Nr. 275
Kundschafter im Kosmos Algonkin-Yatta - ein Fremder von Auoryc auf Atlans Spuren von H. G. Ewers
Das Große Im...
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Nr. 275
Kundschafter im Kosmos Algonkin-Yatta - ein Fremder von Auoryc auf Atlans Spuren von H. G. Ewers
Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen. Gegen diese inneren Feinde ist Kristallprinz Atlan, der rechtmäßige Thronerbe von Arkon, mit seinen rund 12.000 Helfern bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Seine geheime Zentrale, von der die meisten Aktionen gegen Orbanaschol ihren Anfang nehmen, ist Kraumon. Auch auf diesem abgelegenen Planeten ist inzwischen längst bekannt, daß es mit Orbanaschol nicht mehr zum Besten steht. Daher rechnet sich Atlan eine reelle Chance aus, den Usurpator zu stürzen. Um dieses Zieles willen hat Atlan ein Spiel mit höchstem Einsatz begonnen. Der Sieg in den Amnestie-KAYMUURTES soll ihm den Weg nach Arkon ebnen. Die Gefahren, die auf diesem Wege lauern, glaubt Atlan zu kennen – doch tatsächlich weiß der junge Arkonidenprinz noch längst nicht alles, was er wissen müßte. So ahnt er auch nichts von Algonkin-Yattas Existenz. Algonkin ist ein hilfreicher Fremder, ein KUNDSCHAFTER IM KOSMOS …
Kundschafter im Kosmos
3
Die Hautpersonen des Romans: Algonkin-Yatta - Ein Kosmischer Kundschafter. Anlytha - Die Begleiterin des Kundschafters. Scoopar - Ein Goltein-Heiler. Grek 1 - Kommandant des Urptra-Systems. Gotar von Andech, Assylia von Brogaaze und Khoruna Skapron - Gefangene der Maahks.
1. Algonkin-Yatta bewegte sich träge auf dem festen Polster, als seine Nase das Geruchssignal auffing. Jemand begehrte Einlaß in die kugelförmige Wohnzelle des Kundschafterschiffs, und da sich außer dem Kundschafter nur eine weitere Person an Bord befand, konnte es sich nur um Anlytha handeln. Algonkin-Yatta drückte auf den Signalsensor seines Kommando-Armbands und gleich darauf auf einen zweiten Sensor. Der erste bewirkte, daß der Zugang zur Wohnzelle sich öffnete, der zweite, daß die in der Zelle herrschende Schwerkraft von 3 auf 1,5 Gravos gesenkt wurde. Ein haarloser Kopf mit fliederfarbener Haut und einem kleinen weißen Federkamm schob sich durch die Öffnung; zwei weit auseinanderstehende schwarze Knopfaugen drehten sich flink in verschiedene Richtungen. Einen Moment später wurde der ganze, 1,33 Meter große, in eine enganliegende silberfarbene Raumkombination gehüllte Körper sichtbar. Anlytha bewegte sich so graziös, als besäße sie unsichtbare Flügel, die ihr halfen, einen Teil ihres Körpergewichts zu tragen. In der Nähe des Kosmischen Kundschafters setzte sie sich auf eine aus der Polsterung ragende buckelförmige Erhebung. »Was ist das, Algonkin?« fragte sie und deutete dabei mit einer fliederfarbenen Hand auf einen flachen mattsilbernen Kasten, aus dem Geräusche drangen. »Das ist ein Tonspulenrecorder«, erklärte Algonkin-Yatta. »Er macht die auf Spulen gespeicherte Musik eines Volkes für uns hörbar, das auf einem Planeten mit dem Na-
men Versico lebt.« »Schön!« sagte Anlytha inbrünstig, schloß die Augen und gab sich ganz dem Genuß der fremdartigen Musik hin. Algonkin-Yatta bewegte sich vorsichtig. Er brauchte stets einige Zeit, um sich an eine reduzierte Schwerkraft zu gewöhnen. Sein Volk lebte auf einem Planeten mit 4,52 Gravos Schwerkraft, vertrug aber infolge einer nur teilweisen Anpassung auf die Dauer 3 Gravos am besten. Nachdenklich beobachtete der Kundschafter seinen weiblichen Gast, der alles außer der Musik vergessen hatte. Er wußte nicht viel über Anlytha, denn sie hatte den größten Teil ihrer Erinnerungen bei einem Unfall verloren. Es war noch gar nicht lange her, als Algonkin-Yatta auf seinem von der Psiotronik ausgearbeiteten Kundschafterkurs zwischen den Sternen ein havariertes Kleinraumschiff entdeckt hatte. Er war nach dem Anpassungsmanöver übergestiegen und hatte als einziges Besatzungsmitglied ein humanoid geformtes Lebewesen weiblichen Geschlechts entdeckt. Das Lebewesen hockte bewußtlos vor den Kontrollen des Raumschiffs. Da Algonkin-Yatta erkannte, daß schnelle Hilfe notwendig war, verzichtete er darauf, das Wrack genau zu untersuchen. Er holte die Bewußtlose an Bord seines Raumschiffs. Mit Hilfe eines seiner Medosysteme gelang es ihm, sie wiederherzustellen und ihren Namen zu erfahren. Der Name war allerdings alles, was Anlytha über sich selbst wußte. Sie hatte weder sagen können, zu welchem Volk sie gehörte, noch was das Ziel ihrer gescheiterten Reise gewesen war. Ihr technisches Wissen war allerdings nicht verlorengegangen. So wußte sie beispielsweise noch alles über die Bedie-
4 nung von Raumschiffen. Anfangs hatte Algonkin-Yatta sich mit Anlytha nur über einen Translator verständigen können. Allerdings hatte sich Anlytha die Beherrschung des Mathona, der Sprache von Algonkin-Yattas Volk, erstaunlich rasch und ohne Hilfe von Hypnoseschulungen angeeignet. Wenn man von dem leicht singenden Tonfall und den immer wieder eingestreuten zwitschernden Lauten absah, so sprach sie derzeit fast wie eine Mathonerin. Algonkin-Yatta wandte seine Aufmerksamkeit von Anlytha ab und den kostbaren Sammlerstücken zu, die er in seiner Wohnzelle aufbewahrte. Von zusätzlichen Schwerefeldern in Nischen festgehalten und indirekt beleuchtet, lagen, hingen und standen hier Statuetten unterschiedlichster Lebewesen, Holowürfel, Gemälde, Videoplastikprojektoren, fremdartige Musikinstrumente, Werkzeuge aus Stahl, Plastik, Holz und Stein, ein voomianischer Zahnbohrer, ein vergoldetes Psawh-Geweih und alle möglichen und unmöglichen Utensilien. Der Kundschafter liebte alle diese »Kunstschätze« und freute sich schon darauf, seiner Sammlung weitere Stücke hinzuzufügen. Als Algonkin-Yattas Nase ein neues Geruchssignal auffing, richtete sich der Kundschafter ruckartig auf. Infolge der geringen Schwerkraft schnellte er rund zwei Meter empor. Während des Falls drehte er sich, streckte einen Arm aus und schaltete den Tonspulenrecorder ab. Anlytha schickte ihm einen befremdeten Blick. »Ich muß in die Zentrale«, erklärte der Kundschafter. »Die Sensoren haben etwas Außergewöhnliches aufgefangen. Du kannst mitkommen, wenn du willst, Anlytha.« Wortlos erhob sich Anlytha und folgte ihm. Die Zentrale war ein flacher Kappelraum im Mittelpunkt des ovalen Kundschafterschiffs. Hier befanden sich alle Kontrollen, die zur perfekten Beherrschung des Schiffes erforderlich waren. Vor allem gab
H. G. Ewers es hier die Direktschaltung zur Psiotronik, die in der Lage war, dem Kundschafter alle Arbeit abzunehmen. Algonkin-Yatta interessierte sich allerdings nur für die Anzeigen der vielfältigen Sensoren, die in Form von Bildern, Diagrammen, Lichtblitzen und farbigen Feldern berichteten, was in näherem und weiteren Umkreis des Kundschafterschiffs geschah. Geruchssignale dienten dazu, die Aufmerksamkeit des Kundschafters auf besonders auffällige Phänomene zu richten. In diesem speziellen Fall roch Algonkin-Yatta das Signal des Dimensionssensors. Das zuckende Licht der Kontrollampen spiegelte sich auf seiner blauschwarz schimmernden Haut, als er vor die Anzeige des Dimensionssensors trat und einige Schaltungen vornahm. »Eine Struktur-Störung?« erkundigte sich Anlytha und trat neben ihn. Sie reichte ihm mit dem Kopf gerade bis zur Schulter, aber der Federkamm wippte in Höhe seines eckigen Kinns. »Eine Diskontinuität der Zeitdimension«, erklärte Algonkin-Yatta sachlich. »Ich versuche, das Phänomen mit Hilfe der Psiotronik zu analysieren.« Er nahm einige Schaltungen vor. Auf der Kontrollwand der Psiotronik zuckten farbige Lichtpunkte, dann erschienen auf einem Schirm Schrift- und Zahlensymbole. »Etwas hat die Zeitdimension in unserer unmittelbaren Nähe gekrümmt«, sagte der Kundschafter, nachdem er die Schrift- und Zahlensymbole gelesen hatte. »Die Störung breitet sich wellenförmig aus, wobei sie sich abschwächt. Es handelt sich allerdings nur um eine sekundäre Erscheinung.« »Und was ist das Primäre, die Ursache?« fragte Anlytha und ließ einige Zwitscherlaute folgen. »Nicht eindeutig bestimmbar«, erwiderte Algonkin-Yatta nach einem weiteren Blick auf den Schirm der Psiotronik. »Es kann sich um ein natürliches Ereignis oder auch um ein willkürlich oder unwillkürlich herbeigeführtes handeln. Da die Ursache nicht
Kundschafter im Kosmos mehr existiert, werden wir wohl nie erfahren, worum es sich gehandelt hat. Interessant ist das Phänomen aber auf alle Fälle.« Die beiden Löcher seiner breiten Nase blähten sich, als er ein neues Geruchssignal wahrnahm. Sein glatter ovaler Schädel ruckte herum, und die stahlblau schimmernden Augen richteten sich auf die Schaltkonsole des Hyperfunkgeräts. Dort blinkte in kurzen Intervallen ein gelbes Licht auf. »Modulierte Impulse«, sagte der Kundschafter. Mit wenigen Schritten erreichte er das Hyperfunkgerät und schaltete es ein. Dadurch wurden die empfangenen Signale auch akustisch wahrnehmbar. Ein heller Zirpel klang durch die Zentrale. Mit einer weiteren Schaltung koppelte er den Empfangssektor des Hyperfunkgeräts mit der Psiotronik, die mit ihren Logikschaltkreisen hinter den Sinn der Funksignale zu kommen versuchte. Mit schwachem Klicken schaltete sich die Sprechanlage der Psiotronik ein. »Eingehender Text nicht entzifferbar«, berichtete sie. »Modulation und Wiederholungsintervalle lassen jedoch nach psionischer Auswertung den Schluß zu, daß es sich um einen Notruf handelt. Der Sender befindet sich in dem Raumsektor, von dem die Störung der Zeitdimension ausging. Dort kreisen sieben Planeten um eine große gelbe Sonne. Ausgangspunkt der Signale ist der vierte Planet.« Erneut ertönte ein Klicken, als die Sprechanlage der Psiotronik sich ausschaltete. Algonkin-Yatta drehte sich um und blickte auf Anlytha herab. »Ein Notruf«, sagte er bedächtig. »Das bedeutete, daß andere Lebewesen Hilfe brauchen. Folglich werden wir zum vierten Planeten der großen gelben Sonne fliegen und helfen, so gut wir können.«
* Als das Interdimensionstriebwerk sich
5 programmmäßig ausschaltete, löste sich das Kundschafterschiff von der Kraftfeldlinie, auf der es durch ein dimensional übergeordnetes Kontinuum geglitten war. Im Vergleich zum »normalen« RaumZeit-Kontinuum hatte es sich darauf mit vielfacher Lichtgeschwindigkeit bewegt und dadurch die Entfernung zum Zielsystem in kurzer Zeit überbrückt. Algonkin-Yatta übernahm das Schiff in Manuellsteuerung und drückte es auf die Ebene der Planetenbahnen hinab, denn der Rücksturz in den Normalraum war, um Kollisionsgefahren bei eventuellen Abweichungen auszuschließen, rund dreißig Lichtminuten »über« der Rotationsebene erfolgt. Die große gelbe Sonne leuchtete auf der Steuerbordseite. Ihr grelles Licht wurde durch die Bildschirmfilterung gemildert. Der vierte Planet war schräg unter dem Kundschafterschiff zu sehen. Ein Elektronenteleskop war auf ihn gerichtet. Das Bild, das es auf einen Schirm projizierte, zeigte blaue Meere, weiße Wolkenfelder und, teilweise von den Wolken verdeckt, die Konturen dreier großer Kontinente. »Eine typische Kleinwelt«, sagte Algonkin-Yatta. »Die Schwerkraft dürfte ziemlich gering sein. Allerdings gibt es auch auf solchen Planten Leben.« »Woher weißt du das?« fragte Anlytha. »Erfahrung«, gab der Kundschafter zurück. »Ich habe auf meinen Flügen schon viele unterschiedliche Planettypen kennengelernt, auf denen sich ebenfalls Leben entwickelt hat. Am günstigsten sind zwar die Bedingungen auf Großplaneten mit Hochdruckatmosphären, aber sogar mitten im Weltraum kann sich Leben entwickeln.« Er schaltete eine Verbindung zur Psiotronik und forderte eine Sensorauswertung an. Die Sensoren des Kundschafterschiffs hatten sich bislang noch nicht auf den vierten Planeten konzentriert, sondern, wie es im Standardprogramm vorgeschrieben war, das gesamte fremde Sonnensystem abgesucht. »Keine Raumschiffaktivitäten«, las Algonkin-Yatta vom Bildschirm der Psiotronik
6 ab. »Die Zeitdimension ist allerdings noch leicht verzerrt. Konzentrieren wir uns auf den vierten Planeten!« Er tippte eine entsprechende Anforderung in sein Befehlspult. Die Sensoren richteten sich auf den vierten Planeten aus, tasteten die Konturen seiner Oberfläche ab, suchten nach energetischen Aktivitäten sowie Massekonzentrationen von Metall und Metallplastik. Außerdem wurde der Planet vermessen, wurden die Zusammensetzung der Atmosphäre und die klimatischen Bedingungen bestimmt. Alle Ergebnisse liefen wieder durch die Psiotronik, die sie auswertete und für den Kundschafter spezifisch aufbereitete. »Ein Planet mit Niederdruckatmosphäre, ideal für gewisse Arten von Sauerstoffatmern«, erklärte Algonkin-Yatta, nachdem die ersten Auswertungen vorlagen. »Das Klima ist mäßig warm und feucht, so daß wir dort eine reichlich verwöhnte Fauna und Flora antreffen werden. An mehreren Stellen der Kontinente herrscht schwache energetische Aktivität. An einer Stelle ist sie sogar relativ hoch und wird zweifellos durch Kernverschmelzung erzeugt.« »Also ein Produkt intelligenter Lebewesen«, warf Anlytha ein. Algonkin-Yatta räusperte sich. »Ein Produkt von Lebewesen, die sich auf einer uns annähernd vergleichbaren Intelligenzstufe befinden«, korrigierte er. Anlytha sah ihn mit ihren dunklen, rätselhaften Augen nachdenklich an. »Du drückst dich gern ganz korrekt aus, wie, Algonkin?« Der Kundschafter verzog sein Gesicht zu einem breiten Lächeln. »Wir Mathoner unterscheiden nicht zwischen intelligenten und unintelligenten Lebewesen, Anlytha. Alles, was belebt ist, ist auch beseelt und intelligent. Aber da kommen die nächsten Ergebnisse. Seltsam, die Zeitdimension ist rings um den vierten Planeten instabil, fast brüchig. Es scheint, als hätten dort in gewissen Abständen immer wieder temporäre Phänomene stattgefunden. Ob die Stelle mit der starken energetischen
H. G. Ewers Aktivität wohl etwas damit zu tun hat?« »Hältst du es für möglich, daß jemand mit der Zeit experimentiert, Algonkin?« Der Kundschafter wiegte den Kopf. »Denkbar ist es. MYOTEX hält Manipulationen mit der Zeitdimension ebenfalls für möglich, wenn es uns auch keine verwertbaren Informationen darüber liefert, wie derartige Experimente durchgeführt werden. Es vertritt die Ansicht, daß das gefährliche Auswirkungen haben könnte.« »MYOTEX? Was ist MYOTEX? Offenbar weiß ich noch nicht viel über dich und dein Volk.« »Alles weiß nicht einmal ich«, gab Algonkin-Yatta zurück. Er machte jedoch keine Anstalten, Anlythas Frage zu beantworten. »Der Notruf geht immer noch ein. Er kommt von der Stelle mit der starken energetischen Aktivität. Wahrscheinlich handelt es sich um einen automatisch arbeitenden Sender. Ich werde landen und mich dort umsehen.« »Hast du keine Angst, daß uns dort unten Gefahren drohen könnten, Algonkin-Yatta?« »MYOTEX meint, für eine sinnvolle Beschäftigung darf man Gefahren eingehen«, antwortete der Kundschafter. »Aber natürlich werde ich gewisse Vorbereitungen treffen, um eventuelle Gefahren von uns abwenden zu können. Vor allem aber werde ich den Planeten einige Male umkreisen und weitere Ortungen vornehmen.« »Immer wieder MYOTEX!« murrte Anlytha leise. Algonkin-Yatta blickte konzentriert auf die Kontrollen und ließ die Finger über die Schaltsensoren huschen. Das Kundschafterschiff beschleunigte und raste auf den vierten Planeten zu. »MYOTEX weiß, was gut ist, wenn es auch nicht immer recht hat«, sagte er.
* Nach fünf Umkreisungen wußte Algonkin-Yatta schon erheblich mehr über den Planeten. Die Schichttaster hatten mehrere
Kundschafter im Kosmos Ansammlungen von Ruinen auf der Oberfläche und sogar unter der Oberfläche festgestellt. In einigen von ihnen gab es noch intakte Energiequellen, wenn auch mit nur geringer Leistung. Die Stelle der stärksten energetischen Aktivität befand sich auf einer riesigen Felsplattform, die übergangslos aus einer weiten Ebene ragte. Auf ihr standen vier große kuppelförmige Bauten, und in ihrer Nähe waren Hohlräume angemessen worden, in denen die Massetaster Ansammlungen von Metallplastik festgestellt hatten. Algonkin-Yatta hatte die fremde Station auf allen Frequenzen angefunkt, aber keine Antwort erhalten. Da jedoch keine feindseligen Reaktionen erfolgt waren, nahm er an, daß die Besatzung der Station ausgefallen war, was heißen mochte, daß sie tot oder auch nur krank war. »Wir dürfen nicht länger zögern«, sagte der Kundschafter. »Die Besatzung der Station braucht meine Hilfe. Ich werde auf der Felsplattform landen.« Er bremste das Schiff ab, das dadurch in die Atmosphäre eintauchte. Danach schaltete Algonkin-Yatta den AMAntrieb ab und ließ sein Schiff nur mit Hilfe der Antigravfelder sicher auf der roten Felsplattform landen. Der Kundschafter schaltete die Zellschwingungstaster ein und justierte sie auf hochorganisierte Zellverbände mit hochentwickeltem Zentralnervensystem. Bald darauf lagen die ersten Ergebnisse vor. »Insgesamt dreiundvierzig Lebewesen«, stellte Algonkin-Yatta fest. »Sie leiden an einem Zellzerfall, der wahrscheinlich durch eine Strahlung hervorgerufen wurde. Ich werde mit einem mobilen Medosystem zu ihnen gehen und versuchen, sie zu retten.« »Nimmst du mich nicht mit, Algonkin?« fragte Anlytha enttäuscht. »Noch nicht«, erwiderte der Kundschafter. »Ich werde konzentriert arbeiten müssen, und du würdest mich dabei nur stören, denn ich bin es gewohnt, allein zu arbeiten. Bleibe hier im Schiff und überwache mit
7 den Sensoren den Weltraum. Wenn sich ein Raumschiff nähert, verständigst du mich über Funk.« Anlytha schmollte, versuchte aber nicht, den Kundschafter umzustimmen. Als Algonkin-Yatta aufstand und seine Raumkombination schloß, setzte sie sich vor die Kontrollen. Der Kundschafter versorgte sich mit der notwendigen Ausrüstung und aktivierte eines der mobilen Medosysteme seines Schiffes. Als er aus der Schleuse trat, schwebte das zylindrisch geformte, rosa schimmernde Medosystem gerade aus einer Frachtluke. Es senkte sich bis dicht über den Boden und folgte Algonkin-Yatta in wenigen Metern Abstand. Der Kundschafter atmete tief die würzige, für seine Begriffe allerdings zu milde Luft des Planeten ein. Nach einigen Schritten hatte er sich an die geringe Schwerkraft von zirka 1,1 Gravos gewöhnt. Er sah sich aufmerksam um. Die vier Kuppelbauten ragten hoch in den blauen Himmel. Sie wirkten in der Landschaft des Planeten so fremd wie die Plattform aus rotem Fels, auf dem sie standen. Vegetation gab es erst draußen in der Ebene, und auch Tiere schienen auf der Plattform nicht zu leben, von einigen wenigen Vögeln abgesehen, die am Himmel kreisten. Nach ungefähr fünfzig Metern kniete Algonkin-Yatta sich nieder und betrachtete die Oberfläche der Plattform genauer. Sie war zwar verwittert, wies aber doch an einigen Stellen deutliche Spuren von Bearbeitung auf. »Zweifellos viel älter als die Kuppelbauten«, murmelte der Kundschafter. Er blickte zu dem Medosystem, das neben ihm angehalten hatte und sah dann hinüber zu seinem Raumschiff, das wie ein riesiges Ei aus grünlich schimmerndem, glasähnlichen Material dreiundsechzig Meter aufragte. Anlytha war darin vor seinen Blicken verborgen, aber sie sah ihn, wenn sie die Bildschirme beobachtete. Für Algonkin-Yatta
8 war es ein Wesen, das ihm Rätsel aufgab. Gerade das aber reizte ihn an ihr. Er winkte in Richtung des Schiffes, dann setzte er seinen Weg zu der Kuppel fort, in der die Zellschwingungstaster dreiundvierzig Lebewesen festgestellt hatten. Der Zugang bestand in einem auf Kraftfeldern gelagerten Panzertor, das allerdings nicht verschlossen war. Dicht hinter dem Tor entdeckte der Kundschafter das erste Lebewesen. Es war prinzipiell genauso geformt wie Algonkin-Yatta, aber größer als er und viel schwächer gebaut. Außerdem hatte er helle Haut, langes silberfarbenes Haar und rötliche Augäpfel. Während das Medosystem einen Prüftentakel ausfuhr und auf die Brust des Lebewesens setzte, beobachtete Algonkin-Yatta das schmale Gesicht und die Augen, die ihn furchtsam und flehend anzusehen schienen. Dieser Eindruck konnte jedoch täuschen, denn das Lebewesen war nicht von Algonkin-Yattas Volk. Der Kundschafter schaltete seinen Translator ein und forderte den Fremden durch Gesten auf, zu reden. Offenbar begriff das Lebewesen sofort, was gemeint war. Möglicherweise wußte es auch, daß das Gerät, das der Kundschafter auf es richtete, ein Translator war. Es bewegte die Lippen, doch die Laute, die es erzeugte, waren zu schwach, um vom Translator vollständig aufgenommen und analysiert zu werden. Deshalb überließ Algonkin-Yatta den Fremden der Obhut des Medosystems. Wenn Hilfe möglich war, würde das Medosystem helfen, wenn nicht, würde es dem Fremden wenigstens das Sterben erleichtern. Der Kundschafter überquerte eine kleine Halle und kam in einen Saal, in dem mehrere Gruppen von Geräten aufgestellt waren. Algonkin-Yatta vermochte die Bedeutung der Geräte nicht zu erraten; sie waren zu fremdartig. Er hielt sich aber auch nicht lange bei dem Versuch auf, sondern ging weiter. Der Nebenraum erinnerte den Kundschafter an eine Klinik. Hier fand er gleich acht-
H. G. Ewers zehn Lebewesen. Sie lagen auf pneumatisch gefederten Betten und waren teilweise an Behandlungsapparaturen angeschlossen. Nur drei von ihnen waren bei Bewußtsein. Algonkin-Yatta richtete den Translator auf einen der drei Fremden und forderte ihn ebenfalls durch Gesten zum Sprechen auf. Diesmal hatte er mehr Glück. Der Fremde sprach laut und deutlich genug, so daß der Translator schon nach kurzer Zeit in der Lage war, seine Sprache in Mathona und umgekehrt zu übersetzen. »Ich heiße Algonkin-Yatta und will euch helfen«, sagte der Kundschafter. »Wie heißt du und zu welchem Volk gehört ihr?« Der Fremde sah den Kundschafter an, als der Translator die Worte in seine Sprache übersetzte. Seine Augen sonderten dabei ein wäßriges Sekret ab. »Ich heiße Kraapon«, antwortete er mit flacher Stimme. »Wir sind Arkoniden. Die Zeitkapsel hat uns mit ihrer Strahlung krank gemacht. Wir sterben, wenn du uns nicht helfen kannst. Ich …« Er wurde von einem Krampf geschüttelt und verlor das Bewußtsein. Algonkin-Yatta blickte zurück und sah, daß das Medosystem inzwischen hier eingetroffen war und sofort mit der Behandlung der Kranken begonnen hatte. Er wandte sich daher an den nächsten Fremden, der bei Bewußtsein war, und wollte seine Befragung fortsetzen. Aber der Fremde brachte nur einige krächzende Laute zuwege, dann flüsterte er: »Suche nach Scoopar, Fremder! Er hat die geringste Strahlungsdosis erhalten.« Die letzten Worte konnte der Kundschafter kaum noch verstehen. »Ich werde Scoopar finden«, sagte er mitleidig.
2. Algonkin-Yatta betrat den letzten Raum der Kuppel. Es handelte sich um einen Aussichtsraum auf dem höchsten Punkt des Bauwerks. Wände und Decken waren völlig
Kundschafter im Kosmos transparent, und der Kundschafter konnte von hier oben weit über die Landschaft jenseits des Felsplateaus sehen. Der Ausblick interessierte ihn jedoch im Augenblick kaum, denn er hatte inzwischen zweiundvierzig der Fremden gefunden, die sich Arkoniden nannten. Aber Scoopar war nicht dabei gewesen. Wenn er sich nicht sehr gut verborgen hatte, befand er sich nicht in dieser Kuppel. Der Kundschafter konnte sich aber nicht denken, daß jemand, der dringend Hilfe benötigte, sich versteckte. Er schaltete an seinem Armbandgerät und stellte eine Verbindung mit der Psiotronik seines Kundschafterschiffs her. »Ich benötige deinen Rat«, sagte er. »Von den dreiundvierzig georteten Lebewesen befinden sich nur noch zweiundvierzig in der Kuppel, in der ich mich zur Zeit aufhalte. Das dreiundvierzigste, das sich Scoopar nennt, muß demnach diese Kuppel verlassen haben. Ich würde viel Zeit sparen, wenn ich einen Anhaltspunkt besäße, wohin sich Scoopar gewandt haben könnte. Ich bitte um eine Wahrscheinlichkeitsberechnung unter Berücksichtigung aller bekannten Fakten.« Ohne bemerkbare Verzögerung antwortete die Psiotronik: »Ausgehend davon, daß Scoopar nichts davon ahnt, daß bereits Hilfe eingetroffen ist, muß angenommen werden, daß dieses Lebewesen versucht, sich dorthin zu begeben, wo es mit Sicherheit Hilfe erwarten kann. Da die Lebewesen, die sich Arkoniden nennen, klar erkennbar nicht von diesem Planeten stammen, sind sie mit Raumschiffen hierher gekommen. Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß die in den Hohlräumen festgestellten Massekonzentrationen von Metallplastik Raumschiffe darstellen, beträgt achtundneunzig Prozent. Ich habe die Zellschwingungstaster des Schiffes auf diese Hohlräume gerichtet, um herauszufinden, ob der Gesuchte sich in einem befindet und in welchem. Das Ergebnis wird gleich vorliegen.« Algonkin-Yatta überlegte, ob er den Aus-
9 sichtsraum sofort verlassen sollte, damit er schneller aus der Kuppel und damit schneller in einen der mutmaßlichen Raumschiffhangars kam, sobald feststand, in welchem sich Scoopar aufhielt. Aber bevor er einen Entschluß gefaßt hatte, meldete sich die Psiotronik wieder. »Der Gesuchte befindet sich in dem Hohlraum, der dir am nächsten liegt. Da er sich nicht bewegt und innerhalb dieses Hohlraums keinerlei energetische Aktivitäten erfolgen, muß angenommen werden, daß er vor Erreichen seines Zieles zusammengebrochen ist. Unter diesen Umständen erscheint es wenig sinnvoll, sich um ihn zu kümmern, da er wahrscheinlich keine Aussagen machen kann.« »Es gibt noch einen anderen Grund, sich um ihn zu kümmern«, erwiderte der Kundschafter. »Er braucht Hilfe. Ich bitte um Leitsignale.« Gleich darauf erklang ein helles Zirpen in seinem Kopf. Es kam von dem winzigen Empfänger, der in der Nähe seines Innenohrs implantiert war. Algonkin-Yatta nickte befriedigt und machte sich an den Abstieg. Er benutzte dabei den zentralen Antigravschacht, den er in der Kuppel vorgefunden hatte. Das Zirpen veränderte sich nicht wesentlich, während er im Schacht abwärts schwebte. Als er die Kuppel verließ, wurde es jedoch lauter. Dadurch wußte der Kundschafter, daß er die richtige Richtung eingeschlagen hatte. Er ging weiter, und stand bald darauf vor einer kleinen Pfortenkuppel, in der sich eine Öffnung bildete, als er sich ihr bis auf drei Schritte genähert hatte. Algonkin-Yatta trat ein und entdeckte einen weiteren Antigravlift. Er schwebte in ihm hinab und befand sich eine Minute später in einem Raumschiffhangar. In ihm stand auf Landestützen ein Schiff, das fast so hoch war wie sein Kundschafterfahrzeug. Da es jedoch nicht oval geformt war, sondern kugelförmig, war sein Volumen größer. Dennoch war der Kundschafter sicher, daß es nicht halb so leistungsfähig war wie sein
10 Schiff. Allein die Verwendung von Metallplastik statt kristallisierter Energie als Baumaterial bewies den technologischen Rückstand der Erbauer. Die Schleuse in der ausgefahrenen Mittelstütze des Raumschiffs stand offen. Das hatte Scoopar noch erreicht, doch dann war er unmittelbar vor der Schleuse zusammengebrochen. Algonkin-Yatta hakte die Medobox von seinem Ausrüstungsgürtel und ging auf den Arkoniden zu. Aber schon, bevor er die Box auf die Brust des Bewußtlosen gesetzt hatte, erkannte er, daß Scoopar nicht infolge der Strahlungskrankheit ohnmächtig geworden war. Die Beule auf seiner Stirn bewies, daß er gestürzt und mit dem Schädel auf den harten Hangarboden geprallt war. Die Medobox klickte leise, als sie ihre Schwingungsfühler in den Bewußtlosen steckte. Gleich darauf stachen mehrere Nadeln durch dessen Kombination. Zischend wurden Medikamente in den Kreislauf gejagt. Es dauerte nicht lange, bis Scoopar die Augen aufschlug. Algonkin-Yatta hatte ihn inzwischen umgedreht und bequem gelagert. Die Augen des Arkoniden verrieten Erschrecken. Der Kundschafter schaltete seinen Translator ein und sagte: »Ich bin gekommen, um dir und deinen Freunden zu helfen, Scoopar. Mein Name ist Algonkin-Yatta. Sobald mein Medosystem deine Freunde versorgt hat, folgt es mir und wird dich ebenfalls behandeln. Inzwischen wirst du von meiner Medobox versorgt. Wie kam es zu dem Strahlungsunfall, Scoopar?« Der Arkonide hatte sich wieder beruhigt. Er schien keine starken Beschwerden zu haben, jedenfalls blickten seine rötlichen Augen klar auf den Kundschafter. Der Blick verriet wache Intelligenz. »Ich habe noch nie ein Lebewesen wie dich gesehen, Algonkin-Yatta«, sagte er deutlich. »Dein Volk gehört demnach nicht zum Großen Imperium. Aber wenigstens bist du ein Sauerstoffatmer, sonst könntest du hier nicht ohne Druckhelm leben.«
H. G. Ewers Algonkin-Yatta war unzufrieden mit dieser Antwort, weil sie keine Information enthielt, die er für seine Hilfsaktion verwenden konnte. Andererseits erregte die Bemerkung über das Große Imperium seine Wißbegierde. Er hatte noch nie etwas von einem Imperium gehört und wußte deshalb nicht, was der Arkonide damit gemeint hatte. Und seine Erleichterung darüber, daß der Kundschafter ein Sauerstoffatmer war, befremdete ihn sogar. Was spielte es denn für eine Rolle, ob ein Lebewesen zur Zellatmung Sauerstoff oder ein anderes Gas benötigte? Leben war gleich Leben. »Wir können später sekundäre Informationen austauschen, Scoopar«, entgegnete der Kundschafter. »Primär ist das Problem, wie ich euch helfen kann. Dazu muß ich wissen, welcher Art die Strahlung war, die eure Erkrankung hervorgerufen hat. Bitte, antworte mir!« Der Arkonide sah den Kundschafter lange an, dann sagte er leise: »Es war die Strahlung, die von der Zeitkapsel ausging.«
* Algonkin-Yatta holte unwillkürlich tief Luft. »Eine Zeitkapsel? Ich hatte eine Krümmung der Zeitdimension in der Nähe dieses Planten angemessen, bevor ich euren Notruf empfing. Außerdem fiel mir auf, daß die Zeitdimension rings um diese Welt eine starke Instabilität aufweist, allerdings keine Perforation. Bedeutet der Ausdruck ›Zeitkapsel‹, daß es sich um ein Erzeugnis einer Technologie handelt?« »Das Erzeugnis einer sehr fremdartigen Technologie«, antwortete Scoopar. »Eine Konstruktion aus silbrig schimmerndem Material, die aus einer zu einem großen Ring geformten Röhre besteht, auf der an Streben ein eiförmiger Körper verankert ist, so groß wie drei normale Fluggleiter und ohne erkennbare Öffnung. Dieses Gebilde materialisierte mitten in unserer Station.«
Kundschafter im Kosmos »Befand sich jemand darin?« fragte der Kundschafter erregt. »Das weiß ich nicht«, sagte Scoopar. »Zuerst beobachteten wir die Zeitkapsel nur. Wir wußten, daß es sich um eine Zeitmaschine handelte, denn wir maßen eine strukturelle Veränderung der Zeitdimension an. Als aber nichts geschah, drangen fünf von uns in das Fahrzeug ein. Sie kehrten nicht zurück. Unsere Meßgeräte zeigten uns an, daß ihre Lebensenergie erloschen war. Daraufhin nahmen wir die Kapsel unter Beschuß. Aber unsere Waffen reichten nicht aus, sie zu zerstören, denn sie hüllte sich plötzlich in ein leuchtendes Feld.« »Und dieses Feld sandte die gefährliche Strahlung aus?« erkundigte sich der Kundschafter. »Nein, es war ein Defensivfeld«, erklärte der Arkonide. »Die Strahlung muß uns vorher getroffen haben, denn einige von uns brachen zusammen, bevor sich das Feld aufbaute. Als wir anderen ebenfalls spürten, daß unsere Kräfte verfielen, zogen wir uns zurück. Doch es war zu spät. Seitdem frißt die Strahlung weiter in unseren Körpern. Ich kam erst kurz vor Errichtung des Defensivschirms dazu und erhielt deshalb die geringste Strahlungsdosis. Nachdem ich den automatischen Notruf aktiviert hatte, spürte ich jedoch, daß auch meine Kräfte verfielen. Ich versuchte, in eines unserer Schiffe zu kommen und Hilfe zu holen.« Algonkin-Yatta wollte noch mehr fragen. Aber als er sah, daß sein mobiles Medosystem in den Hangar schwebte, stellte er seine Wißbegierde zurück. Er beobachtete, wie das Medosystem den Kranken untersuchte und ihm einige Injektionen gab. Danach schaltete er seinen Translator aus und erkundigte sich nach dem Befund. »Zellzerfall infolge unbekannter Strahlungseinwirkung«, berichtete der Kommunikationssektor des Aggregats. »Die Schäden sind irreparabel und greifen weiter um sich. Es ist möglich, daß das Fortschreiten des Zellzerfalls durch unsere Medikamente ver-
11 zögert wird; aufzuhalten wird es nicht sein.« Erschüttert schloß Algonkin-Yatta die Augen. Es deprimierte ihn zutiefst, daß er diesen Lebewesen nicht helfen konnte. »Es muß alles getan werden, um ihre Leiden zu mildern und ihnen das Sterben zu erleichtern!« befahl er dem Medosystem. Dann schaltete er den Translator wieder ein und wandte sich an Scoopar. »Du wirst dich bald besser fühlen. Aber du kannst nicht hier liegen bleiben, Scoopar. Ich bringe dich zu deinen Freunden.« »Nein«, erwiderte der Arkonide. »Ich fühle, daß es mit mir zu Ende geht, obwohl ich jetzt keine Schmerzen mehr spüre. Bringe mich nicht zu den anderen Heilern, sondern ins Freie. Ich möchte den Himmel über mir sehen, wenn ich sterbe.« »Wenn du weißt, daß du sterben wirst, will ich dich nicht länger belügen«, sagte Algonkin-Yatta. »Du sagtest, ihr seid Heiler. Deshalb weißt du wahrscheinlich, daß euer Tod unabwendbar ist.« Ein Schatten flog über Scoopars Gesicht. »Mein Gefühl hat mich also nicht betrogen. Ich danke für deine Offenheit, Algonkin-Yatta. Wir sind Heiler, das stimmt, aber wir heilen nicht physische Krankheiten, sondern Krankheiten des Geistes. Im Großen Imperium nennt man uns die Goltein-Heiler. Wir sind – oder vielmehr waren – berühmt dafür, selbst die schlimmsten Geisteskrankheiten heilen zu können. Aber es gab auch Mißerfolge. Erst kürzlich brachte uns der Kristallprinz des Imperiums, Atlan, seinen Vater, damit wir ihn heilen. Wir konnten nichts für ihn tun, denn sein Geist hatte ihn verlassen.« »Kristallprinz Atlan!« wiederholte der Kundschafter. »Ich bringe dich hinauf. Du mußt mir mehr über das Große Imperium und über diesen Kristallprinzen erzählen, Scoopar. Dieser Name klingt wie eine Verheißung.« Er schickte das Medosystem zu den anderen Kranken zurück, dann hob er Scoopar mühelos auf, legte ihn sich über die linke Schulter und brachte ihn auf diese Weise
12 hinauf zur Plattform. Dort kniete er nieder und bettete den Kopf der Arkoniden auf seinen Knien. Über dem Plateau dämmerte es. Der westliche Horizont sah aus, als würde er in Blut getaucht, als die Sonne unterging. Bald darauf erschienen am dunklen Himmel die Sterne. Scoopar seufzte, aber sein Gesicht wirkte zufrieden. »Ich bin froh, daß der Anblick der Sterne mich auf meinem letzten Weg begleitet«, sagte er leise. »Irgendwo hinter ihnen schwebt der große Kugelsternhaufen im Halo der Galaxis. Dort befindet sich Arkon, die Keimzelle und das Herz des Großen Imperiums. Einst lebte mein Volk nur auf einem Planeten inmitten des Kugelsternhaufens. Aber es breitete sich ungestüm aus, zuerst nur innerhalb des Kugelsternhaufens und später über einen großen Teil der Galaxis. Inzwischen gehören Tausende von Planeten zum Großen Imperium. Raumschiffe sorgen für einen regen Handel, und die Kriegsflotte des Imperiums wacht darüber, daß das Imperium zusammenhält und seine Bürger sicher sein können. Leider ist diese Sicherheit aufs stärkste gefährdet. Die Maahks, wasserstoffatmende Lebewesen, besitzen ebenfalls eine starke Kriegsflotte. Ihre Schiffe greifen unsere Planeten an, wo sie nur können. Ihr Ziel ist es, alle Sauerstoffatmer zu vernichten. Anfangs waren wir Arkoniden durch den unerbittlichen Vernichtungswillen der Maahks wie gelähmt. Wir erlitten Niederlage auf Niederlage. Aber die gnadenlose Bedrohung erzeugte Haß – und der Haß half den Besatzungen unserer Raumschiffe, den Selbsterhaltungstrieb zugunsten der Arterhaltung zu unterdrücken. Seitdem schlagen wir genauso hart zurück. Wir vernichten die Maahks, wo wir können. Der Sieg steht allerdings in weiter Ferne. Zwar haben wir die bessere Technologie, aber die Fortpflanzungsrate der Maahks ist erheblich größer als unsere. Deshalb können die Wasserstoffatmer ihre Mannschaftsaus-
H. G. Ewers fälle schnell ersetzen, während die Imperiumsflotte unter permanenter Personalknappheit leidet.« Scoopar hustete und spuckte etwas Blut. Erschöpft schloß er die Augen. Algonkin-Yatta drängte den Todgeweihten nicht, obwohl er darauf brannte, mehr zu erfahren. Mit dem, was Scoopar bisher berichtet hatte, vermochte er nicht viel anzufangen. Das lag daran, daß ein interstellarer Krieg außerhalb seines Vorstellungsvermögens war. Er hörte zwar die Worte, konnte sie aber nicht in Vorstellungen umsetzen, die der Realität entsprachen. Gänzlich unerwartet sprach Scoopar plötzlich weiter. »Das Schlimmste aber ist, daß das Große Imperium von einem Meuchelmörder und Diktator beherrscht wird. Orbanaschol III. ermordete seinen Vorgänger, Gonozal VII. Jedenfalls glaubten das alle, bis eines Tages Gonozals Sohn Atlan auf Perpandron erschien und uns seinen Vater anvertraute, damit wir ihn heilten. Aber, wie schon gesagt, war Gonozal nicht zu helfen. Von Orbanaschol gedungene Verbrecher hatten ihm den Geist aus dem Hirn gebrannt. Ich bedauere, daß wir Goltein-Heiler alles taten, um Atlan von Perpandron zu vertreiben. Wir fürchteten Orbanaschols Rache, wenn er erführe, daß wir seinem Gegenspieler geholfen hätten. Vielleicht schickten die Götter Arkons uns deshalb die Zeitkapsel, damit wir unsere Strafe erhielten. Ich bin davon überzeugt, daß Kristallprinz Atlan, wenn es ihm gelingt, Orbanaschol III. zu stürzen, der richtige Mann an der Spitze des Imperiums wäre. Atlan hält unerschütterlich an den alten Tugenden wie Wahrhaftigkeit, Tapferkeit und Treue fest. Er ist ein harter Mann – auch gegen sich selbst –, und er ist entschlossen, Orbanaschol III. zu stürzen und das Große Imperium unter seiner Leitung zum Sieg über die Maahks zu führen. Man erzählt sich, daß er schon zahllose Abenteuer bestanden hat und sogar den Stein der Weisen fand. Seine Mitstreiter haben einen Schwur geleistet: »Für Atlan und
Kundschafter im Kosmos Arkon – auf Leben und Tod!« Vor allem sein Pflegevater Fartuloon ist eine schillernde Figur, wie sie es wohl jedes Jahrtausend nur einmal gibt.« Erneut unterbrach sich Scoopar. Sein Körper wurde von Krämpfen geschüttelt und war im Nu schweiß-überströmt. Der Kundschafter setzte ihm zum zweitenmal seine Medobox auf die Brust, damit sie ihm schmerzstillende Injektionen gab. Mit einem Tuch tupfte er ihm den Schweiß vom Gesicht. Als der Heiler sich etwas erholt hatte, seufzte er und sagte: »Es dauert nicht mehr lange, Algonkin-Yatta. Vielen Dank für deine Hilfsbereitschaft. Bleibst du bei mir, bis es vorbei ist?« »Ich bleibe bei dir, Scoopar«, antwortete Algonkin-Yatta. Der Arkonide lächelte erleichtert. »Die Zeitkapsel, die uns den Tod brachte, ist wahrscheinlich schon früher mehrmals auf Perpandron gewesen, Algonkin-Yatta. Wir Heiler haben den Planeten gründlich erforscht und fanden zahlreiche Überreste der Kulturen verschiedenartiger Lebewesen. Keine der Kulturen hat sehr lange bestanden. Ich nehme an, daß jedesmal, wenn die Zeitkapsel nach Perpandron kam, die Träger der gerade existierenden Kultur ausgelöscht wurden.« »Aber so viele verschiedene Kulturen«, wandte der Kundschafter ein. »Wie ist es möglich, daß sich auf einem Planten zahlreiche verschiedene Völker ansiedeln.« »Nicht verschiedene Völker, sondern die Flüchtlinge verschiedener Völker, die auf ihrer Flucht auf Perpandron stießen und sich hier sicher fühlten. Perpandron muß, aus welchen Gründen auch immer, auf der Fluchtroute vieler Raumfahrer gelegen haben, die vielleicht von ihren Heimatwelten vertrieben worden waren. Und es scheint, als wäre auch die Zeitkapsel auf Perpandron fixiert, wie ein ruheloser Wanderer durch die Zeit, der immer wieder hierher zurückkehren muß.« Scoopar hustete und bewegte sich unru-
13 hig. Algonkin-Yatta begriff, was der Sterbende wollte. Er richtete ihn zu sitzender Haltung auf. »Danke!« flüsterte Scoopar. »Siehst du die Sterne dort oben, Algonkin-Yatta, rätselhafter Fremder? Irgendwo zwischen ihnen befindet sich Kristallprinz Atlan, entweder auf einem Planeten oder einem Raumschiff. Er ist ein Gejagter. Tausende von Häschern sind ihm unablässig auf der Spur. Dennoch befindet er sich ständig in der Offensive. Ich wollte, ich wäre ihm damals gefolgt. Dann hätte ich meinem Leben einen Sinn geben können.« Der Kundschafter spürte, wie er erschauderte. Sein Blick richtete sich auf die Sterne, die kalt und unbeweglich am Nachthimmel glänzten. »Dein Leben hat einen Sinn gehabt, denn du hast mir von Atlan erzählt«, erklärte er. »Wohin wollte er von hier aus fliegen?« »Ich glaube nicht, daß er dorthin flog, wohin er wollte«, erwiderte Scoopar. »Als wir Gonozal VII behandelten, spürte ich, daß er von etwas Fremdem beherrscht wurde – und ich fand heraus, daß dieses Fremde Atlans Vater dazu bringen wollte, die ISCHTAR, Atlans Raumschiff, zu einer bestimmten Sternkonstellation zu bringen, wo jemand in einer Raumstation wartete.« »Wo ist diese Sternkonstellation?« fragte Algonkin-Yatta erregt. Scoopar nannte ihm die Koordinaten, dann sagte er mit immer schwächer werdender Stimme: »Wenn du Atlan triffst, grüße ihn …« Als der Kundschafter merkte, daß er einen Toten in den Armen hielt, ließ er Scoopar langsam zu Boden sinken. Dann stand er auf und schaute sehnsüchtig nach den Sternen …
* Nachdem Algonkin-Yatta von seinem mobilen Medosystem erfahren hatte, daß die anderen Goltein-Heiler schon lange vor
14 Scoopar verschieden waren, kehrte er in die Kuppel zurück. Bei seinem Volk war es Brauch, Verstorbene ins Freie zu bringen, sie zu konzentrischen Kreisen anzuordnen und alles weitere der Natur zu überlassen. Als äußeres Zeichen der Achtung, die man ihnen bezeigen wollte, pflegte man Gegenstände neben ihnen aufzustellen, die einem lieb und teuer waren. Der Kundschafter wollte auch nicht von dem alten Brauch abgehen, deshalb trug er die Toten ins Freie und legte sie so nieder, daß sie gemeinsam mit Scoopar drei konzentrische Kreise bildeten. Danach ging er in sein Schiff, um die Gaben der Achtung zu holen. Anlytha zeigte sieb verärgert, als er die Steuerzentrale betrat. »Manchmal denke ich, du siehst mich überhaupt nicht als vollwertig an!« fuhr sie ihn an. »Ich habe den halben Nachmittag und die halbe Nacht gewartet, ohne daß du mich auch nur einmal angerufen hättest.« »Du bist mein Gast, aber kein Kundschafter«, erwiderte Algonkin-Yatta geduldig. »Ich darf von dir nicht verlangen, daß du dich an meinen Pflichten beteiligt.« »War es vielleicht deine Pflicht, bei diesen Fremden zu bleiben, bis sie gestorben waren?« »Es ist stets meine Pflicht, Lebewesen zu helfen, die in Not sind, Anlytha«, erklärte der Kundschafter. »Ich hätte es niemals fertiggebracht, diese Lebewesen sterben zu lassen, ohne alles zu versuchen, sie zu retten. Leider konnte ich ihnen nur das Sterben erleichtern. Mir bleibt noch die Aufgabe, ihnen meine Achtung zu erweisen. Dabei kannst du mir helfen, wenn du magst.« Anlythas Gesichtsausdruck verriet, daß sie schon halbwegs beschwichtigt war. »Ich werde dir helfen, Algonkin. Aber wie willst du ihnen deine Achtung erweisen?« »Wir werden für jeden Verstorbenen einen Kunstgegenstand aus den Laderäumen holen und neben ihm aufstellen«, antwortete
H. G. Ewers Algonkin-Yatta. Anlythas weißer Federkamm sträubte sich. »Unsere Kunstgegenstände?« schrie sie erregt. »Diese kostbaren Kleinodien willst du draußen hinstellen, wo jeder Dieb sie an sich nehmen kann? Du mußt verrückt geworden sein!« »Auf Perpandron gibt es keine Diebe«, erwiderte der Kundschafter gelassen. »Die Gegenstände werden noch unberührt draußen stehen, wenn die sterblichen Hüllen der Arkoniden schon zu Staub zerfallen sind. Ich bin es ihnen schuldig, denn ihre Not hat es mir erst ermöglicht, etwas zu erfahren, das ich für außerordentlich wichtig halte. Irgendwo zwischen den Sternen befindet sich der Kristallprinz Atlan. Ich muß ihn unbedingt persönlich kennenlernen. Er scheint eine faszinierende Persönlichkeit zu sein.« »Kristallprinz Atlan …!« wiederholte Anlytha. »Ein seltsamer Titel, aber ein wohlklingender Name. Vielleicht würde dieser Atlan in mir die Frau sehen, die du anscheinend bis heute nicht bemerkt hast.« »Ich weiß, daß du weiblichen Geschlechts bist, Anlytha«, protestierte der Kundschafter. »Willst du mir helfen, den Verstorbenen meine Achtung zu erweisen?« »Natürlich helfe ich dir«, erwiderte Anlytha. »Jemand muß ja aufpassen, daß du nicht die kostbarsten Kunstwerke von Bord schaffst. Ich frage mich, woher wir Ersatz dafür bekommen sollen.« Algonkin-Yatta drehte sich wortlos um und verließ die Steuerzentrale. Anlytha folgte ihm mit mürrischem Gesicht. In einem der kleinen Frachträume suchten die beiden unterschiedlichen Lebewesen dreiundvierzig Kunstgegenstände aus den Regalen und packten sie in eine Kiste. Sie brauchten ziemlich lange dazu, denn Anlytha nahm immer wieder Gegenstände aus der Kiste und stellte sie auf ihren Platz zurück, weil sie sie für unentbehrlich hielt. Schließlich war auch das geschafft. Der Kundschafter lud sich die Kiste auf die Schulter und trug sie hinaus. Während er
Kundschafter im Kosmos und Anlytha die Gegenstände neben die Köpfe der Toten stellten, mußte er an die Zeitkapsel denken. Sie war in der Vergangenheit schon mehrmals auf Perpandron materialisiert und wieder verschwunden, wenn das stimmte, was Scoopar berichtet hatte. Eigentlich gab es dann keinen Grund, warum sie in der Zukunft nicht abermals auf Perpandron erscheinen sollte. Es würde sicher aufregend und faszinierend sein, ihr Geheimnis aufzudecken. Algonkin-Yatta schob diesen Gedanken aber wieder von sich. Erstens war es ungewiß, ob die Zeitkapsel zu seinen Lebzeiten wieder auf Perpandron materialisierte – obwohl er sehr lange lebte –, und zweitens faszinierte ihn der Kristallprinz Atlan viel mehr. »Ist das eigentlich bei deinem Volk so üblich, Kunstgegenstände neben die Verstorbenen zu legen?« unterbrach Anlytha seine Gedanken. »Wir pflegen diesen Brauch, solange mein Volk zurückdenken kann«, antwortete Algonkin-Yatta. »Und ihr legt die Toten stets im Freien nieder?« fragte Anlytha weiter. »Im Grunde genommen weiß ich noch gar nichts über dein Volk, AIgonkin. Verpesten die Toten nicht die Luft, wenn sie verwesen?« »Nur die Luft im Freien, und auch das nicht lange, denn die aggressive Atmosphäre läßt die Körper rasch zerfallen. Wir Mathoner werden von dem Geruch nicht belästigt, denn wir leben ausschließlich in einer Stadt aus Kuppeln, die hermetisch gegen die Umwelt abgeschlossen sind.« »Und ich dachte immer, Lebewesen fühlen sich am wohlsten in der natürlichen Umwelt, in der ihre Art sich entwickelt hat«, wandte Anlytha ein. Algonkin-Yattas Augen verdunkelten sich für einen Moment. »Mein Volk hat sich nicht auf Ruoryc entwickelt, wie der Planet heißt, auf dem wir leben. Unsere Ahnen sollen mit einem Raumschiff dorthin gekommen sein. Sie fanden das Erbe einer ausgestorbenen Zivilisa-
15 tion und übernahmen es. MYOTEX schützte uns vor den feindlichen Umweltbedingungen und entwickelte später unser Kundschafterprogramm. Vielleicht findet einer von uns eines Tages den Planeten, von dem unsere Ahnen kamen.« Er blickte über die aufgereihten Toten, dann wandte er sich ab und kehrte ins Schiff zurück. Anlytha blieb weiter nichts übrig, als ihm zu folgen. Sie versuchte noch mehrmals, das Gespräch wieder auf sein Volk zu bringen, doch der Kundschafter reagierte nicht darauf. In die Steuerzentrale zurückgekehrt, schaltete Algonkin-Yatta eine Verbindung zur Psiotronik und sagte: »Ich habe eine neue Aufgabe für uns gefunden. Ein Sterbender berichtete mir von Atlan, dem Kristallprinzen des Großen Imperiums der Arkoniden. Diese Persönlichkeit fasziniert mich so, daß ich mir die Aufgabe gestellt habe, ihn zu suchen und Kontakt mit ihm aufzunehmen. Achtung, ich tippe dir die Koordinaten ein, die mir der sterbende Heiler Scoopar nannte!« Kaum hatte er die Koordinaten eingegeben, sagte die Psiotronik: »Die eingegebenen Koordinaten liegen weit außerhalb des von MYOTEX festgelegten Kundschafterkurses. Da dein Auftrag lautet, unbeirrt den vorgeschriebenen Kurs einzuhalten, ist es unzulässig, die betreffenden Koordinaten anzufliegen.« »Das ist mir egal«, erwiderte Algonkin-Yatta. »Ich kann den Kundschafterkurs wieder aufnehmen, sobald ich mit Atlan gesprochen habe. MYOTEX ist weit und kann mich nicht daran hindern, nach dem Kristallprinzen zu suchen – und ihn zu finden.« »Ich muß dir gehorchen«, erklärte die Psiotronik. Algonkin-Yatta lächelte. »Das ist dein Glück, sonst müßte ich dich desaktivieren. Sobald ich das Schiff in den Weltraum gebracht habe, schlägst du den Kurs ein, der zu den angegebenen Koordinaten führt.« Er drehte sich zu Anlytha um – und blick-
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te verblüfft auf die Gegenstände, die sein weiblicher Gast auf dem Schalttisch vor sich aufgestellt hatte. »Wo hast du das her, Anlytha?« Anlytha lächelte glücklich. »Ich habe die Gegenstände bei den toten Arkoniden gefunden. Sie brauchen sie ja nicht mehr, und wir haben dadurch Ersatz für unsere Kleinodien bekommen.« Seufzend wandte Algonkin-Yatta sich wieder seinen Kontrollen zu, um das Schiff zu starten. Ihm war soeben klar geworden, daß er Anlytha noch längst nicht kannte und wahrscheinlich noch eine Menge Überraschungen mit ihr erleben würde. Als er die Starttaste drückte, wurde das Kundschafterschiff von einem Abstoßfeld nach oben katapultiert. In den oberen Schichten der Atmosphäre schaltete der Kundschafter den AMAntrieb ein und beschleunigte.
3. Der Grek 1 des Urptra-Systems musterte voller Anerkennung die Tausendschaft der Raumkadetten, die zum Morgenappell angetreten war. Die jungen männlichen Maahks trugen, da sie sich auf einem Riesenplaneten mit einer Hochdruckatmosphäre aus Wasserstoff, Methan und Ammoniak befanden, nur die leichten Kampfkombinationen ohne Druckhelme. Die Raumkadetten nahmen ruckartig Haltung an, als ihr Ausbilder einen Befehl brüllte. Die Augen auf ihren Sichelköpfen richteten sich auf Grek 1. Der Ausbilder drehte sich um, marschierte mit steifen Schritten auf den Gleiter zu, in dem Grek 1 angekommen war, und machte seine vorschriftsmäßige Meldung. Grek 1 stieg aus und stellte sich vor die Front der Kadetten. Die trüben Schlieren in der heißen Atmosphäre wichen vor ihm zurück, als wären es Lebewesen. Die Sonne Urptra war infolge der dichten und hohen Atmosphäre nicht zu sehen, aber ihre Strahlung erfüllte den festen Boden des Planeten
Xymoch dennoch mit gleißender Helligkeit. »Ich grüße euch, Raumkadetten!« rief Grek 1. »Ihr befindet euch auf dem Planeten Xymoch, um in den praktischen Wissenschaften ausgebildet und zu dem logischen Denken und Handeln erzogen zu werden, das notwendig ist, wenn wir den Kampf gegen die arkonidischen Emotiodenker gewinnen wollen. Außerdem sollt ihr hier auf den Dienst in der starken und erfolgreichen Flotte der vereinigten Maahkvölker vorbereitet werden. Wie ihr alle wißt, sind die Arkoniden, die auch die Weichen genannt werden, die Todfeinde unserer Völker. Ihr Handeln wird in erster Linie von einer Motion, dem sogenannten Haß, bestimmt, die uns fremd ist. Die Arkoniden trachten danach, unsere Völker auszurotten. Das wird ihnen niemals gelingen, denn unser Handeln wird nicht durch überflüssige Gefühle getrübt, sondern einzig und allein von der Logik bestimmt. Es ist notwendig, den Feind zu stellen und zu vernichten, wo immer er sich zeigt. Da die Arkoniden auf leichten Planeten mit einer Sauerstoffatmosphäre leben, werdet ihr möglicherweise in die Lage kommen, auf einem solchen Planeten landen und kämpfen zu müssen. Das stellt euch vor erschwerten Bedingungen, denn ihr müßt schwere Druckanzüge tragen, während der Feind sich in leichten Kampfanzügen bewegen kann. Selbstverständlich sind Maahks auch unter diesen Umständen den weichlichen Arkoniden überlegen. Dennoch werden sich auch auf unserer Seite Verluste nicht vermeiden lassen. Da es unlogisch wäre, größere Verluste als unbedingt notwendig zu riskieren, ist es erforderlich, daß ein Teil eurer Kampfausbildung unter den geschilderten Bedingungen stattfindet. Ihr werdet deshalb heute zum sechsten Mond Xymochs, nach Chanetra, gebracht. Dort befindet sich ein Gefangenlager für Arkoniden. Vor allem aber hat Chanetra eine Sauerstoffatmosphäre und auch sonst in etwa die Bedingungen, die auf den von Arkoniden besiedelten Planeten herrschen.
Kundschafter im Kosmos Die Leitung des Gefangenenlagers ist angewiesen worden, zweihundert kampffähige männliche Arkoniden mit Kampfanzügen und leichter Bewaffnung auszurüsten und in ein Manövergebiet zu treiben. Ihr habt die Aufgabe, diese Arkoniden zum Kampf zu stellen und im Kampf zu töten. Ich erwarte von jedem von euch, daß er bereit zum Sterben ist, wenn die jeweilige Gefechtssituation dieses Opfer erfordert. Ich erwarte aber auch, daß jeder das eigene Leben und das seiner Kameraden nicht unnötig aufs Spiel setzt, denn euer Leben gehört nicht euch, sondern unseren Völkern, und jeder von uns hat die Pflicht, es so effektiv wie möglich im Interesse unserer Völker einzusetzen. Ich weiß, daß ihr mich verstanden habt und wünsche euch jederzeit die volle Beherrschung von Körper und Geist und die Unterstellung aller Gedanken und Handlungen unter das ewige Gesetz der Logik.« Er wandte sich um und kehrte zu seinem Gleiter zurück. Hinter ihm übernahm der Ausbilder wieder das Kommando über die Tausendschaft. In mathematisch exakter Ordnung marschierten die Raumkadetten zu dem Walzenraumschiff, das am Rand des befestigten Platzes lag. Grek 1 aber ließ sich in die Kommandozentrale des Stützpunkts auf Xymoch zurückfliegen. Irritiert stellte er dabei fest, daß in ihm der Wunsch erwachte, die Raumkadetten nach Chanetra zu begleiten und an ihrem Realmanöver teilzunehmen. Dieser Wunsch verstieß jedoch gegen das Gesetz der Logik, denn er, Grek 1, hatte die Aufgabe, das Urptra-System zu verwalten, und diese Aufgabe wäre gefährdet, würde er auf Chanetra sein Leben aufs Spiel setzen. Wenn das noch einmal vorkommt, muß ich mich zur Psycho-Konditionierung melden! dachte er.
* Als Grek 1 seine Kommandozentrale betrat, wartete der Grek 1 der Hyperfunkstation bereits auf ihn.
17 »Funkspruch vom Hauptquartier«, meldete er. »Wir sollen innerhalb der nächsten zehn Tage zwei Transporte neuer Rekruten erhalten, die sofort in die Ausbildung eingereiht werden müssen.« »Darauf ist unser Ausbildungszentrum nicht eingerichtet«, erwiderte der Grek 1 des Urptra-Systems und griff nach der Folie, auf der die Funkmeldung ausgedruckt war. »Aber die Mitteilung ist eindeutig«, sagte er, nachdem er die Meldung gelesen hatte. »Ich frage mich nur, warum man uns derart überfordert und die optimale Ausbildung gefährdet.« »Wahrscheinlich will das Hauptquartier eine schnelle Entscheidung im Krieg gegen die Arkoniden erzwingen«, erwiderte der Funker. »Was ich an Funksprüchen aufgefangen und entschlüsselt habe, deutet darauf hin, daß Orbanaschol III. im Großen Imperium mehr und mehr an Ansehen einbüßt. Über den Kristallprinzen Atlan, der Orbanaschol stürzen möchte, liegen zwar keine neuen Nachrichten vor, aber es erscheint logisch, daß er die Schwäche Orbanaschols ausnutzt, um das Amt des Imperators einzunehmen.« »Das wäre schlecht für uns«, meinte Grek 1. »Ich habe schon viel über diesen Atlan gehört. Wie es scheint, ist er ein fähiger Kopf, der seine Emotionen weit besser unter Kontrolle hat als andere Arkoniden. Wenn er die Macht im Großen Imperium an sich reißt, wird er alle Kräfte auf den Kampf gegen uns konzentrieren. Es wird wirklich höchste Zeit, die Weichen entscheidend zu schlagen. Unter diesen Umständen ist es logisch, daß das Hauptquartier die Ausbildung von Raumsoldaten verstärkt.« Er wandte sich an seinen Stellvertreter, der bisher schweigend gewartet hatte. »Sorgen Sie dafür, daß in den Unterkünften Platz für die Neuen geschaffen wird und daß die Rekruten in die Tausendschaften der Raumkadetten eingegliedert werden!« »Aber die Unterschiede im Ausbildungsstand sind zu groß«, wagte sein Stellvertreter einzuwenden.
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»Das brauchen Sie mir nicht zu sagen!« fuhr Grek 1 ihn an. »Die Ausbilder müssen eben angewiesen werden, nach einem gestaffelten Ausbildungsplan zu arbeiten – und zwar so, daß die Unterschiede nach dreißig Tagen verschwunden sind. Ist das verstanden worden?« »Ich habe verstanden, Grek 1«, antwortete sein Stellvertreter. Hastig verließ er den Raum. Grek 1 sah ihm nach. Er konnte verstehen, daß sein Stellvertreter sich Sorgen machte, denn es verstieß gegen die Logik, soeben eingezogene Rekruten mit Raumkadetten zusammen auszubilden, die schon ein Vierteljahr Dienst taten. Aber dieser Verstoß gegen die Logik war notwendig, um die höherwertige Logik der Gesamtstrategie zu erhalten. »Gehen Sie an Ihren Platz zurück!« befahl er dem Funker. »Ich bin in der nächsten Stunde im Rechenraum der Positronik zu erreichen.«
* Die halbe Stunde, die Grek 1 im Rechenraum verbracht hatte, tat ihm gut. Der Umgang mit einer nach absolut logischen Gesetzen funktionierenden Maschine hatte ihm sein inneres Gleichgewicht wiedergegeben. Dennoch war er nicht frei von Sorgen. Die Berechnungen hatten erwiesen, daß die Zahl der auf Chanetra gefangengehaltenen kampffähigen Arkoniden zu gering war, um dem gestiegenen Bedarf gerecht zu werden, der zwangsläufig mit der außerplanmäßigen Zuteilung von Rekruten verbunden war. Es würde notwendig sein, beim Hauptquartier einen Transport weiterer Kriegsgefangener anzufordern. Aber obwohl Grek 1 wußte, daß er nicht darum herumkam, scheute er noch davor zurück. Er wußte, daß in letzter Zeit immer weniger Gefangene gemacht wurden. Die Arkoniden schienen es vorzuziehen, im Kampf zu fallen oder sich in aussichtsloser Lage selbst zu töten. Deshalb wurden immer weniger kampffähige
Arkoniden gefangen. Nur die Zahl der gefangenen Frauen und Kinder war ungefähr gleich geblieben. Aber Frauen und Kinder waren keine guten Ausbildungsobjekte. Die maahkschen Raumkadetten konnten nicht zu erfahrenen Kämpfern erzogen werden, wenn die Manövergegner ihnen keinen entschlossenen Widerstand leisteten. Grek 1 sah sich vor einer Konfliktsituation. Er mußte kampffähige Gefangene anfordern, um seiner Pflicht zu genügen, aber er wußte andererseits, daß eine solche Forderung unerfüllbar war. Damit wurde die Erfüllung der Pflicht zu einem sinnlosen Unterfangen. Deshalb war Grek 1, soweit ein solches Gefühl bei einem Maahk überhaupt möglich war, beinahe froh darüber, als der Grek 1 der Funkstation ihn anrief. »Was gibt es?« fragte er. »Ein fremdes Raumschiff ist außerhalb des Systems aufgetaucht, Grek 1«, meldete der Funker. »Es hält einen Kurs, der es mitten ins System bringen wird.« »Ein fremdes Raumschiff? Kein Kugelraumschiff und auch kein Walzenraumer?« »Nein, Grek 1. Es ist sehr klein und von ovaler Form. Uns ist kein solcher Schiffstyp bekannt.« »Das ist nur ein Trick der Weichen«, meinte Grek 1. »Sie halten uns offenbar für so dumm, ein Schiff in unser System einfliegen zu lassen, wenn es nicht die für Arkonidenraumer typische Kugelform besitzt. Wahrscheinlich wollen sie spionieren. Hält es immer noch seinen Kurs?« »Die Raumüberwachung meldet, daß inzwischen eine Kurskorrektur stattgefunden hat«, antwortete der Funker. »Das Schiff steuert jetzt genau den Planeten Xymoch an.« »Dann wissen die Arkoniden offenbar, daß sich auf Xymoch unser Ausbildungszentrum befindet«, erwiderte Grek 1. »Ich brauche Sie nicht mehr.« Er schaltete zur Bereitschaftszentrale der Wachflotte des Systems um und befahl, dem arkonidischen Spionageschiff einen Kreuzer
Kundschafter im Kosmos der Mittelklasse entgegenzuschicken. Der Kreuzer sollte das kleine Raumschiff abfangen und nach Möglichkeit aufbringen. Danach kehrten die Gedanken von Grek 1 wieder zum alten Problem zurück. Er hielt das Auftauchen des Spionageschiffs nicht für so bedeutsam, daß er sich länger damit befassen würde. Es war dumm und leichtfertig von den Arkoniden, auf diese Weise vorzugehen. Sie hatten ihr Spionageschiff schon jetzt verloren.
4. Als der Interdimensionsantrieb sich abschaltete und das Kundschafterschiff in den Normalraum zurückfiel, sagte Algonkin-Yatta: »Wir sind da, Anlytha! Vielleicht werde ich noch heute Atlan begegnen!« »Du scheinst direkt besessen von diesem Gedanken zu sein, Algonkin«, erwiderte Anlytha. »Was kann an einem einzelnen Lebewesen so Besonderes sein, auch wenn es sich Kristallprinz nennt?« »Das verstehst du nicht«, sagte der Kundschafter. »Kristallprinz Atlan, das ist so etwas wie ein leuchtendes Symbol zwischen den Sternen.« Er hatte noch mehr sagen wollen, schwieg aber, weil er in diesem Augenblick die Sensoren auf die Erscheinungen des Normalraums ansprachen. Auf dem vorderen Bildschirm wurde eine in allen Farben schillernde Riesensonne abgebildet, und die Auswertungsschirme zeigten Daten, aus denen hervorging, daß die Riesensonne von fünf Planeten umkreist wurde. »Vier relativ kleine Planeten und ein Riesenplanet«, sagte Algonkin-Yatta. »Eigentlich hatte ich hier gar kein Planetensystem erwartet, sondern nur eine Raumstation. Das sagte Scoopar jedenfalls.« »Vielleicht hat er dich angelogen?« meinte Anlytha. »Angelogen?« fragte der Kundschafter und machte ein verblüfftes Gesicht. Anlytha zwitscherte hell, dann sagte sie:
19 »Du weißt offenbar nicht, was eine Lüge ist, Algonkin. Stimmt es?« »Es stimmt; ich weiß es wirklich nicht«, erwiderte Algonkin-Yatta. »Bitte, erkläre es mir!« »Lügen heißt, wissentlich die Unwahrheit sagen, um ein anderes Lebewesen zu täuschen oder um sich einer Verantwortung zu entziehen.« Algonkin-Yatta schüttelte den Kopf. »Das ist unglaublich, Anlytha. Weißt du das bestimmt? Oder könnte es sein, daß es sich nur um eine Phantom-Erinnerung handelt? Immerhin ist eine Amnesie stets mit einer Störung der Funktion des zentralen Nervensystems verbunden. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, daß ein Lebewesen wissentlich die Unwahrheit sagt.« »Ich glaube, es handelt sich um eine echte Erinnerung«, meinte Anlytha. »Versuche einmal, mich anzulügen! Sage mir etwas, was nicht stimmt!« »Mir fällt gerade nichts ein«, erklärte Algonkin-Yatta. »Außerdem kann ich nur dann etwas sagen, was nicht stimmt, wenn ich mir einbilde, daß es stimmt. Sicher ist mir das schon öfter passiert.« »So meinte ich es nicht!« rief Anlytha und zwitscherte abermals belustigt. »Sage mir doch einfach, du könntest zaubern!« »Aber ich weiß, daß ich nicht zaubern kann«, entgegnete der Kundschafter. »Sage es trotzdem!« Algonkin-Yatta holte tief Luf, dann sagte er: »Ich kann …« Er schüttelte erneut den Kopf. »Es geht nicht, Anlytha. Wie kann ich etwas behaupten, von dem ich weiß, daß es nicht stimmt!« »Das ist ein Nachteil«, erklärte Anlytha. »Aber ich werde dir das Lügen schon noch beibringen, Algonkin. Jedenfalls nehme ich an, daß dieser Scoopar dich angelogen hat. Sonst müßte ja hier eine Raumstation sein.« »Warum hätte er mich täuschen oder sich einer Verantwortung entziehen sollen?« fragte der Kundschafter. »Er hätte, da er im Sterben lag, keinen Vorteil davon gehabt. Es
20 handelt sich entweder um ein Mißverständnis, oder das Schiff ist beim Interdimensionsflug von einem Kraftfeld beeinflußt worden, so daß es vom Kurs abkam. Es könnte aber auch sein, daß Scoopar keine frei im Raum schwebende Station meinte, sondern eine Station auf einem Planeten. Der Riesenplanet erscheint mir als am besten dafür geeignet, deshalb werde ich ihn anfliegen.« »Ausgerechnet diesen Giganten!« rief Anlytha. »Wahrscheinlich hat er eine Schwerkraft von drei Gravos und einen radioaktiv strahlenden Kern, vom atmosphärischen Druck ganz zu schweigen. Dort lebt bestimmt niemand.« »Auf Ruoryc herrschen ähnliche Bedingungen«, erwiderte Algonkin-Yatta während er eine Kurskorrektur vornahm und damit genau auf den Planetenriesen zu steuerte. »Ruoryc hat ungefähr die fünffache Masse von Perpandron, also von dem Planeten der Goltein-Heiler. Sein Magnetfeld ist sogar siebzehnmal so stark, und in der Planetenkruste befinden sich zahlreiche radioaktive Elemente, so daß sie strahlt wie ein defekter alter Atommeiler mit mangelhafter Isolierung.« »Dann ist deine Heimatwelt ja der reinste Höllenplanet!« entfuhr es Anlytha. »Und dort lebt dein Volk?« »Ich sagte bereits, daß wir in hermetisch abgeschlossenen Kuppelbauten leben«, erklärte der Kundschafter geduldig. »Wir Mathoner haben uns nicht auf Ruoryc entwickelt …« »… sondern auf Mathon, nicht wahr?« fiel Anlytha ihm ins Wort. Algonkin-Yatta schüttelte den Kopf. »Nein, unsere Ahnen kamen mit einem Raumschiff, das MATHON hieß, in die Nähe von Ruoryc. Sie waren auf der Flucht vor halutischen Raumschiffen, die ihren Heimatplaneten verwüstet hatten. Als sie das System der blauen Riesensonne Yrgarth erreichten, glaubten sie sich verloren, denn keiner der Planeten sah so aus, als könnte er ihnen eine neue Heimat bieten. Sie konnten auch nicht weiterfliegen, um ein anderes
H. G. Ewers Planetsystem zu suchen, denn ihre Treibstoffvorräte waren erschöpft. Da fingen sie Funksignale auf, die vom achten Planeten der blauen Riesensonne kamen. Während sie noch überlegten, was die Funksignale zu bedeuten hatten, wurde ihr Raumschiff in Fernsteuerung genommen und auf dem achten Planeten gelandet. Dort nahm sich das technische Erbe einer längst ausgestorbenen Zivilisation ihrer an, beschützte sie vor den extremen Umweltbedingungen und versorgte sie mit allem Nötigen.« »Das klingt, als wären sie von Robotern als Gefangene gehalten worden«, warf Anlytha ein. »Praktisch mag das gestimmt haben«, gab Algonkin-Yatta zu. »Innerhalb weniger Generationen wurden unsere Vorfahren vom technischen Erbe der ausgestorbenen Zivilisation vollständig integriert. Offenbar empfanden sie sich tatsächlich als Gefangene, denn es kam immer wieder zu Ausbrüchen. Das war natürlich unvernünftig, denn unsere Vorfahren waren nicht an die extremen Umweltbedingungen von Ruoryc angepaßt. Diejenigen, die nicht von den mobilen Ablegern von MYOTEX zurückgeholt werden konnten, kamen um. MYOTEX, wie sich das technische Erbe in seiner Gesamtheit nennt, wollte diese sinnlosen Rebellionen und Todesfälle verhindern. Es startete ein Teilanpassungsprogramm, so daß Ausbrecher eine gute Chance hatten, in der natürlichen Umwelt zu überleben. Dazu wurde ein Raumfahrtsprogramm entwickelt. MYOTEX baute Kundschafterschiffe, rüstete sie mit allem Nötigen aus und startete ein Ausbildungsprogramm für Kosmische Kundschafter. Jeder gesunde Mathoner, der sich für die Erforschung des Weltraums interessierte, konnte Kundschafter werden. Seitdem fliegen unsere Kundschafterschiffe auf vorausberechneten Kursen durchs All und sammeln Informationen.« »Und du hast deinen vorausberechneten Kurs verlassen, Algonkin«, sagte Anlytha
Kundschafter im Kosmos und schaute den Kundschafter besorgt an. »Wird MYOTEX dich dafür bestrafen, wenn du zurückkommst?« »Warum?« fragte Algonkin-Yatta. »MYOTEX ist unser Partner, aber nicht unser Herr. Es berechnet die Kundschafterkurse nur deshalb, damit sich niemand in den Tiefen des Alls verirrt und damit nicht mehrere Kundschafter das gleiche Gebiet erforschen. Außerdem werde ich, wenn ich mit Atlan gesprochen habe, so wertvolle Informationen mit nach Hause bringen, daß MYOTEX mir einen Wunsch freigibt.« »Ihr seid ein seltsames Volk – und MYOTEX ist noch viel seltsamer«, sagte Anlytha. »Du wirst uns und MYOTEX kennenlernen«, erwiderte der Kundschafter lächelnd. Plötzlich versteifte sich seine Haltung; seine Augen leuchteten in freudiger Erregung auf. »Wir sind doch im richtigen Raumsektor!« rief er. »Die Sensoren haben ein Raumschiff festgestellt, das sich uns nähert. Es scheint von dem Riesenplaneten zu kommen. Also wird sich dort tatsächlich die Station befinden. Ich freue mich schon auf die Begegnung. Kannst du eine Funkverbindung mit dem anderen Schiff herstellen?« »Aber sicher«, antwortete Anlytha. »Allmählich steckst du mich mit deiner Erregung an. Ich kann es kaum erwarten, diesen Atlan kennenzulernen.«
* Verwundert betrachtete Algonkin-Yatta die Abbildung des Lebewesens auf dem Schirm des Hyperfunkgeräts. Ein Arkonide konnte es nicht sein, denn die Arkoniden auf Perpandron hatten völlig anders ausgesehen. Das Lebewesen auf dem walzenförmigen Raumschiff, das sich dem Kundschafterschiff näherte, war nicht nur viel größer, sondern auch viel breiter. Noch stärker unterschied sich seine Kopfform von der eines Arkoniden. Der Kopf dieses Wesens saß haltlos auf den Schultern und bildete eine Art sichelförmigen Wulst, auf dessen
21 Grat vier Augen saßen. Und noch etwas anderes fiel dem Kundschafter auf. Das Raumschiff des Fremden schien von einer anderen Atmosphäre angefüllt zu sein als das Kundschafterschiff. Immer wieder kam es zu Schlierenbildungen und flüchtigen, von Leuchterscheinungen begleiteten chemischen Reaktionen. Anlytha stieß einen schrillen Schrei aus und wich vom Funkgerät zurück. Ihr Federkamm sträubte sich zitternd. »Was hast du?« fragte Algonkin-Yatta ärgerlich. »Stört dich das andersartige Aussehen dieses Wesens etwa? Wenn ja, dann bedenke, daß die Andersartigkeit auf Gegenseitigkeit beruht. Ich freue mich jedenfalls schon auf das Gespräch mit dem Fremden. Schade, daß mein Translator einige Zeit brauchen wird, um seine Sprache zu analysieren.« Er schaltete seinen Translator ein und hielt ihn mit beiden Händen hoch, damit der Fremde ihn sah und seine Bedeutung begriff. Bei raumfahrttreibenden Lebewesen durfte man voraussetzen, daß sie derart elementare Kenntnisse besaßen, um das Funktionsprinzip einfachster Geräte zu durchschauen oder zu erraten. Der Fremde enttäuschte den Kundschafter nicht. Er bewegte die hornigen Lippen, und aus den Lautsprechern des Hyperfunkgeräts drangen gedehnte, quarrende und eindeutig modulierte Laute. Gleichzeitig hob der Fremde ein Gerät hoch, das stärke Ähnlichkeit mit Algonkin-Yattas Translator besaß. Da der Kundschafter nicht unhöflich sein wollte, sprach er ebenfalls in die Mikrophone seines Hyperfunkgeräts. Er verwendete dabei einen von MYOTEX speziell für die Eingabe in fremde Translatoren ausgearbeiteten Text, der eine optimale Analysierung des Mathona in denkbar kurzer Zeit ermöglichte. Natürlich war das in diesem Fall zwecklos. Wie Algonkin-Yatta erwartet hatte, schloß sein Translator die Analysierung der fremden Sprache zuerst ab. Plötzlich konnte der Kundschafter verstehen, was der Fremde
22 sagte. Wie nicht anders zu erwarten, handelte es sich um Wort- und Satzbildungen ohne Informationswert für Algonkin-Yatta, denn auch der Fremde sprach nur für den Translator. Mit Gesten bedeutete der Kundschafter dem Fremden, daß er ihn verstand, so daß einer Kommunikation nichts mehr im Wege stand. Er hätte selbstverständlich zuerst in seinen Translator sprechen können, doch besagten die Kundschafterregeln, die Eröffnung der Kommunikation möglichst dem Gesprächspartner zu überlassen, um ihm damit klar zu machen, daß man ihn nicht bevormunden wollte. Der Fremde begriff auch das sofort. Algonkin-Yatta konnte es zwar nicht seinem starren Gesichtsausdruck entnehmen, aber er sah, wie der Fremde seinen Translator wegstellte. Im nächsten Augenblick ertönten seine übersetzten Worte aus dem Translator des Kundschafters. »Kampfschiff TAMONTH an Besatzung des Schiffes, das unerlaubt ins Urptra-System eingeflogen ist. Sie werden aufgefordert, zu stoppen und ein Prisenkommando an Bord kommen zu lassen. Bei Gegenwehr wird das Feuer eröffnet. Ende!« Algonkin-Yatta lauschte den Worten verwundert nach, dann kratzte er sich am Kopf und wandte sich an Anlytha. »Ein etwas ausgefallener Willkommensgruß«, meinte er. »Aber die Bräuche sind wohl bei allen Völkern verschieden. Sicher handelt es sich um eine Art Ritual.« »Ich hielt es für eine Drohung«, wandte Anlytha zaghaft ein. Der Kundschafter lachte unbekümmert. »Eine Drohung! Welch absurder Gedanke! Niemand hat einen Grund, uns zu bedrohen.« Er wandte sich wieder seinem Translator zu und sagte: »Ich bin Kundschafter Algonkin-Yatta und freue mich sehr über unsere Begegnung. Selbstverständlich werde ich Ihnen gern die
H. G. Ewers kleine Gefälligkeit erweisen, ihre Gebräuche zu befolgen. Nur eine Frage bitte ich mir zu beantworten, bevor wir mit dem Ritual der Begrüßung anfangen. Befindet sich Kristallprinz Atlan in der Station auf dem Planeten, von dem Ihr Schiff gekommen ist?« Der Fremde sagte eine ganze Zeitlang gar nichts. Aber seine Augen schienen zu glitzern, und irgendwie veränderten sich seine bisher starren Gesichtszüge – falls man bei der Vorderseite seines Kopfes überhaupt von einem Gesicht sprechen konnte, denn die Sehorgane befanden sich ja auf der Oberseite des Schädels. »Stoppen Sie und warten Sie ab!« sagte der Fremde schließlich. »Ich will mich erkundigen, ob die von Ihnen gewünschten Information abrufbar ist.« Der Bildschirm des Hyperfunkgeräts wurde dunkel, ein Zeichen dafür, daß der Fremde die Verbindung unterbrochen hatte. Erneut wandte sich Algonkin-Yatta an Anlytha und rief: »Da siehst du, daß die Worte des Fremden nicht als Drohung gemeint waren! Er will sich für mich danach erkundigen, ob Atlan auf dem Riesenplaneten weilt. Das ist ein ausgesprochen freundliches Verhalten.« Er bremste das Kundschafterschiff ab und wartete in freudiger Erregung auf die Weiterführung der Kommunikation …
* Der Kommandant der TAMONTH sprach unterdessen über Hyperkom mit dem Grek 1 des Urptra-Systems. »Dieser … Wie heißt er doch gleich?« sagte Grek 1. »Er nannte sich Algonkin-Yatta und bezeichnete sich als Kundschafter«, antwortete der Kommandant. »Ein eigenartiger Name«, meinte Grek 1. »Und dieser Algonkin-Yatta hat geradeheraus nach Atlan gefragt, obwohl Atlan ein Arkonide und damit einer unserer Todfeinde ist?« »Ja, Grek 1. Er wollte wissen, ob sich At-
Kundschafter im Kosmos lan auf Xymoch aufhält.« »Das ist absolut unlogisch«, erwiderte Grek 1. »Es sei denn, er nimmt an, Atlan wäre unser Gefangener. Halten Sie das für denkbar, Kommandant?« »Der Wortlaut seiner Frage zwingt zu der Annahme, daß er Atlan nicht für unseren Gefangenen hält. Überhaupt hat sich der Kundschafter recht seltsam benommen. Auf meine Aufforderung, zu stoppen und ein Prisenkommando zu übernehmen, antwortete er, daß er sich über unsere Begegnung freut und uns gern die kleine Gefälligkeit erweisen würde, unsere Gebräuche zu befolgen.« »Ein Täuschungsmanöver«, erwiderte Grek 1. »Dieser Spion will nur Zeitgewinnen.« »Aber er hat sein Schiff tatsächlich gestoppt«, wandte der Kommandant ein. »Ich werde ein Prisenkommando hinüberschicken und die Besatzung des Schiffes einem harten Verhör unterziehen.« »Die Besatzung?« fragte Grek 1. »Ich dachte, der Spion wäre allein.« »Auf dem Bildschirm meines Hyperkoms war noch eine zweite Person zu sehen. Sie scheint übrigens nicht dem gleichen Volk anzugehören wie der Kundschafter, der, so scheint es, kein Arkonide ist, sondern einem uns unbekannten Volk angehört.« Grek horchte auf. Die Fähigkeit zu logischem Denken war bei ihm stärker ausgeprägt als bei seinen Untergebenen, sonst hätte er nicht den Rang eines Grek 1 des Urptra-Systems bekleidet. Deshalb kam er, obwohl seine Informationen nur aus zweiter Hand stammten, zu einem Schluß, den er für richtig und bedeutsam hielt. »Ich halte es für möglich, daß Algonkin-Yatta nicht weiß, mit wem er es bei uns zu tun hat, Kommandant«, erklärte er. »Da er fremd in diesem Teil des Universums zu sein scheint, hält er uns vielleicht für Freunde des Kristallprinzen. Wir müssen diese Situation ausnutzen, bevor der Fremde merkt, was gespielt wird. Solange er uns als Freunde einstuft, können wir von ihm vielleicht mehr über Atlan erfahren. Möglicherweise
23 ist der Fremde versehentlich hierher gekommen und wollte sich eigentlich woanders mit Atlan treffen. Sie, Kommandant, werden deshalb sehr diplomatisch vorgehen und weder Algonkin-Yatta noch die andere Person hart anfassen.« »Ich habe verstanden, Grek 1«, sagte der Kommandant. »Wohin soll ich die ›Gäste‹ bringen?« Grek 1 überlegte kurz, dann sagte er: »Schleppen Sie ihr Schiff nach Chanetra ab, denn letzten Endes werden die beiden Besatzungsmitglieder doch im Camp der Gefangenen landen. Ich werde ebenfalls nach Chanetra fliegen und die Gefangenen dort verhören. Gehen Sie persönlich mit dem Prisenkommando an Bord des Kundschafterschiffs, damit Ihre Leute keinen Fehler begehen. Die Fremden müssen so lange wie möglich in dem Glauben gelassen werden, daß wir ihre und Atlans Freunde sind. Sie werden schon unterwegs versuchen, sie behutsam auszuhorchen!« »Ich werde mein Bestes tun, Grek 1«, erwiderte der Kommandant der TAMONTH.
5. Das schwarze Walzenraumschiff schwebte dicht neben dem Kundschafterschiff im All. Etwas nach rechts versetzt, leuchtete die in allen Farben schillernde Riesensonne. Schräg links war die angestrahlte Sichel des Riesenplaneten Xymoch zu sehen. »Der Riesenplanet wird von sechs Monden umkreist«, stellte Algonkin-Yatta nach einem Blick auf die Sensorenanzeigen fest. »Der größte von ihnen hat sogar eine Sauerstoffatmosphäre, in der du ohne Schwierigkeiten leben könntest.« »Ich bin nicht daran interessiert, auf einem Mond dieses Planetengiganten zu leben«, erwiderte Anlytha. »Außerdem begreife ich nicht, daß du in aller Ruhe die Himmelskörper dieses Systems untersuchst, während das Walzenraumschiff uns bedroht. Oder erkennst du nicht, daß es seine Geschützmündungen auf uns gerichtet hat?«
24 »Eine Geste, die Achtung ausdrücken soll«, erklärte der Kundschafter. »Das zeugt von gewissen archaischen Überresten in der Mentalität der Fremden. Aber ich bin sicher, daß auch in unserer Mentalität einige archaische Überreste vorhanden sind. Da, das Walzenraumschiff schleust ein Beiboot aus! Ich werde eine Schleuse öffnen, damit das Begrüßungskomitee ohne Verzögerung an Bord kommen kann.« »Du bist unbelehrbar, Algonkin«, sagte Anlytha. »Ich fürchte mich vor den Fremden. Allerdings …« »Was ist allerdings?« fragte der Kundschafter. Anlytha stieß ein erheiterndes Zwitschern aus. »Allerdings bin ich sehr neugierig auf die fremdartigen Gegenstände, die die Fremden mitbringen werden.« »Du wirst dich zurückhalten!« befahl Algonkin-Yatta. »Ich wünsche nicht, daß meine ernsthaften Gespräche mit den Fremden durch profanes Feilschen um den Preis einiger Souvenirs gestört werden!« »Wer spricht denn von Feilschen!« flüsterte Anlytha und musterte ihre schmalen, sehr gelenkigen Finger. Ihre Augen glitzerten dabei in freudiger Erwartung. Algonkin-Yatta hatte ihre letzten Worte nicht verstanden. Er kam auch nicht dazu, um eine Wiederholung zu bitten, denn eine schwache Erschütterung zeigte an, daß das Beiboot der Fremden in der Schleuse des Kundschafterschiffs aufgesetzt hatte. Algonkin-Yatta aktivierte die Signalanlage, die den Besuchern den Weg in die Kommandozentrale wies. Kurz darauf polterten fünf der fremden Lebewesen in die Zentrale. Sie trugen schwere Druckanzüge und hielten Waffen in den Händen. Der Kundschafter erhob sich von seinem Platz, legte sich die Hände auf die Schultern und hielt sie dann den Besuchern entgegen. »Willkommen an Bord meines Schiffes!« sprach er in seinen Translator. »Darf ich Ihnen Anlytha vorstellen, einen Gast, den ich aufnahm, weil sein Raumschiff havariert
H. G. Ewers war. Ich hoffe doch, Sie haben die Außenmikrophone Ihrer Druckanzüge eingeschaltet, damit Sie mich verstehen.« Aus den Außenlautsprechern eines Fremden drangen die typischen Laute seiner Sprache. Sie wurden augenblicklich von Algonkin-Yattas Translator übersetzt. »Wir danken Ihnen für Ihre Gastfreundschaft, Algonkin-Yatta. Ich bin der Kommandant des Raumschiffs, das zu Ihrem Empfang geschickt wurde. Leider erfuhr ich, daß Kristallprinz Atlan nicht auf Xymoch weilt. Es kann allerdings sein, daß er uns zu einem späteren Zeitpunkt besucht. Hat er Ihnen gesagt, daß er hierher kommen will?« Algonkin-Yatta wollte schon wahrheitsgemäß antworten, als ihm etwas auffiel. Das Verhalten der Fremden ihm gegenüber wies einen Bruch auf, der so gravierend war, daß es keine logische Erklärung dafür gab. Es sei denn, diese Lebewesen verfügten über die Fähigkeit, die Anlytha ihm gegenüber erst kürzlich erwähnt hatte: die Fähigkeit, zu lügen. Aber was konnten sie damit bezwecken, daß sie ihm wissentlich die Unwahrheit sagten? Der Kundschafter hatte keine Ahnung, aber er nahm sich vor, nichts Unbedachtes zu äußern. Da es in ihm einen – vielleicht unüberwindbaren -Widerstand gab, der ihn hinderte, eine Lüge auszusprechen, griff er zum Mittel des Ausweichens. »Er wollte zu dem Koordinatenpunkt fliegen, an dem sich dieses Planetensystem befindet«, antwortete er. »Allerdings kann er seine Absicht geändert haben. Da fällt mir ein, daß ich Ihren Namen noch nicht weiß. Würden Sie so freundlich sein, ihn mir zu nennen?« »Ich bin der Grek 1 meines Raumschiffs«, antwortete der Kommandant. »Der Grek 1?« fragte Algonkin-Yatta. »Das klingt eher wie ein Titel denn als ein Name.« »Namen in Ihrem Sinne benötigen wir nicht«, erklärte der Kommandant. »Das Gesetz der Logik hält die Rangordnung für be-
Kundschafter im Kosmos deutsamer als Kennzeichen, die nichts über die Funktion des Betreffenden in seinem Arbeitsbereich aussagen.« »Es ist richtig, daß erst die Arbeit und die Leistung die Persönlichkeit eines Lebewesens ausmacht«, erwiderte der Kundschafter. »Aber auch außerhalb der Arbeit ist jedes Lebewesen auf einer bestimmten Entwicklungsstufe eine Persönlichkeit. Deshalb halte ich es für falsch, die Kennzeichnung ausschließlich auf die Stufe der Rangordnung zu beschränken, die jemand während seiner Arbeit einnimmt. Aber das ist natürlich nur meine individuelle Meinung.« Der Maahk blickte den Kundschafter verwirrt an. Algonkin-Yatta lächelte und sagte: »Aber ich langweile Sie sicher mit solchen Nebensächlichkeiten. Ich wäre sehr froh, wenn Sie mir erlauben würden, mich einige Zeit in diesem System aufzuhalten. Ich könnte mit Ihnen und anderen Angehörigen Ihres Volkes Gedanken austauschen. Außerdem kommt Atlan vielleicht doch noch hierher.« »Sie sind uns sehr willkommen, Algonkin-Yatta«, erwiderte der Kommandant. »Wenn Sie erlauben, nimmt mein Schiff Ihr Schiff mit einem Traktorstrahl in Schlepp und bringt es nach Chanetra, den sechsten Mond des Riesenplaneten.« »Ich danke Ihnen für Ihre Freundlichkeit«, sagte der Kundschafter. Er trat zu seinem Schaltpult und nahm so schnell eine Schaltung vor, daß die Maahks davon völlig überrascht wurden. »Was haben Sie da getan?« fragte der Kommandant argwöhnisch. »Er hat den Autopiloten abgeschaltet, damit das Schiff sich gegenüber dem Traktorstrahl passiv verhält«, warf Anlytha ein, die erkannte, daß der Kundschafter vergeblich nach einer Ausrede suchte, die mit der Wahrheit übereinstimmte und den Maahks dennoch nicht verriet, daß das Kundschafterschiff ohne die betreffende Schaltung nicht von einem Traktorstrahl erfaßt werden konnte.
25 »Das scheint logisch«, meinte der Maahk. Er schaltete sein Helmfunkgerät ein und befahl dem Piloten seines Schiffes, das Kundschafterschiff in Schlepp zu nehmen und Chanetra anzufliegen.
* Der Kommandant des Maahkraumers wollte das Kundschafterschiff durchsuchen, während es nach Chanetra geschleppt wurde. Er kam jedoch gar nicht dazu, seinen Wunsch zu äußern, denn Algonkin-Yatta bot ihm von sich aus an, ihn und seine Begleiter durch sein Schiff zu führen. Der Maahk ließ einen seiner Leute in der Zentrale zurück und folgte dem Kundschafter zusammen mit seinen anderen drei Begleitern. Anlytha schloß sich der Gruppe an, war aber unterwegs plötzlich verschwunden. Der maahksche Kommandant musterte wißbegierig den kugelförmigen Raum, den der Kundschafter ihm als ersten zeigte. Er wunderte sich über die durchgehende Polsterung, die nur von zahlreichen kleinen Nischen unterbrochen wurde, in denen indirekt beleuchtete Gegenstände lagen, hingen und standen. »Das ist die Wohnzelle meines Schiffes«, erklärte Algonkin-Yatta. Der Maahk sah, daß der Kundschafter einen Sensorpunkt seines Armbandgeräts berührte. Im nächsten Augenblick fühlte er sich schwerelos werden. Da er gerade einen Schritt getan hatte, schwebte er zur Decke der Wohnzelle, stieß dort mit dem Kopf an und segelte danach schräg abwärts. Seinen drei Begleitern ging es nicht viel besser. »Sie müssen sich entspannen, um die Schwerelosigkeit zu genießen!« sagte der Kundschafter. »Drehen Sie sich langsam und betrachten Sie die auserwählten Kunstgegenstände in den Nischen.« Da die Maahks darauf trainiert waren, sich auch in völliger Schwerelosigkeit sicher zu bewegen, bekamen sie sich rasch unter Kontrolle. Der Kommandant verkniff sich einen Protest gegen die »unlogische Spiele-
26 rei« des Kundschafters, denn er wollte ihn bei Laune halten. Er beobachtete, wie Algonkin-Yatta einen der Gegenstände aus seiner Nische holte. Dabei überlegte der Maahk, wie der Planet beschaffen sein mußte, auf dem sich Algonkin-Yattas Volk entwickelt hatte. Es mußte eine Sauerstoffwelt ähnlich den Welten sein, auf denen die Arkoniden lebten, denn der Kundschafter besaß eine gewisse äußere Ähnlichkeit mit diesen Leuten. Sogar die Anzahl der Augen und der Finger stimmte überein. Andererseits war Algonkin-Yatta nicht nur kleiner als durchschnittliche Arkoniden, sondern wirkte auch erheblich stämmiger. Die enganliegenden, handtellergroßen Ohren deuteten auf besonders stark aufgeprägtes akustisches Orientierungsvermögen hin. Algonkin-Yatta setzte das eine Ende des stabförmigen Gegenstands an seine Lippen und blies hinein. Die Finger seiner Hände deckten abwechselnd die Löcher zu, die sich auf einer Seite des Objekts befanden. Eine Folge von Tönen erklang. Die Töne ließen eine gewisse Gesetzmäßigkeit erkennen, aber keinerlei Zweckmäßigkeit. »Was bedeutet das?« erkundigte sich der Maahk. »Eine Information?« »Es ist Musik«, erklärte der Kundschafter. »Die Flöte stammt von den dominierenden Lebewesen des Planeten Kalteraith. Von ihnen habe ich auch gelernt, wie man mit der Flöte umgeht. Dieses Flötenspiel ist eine Kunst.« »Und welchen Zweck verfolgt diese Kunst?« fragte der Maahk befremdet. »Sich bei ihrem Genuß zu entspannen und Assoziationen im Unterbewußtsein erzeugen zu lassen«, antwortete der Kundschafter. »Sie besitzen doch sicher auch Musikinstrumente, oder?« »Wir haben nichts Derartiges«, antwortete der Kommandant. »Es wäre unlogisch, die Zeit mit unproduktiven Spielereien zu vergeuden, die dringend für die technische und militärische Weiterbildung benötigt wird.« Algonkin-Yatta legte die Flöte zurück und
H. G. Ewers schaltete einen Holoprojektor ein. Die absolut echt wirkende Projektion einer Kristallhöhle, deren Färbung sich ständig änderte, erfüllte die Wohnzelle. »Was bedeutet ›militärisch‹?« erkundigte sich der Kundschafter. »Es umfaßt alles, was mittelbar oder unmittelbar mit der Kriegskunst zu tun hat«, antwortete der Maahk. »Und was ist ›Krieg‹?« fragte der Kundschafter weiter. »Krieg ist das Leben«, sagte der Kommandant. »Alle Lebewesen werden geboren, um zu kämpfen und dabei entweder zu siegen oder zu sterben. Die niederen Lebewesen führen diesen Kampf instinktiv, während die höher entwickelten Lebewesen ihre Kämpfe organisieren und planen, um optimale Effekte zu erzielen.« »Sie bilden also zwei Gruppen, die gegeneinander Krieg führen«, fragte Algonkin-Yatta. »Nein!« wehrte der Maahk ab. »Das wäre doch unlogisch, denn damit würden wir unsere Kräfte selbst schwächen. Und selbstverständlich kämpfen wir nur gegen Fremde.« »Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie Ihre Gegner aus?« bohrte der Kundschafter unermüdlich weiter, während die Holoprojektion wechselte und den Eindruck hervorrief, als befänden sich der Kundschafter und seine »Gäste« in einer bizarren, hell angestrahlten Unterwasserlandschaft. »Wir Maahks haben uns keine Gegner ausgewählt«, antwortete der Kommandant. Im selben Augenblick wurde ihm klar, daß er sich durch Ungeduld zur Preisgabe einer Information hatte verleiten lassen, die er niemals hätte preisgeben dürfen. Er musterte Algonkin-Yattas Gesicht und konnte darin nichts erkennen, was verraten hätte, daß der Kundschafter die Information verstanden hatte. Schnell sprach der Maahk weiter, um dem Fremden keine Zeit zu geben, die Information nachträglich in ihrer Bedeutung zu erfassen. »Es wäre bestimmt sehr nützlich, wenn Sie uns die Koordinaten Ihrer Heimatwelt
Kundschafter im Kosmos geben würden, damit wir Ihr Volk einmal besuchen können, Algonkin-Yatta.« »In dieser Form ist das leider nicht möglich«, erwiderte der Kundschafter. »Die Koordinaten befinden sich im Autopiloten, sind aber nicht abrufbar. Wenn ich zu meiner Heimatwelt zurückkehren will, gebe ich dem Autopiloten einen entsprechenden Befehl. Aber das ist natürlich kein Hindernis für einen Besuch. Sie brauchen mich nur in meinem Schiff zu begleiten.« Der Kommandant stufte die Antwort als negativ ein, denn ihm war klar, daß der Kundschafter das Urptra-System nicht wieder verlassen durfte. Die Gefahr, daß er die Koordinaten an die Arkoniden verriet, war zu groß. Folglich würde ihn auch niemand zu seiner Heimatwelt begleiten können. Es gab nur die Möglichkeit, die Bedienung des Kundschafterschiffs zu erlernen, so daß man mit ihm – aber ohne den Kundschafter und seine seltsame Begleiterin – zu seiner Heimatwelt gelangte. Unwillkürlich sah der Maahk sich nach Anlytha um. Erst da wurde ihm klar, daß sie nicht mehr bei ihnen war. Er überlegte, ob das für ihn irgendeine Bedeutung hatte und kam zu dem Schluß, daß er die Abwesenheit Anlythas ignorieren durfte. Wie sehr er sich irrte, sollte er erst viel später erfahren.
* Anlytha wartete, bis Algonkin-Yatta mit den vier Maahks um eine Gangbiegung verschwand, dann kehrte sie zur Steuerzentrale zurück. Als das Schott sich vor ihr öffnete, setzte sie einen Teil ihrer psionischen Fähigkeiten ein. Sie sah, daß der Fremde, der sich in der Zentrale aufhielt, herumfuhr und in ihre Richtung starrte. Da sie ihn psionisch beeinflußte, sah er sie nicht in ihrer wirklichen Gestalt, sondern als einen großen hochbeinigen, buntgefiederten Vogel. Der Fremde griff nach der Waffe, die in einem Halfter an seinem Gürtel steckte.
27 Doch dann ließ er seine Hand wieder sinken. Offenbar stufte er den Riesenvogel als harmloses dressierter Tier ein. Anlytha näherte sich dem Fremden langsam und blieb dicht vor ihm stehen. Sie wartete darauf, daß der Fremde den Kopf des Vogels zu streicheln versuchte. Aber sie würde enttäuscht. Zwar bemerkte sie, daß die Augen des Fremden auf sie gerichtet waren, aber er schien sie nur nüchtern zu betrachten und keinerlei Gefühle für den harmlosen und zutraulichen »Vogel« aufzubringen. Sie ärgerte sich darüber, vergaß allerdings nicht, dem Fremden mit einer für ihn unsichtbaren Bewegung die flache Metallkapsel zu entwenden, die er an einer kurzen Kette auf der linken Brustseite trug. Anschließend stellte sie sich neben ein Schaltpult und rührte sich nicht mehr. Sie hoffte, der Fremde würde allmählich das Interesse an ihr verlieren. Sobald er sie nicht mehr beobachtete, konnte sie ihm mit ihren psionischen Kräften ein anderes Erscheinungsbild von sich vorgaukeln. Zu ihrem Verdruß war es gar nicht so einfach, nicht von dem Fremden im Auge behalten zu werden, denn er konnte, wie Anlytha erst jetzt feststellte, mit seinen auf dem Sichelkopf verankerten Augen gleichzeitig nach vorn und nach hinten sehen. Doch sie bezähmte ihre Ungeduld – und endlich kam der Moment, in dem der Fremde sich so drehte, daß er sie optisch nicht erfaßte. Als er seinen Blick wieder auf sie richtete, sah er statt des Riesenvogels eine mobile Versorgungseinheit neben dem Schaltpult stehen. Er schloß die Augen und öffnete sie wieder. Aber das Bild der mobilen Versorgungseinheit blieb. Doch erneut ärgerte sich Anlytha, denn der Fremde reagierte nicht so, wie sie es erwartet hatte. Er zeigte überhaupt keine erkennbare Gefühlsregung, sondern ging auf die »Versorgungseinheit« zu, um zu untersuchen, was eigentlich gar nicht in der Zentrale sein durfte. Anlytha mußte sich beinahe anstrengen,
28 damit die tastenden Finger des Fremden genau das mit ihren Sensoren fühlten, was die Augen sahen. Natürlich fühlten sie es nicht tatsächlich, denn die Sensoren waren elektronische Elemente, die in den Spitzen der Handschuhfinger installiert waren und demzufolge unbestechlich. Anlytha mußte die von ihnen ans Gehirn übermittelten Eindrücke dort verfälschen, wo sie ankamen. Bei dieser Gelegenheit leerte sie die Außentaschen des Raumanzugs des Fremden. Viel war nicht darin, aber auch das Wenige würde die Sammlung bereichern. Nach einiger Zeit schien sich der Fremde davon überzeugt zu haben, daß er tatsächlich vor einer mobilen Versorgungseinheit stand. Er trat zurück und überlegte – und in dem winzigen Augenblick, in dem er nicht zu Anlytha sah, veränderte sie seine Wahrnehmung so, daß sie ihm als der Riesenvogel erscheinen mußte, den er schon vorher gesehen hatte. Diesmal entlockte die Reaktion des Fremden Anlytha ein triumphierendes Zwitschern, denn der Fremde blieb nicht länger sachlich. Er fuhr zurück, als wäre vor seinem Gesicht eine Bombe materialisiert, dann riß er die Arme hoch und rannte aus der Zentrale. Zufrieden ließ Anlytha sich in einen Sessel sinken und sagte: »Ich habe es also doch geschafft! Und ich fürchtete schon, dieser Kerl hätte so wenig Gefühle wie ein Roboter.« »Du wirst Kundschafter Algonkin-Yatta damit in Schwierigkeiten bringen«, sagte eine melodisch klingende Stimme. Anlytha stieß einen Schreckensschrei aus und fuhr hoch. »Wer hat da gesprochen?« »Die Psiotronik des Kundschafterschiffs«, antwortete die melodische Stimme. »Ich warne davor, weitere unbedachte Handlungen zu begehen. Wahrscheinlich hast du die Wahrnehmung des Fremden psionisch beeinflußt, und außerdem hast du ihn bestohlen. Er wird seinem Vorgesetzten Meldung darüber machen.«
H. G. Ewers Anlytha setzte sich wieder und winkte ab. »Soll er ruhig! Ich werde meine Fähigkeiten weiter einsetzen. Vielleicht fällt mir dabei ein, wer ich eigentlich bin und woher ich komme.«
6. Der Kommandant des Maahkraumschiffs zog seine Lähmwaffe, als der Soldat, den er in der Steuerzentrale zurückgelassen hatte, schreiend in die Wohnzelle stürzte. Algonkin-Yatta schaltete die Schwerkraft des Raumes wieder ein und stellte sie auf zwei Gravos, damit der hereinstürzende Maahk nicht geschoßgleich gegen die gegenüberliegende Wand prallte. Der Flug des Soldaten wurde jäh unterbrochen. Er stürzte zu Boden, und auch die anderen Maahks beendeten ihr schwereloses Schweben ziemlich abrupt. Dadurch kam der Kommandant nicht dazu, seine Lähmwaffe auf den Soldaten abzufeuern. Der Kundschafter ahnte, daß Anlytha den Maahk erschreckt haben mußte, wenn er auch nicht wußte, wie sie das angestellt hatte. Er war nicht sonderlich besorgt darüber, denn er fürchtete sich nicht vor den Maahks, obwohl er durch den Versprecher des Kommandanten wußte, daß es sich um Maahks und damit um die Feinde der Arkoniden handelte. Der sterbende Scoopar hatte ihm ja von dem erbitterten Krieg zwischen Maahks und Arkoniden berichtet. Als der Kommandant sich aufgerappelt hatte und erneut seine Lähmwaffe auf den Soldaten richtete, streckte Algonkin-Yatta die Hand aus und sagte: »Das wird nicht nötig sein, denke ich, Grek 1. Dieser Mann ist offenbar nur erschrocken und wird sich wieder beruhigen.« »Aber er reagiert emotionell und damit unlogisch!« rief der Kommandant. »Ich sollte ihn lähmen und schnellstens einer PsychoKonditionierung unterziehen lassen.« »Das wäre sicher gut, aber eine Lähmung wäre unlogisch, weil der Mann sich schon wieder beruhigt hat«, entgegnete der Kund-
Kundschafter im Kosmos schafter. Tatsächlich schien der Soldat durch seinen Sprung in die Schwerelosigkeit der Wohnzelle und den anschließenden heftigen Sturz ernüchtert worden zu sein. Er schrie jedenfalls nicht mehr, sondern erhob sich und nahm Haltung an. »Mir ist mein Verstoß gegen das Gesetz der Logik bewußt, Grek 1«, sagte er zum Kommandanten. »Ich beantrage eine Psycho-Konditionierung, denn ein Maahk darf auch dann nicht emotional reagieren, wenn er etwas erlebt, das offensichtlich gegen jede Logik verstößt.« Der Kommandant schob den Lähmstrahler ins Gürtelhalfter zurück. »Ich beurteile es positiv, daß Sie Ihre Verfehlung selber erkennen, Soldat«, erwiderte er. »Die Psycho-Konditionierung wird Ihnen helfen, Ihren Platz bald wieder vollwertig einzunehmen. Berichten Sie, was Sie erlebt haben!« »Ich hielt mich befehlsgemäß in der Steuerzentrale dieses Raumschiffs auf«, sagte der Soldat. »Plötzlich kam ein buntgefiederter Riesenvogel herein. Er schien harmlos zu sein und bewegte sich wie ein Tier, das an den Umgang mit unterschiedlichen intelligenten Lebewesen gewöhnt ist. Da er sich unverdächtig benahm, ließ ich ihn für kurze Zeit aus den Augen, um die Kontrollen zu beobachten. Als ich mich ihm wieder zuwenden wollte, stand dort, wo ich ihn zuletzt gesehen hatte, eine mobile Versorgungseinheit.« »Das ist doch nicht unlogisch«, sagte der Kommandant. Er blickte kurz zu einem Meerungeheuer, das auf ihn zuschwamm, ignorierte es aber gleich wieder, da er wußte, daß sie alle sich lediglich in der Holoprojektion einer Unterwasserlandschaft befanden und folglich alle Erscheinungen zur Projektion gehörten. »Sie sagten selbst, daß Sie das Tier aus den Augen gelassen hatten. Es wird die Zentrale in dieser Zeit verlassen haben, und zur gleichen Zeit kam die Versorgungseinheit herein.« »Ich wollte, ich könnte es annehmen«, er-
29 widerte der Soldat. »Aber das war noch nicht alles. Selbstverständlich überprüfte ich, ob die Versorgungseinheit echt war. Sie war es, denn die Sensoren meiner Handschuhe übermittelten mir die Konturwahrnehmung der Versorgungseinheit. Daraufhin überlegte ich, ob der Vogel in der kurzen Zeit, in der ich ihn nicht beobachtete, die Zentrale verlassen haben könnte – und ob gleichzeitig die Versorgungseinheit hereingekommen war. Ich versichere Ihnen Grek 1, daß ich während meiner Überlegungen die Versorgungseinheit nur ganz kurz aus den Augen ließ. Dennoch war sie danach verschwunden, und an ihrer Stelle stand wieder dieser unheimliche Vogel in der Zentrale.« Ein kaltes Glitzern trat in die Augen des Kommandanten. »Sie werden nicht mit einer PsychoKonditionierung davonkommen, Soldat!« sagte er. »Es ist ein schweres Vergehen, einen Vorgesetzten anzulügen, um eine Verfehlung zu verschleiern. Ich verdächtige Sie, daß Sie die Geschichte mit dem Vogel und der Versorgungseinheit nur erfunden haben, um zu vertuschen, daß Sie Ihre Persönliche Datenkapsel verloren haben.« Der Soldat faßte sich an seine linke Brustseite, dann ließ er seine Hand langsam wieder sinken. »Der Vogel!« schrie er. »Der Vogel muß meine Datenkapsel gestohlen haben!« Plötzlich irrlichterte es in seinen Augen. Er streckte den Arm aus und deutete auf die linke Brustseite des Kommandanten. »Ihre Persönliche Datenkapsel fehlt ebenfalls, Grek 1!« Wie der Soldat zuvor, faßte der Kommandant an seine linke Brustseite. Seine Hand tastete ergebnislos über die Außenbeschichtung des Raumanzugs. »Das begreife ich nicht«, sagte er dumpf. »Hier war doch weder ein Vogel noch eine Versorgungseinheit.« Aber ich begreife etwas! dachte Algonkin-Yatta belustigt. Anlytha besitzt offenbar Fähigkeiten, die sie bisher vor mir ver-
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schwiegen hat. Die Sache mit den gestohlenen Datenkapseln ist der größte Spaß, den ich je erleben durfte. Ich frage mich nur, wie sie an die Datenkapsel des Kommandanten gekommen ist. »Gefällt es dir, Algonkin?« flüsterte es aus der Mundöffnung eines Kraken, der neben ihm »schwamm«, direkt in sein rechtes Ohr.
* Natürlich schöpfte der Kommandant des Maahkraumschiffs Verdacht, daß der Diebstahl der beiden Persönlichen Datenkapseln von jemand oder etwas, das sich unbemerkt auf dem Kundschafterschiff aufhielt, begangen worden sein könnte. Er äußerte diesen Verdacht zwar nicht, führte aber die weitere Untersuchung des Schiffes so gründlich durch, daß sich eigentlich nichts oder niemand vor ihm und seinen Leuten verbergen konnte. Dennoch wurde nichts Verdächtiges entdeckt. Außer Anlytha und Algonkin-Yatta hielt sich offensichtlich niemand an Bord des Kundschafterschiffs auf, der für den Diebstahl in Frage kam. Dennoch entdeckten auch seine übrigen Begleiter nach und nach, daß ihre Datenkapseln verschwunden waren – und mit ihnen einige andere Gegenstände, die sie bei sich getragen hatten. Außerdem berichtete einer der Soldaten über eine Halluzination. Er hätte plötzlich in einem Korridor, der eben noch leer gewesen war, ein großes schwarzes Pelztier gesehen, das sich gleich darauf in Luft aufgelöst hatte. Unter diesen Umständen war der Kommandant erleichtert, als das Kundschafterschiff endlich auf Chanetra landete und er zusammen mit Algonkin-Yatta und Anlytha aussteigen durfte. Er überlegte fieberhaft, wie er dem Grek 1 des Urptra-Systems den Verlust seiner eigenen Datenkapsel und der seiner vier Begleiter erklären sollte, ohne der Lüge oder der Unlogik bezichtigt zu werden. Den Verlust
der übrigen Gegenstände gedachte er zu verschleiern. Er hatte seinen Begleiter befohlen, darüber zu schweigen. Aber die Persönlichen Datenkapseln mußten in bestimmten Abständen überprüft und ergänzt werden. Spätestens beim nächsten Termin also mußten sie den Verlust eingestehen. Die Tatsache, daß er selbst und seine vier Begleiter während der letzten Phase des Fluges nach Chanetra mehr als einmal emotional reagiert hatten, kam ihm gar nicht so recht zu Bewußtsein. Im Grunde genommen waren er und seine Begleiter total demoralisiert, aber dieser Zustand hatte sich bereits so gesteigert, daß sie bereit waren, ihr Fehlverhalten ins Unterbewußtsein zu verdrängen. Eine Ordonnanz erwartete den Kommandanten, als er mit den beiden »Gästen« das Kundschafterschiff verließ. Sie teilten ihm mit, daß er den Kundschafter und seine Begleiterin beim Kommandobunker des Raumhafens von Chanetra abliefern sollte. Der Grek 1 des Urptra-Systems wollte die beiden persönlich verhören. Das war dem Kommandanten mehr als recht. Er wandte sich seinen Schützlingen zu, um ihnen mitzuteilen, daß ihnen die große Ehre zuteil werden sollte, vom Grek 1 des Urptra-Systems persönlich empfangen zu werden. Wie er sie einschätzte, waren sie zu naiv, um zu begreifen, daß sie keine Gäste, sondern Gefangene waren. »Wir freuen uns selbstverständlich sehr darüber, daß der Mächtige des Urptra-Systems uns empfängt«, erwiderte Algonkin-Yatta daraufhin. Er blickte zurück und stellte zufrieden fest, daß die Psiotronik wie immer reagierte, wenn er das Kundschafterschiff verließ. Sie verschloß die Schleuse und würde dafür sorgen, daß während seiner Abwesenheit niemand das Schiff betreten konnte. Der Kommandant des Maahkraumschiffs bemerkte ebenfalls, daß sich die Schleuse hinter ihnen geschlossen hatte. Das gefiel ihm nicht, denn er wußte, daß das Kundschafterschiff von einem Spezialkommando untersucht werden sollte, während Algon-
Kundschafter im Kosmos kin-Yatta und Anlytha verhört wurden. »Sie hätten Ihr Schiff nicht zu verschließen brauchen, Algonkin-Yatta«, sagte er. »Es ist für uns ein Zeichen gegenseitigen Vertrauens, wenn Besucher die Schleusen ihrer Raumschiffe offenlassen.« »Selbstverständlich«, erwiderte AlgonkinYatta und ging zu dem Gleiter, der auf sie wartete. Der Kommandant blickte erneut zur Schleuse des Kundschafterschiffs und sah, daß sie immer noch geschlossen war. Entsetzt stellte er fest, daß er nahe daran war, die Nerven zu verlieren – und auch das Entsetzen darüber war ein Verstoß gegen das Gesetz der Logik, das keinen Platz für emotionale Regungen hatte. Er wollte irgend etwas sagen, denn schließlich würde man ihn disziplinarisch bestrafen, wenn das Spezialkommando keinen Zutritt zum Kundschafterschiff bekam. In diesem Augenblick fiel etwas klirrend vor seine Füße. Seine Augen weiteten sich, als er eine Datenkapsel erkannte. Hastig bückte er sich und hob die Kapsel auf. Tatsächlich, sie trug seine Kennummer. Es war seine eigene Datenkapsel! Verwirrt und voller Furcht, sie könnte wieder verschwinden, steckte er sie in eine Außentasche seines Raumanzugs, dann folgte er dem Kundschafter. Er hatte Angst, sie könnte ihm wieder gestohlen werden, wenn er etwas tat oder sagte, was dem Kundschafter mißfiel, denn er ahnte plötzlich, daß dieses Lebewesen viel mächtiger war, als man bisher angenommen hatte. Und irgendwie empfand er eine gewisse sadistische Freude darüber, daß der Grek 1 des Urptra-Systems sich an diesem hartschaligen Ei (wie man bei den Maahkvölkern in solchen Fällen zu sagen pflegte) vielleicht das Gebiß zerbrechen würde. Und als er diese Gefühlsregung erkannte, wußte er, daß er niemals wieder ein vollwertiger Maahk sein konnte …
*
31 Algonkin-Yatta musterte Anlytha von der Seite, während sie von einem Trupp schwerbewaffneter Maahks in den Kommandobunker des Raumhafens geführt wurden. Wenn er dieses zierlich, ja fast zerbrechlich wirkende Lebewesen so ansah, konnte er kaum glauben, daß es ihm gelungen war, die Moral des maahkschen Prisenkommandos zu ruinieren und diese harten Kämpfer, die nur die Logik gelten ließen und Gefühle verachteten, zur Verzweiflung zu treiben. Allerdings fürchtete er, Anlytha könnte den Spaß zu weit treiben und als Urheberin seltsamer Ereignisse entlarvt werden. Der Kundschafter zweifelte nicht daran, daß die Maahks daraufhin sehr unfreundlich reagieren würden. »Ich halte es für vorteilhaft, wenn du vor dem Grek 1 des Urptra-Systems die Harmlose spielst, Anlytha!« raunte er ihr zu, nachdem er seinen Translator abgeschaltet hatte, damit die Maahks nicht verstanden, was er sagte. »Das habe ich auch schon überlegt«, gab Anlytha zurück. »Ich werde vor dem Herren dieses Sonnensystems so auftreten, daß er eventuellen Anschuldigungen des Prisenkommandos nicht glauben wird, Algonkin.« Die Maahks ihrer Eskorte drängten die beiden »Gäste« in einen Antigravlift. Nachdem sie elf Stockwerke tief geschwebt waren, verließen sie den Lift wieder und wurden in einen Raum geführt, der bis auf zwei Sessel leer war. Die Sessel waren etwas zu groß für sie, aber nicht groß genug für Maahks. Algonkin-Yatta sah, daß eine Wand des Raumes transparent war. Jenseits dieser Wand befand sich ein Raum gleicher Größe, in dem ein einzelner Sessel hinter einem kleinen Schaltpult stand. An den Schlieren und funkenartigen chemischen Reaktionen im Innern dieses Raumes erkannte der Kundschafter, daß er mit einer für die Maahks atembaren Atmosphäre – Wasserstoff, Ammoniak und Methan unter hohem Druck und hohen Temperaturen gefüllt war.
32 »Setzen wir uns, Anlytha!« sagte er. »Unser Gastgeber wird wohl gleich dort drüben erscheinen.« »Er wird uns aushorchen wollen, Algonkin«, erwiderte Anlytha. »Ich wollte nur, du könntest dich überwinden und ihn anlügen, wo es notwendig ist. Er wird bestimmt nicht ehrlich sein.« Algonkin-Yatta erwiderte nichts darauf. Er wußte, daß Anlytha recht hatte. Dennoch empfand er einen so starken Widerwillen davor, wissentlich die Unwahrheit zu sagen, daß er nicht glaubte, lügen zu können. Als sich in der Rückwand des anderen Raumes ein Schott öffnete, wußte er, daß der Zeitpunkt der Entscheidung gekommen war. Er hatte den Kommandanten des Maahkraumschiffs weiter ausgehorcht und Fakten erhalten, die ihn nachdenklich stimmten. Drüben betrat ein Maahk den Raum. Er trug keinen Raumanzug, sondern nur eine offene Kombination. Seine Hautschuppen waren, soweit sie sichtbar waren, grau wie bei den anderen Maahks, die Algonkin-Yatta bisher gesehen hatte. Aber ein Teil von ihnen besaß einen silbrigen Schimmer, und auf dem halbmondförmigen Kopf gab es Stellen, an denen die Schuppen fehlten. Der Kundschafter hielt das für Anzeichen hohen Alters. Der Maahk setzte sich in den Sessel und drückte auf einige Tasten seines Schaltpults. In der Trennwand leuchtete einige grüne Punkte auf – und im nächsten Augenblick konnte Algonkin-Yatta den Maahk hören und verstehen, obwohl er seinen Translator noch nicht aktiviert hatte. »Willkommen im Urptra-System!« sagte der Maahk. »Ich bin der Grek 1 dieses Systems. Sie sind Algonkin-Yatta und Anlytha. Gehören Sie einem Volk an?« Anlytha gab etwas von sich, das sich wie Nachtigallengesang anhörte. Die grünschillernden vier Doppelaugen des Maahks richteten sich auf Anlytha. »Der Translator übersetzt Ihre Worte nicht«, sagte Grek 1. »Um welche Sprache handelt es sich?«
H. G. Ewers Anlytha unterbrach ihren »Gesang«. »Ich weiß es nicht, du herziger Giftgasatmer«, sagte sie mit heller Stimme. »Aber es ist eine wundervolle Sprache, nicht wahr?« »Diesmal habe ich die Worte Ihrer Begleiterin verstanden, Algonkin-Yatta«, erwiderte der Maahk. »Aber ich begreife sie nicht.« »Ich begreife oft selbst nicht, was Anlytha sagt«, meinte der Kundschafter. »Sagen Sie, dieser Mond, den Sie Chanetra nennen, hat eine für Sie giftige Sauerstoffatmosphäre, nicht wahr?« »Das werden Sie bereits bemerkt haben«, sagte der Maahk. »Was tun Sie dann hier, wenn Sie auf dem Riesenplaneten Ihre natürlichen Umweltbedingungen nicht vorfinden?« forschte Algonkin-Yatta weiter. »Wir unterhalten hier ein Lager für Sauerstoffatmer, die unsere Kriegsgefangenen sind«, erklärte Grek 1. »Arkoniden, nicht wahr?« fragte Algonkin-Yatta. »Ja«, gab der Maahk zu. »Aber Sie brauchen sich nicht daran zu stören. Ihr Freund Atlan hätte nichts zu befürchten, wenn er hierher käme. Wir würden sogar bereit sein, mit ihm zu verhandeln.« Anlytha stand auf und hüpfte zwitschernd umher. Dabei näherte sie sich dem Kundschafter soweit, daß sie ihm ins Ohr flüstern konnte: »Er lügt bestimmt. Ich versuche, ihn dazu zu bringen, daß er mich zu den gefangenen Arkoniden schickt. Von ihnen erfahre ich wahrscheinlich, was wirklich gespielt wird.« Sie hüpfte und tanzte weiter umher, dann blieb sie plötzlich auf einem Bein stehen und gab herzzerreißende Klagelaute von sich. »Was ist mit Ihrer Begleiterin los, Algonkin-Yatta?« fragte Grek 1 befremdet. »Sie hatte einen schweren Unfall im Raum. Dabei wurde sie offensichtlich am Kopf verletzt. Ich barg sie aus einem havarierten Schiff, aber sie hat ihr Gedächtnis verloren und weiß nur ihren Namen.«
Kundschafter im Kosmos »Ihre Anwesenheit wirkt sich störend auf unsere Kommunikation aus«, erklärte der Maahk. »Mit Ihrer Einwilligung werde ich dafür sorgen, daß Anlytha anderweitig untergebracht wird.« »Warum stecken Sie sie nicht zu den Gefangenen?« erwiderte der Kundschafter. »Das ist ein guter, logischer Gedanke«, sagte der Maahk. Er schaltete an einem Armbandgerät und sagte einige Befehle, dann erklärte er: »Anlytha wird sofort abgeholt, Algonkin-Yatta.« Kurz darauf öffnete sich das Schott hinter dem Rücken des Kundschafters. Zwei maahksche Raumsoldaten kamen herein, packten Anlytha bei den Armen und führten sie hinaus. Vorher aber flüsterte sie dem Kundschafter noch zu: »Du irrst dich, wenn du denkst, du könntest mich für immer loswerden, du Scheusal!«
7. Nachdem Anlytha fortgebracht worden war, versuchte Grek 1, Informationen über das Volk des Kundschafters zu erhalten. Algonkin-Yatta wollte ihm nicht zuviel verraten, aber da er außerstande war, zu lügen und auch nicht ständig ausweichende Antworten geben konnte, entwickelte er in seiner Not immer bessere Methoden, das Frage- und Antwortspiel umzukehren. Das Ergebnis davon war schließlich, daß der Maahk von ihm so gut wie nichts erfuhr – jedenfalls nichts, womit er etwas anfangen konnte –, während er ziemlich genau über die Verhältnisse im Urptra-System informiert war. Zu seinem Leidwesen wußte Grek 1 aber offenkundig wirklich nichts über Atlans derzeitigen Aufenthaltsort, so daß Algonkin-Yatta darüber nachdachte, ob er das Urptra-System nicht wieder verlassen sollte. Selbstverständlich hatte er niemals vorgehabt, Anlytha zurückzulassen. Deshalb brachte er das Gespräch auf das Gefange-
33 nenlager, um zu erfahren, wie er Anlytha dort herausholen konnte. Dabei erfuhr er, daß in regelmäßigen Abständen kampffähige Arkoniden bewaffnet und in einem Manövergelände ausgesetzt wurden, wo sie von maahkschen Raumkadetten gejagt, zum Kampf gestellt und getötet wurden. Ein solches Manöver sollte noch im Laufe eines maahkschen Tages veranstaltet werden. Als Algonkin-Yatta das hörte, vergaß er seine Suche nach Atlan. Sein Beschützerinstinkt erwachte, und er nahm sich vor, alles zu tun, um die Gefangenen vor ihrem schrecklichen Schicksal zu bewahren. Allerdings war ihm klar, daß es ihm gar nichts nützen würde, das heutige Manöver zu verhindern. Er mußte die Gefangenen befreien und in Sicherheit bringen. Der Kundschafter war nicht so leichtfertig, zu glauben, er könnte das ohne weiteres schaffen. Das Gefangenenlager wurde zweifellos von einem starken Aufgebot maahkscher Raumsoldaten bewacht. Außerdem verfügten die Maahks innerhalb des Urptra-Systems sicher über zahlreiche Raumschiffe, mit denen sie Verstärkung nach Chanetra bringen konnten, wenn die Befreiung nicht blitzschnell und überraschend gelang. Dazu kam, daß Algonkin-Yatta, wie alle Mathoner, sehr friedliebend und sensibel war. Deshalb scheute er vor einer gewaltsamen Aktion zurück, bei der möglicherweise viele Maahks und Arkoniden umkommen würden. Er entschloß sich, zu einer List zu greifen. Dazu mußte er aber ins Lager gelangen – und er nahm nicht an, daß Grek 1 ihm einen Besuch des Gefangenenlagers erlaubte. Es gab also nur eine Möglichkeit, ins Lager zu kommen: als Gefangener. Er blickte den Maahk an, der immer noch in den Raum hinter der transparenten Wand saß. »Ich habe eine Menge durch Sie erfahren, Grek 1«, sagte er. »Und ich habe darüber nachgedacht und ich bin zu dem Schluß gekommen, daß Sie keinesfalls mit Atlan ver-
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handeln würden, wenn Sie ihm begegneten. Sie würden wahrscheinlich versuchen, ihn zu töten.« * Er stand auf. »Ich möchte deshalb Ihre Gastfreundschaft nicht länger beanspruchen. Meine Aufgabe ist es, Atlan zu finden und ihn davor zu warnen, jemals allein ins Urptra-System zu fliegen. Sie gestatten, daß ich mich von Ihnen verabschiede, Grek 1.« Der Maahk blieb sitzen, während er erwiderte: »Es wäre unklug und unlogisch, Sie gehen zu lassen, Algonkin-Yatta. Ersten muß das Urptra-System als Ausbildungszentrum unserer Raumkadetten vor den Feinden der Maahkvölker geheimgehalten werden, und zweitens stufe ich Sie als Atlans Freund und damit unseren Gegner ein. Betrachten Sie sich als Gefangenen! Die Behandlung wird erträglich sein, und Sie werden auch noch nicht gleich ins Manöver geschickt werden – es sei denn, Sie wünschen es ausdrücklich.« Algonkin-Yatta überlegte, daß die Maahks eine sehr große Überraschung erleben würden, setzten sie ihn als ihren Manövergegner ein. Doch er hatte nicht vor, den Maahks seinen Kampf wert zu verraten. »Ich bin als friedlicher Besucher gekommen und als Gast aufgenommen worden«, erklärte er. »Deshalb verstößt Ihr Verhalten gegen die guten Sitten, Grek 1.« »Die Logik steht hoch über allen sogenannten guten Sitten«, entgegnete der Maahk. Er rief einige Befehle in sein Armbandgerät. Kurz darauf erschienen, wie zuvor bei Anlytha, zwei maahksche Raumsoldaten und führten den Kundschafter ab.
* Anlytha gab sich geistesabwesend, während sie in einem offenen Gleiter vor dem Haupttor des Gefangenenlagers abgesetzt wurde. In Wirklichkeit beobachtete sie aufmerksam die Umgebung. Ihren Augen entging nichts. Die beiden maahkschen Raumsoldaten,
die sie aus dem Kommandobunker geholt hatten, hoben sie mühelos aus dem Gleiter und trugen sie gleich weiter bis zur Anmeldung. Das Anmeldebüro erwies sich als ein schmuckloses Betongebäude, das nur einen einzigen Raum besaß. Quer durch den Raum ging eine Barriere, hinter der ein Mann vor einem Schreibtisch saß. An der Wand dahinter stand ein veralteter Computer, der wahrscheinlich der Registrierung der Gefangenen diente. Der Mann vor dem Schreibtisch war zirka 1,90 Meter groß, schlank und hatte schulterlanges silberweißes Haar. Er trug eine Bordkombination ohne Rangabzeichen. Seine rötlichen Augen richteten sich auf Anlytha, dann weiteten sie sich. Einer der beiden maahkschen Raumsoldaten schaltete seinen Translator ein und sagte etwas, das Anlytha nicht verstand. Der Mann vor dem Schreibtisch antwortete, aber die Übersetzung des Translators war auch diesmal unverständlich für Anlytha. Als er sich an sie wandte und etwas sagte, machte sie ihm durch Gesten klar, daß der Translator seine Worte nicht in eine für sie verständliche Sprache übersetzte. Daraufhin diskutierte der Mann eine Weile geduldig mit den beiden Maahks. Das Ergebnis war, daß einer der Maahks sich über Funk mit seinem Vorgesetzten unterhielt. Danach sagte er abermals etwas zu dem Mann vor dem Schreibtisch. Anlytha sah, wie dieser Mann, wahrscheinlich ein arkonidischer Kriegsgefangener, zu dem Computer ging und ihn durch eine Schaltung mit dem Funkgerät verband. Offenbar enthielt der Computer auf diese Weise die Information über die Sprache des Kundschafters und seiner Begleiterin, denn nachdem der Gefangene auch den Translator des Maahks an den Computer angeschlossen hatte, war das Gerät in der Lage, mit dem von Anlytha gesprochenen Mathona zu arbeiten. Der Arkonide setzte sich wieder vor seinen Schreibtisch, nahm eine Magnetfolie und einen Laserschreibstift und sagte zu An-
Kundschafter im Kosmos lytha: »Mein Name ist Gotar von Andech. Ich war Verwaltungsoffizier auf dem Schlachtschiff MURNAAR des Großen Imperiums und werde deshalb von unseren Feinden zur Registrierung aller Neuaufnahmen und Abgänge von Gefangenen eingesetzt. Ich muß Ihnen einige Frage stellen und weise Sie darauf hin, daß die Maahks ungemütlich werden, wenn Sie die Aussage verweigern sollten.« Anlytha zwitscherte belustigt und entwendete dem links neben ihr stehenden Maahk eine Mikrobombe, die dieser in einer Gürteltasche trug. Sie tat es so, daß Gotar von Andech es sehen konnte. Der Akonide starrte sie fassungslos an; seine Augen füllten sich mit wäßrigem Sekret. »Frage nur, Gotar!« forderte sie den Gefangenen auf. »Ich bin nur eine arme Irre und weiß nicht viel mehr als meinen Namen: Anlytha.« Gotar von Andech schluckte ein paarmal krampfhaft und blickte von einem Maahk zum anderen. Erst, als ihm klar wurde, daß keiner der Wasserstoffatmer den Diebstahl bemerkt hatte, erlangte er seine Fassung zurück. Er räusperte sich und sagte: »Sie heißen also Anlytha.« Er schrieb den Namen nieder. »Wie heißt Ihr Heimatplanet? Sie sind ja gewiß keine Arkonidin, oder?« »Was weiß ich!« meinte Anlytha. »Ich habe noch keine Arkonidin gesehen. Vielleicht heißt mein Heimatplanet Arkon oder Pancert oder sonstwie. Ich kann es nicht sagen, denn ich habe bei der Havarie meines Raumschiffs etwas auf den Kopf gekriegt. Vielleicht war es auch gar nicht mein Raumschiff, denn ich habe alles vergessen, was sich vor dem Erwachen aus meiner Bewußtlosigkeit abgespielt hat.« Der Arkonide spielte nervös mit seinem Laserschreibstift. »Ich respektiere selbstverständlich Ihre Verschwiegenheit, Anlytha, aber ich fürchte, die Maahks werden Ihnen Ihre Geschichte
35 nicht glauben.« »Wir sind darüber informiert, daß Anlytha einen schweren Unfall hatte und als Folge davon nicht zurechnungsfähig ist«, warf einer der Maahks ein. Er merkte nicht, daß Anlytha ihm seine Persönliche Datenkapsel stahl. »Ausgezeichnet!« sagte Gotar von Andech. »Können Sie mir sagen, wie die Sprache heißt, die Sie sprechen?« »Es nennt sich das Mathona, aber es ist nicht meine Sprache, sondern die meines Retters. Ich habe sie gelernt.« Der Arkonide notierte wieder etwas, dann sagte er: »Da weitere Angaben von Ihnen wohl nicht zu bekommen sind, ist die Registrierung damit beendet. Versuchen Sie, Kontakt mit Assylia von Brogaaze aufzunehmen, sobald Sie im Lager sind. Sie kann Ihnen Medikamente beschaffen, falls Sie welche benötigen, Anlytha.« »Ich danke dir, Gotar«, erwiderte Anlytha. »Wenn du einmal Hilfe brauchst, dann wende dich an mich.« Der Gefangene blickte sie zweifelnd an. Er wußte nicht, was er von ihr halten sollte. Anlytha wollte noch etwas sagen, kam aber nicht mehr dazu, denn im Hintergrund des Büros öffnete sich eine Tür. Zwei maahksche Raumsoldaten traten ein und bedeuteten Anlytha durch Gesten, zu ihnen zu kommen. Sie nutzte die Gelegenheit und brachte den Translator an sich, während sie zwitschernd durch den Raum hüpfte. Als sie mit den beiden Maahks, die offenbar zur Bewachungsmannschaft des Lagers gehörten, das Büro verließ, warf sie einen Blick zurück und sah, daß die anderen beiden Maahks auf dem Boden herumkrochen und den Translator suchten.
* Das Lager bestand aus einem Komplex von primitiven einstöckigen Baracken, die aus Fertigbauteilen zusammengesetzt waren.
36 Der Raum zwischen den Baracken war sauber geharkt und wurde von schmalen Wegen aus Steinplatten durchzogen. Die beiden Maahks geleiteten Anlytha zu einer der Baracken und bedeuteten ihr, hineinzugehen. Danach wandten sie sich um und gingen zum Haupttor zurück. Anlytha musterte den flimmernden Energiezaun, der das Lager umgab. Drei Stahltürme ragten außerhalb des Energiezauns empor. Sie wurden von Druckkuppeln mit transparenten Wänden gekrönt. In ihnen sah Anlytha einige Maahks. Da sie keine Druckhelme trugen, herrschte in den Kuppeln wahrscheinlich eine für sie atembare Atmosphäre. Die spiraligen Läufe schwerer Strahlwaffen drohten von den Kuppeln ins Lager. Anlytha legte den Kopf in den Nacken und blickte zu dem Riesenplaneten hinauf, der um diese Zeit über dem Zenit von Chanetra hing. Sie fragte sich, wie Algonkin-Yatta aus dem System entkommen wollte, denn auf Xymoch standen sicher zahlreiche Raumschiffe, die im Fall einer Flucht im Alarmstart aufsteigen und das Kundschafterschiff abschießen würden. Plötzlich zuckte sie zusammen. Vom Raumhafen her erscholl ein dumpfes Dröhnen. Wenig später stieg ein schwarzes Walzenraumschiff auf. Es konnte sich nur um das Fahrzeug handeln, das ihr Schiff nach Chanetra geschleppt hatte, denn ein anderes Raumschiff hatte nicht auf dem Hafen gestanden. Als jemand etwas sagte, drehte Anlytha sich um. In der Tür der Baracke stand eine Frau. Sie war genauso gekleidet wie Gotar von Andech. Ihre Augen wirkten müde und melancholisch. Anlytha zog den erbeuteten Translator aus einer der vielen Taschen, die an ihrem schwarzen Gürtel befestigt waren, und schaltete ihn ein. »Ich heiße Anlytha«, sagte sie. Die andere Frau blickte verwirrt auf den Translator. »Ich bin Assylia von Brogaaza«, erwider-
H. G. Ewers te sie. »Haben die Maahks dir einen Translator gelassen?« Anlytha lächelte verschmitzt. »Das haben sie, aber nicht freiwillig. Sie suchen wahrscheinlich immer noch in der Anmeldung nach dem Gerät.« Sie zwitscherte vergnügt. »Gotar sagte mir, ich könnte mich an dich wenden, Assylia.« »Komm herein!« sagte Assylia. Anlytha folgte ihr in die Baracke. Im Innern befanden sich zwei Reihen doppelstöckiger Betten an den Längswänden, und zwischen ihnen stand ein kahler Plastiktisch mit ebenso kahlen Plastikbänken. Ungefähr vierzig Frauen saßen teils auf den Betten, teils auf den Bänken. Sie waren unterschiedlichen Alters und wirkten abgemagert und verhärmt. »Das ist Anlytha!« rief Assylia von Brogaaza. »Sie wurde eben eingeliefert und hat es fertiggebracht, den Maahks einen Translator zu stehlen.« Einige Frauen lachten, die meisten aber blickten Anlytha nur teilnahmslos an. Eine ältere Frau mit wirrem Haar erhob sich von ihrem Platz, trat drohend auf Anlytha zu und sagte: »Vielleicht bist du eine Spionin, die für die Maahks unsere Gespräche belauschen soll. Eine Arkonidin bist du jedenfalls nicht. Wie kommst du hierher?« »Durch das Haupttor«, antwortete Anlytha. Als die ältere Frau wütend auf sie eindrang, wich sie zurück und setzte ihre psionische Kraft ein, so daß die Frauen sie plötzlich als Drachen sahen, dessen Schweif den Boden peitschte und aus dessen Rachen Flammen züngelten. Aufschreiend fuhr die ältere Frau zurück, und auch die anderen Frauen schrien erschrocken. Anlytha ließ sich wieder in ihrer richtige Gestalt sehen und erklärte: »Ich bin keine Spionin, sondern will euch helfen, aus eurem Lager zu fliehen. Außer meinem Namen weiß ich nichts über meine Herkunft. Der Kundschafter Algonkin-Yatta
Kundschafter im Kosmos fand mich in einem havarierten Raumschiff und rettete mich. Ich muß bei dem Unfall mein Gedächtnis verloren haben.« »Wer ist dieser Algonkin-Yatta?« erkundigte sich Assylia von Brogaaza. »Ich sagte es schon, ein Kundschafter. Er fliegt mit seinem Schiff einen bestimmten Kurs. Ich bin noch nicht lange bei ihm. Jedenfalls gerieten wir auf den Planeten Perpandron und erfuhren dort von einem sterbenden Arkoniden etwas über Kristallprinz Atlan. Algonkin-Yatta war so fasziniert von Atlan, daß er beschloß, ihn zu suchen und mit ihm zu sprechen.« »Und ihr habt Atlan ausgerechnet im Urptra-System gesucht?« fragte Assylia ungläubig. »Wahrscheinlich erhielten wir die falschen Koordinaten«, antwortete Anlytha. »Atlan!« rief eine junge Frau vom anderen Ende der Baracke. »Im ganzen Imperium spricht man von seinen Taten und davon, daß er Orbanaschol stürzen und die Macht übernehmen will. Wenn er sein Ziel erreicht, wird er die Maahks vernichten. Aber für uns wird es dann zu spät sein.« »Warum?« fragte Anlytha. »Hier seid ihr doch sicher.« »Wir sind vorläufig sicher«, erklärte Assylia von Brogaaze. »Aber es gibt nicht mehr viele kampffähige Männer im Lager, und immer wieder werden welche von ihnen abgeholt. Wir haben erfahren, daß sie in einem Manövergelände ausgesetzt werden und dort gegen Maahks kämpfen müssen, die sich in der Ausbildung befinden. Bisher ist noch keiner zurückgekehrt. Wenn alle kampffähigen Männer tot sind, werden die Maahks wahrscheinlich uns Frauen für ihre Manöver verwenden.« »Und unsere Kinder werden allein übrigbleiben, wenn sie nicht auch von den Maahks getötet werden«, sagte die junge Frau. »Wo sind eure Kinder?« erkundigte sich Anlytha. »In einer anderen Baracke«, antwortete die Frau. »Wir dürfen sie nur einmal täglich
37 sehen. Ansonsten werden sie von Dienstrobotern betreut, die die Maahks erbeutet haben.« »Das ist alles sehr schlimm«, sagte Anlytha. »Aber ich verspreche euch, daß ich alles tun werde, um euch aus dieser Lage zu befreien.« »Wie willst du das anfangen?« fragte Assylia. »Das Lager ist von einem Energiezaun umgeben und wird außerdem scharf bewacht. Niemand von uns kann es verlassen, wenn die Maahks es nicht wollen – und sie wollen es nur, wenn sie neue Opfer für ihre Manöver brauchen.« Anlytha gab ein helles Zwitschern von sich und sagte: »Ich habe das Prisenkommando auf dem Kundschafterschiff demoralisiert und einen Translator unter den Augen zweier Maahks gestohlen. Ich werde auch mit den Wachmannschaften fertig werden. Wenn ich nur wüßte, wie ich Verbindung mit Algonkin-Yatta aufnehmen kann!«
* Algonkin-Yatta hatte erst gar keine Waffen aus seinem Schiff mitgenommen. Deshalb konnten die Maahks ihm auch keine Waffen abnehmen. Sie durchsuchten ihn allerdings, bevor sie ihn zum Gefangenenlager brachten, aber sie fanden nichts von der in seiner Kleidung und an seinem Körper verborgenen geheimen Kundschafterausrüstung. Algonkin-Yatta dankte im stillen MYOTEX, das so vortrefflich für die Ausrüstung der Kosmischen Kundschafter sorgte. Vor allem war er froh darüber, daß sich ein miniaturisiertes Duplikat seines Kommandoarmbands, das die Maahks ihm natürlich abgenommen hatten, oberhalb seiner Hirnanhangdrüse befand. MYOTEX rüstete alle Kundschafter damit aus und ließ sie ein hartes Training absolvieren, das sie befähigte, das Gerät optimal einzusetzen. Während Gotar von Andech seine Personalien aufnahm, setzte sich der Kundschafter
38 über das Kommandogerät mit der Psiotronik seines Schiffes in Verbindung. Ist das Schiff noch unversehrt? fragte er. Das Schiff ist unversehrt! vernahm er die Antwort der Psiotronik, die als psionischer Impuls ausgesandt und von dem Kommandogerät an sein Großhirn weitergeleitet wurde. Die Maahks versuchten, gewaltsam in die Schleuse einzudringen, gaben aber den Versuch auf, als sie merkten, daß sie dem Material nichts anhaben konnten. Gut! dachte der Kundschafter. Halte dich für die Aufnahme der Arkoniden bereit, die sich im Gefangenenlager befinden und bereite alles für einen Notstart vor! Die erste Anweisung ist undurchführbar! kam die Antwort. Ich habe die Zellschwingungstaster eingesetzt und ermittelt, daß sich im Lager zweitausendvierhundertacht Lebewesen aufhalten. Es ist nicht möglich, eine so große Anzahl von Lebewesen im Kundschafterschiff unterzubringen. Algonkin-Yatta dachte eine Verwünschung, woraufhin die Psiotronik verwirrt wisperte. Er wußte, daß die Psiotronik recht hatte. Im Kundschafterschiff ließen sich höchstens zweihundert zusätzliche Personen unterbringen, und auch das nur, wenn vorher sämtliche Frachträume geleert wurden. Das Problem war also nur zu lösen, wenn er ein zweites Raumschiff beschaffte – und das mußte logischerweise ein Walzenschiff der Maahks sein. Aber das einzige Maahkraumschiff, das sich auf Chanetra befunden hatte, war vor kurzem wieder gestartet. Algonkin-Yatta wurde aus seinen Überlegungen gerissen, als eine Gruppe maahkscher Raumsoldaten polternd ins Anmeldebüro eindrang. Ihr Anführer stieß den Kundschafter grob beiseite – und Algonkin-Yatta war klug genug, keinen Widerstand zu leisten. Statt dessen tat er so, als hätte ihn der Stoß aus dem Gleichgewicht gebracht. Er ließ sich fallen. Sein Translator, den die Maahks ihm gelassen hatten, übersetzte, was der Anführer zu Gotar von Andech sagte.
H. G. Ewers »Wir brauchen heute noch zweihundert kampffähige Gefangene – männlichen Geschlechts! Suche die Leute sofort mit deinem Computer heraus, Andech!« Gotar von Andech wurde bleich. »Ihr wißt, daß das, was ihr vorhabt, Mord ist!« stieß er erregt hervor. »Unsere Männer erhalten eine viel schwächere Bewaffnung als eure Raumkadetten und dürfen nicht einmal Schutzschirmprojektoren tragen. Sie sind zum Tode verurteilt, wenn sie das Lager verlassen.« »Es wäre unlogisch, ihnen gleichwertige Waffen zu geben«, erwiderte der Maahk ruhig. »Unsere angehenden Raumsoldaten sollen nicht dezimiert, sondern ausgebildet werden. Es genügt, wenn einige von ihnen sterben. Für deine Leute aber sollte es eine Ehre sein, im Kampf sterben zu dürfen.« »So fassen sie es tatsächlich auf!« erklärte Gotar von Andech grimmig. »Keiner von ihnen fürchtet sich. Dennoch ist es Mord.« Der Anführer richtete einen Thermostrahler auf den Gefangenen. »Ich habe dir einen Befehl erteilt, Andech. Entweder führst du ihn sofort aus, oder du wirst wegen Widerstand erschossen!« Gotar von Andech blickte den Maahk stolz an. »Lieber will ich sterben, als der Gehilfe von Mördern zu sein!« »Halt!« rief Algonkin-Yatta, der sich wieder aufgerichtet hatte. »Nicht schießen! Ich kann den Computer ebensogut bedienen wie Gotar von Andech und werde die zweihundert Gefangenen heraussuchen.« »Verräter!« zischte der Arkonide. Der Anführer der Maahks drehte sich langsam nach dem Kundschafter um. »Wer bist du? Du bist kein Arkonide!« »Ich bin ein Mathoner und ein Freund Atlans«, erklärte Algonkin-Yatta. »Wenn ich wüßte, daß Widerstand sinnvoll wäre, würde ich ebenfalls Widerstand leisten. Unter den gegebenen Umständen aber wäre das unlogisch.« »Ein Freund Atlans?« erwiderte der
Kundschafter im Kosmos Maahk nachdenklich. »Nun, da du trotzdem den Gesetzen der Logik gehorchst, bin ich bereit, deine Unterstützung anzunehmen und dafür Andechs Leben zu schonen. Fange sofort an, denn das Manöver soll noch heute stattfinden!« Der Kundschafter nickte und ging um die Barriere herum. Als er bei Gotar von Andechs war, flüsterte er ihm zu: »Helfen Sie mir! Ich brauche ausschließlich erfahrene Kämpfer, die bereit sind, alles zu riskieren!« In die Augen des Arkoniden trat der Schimmer des Verstehens und der Hoffnung. Er folgte Algonkin-Yatta zum Computer.
8. Als die Maahks die vom Computer ausgedruckte Liste der zweihundert Gefangenen erhalten hatten, begaben sie sich zur benachbarten Hauptwache, um die zum Sterben Auserwählten über die Lautsprecher des Lagers aufzurufen. Gotar von Andech blickte den Kundschafter ernst an. »Ich hoffe, Sie wissen, was Sie wollen, Algonkin-Yatta. Die Männer, die ich ausgesucht habe, wurden bisher durch einen Trick zurückgehalten. Sie sollten für den Fall bewahrt bleiben, daß sich eine günstige Gelegenheit zur Flucht ergibt.« »Die günstige Gelegenheit ist da!« verkündete Algonkin-Yatta. »Bisher sehe ich nur Sie«, erwiderte der Arkonide. Der Kundschafter nickte. »Das ist richtig, denn ich bin die günstige Gelegenheit.« Gotar von Andech seufzte. »Große Worte von einem kleinen Mann! Aber Sie sind kein Arkonide, sondern, wie Sie selbst sagten, ein Mathoner. Wir sind bisher nicht auf Ihr Volk gestoßen. Warum sollte es uns helfen, aus der maahkschen Gefangenschaft zu entfliehen?« »Sie verstehen mich nicht«, sagte Algon-
39 kin-Yatta geduldig. »Nicht mein Volk wird Ihnen helfen, sondern ich.« Der Arkonide blickte den Kundschafter erschrocken an. »Wartet denn kein kampfkräftiger Flottenverband Ihres Volkes außerhalb des Urptra-Systems auf Ihr Signal? Die Götter Arkons sollen mich dafür strafen, daß ich auf Ihre Prahlereien hereingefallen bin.« »Ich prahle niemals!« erklärte Algonkin-Yatta ernst. »Um von Chanetra zu fliehen, brauchen wir lediglich ein Raumschiff, das alle Gefangenen aufnimmt. Dieses Raumschiff liefern uns die Maahks selbst, denn, wie ich vom Grek 1 des Urptra-Systems erfuhr, kommt heute eine Tausendschaft Raumkadetten von Xymoch herüber. Ich brauche nur die Wasserstoffatmosphäre dieses Schiffes gegen eine Sauerstoffatmosphäre auszutauschen.« Gotar von Andech sank auf seinen Stuhl, ließ die Schultern vornüber sinken und schlug die Hände vors Gesicht. »Es ist meine Schuld!« stammelte er. »Ich hätte Ihnen nicht vertrauen dürfen. Was nützt es uns, daß ein Raumschiff der Maahks nach Chanetra kommt, wenn wir das Lager nicht verlassen können. Es wird unerreichbar für uns sein. Mein Geist muß in der Gefangenschaft gelitten haben, daß ich blindlings einem Narren vertraute.« Unvermittelt sprang er hoch und griff den Kundschafter an. Aber alle seine Schläge und Griffe prallten von Algonkin-Yatta ab, als wäre er aus Granit. Verblüfft stellte der Arkonide seinen Angriff ein und wich zurück. »Das waren tödliche Dagorschläge und griffe!« keuchte er und betrachtete seine kraftlos herabhängenden Hände. »Ich glaube, ich habe sie mir gebrochen oder verstaucht. Was sind Sie für ein Lebewesen?« »Kein besonderes«, antwortete Algonkin-Yatta. »Ich bin lediglich an eine Extremwelt teilangepaßt.« »Vielleicht gelingt Ihr Plan doch!« sagte der Arkonide. Er ging auf die Tür zu, die ins Lager führ-
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te. Die beiden Maahks, die dort Wache hielten, ließen ihn passieren, denn sie wußten ja, daß er ein Gefangener war. Hätten sie geahnt, welche Gedanken in Algonkin-Yattas Gehirn umgingen, wären sie bestimmt versucht gewesen, ihn aufzuhalten – was ihnen allerdings nicht gelungen wäre.
* »Du bist also Algonkin-Yatta!« sagte die Arkonidin Assylia von Borgaaze und musterte den Kundschafter. Neben ihr stand Anlytha und lächelte Algonkin-Yatta erfreut an. »Anlytha hat mir schon von dir erzählt und gesagt, daß sie deine Hilfe braucht, um uns aus der Gefangenschaft zu befreien.« Ein Schatten flog über ihr Gesicht. »Aber für zweihundert Männer wird es dann zu spät sein. Die Maahks heben neue Opfer für eines ihrer sogenannten Realmanöver aus – und ich habe festgestellt, daß es diesmal ausgerechnet die Kämpfer getroffen hat, die für einen eventuellen Befreiungsversuch zurückgehalten werden sollten.« »Das geschah auf meine Veranlassung hin«, erklärte der Kundschafter. »Ich brauche diese zweihundert Kämpfer, um die Wachmannschaften auszuschalten, damit sie nicht ins Lager schießen können. Gleich nachher werde ich mit Khoruna Skapron sprechen.« »Woher kennst du den Namen des Zweifachen Sonnenträgers?« fragte Assylia von Brogaaze. Algonkin-Yatta lächelte. »Gotar von Andech hat ihn mir genannt. Er sagte, auf ihn würden die Männer hören.« »Unbedingt«, erwiderte Assylia. »Wenn er auch für meine Begriffe ein zu finsteres Gemüt hat. Aber wenn einer euch helfen kann, dann ist er es.« »Und Anlytha«, ergänzte der Kundschafter. »Du hast während des Fluges nach Chanetra seltsame Dinge getrieben«, wandte er sich an seine Begleiterin. »Das Prisenkommando war danach völlig mit den Nerven fertig. Siehst du eine Möglichkeit, deine be-
sonderen Begabungen für die Befreiung und die Flucht einzusetzen?« »Ich könnte die Wachmannschaften verwirren und ablenken«, antwortete Anlytha. Algonkin-Yatta schüttelte den Kopf. »Die Maahks würden sehr schnell wieder zu sich kommen, sobald sie entdecken, daß die Gefangenen fliehen. Ablenken allein genügt nicht. Kannst du die Wachen nicht so in Halluzinationen versenken, daß ihr Bezug zur Realität abreißt?« »Dazu reicht meine Kraft nicht aus«, erklärte Anlytha betrübt. »Ich kann immer nur ein gewisses Maß an psionischer Energie erzeugen, Algonkin.« »Psionische Energie!« sagte der Kundschafter nachdenklich. »Damit arbeitetet du also. Aber auch die Psiotronik des Kundschafterschiffs arbeitet mit psiotronischen Energien. Wenn es möglich wäre, einen psionischen Impulsstrahl auf dich zu richten und dich sozusagen mit psionischer Energie aufzuladen …« »Dann würde ich wahrscheinlich aus unserem Kontinuum verschwinden«, wandte Anlytha ein. »Aber vielleicht geht es umgekehrt. Ich richte einen psionischen Strahl auf die Psiotronik deines Schiffes und übermittle ihr gewissermaßen die Schablone, mit der sie die Maahks auf Chanetra beeinflußt. Wäre das möglich?« »Ich werde nachfragen«, erwiderte Algonkin-Yatta. Er nahm Verbindung mit der Psiotronik seines Schiffes auf und diskutierte mit ihr das Problem. Es stellte sich heraus, daß die Psiotronik mit einer Wahrscheinlichkeit von vierundsechzig Prozent als Verstärker der psionischen Fähigkeiten Anlythas arbeiten konnte. Ob sie in der Lage war, Anlythas Fähigkeiten gezielt auf die Maahks zu leiten, vermochte sie allerdings nicht zu beantworten. »Wir müßten eine Probe ansetzen«, teilte der Kundschafter seinen Gesprächspartnern mit. »Ohne Probe können wir nicht wissen, ob es funktioniert. Aber eine Probe würde die Maahks mißtrauisch machen. Außerdem
Kundschafter im Kosmos haben wir keine Zeit dafür. Wir müssen es einfach riskieren.« »Und wenn es fehlschlägt?« fragte Assylia von Brogaaze. »Bei einem Fehlschlag muß mein Schiff das maahksche Schiff mit den Raumkadetten übernehmen. Es kann selbständig handeln, wenn es den entsprechenden Befehl von mir bekommt. Allerdings müßten wir dann den Tod aller maahkschen Raumkadetten und der Schiffsbesatzung in Kauf nehmen, was mir widerstrebt.« »Um so besser, wenn die Raumkadetten der Maahks umkommen!« sagte Assylia heftig. »Überleben sie, werden sie früher oder später gegen Arkoniden eingesetzt. Deshalb haben wir die Pflicht, jeden Maahk zu töten, wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt.« »Haß ist ein schlechter Ratgeber, Schwester«, entgegnete Algonkin-Yatta ernst. »Ich werde mich niemals von ihm leiten lassen. Der Plan wird entweder so durchgeführt, wie ich es will, oder überhaupt nicht.« »Du hast keine Ahnung, Fremder!« rief Assylia. Algonkin-Yatta erwiderte nichts darauf, sondern blickte sie nur abwartend ab. Schließlich senkte sie den Kopf und sagte: »Ich bin mit allem einverstanden, was du für richtig hälst.« »Dann kann ich jetzt mit Khoruna Skapron sprechen«, erklärte der Kundschafter. »Anlytha, du bleibst ab sofort bis zum Ende der Aktion bei mir! Assylia, du sorgst dafür, daß die Frauen sich bereithalten, die Kinder aus ihrer Baracke zu holen! Verständige auch die anderen Gefangenen!« Er ergriff Anlythas Hand und zog seine Begleiterin einfach hinter sich her.
* Die zweihundert Arkoniden, die zwischen den Baracken des Gefangenenlagers angetreten waren, blickten finster vor sich hin. Algonkin-Yatta musterte sie aufmerksam. »Sie sind stolz, hart gegen sich selbst und überzeugt davon, daß ihrem Volk der Sieg
41 im Kampf zwischen Arkon und den Maahks zusteht«, sagte er zu Anlytha. »Diese Überzeugung kann nur auf Verblendung beruhen, aber wenigstens wird sie ihnen helfen, bei der Aktion ihr Bestes zu geben.« Er und Anlytha näherten sich dem athletisch gebauten Arkoniden, der vor der Front seiner Männer stand und halblaut auf sie einredete. »Khoruna Skapron?« fragte Algonkin-Yatta, nachdem er seinen Translator wieder eingeschaltet hatte. Der Angesprochene fuhr herum und starrte den Kundschafter finster an. »Was stört Ihr uns? Ich bin gewöhnt, mit meinem Titel angeredet zu werden!« Er holte verblüfft Luft. »Ihr seid kein Arkonide?« »Ich nicht und auch Anlytha nicht«, erwiderte der Kundschafter. »Mein Name ist Algonkin-Yatta. Ich habe Gotar von Andech dazu bewogen, Ihre Namen auf die Liste zu setzen.« Ein Raunen ging durch die Männer. Khoruna Skaprons Augen loderten in ungezügelter Wut auf. Aber der Zweifache Sonnenträger beherrschte sich sofort wieder. »Warum haben Sie das getan, Fremder?« erkundigte er sich. »Bringen Sie einen guten Grund vor, denn sonst müssen Sie sterben!« Der Kundschafter lächelte liebenswürdig. »Sie und Ihre Leute sind unbewaffnet. Wie wollen Sie dann einen Mathoner töten?« Er hob einen faustgroßen Stein auf, der in seiner Nähe lag, schloß seine Hand um ihn und drückte einmal kräftig zu. Als er die Hand öffnete, rannen Felskrümmel daraus herab. »Ich bitte darum, die primitive Demonstration körperlicher Kraft zu entschuldigen«, sagte er. »Aber ich hoffe, sie hält Sie von sinnlosen Aktionen ab und erspart uns damit Zeit. Ich habe Sie auswählen lassen; weil ich Sie brauche, um alle Gefangenen zu befreien und in Sicherheit zu bringen.« Khoruna Skapron sah ihn verwundert und ungläubig an. »Wie Sie sagten, sind wir unbewaffnet,
42 Algonkin-Yatta. Was könnten wir ohne Waffen gegen die Wachmannschaften der Maahks ausrichten?« »Sie erhalten Waffen von den Maahks, unmittelbar bevor Sie aus dem Lager transportiert werden«, erklärte der Kundschafter. »Anlytha und ich werden zu diesem Zeitpunkt Verwirrung unter den Maahks anstiften. Wir wissen zwar nicht, wie wirksam diese Verwirrung sein wird, aber sie sollte ausreichen, um das Maahk-Kommando, das Sie aus dem Lager bringen soll, auszuschalten. Dadurch bekommen Sie außerdem wirksamere Waffen in die Hände. Ihre eigentliche Aufgabe wird es sein, die Wachmannschaften, besonders die in den drei Turmkuppeln, niederzuhalten, damit sie kein Blutbad unter den anderen Gefangenen anrichten können. Ich werde unterdessen dafür sorgen, daß die Besatzung des Kadettenraumschiffs und die Kadetten ebenfalls uns nicht gefährlich werden. Anschließend tausche ich die Wasserstoffatmosphäre in dem Maahkraumschiff gegen eine Sauerstoffatmosphäre aus. Sie und alle anderen Gefangenen besteigen das Walzenschiff. Ich werde es an mein Kundschafterschiff koppeln und mitnehmen.« »Meinen Sie das Raumboot, das heute von einem Maahkraumschiff nach Chanetra geschleppt wurde?« rief einer der Männer. Andere Männer lachten zornig. »Es paßt höchstens als Beiboot in einen Walzenraumer. Wie sollte es da ein Maahkraumschiff mitnehmen können?« »Ich fürchte auch, daß Sie sich übernommen haben, Algonkin-Yatta«, sagte Khoruna Skapron. »Wahrscheinlich werden wir heute noch alle sterben. Es wäre besser gewesen, Sie wären niemals ins Urptra-System eingeflogen. Was suchten Sie überhaupt hier?« »Ich bin auf der Suche nach Atlan«, antwortete Algonkin-Yatta. »Jemand erzählte mir von ihm, und was er erzählte, war so faszinierend, daß ich mich entschloß, meinen Kundschafterkurs zu verlassen und nach Atlan zu suchen.« »Und das ausgerechnet in einem System
H. G. Ewers der Maahks?« rief Khoruna Skapron aus. »Wahrscheinlich handelte es sich um einen Übermittlungsfehler«, erwiderte der Kundschafter. »Der Arkonide, der mir die Koordinaten gab, lag im Sterben. Vielleicht aber wurden ihm auch nur die falschen Koordinaten genannt. Aber wie es auch sei, ich werde nicht eher ruhen, als bis ich Atlan gefunden und mit ihm gesprochen habe.« »So leicht wird er nicht zu finden sein«, erklärte der Zweifache Sonnenträger. »Atlan ist ein Gejagter. Er muß ständig seine Spuren verwischen, denn wenn er gefaßt wird, läßt Orbanaschol ihn hinrichten.« »Ich bin ein Kundschafter und dafür ausgerüstet, Spuren zu erhellen und ihnen zu folgen«, sagte Algonkin-Yatta. »Ich werde meine Suche erfolgreich beenden. Doch für Sie ist das nicht wichtig. Sind Sie bereit, sich in meine Planung einzufügen?« Khoruna Skapron verschränkte die Arme vor der Brust. »Ihre Planung erscheint mir aber ziemlich vage, was die Verwirrung angeht, die Sie unter den Maahks stiften wollen. Sie müssen sich schon näher erklären, damit wir beurteilen können, ob Ihr Plan überhaupt Aussicht auf Erfolg hat.« Anlytha gab ein zorniges Zwitschern von sich. Im nächsten Augenblick taumelte der Zweifache Sonnenträger, dann sah er sich fassungslos um. Seine Männer benahmen sich ebenfalls merkwürdig. Sie bewegten sich, als könnten sie einander nicht sehen. Die Folge waren Zusammenstöße und Stürze. Innerhalb weniger Minuten krochen die Arkoniden ziellos auf dem Boden herum. »Es ist genug, Anlytha!« sagte Algonkin-Yatta. »Das war wirklich prächtig. Jetzt glaube ich, daß unsere Aktion gelingt.« Khoruna Skapron und seine Männer schienen aus einem Alptraum zu erwachen. Sie brauchten einige Minuten, bis sie sich wieder in der Wirklichkeit zurechtfanden. »Was war das?« fragte Khoruna Skapron erschüttert. »Ich stand ganz allein in einer Wüste, ganz allein. Nicht einmal eine Baracke war vorhanden. War ich in einer ande-
Kundschafter im Kosmos ren Dimension?« »Sie waren nur verwirrt, Herr Sonnenjäger«, sagte Anlytha. »Ich bin selbst überrascht über den durchschlagenden Erfolg. Meine Kräfte müssen gewachsen sein.« »Irrtum!« erklärte der Kundschafter. »Die Psiotronik meines Schiffes hatte sich probeweise dazugeschaltet. Sie gab mir allerdings zu verstehen, daß die Wirkung nur deshalb so stark war, weil das die Phänomene auslösende Subjekt sich in unmittelbarer Nähe der zu beeinflussenden Objekte befand.« »Ich bin trotzdem überzeugt!« rief Khoruna Skapron.
9. Anlytha hatte eigentlich beabsichtigt, sich eine arkonidische Kombination auszuleihen und sich unter die zweihundert Kämpfer zu mischen, damit sie so dicht wie möglich an die Maahks des Kommandos kam, das die Kämpfer aus dem Lager eskortieren würden. Khoruna Skapron hatte es ihr ausgeredet. Erfahrungsgemäß mußten die Arkoniden, die aus dem Lager gebracht werden sollten, einzeln vortreten und sich durchsuchen lassen, bevor sie ihre Waffen erhielten. Dabei wäre Anlythas Fremdartigkeit zweifellos entdeckt worden, und niemand konnte wissen, wie die Maahks darauf reagieren würden. Falls sie Anlytha paralysierten, konnte sie nicht mehr eingreifen, was das Scheitern des Befreiungsplans zur Folge haben würde. Deshalb stand Anlytha mit Algonkin-Yatta, Assylia von Brogaaze und Khoruna Skapron vor der Frauenbaracke, als das Haupttor sich öffnete und das Transportkommando der Maahks ins Lager marschierte. Algonkin-Yatta zählte hundert Maahks, und sie waren nicht nur mit schweren Thermostrahlern und Lähmwaffen ausgerüstet, sondern trugen außerdem noch Schutzschirmprojektoren. »Sie hätten mir sagen sollen, daß die Maahks Schutzschirmprojektoren tragen, Skapron«, sagte der Kundschafter. »Das erschwert die Aktion, denn wenn Anlythas
43 Beeinflussung nicht blitzartig wirkt und die Maahks dazu kommen, ihre Projektoren einzuschalten, sind sie für Ihre Leute unangreifbar.« »Ich dachte, Sie rechneten ganz selbstverständlich damit, Algonkin-Yatta«, verteidigte sich der Zweifache Sonnenträger. »Die Maahks müssen ja Schutzschirmprojektoren tragen, weil sie sonst von unseren Leuten angegriffen würden. So etwas soll ganz am Anfang vorgekommen sein.« »Sie sind nicht von Anfang an hier?« erkundigte sich der Kundschafter. »Erst seit dem letzten Transport – vor rund einem Vierteljahr Arkonzeit«, antwortete Khoruna Skapron. »Dann müßten Sie doch noch Nachrichten über Atlan gehört haben, die nicht zu sehr veraltet sind!« sagte Algonkin-Yatta erregt. »Einiges habe ich schon gehört«, meinte Khoruna Skapron zögernd. »Aber ich muß jetzt zu meinen Leuten, sonst werden die Maahks argwöhnisch.« Er wirkte nervös. »Hoffentlich klappt alles.« »Ich weiß, was auf dem Spiel steht«, gab Algonkin-Yatta zurück. Er sah dem Zweifachen Sonnenträger nach, wie er zu seinen Leuten ging. Das maahksche Transportkommando hatte die Arkoniden unterdessen erreicht. Roboterhaft teilte es sich in kleine Gruppen auf, die die Arkoniden umstellten und ihre Waffen auf sie richteten. Vom Haupttor näherte sich ein geschlossener Gleiter. »In dem Gleiter sind bestimmt die Waffen für die Arkoniden«, meinte Anlytha. »Wie wollen Sie die Maahks in dem Schiff ausschalten?« erkundigte sich Assylia besorgt und deutete dabei in den Himmel. »Du mußt versuchen, sie ebenfalls zu verwirren, so daß sie keinen Widerstand leisten können, Anlytha!« sagte Algonkin-Yatta eindringlich. »Andernfalls bin ich gezwungen, meinem Schiff ein Kopplungsmanöver zu befehlen und ihm die Ausschaltung der Maahks zu überlassen. Da die tausend Raumkadetten ihre Raumanzüge sicher gleich nach der Landung schließen, ist es
44 nicht mit Betäubungsgas getan. Ich muß das Maahkraumschiff mit einem Gas fluten lassen, das die Raumanzüge zerfrißt. Das bedeutet, daß sie sterben würden, wenn anschließend die Wasserstoffatmosphäre aus ihrem Schiff entfernt wird.« »Das will ich nicht«, erwiderte Anlytha. »Ich werde mich anstrengen, um das zu verhindern.« Sie schrie auf, als ungefähr drei Meter vor ihr ein Blasterstrahl in den Boden schlug und bei seiner Entladung einen kleinen brodelnden Krater bildete. »Zurück in die Baracke!« rief Assylia. »Die Maahks wollen nicht, daß jemand sich im Freien aufhält, wenn sie die Todeskandidaten abholen.« Die drei Personen zogen sich in die Baracke zurück und beobachteten das Geschehen draußen durch eines der kleinen Fenster. Die Frauen im Innern waren bereit zum Aufbruch. Ihre Gesichter verrieten Sorge und Entschlossenheit. Keine von ihnen sagte etwas. Der Anführer des maahkschen Transportkommandos hatte Khoruna Skapron inzwischen eine Liste gegeben. Der Zweifacher Sonnenträger mußte jeweils einen Namen vorlesen, woraufhin einer seiner Leute vortrat, von zwei Maahks durchsucht wurde und danach je eine leichte Strahlwaffe und ein versiegeltes Päckchen erhielt. »In den Päckchen befinden sich je drei Energiemagazine«, flüsterte Assylia von Brogaaze. »Die Waffen selbst sind ungeladen. Dadurch wollen die Maahks vermeiden, daß die Todeskandidaten überraschend das Feuer auf sie eröffnen.« Vom Raumhafen her kam ein dumpfes Donnern, dem absolute Stille folgte. »Das Kadettenschiff ist gelandet«, sagte Algonkin-Yatta. »Es wird Zeit für dich, Verwirrung unter den Maahks des Transportkommandos zu stiften, Anlytha.« »Ich bin dabei«, gab Anlytha zurück. Diesmal blieb sie ernst. Ihr Gesicht, dessen fliederfarbene Haut wie Porzellan aussah, verriet stärkste Konzentration.
H. G. Ewers Die Maahks des Transportkommandos, die ihre Waffen auf die Gefangenen gerichtet hielten, rührten sich nicht. Nur die beiden Maahks, die die Gefangenen untersuchten, übten ihre Funktion nicht mehr aus. Sie schienen die Arkoniden nicht mehr wahrzunehmen. Plötzlich ließ einer der anderen Maahk seine Strahlwaffe fallen. Zwei andere taumelten und stießen zusammen. Nun zeigten auch die übrigen Maahks unkontrollierte Bewegungen. Aber die Todeskandidaten schienen unschlüssig zu sein. Offenbar wußten sie nicht, ob die Verwirrung unter den Maahks schon groß genug war. Algonkin-Yatta spannte seine Muskeln, dann schnellte er durch die Scheibe des Fensters, landete fünf Meter weiter auf dem Boden, kam sofort wieder auf die Füße und rief: »Vorwärts! Entwaffnet sie!« Da er vergessen hatte, seinen Translator mitzunehmen – er lag auf der Fensterbank –, konnten die Arkoniden ihn nicht verstehen. Aber nachdem der Kundschafter drei Maahks entwaffnet hatte, ohne daß sie Widerstand geleistet hatten, begriffen sie. Verbissen stürzten sie sich auf die verwirrten Maahks, entrissen ihnen die Waffen und eröffneten sofort ein verheerendes Feuer auf die Waffenkuppeln der Wachttürme. Algonkin-Yatta sah, wie die Waffenkuppeln im Energiefeuer vergingen. Er drehte sich um und rief: »Anlytha, das Schiff!« Anlytha antwortete nicht, und er dachte, sie wäre bereits erfolgreich am Werk. Statt dessen stürzte sie kurz darauf ins Freie. Sie wirkte verstört. »Ich komme nicht durch!« jammerte sie. »Das Schiff ist zu weit entfernt!« »Dem kann abgeholfen werden!« erwiderte der Kundschafter. Mit zwei Sprüngen war er bei Anlytha, lud sie sich kurzerhand über die Schulter und raste mit dem Tempo eines galoppierenden Rennpferds auf das Haupttor zu …
Kundschafter im Kosmos
* Die Wachtposten am Haupttor waren von der Verwirrung nicht angesteckt. Sie stürzten aus ihrem Gebäude, als sie sahen, was im Lager geschah. Algonkin-Yatta setzte Anlytha ab und fuhr zwischen die Maahks. Er rannte sie infolge seiner überlegenen Körperkraft teils um, teils schaltete er sie durch Schläge aus, die er während seines Kundschaftertrainings gelernt hatte. Anschließend nahm er einem der Maahks den Paralysator ab und lähmte die restlichen Posten. Als der Kundschafter zurückblickte, sah er, daß die Männer Skaprons die Maahks des Transportkommandos ebenfalls mit Paralysatoren lähmten. Von der maahkschen Lagerwache waren nur wenige Soldaten übrig geblieben. Sie verteidigten sich, so gut sie konnten, würden sich aber auch nicht mehr lange halten können. Algonkin-Yatta lief zu Anlytha zurück, warf sie sich wieder über die Schulter und verließ das Lager endgültig. Draußen standen mehrere Gleiter. Er sprang in einen hinein und startete ihn. Die fremdartigen Kontrollen bereiteten ihm keine Schwierigkeiten, denn er hatte auf dem Transport vom Kundschafterschiff zum Kommandobunker der Maahks genau darauf geachtet, wie der Pilot des betreffenden Gleiters die Schaltungen bediente. Er steuerte direkt auf den Raumhafen zu. Das Maahkraumschiff mit den Kadetten war zirka zweitausend Meter von seinem Schiff entfernt niedergegangen. Die Besatzung schien etwas von den Geschehnissen im Gefangenenlager mitbekommen zu haben, denn die aus dem Walzenschiff ragenden Waffenkuppeln drehten sich so, daß die Abstrahlläufe der Kanonen zum Lager zeigten. Algonkin-Yatta fuhr an den beiden Posten des diesseitigen Raumhafeneingangs vorüber. Die Maahks rissen ihre Strahlwaffen hoch, doch dann drehten sie sich ziellos im Kreis.
45 »Gut gemacht, Anlytha!« rief der Kundschafter. »Konzentriere dich jetzt auf die Maahks im Schiff!« Er beschleunigte und hielt auf den Walzenraumer zu, der mit Hilfe seiner Antigravprojektoren dicht über dem Platzbelag schwebte. Noch reagierten die Geschützmannschaften nicht auf die Annäherung des Fahrzeugs, doch das konnte sich schnell ändern. Da der Gleiter offen war, bestand die Möglichkeit, daß man auf den Bildschirmen in der Schiffszentrale sah, daß sich keine Maahks darin befanden. Der Gleiter war nur noch dreihundert Meter vom Schiff entfernt, als sich die Personenschleuse öffnete. Rampen schoben sich ins Freie, und in den Schleusenöffnungen waren bewaffnete Maahks in Raumanzügen zu sehen. Der Kundschafter drehte sich nach Anlytha um und sah, daß sie in angestrengter Konzentration die Augen geschlossen hatte. Deshalb sagte er nichts. Als er wieder nach vorn blickte, waren sie nur noch knapp hundert Meter von dem schwarzen Walzenraumer entfernt. Algonkin-Yatta ließ den Beschleunigungshebel los und bremste allmählich ab. Er war entschlossen, erst unmittelbar neben dem Schiff anzuhalten, obwohl die Gefahr bestand, daß die maahkschen Raumkadetten sie beschossen. Doch die Maahks reagierten nicht. Kaum stand der Gleiter, marschierten die Raumkadetten in exakt ausgerichteten Doppelreihen die Rampen hinab und schlugen die Richtung zum Gefangenenlager ein. Schon fürchtete der Kundschafter, Anlytha hätte diesmal versagt, als er bemerkte, daß die Raumkadetten keine Waffen trugen und sich außerdem marionettenhaft bewegten. Abermals sah er sich nach seiner Begleiterin um. Diesmal wirkte Anlythas Gesicht entspannt, aber die Augen waren noch geschlossen. Plötzlich öffnete sich ihr Mund, und sie gab ein helles Zwitschern von sich. Aufatmend lehnte sich Algonkin-Yatta zurück. Anlytha hatte die Situation offenbar
46 im Griff. Der Kundschafter stellte eine Verbindung mit der Psiotronik seines Schiffes her. Weißt du, was die psionischen Einflüsse, die du verstärkst, bei den Betroffenen hervorrufen? erkundigte er sich. Ja! antwortete die Psiotronik. Zuerst erlagen die Betroffenen der Halluzination, über die Rundrufanlage ihres Schiffes den Befehl zu hören, daß sie unter Zurücklassung aller Waffen geordnet das Schiff verlassen sollten. Danach vermittelte Anlytha ihnen den Eindruck, sie marschierten über einen Gebirgsgrat, der gerade Platz genug für eine Doppelreihe böte. Allmählich reift in ihnen die fixe Idee, nach der Ankunft im Lager die Persönliche Datenkapsel zu suchen, die der Grek 1 der Urptra-Systems angeblich dort verloren hat. Es ist sehr lustig. Algonkin-Yatta runzelte die Stirn. Es ist sehr lustig? Für eine Psiotronik? Es dürfte eigentlich unmöglich für eine Psiotronik sein, Emotionen zu empfinden. Meine Erinnerungsspeicher sagen das auch, und das finde ich noch lustiger! gab die Psiotronik zurück. »Demnächst lacht das Ding sogar noch!« sagte Algonkin-Yatta laut. Er blickte den Maahks nach. Die Spitze der ersten Kolonne würde bald das Lager erreichen. Wenn die Arkoniden nicht erkannten, daß die Maahks beeinflußt waren, mußte unweigerlich ein Unglück geschehen. Da der Kundschafter keine Möglichkeit besaß, Funkverbindung zu den Arkoniden aufzunehmen, hob er kurz entschlossen Anlytha hoch und stellte sie auf den Boden. »Weiter so, Schwester!« sagte er. Anlytha reagierte nicht darauf. Algonkin-Yatta wendete den Gleiter und jagte an den stur dahinmarschierenden Maahks vorbei auf das Lager zu. Als er durch das Haupttor schwebte, waren die Kampfhandlungen beendet. Skaprons Männer kümmerten sich darum, daß alle Gefangenen das Lager verließen. Kleine Kinder wurden getragen, Kranke und Gebrechliche gestützt. Algonkin-Yatta winkte den Arkoniden zu
H. G. Ewers und raste zu der Baracke, in der er seinen Translator zurückgelassen hatte. Er hielt vor dem bewußten Fenster an, sprang hindurch, griff sich den Translator und sprang wieder zurück. Danach jagte er zur Spitze der Gefangenenkolonne, an der sich Khoruna Skapron befand. »Das Walzenschiff gehört uns!« rief er. » Sorgen Sie dafür, daß die Maahks, die vom Schiff ins Lager marschieren, nicht behelligt werden! Sie könnten sonst aus der Beeinflussung erwachen.« »Verstanden!« rief der Zweifache Sonnenträger zurück. »Wie haben Sie das nur geschafft, Algonkin-Yatta?« »Anlytha hat es geschafft«, erwiderte der Kundschafter. »Gemeinsam mit einer Psiotronik, die sich zur Zeit vor Lachen schüttelt. Ich fliege voraus!«
* Während des Rückflugs setzte sich der Kundschafter wieder mit seiner Psiotronik in Verbindung. Kannst du das Schiff bedienen, ohne daß deine Unterstützung Anlythas darunter leidet? Ich kann es! lautete die Antwort. Dann koppele dich mit dem Maahkraumschiff. Laß die Wasserstoffatmosphäre entweichen! Sie wird, da sie heiß ist und unter hohem Druck steht, sofort in die oberen Luftschichten Chandras entweichen, so daß die Gefahr einer Vermischung mit Sauerstoff und folgender Knallgasexplosion nicht gegeben ist. Danach muß du das Maahkraumschiff von den Resten der Wasserstoffatmosphäre säubern und mit einer Sauerstoffatmosphäre füllen! Außerdem mußt du die Klimatisierung übernehmen! Ist das klar? Das ist klar, Kundschafter. Die ersten Maahks haben soeben das Lager erreicht. Sie kriechen auf dem Boden herum und suchen nach einer imaginären Datenkapsel. Ich filme das Ereignis, damit du später darüber lachen kannst. Du solltest ebenfalls erst später darüber
Kundschafter im Kosmos lachen! Ich lache ja gar nicht, sondern amüsiere mich nur. Aber keine Sorge, ich werde meine Arbeit darüber nicht vernachlässigen. Algonkin-Yatta seufzte. Er fragte sich, ob er die unerklärliche Reaktion der Psiotronik als positiv oder negativ einstufen wollte oder ob er sie ignorieren durfte. Er kam zu dem Schluß, diese Frage zu klären, wenn die Befreiungsaktion abgeschlossen war. Als er den Walzenraumer erreichte, war er offenbar verlassen. Anlytha stand noch dort, wo der Kundschafter sie abgesetzt hatte. Algonkin-Yatta hob sie wieder in den Gleiter und entfernte sich weit genug von dem Maahkraumer. Kaum hatte er angehalten, sah er, wie sein Schiff lautlos abhob und in geringer Höhe auf das Walzenschiff zuschwebte. Unmittelbar davor verharrte es und schob elastische Rohre aus seiner Hülle, die sich so formten, daß sie sich luftdicht mit den Schleusenöffnungen des Walzenschiffs verbanden. Minuten später öffneten sich einige Schleusen an der Oberseite des Maahkraumschiffs. Deutlich sah Algonkin-Yatta die Schwaden des heißen Gemischs aus Wasserstoff, Ammoniak und Methan aus den Öffnungen schießen. Der hohe Druck und die Hitze bewirkten, daß sie senkrecht nach oben stiegen. Aber noch konnte kein Sauerstoffatmer das Schiff der Maahks betreten, denn die Spuren von Ammoniak und Methan mußten erst noch beseitigt werden. Die ersten Arkoniden tauchten bereits am Rand des Raumhafens auf, als die Psiotronik endlich meldete, daß das Maahkraumschiff »sauber« sei. Ich muß nur noch einen raumflugtauglichen Anschluß herstellen und mit der Klimaanlage des Kundschafterschiffs die Klimatisierung übernehmen, bis die Klimaanlage des Maahkraumschiffs umprogrammiert ist! teilte sie weiter mit. Beeile dich! dachte Algonkin-Yatta. Er musterte aufmerksam den Himmel. Es
47 war fast ein Wunder zu nennen, daß bisher keine maahkschen Fluggleiter aufgetaucht waren. Ihren Besatzungen wäre es sicher nicht entgangen, was sich beim Lager und beim Raumhafen abspielte. Wahrscheinlich unterhielten die Maahks auf Chanetra keine anderen Einrichtungen als das Lager und den kleinen Raumhafen. Dennoch konnte es nur eine Frage der Zeit sein, bis ein nicht beeinflußter Maahk – vielleicht einer, der sich, aus welchem Grund auch immer, vom Schauplatz des Geschehens entfernt hatte – bemerkte, was sich abspielte und über Funk den Stützpunkt auf Xymoch alarmierte. Er wandte sich den Arkoniden zu, die ihn erreichten. Khoruna Skapron befand sich noch immer an der Spitze. »Können wir ins Schiff?« fragte der Zweifache Sonnenträger. »Noch nicht«, antwortete Algonkin-Yatta. »Aber es wird nicht mehr lange dauern. Ihre Leute sollen sich vor den Schleusen aufstellen, damit es nachher schneller geht!« Skapron rief einige Befehle, dann wandte er sich wieder an den Kundschafter. »Ich kann es immer noch kaum fassen, wie leicht alles ging, Algonkin-Yatta. Wir sind Ihnen und Anlytha zu ewigem Dank verpflichtet.« »Wir erwarten keinen Dank, wenn wir Bedrohten helfen«, erwiderte der Kundschafter. »Ich möchte Sie allerdings bitten, nachher mit uns ins Kundschafterschiff zu kommen. Sie müssen mir alles erzählen, was Sie über Atlan wissen. Vielleicht ergibt sich ein Anhaltspunkt für meine Suche.« »Das wäre möglich«, sagte der Zweifache Sonnenträger. »Ich werde Sie gern in Ihr Schiff begleiten.« Säuberung und Klimatisierung des Maahkraumschiffs abgeschlossen! meldete die Psiotronik in diesem Moment. Algonkin-Yatta blickte hinüber und sah, daß sich sein Schiff auf das der Maahks gesetzt und es mit einem Manipulatorstachel an sich gekoppelt hatte. Der Manipulatorstachel war eine Röhre aus außerordentlich wi-
48 derstandsfähigem Material, dessen Spitze von einem Durchdringungskopf gebildet wurde. In dem Manipulatorstachel verliefen Versorgungsleitungen und Impulsübermittler. »Ihre Leute können jetzt das Beuteschiff betreten, Skapron!« erklärte er.
H. G. Ewers
»Es geht los!« sagte Algonkin-Yatta und setzte sich vor die Kontrollen. In dem Augenblick, in dem er den Antrieb aktivierte, fing er ein Geruchssignal auf, das seine Aufmerksamkeit auf die Anzeigen der Ortung lenkte. »Soeben starten siebzehn Raumschiffe von Xymoch«, sagte er gelassen. »Damit bekommen die Maahks uns nicht, denn mit nur 10. siebzehn Schiffen können sie uns nicht alle Vor wenigen Sekunden hatte die FunkFluchtwege verlegen.« zentrale des Kundschafterschiffs FunkimDas Kundschafterschiff und das angekoppulse aufgefangen, die von einem Ort auspelte Beuteschiff lösten sich vom Boden. gingen, der rund zwanzig Kilometer vom Am Rand des Raumhafens tauchten einige Gefangenenlager entfernt war. Die PsiotroMaahks auf. Sie gaben Strahlschüsse ab, nik hatte zwar sofort einen Störsender aktiaber die Entfernung war zu groß für Wirviert, der die Funkimpulse überlagerte, aber kungstreffer. es war anzunehmen, daß der erste Teil der »Ich habe sie aus der Beeinflussung entüberlichtschnell abgestrahlten Nachricht belassen, damit sie noch mitbekommen, was reits die entsprechenden Empfänger auf Xywir ihnen für einen Streich gespielt haben«, moch erreicht hatte. erklärte Anlytha. Algonkin-Yatta befand sich zusammen »Es war kein Streich, sondern eine Hilfsmit Anlytha und Khoruna Skapron in der aktion«, entgegnete der Kundschafter. Steuerzentrale seines Schiffs und beobachte»Außerdem ist noch längst nicht alles vorte ungeduldig, wie die letzten hundert bebei. Eben sind weitere achtundzwanzig freiten Gefangenen das Maahkraumschiff Raumschiffe von Xymoch gestartet. Das bebestiegen. deutet, daß wir auf konventionelle Weise »Bald werden die ersten Raumschiffe von nicht entkommen können.« Xymoch starten«, erklärte er. Er beschleunigte, und die beiden Schiffe »Haben wir überhaupt eine Chance, ihnen schossen aus der Atmosphäre. Doch da gazu entkommen?« fragte der Zweifache Sonben die Ortungsautomaten schon Alarm. Die nenträger. »Mit dem Beuteschiff im Schlepp zuerst gestarteten siebzehn Maahkraumwird Ihr Fahrzeug doch ziemlich behindert schiffe hatten die relativ kurze Distanz zwisein.« schen Xymoch und seinem sechsten Mond »Es gibt sicher noch einige Schwierigkeiweitgehend überwunden und befanden sich ten«, gab der Kundschafter zu. »Ob wir entauf Angriffskurs. kommen, hängt davon ab, welche Anzahl »Wenn Ihr Schiff Schutzschirme hat, von Schiffen die Maahks in den Raum dann schalten Sie sie ein, Algonkin-Yatta!« schicken und wie sie sie einsetzen.« sagte Khoruna Skapron. Khoruna Skapron lächelte bitter. »Die Schutzvorrichtungen eines Kund»Ich dachte es mir. Dennoch hatte ich geschafterschiffs aktivieren sich automatisch«, hofft, Sie könnten ein neues Wunder bewirerwiderte Algonkin-Yatta. »Das ist logisch, ken.« denn ein Mann allein kann nicht alle Kon»Es gibt keine Wunder«, sagte Algonkin-Yat- trollen zugleich bedienen.« ta. Der Zweifache Sonnenträger stöhnte. Die Schleusen des Beuteschiffs sind ver»Das Wort ›logisch‹ habe ich während riegelt! meldete die Psiotronik. Wir sind meiner Gefangenschaft so oft gehört, daß startklar. mir dabei übel wird. Warum fliegen Sie
Kundschafter im Kosmos nicht endlich ein Ausweichmanöver? Jeder arkonidische Schiffskommandant hätte schon längst reagiert.« »Und wäre abgeschossen worden«, erklärte der Kundschafter. »Haben Sie denn nicht bemerkt, daß die Maahks mit einem Ausweichmanöver rechneten und ihren Angriffskurs entsprechend einrichteten? Dadurch bildete sich in der Formation eine Lücke, die wir nur für uns nutzen konnten, weil wir stur weiterflogen.« Zweifelnd musterte der Arkonide die Ortungsanzeigen, denn auf den Bildschirmen ließen sich Raumschiffe im Weltraum nur selten beobachten. »Ich kenne mich mit Ihren Ortungsanzeigen noch nicht gut aus«, sagte er. »Sie sind anders als die auf den Schiffen des Großen Imperiums.« »Würdest du dem Zweifachen Sonnenträger bitte helfen, sich mit meinen Ortungsanzeigen zurechtzufinden, Anlytha?« fragte Algonkin-Yatta. »Übrigens sind die achtundzwanzig zuletzt gestarteten Maahkraumschiffe bald auf Gefechtsdistanz heran.« »Woher wollen Sie die Gefechtsdistanz eines Maahkraumschiffs kennen?« fragte Khoruna Skapron irritiert. Der Kundschafter lächelte, während er den Kurs seines Raumschiffs abrupt änderte. »Meine Psiotronik hat alles Wissenswerte über unser Beuteschiff ermittelt und teilt es mir auf Abruf mit. Dazu gehört selbstverständlich auch der Wirkungsbereich maahkscher Strahlkanonen – und daraus ergibt sich wohl die Gefechtsdistanz. Ha, die Maahks denken tatsächlich, ich wollte mit meinem letzten Flugmanöver ihren linken Flügel durchbrechen!« »Aber irgendwo müssen Sie schließlich durchbrechen!« erwiderte der Zweifache Sonnenträger. »Genau das werden die Maahks mit Ihrer Logik denken«, meinte Algonkin-Yatta. »Aber ich denke nicht daran, mich nach ihrer Logik zu richten.« Erneut änderte er den Kurs. »Wohin fliegen Sie?« rief Khoruna Ska-
49 pron entsetzt, als er sah, wie der Riesenplanet sich auf dem vorderen Bildschirm vergrößerte. »Sie geraten in den Wirkungsbereich der Raumabwehrforts von Xymoch, wenn Sie diesen Kurs beibehalten!« Algonkin-Yatta betätigte einen Schalter. »Mit konzentrischem Feuer ist mein Schiff zu zerstören, aber nicht, wenn die Raumabwehrforts gleichzeitig auf zwanzig Ziele schießen müssen«, meinte er zufrieden. »Was soll das heißen?« fragte der Zweifache Sonnenträger. »Außerdem holen die Verfolger auf.« »Das soll heißen, daß ich neunzehn Scheinziele in den Raum um uns projiziere, die für jedes Ortungsgerät das gleiche Ergebnis liefert wie mein Schiff«, erläuterte er. »Und die Verfolger holen deswegen auf, weil ich verzögere. Da sie ihr Feuer ebenfalls auf zwanzig Ziele richten müssen, um uns mit zu treffen, können sie uns nicht schwer treffen. Außerdem geraten auch sie in das Feuer der Raumabwehrforts, wenn sie zu dicht aufschließen.« Khoruna Skapron schüttelte den Kopf. »Ihre Taktik ist wirklich unkonventionell, Algonkin-Yatta. Aber Sie kennen die Maahks noch nicht gut genug. Sie werden alles aufbieten, um uns doch zu fassen.«
* Algonkin-Yatta hielt die Prophezeiung des Zweifachen Sonnenträgers für Übertreibung und Schwarzseherei, bis die Bodenforts des Riesenplaneten ihr Feuer eröffneten und gleichzeitig weitere sechsundachtzig Maahkraumschiffe von Xymoch starteten. Trotz der neunzehn Scheinziele wurde der Schutzschirm des Kundschafterschiffs, der weiter gespannt war als sonst, um das Beuteschiff mit einzuschließen, immer wieder von Strahlschüssen getroffen. Rings um das Schiff flammten immer wieder starke Entladungen auf. Ein Geruchssignal verriet dem Kundschafter, daß der Schutzschirm den Belastungen nicht mehr lange gewachsen war,
50 weil er durch die stärkere Ausdehnung geschwächt wurde. Zudem schossen nun auch die Verfolgerschiffe – und die zuletzt von Xymoch aufgestiegenen Walzenschiffe formierten sich über dem Kundschafterschiff und den Scheinzielen zu einer Glocke, an der jeder Durchbruchsversuch scheitern mußte. Als die nächste Trefferserie das Kundschafterschiff gleich einer imaginären Riesenfaust durchschüttelte, eilte Anlytha ängstlich an Algonkin-Yattas Seite und umklammerte seinen rechten Arm. »Kannst du nichts tun, Algonkin?« jammerte sie. »Es sieht schlecht aus«, gab der Kundschafter zu. »Warum haben Sie nicht auf mich gehört?« sagte Khoruna Skapron niedergeschlagen. »Dann wären wir längst tot«, erklärte der Kundschafter. »Oder wir hätten kostbares Leben zerstören müssen.« Khoruna Skapron schloß die Augen, als neben dem Kundschafterschiff sich ein riesiger blauweißer Glutball aufblähte, dann holte er tief Luft und sagte: »Endlich haben die Bodenforts ein eigenes Schiff getroffen und vernichtet.« »Das ist bedauerlich«, gab Algonkin-Yatta zurück. »Ich nahm an, die Verfolger würden sich zurückhalten. Maahks müssen, genau wie andere Lebewesen, einen Selbsterhaltungstrieb besitzen.« Der Zweifache Sonneträger lachte. »Sie unterdrücken ihn zugunsten der Logik, die besagt, daß sie uns nicht entkommen lassen dürfen, weil sonst die Kampfmoral der Flotte des Großen Imperiums noch mehr gestärkt würde. Deshalb opfern sie lieber einige Raumschiffe mit ihren Besatzungen.« »Leider zwingt mich das dazu, meine Rücksichtnahme teilweise aufzugeben«, sagte der Kundschafter traurig. »Es wird mein Gewissen für immer belasten, aber ich darf nicht länger zögern.« Er trat erneut mit der Psiotronik in Verbindung und befahl ihr, die maahkschen
H. G. Ewers Raumabwehrforts, die das Kundschafterschiff unmittelbar bedrohten, zu vernichten. Wenige Sekunden später ließ das Feuer der Bodenforts schlagartig nach. Das Kundschafterschiff erhielt nur noch ab und zu einen Treffer von den Verfolgern. Damit wurde der Schutzschirm allerdings leicht fertig. Algonkin-Yatta drückte sein Schiff in die oberen Schichten der Atmosphäre von Xymoch. »Was ist mit den Bodenforts?« fragte Khoruna Skapron verblüfft. »Die Maahks denken doch nicht etwa, wir wollen auf Xymoch landen?« »Ich mußte die Bodenforts, die uns gefährlich wurden, vernichten lassen«, antwortete der Kundschafter leise. »Wie?« entfuhr es dem Zweifachen Sonnenträger. »Und das ging einfach so?« Er schnippte mit den Fingern. »Das ist phantastisch, Algonkin-Yatta. Wenn Sie das Geheimnis Ihrer Wunderwaffe dem Großen Imperium zur Verfügung stellen, können wir die Maahks entscheidend schlagen.« Algonkin-Yatta wandte den Kopf und blickte Khoruna Skapron lange an, dann sagte er: »Ich werde niemals etwas tun, was einen bewaffneten Konflikt verschlimmern könnte, Skapron. Wenn ich mich entschließe, tödliche Waffen gegen andere Lebewesen einzusetzen, dann nur, wenn sie Unschuldige tödlich bedrohen oder mich gewaltsam daran hindern, ihnen auszuweichen und damit einen Kampf aus dem Weg zu gehen.« Er empfing ein neues Geruchssignal und fuhr mit dem Finger über einen Schaltsensor. Der Bildschirm des Hyperfunkgeräts wurde hell und zeigte den Oberkörper eines Maahks. »Der Grek 1 des Urptra-Systems!« rief der Kundschafter überrascht. »Schämen Sie sich nicht, mir noch einmal unter die Augen zu kommen – auch wenn es nur indirekt ist?« »Sie werden diesmal wahrscheinlich entkommen, Algonkin-Yatta«, erklärte der
Kundschafter im Kosmos Maahk, ohne auf den Vorwurf des Kundschafters einzugehen. »Aber glauben Sie nicht, daß Sie damit in Sicherheit sind. Wenn der Neunerrat meinen Bericht über die Vorkommnisse auf Chanetra erhält – und das wird geschehen, sobald ich für mein Versagen gebüßt habe –, werden Sie als Todfeind aller Maahkvölker eingestuft werden. Jedes unserer Raumschiffe und jeder einzelne Maahk wird Sie jagen, bis Sie gestellt und vernichtet sind.« »Ich begreife Sie nicht, Greg 1«, erwiderte der Kundschafter. »Niemals wird ein Kundschafter tatenlos zusehen, wie anderen Lebewesen Unrecht zugefügt wird. Warum wollen Sie dafür büßen, daß ich erfolgreich war?« »Weil ich Sie nicht durchschaut habe«, entgegnete der Maahk. »Ich hätte Sie sofort töten lassen sollen. Dafür werde ich selbst den Tod suchen – und Sie werden mir früher oder später folgen.« Der Bildschirm wurde dunkel. Algonkin-Yatta seufzte. »Diese Maahks haben wirklich eine krankhaft entartete Mentalität. Aber lassen wir das! Wir haben die Verfolger abgelenkt und verlassen die Atmosphäre Xymochs wieder. Bald gehen wir zum Interdimensionsflug über. Skapron, Sie können inzwischen schon damit anfangen, über Atlan zu berichten.« Khoruna Skapron schüttelte den Kopf. »Ihre Mentalität ist zumindest auch sehr sonderbar, Algonkin-Yatta. Aber schön, ich will gern erzählen, was ich über Atlan gehört habe und welche Vermutungen mir gekommen sind, nachdem ich durch Sie zum Nachdenken angeregt wurde.«
* »Kurz, bevor ich von den Maahks gefangengenommen wurde, erfuhr ich, daß Atlan sich an Bord eines Raumschiffs befände, das über die normalen Transitionsknotenpunkte den Großen Kugelhaufen ansteuerte, in dem sich Arkon befindet«, erzählte Khoruna Ska-
51 pron. »Da der Flottenverband, den ich damals befehligte, gerade umgerüstet wurde – bis auf den Schweren Kreuzer APTRUN –, war ich sozusagen frei für alle Arten von Sonderaufgaben. Es ist nämlich eine Spezialität des Imperators, hochstehende Offiziere hin und wieder für Sonderaufgaben abzustellen, die eigentlich nicht ihrem hohen Rang entsprechen. Ich bekam den Befehl, mit der APTRUN einen bestimmten Transitionsknotenpunkt anzufliegen und mich dort auf die Lauer zu legen. Falls das Schiff Atlans dort materialisierte, sollte ich es abfangen und aufbringen. Atlans Raumschiff tauchte tatsächlich dort auf. Zu meiner Verwunderung handelte es sich um ein typisches Schiff der Akonen, unserer feindlichen Verwandten. Aber die Beute wurde mir von einem anderen Schiff des Imperiums abgejagt. Dabei erhielt ich Informationen, über die ich später sprechen werde. Jedenfalls verließ mich mein Glück. Die APTRUN wurde von zwei Schlachtschiffen der Maahks gestellt und zusammengeschossen. Ich wurde, in meinem Raumanzug treibend, von den Maahks aus dem All gefischt und nach Chanetra gebracht. Damit war das Kapitel Atlan in meinen Augen abgeschlossen, denn ich rechnete nicht damit, meine Freiheit wiederzugewinnen. Erst durch Sie kann ich wieder als freier Arkonide denken. Ich habe mir überlegt, daß Atlan, falls es ihm wiederum gelungen sein sollte, zu entkommen, versuchen würde, seine ursprüngliche Absicht weiter zu verfolgen.« »Und was soll seine ursprüngliche Absicht gewesen sein?« fragte Algonkin-Yatta gespannt, während das Kundschafterschiff zum Interdimensionsflug überging. »Ich vermute die, über die KAYMUURTES nach Arkon zu kommen«, antwortete Khoruna Skapron. »Die KAYMUURTES sind Arena-Spiele mit einer alten Tradition und gliedern sich in drei Teile. Die Sieger genießen einen Sonderstatus, und wahr-
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scheinlich würde es auch Orbanaschol nicht wagen, einen KAYMUURTES-Sieger verhaften zu lassen. Im Gegenteil, er müßte ihn in aller Öffentlichkeit auf Arkon empfangen und ehren. Falls Atlan beabsichtigt, an den KAYMUURTES teilzunehmen – und wenn es ihm gelingt, als einer der Sieger daraus hervorzugehen –, könnte er im Triumph nach Arkon zurückkehren. Natürlich würde Orbanaschol alles versuchen, um ihn heimlich beseitigen zu lassen, aber in der Öffentlichkeit würde er es nicht wagen. Atlan hätte eine gute Chance, das Volk von Arkon auf seine Seite zu ziehen und Orbanaschol zu stürzen.« »Meine Achtung von Atlan steigt immer mehr!« rief Algonkin-Yatta enthusiastisch. »Was für eine faszinierende Persönlichkeit! Wo finden die KAYMUURTES statt, Skapron – und wann?« Der Zweifache Sonnenträger wiegte nach-
denklich den Kopf. »Ich kenne das Datum nicht mehr, aber wenn mich mein Zeitsinn nicht trügt, müßten die Spiele in vier oder fünf Tagen arkonidischer Zeitrechnung stattfinden – und zwar im Dubnayor-System.« »Dann fliegen wir schnellstens hin«, erklärte Algonkin-Yatta. Khoruna Skapron lächelte. »Vorher sollten wir uns vielleicht davon überzeugen, ob Atlan damals überhaupt seinen Häschern entronnen ist. Ich weiß nämlich, wohin das Schiff fliegen wollte, das ihn und seine Freunde einfing.« Algonkin-Yattas Augen leuchteten auf. »Erzähle, Skapron!« forderte er. Und Khoruna Skapron erzählte …
ENDE
Lesen Sie nächste Woche ATLAN Nr. 276: Festung in der Tiefe von H. G. Ewers Zwei Sucher begegnen einander – der Kosmische Kundschafter und der Goldene