Nr. 275
Kundschafter im Kosmos Algonkin-Yatta - ein Fremder von Auoryc auf Atlans Spuren von H. G. Ewers
Das Große Im...
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Nr. 275
Kundschafter im Kosmos Algonkin-Yatta - ein Fremder von Auoryc auf Atlans Spuren von H. G. Ewers
Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen. Gegen diese inneren Feinde ist Kristallprinz Atlan, der rechtmäßige Thronerbe von Arkon, mit seinen rund 12.000 Helfern bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Seine geheime Zentrale, von der die meisten Aktionen gegen Orbanaschol ihren An fang nehmen, ist Kraumon. Auch auf diesem abgelegenen Planeten ist inzwischen längst bekannt, daß es mit Orbanaschol nicht mehr zum Besten steht. Daher rechnet sich Atlan eine reelle Chance aus, den Usurpator zu stürzen. Um dieses Zieles willen hat Atlan ein Spiel mit höchstem Einsatz begonnen. Der Sieg in den Amnestie-KAYMUURTES soll ihm den Weg nach Arkon ebnen. Die Gefahren, die auf diesem Wege lauern, glaubt Atlan zu kennen – doch tat sächlich weiß der junge Arkonidenprinz noch längst nicht alles, was er wissen müßte. So ahnt er auch nichts von Algonkin-Yattas Existenz. Algonkin ist ein hilfreicher Fremder, ein KUNDSCHAFTER IM KOSMOS …
Kundschafter im Kosmos
3
Die Hautpersonen des Romans:
Algonkin-Yatta - Ein Kosmischer Kundschafter.
Anlytha - Die Begleiterin des Kundschafters.
Scoopar - Ein Goltein-Heiler.
Grek 1 - Kommandant des Urptra-Systems.
Gotar von Andech, Assylia von Brogaaze und Khoruna Skapron - Gefangene der Maahks.
1. Algonkin-Yatta bewegte sich träge auf dem festen Polster, als seine Nase das Ge ruchssignal auffing. Jemand begehrte Einlaß in die kugelför mige Wohnzelle des Kundschafterschiffs, und da sich außer dem Kundschafter nur ei ne weitere Person an Bord befand, konnte es sich nur um Anlytha handeln. Algonkin-Yatta drückte auf den Signal sensor seines Kommando-Armbands und gleich darauf auf einen zweiten Sensor. Der erste bewirkte, daß der Zugang zur Wohn zelle sich öffnete, der zweite, daß die in der Zelle herrschende Schwerkraft von 3 auf 1,5 Gravos gesenkt wurde. Ein haarloser Kopf mit fliederfarbener Haut und einem kleinen weißen Federkamm schob sich durch die Öffnung; zwei weit auseinanderstehende schwarze Knopfaugen drehten sich flink in verschiedene Richtun gen. Einen Moment später wurde der ganze, 1,33 Meter große, in eine enganliegende sil berfarbene Raumkombination gehüllte Kör per sichtbar. Anlytha bewegte sich so graziös, als besä ße sie unsichtbare Flügel, die ihr halfen, einen Teil ihres Körpergewichts zu tragen. In der Nähe des Kosmischen Kundschafters setzte sie sich auf eine aus der Polsterung ra gende buckelförmige Erhebung. »Was ist das, Algonkin?« fragte sie und deutete dabei mit einer fliederfarbenen Hand auf einen flachen mattsilbernen Kasten, aus dem Geräusche drangen. »Das ist ein Tonspulenrecorder«, erklärte Algonkin-Yatta. »Er macht die auf Spulen gespeicherte Musik eines Volkes für uns hörbar, das auf einem Planeten mit dem Na
men Versico lebt.« »Schön!« sagte Anlytha inbrünstig, schloß die Augen und gab sich ganz dem Genuß der fremdartigen Musik hin. Algonkin-Yatta bewegte sich vorsichtig. Er brauchte stets einige Zeit, um sich an eine reduzierte Schwerkraft zu gewöhnen. Sein Volk lebte auf einem Planeten mit 4,52 Gra vos Schwerkraft, vertrug aber infolge einer nur teilweisen Anpassung auf die Dauer 3 Gravos am besten. Nachdenklich beobachtete der Kund schafter seinen weiblichen Gast, der alles außer der Musik vergessen hatte. Er wußte nicht viel über Anlytha, denn sie hatte den größten Teil ihrer Erinnerungen bei einem Unfall verloren. Es war noch gar nicht lange her, als Algonkin-Yatta auf seinem von der Psiotronik ausgearbeiteten Kundschafterkurs zwischen den Sternen ein havariertes Klein raumschiff entdeckt hatte. Er war nach dem Anpassungsmanöver übergestiegen und hat te als einziges Besatzungsmitglied ein hu manoid geformtes Lebewesen weiblichen Geschlechts entdeckt. Das Lebewesen hockte bewußtlos vor den Kontrollen des Raumschiffs. Da Algonkin-Yat ta erkannte, daß schnelle Hilfe notwendig war, verzichtete er darauf, das Wrack genau zu untersuchen. Er holte die Bewußtlose an Bord seines Raumschiffs. Mit Hilfe eines seiner Medosysteme gelang es ihm, sie wie derherzustellen und ihren Namen zu erfah ren. Der Name war allerdings alles, was Anly tha über sich selbst wußte. Sie hatte weder sagen können, zu welchem Volk sie gehörte, noch was das Ziel ihrer gescheiterten Reise gewesen war. Ihr technisches Wissen war al lerdings nicht verlorengegangen. So wußte sie beispielsweise noch alles über die Bedie
4 nung von Raumschiffen. Anfangs hatte Algonkin-Yatta sich mit Anlytha nur über einen Translator verständi gen können. Allerdings hatte sich Anlytha die Beherrschung des Mathona, der Sprache von Algonkin-Yattas Volk, erstaunlich rasch und ohne Hilfe von Hypnoseschulungen an geeignet. Wenn man von dem leicht singenden Tonfall und den immer wieder eingestreuten zwitschernden Lauten absah, so sprach sie derzeit fast wie eine Mathonerin. Algonkin-Yatta wandte seine Aufmerk samkeit von Anlytha ab und den kostbaren Sammlerstücken zu, die er in seiner Wohn zelle aufbewahrte. Von zusätzlichen Schwe refeldern in Nischen festgehalten und indi rekt beleuchtet, lagen, hingen und standen hier Statuetten unterschiedlichster Lebewe sen, Holowürfel, Gemälde, Videoplastikpro jektoren, fremdartige Musikinstrumente, Werkzeuge aus Stahl, Plastik, Holz und Stein, ein voomianischer Zahnbohrer, ein vergoldetes Psawh-Geweih und alle mögli chen und unmöglichen Utensilien. Der Kundschafter liebte alle diese »Kunstschätze« und freute sich schon dar auf, seiner Sammlung weitere Stücke hinzu zufügen. Als Algonkin-Yattas Nase ein neues Ge ruchssignal auffing, richtete sich der Kund schafter ruckartig auf. Infolge der geringen Schwerkraft schnellte er rund zwei Meter empor. Während des Falls drehte er sich, streckte einen Arm aus und schaltete den Tonspulenrecorder ab. Anlytha schickte ihm einen befremdeten Blick. »Ich muß in die Zentrale«, erklärte der Kundschafter. »Die Sensoren haben etwas Außergewöhnliches aufgefangen. Du kannst mitkommen, wenn du willst, Anlytha.« Wortlos erhob sich Anlytha und folgte ihm. Die Zentrale war ein flacher Kappel raum im Mittelpunkt des ovalen Kundschaf terschiffs. Hier befanden sich alle Kontrol len, die zur perfekten Beherrschung des Schiffes erforderlich waren. Vor allem gab
H. G. Ewers es hier die Direktschaltung zur Psiotronik, die in der Lage war, dem Kundschafter alle Arbeit abzunehmen. Algonkin-Yatta interessierte sich aller dings nur für die Anzeigen der vielfältigen Sensoren, die in Form von Bildern, Dia grammen, Lichtblitzen und farbigen Feldern berichteten, was in näherem und weiteren Umkreis des Kundschafterschiffs geschah. Geruchssignale dienten dazu, die Aufmerk samkeit des Kundschafters auf besonders auffällige Phänomene zu richten. In diesem speziellen Fall roch Algonkin-Yat ta das Signal des Dimensionssensors. Das zuckende Licht der Kontrollampen spiegelte sich auf seiner blauschwarz schimmernden Haut, als er vor die Anzeige des Dimensi onssensors trat und einige Schaltungen vor nahm. »Eine Struktur-Störung?« erkundigte sich Anlytha und trat neben ihn. Sie reichte ihm mit dem Kopf gerade bis zur Schulter, aber der Federkamm wippte in Höhe seines ecki gen Kinns. »Eine Diskontinuität der Zeitdimension«, erklärte Algonkin-Yatta sachlich. »Ich ver suche, das Phänomen mit Hilfe der Psiotro nik zu analysieren.« Er nahm einige Schaltungen vor. Auf der Kontrollwand der Psiotronik zuckten farbige Lichtpunkte, dann erschienen auf einem Schirm Schrift- und Zahlensymbole. »Etwas hat die Zeitdimension in unserer unmittelbaren Nähe gekrümmt«, sagte der Kundschafter, nachdem er die Schrift- und Zahlensymbole gelesen hatte. »Die Störung breitet sich wellenförmig aus, wobei sie sich abschwächt. Es handelt sich allerdings nur um eine sekundäre Erscheinung.« »Und was ist das Primäre, die Ursache?« fragte Anlytha und ließ einige Zwitscherlau te folgen. »Nicht eindeutig bestimmbar«, erwiderte Algonkin-Yatta nach einem weiteren Blick auf den Schirm der Psiotronik. »Es kann sich um ein natürliches Ereignis oder auch um ein willkürlich oder unwillkürlich her beigeführtes handeln. Da die Ursache nicht
Kundschafter im Kosmos mehr existiert, werden wir wohl nie erfah ren, worum es sich gehandelt hat. Interessant ist das Phänomen aber auf alle Fälle.« Die beiden Löcher seiner breiten Nase blähten sich, als er ein neues Geruchssignal wahrnahm. Sein glatter ovaler Schädel ruck te herum, und die stahlblau schimmernden Augen richteten sich auf die Schaltkonsole des Hyperfunkgeräts. Dort blinkte in kurzen Intervallen ein gelbes Licht auf. »Modulierte Impulse«, sagte der Kund schafter. Mit wenigen Schritten erreichte er das Hyperfunkgerät und schaltete es ein. Da durch wurden die empfangenen Signale auch akustisch wahrnehmbar. Ein heller Zir pel klang durch die Zentrale. Mit einer wei teren Schaltung koppelte er den Empfangs sektor des Hyperfunkgeräts mit der Psiotro nik, die mit ihren Logikschaltkreisen hinter den Sinn der Funksignale zu kommen ver suchte. Mit schwachem Klicken schaltete sich die Sprechanlage der Psiotronik ein. »Eingehender Text nicht entzifferbar«, berichtete sie. »Modulation und Wiederho lungsintervalle lassen jedoch nach psioni scher Auswertung den Schluß zu, daß es sich um einen Notruf handelt. Der Sender befindet sich in dem Raumsektor, von dem die Störung der Zeitdimension ausging. Dort kreisen sieben Planeten um eine große gelbe Sonne. Ausgangspunkt der Signale ist der vierte Planet.« Erneut ertönte ein Klicken, als die Sprechanlage der Psiotronik sich ausschalte te. Algonkin-Yatta drehte sich um und blick te auf Anlytha herab. »Ein Notruf«, sagte er bedächtig. »Das bedeutete, daß andere Lebewesen Hilfe brauchen. Folglich werden wir zum vierten Planeten der großen gelben Sonne fliegen und helfen, so gut wir können.«
* Als das Interdimensionstriebwerk sich
5 programmmäßig ausschaltete, löste sich das Kundschafterschiff von der Kraftfeldlinie, auf der es durch ein dimensional übergeord netes Kontinuum geglitten war. Im Ver gleich zum »normalen« RaumZeit-Kontinuum hatte es sich darauf mit vielfacher Lichtgeschwindigkeit bewegt und dadurch die Entfernung zum Zielsystem in kurzer Zeit überbrückt. Algonkin-Yatta übernahm das Schiff in Manuellsteuerung und drückte es auf die Ebene der Planetenbahnen hinab, denn der Rücksturz in den Normalraum war, um Kol lisionsgefahren bei eventuellen Abweichun gen auszuschließen, rund dreißig Lichtminu ten »über« der Rotationsebene erfolgt. Die große gelbe Sonne leuchtete auf der Steuerbordseite. Ihr grelles Licht wurde durch die Bildschirmfilterung gemildert. Der vierte Planet war schräg unter dem Kund schafterschiff zu sehen. Ein Elektronentele skop war auf ihn gerichtet. Das Bild, das es auf einen Schirm projizierte, zeigte blaue Meere, weiße Wolkenfelder und, teilweise von den Wolken verdeckt, die Konturen dreier großer Kontinente. »Eine typische Kleinwelt«, sagte Algon kin-Yatta. »Die Schwerkraft dürfte ziemlich gering sein. Allerdings gibt es auch auf sol chen Planten Leben.« »Woher weißt du das?« fragte Anlytha. »Erfahrung«, gab der Kundschafter zu rück. »Ich habe auf meinen Flügen schon viele unterschiedliche Planettypen kennen gelernt, auf denen sich ebenfalls Leben ent wickelt hat. Am günstigsten sind zwar die Bedingungen auf Großplaneten mit Hoch druckatmosphären, aber sogar mitten im Weltraum kann sich Leben entwickeln.« Er schaltete eine Verbindung zur Psiotro nik und forderte eine Sensorauswertung an. Die Sensoren des Kundschafterschiffs hatten sich bislang noch nicht auf den vierten Pla neten konzentriert, sondern, wie es im Stan dardprogramm vorgeschrieben war, das ge samte fremde Sonnensystem abgesucht. »Keine Raumschiffaktivitäten«, las Al gonkin-Yatta vom Bildschirm der Psiotronik
6 ab. »Die Zeitdimension ist allerdings noch leicht verzerrt. Konzentrieren wir uns auf den vierten Planeten!« Er tippte eine entsprechende Anforderung in sein Befehlspult. Die Sensoren richteten sich auf den vierten Planeten aus, tasteten die Konturen seiner Oberfläche ab, suchten nach energetischen Aktivitäten sowie Mas sekonzentrationen von Metall und Metall plastik. Außerdem wurde der Planet vermes sen, wurden die Zusammensetzung der At mosphäre und die klimatischen Bedingun gen bestimmt. Alle Ergebnisse liefen wieder durch die Psiotronik, die sie auswertete und für den Kundschafter spezifisch aufbereitete. »Ein Planet mit Niederdruckatmosphäre, ideal für gewisse Arten von Sauerstoffat mern«, erklärte Algonkin-Yatta, nachdem die ersten Auswertungen vorlagen. »Das Klima ist mäßig warm und feucht, so daß wir dort eine reichlich verwöhnte Fauna und Flora antreffen werden. An mehreren Stellen der Kontinente herrscht schwache energeti sche Aktivität. An einer Stelle ist sie sogar relativ hoch und wird zweifellos durch Kernverschmelzung erzeugt.« »Also ein Produkt intelligenter Lebewe sen«, warf Anlytha ein. Algonkin-Yatta räusperte sich. »Ein Produkt von Lebewesen, die sich auf einer uns annähernd vergleichbaren Intelli genzstufe befinden«, korrigierte er. Anlytha sah ihn mit ihren dunklen, rätsel haften Augen nachdenklich an. »Du drückst dich gern ganz korrekt aus, wie, Algonkin?« Der Kundschafter verzog sein Gesicht zu einem breiten Lächeln. »Wir Mathoner unterscheiden nicht zwi schen intelligenten und unintelligenten Le bewesen, Anlytha. Alles, was belebt ist, ist auch beseelt und intelligent. Aber da kom men die nächsten Ergebnisse. Seltsam, die Zeitdimension ist rings um den vierten Pla neten instabil, fast brüchig. Es scheint, als hätten dort in gewissen Abständen immer wieder temporäre Phänomene stattgefunden. Ob die Stelle mit der starken energetischen
H. G. Ewers Aktivität wohl etwas damit zu tun hat?« »Hältst du es für möglich, daß jemand mit der Zeit experimentiert, Algonkin?« Der Kundschafter wiegte den Kopf. »Denkbar ist es. MYOTEX hält Manipu lationen mit der Zeitdimension ebenfalls für möglich, wenn es uns auch keine verwertba ren Informationen darüber liefert, wie derar tige Experimente durchgeführt werden. Es vertritt die Ansicht, daß das gefährliche Auswirkungen haben könnte.« »MYOTEX? Was ist MYOTEX? Offen bar weiß ich noch nicht viel über dich und dein Volk.« »Alles weiß nicht einmal ich«, gab Al gonkin-Yatta zurück. Er machte jedoch kei ne Anstalten, Anlythas Frage zu beantwor ten. »Der Notruf geht immer noch ein. Er kommt von der Stelle mit der starken ener getischen Aktivität. Wahrscheinlich handelt es sich um einen automatisch arbeitenden Sender. Ich werde landen und mich dort um sehen.« »Hast du keine Angst, daß uns dort unten Gefahren drohen könnten, Algonkin-Yatta?« »MYOTEX meint, für eine sinnvolle Be schäftigung darf man Gefahren eingehen«, antwortete der Kundschafter. »Aber natür lich werde ich gewisse Vorbereitungen tref fen, um eventuelle Gefahren von uns abwen den zu können. Vor allem aber werde ich den Planeten einige Male umkreisen und weitere Ortungen vornehmen.« »Immer wieder MYOTEX!« murrte Anly tha leise. Algonkin-Yatta blickte konzentriert auf die Kontrollen und ließ die Finger über die Schaltsensoren huschen. Das Kundschafter schiff beschleunigte und raste auf den vier ten Planeten zu. »MYOTEX weiß, was gut ist, wenn es auch nicht immer recht hat«, sagte er.
* Nach fünf Umkreisungen wußte Algon kin-Yatta schon erheblich mehr über den Planeten. Die Schichttaster hatten mehrere
Kundschafter im Kosmos Ansammlungen von Ruinen auf der Oberflä che und sogar unter der Oberfläche festge stellt. In einigen von ihnen gab es noch in takte Energiequellen, wenn auch mit nur ge ringer Leistung. Die Stelle der stärksten energetischen Ak tivität befand sich auf einer riesigen Fels plattform, die übergangslos aus einer weiten Ebene ragte. Auf ihr standen vier große kup pelförmige Bauten, und in ihrer Nähe waren Hohlräume angemessen worden, in denen die Massetaster Ansammlungen von Metall plastik festgestellt hatten. Algonkin-Yatta hatte die fremde Station auf allen Frequenzen angefunkt, aber keine Antwort erhalten. Da jedoch keine feindseli gen Reaktionen erfolgt waren, nahm er an, daß die Besatzung der Station ausgefallen war, was heißen mochte, daß sie tot oder auch nur krank war. »Wir dürfen nicht länger zögern«, sagte der Kundschafter. »Die Besatzung der Stati on braucht meine Hilfe. Ich werde auf der Felsplattform landen.« Er bremste das Schiff ab, das dadurch in die Atmosphäre eintauchte. Danach schalte te Algonkin-Yatta den AMAntrieb ab und ließ sein Schiff nur mit Hilfe der Antigrav felder sicher auf der roten Felsplattform lan den. Der Kundschafter schaltete die Zell schwingungstaster ein und justierte sie auf hochorganisierte Zellverbände mit hochent wickeltem Zentralnervensystem. Bald darauf lagen die ersten Ergebnisse vor. »Insgesamt dreiundvierzig Lebewesen«, stellte Algonkin-Yatta fest. »Sie leiden an einem Zellzerfall, der wahrscheinlich durch eine Strahlung hervorgerufen wurde. Ich werde mit einem mobilen Medosystem zu ihnen gehen und versuchen, sie zu retten.« »Nimmst du mich nicht mit, Algonkin?« fragte Anlytha enttäuscht. »Noch nicht«, erwiderte der Kundschaf ter. »Ich werde konzentriert arbeiten müs sen, und du würdest mich dabei nur stören, denn ich bin es gewohnt, allein zu arbeiten. Bleibe hier im Schiff und überwache mit
7 den Sensoren den Weltraum. Wenn sich ein Raumschiff nähert, verständigst du mich über Funk.« Anlytha schmollte, versuchte aber nicht, den Kundschafter umzustimmen. Als Algon kin-Yatta aufstand und seine Raumkombina tion schloß, setzte sie sich vor die Kontrol len. Der Kundschafter versorgte sich mit der notwendigen Ausrüstung und aktivierte ei nes der mobilen Medosysteme seines Schif fes. Als er aus der Schleuse trat, schwebte das zylindrisch geformte, rosa schimmernde Medosystem gerade aus einer Frachtluke. Es senkte sich bis dicht über den Boden und folgte Algonkin-Yatta in wenigen Metern Abstand. Der Kundschafter atmete tief die würzige, für seine Begriffe allerdings zu milde Luft des Planeten ein. Nach einigen Schritten hat te er sich an die geringe Schwerkraft von zirka 1,1 Gravos gewöhnt. Er sah sich auf merksam um. Die vier Kuppelbauten ragten hoch in den blauen Himmel. Sie wirkten in der Land schaft des Planeten so fremd wie die Platt form aus rotem Fels, auf dem sie standen. Vegetation gab es erst draußen in der Ebene, und auch Tiere schienen auf der Plattform nicht zu leben, von einigen wenigen Vögeln abgesehen, die am Himmel kreisten. Nach ungefähr fünfzig Metern kniete Al gonkin-Yatta sich nieder und betrachtete die Oberfläche der Plattform genauer. Sie war zwar verwittert, wies aber doch an einigen Stellen deutliche Spuren von Bearbeitung auf. »Zweifellos viel älter als die Kuppelbau ten«, murmelte der Kundschafter. Er blickte zu dem Medosystem, das neben ihm angehalten hatte und sah dann hinüber zu seinem Raumschiff, das wie ein riesiges Ei aus grünlich schimmerndem, glasähnli chen Material dreiundsechzig Meter aufrag te. Anlytha war darin vor seinen Blicken ver borgen, aber sie sah ihn, wenn sie die Bild schirme beobachtete. Für Algonkin-Yatta
8 war es ein Wesen, das ihm Rätsel aufgab. Gerade das aber reizte ihn an ihr. Er winkte in Richtung des Schiffes, dann setzte er seinen Weg zu der Kuppel fort, in der die Zellschwingungstaster dreiundvier zig Lebewesen festgestellt hatten. Der Zugang bestand in einem auf Kraft feldern gelagerten Panzertor, das allerdings nicht verschlossen war. Dicht hinter dem Tor entdeckte der Kundschafter das erste Lebewesen. Es war prinzipiell genauso ge formt wie Algonkin-Yatta, aber größer als er und viel schwächer gebaut. Außerdem hatte er helle Haut, langes silberfarbenes Haar und rötliche Augäpfel. Während das Medosystem einen Prüften takel ausfuhr und auf die Brust des Lebewe sens setzte, beobachtete Algonkin-Yatta das schmale Gesicht und die Augen, die ihn furchtsam und flehend anzusehen schienen. Dieser Eindruck konnte jedoch täuschen, denn das Lebewesen war nicht von Algon kin-Yattas Volk. Der Kundschafter schaltete seinen Trans lator ein und forderte den Fremden durch Gesten auf, zu reden. Offenbar begriff das Lebewesen sofort, was gemeint war. Mögli cherweise wußte es auch, daß das Gerät, das der Kundschafter auf es richtete, ein Trans lator war. Es bewegte die Lippen, doch die Laute, die es erzeugte, waren zu schwach, um vom Translator vollständig aufgenom men und analysiert zu werden. Deshalb überließ Algonkin-Yatta den Fremden der Obhut des Medosystems. Wenn Hilfe möglich war, würde das Medo system helfen, wenn nicht, würde es dem Fremden wenigstens das Sterben erleichtern. Der Kundschafter überquerte eine kleine Halle und kam in einen Saal, in dem mehre re Gruppen von Geräten aufgestellt waren. Algonkin-Yatta vermochte die Bedeutung der Geräte nicht zu erraten; sie waren zu fremdartig. Er hielt sich aber auch nicht lan ge bei dem Versuch auf, sondern ging wei ter. Der Nebenraum erinnerte den Kundschaf ter an eine Klinik. Hier fand er gleich acht-
H. G. Ewers zehn Lebewesen. Sie lagen auf pneumatisch gefederten Betten und waren teilweise an Behandlungsapparaturen angeschlossen. Nur drei von ihnen waren bei Bewußtsein. Algonkin-Yatta richtete den Translator auf einen der drei Fremden und forderte ihn ebenfalls durch Gesten zum Sprechen auf. Diesmal hatte er mehr Glück. Der Fremde sprach laut und deutlich genug, so daß der Translator schon nach kurzer Zeit in der La ge war, seine Sprache in Mathona und um gekehrt zu übersetzen. »Ich heiße Algonkin-Yatta und will euch helfen«, sagte der Kundschafter. »Wie heißt du und zu welchem Volk gehört ihr?« Der Fremde sah den Kundschafter an, als der Translator die Worte in seine Sprache übersetzte. Seine Augen sonderten dabei ein wäßriges Sekret ab. »Ich heiße Kraapon«, antwortete er mit flacher Stimme. »Wir sind Arkoniden. Die Zeitkapsel hat uns mit ihrer Strahlung krank gemacht. Wir sterben, wenn du uns nicht helfen kannst. Ich …« Er wurde von einem Krampf geschüttelt und verlor das Bewußt sein. Algonkin-Yatta blickte zurück und sah, daß das Medosystem inzwischen hier einge troffen war und sofort mit der Behandlung der Kranken begonnen hatte. Er wandte sich daher an den nächsten Fremden, der bei Bewußtsein war, und woll te seine Befragung fortsetzen. Aber der Fremde brachte nur einige krächzende Laute zuwege, dann flüsterte er: »Suche nach Scoopar, Fremder! Er hat die geringste Strahlungsdosis erhalten.« Die letzten Worte konnte der Kundschafter kaum noch verstehen. »Ich werde Scoopar finden«, sagte er mit leidig.
2. Algonkin-Yatta betrat den letzten Raum der Kuppel. Es handelte sich um einen Aus sichtsraum auf dem höchsten Punkt des Bau werks. Wände und Decken waren völlig
Kundschafter im Kosmos transparent, und der Kundschafter konnte von hier oben weit über die Landschaft jen seits des Felsplateaus sehen. Der Ausblick interessierte ihn jedoch im Augenblick kaum, denn er hatte inzwischen zweiundvierzig der Fremden gefunden, die sich Arkoniden nannten. Aber Scoopar war nicht dabei gewesen. Wenn er sich nicht sehr gut verborgen hatte, befand er sich nicht in dieser Kuppel. Der Kundschafter konnte sich aber nicht denken, daß jemand, der dringend Hilfe benötigte, sich versteck te. Er schaltete an seinem Armbandgerät und stellte eine Verbindung mit der Psiotronik seines Kundschafterschiffs her. »Ich benötige deinen Rat«, sagte er. »Von den dreiundvierzig georteten Lebewesen be finden sich nur noch zweiundvierzig in der Kuppel, in der ich mich zur Zeit aufhalte. Das dreiundvierzigste, das sich Scoopar nennt, muß demnach diese Kuppel verlassen haben. Ich würde viel Zeit sparen, wenn ich einen Anhaltspunkt besäße, wohin sich Scoopar gewandt haben könnte. Ich bitte um eine Wahrscheinlichkeitsberechnung unter Berücksichtigung aller bekannten Fakten.« Ohne bemerkbare Verzögerung antworte te die Psiotronik: »Ausgehend davon, daß Scoopar nichts davon ahnt, daß bereits Hilfe eingetroffen ist, muß angenommen werden, daß dieses Lebewesen versucht, sich dorthin zu bege ben, wo es mit Sicherheit Hilfe erwarten kann. Da die Lebewesen, die sich Arkoniden nennen, klar erkennbar nicht von diesem Planeten stammen, sind sie mit Raumschif fen hierher gekommen. Die Wahrscheinlich keit dafür, daß die in den Hohlräumen fest gestellten Massekonzentrationen von Me tallplastik Raumschiffe darstellen, beträgt achtundneunzig Prozent. Ich habe die Zell schwingungstaster des Schiffes auf diese Hohlräume gerichtet, um herauszufinden, ob der Gesuchte sich in einem befindet und in welchem. Das Ergebnis wird gleich vorlie gen.« Algonkin-Yatta überlegte, ob er den Aus
9 sichtsraum sofort verlassen sollte, damit er schneller aus der Kuppel und damit schnel ler in einen der mutmaßlichen Raumschiff hangars kam, sobald feststand, in welchem sich Scoopar aufhielt. Aber bevor er einen Entschluß gefaßt hat te, meldete sich die Psiotronik wieder. »Der Gesuchte befindet sich in dem Hohl raum, der dir am nächsten liegt. Da er sich nicht bewegt und innerhalb dieses Hohl raums keinerlei energetische Aktivitäten er folgen, muß angenommen werden, daß er vor Erreichen seines Zieles zusammengebro chen ist. Unter diesen Umständen erscheint es wenig sinnvoll, sich um ihn zu kümmern, da er wahrscheinlich keine Aussagen ma chen kann.« »Es gibt noch einen anderen Grund, sich um ihn zu kümmern«, erwiderte der Kund schafter. »Er braucht Hilfe. Ich bitte um Leitsignale.« Gleich darauf erklang ein helles Zirpen in seinem Kopf. Es kam von dem winzigen Empfänger, der in der Nähe seines Inne nohrs implantiert war. Algonkin-Yatta nick te befriedigt und machte sich an den Ab stieg. Er benutzte dabei den zentralen Anti gravschacht, den er in der Kuppel vorgefun den hatte. Das Zirpen veränderte sich nicht wesent lich, während er im Schacht abwärts schwebte. Als er die Kuppel verließ, wurde es jedoch lauter. Dadurch wußte der Kund schafter, daß er die richtige Richtung einge schlagen hatte. Er ging weiter, und stand bald darauf vor einer kleinen Pfortenkuppel, in der sich eine Öffnung bildete, als er sich ihr bis auf drei Schritte genähert hatte. Algonkin-Yatta trat ein und entdeckte einen weiteren Antigravlift. Er schwebte in ihm hinab und befand sich eine Minute spä ter in einem Raumschiffhangar. In ihm stand auf Landestützen ein Schiff, das fast so hoch war wie sein Kundschafterfahrzeug. Da es jedoch nicht oval geformt war, sondern ku gelförmig, war sein Volumen größer. Den noch war der Kundschafter sicher, daß es nicht halb so leistungsfähig war wie sein
10 Schiff. Allein die Verwendung von Metall plastik statt kristallisierter Energie als Bau material bewies den technologischen Rück stand der Erbauer. Die Schleuse in der ausgefahrenen Mittel stütze des Raumschiffs stand offen. Das hat te Scoopar noch erreicht, doch dann war er unmittelbar vor der Schleuse zusammenge brochen. Algonkin-Yatta hakte die Medobox von seinem Ausrüstungsgürtel und ging auf den Arkoniden zu. Aber schon, bevor er die Box auf die Brust des Bewußtlosen gesetzt hatte, erkannte er, daß Scoopar nicht infolge der Strahlungskrankheit ohnmächtig gewor den war. Die Beule auf seiner Stirn bewies, daß er gestürzt und mit dem Schädel auf den harten Hangarboden geprallt war. Die Medobox klickte leise, als sie ihre Schwingungsfühler in den Bewußtlosen steckte. Gleich darauf stachen mehrere Na deln durch dessen Kombination. Zischend wurden Medikamente in den Kreislauf ge jagt. Es dauerte nicht lange, bis Scoopar die Augen aufschlug. Algonkin-Yatta hatte ihn inzwischen umgedreht und bequem gelagert. Die Augen des Arkoniden verrieten Er schrecken. Der Kundschafter schaltete seinen Trans lator ein und sagte: »Ich bin gekommen, um dir und deinen Freunden zu helfen, Scoopar. Mein Name ist Algonkin-Yatta. Sobald mein Medosystem deine Freunde versorgt hat, folgt es mir und wird dich ebenfalls behandeln. Inzwischen wirst du von meiner Medobox versorgt. Wie kam es zu dem Strahlungsunfall, Scoopar?« Der Arkonide hatte sich wieder beruhigt. Er schien keine starken Beschwerden zu ha ben, jedenfalls blickten seine rötlichen Au gen klar auf den Kundschafter. Der Blick verriet wache Intelligenz. »Ich habe noch nie ein Lebewesen wie dich gesehen, Algonkin-Yatta«, sagte er deutlich. »Dein Volk gehört demnach nicht zum Großen Imperium. Aber wenigstens bist du ein Sauerstoffatmer, sonst könntest du hier nicht ohne Druckhelm leben.«
H. G. Ewers Algonkin-Yatta war unzufrieden mit die ser Antwort, weil sie keine Information ent hielt, die er für seine Hilfsaktion verwenden konnte. Andererseits erregte die Bemerkung über das Große Imperium seine Wißbegier de. Er hatte noch nie etwas von einem Impe rium gehört und wußte deshalb nicht, was der Arkonide damit gemeint hatte. Und sei ne Erleichterung darüber, daß der Kund schafter ein Sauerstoffatmer war, befremde te ihn sogar. Was spielte es denn für eine Rolle, ob ein Lebewesen zur Zellatmung Sauerstoff oder ein anderes Gas benötigte? Leben war gleich Leben. »Wir können später sekundäre Informa tionen austauschen, Scoopar«, entgegnete der Kundschafter. »Primär ist das Problem, wie ich euch helfen kann. Dazu muß ich wissen, welcher Art die Strahlung war, die eure Erkrankung hervorgerufen hat. Bitte, antworte mir!« Der Arkonide sah den Kundschafter lange an, dann sagte er leise: »Es war die Strahlung, die von der Zeit kapsel ausging.«
* Algonkin-Yatta holte unwillkürlich tief Luft. »Eine Zeitkapsel? Ich hatte eine Krüm mung der Zeitdimension in der Nähe dieses Planten angemessen, bevor ich euren Notruf empfing. Außerdem fiel mir auf, daß die Zeitdimension rings um diese Welt eine star ke Instabilität aufweist, allerdings keine Per foration. Bedeutet der Ausdruck ›Zeitkapsel‹, daß es sich um ein Erzeugnis einer Technologie handelt?« »Das Erzeugnis einer sehr fremdartigen Technologie«, antwortete Scoopar. »Eine Konstruktion aus silbrig schimmerndem Ma terial, die aus einer zu einem großen Ring geformten Röhre besteht, auf der an Streben ein eiförmiger Körper verankert ist, so groß wie drei normale Fluggleiter und ohne er kennbare Öffnung. Dieses Gebilde materia lisierte mitten in unserer Station.«
Kundschafter im Kosmos »Befand sich jemand darin?« fragte der Kundschafter erregt. »Das weiß ich nicht«, sagte Scoopar. »Zuerst beobachteten wir die Zeitkapsel nur. Wir wußten, daß es sich um eine Zeitma schine handelte, denn wir maßen eine struk turelle Veränderung der Zeitdimension an. Als aber nichts geschah, drangen fünf von uns in das Fahrzeug ein. Sie kehrten nicht zurück. Unsere Meßgeräte zeigten uns an, daß ihre Lebensenergie erloschen war. Dar aufhin nahmen wir die Kapsel unter Be schuß. Aber unsere Waffen reichten nicht aus, sie zu zerstören, denn sie hüllte sich plötzlich in ein leuchtendes Feld.« »Und dieses Feld sandte die gefährliche Strahlung aus?« erkundigte sich der Kund schafter. »Nein, es war ein Defensivfeld«, erklärte der Arkonide. »Die Strahlung muß uns vor her getroffen haben, denn einige von uns brachen zusammen, bevor sich das Feld auf baute. Als wir anderen ebenfalls spürten, daß unsere Kräfte verfielen, zogen wir uns zurück. Doch es war zu spät. Seitdem frißt die Strahlung weiter in unseren Körpern. Ich kam erst kurz vor Errichtung des Defensiv schirms dazu und erhielt deshalb die gering ste Strahlungsdosis. Nachdem ich den auto matischen Notruf aktiviert hatte, spürte ich jedoch, daß auch meine Kräfte verfielen. Ich versuchte, in eines unserer Schiffe zu kom men und Hilfe zu holen.« Algonkin-Yatta wollte noch mehr fragen. Aber als er sah, daß sein mobiles Medosy stem in den Hangar schwebte, stellte er seine Wißbegierde zurück. Er beobachtete, wie das Medosystem den Kranken untersuchte und ihm einige Injek tionen gab. Danach schaltete er seinen Translator aus und erkundigte sich nach dem Befund. »Zellzerfall infolge unbekannter Strah lungseinwirkung«, berichtete der Kommuni kationssektor des Aggregats. »Die Schäden sind irreparabel und greifen weiter um sich. Es ist möglich, daß das Fortschreiten des Zellzerfalls durch unsere Medikamente ver
11 zögert wird; aufzuhalten wird es nicht sein.« Erschüttert schloß Algonkin-Yatta die Augen. Es deprimierte ihn zutiefst, daß er diesen Lebewesen nicht helfen konnte. »Es muß alles getan werden, um ihre Lei den zu mildern und ihnen das Sterben zu er leichtern!« befahl er dem Medosystem. Dann schaltete er den Translator wieder ein und wandte sich an Scoopar. »Du wirst dich bald besser fühlen. Aber du kannst nicht hier liegen bleiben, Scoopar. Ich bringe dich zu deinen Freunden.« »Nein«, erwiderte der Arkonide. »Ich füh le, daß es mit mir zu Ende geht, obwohl ich jetzt keine Schmerzen mehr spüre. Bringe mich nicht zu den anderen Heilern, sondern ins Freie. Ich möchte den Himmel über mir sehen, wenn ich sterbe.« »Wenn du weißt, daß du sterben wirst, will ich dich nicht länger belügen«, sagte Algonkin-Yatta. »Du sagtest, ihr seid Heiler. Deshalb weißt du wahrscheinlich, daß euer Tod unabwendbar ist.« Ein Schatten flog über Scoopars Gesicht. »Mein Gefühl hat mich also nicht betro gen. Ich danke für deine Offenheit, Algon kin-Yatta. Wir sind Heiler, das stimmt, aber wir heilen nicht physische Krankheiten, son dern Krankheiten des Geistes. Im Großen Imperium nennt man uns die Goltein-Heiler. Wir sind – oder vielmehr waren – berühmt dafür, selbst die schlimmsten Geisteskrank heiten heilen zu können. Aber es gab auch Mißerfolge. Erst kürzlich brachte uns der Kristallprinz des Imperiums, Atlan, seinen Vater, damit wir ihn heilen. Wir konnten nichts für ihn tun, denn sein Geist hatte ihn verlassen.« »Kristallprinz Atlan!« wiederholte der Kundschafter. »Ich bringe dich hinauf. Du mußt mir mehr über das Große Imperium und über diesen Kristallprinzen erzählen, Scoopar. Dieser Name klingt wie eine Ver heißung.« Er schickte das Medosystem zu den ande ren Kranken zurück, dann hob er Scoopar mühelos auf, legte ihn sich über die linke Schulter und brachte ihn auf diese Weise
12 hinauf zur Plattform. Dort kniete er nieder und bettete den Kopf der Arkoniden auf sei nen Knien. Über dem Plateau dämmerte es. Der west liche Horizont sah aus, als würde er in Blut getaucht, als die Sonne unterging. Bald dar auf erschienen am dunklen Himmel die Ster ne. Scoopar seufzte, aber sein Gesicht wirkte zufrieden. »Ich bin froh, daß der Anblick der Sterne mich auf meinem letzten Weg begleitet«, sagte er leise. »Irgendwo hinter ihnen schwebt der große Kugelsternhaufen im Ha lo der Galaxis. Dort befindet sich Arkon, die Keimzelle und das Herz des Großen Imperi ums. Einst lebte mein Volk nur auf einem Planeten inmitten des Kugelsternhaufens. Aber es breitete sich ungestüm aus, zuerst nur innerhalb des Kugelsternhaufens und später über einen großen Teil der Galaxis. Inzwischen gehören Tausende von Planeten zum Großen Imperium. Raumschiffe sorgen für einen regen Handel, und die Kriegsflotte des Imperiums wacht darüber, daß das Im perium zusammenhält und seine Bürger si cher sein können. Leider ist diese Sicherheit aufs stärkste gefährdet. Die Maahks, wasserstoffatmende Lebewesen, besitzen ebenfalls eine starke Kriegsflotte. Ihre Schiffe greifen unsere Pla neten an, wo sie nur können. Ihr Ziel ist es, alle Sauerstoffatmer zu vernichten. Anfangs waren wir Arkoniden durch den unerbittli chen Vernichtungswillen der Maahks wie gelähmt. Wir erlitten Niederlage auf Nieder lage. Aber die gnadenlose Bedrohung er zeugte Haß – und der Haß half den Besat zungen unserer Raumschiffe, den Selbster haltungstrieb zugunsten der Arterhaltung zu unterdrücken. Seitdem schlagen wir genauso hart zurück. Wir vernichten die Maahks, wo wir können. Der Sieg steht allerdings in weiter Ferne. Zwar haben wir die bessere Technologie, aber die Fortpflanzungsrate der Maahks ist erheblich größer als unsere. Deshalb können die Wasserstoffatmer ihre Mannschaftsaus-
H. G. Ewers fälle schnell ersetzen, während die Imperi umsflotte unter permanenter Personalknapp heit leidet.« Scoopar hustete und spuckte etwas Blut. Erschöpft schloß er die Augen. Algonkin-Yatta drängte den Todgeweih ten nicht, obwohl er darauf brannte, mehr zu erfahren. Mit dem, was Scoopar bisher be richtet hatte, vermochte er nicht viel anzu fangen. Das lag daran, daß ein interstellarer Krieg außerhalb seines Vorstellungsvermö gens war. Er hörte zwar die Worte, konnte sie aber nicht in Vorstellungen umsetzen, die der Realität entsprachen. Gänzlich unerwartet sprach Scoopar plötzlich weiter. »Das Schlimmste aber ist, daß das Große Imperium von einem Meuchelmörder und Diktator beherrscht wird. Orbanaschol III. ermordete seinen Vorgänger, Gonozal VII. Jedenfalls glaubten das alle, bis eines Tages Gonozals Sohn Atlan auf Perpandron erschi en und uns seinen Vater anvertraute, damit wir ihn heilten. Aber, wie schon gesagt, war Gonozal nicht zu helfen. Von Orbanaschol gedungene Verbrecher hatten ihm den Geist aus dem Hirn gebrannt. Ich bedauere, daß wir Goltein-Heiler alles taten, um Atlan von Perpandron zu vertrei ben. Wir fürchteten Orbanaschols Rache, wenn er erführe, daß wir seinem Gegenspie ler geholfen hätten. Vielleicht schickten die Götter Arkons uns deshalb die Zeitkapsel, damit wir unsere Strafe erhielten. Ich bin davon überzeugt, daß Kristallprinz Atlan, wenn es ihm gelingt, Orbanaschol III. zu stürzen, der richtige Mann an der Spitze des Imperiums wäre. Atlan hält unerschüt terlich an den alten Tugenden wie Wahrhaf tigkeit, Tapferkeit und Treue fest. Er ist ein harter Mann – auch gegen sich selbst –, und er ist entschlossen, Orbanaschol III. zu stür zen und das Große Imperium unter seiner Leitung zum Sieg über die Maahks zu füh ren. Man erzählt sich, daß er schon zahllose Abenteuer bestanden hat und sogar den Stein der Weisen fand. Seine Mitstreiter ha ben einen Schwur geleistet: »Für Atlan und
Kundschafter im Kosmos Arkon – auf Leben und Tod!« Vor allem sein Pflegevater Fartuloon ist eine schillernde Figur, wie sie es wohl jedes Jahrtausend nur einmal gibt.« Erneut unterbrach sich Scoopar. Sein Kör per wurde von Krämpfen geschüttelt und war im Nu schweiß-überströmt. Der Kund schafter setzte ihm zum zweitenmal seine Medobox auf die Brust, damit sie ihm schmerzstillende Injektionen gab. Mit einem Tuch tupfte er ihm den Schweiß vom Ge sicht. Als der Heiler sich etwas erholt hatte, seufzte er und sagte: »Es dauert nicht mehr lange, Algonkin-Yat ta. Vielen Dank für deine Hilfsbereitschaft. Bleibst du bei mir, bis es vorbei ist?« »Ich bleibe bei dir, Scoopar«, antwortete Algonkin-Yatta. Der Arkonide lächelte erleichtert. »Die Zeitkapsel, die uns den Tod brachte, ist wahrscheinlich schon früher mehrmals auf Perpandron gewesen, Algonkin-Yatta. Wir Heiler haben den Planeten gründlich er forscht und fanden zahlreiche Überreste der Kulturen verschiedenartiger Lebewesen. Keine der Kulturen hat sehr lange bestan den. Ich nehme an, daß jedesmal, wenn die Zeitkapsel nach Perpandron kam, die Träger der gerade existierenden Kultur ausgelöscht wurden.« »Aber so viele verschiedene Kulturen«, wandte der Kundschafter ein. »Wie ist es möglich, daß sich auf einem Planten zahlrei che verschiedene Völker ansiedeln.« »Nicht verschiedene Völker, sondern die Flüchtlinge verschiedener Völker, die auf ih rer Flucht auf Perpandron stießen und sich hier sicher fühlten. Perpandron muß, aus welchen Gründen auch immer, auf der Fluchtroute vieler Raumfahrer gelegen ha ben, die vielleicht von ihren Heimatwelten vertrieben worden waren. Und es scheint, als wäre auch die Zeitkapsel auf Perpandron fi xiert, wie ein ruheloser Wanderer durch die Zeit, der immer wieder hierher zurückkehren muß.« Scoopar hustete und bewegte sich unru
13 hig. Algonkin-Yatta begriff, was der Sterbende wollte. Er richtete ihn zu sitzender Hal tung auf. »Danke!« flüsterte Scoopar. »Siehst du die Sterne dort oben, Algonkin-Yatta, rätsel hafter Fremder? Irgendwo zwischen ihnen befindet sich Kristallprinz Atlan, entweder auf einem Planeten oder einem Raumschiff. Er ist ein Gejagter. Tausende von Häschern sind ihm unablässig auf der Spur. Dennoch befindet er sich ständig in der Offensive. Ich wollte, ich wäre ihm damals gefolgt. Dann hätte ich meinem Leben einen Sinn geben können.« Der Kundschafter spürte, wie er erschau derte. Sein Blick richtete sich auf die Sterne, die kalt und unbeweglich am Nachthimmel glänzten. »Dein Leben hat einen Sinn gehabt, denn du hast mir von Atlan erzählt«, erklärte er. »Wohin wollte er von hier aus fliegen?« »Ich glaube nicht, daß er dorthin flog, wo hin er wollte«, erwiderte Scoopar. »Als wir Gonozal VII behandelten, spürte ich, daß er von etwas Fremdem beherrscht wurde – und ich fand heraus, daß dieses Fremde Atlans Vater dazu bringen wollte, die ISCHTAR, Atlans Raumschiff, zu einer bestimmten Sternkonstellation zu bringen, wo jemand in einer Raumstation wartete.« »Wo ist diese Sternkonstellation?« fragte Algonkin-Yatta erregt. Scoopar nannte ihm die Koordinaten, dann sagte er mit immer schwächer werdender Stimme: »Wenn du Atlan triffst, grüße ihn …« Als der Kundschafter merkte, daß er einen Toten in den Armen hielt, ließ er Scoopar langsam zu Boden sinken. Dann stand er auf und schaute sehnsüchtig nach den Sternen …
* Nachdem Algonkin-Yatta von seinem mobilen Medosystem erfahren hatte, daß die anderen Goltein-Heiler schon lange vor
14 Scoopar verschieden waren, kehrte er in die Kuppel zurück. Bei seinem Volk war es Brauch, Verstor bene ins Freie zu bringen, sie zu konzentri schen Kreisen anzuordnen und alles weitere der Natur zu überlassen. Als äußeres Zei chen der Achtung, die man ihnen bezeigen wollte, pflegte man Gegenstände neben ih nen aufzustellen, die einem lieb und teuer waren. Der Kundschafter wollte auch nicht von dem alten Brauch abgehen, deshalb trug er die Toten ins Freie und legte sie so nieder, daß sie gemeinsam mit Scoopar drei konzen trische Kreise bildeten. Danach ging er in sein Schiff, um die Gaben der Achtung zu holen. Anlytha zeigte sieb verärgert, als er die Steuerzentrale betrat. »Manchmal denke ich, du siehst mich überhaupt nicht als vollwertig an!« fuhr sie ihn an. »Ich habe den halben Nachmittag und die halbe Nacht gewartet, ohne daß du mich auch nur einmal angerufen hättest.« »Du bist mein Gast, aber kein Kundschaf ter«, erwiderte Algonkin-Yatta geduldig. »Ich darf von dir nicht verlangen, daß du dich an meinen Pflichten beteiligt.« »War es vielleicht deine Pflicht, bei die sen Fremden zu bleiben, bis sie gestorben waren?« »Es ist stets meine Pflicht, Lebewesen zu helfen, die in Not sind, Anlytha«, erklärte der Kundschafter. »Ich hätte es niemals fer tiggebracht, diese Lebewesen sterben zu las sen, ohne alles zu versuchen, sie zu retten. Leider konnte ich ihnen nur das Sterben er leichtern. Mir bleibt noch die Aufgabe, ih nen meine Achtung zu erweisen. Dabei kannst du mir helfen, wenn du magst.« Anlythas Gesichtsausdruck verriet, daß sie schon halbwegs beschwichtigt war. »Ich werde dir helfen, Algonkin. Aber wie willst du ihnen deine Achtung erwei sen?« »Wir werden für jeden Verstorbenen einen Kunstgegenstand aus den Laderäumen holen und neben ihm aufstellen«, antwortete
H. G. Ewers Algonkin-Yatta. Anlythas weißer Federkamm sträubte sich. »Unsere Kunstgegenstände?« schrie sie erregt. »Diese kostbaren Kleinodien willst du draußen hinstellen, wo jeder Dieb sie an sich nehmen kann? Du mußt verrückt ge worden sein!« »Auf Perpandron gibt es keine Diebe«, er widerte der Kundschafter gelassen. »Die Ge genstände werden noch unberührt draußen stehen, wenn die sterblichen Hüllen der Ar koniden schon zu Staub zerfallen sind. Ich bin es ihnen schuldig, denn ihre Not hat es mir erst ermöglicht, etwas zu erfahren, das ich für außerordentlich wichtig halte. Ir gendwo zwischen den Sternen befindet sich der Kristallprinz Atlan. Ich muß ihn unbe dingt persönlich kennenlernen. Er scheint ei ne faszinierende Persönlichkeit zu sein.« »Kristallprinz Atlan …!« wiederholte An lytha. »Ein seltsamer Titel, aber ein wohl klingender Name. Vielleicht würde dieser Atlan in mir die Frau sehen, die du anschei nend bis heute nicht bemerkt hast.« »Ich weiß, daß du weiblichen Geschlechts bist, Anlytha«, protestierte der Kundschaf ter. »Willst du mir helfen, den Verstorbenen meine Achtung zu erweisen?« »Natürlich helfe ich dir«, erwiderte Anly tha. »Jemand muß ja aufpassen, daß du nicht die kostbarsten Kunstwerke von Bord schaffst. Ich frage mich, woher wir Ersatz dafür bekommen sollen.« Algonkin-Yatta drehte sich wortlos um und verließ die Steuerzentrale. Anlytha folg te ihm mit mürrischem Gesicht. In einem der kleinen Frachträume suchten die beiden un terschiedlichen Lebewesen dreiundvierzig Kunstgegenstände aus den Regalen und packten sie in eine Kiste. Sie brauchten ziemlich lange dazu, denn Anlytha nahm immer wieder Gegenstände aus der Kiste und stellte sie auf ihren Platz zurück, weil sie sie für unentbehrlich hielt. Schließlich war auch das geschafft. Der Kundschafter lud sich die Kiste auf die Schulter und trug sie hinaus. Während er
Kundschafter im Kosmos und Anlytha die Gegenstände neben die Köpfe der Toten stellten, mußte er an die Zeitkapsel denken. Sie war in der Vergan genheit schon mehrmals auf Perpandron ma terialisiert und wieder verschwunden, wenn das stimmte, was Scoopar berichtet hatte. Eigentlich gab es dann keinen Grund, wa rum sie in der Zukunft nicht abermals auf Perpandron erscheinen sollte. Es würde si cher aufregend und faszinierend sein, ihr Geheimnis aufzudecken. Algonkin-Yatta schob diesen Gedanken aber wieder von sich. Erstens war es unge wiß, ob die Zeitkapsel zu seinen Lebzeiten wieder auf Perpandron materialisierte – ob wohl er sehr lange lebte –, und zweitens fas zinierte ihn der Kristallprinz Atlan viel mehr. »Ist das eigentlich bei deinem Volk so üb lich, Kunstgegenstände neben die Verstorbe nen zu legen?« unterbrach Anlytha seine Gedanken. »Wir pflegen diesen Brauch, solange mein Volk zurückdenken kann«, antwortete Algonkin-Yatta. »Und ihr legt die Toten stets im Freien nieder?« fragte Anlytha weiter. »Im Grunde genommen weiß ich noch gar nichts über dein Volk, AIgonkin. Verpesten die Toten nicht die Luft, wenn sie verwesen?« »Nur die Luft im Freien, und auch das nicht lange, denn die aggressive Atmosphäre läßt die Körper rasch zerfallen. Wir Matho ner werden von dem Geruch nicht belästigt, denn wir leben ausschließlich in einer Stadt aus Kuppeln, die hermetisch gegen die Um welt abgeschlossen sind.« »Und ich dachte immer, Lebewesen füh len sich am wohlsten in der natürlichen Um welt, in der ihre Art sich entwickelt hat«, wandte Anlytha ein. Algonkin-Yattas Augen verdunkelten sich für einen Moment. »Mein Volk hat sich nicht auf Ruoryc ent wickelt, wie der Planet heißt, auf dem wir leben. Unsere Ahnen sollen mit einem Raumschiff dorthin gekommen sein. Sie fan den das Erbe einer ausgestorbenen Zivilisa
15 tion und übernahmen es. MYOTEX schützte uns vor den feindlichen Umweltbedingun gen und entwickelte später unser Kund schafterprogramm. Vielleicht findet einer von uns eines Tages den Planeten, von dem unsere Ahnen kamen.« Er blickte über die aufgereihten Toten, dann wandte er sich ab und kehrte ins Schiff zurück. Anlytha blieb weiter nichts übrig, als ihm zu folgen. Sie versuchte noch mehr mals, das Gespräch wieder auf sein Volk zu bringen, doch der Kundschafter reagierte nicht darauf. In die Steuerzentrale zurückgekehrt, schaltete Algonkin-Yatta eine Verbindung zur Psiotronik und sagte: »Ich habe eine neue Aufgabe für uns ge funden. Ein Sterbender berichtete mir von Atlan, dem Kristallprinzen des Großen Im periums der Arkoniden. Diese Persönlich keit fasziniert mich so, daß ich mir die Auf gabe gestellt habe, ihn zu suchen und Kon takt mit ihm aufzunehmen. Achtung, ich tip pe dir die Koordinaten ein, die mir der ster bende Heiler Scoopar nannte!« Kaum hatte er die Koordinaten eingege ben, sagte die Psiotronik: »Die eingegebenen Koordinaten liegen weit außerhalb des von MYOTEX festgeleg ten Kundschafterkurses. Da dein Auftrag lautet, unbeirrt den vorgeschriebenen Kurs einzuhalten, ist es unzulässig, die betreffen den Koordinaten anzufliegen.« »Das ist mir egal«, erwiderte Algonkin-Yat ta. »Ich kann den Kundschafterkurs wieder aufnehmen, sobald ich mit Atlan gesprochen habe. MYOTEX ist weit und kann mich nicht daran hindern, nach dem Kristallprin zen zu suchen – und ihn zu finden.« »Ich muß dir gehorchen«, erklärte die Psiotronik. Algonkin-Yatta lächelte. »Das ist dein Glück, sonst müßte ich dich desaktivieren. Sobald ich das Schiff in den Weltraum gebracht habe, schlägst du den Kurs ein, der zu den angegebenen Koordina ten führt.« Er drehte sich zu Anlytha um – und blick
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te verblüfft auf die Gegenstände, die sein weiblicher Gast auf dem Schalttisch vor sich aufgestellt hatte. »Wo hast du das her, Anlytha?« Anlytha lächelte glücklich. »Ich habe die Gegenstände bei den toten Arkoniden gefunden. Sie brauchen sie ja nicht mehr, und wir haben dadurch Ersatz für unsere Kleinodien bekommen.« Seufzend wandte Algonkin-Yatta sich wieder seinen Kontrollen zu, um das Schiff zu starten. Ihm war soeben klar geworden, daß er Anlytha noch längst nicht kannte und wahrscheinlich noch eine Menge Überra schungen mit ihr erleben würde. Als er die Starttaste drückte, wurde das Kundschafterschiff von einem Abstoßfeld nach oben katapultiert. In den oberen Schichten der Atmosphäre schaltete der Kundschafter den AMAntrieb ein und be schleunigte.
3. Der Grek 1 des Urptra-Systems musterte voller Anerkennung die Tausendschaft der Raumkadetten, die zum Morgenappell ange treten war. Die jungen männlichen Maahks trugen, da sie sich auf einem Riesenplaneten mit einer Hochdruckatmosphäre aus Wasser stoff, Methan und Ammoniak befanden, nur die leichten Kampfkombinationen ohne Druckhelme. Die Raumkadetten nahmen ruckartig Hal tung an, als ihr Ausbilder einen Befehl brüll te. Die Augen auf ihren Sichelköpfen richte ten sich auf Grek 1. Der Ausbilder drehte sich um, marschierte mit steifen Schritten auf den Gleiter zu, in dem Grek 1 angekom men war, und machte seine vorschriftsmäßi ge Meldung. Grek 1 stieg aus und stellte sich vor die Front der Kadetten. Die trüben Schlieren in der heißen Atmosphäre wichen vor ihm zu rück, als wären es Lebewesen. Die Sonne Urptra war infolge der dichten und hohen Atmosphäre nicht zu sehen, aber ihre Strah lung erfüllte den festen Boden des Planeten
Xymoch dennoch mit gleißender Helligkeit. »Ich grüße euch, Raumkadetten!« rief Grek 1. »Ihr befindet euch auf dem Planeten Xymoch, um in den praktischen Wissen schaften ausgebildet und zu dem logischen Denken und Handeln erzogen zu werden, das notwendig ist, wenn wir den Kampf ge gen die arkonidischen Emotiodenker gewin nen wollen. Außerdem sollt ihr hier auf den Dienst in der starken und erfolgreichen Flot te der vereinigten Maahkvölker vorbereitet werden. Wie ihr alle wißt, sind die Arkoniden, die auch die Weichen genannt werden, die Tod feinde unserer Völker. Ihr Handeln wird in erster Linie von einer Motion, dem soge nannten Haß, bestimmt, die uns fremd ist. Die Arkoniden trachten danach, unsere Völ ker auszurotten. Das wird ihnen niemals ge lingen, denn unser Handeln wird nicht durch überflüssige Gefühle getrübt, sondern einzig und allein von der Logik bestimmt. Es ist notwendig, den Feind zu stellen und zu vernichten, wo immer er sich zeigt. Da die Arkoniden auf leichten Planeten mit ei ner Sauerstoffatmosphäre leben, werdet ihr möglicherweise in die Lage kommen, auf ei nem solchen Planeten landen und kämpfen zu müssen. Das stellt euch vor erschwerten Bedingungen, denn ihr müßt schwere Druckanzüge tragen, während der Feind sich in leichten Kampfanzügen bewegen kann. Selbstverständlich sind Maahks auch un ter diesen Umständen den weichlichen Ar koniden überlegen. Dennoch werden sich auch auf unserer Seite Verluste nicht ver meiden lassen. Da es unlogisch wäre, größe re Verluste als unbedingt notwendig zu ris kieren, ist es erforderlich, daß ein Teil eurer Kampfausbildung unter den geschilderten Bedingungen stattfindet. Ihr werdet deshalb heute zum sechsten Mond Xymochs, nach Chanetra, gebracht. Dort befindet sich ein Gefangenlager für Ar koniden. Vor allem aber hat Chanetra eine Sauerstoffatmosphäre und auch sonst in et wa die Bedingungen, die auf den von Arko niden besiedelten Planeten herrschen.
Kundschafter im Kosmos Die Leitung des Gefangenenlagers ist an gewiesen worden, zweihundert kampffähige männliche Arkoniden mit Kampfanzügen und leichter Bewaffnung auszurüsten und in ein Manövergebiet zu treiben. Ihr habt die Aufgabe, diese Arkoniden zum Kampf zu stellen und im Kampf zu töten. Ich erwarte von jedem von euch, daß er bereit zum Ster ben ist, wenn die jeweilige Gefechtssituation dieses Opfer erfordert. Ich erwarte aber auch, daß jeder das eigene Leben und das seiner Kameraden nicht unnötig aufs Spiel setzt, denn euer Leben gehört nicht euch, sondern unseren Völkern, und jeder von uns hat die Pflicht, es so effektiv wie möglich im Interesse unserer Völker einzusetzen. Ich weiß, daß ihr mich verstanden habt und wünsche euch jederzeit die volle Be herrschung von Körper und Geist und die Unterstellung aller Gedanken und Handlun gen unter das ewige Gesetz der Logik.« Er wandte sich um und kehrte zu seinem Gleiter zurück. Hinter ihm übernahm der Ausbilder wieder das Kommando über die Tausendschaft. In mathematisch exakter Ordnung marschierten die Raumkadetten zu dem Walzenraumschiff, das am Rand des befestigten Platzes lag. Grek 1 aber ließ sich in die Kommando zentrale des Stützpunkts auf Xymoch zu rückfliegen. Irritiert stellte er dabei fest, daß in ihm der Wunsch erwachte, die Raumka detten nach Chanetra zu begleiten und an ih rem Realmanöver teilzunehmen. Dieser Wunsch verstieß jedoch gegen das Gesetz der Logik, denn er, Grek 1, hatte die Aufga be, das Urptra-System zu verwalten, und diese Aufgabe wäre gefährdet, würde er auf Chanetra sein Leben aufs Spiel setzen. Wenn das noch einmal vorkommt, muß ich mich zur Psycho-Konditionierung mel den! dachte er.
* Als Grek 1 seine Kommandozentrale be trat, wartete der Grek 1 der Hyperfunkstati on bereits auf ihn.
17 »Funkspruch vom Hauptquartier«, melde te er. »Wir sollen innerhalb der nächsten zehn Tage zwei Transporte neuer Rekruten erhalten, die sofort in die Ausbildung einge reiht werden müssen.« »Darauf ist unser Ausbildungszentrum nicht eingerichtet«, erwiderte der Grek 1 des Urptra-Systems und griff nach der Folie, auf der die Funkmeldung ausgedruckt war. »Aber die Mitteilung ist eindeutig«, sagte er, nachdem er die Meldung gelesen hatte. »Ich frage mich nur, warum man uns derart über fordert und die optimale Ausbildung gefähr det.« »Wahrscheinlich will das Hauptquartier eine schnelle Entscheidung im Krieg gegen die Arkoniden erzwingen«, erwiderte der Funker. »Was ich an Funksprüchen aufge fangen und entschlüsselt habe, deutet darauf hin, daß Orbanaschol III. im Großen Imperi um mehr und mehr an Ansehen einbüßt. Über den Kristallprinzen Atlan, der Orbana schol stürzen möchte, liegen zwar keine neuen Nachrichten vor, aber es erscheint lo gisch, daß er die Schwäche Orbanaschols ausnutzt, um das Amt des Imperators einzu nehmen.« »Das wäre schlecht für uns«, meinte Grek 1. »Ich habe schon viel über diesen Atlan gehört. Wie es scheint, ist er ein fähiger Kopf, der seine Emotionen weit besser unter Kontrolle hat als andere Arkoniden. Wenn er die Macht im Großen Imperium an sich reißt, wird er alle Kräfte auf den Kampf ge gen uns konzentrieren. Es wird wirklich höchste Zeit, die Weichen entscheidend zu schlagen. Unter diesen Umständen ist es lo gisch, daß das Hauptquartier die Ausbildung von Raumsoldaten verstärkt.« Er wandte sich an seinen Stellvertreter, der bisher schweigend gewartet hatte. »Sorgen Sie dafür, daß in den Unterkünf ten Platz für die Neuen geschaffen wird und daß die Rekruten in die Tausendschaften der Raumkadetten eingegliedert werden!« »Aber die Unterschiede im Ausbildungs stand sind zu groß«, wagte sein Stellvertre ter einzuwenden.
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»Das brauchen Sie mir nicht zu sagen!« fuhr Grek 1 ihn an. »Die Ausbilder müssen eben angewiesen werden, nach einem gestaffelten Ausbildungsplan zu arbeiten – und zwar so, daß die Unterschiede nach dreißig Tagen verschwunden sind. Ist das verstanden worden?« »Ich habe verstanden, Grek 1«, antwortete sein Stellvertreter. Hastig verließ er den Raum. Grek 1 sah ihm nach. Er konnte verste hen, daß sein Stellvertreter sich Sorgen machte, denn es verstieß gegen die Logik, soeben eingezogene Rekruten mit Raumka detten zusammen auszubilden, die schon ein Vierteljahr Dienst taten. Aber dieser Verstoß gegen die Logik war notwendig, um die hö herwertige Logik der Gesamtstrategie zu er halten. »Gehen Sie an Ihren Platz zurück!« befahl er dem Funker. »Ich bin in der nächsten Stunde im Rechenraum der Positronik zu er reichen.«
* Die halbe Stunde, die Grek 1 im Rechen raum verbracht hatte, tat ihm gut. Der Um gang mit einer nach absolut logischen Geset zen funktionierenden Maschine hatte ihm sein inneres Gleichgewicht wiedergegeben. Dennoch war er nicht frei von Sorgen. Die Berechnungen hatten erwiesen, daß die Zahl der auf Chanetra gefangengehaltenen kampffähigen Arkoniden zu gering war, um dem gestiegenen Bedarf gerecht zu werden, der zwangsläufig mit der außerplanmäßigen Zuteilung von Rekruten verbunden war. Es würde notwendig sein, beim Haupt quartier einen Transport weiterer Kriegsge fangener anzufordern. Aber obwohl Grek 1 wußte, daß er nicht darum herumkam, scheute er noch davor zurück. Er wußte, daß in letzter Zeit immer weniger Gefangene ge macht wurden. Die Arkoniden schienen es vorzuziehen, im Kampf zu fallen oder sich in aussichtsloser Lage selbst zu töten. Des halb wurden immer weniger kampffähige
Arkoniden gefangen. Nur die Zahl der ge fangenen Frauen und Kinder war ungefähr gleich geblieben. Aber Frauen und Kinder waren keine guten Ausbildungsobjekte. Die maahkschen Raumkadetten konnten nicht zu erfahrenen Kämpfern erzogen werden, wenn die Manövergegner ihnen keinen entschlos senen Widerstand leisteten. Grek 1 sah sich vor einer Konfliktsituati on. Er mußte kampffähige Gefangene anfor dern, um seiner Pflicht zu genügen, aber er wußte andererseits, daß eine solche Forde rung unerfüllbar war. Damit wurde die Er füllung der Pflicht zu einem sinnlosen Un terfangen. Deshalb war Grek 1, soweit ein solches Gefühl bei einem Maahk überhaupt möglich war, beinahe froh darüber, als der Grek 1 der Funkstation ihn anrief. »Was gibt es?« fragte er. »Ein fremdes Raumschiff ist außerhalb des Systems aufgetaucht, Grek 1«, meldete der Funker. »Es hält einen Kurs, der es mit ten ins System bringen wird.« »Ein fremdes Raumschiff? Kein Kugel raumschiff und auch kein Walzenraumer?« »Nein, Grek 1. Es ist sehr klein und von ovaler Form. Uns ist kein solcher Schiffstyp bekannt.« »Das ist nur ein Trick der Weichen«, meinte Grek 1. »Sie halten uns offenbar für so dumm, ein Schiff in unser System einflie gen zu lassen, wenn es nicht die für Arkoni denraumer typische Kugelform besitzt. Wahrscheinlich wollen sie spionieren. Hält es immer noch seinen Kurs?« »Die Raumüberwachung meldet, daß in zwischen eine Kurskorrektur stattgefunden hat«, antwortete der Funker. »Das Schiff steuert jetzt genau den Planeten Xymoch an.« »Dann wissen die Arkoniden offenbar, daß sich auf Xymoch unser Ausbildungszen trum befindet«, erwiderte Grek 1. »Ich brau che Sie nicht mehr.« Er schaltete zur Bereitschaftszentrale der Wachflotte des Systems um und befahl, dem arkonidischen Spionageschiff einen Kreuzer
Kundschafter im Kosmos der Mittelklasse entgegenzuschicken. Der Kreuzer sollte das kleine Raumschiff abfan gen und nach Möglichkeit aufbringen. Danach kehrten die Gedanken von Grek 1 wieder zum alten Problem zurück. Er hielt das Auftauchen des Spionageschiffs nicht für so bedeutsam, daß er sich länger damit befassen würde. Es war dumm und leichtfer tig von den Arkoniden, auf diese Weise vor zugehen. Sie hatten ihr Spionageschiff schon jetzt verloren.
4. Als der Interdimensionsantrieb sich ab schaltete und das Kundschafterschiff in den Normalraum zurückfiel, sagte Algonkin-Yat ta: »Wir sind da, Anlytha! Vielleicht werde ich noch heute Atlan begegnen!« »Du scheinst direkt besessen von diesem Gedanken zu sein, Algonkin«, erwiderte An lytha. »Was kann an einem einzelnen Lebe wesen so Besonderes sein, auch wenn es sich Kristallprinz nennt?« »Das verstehst du nicht«, sagte der Kund schafter. »Kristallprinz Atlan, das ist so et was wie ein leuchtendes Symbol zwischen den Sternen.« Er hatte noch mehr sagen wollen, schwieg aber, weil er in diesem Augenblick die Sen soren auf die Erscheinungen des Normal raums ansprachen. Auf dem vorderen Bild schirm wurde eine in allen Farben schillernde Riesensonne abgebildet, und die Auswer tungsschirme zeigten Daten, aus denen her vorging, daß die Riesensonne von fünf Pla neten umkreist wurde. »Vier relativ kleine Planeten und ein Rie senplanet«, sagte Algonkin-Yatta. »Eigentlich hatte ich hier gar kein Planeten system erwartet, sondern nur eine Raumsta tion. Das sagte Scoopar jedenfalls.« »Vielleicht hat er dich angelogen?« mein te Anlytha. »Angelogen?« fragte der Kundschafter und machte ein verblüfftes Gesicht. Anlytha zwitscherte hell, dann sagte sie:
19 »Du weißt offenbar nicht, was eine Lüge ist, Algonkin. Stimmt es?« »Es stimmt; ich weiß es wirklich nicht«, erwiderte Algonkin-Yatta. »Bitte, erkläre es mir!« »Lügen heißt, wissentlich die Unwahrheit sagen, um ein anderes Lebewesen zu täu schen oder um sich einer Verantwortung zu entziehen.« Algonkin-Yatta schüttelte den Kopf. »Das ist unglaublich, Anlytha. Weißt du das bestimmt? Oder könnte es sein, daß es sich nur um eine Phantom-Erinnerung han delt? Immerhin ist eine Amnesie stets mit ei ner Störung der Funktion des zentralen Ner vensystems verbunden. Ich kann mir jeden falls nicht vorstellen, daß ein Lebewesen wissentlich die Unwahrheit sagt.« »Ich glaube, es handelt sich um eine echte Erinnerung«, meinte Anlytha. »Versuche einmal, mich anzulügen! Sage mir etwas, was nicht stimmt!« »Mir fällt gerade nichts ein«, erklärte Al gonkin-Yatta. »Außerdem kann ich nur dann etwas sagen, was nicht stimmt, wenn ich mir einbilde, daß es stimmt. Sicher ist mir das schon öfter passiert.« »So meinte ich es nicht!« rief Anlytha und zwitscherte abermals belustigt. »Sage mir doch einfach, du könntest zaubern!« »Aber ich weiß, daß ich nicht zaubern kann«, entgegnete der Kundschafter. »Sage es trotzdem!« Algonkin-Yatta holte tief Luf, dann sagte er: »Ich kann …« Er schüttelte erneut den Kopf. »Es geht nicht, Anlytha. Wie kann ich etwas behaupten, von dem ich weiß, daß es nicht stimmt!« »Das ist ein Nachteil«, erklärte Anlytha. »Aber ich werde dir das Lügen schon noch beibringen, Algonkin. Jedenfalls nehme ich an, daß dieser Scoopar dich angelogen hat. Sonst müßte ja hier eine Raumstation sein.« »Warum hätte er mich täuschen oder sich einer Verantwortung entziehen sollen?« fragte der Kundschafter. »Er hätte, da er im Sterben lag, keinen Vorteil davon gehabt. Es
20 handelt sich entweder um ein Mißverständ nis, oder das Schiff ist beim Interdimensi onsflug von einem Kraftfeld beeinflußt wor den, so daß es vom Kurs abkam. Es könnte aber auch sein, daß Scoopar keine frei im Raum schwebende Station meinte, sondern eine Station auf einem Planeten. Der Riesen planet erscheint mir als am besten dafür ge eignet, deshalb werde ich ihn anfliegen.« »Ausgerechnet diesen Giganten!« rief An lytha. »Wahrscheinlich hat er eine Schwer kraft von drei Gravos und einen radioaktiv strahlenden Kern, vom atmosphärischen Druck ganz zu schweigen. Dort lebt be stimmt niemand.« »Auf Ruoryc herrschen ähnliche Bedin gungen«, erwiderte Algonkin-Yatta während er eine Kurskorrektur vornahm und damit genau auf den Planetenriesen zu steuerte. »Ruoryc hat ungefähr die fünffache Masse von Perpandron, also von dem Planeten der Goltein-Heiler. Sein Magnetfeld ist sogar siebzehnmal so stark, und in der Planeten kruste befinden sich zahlreiche radioaktive Elemente, so daß sie strahlt wie ein defekter alter Atommeiler mit mangelhafter Isolie rung.« »Dann ist deine Heimatwelt ja der reinste Höllenplanet!« entfuhr es Anlytha. »Und dort lebt dein Volk?« »Ich sagte bereits, daß wir in hermetisch abgeschlossenen Kuppelbauten leben«, er klärte der Kundschafter geduldig. »Wir Ma thoner haben uns nicht auf Ruoryc ent wickelt …« »… sondern auf Mathon, nicht wahr?« fiel Anlytha ihm ins Wort. Algonkin-Yatta schüttelte den Kopf. »Nein, unsere Ahnen kamen mit einem Raumschiff, das MATHON hieß, in die Nä he von Ruoryc. Sie waren auf der Flucht vor halutischen Raumschiffen, die ihren Heimat planeten verwüstet hatten. Als sie das Sy stem der blauen Riesensonne Yrgarth er reichten, glaubten sie sich verloren, denn keiner der Planeten sah so aus, als könnte er ihnen eine neue Heimat bieten. Sie konnten auch nicht weiterfliegen, um ein anderes
H. G. Ewers Planetsystem zu suchen, denn ihre Treib stoffvorräte waren erschöpft. Da fingen sie Funksignale auf, die vom achten Planeten der blauen Riesensonne ka men. Während sie noch überlegten, was die Funksignale zu bedeuten hatten, wurde ihr Raumschiff in Fernsteuerung genommen und auf dem achten Planeten gelandet. Dort nahm sich das technische Erbe einer längst ausgestorbenen Zivilisation ihrer an, be schützte sie vor den extremen Umweltbedin gungen und versorgte sie mit allem Nöti gen.« »Das klingt, als wären sie von Robotern als Gefangene gehalten worden«, warf Anly tha ein. »Praktisch mag das gestimmt haben«, gab Algonkin-Yatta zu. »Innerhalb weniger Ge nerationen wurden unsere Vorfahren vom technischen Erbe der ausgestorbenen Zivili sation vollständig integriert. Offenbar emp fanden sie sich tatsächlich als Gefangene, denn es kam immer wieder zu Ausbrüchen. Das war natürlich unvernünftig, denn unsere Vorfahren waren nicht an die extremen Um weltbedingungen von Ruoryc angepaßt. Die jenigen, die nicht von den mobilen Ablegern von MYOTEX zurückgeholt werden konn ten, kamen um. MYOTEX, wie sich das technische Erbe in seiner Gesamtheit nennt, wollte diese sinnlosen Rebellionen und Todesfälle ver hindern. Es startete ein Teilanpassungspro gramm, so daß Ausbrecher eine gute Chance hatten, in der natürlichen Umwelt zu überle ben. Dazu wurde ein Raumfahrtsprogramm entwickelt. MYOTEX baute Kundschafter schiffe, rüstete sie mit allem Nötigen aus und startete ein Ausbildungsprogramm für Kosmische Kundschafter. Jeder gesunde Mathoner, der sich für die Erforschung des Weltraums interessierte, konnte Kundschaf ter werden. Seitdem fliegen unsere Kund schafterschiffe auf vorausberechneten Kur sen durchs All und sammeln Informatio nen.« »Und du hast deinen vorausberechneten Kurs verlassen, Algonkin«, sagte Anlytha
Kundschafter im Kosmos und schaute den Kundschafter besorgt an. »Wird MYOTEX dich dafür bestrafen, wenn du zurückkommst?« »Warum?« fragte Algonkin-Yatta. »MYOTEX ist unser Partner, aber nicht un ser Herr. Es berechnet die Kundschafterkur se nur deshalb, damit sich niemand in den Tiefen des Alls verirrt und damit nicht meh rere Kundschafter das gleiche Gebiet erfor schen. Außerdem werde ich, wenn ich mit Atlan gesprochen habe, so wertvolle Infor mationen mit nach Hause bringen, daß MYOTEX mir einen Wunsch freigibt.« »Ihr seid ein seltsames Volk – und MYO TEX ist noch viel seltsamer«, sagte Anlytha. »Du wirst uns und MYOTEX kennenler nen«, erwiderte der Kundschafter lächelnd. Plötzlich versteifte sich seine Haltung; seine Augen leuchteten in freudiger Erre gung auf. »Wir sind doch im richtigen Raumsek tor!« rief er. »Die Sensoren haben ein Raumschiff festgestellt, das sich uns nähert. Es scheint von dem Riesenplaneten zu kom men. Also wird sich dort tatsächlich die Sta tion befinden. Ich freue mich schon auf die Begegnung. Kannst du eine Funkverbindung mit dem anderen Schiff herstellen?« »Aber sicher«, antwortete Anlytha. »Allmählich steckst du mich mit deiner Er regung an. Ich kann es kaum erwarten, die sen Atlan kennenzulernen.«
* Verwundert betrachtete Algonkin-Yatta die Abbildung des Lebewesens auf dem Schirm des Hyperfunkgeräts. Ein Arkonide konnte es nicht sein, denn die Arkoniden auf Perpandron hatten völlig anders ausgesehen. Das Lebewesen auf dem walzenförmigen Raumschiff, das sich dem Kundschafterschiff näherte, war nicht nur viel größer, sondern auch viel breiter. Noch stärker unterschied sich seine Kopfform von der eines Arkoniden. Der Kopf dieses We sens saß haltlos auf den Schultern und bilde te eine Art sichelförmigen Wulst, auf dessen
21 Grat vier Augen saßen. Und noch etwas anderes fiel dem Kund schafter auf. Das Raumschiff des Fremden schien von einer anderen Atmosphäre ange füllt zu sein als das Kundschafterschiff. Im mer wieder kam es zu Schlierenbildungen und flüchtigen, von Leuchterscheinungen begleiteten chemischen Reaktionen. Anlytha stieß einen schrillen Schrei aus und wich vom Funkgerät zurück. Ihr Feder kamm sträubte sich zitternd. »Was hast du?« fragte Algonkin-Yatta är gerlich. »Stört dich das andersartige Ausse hen dieses Wesens etwa? Wenn ja, dann be denke, daß die Andersartigkeit auf Gegen seitigkeit beruht. Ich freue mich jedenfalls schon auf das Gespräch mit dem Fremden. Schade, daß mein Translator einige Zeit brauchen wird, um seine Sprache zu analy sieren.« Er schaltete seinen Translator ein und hielt ihn mit beiden Händen hoch, damit der Fremde ihn sah und seine Bedeutung be griff. Bei raumfahrttreibenden Lebewesen durfte man voraussetzen, daß sie derart ele mentare Kenntnisse besaßen, um das Funkti onsprinzip einfachster Geräte zu durch schauen oder zu erraten. Der Fremde enttäuschte den Kundschafter nicht. Er bewegte die hornigen Lippen, und aus den Lautsprechern des Hyperfunkgeräts drangen gedehnte, quarrende und eindeutig modulierte Laute. Gleichzeitig hob der Fremde ein Gerät hoch, das stärke Ähnlich keit mit Algonkin-Yattas Translator besaß. Da der Kundschafter nicht unhöflich sein wollte, sprach er ebenfalls in die Mikropho ne seines Hyperfunkgeräts. Er verwendete dabei einen von MYOTEX speziell für die Eingabe in fremde Translatoren ausgearbei teten Text, der eine optimale Analysierung des Mathona in denkbar kurzer Zeit ermög lichte. Natürlich war das in diesem Fall zweck los. Wie Algonkin-Yatta erwartet hatte, schloß sein Translator die Analysierung der fremden Sprache zuerst ab. Plötzlich konnte der Kundschafter verstehen, was der Fremde
22 sagte. Wie nicht anders zu erwarten, handel te es sich um Wort- und Satzbildungen ohne Informationswert für Algonkin-Yatta, denn auch der Fremde sprach nur für den Transla tor. Mit Gesten bedeutete der Kundschafter dem Fremden, daß er ihn verstand, so daß einer Kommunikation nichts mehr im Wege stand. Er hätte selbstverständlich zuerst in seinen Translator sprechen können, doch be sagten die Kundschafterregeln, die Eröff nung der Kommunikation möglichst dem Gesprächspartner zu überlassen, um ihm da mit klar zu machen, daß man ihn nicht be vormunden wollte. Der Fremde begriff auch das sofort. Al gonkin-Yatta konnte es zwar nicht seinem starren Gesichtsausdruck entnehmen, aber er sah, wie der Fremde seinen Translator weg stellte. Im nächsten Augenblick ertönten seine übersetzten Worte aus dem Translator des Kundschafters. »Kampfschiff TAMONTH an Besatzung des Schiffes, das unerlaubt ins Urptra-Sy stem eingeflogen ist. Sie werden aufgefordert, zu stoppen und ein Prisenkommando an Bord kommen zu lassen. Bei Gegenwehr wird das Feuer eröff net. Ende!« Algonkin-Yatta lauschte den Worten ver wundert nach, dann kratzte er sich am Kopf und wandte sich an Anlytha. »Ein etwas ausgefallener Willkommens gruß«, meinte er. »Aber die Bräuche sind wohl bei allen Völkern verschieden. Sicher handelt es sich um eine Art Ritual.« »Ich hielt es für eine Drohung«, wandte Anlytha zaghaft ein. Der Kundschafter lachte unbekümmert. »Eine Drohung! Welch absurder Gedan ke! Niemand hat einen Grund, uns zu bedro hen.« Er wandte sich wieder seinem Translator zu und sagte: »Ich bin Kundschafter Algonkin-Yatta und freue mich sehr über unsere Begegnung. Selbstverständlich werde ich Ihnen gern die
H. G. Ewers kleine Gefälligkeit erweisen, ihre Gebräuche zu befolgen. Nur eine Frage bitte ich mir zu beantworten, bevor wir mit dem Ritual der Begrüßung anfangen. Befindet sich Kristall prinz Atlan in der Station auf dem Planeten, von dem Ihr Schiff gekommen ist?« Der Fremde sagte eine ganze Zeitlang gar nichts. Aber seine Augen schienen zu glit zern, und irgendwie veränderten sich seine bisher starren Gesichtszüge – falls man bei der Vorderseite seines Kopfes überhaupt von einem Gesicht sprechen konnte, denn die Sehorgane befanden sich ja auf der Oberseite des Schädels. »Stoppen Sie und warten Sie ab!« sagte der Fremde schließlich. »Ich will mich er kundigen, ob die von Ihnen gewünschten In formation abrufbar ist.« Der Bildschirm des Hyperfunkgeräts wur de dunkel, ein Zeichen dafür, daß der Frem de die Verbindung unterbrochen hatte. Erneut wandte sich Algonkin-Yatta an Anlytha und rief: »Da siehst du, daß die Worte des Fremden nicht als Drohung gemeint waren! Er will sich für mich danach erkundigen, ob Atlan auf dem Riesenplaneten weilt. Das ist ein ausgesprochen freundliches Verhalten.« Er bremste das Kundschafterschiff ab und wartete in freudiger Erregung auf die Wei terführung der Kommunikation …
* Der Kommandant der TAMONTH sprach unterdessen über Hyperkom mit dem Grek 1 des Urptra-Systems. »Dieser … Wie heißt er doch gleich?« sagte Grek 1. »Er nannte sich Algonkin-Yatta und be zeichnete sich als Kundschafter«, antwortete der Kommandant. »Ein eigenartiger Name«, meinte Grek 1. »Und dieser Algonkin-Yatta hat geradeher aus nach Atlan gefragt, obwohl Atlan ein Arkonide und damit einer unserer Todfeinde ist?« »Ja, Grek 1. Er wollte wissen, ob sich At
Kundschafter im Kosmos lan auf Xymoch aufhält.« »Das ist absolut unlogisch«, erwiderte Grek 1. »Es sei denn, er nimmt an, Atlan wäre unser Gefangener. Halten Sie das für denkbar, Kommandant?« »Der Wortlaut seiner Frage zwingt zu der Annahme, daß er Atlan nicht für unseren Gefangenen hält. Überhaupt hat sich der Kundschafter recht seltsam benommen. Auf meine Aufforderung, zu stoppen und ein Pri senkommando zu übernehmen, antwortete er, daß er sich über unsere Begegnung freut und uns gern die kleine Gefälligkeit erwei sen würde, unsere Gebräuche zu befolgen.« »Ein Täuschungsmanöver«, erwiderte Grek 1. »Dieser Spion will nur Zeitgewin nen.« »Aber er hat sein Schiff tatsächlich ge stoppt«, wandte der Kommandant ein. »Ich werde ein Prisenkommando hinüberschicken und die Besatzung des Schiffes einem harten Verhör unterziehen.« »Die Besatzung?« fragte Grek 1. »Ich dachte, der Spion wäre allein.« »Auf dem Bildschirm meines Hyperkoms war noch eine zweite Person zu sehen. Sie scheint übrigens nicht dem gleichen Volk anzugehören wie der Kundschafter, der, so scheint es, kein Arkonide ist, sondern einem uns unbekannten Volk angehört.« Grek horchte auf. Die Fähigkeit zu logi schem Denken war bei ihm stärker ausge prägt als bei seinen Untergebenen, sonst hät te er nicht den Rang eines Grek 1 des Urp tra-Systems bekleidet. Deshalb kam er, ob wohl seine Informationen nur aus zweiter Hand stammten, zu einem Schluß, den er für richtig und bedeutsam hielt. »Ich halte es für möglich, daß Algonkin-Yat ta nicht weiß, mit wem er es bei uns zu tun hat, Kommandant«, erklärte er. »Da er fremd in diesem Teil des Universums zu sein scheint, hält er uns vielleicht für Freun de des Kristallprinzen. Wir müssen diese Si tuation ausnutzen, bevor der Fremde merkt, was gespielt wird. Solange er uns als Freun de einstuft, können wir von ihm vielleicht mehr über Atlan erfahren. Möglicherweise
23 ist der Fremde versehentlich hierher gekom men und wollte sich eigentlich woanders mit Atlan treffen. Sie, Kommandant, werden deshalb sehr diplomatisch vorgehen und we der Algonkin-Yatta noch die andere Person hart anfassen.« »Ich habe verstanden, Grek 1«, sagte der Kommandant. »Wohin soll ich die ›Gäste‹ bringen?« Grek 1 überlegte kurz, dann sagte er: »Schleppen Sie ihr Schiff nach Chanetra ab, denn letzten Endes werden die beiden Besatzungsmitglieder doch im Camp der Gefangenen landen. Ich werde ebenfalls nach Chanetra fliegen und die Gefangenen dort verhören. Gehen Sie persönlich mit dem Prisenkommando an Bord des Kund schafterschiffs, damit Ihre Leute keinen Feh ler begehen. Die Fremden müssen so lange wie möglich in dem Glauben gelassen wer den, daß wir ihre und Atlans Freunde sind. Sie werden schon unterwegs versuchen, sie behutsam auszuhorchen!« »Ich werde mein Bestes tun, Grek 1«, er widerte der Kommandant der TAMONTH.
5. Das schwarze Walzenraumschiff schweb te dicht neben dem Kundschafterschiff im All. Etwas nach rechts versetzt, leuchtete die in allen Farben schillernde Riesensonne. Schräg links war die angestrahlte Sichel des Riesenplaneten Xymoch zu sehen. »Der Riesenplanet wird von sechs Monden umkreist«, stellte Algonkin-Yatta nach einem Blick auf die Sensorenanzeigen fest. »Der größte von ihnen hat sogar eine Sauer stoffatmosphäre, in der du ohne Schwierig keiten leben könntest.« »Ich bin nicht daran interessiert, auf ei nem Mond dieses Planetengiganten zu le ben«, erwiderte Anlytha. »Außerdem begrei fe ich nicht, daß du in aller Ruhe die Him melskörper dieses Systems untersuchst, während das Walzenraumschiff uns bedroht. Oder erkennst du nicht, daß es seine Ge schützmündungen auf uns gerichtet hat?«
24 »Eine Geste, die Achtung ausdrücken soll«, erklärte der Kundschafter. »Das zeugt von gewissen archaischen Überresten in der Mentalität der Fremden. Aber ich bin sicher, daß auch in unserer Mentalität einige archai sche Überreste vorhanden sind. Da, das Walzenraumschiff schleust ein Beiboot aus! Ich werde eine Schleuse öffnen, damit das Begrüßungskomitee ohne Verzögerung an Bord kommen kann.« »Du bist unbelehrbar, Algonkin«, sagte Anlytha. »Ich fürchte mich vor den Frem den. Allerdings …« »Was ist allerdings?« fragte der Kund schafter. Anlytha stieß ein erheiterndes Zwitschern aus. »Allerdings bin ich sehr neugierig auf die fremdartigen Gegenstände, die die Fremden mitbringen werden.« »Du wirst dich zurückhalten!« befahl Al gonkin-Yatta. »Ich wünsche nicht, daß mei ne ernsthaften Gespräche mit den Fremden durch profanes Feilschen um den Preis eini ger Souvenirs gestört werden!« »Wer spricht denn von Feilschen!« flü sterte Anlytha und musterte ihre schmalen, sehr gelenkigen Finger. Ihre Augen glitzer ten dabei in freudiger Erwartung. Algonkin-Yatta hatte ihre letzten Worte nicht verstanden. Er kam auch nicht dazu, um eine Wiederholung zu bitten, denn eine schwache Erschütterung zeigte an, daß das Beiboot der Fremden in der Schleuse des Kundschafterschiffs aufgesetzt hatte. Algonkin-Yatta aktivierte die Signalanla ge, die den Besuchern den Weg in die Kom mandozentrale wies. Kurz darauf polterten fünf der fremden Lebewesen in die Zentrale. Sie trugen schwere Druckanzüge und hielten Waffen in den Händen. Der Kundschafter erhob sich von seinem Platz, legte sich die Hände auf die Schultern und hielt sie dann den Besuchern entgegen. »Willkommen an Bord meines Schiffes!« sprach er in seinen Translator. »Darf ich Ih nen Anlytha vorstellen, einen Gast, den ich aufnahm, weil sein Raumschiff havariert
H. G. Ewers war. Ich hoffe doch, Sie haben die Außen mikrophone Ihrer Druckanzüge eingeschal tet, damit Sie mich verstehen.« Aus den Außenlautsprechern eines Frem den drangen die typischen Laute seiner Sprache. Sie wurden augenblicklich von Al gonkin-Yattas Translator übersetzt. »Wir danken Ihnen für Ihre Gastfreund schaft, Algonkin-Yatta. Ich bin der Kom mandant des Raumschiffs, das zu Ihrem Empfang geschickt wurde. Leider erfuhr ich, daß Kristallprinz Atlan nicht auf Xymoch weilt. Es kann allerdings sein, daß er uns zu einem späteren Zeitpunkt besucht. Hat er Ih nen gesagt, daß er hierher kommen will?« Algonkin-Yatta wollte schon wahrheits gemäß antworten, als ihm etwas auffiel. Das Verhalten der Fremden ihm gegenüber wies einen Bruch auf, der so gravierend war, daß es keine logische Erklärung dafür gab. Es sei denn, diese Lebewesen verfügten über die Fähigkeit, die Anlytha ihm gegenüber erst kürzlich erwähnt hatte: die Fähigkeit, zu lü gen. Aber was konnten sie damit bezwecken, daß sie ihm wissentlich die Unwahrheit sag ten? Der Kundschafter hatte keine Ahnung, aber er nahm sich vor, nichts Unbedachtes zu äußern. Da es in ihm einen – vielleicht unüberwindbaren -Widerstand gab, der ihn hinderte, eine Lüge auszusprechen, griff er zum Mittel des Ausweichens. »Er wollte zu dem Koordinatenpunkt flie gen, an dem sich dieses Planetensystem be findet«, antwortete er. »Allerdings kann er seine Absicht geändert haben. Da fällt mir ein, daß ich Ihren Namen noch nicht weiß. Würden Sie so freundlich sein, ihn mir zu nennen?« »Ich bin der Grek 1 meines Raumschiffs«, antwortete der Kommandant. »Der Grek 1?« fragte Algonkin-Yatta. »Das klingt eher wie ein Titel denn als ein Name.« »Namen in Ihrem Sinne benötigen wir nicht«, erklärte der Kommandant. »Das Ge setz der Logik hält die Rangordnung für be
Kundschafter im Kosmos deutsamer als Kennzeichen, die nichts über die Funktion des Betreffenden in seinem Ar beitsbereich aussagen.« »Es ist richtig, daß erst die Arbeit und die Leistung die Persönlichkeit eines Lebewe sens ausmacht«, erwiderte der Kundschafter. »Aber auch außerhalb der Arbeit ist jedes Lebewesen auf einer bestimmten Entwick lungsstufe eine Persönlichkeit. Deshalb halte ich es für falsch, die Kennzeichnung aus schließlich auf die Stufe der Rangordnung zu beschränken, die jemand während seiner Arbeit einnimmt. Aber das ist natürlich nur meine individuelle Meinung.« Der Maahk blickte den Kundschafter ver wirrt an. Algonkin-Yatta lächelte und sagte: »Aber ich langweile Sie sicher mit sol chen Nebensächlichkeiten. Ich wäre sehr froh, wenn Sie mir erlauben würden, mich einige Zeit in diesem System aufzuhalten. Ich könnte mit Ihnen und anderen Angehöri gen Ihres Volkes Gedanken austauschen. Außerdem kommt Atlan vielleicht doch noch hierher.« »Sie sind uns sehr willkommen, Algon kin-Yatta«, erwiderte der Kommandant. »Wenn Sie erlauben, nimmt mein Schiff Ihr Schiff mit einem Traktorstrahl in Schlepp und bringt es nach Chanetra, den sechsten Mond des Riesenplaneten.« »Ich danke Ihnen für Ihre Freundlich keit«, sagte der Kundschafter. Er trat zu sei nem Schaltpult und nahm so schnell eine Schaltung vor, daß die Maahks davon völlig überrascht wurden. »Was haben Sie da getan?« fragte der Kommandant argwöhnisch. »Er hat den Autopiloten abgeschaltet, da mit das Schiff sich gegenüber dem Traktor strahl passiv verhält«, warf Anlytha ein, die erkannte, daß der Kundschafter vergeblich nach einer Ausrede suchte, die mit der Wahrheit übereinstimmte und den Maahks dennoch nicht verriet, daß das Kundschafter schiff ohne die betreffende Schaltung nicht von einem Traktorstrahl erfaßt werden konnte.
25 »Das scheint logisch«, meinte der Maahk. Er schaltete sein Helmfunkgerät ein und befahl dem Piloten seines Schiffes, das Kundschafterschiff in Schlepp zu nehmen und Chanetra anzufliegen.
* Der Kommandant des Maahkraumers wollte das Kundschafterschiff durchsuchen, während es nach Chanetra geschleppt wur de. Er kam jedoch gar nicht dazu, seinen Wunsch zu äußern, denn Algonkin-Yatta bot ihm von sich aus an, ihn und seine Begleiter durch sein Schiff zu führen. Der Maahk ließ einen seiner Leute in der Zentrale zurück und folgte dem Kundschaf ter zusammen mit seinen anderen drei Be gleitern. Anlytha schloß sich der Gruppe an, war aber unterwegs plötzlich verschwunden. Der maahksche Kommandant musterte wißbegierig den kugelförmigen Raum, den der Kundschafter ihm als ersten zeigte. Er wunderte sich über die durchgehende Polste rung, die nur von zahlreichen kleinen Ni schen unterbrochen wurde, in denen indirekt beleuchtete Gegenstände lagen, hingen und standen. »Das ist die Wohnzelle meines Schiffes«, erklärte Algonkin-Yatta. Der Maahk sah, daß der Kundschafter einen Sensorpunkt seines Armbandgeräts berührte. Im nächsten Augenblick fühlte er sich schwerelos werden. Da er gerade einen Schritt getan hatte, schwebte er zur Decke der Wohnzelle, stieß dort mit dem Kopf an und segelte danach schräg abwärts. Seinen drei Begleitern ging es nicht viel besser. »Sie müssen sich entspannen, um die Schwerelosigkeit zu genießen!« sagte der Kundschafter. »Drehen Sie sich langsam und betrachten Sie die auserwählten Kunst gegenstände in den Nischen.« Da die Maahks darauf trainiert waren, sich auch in völliger Schwerelosigkeit sicher zu bewegen, bekamen sie sich rasch unter Kontrolle. Der Kommandant verkniff sich einen Protest gegen die »unlogische Spiele
26 rei« des Kundschafters, denn er wollte ihn bei Laune halten. Er beobachtete, wie Algonkin-Yatta einen der Gegenstände aus seiner Nische holte. Dabei überlegte der Maahk, wie der Planet beschaffen sein mußte, auf dem sich Algon kin-Yattas Volk entwickelt hatte. Es mußte eine Sauerstoffwelt ähnlich den Welten sein, auf denen die Arkoniden lebten, denn der Kundschafter besaß eine gewisse äußere Ähnlichkeit mit diesen Leuten. Sogar die Anzahl der Augen und der Finger stimmte überein. Andererseits war Algonkin-Yatta nicht nur kleiner als durchschnittliche Arkoniden, sondern wirkte auch erheblich stämmiger. Die enganliegenden, handtellergroßen Ohren deuteten auf besonders stark aufgeprägtes akustisches Orientierungsvermögen hin. Algonkin-Yatta setzte das eine Ende des stabförmigen Gegenstands an seine Lippen und blies hinein. Die Finger seiner Hände deckten abwechselnd die Löcher zu, die sich auf einer Seite des Objekts befanden. Eine Folge von Tönen erklang. Die Töne ließen eine gewisse Gesetzmäßigkeit erkennen, aber keinerlei Zweckmäßigkeit. »Was bedeutet das?« erkundigte sich der Maahk. »Eine Information?« »Es ist Musik«, erklärte der Kundschafter. »Die Flöte stammt von den dominierenden Lebewesen des Planeten Kalteraith. Von ih nen habe ich auch gelernt, wie man mit der Flöte umgeht. Dieses Flötenspiel ist eine Kunst.« »Und welchen Zweck verfolgt diese Kunst?« fragte der Maahk befremdet. »Sich bei ihrem Genuß zu entspannen und Assoziationen im Unterbewußtsein erzeugen zu lassen«, antwortete der Kundschafter. »Sie besitzen doch sicher auch Musikinstru mente, oder?« »Wir haben nichts Derartiges«, antwortete der Kommandant. »Es wäre unlogisch, die Zeit mit unproduktiven Spielereien zu ver geuden, die dringend für die technische und militärische Weiterbildung benötigt wird.« Algonkin-Yatta legte die Flöte zurück und
H. G. Ewers schaltete einen Holoprojektor ein. Die abso lut echt wirkende Projektion einer Kristall höhle, deren Färbung sich ständig änderte, erfüllte die Wohnzelle. »Was bedeutet ›militärisch‹?« erkundigte sich der Kundschafter. »Es umfaßt alles, was mittelbar oder un mittelbar mit der Kriegskunst zu tun hat«, antwortete der Maahk. »Und was ist ›Krieg‹?« fragte der Kund schafter weiter. »Krieg ist das Leben«, sagte der Kom mandant. »Alle Lebewesen werden geboren, um zu kämpfen und dabei entweder zu sie gen oder zu sterben. Die niederen Lebewe sen führen diesen Kampf instinktiv, während die höher entwickelten Lebewesen ihre Kämpfe organisieren und planen, um opti male Effekte zu erzielen.« »Sie bilden also zwei Gruppen, die gegen einander Krieg führen«, fragte Algonkin-Yat ta. »Nein!« wehrte der Maahk ab. »Das wäre doch unlogisch, denn damit würden wir un sere Kräfte selbst schwächen. Und selbstver ständlich kämpfen wir nur gegen Fremde.« »Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie Ihre Gegner aus?« bohrte der Kund schafter unermüdlich weiter, während die Holoprojektion wechselte und den Eindruck hervorrief, als befänden sich der Kundschaf ter und seine »Gäste« in einer bizarren, hell angestrahlten Unterwasserlandschaft. »Wir Maahks haben uns keine Gegner ausgewählt«, antwortete der Kommandant. Im selben Augenblick wurde ihm klar, daß er sich durch Ungeduld zur Preisgabe einer Information hatte verleiten lassen, die er nie mals hätte preisgeben dürfen. Er musterte Algonkin-Yattas Gesicht und konnte darin nichts erkennen, was verraten hätte, daß der Kundschafter die Information verstanden hatte. Schnell sprach der Maahk weiter, um dem Fremden keine Zeit zu ge ben, die Information nachträglich in ihrer Bedeutung zu erfassen. »Es wäre bestimmt sehr nützlich, wenn Sie uns die Koordinaten Ihrer Heimatwelt
Kundschafter im Kosmos geben würden, damit wir Ihr Volk einmal besuchen können, Algonkin-Yatta.« »In dieser Form ist das leider nicht mög lich«, erwiderte der Kundschafter. »Die Ko ordinaten befinden sich im Autopiloten, sind aber nicht abrufbar. Wenn ich zu meiner Heimatwelt zurückkehren will, gebe ich dem Autopiloten einen entsprechenden Befehl. Aber das ist natürlich kein Hindernis für einen Besuch. Sie brauchen mich nur in mei nem Schiff zu begleiten.« Der Kommandant stufte die Antwort als negativ ein, denn ihm war klar, daß der Kundschafter das Urptra-System nicht wie der verlassen durfte. Die Gefahr, daß er die Koordinaten an die Arkoniden verriet, war zu groß. Folglich würde ihn auch niemand zu seiner Heimatwelt begleiten können. Es gab nur die Möglichkeit, die Bedienung des Kundschafterschiffs zu erlernen, so daß man mit ihm – aber ohne den Kundschafter und seine seltsame Begleiterin – zu seiner Hei matwelt gelangte. Unwillkürlich sah der Maahk sich nach Anlytha um. Erst da wurde ihm klar, daß sie nicht mehr bei ihnen war. Er überlegte, ob das für ihn irgendeine Bedeutung hatte und kam zu dem Schluß, daß er die Abwesenheit Anlythas ignorieren durfte. Wie sehr er sich irrte, sollte er erst viel später erfahren.
* Anlytha wartete, bis Algonkin-Yatta mit den vier Maahks um eine Gangbiegung ver schwand, dann kehrte sie zur Steuerzentrale zurück. Als das Schott sich vor ihr öffnete, setzte sie einen Teil ihrer psionischen Fähigkeiten ein. Sie sah, daß der Fremde, der sich in der Zentrale aufhielt, herumfuhr und in ihre Richtung starrte. Da sie ihn psionisch beein flußte, sah er sie nicht in ihrer wirklichen Gestalt, sondern als einen großen hochbeini gen, buntgefiederten Vogel. Der Fremde griff nach der Waffe, die in einem Halfter an seinem Gürtel steckte.
27 Doch dann ließ er seine Hand wieder sinken. Offenbar stufte er den Riesenvogel als harm loses dressierter Tier ein. Anlytha näherte sich dem Fremden lang sam und blieb dicht vor ihm stehen. Sie war tete darauf, daß der Fremde den Kopf des Vogels zu streicheln versuchte. Aber sie würde enttäuscht. Zwar bemerkte sie, daß die Augen des Fremden auf sie gerichtet wa ren, aber er schien sie nur nüchtern zu be trachten und keinerlei Gefühle für den harm losen und zutraulichen »Vogel« aufzubrin gen. Sie ärgerte sich darüber, vergaß allerdings nicht, dem Fremden mit einer für ihn un sichtbaren Bewegung die flache Metallkap sel zu entwenden, die er an einer kurzen Kette auf der linken Brustseite trug. An schließend stellte sie sich neben ein Schalt pult und rührte sich nicht mehr. Sie hoffte, der Fremde würde allmählich das Interesse an ihr verlieren. Sobald er sie nicht mehr be obachtete, konnte sie ihm mit ihren psioni schen Kräften ein anderes Erscheinungsbild von sich vorgaukeln. Zu ihrem Verdruß war es gar nicht so ein fach, nicht von dem Fremden im Auge be halten zu werden, denn er konnte, wie Anly tha erst jetzt feststellte, mit seinen auf dem Sichelkopf verankerten Augen gleichzeitig nach vorn und nach hinten sehen. Doch sie bezähmte ihre Ungeduld – und endlich kam der Moment, in dem der Fremde sich so drehte, daß er sie optisch nicht erfaßte. Als er seinen Blick wieder auf sie richtete, sah er statt des Riesenvogels eine mobile Versorgungseinheit neben dem Schaltpult stehen. Er schloß die Augen und öffnete sie wie der. Aber das Bild der mobilen Versor gungseinheit blieb. Doch erneut ärgerte sich Anlytha, denn der Fremde reagierte nicht so, wie sie es erwartet hatte. Er zeigte überhaupt keine erkennbare Gefühlsregung, sondern ging auf die »Versorgungseinheit« zu, um zu untersuchen, was eigentlich gar nicht in der Zentrale sein durfte. Anlytha mußte sich beinahe anstrengen,
28 damit die tastenden Finger des Fremden ge nau das mit ihren Sensoren fühlten, was die Augen sahen. Natürlich fühlten sie es nicht tatsächlich, denn die Sensoren waren elek tronische Elemente, die in den Spitzen der Handschuhfinger installiert waren und dem zufolge unbestechlich. Anlytha mußte die von ihnen ans Gehirn übermittelten Ein drücke dort verfälschen, wo sie ankamen. Bei dieser Gelegenheit leerte sie die Au ßentaschen des Raumanzugs des Fremden. Viel war nicht darin, aber auch das Wenige würde die Sammlung bereichern. Nach einiger Zeit schien sich der Fremde davon überzeugt zu haben, daß er tatsächlich vor einer mobilen Versorgungseinheit stand. Er trat zurück und überlegte – und in dem winzigen Augenblick, in dem er nicht zu Anlytha sah, veränderte sie seine Wahrneh mung so, daß sie ihm als der Riesenvogel er scheinen mußte, den er schon vorher gese hen hatte. Diesmal entlockte die Reaktion des Frem den Anlytha ein triumphierendes Zwit schern, denn der Fremde blieb nicht länger sachlich. Er fuhr zurück, als wäre vor sei nem Gesicht eine Bombe materialisiert, dann riß er die Arme hoch und rannte aus der Zentrale. Zufrieden ließ Anlytha sich in einen Ses sel sinken und sagte: »Ich habe es also doch geschafft! Und ich fürchtete schon, dieser Kerl hätte so wenig Gefühle wie ein Roboter.« »Du wirst Kundschafter Algonkin-Yatta damit in Schwierigkeiten bringen«, sagte ei ne melodisch klingende Stimme. Anlytha stieß einen Schreckensschrei aus und fuhr hoch. »Wer hat da gesprochen?« »Die Psiotronik des Kundschafterschiffs«, antwortete die melodische Stimme. »Ich warne davor, weitere unbedachte Handlun gen zu begehen. Wahrscheinlich hast du die Wahrnehmung des Fremden psionisch be einflußt, und außerdem hast du ihn bestoh len. Er wird seinem Vorgesetzten Meldung darüber machen.«
H. G. Ewers Anlytha setzte sich wieder und winkte ab. »Soll er ruhig! Ich werde meine Fähigkei ten weiter einsetzen. Vielleicht fällt mir da bei ein, wer ich eigentlich bin und woher ich komme.«
6. Der Kommandant des Maahkraumschiffs zog seine Lähmwaffe, als der Soldat, den er in der Steuerzentrale zurückgelassen hatte, schreiend in die Wohnzelle stürzte. Algonkin-Yatta schaltete die Schwerkraft des Raumes wieder ein und stellte sie auf zwei Gravos, damit der hereinstürzende Maahk nicht geschoßgleich gegen die ge genüberliegende Wand prallte. Der Flug des Soldaten wurde jäh unterbrochen. Er stürzte zu Boden, und auch die anderen Maahks be endeten ihr schwereloses Schweben ziem lich abrupt. Dadurch kam der Kommandant nicht dazu, seine Lähmwaffe auf den Solda ten abzufeuern. Der Kundschafter ahnte, daß Anlytha den Maahk erschreckt haben mußte, wenn er auch nicht wußte, wie sie das angestellt hat te. Er war nicht sonderlich besorgt darüber, denn er fürchtete sich nicht vor den Maahks, obwohl er durch den Versprecher des Kom mandanten wußte, daß es sich um Maahks und damit um die Feinde der Arkoniden handelte. Der sterbende Scoopar hatte ihm ja von dem erbitterten Krieg zwischen Maahks und Arkoniden berichtet. Als der Kommandant sich aufgerappelt hatte und erneut seine Lähmwaffe auf den Soldaten richtete, streckte Algonkin-Yatta die Hand aus und sagte: »Das wird nicht nötig sein, denke ich, Grek 1. Dieser Mann ist offenbar nur er schrocken und wird sich wieder beruhigen.« »Aber er reagiert emotionell und damit unlogisch!« rief der Kommandant. »Ich soll te ihn lähmen und schnellstens einer PsychoKonditionierung unterziehen lassen.« »Das wäre sicher gut, aber eine Lähmung wäre unlogisch, weil der Mann sich schon wieder beruhigt hat«, entgegnete der Kund
Kundschafter im Kosmos schafter. Tatsächlich schien der Soldat durch sei nen Sprung in die Schwerelosigkeit der Wohnzelle und den anschließenden heftigen Sturz ernüchtert worden zu sein. Er schrie jedenfalls nicht mehr, sondern erhob sich und nahm Haltung an. »Mir ist mein Verstoß gegen das Gesetz der Logik bewußt, Grek 1«, sagte er zum Kommandanten. »Ich beantrage eine Psy cho-Konditionierung, denn ein Maahk darf auch dann nicht emotional reagieren, wenn er etwas erlebt, das offensichtlich gegen jede Logik verstößt.« Der Kommandant schob den Lähmstrah ler ins Gürtelhalfter zurück. »Ich beurteile es positiv, daß Sie Ihre Ver fehlung selber erkennen, Soldat«, erwiderte er. »Die Psycho-Konditionierung wird Ihnen helfen, Ihren Platz bald wieder vollwertig einzunehmen. Berichten Sie, was Sie erlebt haben!« »Ich hielt mich befehlsgemäß in der Steu erzentrale dieses Raumschiffs auf«, sagte der Soldat. »Plötzlich kam ein buntgefieder ter Riesenvogel herein. Er schien harmlos zu sein und bewegte sich wie ein Tier, das an den Umgang mit unterschiedlichen intelli genten Lebewesen gewöhnt ist. Da er sich unverdächtig benahm, ließ ich ihn für kurze Zeit aus den Augen, um die Kontrollen zu beobachten. Als ich mich ihm wieder zu wenden wollte, stand dort, wo ich ihn zuletzt gesehen hatte, eine mobile Versorgungsein heit.« »Das ist doch nicht unlogisch«, sagte der Kommandant. Er blickte kurz zu einem Meerungeheuer, das auf ihn zuschwamm, ignorierte es aber gleich wieder, da er wuß te, daß sie alle sich lediglich in der Holopro jektion einer Unterwasserlandschaft befan den und folglich alle Erscheinungen zur Pro jektion gehörten. »Sie sagten selbst, daß Sie das Tier aus den Augen gelassen hatten. Es wird die Zentrale in dieser Zeit verlassen ha ben, und zur gleichen Zeit kam die Versor gungseinheit herein.« »Ich wollte, ich könnte es annehmen«, er
29 widerte der Soldat. »Aber das war noch nicht alles. Selbstverständlich überprüfte ich, ob die Versorgungseinheit echt war. Sie war es, denn die Sensoren meiner Hand schuhe übermittelten mir die Konturwahr nehmung der Versorgungseinheit. Daraufhin überlegte ich, ob der Vogel in der kurzen Zeit, in der ich ihn nicht beobachtete, die Zentrale verlassen haben könnte – und ob gleichzeitig die Versorgungseinheit herein gekommen war. Ich versichere Ihnen Grek 1, daß ich wäh rend meiner Überlegungen die Versorgungs einheit nur ganz kurz aus den Augen ließ. Dennoch war sie danach verschwunden, und an ihrer Stelle stand wieder dieser unheimli che Vogel in der Zentrale.« Ein kaltes Glitzern trat in die Augen des Kommandanten. »Sie werden nicht mit einer PsychoKonditionierung davonkommen, Soldat!« sagte er. »Es ist ein schweres Vergehen, einen Vorgesetzten anzulügen, um eine Ver fehlung zu verschleiern. Ich verdächtige Sie, daß Sie die Geschichte mit dem Vogel und der Versorgungseinheit nur erfunden haben, um zu vertuschen, daß Sie Ihre Persönliche Datenkapsel verloren haben.« Der Soldat faßte sich an seine linke Brust seite, dann ließ er seine Hand langsam wie der sinken. »Der Vogel!« schrie er. »Der Vogel muß meine Datenkapsel gestohlen haben!« Plötz lich irrlichterte es in seinen Augen. Er streckte den Arm aus und deutete auf die lin ke Brustseite des Kommandanten. »Ihre Per sönliche Datenkapsel fehlt ebenfalls, Grek 1!« Wie der Soldat zuvor, faßte der Komman dant an seine linke Brustseite. Seine Hand tastete ergebnislos über die Außenbeschich tung des Raumanzugs. »Das begreife ich nicht«, sagte er dumpf. »Hier war doch weder ein Vogel noch eine Versorgungseinheit.« Aber ich begreife etwas! dachte Algon kin-Yatta belustigt. Anlytha besitzt offenbar Fähigkeiten, die sie bisher vor mir ver
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schwiegen hat. Die Sache mit den gestohle nen Datenkapseln ist der größte Spaß, den ich je erleben durfte. Ich frage mich nur, wie sie an die Datenkapsel des Kommandanten gekommen ist. »Gefällt es dir, Algonkin?« flüsterte es aus der Mundöffnung eines Kraken, der ne ben ihm »schwamm«, direkt in sein rechtes Ohr.
* Natürlich schöpfte der Kommandant des Maahkraumschiffs Verdacht, daß der Dieb stahl der beiden Persönlichen Datenkapseln von jemand oder etwas, das sich unbemerkt auf dem Kundschafterschiff aufhielt, began gen worden sein könnte. Er äußerte diesen Verdacht zwar nicht, führte aber die weitere Untersuchung des Schiffes so gründlich durch, daß sich eigent lich nichts oder niemand vor ihm und seinen Leuten verbergen konnte. Dennoch wurde nichts Verdächtiges entdeckt. Außer Anly tha und Algonkin-Yatta hielt sich offensicht lich niemand an Bord des Kundschafter schiffs auf, der für den Diebstahl in Frage kam. Dennoch entdeckten auch seine übrigen Begleiter nach und nach, daß ihre Datenkap seln verschwunden waren – und mit ihnen einige andere Gegenstände, die sie bei sich getragen hatten. Außerdem berichtete einer der Soldaten über eine Halluzination. Er hät te plötzlich in einem Korridor, der eben noch leer gewesen war, ein großes schwar zes Pelztier gesehen, das sich gleich darauf in Luft aufgelöst hatte. Unter diesen Umständen war der Kom mandant erleichtert, als das Kundschafter schiff endlich auf Chanetra landete und er zusammen mit Algonkin-Yatta und Anlytha aussteigen durfte. Er überlegte fieberhaft, wie er dem Grek 1 des Urptra-Systems den Verlust seiner eige nen Datenkapsel und der seiner vier Beglei ter erklären sollte, ohne der Lüge oder der Unlogik bezichtigt zu werden. Den Verlust
der übrigen Gegenstände gedachte er zu ver schleiern. Er hatte seinen Begleiter befohlen, darüber zu schweigen. Aber die Persönli chen Datenkapseln mußten in bestimmten Abständen überprüft und ergänzt werden. Spätestens beim nächsten Termin also muß ten sie den Verlust eingestehen. Die Tatsache, daß er selbst und seine vier Begleiter während der letzten Phase des Fluges nach Chanetra mehr als einmal emo tional reagiert hatten, kam ihm gar nicht so recht zu Bewußtsein. Im Grunde genommen waren er und seine Begleiter total demorali siert, aber dieser Zustand hatte sich bereits so gesteigert, daß sie bereit waren, ihr Fehl verhalten ins Unterbewußtsein zu verdrän gen. Eine Ordonnanz erwartete den Komman danten, als er mit den beiden »Gästen« das Kundschafterschiff verließ. Sie teilten ihm mit, daß er den Kundschafter und seine Be gleiterin beim Kommandobunker des Raum hafens von Chanetra abliefern sollte. Der Grek 1 des Urptra-Systems wollte die beiden persönlich verhören. Das war dem Kommandanten mehr als recht. Er wandte sich seinen Schützlingen zu, um ihnen mitzuteilen, daß ihnen die große Ehre zuteil werden sollte, vom Grek 1 des Urptra-Systems persönlich empfangen zu werden. Wie er sie einschätzte, waren sie zu naiv, um zu begreifen, daß sie keine Gä ste, sondern Gefangene waren. »Wir freuen uns selbstverständlich sehr darüber, daß der Mächtige des Urptra-Sy stems uns empfängt«, erwiderte Algonkin-Yat ta daraufhin. Er blickte zurück und stellte zufrieden fest, daß die Psiotronik wie immer reagierte, wenn er das Kundschafterschiff verließ. Sie verschloß die Schleuse und wür de dafür sorgen, daß während seiner Abwe senheit niemand das Schiff betreten konnte. Der Kommandant des Maahkraumschiffs bemerkte ebenfalls, daß sich die Schleuse hinter ihnen geschlossen hatte. Das gefiel ihm nicht, denn er wußte, daß das Kund schafterschiff von einem Spezialkommando untersucht werden sollte, während Algon
Kundschafter im Kosmos kin-Yatta und Anlytha verhört wurden. »Sie hätten Ihr Schiff nicht zu verschlie ßen brauchen, Algonkin-Yatta«, sagte er. »Es ist für uns ein Zeichen gegenseitigen Vertrauens, wenn Besucher die Schleusen ihrer Raumschiffe offenlassen.« »Selbstverständlich«, erwiderte AlgonkinYatta und ging zu dem Gleiter, der auf sie wartete. Der Kommandant blickte erneut zur Schleuse des Kundschafterschiffs und sah, daß sie immer noch geschlossen war. Ent setzt stellte er fest, daß er nahe daran war, die Nerven zu verlieren – und auch das Ent setzen darüber war ein Verstoß gegen das Gesetz der Logik, das keinen Platz für emo tionale Regungen hatte. Er wollte irgend etwas sagen, denn schließlich würde man ihn disziplinarisch bestrafen, wenn das Spezialkommando kei nen Zutritt zum Kundschafterschiff bekam. In diesem Augenblick fiel etwas klirrend vor seine Füße. Seine Augen weiteten sich, als er eine Datenkapsel erkannte. Hastig bückte er sich und hob die Kapsel auf. Tatsächlich, sie trug seine Kennummer. Es war seine eigene Datenkapsel! Verwirrt und voller Furcht, sie könnte wieder ver schwinden, steckte er sie in eine Außenta sche seines Raumanzugs, dann folgte er dem Kundschafter. Er hatte Angst, sie könnte ihm wieder gestohlen werden, wenn er et was tat oder sagte, was dem Kundschafter mißfiel, denn er ahnte plötzlich, daß dieses Lebewesen viel mächtiger war, als man bis her angenommen hatte. Und irgendwie empfand er eine gewisse sadistische Freude darüber, daß der Grek 1 des Urptra-Systems sich an diesem hartscha ligen Ei (wie man bei den Maahkvölkern in solchen Fällen zu sagen pflegte) vielleicht das Gebiß zerbrechen würde. Und als er diese Gefühlsregung erkannte, wußte er, daß er niemals wieder ein vollwer tiger Maahk sein konnte …
*
31 Algonkin-Yatta musterte Anlytha von der Seite, während sie von einem Trupp schwer bewaffneter Maahks in den Kommandobun ker des Raumhafens geführt wurden. Wenn er dieses zierlich, ja fast zerbrech lich wirkende Lebewesen so ansah, konnte er kaum glauben, daß es ihm gelungen war, die Moral des maahkschen Prisenkomman dos zu ruinieren und diese harten Kämpfer, die nur die Logik gelten ließen und Gefühle verachteten, zur Verzweiflung zu treiben. Allerdings fürchtete er, Anlytha könnte den Spaß zu weit treiben und als Urheberin seltsamer Ereignisse entlarvt werden. Der Kundschafter zweifelte nicht daran, daß die Maahks daraufhin sehr unfreundlich reagie ren würden. »Ich halte es für vorteilhaft, wenn du vor dem Grek 1 des Urptra-Systems die Harmlo se spielst, Anlytha!« raunte er ihr zu, nach dem er seinen Translator abgeschaltet hatte, damit die Maahks nicht verstanden, was er sagte. »Das habe ich auch schon überlegt«, gab Anlytha zurück. »Ich werde vor dem Herren dieses Sonnensystems so auftreten, daß er eventuellen Anschuldigungen des Prisen kommandos nicht glauben wird, Algonkin.« Die Maahks ihrer Eskorte drängten die beiden »Gäste« in einen Antigravlift. Nach dem sie elf Stockwerke tief geschwebt wa ren, verließen sie den Lift wieder und wur den in einen Raum geführt, der bis auf zwei Sessel leer war. Die Sessel waren etwas zu groß für sie, aber nicht groß genug für Maahks. Algonkin-Yatta sah, daß eine Wand des Raumes transparent war. Jenseits dieser Wand befand sich ein Raum gleicher Größe, in dem ein einzelner Sessel hinter einem kleinen Schaltpult stand. An den Schlieren und funkenartigen chemi schen Reaktionen im Innern dieses Raumes erkannte der Kundschafter, daß er mit einer für die Maahks atembaren Atmosphäre – Wasserstoff, Ammoniak und Methan unter hohem Druck und hohen Temperaturen ge füllt war.
32 »Setzen wir uns, Anlytha!« sagte er. »Unser Gastgeber wird wohl gleich dort drü ben erscheinen.« »Er wird uns aushorchen wollen, Algon kin«, erwiderte Anlytha. »Ich wollte nur, du könntest dich überwinden und ihn anlügen, wo es notwendig ist. Er wird bestimmt nicht ehrlich sein.« Algonkin-Yatta erwiderte nichts darauf. Er wußte, daß Anlytha recht hatte. Dennoch empfand er einen so starken Widerwillen da vor, wissentlich die Unwahrheit zu sagen, daß er nicht glaubte, lügen zu können. Als sich in der Rückwand des anderen Raumes ein Schott öffnete, wußte er, daß der Zeitpunkt der Entscheidung gekommen war. Er hatte den Kommandanten des Maah kraumschiffs weiter ausgehorcht und Fakten erhalten, die ihn nachdenklich stimmten. Drüben betrat ein Maahk den Raum. Er trug keinen Raumanzug, sondern nur eine offene Kombination. Seine Hautschuppen waren, soweit sie sichtbar waren, grau wie bei den anderen Maahks, die Algonkin-Yatta bisher gesehen hatte. Aber ein Teil von ih nen besaß einen silbrigen Schimmer, und auf dem halbmondförmigen Kopf gab es Stellen, an denen die Schuppen fehlten. Der Kundschafter hielt das für Anzeichen hohen Alters. Der Maahk setzte sich in den Sessel und drückte auf einige Tasten seines Schaltpults. In der Trennwand leuchtete einige grüne Punkte auf – und im nächsten Augenblick konnte Algonkin-Yatta den Maahk hören und verstehen, obwohl er seinen Translator noch nicht aktiviert hatte. »Willkommen im Urptra-System!« sagte der Maahk. »Ich bin der Grek 1 dieses Sy stems. Sie sind Algonkin-Yatta und Anlytha. Gehören Sie einem Volk an?« Anlytha gab etwas von sich, das sich wie Nachtigallengesang anhörte. Die grünschillernden vier Doppelaugen des Maahks richteten sich auf Anlytha. »Der Translator übersetzt Ihre Worte nicht«, sagte Grek 1. »Um welche Sprache handelt es sich?«
H. G. Ewers Anlytha unterbrach ihren »Gesang«. »Ich weiß es nicht, du herziger Giftgasat mer«, sagte sie mit heller Stimme. »Aber es ist eine wundervolle Sprache, nicht wahr?« »Diesmal habe ich die Worte Ihrer Be gleiterin verstanden, Algonkin-Yatta«, erwi derte der Maahk. »Aber ich begreife sie nicht.« »Ich begreife oft selbst nicht, was Anlytha sagt«, meinte der Kundschafter. »Sagen Sie, dieser Mond, den Sie Chanetra nennen, hat eine für Sie giftige Sauerstoffatmosphäre, nicht wahr?« »Das werden Sie bereits bemerkt haben«, sagte der Maahk. »Was tun Sie dann hier, wenn Sie auf dem Riesenplaneten Ihre natürlichen Um weltbedingungen nicht vorfinden?« forschte Algonkin-Yatta weiter. »Wir unterhalten hier ein Lager für Sauer stoffatmer, die unsere Kriegsgefangenen sind«, erklärte Grek 1. »Arkoniden, nicht wahr?« fragte Algon kin-Yatta. »Ja«, gab der Maahk zu. »Aber Sie brau chen sich nicht daran zu stören. Ihr Freund Atlan hätte nichts zu befürch ten, wenn er hierher käme. Wir würden so gar bereit sein, mit ihm zu verhandeln.« Anlytha stand auf und hüpfte zwitschernd umher. Dabei näherte sie sich dem Kund schafter soweit, daß sie ihm ins Ohr flüstern konnte: »Er lügt bestimmt. Ich versuche, ihn dazu zu bringen, daß er mich zu den gefangenen Arkoniden schickt. Von ihnen erfahre ich wahrscheinlich, was wirklich gespielt wird.« Sie hüpfte und tanzte weiter umher, dann blieb sie plötzlich auf einem Bein stehen und gab herzzerreißende Klagelaute von sich. »Was ist mit Ihrer Begleiterin los, Algon kin-Yatta?« fragte Grek 1 befremdet. »Sie hatte einen schweren Unfall im Raum. Dabei wurde sie offensichtlich am Kopf verletzt. Ich barg sie aus einem hava rierten Schiff, aber sie hat ihr Gedächtnis verloren und weiß nur ihren Namen.«
Kundschafter im Kosmos »Ihre Anwesenheit wirkt sich störend auf unsere Kommunikation aus«, erklärte der Maahk. »Mit Ihrer Einwilligung werde ich dafür sorgen, daß Anlytha anderweitig un tergebracht wird.« »Warum stecken Sie sie nicht zu den Ge fangenen?« erwiderte der Kundschafter. »Das ist ein guter, logischer Gedanke«, sagte der Maahk. Er schaltete an einem Armbandgerät und sagte einige Befehle, dann erklärte er: »Anlytha wird sofort abge holt, Algonkin-Yatta.« Kurz darauf öffnete sich das Schott hinter dem Rücken des Kundschafters. Zwei maahksche Raumsoldaten kamen herein, packten Anlytha bei den Armen und führten sie hinaus. Vorher aber flüsterte sie dem Kundschaf ter noch zu: »Du irrst dich, wenn du denkst, du könn test mich für immer loswerden, du Scheu sal!«
7. Nachdem Anlytha fortgebracht worden war, versuchte Grek 1, Informationen über das Volk des Kundschafters zu erhalten. Al gonkin-Yatta wollte ihm nicht zuviel verra ten, aber da er außerstande war, zu lügen und auch nicht ständig ausweichende Ant worten geben konnte, entwickelte er in sei ner Not immer bessere Methoden, das Fra ge- und Antwortspiel umzukehren. Das Ergebnis davon war schließlich, daß der Maahk von ihm so gut wie nichts erfuhr – jedenfalls nichts, womit er etwas anfangen konnte –, während er ziemlich genau über die Verhältnisse im Urptra-System infor miert war. Zu seinem Leidwesen wußte Grek 1 aber offenkundig wirklich nichts über Atlans derzeitigen Aufenthaltsort, so daß Algonkin-Yatta darüber nachdachte, ob er das Urptra-System nicht wieder verlassen sollte. Selbstverständlich hatte er niemals vorge habt, Anlytha zurückzulassen. Deshalb brachte er das Gespräch auf das Gefange
33 nenlager, um zu erfahren, wie er Anlytha dort herausholen konnte. Dabei erfuhr er, daß in regelmäßigen Abständen kampffähige Arkoniden bewaffnet und in einem Manö vergelände ausgesetzt wurden, wo sie von maahkschen Raumkadetten gejagt, zum Kampf gestellt und getötet wurden. Ein sol ches Manöver sollte noch im Laufe eines maahkschen Tages veranstaltet werden. Als Algonkin-Yatta das hörte, vergaß er seine Suche nach Atlan. Sein Beschützerin stinkt erwachte, und er nahm sich vor, alles zu tun, um die Gefangenen vor ihrem schrecklichen Schicksal zu bewahren. Aller dings war ihm klar, daß es ihm gar nichts nützen würde, das heutige Manöver zu ver hindern. Er mußte die Gefangenen befreien und in Sicherheit bringen. Der Kundschafter war nicht so leichtfer tig, zu glauben, er könnte das ohne weiteres schaffen. Das Gefangenenlager wurde zwei fellos von einem starken Aufgebot maahkscher Raumsoldaten bewacht. Außer dem verfügten die Maahks innerhalb des Urptra-Systems sicher über zahlreiche Raumschiffe, mit denen sie Verstärkung nach Chanetra bringen konnten, wenn die Befreiung nicht blitzschnell und überra schend gelang. Dazu kam, daß Algonkin-Yatta, wie alle Mathoner, sehr friedliebend und sensibel war. Deshalb scheute er vor einer gewaltsa men Aktion zurück, bei der möglicherweise viele Maahks und Arkoniden umkommen würden. Er entschloß sich, zu einer List zu greifen. Dazu mußte er aber ins Lager gelan gen – und er nahm nicht an, daß Grek 1 ihm einen Besuch des Gefangenenlagers erlaub te. Es gab also nur eine Möglichkeit, ins La ger zu kommen: als Gefangener. Er blickte den Maahk an, der immer noch in den Raum hinter der transparenten Wand saß. »Ich habe eine Menge durch Sie erfahren, Grek 1«, sagte er. »Und ich habe darüber nachgedacht und ich bin zu dem Schluß ge kommen, daß Sie keinesfalls mit Atlan ver
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handeln würden, wenn Sie ihm begegneten. Sie würden wahrscheinlich versuchen, ihn zu töten.« * Er stand auf. »Ich möchte deshalb Ihre Gastfreund schaft nicht länger beanspruchen. Meine Aufgabe ist es, Atlan zu finden und ihn da vor zu warnen, jemals allein ins Urptra-Sy stem zu fliegen. Sie gestatten, daß ich mich von Ihnen verabschiede, Grek 1.« Der Maahk blieb sitzen, während er erwi derte: »Es wäre unklug und unlogisch, Sie ge hen zu lassen, Algonkin-Yatta. Ersten muß das Urptra-System als Ausbildungszentrum unserer Raumkadetten vor den Feinden der Maahkvölker geheimgehalten werden, und zweitens stufe ich Sie als Atlans Freund und damit unseren Gegner ein. Betrachten Sie sich als Gefangenen! Die Behandlung wird erträglich sein, und Sie werden auch noch nicht gleich ins Manöver geschickt werden – es sei denn, Sie wünschen es ausdrücklich.« Algonkin-Yatta überlegte, daß die Maahks eine sehr große Überraschung erle ben würden, setzten sie ihn als ihren Manö vergegner ein. Doch er hatte nicht vor, den Maahks seinen Kampf wert zu verraten. »Ich bin als friedlicher Besucher gekom men und als Gast aufgenommen worden«, erklärte er. »Deshalb verstößt Ihr Verhalten gegen die guten Sitten, Grek 1.« »Die Logik steht hoch über allen soge nannten guten Sitten«, entgegnete der Maahk. Er rief einige Befehle in sein Armbandge rät. Kurz darauf erschienen, wie zuvor bei Anlytha, zwei maahksche Raumsoldaten und führten den Kundschafter ab.
* Anlytha gab sich geistesabwesend, wäh rend sie in einem offenen Gleiter vor dem Haupttor des Gefangenenlagers abgesetzt wurde. In Wirklichkeit beobachtete sie auf merksam die Umgebung. Ihren Augen ent ging nichts. Die beiden maahkschen Raumsoldaten,
die sie aus dem Kommandobunker geholt hatten, hoben sie mühelos aus dem Gleiter und trugen sie gleich weiter bis zur Anmel dung. Das Anmeldebüro erwies sich als ein schmuckloses Betongebäude, das nur einen einzigen Raum besaß. Quer durch den Raum ging eine Barriere, hinter der ein Mann vor einem Schreibtisch saß. An der Wand dahin ter stand ein veralteter Computer, der wahr scheinlich der Registrierung der Gefangenen diente. Der Mann vor dem Schreibtisch war zirka 1,90 Meter groß, schlank und hatte schulter langes silberweißes Haar. Er trug eine Bord kombination ohne Rangabzeichen. Seine rötlichen Augen richteten sich auf Anlytha, dann weiteten sie sich. Einer der beiden maahkschen Raumsolda ten schaltete seinen Translator ein und sagte etwas, das Anlytha nicht verstand. Der Mann vor dem Schreibtisch antwortete, aber die Übersetzung des Translators war auch diesmal unverständlich für Anlytha. Als er sich an sie wandte und etwas sagte, machte sie ihm durch Gesten klar, daß der Translator seine Worte nicht in eine für sie verständliche Sprache übersetzte. Daraufhin diskutierte der Mann eine Weile geduldig mit den beiden Maahks. Das Ergebnis war, daß einer der Maahks sich über Funk mit seinem Vorgesetzten un terhielt. Danach sagte er abermals etwas zu dem Mann vor dem Schreibtisch. Anlytha sah, wie dieser Mann, wahrscheinlich ein ar konidischer Kriegsgefangener, zu dem Com puter ging und ihn durch eine Schaltung mit dem Funkgerät verband. Offenbar enthielt der Computer auf diese Weise die Informati on über die Sprache des Kundschafters und seiner Begleiterin, denn nachdem der Gefan gene auch den Translator des Maahks an den Computer angeschlossen hatte, war das Ge rät in der Lage, mit dem von Anlytha ge sprochenen Mathona zu arbeiten. Der Arkonide setzte sich wieder vor sei nen Schreibtisch, nahm eine Magnetfolie und einen Laserschreibstift und sagte zu An
Kundschafter im Kosmos lytha: »Mein Name ist Gotar von Andech. Ich war Verwaltungsoffizier auf dem Schlacht schiff MURNAAR des Großen Imperiums und werde deshalb von unseren Feinden zur Registrierung aller Neuaufnahmen und Ab gänge von Gefangenen eingesetzt. Ich muß Ihnen einige Frage stellen und weise Sie darauf hin, daß die Maahks ungemütlich werden, wenn Sie die Aussage verweigern sollten.« Anlytha zwitscherte belustigt und entwen dete dem links neben ihr stehenden Maahk eine Mikrobombe, die dieser in einer Gürtel tasche trug. Sie tat es so, daß Gotar von An dech es sehen konnte. Der Akonide starrte sie fassungslos an; seine Augen füllten sich mit wäßrigem Sekret. »Frage nur, Gotar!« forderte sie den Ge fangenen auf. »Ich bin nur eine arme Irre und weiß nicht viel mehr als meinen Namen: Anlytha.« Gotar von Andech schluckte ein paarmal krampfhaft und blickte von einem Maahk zum anderen. Erst, als ihm klar wurde, daß keiner der Wasserstoffatmer den Diebstahl bemerkt hatte, erlangte er seine Fassung zu rück. Er räusperte sich und sagte: »Sie heißen also Anlytha.« Er schrieb den Namen nieder. »Wie heißt Ihr Heimatpla net? Sie sind ja gewiß keine Arkonidin, oder?« »Was weiß ich!« meinte Anlytha. »Ich habe noch keine Arkonidin gesehen. Viel leicht heißt mein Heimatplanet Arkon oder Pancert oder sonstwie. Ich kann es nicht sa gen, denn ich habe bei der Havarie meines Raumschiffs etwas auf den Kopf gekriegt. Vielleicht war es auch gar nicht mein Raum schiff, denn ich habe alles vergessen, was sich vor dem Erwachen aus meiner Bewußt losigkeit abgespielt hat.« Der Arkonide spielte nervös mit seinem Laserschreibstift. »Ich respektiere selbstverständlich Ihre Verschwiegenheit, Anlytha, aber ich fürchte, die Maahks werden Ihnen Ihre Geschichte
35 nicht glauben.« »Wir sind darüber informiert, daß Anlytha einen schweren Unfall hatte und als Folge davon nicht zurechnungsfähig ist«, warf ei ner der Maahks ein. Er merkte nicht, daß Anlytha ihm seine Persönliche Datenkapsel stahl. »Ausgezeichnet!« sagte Gotar von An dech. »Können Sie mir sagen, wie die Spra che heißt, die Sie sprechen?« »Es nennt sich das Mathona, aber es ist nicht meine Sprache, sondern die meines Retters. Ich habe sie gelernt.« Der Arkonide notierte wieder etwas, dann sagte er: »Da weitere Angaben von Ihnen wohl nicht zu bekommen sind, ist die Registrie rung damit beendet. Versuchen Sie, Kontakt mit Assylia von Brogaaze aufzunehmen, so bald Sie im Lager sind. Sie kann Ihnen Me dikamente beschaffen, falls Sie welche be nötigen, Anlytha.« »Ich danke dir, Gotar«, erwiderte Anly tha. »Wenn du einmal Hilfe brauchst, dann wende dich an mich.« Der Gefangene blickte sie zweifelnd an. Er wußte nicht, was er von ihr halten sollte. Anlytha wollte noch etwas sagen, kam aber nicht mehr dazu, denn im Hintergrund des Büros öffnete sich eine Tür. Zwei maahksche Raumsoldaten traten ein und be deuteten Anlytha durch Gesten, zu ihnen zu kommen. Sie nutzte die Gelegenheit und brachte den Translator an sich, während sie zwit schernd durch den Raum hüpfte. Als sie mit den beiden Maahks, die offenbar zur Bewa chungsmannschaft des Lagers gehörten, das Büro verließ, warf sie einen Blick zurück und sah, daß die anderen beiden Maahks auf dem Boden herumkrochen und den Transla tor suchten.
* Das Lager bestand aus einem Komplex von primitiven einstöckigen Baracken, die aus Fertigbauteilen zusammengesetzt waren.
36 Der Raum zwischen den Baracken war sau ber geharkt und wurde von schmalen Wegen aus Steinplatten durchzogen. Die beiden Maahks geleiteten Anlytha zu einer der Baracken und bedeuteten ihr, hin einzugehen. Danach wandten sie sich um und gingen zum Haupttor zurück. Anlytha musterte den flimmernden Ener giezaun, der das Lager umgab. Drei Stahl türme ragten außerhalb des Energiezauns empor. Sie wurden von Druckkuppeln mit transparenten Wänden gekrönt. In ihnen sah Anlytha einige Maahks. Da sie keine Druck helme trugen, herrschte in den Kuppeln wahrscheinlich eine für sie atembare Atmo sphäre. Die spiraligen Läufe schwerer Strahlwaffen drohten von den Kuppeln ins Lager. Anlytha legte den Kopf in den Nacken und blickte zu dem Riesenplaneten hinauf, der um diese Zeit über dem Zenit von Cha netra hing. Sie fragte sich, wie Algonkin-Yat ta aus dem System entkommen wollte, denn auf Xymoch standen sicher zahlreiche Raumschiffe, die im Fall einer Flucht im Alarmstart aufsteigen und das Kundschafter schiff abschießen würden. Plötzlich zuckte sie zusammen. Vom Raumhafen her erscholl ein dumpfes Dröh nen. Wenig später stieg ein schwarzes Wal zenraumschiff auf. Es konnte sich nur um das Fahrzeug handeln, das ihr Schiff nach Chanetra geschleppt hatte, denn ein anderes Raumschiff hatte nicht auf dem Hafen ge standen. Als jemand etwas sagte, drehte Anlytha sich um. In der Tür der Baracke stand eine Frau. Sie war genauso gekleidet wie Gotar von Andech. Ihre Augen wirkten müde und melancholisch. Anlytha zog den erbeuteten Translator aus einer der vielen Taschen, die an ihrem schwarzen Gürtel befestigt waren, und schaltete ihn ein. »Ich heiße Anlytha«, sagte sie. Die andere Frau blickte verwirrt auf den Translator. »Ich bin Assylia von Brogaaza«, erwider-
H. G. Ewers te sie. »Haben die Maahks dir einen Transla tor gelassen?« Anlytha lächelte verschmitzt. »Das haben sie, aber nicht freiwillig. Sie suchen wahrscheinlich immer noch in der Anmeldung nach dem Gerät.« Sie zwitscher te vergnügt. »Gotar sagte mir, ich könnte mich an dich wenden, Assylia.« »Komm herein!« sagte Assylia. Anlytha folgte ihr in die Baracke. Im In nern befanden sich zwei Reihen doppel stöckiger Betten an den Längswänden, und zwischen ihnen stand ein kahler Plastiktisch mit ebenso kahlen Plastikbänken. Ungefähr vierzig Frauen saßen teils auf den Betten, teils auf den Bänken. Sie waren unterschied lichen Alters und wirkten abgemagert und verhärmt. »Das ist Anlytha!« rief Assylia von Bro gaaza. »Sie wurde eben eingeliefert und hat es fertiggebracht, den Maahks einen Trans lator zu stehlen.« Einige Frauen lachten, die meisten aber blickten Anlytha nur teilnahmslos an. Eine ältere Frau mit wirrem Haar erhob sich von ihrem Platz, trat drohend auf Anly tha zu und sagte: »Vielleicht bist du eine Spionin, die für die Maahks unsere Gespräche belauschen soll. Eine Arkonidin bist du jedenfalls nicht. Wie kommst du hierher?« »Durch das Haupttor«, antwortete Anly tha. Als die ältere Frau wütend auf sie ein drang, wich sie zurück und setzte ihre psio nische Kraft ein, so daß die Frauen sie plötz lich als Drachen sahen, dessen Schweif den Boden peitschte und aus dessen Rachen Flammen züngelten. Aufschreiend fuhr die ältere Frau zurück, und auch die anderen Frauen schrien er schrocken. Anlytha ließ sich wieder in ihrer richtige Gestalt sehen und erklärte: »Ich bin keine Spionin, sondern will euch helfen, aus eurem Lager zu fliehen. Außer meinem Namen weiß ich nichts über meine Herkunft. Der Kundschafter Algonkin-Yatta
Kundschafter im Kosmos fand mich in einem havarierten Raumschiff und rettete mich. Ich muß bei dem Unfall mein Gedächtnis verloren haben.« »Wer ist dieser Algonkin-Yatta?« erkun digte sich Assylia von Brogaaza. »Ich sagte es schon, ein Kundschafter. Er fliegt mit seinem Schiff einen bestimmten Kurs. Ich bin noch nicht lange bei ihm. Je denfalls gerieten wir auf den Planeten Per pandron und erfuhren dort von einem ster benden Arkoniden etwas über Kristallprinz Atlan. Algonkin-Yatta war so fasziniert von Atlan, daß er beschloß, ihn zu suchen und mit ihm zu sprechen.« »Und ihr habt Atlan ausgerechnet im Urp tra-System gesucht?« fragte Assylia ungläu big. »Wahrscheinlich erhielten wir die falschen Koordinaten«, antwortete Anlytha. »Atlan!« rief eine junge Frau vom ande ren Ende der Baracke. »Im ganzen Imperi um spricht man von seinen Taten und davon, daß er Orbanaschol stürzen und die Macht übernehmen will. Wenn er sein Ziel erreicht, wird er die Maahks vernichten. Aber für uns wird es dann zu spät sein.« »Warum?« fragte Anlytha. »Hier seid ihr doch sicher.« »Wir sind vorläufig sicher«, erklärte As sylia von Brogaaze. »Aber es gibt nicht mehr viele kampffähige Männer im Lager, und immer wieder werden welche von ihnen abgeholt. Wir haben erfahren, daß sie in ei nem Manövergelände ausgesetzt werden und dort gegen Maahks kämpfen müssen, die sich in der Ausbildung befinden. Bisher ist noch keiner zurückgekehrt. Wenn alle kampffähigen Männer tot sind, werden die Maahks wahrscheinlich uns Frauen für ihre Manöver verwenden.« »Und unsere Kinder werden allein übrig bleiben, wenn sie nicht auch von den Maahks getötet werden«, sagte die junge Frau. »Wo sind eure Kinder?« erkundigte sich Anlytha. »In einer anderen Baracke«, antwortete die Frau. »Wir dürfen sie nur einmal täglich
37 sehen. Ansonsten werden sie von Dienstro botern betreut, die die Maahks erbeutet ha ben.« »Das ist alles sehr schlimm«, sagte Anly tha. »Aber ich verspreche euch, daß ich alles tun werde, um euch aus dieser Lage zu be freien.« »Wie willst du das anfangen?« fragte As sylia. »Das Lager ist von einem Energiezaun umgeben und wird außerdem scharf be wacht. Niemand von uns kann es verlassen, wenn die Maahks es nicht wollen – und sie wollen es nur, wenn sie neue Opfer für ihre Manöver brauchen.« Anlytha gab ein helles Zwitschern von sich und sagte: »Ich habe das Prisenkommando auf dem Kundschafterschiff demoralisiert und einen Translator unter den Augen zweier Maahks gestohlen. Ich werde auch mit den Wach mannschaften fertig werden. Wenn ich nur wüßte, wie ich Verbindung mit Algonkin-Yat ta aufnehmen kann!«
* Algonkin-Yatta hatte erst gar keine Waf fen aus seinem Schiff mitgenommen. Des halb konnten die Maahks ihm auch keine Waffen abnehmen. Sie durchsuchten ihn al lerdings, bevor sie ihn zum Gefangenenlager brachten, aber sie fanden nichts von der in seiner Kleidung und an seinem Körper ver borgenen geheimen Kundschafterausrü stung. Algonkin-Yatta dankte im stillen MYO TEX, das so vortrefflich für die Ausrüstung der Kosmischen Kundschafter sorgte. Vor allem war er froh darüber, daß sich ein mi niaturisiertes Duplikat seines Komman doarmbands, das die Maahks ihm natürlich abgenommen hatten, oberhalb seiner Hir nanhangdrüse befand. MYOTEX rüstete alle Kundschafter damit aus und ließ sie ein har tes Training absolvieren, das sie befähigte, das Gerät optimal einzusetzen. Während Gotar von Andech seine Perso nalien aufnahm, setzte sich der Kundschafter
38 über das Kommandogerät mit der Psiotronik seines Schiffes in Verbindung. Ist das Schiff noch unversehrt? fragte er. Das Schiff ist unversehrt! vernahm er die Antwort der Psiotronik, die als psionischer Impuls ausgesandt und von dem Komman dogerät an sein Großhirn weitergeleitet wur de. Die Maahks versuchten, gewaltsam in die Schleuse einzudringen, gaben aber den Versuch auf, als sie merkten, daß sie dem Material nichts anhaben konnten. Gut! dachte der Kundschafter. Halte dich für die Aufnahme der Arkoniden bereit, die sich im Gefangenenlager befinden und be reite alles für einen Notstart vor! Die erste Anweisung ist undurchführbar! kam die Antwort. Ich habe die Zellschwin gungstaster eingesetzt und ermittelt, daß sich im Lager zweitausendvierhundertacht Lebewesen aufhalten. Es ist nicht möglich, eine so große Anzahl von Lebewesen im Kundschafterschiff unterzubringen. Algonkin-Yatta dachte eine Verwün schung, woraufhin die Psiotronik verwirrt wisperte. Er wußte, daß die Psiotronik recht hatte. Im Kundschafterschiff ließen sich höchstens zweihundert zusätzliche Personen unterbringen, und auch das nur, wenn vorher sämtliche Frachträume geleert wurden. Das Problem war also nur zu lösen, wenn er ein zweites Raumschiff beschaffte – und das mußte logischerweise ein Walzenschiff der Maahks sein. Aber das einzige Maahkraumschiff, das sich auf Chanetra befunden hatte, war vor kurzem wieder gestartet. Algonkin-Yatta wurde aus seinen Überle gungen gerissen, als eine Gruppe maahkscher Raumsoldaten polternd ins An meldebüro eindrang. Ihr Anführer stieß den Kundschafter grob beiseite – und Algonkin-Yat ta war klug genug, keinen Widerstand zu lei sten. Statt dessen tat er so, als hätte ihn der Stoß aus dem Gleichgewicht gebracht. Er ließ sich fallen. Sein Translator, den die Maahks ihm ge lassen hatten, übersetzte, was der Anführer zu Gotar von Andech sagte.
H. G. Ewers »Wir brauchen heute noch zweihundert kampffähige Gefangene – männlichen Ge schlechts! Suche die Leute sofort mit dei nem Computer heraus, Andech!« Gotar von Andech wurde bleich. »Ihr wißt, daß das, was ihr vorhabt, Mord ist!« stieß er erregt hervor. »Unsere Männer erhalten eine viel schwächere Bewaffnung als eure Raumkadetten und dürfen nicht ein mal Schutzschirmprojektoren tragen. Sie sind zum Tode verurteilt, wenn sie das La ger verlassen.« »Es wäre unlogisch, ihnen gleichwertige Waffen zu geben«, erwiderte der Maahk ru hig. »Unsere angehenden Raumsoldaten sol len nicht dezimiert, sondern ausgebildet werden. Es genügt, wenn einige von ihnen sterben. Für deine Leute aber sollte es eine Ehre sein, im Kampf sterben zu dürfen.« »So fassen sie es tatsächlich auf!« erklärte Gotar von Andech grimmig. »Keiner von ih nen fürchtet sich. Dennoch ist es Mord.« Der Anführer richtete einen Thermostrah ler auf den Gefangenen. »Ich habe dir einen Befehl erteilt, An dech. Entweder führst du ihn sofort aus, oder du wirst wegen Widerstand erschos sen!« Gotar von Andech blickte den Maahk stolz an. »Lieber will ich sterben, als der Gehilfe von Mördern zu sein!« »Halt!« rief Algonkin-Yatta, der sich wie der aufgerichtet hatte. »Nicht schießen! Ich kann den Computer ebensogut bedienen wie Gotar von Andech und werde die zweihun dert Gefangenen heraussuchen.« »Verräter!« zischte der Arkonide. Der Anführer der Maahks drehte sich langsam nach dem Kundschafter um. »Wer bist du? Du bist kein Arkonide!« »Ich bin ein Mathoner und ein Freund At lans«, erklärte Algonkin-Yatta. »Wenn ich wüßte, daß Widerstand sinnvoll wäre, würde ich ebenfalls Widerstand leisten. Unter den gegebenen Umständen aber wäre das unlo gisch.« »Ein Freund Atlans?« erwiderte der
Kundschafter im Kosmos Maahk nachdenklich. »Nun, da du trotzdem den Gesetzen der Logik gehorchst, bin ich bereit, deine Unterstützung anzunehmen und dafür Andechs Leben zu schonen. Fange so fort an, denn das Manöver soll noch heute stattfinden!« Der Kundschafter nickte und ging um die Barriere herum. Als er bei Gotar von An dechs war, flüsterte er ihm zu: »Helfen Sie mir! Ich brauche ausschließ lich erfahrene Kämpfer, die bereit sind, alles zu riskieren!« In die Augen des Arkoniden trat der Schimmer des Verstehens und der Hoff nung. Er folgte Algonkin-Yatta zum Com puter.
8. Als die Maahks die vom Computer ausge druckte Liste der zweihundert Gefangenen erhalten hatten, begaben sie sich zur benach barten Hauptwache, um die zum Sterben Auserwählten über die Lautsprecher des La gers aufzurufen. Gotar von Andech blickte den Kundschaf ter ernst an. »Ich hoffe, Sie wissen, was Sie wollen, Algonkin-Yatta. Die Männer, die ich ausge sucht habe, wurden bisher durch einen Trick zurückgehalten. Sie sollten für den Fall be wahrt bleiben, daß sich eine günstige Gele genheit zur Flucht ergibt.« »Die günstige Gelegenheit ist da!« ver kündete Algonkin-Yatta. »Bisher sehe ich nur Sie«, erwiderte der Arkonide. Der Kundschafter nickte. »Das ist richtig, denn ich bin die günstige Gelegenheit.« Gotar von Andech seufzte. »Große Worte von einem kleinen Mann! Aber Sie sind kein Arkonide, sondern, wie Sie selbst sagten, ein Mathoner. Wir sind bisher nicht auf Ihr Volk gestoßen. Warum sollte es uns helfen, aus der maahkschen Ge fangenschaft zu entfliehen?« »Sie verstehen mich nicht«, sagte Algon
39 kin-Yatta geduldig. »Nicht mein Volk wird Ihnen helfen, sondern ich.« Der Arkonide blickte den Kundschafter erschrocken an. »Wartet denn kein kampfkräftiger Flot tenverband Ihres Volkes außerhalb des Urp tra-Systems auf Ihr Signal? Die Götter Ar kons sollen mich dafür strafen, daß ich auf Ihre Prahlereien hereingefallen bin.« »Ich prahle niemals!« erklärte Algonkin-Yat ta ernst. »Um von Chanetra zu fliehen, brau chen wir lediglich ein Raumschiff, das alle Gefangenen aufnimmt. Dieses Raumschiff liefern uns die Maahks selbst, denn, wie ich vom Grek 1 des Urptra-Systems erfuhr, kommt heute eine Tausendschaft Raumka detten von Xymoch herüber. Ich brauche nur die Wasserstoffatmosphäre dieses Schiffes gegen eine Sauerstoffatmosphäre auszutau schen.« Gotar von Andech sank auf seinen Stuhl, ließ die Schultern vornüber sinken und schlug die Hände vors Gesicht. »Es ist meine Schuld!« stammelte er. »Ich hätte Ihnen nicht vertrauen dürfen. Was nützt es uns, daß ein Raumschiff der Maahks nach Chanetra kommt, wenn wir das Lager nicht verlassen können. Es wird unerreich bar für uns sein. Mein Geist muß in der Ge fangenschaft gelitten haben, daß ich blind lings einem Narren vertraute.« Unvermittelt sprang er hoch und griff den Kundschafter an. Aber alle seine Schläge und Griffe prallten von Algonkin-Yatta ab, als wäre er aus Granit. Verblüfft stellte der Arkonide seinen An griff ein und wich zurück. »Das waren tödliche Dagorschläge und griffe!« keuchte er und betrachtete seine kraftlos herabhängenden Hände. »Ich glau be, ich habe sie mir gebrochen oder ver staucht. Was sind Sie für ein Lebewesen?« »Kein besonderes«, antwortete Algonkin-Yat ta. »Ich bin lediglich an eine Extremwelt teilangepaßt.« »Vielleicht gelingt Ihr Plan doch!« sagte der Arkonide. Er ging auf die Tür zu, die ins Lager führ
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te. Die beiden Maahks, die dort Wache hiel ten, ließen ihn passieren, denn sie wußten ja, daß er ein Gefangener war. Hätten sie ge ahnt, welche Gedanken in Algonkin-Yattas Gehirn umgingen, wären sie bestimmt ver sucht gewesen, ihn aufzuhalten – was ihnen allerdings nicht gelungen wäre.
* »Du bist also Algonkin-Yatta!« sagte die Arkonidin Assylia von Borgaaze und mu sterte den Kundschafter. Neben ihr stand Anlytha und lächelte Algonkin-Yatta erfreut an. »Anlytha hat mir schon von dir erzählt und gesagt, daß sie deine Hilfe braucht, um uns aus der Gefangenschaft zu befreien.« Ein Schatten flog über ihr Gesicht. »Aber für zweihundert Männer wird es dann zu spät sein. Die Maahks heben neue Opfer für eines ihrer sogenannten Realma növer aus – und ich habe festgestellt, daß es diesmal ausgerechnet die Kämpfer getroffen hat, die für einen eventuellen Befreiungsver such zurückgehalten werden sollten.« »Das geschah auf meine Veranlassung hin«, erklärte der Kundschafter. »Ich brau che diese zweihundert Kämpfer, um die Wachmannschaften auszuschalten, damit sie nicht ins Lager schießen können. Gleich nachher werde ich mit Khoruna Skapron sprechen.« »Woher kennst du den Namen des Zwei fachen Sonnenträgers?« fragte Assylia von Brogaaze. Algonkin-Yatta lächelte. »Gotar von Andech hat ihn mir genannt. Er sagte, auf ihn würden die Männer hören.« »Unbedingt«, erwiderte Assylia. »Wenn er auch für meine Begriffe ein zu finsteres Gemüt hat. Aber wenn einer euch helfen kann, dann ist er es.« »Und Anlytha«, ergänzte der Kundschaf ter. »Du hast während des Fluges nach Cha netra seltsame Dinge getrieben«, wandte er sich an seine Begleiterin. »Das Prisenkom mando war danach völlig mit den Nerven fertig. Siehst du eine Möglichkeit, deine be-
sonderen Begabungen für die Befreiung und die Flucht einzusetzen?« »Ich könnte die Wachmannschaften ver wirren und ablenken«, antwortete Anlytha. Algonkin-Yatta schüttelte den Kopf. »Die Maahks würden sehr schnell wieder zu sich kommen, sobald sie entdecken, daß die Gefangenen fliehen. Ablenken allein ge nügt nicht. Kannst du die Wachen nicht so in Halluzinationen versenken, daß ihr Bezug zur Realität abreißt?« »Dazu reicht meine Kraft nicht aus«, er klärte Anlytha betrübt. »Ich kann immer nur ein gewisses Maß an psionischer Energie er zeugen, Algonkin.« »Psionische Energie!« sagte der Kund schafter nachdenklich. »Damit arbeitetet du also. Aber auch die Psiotronik des Kund schafterschiffs arbeitet mit psiotronischen Energien. Wenn es möglich wäre, einen psionischen Impulsstrahl auf dich zu richten und dich sozusagen mit psionischer Energie aufzuladen …« »Dann würde ich wahrscheinlich aus un serem Kontinuum verschwinden«, wandte Anlytha ein. »Aber vielleicht geht es umge kehrt. Ich richte einen psionischen Strahl auf die Psiotronik deines Schiffes und übermitt le ihr gewissermaßen die Schablone, mit der sie die Maahks auf Chanetra beeinflußt. Wä re das möglich?« »Ich werde nachfragen«, erwiderte Al gonkin-Yatta. Er nahm Verbindung mit der Psiotronik seines Schiffes auf und diskutierte mit ihr das Problem. Es stellte sich heraus, daß die Psiotronik mit einer Wahrscheinlichkeit von vierundsechzig Prozent als Verstärker der psionischen Fähigkeiten Anlythas arbeiten konnte. Ob sie in der Lage war, Anlythas Fähigkeiten gezielt auf die Maahks zu leiten, vermochte sie allerdings nicht zu beantwor ten. »Wir müßten eine Probe ansetzen«, teilte der Kundschafter seinen Gesprächspartnern mit. »Ohne Probe können wir nicht wissen, ob es funktioniert. Aber eine Probe würde die Maahks mißtrauisch machen. Außerdem
Kundschafter im Kosmos haben wir keine Zeit dafür. Wir müssen es einfach riskieren.« »Und wenn es fehlschlägt?« fragte Assy lia von Brogaaze. »Bei einem Fehlschlag muß mein Schiff das maahksche Schiff mit den Raumkadet ten übernehmen. Es kann selbständig han deln, wenn es den entsprechenden Befehl von mir bekommt. Allerdings müßten wir dann den Tod aller maahkschen Raumkadet ten und der Schiffsbesatzung in Kauf neh men, was mir widerstrebt.« »Um so besser, wenn die Raumkadetten der Maahks umkommen!« sagte Assylia hef tig. »Überleben sie, werden sie früher oder später gegen Arkoniden eingesetzt. Deshalb haben wir die Pflicht, jeden Maahk zu töten, wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt.« »Haß ist ein schlechter Ratgeber, Schwe ster«, entgegnete Algonkin-Yatta ernst. »Ich werde mich niemals von ihm leiten lassen. Der Plan wird entweder so durchgeführt, wie ich es will, oder überhaupt nicht.« »Du hast keine Ahnung, Fremder!« rief Assylia. Algonkin-Yatta erwiderte nichts darauf, sondern blickte sie nur abwartend ab. Schließlich senkte sie den Kopf und sagte: »Ich bin mit allem einverstanden, was du für richtig hälst.« »Dann kann ich jetzt mit Khoruna Ska pron sprechen«, erklärte der Kundschafter. »Anlytha, du bleibst ab sofort bis zum Ende der Aktion bei mir! Assylia, du sorgst dafür, daß die Frauen sich bereithalten, die Kinder aus ihrer Baracke zu holen! Verständige auch die anderen Gefangenen!« Er ergriff Anlythas Hand und zog seine Begleiterin einfach hinter sich her.
* Die zweihundert Arkoniden, die zwischen den Baracken des Gefangenenlagers ange treten waren, blickten finster vor sich hin. Algonkin-Yatta musterte sie aufmerksam. »Sie sind stolz, hart gegen sich selbst und überzeugt davon, daß ihrem Volk der Sieg
41 im Kampf zwischen Arkon und den Maahks zusteht«, sagte er zu Anlytha. »Diese Über zeugung kann nur auf Verblendung beruhen, aber wenigstens wird sie ihnen helfen, bei der Aktion ihr Bestes zu geben.« Er und Anlytha näherten sich dem athle tisch gebauten Arkoniden, der vor der Front seiner Männer stand und halblaut auf sie einredete. »Khoruna Skapron?« fragte Algonkin-Yat ta, nachdem er seinen Translator wieder ein geschaltet hatte. Der Angesprochene fuhr herum und starr te den Kundschafter finster an. »Was stört Ihr uns? Ich bin gewöhnt, mit meinem Titel angeredet zu werden!« Er hol te verblüfft Luft. »Ihr seid kein Arkonide?« »Ich nicht und auch Anlytha nicht«, erwi derte der Kundschafter. »Mein Name ist Al gonkin-Yatta. Ich habe Gotar von Andech dazu bewogen, Ihre Namen auf die Liste zu setzen.« Ein Raunen ging durch die Männer. Khoruna Skaprons Augen loderten in un gezügelter Wut auf. Aber der Zweifache Sonnenträger beherrschte sich sofort wieder. »Warum haben Sie das getan, Fremder?« erkundigte er sich. »Bringen Sie einen guten Grund vor, denn sonst müssen Sie sterben!« Der Kundschafter lächelte liebenswürdig. »Sie und Ihre Leute sind unbewaffnet. Wie wollen Sie dann einen Mathoner tö ten?« Er hob einen faustgroßen Stein auf, der in seiner Nähe lag, schloß seine Hand um ihn und drückte einmal kräftig zu. Als er die Hand öffnete, rannen Felskrümmel daraus herab. »Ich bitte darum, die primitive Demon stration körperlicher Kraft zu entschuldi gen«, sagte er. »Aber ich hoffe, sie hält Sie von sinnlosen Aktionen ab und erspart uns damit Zeit. Ich habe Sie auswählen lassen; weil ich Sie brauche, um alle Gefangenen zu befreien und in Sicherheit zu bringen.« Khoruna Skapron sah ihn verwundert und ungläubig an. »Wie Sie sagten, sind wir unbewaffnet,
42 Algonkin-Yatta. Was könnten wir ohne Waffen gegen die Wachmannschaften der Maahks ausrichten?« »Sie erhalten Waffen von den Maahks, unmittelbar bevor Sie aus dem Lager trans portiert werden«, erklärte der Kundschafter. »Anlytha und ich werden zu diesem Zeit punkt Verwirrung unter den Maahks anstif ten. Wir wissen zwar nicht, wie wirksam diese Verwirrung sein wird, aber sie sollte ausreichen, um das Maahk-Kommando, das Sie aus dem Lager bringen soll, auszuschal ten. Dadurch bekommen Sie außerdem wirk samere Waffen in die Hände. Ihre eigentliche Aufgabe wird es sein, die Wachmannschaften, besonders die in den drei Turmkuppeln, niederzuhalten, damit sie kein Blutbad unter den anderen Gefangenen anrichten können. Ich werde unterdessen da für sorgen, daß die Besatzung des Kadetten raumschiffs und die Kadetten ebenfalls uns nicht gefährlich werden. Anschließend tausche ich die Wasserstof fatmosphäre in dem Maahkraumschiff gegen eine Sauerstoffatmosphäre aus. Sie und alle anderen Gefangenen besteigen das Walzen schiff. Ich werde es an mein Kundschafter schiff koppeln und mitnehmen.« »Meinen Sie das Raumboot, das heute von einem Maahkraumschiff nach Chanetra geschleppt wurde?« rief einer der Männer. Andere Männer lachten zornig. »Es paßt höchstens als Beiboot in einen Walzenrau mer. Wie sollte es da ein Maahkraumschiff mitnehmen können?« »Ich fürchte auch, daß Sie sich übernom men haben, Algonkin-Yatta«, sagte Khoruna Skapron. »Wahrscheinlich werden wir heute noch alle sterben. Es wäre besser gewesen, Sie wären niemals ins Urptra-System einge flogen. Was suchten Sie überhaupt hier?« »Ich bin auf der Suche nach Atlan«, ant wortete Algonkin-Yatta. »Jemand erzählte mir von ihm, und was er erzählte, war so faszinierend, daß ich mich entschloß, mei nen Kundschafterkurs zu verlassen und nach Atlan zu suchen.« »Und das ausgerechnet in einem System
H. G. Ewers der Maahks?« rief Khoruna Skapron aus. »Wahrscheinlich handelte es sich um einen Übermittlungsfehler«, erwiderte der Kundschafter. »Der Arkonide, der mir die Koordinaten gab, lag im Sterben. Vielleicht aber wurden ihm auch nur die falschen Ko ordinaten genannt. Aber wie es auch sei, ich werde nicht eher ruhen, als bis ich Atlan ge funden und mit ihm gesprochen habe.« »So leicht wird er nicht zu finden sein«, erklärte der Zweifache Sonnenträger. »Atlan ist ein Gejagter. Er muß ständig seine Spu ren verwischen, denn wenn er gefaßt wird, läßt Orbanaschol ihn hinrichten.« »Ich bin ein Kundschafter und dafür aus gerüstet, Spuren zu erhellen und ihnen zu folgen«, sagte Algonkin-Yatta. »Ich werde meine Suche erfolgreich beenden. Doch für Sie ist das nicht wichtig. Sind Sie bereit, sich in meine Planung einzufügen?« Khoruna Skapron verschränkte die Arme vor der Brust. »Ihre Planung erscheint mir aber ziemlich vage, was die Verwirrung angeht, die Sie unter den Maahks stiften wollen. Sie müssen sich schon näher erklären, damit wir beurtei len können, ob Ihr Plan überhaupt Aussicht auf Erfolg hat.« Anlytha gab ein zorniges Zwitschern von sich. Im nächsten Augenblick taumelte der Zweifache Sonnenträger, dann sah er sich fassungslos um. Seine Männer benahmen sich ebenfalls merkwürdig. Sie bewegten sich, als könnten sie einander nicht sehen. Die Folge waren Zusammenstöße und Stür ze. Innerhalb weniger Minuten krochen die Arkoniden ziellos auf dem Boden herum. »Es ist genug, Anlytha!« sagte Algonkin-Yat ta. »Das war wirklich prächtig. Jetzt glaube ich, daß unsere Aktion gelingt.« Khoruna Skapron und seine Männer schienen aus einem Alptraum zu erwachen. Sie brauchten einige Minuten, bis sie sich wieder in der Wirklichkeit zurechtfanden. »Was war das?« fragte Khoruna Skapron erschüttert. »Ich stand ganz allein in einer Wüste, ganz allein. Nicht einmal eine Ba racke war vorhanden. War ich in einer ande
Kundschafter im Kosmos ren Dimension?« »Sie waren nur verwirrt, Herr Sonnenjä ger«, sagte Anlytha. »Ich bin selbst über rascht über den durchschlagenden Erfolg. Meine Kräfte müssen gewachsen sein.« »Irrtum!« erklärte der Kundschafter. »Die Psiotronik meines Schiffes hatte sich probe weise dazugeschaltet. Sie gab mir allerdings zu verstehen, daß die Wirkung nur deshalb so stark war, weil das die Phänomene auslö sende Subjekt sich in unmittelbarer Nähe der zu beeinflussenden Objekte befand.« »Ich bin trotzdem überzeugt!« rief Khoru na Skapron.
9. Anlytha hatte eigentlich beabsichtigt, sich eine arkonidische Kombination auszuleihen und sich unter die zweihundert Kämpfer zu mischen, damit sie so dicht wie möglich an die Maahks des Kommandos kam, das die Kämpfer aus dem Lager eskortieren würden. Khoruna Skapron hatte es ihr ausgeredet. Erfahrungsgemäß mußten die Arkoniden, die aus dem Lager gebracht werden sollten, einzeln vortreten und sich durchsuchen las sen, bevor sie ihre Waffen erhielten. Dabei wäre Anlythas Fremdartigkeit zweifellos entdeckt worden, und niemand konnte wis sen, wie die Maahks darauf reagieren wür den. Falls sie Anlytha paralysierten, konnte sie nicht mehr eingreifen, was das Scheitern des Befreiungsplans zur Folge haben würde. Deshalb stand Anlytha mit Algonkin-Yat ta, Assylia von Brogaaze und Khoruna Ska pron vor der Frauenbaracke, als das Haupt tor sich öffnete und das Transportkomman do der Maahks ins Lager marschierte. Algonkin-Yatta zählte hundert Maahks, und sie waren nicht nur mit schweren Ther mostrahlern und Lähmwaffen ausgerüstet, sondern trugen außerdem noch Schutz schirmprojektoren. »Sie hätten mir sagen sollen, daß die Maahks Schutzschirmprojektoren tragen, Skapron«, sagte der Kundschafter. »Das er schwert die Aktion, denn wenn Anlythas
43 Beeinflussung nicht blitzartig wirkt und die Maahks dazu kommen, ihre Projektoren ein zuschalten, sind sie für Ihre Leute unangreif bar.« »Ich dachte, Sie rechneten ganz selbstver ständlich damit, Algonkin-Yatta«, verteidig te sich der Zweifache Sonnenträger. »Die Maahks müssen ja Schutzschirmprojektoren tragen, weil sie sonst von unseren Leuten angegriffen würden. So etwas soll ganz am Anfang vorgekommen sein.« »Sie sind nicht von Anfang an hier?« er kundigte sich der Kundschafter. »Erst seit dem letzten Transport – vor rund einem Vierteljahr Arkonzeit«, antwor tete Khoruna Skapron. »Dann müßten Sie doch noch Nachrichten über Atlan gehört haben, die nicht zu sehr veraltet sind!« sagte Algonkin-Yatta erregt. »Einiges habe ich schon gehört«, meinte Khoruna Skapron zögernd. »Aber ich muß jetzt zu meinen Leuten, sonst werden die Maahks argwöhnisch.« Er wirkte nervös. »Hoffentlich klappt alles.« »Ich weiß, was auf dem Spiel steht«, gab Algonkin-Yatta zurück. Er sah dem Zweifachen Sonnenträger nach, wie er zu seinen Leuten ging. Das maahksche Transportkommando hatte die Arkoniden unterdessen erreicht. Roboterhaft teilte es sich in kleine Gruppen auf, die die Arkoniden umstellten und ihre Waffen auf sie richteten. Vom Haupttor näherte sich ein geschlossener Gleiter. »In dem Gleiter sind bestimmt die Waffen für die Arkoniden«, meinte Anlytha. »Wie wollen Sie die Maahks in dem Schiff ausschalten?« erkundigte sich Assylia besorgt und deutete dabei in den Himmel. »Du mußt versuchen, sie ebenfalls zu ver wirren, so daß sie keinen Widerstand leisten können, Anlytha!« sagte Algonkin-Yatta eindringlich. »Andernfalls bin ich gezwun gen, meinem Schiff ein Kopplungsmanöver zu befehlen und ihm die Ausschaltung der Maahks zu überlassen. Da die tausend Raumkadetten ihre Raumanzüge sicher gleich nach der Landung schließen, ist es
44 nicht mit Betäubungsgas getan. Ich muß das Maahkraumschiff mit einem Gas fluten las sen, das die Raumanzüge zerfrißt. Das be deutet, daß sie sterben würden, wenn an schließend die Wasserstoffatmosphäre aus ihrem Schiff entfernt wird.« »Das will ich nicht«, erwiderte Anlytha. »Ich werde mich anstrengen, um das zu ver hindern.« Sie schrie auf, als ungefähr drei Meter vor ihr ein Blasterstrahl in den Boden schlug und bei seiner Entladung einen kleinen bro delnden Krater bildete. »Zurück in die Baracke!« rief Assylia. »Die Maahks wollen nicht, daß jemand sich im Freien aufhält, wenn sie die Todeskandi daten abholen.« Die drei Personen zogen sich in die Ba racke zurück und beobachteten das Gesche hen draußen durch eines der kleinen Fenster. Die Frauen im Innern waren bereit zum Auf bruch. Ihre Gesichter verrieten Sorge und Entschlossenheit. Keine von ihnen sagte et was. Der Anführer des maahkschen Transport kommandos hatte Khoruna Skapron inzwi schen eine Liste gegeben. Der Zweifacher Sonnenträger mußte jeweils einen Namen vorlesen, woraufhin einer seiner Leute vor trat, von zwei Maahks durchsucht wurde und danach je eine leichte Strahlwaffe und ein versiegeltes Päckchen erhielt. »In den Päckchen befinden sich je drei Energiemagazine«, flüsterte Assylia von Brogaaze. »Die Waffen selbst sind ungela den. Dadurch wollen die Maahks vermeiden, daß die Todeskandidaten überraschend das Feuer auf sie eröffnen.« Vom Raumhafen her kam ein dumpfes Donnern, dem absolute Stille folgte. »Das Kadettenschiff ist gelandet«, sagte Algonkin-Yatta. »Es wird Zeit für dich, Ver wirrung unter den Maahks des Transport kommandos zu stiften, Anlytha.« »Ich bin dabei«, gab Anlytha zurück. Diesmal blieb sie ernst. Ihr Gesicht, dessen fliederfarbene Haut wie Porzellan aussah, verriet stärkste Konzentration.
H. G. Ewers Die Maahks des Transportkommandos, die ihre Waffen auf die Gefangenen gerich tet hielten, rührten sich nicht. Nur die beiden Maahks, die die Gefangenen untersuchten, übten ihre Funktion nicht mehr aus. Sie schienen die Arkoniden nicht mehr wahrzu nehmen. Plötzlich ließ einer der anderen Maahk seine Strahlwaffe fallen. Zwei andere tau melten und stießen zusammen. Nun zeigten auch die übrigen Maahks unkontrollierte Be wegungen. Aber die Todeskandidaten schie nen unschlüssig zu sein. Offenbar wußten sie nicht, ob die Verwirrung unter den Maahks schon groß genug war. Algonkin-Yatta spannte seine Muskeln, dann schnellte er durch die Scheibe des Fen sters, landete fünf Meter weiter auf dem Bo den, kam sofort wieder auf die Füße und rief: »Vorwärts! Entwaffnet sie!« Da er vergessen hatte, seinen Translator mitzunehmen – er lag auf der Fensterbank –, konnten die Arkoniden ihn nicht verstehen. Aber nachdem der Kundschafter drei Maahks entwaffnet hatte, ohne daß sie Wi derstand geleistet hatten, begriffen sie. Ver bissen stürzten sie sich auf die verwirrten Maahks, entrissen ihnen die Waffen und er öffneten sofort ein verheerendes Feuer auf die Waffenkuppeln der Wachttürme. Algonkin-Yatta sah, wie die Waffenkup peln im Energiefeuer vergingen. Er drehte sich um und rief: »Anlytha, das Schiff!« Anlytha antwortete nicht, und er dachte, sie wäre bereits erfolgreich am Werk. Statt dessen stürzte sie kurz darauf ins Freie. Sie wirkte verstört. »Ich komme nicht durch!« jammerte sie. »Das Schiff ist zu weit entfernt!« »Dem kann abgeholfen werden!« erwider te der Kundschafter. Mit zwei Sprüngen war er bei Anlytha, lud sie sich kurzerhand über die Schulter und raste mit dem Tempo eines galoppierenden Rennpferds auf das Haupttor zu …
Kundschafter im Kosmos
* Die Wachtposten am Haupttor waren von der Verwirrung nicht angesteckt. Sie stürz ten aus ihrem Gebäude, als sie sahen, was im Lager geschah. Algonkin-Yatta setzte Anlytha ab und fuhr zwischen die Maahks. Er rannte sie in folge seiner überlegenen Körperkraft teils um, teils schaltete er sie durch Schläge aus, die er während seines Kundschaftertrainings gelernt hatte. Anschließend nahm er einem der Maahks den Paralysator ab und lähmte die restlichen Posten. Als der Kundschafter zurückblickte, sah er, daß die Männer Skaprons die Maahks des Transportkommandos ebenfalls mit Paraly satoren lähmten. Von der maahkschen La gerwache waren nur wenige Soldaten übrig geblieben. Sie verteidigten sich, so gut sie konnten, würden sich aber auch nicht mehr lange halten können. Algonkin-Yatta lief zu Anlytha zurück, warf sie sich wieder über die Schulter und verließ das Lager endgültig. Draußen stan den mehrere Gleiter. Er sprang in einen hin ein und startete ihn. Die fremdartigen Kon trollen bereiteten ihm keine Schwierigkei ten, denn er hatte auf dem Transport vom Kundschafterschiff zum Kommandobunker der Maahks genau darauf geachtet, wie der Pilot des betreffenden Gleiters die Schaltun gen bediente. Er steuerte direkt auf den Raumhafen zu. Das Maahkraumschiff mit den Kadetten war zirka zweitausend Meter von seinem Schiff entfernt niedergegangen. Die Besatzung schien etwas von den Geschehnissen im Ge fangenenlager mitbekommen zu haben, denn die aus dem Walzenschiff ragenden Waffen kuppeln drehten sich so, daß die Abstrahl läufe der Kanonen zum Lager zeigten. Algonkin-Yatta fuhr an den beiden Posten des diesseitigen Raumhafeneingangs vor über. Die Maahks rissen ihre Strahlwaffen hoch, doch dann drehten sie sich ziellos im Kreis.
45 »Gut gemacht, Anlytha!« rief der Kund schafter. »Konzentriere dich jetzt auf die Maahks im Schiff!« Er beschleunigte und hielt auf den Wal zenraumer zu, der mit Hilfe seiner Antigrav projektoren dicht über dem Platzbelag schwebte. Noch reagierten die Geschütz mannschaften nicht auf die Annäherung des Fahrzeugs, doch das konnte sich schnell än dern. Da der Gleiter offen war, bestand die Möglichkeit, daß man auf den Bildschirmen in der Schiffszentrale sah, daß sich keine Maahks darin befanden. Der Gleiter war nur noch dreihundert Me ter vom Schiff entfernt, als sich die Perso nenschleuse öffnete. Rampen schoben sich ins Freie, und in den Schleusenöffnungen waren bewaffnete Maahks in Raumanzügen zu sehen. Der Kundschafter drehte sich nach Anly tha um und sah, daß sie in angestrengter Konzentration die Augen geschlossen hatte. Deshalb sagte er nichts. Als er wieder nach vorn blickte, waren sie nur noch knapp hundert Meter von dem schwarzen Walzenraumer entfernt. Algon kin-Yatta ließ den Beschleunigungshebel los und bremste allmählich ab. Er war ent schlossen, erst unmittelbar neben dem Schiff anzuhalten, obwohl die Gefahr bestand, daß die maahkschen Raumkadetten sie beschos sen. Doch die Maahks reagierten nicht. Kaum stand der Gleiter, marschierten die Raumka detten in exakt ausgerichteten Doppelreihen die Rampen hinab und schlugen die Rich tung zum Gefangenenlager ein. Schon fürch tete der Kundschafter, Anlytha hätte diesmal versagt, als er bemerkte, daß die Raumka detten keine Waffen trugen und sich außer dem marionettenhaft bewegten. Abermals sah er sich nach seiner Beglei terin um. Diesmal wirkte Anlythas Gesicht entspannt, aber die Augen waren noch ge schlossen. Plötzlich öffnete sich ihr Mund, und sie gab ein helles Zwitschern von sich. Aufatmend lehnte sich Algonkin-Yatta zurück. Anlytha hatte die Situation offenbar
46 im Griff. Der Kundschafter stellte eine Verbindung mit der Psiotronik seines Schiffes her. Weißt du, was die psionischen Einflüsse, die du verstärkst, bei den Betroffenen her vorrufen? erkundigte er sich. Ja! antwortete die Psiotronik. Zuerst erla gen die Betroffenen der Halluzination, über die Rundrufanlage ihres Schiffes den Befehl zu hören, daß sie unter Zurücklassung aller Waffen geordnet das Schiff verlassen sollten. Danach vermittelte Anlytha ihnen den Ein druck, sie marschierten über einen Gebirgs grat, der gerade Platz genug für eine Dop pelreihe böte. Allmählich reift in ihnen die fixe Idee, nach der Ankunft im Lager die Persönliche Datenkapsel zu suchen, die der Grek 1 der Urptra-Systems angeblich dort verloren hat. Es ist sehr lustig. Algonkin-Yatta runzelte die Stirn. Es ist sehr lustig? Für eine Psiotronik? Es dürfte eigentlich unmöglich für eine Psio tronik sein, Emotionen zu empfinden. Meine Erinnerungsspeicher sagen das auch, und das finde ich noch lustiger! gab die Psiotronik zurück. »Demnächst lacht das Ding sogar noch!« sagte Algonkin-Yatta laut. Er blickte den Maahks nach. Die Spitze der ersten Kolonne würde bald das Lager er reichen. Wenn die Arkoniden nicht erkann ten, daß die Maahks beeinflußt waren, muß te unweigerlich ein Unglück geschehen. Da der Kundschafter keine Möglichkeit besaß, Funkverbindung zu den Arkoniden aufzunehmen, hob er kurz entschlossen An lytha hoch und stellte sie auf den Boden. »Weiter so, Schwester!« sagte er. Anlytha reagierte nicht darauf. Algonkin-Yat ta wendete den Gleiter und jagte an den stur dahinmarschierenden Maahks vorbei auf das Lager zu. Als er durch das Haupttor schweb te, waren die Kampfhandlungen beendet. Skaprons Männer kümmerten sich darum, daß alle Gefangenen das Lager verließen. Kleine Kinder wurden getragen, Kranke und Gebrechliche gestützt. Algonkin-Yatta winkte den Arkoniden zu
H. G. Ewers und raste zu der Baracke, in der er seinen Translator zurückgelassen hatte. Er hielt vor dem bewußten Fenster an, sprang hindurch, griff sich den Translator und sprang wieder zurück. Danach jagte er zur Spitze der Ge fangenenkolonne, an der sich Khoruna Ska pron befand. »Das Walzenschiff gehört uns!« rief er. » Sorgen Sie dafür, daß die Maahks, die vom Schiff ins Lager marschieren, nicht behelligt werden! Sie könnten sonst aus der Beein flussung erwachen.« »Verstanden!« rief der Zweifache Son nenträger zurück. »Wie haben Sie das nur geschafft, Algonkin-Yatta?« »Anlytha hat es geschafft«, erwiderte der Kundschafter. »Gemeinsam mit einer Psio tronik, die sich zur Zeit vor Lachen schüt telt. Ich fliege voraus!«
* Während des Rückflugs setzte sich der Kundschafter wieder mit seiner Psiotronik in Verbindung. Kannst du das Schiff bedienen, ohne daß deine Unterstützung Anlythas darunter lei det? Ich kann es! lautete die Antwort. Dann koppele dich mit dem Maahkraum schiff. Laß die Wasserstoffatmosphäre ent weichen! Sie wird, da sie heiß ist und unter hohem Druck steht, sofort in die oberen Luftschichten Chandras entweichen, so daß die Gefahr einer Vermischung mit Sauerstoff und folgender Knallgasexplosion nicht gege ben ist. Danach muß du das Maahkraum schiff von den Resten der Wasserstoffatmo sphäre säubern und mit einer Sauerstoffat mosphäre füllen! Außerdem mußt du die Kli matisierung übernehmen! Ist das klar? Das ist klar, Kundschafter. Die ersten Maahks haben soeben das Lager erreicht. Sie kriechen auf dem Boden herum und su chen nach einer imaginären Datenkapsel. Ich filme das Ereignis, damit du später dar über lachen kannst. Du solltest ebenfalls erst später darüber
Kundschafter im Kosmos lachen! Ich lache ja gar nicht, sondern amüsiere mich nur. Aber keine Sorge, ich werde mei ne Arbeit darüber nicht vernachlässigen. Algonkin-Yatta seufzte. Er fragte sich, ob er die unerklärliche Reaktion der Psiotronik als positiv oder negativ einstufen wollte oder ob er sie ignorieren durfte. Er kam zu dem Schluß, diese Frage zu klären, wenn die Be freiungsaktion abgeschlossen war. Als er den Walzenraumer erreichte, war er offenbar verlassen. Anlytha stand noch dort, wo der Kundschafter sie abgesetzt hat te. Algonkin-Yatta hob sie wieder in den Gleiter und entfernte sich weit genug von dem Maahkraumer. Kaum hatte er angehal ten, sah er, wie sein Schiff lautlos abhob und in geringer Höhe auf das Walzenschiff zu schwebte. Unmittelbar davor verharrte es und schob elastische Rohre aus seiner Hülle, die sich so formten, daß sie sich luftdicht mit den Schleusenöffnungen des Walzen schiffs verbanden. Minuten später öffneten sich einige Schleusen an der Oberseite des Maahkraum schiffs. Deutlich sah Algonkin-Yatta die Schwaden des heißen Gemischs aus Wasser stoff, Ammoniak und Methan aus den Öff nungen schießen. Der hohe Druck und die Hitze bewirkten, daß sie senkrecht nach oben stiegen. Aber noch konnte kein Sauerstoffatmer das Schiff der Maahks betreten, denn die Spuren von Ammoniak und Methan mußten erst noch beseitigt werden. Die ersten Arkoniden tauchten bereits am Rand des Raumhafens auf, als die Psiotronik endlich meldete, daß das Maahkraumschiff »sauber« sei. Ich muß nur noch einen raumflugtaugli chen Anschluß herstellen und mit der Klima anlage des Kundschafterschiffs die Klimati sierung übernehmen, bis die Klimaanlage des Maahkraumschiffs umprogrammiert ist! teilte sie weiter mit. Beeile dich! dachte Algonkin-Yatta. Er musterte aufmerksam den Himmel. Es
47 war fast ein Wunder zu nennen, daß bisher keine maahkschen Fluggleiter aufgetaucht waren. Ihren Besatzungen wäre es sicher nicht entgangen, was sich beim Lager und beim Raumhafen abspielte. Wahrscheinlich unterhielten die Maahks auf Chanetra keine anderen Einrichtungen als das Lager und den kleinen Raumhafen. Dennoch konnte es nur eine Frage der Zeit sein, bis ein nicht beeinflußter Maahk – vielleicht einer, der sich, aus welchem Grund auch immer, vom Schauplatz des Ge schehens entfernt hatte – bemerkte, was sich abspielte und über Funk den Stützpunkt auf Xymoch alarmierte. Er wandte sich den Arkoniden zu, die ihn erreichten. Khoruna Skapron befand sich noch immer an der Spitze. »Können wir ins Schiff?« fragte der Zweifache Sonnenträger. »Noch nicht«, antwortete Algonkin-Yatta. »Aber es wird nicht mehr lange dauern. Ihre Leute sollen sich vor den Schleusen aufstel len, damit es nachher schneller geht!« Skapron rief einige Befehle, dann wandte er sich wieder an den Kundschafter. »Ich kann es immer noch kaum fassen, wie leicht alles ging, Algonkin-Yatta. Wir sind Ihnen und Anlytha zu ewigem Dank verpflichtet.« »Wir erwarten keinen Dank, wenn wir Bedrohten helfen«, erwiderte der Kund schafter. »Ich möchte Sie allerdings bitten, nachher mit uns ins Kundschafterschiff zu kommen. Sie müssen mir alles erzählen, was Sie über Atlan wissen. Vielleicht ergibt sich ein Anhaltspunkt für meine Suche.« »Das wäre möglich«, sagte der Zweifache Sonnenträger. »Ich werde Sie gern in Ihr Schiff begleiten.« Säuberung und Klimatisierung des Maah kraumschiffs abgeschlossen! meldete die Psiotronik in diesem Moment. Algonkin-Yatta blickte hinüber und sah, daß sich sein Schiff auf das der Maahks ge setzt und es mit einem Manipulatorstachel an sich gekoppelt hatte. Der Manipulatorsta chel war eine Röhre aus außerordentlich wi
48 derstandsfähigem Material, dessen Spitze von einem Durchdringungskopf gebildet wurde. In dem Manipulatorstachel verliefen Versorgungsleitungen und Impulsübermitt ler. »Ihre Leute können jetzt das Beuteschiff betreten, Skapron!« erklärte er.
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»Es geht los!« sagte Algonkin-Yatta und setzte sich vor die Kontrollen. In dem Augenblick, in dem er den Antrieb aktivierte, fing er ein Geruchssignal auf, das seine Aufmerksamkeit auf die Anzeigen der Ortung lenkte. »Soeben starten siebzehn Raumschiffe von Xymoch«, sagte er gelassen. »Damit be kommen die Maahks uns nicht, denn mit nur 10. siebzehn Schiffen können sie uns nicht alle Vor wenigen Sekunden hatte die Funk Fluchtwege verlegen.« zentrale des Kundschafterschiffs Funkim Das Kundschafterschiff und das angekop pulse aufgefangen, die von einem Ort aus pelte Beuteschiff lösten sich vom Boden. gingen, der rund zwanzig Kilometer vom Am Rand des Raumhafens tauchten einige Gefangenenlager entfernt war. Die Psiotro Maahks auf. Sie gaben Strahlschüsse ab, nik hatte zwar sofort einen Störsender akti aber die Entfernung war zu groß für Wir viert, der die Funkimpulse überlagerte, aber kungstreffer. es war anzunehmen, daß der erste Teil der »Ich habe sie aus der Beeinflussung ent überlichtschnell abgestrahlten Nachricht be lassen, damit sie noch mitbekommen, was reits die entsprechenden Empfänger auf Xy wir ihnen für einen Streich gespielt haben«, moch erreicht hatte. erklärte Anlytha. Algonkin-Yatta befand sich zusammen »Es war kein Streich, sondern eine Hilfs mit Anlytha und Khoruna Skapron in der aktion«, entgegnete der Kundschafter. Steuerzentrale seines Schiffs und beobachte »Außerdem ist noch längst nicht alles vor te ungeduldig, wie die letzten hundert be bei. Eben sind weitere achtundzwanzig freiten Gefangenen das Maahkraumschiff Raumschiffe von Xymoch gestartet. Das be bestiegen. deutet, daß wir auf konventionelle Weise »Bald werden die ersten Raumschiffe von nicht entkommen können.« Xymoch starten«, erklärte er. Er beschleunigte, und die beiden Schiffe »Haben wir überhaupt eine Chance, ihnen schossen aus der Atmosphäre. Doch da ga zu entkommen?« fragte der Zweifache Son ben die Ortungsautomaten schon Alarm. Die nenträger. »Mit dem Beuteschiff im Schlepp zuerst gestarteten siebzehn Maahkraum wird Ihr Fahrzeug doch ziemlich behindert schiffe hatten die relativ kurze Distanz zwi sein.« schen Xymoch und seinem sechsten Mond »Es gibt sicher noch einige Schwierigkei weitgehend überwunden und befanden sich ten«, gab der Kundschafter zu. »Ob wir ent auf Angriffskurs. kommen, hängt davon ab, welche Anzahl »Wenn Ihr Schiff Schutzschirme hat, von Schiffen die Maahks in den Raum dann schalten Sie sie ein, Algonkin-Yatta!« schicken und wie sie sie einsetzen.« sagte Khoruna Skapron. Khoruna Skapron lächelte bitter. »Die Schutzvorrichtungen eines Kund »Ich dachte es mir. Dennoch hatte ich ge schafterschiffs aktivieren sich automatisch«, hofft, Sie könnten ein neues Wunder bewir erwiderte Algonkin-Yatta. »Das ist logisch, ken.« denn ein Mann allein kann nicht alle Kon »Es gibt keine Wunder«, sagte Algonkin-Yat trollen zugleich bedienen.« ta. Der Zweifache Sonnenträger stöhnte. Die Schleusen des Beuteschiffs sind ver »Das Wort ›logisch‹ habe ich während riegelt! meldete die Psiotronik. Wir sind meiner Gefangenschaft so oft gehört, daß startklar. mir dabei übel wird. Warum fliegen Sie
Kundschafter im Kosmos nicht endlich ein Ausweichmanöver? Jeder arkonidische Schiffskommandant hätte schon längst reagiert.« »Und wäre abgeschossen worden«, er klärte der Kundschafter. »Haben Sie denn nicht bemerkt, daß die Maahks mit einem Ausweichmanöver rechneten und ihren An griffskurs entsprechend einrichteten? Da durch bildete sich in der Formation eine Lücke, die wir nur für uns nutzen konnten, weil wir stur weiterflogen.« Zweifelnd musterte der Arkonide die Or tungsanzeigen, denn auf den Bildschirmen ließen sich Raumschiffe im Weltraum nur selten beobachten. »Ich kenne mich mit Ihren Ortungsanzei gen noch nicht gut aus«, sagte er. »Sie sind anders als die auf den Schiffen des Großen Imperiums.« »Würdest du dem Zweifachen Sonnenträ ger bitte helfen, sich mit meinen Ortungsan zeigen zurechtzufinden, Anlytha?« fragte Algonkin-Yatta. »Übrigens sind die acht undzwanzig zuletzt gestarteten Maahkraum schiffe bald auf Gefechtsdistanz heran.« »Woher wollen Sie die Gefechtsdistanz eines Maahkraumschiffs kennen?« fragte Khoruna Skapron irritiert. Der Kundschafter lächelte, während er den Kurs seines Raumschiffs abrupt änderte. »Meine Psiotronik hat alles Wissenswerte über unser Beuteschiff ermittelt und teilt es mir auf Abruf mit. Dazu gehört selbstver ständlich auch der Wirkungsbereich maahkscher Strahlkanonen – und daraus er gibt sich wohl die Gefechtsdistanz. Ha, die Maahks denken tatsächlich, ich wollte mit meinem letzten Flugmanöver ihren linken Flügel durchbrechen!« »Aber irgendwo müssen Sie schließlich durchbrechen!« erwiderte der Zweifache Sonnenträger. »Genau das werden die Maahks mit Ihrer Logik denken«, meinte Algonkin-Yatta. »Aber ich denke nicht daran, mich nach ih rer Logik zu richten.« Erneut änderte er den Kurs. »Wohin fliegen Sie?« rief Khoruna Ska
49 pron entsetzt, als er sah, wie der Riesenpla net sich auf dem vorderen Bildschirm ver größerte. »Sie geraten in den Wirkungsbe reich der Raumabwehrforts von Xymoch, wenn Sie diesen Kurs beibehalten!« Algonkin-Yatta betätigte einen Schalter. »Mit konzentrischem Feuer ist mein Schiff zu zerstören, aber nicht, wenn die Raumabwehrforts gleichzeitig auf zwanzig Ziele schießen müssen«, meinte er zufrie den. »Was soll das heißen?« fragte der Zweifa che Sonnenträger. »Außerdem holen die Verfolger auf.« »Das soll heißen, daß ich neunzehn Scheinziele in den Raum um uns projiziere, die für jedes Ortungsgerät das gleiche Er gebnis liefert wie mein Schiff«, erläuterte er. »Und die Verfolger holen deswegen auf, weil ich verzögere. Da sie ihr Feuer eben falls auf zwanzig Ziele richten müssen, um uns mit zu treffen, können sie uns nicht schwer treffen. Außerdem geraten auch sie in das Feuer der Raumabwehrforts, wenn sie zu dicht aufschließen.« Khoruna Skapron schüttelte den Kopf. »Ihre Taktik ist wirklich unkonventionell, Algonkin-Yatta. Aber Sie kennen die Maahks noch nicht gut genug. Sie werden alles aufbieten, um uns doch zu fassen.«
* Algonkin-Yatta hielt die Prophezeiung des Zweifachen Sonnenträgers für Übertrei bung und Schwarzseherei, bis die Boden forts des Riesenplaneten ihr Feuer eröffne ten und gleichzeitig weitere sechsundachtzig Maahkraumschiffe von Xymoch starteten. Trotz der neunzehn Scheinziele wurde der Schutzschirm des Kundschafterschiffs, der weiter gespannt war als sonst, um das Beute schiff mit einzuschließen, immer wieder von Strahlschüssen getroffen. Rings um das Schiff flammten immer wieder starke Entla dungen auf. Ein Geruchssignal verriet dem Kundschafter, daß der Schutzschirm den Be lastungen nicht mehr lange gewachsen war,
50 weil er durch die stärkere Ausdehnung ge schwächt wurde. Zudem schossen nun auch die Verfolger schiffe – und die zuletzt von Xymoch aufge stiegenen Walzenschiffe formierten sich über dem Kundschafterschiff und den Scheinzielen zu einer Glocke, an der jeder Durchbruchsversuch scheitern mußte. Als die nächste Trefferserie das Kund schafterschiff gleich einer imaginären Rie senfaust durchschüttelte, eilte Anlytha ängstlich an Algonkin-Yattas Seite und um klammerte seinen rechten Arm. »Kannst du nichts tun, Algonkin?« jam merte sie. »Es sieht schlecht aus«, gab der Kund schafter zu. »Warum haben Sie nicht auf mich ge hört?« sagte Khoruna Skapron niederge schlagen. »Dann wären wir längst tot«, erklärte der Kundschafter. »Oder wir hätten kostbares Leben zerstören müssen.« Khoruna Skapron schloß die Augen, als neben dem Kundschafterschiff sich ein riesi ger blauweißer Glutball aufblähte, dann hol te er tief Luft und sagte: »Endlich haben die Bodenforts ein eige nes Schiff getroffen und vernichtet.« »Das ist bedauerlich«, gab Algonkin-Yat ta zurück. »Ich nahm an, die Verfolger wür den sich zurückhalten. Maahks müssen, ge nau wie andere Lebewesen, einen Selbster haltungstrieb besitzen.« Der Zweifache Sonneträger lachte. »Sie unterdrücken ihn zugunsten der Lo gik, die besagt, daß sie uns nicht entkommen lassen dürfen, weil sonst die Kampfmoral der Flotte des Großen Imperiums noch mehr gestärkt würde. Deshalb opfern sie lieber ei nige Raumschiffe mit ihren Besatzungen.« »Leider zwingt mich das dazu, meine Rücksichtnahme teilweise aufzugeben«, sag te der Kundschafter traurig. »Es wird mein Gewissen für immer belasten, aber ich darf nicht länger zögern.« Er trat erneut mit der Psiotronik in Ver bindung und befahl ihr, die maahkschen
H. G. Ewers Raumabwehrforts, die das Kundschafter schiff unmittelbar bedrohten, zu vernichten. Wenige Sekunden später ließ das Feuer der Bodenforts schlagartig nach. Das Kund schafterschiff erhielt nur noch ab und zu einen Treffer von den Verfolgern. Damit wurde der Schutzschirm allerdings leicht fertig. Algonkin-Yatta drückte sein Schiff in die oberen Schichten der Atmosphäre von Xy moch. »Was ist mit den Bodenforts?« fragte Khoruna Skapron verblüfft. »Die Maahks denken doch nicht etwa, wir wollen auf Xy moch landen?« »Ich mußte die Bodenforts, die uns ge fährlich wurden, vernichten lassen«, antwor tete der Kundschafter leise. »Wie?« entfuhr es dem Zweifachen Son nenträger. »Und das ging einfach so?« Er schnippte mit den Fingern. »Das ist phanta stisch, Algonkin-Yatta. Wenn Sie das Ge heimnis Ihrer Wunderwaffe dem Großen Imperium zur Verfügung stellen, können wir die Maahks entscheidend schlagen.« Algonkin-Yatta wandte den Kopf und blickte Khoruna Skapron lange an, dann sagte er: »Ich werde niemals etwas tun, was einen bewaffneten Konflikt verschlimmern könn te, Skapron. Wenn ich mich entschließe, tödliche Waffen gegen andere Lebewesen einzusetzen, dann nur, wenn sie Unschuldi ge tödlich bedrohen oder mich gewaltsam daran hindern, ihnen auszuweichen und da mit einen Kampf aus dem Weg zu gehen.« Er empfing ein neues Geruchssignal und fuhr mit dem Finger über einen Schaltsen sor. Der Bildschirm des Hyperfunkgeräts wurde hell und zeigte den Oberkörper eines Maahks. »Der Grek 1 des Urptra-Systems!« rief der Kundschafter überrascht. »Schämen Sie sich nicht, mir noch einmal unter die Augen zu kommen – auch wenn es nur indirekt ist?« »Sie werden diesmal wahrscheinlich ent kommen, Algonkin-Yatta«, erklärte der
Kundschafter im Kosmos Maahk, ohne auf den Vorwurf des Kund schafters einzugehen. »Aber glauben Sie nicht, daß Sie damit in Sicherheit sind. Wenn der Neunerrat meinen Bericht über die Vorkommnisse auf Chanetra erhält – und das wird geschehen, sobald ich für mein Versagen gebüßt habe –, werden Sie als Todfeind aller Maahkvölker eingestuft wer den. Jedes unserer Raumschiffe und jeder einzelne Maahk wird Sie jagen, bis Sie ge stellt und vernichtet sind.« »Ich begreife Sie nicht, Greg 1«, erwider te der Kundschafter. »Niemals wird ein Kundschafter tatenlos zusehen, wie anderen Lebewesen Unrecht zugefügt wird. Warum wollen Sie dafür büßen, daß ich erfolgreich war?« »Weil ich Sie nicht durchschaut habe«, entgegnete der Maahk. »Ich hätte Sie sofort töten lassen sollen. Dafür werde ich selbst den Tod suchen – und Sie werden mir früher oder später folgen.« Der Bildschirm wurde dunkel. Algonkin-Yatta seufzte. »Diese Maahks haben wirklich eine krankhaft entartete Mentalität. Aber lassen wir das! Wir haben die Verfolger abgelenkt und verlassen die Atmosphäre Xymochs wieder. Bald gehen wir zum Interdimensi onsflug über. Skapron, Sie können inzwi schen schon damit anfangen, über Atlan zu berichten.« Khoruna Skapron schüttelte den Kopf. »Ihre Mentalität ist zumindest auch sehr sonderbar, Algonkin-Yatta. Aber schön, ich will gern erzählen, was ich über Atlan ge hört habe und welche Vermutungen mir ge kommen sind, nachdem ich durch Sie zum Nachdenken angeregt wurde.«
* »Kurz, bevor ich von den Maahks gefan gengenommen wurde, erfuhr ich, daß Atlan sich an Bord eines Raumschiffs befände, das über die normalen Transitionsknotenpunkte den Großen Kugelhaufen ansteuerte, in dem sich Arkon befindet«, erzählte Khoruna Ska
51 pron. »Da der Flottenverband, den ich damals befehligte, gerade umgerüstet wurde – bis auf den Schweren Kreuzer APTRUN –, war ich sozusagen frei für alle Arten von Son deraufgaben. Es ist nämlich eine Spezialität des Imperators, hochstehende Offiziere hin und wieder für Sonderaufgaben abzustellen, die eigentlich nicht ihrem hohen Rang ent sprechen. Ich bekam den Befehl, mit der APTRUN einen bestimmten Transitionsknotenpunkt anzufliegen und mich dort auf die Lauer zu legen. Falls das Schiff Atlans dort materiali sierte, sollte ich es abfangen und aufbringen. Atlans Raumschiff tauchte tatsächlich dort auf. Zu meiner Verwunderung handelte es sich um ein typisches Schiff der Akonen, unserer feindlichen Verwandten. Aber die Beute wurde mir von einem anderen Schiff des Imperiums abgejagt. Dabei erhielt ich Informationen, über die ich später sprechen werde. Jedenfalls verließ mich mein Glück. Die APTRUN wurde von zwei Schlachtschiffen der Maahks gestellt und zusammengeschos sen. Ich wurde, in meinem Raumanzug trei bend, von den Maahks aus dem All gefischt und nach Chanetra gebracht. Damit war das Kapitel Atlan in meinen Augen abgeschlossen, denn ich rechnete nicht damit, meine Freiheit wiederzugewin nen. Erst durch Sie kann ich wieder als frei er Arkonide denken. Ich habe mir überlegt, daß Atlan, falls es ihm wiederum gelungen sein sollte, zu entkommen, versuchen würde, seine ursprüngliche Absicht weiter zu ver folgen.« »Und was soll seine ursprüngliche Ab sicht gewesen sein?« fragte Algonkin-Yatta gespannt, während das Kundschafterschiff zum Interdimensionsflug überging. »Ich vermute die, über die KAYMUUR TES nach Arkon zu kommen«, antwortete Khoruna Skapron. »Die KAYMUURTES sind Arena-Spiele mit einer alten Tradition und gliedern sich in drei Teile. Die Sieger genießen einen Sonderstatus, und wahr
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scheinlich würde es auch Orbanaschol nicht wagen, einen KAYMUURTES-Sieger ver haften zu lassen. Im Gegenteil, er müßte ihn in aller Öffentlichkeit auf Arkon empfangen und ehren. Falls Atlan beabsichtigt, an den KAYMU URTES teilzunehmen – und wenn es ihm gelingt, als einer der Sieger daraus hervorzu gehen –, könnte er im Triumph nach Arkon zurückkehren. Natürlich würde Orbanaschol alles versuchen, um ihn heimlich beseitigen zu lassen, aber in der Öffentlichkeit würde er es nicht wagen. Atlan hätte eine gute Chance, das Volk von Arkon auf seine Seite zu ziehen und Orbanaschol zu stürzen.« »Meine Achtung von Atlan steigt immer mehr!« rief Algonkin-Yatta enthusiastisch. »Was für eine faszinierende Persönlichkeit! Wo finden die KAYMUURTES statt, Ska pron – und wann?« Der Zweifache Sonnenträger wiegte nach
denklich den Kopf. »Ich kenne das Datum nicht mehr, aber wenn mich mein Zeitsinn nicht trügt, müß ten die Spiele in vier oder fünf Tagen arko nidischer Zeitrechnung stattfinden – und zwar im Dubnayor-System.« »Dann fliegen wir schnellstens hin«, er klärte Algonkin-Yatta. Khoruna Skapron lächelte. »Vorher sollten wir uns vielleicht davon überzeugen, ob Atlan damals überhaupt sei nen Häschern entronnen ist. Ich weiß näm lich, wohin das Schiff fliegen wollte, das ihn und seine Freunde einfing.« Algonkin-Yattas Augen leuchteten auf. »Erzähle, Skapron!« forderte er. Und Khoruna Skapron erzählte …
ENDE
Lesen Sie nächste Woche ATLAN Nr. 276: Festung in der Tiefe von H. G. Ewers Zwei Sucher begegnen einander – der Kosmische Kundschafter und der Goldene