen zur Positionierung von Konzernen
305
Wertsteigerungspotenziale Leistungsw. Synergieeffekte Kompliziertheit der Synergie- und Mobilisierungspotenziale (EB) Differierende Profitabilität & Wachstumscharakteristik (EB)
Wertminderungseffekte
Fehlende Kontrollanreize (FP) Fehlende Möglichkeit einer Dekodierung des Marktpreises bei nicht eigenständiger Börsennotierung (FP) Höhe der positiven Cash Flows (FP) Kapitalmarkt-Trend zugunsten eines Konglomeratsabschlags (EB) Überschreiten typischer Segmentierungskriterien (PB) Potenzialmangel & hohe Organisationskosten (LP) Ausmaß relevanter bestehender Beziehungen zu Wettbewerbern der Konzernmutter (LP) Komplexitätsproblem (LP) Anreizmangel (LP) Unbegrenztes Haftungsrisiko der Konzernteileinheiten (LP)
Abb. III-34:
III.3.3
Leistungsw. Autonomieeffekte
Finanzw. Synergieeffekte
Finanzw. Autonomieeffekte
Keine positiven Effekte
Segmentberichterstattung
Spartenaktien (Segmentberichterstattung)
Stammaktien
Stamm- und Vorzugsaktien (Spartenaktien)
Stammaktien
Stammaktien (Vorzugsaktien)
Stammaktien
Stammaktien
Kreuztabellierung der Struktur-Determinanten
Positionierungsoptionen für Konzerne
Abschließend wird nun ein Weg zur Entwicklung konzernspezifischer Positionierungsoptionen aufgezeigt. Der Begriff der Positionierung muss auch im Konzernbezug ein für den Investor in seiner jeweiligen Situation nachfragerelevantes Nutzenversprechen enthalten.327 Die besondere Herausforderung liegt zusätzlich darin, eine „klare und eindeutige“, in sich homogene Positionierung mit Aussagekraft für einen möglichst hohen Anteil der Konzernwertschöpfung zu finden. Dabei stellt im Rahmen von Konzernstrukturen insbesondere die Branchenzuordnung der einzelnen Teileinheiten eine ausgesprochen wichtige Klammerfunktion zur partiellen Schaffung von Homogenität dar.328 Positionierungsformen, die diesen Anforderungen genügen, las-
327 328
Vgl. die bereits in Abschnitt I.2.2 (2) eingeführte Definition. Bei der generischen (Einzel-)Positionierung von Teileinheiten (III.1) erfuhr sie als Erscheinungsform exogener Werttreiber noch keine besondere Betonung, da die eigene Branchenzugehörigkeit für ein Einzelunternehmen kaum beeinflussbar ist und als gegeben angenommen werden muss. In III.2.2 und III.2.3 wurde aber festgestellt, dass im Rahmen von Konzernstrukturen der Verwandtschaftsgrad der Teileinheiten in Bezug auf ihre Branche von entscheidender Bedeutung für die Realisierung von Wertsteigerungspotenzialen ist.
306
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
sen sich nach der Art ihres Nutzenversprechens und seiner Relation zum gesamten Konzernportfolio differenzieren. Bezieht sich die Positionierung mit ihrem Nutzenversprechen auf homogene branchenbezogene Merkmale (exogene Werttreiber) der Basisteileinheiten, soll dies im Folgenden als Branchenpositionierung bezeichnet werden. Sie kann im Hinblick auf alle, mehrere oder einzelne Teileinheiten erfolgen und entsprechend die Form einer Gesamt-, Schwerpunkt- oder Auswahlpositionierung annehmen: Eine Gesamtpositionierung bezieht alle Teileinheiten eines Konzerns ein und stellt daher die Idealform einer Konzernpositionierung dar. Sie ist dann realisierbar, wenn bezüglich bestimmter marktbezogener Merkmale eine homogene Gesamtheit aller Teileinheiten existiert. Ist dies nicht der Fall, bietet sich eine Schwerpunktpositionierung an, welche eine homogene Mehrheit aller Teileinheiten unter die Positionierung subsumiert. Lässt sich auch keine homogene Mehrheit von Teileinheiten bilden oder erscheint eine solche aus anderen Gründen für eine Positionierung unvorteilhaft, dann besteht die Möglichkeit, sich in Form einer Auswahlpositionierung auf eine homogene Minderheit der Konzernteileinheiten zu beziehen. Dies setzt voraus, dass es möglich ist, die hohe, evtl. auch zukünftige, Bedeutung der betroffenen Teileinheiten glaubhaft zu vermitteln. Erscheint keine dieser Varianten realisierbar, dann bleibt der Rückgriff auf Merkmale der Konzernzentrale oder branchenunabhängige Merkmale der Basisteileinheiten (endogene Werttreiber und Wertschöpfung). In diesem Fall soll von einer branchenunabhängigen Metapositionierung gesprochen werden, welche auf die Zentrale oder übergreifende, nicht marktbezogene Merkmale einer Mehrheit der Teileinheiten Bezug nimmt. Einen fließenden Übergang zwischen beiden Formen kann eine Positionierung in so genannten quasistrategischen Gruppen darstellen.329 Im Folgenden wird zunächst dargestellt, auf welche Weise die Konzernleitung zu möglichen Positionierungsalternativen gelangen kann (1). Der Fokus liegt hier auf dem Prozess der Entscheidungsfindung. Im Anschluss werden die aus dieser Vorgehensweise resultierenden Grundformen einer Konzernpositionierung näher betrachtet (2). (1)
Identifikation und Bewertung alternativer Konzernpositionierungen
Die Generierung von Konzernpositionierungen lässt sich analytisch in vier Phasen unterteilen. Sie könnten als Aufbereitung der Datenbasis (a), Identifikation möglicher Positionierungsalternativen (b), Optimierung der Positionierungsalternativen (c) und grundlegende Positionie-
329
Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt I.2.2 (1), S. 63ff, insbesondere Punkt (b).
III.3 Optionen zur Positionierung von Konzernen
307
rungsentscheidung (d) bezeichnet werden. (a) Aufbereitung der Datenbasis: Den Ausgangspunkt der Überlegungen bildet die unter Wertgesichtspunkten entwickelte Konzernstruktur.330 Ziel ist die vollständige Abbildung aller für eine Positionierung zur Verfügung stehenden Teileinheiten mit ihren positionierungsrelevanten Eigenschaften. Ein mögliches tabellarisches Erfassungsformat ist in Abb. III-35 unten dargestellt. Es beinhaltet Angaben zu den Teileinheiten, zu ihrer Bedeutung im Konzern, und zu ihren positionierungsrelevanten Eigenschaften.
Teileinheit Bezeichnung
Abb. III-35:
Integrationsform
Bedeutung NPV (abs.)
NPV (%)
Positionierungsoptionen Branche (1)
S+ S-
Branche (2)
S+ S-
Generisch
S+ S-
Erfassungsformat für die verfügbaren Konzernteileinheiten
Zunächst werden alle in der entwickelten Konzernstruktur enthaltenen Teileinheiten sowie ihre jeweilige Integrationsform erfasst.331 Darüber hinaus muss eine Größe für ihre Bedeutung im Rahmen des Konzerns gefunden werden. Jenseits einer qualitativen Erfassung scheint insbesondere der Gegenwartswert zukünftiger Erfolge eine geeignete Größe zu sein. Dabei handelt es sich nicht notwendigerweise um den oben exemplarisch verwendeten Net Present Value (NPV), sondern es kann fallweise entschieden werden, ob zur Berechnung des Barwerts einfache buchhalterische Größen (PV, DCF, Ertragswert) oder Residualgrößen (RI, MVA) besser geeignet sind.332 Schließlich sind die Positionierungsoptionen der einzelnen Teileinheiten zu erfassen. Dabei sind – unter Maßgabe der in der Einleitung zu III.3.3 genannten Optimierungskriterien – vor allem zwei Eigenschaften der zu positionierenden Konzernteileinheiten von Bedeutung: Zum einen sind dies die potentiellen Branchenpositionierungen (spezifische Ausprägung der exo-
330 331 332
Vgl. die Herleitung in Unterkapitel III.3.2 dieser Arbeit. Zur Entwicklung werthaltiger Konzernstrukturen vgl. Unterkapitel III.3.2, S. 297ff., für Integrationsformen Abschnitt III.3.1 (2), S. 287ff., dieser Arbeit. Zu finanziellen Erfolgsgrößen vgl. die Ausführungen zu Wertschöpfungskennzahlen in Abschnitt II.1.2 (1) dieser Arbeit.
308
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
genen Werttreiber). Sie umfassen die Primärbranche, zu welcher eine Teileinheit aufgrund ihres Absatzmarktes zu rechnen ist, sowie Alternativbranchen, die ggf. als Positionierung ebenfalls in Frage kommen.333 Zum anderen handelt es sich dabei um die generischen (Einzel)Positionierungen (allgemeinen Nutzenpotenziale) dieser Teileinheiten. Sie entsprechen den in Abschnitt III.1.3 (2) entwickelten generischen Positionierungsoptionen K1 bis K6.334 Für jede potentielle Positionierung lässt sich zudem ihre jeweilige Eignung für positive und negative Sentimentszenarien festhalten. (b) Identifikation von Positionierungsalternativen: Nachdem die Datenbasis entsprechend aufbereitet wurde, kann nun die optimale Positionierung für die verfügbaren Teileinheiten bestimmt werden. Das Problem besteht hier darin, dass die Konzernleitung nicht entscheiden kann, welche Positionierung optimal ist, bevor sie auch die bestehende Struktur im Hinblick auf eben diese Positionierung optimiert hat. Genau die wird aber erst gesucht. Ein Ausweg aus diesem Problem besteht darin, dass zunächst mit mehreren alternativen Varianten operiert wird. Ziel ist es, mögliche Gruppierungen nach Branchen oder internen Fähigkeiten zu identifizieren, welche die Teileinheiten so weit wie möglich in einem homogenen Cluster konzentrieren, so dass diesem, gemessen am Gesamtportfolio, eine maximale Bedeutung zukommt.335 Seine Bedeutung ist nicht nur an der anteiligen Zahl der enthaltenen Teileinheiten bzw. ihrem anteiligen Umsatz, sondern ebenfalls an ihrem anteiligen Beitrag zum Konzernbarwert bzw. am zukünftigen Ertrag zu messen. Damit ist gewährleistet, dass die Positionierung für den Investor sowohl glaubwürdig als auch werthaltig ist. Eine idealtypische Vorgehensweise könnte damit beginnen, zunächst Erfolg versprechende Positionierungsbranchen zu bestimmen. Diese ergeben sich meist intuitiv aus der Kenntnis der Konzernstruktur; daneben ist aber auch ein analytisches Vorgehen unter Rückgriff auf die Häufigkeitsverteilung der Branchenzuordnung der einzelnen Teileinheiten möglich. Auf dieser Grundlage lassen sich alternative Teileinheitencluster bilden. Dazu werden die bereits erfassten Konzernteileinheiten den vorher bestimmten Positionierungsbranchen zugeordnet. Auf diese Weise entstehen zunächst einmal alternative Konfigurationen, die aufgrund der unterschiedlichen angestrebten Positionierungen auch unterschiedliche Cluster homogener Teileinheiten aufweisen. 333
334 335
So positionierte sich Balda als Hersteller von Kunststoffteilen mit der Herstellung von Mobiltelefongehäusen als Lieferant für die Telekommunikationsindustrie oder die Deutsche Post als „Erfüllungsgehilfe„ und direkter Profiteur einer positiven Entwicklung des E-Commerce Marktes. Vgl. Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 131. Vgl. hierzu insbesondere Abb. III-15, S. 241, in Unterkapitel III.1.3 dieser Arbeit. Als Meßgröße kann auch hier der Herfindahl-Index verwendet werden. Zur Berechnung vgl. die Erläuterung in Fn. 133, S. 259.
Branchenattraktivität A B
C
D
E
Teileinheiten
Abb. III-36:
309
Branchenattraktivität
III.3 Optionen zur Positionierung von Konzernen
A B
C
D
E
Teileinheiten
Alternative Cluster von Teileinheiten
Abb. III-36 zeigt exemplarisch zwei unterschiedliche Clusterungsalternativen eines Konzernportfolios. Im linken Beispiel kann mit zwei Teileinheiten eine Schwerpunktpositionierung in einer durchschnittlich attraktiven Branche erfolgen. Rechts ist lediglich eine Auswahlpositionierung möglich, dafür aber in einer hoch attraktiven Branche. (c) Optimierung der Positionierungsalternativen: Nachdem Positionierungsalternativen generiert wurden, kann eine Optimierung dieser Alternativen mit dem Ziel erfolgen, den Anteil der unter das jeweils gewählte Ordnungskriterium subsumierten Konzernteileinheiten zu maximieren. Hierzu stehen der Konzernleitung mit Ausgliedern, Umdeuten, Verstecken und Ignorieren vier Ansätze zur Verfügung, die im Grunde an der Branchenzuordnung einzelner Teileinheiten oder der Gesamtstruktur des Konzerns ansetzen: Ein erster Weg besteht im Ausgliedern der Teileinheiten, die nicht in die angestrebte Gesamtpositionierung des Konzerns passen. Dadurch ergibt sich für diese die Möglichkeit einer anderen und eigenständigen Branchenpositionierung, die ihre Wertpotenziale besser sichtbar macht. Für den Konzern selbst erhöht das den Anteil der Teileinheiten am Gesamtkonzern, die sich unter die gewählte Positionierung subsumieren lassen. Ist die fokale Teileinheit weiterhin von Bedeutung für den Konzern, dann bietet sich eine solche Möglichkeit nur dann an, wenn sie positionierbare Nutzenpotenziale aufweist und somit durch einen Equity Carve-Out am Kapitalmarkt ein angemessener Preis zu erzielen ist. Ist sie für den Konzern nicht mehr von Bedeutung, dann lässt sich auch der Verkauf an ein anderes Unternehmen in Betracht ziehen. Eine zweite Möglichkeit besteht im Umdeuten der Teileinheiten, die nicht der angestrebten Positionierung entsprechen. Sie basiert darauf, dass für einige Teileinheiten neben ihren Pri-
310
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
märbranchen ggf. auch alternative Positionierungen denkbar sind. Im Idealfall können solche Teileinheiten dem Cluster der angestrebten Positionierungsbranche hinzugerechnet werden. Für die Teileinheit ergibt sich daraus die Chance, an einer Positionierung zu partizipieren, die für den Investor mit größeren Nutzenpotenzialen verbunden ist. Für den Gesamtkonzern steigt damit der Anteil der Konzernteileinheiten, die der angestrebten Positionierung entsprechen. Eine andere Form des Umdeutens besteht darin, dass man die primäre Branchenzuordnung einer Teileinheiten neutralisiert und sie daher im Konzernportfolio nicht mehr als Fremdkörper wirkt. Kleine Teileinheiten in Zukunftsbranchen, die nicht mit dem bisherigen Hauptgeschäft harmonieren, können beispielsweise unter eine Teileinheit subsumiert werden, die als Venture Capitalist fungiert. Ein drittes Mittel liegt im Verstecken einer Teileinheit, wenn sie für den Konzern zwar von Bedeutung ist, aber nicht in die angestrebte Positionierung passt und sich auch weder umdeuten noch ausgliedern lässt. In einem solchen Fall kann versucht werden, sie gezielt „unter den Tisch fallen zu lassen“, um die Einheitlichkeit der Konzernpositionierung nicht zu gefährden. So wäre es z.B. denkbar, sie als Funktionsbereich einer positionierbaren Teileinheit zu behandeln.
Charakteristika
Dominante Branche
A
A
B
B
A
B
C DE…
Dominante Positionierungsoptionen
A
B
C
D
E
…
Branchen
Abb. III-37:
Entscheidung zwischen Branchen- und Meta-Positionierung
Besteht keine dieser Möglichkeiten, weil eine Teileinheit weder sinnvoll veräußert werden noch umgedeutet oder versteckt werden kann, dann bleibt letztlich nur das Ignorieren dieser Problematik bzw. das Akzeptieren der dadurch entstehenden Heterogenität der Positionierung. Gegebenenfalls scheidet dann eine Gesamtpositionierung aus und es muss, je nach Bedeutung
III.3 Optionen zur Positionierung von Konzernen
311
der nicht in die gewählte Branchenpositionierung integrierbaren Teileinheiten, auf eine Schwerpunkt- oder Auswahlpositionierung ausgewichen werden. Ist die verbleibende Heterogenität so stark ausgeprägt, dass ein Schwerpunkt nicht mehr glaubhaft vermittelt werden kann, dann ist eine Branchenpositionierung kaum noch möglich, auf keinen Fall aber mehr sinnvoll. In diesem Fall besteht aber nach wie vor die Möglichkeit einer Metapositionierung in quasi-strategischen Gruppen. Abb. III-37 zeigt exemplarisch einen solchen Fall, wo im rechten Beispiel eine dominante Branchenpositionierung ausgeschlossen ist, sich aber genügend homogene generische Positionierungselemente finden, um den Konzern branchenunabhängig einheitlich zu positionieren. (d) Grundlegende Positionierungsentscheidung: Nach der Optimierung der Positionierungsalternativen können diese bewertet werden. Dadurch wird es möglich, eine geeignete Alternative zu wählen und daraus eine konkrete Konzernpositionierung zu entwickeln. Grundsätzlich ist die Positionierung auszuwählen, mit der sich (voraussichtlich) die höchste Börsenkapitalisierung erreichen lässt.336 Die Werthaltigkeit einer Positionierung entspricht theoretisch dem Barwert der jeweils darunter subsumierbaren Konzernteileinheiten und wird mithin durch deren Gewinn, Gewinnwachstum und Kapitalkostensatz determiniert. Sie kann als Produkt aus dem KGV der Positionierungsbranche und dem Gewinn der jeweils unter die Positionierung subsumierten Konzernteileinheiten approximiert werden. Diese Herangehensweise berücksichtigt implizit die Sichtweise des Kapitalmarktes. Im Allgemeinen besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dieses Ziel zu erreichen, wenn die folgenden beiden Bedingungskomplexe erfüllt sind: Zum einen muss die gewählte Positionierung für den Investor mit einem hohen Maß an Nutzenpotenzialen verbunden sein. Dies bedeutet, dass die gewählte Positionierungsbranche für den Investor eine hohe Marktattraktivität aufweisen und der Konzern in dieser Branche eine gute relative Wettbewerbsposition besetzen muss. Attraktive Branchen sind nicht notwendigerweise klassische Wachstumsbranchen. Diese werden in Zeiten eines negativen AnlegerSentiments sogar schlechter Bewertet als so genannte reife Branchen mit gleichmäßigen Erträgen. Im Sinne einer Kapitalmarktpositionierung zeichnen sich attraktive Branchen durch ein hohes Branchen-KGV aus. Gelingt es dem Konzern, sich erfolgreich in einer Branche mit einem höheren KGV zu positionieren, dann steigt tendenziell sein Börsenwert. Darüber hin-
336
Diese apodiktische Aussage lässt sich mit der in Kapitel I.4 hergeleiteten und begründeten Orientierung einer Positionierungsstrategie am Börsenkurs rechtfertigen. Sie soll die Nutzenpotenziale des Investors so herausstellen, dass er bereit ist, den höchstmöglichen Preis für die Aktie zu zahlen, was dann in einem hohen Börsenkurs resultiert.
312
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
aus stellt sich die Frage, ob er in dieser Branche wettbewerbsfähig ist und die Investoren ihm zutrauen, sich relativ zu seiner Peer-Group positiv zu entwickeln. Zum anderen muss die gewählte Positionierung überzeugend kommunizierbar sein. Das schließt ein, dass sie glaubhaft als Kernelement der Konzernwertschöpfung dargestellt werden kann und dass die unter diese Positionierung subsumierten Teileinheiten eine hohe Homogenität bzgl. ihrer generischen Positionierungselemente aufweisen (vgl. Kapitel III.1). Eine Darstellung als Kernelement der Konzernwertschöpfung kann nur dann glaubhaft erfolgen, wenn entweder ein hoher Prozentsatz der gegenwärtigen oder der zukünftigen Wertschöpfung unter die Positionierung fällt. Im zweiten Fall sind die Entwicklungsaussichten der enthaltenen Teileinheiten zu kommunizieren. Zur Bestimmung der optimalen Positionierung, können die verfügbaren Alternativen mit ihren Clustern jeweils in einer zweidimensionalen Matrix mit den Dimensionen Branchenattraktivität und relative Wettbewerbsstärke dargestellt werden.337 Die Größe der Cluster bezeichnet dabei ihre Bedeutung im Gesamtportfolio, bpsw. gemessen an ihrem Anteil an der Konzernwertschöpfung. B. Schwerpunktpositionierung
Relative Wettbewerbsstärke
Abb. III-38:
C. Auswahlpositionierung
Branchenattraktivität
Branchenattraktivität
Branchenattraktivität
A. Einheitspositionierung
Relative Wettbewerbsstärke
Relative Wettbewerbsstärke
Beispiele für alternative Positionierungsentscheidungen
Abb. III-38 stellt exemplarisch drei alternative Clusterungen eines Konzernportfolios dar. In Alternative A sind annähernd alle Teileinheiten unter eine Branchenpositionierung subsumiert, diese ist allerdings nur beschränkt attraktiv und das Unternehmen verfügt dort auch nur über eine unterdurchschnittliche Wettbewerbsstärke. In Alternative B sind nicht alle, aber nach wie vor eine Mehrheit aller Teileinheiten unter die Positionierung subsumierbar, dafür
337
Zu diesem von GE entwickelten „Marktattraktivität-Wettbewerbsvorteil-Portfolio“ vgl. Kotler/Bliemel (1999), S. 60ff., sowie Nischlag/Dichtl/Hörschgen (1991), S. 879ff.
III.3 Optionen zur Positionierung von Konzernen
313
ist diese aber geringfügig vorteilhafter als A. In Alternative C schließlich existiert kein dominanter Cluster, dafür ist aber die Positionierung über den Cluster oben rechts ausgesprochen attraktiv und könnte sogar glaubwürdig wirken, wenn der Konzern diesen Bereich tatsächlich als Zukunftsgeschäft betreibt. Wenn die Möglichkeit besteht, den Konzern in einer attraktiven Branche zu positionieren, dann ist dies grundsätzlich auch anzustreben. Schwierige Entscheidungen können allerdings vor allem aus zwei Konstellationen resultieren: Der erste Fall liegt dann vor, wenn der auf die betrachtete Branche bezogene Anteil des Konzerns relativ klein ist, der größere Teil aber in einer weniger attraktiven Branche verortet ist. Bei einer solchen Konstellation kann es aus Gründen der Glaubwürdigkeit, aber auch der Börsenbewertung, vorteilhaft sein, dass die Positionierung in der weniger attraktiven Schwerpunktbranche erfolgt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine zeitnahe Verlagerung des Konzernschwerpunkts nicht glaubwürdig kommuniziert werden kann.338 Der zweite Fall tritt dann ein, wenn der Konzernleitung eine branchenübergreifende Fähigkeit zum Generieren und Führen werthaltiger Geschäfte attribuiert wird und dies als zentrale Eigenschaft des Konzerns gilt. In diesem Fall, der im Grunde impliziert, dass die wertrelevanten Kernkompetenzen nicht auf Teileinheitsebene sondern in der Konzernzentrale angesiedelt sind, würde eine Fokussierung auf eine Branche das eigentliche Nutzenpotenzial für den Investor verdecken und wäre vor dem Hintergrund der real gelebten Strategie auch nicht sinnvoll.339 Wurde die Entscheidung zugunsten einer Positionierung getroffen, muss diese auf die Homogenität der generischen Positionierungsoptionen ihrer Teileinheiten überprüft werden. Bei
338
339
Wenn in einem solchen Fall die strategischen Interessen zwischen der Konzernleitung und den betrachteten Teileinheiten stark differieren und der Konzern nicht mehr die beste Positionierung besitzt, um den höchstmöglichen Wert des Unternehmensbereiches zu realisieren, ist eine Einzelpositionierung dieses Unternehmensbereiches in Betracht zu ziehen. Vgl. Anslinger/Klepper/Subramaniam (1999), S. 25. Das führt im Sinne einer „Iterationsschleife“ zurück zu der in Unterkapitel III.3.2 eingeführten wertorientierten Konzernstrukturierung. So hat die Mannesmann AG 1998 eine Auswahlpositionierung mit ihrem damals noch relativ kleinen Telekommunationssegment angestrebt, was durch eine starke Fokussierung der Investitionstätigkeit auf diesen Bereich, Pläne zur Desinvestition der anderen Bereiche und schließlich durch das Übernahmeangebot von Vodafone auch glaubwürdig war und zu rasanten Kursanstiegen führte. Im Gegensatz dazu entschied der Vorstand der durch Fusion entstandenen EON AG im Jahr 2000, sich von seiner Mobilfunksparte zu trennen und auf die Kernkompetenzen als Energieversorger zu konzentrieren. Im Fall von GE galt der CEO Jack Welch als Garant für die Werthaltigkeit der durch den Konzern betriebenen Geschäfte. Die Positionierung in einer bestimmten Branche hätte es verhindert, dass dieses Wertpotenzial auf andere Konzernbereiche übertragen werden konnte. Einer ähnlichen Situation sehen sich Investmentgesellschaften wie Apex Partners gegenüber. Auch hier steht nicht eine bestimmte Branche im Vordergrund, selbst wenn diese ein Großteil des Portfolios ausmachen würde, sondern die Investitionsund Managementkompetenz der Unternehmensleitung.
314
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
Branchenpositionierungen gestaltet sich dies in der Regel unproblematisch (vgl. hierzu im Detail die Ausführungen zur Ausgestaltung der Konzernpositionierung). Sollten an dieser Stelle Konflikte auftreten, dann kann es evtl. sinnvoll sein im Sinne einer „Iterationsschleife“ die Konzernstruktur nochmals zu überdenken. (2)
Grundformen und Ausgestaltung einer Konzernpositionierung
Bei den Grundformen einer Konzernpositionierung handelt es sich wie bereits oben eingeführt um Branchenpositionierung und Metapositionierung. Beide erfordern eine spezifische Ausgestaltung, die einerseits einer generellen Gesetzmäßigkeit folgt und darüber hinaus weitgehend frei gestaltet werden kann, wobei die in Abschnitt III.1.3 (2), S. 235ff. oben eingeführten generischen Positionierungsoptionen für Teileinheiten gewissermaßen als Toolbox fungieren. Im Folgenden werden zunächst die Grundlagen einer Ausgestaltung der Konzernpositionierung allgemein dargestellt (a), bevor in Bezug auf Branchenpositionierung (b) und Metapositionierung (c) differenzierter argumentiert wird. (a) Grundlagen der Ausgestaltung einer Konzernpositionierung: Zunächst lässt sich ein allgemeiner tendenzieller Zusammenhang zwischen der Fokussierung des Konzerns und den relevanten Positionierungselementen konstatieren (vgl. Abb. III-39). Mit abnehmender Branchenfokussierung verschieben sich die zu vermittelnden Nutzenpotenziale von der Marktschnittstelle des Konzerns zu seiner Zentrale und werden dabei zwangsläufig abstrakter. Positionierung
Branchenpotenzial (Extern, MVB)
Wertquelle Wertgenerator
Teileinheiten (Peripherie) Konkret (inhaltlich)
Wertgröße Relevante Eigenschaft
Abb. III-39:
Branchenpositionierung
Vermittelbarkeit
Metapositionierung Fähigkeitenbasis (Intern, RBV) Konzernleitung (Zentrale) Abstrakt (monetär) Historizität
Ausgestaltungstendenzen der Positionierungsformen
Im Falle einer Branchenpositionierung liegt die Wertquelle primär im Branchenpotenzial und als Wertgenerator fungieren die Teileinheiten mit ihren branchenspezifischen Fähigkeiten. Die Wertgröße, welche dem Investor vermittelt werden muss, kann aufgrund der Branchenfokussierung inhaltlicher Natur und sehr konkret sein. Daher ist für die Positionierbarkeit die Vermittelbarkeit der Nutzenpotenziale von hoher Bedeutung. Anders verhält es sich bei einer Metapositionierung: Hier liegt die Wertquelle primär in der internen Fähigkeitenbasis und als Wertgenerator fungiert die Konzernleitung. Die dem Investor vermittelten Wertgrößen müssen abstrakter, da übergreifend, sein und sind daher tendenziell monetärer Natur. Für die Positionierbarkeit ist daher die Historizität der Teileinheiten von Bedeutung.
III.3 Optionen zur Positionierung von Konzernen
315
Die konkrete Entwicklung einer Positionierungsaussage erfolgt anhand der generischen Positionierungsoptionen für Teileinheiten. Sie weisen je nach Investor-Sentiment unterschiedliche Eignungen für eine Positionierung auf und lassen sich dementsprechend nicht notwendigerweise problemlos kombinieren. Abb. III-40 fasst die generischen Positionierungsoptionen K1 bis K6 noch einmal in einer Übersicht zusammen. Dabei wird deutlich, dass im Falle eines positiven Investor-Sentiments, welches die Positionierung über Werttreiber fordert, alle Konfigurationen problemlos positionierbar sind, die eine hohe Vermittelbarkeit aufweisen (K1, K3 und K5). Allerdings können die Wertpotenziale bei K1 und K5 gegebenenfalls geringer ausfallen, da sie unter Umständen nur eine geringe Wachstumsdynamik aufweisen. Konfigurationen, die sich durch eine geringe Vermittelbarkeit auszeichnen (K2, K4 und K6), sind unmittelbar kaum erfolgreich zu positionieren. Allerdings bietet sich fallweise die Möglichkeit, die Vermittlung der Wertpotenziale solcher Teileinheiten durch die Reputation der Zentrale oder durch eine enge Interaktion mit einem geschlossenen Investorenkreis zu ersetzen. Bei einem sehr positivem Investor-Sentiment kann zudem die Branche als exogener Werttreiber die mangelnde Vermittelbarkeit endogener Werttreiber kaschieren. Transformations- Nutzenpotenziale der Teileinheiten Sentiment Fokus Positionierbarkeit Unmittelbar
K1
Werttreiber
Mittelbar
K3
9
K5
K6
9 9
9 9
über Zentrale über Interaktionspotenziale
K4
9
9 über Branche
Positiv
K2
9
9
9
9
Überhaupt nicht Unmittelbar
Negativ
Wertschöpfung
9 über Branche
Mittelbar
über Zentrale
Nullinger! Ebbäh! Positioniernix!!
Abb. III-40:
9
9
über Interaktionspotenziale
9
Kombinationsmöglichkeiten generischer Positionierungen
Im Falle eines negativen Investor-Sentiments, welches die Positionierung mit Wertschöpfung fordert, lassen sich die Teileinheiten problemlos positionieren, die eine hohe Historizität aufweisen (K1, K2 und K6). In dieser Phase stellt die Branche als exogener Werttreiber keine Alternative dar, K3 und K5 lassen sich aber ggf. über die Konzernleitung positionieren, falls diese in Bezug auf finanzielle Erfolge eine gewisse Historie aufweist. Für K4 bietet sich in dieser Situation keine echte Positionierungsmöglichkeit.
316
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
(b) Branchenpositionierung: Eine Branchenpositionierung kann in abnehmender Fokussierung als Einheits-, Schwerpunkt- und Auswahlpositionierung erfolgen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Teileinheiten, die tatsächlich zu einer attraktiven Branche gehören, auch erfolgreich unter eine entsprechende Branchenpositionierung subsumiert werden können. Auch die Frage der Homogenität generischer Positionierungen der Teileinheiten erscheint relativ unkritisch. Grundsätzlich ist nämlich davon auszugehen, dass Teileinheiten, die sich überzeugend in einer Branche positionieren lassen, weitestgehend auch über einheitliche generische Positionierungsoptionen verfügen. Es können jedoch drei Fälle auftreten, die eine besondere Aufmerksamkeit bei der Entwicklung einer übergreifenden Positionierung erfordern: Zum ersten ist es denkbar, dass einzelne Teileinheiten nicht vollständig in das Branchenprofil passen, weil sie nur aufgrund ihrer Alternativpositionierung zu dem fokalen Cluster gezählt werden: Bei einem positiven Investor-Sentiment, gestaltet sich ein solcher Fall über alle Konfigurationen hinweg weitgehend unproblematisch. Teileinheiten mit einer hohen Vermittelbarkeit ihrer Werttreiber (K1, K3 und K5) lassen sich unmittelbar, K2, K4 und K6 über die Branche als dominanten exogenen Werttreiber relativ problemlos positionieren. Etwas problematischer wird es bei einem negativen Investor-Sentiment. In diesem Fall lassen sich K1, K2 und K6 aufgrund ihrer hohen Historizität einfach positionieren, die Nutzenpotenziale von K3 und K5 können aber nur indirekt über eine Erfolgshistorie der Konzernleitung vermittelt werden. Existiert eine solche nicht, können sie nur ausgegliedert oder versteckt werden. K4 lässt sich in diesem Szenario überhaupt nicht erfolgreich positionieren (vgl. Abb. III-40, S. 315). Zum zweiten ist es möglich, dass die gewählte Positionierungsbranche nicht ausreichend attraktiv ist (Verortung des Konzerns im Südosten der Matrix, vgl. Abb. III-38, S. 312). In diesem Fall sind drei grundsätzliche Reaktionsmöglichkeiten denkbar: Handelt es sich erstens um einen diversifizierten Konzern, kann eine andere Branche in den Vordergrund gestellt werden. Bei sorgfältiger Entwicklung der Branchenpositionierung dürfte ein solcher Fall zwar nicht auftreten, es kann jedoch vorkommen, dass eine historisch bestehende Positionierungsbranche mit der Zeit an Attraktivität eingebüßt hat und nun der Zeitpunkt gekommen ist, über eine Repositionierung und Umstrukturierung des Konzerns nachzudenken. Besteht zweitens bei einem fokussierten Konzern keine Möglichkeit einer eigenen Repositionierung, kann der Konzern sich mit seiner Positionierung an eine andere, attraktivere Branche „andocken“. Beispiele sind der Plastikhersteller Balda in Bezug auf Nokia oder die Deutsche Post in Bezug auf Electronic Commerce.340 Schließlich bietet sich drittens auch die Möglichkeit einer voll-
340
Vgl. die genannten Beispiele in Abschnitt (1) Punkt (b) oben.
III.3 Optionen zur Positionierung von Konzernen
317
ständigen Loslösung von Branchenzuordnungen. Ein solches Vorgehen ist um so einfacher zu kommunizieren, je diversifizierter der Konzern tatsächlich ist. Dabei kann der Fokus auf endogene Werttreiber, Wertschöpfung oder auch besonders ausgeprägte Interaktionspotenziale gelegt werden. Diese Alternative stellt einen Schritt in Richtung Metapositionierung dar (vgl. unten Punkt c). Verfügt der Konzern zum dritten in der gewählten Positionierungsbranche nur über eine relativ geringe Wettbewerbsstärke (Verortung des Konzerns im Nordwesten der Matrix, vgl. Abb. III-38, S. 312), dann bestehen zwei grundsätzliche Handlungsoptionen: Zum einen besteht die Möglichkeit des „Andockens“ an Wettbewerber, z.B. in Form von Kooperationen. So waren zu Zeiten des Neuen Marktes Meldungen über Kooperationen mit „etablierten“ Unternehmen Garantien für Kurssprünge. Zum zweiten besteht die zumindest theoretische Möglichkeit die attraktive Branchenpositionierung massiv in den Vordergrund zu stellen und auf diese Weise von der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit abzulenken. (c) Metapositionierung: Eine Metapositionierung kann sich in den drei bereits genannten Fällen anbieten – wenn eine Branchenpositionierung nur in einer unattraktiven Branche möglich ist, wenn sie mangels Fokussierung überhaupt nicht möglich ist oder wenn die branchenneutralen Kompetenzen der Konzernzentrale höher einzuschätzen sind als ein möglicher fokussierter Branchennutzen. In allen drei Fällen kann eine Metapositionierung den wahrnehmbaren Investorennutzen steigern, indem sie spezifische branchenunabhängige Eigenschaften des Konzerns in den Vordergrund stellt. Dies können die besonderen Fähigkeiten der Zentrale oder abstrakte Eigenschaften des Gesamtkonzerns im Sinne einer quasi-strategischen Gruppe sein. So könnte sich ein lateral diversifizierter Konzern über seine Wachstumscharakteristik, sein Rendite/Risiko-Profil oder eine bestimmte antizyklische Einkommenscharakteristik positionieren. Eine solche Positionierung wird nicht zwangsläufig in Mitleidenschaft gezogen, wenn die Beliebtheit einer Branche abnimmt. Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass auch diese abstrakten Faktoren Beliebtheitsschwankungen unterliegen. Der Vorteil liegt jedoch darin, dass solche Metapositionierungen in quasi-strategischen Gruppen naturgemäß niedrigere Wechselbarrieren aufweisen als dies bei reinen Branchenpositionierungen der Fall ist. In einer Hinsicht ist jedoch auch eine abstrakte Metapositionierung nicht unproblematisch: Sie basiert in höherem Maße auf den abstrakten generischen Positionierungsoptionen der Teileinheiten als dies bei Branchenpositionierungen der Fall ist. Auch hier ist es denkbar, dass verschiedene Konzernteileinheiten nicht in die gewählte Metapositionierung passen: Bei einem positiven Investor-Sentiment, gestaltet sich ein solcher Fall problematisch. Teileinheiten mit einer hohen Vermittelbarkeit ihrer Werttreiber (K1, K3 und K5) lassen sich unmittelbar positionieren, eine Positionierung von K2, K4 und K6 über die Branche entfällt hier aber in Er-
318
Teil III: Die Entwicklung von Positionierungsoptionen für Konzerne
mangelung einer Branchenpositionierung. Alternativ wäre es denkbar, Teileinheiten mit dieser Konfiguration über die Reputation der Zentrale zu positionieren. Das ist aber nur dann Erfolg versprechend, wenn diese eine lange Historie erfolgreicher Unternehmensführung vorweisen kann. Im Fall eines negativen Investor-Sentiments lassen sich K1, K2 und K6 aufgrund ihrer hohen Historizität einfach positionieren, die Nutzenpotenziale von K3 und K5 können aber auch hier nur indirekt über eine Erfolgshistorie der Konzernleitung vermittelt werden. Existiert eine solche nicht, können sie nur ausgegliedert oder versteckt werden. K4 lässt sich in diesem Szenario überhaupt nicht erfolgreich positionieren (vgl. Abb. III-40, S. 315). Es bleibt festzuhalten, dass eine Metapositionierung in einigen Fällen einer Branchenpositionierung vorgezogen werden kann. In der Regel ist der Erfolg einer solche Vorgehensweise aber in hohem Maße von Fähigkeiten und Reputation der Konzernleitung als intellektueller Kernressource des Unternehmens abhängig.
Aktionärsorientierte Unternehmensführung
319
SCHLUSSBETRACHTUNG Zum Schluss werden noch einmal die zentralen Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst (1). Im Anschluss erfolgt ein kurzer Ausblick auf mögliche Ansätze weiterführender Forschungsbemühungen (2). (1)
Zusammenfassung zentraler Ergebnisse
In der Einführung wurde herausgearbeitet, dass die Orientierung am Aktionär eine legitime Zielsetzung darstellt, die darüber hinaus für den Manager von grundsätzlichem Interesse ist. Vor diesem Hintergrund wurde zusätzlicher Forschungsbedarf in Form eines wettbewerbsstrategischen Ansatzes identifiziert und eine dreiteilige Vorgehensweise definiert, an der sich auch diese Zusammenfassung orientiert. In Teil I („Perspektiven eines kapitalmarktspezifischen Strategieverständnisses“) wurde zunächst der Wettbewerb um Eigenkapital als Betrachtungsobjekt thematisiert: In diesem Zusammenhang wurden die Aktienbörse als strategisches Spielfeld sowie die Financial Community als handelnde Akteure dargestellt (I.1). Im Anschluss wurde der Begriff des „Strategischen“ als Betrachtungsmethode thematisiert: Positionierungen im Kontext von Wettbewerbsstrategien wurden definiert als „zielgruppenspezifische Festlegung der nachfragerelevanten Nutzenversprechungen der eigenen Leistungen“ (I.2). Auf dieser Basis wurde zunächst – in methodischer Anlehnung an die Branchenanalyse von Porter – ein konzeptioneller Rahmen zur strategischen Analyse des Wettbewerbs um Eigenkapital vorgestellt, welcher das fokale Unternehmen mit seinen Investitionsprojekten, Investoren und Wettbewerbern, sowie das relevante Umfeld umfasste (I.3). Schließlich wurde festgestellt, dass die strategischen Positionierungsoptionen eines Unternehmens an der Börse von drei korrespondierenden Konstrukten determiniert werden. Dabei handelt es sich um den Gestaltungsrahmen der Aktie, bestehend aus Vermögensrechten, Verwaltungsrechten und Transaktionsfähigkeit, die Nutzenpotenziale des Investors als Transformations-, Interaktions- und Transaktionspotenziale, sowie die Handlungsfelder des Unternehmens in Form von Führung, Steuerung und Formatierung (I.4). In Teil II, der an die dargestellten Gestaltungsvariablen anknüpfte, erfolgte eine Untersuchung der mit einer Aktieninvestition für den Investor verbundenen Nutzenpotenziale und der jeweils korrespondierenden Handlungsfelder des Unternehmens. Das geschah differenziert in die drei Ebenen Transformationspotenziale und Führung (II.1), Interaktionspotenziale und Steuerung (II.2), sowie Transaktionspotenziale und Formatierung (III.3). Auf einer ersten Ebene wurden Transformationspotenziale in ihrer finanziellen und ideelen Form identifiziert
320
Schlussbetrachtung
und aufgezeigt, auf welche Weise das Management diese durch Ausgestaltung der Führungsebene generieren kann. Als primäre Mittel zur Schaffung von Transformationspotenzialen wurden Wertschöpfung und Werttreiber identifiziert (II.1). Im Anschluss wurden auf einer zweiten Ebene die Interaktionspotenziale als Informations- und Einflusspotenziale dargestellt und die Möglichkeiten ihrer Generierung durch einen proaktiven und einen strukturellsystematischen Handlungsansatz auf der Steuerungsebene beleuchtet (II.2). Schließlich wurde die Reduktion von Transaktionskosten und –risiken als Ausprägung von Transaktionspotenzialen hergeleitet und die Möglichkeiten ihrer Beeinflussung durch die Ausgestaltung der Formatierungsebene in Form von Gestaltung und Platzierung dargestellt. In Teil III wurden dann diese Nutzenpotenziale aufgegriffen und davon ausgehend generische Positionierungen für unterschiedliche Rahmenbedingungen hergeleitet (III.1). Dazu wurden zunächst grundlegende Investorencharakteristika identifiziert, mit deren Hilfe aus der Menge allgemeiner Nutzenpotenziale die situativ relevanten Nutzenpräferenzen der Investoren gefiltert werden können. Gleichermaßen wurden die Unternehmenscharakteristika bestimmt, die in Verbindung mit den allgemeinen Handlungsfeldern des Unternehmens zur Bestimmung der situativen Handlungsoptionen dienen. Aus der Kombination von Nutzenpräferenzen und Handlungsoptionen resultierten dann generische Positionierungsoptionen für Teileinheiten. Im Anschluss wurden spezifische Implikationen von Konzernstrukturen für eine Positionierung betrachtet (III.2). In diesem Zusammenhang wurde insbesondere die Wertrelevanz von Konzernstrukturen untersucht. Dabei wurden finanzund leistungswirtschaftliche Synergie- und Autonomieeffekte als Ursachen eines Mehrwertpotenzials, sowie Bewertungs- und Opportunitätskosteneffekte als Ursache für Wertminderungen durch Konzernstrukturen identifiziert. Auf dieser Basis konnten dann grundlegende Positionierungsoptionen für Konzerne entwickelt werden (III.3). Dazu wurden zunächst Strukturoptionen als konzernspezifische Handlungsfelder herausgearbeitet und das Konzept der PartialExposition von Teileinheiten eingeführt. Davon ausgehend konnte eine Methodik zur wertorientierten Restrukturierung des Konzerns als Grundlage einer Konzernpositionierung entwickelt werden. Schließlich wurde eine Vorgehensweise zur Identifikation grundlegender Konzernpositionierungen erläutert und ihre Ausgestaltung als Branchen- und Metapositionierung dargestellt. (2)
Möglichkeiten weiterführender Forschungsbemühungen
Das vorgestellte Konzept ermöglicht sowohl für Teileinheiten als auch für den Konzern als Ganzes eine diskretionäre Herleitung von Positionierungen im Wettbewerb um Eigenkapital. Dabei greift es auf statisch definierte Nutzenpotenziale und Handlungsfelder zurück, deren situative Angemessenheit durch die Filterung anhand von ebenfalls statisch definierten Investo-
Schlussbetrachtung
321
ren- und Unternehmenscharakteristika „gewährleistet“ wird. Vor dem Hintergrund einer ausgesprochen dynamischen und kurzlebigen Investmentwelt wären Schritte in Richtung einer Dynamisierung des entwickelten Konzeptes vorstellbar. Ein möglicher Ansatz könnte in der Entwicklung eines dynamischen Simulationsmodells zur Bestimmung der Einflüsse verschiedener Maßnahmen des Managements auf den Börsenwert bestehen. Dadurch ließen sich die diskretionären Perioden der Herleitung situativ angemessener Positionierungen drastisch verkürzen, und es würde eine quasi-kontinuierliche Überprüfung der gewählten Positionierung und eventueller Alternativen ermöglicht. Auch die im Rahmen dieser Arbeit statisch definierten Nutzenpotenziale des Investors unterliegen einem Wandel, so dass sich die Entwicklung eines Modells zur Identifkation und zum Monitoring zeitgemäßer Nutzenpotenziale relevanter Investorenkreise anbieten würde. Auf diese Weise könnte sowohl einer Änderung der allgemeinen Präferenzen als auch der Investorenstruktur durch einen modifizierte Positionierungsansatz frühzeitig begegnet werden. Darüber hinaus wurde mit dieser Arbeit zwar thematisiert, wie die Positionierung eines börsennotierten Konzerns entwickelt werden kann, es wurde jedoch nicht untersucht, wie eine solche Entwicklung auf regelmäßiger Basis sichergestellt und organisatorisch verankert werden kann. Vor diesem Hintergrund würde sich die Entwicklung eines Management-Systems zur Sicherstellung einer kontinuierlichen Revision der adäquaten Ausrichtung auf den Börsenwert anbieten. Schließlich könnte auch die permanente Gültigkeit der Prämissen dieser Arbeit in Frage gestellt werden. Im Rahmen dieser Arbeit wurde zwar eine allgemeine Rechtfertigung für die Orientierung am Aktionär entwickelt. Es könnte aber je nach gesellschaftlichen Befindlichkeiten, begründet oder nicht, auch dagegen argumentiert werden. Vor diesem Hintergrund könnte es ein interessanter Ansatz sein, ein Modell zu entwickeln, welches gewissermassen als gesellschaftliches Werte-Barometer, die grundsätzliche Akzeptanz einer Aktionärsorientierung quantifiziert.
ANHANG
Anhang
325
5.000,00
Sonstige Forderungen Geldanlage in Wertpapieren Geldanlagen bei Versicherungen Geldanlagen bei Banken und Bausparkassen
4.000,00
3.000,00
2.000,00
1.000,00
0,00 1950
1955
1960
1965
1970
1975
1980
1985
1990
1995
Geldvermögen privater Haushalte in der BRD von 1950-1996 in Mrd. DM Quelle: in Anlehnung an Leven (Hrsg., 2001), S. 07.1-2
Abb. A-1:
6,49%
5,85%
6,06%
5,71%
1995
4,79%
1994
7,03%
5,24%
1991
6,10%
5,42%
1990
7,14%
6,62% 4,78%
5,22%
4,68%
1984
1982
1983
3,91%
3,80%
1981
5,70%
4,88%
5,00%
4,52%
1978
7,09%
6,05%
5,65%
1977
9,75%
8,20%
10,00%
6,77%
14,02%
10,45%
13,51%
11,20%
11,68%
15,00%
13,17%
16,92%
18,12%
13,70%
15,74%
24,26%
22,75%
22,59% 18,33%
16,37%
20,63%
19,65%
19,28%
20,00%
17,37%
26,48%
25,37%
25,00%
23,53%
30,00%
Abb. A-2:
Anteil der Aktie am Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland Quelle: in Anlehnung an Leven (Hrsg., 2001), S. 07.1-2
1996
1993
1992
1989
1988
1987
1986
1985
1980
1979
1976
1975
1974
1973
1972
1971
1970
1969
1968
1967
1966
1965
1964
1963
1962
1961
1960
1959
1958
1957
1956
1955
1954
1953
1952
1951
1950
0,00%
326
Anhang
Ansprüche aus Sonstige Forderungen Pensionsrückstellungen 1% 5% Bargeld und Sichteinlagen Publikumsaktienfonds 9% 4% Termingelder 7%
Aktien 11%
Spareinlagen 15%
Sonstige Beteiligungen 4%
Investmentzertifikate 11%
Sparbriefe 2%
Rentenwerte 10% Geldmarktpiere 0%
Abb. A-3:
Ansprüche gegenüber Versicherungen 21%
Geldvermögensstruktur privater Haushalte in Deutschland Ende 2000 Quelle: in Anlehnung an Leven (Hrsg., 2001), S. 07.1-4
500
677 587
600
412
700
661 677 682 686 669 657 638 628 644 643 636 631 627 614 597 589 580 550 533 505 496 479 471 469 465 459 458 459 456 450 442 449 451 467 474 465 486 501 519 521 522 523 527 521
800
347
400
300
200
100
1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
0
Abb. A-4:
Anzahl börsennotierter Aktiengesellschaften in Deutschland Quelle: in Anlehnung an Leven (Hrsg., 2001), S. 02-5
Anhang
327
USA
94%
Großbritannien
92%
88%
Schweiz
81%
Durchschnitt (gesamt)
Niederlande
78%
Durchschnitt (ohne USA)
70%
Japan
65%
Frankreich
65%
64%
Deutschland
Italien
56%
0%
Abb. A-5:
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
Geschätzter Free-Float in ausgewählten Industrieländern Quelle: Wetzel (2000), S. 18, u.R.a. MSCI 2000
Gliederung nach
Untergliederung
Marktsegment
Neuer Markt
Nemax All-Share
NASDAQ
NASDAQ 100
Länder
DAX, Dow Jones
Wirtschaftsgebiete
EuroSTOXX
Welt
MSCI World
Region
Branche
Beispiel
Biotech Telekommunikation
Style
Unternehmensgröße
Abb. A-6:
Wachstum
S&P, Barra Growth
Ertrag
FTSE 350 Value
Large Cap
STOXX Large 200
Mid Cap
S&P TSE Mid Cap
Small Cap
SDAX
Gliederungsarten verschiedener Index-Typen Quelle: in Anlehnung an Wetzel (2000), S. 25
90%
100%
328
Anhang
Finanzanalyste n
Institutione lle Anle ge r (Ausland)
Institutione lle Anle ge r (Inland)
Privatanle ge r
Mitarbe ite r
Journaliste n
0
unbedeutend
Abb. A-7:
1
2
3
4
5
sehr bedeutend
Empirisch herausragende Bedeutung professioneller und institutioneller Zielgruppen der Investor Relations Quelle: Rosen (1997e), S. 4
Literaturverzeichnis
329
LITERATURVERZEICHNIS
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