Modernes Krankenhausmanagement
R. Salfeld · S. Hehner · R. Wichels
Modernes Krankenhaus management Konzepte und Lösungen Zweite, aktualisierte und erweiterte Auflage
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Prof. Dr. Rainer Salfeld Artemed Kliniken GmbH & Co. KG Ismaninger Str. 98 81675 München
[email protected]
Dr. Reinhard Wichels McKinsey & Company, Inc. Sophienstr. 26 80333 München
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Dr. Steffen Hehner McKinsey & Company, Inc. Königsallee 60C 40027 Düsseldorf
[email protected]
ISBN 978-3-540-87398-3 e-ISBN 978-3-540-87399-0 DOI 10.1007/978-3-540-87399-0 Springer Dordrecht Heidelberg London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2008, 2009 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Satz und Herstellung: le-tex publishing services oHG, Leipzig Einbandgestaltung: deblik, Berlin Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.de)
Geleitwort
Das deutsche Krankenhauswesen ist in Bewegung geraten. Steigende Kosten, wachsender Unmut bei Ärzten und Pflegekräften, gekoppelt mit dem Wunsch der Menschen nach mehr Gesundheitsdienstleistungen, bewirken einen Paradigmenwechsel in der Organisation der stationären Krankenhausversorgung in Deutschland. Der Staat greift bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zunehmend auf wirtschaftliche Marktmechanismen zurück und erhöht damit die Eigenverantwortlichkeit der Bürger sowie die Effizienz der Krankenhäuser. Diesbezüglich sind die Einführung der deutschen DRGs (Diagnosis Related Groups), die im Gesundheitsmodernisierungs-gesetz (GMG) enthaltenen Ansätze von sektorübergreifender Medizin und die Veröffentlichungspflicht von Qualitätsberichten für deutsche Krankenhausträger als gesetzgeberischer Meilenstein zu werten. Diese Ansätze wurden im Wettbewerbsstärkungsgesetz des Jahres 2007 weiterentwickelt. Transparenz in der Preisgestaltung und der medizinischen Qualität sowie die Überwindung der artifiziellen Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Medizin sind somit zu zentralen Eckpunkten in der Transformation von staatlicher Krankenhausplanung zu einem funktionierenden Krankenhausmarkt geworden. Für das einzelne Krankenhaus sind die mit dieser Transformation verbundenen Veränderungen in ihrer Grundsätzlichkeit nicht zu unterschätzen. An vielen Orten machen sie den betroffenen Leistungskräften und Mitarbeitern auch Angst. Beinahe im Wochentakt werden Studien von selbsternannten Gesundheitsexperten veröffentlicht, die den Tod einer Vielzahl von Krankenhäusern prognostizieren. Auch wenn diese Untergangsszenarien überzogen sind, bleibt es doch richtig, dass es in der deutschen Krankenhauslandschaft zu einem Verdrängungswettbewerb gekommen ist. In Stein gemeißelte Existenzgarantien scheinen über Nacht gegenstandslos geworden zu sein. Um in der Zukunft als Krankenhaus zu überleben, müssen Effizienz und Qualität der medizinischen Dienstleistungen stimmen. Damit entwickelt sich das Krankenhauswesen zusehends zu einem tatsächlichen Krankenhausmarkt, ähnlich wie wir ihn in den meisten anderen Wirtschaftsbereichen kennen. Effizienz und Qualität stellen sich allerdings nicht von allein ein, sondern bedürfen, wiederum in Analogie zu allen anderen Wirtschaftsbranchen, eines kompetenten Managements. Genau hier setzt das vorliegende Buch „Modernes Krankenhausmanagement – Konzepte und Lösungen“ an. Klar und übersichtlich gegliedert in neun Kapitel fassen die drei Autoren des vorgelegten Buches Herausforderungen und Lösungskonzepte auf flüssig geschriebe-
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Geleitwort
nen rund 200 Seiten zusammen. Nach einer kurzen Beschreibung des Ist-Zustandes der deutschen Krankenhäuser, der erfreulicherweise auf deren Leistungsfähigkeit abhebt, gehen die Autoren zunächst auf das Phänomen des Wettbewerbs um Patienten ein. Es folgen Hinweise auf notwendige Veränderungen von Verwaltungsstrukturen in Managementstrukturen. Dabei wird der Vorstellung übersichtlicher Controllingfunktionen breiter Raum gegeben. Als Herzstück des Buches beschäftigen sich die Autoren mit patientenzentrierten Behandlungsabläufen, die sie zu Recht als Schlüssel zu Wirtschaftlichkeit und Qualität herausheben. Es folgen Abhandlungen zum Qualitätsmanagement sowie zur erfolgreichen Vermarktung von klinischen Leistungen. Ausführungen zu tertiären Dienstleistungsbereichen und der transsektoralen Versorgung aus Sicht des Krankenhauses sowie eine überaus interessante Diskussion über Produktportfoliostrukturierung innerhalb des Krankenhauses bilden den Abschluss. Spätestens mit der hier vorgelegten 2. Auflage hat das Buch sich fest unter den führenden Veröffentlichungen zum Krankenhausmanagement etabliert. Den drei Autoren gelingt es, die konzeptionelle Stärke und Qualität der Beratungsfirma McKinsey mit den praktischen Erkenntnissen der Artemed Klinikgruppe zu verbinden und ein Buch zu schreiben, das weit über trockene betriebswirtschaftliche Zusammenhänge und Konzepte hinausgeht. Geholfen hat ihnen dabei sicher ihr persönlicher Hintergrund als Arzt, Pharmazeut und Rechtsanwalt. Das Buch wird dazu beitragen, die Effizienz und Qualität innerhalb des deutschen Krankenhauswesens zu verbessern. Den drei Autoren sei dafür herzlich gedankt. Der Veröffentlichung wünsche ich eine weite Verbreitung. Prof. Dr. med. Jörg F. Debatin Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Vorwort
Noch in jüngster Vergangenheit war es für Krankenhausmanager kaum möglich, die besten Organisationsmodelle und Führungsprinzipien für das eigenen Haus nutzbar zu machen. Während die Geschichte und Geschäftssituation des eigenen Hauses natürlich gut bekannt waren, fehlte es an Erfahrungen und Erkenntnissen aus anderen Häusern. Denn nur die wenigsten Krankenhäuser waren Teil eines lokalen oder regionalen Verbundes. Zudem gab es keine wirkliche Datentransparenz, was Qualität der Leistungserbringung und Wirtschaftlichkeit anbelangte. Weder im regionalen Vergleich noch bundesweit. Beides hat sich inzwischen gründlich geändert: Aktuell sind 71% aller Krankenhäuser deutschlandweit in Verbundstrukturen organisiert.1 Mit der Einführung des DRG-Systems, der Verpflichtung zur regelmäßigen Veröffentlichung von Qualitätsberichten sowie ganz besonders den statistischen Auswertungen des InEK verbesserten sich zugleich auch Datenverfügbarkeit und ‑transparenz. Vor diesem Hintergrund haben wir, die Autoren des vorliegenden Buches, uns entschlossen, die besten Organisationsmodelle für betriebliche Abläufe zu beschreiben und den Lesern transparent zu machen. Angesichts des ständig steigenden Wirtschaftlichkeitsdrucks möchten wir den Krankenhäusern so eine Hilfestellung geben, ihre Prozesse intelligent zu organisieren und kontinuierlich gute klinische Leistungen zu wettbewerbsfähigen Kosten zu erbringen. Durch diese Neuorganisation sollten weitere Arbeitsverdichtungen für die Mitarbeiter vermeidbar, die Zeit für die Zuwendung zum Patienten vermehrt und die Fehlerrisiken in Diagnose und Therapie vermindert werden. Die Inhalte unseres Buches beruhen auf Erfahrungen, die wir bei der Beratung von mehr als 30 größeren Krankenhäusern und Krankenhausgruppen im Bundesgebiet sammeln konnten. Wir möchten an dieser Stelle den Führungskräften und Mitarbeitern unserer Klienten ganz herzlich für vorbildliche Zusammenarbeit danken – allen voran unseren Freunden bei Vivantes, beim Klinikum der JohannesGutenberg-Universität Mainz und beim Klinikverbund Südwest. Darüber hinaus danken wir unseren Freunden und Kollegen Dr. Benjamin Behar, Dr. Clemens Guth, Dr. Christian Kloss, Dr. Thomas Kowallik, Dr. Tobias Möhlmann, Dr. Christian Pawlu, Dr. Thomas Rudolph, Dr. Sebastian Sieler, Dr. Jan Hartmann, Dr. Sören Eichhorst und Dr. Julia Sperling für ihre Unterstützung bei der Dr. Behar B.I. (2009)
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Vorwort
Konzeption und Erstellung dieses Buches. Jeder von ihnen hat mit großem Fachwissen und Engagement an den Schwerpunktthemen mitgearbeitet. Für die Unterstützung und fachliche Betreuung des Gesamtprojekts danken wir Jan Ascher und Dr. Maren Rowold; außerdem Dr. Georg Klymiuk, unserem Editor, für die Verständlichkeit und argumentative Klarheit des Manuskripts. Unser besonderer Dank gilt schließlich Frau Julia Coral und Heike Felske die in tage- und nächtelanger Arbeit die Manuskriptfassungen erstellten und konsolidierten. Als Autoren würden wir uns sehr freuen, wenn die hier vorgestellten Erkenntnisse den deutschen Krankenhäusern helfen, ihre Abläufe und Prozesse auf Weltklasse-Niveau zu bringen. Schon heute ist der deutsche Krankenhaussektor insgesamt sehr viel leistungsstärker als es in der öffentlichen Diskussion den Anschein hat. Entgegen der langläufigen Meinung gehört er zu den Top 3 im internationalen Vergleich – was die Wirtschaftlichkeit anbelangt. Auch unter Qualitätsgesichtspunkten schneidet er erstaunlich gut ab. Wenn es einen Makel gibt, dann ist es nicht seine Leistungsfähigkeit insgesamt, sondern die (allzu) breite Streuung von Ergebnisqualität und Wirtschaftlichkeit im Vergleich der einzelnen Häuser. Hier bietet sich die Chance, durch systematischen „Best Practice“-Transfer auf ein insgesamt homogeneres Leistungsniveau zu gelangen. Damit stünde dem Aufstieg des deutschen Krankenhaussektors – in seiner ganze Breite! – an die Weltspitze kaum noch etwas im Weg. München/Düsseldorf, im April 2008
Prof. Dr. Rainer Salfeld Dr. Steffen Hehner Dr. Reinhard Wichels
Vorwort zur zweiten Auflage
Seit dem Erscheinen der ersten Auflage im Jahre 2007 hat sich die Lage der Krankenhäuser in Deutschland weiter verschlechtert. Mehr als ein Drittel der Krankenhäuser schreibt derzeit rote Zahlen, und auch für die übrigen wird es zusehends schwieriger, steigende Kosten durch Einsparungen zu kompensieren. Inzwischen bestreitet niemand mehr die Notwendigkeit, klinische Prozesse und unterstützende Funktionen konzertiert und wohl abgestimmt zu optimieren. Nur so wird es den Krankenhäusern ermöglicht, weiterhin Spitzenmedizin zu bieten und gleichzeitig wirtschaftlich zu arbeiten. Aus diesem Grund hat auch „Modernes Krankenhausmanagement“ seinen Platz unter den Standardwerken der Gesundheitsökonomie gefunden. Es wird heute gerne genutzt für die Ausbildung der Führungskräfte an den Universitäten sowie für Trainings- und Weiterbildungsveranstaltungen. Zudem hat es Eingang gefunden in die tägliche Praxis der Krankenhausführung, was besonders erfreulich ist. Die vorliegende zweite Auflage bietet eine ergänzte und aktualisierte Darstellung der Themen der ersten Auflage. Darüber hinaus enthält es zwei völlig neue Kapitel: Qualitätsmanagement im Krankenhaus sowie Vermarktung der im Krankenhaus erbrachten Gesundheitsdienstleistungen. Die Qualität der Leistungsbringung hat nicht nur für den Patienten allergrößte Bedeutung; sie ist zugleich das zentrale Wertversprechen, das in der Kommunikation nach außen präzise vermittelt werden muss. Insofern stehen beide Themen in einem engen inhaltlichen Kontext. Für die Unterstützung bei der inhaltlichen Überarbeitung danken wir Herrn Dr. Benjamin Behar, Herrn Dr. Sören Eichhorst, Herrn Dr. Clemens Guth, Herrn Dr. Jan Hartmann, Herrn Dr. Christian Kloss, Herrn Dr. Karl Miserok, Herrn Dr. Tobias Möhlmann, Herrn Dr. Christian Pawlu sowie Herrn Dr. Florian Then. Zu besonderem Dank sind wir dem Leiter des Zentrallabors der Kliniken der Stadt Köln, Herrn Prof. Dr. Dr. Ruprecht Keller verpflichtet; seine Überlegungen und Erkenntnisse bilden die Grundlage für unsere Ausführungen zur Optimierung des Laborbetriebes. Für die Unterstützung der Manuskriptarbeiten gilt unser Dank Frau Dr. Maren Rowold als Projektleiterin und Herrn Dr. Georg Klymiuk als verantwortlichem Editor. München, im Februar 2009
Prof. Dr. Rainer Salfeld Dr. Steffen Hehner Dr. Reinhard Wichels
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vii Vorwort zur zweiten Auflage .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abkürzungsverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xvii 1 Die deutschen Krankenhäuser – international auf dem Weg an die Spitze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Im internationalen Vergleich arbeiten deutsche Krankenhäuser sehr kostengünstig .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Zugänglichkeit und Angebotsbreite sind aus Patientensicht hervorragend .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Uneingeschränkter Zugang zu Krankenhausleistungen . . . . . 1.2.2 Volles Leistungsspektrum .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Qualität der Behandlung im Durchschnitt auf angemessen hohem Niveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Fazit: Der deutsche Krankenhaussektor ist auf dem Weg zur Weltspitze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Herausforderungen und Handlungsfelder für die Krankenhausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Sicherung der künftigen Wirtschaftlichkeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Verstärkter Wettbewerb um Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Erneuerung der Infrastruktur .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Komplexität der Krankenhausführung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Fazit: Noch nie standen die Krankenhäuser vor größeren Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3 Von der Verwaltung zum Management von Krankenhäusern . . . . . . . . . 27 3.1 Führen über Ziele und Zielvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3.1.1 Definition strategischer Ziele .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
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3.1.2 Ableitung von Verbesserungspotenzialen und Zielwerten für das operative Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Konsentierung und Vereinbarung verbindlicher Ziele . . . . . . 3.2 Mit dezentralen Organisationsstrukturen zum Erfolg . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Das traditionelle „Dreigestirn“ als Auslaufmodell . . . . . . . . . . 3.2.2 Gestaltungskriterien für eine unternehmerisch handelnde Führungsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Auswahl der jeweils geeignetsten Organisationsoption . . . . . 3.3 Mit Kennzahlen steuern .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Anforderungen an nutzerorientierte Kennzahlensysteme .. . 3.3.2 Kriterien für die Definition adressatengerechter Kennzahlen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Fazit: Schwachstellen in der Organisation frühzeitig auszuräumen, schafft Vorteile im Wettbewerb .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe – Schlüssel zu mehr Wirtschaftlichkeit und Qualität .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Ausrichtung auf Abläufe und Prozesse hilft, „Silodenken“ zu überwinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Klinischer Behandlungspfad – zur Definition und Relevanz des Begriffs .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Funktion und Nutzen von Pfaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Von der Konzeption zur Implementierung von Pfaden . . . . . 4.1.4 Erfolgsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.5 Fazit: Bis zum papierlosen, transsektoralen Versorgungspfad ist es noch ein weiter Weg . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Im OP-Bereich: Behandlungspfade ermöglichen eine Gesamtsteuerung der Abläufe und Interaktionen – mit kontinuierlichen Produktivitätsverbesserungen .. . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Erhebliche Schwachstellen im OP-Betrieb .. . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Stoßrichtungen zur Prozessoptimierung im OP-Bereich .. . . 4.2.3 Fazit: Um nachhaltige Verbesserungen im OP-Bereich zu erreichen, bedarf es einer Gesamtsicht auf Abläufe und Schnittstellen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Auf der Intensivstation: Etablierung fester Standards ermöglicht eine patientenzentrierte und zugleich wirtschaftliche Betreuung . . . 4.3.1 Funktion und Einsatzspektrum von Intensivstationen .. . . . . 4.3.2 Dringlichkeit eines effizienteren Ressourceneinsatzes . . . . . . 4.3.3 Organisatorische Anpassungen bei Bettenkapazitäten und Personalbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Fazit: Optimierung erfordert Transparenz .. . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 In der Radiologie: Leitlinien erhöhen die Leistungsfähigkeit der Abteilung und treiben die technologische Weiterentwicklung voran 4.4.1 Durchgängige Prozessoptimierung – von der Anmeldung bis zur Befundung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Flankierende Maßnahmen zur Prozessunterstützung .. . . . . .
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4.4.3 Effizienter und flexibler Personaleinsatz .. . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4 Fazit: Eine leistungsstarke Radiologie ist wesentlich zur Differenzierung im Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 In der Notaufnahme: Am Startpunkt der Pfade werden die Akzente gesetzt – für die Behandlung wie auch für den Dialog mit Einweisern und Patienten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Sehr unterschiedliche Typen von Notaufnahmen – teils differenziert nach fachlicher Ausrichtung, teils nach dem Grad der Integration .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Gleiche Herausforderungen für den operativen Betrieb von Notaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3 Fazit: Der klinische Behandlungspfad beginnt in der Notaufnahme .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Im Labor: Der Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und schneller Verfügbarkeit! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.1 Ansatzpunkte für eine wirtschaftlichere Erbringung von Laborleistungen, insbesondere vor Ort . . . . . . . . . . . . . . 4.6.2 Absicherung eines akzeptablen Serviceniveaus, auch bei Fremdvergabe von Laborleistungen .. . . . . . . . . . . . 4.6.3 Management von Mengenausweitung und Nachfragedifferenzierung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.4 Fazit: An der Neuausrichtung führt kein Weg vorbei . . . . . . 5 Qualität im Krankenhaus – Das Wohl des Patienten als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1. Fokus auf Qualität in der stationären Versorgung durch zunehmende Transparenz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Bestehende Systeme zur Qualitätsmessung . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Absehbare weitere Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Im Krankenhausalltag stößt Qualitätsmanagement auf Hindernisse .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Erforderlich ist eine gesamtheitliche Konzeption des Qualitätsmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 „Total quality hospital“ – Eine Vision, die fünf Handlungsfelder umfasst .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Grundanforderungen an das Qualitätscontrolling .. . . . . . . . 5.3.3 Aktive Qualitätskommunikation sichert die Kontrolle über die Informationsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Fazit: Qualität wird in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen . . . 6 Der Weg zur erfolgreichen Vermarktung von Krankenhausleistungen 6.1 Ein überzeugendes Leistungsversprechen formulieren . . . . . . . . . . . 6.2 Auf die wesentlichen Marktsegmente konzentrieren . . . . . . . . . . . . . 6.3 Ein gewinnendes Kommunikationskonzept erarbeiten .. . . . . . . . . . 6.3.1 Dialog mit niedergelassenen Ärzten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Ansprache von Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7 Neue Ideen zur Optimierung nicht klinischer Teilfunktionen .. . . . . . . 7.1 Leistungserhebung und -messung sollten sich gleichermaßen an Kosten und Produktivität orientieren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Operative Exzellenz erlaubt es, Leistungsreserven systematisch zu erschließen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 OE-Ansätze in der Speiseversorgung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 OE-Ansätze in der Textilversorgung und Wäscherei . . . . . . 7.2.3 OE-Ansätze bei Reinigung/Hygiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Zur Optimierung der Betriebsform gibt es unterschiedliche Modelle .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1 Option 1: Interne Erbringung sämtlicher nicht klinischen Dienstleistungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2 Option 2: Managementvertrag mit externem Dienstleister . 7.3.3 Option 3: Gemeinsame Servicegesellschaft mit externem Dienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.4 Option 4: Vollständiges Outsourcing .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Fazit: Mit OE-Ansätzen lassen sich auch künftig nachhaltige Leistungssteigerungen erzielen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Anpassung der Angebotsstrukturen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Auf Abteilungs-/Stationsebene gewinnen Größen und Verbundvorteile zunehmend an Bedeutung .. . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.1 Ausweitung der Abteilungsgrößen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.2 Vergrößerung und flexiblere Nutzung von Stationen . . . . . . 8.1.3 Fazit: Schwerpunkte ausbauen und alternative Stationskonzepte nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Die Zukunft dürfte drei deutlich abgrenzbaren Krankenhaustypen gehören .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.1 Kleinere Allgemeinkrankenhäuser zur Versorgung in der Fläche .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.2 Fachkliniken in der Rolle von Spezialisten .. . . . . . . . . . . . . . . 8.2.3 Große Maximalversorger als regionaler Anlaufpunkt zur Behandlung komplexer Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.4 Fazit: Zukunftschancen bieten sich gerade für kleine Häuser, Fachkliniken und Maximalversorger . . . . . . . . . . . . . 8.3 Verbundstrukturen ermöglichen den Zusammenschluss von Krankenhäusern .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1 Überregionale Verbünde als erster Schritt, um Synergien zu erschließen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.2 Regionale Verbünde als Treiber von Integration und Konsolidierung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.3 Wege zum Erfolg im Verbund .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.4 Fazit: Verbundstrukturen erweitern die operativen und strategischen Spielräume der Krankenhäuser .. . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
9 Wege zur transsektoralen Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Was heute schon möglich ist .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.1 Aufbau von MVZen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.2 Selektive Durchführung ambulanter Operationen bei nachgewiesener Wirtschaftlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.3 Teilnahme an ausgewählten IV-Vertragsmodellen .. . . . . . . . 9.1.4 Erbringung von Leistungen nach § 116 b SGB V .. . . . . . . . . 9.2 Was künftig erforderlich ist .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.1 Orchestrierung der Integration .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.2 Aufbau der begleitenden Infrastruktur .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.3 Begleitende finanzielle Anreize und Vergütungssysteme .. . 9.3 Fazit: Transsektorale Versorgungsmodelle bieten bereits heute vielfältige Optionen, künftig werden sie über die Positionierung im Wettbewerb entscheiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Autoren- und Mitarbeiterverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Literaturverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
Abkürzungsverzeichnis
ÄD AG AHB AN AOP ASA BAT BIP BMGS BQS CAHPS CC CHOP CMI CP CT DB Destatis DIN DRG EBM EDV EFQM EKG FA FD FTE G-BA GmbH GKV GMG GSG HCG HKZ
Ärztlicher Dienst Aktiengesellschaft Anschluss-Heilbehandlung Anästhesie Ambulante Operation American Society of Anesthesiologists, Standards für Patientensicherheit Bundesangestellten-Tarif Bruttoinlandsprodukt Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung, gGmbH Consumer Assessment of Healthcare Providers and Systems Komplikationen und Komorbiditäten Children’s Hospital of Philadelphia, Philadelphia Institut für certifizierte medizinische Infomation, Index für Fallschwere Clinical Pathway Computer Tomograph Deckungsbeitrag Statistisches Bundesamt online Deutsche Industrie-Norm Disease Related Group, Diagnose-basierte Fallgruppe Einheitlicher Bemessungsmaßstab Elektronische Datenverarbeitung European Foundation for Quality Management Elektro-Kardiogramm Fachabteilung Funktionsdienst Full-Time Equivalent, Vollzeitkraft Gemeinsamer Bundesausschuss Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetzliche Krankenversicherung Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, 2004 Gesundheitsstrukturgesetz, 1994 Humanes Chorion Gonatropin Herz-Kreislauf-Zentrum, Freiburg
xviii
HNO ICD InEK INI IQWiG IT IV KBS KIS KMA KTQ M&A MIS MRT MTD MVZ NGG NYHA OE OECD OPS PACS PDA PC PD PPP PTCA
Abkürzungsverzeichnis
Hals-Nasen-Ohren International Statistics of Diseases and Related Health Problems Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, gGmbH International Neuroscience Institute, Hannover Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen Informationstechnologie Integrierte Versorgung Knappschaft Bahn-See Krankenhaus-Informationssystem Magazin für die Gesundheitswirtschaft Kooperation für Transparenz und Qualität im Krankenhaus Mergers and Acquisitions, Fusionen und Aufkäufe Management-Informationssystem Magnet-Resonanz-Tomographie Medizinisch-Technischer Dienst Medizinisches Versorgungszentrum Nahrungsmittel-Gaststätten-Genussmittel New York Heart Association, Klassifikation für Herzinsuffizienz Operative Exzellenz Organization for Economic Cooperation and Development Operationen- und Prozedurenschlüssel, DIMDI, seit 1994 Picture Archiving and Communication System Personal Digital Assistant Personal Computer Pflegedienst Purchase Power Parity, Adjustierung nach Kaufkraft Perkutane, Transluminale Coronare Angioplastie, HerzkranzgefäßErweiterung RIS Radiologie-Informationssystem RWI Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung SGB Sozialgesetzbuch TEP Total-Endo-Prothese TEMPiS „Telemedizinisches Projekt zur integrierten Schlaganfallversorgung“, Bayern TVöD Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes VK Vollzeitkraft VLBW Very Low Birth Weight, Maßzahl für Risiko-Neugeburten VWD Verweildauer WHO World Health Organization WSG Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung
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Die deutschen Krankenhäuser – international auf dem Weg an die Spitze
Noch vor kurzem hatten deutsche Krankenhäuser einen schlechten Leumund. Ihre mangelnde Leistungsfähigkeit war Topthema in Medien und Öffentlichkeit. ,,Viel zu viele Betten“, ,,überlange Verweildauern“, ,,antiquiertes Finanzierungssystem“ – Schlagworte wie diese prägten die Pressekommentare und bestimmten den Tenor der TV-Talkshows. Als überlegene Alternative wurden Erfolgsbeispiele aus anderen Ländern angeführt. Bewunderung fanden vor allem die hohe Versorgungsqualität US-amerikanischer Spitzenkliniken, das kostengünstige ,,National Health Service“System in Großbritannien oder die ambulante Facharztversorgung in den Niederlanden. Inzwischen mehren sich die Stimmen, dass Deutschlands Krankenhäuser doch wohl besser sind als ihr Ruf. Zur wachsenden Nachdenklichkeit beigetragen haben sicherlich die Protestmärsche von Ärzten und Pflegern – und natürlich auch die Medienkampagnen ihrer Interessenvertreter. Wie es scheint, ist der Arbeitsdruck im Klinikalltag besonders hoch. Und statt Verschwendung herrscht vielerorts eher Sparwut, seit Jahren schon und manchmal sicherlich übertrieben. Was stimmt nun wirklich? Wo stehen die deutschen Krankenhäuser im internationalen Vergleich? Wie sehen relevante, international nutzbare Leistungsindikatoren für die verschiedenen nationalen Krankenhaussysteme aus? Wie lässt sich Wirtschaftlichkeit verlässlich messen? Wo besteht objektiver Verbesserungsbedarf gegenüber den Krankenhaussystemen anderer Länder? Die nachfolgend dargestellten Ergebnisse eines internationalen Vergleichs lassen die Leistungen des deutschen Krankenhaussektors in einem deutlich anderen Licht erscheinen. Denn vergleicht man nationale Krankenhaussysteme hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen, so schneidet das deutsche System insgesamt erstaunlich gut ab. Bei Wirtschaftlichkeit und Kostengünstigkeit nimmt das deutsche System – selbst wenn es von Haus zu Haus noch erhebliche Unterschiede geben mag – bereits heute einen Spitzenplatz ein. Auch hinsichtlich Angebotsbreite und Zugänglichkeit erzielt das deutsche Krankenhaussystem im Ländervergleich – aus Sicht der Patienten – Bestnoten. Allein das Urteil über die Qualität fällt weniger eindeutig und positiv aus. Die Datenlage ist wenig transparent und die Einschätzungen divergieren stark, je nachdem, welche Sichtweisen man sich zu eigen macht. Zudem scheint es, wie Praxiserfahrungen vermuten lassen, durchaus fraglich, ob in jedem Einzelfall tatsächlich eine gleich hohe klinische Behandlungsqualität erreicht wird.
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1 Die deutschen Krankenhäuser – international auf dem Weg an die Spitze
International betrachtet ist der deutsche Krankenhaussektor mithin weit besser als sein Ruf. Vor allem der Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit lässt sich pauschal nicht länger aufrechterhalten. Bislang ist allerdings noch ungeklärt, wie der Sektor zukunftssicher finanziert werden kann. Darüber hinaus müssen sich die Betreiber jedes einzelnen Krankenhauses fragen, ob ihr Krankenhaus ähnlich erfolgreich zu wirtschaften vermag, wie das beste Drittel der Vergleichskrankenhäuser.
1.1 Im internationalen Vergleich arbeiten deutsche Krankenhäuser sehr kostengünstig Mit Gesamtausgaben von ca. 240 Mrd. EUR und einem Anteil von 10,6% am Bruttoinlandsprodukt (2003) gilt das deutsche Gesundheitssystem nach allgemeiner Einschätzung als unwirtschaftlich und zunehmend unfinanzierbar. Nur die USA, Schweiz und Frankreich liegen, was den Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt anbelangt, mit Werten von 15,2%, 11,5% und 11,0% noch vor Deutschland.1 Wichtigster Kostenblock innerhalb des Systems ist der Krankenhaussektor: Auf diesen entfallen rund 25% aller Kosten – bei einem Gesamtausgabenvolumen von jährlich ca. 62 Mrd. EUR.2 Unbestreitbar sind insbesondere die vielfältigen Finanzierungsprobleme der öffentlich-rechtlich geführten Krankenhäuser und die seit Jahren anhaltende Privatisierungswelle.
Gesundheitsausgaben insgesamt, 2004 Gesundheitsausgaben in Prozent des BIP
Gesundheitsausgaben Gesamt pro Kopf in EUR, PPP adjustiert
USA Schweiz Frankreich Deutschland Österreich Kanada Norwegen Australien Median Dänemark Niederlande Schweden Italien Spanien GB Japan
USA Norwegen Schweiz Österreich Fankreich Deutschland Kanada Australien Median Niederlande Dänemark Schweden GB Italien Japan Spanien
15.2 11.5 11.0 10.6 10.3 9.8 9.7 9.5 9.5 9.2 9.2 9.1 8.7 8.1 8.1 8.0
4.853 3.298 3.252 2.748 2.565 2.548 2.541 2.515 2.514 2.487 2.389 2.273 2.058 1.959 1.896 1.687
BIP pro Kopf in EUR, PPP adjustiert Norwegen USA Schweiz Niederlande Österreich Australien Kanada Dänemark Median UK Schweden Deutschland Japan Frankreich Italien Spanien
34.174 31.913 28.167 26.979 26.718 26.389 26.058 25.865 25.865 25.549 24.979 24.053 23.573 23.290 22.572 20.916
Quelle: OECD Health Data 2007, McKinsey-Kalkulation
Abb. 1.1. Die Gesundheitsausgaben liegen in Deutschland absolut über denen der Vergleichsländer, kaufbereinigt allerdings darunter
1.1 Im internationalen Vergleich arbeiten deutsche Krankenhäuser sehr kostengünstig
3
Für einen internationalen Vergleich sowohl der Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems als auch explizit des Krankenhausbereichs bieten sich die OECD Health Data 2007 an: Dieser Datensatz basiert auf den Kostendaten des Jahres 2004 und wurde standardisiert innerhalb der einzelnen Länder erhoben, um die Vergleichbarkeit der Daten zu ermöglichen.3 Adjustiert nach der jeweiligen Kaufkraft, bilden die OECD Health Data 2007 eine aussagekräftige Grundlage für den Vergleich der Leistungsausgaben innerhalb der einzelnen Länder. Auf Basis der vorliegenden Daten ergibt sich ein unerwartet positives Bild (Abb. 1.1). Bei den absoluten – und um die Kaufkraftunterschiede in den einzelnen Ländern bereinigten – Leistungsausgaben liegt Deutschland mit jährlichen Gesamtgesundheitsausgaben von 2.548 EUR je Einwohner nur unwesentlich über dem Median der OECD-Vergleichsländer von 2.514 EUR je Einwohner. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt liegen allerdings die Gesundheitsausgaben in Deutschland mit einem Anteil von 10,6% deutlich über dem Median der Vergleichsländer von 9,5%. Dieser Unterschied ergibt sich aus der schwachen ProKopf-Quote in Deutschland: Mit einem BIP von 24.053 EUR je Einwohner erreicht Deutschland gerade mal Platz 12 unter den 16 Vergleichsländern; nur Frankreich, Japan, Italien und Spanien schneiden noch ungünstiger ab. Die OECD Health Data erlauben eine weitere Differenzierung der Gesamtausgaben im Hinblick auf die einzelnen Leistungsbereiche (Abb. 1.2). So entfallen in
Ausgaben in Deutschland/Einwohner, 2004 oder letztes verfügbares Jahr 1
Kostenpostion, bei denen Deutschland unter dem Median liegt
in EUR, PPP adjustiert 2.548
98
2.450
740
191
745 508 22
157
88 Gesundheitsausgaben gesamt
Investitionen
Aktuelle Gesundheitsausgaben
Krankenhausleistungen
Altenund Pflegeheime
Ambulante Einzelhan- Leistungen Leistungen Versordel und öffentlicher der Gegung andere GesundsundAnbieter heitsorga- heitsvermedizinisationen waltung nischer Produkte
Gesundheitsleistungen anderer Industrien
Median der Vergleichsländer 2.5141
962
2.4143
9004
1885
7266
4147
278
889
4510
1 Alle Länder – Australien (2004), Österreich (2004), Kanada (2004), Dänemark (2004), Frankreich (2004), Deutschland (2004), Italien (2004), Japan (Hochrechnung 2003 auf 2004), Niederlande (2004), Norwegen (2004), Spanien (2004), Schweden (2004), Schweiz (2004), USA (2004) und England (2004 durch Hochrechnung 1999 Daten) 2 Alle Länder exkl. UK 3 Alle Länder exkl. UK 4 Alle Länder exkl. Östereich, Italien, Schweden 5 Alle Länder exkl. Östereich, Italien, Schweden 6 Alle Länder exkl. Östereich, Italien, Schweden 7 Alle Länder exkl. Östereich, Italien, Schweden 8 Alle Länder exkl. Östereich, Dänemark, Italien, Schweden 9 Alle Länder exkl. Östereich, Italien, Norwegen, Schweden 10 Alle Länder exkl. Australien, Österreich, Dänemark, Italien, Japan, Schweden, Schweiz Quelle: OECD Health Data 2005/6, McKinsey-Kalkulation
Abb. 1.2. Die stationäre Versorgung ist der größte Kostenblock des deutschen Gesundheitswesens
4
1 Die deutschen Krankenhäuser – international auf dem Weg an die Spitze
Krankenhausausgaben je Einwohner nach Komponenten 2004 Krankenhausausgaben/ Einwohner, 2004* in EUR, PPP adjustiert USA GB Norwegen Schweiz Dänemark Japan Median Australien Frankreich Niederlande Kanada Deutschland Spanien
1.552 1.160 1.157 1.147 994 916 900 884 881 853 756 740 614
Die niedrigeren KH-Gesamtausgaben/ Einwohner resultieren aus deutlich geringeren Fallkosten in Deutschland. Die geringen Fallkosten kompensieren sogar die überdurchschnittliche Anzahl KH-Fälle/Einwohner
Mengenkomponente Anzahl Entlassungen 2004* pro 100.000 Einwohner Österreich Frankreich GB Deutschland Norwegen Dänemark Schweden Australien Median Schweiz USA Spanien Japan Niederlande Kanada
27.852 26.780 23.711 20.149 17.345 17.031 16.002 15.786 15.786 15.722 12.093 10.838 10.343 10.169 8.751
Aus der Mengenkomponente ergibt sich ein Kostennachteil, da in Deutschland signifikant mehr Patienten stationär behandelt werden als in anderen Vergleichsländern
Preiskomponente OECD-Datenbasis in EUR, PPP adjustiert; 2004* USA Japan Kanada Niederlande Schweiz Norwegen Median Dänemark Spanien Australien GB Deutschland Frankreich
8.838 8.638 8.385 7.294 6.673 6.253 5.834 5.662 5.598 4.892 3.671 3.291
12.833
Aus der Preiskomponente ergibt sich ein Kostenvorteil – deutsche Fallkosten liegen deutlich unter dem Durchschnitt
* Oder letztes verfügbares Jahr Quelle: OECD Health Data 2007, OECD Health Report 2005/06, McKinsey-Kalkulationen
Abb. 1.3. Krankenhauskosten je Einwohner, stationäre Fallzahlen und Krankenhausfallkosten im internationalen Vergleich
Deutschland etwa von den zuletzt jährlich 2.548 EUR Gesamtgesundheitsausgaben je Einwohner 740 EUR auf den Krankenhausbereich. Gemessen an den Ausgaben anderer Länder für die stationäre Versorgung sind die Ausgaben in Deutschland vergleichsweise niedrig (Abb. 1.3). Nur Spanien weist im OECD-Vergleich einen noch niedrigeren Wert auf. Daher steht – auch wenn dies überraschen mag – eines fest: Die überproportional hohen deutschen Gesundheitsausgaben sind nicht dem deutschen Krankenhaussektor anzulasten. Im Gegenteil: Die deutschen Krankenhäuser erweisen sich – als Gruppe – im internationalen Vergleich als sehr wirtschaftlich und äußerst effizient. Besonders beeindruckend sind die geringen Krankenhausausgaben je Einwohner angesichts der starken Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen in Deutschland. Um die Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen verlässlich zu erheben, bieten sich zwei Indikatoren an: Verweildauer und jährliche Anzahl der stationären Entlassungen. Für das deutsche System weisen die OECD Health Data 2007 lange, aber kontinuierlich sinkende Verweildauern sowie eine große Anzahl stationärer Entlassungen aus. Mit 20.149 Entlassungen je 100.000 Einwohner (2004) übertrifft die Bundesrepublik den Median der Vergleichsländer um rund 28%; dieser liegt bei lediglich 15.786 Entlassungen je 100.000 Einwohner. Erstaunlich ist, dass die überdurchschnittlich starke Inanspruchnahme stationärer Leistungen einhergeht mit einer im internationalen Vergleich ebenfalls starken Inanspruchnahme ambu-
1.1 Im internationalen Vergleich arbeiten deutsche Krankenhäuser sehr kostengünstig
5
Gesamtkosten für Krankenhaus- und ambulante Versorgung Ausgaben/Einwohner, 2004*; in EUR, PPP adjustiert
USA
1.552
GB
Σ Krankenhaus- und ambulante Versorgung
Ambulante Versorgung
Krankenhausausgaben
USA
1.160
Schweiz
Norwegen
1.157
Dänemark
Schweiz
1.147
Norwegen
1.667
USA
1.012
Schweiz
914
3.219 2.159
Norwegen
1.982
825
Dänemark
1.908
Dänemark
994
Australien
821
Australien
1.705
Japan
916
Deutschland
745
Frankreich
1.587
Median
900
Median
726
Median
1.536
Australien
884
Frankreich
706
Deutschland
1.485
Frankreich
881
Kanada
668
GB
1.475
Niederlande
853
Niederlande
568
Japan
1.435 1.424
Kanada
756
Japan
519
Kanada
Deutschland
740
Spanien
468
Niederlande
Spanien
614
GB
315
Spanien
1.421 1.082
* Oder letztes verfügbares Jahr Quelle: OECD Health Data 2007, McKinsey-Kalkulationen
Abb. 1.4. Die ärztliche Versorgung ist in Deutschland kostengünstiger als in vielen anderen Ländern
lanter Leistungen (Abb. 1.4). Augenscheinlich besteht im deutschen System eine überdurchschnittlich hohe Nachfrage nach Versorgungsleistungen. Und bemerkenswerterweise vermögen die niedrigen Krankenhauskosten sogar die überdurchschnittlichen Ausgaben im ambulanten Bereich von 745 EUR je Einwohner (Median 726 EUR) zu kompensieren4. Damit liegt Deutschland auch in der Gesamtbetrachtung der jährlichen ambulanten und stationären Ausgaben je Einwohner mit 1.485 EUR noch unter dem Median von 1.536 EUR. Nur in Großbritannien mit 1.475 EUR, Japan mit 1.435 EUR, Kanada mit 1.424 EUR, den Niederlanden mit 1.421 EUR sowie in Spanien mit 1.082 EUR sind diese Ausgaben noch niedriger.5 Weitgehend unstrittig ist, dass es in Deutschland eine Reihe stationärer Fälle gibt, die in anderen Ländern ambulant behandelt werden. Dies mag erklären, warum Deutschland aktuell mit die höchsten stationären Fallzahlen im OECD-Vergleich aufweist. Dennoch sind die Krankenhausausgaben je Einwohner gering. Der Grund dafür liegt in den sehr niedrigen Fallkosten im internationalen Vergleich. In Deutschland belaufen sich die durchschnittlichen Krankenhauskosten je Fall für das OECD-Vergleichsjahr 2004 auf rund 3.671 EUR. Mit diesem Wert gehört das deutsche System zu den kostengünstigsten im OECD-Vergleich. Der Median der Krankenhausfallkosten der OECDVergleichsländer liegt hier bei 6.253 EUR je Fall. Die vergleichsweise niedrigen Fallkosten beruhen auf einer sehr hohen Produktivität in der Leistungserbringung,
6
1 Die deutschen Krankenhäuser – international auf dem Weg an die Spitze
aber auch auf einer vergleichsweise geringen Entlohnung der Mitarbeiter. Insgesamt machen die Personalkosten rund 64% der Gesamtkosten eines durchschnittlichen Krankenhauses aus. Schlüsselt man die Personalkosten auf, so entfallen in einem Durchschnittskrankenhaus rund 25% auf die Ärzteschaft, 34% auf das Pflegepersonal, 24% auf den medizinisch-technischen Dienst bzw. den Funktionsdienst und die restlichen 17% auf Verwaltung und sonstige Bereiche.6 Über alle Funktionen und Einzelbereiche nehmen die Kliniken in Deutschland Spitzenpositionen bei der Personalproduktivität ein (Abb. 1.5). Insgesamt liegt Deutschland bei den klinischen Diensten auf Platz 2 hinter Österreich und steht bei den nicht klinischen Diensten sogar unangefochten an erster Stelle:
• Im ärztlichen Dienst kommen auf jeden Krankenhausarzt in Deutschland im Durchschnitt 146 Entlassungen; der Median der Vergleichsländer liegt bei 103. Nur Österreich schneidet hier mit 154 Entlassungen je Arzt noch besser ab.
• Beim Pflegepersonal weisen Deutschland und Österreich mit 52 Entlassungen je Pflegekraft gemeinsam die höchste Personalproduktivität auf.
• Beim medizinisch-technischen Dienst und Funktionsdienst liegen die deutschen
Krankenhäuser international eher auf Durchschnittsniveau: Beide Dienste zusammen repräsentieren jedoch die mit Abstand kleinste Berufsgruppe im klinischen Bereich und fallen daher kostenmäßig kaum ins Gewicht. Damit
Vergleich der Personalproduktivitäten in den jeweiligen Krankenhaussystemen Anzahl Entlassungen/Arzt (in VK), 2003
Anzahl Entlassungen/ Pflegekraft (in VK), 2003
USA
D
52
NL
146 A
52
A
K.A.
D A
141 E
GB
120
GB
Anzahl Entlassungen/ klinisches Personal (in VK), 2003
Anzahl Entlassungen/ medizin.-technischer u. Funktionsdienst (in VK)
Anzahl Entlassungen/nicht klinisches Personal (in VK), 2003
274 A
31
D
D
25
DK
174
Anzahl Entlassungen/pro Krankenhausmitarbeiter (in VK), 2003 103
62
D
20
E
13
44
UK
100
GB
23
F
DK
12
41
N
91
F
19
E
43
GB
12 12
54
F
103
F
31
F
85
E
18
N
43
N
Median
103
Median
31
Median
85
Median
18
Median
43
Median
12
N
102
N
26
D
N
17
CH
36
CH
9
97
DK
25
DK
CH
24
E
DK E CH NL
84 69 K.A.
NL USA
14
K.A.
CH USA
73
DK
15
NL
28
USA
8
46
66
CH
12
UK
27
F
K.A.
41
USA
K.A.
A
K.A.
A
K.A.
NL
K.A.
USA
K.A.
NL
K.A.
K.A.
Quelle: Deutschland – Statistisches Bundesamt; GB – Office of National Statistics and Department of Health UK; USA – 2005 AMA Physician Characteristics 2003 Data, AHA 2003 Data; Spanien – Establecimientos Sanitarios en Régimen de Internado 2003; Schweiz – Swiss Federal Statistical Office; Österreich – Statistik Austria; Norwegen – Samdata Somatikk 2004; Sintef Health Research, Norway; Statistics Norway; Dänemark – Sundhedssektoren i tal 2005 (The health sector in numbers 2006), The Danish Ministry of the Interior and Health, Statistics Denmark; Niederlande – RIVM, Dutch Central Bureau of Statistics
Abb. 1.5. Deutsche Krankenhäuser arbeiten vergleichsweise sehr produktiv
1.1 Im internationalen Vergleich arbeiten deutsche Krankenhäuser sehr kostengünstig
7
behält auch die Feststellung, dass die ,,weiße Berufsgruppe“ in Deutschland – in ihrer Gesamtheit betrachtet – ein hohes Produktivitätsniveau aufweist, ihre Gültigkeit. In den nicht klinischen Bereichen der Serviceleistungen, z. B. Speiseversorgung, Reinigung und Wäsche, sowie in der Verwaltung sind die deutschen Krankenhäuser sogar auffallend produktiv: Bei gleichem Personalstand weisen sie eine um mindestens 50% höhere Produktivität auf als das nächstbeste Land (Spanien). Allerdings ist hier zu berücksichtigen, dass in deutschen Krankenhäusern viele Serviceleistungen fremdvergeben sind, während sie in anderen Ländern (noch) durch eigene Mitarbeiter erbracht werden. Statistisch lässt sich dieser Effekt leider nicht befriedigend eliminieren. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass im internationalen Vergleich insgesamt ein ordentliches Produktivitätsniveau erreicht wird – auch wenn die Zahlen selbst mit einem gewissen Maß an Vorsicht zu betrachten sind. Wenngleich die Beschäftigten in deutschen Krankenhäusern sehr viel leisten, verdienen sie keineswegs mehr als ihre Kollegen im Ausland. Im Gegenteil: Die höchste Produktivität geht einher mit einem tendenziell sehr niedrigen Gehaltsniveau. Für einen wirklich validen Vergleich fehlt es derzeit allerdings an einer zuverlässigen, allgemein zugänglichen Datenbasis. Hinzu kommt, dass sich in der Vergangenheit das Untersuchungsinteresse vorzugsweise auf Einkommensvergleiche konzentrierte, was zu erheblichen methodischen Mängeln führte und die Aussagekraft der Vergleiche entsprechend reduzierte. Von Land zu Land wurden
in Tsd. EUR (PPP adjustiert), 2006
Durchschnittliche Vergütung von KH-Ärzten USA
180
GB Norwegen Deutschland Schweden
Durchschnittliche Vergütung von Pflegepersonal 48
114
45
79 72 67
43 37 37
Quelle: McKinsey, Anonymisierte Klientendaten, 2006
Abb. 1.6. Das Einkommen von Ärzten und Pflegepersonal ist in deutschen Krankenhäusern vergleichsweise gering
8
1 Die deutschen Krankenhäuser – international auf dem Weg an die Spitze
unterschiedliche Einkommensbestandteile wie etwa Privatliquidationen oder die Vergütung von Bereitschaftsdiensten in die Berechnung einbezogen. Zudem wurden die beträchtlichen Unterschiede in der beruflichen Qualifikation der in den Krankenhäusern jeweils tätigen Ärzte und Pfleger nicht angemessen berücksichtigt. Um diese methodischen Probleme zu umgehen, hat McKinsey auf Basis entsprechender Klientendaten jeweils die jährlichen Gesamtpersonalkosten je Vollzeitkraft (VK) für ausgewählte Industrieländer kaufkraftparitätisch verglichen. Ziel war es, die im OECD-Vergleich erstaunlich günstige Kostenposition der deutschen Krankenhäuser weiter zu plausibilisieren.7 Nach den Analysen ergeben sich für den ärztlichen Dienst in Deutschland durchschnittliche Kosten von 72.000 EUR je VK. Damit liegt Deutschland deutlich unter den USA (180.000 EUR), und Großbritannien (114.000 EUR) und immer noch rund 10% unter Norwegen (Abb. 1.6). Lediglich schwedische Kliniken weisen mit etwa 67.000 EUR günstigere Personalkosten auf. Für den Pflegebereich ergibt sich ein ähnliches Bild, wenngleich die Varianz zwischen den Ländern geringer ist. Deutschland und Schweden weisen hier mit durchschnittlich 37.000 EUR eher niedrige Kosten auf. In den USA sind es 48.000 EUR, in Großbritannien 45.000 EUR und in Norwegen 43.000 EUR je Vollzeitkraft.
1.2 Zugänglichkeit und Angebotsbreite sind aus Patientensicht hervorragend Die geringen Behandlungskosten für einen Patienten in Deutschland gehen nicht zu Lasten der Zugänglichkeit oder des Angebots. Aus Sicht der Patienten bietet das deutsche Krankenhaussystem vielmehr Zugänglichkeit für alle, ein breites Angebot an diagnostischen und therapeutischen Leistungen sowie insgesamt ein zumindest angemessenes Qualitätsniveau (Abb. 1.7). Aller Voraussicht nach werden diese qualitativen Elemente des deutschen Gesundheitssystems auch in Zukunft Bestand haben. Voraussetzung dafür ist jedoch eine Veränderung des Finanzierungssystems: Denn die Kopplung der Finanzierung der Krankenkassen an das Lohneinkommen der deutschen Arbeitnehmer wird auf Dauer nicht ausreichen, dem Gesundheitssystem genügend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Die laufenden Reformdiskussionen zielen daher auch darauf ab, die Leistungsfähigkeit des Systems durch Verbreiterung der Finanzierungsgrundlage zu erhalten – unabhängig davon, ob die Lösung nun eine Gesundheitspauschale, Bürgerversicherung oder der Gesundheitsfonds ist. Als besondere Stärken des deutschen Systems sind festzuhalten: zum einen der uneingeschränkte Zugang zu den stationären Leistungen, zum anderen ein immer noch uneingeschränktes Leistungsangebot auf angemessenem Qualitätsniveau. Angesichts der im internationalen Vergleich geringen Krankenhausausgaben ist dies zweifellos eine beachtliche Leistung.
1.2.1 Uneingeschränkter Zugang zu Krankenhausleistungen Je nach Land gestaltet sich der Zugang zu Krankenhausleistungen sehr unterschiedlich. Während die USA als häufig genanntes Vorbild ihre stationäre Spitzenmedizin
1.2 Zugänglichkeit und Angebotsbreite sind aus Patientensicht hervorragend
9
Abb. 1.7. Die Qualität eines Gesundheitssystems lässt sich in drei Dimensionen beurteilen
nur einem Teil der Bevölkerung zugänglich machen, steht das deutsche System in allen Vergleichsdimensionen der gesamten Bevölkerung offen:
• Wahlfreiheit. Wie in vielen europäischen Vergleichsländern haben Patienten in Deutschland freie Krankenhauswahl. In Großbritannien, Spanien und Portugal ist die Krankenhauswahl hingegen sehr stark eingeschränkt.
• Erfordernis von Zuzahlungen. Bei den Zuzahlungen nimmt Deutschland eine Mittelstellung ein: Die Zahlungen sind auf 280 EUR (28 Tage à 10 EUR) im Jahr begrenzt, zudem bestehen vielfältige Ausnahmeregelungen mit Zuzahlungsbefreiung. Demgegenüber gibt es in Ländern wie Dänemark, den Niederlanden und Kanada keinerlei Zuzahlungen, während die Zuzahlungen in Österreich und Frankreich jeweils über dem deutschen Niveau liegen.8
• Art der Einweisung. Der Zugang zu Krankenhäusern in Deutschland ist über elektive Einweisung des behandelnden Arztes und/oder über die Notaufnahme möglich. Aus Patientensicht erhält das deutsche System für beide Zugangswege Bestnoten (Abb. 1.8).
Die Notaufnahme wird in Deutschland vergleichsweise wenig genutzt: Bei einer Befragung des Commonwealth Fund Health Policy Survey of Sicker Adults9 gaben lediglich 28% aller Teilnehmer aus Deutschland an, in den vergangenen zwei Jahren
10
1 Die deutschen Krankenhäuser – international auf dem Weg an die Spitze
Abb. 1.8. Das deutsche Krankenhaussystem ist aus Sicht vieler Patienten vorbildlich
in der Notaufnahme gewesen zu sein. In den Vergleichsländern waren es jeweils deutlich über 40%. Wesentlicher Grund für die seltene Nutzung dieses Zugangswegs in Deutschland ist die gute Versorgung der Patienten durch die niedergelassenen Ärzte. Lediglich 6% der Befragten in Deutschland gaben an, dass sie die Notaufnahme wegen einer Krankheit aufgesucht hatten, die gegebenenfalls auch ein niedergelassener Arzt hätte behandeln können. In allen anderen Ländern, mit Ausnahme Neuseelands, war der Anteil der Teilnehmer, die aus diesem Grund die Notaufnahme aufgesucht hatten, mindestens doppelt so hoch.
• Wartezeiten. Auch bei den Wartezeiten nimmt Deutschland eine Spitzenstellung ein, wie Patientenbefragungen zeigen (Abb. 1.8):
− In der Notaufnahme werden zwei Drittel aller Patienten innerhalb einer Stunde behandelt. Kein anderes Land erreicht dieses Serviceniveau. − Bei den elektiven Einweisungen verhält es sich ähnlich: In Deutschland warten 59% aller Patienten weniger als einen Monat auf elektive Eingriffe. Nur die USA und Australien, wo die entsprechende Quote bei 53% bzw. 48% liegt, können hier annähernd mithalten.
1.2 Zugänglichkeit und Angebotsbreite sind aus Patientensicht hervorragend
11
1.2.2 Volles Leistungsspektrum Dass die Bundesrepublik Deutschland trotz der Finanzierungsprobleme der vergangenen Jahre im Stande ist, das komplette Spektrum stationärer Versorgungsleistungen anzubieten, wird allgemein als eine besondere Stärke des Standorts anerkannt. Mit dieser Leistungsbreite werden auch die Auflagen des Gesetzgebers erfüllt, wie sie als Grundprinzipien im SGB V festgeschrieben sind. Nur wenige Einzelleistungen, etwa kosmetische Operationen oder Magenbandoperationen, werden dabei vom Gesetzgeber explizit ausgeschlossen.
1.2.3 Qualität der Behandlung im Durchschnitt auf angemessen hohem Niveau Unter ,,Qualität der Behandlung“ wird in der öffentlichen Diskussion sehr Unterschiedliches verstanden. Wer die Frage ,,Was ist Behandlungsqualität?“ korrekt beantworten will, kommt nicht umhin, zwischen Ergebnis- und Prozessqualität zu unterscheiden:
• Als medizinische Ergebnisqualität wird das Gesamtresultat aller diagnostischen
und therapeutischen Bemühungen bei der Behandlung eines Patienten bezeichnet. Gemessen wird die Ergebnisqualität anhand harter Endpunkte. Die geläufigsten allgemeinen Endpunkte sind Krankenhaussterblichkeitsrate, Infektionsrate sowie Revisionen und ungeplante Wiederaufnahmen. Dazu gibt es eine Reihe indikationsspezifischer Ergebnisqualitätsparameter, besonders aussagekräftig ist der postoperative prozentuale Anteil der Patienten mit Nierenfunktionsstörungen und neurologischen Komplikationen nach Aortenklappenchirurgie.10
• Unter
Prozessqualität wird die Beachtung üblicher State-of-the-Art-Behandlungsstandards bzw. – in den Fällen, in denen definierte Behandlungspfade vorliegen – die exakte Einhaltung solcher Pfade verstanden. Bekommt jeder Myokardinfarkt-Patient bereits bei der Aufnahme Aspirin und Betablocker verabreicht? Erhalten alle Patienten die vorgesehene Antibiotikaprophylaxe? Gibt es für jeden Patienten den obligatorischen Nachsorgetermin? So verstanden stellt die Prozessqualität eine Vorstufe zur Messung der Ergebnisqualität dar. Dabei wird unterstellt, dass sich hohe Prozessqualität in einer vergleichsweise höheren Ergebnisqualität niederschlägt. Die Messung der Prozessqualität hilft, die Ursachen einer unzureichenden Ergebnisqualität zu ermitteln.
Wie Qualität bewertet wird, ist zudem von der jeweiligen Sichtweise der bewertenden Instanz abhängig. Auf der einen Seite gibt es objektive Sichtweisen, z. B. des Krankenhauses, der Krankenkassen oder der Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung (BQS), auf der anderen die subjektive Sichtweise des Patienten. Je nach Sichtweise können die Einschätzungen massiv differieren, da die einzelnen Parteien dieselben Merkmale durchaus unterschiedlich gewichten. So ist die Kommunikation zwischen Patient, Arzt und Pflegekraft aus Patientensicht gewiss sehr wichtig, aus Sicht des Krankenhauses nicht unbedingt. Mit fortschreitender Patientenzent-
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1 Die deutschen Krankenhäuser – international auf dem Weg an die Spitze
rierung gewinnen allerdings Themen wie Kommunikation auch aus Sicht der Leistungserbringer immer mehr an Bedeutung. Auf internationaler Ebene gibt es bisher kaum Vergleiche der Ergebnis- und Prozessqualität zwischen den verschiedenen Krankenhaussystemen. Oftmals existieren nicht einmal die erforderlichen Daten auf nationaler Ebene. Dass solche Informationslücken bestehen können, ist Indikator für die eher geringe Relevanz von Ergebnis- und Prozessdaten in der Vergangenheit. Keine der beteiligten Interessengruppen hat bisher vollständige Transparenz bei den Daten zur Outputqualität gefordert, geschweige denn ihr Verhalten auf Grund dieser Daten geändert. Die Krankenkassen haben die Kosten primär als Steuerungsgröße verwendet. Die Einweiser basieren ihre Entscheidungen im Wesentlichen auf persönlichen Kontakten sowie historischen Erfahrungen. Im Regelfall folgen die Patienten noch immer den Empfehlungen ihres Arztes oder ihrer Angehörigen. Diese Verhaltensmuster beginnen gerade erst, sich langsam zu ändern. Und zwar überall dort, wo erhebliche Qualitätsunterschiede bzw. Missverhältnisse zwischen Qualität und Kosten zu Tage treten. Oder wo Datentransparenz die Entscheidungsfindung spürbar erleichtert. Mit den seit 2004 bzw. 2005 regelmäßig vorgelegten BQS- und KTQ-Berichten hat Deutschland inzwischen eine Vorreiterrolle bei der Qualitätsberichterstattung übernommen. Für insgesamt 20 Indikationen werden damit 169 Qualitätsindikatoren bestimmt – anhand der Dimensionen Indikationsqualität, Ergebnisqualität und Prozessqualität. Zudem wurden für die jeweiligen Indikatoren Referenzbereiche festgelegt, die eine Bewertung der Ergebnisse zulassen. Krankenhäuser, die den Referenzbereich überschreiten, werden angehalten, gezielt die Versorgungsqualität zu steigern. Die BQS-Daten der 1.501 teilnehmenden Krankenhäuser, die dem einzelnen Patienten oder zuweisenden Arzt allerdings nur anonymisiert zur Verfügung stehen, übertreffen in Breite und Tiefe die entsprechende Qualitätsberichterstattung vieler anderer Länder. Nur in den USA sind bisher, z. B. durch die Hospital Quality Initiative, ähnlich große Anstrengungen in Sachen Qualitätsberichterstattung unternommen worden.11 Die Ergebnisse des BQS-Qualitätsreports 2005 verdeutlichen, dass die Qualität von Diagnose und Therapie in vielen Krankenhäusern hervorragend ist. Leider jedoch nicht in allen! Vergleicht man die Messdaten für die 169 Qualitätsindikatoren, so wurden 2005 im Durchschnitt aller Krankenhäuser 21% der Ziele vollständig, 63% der Ziele teilweise erreicht und 10% der Ziele verfehlt. Bei den verbleibenden 6% der Indikatoren konnte der Zielerreichungsgrad nicht bewertet werden.12 Die Ergebnisse könnten noch besser sein, wenn die Behandlungsqualität in Deutschland von Klinik zu Klinik weniger stark variierte. Am Beispiel der Cholezystektomie (d. h. Entfernung der Gallenblase) lässt sich dies verdeutlichen:13
• Letalität. Untersucht wurde hier die Letalität von Patienten mit niedrigem bis
mittlerem Operationsrisiko (ASA 1 bis 3). Die Gesamtrate liegt bei 0,39%, die Bandbreite für die Krankenhäuser reicht allerdings von 0,0 bis 7,7%. Insgesamt sind 35% der Krankenhäuser aus Sicht des BQS auffällig.
1.2 Zugänglichkeit und Angebotsbreite sind aus Patientensicht hervorragend
13
• Reinterventionsrate. Die Gesamtrate liegt bei 1,68%, die Bandbreite der Kranken-
häuser reicht von 0,0 bis 14,3%. Auch hier sind 36% der Krankenhäuser laut BQS auffällig.
• Eingriffsspezifische Komplikationen. Insgesamt hatten 3,69% aller Patienten, die
sich 2005 einer Cholezystektomie unterzogen, zumindest eine eingriffsspezifische Komplikation. Auch hier ist die Bandbreite der Krankenhäuser mit 0,0 bis 16,0% sehr groß.
In einer Befragung des Commonwealth Fund 2005 wurden darüber hinaus Angaben zu Ergebnisqualität und Prozessqualität erhoben.14 Dazu wurden Patienten befragt, ob im Anschluss an ihre Krankenhausbehandlung eine Nachbehandlung in der Notaufnahme oder gar eine stationäre Wiederaufnahme notwendig war. Nach einem Krankenhausaufenthalt kehren in Deutschland nur 4% aller Patienten mit Komplikationen zurück in die Notaufnahme, weitere 6% werden stationär aufgenommen. In den Vergleichsländern müssen bis zu 15% aller Patienten nach der Entlassung wieder stationär aufgenommen werden. Zurückzuführen sind die
Abb. 1.9. Im Urteil der Patienten schneiden deutsche Krankenhäuser nur beim Entlassmanagement deutlich schlechter ab als Vergleichsländer
14
1 Die deutschen Krankenhäuser – international auf dem Weg an die Spitze
positiven Werte für Deutschland auf die hohe Qualität der stationären Behandlung ebenso wie auf die gute ambulante Versorgung durch die niedergelassenen Ärzte. Befragt wurden die Patienten auch zur Schmerzkontrolle im Krankenhaus, einer weiteren Dimension der subjektiven Ergebnisqualität. Hier schneiden die deutschen Kliniken ebenfalls gut ab. Im internationalen Vergleich belegen sie hinter den australischen Kliniken den zweiten Platz. 81% der Befragten gaben an, das Krankenhauspersonal habe in ihrem Fall alles unternommen, um die Schmerzen nach Möglichkeit zu begrenzen. Dies ist sicherlich ein erfreuliches Ergebnis, auch wenn das Gesamtniveau durchaus noch verbesserungsfähig scheint. Die einzige Dimension, wo deutsche Krankenhäuser aus Sicht der Patienten vergleichsweise schlecht abschneiden, ist das Entlassmanagement. Die deutschen Patienten empfanden sowohl die Angaben zur weiteren Behandlung in anderen stationären oder ambulanten Einrichtungen als auch die Verhaltensweisungen nach Abschluss der Behandlung als eher unzureichend. Fast drei Viertel der Befragten hatten keine klaren Empfehlungen erhalten, wie sie sich bei einem Auftreten neuer Symptome verhalten sollten. Die Hälfte bemängelte, dass weitere Maßnahmen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus nicht arrangiert wurden (Abb. 1.9).15 Insgesamt bewegen sich die Patientenbewertungen zum Aufenthalt in deutschen Krankenhäusern jedoch im internationalen Vergleich auf einem sehr guten Niveau. Ein ähnlich positives Meinungsbild ergibt sich aus einer im Januar 2007 durchgeführten repräsentativen Befragung; hier bewerten 66% aller Patienten die deutschen Kliniken mit ,,exzellent“, ,,sehr gut“ oder ,,gut“.16 Dieser Wert ist gut vergleichbar mit den Ergebnissen einer Umfrage für US-Krankenhäuser. Ihr zufolge bewerten – auf einer aufsteigenden Skala von 0 („schlecht“) bis 10 („sehr gut“) – 56% der befragten US-Patienten ihre Klinik mit 9 oder 10, lediglich 12% vergeben eine Note von 0 bis 6.17
1.3 Fazit: Der deutsche Krankenhaussektor ist auf dem Weg zur Weltspitze Das deutsche Krankenhaussystem ist somit weitaus besser als sein Ruf. Berücksichtigt man zudem die laufenden Reformbemühungen, so kann es möglicherweise schon bald zur Weltspitze aufrücken. Dies mag überraschen, da die öffentliche Diskussion nach wie vor von großen Vorbehalten gegenüber dem stationären Sektor geprägt ist. Offensichtlich besteht eine tiefe Kluft zwischen der empfundenen Leistungsfähigkeit und Qualität deutscher Krankenhäuser einerseits und den faktisch vorliegenden Vergleichsdaten andererseits. Vor diesem Hintergrund sollte von allen, die sich an der öffentlichen Diskussion zu diesem Thema beteiligen, zuallererst anerkannt werden, dass die Wirtschaftlichkeit des deutschen Krankenhaussystems ganz wesentlich auf dem großen Engagement und der harten Arbeit aller in diesem Sektor Beschäftigten beruht – bei international vergleichsweise niedrigen Personalkosten. Zudem ist anzumerken, dass die hohe Produktivität der deutschen Krankenhäuser gewiss auch daraus resultiert,
Endnoten
15
dass vielerorts die Mängel einer bisweilen noch suboptimalen Ablauforganisation durch hohen persönlichen Einsatz ausgeglichen werden. In der Optimierung der Prozesse und Abläufe dürfte deshalb auch eine der größten Zukunftshoffnungen des deutschen Krankenhaussektors liegen. Wenngleich die Bewertungsergebnisse im internationalen Vergleich relativ gut ausfallen, sollten sich die Träger und Beschäftigten der deutschen Krankenhäuser nicht in der trügerischen Sicherheit wiegen, die größten Anpassungsprobleme seien inzwischen bewältigt. Im Gegenteil: Die Herausforderungen werden noch deutlich zunehmen. Denn die Leistungserwartungen der Patienten steigen sprunghaft und der Wettstreit der Krankenhäuser um die begrenzten finanziellen Mittel verschärft sich immer mehr.
Endnoten 1
OECD Health Data 2005, Statistisches Bundesamt. Statistisches Bundesamt. 3 Insgesamt werden in den OECD Health Data 2005 die Daten für 30 Länder erfasst. Um die Aussagekraft des Vergleichs zu erhöhen, wurde die Zahl der Vergleichsländer in den Auswertungen dieses Kapitels allerdings auf die folgenden 15 Länder beschränkt: USA, Norwegen, Australien, Schweiz, Niederlande, Dänemark, Österreich, Kanada, Schweden, Frankreich, Japan, Italien, Spanien, England und Deutschland. 4 OECD Health Data 2005, 2006, McKinsey-Kalkulationen. 5 Die niedrigen ambulanten Ausgaben je Einwohner von jährlich 315 EUR erklären die unerwartet hohen Krankenhausausgaben von jährlich 1.160 EUR je Einwohner in Großbritannien. Die Abgrenzung der beiden Leistungsbereiche ist unscharf, da in Großbritannien ein Großteil der ambulanten fachärztlichen Versorgung im Krankenhaus stattfindet. 6 Statistisches Bundesamt, Gesundheitswesen – Kostennachweis der Krankenhäuser, Fachserie 12, Reihe 6.3. 7 Als Vergleichsgruppe wurden Lehrkrankenhäuser der Maximalversorgung in Großstädten definiert. 8 Leistungskatalog des Gesundheitswesens im internationalen Vergleich, Fritz Beske Institut für Gesundheits-System-Forschung, August 2005. 9 Schoen et al.: Taking the Pulse of Health Care Systems: Experiences of Patients with Health Problems in Six Countries, November 2005. 10 BQS-Qualitätsreport 2005, Qualität sichtbar machen, Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung. 11 Hospital Quality Initiative Overview – Centers for Medicare and Medicaid Services, December 2005. 12 Bei den Grenzwerten zur Messung der Zielerreichung handelt es sich entweder um fixe Referenzwerte aus der Literatur oder um festgelegte Perzentil-Referenzbereiche, basierend auf den BQS-Ergebnissen. Zur Festlegung der Perzentil-Referenzbereiche wird ein prozentualer Anteil der BQS-Daten, z. B. die schlechtesten 5%, als auffällig definiert. Die fixen Referenzwerte repräsentieren somit im Prinzip internationalen Standard, da hierfür oftmals publizierte Ergebnisse internationaler Studien verwendet werden. Bei den meisten Indikatoren handelt es sich allerdings auf Grund fehlender internationaler Vergleichsdaten um Perzentil-Referenzbereiche. Vgl. dazu Mohr VD, ,,Wie gut sind deutsche Krankenhäuser?“ – Beispiele aus den Ergebnissen 2005, Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung, Dezember 2006. 13 http://www.bqs-outcome.de/2005/ergebnisse/leistungsbereiche/cholezystektomie/buaw/ index_html. 14 Vgl. dazu Commonwealth Fund International Health Policy Survey of Sicker Adults, 2005. 15 Ebenda: gleiche Quelle wie 14. 16 Quelle: Baromètre Cercle Santé, Europ Assistance, Januar 2007. 17 Vgl. dazu CHAPS Hospital Survey Chartbook, What patients say with their experience with hospital care, März 2006. 2
2
Herausforderungen und Handlungsfelder für die Krankenhausführung
Mit den seit Anfang der 90er Jahre unternommenen Reformversuchen, darunter die schrittweise Einführung der diagnosebasierten Fallpauschalen (DRGs), hat der Gesetzgeber der stationären Versorgung in Deutschland nichts weniger als eine Produktivitätsrevolution verordnet. Inzwischen hat der Sektor insgesamt ein international bemerkenswertes Leistungsniveau erreicht, auf Ebene der Einzelhäuser wurde der Systemwechsel jedoch unterschiedlich gut verkraftet. Von der Leistungsstärke des Gesamtsystems pauschal auf die generelle Gesundheit und Zukunftsfähigkeit der einzelnen Kliniken zu schließen, wäre zumindest vorschnell. Denn Kehrseite der erstaunlich hohen Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems sind weiterhin gravierende Kosten- und Wettbewerbsprobleme bei einer Vielzahl von Einzelhäusern, wie die Umfrage des Krankenhaus-Barometers für das Jahr 2007 verdeutlicht.1 Von den Häusern mit über 50 Betten erwirtschaftete 2006 nur gut die Hälfte einen Jahresüberschuss, 15% erreichten ein ausgeglichenes Ergebnis und immerhin 28% schrieben Verluste2. Zwar gab es geringfügige Veränderungen gegenüber 2005, doch bleibt die Lage unverändert angespannt. Für das Jahr 2007 gehen die Krankenhäuser insgesamt von einer weiteren tendenziellen Verschlechterung ihres Jahresergebnisses aus. Nur noch knapp 40% der Häuser planen einen Jahresüberschuss ein, 30% steuern ein ausgeglichenes Ergebnis an. Konstant bleibt der Anteil der Häuser, die Verluste erwirtschaften. Wesentlicher Grund für die erwartete Verschlechterung sind die deutlichen Kostensteigerungen im Jahr 2007. Stichworte sind hier: Sanierungsbeitrag des Krankenhaussektors, Mehrwertsteuererhöhung auf 19%, höhere tarifliche Vergütungen für Krankenhausärzte sowie die Mehrkosten auf Grund des neuen Arbeitsgesetzes. Ihre aktuelle wirtschaftliche Situation beurteilen die befragten Häuser nach wie vor sehr verhalten, mit wenig Zuversicht: Nur 28,5% bewerten sie als eher gut, etwas mehr, 28,6%, als eher unbefriedigend. Über 40% wagen kein Urteil. Im dritten Jahr des wirtschaftlichen Aufschwungs haben sich damit die Bewertungen über alle drei Gruppen weiterhin leicht verbessert. Von Optimismus ist sektorweit gleichwohl wenig zu spüren. Im Gegenteil: Für das Jahr 2008 erwarten 42% (Vorjahreswert 38%) der Krankenhäuser eine Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation, 37% (40%) keine Veränderung, nur 19% (21%) eine Verbesserung. Damit fällt die Erwartung des Sektors für 2008 gegenüber der für 2007 nochmals merklich pessimistischer aus3.
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2 Herausforderungen und Handlungsfelder für die Krankenhausführung
„Kliniken in Not“ – diese pessimistische Sektoreinschätzung der Deutschen Krankenhausgesellschaft behält mithin auch 2008 ihre Gültigkeit.3 Berücksichtigt man zudem die Auswirkungen der neuen tarifvertraglichen Regelungen (TV-Ärzte, TVöD), so haben sich die Rahmenbedingungen für die deutschen Krankenhäuser sogar erheblich verschlechtert. Die ausgehandelten Tariferhöhungen mit Steigerungen von 4 bzw. 5,1% für 2008 und weiteren 3,8 bzw. 3,55% sind für viele Krankenhäuser kaum zu verkraften (Abb. 2.1). Auch mittelfristig ist keine Entspannung der Lage zu erwarten4: Noch liegt der erforderliche Gesetzentwurf dem Parlament nicht vor. Gleichwohl ist es nach wie vor erklärter Wille des Gesetzgebers, nach 2010 in ganz Deutschland für identische Krankenhausleistungen einen einheitlichen Preis, d. h. einen Bundesbasisfallwert, einzuführen. Der genaue Zeitpunkt ist noch offen. Anfang Juli 2008 hat die Gesundheitsministerkonferenz der Länder entschieden, kurzfristig eine BundLänder-Arbeitsgruppe einzurichten. Diese soll Vorschläge für die Verfahren zur Konvergenz vorlegen, um – beginnend 2010 und abgeschlossen bis spätestens 2015 – das Ziel eines einheitlichen Bundesbasisfallwerts zu erreichen. Länder wie Rheinland-Pfalz oder das Saarland scheinen eher auf Zeit zu spielen, andere, wie etwa Schleswig-Holstein, befürworten eine zügige Umsetzung. Das Zögern einzelner Länder ist durchaus verständlich. Denn bei Eintritt der Konvergenz werden all die Krankenhäuser in Schwierigkeiten geraten, die gegenwärtig noch überdurchschnittlich hohe Preise verlangen (müssen). Gleichgültig,
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Abb. 2.1. Die Krankenhäuser haben vielfältige Lasten zu tragen
2.1 Sicherung der künftigen Wirtschaftlichkeit
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ob sie nun tatsächlich überhöhte krankenhausindividuelle Basisfallwerte aufweisen oder lediglich in Bundesländern ansässig sind, deren Landesbasisfallwert jeweils über dem Bundesdurchschnitt liegt. Bezeichnenderweise gibt es bisher noch keine Überlegungen, bei der Definition des Bundesbasisfallwerts regionale Faktorkostenunterschiede bzw. strukturelle Unterschiede im Leistungsangebot zu berücksichtigen4 – wie das etwa in Großbritannien üblich ist. Insbesondere die Universitätsklinika und ihre Träger, bisher in aller Regel die Bundesländer, müssen auf längere Sicht mit erheblichen, weiter steigenden Mehrbelastungen rechnen. Wie die Universitätsklinika – zumindest in ihrer Mehrzahl – künftig bei einheitlichem Preisniveau ihren Geschäftsbetrieb betriebswirtschaftlich aufrechterhalten können, ist derzeit nicht absehbar. Angesichts dieser Perspektiven sollten es sich die Einzelkrankenhäuser in Deutschland zum Anliegen machen, ihre Kosten- und Leistungsstrukturen nachhaltig weiter zu verbessern. Hierzu ist es erforderlich, sich im Wesentlichen auf vier Handlungsfelder zu konzentrieren: Sicherung der Wirtschaftlichkeit, verstärkter Wettbewerb um Patienten, Erneuerung der Infrastruktur sowie Anpassung der Führungs- und Organisationsstrukturen.
2.1 Sicherung der künftigen Wirtschaftlichkeit Mit der Einführung des DRG-Vergütungssystems wurde die Finanzierung der Krankenhäuser auf eine neue Grundlage gestellt. Dazu wurde das traditionelle Kostenerstattungsprinzip nach tagesgleichen Pflegesätzen ersetzt durch eine auf Pauschalen beruhende Vergütung. Als Folge dieses Systemwechsels wurden die Krankenhäuser in Deutschland von einem Kostenzentrum zu einem Profitzentrum: Liegen die Kosten des Hauses unter den Normkosten der deutschen Krankenhäuser, wird ein Gewinn erwirtschaftet. Ist die Situation umgekehrt, macht das Krankenhaus einen Verlust, den der Träger kompensieren muss. Und falls er es nicht tut, kann dieser Verlust zu Illiquidität oder Überschuldung des Hauses führen, was zwangsläufig die Anmeldung der Insolvenz nach sich zieht. Die Wirtschaftlichkeit des eigenen Hauses zu sichern, ist damit zur zentralen Herausforderung der Krankenhausführung geworden. Während früher bei einer Kostenüberschreitung im schlimmsten Fall harte Verhandlungen mit den Krankenkassen anstanden, droht heute das Insolvenzverfahren. Reichte es früher aus, die für das eigene Haus individuell und aus der Historie abgeleiteten Kosten unter Kontrolle zu haben, so muss heute jedes Krankenhaus die Durchschnittskosten der übrigen Krankenhäuser unterbieten, wenn es langfristig überleben will. Damit es den Krankenhäusern möglich wird, sich schrittweise an neue Kostenstrukturen anzupassen, hat der Gesetzgeber einen Übergangszeitraum zur Konvergenz vorgesehen. Betrachtet man die gesamte deutsche Kliniklandschaft, so schafft der Übergang zu einem einheitlichen Preissystem zahlreiche Gewinner, aber leider auch nicht wenige Verlierer. Derzeit haben mehr als 500 Krankenhäuser mit zum Teil erheblichen Einnahmeausfällen zu kämpfen. Über 80 Häuser werden nach Abschluss der Konvergenzphase für jeden Behandlungsfall 500 EUR weniger erhalten – was sie nur durch entsprechende Kostensenkungen auffangen können.
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2 Herausforderungen und Handlungsfelder für die Krankenhausführung
Insgesamt müssen mehr als ein Drittel aller Krankenhäuser (36%) mit Preisabsenkungen während der Konvergenzphase leben. Betroffen sind vor allem die größeren Häuser: Auf sie entfallen 41% der Behandlungsfälle, aber über 45% der Gesamtkosten des Sektors (Abb. 2.2). Sofern die betroffenen Häuser über auskömmliche Gewinne verfügen, kann der Erlösverlust je Fall durch ein Abschmelzen derselben zum Teil ausgeglichen werden. Wirklich schwierig ist die Lage für die Häuser, die auf heutigem Preisniveau bereits Verluste hinnehmen müssen. Für sie wird es künftig fast unmöglich sein, auskömmlich zu arbeiten. Aber es sind nicht nur sinkende Erlöse, die es den Häusern erschweren, langfristig wirtschaftlich zu arbeiten. Vielmehr ist es zum Trend geworden, dass Personalwie auch Sachkosten Jahr für Jahr um mehrere Prozentpunkte steigen. Gleichzeitig wachsen die Erlöse, wie gesetzlich vorgesehen, nur noch im gleichen Maße wie die Grundlohnsumme – und deren Anstieg liegt seit Jahren regelmäßig unter 1%. Als Folge hat sich die Schere zwischen den deutlich steigenden Kosten und den nur gering steigenden Erlösen immer weiter geöffnet. Wie eine Studie des RheinischWestfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung5 zeigt, beläuft sich die für 2008 und 2009 zu erwartende Finanzierungslücke auf über 2 Mrd. EUR – kumuliert für alle deutschen Krankenhäuser. Anders als früher haben viele Krankenhäuser heute nicht mehr den ,,Speck auf den Rippen“, um durch entsprechende Abbaumaßnahmen überproportional steigende Kosten zu kompensieren.
Abb. 2.2. Mehr als ein Drittel der deutschen Krankenhäuser haben mit einem Preisverfall zu kämpfen
2.2 Verstärkter Wettbewerb um Patienten
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In Zukunft wird es deshalb ungleich schwerer fallen, durch ständige Produktivitätssteigerungen Kosten und Erlöse im Gleichgewicht zu halten und so die Wirtschaftlichkeit des eigenen Hauses zu sichern. Wer glaubt, diese Herausforderung sei durch den Ruf nach mehr Mitteln für die Krankenhausfinanzierung zu bewältigen, irrt. Sicherlich werden dem deutschen Krankenhaussektor künftig mehr Mittel zur Verfügung stehen. Die zusätzlichen Mittel werden jedoch dringend benötigt, um Innovationen in Diagnostik und Therapie zu bezahlen sowie dem Anstieg der Fallzahlen in einer alternden Bevölkerung Rechnung zu tragen. Und selbst zur Finanzierung dieser strukturellen Leistungsausweitung dürften die Mittel künftig kaum ausreichen. Mithin wird zur Bezahlung des bisherigen Leistungsspektrums keinesfalls mehr Geld verfügbar sein. Für die Leitung der einzelnen Krankenhäuser muss es deshalb höchste Priorität haben, die Wirtschaftlichkeit des laufenden Klinikbetriebs zu sichern. Dazu reichen Appelle und strenge Ressourcenbewirtschaftung allein nicht aus, ebenso wichtig sind das Commitment und das tägliche Engagement von Führungskräften und Mitarbeitern.
2.2 Verstärkter Wettbewerb um Patienten Um die Wirtschaftlichkeit zu sichern, ist es unerlässlich, die Fallzahlen zu halten oder zu mehren. Dies erfordert vielfach ein Umdenken der Mitarbeiter von Grund auf. Während es früher kaum relevant war zu fragen, wie viele Fälle jeweils behandelt werden, liegt heutzutage hierin einer der wichtigsten Stellhebel, um (mehr) Erlöse zu erwirtschaften. Bislang war jeder Verwaltungsdirektor und Chefarzt gehalten, darauf zu achten, dass alle Betten um Mitternacht gefüllt sind. Stand kein neuer Patient an der Türschwelle, mussten die vorhandenen überzeugt werden, einen Tag länger zu bleiben. Heute gilt eher das Gegenteil: Wirtschaftlich ist nurmehr eine möglichst kurze, effiziente Behandlung, und jedes frei werdende Bett ist so rasch wie möglich wieder mit einem neuen Patienten zu belegen. Diese Logik gilt für alle Krankenhäuser – und als Folge ist ein zunehmend heftiger Wettbewerb um den Patienten entstanden. Anders als in vielen anderen Industrien kann man Patienten dabei nicht mit dem Angebot besonders preisgünstiger Diagnose- und Therapieleistungen locken. Denn in aller Regel bezahlt der Patient seine Behandlung nicht selbst, vielmehr wird ihm das von seiner Krankenkasse oder privaten Krankenversicherung abgenommen. Damit rücken die klinische Leistungsqualität und der Service zwangsläufig in den Mittelpunkt des Werbens um den Patienten. Noch vor wenigen Jahren hatten Qualitätsparameter in der Medizin im Allgemeinen und in den Krankenhäusern im Besonderen vielfach nur marginale Bedeutung. Mit der Verankerung der strukturierten Qualitätsberichte in § 137 SGB V hat der Gesetzgeber einen ersten Schritt unternommen, auch hinsichtlich der qualitativen Aspekte der Medizin weitreichende Transparenz zu schaffen. Inzwischen existieren bereits zahlreiche weitere Qualitätssysteme wie beispielsweise BQS, KTQ, EFQM, Joint Commission und DIN. Das Thema Qualität wird mithin zum wesentlichen Faktor im Werben um den Patienten.6 Wie die Praxis zeigt, gestaltet sich dabei die Patientenansprache – soll sie nachhaltigen Erfolg haben – weitaus schwieriger als erwartet. Noch vor kurzem ging
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2 Herausforderungen und Handlungsfelder für die Krankenhausführung
man davon aus, dass elektive Patienten vorzugsweise Krankenhäuser wählen würden, die nach einem der bekannten Standards zertifiziert sind. Mittlerweile weiß man, dass solche Zertifizierungen kaum Wirkung haben. Vielmehr wird die Patientenentscheidung in fast allen medizinischen Bereichen nach wie vor stark vom jeweils einweisenden Arzt beeinflusst. An zweiter Stelle kommen die Empfehlungen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis. An dritter, insbesondere bei chronischen Erkrankungen, Internetpräsentationen von Selbsthilfegruppen, wie sie heute über PC oder Handy leicht verfügbar sind. Und schließlich bemühen sich auch noch Zeitungen wie der Berliner Tagesspiegel oder Nachrichtenmagazine wie Focus darum, den Patienten Entscheidungshilfen an die Hand zu geben – bei der Wahl des behandelnden Spezialisten und damit auch des jeweiligen Krankenhauses. Vor diesem Hintergrund muss jedem Krankenhaus daran gelegen sein, zum einen für die einzelnen Indikationen jeweils die Qualitätsparameter zu definieren, die geeignet erscheinen, die Entscheidung des Patienten zu Gunsten des eigenen Hauses zu beeinflussen. Zum anderen müssen Qualitätsversprechen und -parameter konsequent und konsistent kommuniziert werden – zunächst gegenüber den niedergelassenen Ärzten, im Weiteren auch gegenüber den Patienten selbst. Zweifellos sind den Krankenhäusern hier noch Beschränkungen auferlegt – zum Teil aus Gründen des ärztlichen Selbstverständnisses, zum Teil auch bedingt durch rechtliche Auflagen, etwa aus dem Heilmittelwerbegesetz. Insbesondere ist zu bedauern, dass der Gesetzgeber die BQS-Daten noch nicht aufgeschlüsselt nach Einzelkrankenhäusern zur Verfügung stellt. Damit können diese Qualitätsdaten bislang nicht zur Differenzierung im Wettbewerb herangezogen werden.
2.3 Erneuerung der Infrastruktur In deutschen Medien finden sich vielfach immer noch beschönigende Angaben zur Infrastruktur des Sektors. Ihnen zufolge verfügt die Bundesrepublik beispielsweise über mehr Krankenhausbetten pro Tausend Einwohner als vergleichbare OECDLänder. Suggeriert wird so eine mitunter geradezu feudal anmutende Ausstattung der Krankenhäuser. Mit der Realität haben solche Darstellungen nur wenig gemein. Sicherlich trifft es zu, dass in Deutschland jeder Bürger wohnortnah mit Krankenhausleistungen versorgt werden kann. In vielen, insbesondere großstädtischen Ballungsräumen hat der Patient sogar die Wahl zwischen einer Vielzahl von Krankenhäusern. In Berlin etwa werben mehr als 50 Krankenhäuser um die Patienten. Verkannt wird allerdings, dass die Krankenhausausstattung in Deutschland zunehmend veraltet ist. Infolge der Mittelverknappung können die öffentlichen Hände – in erster Linie die Bundesländer, aber auch Bund und Kommunen – seit Jahren schon, entgegen den Verpflichtungen des Krankenhausplangesetzes zur dualen Finanzierung, immer weniger für ihren Anteil an der Krankenhausfinanzierung aufkommen: Investitionen in Baumaßnahmen und Großgeräte. Allein zwischen 1997 und 2003 sind die Investitionsaufwendungen der Bundesländer um rund 31% zurückgegangen7. Die immer knapperen Mittel werden in der Regel aufgebraucht für Pauschalförderungen, sicherheitsrelevante Sofortmaßnahmen sowie prestigeträchtige Großprojekte.
2.4 Komplexität der Krankenhausführung
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Als Folge sind die Krankenhausbauten, vor allem in der Fläche, großteils marode. Welcher Investitionsstau inzwischen besteht, wird deutlich, wenn man die inländischen Investitionen in medizinische Infrastruktur vergleicht mit den entsprechenden Investitionen in anderen Ländern. Im Jahr 2005 wurden in Deutschland durchschnittlich 69 EUR je Einwohner und Jahr investiert, während die Vergleichsländer bei 88 EUR je Jahr und Einwohner lagen. Gemessen an den Gesamtausgaben übersetzt sich dies in eine Investitionsquote von 2,6%, verglichen mit einem Median von 3,8% für die Vergleichsländer7. Seither hat sich die Finanzierungssituation noch weiter verschlechtert. Die geringen Investitionsaufwendungen sind die Achillesferse des deutschen Krankenhaussystems. Wie heute schon absehbar, werden die öffentlichen Hände kaum noch im Stande sein, nennenswerte Investitionen aus Haushaltsmitteln aufzubringen. Daraus ergibt sich für jeden Krankenhausträger die Herausforderung, seine Investitionsmittel künftig selbst zu erwirtschaften. Mithin genügt es nicht mehr, bei den Kosten das Durchschnittsniveau aller Anbieter zu erreichen und das Betriebsergebnis ausgeglichen zu halten. Vielmehr muss eine Umsatzrendite von typischerweise 6 bis 9% erwirtschaftet werden, um auch die durchschnittlichen Investitionskosten mitzuverdienen. Ein Problem bleibt dabei immer noch ungelöst: Viele der bestehenden Krankenhausbauten sind von ihrer architektonischen Anlage her zusehends ungeeignet, um die immer höheren Anforderungen an Wirtschaftlichkeit und Qualität stationärer Versorgung zu erfüllen. Pavillonbauweise und große Bettenkapazitäten erweisen sich als Anachronismus, wenn Behandlungsabläufe immer stärker rationalisiert werden und sich die Verweildauern immer weiter verkürzen. Benötigt werden stattdessen im Krankenhaus der Zukunft vor allem Eingriffs- und Funktionsräume, was wiederum umfangreiche Neu- und Umbaumaßnahmen erfordert. Und für diese sind zusätzliche Investitionen aufzubringen – ob nun aus eigenen oder fremden Mitteln.
2.4 Komplexität der Krankenhausführung Wirtschaftlichkeit (1) unter Wettbewerbsbedingungen (2) mit unzureichenden Investitionsmitteln (3) und bei hohen Qualitätsstandards (4) herzustellen, ist für sich genommen bereits eine enorme Herausforderung. Für die Krankenhäuser stellt sich das zusätzliche Problem, dass sie von ihren Führungsstrukturen und ihrem Führungspersonal her dafür nicht ausgelegt sind. Historisch waren Krankenhäuser darauf ausgerichtet, als Regiebetriebe die Vorgaben der Krankenhausplanung umzusetzen und den aus dem Budget resultierenden Kosten- und Mittelanfall zu verwalten. Heutzutage müssen Krankenhäuser wie ein Wirtschaftsunternehmen handeln und unternehmerische Risiken tragen. Die einfache Abrechnung nach tagesgleichen Pflegesätzen gibt es nicht mehr; ersetzt wurde sie durch komplizierte Kataloge und Vertragswerke wie das DRG-System oder – für ambulante Operationen – den EBM. Entsprechend haben sich auch die Anforderungen an EDV- und Systemunterstützung radikal verändert. Die Abbau- und Sparmaßnahmen der vergangenen
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2 Herausforderungen und Handlungsfelder für die Krankenhausführung
Jahre haben gleichzeitig zu einer merklichen Verschlechterung des Arbeitsklimas im Krankenhaus geführt, was wiederum erhöhte Anforderungen an die Personalführung stellt. In großer Zahl prasseln Berichts- und Dokumentationsverordnungen auf die Krankenhäuser nieder; eine Flut immer neuer Reformen und Regelungen bindet erhebliche Verwaltungskapazitäten. Zunehmendes Outsourcing, aber auch neue Organisationsmodelle (Integrierte Versorgung, MVZ) verändern die Beziehungen zu den Geschäftspartnern im Umfeld, z. B. zu Lieferanten, Niedergelassenen oder Versicherern. Dies alles erfordert ein hochentwickeltes Management der Leistungsbeziehungen, verbunden mit entsprechenden Kapazitätsausweitungen und dem Aufbau von Spezial-Know-how. Dem ganzen Aufwand steht dabei – zumindest fürs Erste – kein vergleichbarer Zugewinn an Wertschöpfung und Wirtschaftlichkeit des Geschäftsbetriebs gegenüber. Gleichwohl gibt es keine Alternative zu diesem überaus schwierigen institutionellen Transformationsprozess. Um den Wandel zum Unternehmen erfolgreich abzuschließen, müssen die Krankenhäuser ihre Führungsstrukturen zwangsläufig weiterentwickeln. Und zwar jeweils in der Qualität und der Quantität, die erforderlich sind, um den veränderten Umfeldanforderungen gerecht zu werden. Zweifellos stehen heute zur Führung von Krankenhäusern sehr viel ausgefeiltere und wirkungsvollere Managementkonzepte und -instrumente zur Verfügung. Aber weder sind genügend hochqualifizierte Manager verfügbar noch erlauben es die Budgets, ihnen wirklich attraktive Gehälter anzubieten. Nur wenn es den Krankenhäusern gelingt, diesen Engpass zu überwinden, werden sie auch die anderen Aufgaben mit Aussicht auf Erfolg angehen können.
2.5 Fazit: Noch nie standen die Krankenhäuser vor größeren Herausforderungen Die größte Herausforderung für die Krankenhausführung besteht derzeit darin, mit häufig noch unzureichenden Organisationsstrukturen Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Hauses sicherzustellen – und zwar bei teils überalterter, teils kontraproduktiv gewordener Infrastruktur. Gewiss, die Ausgangslage für die Krankenhäuser und ihre Träger ist nicht überall gleich: Manche sind inzwischen gut gerüstet, verfügen über eine hochmoderne Infrastruktur und haben bereits mit Erfolg effiziente Prozesse und Abläufe implementiert. Andere hingegen konnten nur vergleichsweise geringe Fortschritte erzielen, sitzen in alten Baulichkeiten, verfügen kaum über Spielraum bei der Personalentwicklung oder bemühen sich vergebens, Motivation und Engagement der Mitarbeiter zu verbessern. Angesichts dieser Diskrepanzen relativiert sich die Gültigkeit der Feststellung, dass das deutsche Krankenhaussystem als Ganzes im internationalen Vergleich sehr gut abschneidet. Zudem ist es für die leistungsschwächeren Krankenhäuser nur ein geringer Trost zu wissen, dass sie in anderen Ländern durchaus zur Spitzengruppe zählen würden. Denn der Existenzkampf findet vor Ort statt, in der heimischen
Endnoten
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Region – und allein dort muss sich jedes einzelne Krankenhaus unter den jeweils geltenden Markt- und Wettbewerbsbedingungen behaupten. Fast jede Krankenhausleitung steht damit vor der Aufgabe, bei allen Beteiligten die erforderliche Veränderungsbereitschaft zu wecken und die notwendigen Maßnahmen zu definieren, um eine qualitativ hochwertige und wirtschaftlich tragfähige Krankenhausversorgung zu sichern. Als Ausgangspunkt empfiehlt es sich häufig, zuerst die notwendigen Managementfähigkeiten bei den Führungskräften des Krankenhauses zu entwickeln.
Endnoten 1
Krankenhaus-Barometer ist das wissenschaftliche Periodikum des deutschen Krankenhausinstituts (DKI). An der Umfrage 2007, von April bis Juni durchgeführt, beteiligten sich 304 deutsche Allgemeinkrankenhäuser als repräsentatives Sample. 2 Vgl. ebenda, S. 77 ff. 3 Vgl. ebenda, S. 80 f. 4 Ein ähnlich pessimistisches Bild zeichnet auch der Krankenhaus-Rating-Report 2007 (ADMED, RWI), Heft 32, Executive Summary, Essen 2007, S.13 ff. Für den Fall, dass gegensteuernde Maßnahmen unterbleiben, seien – so die Prognose des Reports – bis 2020 rund 40% der Krankenhäuser von der Insolvenz bedroht. 5 Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung 6 Vgl. dazu Kapitel 5, ,,Qualität im Krankenhaus“ 7 Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft, McKinsey-Datenbank. Vgl. ferner: DKI-Krankenhaus-Barometer-Umfrage 2005, Düsseldorf 2005, Kapitel 4 ,,Investitionen und Investitionsfinanzierung“, S. 22–30.
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Von der Verwaltung zum Management von Krankenhäusern
Den Geschäftsbetrieb auf Krankenhausebene zu organisieren und aufrechtzuerhalten, war bis in die jüngste Vergangenheit vor allem eine Verwaltungs-, weniger eine Managementaufgabe. Um den Versorgungsauftrag ordnungsgemäß zu erfüllen, reichte es im Prinzip aus, den Landesbettenplan umzusetzen sowie die verschiedenen rechtlichen Vorgaben für Personalwirtschaft, Investitionsplanung und Buchführung einzuhalten. Gleichzeitig sorgte das Selbstkostendeckungsprinzip für die Erstattung der laufenden Sach- und Personalkosten durch die Krankenkassen; Effizienz der Abläufe und Qualität der medizinischen Leistung blieben dabei unberücksichtigt. Um auskömmliche Erlöse zu erzielen, genügte den Krankenhäusern ein sauberer Kostennachweis. Anreize für wirtschaftliches Handeln gab es nur sehr begrenzt, strategisches und planvolles Handeln war kaum gefordert. Erste Veränderungen brachte das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) von 1992. Durch dieses Gesetz wurde die Budgetierung der Leistungsausgaben der Krankenkassen von der tatsächlichen, individuellen Kostenentwicklung in den Krankenhäusern entkoppelt. Fortan war der bloße Kostennachweis gegenüber den Kassen nicht länger ausreichend, um ein ausgeglichenes Betriebsergebnis zu garantieren. Denn nachdem die Krankenhausbudgets auf Basis der Ausgaben von 1992 eingefroren worden waren, wurden Kostensteigerungen nur noch in Höhe der Zunahme der Grundlohnsumme akzeptiert.1 Ein Paradigmenwechsel hin zu mehr Leistungsorientierung und Wirtschaftlichkeit im Geschäftsbetrieb war so allerdings nicht zu erreichen. Der entscheidende Umbruch kam mit der Einführung eines neuen, weitestgehend pauschalierten Entgeltsystems zur Vergütung von Krankenhausleistungen – womit de facto auch die Gewinn- und die Verlustverantwortung auf die Geschäftsführung der Krankenhäuser übertragen wurden. Den Startschuss gab das GKV-Gesundheitsreformgesetz von 2000, gefolgt im Jahr 2003 vom Beitragssicherungsgesetz und dem Fallpauschalengesetz. Die Weiterentwicklung des bis dahin vor allem in den USA (seit 1983) und Australien (seit 1992) genutzten Systems diagnosebezogener Fallgruppen (DRGs) zu einem Fallpauschalensystem – in Deutschland 2003 abgeschlossen – schuf erstmals ein einheitliches Preissystem zur Vergütung stationärer Versorgungsleistungen für somatische Patienten. Seit 2004 herrscht tatsächlich ein sich rapide verschärfender Wettbewerb im deutschen Krankenhausmarkt. Gut wirt-
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3 Von der Verwaltung zum Management von Krankenhäusern
schaftende Häuser werden durch entsprechende Renditen belohnt. Schlecht wirtschaftende sehen sich zunehmend in ihrer Existenz bedroht. Aktives Management von Erlösen, Kosten und medizinischer Qualität wird immer mehr zum Haupterfolgsfaktor: Er entscheidet darüber, ob ein Krankenhaus künftig zu den Gewinnern oder Verlierern der Marktkonsolidierung gehört. Die wettbewerbliche Neuausrichtung der Krankenhäuser macht einen grundlegenden Wandel erforderlich hinsichtlich Planung, Führung, Organisation und Kontrolle des Geschäftsbetriebs. An die Stelle einer pauschalen Budgetierung auf Basis der Vorjahreszahlen tritt ein differenzierter Managementprozess. Top-down initiiert und bottom-up detailliert legt er krankenhausweit eine verbindliche Zielsetzung fest. Zudem regelt er die Ressourcenzuteilung für die verschiedenen Geschäftsbereiche, entsprechend ihrem jeweiligen Beitrag zur Zielerreichung. Die bisherige Organisation nach Berufsgruppen – Ärzte, Pflegepersonal und Administration – mit Konzentration der Verantwortung in der Geschäftsleitung wird abgelöst durch zunehmend dezentrale, auf bereichsübergreifende Zusammenarbeit setzende Organisationsstrukturen. Gleichzeitig schreitet die Ausgliederung bzw. Verselbständigung klinischer und nicht klinischer Serviceleistungen weiter voran. Im Zuge der Neuordnung von Führungs- und Organisationsstrukturen ändern sich auch Adressatenkreis und Aufgabenstellung des Berichtswesens: Kennziffernsysteme müssen für die neu geschaffenen Profit-/Cost-Center zeitnah und handlungsorientiert all die Informationen bereitstellen, die erforderlich sind, um die Effektivität und Effizienz der Betriebsaktivitäten nachzuhalten.
3.1 Führen über Ziele und Zielvereinbarungen Führung beschränkte sich im klassischen Regiebetrieb nur allzu oft auf grobe Richtungsvorgaben sowie eine Vielzahl operativer Einzelanweisungen. Anders ist die Situation im modernen Unternehmen mit seinen komplexen, sich häufig verändernden Markt- und Wettbewerbsanforderungen: Hier ist Führung über Ziele und Zielvereinbarungen längst zum unverzichtbaren Managementinstrument geworden.2 Ziele bieten Orientierung für Vorgesetzte wie für Mitarbeiter, koordinieren das gemeinsame Handeln und ermöglichen erst eine korrekte Messung von Arbeitsfortschritten und Geschäftserfolgen. Damit Ziele diese Funktionen erfüllen können, müssen sie präzise definiert, sinnvoll operationalisiert und – vielleicht mehr noch als alles andere – verbindlich konsentiert werden.
3.1.1 Definition strategischer Ziele Strategisches Leitziel für jedes selbstverantwortlich agierende Krankenhaus ist es, hochwertige medizinische Versorgung und Wirtschaftlichkeit des Geschäftsbetriebs gleichermaßen sicherzustellen. Bei näherem Hinsehen wird schnell deutlich, dass beide Teilziele einander bedingen: Nur wenn der Fluss der Erlöse eine kontinuierliche Kostendeckung erlaubt, lässt sich eine stabile medizinische Versorgungsqualität
3.1 Führen über Ziele und Zielvereinbarungen
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auf hohem Niveau aufrechterhalten. Umgekehrt sichert allein eine qualitativ hochwertige Versorgung auf Dauer das Erreichen (hinreichend) hoher Fallzahlen, ohne die wiederum ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nicht möglich wäre. Um Wirtschaftlichkeit sicherzustellen, reicht ein ausgeglichenes Jahresergebnis erkennbar nicht aus. Berücksichtigt man Kapitalkosten, erforderliche Rückstellungen und Investitionen, so muss es Ziel sein, eine Umsatzrendite von mindestens 6 bis 9% p.a. zu erwirtschaften, jeweils abhängig von der Umfeldsituation des Krankenhauses. Insbesondere Infrastrukturinvestitionen, die bisher im Rahmen der dualen Finanzierung von der öffentlichen Hand erbracht wurden, müssen schon heute immer häufiger von den Krankenhäusern selbst finanziert werden.3 Was qualitativ hochwertige stationäre Versorgung anbelangt, sind hohe Ergebnis- und Prozessqualität sowie – aus Sicht der Patienten – menschliche Zuwendung und leicht wahrnehmbare Servicequalität die entscheidenden Zielparameter. Hinzu kommt die Notwendigkeit, kurze Verweildauern zu erreichen. Möglichst frühzeitige, komplikationsfreie Entlassungen von Patienten helfen, den Behandlungs- und Betreuungsbedarf entsprechend zu reduzieren. Bei Vergütung nach Fallpauschalen eröffnet das wiederum die Chance, steigende operative Überschüsse zu erwirtschaften. Ausgehend von diesen unterschiedlichen strategischen Zielen sollte zumindest ein Wirtschaftsplan mit einjährigem Zeithorizont sowie eine ergänzende 3- bis 5-Jahres-Planung erstellt werden. Voraussetzung dafür ist eine entsprechende Operationalisierung und Detaillierung der strategischen Ziele – sowohl für das einzelne Krankenhaus insgesamt als auch für die nachgeordneten Organisationseinheiten. Idealerweise geschieht das in einem rückgekoppelten Managementprozess – mit Vorgabe von Grobzielen top-down durch die Geschäftsleitung sowie schrittweiser Verfeinerung und Erhärtung der Detailziele bottom-up durch die verantwortlichen Abteilungen und Funktionen. Das Augenmerk sollte dabei nicht mehr auf einer inkrementellen Ableitung von Planwerten auf Basis historischer Daten liegen, sondern vielmehr auf der Projektion einer wünschenswerten Zukunft. Ein erster, meist sehr hilfreicher Schritt in diese Richtung besteht darin, einem auf Grunderwartungen zur Renditeentwicklung und Versorgungsqualität basierenden groben Wirtschaftsplan ein Basisszenario gegenüberzustellen, das ohne Berücksichtigung von Optimierungsmaßnahmen lediglich die Geschäfts- und Ergebnisentwicklung des Vorjahres fortschreibt. Im zweiten Schritt empfiehlt es sich, die so ermittelte Ergebnislücke zwischen grobem Wirtschaftsplan und Basisszenario weiter zu detaillieren und zu verifizieren, z. B. anhand von Benchmarkingvergleichen mit anderen Krankenhäusern.
3.1.2 Ableitung von Verbesserungspotenzialen und Zielwerten für das operative Geschäft Um die Ergebnislücke weiter zu detaillieren, steht bereits heute eine Reihe etablierter Analyseinstrumente bundesweit zur Verfügung. Mit ihrer Hilfe lassen sich Verbesserungspotenziale, Maßnahmenideen und schlussendlich Zielwerte für den Wirtschaftsplan sowie im Weiteren für die 3- bis 5-Jahres-Planung ableiten und erhärten.
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3 Von der Verwaltung zum Management von Krankenhäusern
Dies gilt sowohl auf Gesamtunternehmensebene als auch – auf nachgeordneten Detaillierungsebenen – für vergleichbare Fachabteilungen, Funktionen sowie sonstige Organisationseinheiten. 3.1.2.1 Ermittlung von Produktivitätsreserven im Personalbereich Größter Kostenblock in der stationären Versorgung sind die Personalkosten: In der Regel wendet ein deutsches Krankenhaus rund 64% seiner Gesamtkosten für die Beschäftigung seiner Mitarbeiter auf. Davon entfallen 83% auf den medizinischen Bereich.4 Wirklich valide Vergleiche von Personalproduktivitäten konnten in der Vergangenheit nur Klinikverbünde mit Abteilungen gleicher Fachrichtung anstellen. Inzwischen verfügen auch Einzelhäuser über diese wertvolle Vergleichsmöglichkeit.5 Denn auf Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses sind alle deutschen Krankenhäuser verpflichtet, strukturierte Qualitätsberichte zu erstellen und im Internet zu veröffentlichen – und zwar seit 2005, beginnend mit dem Vorjahr 2004. Anhand der Qualitätsberichte lassen sich Produktivitätsabweichungen für die Dienstarten ärztlicher Dienst und Pflegedienst identifizieren. Berücksichtigt werden dabei die verschiedenen Anforderungs- und Versorgungsstufen, ebenso Trägerschaft und Krankenhausgröße, letztere gemessen an der Anzahl der Betten. Wie der innerdeutsche Vergleich zeigt, bestehen beim medizinischen Personal erhebliche Produktivitätsunterschiede.6 Während in anderen Industrien bereits marginale Produktivitätsunterschiede über den Fortbestand von Unternehmen entscheiden, lassen sich im deutschen Krankenhausmarkt aktuell noch Unterschiede von bis zu 100% nachweisen. Selbst innerhalb derselben Region sowie bei vergleichbarer Krankenhausgröße (> 300 Betten) und Fallschwere (CMI) ist die Diskrepanz zwischen dem produktivsten und dem unproduktivsten Krankenhaus immer noch enorm, wie eine Analyse für den Großraum Berlin belegt (Abb. 3.1). Hierin liegt auch eine positive Nachricht: Selbst Krankenhäuser, die aus heutiger Sicht wirtschaftlich instabil sind, haben durchaus die Chance, mittels entschlossener Produktivitätssteigerungen – und somit aus eigener Kraft – ihre Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. 3.1.2.2 Bestimmung eines optimalen Kostenniveaus Wie weit die Kosten des eigenen Hauses vom Durchschnitt der deutschen Krankenhäuser abweichen, lässt sich anhand eines von McKinsey entwickelten Softwareprogramms zum Normkosten-Benchmarking ermitteln. Auf Basis der von InEK erhobenen Daten zur Krankenhaus-Kostenkalkulation ermöglicht das Programm Auswertungen auf Gesamthausebene ebenso wie für nachgeordnete Organisationseinheiten.7 Unter Nutzung dieser Informationen kann jedes Krankenhaus, aber auch jede Fachabteilung oder Funktion seine bzw. ihre individuelle Leistungskraft evaluieren. Dazu müssen lediglich die tatsächlich abgerechneten Fälle zu den durchschnittlichen Kosten der InEK-Kalkulationshäuser bewertet und mit den eigenen Ist-Kosten verglichen werden. Den Analyserahmen bildet jeweils die durch InEK vorgegebene Kostenarten- bzw. Kostenstellenstruktur.
3.1 Führen über Ziele und Zielvereinbarungen
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Abb. 3.1. Unterschiede in der Personalproduktivität von bis zu 45% zwischen vergleichbaren Krankenhäusern einer Region
Die Differenzierung nach Kostenarten erlaubt Benchmarkingvergleiche für die Personalkosten in den klinischen Dienstarten, für den medizinischen Sachbedarf wie auch für die Infrastrukturkosten. Durch die Schlüsselung nach Kostenstellen kann zunächst eine interne Leistungsverrechnung simuliert werden. Auf dieser Basis lassen sich dann vertiefende Normkostenvergleiche anstellen – und zwar auf den unterschiedlichsten Detaillierungsebenen. Beispielsweise ist es möglich, anhand der Normkosten-Kalkulationsmatrix die Normkosten für den ärztlichen Dienst auf der Normalstation für eine spezifische Fallgruppe zu ermitteln (Abb. 3.2). Allerdings reicht der Detaillierungsgrad der InEK-Kalkulation nicht aus, um die Normkosten auf Ebene der Fachabteilungen tatsächlich trennscharf zuzuordnen. Hierzu braucht man in aller Regel ergänzende Zusatzinformationen über die spezifischen innerbetrieblichen Leistungsverflechtungen des jeweiligen Krankenhauses. Konsil- und Funktionsleistungen oder auch klinikspezifische Belegungsroutinen sind oftmals nicht elektronisch dokumentiert, sondern beruhen auf informellen Absprachen zwischen den Fachabteilungen. Erfahrungsgemäß lässt sich die innerbetriebliche Leistungsverrechnung nur in der Diskussion mit den Chefärzten hin-
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3 Von der Verwaltung zum Management von Krankenhäusern
Ermittlung der Normkosten im ärztlichen Dienst auf Normalstation Hauptabteilung Kostenarten Anlage 5
Kostenstellen
Normalstation
1
Intensivstation
2
Dialyseabteilung
3
OP-Bereich
4
Anästhesie
5
Kreißsaal
6
Kardiologische Diagnostik/ Therapie
7
Endoskopische Diagnostik/ Therapie
8
Personalkosten ärztlicher Dienst
Personalkosten Pflegedienst
Personalkosten med.techn. Dienst/ Funktionsdienst
1
2
3
Normkosten in EUR
39 42 907 40
Laboratorien
36
3
20
1.087
1
2
4
5
8
9
10
11 Gesamt
Kostenstellen 1.087
2.734 442
375
2.347
9 10
Übrige diagnost. und therapeut. 11 Bereiche Basiskostenstelle
1
Pflegetage
6.985
Radiologie
BEISPIEL: FRAKTUR AM FEMURSCHAFT (DRG I60Z)
12
Gesamt ÄD
PD
MTD/FD Sachkosten
Infrastruktur
Kostenarten
Quelle: G-DRG V2006/2008 HA-Report-Browser des InEK
Abb. 3.2. Die Normkosten der ärztlichen Behandlung einer Fraktur am Femurschaft auf der Normalstation betrugen im Jahr 2006 etwa 9.077 EUR
reichend präzise detaillieren. Entsprechend anspruchsvoll und aufwendig gestaltet sich die Moderation des Abstimmungsprozesses auf Chefarztebene. Darüber hinaus empfiehlt es sich, die Vergleichsbasis regelmäßig und umfassend anzupassen. Denn die zum Vergleich verfügbaren Normkosten beruhen stets auf Daten, die jeweils schon älter als ein Jahr sind. So wurde die jüngste, vom InEK in 2007 vorgenommene Kalkulation der DRGs beispielsweise auf Basis der Kostendaten aus 2006 erstellt. Wie die Auswertung zeigt, sind die durchschnittlichen Kosten der Kalkulationskrankenhäuser für eine DRG mit dem CMI von 1,0 von 2.736 EUR (Kostendaten 2005) um 2,0% auf 2.680 EUR zurückgegangen (Kostendaten 2006). Von 2004 bis 2005 sind sie zum Vergleich um rund 3,5% gesunken.8 Inzwischen dürften die durchschnittlichen Kosten sogar noch weiter gesunken sein. Denn aller Voraussicht nach haben die Kalkulationskrankenhäuser auf die anhaltenden Sparzwänge auch 2007 mit weiteren Produktivitätssteigerungen reagiert. Wer den Anschluss an die Marktentwicklung nicht verlieren will, ist mithin gut beraten, nicht nur die eigene Datenbasis so rasch wie möglich zu aktualisieren, sondern auch seine Vergleichskosten schon jetzt weiter abzusenken. Hinzu kommt, dass es im derzeitigen Verdrängungswettbewerb kaum ausreichen dürfte, lediglich mit dem Durchschnitt der Krankenhäuser in Deutschland Schritt zu halten. Vielmehr scheint es angebracht, von vornherein auf ein Kostenniveau abzuzielen, das jeweils unter dem
3.1 Führen über Ziele und Zielvereinbarungen
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voraussichtlichen aktuellen Durchschnittsniveau der Kalkulationshäuser liegt – wie es sich auf Basis der InEK-Werte sowie der letzten bekannten Kostensenkungsraten abschätzen lässt. Wie weit die Normkosten dabei unterschritten werden sollten, ist im Wesentlichen abhängig von Erlös-Basisfallwert und Renditeanspruch. Der Erlösbasisfallwert wird in der gegenwärtigen Konvergenzphase noch von jedem Krankenhaus individuell verhandelt. Krankenhäuser, deren Erlös-Basisfallwert unter dem InEK-Kosten-Basisfallwert liegt, müssen auf jeden Fall die Normkosten unterschreiten, um überhaupt ein ausgeglichenes Jahresergebnis zu erreichen. Soll zudem eine Umsatzrendite über dem Nullniveau erzielt werden, gilt es, diese noch entsprechend vom Erlösbasisfallwert zu diskontieren. 3.1.2.3 Ableitung von Zielwerten für den klinischen und nicht klinischen Bereich Wird beim Normkosten-Kalkulationsverfahren der Kosten-Basisfallwert jeweils durch den mit den Krankenkassen verhandelten Erlös-Basisfallwert ersetzt, so lassen sich – zunächst auf Gesamthausebene – analog die durchschnittlich erzielten Erlöse je DRG ermitteln. In weiteren Schritten kann man dann diese Erlöse auf die einzelnen Kostenarten/-stellen bzw. – wie es in diesem Kontext heißen muss – Leistungsarten/-stellen aufschlüsseln. Diskontiert man zudem den Erlös-Basisfallwert um den selbst gesetzten Renditeanspruch, so lässt sich ableiten, wie viel Kosten sich das Krankenhaus insgesamt oder die jeweils betrachtete Fachabteilung/ Funktion in den einzelnen Kostenarten maximal leisten kann, ohne das Renditeziel zu verfehlen. Auf diese Weise lassen sich die globalen Zielvorgaben der Unternehmensplanung Schritt für Schritt in Zielwerte für die nachgeordneten Organisationseinheiten aufsplitten. Leider ist diese DRG-basierte Methodik ungeeignet, um Zielwerte auch für die nicht klinischen Teilbereiche abzuleiten. Die InEK-Kostenart „nicht medizinische Infrastruktur“ ermöglicht nämlich lediglich einen globalen Kostenvergleich für die gesamte nicht klinische Infrastruktur. Darüber hinaus erlaubt sie weder eine Differenzierung nach Personal- und Sachkosten noch nach nicht klinischen Leistungsstellen. Zur Zielbestimmung für die Einzelbereiche wie Reinigung, Wäscherei, Speiseversorgung ist sie deshalb unbrauchbar. Stattdessen muss es Ziel sein, für die nicht klinischen Teilbereiche eine Kostenposition zu erreichen, die jeweils dem Marktniveau entspricht. Bei interner Leistungserstellung sollte das Preisniveau von externen spezialisierten Anbietern zumindest nicht überschritten werden. Andernfalls ist eine Fremdvergabe an den jeweils besten Anbieter zu prüfen.9 3.1.2.4 Identifikation von Optimierungspotenzialen anhand von Richtwertkatalogen und Deckungsbeitragsrechnungen In der Praxis werden beide Instrumente häufig angewandt, um Optimierungspotenziale auf Abteilungs- bzw. Funktionsebene aufzuspüren. Ihr Einsatz ist jedoch mit erheblichen Problemen behaftet; zudem wird ihre Bedeutung für die Betriebssteuerung häufig überschätzt.
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3 Von der Verwaltung zum Management von Krankenhäusern
Richtwertkataloge verschiedener Institutionen10 legen Soll-Zeitwerte für die Ausübung einzelner medizinischer und nicht medizinischer Verrichtungen fest. Aus der Summierung der Richtzeiten werden dann die für die verschiedenen Aktivitäten einer Abteilung benötigten Personalkapazitäten errechnet. Genauer betrachtet handelt es sich um nichts anderes eine Form arbeitsplatzbasierter Personalbemessung; sie wird zudem beeinträchtigt durch eine Reihe grundsätzlicher Schwächen:
• Die Aktualität vieler Richtwerte ist durchaus bestreitbar. Meist liegen die Erhebungen der Institute zu weit in der Vergangenheit zurück.
• Die zu bewertenden, oft sehr kleinteiligen Verrichtungen sind im Regelfall nicht im Krankenhaus-Informationssystem dokumentiert. Aus diesem Grund führen Versuche, die Anzahl der Verrichtungen abzuschätzen, regelmäßig zu groben Ungenauigkeiten.
• Eine Bottom-up-Personalbemessung allein auf Basis von Richtwerten ist nicht sinnvoll, auch wenn sie häufig praktiziert wird. Wie die Erfahrung immer wieder zeigt, liegen derart ermittelte Soll-Personalausstattungen meist fernab von der betriebswirtschaftlichen Realität. Richtwerte sollten stattdessen vorzugsweise als Instrumente der Prozessoptimierung Anwendung finden. Sie erweisen sich nämlich als ausgesprochen hilfreich, wenn es darum geht, eine wirtschaftlich tragfähige Personalplanung mit den entsprechenden Einzelmaßnahmen zu hinterlegen.
Viel Zeit und Mühe verwenden Krankenhäuser auch auf die Etablierung komplexer Systeme zur Deckungsbeitragsrechnung. Mögen die Bemühungen, die interne Leistungsverrechnung abzubilden, noch so engagiert sein – Nutzen und Akzeptanz stehen dazu nur allzu oft in einem Missverhältnis: Entweder ist die Verrechnungslogik so kompliziert, dass sie dem Chefarzt, der über die DB-Rechnung gesteuert werden soll, nicht vermittelbar ist, oder es ergeben sich evidente Ungerechtigkeiten bei der Zuordnung. Vergleicht man überdies die Kosten der Leistungserbringung je Abteilung mit den Normkosten nach DRG, so wird das Konzept des Deckungsbeitrags bereits im Wesentlichen realisiert. Direkt zurechenbare Erlöse werden direkt zurechenbaren Kosten des medizinischen Bereichs gegenübergestellt. Die Detaillierung hier noch weiterzutreiben, rechtfertigt den Aufwand erfahrungsgemäß nicht.
3.1.3 Konsentierung und Vereinbarung verbindlicher Ziele Mit dem Einsatz der richtigen Analyseinstrumente und der methodisch sauberen Ableitung von Verbesserungspotenzialen und Zielwerten für die verschiedenen Organisationseinheiten ist es jedoch längst nicht getan. Die auf Basis der InEK-Kalkulation abgeleiteten Kostenziele lassen sich natürlich nicht einfach mechanistisch in die Unternehmensplanung übernehmen. Vielmehr stellen sie lediglich den Aufsatzpunkt dar für einen alljährlich zu führenden Strategiediskurs auf Geschäftsleitungsebene. Ziel dieses Diskurses muss sein, die aktuelle
3.1 Führen über Ziele und Zielvereinbarungen
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Leistungsfähigkeit der Fachabteilungen mit der strategischen Vision abzugleichen und ggf. entsprechende Anpassungen vorzunehmen. In den seltensten Fällen bedarf es dazu einer Änderung der strategischen Ausrichtung des Gesamthauses. Viel häufiger ist aus Sicht der Geschäftsführung zu fragen, welche Unterstützung die einzelnen Fachabteilungen tatsächlich brauchen, um strategiekonform handeln zu können. Eine solche Abwägung lässt sich sinnvoller Weise nur vornehmen, wenn die Rolle der einzelnen Fachabteilungen hinreichend geklärt und bereichsübergreifend akzeptiert ist. Unumgänglich ist hier eine klare, konsequente Kommunikation zwischen Geschäftsführung und Fachabteilungen, um bei eventuellen Umverteilungen den Betriebsfrieden zu wahren. Bleiben diese Voraussetzungen unerfüllt, kann niemand erwarten, dass bei vorgegebenem Gesamtkosten-Zielbudget weniger wachstumsstarke Abteilungen den wachstumsträchtigeren bei der Ressourcenverteilung loyal den Vortritt lassen. Ebenso wenig werden Wachstumsabteilungen sich mit geringeren Zuwächsen begnügen, um für Abteilungen, deren Position im strategischen Portfolio anderenfalls gefährdet wäre, entsprechende Zielwerterhöhungen bei Fallzahlen und Kosten zu ermöglichen. Besteht in der Geschäftsleitung Klarheit über Leistungsbeitrag und Entwicklungsperspektiven der einzelnen Fachabteilungen, so sind anschließend die verantwortlichen Führungskräfte und Leistungsträger der betreffenden Abteilungen bzw. Funktionen entsprechend zu unterrichten und einzubinden. Erst mit der Konsentierung und verbindlichen Vereinbarung der gemeinsam durchgesprochenen Ziele wird auch – auf Abteilungs- und Funktionsebene – die Ergebnisverantwortung von den Entscheidungsträgern angenommen. Konsentierung bedeutet, dass die (top-down) erstellten Zielvorgaben der Geschäftsführung mit den Planungen der Verantwortlichen für die verschiedenen Teilbereiche (bottom-up) abgestimmt werden. Dabei gilt das Prinzip der kommunizierenden Röhren: Ein Zuwenig an der einen Stelle ist jeweils nur dann akzeptabel, wenn es durch ein Zuviel an anderer Stelle kompensiert werden kann. Auf diesem Wege erhalten die gemeinsamen Planungen ihre Validität, zugleich wird die nötige Akzeptanz für eine erfolgreiche Umsetzung geschaffen. Um die Planungskongruenz zwischen Geschäftsführung und Chefärzten bzw. Abteilungsleitern herzustellen, sind im Regelfall jährliche Zielvereinbarungsgespräche zu führen. Im Vorfeld sollte die Geschäftsführung dazu ihre Zielvorgaben jeweils in Form eines Grobkonzepts des Wirtschaftsplans und der 3- bis 5-JahresPlanung vorlegen – idealerweise mit deutlichem Vorlauf, um den nachgeordneten Führungsebenen Zeit für eigene Überlegungen und eventuelle Änderungsvorschläge einzuräumen. In den anschließenden Gesprächsrunden gilt es, mit den Verantwortlichen der einzelnen Teilbereiche die Eckpunkte der Mittelfristplanung zu bestimmen und die Inhalte des Wirtschaftsplans schrittweise zu detaillieren und zu konsentieren. Danach werden die erzielten Vereinbarungen verbindlich festgeschrieben und durch Unterschrift bestätigt. Auf dieser Grundlage werden schließlich im letzten Schritt die Budgets für die Personal- bzw. Sachaufwendungen verabschiedet und Meilensteine für die unterjährige Umsetzung des Wirtschaftsplans vorgegeben – mit definierten Erlös- und Qualitätsvorgaben, Maßnahmenpaketen sowie individuellen Verantwortlichkeiten.
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3 Von der Verwaltung zum Management von Krankenhäusern
3.2 Mit dezentralen Organisationsstrukturen zum Erfolg Wie erfolgreich sich die Zielvereinbarungen realisieren lassen, hängt maßgeblich ab von der Verfügbarkeit geeigneter Organisationsstrukturen. In der Krankenhauspraxis dominiert nach wie vor die Organisation nach Berufsgruppen, d. h. das traditionelle „Dreigestirn“, mit jeweils separaten Weisungs-/Berichtslinien für Ärzte, Pflegepersonal und Administration. Achillesferse dieser Organisationsstruktur ist die Konzentration aller Zuständigkeiten und Entscheidungskompetenzen auf Geschäftsführungsebene – bei gleichzeitig weitgehender Trennung der operativen von der wirtschaftlichen Verantwortung. Umsätze und Kosten werden vor allem in den klinischen Bereichen verursacht. Die ökonomische Verantwortung liegt dagegen zentral beim kaufmännischen Leiter. Um unter den gegebenen Bedingungen wirtschaftlich und wettbewerbsfähig agieren zu können, haben die Krankenhäuser vielerorts mit neuen Organisationsstrukturen experimentiert. Die Position des ärztlichen Direktors wird jetzt teilweise hauptamtlich und nicht mehr nebenberuflich besetzt. Dass die Leitung des Pflegedienstes in der Geschäftsführung vertreten ist, erscheint nicht mehr überall als unerlässlich. Und schließlich erwartet man vom kaufmännischen Leiter zunehmend, dass er auch mit den Anforderungen des klinischen Geschäftsbetriebs gut vertraut ist. Aus den vielfältigen Reformansätzen hat sich bisher jedoch kein Prototyp einer Führungsorganisation herauskristallisiert, der den anderen prinzipiell überlegen ist. Im Gegenteil: Es ist ein Irrglaube zu meinen, dass eine bestimmte Organisationsstruktur für alle Krankenhausbetriebe gleichermaßen vorteilhaft ist. Für jedes Haus ist die Ausgangslage zunächst einmal unterschiedlich. Und logischerweise sollte die Führungsorganisation auch so gewählt werden, dass sie das Erreichen der gesetzten Ziele jeweils optimal unterstützt. In dem Maße, in dem sich Ausgangslage und Zielsetzungen unterscheiden, werden mithin auch die Organisationsstrukturen von Haus zu Haus divergieren.11 In diesem Sinne sollte man sich bei Reformdiskussionen zunächst fragen, welche Defizite der alten Führungsorganisation eigentlich behoben werden sollen. Danach empfiehlt es sich, die Anforderungen an die Ausgestaltung der neuen Führungsorganisation festzulegen. Abschließend lässt sich dann die jeweils am besten geeignete Organisationsoption ermitteln und entsprechend umsetzen.
3.2.1 Das traditionelle „Dreigestirn“ als Auslaufmodell Die dreigliedrige Führungsorganisation mit ärztlichem Dienst, Pflegedienst und administrativem Bereich sowie mit einer Konzentration der Entscheidungen auf der Direktionsebene entspricht – bei näherem Hinsehen – in keiner Weise der spezifischen Situation eines Krankenhauses sowie seiner Größe und Komplexität. Vielmehr steht sie geradezu idealtypisch für das „One size, one format fits all!“-Prinzip der Bedarfsdeckungsökonomie. Aus heutiger Sicht erscheint diese traditionelle Führungsorganisation mehr und mehr als Auslaufmodell. Denn ihre inhärenten Schwächen schaffen enorme Hürden für ein flexibleres Agieren am Markt – was unter zusehends größeren Wettbewerbsund Wirtschaftlichkeitszwängen immer wichtiger wird.
3.2 Mit dezentralen Organisationsstrukturen zum Erfolg
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Chronische Überlastung der Leitungsfunktionen. Besonders augenfällig sind die Überlastungseffekte in größeren Häusern der Maximalversorgung. Bei durchweg großer eigener Führungsspanne berichten alle Chefärzte/Klinikleiter direkt an den zumeist ehrenamtlich eingesetzten ärztlichen Direktor – ebenso wie alle Stationsleitungen an den Pflegedirektor oder alle Verwaltungseinheiten an den Verwaltungsdirektor berichten. Auf den nachgeordneten Führungsebenen sind die operativen Handlungsspielräume dagegen massiv eingeschränkt. Oft bestehen erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der jeweiligen Zuständig- und Verantwortlichkeiten. Die latenten unternehmensinternen Spannungen zeigen sich u. a. in Interaktionsproblemen mit Dritten. Beispielsweise ist nur selten klar geregelt, wer die Kommunikationsaufgaben gegenüber Einweisern oder anderen Vertragspartnern mit welchen Freiheitsgraden wahrnimmt. Trennung von operativer und ökonomischer Verantwortung. In der Regel treffen die Chefärzte alle relevanten Entscheidungen im Klinikbetrieb, gleichzeitig haben sie jedoch kaum Einfluss auf die Budgetgestaltung und -verwendung in ihrer Klinik. Anreize für gut wirtschaftende Chefärzte gibt es ebenso wenig wie Sanktionsmechanismen für Fachabteilungen, die hinter ihren Zielen zurückbleiben. In der Verwaltung dominiert dagegen eine klare Kostenorientierung, während die GuV-Verantwortung schon allein auf Grund ihres Abstands zum operativen Geschäft kaum wahrgenommen werden kann. Fehlende Kundenorientierung im Servicebereich. Ungeachtet aller Bemühungen auf Direktionsebene, die Steuerungs- und Entscheidungsgänge nach Möglichkeit bis ins letzte Detail zu zentralisieren, bestehen gerade in Unterstützungsfunktionen wie Radiologie, Labor, Wäscherei, Reinigung etc. massive Tendenzen zur Verselbständigung. Weit entfernt von einer Serviceorientierung am internen Kunden, fehlt es häufig an genau definierten Servicelevels. Meist verstehen sich die Unterstützungsfunktionen als reine Cost-Center – ohne definierte Verantwortlichkeiten für Leistungsumfänge oder Arbeitsproduktivität. Der Leiter der Reinigung etwa bestimmt mitunter völlig eigenständig, wie häufig, mit welchem Zeitaufwand und in welcher Qualität Reinigungsarbeiten erfolgen sollen. Somit beauftragt und kontrolliert sich die Reinigungsfunktion de facto selbst und legt auch noch den Rechnungspreis fest. Der Einfluss der Abteilungen, die solche Leistungen in Anspruch nehmen, ist hingegen vergleichsweise gering. Unzureichendes Schnittstellenmanagement. Auch die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Abteilungen und Funktionen verläuft selten reibungsfrei. Konsens über mehrere Organisationseinheiten hinweg zu schaffen, ist durchweg sehr zeitaufwendig. Häufig bedarf es intensiver Abstimmungsgespräche, um selbst naheliegende Entscheidungen zu treffen, etwa zur Beschaffung von klinischem Verbrauchsmaterial. Verantwortliche Mitarbeiter sehen sich bei Aufgaben des Schnittstellenmanagements häufig blockiert, da ihnen die erforderlichen Entscheidungskompetenzen vorenthalten werden. Ergeben sich unüberbrückbare Differenzen, so ist oftmals nicht klar, welcher übergeordneten Instanz der Streitfall zur Entscheidung vorgelegt werden soll. In Häusern der öffentlichen Hand wäre dies gegebenenfalls der Gemeinderat. Seine Mitglieder sind aber bei Detailentscheidungen zur Betriebsleitung vielfach überfordert, auch wenn sie mit großem persönlichen Einsatz zu vermitteln suchen. Daraus
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resultieren in der Regel langwierige Konsultierungs- und Genehmigungsverfahren. Sie lähmen nicht nur intern die Zusammenarbeit zwischen den klinischen und nicht klinischen Abteilungen. Vielmehr limitieren sich auch die Reaktionsmöglichkeiten des Krankenhauses am Markt – beim Wettbewerb um den Patienten ebenso wie um mehr Wirtschaftlichkeit.
3.2.2 Gestaltungskriterien für eine unternehmerisch handelnde Führungsorganisation Aus der Schwachstellenanalyse lassen sich Grundvorstellungen für eine neue, zeitgemäßere Führungsorganisation entwickeln: So nimmt etwa die Handlungsgeschwindigkeit deutlich zu, wenn ein breiterer Kreis von Führungskräften eigenständig Entscheidungen fällen kann.12 Zudem verbessert sich die Qualität der Entscheidungen, wenn die jeweiligen Entscheider über möglichst hohe Sachkompetenz verfügen und auch im Tagesgeschäft laufend mit entsprechenden Themen befasst sind. Daraus folgt, dass man statt der bisher monolithen, stark hierarchiegeprägten Führungsstrukturen eine offenere Organisationsstruktur anstreben sollte. Charakteristisch für sie ist, dass selbststeuerungsfähige Organisationseinheiten eigenständig nebeneinander arbeiten und ihren spezifischen, messbaren Beitrag zum Krankenhausbetrieb leisten können. Auch wenn das Prinzip einer offeneren Organisationsstruktur durchaus plausibel scheint, so ist die Realisierung in der Regel alles andere als einfach. Die neue Führungsorganisation muss, wenn sie Bestand haben soll, möglichst optimal auf die Verhältnisse vor Ort, die handelnden Personen, das Leistungsportfolio des Krankenhauses und die jeweiligen Markt-/Wettbewerbsanforderungen zugeschnitten sein. Zudem kann auch der Übergang von der alten zur neuen Führungsorganisation enorme Probleme schaffen, so präzise und perfekt die Zielstruktur auch geplant sein mag. Vor diesem Hintergrund sollte man bei den anstehenden Umbaumaßnahmen vier Gestaltungskriterien beachten. Sie haben sich bei vergleichbaren Organisationsreformen immer wieder bewährt: 1. Delegation unternehmerischer Verantwortung nach „unten“ – auf die Profit-Centerbzw. Cost-Center-Ebene. Je näher der Entscheidungsträger am operativen Geschäft ist, umso kompetenter kann er seine Entscheidungen treffen. Und wer Entscheidungen trifft, sollte auch für sein Handeln die Verantwortung tragen. Entsprechend ist die Ergebnisverantwortung beim jeweiligen Entscheider anzusiedeln – ganz gleich, ob dieser nun einem als Profit-Center oder Cost-Center geführten Bereich vorsteht. In den primären medizinischen Bereichen sollte demgemäß jeder Chefarzt – idealerweise in der Rolle des Unternehmers – die komplette Erlösverantwortung erhalten, basierend auf der Steuerung von Fallzahlen und Case Mix. Zusätzlich muss er eine gestaffelte Verantwortung erhalten für die anfallenden Kosten, jeweils entsprechend seinem eigenen Anteil an ihrer Entstehung:
• Bei den Personalkosten in den klinischen Dienstarten sowie den Kosten für medi-
zinischen Sachbedarf ist der Chefarzt verpflichtet, die Planungsvorgaben einzu-
3.2 Mit dezentralen Organisationsstrukturen zum Erfolg
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halten. Ergebnis- und Durchführungsverantwortung für den Pflegebereich sollte er sinnvoller Weise an die Pflegedienstleitung delegieren, gleichzeitig aber die korrekte Leistungserbringung über Kennzahlen wie durchschnittliche Verweildauer etc. nachhalten.
• Kosten der Infrastruktur sollten ihm dagegen nur zu dem Teil zugerechnet werden, auf den er auch Einfluss hat.
In den sekundären medizinischen Bereichen ist für die Leistungsverrechnung eine strikte Trennung nach Mengen- und Preiseffekten empfehlenswert: Abteilungen, die Leistungen in Anspruch nehmen, verantworten jeweils die Mengennachfrage (zu Marktpreisen!). Abteilungen, die Leistungen erbringen, verantworten das Preisniveau. In den nicht medizinischen Bereichen gilt für die Dienstleister das gleiche Prinzip: Sie fungieren als Hüter von Preis und Qualität. Gemeinkosten, die sich nicht direkt den einzelnen Leistungseinheiten zurechnen lassen, werden über Umlagenschlüssel möglichst leistungsgerecht verrechnet. Die Verantwortung für diese Kostenblöcke verbleibt zentral bei der Verwaltung. 2. Kongruenz von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten. Wer Verantwortung trägt, muss grundsätzlich auch über die entsprechenden Kompetenzen verfügen, um der Verantwortung gerecht werden zu können. Nähe zum operativen Geschäft ist unerlässlich. Hinzukommen müssen aber auch, soweit erforderlich, neue Fähigkeiten und Fertigkeiten. Vor allem für die Führungskräfte im ärztlichen Dienst, speziell die Chefärzte, verbindet sich mit dieser Forderung zum einen eine erhebliche Ausweitung der betriebswirtschaftlichen Verantwortlichkeiten, zum anderen die Notwendigkeit, ein neues Verständnis von Rolle und Aufgabenstellungen zu entwickeln. Welche Herausforderungen damit auf die Chefärzte zukommen können, zeigt ein Blick auf das typische Anforderungsprofil für die Chefarztstelle in einem Großklinikum. Die geforderte Kongruenz von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten lässt sich nur herstellen, wenn zugleich auch die Zuständigkeitsbereiche der verschiedenen Führungskräfte klar voneinander abgegrenzt werden. Diese Separierung muss – schon um die notwendige Orientierung zu schaffen – auch für die Mitarbeiter transparent und nachvollziehbar sein. Kommt es dennoch zu Konflikten innerhalb einer Abteilung oder zwischen einzelnen Abteilungen, so sollten vordefinierte Deeskalationsinstanzen und ‑mechanismen verfügbar sein, um eine konstruktive Konfliktlösung zu ermöglichen. Dies gilt insbesondere für sensitive Themen wie Stellenbesetzungen oder Entlassung von Mitarbeitern. 3. Handhabbare Führungsspannen. Führungsrollen lassen sich nur dann sachgerecht wahrnehmen, wenn die Führungsspannen auch handhabbar sind. Für Chefärzte beispielsweise sollte die Führungsspanne bei maximal 10 bis 20 eng zu betreuenden Mitarbeitern liegen. Nur so können Schlüsselthemen wie etwa Personalentwicklung, operativer Durchgriff etc. angemessen adressiert werden. Gerade in den nicht medizinischen Serviceabteilungen, etwa der Technik, mangelt es oft an der Koordination der Mitarbeiter, bedingt durch allzu große Führungsspannen. Spätestens wenn ein Mitarbeiter nicht mehr weiß, wer sein Chef ist, oder
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Anforderungsprofil Chefarzt – Beispiel
• Festlegung des Personaleinsatzes sowie der Zuständigkeiten von Ober- und Assistenzärzten
• Personalauswahl auf Ober- und Assistenzarztstellen sowie von Mitarbeitern in Funktions- und medizinisch-technischen Diensten
• Durchführung
von Zielgesprächen mit und Leistungsbewertungen von Mitarbeitern sowie die aktive Förderung der Weiterentwicklung
• Steuerung der Qualitätsprozesse für die zu erbringenden Leistungen • Einhaltung der Qualitätsvorgaben von Medizincontrolling und Qualitätsmanagement:
− Einführung klinischer Behandlungspfade − Umsetzung von Beschlüssen zur Standardisierung des medizinischen Sachbedarfs − Mengensteuerung und Messung des Servicegrads der medizinischen Dienstleister (z. B. Labor, Anästhesie) in kooperativer Zusammenarbeit
• Berichterstattung über den Geschäftsverlauf an den ärztlichen und den kaufmännischen Direktor.
der Abteilungsleiter recherchieren muss, welche Mitarbeiter ihm eigentlich unterstellt sind, besteht Handlungsbedarf. Erweisen sich Führungsspannen als zu groß, empfiehlt es sich, geeignete Zwischenebenen in die Aufbauorganisation einzuziehen. Allerdings sollte sorgsam geprüft werden, ob der Zugewinn an Steuerbarkeit und Kontrolle tatsächlich die Mehraufwendungen für die zusätzliche Führungsebene zu kompensieren vermag. 4. Klar definierte Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen. Fehlallokation und -steuerung von Ressourcen lassen sich vermeiden, wenn bei allen internen Transaktionen jeweils eine strikte Abgrenzung zwischen den Rollen „Leistungsanbieter“ und „Leistungsnachfrager“ erfolgt. Insbesondere ist sicherzustellen, dass jede Leistungserbringung tatsächlich von der Nachfrageseite her angestoßen wird. Deren Aufgabe muss es zudem sein, nicht nur die jeweiligen Leistungsumfänge zu konsentieren, sondern auch jeden einzelnen Umsetzungsschritt entsprechend nachzuhalten.
3.2.3 Auswahl der jeweils geeignetsten Organisationsoption Mit der Verlagerung von Führungsverantwortung nach „unten“ muss auch eine Neuregelung der Beziehungen erfolgen zwischen der ersten Führungsebene (Geschäfts-
3.2 Mit dezentralen Organisationsstrukturen zum Erfolg
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führung) und den als Profit-Center bzw. Cost-Center geführten Geschäftseinheiten der zweiten Führungsebene. Zunächst ist die Rolle der Geschäftsführung bzw. Zentrale neu zu definieren: Denn viele Aufgaben, die bisher dort angesiedelt waren, werden heutzutage von leitenden Mitarbeitern in den nachgeordneten Geschäftseinheiten wahrgenommen. Daher liegt es nahe, dass sich Aktivitäten der Zentrale künftig vor allem auf die folgenden Aufgabenschwerpunkte konzentrieren:
• Definition und Konsentierung der Ziele für das Krankenhaus • Vereinbarung verbindlicher Handlungspläne, um diese Ziele zu erreichen • Allokation der Personal- und Sachressourcen auf die verschiedenen Profit-Center und Cost-Center
• Sicherstellung eines transparenten Informations- und Berichtswesens. Über diese Rahmensetzungsaufgaben hinaus ist zu klären, wie sich der Dialog zwischen Zentrale und den Profit- bzw. Cost-Centern im Einzelnen gestalten soll: In welchem Maße bzw. welcher Form will die Zentrale auch weiterhin Einfluss nehmen auf die Führung und die Entscheidungsfindung in den Centern? Welche Freiheitsgrade sollen die Centerleitungen bei operativen bzw. bereichsstrategischen Entscheidungen erhalten? Wie soll das Zusammenwirken der verschiedenen Center bereichsübergreifend geregelt werden? Welche Rolle spielt die Zentrale bei Konflikten auf Centerebene? In der Praxis ist zu beobachten, dass in den Krankenhäusern gegenwärtig mit z. T. sehr unterschiedlichen Organisationsmodellen experimentiert wird. Welche der nachstehend beschriebenen Führungsorganisationen im Einzelfall am geeignetsten ist, lässt sich nicht von vornherein bestimmen. Denn das Umfeld ist von Haus zu Haus stets unterschiedlich. Zudem hängt es in hohem Maße von den handelnden Personen ab, ob die jeweils präferierte Option sich als erfolgreich erweist oder nicht: Option „Innerbetriebliche Holding“. Divisionale Lösungen werden gewählt, wenn eine weitestgehende Dezentralisierung von Führungsaufgaben und Zuständigkeiten erfolgen soll. Bei konsequenter Umsetzung nimmt die Geschäftsführung eine Investorenrolle ein und beschränkt sich im Wesentlichen auf die strategische Ausrichtung des Krankenhauses sowie die Wahrnehmung von Controllingaufgaben. Die Verantwortung für das operative Geschäft liegt allein bei den dezentralen – medizinischen wie auch nicht medizinischen – Organisationseinheiten. Idealerweise werden diese wie kleine bzw. mittlere Unternehmen geführt. Sollten die Zielwerte in der einen oder anderen Einheit nicht erreicht werden, wird sich die Krankenhausleitung nicht so sehr um eine inhaltliche Lösung der Probleme bemühen, sondern eher das Erfordernis eines Managementwechsels prüfen. Vorteilhaft bei einer divisionalen Lösung ist, dass im Regelfall ein einziger Geschäftsführer ausreicht, um das gesamte Krankenhaus zu führen. Als nachteilig könnte sich erweisen, dass es den verschiedenen Profit- und Cost-Centern überlassen bleibt, sich im Zweifelsfall jeweils selbst zu steuern und zu koordinieren. Damit
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3 Von der Verwaltung zum Management von Krankenhäusern
besteht immer eine unterschwellige Tendenz zur Intransparenz und Herausbildung kleiner „Fürstentümer“ – vor allem dann, wenn die Leiter der Center selbst sehr führungsstarke, selbstbewusste Persönlichkeiten sind. Option „Serviceline-Modell“. Von Serviceline-Modellen spricht man, wenn die Führungsverantwortung für die einzelnen Profit-/Cost-Center unmittelbar auf der obersten Leitungsebene angesiedelt ist. Reguläre Mitglieder der Geschäftsführung sind in diesem Sinne: die Chefärzte/Klinikleiter, z. B. für innere Medizin, Chirurgie und Labormedizin, aber auch die Leiter der nicht klinischen Bereiche, z. B. Reinigung, Speiseversorgung und Wäsche. Vorteil einer solchen Spartenorganisation ist, dass sich die Spartenverantwortlichen regelmäßig auf Geschäftsführungsebene treffen, sich direkt austauschen und gemeinsam auf Ziele und Maßnahmen verständigen können. Nachteilig ist sicherlich, dass sich der Kreis der Geschäftsführer stark ausweitet – fünf bis zehn Geschäftsführer sind keine Seltenheit. Option „Abgestuftes Führungsmodell“. Mit einem solchen Führungsmodell wird regelmäßig versucht, die Möglichkeiten einer Holdinglösung mit denen eines Serviceline-Modells zu kombinieren. Vor allem die klinischen Abteilungen werden in der Tendenz holdingartig geführt mit einem ärztlichen Direktor an der Spitze, der auch Mitglied der Geschäftsführung ist, sowie einer Reihe ihm berichtender Chefärzte/Klinikleiter. Letztere führen ihre Profit-Center weitestgehend selbständig und sind gegenüber dem ärztlichen Direktor/Geschäftsführer im Wesentlichen nur ergebnisverantwortlich. Für die nicht klinischen Bereiche, insbesondere die Administration, ist dagegen die operative Verantwortung im Regelfall unmittelbar auf der Geschäftsführungsebene angesiedelt. Abhängig jeweils von der konkreten Ausgestaltung im Einzelfall umfasst die Geschäftsführung bei einem abgestuften Führungsmodell zwischen zwei und vier Geschäftsführer.
3.3 Mit Kennzahlen steuern Mit der Herausbildung eines modernen Krankenhausmanagements ändern sich auch die Aufgaben für das Berichtswesen und Controlling. Lediglich die Aufwendungen sauber zu verbuchen und die Bettenauslastung zu verfolgen, reicht unter DRG-Bedingungen nicht aus. Zum einen gilt es, Fehlsteuerungen zu vermeiden. Beispielsweise könnte die Bettenauslastung statt durch Fallzahlsteigerungen im Prinzip auch durch Streckung der Verweildauern erreicht werden. Die Ergebniswirkung wäre allerdings fatal. Bei der Abrechnung nach Fallpauschalen wird ein verlängerter Patientenaufenthalt entweder überhaupt nicht oder – im Zuge von „Langlieger“-Zuschlägen – bestenfalls unterproportional vergütet. Zum anderen erweitert sich durch die Dezentralisierung der Führungsorganisation deutlich der Adressatenkreis des Berichtswesens. Die Verwaltung kann nicht mehr allein der Hüter der Kennzahlen sein. Profit- und Cost-Center, die immer häufiger über Zielvereinbarungen geführt und gesteuert werden, stellen eine zuneh-
3.3 Mit Kennzahlen steuern
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mend wichtige neue Kundengruppe dar. Sollen diese Center wie betriebswirtschaftliche Geschäftseinheiten agieren, so benötigen sie auch die erforderlichen, steuerungsrelevanten Informationen. Die Verlagerung der Verantwortlichkeiten nach „unten“ – im Rahmen der Dezentralisierung von Strukturen – setzt sich somit auch im Berichtswesen und Controlling fort. Aus den Zielvereinbarungen der Geschäftsführung sind jeweils klar messbare und zeitnah zu verfolgende Kenngrößen für die verschiedenen Center und sonstigen nachgeordneten Organisationseinheiten abzuleiten. Soll am Ende für jeden Teilbereich auch der von ihm jeweils erwirtschaftete Gewinn- oder Verlustbeitrag zum Gesamtergebnis korrekt ausgewiesen werden, so müssen Berichtswesen und Controlling zudem im Stande sein, die internen Verrechnungen von Serviceleistungen valide abzubilden. Um diesen Herausforderungen – in ihrer ganzen Breite und Tiefe – gerecht zu werden, müssen Berichtswesen und Controlling zuallererst ein leistungsstarkes, nutzerorientiertes Kennzahlensystem bereitstellen, gegebenenfalls sogar ein Netzwerk von Kennzahlensystemen. Parallel dazu gilt es, eine neue Sensibilität für die Kernsteuerungsparameter und Kernkennzahlen der einzelnen Adressatengruppen zu entwickeln.
3.3.1 Anforderungen an nutzerorientierte Kennzahlensysteme Krankenhäuser haben inzwischen vielfach erhebliche Investitionen in KrankenhausInformationssysteme (KIS) und Management-Informations-Systeme (MIS) getätigt. Auf diese Weise sind riesige Data Warehouses entstanden, aus denen Berichte in allen erdenklichen Schnitten kompiliert werden können. Vielerorts werden Controlling-Reports erstellt, die Dutzende von Seiten umfassen, und als Monatsberichte breit unter allen Führungskräften gestreut. Leider werden solche Berichte den Ansprüchen der Adressaten nur sehr bedingt gerecht. Die Informationen sind häufig viel zu umfangreich, nicht hinreichend aktuell und weitgehend entkoppelt von den jeweils relevanten Zielvereinbarungen der einzelnen Organisationseinheiten. Eine differenzierte Disaggregation der Kennzahlen nach den Bedürfnissen der jeweiligen Adressatengruppen fehlt meist ebenso wie die Fokussierung auf die wirklich relevanten Kernsteuerungsparameter. Nicht selten werden Kennzahlen ausgewiesen, die von den Adressaten überhaupt nicht beeinflussbar und mithin auch unbrauchbar zur Steuerung sind. Mit Blick auf diese inhärenten Mängel der bisherigen Berichterstattung scheint es dringend angebracht, die bestehenden Kennzahlensysteme weiterzuentwickeln und/oder die Controllingkompetenz auf Nutzerseite entsprechend zu stärken – wie es in der Praxis gelegentlich bereits geschieht:
• Etablierung maßgeschneiderter, adressatengerechter Kennzahlensysteme. Die der-
zeit verfügbaren Controlling-Standardsysteme tatsächlich an die Bedingungen und Bedürfnisse des Krankenhausbetriebs anzupassen, ist meist ungleich aufwendiger und kostspieliger als die Einrichtung eigener „Controlling-Cockpits“ (Abb. 3.3). Solche in ihrer Komplexität deutlich reduzierten, dafür aber maßgeschneiderten Kennzahlensysteme lassen sich direkt vor Ort aufbauen – PC-
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3 Von der Verwaltung zum Management von Krankenhäusern
Basis-Cockpit – Abteilung für Orthopädie
BEISPIELHAFT
Berichtsmonat Mai
Leistungs- und Kostenparameter Stationäre Fallzahl Kumuliertes Ist zum Jahresende
CMI Ø Ist
Produktivität Stationäre Fälle je CMI gewichtet
Verweildauer Ø in Tagen
172
1,33
2.508
8,1
Plan*
2.600
1,33
Plan
Medizinischer Sachbedarf in EUR/CMP
Personalkostenbudget in EUR
Ø Ist
7,0 Plan
300 Plan Sachkostenbudget in EUR Kumuliertes V-Ist
Kumuliertes V-Ist
Prozess- und Ergebnisparameter Anteil S-N-Zeit an gebuchten OP-Kontingenten in Prozent Ist
Durchschnittliche Wechselzeit im OP in Minuten
Anzahl stationärer Tage vor elektiver OP
Dauer Versand Arztbrief nach Entlassung in Tagen
Anzahl nicht kodierter Fälle
Anteil Patienten auf klinischen Behandlungspfaden von Anzahl offener möglichen Anfragen des Pfadpatienten MDK in Prozent
Ziel*
100
5
50 75
5
10
5
≤5 0,8 0
≤1
1 0
≤1
≤ 0,95 0
100
80
20
0
100
5
4
35
45
0
Verhältnis Behandlungs- zu Beköstigungstagen
≤2
3 0
0
0
* Plan- bzw. vereinbarte Zielwerte gemäß Zielvereinbarungsgespräch zwischen Chefarzt und Geschäftsführung Quelle: McKinsey
Abb. 3.3. Wesentliche Steuerungsparameter für die Führungskräfte der Orthopädie auf einen Blick
basiert, mit normaler Office-Software und in enger Zusammenarbeit mit den relevanten Führungskräften der Profit- bzw. Cost-Center. Die frühe Einbindung der Nutzer fördert zudem das inhaltliche Verständnis der Zahlen und die Akzeptanz auf Adressatenseite. Relevante Zielgruppen für „Controlling-Cockpits“ sind – neben der Geschäftsführung – Ärzteschaft, Pflegepersonal sowie die Verantwortlichen in den nicht medizinischen Servicebereichen.
• Einsatz
von so genannten Boundary Spanners. An der Nahtstelle zwischen betriebswirtschaftlichem und medizinischem Controlling einerseits und dem jeweiligen operativen klinischen Bereich andererseits werden zunehmend Boundary Spanners eingesetzt. Ihre Aufgabe ist es, den Informationsaustausch nachhaltig zu verbessern.
Als Boundary Spanner fungieren für gewöhnlich betriebswirtschaftlich interessierte Ärzte. Zum einen vermitteln sie dem Controlling in kondensierter Form die Ansprüche der Ärzteschaft. Zum anderen übernehmen sie das Coaching ihrer Fachkollegen in allen Controllingfragen. Damit entlasten sie insbesondere die Chefärzte. Diese sind heute immer häufiger mit der Doppelrolle des Klinikleiters und Unternehmers betraut, ohne dabei auf einschlägige, betriebswirtschaftliche Kenntnisse zurückgreifen zu können. Beide Maßnahmen erleichtern die Selektion der Kennzahlen und tragen zur Fokussierung auf die wirklich relevanten Kernsteuerungsparameter bei. Ziel sollte künftig sein, für jede der beschriebenen Adressatenzielgruppen eine überschaubare
3.3 Mit Kennzahlen steuern
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Anzahl von Kernsteuerungsparametern bereitzustellen. Gemäß dem Anspruch, die wesentlichen Aspekte der Wertschöpfungskette eines Krankenhauses ganzheitlich abzubilden, sollten die Kennzahlen für jedes Center bzw. jede nachgeordnete Organisationseinheit – in Anlehnung an das Prinzip der Balanced Scorecard13 – die relevanten Zielvorgaben in den Dimensionen „Leistungsumfänge“, „Kosten“, „Qualität“ und „Prozesse“ jeweils valide emulieren. Damit wird auch den durchaus facettenreichen, nicht immer quantitativ erfassbaren Unternehmenszielen im Controlling Rechnung getragen. Wird das Prinzip des Controlling-Cockpits überdies konsequent top-down angewandt, so lassen sich aus dem Controlling-Cockpit der Geschäftsführungsebene idealerweise auch alle Steuerungsparameter für die nachgeordneten Einheiten ableiten. Damit würde, in einem großen Integrationsschritt, die strategische Geschäftsplanung der Zentrale mit dem operativen Tagesgeschäft von ärztlichem Dienst, Pflegepersonal sowie Servicebereichen verknüpft. Vom Konzept her ist dies einleuchtend, auch wenn die Umsetzung noch reichlich in der Zukunft liegen mag.
3.3.2 Kriterien für die Definition adressatengerechter Kennzahlen Bisher gibt es noch kein im Praxistest erhärtetes, universell anwendbares System von Kernkennzahlen zur Krankenhaussteuerung. In den vergangenen Jahren haben jedoch einzelne Krankenhäuser Designkriterien entwickelt, anhand derer sich – zugeschnitten auf die Bedürfnisse der jeweiligen Adressatenzielgruppe – Kernsteuerungsparameter definieren und erfolgreich in der Praxis einsetzen lassen. Die wichtigsten Designkriterien lauten wie folgt: 1. „Jede Kennzahl muss mit einem relevanten Unternehmensziel verknüpfbar sein!“ Die Koppelung an ein evidentes Unternehmensziel stellt sicher, dass nur wirklich relevante Kennzahlen verfolgt werden. Kennzahlen ohne eine solche Koppelung verstellen den Blick aufs Wesentliche und können zu Fehlsteuerungen führen. 2. „Jede Kennzahl muss auf einen entsprechenden Zielwert sowie eine vordefinierte Handlungsreaktion verweisen!“ Jeder Kennzahl muss in diesem Sinne ein spezifischer Zielwert zugeordnet sein, der sich systematisch aus dem entsprechenden Unternehmensziel ableiten lässt. Wenn alle Adressatenzielgruppen durchgängig ihre individuellen Zielwerte realisieren, muss bottom-up auch das gewünschte Gesamt-Unternehmensergebnis erreicht werden. Überdies sollten die Kennzahlenwerte jeweils an einen entsprechenden Eskalationsmechanismus geknüpft sein. Die Abweichung vom Zielwert der einzelnen Kennzahlen kann beispielsweise durch eine Ampeldarstellung illustriert werden: Bei roter Ampel besteht unmittelbarer Bedarf zu handeln oder gegenzusteuern, bei gelber Ampel Anlass zu erhöhter Vorsicht und die grüne Ampel zeigt an, dass alles nach Plan läuft. Der Eskalationsmechanismus bestimmt auch, wer wann welche Maßnahmen einzuleiten hat. Damit ist, auch falls mehrere Kennzahlen von ihrem Zielwert abweichen, die Reihenfolge der einzuleitenden Maßnahmen bereits im Vorhinein festgelegt.
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3 Von der Verwaltung zum Management von Krankenhäusern
3. „Berichtet werden stets nur Kennzahlen, die für den Adressaten relevant sind!“ Für jeden einzelnen Adressaten müssen die berichteten Kennzahlen jeweils unmittelbar handlungsrelevant sein. Dies bedeutet, dass sie in einer klar erkennbaren, völlig eindeutig nachvollziehbaren Beziehung zu den jeweils verantworteten Leistungsbereichen stehen. Auf diese Weise wird den einzelnen Adressatenzielgruppen stets nur eine limitierte, überschaubare Anzahl von Kennzahlen berichtet. 4. „Alle Kennzahlen müssen vom Adressaten beeinflussbar sein!“ Die Leistung eines Managers oder Mitarbeiters lässt sich nur anhand von Zielvorgaben ermessen, die vom Betreffenden mit seinen Handlungen auch direkt beeinflussbar sind. Oft ist nicht unmittelbar ersichtlich, ob bzw. in welchem Maße die Output-Werte einer Kennzahl durch Aktivitäten der Adressatenzielgruppe gesteuert werden können. Um die Zusammenhänge und Einflussfaktoren transparent zu machen, empfiehlt es sich, jede Kennzahl mit einem entsprechenden Treiberbaum zu hinterlegen. 5. „Jede berichtete Kennzahl ist für sich aktuell und robust!“ Kennzahlen müssen stets zeitnah und zuverlässig verfügbar sein. Wenn sich eine Kenngröße nur mit großer Verzögerung oder lediglich diskontinuierlich erheben lässt, ist ihre Steuerungswirkung beschränkt. Informationen etwa zu Fallzahlen oder Stationsauslastungen sind oft nach einem Monat, bisweilen schon nach einer Woche so gut wie hinfällig. Welche Kennzahlen im Einzelnen zu messen sind, sollte auch von der Datenverfügbarkeit abhängig gemacht werden. Besonders kritisch ist die Datenaktualität bei so genannten Frühwarnindikatoren, wie etwa Aufnahmedynamik oder Liquidität. Negativtrends sollten nach Möglichkeit frühzeitig aufgedeckt werden. Denn je später die Trendwende eingeleitet wird, desto aufwendiger sind zumeist die zu ergreifenden Maßnahmen. Um Fehlsteuerungen zu vermeiden, sind außerdem Datenquellen, Erhebungsund Korrekturprozesse sowie die erforderlichen Qualitätsprüfungen jeweils eindeutig zu definieren. Erfahrungsgemäß kann man die Verfügbarkeit und Verlässlichkeit von Kennzahlen am besten sicherstellen, indem man die Verantwortung für die Datenquellen einem festen Ansprechpartner bzw. einer direkt zuständigen Abteilung überträgt. Dies hat den Vorteil, dass die Daten jeweils nur von einer Instanz gepflegt werden. Somit können auch keine konkurrierenden Versionen in Umlauf kommen bzw. unterschiedliche organisatorische Schnittstellen das Risiko von Übermittlungsfehlern vervielfachen.
3.4 Fazit: Schwachstellen in der Organisation frühzeitig auszuräumen, schafft Vorteile im Wettbewerb Sich in Zeiten eines drängenden operativen Handlungsbedarfs Gedanken über die Qualität der Führungsorganisation zu machen, mag auf den ersten Blick müßig scheinen. Denn Unternehmensziele zu definieren, Verantwortung zu delegieren
Endnoten
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oder wirkungsvolle Informations- und Controllingsysteme zu etablieren, ist ausgesprochen aufwendig. Mithin ist die Frage durchaus berechtigt, ob man kostbare Zeit für eine Organisationsreform aufbringen oder die dringlichen Probleme im Geschäftsbetrieb nicht doch lieber in den alten Führungsstrukturen angehen will. Die Verlockung, Letzteres zu tun, ist groß. Schließlich geht so – zumindest auf den ersten Blick – keine Zeit verloren und man kommt unverzüglich aus den Startblöcken. Ob man auf diese Weise allerdings auch als Erster ans Ziel gelangt, ist ausgesprochen fraglich. Ein Beispiel aus dem Rudersport mag das verdeutlichen: Wenn zwei ungeübte Achter-Teams ein Langstreckenrennen bestreiten, wird der Achter, der zu Beginn erst einmal für die erforderliche Organisation und Schlagkraft sorgt, sicherlich um einige Längen zurückfallen. Je länger das Rennen aber dauert, umso größer werden seine Chancen, den Konkurrenten, der lieber auf chaotisches Durchwursteln setzte, nicht nur einzuholen, sondern auch zu überholen. Im Schlussspurt gewinnt in aller Regel das Team, das seine Ressourcen besser zu mobilisieren und seine Schlagzahl weiter zu steigern vermag.
Endnoten 1
Vgl. Tuschen, K.H./Trefz, U.: Krankenhausentgeltgesetz, Stuttgart 2004, S. 37–36. Zu „Management by Objectives“ vgl. Drucker, P.F.: The Practice of Management, New York 1954. 3 Das DKI veröffentlichte am 5. April 2007 eine Studie, in welcher der aktuelle Investitionsstau für deutsche Krankenhäuser auf 50 Mrd. EUR geschätzt wird. 4 Statistisches Bundesamt, Gesundheitswesen – Kostennachweis der Krankenhäuser, Fachserie 12 – Reihe 6.3. 5 Durch §137 (1) Nr. 6 SGB V sind die Krankenhäuser verpflichtet, im Abstand von zwei Jahren ihre Qualitätsberichte zu publizieren. Diese Pflicht ist bindend für Krankenhäuser nach §108 SGB V, d. h. für Universitätskliniken, Krankenhäuser im Krankenhausplan des Landes sowie Krankenhäuser, die einen Versorgungsauftrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen geschlossen haben. 6 Vgl. dazu auch den Krankenhaus-Rating-Report 2007, RWI Materialheft 32. 7 Zur Bemessung der Leistungsentgelte im DRG-System legen jährlich mehrere hundert Kalkulationskrankenhäuser ihre Kostendaten je DRG – unterschieden nach zehn Kostenarten und zwölf Kostenstellen – gegenüber InEK offen. Als Ergebnis wird für jede DRG eine Normkostenmatrix veröffentlicht. Somit ist bekannt, welche Kosten die Kalkulationskrankenhäuser im Durchschnitt für die Produktion der entsprechenden DRG aufgewendet haben. 8 Die Senkung des Kostenbasisfallwerts kann u.U. auch durch die Variation der Kalkulationskrankenhäuser bedingt sein. 9 S. a. S. 145 ff: Kostenkennziffern für nichtklinische Teilfunktionen 10 Das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) und der Bayerische Kommunale Prüfverband haben beispielsweise solche Richtwerte erarbeitet. Des Weiteren gibt es Sammelwerke u. a. von Tauch oder Bofinger/Dörfeldt, in denen die Richtwerte verschiedener Institutionen aufbereitet wurden. 11 Vgl. Structure follows Strategy, vgl. Chandler, A.D.: Strategy and structure. Cambridge 1962, oder Pearce, J.A. (1982): The Company mission as a strategic tool. Sloan Management Review, 23 (3), S. 15–24. 12 Leatt, P./Baker, G.R./Kimberly, J.R. (2006): Organizational Design. In: Shortell, S.M./Kaluzny, A.D.: Health Care Management: Organizational Design and Behavior, 5th Edition, New York. 13 Kaplan, R.S./Norton, D.P.: Balanced Scorecard: Strategien erfolgreich umsetzen, Stuttgart 1997. 2
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Patientenzentrierte Behandlungsabläufe – Schlüssel zu mehr Wirtschaftlichkeit und Qualität
Auf die wachsenden Wirtschaftlichkeitszwänge haben die Krankenhäuser sektorweit mit Personalabbau reagiert – vor allem in Administration und Pflege. An den Prozessen und Strukturen der Leistungserbringung selbst hat sich dabei nur wenig geändert. Künftig dürften sich so kaum noch Produktivitätssteigerungen erzielen lassen. Denn in vielen Häusern arbeitet das Personal bereits heute an der Grenze der Belastbarkeit – was nicht nur subjektiv so empfunden wird, sondern auch objektiv belegbar ist. Sollen wirklich nennenswerte weitere Leistungsreserven erschlossen werden, so führt an einer vollständigen Überarbeitung der klinischen Kernprozesse kein Weg mehr vorbei. Mit Abstand die größte Hebelwirkung verspricht die Etablierung patientenzentrierter Behandlungsabläufe. Von der Konzeption her scheinen solche standardisierten, evidenzbasierten Prozesse, auch Pfade genannt, ebenso einleuchtend wie überzeugend: Ausgehend von der Perspektive des Patienten und seinen Bedürfnissen, erlauben sie eine systematische Ausschöpfung von Effektivitäts- und Effizienzpotenzialen über alle Stufen der Behandlung hinweg – von der Aufnahme über die Diagnostik, Anästhesie, Operation und Pflege bis hin zur Entlassung. Zugleich ermöglichen sie die Abkehr vom oft beklagten „Silodenken“ der Abteilungen und Funktionen sowie den Übergang zur konsequenten, sorgsam eingespielten Zusammenarbeit in interdisziplinär besetzten Teams, bestehend aus Ärzten, Pflegern und medizinisch-technischen Spezialisten. Diese Behandlungspfade präzise zu detaillieren, zu konsentieren und mit dem erhofften Erfolg zu implementieren, erweist sich in der Praxis leider oft genug als schwierig. Damit die Anstrengungen nicht im Sande verlaufen, bedarf es hierfür insbesondere des nachdrücklichen und kontinuierlichen Engagements von Geschäftsführung und Klinikleitern. Bei richtiger Umsetzung kann man indes – gewissermaßen auf einen Schlag – eine Vielzahl von Verbesserungen in der klinischen Ablauforganisation erzielen: weniger Doppelarbeiten, kürzere Warte- und Behandlungszeiten, effizienterer Ressourceneinsatz, höhere medizinische Ergebnisqualität sowie nicht zuletzt größere Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit. Erfasst werden von der Einführung patientenzentrierter Behandlungsabläufe zwar alle Abteilungen und Funktionen des Klinikbetriebs. Besonders markant fallen die Veränderungen jedoch im OP-Bereich, auf den Intensivstationen, in der Radiologie sowie in Notaufnahme und Labor aus.
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4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
4.1 Ausrichtung auf Abläufe und Prozesse hilft, „Silodenken“ zu überwinden Die Idee, die verschiedenen Abläufe und Schritte der Behandlung – von der Aufnahme bis hin zur Entlassung – patientenzentriert zu einem durchgängigen Kernprozess zusammenzufassen, um sie zur Steuerung des Einsatzes der beteiligten Abteilungen und Funktionen zu nutzen, ist keineswegs neu. Vorreiter bei der Entwicklung solcher klinischen Versorgungspfade waren die USA. Bereits in den 80er Jahren wurde dort breitflächig versucht, mit Clinical Pathways die Versorgung zu verbessern. Die Erfolge waren allerdings sehr bescheiden – und für die meisten Ärzte gilt der Begriff Clinical Pathways seither als Synonym für die Einschränkung der ärztlichen Behandlungsfreiheit. Für die heutige Einführung patientenzentrierter Behandlungsabläufe kann man daraus nur eine Lehre ziehen: Behandlungspfade werden nur Erfolg haben, wenn alle beteiligten Berufsgruppen in besser koordinierten Abläufen sowie einer aussagekräftigen Dokumentation auch eine Verbesserung ihrer Situation und Tätigkeit zu erkennen vermögen.
4.1.1 Klinischer Behandlungspfad – zur Definition und Relevanz des Begriffs Auf Grund der Heterogenität der Reformansätze ist bislang noch keine einheitliche Begriffsbildung erfolgt. Nebeneinander werden recht unterschiedliche Bezeichnungen verwendet – zum Teil synonym, zum Teil aber auch mit erkennbarer Nuancierung: (klinische) Versorgungspfade, Clinical Pathways, Critical Pathways, klinische Behandlungspfade, standardisierte Behandlungsabläufe, Klinikleitlinien oder schlicht auch Trampelpfade. Roeder et al.1 (2000) plädieren für den Begriff „klinischer Behandlungspfad“ und definieren ihn als „der im Behandlungsteam selbst gefundene berufsgruppen- und institutionsübergreifende Konsens für die beste Durchführung der gesamten stationären Behandlung unter Wahrung festgelegter Behandlungsqualität sowie unter Berücksichtigung der notwendigen und verfügbaren Ressourcen, ebenso unter Festlegung der Aufgaben sowie der Durchführungs- und Ergebnisverantwortlichkeiten. Der klinische Behandlungspfad steuert den Behandlungsprozess; gleichzeitig ist er das behandlungsbegleitende Dokumentationsinstrument und erlaubt die Kommentierung von Normabweichungen zum Zwecke fortgesetzter Evaluation und Verbesserung“. Aus heutiger Sicht sollte diese normative Definition um zwei Gesichtspunkte erweitert werden. Zum einen ist es unerlässlich, dass klinische Behandlungspfade tatsächlich, d. h. in der Konzeptionsphase, konsequent aus der Sicht des Patienten entworfen und ausgestaltet werden. Zum anderen ist darauf zu achten, dass sie – jeweils indikationsbezogen – alle relevanten Behandlungsschritte abbilden, in optimaler Sequenz und nach dem neuesten Stand von Diagnostik und Therapie. So
4.1 Ausrichtung auf Abläufe und Prozesse hilft, „Silodenken“ zu überwinden
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verstanden, dürfte es möglich sein, mehr als 75% der Patienten eines Durchschnittskrankenhauses auf solch standardisierte Pfade zu „setzen“ und entsprechend den definierten Routinen zu behandeln. Damit werden klinische Behandlungspfade zu einem unverzichtbaren Managementwerkzeug bei Standardindikationen.
4.1.2 Funktion und Nutzen von Pfaden Klinische Behandlungspfade sind, genau genommen, nichts anderes als eine Übertragung von Prozessoptimierungsansätzen aus der industriellen Produktion, insbesondere der Automobilindustrie, auf die stationäre Versorgung. So unterschiedlich beide Bereiche auch sein mögen, das zu Grunde liegende Erfolgsprinzip ist stets gleich: Es geht darum, Muda zu vermeiden. Im Toyota-Produktionssystem wird Muda definiert als „jede menschliche Aktivität, die Ressourcen verbraucht, aber keinen Wert erzeugt“.2 Im Krankenhaus begegnet man Muda – wie bei jeder komplexen Leistungserbringung üblich – gewissermaßen auf Schritt und Tritt. Typische Erscheinungsformen sind:
• Wahrnehmung
nicht qualifikationsgerechter Aufgaben. Dass Ärzte Labordaten erfassen oder examinierte Pfleger Essensbestellungen entgegennehmen und Patienten transportieren, dürfte immer noch eher die Regel als die Ausnahme sein.
• Unnötige Mehrfacharbeiten. Besonders anfällig hierfür scheint der Diagnostik-
bereich: So werden Patienten oft mehrfach zur gleichen Untersuchung einbestellt – sei es, dass die vorliegende Diagnose aus der Notaufnahme übersehen wurde, oder sei es, dass die ärztlichen Ansprechpartner gewechselt haben.
• Hoher Transport- und Logistikaufwand. Viel Zeit geht in der Regel verloren durch
überlange Transportwege, nicht termingerechte Verfügbarkeit von Patienten sowie ineffiziente Aufnahmeprozesse in den Ambulanzen.
• Unnötige Wartezeiten. Besonders enervierend für alle Beteiligten sind ausfallende
Operationen, verzögerte Diagnosen, aber auch Unklarheiten bei der Behandlung oder verpasste Entlassungstermine.
Vor diesem Hintergrund sollen klinische Behandlungspfade dazu dienen, die Prozessabläufe nachhaltig zu verbessern, Effektivitäts- und Effizienzmängel zu beseitigen sowie weitere Arbeitsverdichtungen für die Mitarbeiter zu vermeiden. Gelingt es, die Anzahl nicht wertstiftender Aktivitäten systematisch zu minimieren, so erhöht sich auch die Zufriedenheit von Mitarbeitern und Führungskräften. Die ohnehin knappen Ressourcen werden besser nutzbar. Frei werdende Kapazitäten können beispielsweise darauf verwendet werden, zusätzliche Fälle zu behandeln oder sich intensiver mit dem Patienten zu beschäftigen – als Mensch und nicht als Fall. Überdies bietet der Einsatz von Behandlungspfaden die Chance, beträchtlichen Zusatznutzen zu realisieren. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang insbesondere folgende Möglichkeiten:
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4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
Steuerung des Behandlungsprozesses. Behandlungspfade können als Instrument zur Planung, zur Durchführung, zur Dokumentation und zum Controlling des jeweils zu Grunde liegenden Kernprozesses genutzt werden. Jeder einzelne Prozessschritt wird in einem bisher nicht gekannten Maße transparent. Die Koordination der beteiligten Berufsgruppen, bislang eine ausgesprochen diffizile Aufgabe, vereinfacht sich deutlich. Zudem wird auch die Steuerung der Verweildauer erleichtert. Insgesamt resultiert daraus eine erhebliche weitere Verkürzung der durchschnittlichen Verweildauer. Begrenzung des internen Leistungskonsums. Behandlungspfade stellen ein interdisziplinär konsentiertes Vorgehen dar. Im Rahmen der Pfaddefinition einigen sich die verschiedenen Fachrichtungen und Berufsgruppen jeweils darauf, wie bei bestimmten Indikationen bzw. Symptomen im Regelfall zu verfahren ist. Dieser – zugegeben schwierige – Einigungsprozess erfordert professionelle Moderation, ermöglicht aber auch das gezielte Hinterfragen von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen. In aller Regel ist das Ergebnis eine deutliche Verringerung des Leistungskonsums, vor allem in klinischen Dienstleistungsbereichen wie Radiologie und Labor. Reduzierung des Dokumentationsaufwands. Behandlungspfade erlauben es, eine Vielzahl von Konventionen im Klinikalltag mitzuerfassen und verlässlich abzubilden. Damit lässt sich der Dokumentationsbedarf insgesamt deutlich reduzieren. Zudem kann der Übergang zu Behandlungspfaden als Chance zu einer allgemeinen Optimierung von Ablauforganisation und Systemunterstützung genutzt werden. In diesem Rahmen wird es dann möglich, die bisher übliche Mehrfachdokumentation systematisch zu eliminieren. Verbesserung der medizinischen Behandlungsqualität. Medizinische Behandlungsqualität wird immer mehr zu einem auch ökonomisch relevanten Stellhebel. Künftig werden im Wettbewerb nur noch Krankenhäuser bestehen können, die im Stande sind, ihre Behandlungsqualität transparent darzustellen und kontinuierlich weiter zu verbessern. Derzeit mag die nach wie vor sehr hohe Variabilität der klinischen Behandlung noch erhebliche Probleme schaffen. Auf Dauer werden sich jedoch die gemeinsam entwickelten Standards evidenzbasierter Medizin zunehmend durchsetzen und somit entscheidende Verbesserungen bei der Prozess- und Ergebnisqualität ermöglichen. Verlinkung von Qualitätsaspekten mit der Prozesssteuerung. Qualitätsaspekte wurden in den vergangenen Jahren unter anderem durch das BQS-Verfahren verstärkt in den Mittelpunkt gerückt. Zunehmende Transparenz und öffentliche Verfügbarkeit von Qualitätsdaten einzelner Häuser, aber auch die sich häufenden Zusammenschlüsse von Krankenhäusern erhöhen noch zusätzlich den Druck, eine hochwertige Ergebnisqualität zu liefern. Mittelfristig ist es unumgänglich, medizinische Behandlungsstandards mit obligatorischen BQS-Daten und weiteren Qualitätsparametern direkt zu verlinken. Gehen Qualitätsaspekte unmittelbar in die Pfadentwicklung und das spätere Pfadcontrolling ein, so ermöglicht dies auch eine konsequente Verbesserung der Behandlungsqualität. Die Verlinkung kann überdies als Kommunikationsinstrument für Patienten, Einweiser und Kostenträger dienen. Optimierung der Patienten- und Einweiserzufriedenheit. „Was passiert denn als Nächstes?“ Wie überzeugend diese Frage beantwortet wird und wie transparent sich die Behandlungsabläufe gestalten, daran bemisst sich – wie Umfragen unter Patienten
4.1 Ausrichtung auf Abläufe und Prozesse hilft, „Silodenken“ zu überwinden
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immer wieder zeigen – in der Regel der Grad der Patientenzufriedenheit. Als überaus nützlich für die Patientenansprache und -steuerung hat sich die Erstellung vereinfachter Behandlungsleitlinien erwiesen, die speziell auf die Informationsbedürfnisse der Patienten eingehen. Solche Leitlinien finden auch auf Einweiserseite große Akzeptanz, denn mit ihrer Hilfe können die niedergelassenen Ärzte ihre Patienten schon im Voraus kompetent über den anstehenden Behandlungsprozess aufklären.
4.1.3 Von der Konzeption zur Implementierung von Pfaden Grundsätzlich sollte sich die Entscheidung, welche Behandlungspfade mit welcher Dringlichkeit zu entwickeln sind, an Kriterien wie klinischer Praktikabilität und Variabilität orientieren. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht scheint es zunächst verlockend, Behandlungspfade analog zu den DRGs zu definieren, da sich in diesem Fall die klar definierten DRG-Normkosten zur Kostenträgerrechnung in Bezug setzen lassen. Gleichwohl ist eine Definition der Pfade nach Erkrankungen bzw. Behandlungen, d. h. nach ICDs der Diagnosen oder OPS, zu präferieren. Oft steht nämlich zu Behandlungsbeginn noch gar nicht fest, in welche DRG eine ICD/OPS-Kombination gruppiert wird, und häufig ergeben sich hierfür mehrere Möglichkeiten. Zudem können durchaus unterschiedliche ICD/OPS-Kombinationen für ein und dieselbe DRG in Frage kommen.3 Erkrankungen lassen sich in aller Regel unterschiedlich stark variabel behandeln. Entsprechend muss es darum gehen, das Spektrum der Behandlungsoptionen jeweils angemessen bei der Pfaddarstellung zu berücksichtigen. Eine Blinddarmoperation ist eben deutlich weniger komplex als ein Polytrauma. Mit der Auswahl der relevanten Behandlungspfade und ihrer anschließenden Ausgestaltung ist es allerdings noch nicht getan. Vielmehr müssen auch die Prozesse zur Einführung, zum Controlling und zur Weiterentwicklung der Behandlungspfade eindeutig definiert und sinnvoll in der Organisation verankert werden. Angesichts dieser Aufgabenfülle empfiehlt es sich, bei der Einführung von Behandlungspfaden schrittweise und klar strukturiert vorzugehen. Zur Durchführung eines entsprechenden Projekts hat sich ein Vorgehen in sechs, zum Teil überlappenden Schritten bewährt. 1. Aufstellung der Projektorganisation. Verantwortlich für die Projektdurchführung sollte ein Kernteam sein, dem idealerweise der Geschäftsführer, der Ärztliche Leiter, die Pflegeleitung sowie Vertreter von Qualitätsmanagement und Controlling angehören. Das Kernteam übernimmt die Gesamtsteuerung des Projekts, entscheidet in allen Grundsatzfragen und verabschiedet Ergebnisse und Maßnahmen. Unterhalb des Kernteams werden für jede Abteilung Pfadteams gebildet, die aus etwa vier bis sechs hochqualifizierten Mitarbeitern bestehen und den Ärztlichen Dienst, den Pflegedienst sowie gegebenenfalls den Funktionsdienst repräsentieren. Hauptaufgabe der Pfadteams ist es, die jeweiligen Pfadinhalte im Detail zu erarbeiten. 2. Festlegung der relevanten Indikationen je Fachrichtung. Dominierende Gesichtspunkte für die Pfadentwicklung sind Erkrankung und Behandlung. Auf dieser Basis sollten für jede Fachrichtung – als Richtwert – mindestens fünf Indikationen ausgewählt werden, um ausreichend kritische Masse zu gewinnen. Nach erfolgter Kon-
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4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
sentierung sind dann für diese Indikationen entsprechende Behandlungspfade zu definieren (Abb. 4.1). Ausgehend von den vorliegenden Pfaddefinitionen, legt das Controlling anschließend das entsprechende Mengengerüst fest und gleicht es in Abstimmungsgesprächen mit den betreffenden Abteilungen ab. Ziel ist es, für jede Fachrichtung mindestens 3, maximal 20 Pfade im Detail zu erarbeiten. Zusammen sollten diese Pfade dann mindestens 50%, besser noch 70% des gesamten Leistungsvolumens abdecken. Für ein Haus mit ca. 400 Betten und zehn bis zwölf Fachabteilungen stellt sich damit die Aufgabe, 80 bis 100 Pfade zu entwickeln. Die Pfaddefinitionen sind dabei jeweils um entsprechende Kennzahlen für das Controlling zu ergänzen. Um eine optimale Pfadimplementierung sicherzustellen, empfiehlt es sich zudem, ein Controlling-Cockpit zu entwickeln – entlang der vier relevanten Dimensionen Mengenkontrolle, Verweildauerentwicklung, Varianzen und Leistungskonsum. Mit diesem Cockpit lassen sich sowohl Pfadnutzung als auch eventuelle Pfadeffekte nachhalten. Idealerweise sollten daran auch geeignete Mechanismen zur Incentivierung bzw. zur Auslösung eventuell erforderlicher Gegensteuerungsmaßnahmen gekoppelt sein. 3. Erarbeitung der klinischen Behandlungspfade. Zur Pfadentwicklung und -detaillierung erarbeitet das zuständige Abteilungspfadteam üblicherweise zunächst ein Grobkonzept, das dann in einer abteilungsübergreifenden Abstimmungsrunde weiter verfeinert und konsentiert wird. Bewährt hat sich dazu ein Vorgehen in zwei Schritten:
Abb. 4.1. Der klinische Behandlungspfad wird in die bestehende Patientenkurve integriert
4.1 Ausrichtung auf Abläufe und Prozesse hilft, „Silodenken“ zu überwinden
55
• Im ersten Schritt definiert das Pfadteam einen neuen Soll-Prozess, basierend auf
dem Ist-Prozess sowie evidenzbasierten Behandlungsleitlinien, Leitlinien der Fachgesellschaften, bestehenden Pfad-Datenbanken etc. Dieser vorläufige Pfad wird dann in den betreffenden Abteilungen diskutiert.
• Im zweiten Schritt werden anschließend die Ergebnisse eingearbeitet und die vorliegenden Pfad-Grobkonzepte weiter verfeinert. Wichtige Schnittstellen sowie problematische Interaktionen sind explizit festzuhalten. Am Ende wird der Pfad verbindlich konsentiert.
Danach sind die konsentierten Pfade mit den weiteren Prozessbeteiligten – z. B. den sekundärmedizinischen Bereichen wie Labor und Entlassmanagement – zu besprechen und bei Bedarf weiter zu modifizieren. Das Endprodukt wird schließlich nach der Verabschiedung durch das Kernteam vom verantwortlichen Leiter der Abteilung, zumeist dem Chefarzt, offiziell freigegeben. Für Häuser, die ihre Dokumentation bisher vornehmlich auf Papier erbringen, hat es sich zudem bewährt, pfadspezifische Kurven zu entwickeln, die von allen Prozessbeteiligten genutzt werden können und die bestehende Dokumentation ersetzen. 4. Optimierung der Schnittstellen. Soll der Behandlungsweg des Patienten tatsächlich wie vorgesehen lückenlos und diagnosebasiert abgebildet werden, so ist auch die Verknüpfung mit dem Aufnahme- und Entlassmanagement sowie mit allen anderen Schnittstellen explizit zu definieren. Erfahrungsgemäß lassen sich auf diese Weise die im Haus bestehenden vielfältigen Schnittstellenprobleme rasch aufdecken. Um nur ein paar zu nennen: Koordinationsprobleme bei der präoperativen anästhesiologischen Freigabe, nicht termingerechte Befundung von bildgebenden Verfahren, fehlende Ansprechpartner, wenn es um den Zugang zu Funktionsuntersuchungen oder die Sicherstellung der Anschlussversorgung geht. Hier ein wirkungsvolles Schnittstellenmanagement zu etablieren, ist schlichtweg unumgänglich. Denn nur so lässt sich ein (möglichst) reibungsloser Behandlungsverlauf erreichen. 5. Implementierung der Pfade. Um die Implementierung vorzubereiten, werden alle verabschiedeten und auch hinsichtlich ihrer Schnittstellen definierten Pfade in ein einheitliches Layout überführt. Dabei bietet es sich geradezu an, eine über alle Abteilungen einsetzbare, einheitliche PC-basierte Nutzeroberfläche zu erstellen. Anschließend werden dann ausgewählte Pfade krankenhausweit pilotiert. Diese Pilotphase dient dazu, die Mitarbeiter mit den Pfadabläufen vertraut zu machen sowie Best-Practice-Erfahrungen zu sammeln und auszutauschen. Zudem können erforderliche Anpassungen in der Ablauforganisation erprobt und verankert werden. Beispielsweise erlaubt die Einführung fester Visitetermine, den Tagesablauf für die einzelnen Berufsgruppen besser aufeinander abzustimmen. Zur flächendeckenden Umsetzung wird abschließend ein Implementierungsfahrplan erstellt – mit Maßnahmenbündeln für die einzelnen Abteilungen, verbindlichen Meilensteinen sowie individuellen Verantwortlichkeiten. Mitarbeiter, die an den Pilotanwendungen beteiligt waren, begleiten den krankenhausweiten Rollout als Mentoren. Projektfortschritte und Umsetzungserfolge werden vom Controlling anhand regelmäßiger Erhebungen zur Struktur-, Prozess‑ und Ergebnisqualität verfolgt:
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4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
• Strukturqualität. Sind die Mitarbeiter hinreichend auf die Pfadeinführung vorbereitet worden? Waren die Materialien, z. B. die Pfadkurven, ausreichend verfügbar?
• Prozessqualität. Sind alle Patienten mit der definierten Erkrankung/Behandlung auf den Pfad gesetzt worden? Wie viele Patienten haben den Pfad aus welchen Gründen verlassen (Varianzencontrolling)?
• Ergebnisqualität. Wie haben sich die Kernkennzahlen entwickelt, z. B. Verweil-
dauer, Wiederaufnahmerate, Verbrauch von Laborleistungen, Befundung durch bildgebende Verfahren?
Damit liefert das Controlling auch die Informations- und Datenbasis für die weitere Maßnahmenerarbeitung sowie die kontinuierliche Weiterentwicklung der klinischen Behandlungspfade. 6. Ableitung der Pfadimplikationen. Zum Abschluss der Pfadeinrichtung sollten die Umsetzungserfolge sowie eventuelle Zusatzeffekte nochmals ausführlich mit den Beteiligten durchgesprochen werden. Die Ergebnisse des Maßnahmeninkassos werden festgehalten und dienen als Grundlage für weitere Planungen. Dabei sollten folgende Gesichtspunkte im Vordergrund stehen:
• Kontinuierliche Verkürzung der Verweildauern sichert eine maximale Auslastung der Kapazitäten.
• Die ideale Zielstruktur für das Krankenhaus lässt sich approximativ erreichen – über die produktivitätssteigernde Zusammenlegung von Abteilungen sowie die Bildung interdisziplinärer Unterstützungsfunktionen.
• Anhand des gewonnenen vertieften Verständnisses von Abläufen und Prozessen ist es möglich, die optimalen Soll-Personalkapazitäten je Abteilung/Funktion zu ermitteln. Zur Detaillierung und Erhärtung dieser Zielwerte steht inzwischen eine ganze Reihe von Instrumenten zur Verfügung: die DRG-Normkostenableitung oder auch gängige Arbeitsplatzmethoden.
4.1.4 Erfolgsbeispiele Klinische Behandlungspfade sind heute zu einem beherrschenden Thema in der Diskussion um die Krankenhausreform geworden. Inzwischen liegen auch erste ermutigende Erfahrungen aus der Praxis vor. Sie zeigen, dass Pfade nicht nur ein in sich schlüssiges und umsetzbares Konzept sind. Vielmehr können sie – bei konsequenter Realisierung – auch zu massiven Verbesserungen bei Prozessen, Ressourceneinsatz und Versorgungsqualität führen. Aus der wachsenden Zahl von Erfolgsbeispielen sollen im Folgenden fünf besonders instruktive herausgegriffen und näher erläutert werden. 1. Aufbau eines Systems interdisziplinärer Behandlungspfade bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (KBS). Die aus der früheren Bundesknappschaft hervorgegangene KBS hat bereits im Jahr 2003, im Vorfeld der DRG-Einfüh-
4.1 Ausrichtung auf Abläufe und Prozesse hilft, „Silodenken“ zu überwinden
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rung, am Knappschaftskrankenhaus in Bottrop interdisziplinäre Behandlungspfade eingeführt. In insgesamt acht Fachabteilungen wurden zunächst rund 80 Behandlungspfade erarbeitet und dann schrittweise umgesetzt. Mit breiter Unterstützung des klinischen Personals konnten inzwischen beeindruckende Erfolge erzielt werden:
• Sinkende Verweildauern und Kosten. Innerhalb eines Jahres ließ sich die Steue-
rung der Behandlungsprozesse so weit verbessern, dass die Verweildauer bei den Pfadpatienten von rund 8,16 auf 6,09 Tage, d. h. um 25%, zurückging. Gleichzeitig konnten Kosteneinsparungen in Höhe von 9% je Patient erzielt werden.4 Schlüssel zum Erfolg waren nicht die im Rahmen der DRG-Einführung üblich gewordenen Patienten-Entlassungsrunden der Chefärzte, sondern exakt geplante und mit breiter Zustimmung realisierte Umsetzungsschritte.
• Reduzierung des Leistungskonsums. Redefinition und verbesserte Steuerung der
Untersuchungsprozesse ermöglichten eine deutliche Verringerung des Leistungskonsums in den Bereichen Radiologie und Labor. Inzwischen gibt es in diesen Bereichen keine Wartezeiten mehr. Zudem ist es nunmehr undenkbar, dass Entlasstermine verschoben werden müssen, weil radiologische Untersuchungen oder Befunde fehlen.
• Kostenneutrale Bewältigung des CMI-Anstiegs. Nach Pfadeinführung werden in
Bottrop gegenwärtig mehr schwere Fälle behandelt als in der Vergangenheit; insgesamt ist der CMI um rund 6% gestiegen. Dennoch konnten die Sachkosten je Fall insgesamt um mehr als 2% gesenkt werden – obwohl sich die Einkaufspreise für medizinischen Sachbedarf zeitgleich um 3% erhöht haben.
Mittlerweile sind in Bottrop rund 130 Behandlungspfade im Einsatz, die über 75% des möglichen Leistungsvolumens abdecken. Ein interdisziplinär besetztes Pfadteam arbeitet kontinuierlich an der Weiterentwicklung der Pfade und passt diese in enger Abstimmung mit den verantwortlichen Medizinern an. Neue Erkenntnisse der Forschung werden jeweils unmittelbar in die Pfadfortschreibung aufgenommen. Gleiches gilt für neue Therapiemethoden oder technische Verbesserungen. Darüber hinaus werden die Behandlungspfade auch methodisch-konzeptionell kontinuierlich weiterentwickelt – und zwar in zwei Richtungen:
• Integration in die hausinterne IT-Systemunterstützung. Die ursprünglich papier-
basierten Pfadversionen wurden inzwischen ausnahmslos auf das KrankenhausInformationssystem (KIS) von Bottrop übertragen. Ein gemeinsam mit ITExperten entwickeltes DocPath-System erlaubt zudem ein handlungsorientiertes Controlling der Pfade.
• Ausweitung
auf den ambulanten Bereich. Derzeit werden die bestehenden Pfadversionen zu sektorübergreifenden Pfaden weiterentwickelt. Dazu finden Abstimmungsrunden mit niedergelassenen Kollegen statt, in denen Behandlungsabläufe und Schnittstellen neu konsentiert werden. Die revidierten Pfaddefinitionen werden anschließend wieder im KIS elektronisch hinterlegt.
58
4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
2. Neugestaltung der Kernprozesse bei einer westdeutschen Klinikgruppe. Die Einführung klinischer Behandlungspfade ermöglichte es hier, binnen vier Monaten die Kernprozesse klinischer Behandlung breitflächig neu auszurichten. Damit werden zugleich über 50% des gesamten Patientenaufkommens erfasst, in der Neurochirurgie und in der Gefäßmedizin sogar rund 80%. Die neue Ablauforganisation zeichnet sich durch zwei zentrale Merkmale aus:
• Standardisierung
und Steuerbarkeit der klinischen Prozesse werden jeweils durch die Behandlungspfade sichergestellt.
• Konsequentes Nachhalten der Pfadabweichungen (Varianzen) dient dazu, ganz
gezielt Optimierungsinitiativen anzustoßen, um so auch den laufenden Verbesserungsprozess weiter voranzutreiben.
Mittlerweile sind erste Erfolge absehbar (Abb. 4.2). Zwar war es bereits vor der offiziellen Pfadeinführung möglich, bei Behandlungsleistungen die mittlere Verweildauer nach InEK im Durchschnitt um 0,6 Tage zu unterbieten. Im Zuge der Pfadetablierung gelang es jedoch, die durchschnittliche Verweildauer – über alle Fachbereiche hinweg – nochmals um 1,9 Tage bzw. 21% zu verkürzen. 3. Prozessoptimierung am Herz-Kreislauf Zentrum Freiburg. Am HKZ wurden im Rahmen eines dreimonatigen Pilotprojekts strukturierte Behandlungspfade eingeführt, um gravierende Defizite in den operativen Abläufen zu beseitigen. Die Optimierung
Abb. 4.2. Durch die Einführung klinischer Behandlungspfade wurde im Beispiel eine Reduzierung der Verweildauer um 21% angestrebt
4.1 Ausrichtung auf Abläufe und Prozesse hilft, „Silodenken“ zu überwinden
59
der Prozesse wurde ergänzt um eine Reihe flankierender organisatorischer Maßnahmen, darunter die Einsetzung eines Patientenmanagers, um eine kontinuierlichere Nutzung der OP-Kapazitäten zu erreichen. Nach zwölf Monaten waren folgende Veränderungen zu beobachten:
• Die präoperative Verweildauer konnte, insbesondere durch bessere Abstimmung mit den einweisenden Niedergelassenen, von 2,2 Tagen auf 1,6 Tage, d. h. um 27%, verkürzt werden.
• Die Absagequote für angesetzte Operationen konnte auf unter 1% gesenkt wer-
den. Zum einen wurde die Häufigkeit kurzfristiger Absagen von Patientenseite auf ein Minimum reduziert. Zum anderen machen neue, flexible Austauschregelungen es möglich, gegebenenfalls andere Operationen vorzuziehen, so dass Auslastungslücken in den OP-Sälen weitestgehend vermieden werden können.
• Die durchschnittliche Auslastung der OP-Kapazitäten verbesserte sich. • Die durchschnittliche Verweildauer konnte – bei stabilem Schweregrad – von 11,4 Tagen auf 9,6 Tage gesenkt werden.
Von Seiten des HKZ-Managements werden die erzielten Effizienzverbesserungen auf insgesamt ca. 30% geschätzt. Erfreulich sind aus HKZ-Sicht nicht nur die damit verbundenen Kostensenkungen, sondern auch die neu gewonnenen Handlungsspielräume. Diese sollen nun insbesondere dazu genutzt werden, mehr Zuwendung und eine bessere Betreuung für die Patienten sicherzustellen. 4. Reorganisation des Klinikbetriebs bei der Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH, Berlin. Im Rahmen der Sanierung des kommunalen Krankenhauskonzerns wurde eine komplette Reorganisation aller medizinischen Kernprozesse durchgeführt. Ziel war es, mit Hilfe von Behandlungspfaden die Prozesse besser steuerbar zu machen und zugleich – bei identischer bzw. sogar noch besserer Versorgungsqualität – eine deutlich höhere Arbeitseffizienz zu erreichen. Durch die Einführung der Pfade gelang es, innerhalb von sechs Monaten die durchschnittliche Verweildauer über alle neun Krankenhausstandorte um 16% zu verkürzen. Besonders auffällige Effizienzsteigerungen wurden bei Einzelindikationen in folgenden Fachdisziplinen erzielt:
• In der Orthopädie war es möglich, die Verweildauer für Hüft- und Knie-Endoprothesen um rund 27% zu reduzieren.
• In der Viszeralchirurgie sank die Verweildauer bei Leistenhernien um 15%; bei der Gallenblasenentfernung wurde sogar die 50%-Marke unterschritten.
• In der Angiologie konnte die Verweildauer bei Arterienverschlüssen der Extremitäten halbiert werden.
Die Effizienzgewinne ermöglichten es, bei Vivantes dringend erforderliche Kapazitätsanpassungen in den klinischen Bereichen vorzunehmen. Parallel dazu konnte auch der Leistungskonsum in den medizinischen Dienstleistungsbereichen deutlich
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4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
reduziert werden. So sank die Anzahl radiologischer Untersuchungen um knapp 10% und die Anzahl der Blutentnahmen und damit auch der durchschnittlichen Laborparameter ging je nach Indikation um 3 bis 12% zurück. Doch nicht nur Erfolgsbeispiele, auch erste Meta-Analysen empirischer Studien liefern inzwischen zunehmend Indizien für die Wirksamkeit zumindest einzelner Behandlungspfade (Abb. 4.3). Für Akutpatienten, die nach standardisierten Abläufen behandelt wurden, konnte unlängst ein Rückgang der durchschnittlichen Verweildauer um 1,7 Tage nachgewiesen werden.5 Damit verbunden war zugleich eine Kostenreduktion um durchschnittlich 270 USD je Patient, sofern in den Studien auch Kosten erfasst wurden. Besonders augenfällig war der Verweildauerrückgang bei invasiven Behandlungspfaden: Hier reduzierte sich die Verweildauer im gewichteten Durchschnitt sogar um 3,6 Tage bzw. 25%.6 5. Pfadeinführung im Bundeswehrkrankenhaus Bad Zwischenahn. In Bad Zwischenahn wurde die Pfadeinführung von einer empirischen Untersuchung begleitet.7 Hierbei wurde eine Kalkulation auf Teilkostenbasis (Pfadkostenrechnung) zu Grunde gelegt. Für die Evaluation der Behandlungsqualität wurden die BQS-Indikatoren benutzt. Die Einführung des Pfades „Implantation einer Hüftgelenks-Endoprothese“ ermöglichte eine effizientere Organisation sowie eine bessere Koordination des
Abb. 4.3. Besonders bei invasiven Behandlungspfaden kann die Verweildauer reduziert werden
4.1 Ausrichtung auf Abläufe und Prozesse hilft, „Silodenken“ zu überwinden
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Behandlungsablaufs. Die durchschnittliche Verweildauer verringerte sich um etwa zwei Tage oder rund 15%. Die durchschnittlichen Fallkosten sanken um ca. 7%, mit dem Gros der Kostensenkungen in den Bereichen Labor und OP. Trotz gesunkener Verweildauer und reduzierter Fallkosten blieb die Behandlungsqualität, gemessen an den BQS-Parametern, auf hohem Niveau bzw. verbesserte sich sogar leicht. Die Pfadeinführung hatte mithin insgesamt positive Ergebnisse zur Folge.
4.1.5 Fazit: Bis zum papierlosen, transsektoralen Versorgungspfad ist es noch ein weiter Weg So erfreulich die Anhaltspunkte für den Erfolg evidenzbasierter Medizin sind – sie können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Entwicklung wirkungsvoller Behandlungspfade bislang nicht sehr weit gediehen ist. Derzeit scheinen die Effizienz- und Effektivitätspotenziale, die aus der Entwicklung von Pfaden resultieren können, noch nicht einmal ansatzweise erschlossen. Von den deutschen Krankenhäusern haben bisher nur wenige in größerem Umfang Pfade eingeführt. Für die Zukunft zeichnen sich drei Trends ab: zur umfassenden Einführung pragmatischer, d. h. papierbasierter Pfade; zur papierlosen, IT-gestützten Darstellung und Nutzung von Pfaden sowie zur sektorübergreifenden Abbildung von Behandlungsprozessen in Pfaden (Abb.4.4). Diese Trends bauen nicht zwingend aufeinander auf, sondern werden sich wohl unabhängig voneinander weiterentfalten.
• Pragmatische,
vertiefte Pfade. Vielfach werden Krankenhäuser papierbasierte Pfade einführen, um möglichst schnell die Vorteile optimierter klinischer Prozesse zu nutzen – ohne große Vorinvestitionen in noch fehlende oder unvollständige IT-Infrastruktur. Zudem fällt es dem klinischen Personal meist leichter, eine bislang papierbasierte Dokumentation durch ebenfalls papierbasierte Pfade zu ersetzen, anstatt sich mit der Eingabe in mobile elektronische Geräte vertraut zu machen. Für solche Häuser kommt die Einführung papierloser Pfade logischerweise erst als zweiter Schritt in Frage.
• Papierlose Pfade. Pfade in einem IT-System abzubilden, kann erheblichen Zusatz-
nutzen schaffen. Erstens können so „dynamische Pfade“ konzipiert werden, die beispielsweise in Abhängigkeit von bestimmten Laborparametern differenzierte Verhandlungsabläufe vorgeben. Auf diese Weise lassen sich für die meisten Pfade nach Konvenienz weitere Untervarianten definieren – was in Papierform schon an der unvermeidlichen Formularflut scheitern würde. Häufig lässt sich mit Hilfe „dynamischer Pfade“ auch der Anteil pfadgerecht behandelter Patienten um mehr als 10 Prozentpunkte steigern. Zweitens kann durch Abbildung der Pfade in der IT eine „automatische Anforderung“ von bezogenen Leistungen erfolgen. Anders ausgedrückt: Der behandelnde Arzt muss nur die pfadgerechte Behandlung des Patienten abzeichnen, um damit ohne weiteres Zutun eine Serie von vordefinierten Zusatzleistungen anzustoßen: Labortests, Röntgenaufnahmen oder physiotherapeutische Übungen. Separate, papier- oder telefonbasierte Anforderungen entfallen. Drittens ermöglichen papierlose Pfade einen überlegenen „kontinuierlichen Verbesserungsprozess“. Typisch sind z. B. monatliche
62
4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
Abb. 4.4. Klinische Pfade werden sich in drei Richtungen entwickeln
Besprechungen in jeder bettenführenden Abteilung, um Fälle zu diskutieren, die nicht pfadgerecht behandelt werden konnten. Meistens wird dabei rasch deutlich, dass keineswegs alle Fälle aus dem individuellen Krankheitsverlauf des Patienten resultierten. Vielmehr lässt sich eine ganze Reihe von ihnen erfahrungsgemäß auf eine schlechte Organisation der Abläufe als Ursachen zurückführen. Wenn ständig Operationen verschoben werden müssen, weil notwendige Befunde fehlen, wird dies in der Pfadkonferenz deutlich werden. Da bei papierlosen Pfaden alle Daten elektronisch gespeichert sind, lassen sich Auswertungen zur Vorbereitung dieser Besprechungen mühelos erstellen; und sie können bei Bedarf auch durch Kosteninformationen ergänzt werden. Allerdings funktioniert ein elektronisches System nur, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Alle Funktionsbereiche (OP, Röntgen, Labor usw.) müssen angeschlossen sein, damit automatisierte Anforderungen nicht ins Leere laufen. Ärzte und Pflegepersonal müssen zeitnah die erforderlichen Eingaben und Dokumentationen im System machen. Auch wenn moderne PDAs und Tabloid-PCs die sofortige Eingabe erleichtern, bevorzugen viele Mitarbeiter immer noch zuerst den Eintrag in die Papierakte und erst später die Übertragung in das IT-System.
4.1 Ausrichtung auf Abläufe und Prozesse hilft, „Silodenken“ zu überwinden
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Nur bei sofortiger Eingabe in das IT-System werden jedoch die Zusatzleistungen auch instantan angestoßen – und nur so entstehen auch echte Effizienzsteigerungen.
• Transsektorale Pfade. Mit der zunehmenden Verlagerung bisher krankenhausintern erbrachter Leistungen nach außen, vorzugsweise in den ambulanten Bereich, rücken Schnittstellenprobleme sowie Fragen der transsektoralen Integration, d. h. der Integration prä- und poststationärer Leistungserbringer, immer stärker in den Brennpunkt.
In diesem Kontext dürfte den Pfaden eine Schlüsselrolle zukommen. Denn mittels transsektoral konsentierter Pfade lässt sich die Zusammenarbeit zwischen Einweisern, Krankenhaus und nachstationärer Versorgung geradezu optimal steuern. Solche Pfade zu entwickeln fällt naturgemäß leichter, wenn – wie etwa das Beispiel der Knappschaft-Bahn-See verdeutlicht – die verschiedenen Leistungserbringer derselben Trägerorganisation angehören. Bislang ist das in Deutschland allerdings noch die Ausnahme. Mit der Öffnung der Sektoren – Stichwort: MVZen – werden sich jedoch zunehmend Trägerorganisationen herausbilden, die sektorübergreifend agieren. Erst wenn das „papierlose Krankenhaus“ Realität geworden ist, werden auch die Behandlungspfade ihr Nutzenpotenzial voll entfalten können. Aus heutiger Sicht könnte ein transsektoraler, papierloser Behandlungspfad, der die Möglichkeiten des Workflow-Managements online optimal nutzt, wie folgt aussehen: Zu Beginn der Behandlungskette stellt der niedergelassene Arzt zunächst die Indikation fest und trifft die Einweisungsentscheidung. Dazu bringt er noch in der Praxis den Patienten auf den entsprechenden Pfad, führt die konsentierte Diagnostik ambulant durch und reserviert die nötigen weiteren Untersuchungs- und Operationskapazitäten. Vorausschauend bucht er auch bereits am Computer die erforderliche Unterbringung auf der Station und die Anschlussheilbehandlung. Zugleich erklärt er dem Patienten den Behandlungsverlauf, informiert ihn über die weiteren Schritte und vereinbart einen Besuchstermin in der Praxis zur AHB-Nachsorge. Am Morgen des Operationstags, wenn der Patient nüchtern im Krankenhaus eintrifft, liegen bereits alle erforderlichen Befunde und Unterlagen online vor. Der Patient wird ärztlich und pflegerisch aufgenommen, erhält die Prämedikation vom Anästhesisten und wird, wie geplant, am späten Vormittag auf die Station verlegt. Nach der Operation wird er am vierten Tag – wie im Pfad definiert – in die AHB entlassen. Befunde und Arztbericht gehen zeitgleich dem niedergelassenen Arzt zu. Bis zur vollständigen und tatsächlich durchgängigen Umsetzung eines solchen transsektoralen Online-Behandlungspfads werden sicherlich noch einige Jahre vergehen. Gleichwohl wird bereits da und dort mit einzelnen Elementen eines solchen Prozesses experimentiert. Das wichtigste Implementierungshindernis ist vorwiegend regulativer Art: Es ist die in Deutschland nach wie vor stark ausgeprägte Dichotomie von stationärer und ambulanter Versorgung.
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4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
4.2 Im OP-Bereich: Behandlungspfade ermöglichen eine Gesamtsteuerung der Abläufe und Interaktionen – mit kontinuierlichen Produktivitätsverbesserungen An keinem anderen Ort im Krankenhaus arbeiten so viele Mitarbeiter aus den verschiedensten Berufsgruppen in so komplexen Behandlungsabläufen zusammen wie im Operationssaal. Der OP-Bereich, oft als das „Herz“ der Klinik bezeichnet, ist denn auch der kostenintensivste Funktionsbereich im Klinikbetrieb, mit Durchschnittskosten von ca. 500 bis 1.000 EUR je Betriebsstunde im Operationssaal.8 Leider ist der OP-Betrieb jedoch vielerorts nicht allzu gut organisiert. Wer kennt nicht die immer wiederkehrende Klage von Ärzten, Pflegern und OP-technischen Assistenten: „Jetzt warten wir schon wieder eine Ewigkeit!“ – ob nun auf den Operateur, die Anästhesie, den Patienten oder auf noch ausstehende Untersuchungsergebnisse. Gewartet wird eigentlich immer. Bisweilen bricht die OP-Planung auch völlig zusammen – und das schon vor der ersten Operation am Morgen. Dabei erscheint auf den ersten Blick alles so gut vorbereitet: Schon in aller Frühe hat die OP-Schwester den OP-Tisch für die geplante Implantation einer Endoprothese am Hüftgelenk vorbereitet. Gemeinsam mit der Anästhesie wartet die Anästhesiepflege an der OP-Schleuse auf den Patienten. Um 8:00 Uhr sollte eigentlich die Lagerung des Patienten beginnen. Bis 8:50 Uhr ist weder der Patient noch der Operateur aufgetaucht. Auf beharrliches Nachfragen hin erfährt das OP-Team dann, dass der Operateur noch bis 10:00 Uhr auf Visite sein wird – vor 10:30 Uhr ist daher nicht an den Beginn der Operation zu denken. Das Team darf sich also weiter in Geduld üben und der OP-Saal bleibt die ganze Zeit über ungenutzt. Ersatzweise eine Operation aus einem anderen Fachbereich zu übernehmen, ist auf Grund der bereits erfolgten aufwendigen Vorbereitungen zumeist ebenso kritisch wie eine Verlegung der Implantation in einen anderen Saal. Am Ende können alle Beteiligten nur hoffen, dass sich die Verspätungen vom Morgen irgendwie über den Tag wieder auffangen lassen und nicht noch Überstunden am Abend anfallen. Vorfälle wie dieser sind in deutschen OPs an der Tagesordnung. Jeder Mitarbeiter im OP-Bereich eines Krankenhauses kann sicherlich die eine oder andere Anekdote beisteuern. Zwei ebenso naheliegenden wie dringlichen Fragen wird jedoch zumeist kaum nachgegangen: Was genau läuft hier eigentlich schief? Und: Was muss verändert werden?
4.2.1 Erhebliche Schwachstellen im OP-Betrieb In deutschen OPs gelten noch immer eherne, wenn auch ungeschriebene Regeln. In den vergangenen Jahrzehnten lautete die wichtigste zumeist: Jeder Operateur hat „seinen“ OP-Saal, in dem er allein operiert – und auch nur dann, wenn er selbst dies für richtig und angemessen hält. Nur der Operateur setzt den OP-Termin an, zu dem die Anästhesisten dann die Narkosephase einleiten. Alle anderen Mitarbeiter im Team – Assistenzärzte sowie OP-Schwestern und Pfleger – haben sich bereitzuhalten, um bei der Operation entsprechend zur Hand gehen zu können.
4.2 Im OP-Bereich: Behandlungspfade ermöglichen eine Gesamtsteuerung der Abläufe 65
Aus Sicht der Operateure funktionierte diese Organisation der Abläufe sicherlich tadellos. Auch wenn diese Regeln inzwischen zunehmend an Gültigkeit verlieren, so weist die OP-Organisation doch erhebliche Schwachstellen auf.
• Leerlaufzeiten im OP-Saal. Frei werdende Raumkapazitäten lassen sich in aller
Regel kaum nutzen. Wer, wann, wo und mit welcher Mannschaft operieren soll, muss zumindest bei elektiven Patienten jeweils mit reichlich Vorlaufzeit und Puffern geklärt werden. Schon bei eher geringfügigen Verschiebungen droht Stillstand in den Abläufen, sind wichtige Spezialisten/Serviceleistungen nicht mehr verfügbar, können vorbereitete Eingriffe nicht mehr oder nur nach unabsehbaren Verzögerungen durchgeführt werden.
• Chronische Koordinationsprobleme. Zu entscheiden, wann welcher Patient wo abgerufen, narkotisiert, wieder abgeholt und aufgeweckt werden soll, kann leicht zur reinen Nervensache werden. Vor allem dann, wenn die Stationen Patienten vergebens zum OP bringen, etwa weil sich der vorherige Eingriff verzögert oder die OP mittlerweile abgesetzt wurde.
• Unzureichender Informationsfluss. Immer wieder kommt es vor, dass wichtige
Informationen im Beziehungsgeflecht zwischen den verschiedenen Berufsgruppen, zwischen Pflegestation, medizinischen Servicebereichen und OP-Bereich verloren gehen. In der Folge liegen wichtige Befunde nicht vor, wird der Patient nicht nüchtern abgerufen, kommt es zu Verzögerungen in der Anästhesie, ist die OP-Mannschaft nicht komplett verfügbar oder nicht ausreichend über mögliche Patientengebrechen gebrieft. Und zu guter Letzt fehlt nach der Operation eventuell auch noch ein freies Bett auf der Station.
Bislang waren diese und ähnliche Probleme von eher untergeordneter Bedeutung für die Geschäftsführung eines Krankenhauses. Sie zu bewältigen war im Wesentlichen Aufgabe der medizinischen Dienste, d. h. der verantwortlichen OP-Ärzte sowie der Leitungen von Anästhesie und Pflegedienst. Heutzutage jedoch rücken sie unter DRG-Bedingungen als vorrangige Kostentreiber immer stärker ins Blickfeld des Managements.
4.2.2 Stoßrichtungen zur Prozessoptimierung im OP-Bereich Zweifellos ist der OP-Bereich die erste Adresse, wenn es darum geht, patientenzentrierte Behandlungspfade im Krankenhaus zu etablieren. Die konzeptionellen Vorteile liegen auf der Hand: Ausgehend von der Eingangsdiagnose lassen sich entlang der verschiedenen Pfadstufen die einzelnen Behandlungsabläufe durchgängig definieren und auch die Handlungen/Interaktionen aller Beteiligten präzise aufeinander abstimmen und steuern. Damit diese Pfade ihr Potenzial voll entfalten können, sind zumeist auch im OP-Bereich selbst entsprechende Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Richtig eingesetzt, ermöglichen die drei nachstehend beschriebenen Stellhebel eine optimale Nutzung der OP-Kontingente, den zumeist kostenintensivsten Res-
66
4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
sourcen eines Krankenhauses. Voraussetzung ist, dass die dazu erforderlichen Maßnahmen analytisch sorgfältig definiert und stringent mit den klinischen Behandlungspfaden im Sinne einer ganzheitlichen Prozesssteuerung verknüpft werden. 4.2.2.1 Bessere Ausschöpfung der OP-Betriebszeiten Dass der OP-Saal – im Regelbetrieb mit voller Personalbesetzung – möglichst intensiv zum Operieren genutzt werden sollte, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Die Realität sieht leider vielfach anders aus (Abb. 4.5). Betrachtet man den Anteil der jeweiligen Schnitt-Naht-Zeiten an der täglichen Betriebszeit von OP-Sälen, so liegt die durchschnittliche Quote produktiver Auslastung – über alle Säle eines Klinikums hinweg – häufig nur bei 50%, für einzelne Säle sogar noch deutlich darunter. Je nach Fachgebiet und Eingriffsspektrum sind in OP-Sälen mit gut organisiertem Betrieb jedoch durchaus Auslastungsquoten, d. h. Schnitt-Naht-Zeit-Anteile, von bis zu 75% zu erreichen. Ausgangspunkt aller Anstrengungen zu Produktivitätssteigerungen muss daher eine forcierte Ausweitung des Anteils der Schnitt-Naht-Zeiten sein, gemessen an der regulären Betriebszeit von OP-Sälen. Zu erreichen ist dies durch Optimierung der Schnittstellen zwischen den verschiedenen Funktionen und Beteiligten. Wichtige, teilweise einander überlappende Einzelschritte auf dem Weg zu optimalen Abläufen sind dabei:
Nutzung der OPs
in Prozent (Leerstände in Stunden und Minuten)
Realität in den Operationssälen 100% Leerstände
0:55
0:54
Isolierte Rüstzeit
15
15
Isolierte Säulenzeiten
21
SchnittNaht-Zeit
52
1
1:12
1:16
17
15
21
19
17
57
2
47
50
3
4
Problemfelder
1:30
18
20
43
5
Anspruch
Der Saal steht in der Regelbetriebszeit leer, z.B. wegen mangelhafter Planung Der Patient blockiert den Saal zu lange vor und nach der Narkose, z.B. wegen fehlender Abstimmung und verzögerten Schleusenzugangs Der Saal wird zu lange durch einen Patienten in Narkose blockiert, z.B. wegen fehlender Abstimmung zwischen Operateur und Anästhesist oder fehlender Ausleiteräume
10 15
75
Durch Prozess- und Planungsineffizienzen bleiben nur 43 - 57% der Gesamtzeit für die eigentliche Operation (Schnitt-Naht-Zeit) anstatt eines Zielwerts von 75%
Ziel
Quelle: McKinsey
Abb. 4.5. Die meisten OPs werden nur in einem Bruchteil der Zeit zur eigentlichen Operation genutzt
4.2 Im OP-Bereich: Behandlungspfade ermöglichen eine Gesamtsteuerung der Abläufe 67
• Definition von OP-Standards. Fehlleistungen, insbesondere bei der Vorbereitung
der Operation, lassen sich weitestgehend vermeiden, wenn eingriffsindividuell feste OP-Standards, z. B. zur Patientenlagerung, zur Nutzung und Präsentation von OP-Hilfsmitteln und -Materialien sowie zur Abfolge der einzelnen Schritte bei Narkose, Operation und Ausleitung, vereinbart und entsprechend dokumentiert werden. Nachhalten lässt sich ihre Einhaltung beispielsweise durch Einsatz verbindlicher Checklisten. Außerdem sollte eine vollständige Patientenakte einschließlich der Dokumentation aller erforderlichen diagnostischen Voruntersuchungen und Befunde Mindestvoraussetzung für die Freigabe bzw. den OPAbruf elektiver Patienten sein.
• Stabilisierung des ersten OP-Termins am Morgen. Erfahrungsgemäß kann kein
OP-Termin besser geplant werden als die erste elektive Operation am Morgen. Dieser erste Eingriff sollte stets plangemäß und pünktlich erfolgen, um alle weiteren untertägigen Belegungs- und Kapazitätsprobleme im jeweiligen OP-Saal auf ein Minimum zu reduzieren (Abb. 4.6). Grundsätzlich sollten alle Arztbesprechungen und -visiten daher so gelegt werden, dass Beeinträchtigungen des morgendlichen OP-Betriebs von vornherein ausgeschlossen sind. Wann Anästhesieteam, Pflegepersonal und Operateur jeweils eintreffen, wann und gegebenenfalls mit welcher Prämedikation der Patient in den OP zu bringen ist und wie Abläufe und Zeittafeln für die Behandlungsschritte im Einzelnen aussehen, sollte am besten mit allen Beteiligten verbindlich geklärt werden.
• Reduzierung von „Wechselzeiten“. Wer sich einmal die Mühe macht zu analysie-
ren, wie lange die Wechselzeiten in den genutzten OPs sind – d. h. die jeweilige Dauer zwischen dem Ende der chirurgischen Maßnahmen der Voroperation und dem Beginn der chirurgischen Maßnahmen der Folgeoperation –, wird voraussichtlich große Unterschiede zwischen den einzelnen Sälen feststellen. Sie lassen sich nicht schlichtweg mit der Begründung „notwendige Reinigung des OP“ erklären. Während die Naht-Schnitt-Zeiten, d. h. die Dauer von Naht Voroperation bis Schnitt Folgeoperation, nämlich häufig fachabteilungs- bzw. eingriffsspezifischen Besonderheiten wie der Lagerung des Patienten unterliegen, ermöglicht die Betrachtung der Wechselzeiten im Wesentlichen einen Vergleich auch über die Fachabteilungen hinweg.
Ansatzpunkte, um Best-Practice-Niveau zu erreichen, sind hier der Verbleib der Operateure im OP-Bereich sowie eine optimierte Koordination der Patientenströme von und zum OP-Bereich. Zudem empfiehlt es sich, Standards für Anästhesie und Operateure zu etablieren, um einheitliche Vorbereitungs- und Ablaufprozesse zu organisieren. Darüber hinaus ist viel gewonnen, wenn die täglichen Abläufe auf der Station, im OP und in den medizinischen Servicebereichen miteinander verzahnt werden. Die morgendliche Arztvisite auf der Station sollte beispielsweise zu festen Zeiten durchgeführt werden, so dass die später operierenden Ärzte pünktlich zu Operationsbeginn im OP-Saal verfügbar sind. Ebenso lässt sich die Vorbereitung elektiver Patienten deutlich effizienter gestalten, wenn etwa wichtige diagnostische Voruntersuchungen oder erforderliche prämedikative Maßnahmen über Checklisten kontrolliert und nachgehalten werden.
68
4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
Abb. 4.6. Oft beginnt bereits der erste Eingriff mit deutlicher Verspätung
Durchschnittliche Wechselzeiten* während der Kernbetriebszeit in Minuten
• Die Wechselzeiten sind Saal 1
40
Saal 2
38
Saal 3
37
Saal 4
37
Saal 5
35
Saal 6
35
Saal 7
31
Saal 8
30
Saal 9 Saal 10
29 27
Best Practice = 20
gegenüber den Benchmarks um 17 - 30 Minuten verlängert • Sämtliche OPs weisen eine überlange Wechselzeit auf – was auf ein generelles gene-relles Prozessproblem hinweist • Mögliche Ursache sind der Ausleitprozess aus dem OP und das Potenzial für eine bessere Koordination zwischen Anästhesie und Operateur
* Zeit Ende chirurgische Maßnahmen Voroperation bis Beginn chirurgische Maßnahmen Folgeoperation Quelle: McKinsey
Abb. 4.7. Verlängerte Wechselzeiten weisen auf Optimierungspotenzial im Prozess hin
4.2 Im OP-Bereich: Behandlungspfade ermöglichen eine Gesamtsteuerung der Abläufe 69
4.2.2.2 Effizienterer Einsatz von Personal- und Sachressourcen Gelingt es, durch bessere Koordination von Abläufen und Zusammenarbeit Stillstandzeiten und die Anzahl von Blindleistungen zu minimieren, lassen sich erhebliche Produktivitätsreserven im OP-Bereich erschließen. Nach unseren Erfahrungen können bei etablierter gesamthafter Prozesssteuerung etwa 10 bis 20% der bisher vorgehaltenen Personal- und Sachkapazitäten eingespart werden – verbunden mit entsprechenden Kostensenkungen, aber auch spürbaren Verbesserungen der Behandlungsqualität. Wichtigster Stellhebel ist die Erarbeitung einer neuen Zielstruktur für den OPBereich, die dem tatsächlichen, optimierten Bedarf Rechnung trägt. Dazu sind zwei Kernfragen zu klären: Wie viele Saalkontingente müssen für die benötigten Narkosezeiten bzw. für die Schnitt-Naht-Zeiten im gesamten Krankenhaus insgesamt vorgehalten werden? Und: Wie viele Saalkontingente werden von den einzelnen Fachabteilungen des Krankenhauses benötigt? Um eine adäquate Zuteilung der Kontingente sicherzustellen, empfiehlt sich die Durchführung einer zweigleisigen Auslastungsanalyse, d. h. eine Analyse der Auslastung sowohl nach OP-Sälen als auch nach Fachabteilungen. Die Analyse nach OPSälen identifiziert Optimierungspunkte wie Startzeiten, Wechselzeiten oder eventuelle Nutzungslücken, z. B. am Tagesende. Die Analyse nach Fachabteilungen zeigt Fälle möglicher Über- bzw. Unterbeanspruchung der vorgegebenen Kontingente durch die einzelnen Fachabteilungen auf. Aus dem Abgleich lassen sich dann die Soll-Kapazitäten ermitteln, die unter Berücksichtigung der identifizierten Prozessverbesserungen noch benötigt werden (Abb. 4.8). Auf diesem Wege ist es möglich, für die neue Zielstruktur Schritt für Schritt nicht nur die benötigten Raum-, sondern auch die jeweils vorzuhaltenden Personalkapazitäten zu ermitteln. Letztere lassen sich zudem weiter aufschlüsseln nach Funktionen sowie Berufsgruppen. Im Weiteren sollten dann nach Möglichkeit noch folgende Maßnahmen ergriffen werden:
• Etablierung von Zentral-OPs. Wo immer es mit Blick auf Eingriffspektrum und Materiallogistik möglich ist, sollten verfügbare OPs zentral, d. h. von mehreren Fachabteilungen gemeinsam, genutzt werden. Eventuell erforderliche Umbauarbeiten und das Mehr an Planungsbedarf werden in aller Regel durch die verbesserte Auslastung und die verringerte Ressourcenvorhaltung rasch überkompensiert.
• Ausweitung der Betriebszeiten. Auch heute noch ist zumeist der traditionelle Einschichtbetrieb im OP von 8:00 bis 16:00 Uhr allgemein üblich. Inzwischen sind jedoch zahlreiche Krankenhäuser dazu übergegangen, ihre verfügbare Infrastruktur über das Einschichtmodell hinaus zu nutzen.
• Flexibilisierung des Personaleinsatzes. Erhebliche Steigerungen der Personalpro-
duktivität lassen sich – jeweils in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten und dem gegebenen Eingriffsspektrum in den Fachabteilungen – beispielsweise mit Hilfe von Doppelspringer-Konzepten erzielen. Dazu werden für zwei OP-
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4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
Abb. 4.8. Die Analyse der Auslastung je Saal und Fachabteilung ist Basis für eine bedarfsorientierte Planung
Säle nur drei statt typischerweise vier OP-Pfleger eingesetzt, so dass ein Pfleger jeweils nach Bedarf zwischen beiden Sälen wechselt. Zu prüfen ist auch die Möglichkeit eines Einsatzes von chirurgischen bzw. operationstechnischen Assistenten nach dem Springermodell.
• Bildung
interdisziplinärer OP-Teams. Solche Teams werden nicht mehr nach Fachgebieten, sondern nach jeweiliger Arbeitszeit und Verfügbarkeit zusammengesetzt. Dazu ist es erforderlich, OP-Pflege und Anästhesiepflege so zu schulen, dass sie in mehreren Fachdisziplinen arbeiten können. Die Multifunktionalität der Mitarbeiter lässt sich zudem durch gezielte Fortbildungsmaßnahmen sowie Rotationen in unterschiedliche Fachdisziplinen weiter erhöhen.
4.2.2.3 Etablierung eines professionellen OP-Managements Um eine kontinuierliche Optimierung des OP-Betriebs sicherzustellen, empfiehlt sich die Etablierung eines gesamtverantwortlichen OP-Managements. Dessen Aufgabe sollte es sein, alle Leistungsparameter/Erfolgskennziffern des OP-Bereichs laufend nachzuhalten und gegebenenfalls Maßnahmen zum Gegensteuern zu initiieren. In diesem Sinne sollte das OP-Management auch die Informations- und Datenbasis bereitstellen, anhand derer die Fachdisziplinen einzeln oder interdisziplinär über
4.2 Im OP-Bereich: Behandlungspfade ermöglichen eine Gesamtsteuerung der Abläufe
71
die Nutzung der OP-Kontingente und die kontinuierliche Weiterentwicklung der OP-Standards diskutieren können. Mit dieser Aufgabenstellung verbindet sich für das OP-Management eine Vielzahl operativer, teilweise konfliktärer Einzelaufgaben: Erstens muss eine gleichmäßig hohe Auslastung der Saalkontingente sichergestellt werden, um OP-Leerstände auf Grund zu langer Wechselzeiten während der Betriebszeit zu vermeiden. Zweitens ist für die Patienten ein Höchstmaß an Transparenz und Planungssicherheit zu schaffen. Und drittens muss das OP-Management darauf achten, dass sich für die Mitarbeiter die anfallenden Überstunden auf ein Minimum reduzieren. Zugleich werden die Handlungsspielräume des OP-Managements durch zwei rahmensetzende Soll-Anforderungen eingeschränkt: (1) Hohe Verlässlichkeit des vom Management zu verantwortenden OP-Programms für Mitarbeiter wie auch für Patienten; (2) Limitierung des OP-Aufkommens außerhalb der Regelbetriebszeit auf Notfalleingriffe. Verwirklichen lässt sich ein derart professionalisiertes OP-Management mit Hilfe von drei Kernmaßnahmen: Einführung eines verbindlichen OP-Statuts. Der gemeinsamen Definition von Prozessabläufen und Kennzahlen kommt im OP-Betrieb eine vorrangige Bedeutung zu: Denn unterschiedliche Berufsgruppen aus unterschiedlichen Fachbereichen müssen im Stande sein, den kostenintensivsten Bereich des Krankenhauses effektiv und effizient zu nutzen. Vor diesem Hintergrund muss es Ziel eines solchen OP-Statuts sein, für alle im OP tätigen Mitarbeiter und Fachabteilungen verbindliche Regeln und Kennzahlen gemeinsam festzulegen und zu kodifizieren. In diesem Sinne sollte das OP-Statut, wie in vielen Krankenhäusern bereits üblich, sowohl die Verteilung der Saalkontingente für die einzelnen Fachabteilungen regeln als auch gegebenenfalls die individuellen OP-Betriebszeiten definieren. Um eine nachhaltige Optimierung der Ablaufprozesse zu ermöglichen, werden im OP-Statut zudem alle relevanten Leistungsparameter, Steuerungskennzahlen sowie Zielgrößen der Erfolgsrechnung explizit ausgewiesen. Auf dieser Grundlage sind ferner alle relevanten Ablauf- und Planungsprozesse im OP-Statut Schritt für Schritt festzulegen: Neben den Zuständigkeiten in den einzelnen Fachabteilungen müssen dazu insbesondere die Termine und Abgabefristen für die Monats-, Wochen- und Tagesplanung im OP-Statut definiert werden. Zentraler Gesichtspunkt ist dabei die klare Abgrenzung der im OP-Statut beschriebenen Planungsprozesse von den gegebenenfalls erforderlichen Notfalleingriffen. Nur wenn unter allen im OP tätigen Fachabteilungen ein gemeinsames, hinreichend tragfähiges Verständnis von Notfalleingriffen besteht, ist überhaupt eine valide Planung möglich. Ansonsten lassen sich mit Operationen, die als Notfalleingriffe deklariert werden, jederzeit alle Planungen für elektive Operationen aushebeln. Gerade Letzteres soll jedoch das OP-Statut verhindern – im wohl verstandenen Interesse der Mitarbeiter wie auch der Patienten. Über die Definition der Ablauf- und Planungsprozesse hinaus sollte das OP-Statut auch die Aufgaben des OP-Managers und der OP-Steuerungsgruppe beschreiben und die jeweils Verantwortlichen benennen.
72
4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
Berufung eines OP-Managers. Aufgabe des OP-Managers sollte es sein, sowohl die Planungs- und Ablaufprozesse nachzuhalten als auch die entsprechenden Kennzahlen zu erfassen, auszuwerten und mit den verantwortlichen Berufsgruppen und Fachbereichen regelmäßig zu diskutieren. Mit Blick auf seine ausgeprägten Koordinations- und Moderationstätigkeiten sollte der OP-Manager weisungsunabhängig von den einzelnen Fachbereichen entscheiden und handeln können. Aus dem Kreis der Führungskräfte mit der größten OP-Erfahrung berufen, berichtet er vorzugsweise direkt an die Geschäftsführung des Krankenhauses. Damit er jeweils eine optimale Nutzung der OP-Kapazitäten sicherstellen kann, sollten ihm zudem umfangreiche Steuerungsmöglichkeiten an die Hand gegeben werden. Dazu gehört insbesondere die Weisungsbefugnis gegenüber den Operateuren der einzelnen Fachabteilungen, der Anästhesie, den OPSchwestern und Pflegern sowie den operationstechnischen Assistenten. Ebenso sollte er die fachliche Aufsicht über die Serviceleistungen von Transport-, Reinigungs- und Instandhaltungsdiensten erhalten (Abb. 4.9). Nur unter diesen Voraussetzungen kann der OP-Manager die Abläufe und Planungen, wie von ihm erwartet, koordinieren und zugleich die Einhaltung der Vorgaben für die Auslastung der Saalkontingente sowie die Wechselzeiten zwischen den Operationen sicherstellen. Unabdingbar ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen OP-Manager und Geschäftsführung. Andernfalls wird sich der OPManager gegenüber den im OP tätigen Fachbereichen und Berufsgruppen nicht ausreichend durchsetzen können und Gefahr laufen, im Tagesgeschäft zwischen den einzelnen Interessengruppen aufgerieben zu werden. Wichtiger als die Zugehörigkeit des OP-Managers zu einer bestimmten Berufsgruppe ist dessen solide Verankerung in der Aufbauorganisation des Krankenhauses. Hinzukommen müssen ausgeprägte persönliche Kompetenz und Erfahrung, um die übertragene Rolle und Verantwortung ausfüllen zu können. Denn die Wahrnehmung dieser Aufgaben stellt stets eine Gratwanderung dar – nicht nur in menschlicher, sondern auch in ökonomischer Hinsicht. Etablierung einer OP-Steuerungsgruppe. Um eine Plattform für kontinuierliche Verbesserungen zu schaffen, empfiehlt sich zudem die Einrichtung einer eigenen OP-Steuerungsgruppe. Deren Aufgabe ist es, Maßnahmen zur Verbesserung der Ablauf- und Planungsprozesse zu erarbeiten – als Ausgangspunkt für die laufende Optimierung der OP-Auslastung. Parallel dazu führt die OP-Steuerungsgruppe vertiefende Analysen für die Geschäftsführung durch und treibt die Entwicklung der Kennzahlen- und Steuerungssysteme voran. Darüber hinaus sollten innerhalb der OP-Steuerungsgruppe auch mögliche Konfliktsituationen geklärt und entsprechende Handlungsrichtlinien erarbeitet werden. Der OP-Steuerungsgruppe sollten neben dem OP-Manager zum einen Vertreter der einzelnen Fachabteilungen angehören, zum anderen Repräsentanten der Anästhesie, der OP-Schwestern und Pfleger sowie der operationstechnischen Assistenten. Bei Bedarf kann sich dieser Kreis um Vertreter der Geschäftsführung, gegebenenfalls auch noch um externe Operateure erweitern. Regelmäßige, vorzugsweise monatliche Treffen stellen die Basis für nachhaltige, kontinuierliche Verbesserungen im OP-Betrieb dar.
4.2 Im OP-Bereich: Behandlungspfade ermöglichen eine Gesamtsteuerung der Abläufe 73
Abb. 4.9. Das OP-Management bildet die zentrale Steuerungsfunktion für den OP und sollte direkt der Geschäftsführung berichten
4.2.3 Fazit: Um nachhaltige Verbesserungen im OP-Bereich zu erreichen, bedarf es einer Gesamtsicht auf Abläufe und Schnittstellen Der OP-Bereich, traditionell das „Herz“ der Klinik, stellt eine besondere Herausforderung für die erfolgreiche Führung von Krankenhäusern dar. Zum einen sind an seinen komplexen Prozessabläufen nahezu alle Berufsgruppen beteiligt; zum anderen bestehen vielfältige Verflechtungen mit den übrigen klinischen Bereichen. In aller Regel lässt sich die Optimierung des OP-Betriebs nicht über die isolierte Betrachtung der Prozesse innerhalb des Bereichs zuwege bringen. Vielmehr muss im Rahmen der Etablierung klinischer Behandlungspfade eine gesamtheitliche Prozesssteuerung verwirklicht werden: Sie sollte insbesondere die vor- und nachgelagerten klinischen Funktionsbereiche sowie die Serviceleistungen von Transport-, Reinigungs- und Instandhaltungsdiensten sinnvoll mit einbeziehen. Denn wenn das „Herz“ der Klinik schneller schlagen soll, muss – um im Bild zu bleiben – auch das Blut in den „Adern“ und „Venen“ der Klinik schneller fließen. Der besondere Vorteil der klinischen Behandlungspfade besteht dabei darin, dass sie jeweils patientenzentriert die erforderliche Gesamtsicht ermöglichen: Erst
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4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
wenn der Patient, mit vollständiger Patientenakte, pünktlich und gegebenenfalls mit der richtigen Prämedikation an der OP-Schleuse eintrifft, können die Behandlungsschritte im OP wie geplant an- und ablaufen. Gleiches muss für die Abläufe in den nachgelagerten Bereichen gelten: Denn nur wenn ausreichend freie Bettenkapazitäten im Aufwachraum und auf der Intensivstation verfügbar sind, ist auch ein rascher ordnungsgemäßer Abfluss des Patientenstroms sichergestellt. Andernfalls können die OPs auf Grund fehlender Kapazitäten in den nachgelagerten Bereichen gar nicht erst freigegeben werden.
4.3 Auf der Intensivstation: Etablierung fester Standards ermöglicht eine patientenzentrierte und zugleich wirtschaftliche Betreuung „Um Intensivbetten feilschen wir heute wie auf dem Basar!“ – Mit dieser Klage dürfte ein Internist, Oberarzt eines süddeutschen Klinikums, vielen Fachkollegen aus der Seele sprechen. Schon fast routinemäßig geht er inzwischen die Belegungspläne durch, um herauszufinden, wo und wann noch für seine Patienten ein Intensivbett frei werden könnte. Meist ist die Intensivstation jedoch voll belegt – und ein freies Bett erhält er in der Regel nur dann zugewiesen, wenn gleichzeitig, manchmal sogar im Austausch, ein Patient auf die Normalstation zurückverlegt werden kann. Ein Zeichen für effizientes Kapazitätsmanagement sind solche Basar-Praktiken allerdings nicht. Denn was vordergründig wie ein ökonomischer Abgleich von Interessen und Prioritäten anmuten mag, entpuppt sich bei näherem Hinsehen nur allzu oft als pragmatisches Durchwursteln. Wesentlicher Grund dafür sind fehlende Standards für Aufnahme, Verweildauer und Entlassung von Patienten auf der Intensivstation. Im Zuge der Einführung von Behandlungspfaden bietet es sich an, für die Intensivstationen klare Kriterien zu definieren hinsichtlich Aufnahme, Verweildauer sowie Entlassung von Patienten – und diese auch kontinuierlich nachzuhalten. Damit ist es erstmals möglich, systematisch gegen Phänomene wie primäre und sekundäre Fehlbelegung vorzugehen, ohne inakzeptable Einschränkungen bei Behandlungsqualität und Zuwendung befürchten zu müssen.
4.3.1 Funktion und Einsatzspektrum von Intensivstationen Intensivstationen mit ihren vielfältigen, intensivmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten gewährleisten nicht nur – bei entsprechender Fallschwere – Betreuung auf Spitzenniveau. Vielfach fungieren sie auch als Aushängeschild eines Krankenhauses. Für Einweiser, vor allem in ländlichen Regionen, ist es ein wesentliches Entscheidungskriterium, ob das ins Auge gefasste Akutkrankenhaus auch eine hochwertige intensivmedizinische Betreuung garantieren kann. Aus Nutzersicht besteht das entscheidende Charakteristikum der Intensivstationen darin, dass hier im Bedarfsfall eine auf den Einzelpatienten individuell zugeschnittene Betreuung möglich ist. Nicht selten wird auch der Leistungsstand von
4.3 Auf der Intensivstation: Etablierung fester Standards 75
Fachabteilungen anhand der Servicequalität der angeschlossenen Intensivstation beurteilt. Wie ist es dazu gekommen? Entstanden ist die moderne Intensivmedizin aus dem jahrzehntelangen Bestreben, für besonders betreuungsbedürftige Patienten den Behandlungsprozess zu individualisieren und die Krankenhäuser von Stätten karitativer Betreuung zu wirklichen Behandlungseinrichtungen weiterzuentwickeln. Den entscheidenden Anstoß dazu gab die Polioepidemie in den 50er Jahren in Kopenhagen, als Tausende von Studenten und andere zivile Helfer eingesetzt wurden, um rund um die Uhr Patienten mit Beatmungsbeuteln vor dem Ersticken zu retten. In Deutschland sind die ersten Intensivstationen gleichen Namens dann in den 60er Jahren eingerichtet worden. Ihre rasche Verbreitung hatte zur Folge, dass auch die althergebrachte Stationsaufteilung durchbrochen wurde. Erfolgte die Zuordnung der Kranken bis dahin häufig nach Geschlecht (Männer- und Frauen-Stationen), so war die Einrichtung von Intensivstationen ein klares Indiz, dass sich der Schweregrad der Erkrankung und die Behandlungsbedürftigkeit des Patienten zu den entscheidenden Kriterien entwickelten. Entsprechend veränderten sich auch Aufgabenstellungen und Rollenverständnis von Ärzten und Pflegern.
4.3.2 Dringlichkeit eines effizienteren Ressourceneinsatzes Für jedes Krankenhaus stellt die Intensivstation einen erheblichen Kostenfaktor dar. Denn die hier entstehenden Kosten liegen deutlich über denen für eine Normalstation: In der Regel entfallen auf Intensivstationen 20% der gesamten Pflegekosten, obwohl sie nur 5% des Bettenangebots beisteuern (Abb. 4.10). Hinzu kommen die Mehraufwendungen für den Ärztlichen Dienst sowie die vergleichsweise hohen Sachkosten.
Abb. 4.10. Bei nur 5% Bettenanteil verursachen Intensivstationen in der Regel 20% der Pflegepersonalkosten eines Krankenhauses
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4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
Haupttreiber bei den Betriebskosten sind die hohen Personalkosten je Patient – bedingt durch den überproportional hohen pflegerischen und ärztlichen Aufwand. Vor diesem Hintergrund ist ein sorgsamer, effizienter Einsatz der Personalressourcen unerlässlich. Um eine optimale Nutzung sicherzustellen, sollte sich die Betreuung auf den Intensivstationen strikt auf solche Patienten konzentrieren, die tatsächlich der dort verfügbaren zusätzlichen Behandlungs- und Pflegemöglichkeiten bedürfen. In der Praxis ist dem leider häufig nicht so. Vielmehr werden immer wieder Patienten mitbetreut, die auch auf der Normalstation, in der Intermediate-Care-Einheit oder auf der Telemetriestation medizinisch völlig zufriedenstellend betreut werden könnten. Natürlich ist es angebracht, einem Patienten im Zweifelsfall stets eher mehr Betreuung zuteil werden zu lassen als möglicherweise erforderlich. Unnötiges oder auch nur unnötig langes Verweilen auf der Intensivstation gereicht dem Patienten jedoch keinesfalls zum Vorteil: Psychisch wie physisch stellt der Aufenthalt auf der Intensivstation für jeden Patienten eine erhebliche Belastung dar. Zudem ist auf Grund des in der Regel stärker invasiven Vorgehens dort auch die Infektionsrate deutlich höher als etwa auf Normalstationen. Daher gilt es – auch im Interesse des Patienten – stets sorgsam abzuwägen, ob ein Patient auf die Intensivstation aufgenommen, wie lange er dort verweilen und wann er von dort wieder entlassen werden soll.
Abb. 4.11. Eine Verweildaueranalyse kann Aufschluss über Fehlbelegung einer Intensivstation geben
4.3 Auf der Intensivstation: Etablierung fester Standards 77
4.3.2.1 Erster Stellhebel: Erfordernis einer Intensivbetreuung kritisch prüfen! Werden Patienten, für die auf Grund der geringen Schwere ihrer Erkrankung eigentlich keine Indikation zur Intensivbehandlung besteht, gleichwohl auf die Intensivstation verlegt, so spricht man von primärer Fehlbelegung – noch immer ein recht häufig anzutreffendes Phänomen. Eine Verweildaueranalyse kann erste Hinweise auf die Größenordnung der Fehlbelegung geben, indem sie auffällige Unterschiede in der Nutzungsfrequenz identifiziert – bei chirurgischen Patienten sowohl vor wie auch nach erfolgter Operation (Abb. 4.11). Die Ursachen für primäre Fehlbelegungen auf Ebene des einzelnen Krankenhauses sind vielfältig und häufig nur durch eine genaue Analyse von Aufnahme- und Verlegungsprozessen zu ermitteln. Fast immer resultieren sie aus fehlenden oder nicht erfüllten Aufnahmekriterien (Abb. 4.12): Bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen beispielsweise empfiehlt sich im Frühstadium eine laufende EKG-Überwachung. Seit einigen Jahren ist dazu allerdings keineswegs mehr die Aufnahme auf eine Intensiv- oder Überwachungsstation zwingend erforderlich. Denn in den meisten Kliniken besteht mittlerweile die Möglichkeit telemetrischer Überwachung – mit direkter EKG-Übertragung in den Pflegestützpunkt. Zudem besteht die Tendenz, Patienten im Zweifelsfall auf eine Intensivstation zu verlegen, wann immer ihre Pflege besonderen Aufwand erfordert. Meist wird hier die horizontale Verlegung auf eine ähnlich ausgestattete Nachbarstation nicht
Abb. 4.12. Ein Überblick der Intensivfälle nach Diagnosen kann Hinweise auf primäre Fehlbelegung geben
78
4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
näher in Betracht gezogen. Vielmehr erscheint die Verlegung solcher Pflegefälle auf die Intensivstation als willkommener Ausweg, um Ärzte und Pflegepersonal zu entlasten – vor allem dann, wenn die Kriterien für die Aufnahme in die Intensivstation klinikintern eher vage sind und das Kostenbewusstsein noch wenig ausgeprägt ist. Häufig werden Patienten auch direkt aus der Rettungsstelle/Notaufnahme oder aus dem OP auf die Intensivstation verlegt, ohne dass viel Aufheben um eventuelle Aufnahmekriterien gemacht wird. Dies ist sehr bedauerlich, denn die Qualität der extern getroffenen Vorselektion hat erheblichen Einfluss auf die Belegungsquote der Intensivstation. Negativ wirkt sich hier auch aus, dass die Aufnahme- und Verlegungsprozesse oftmals unzureichend definiert sind. Stößt die Rettungsstelle/Notaufnahme an Kapazitätsgrenzen, so ist es nur allzu verführerisch, die Intensivstation als Aufnahmereservoir zu benutzen: Ein beliebter Trick besteht darin, Patienten ohne klare Indikationsstellung an die Intensivstation weiterzuverweisen. Oder man benutzt die Intensivstation offen als erweiterte Notaufnahme und veranlasst die Rettungsdienste, Notfälle direkt dort einzuliefern. Beides stellt jedoch einen Missbrauch der Intensivstation dar und begünstigt primäre Fehlbelegungen erheblich. 4.3.2.2 Zweiter Stellhebel: zeitnahe Verlegung nach Abschluss der Intensivbetreuung sicherstellen! Verbleiben Patienten länger als eigentlich erforderlich auf der Intensivstation, so spricht man von sekundärer Fehlbelegung (Abb. 4.13). In solchen Fällen war die Einlieferung auf die Intensivstation zwar ursprünglich angezeigt, jedoch ist es dann versäumt worden, die Patienten so schnell wie möglich auf eine niedrigere Versorgungsstufe zu verlegen bzw. zu entlassen. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Aus medizinischer Sicht resultiert zu langes Verweilen auf der Intensivstation häufig aus unklaren Regelungen, wann ein Patient auf eine Normalstation verlegt oder gar direkt nach Hause entlassen werden sollte. Dies fördert die Tendenz, den Patienten sicherheitshalber auf der Intensivstation zu behalten, solange die Behandlung nicht wirklich abgeschlossen scheint. Verlegungs- bzw. Entlassungsentscheidungen werden so unnötig lange hinausgezögert. Um Entscheidungsblockaden abzubauen, empfiehlt sich eine Analyse der tatsächlichen oder angeblichen Defizite einer möglichen Betreuung auf der Normalstation. Hier stellt der Einsatz flexibler Telemetriesysteme eine willkommene Alternative dar. Denn mit deren Hilfe lässt sich auch auf der Normalstation eine intensive Patientenüberwachung rund um die Uhr gewährleisten. Aus pflegerischer Sicht wird häufig der intensive, engmaschige Betreuungsbedarf als Argument dafür angeführt, weshalb ein Patient noch nicht die Intensivstation verlassen kann. Selbstverständlich ist ein solches Argument ernst zu nehmen. Gleichwohl sollte stets alternativ geprüft werden, ob nicht doch auch auf der Normalstation genügend pflegerische Kapazitäten verfügbar sind. Sofern es lediglich um die pflegerische Überwachung der Patienten geht, wäre zusätzlich der Einsatz von Sitzwachen zu erwägen, da diese noch immer wirtschaftlicher sind als die Inanspruchnahme der regulären intensivmedizinischen Pflegeleistungen.
4.3 Auf der Intensivstation: Etablierung fester Standards 79
Abb. 4.13. Eine geringe Zeitdifferenz zwischen Entlassung aus der Intensivstation und Entlassung aus dem Krankenhaus gibt Hinweise auf sekundäre Fehlbelegung der Intensivstation
Anders als im Falle der primären Fehlbelegung haben es die Leitungen von Intensivstationen hier weitgehend selbst in der Hand, die missbräuchliche Nutzung von Intensivplätzen abzustellen. Im Regelfall sind sie mit der Patientenhistorie vertraut und können somit frühzeitig gegenüber den verantwortlichen Fachabteilungen auf Verlegung auf eine geeignete Normalstation drängen.
4.3.3 Organisatorische Anpassungen bei Bettenkapazitäten und Personalbedarf Um Effizienzverluste aus primärer und sekundärer Fehlbelegung zu vermeiden, gibt es inzwischen vielfältige Ansätze: Wichtigster Stellhebel ist die Anpassung der Bettenkapazitäten in den Pflegestufen Intensivmedizin und Intermediate Care – in Abhängigkeit von den typischen Erkrankungsbildern im jeweiligen Haus. Als Ausgangspunkt empfiehlt sich die Quantifizierung der Patientenströme hinsichtlich Aufnahmen, Liegezeiten und Entlassungen. Das kann beispielsweise geschehen in einem direkten Benchmarkingvergleich mit anderen Kliniken von vergleichbarer Größe und ähnlicher Fallzusammensetzung (Case Mix). Auf dieser Grundlage ist es möglich, das Ausmaß der Fehlbelegungen abzuschätzen und, im Zuge der Erarbeitung der entsprechenden Behandlungspfade, Maßnahmen gegen die ungerechtfertigte bzw. zu lange Inanspruchnahme der Intensivstation zu entwickeln. Anhand präzise definierter Aufnahme- und Entlassungskriterien, die gegebe-
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4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
nenfalls hausindividuell zu detaillieren sind, lassen sich anschließend die tatsächlich benötigten Kapazitäten abschätzen. Als erster Schritt sollten zunächst die Soll-Kapazitäten bei Betten neu bestimmt und die Ist-Kapazitäten entsprechend angepasst werden. Meist ist es sehr viel wirksamer, Bettenkapazitäten direkt abzubauen als – bei Beibehaltung der bestehenden Kapazitäten – lediglich den Pflegeschlüssel zu reduzieren. Um den angestrebten Erfolg sicherzustellen, müssen die Maßnahmen zum Bettenabbau allerdings nicht nur mit Nachdruck verfolgt, sondern auch mit allen Beteiligten sehr sensibel und präzise abgestimmt werden. Dies erfordert ebenfalls die zeitnahe Einbeziehung aller anderen, mittelbar betroffenen Funktionsbereiche und Fachabteilungen. Als zweiter Schritt sollte dann der Personalbedarf anhand der revidierten Bettenzahl sowie des individuellen Krankheitsspektrums neu bestimmt werden. Im Ärztlichen Dienst sind die Einsparmöglichkeiten erfahrungsgemäß begrenzt. Nennenswertes Potenzial lässt sich hier allenfalls erschließen, wenn es gelingt, doppelt besetzte Schichten auf einfache Schichtbesetzung zu reduzieren – bei gleichzeitiger entsprechender Prozessverbesserung. Im Pflegedienst dagegen bestehen meist deutlich größere Möglichkeiten: Einsparpotenziale lassen sich beispielsweise durch Einführung von optimierten Behandlungsabläufen erschließen oder durch Etablierung von Geschäftseinheiten, vorzugsweise von Profit-Centern, gegebenenfalls auch von Cost-Centern. Ferner bietet eine optimierte Raumnutzung, verbunden mit kürzeren Transportwegen, erhebliche Einsparpotenziale (Abb. 4.14). Wie Erfahrungen zeigen, ist im Pflegedienst ein Personalschlüssel von 2,5 Vollzeitkräften je Intensivpflegebett durchaus realisierbar, für Intermediate-Care-Einheiten gilt ein Schlüssel von 1,0 Vollzeitkräften je Bett. Was im Einzelfall erreichbar ist, hängt in erster Linie von den Gegebenheiten vor Ort ab. Gleichwohl gibt es Faustregeln: Soll die Abdeckung des Schichtplans rund um die Uhr sowie an sieben Tagen in der Woche sichergestellt werden, so liegt im Pflegedienst eine sinnvolle Untergrenze für die Soll-Kapazitäten bei etwa 15 bis 16 Vollzeitkräften je Intensivstation – auch auf kleineren Stationen scheint diese Untergrenze kaum unterschreitbar. Angesichts dieses Mindest-Personalbedarfs bietet sich im Falle mehrerer Stationen mit jeweils weniger als zehn Betten eine Zusammenlegung an, sofern nicht wichtige Sondergründe dagegen sprechen. Parallel zur Änderung des Personalschlüssels sind selbstverständlich auch die Prozesse auf der Station entsprechend den zu Grunde liegenden relevanten Behandlungspfaden anzupassen. Auf gemischten Stationen etwa ist eine undifferenzierte, im Detailgrad vollkommen identische Dokumentation der Behandlung für Intensive-Care- und Intermediate-Care-Patienten kaum sinnvoll, da sie bei reduzierten Personalkapazitäten zu überbordender Bürokratie führt. Daher ist es empfehlenswert, die Verantwortlichkeiten für eventuell zu ergreifende Abbaumaßnahmen möglichst frühzeitig festzulegen und auch die Zielvorgaben7, 8 sowie die Einzelschritte top-down zu bestimmen. Wenn über die Grundparameter erst einmal Einigkeit besteht, darf sich die weitere Diskussion nur noch darum drehen, wie diese Ziele realisiert werden können. Die Notwendigkeit, überzählige Betten abzubauen, lässt sich am überzeugendsten aufzeigen, indem man Operateuren, Anästhesisten und Pflegern, aber auch den Verantwortlichen der vor- und nachge-
4.3 Auf der Intensivstation: Etablierung fester Standards
81
Abb. 4.14. Wege- und Zeitersparnis durch sinnvolle bauliche Umgestaltung der Intensivstation
lagerten Abteilungen sowie der Funktionsbereiche das Ausmaß der identifizierten Fehlbelegungen vor Augen führt. Erfahrungsgemäß können schon relativ einfache organisatorische Anpassungen, etwa eine Änderung der Öffnungszeiten des Aufwachraums, den Bettenbedarf auf der Intensivstation nachhaltig reduzieren.
Möglichkeiten zur organisatorischen Differenzierung: Seit der Einrichtung der ersten Intensivstationen in den 50er Jahren wurden unterschiedliche Versuche unternommen, die Organisationsstruktur auf die spezifischen Anforderungen vor Ort in den einzelnen Häusern auszurichten. Wesentliche Ansätze waren die Differenzierung nach Fachabteilungen sowie nach dem jeweiligen Grad der Behandlungsbedürftigkeit. Aus den organisatorischen Experimenten ergaben sich allerdings keine eindeutigen Aufschlüsse, so dass sich bislang noch kein klar überlegenes Organisationsmodell herausbilden konnte. Differenzierung nach Fachabteilungen: Intensivstationen mit (primär) fachdisziplinärer Ausrichtung lassen sich entsprechend dem anfallenden Behand-
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4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
lungs- und Betreuungsbedarf in zwei Untergruppen aufteilen – konservativ sowie chirurgisch ausgerichtete Stationen: Konservative Intensivstationen: Aus den Beatmungsstationen der 50er Jahre sind die internistischen Intensivstationen hervorgegangen – seit den 70er Jahren mit deutlichem Schwerpunkt in der Kardiologie. In großen Häusern werden inzwischen etwa 60% aller Intensivpatienten wegen kardiologischer Krankheitsbilder behandelt. Parallel dazu werden, vor allem in Häusern der Maximalversorgung, häufig infektiologische Isolierbetten vorgehalten, da der pflegerische und medizinische Aufwand bei Infektionen dem auf der Intensivstation gleichkommt. In kleineren Häusern werden überdies Schlaganfallpatienten auf internistischen Intensivstationen behandelt. Insgesamt ist jedoch in der inneren Medizin ein deutlicher Trend zu fortschreitender Spezialisierung erkennbar. Ebenso wie onkologische Erkrankungen wird auch der akute Apoplex zunehmend in dedizierten Zentren behandelt. In größeren Kliniken sind solche Stroke Units meist in eine neurologisch-neurochirurgische Intensivstation integriert; Überschneidungen mit internistischen Intensivstationen sind gleichwohl auch heute noch recht häufig anzutreffen. Chirurgisch ausgerichtete Intensivstationen: In Häusern mit chirurgischen Abteilungen werden, je nach Abteilungsgröße, auch Intensivbetten bzw. Intensivstationen für prä- und postoperative Patienten vorgehalten. Die Grenzen zwischen Aufwachraum und chirurgischer Intensivstation können dabei fließend sein. Häufig sind solche Intensivstationen praktischerweise der anästhesiologischen Abteilung zugeordnet, da der Anästhesist auch im Operationssaal für die intensivmedizinische Beobachtung und Behandlung der Patienten verantwortlich ist. Daneben gibt es noch die Intensiv- und Überwachungsstationen der kleineren chirurgischen Disziplinen, ihre Führung liegt in der Regel bei der jeweiligen Fachabteilung selbst. Vor allem aus pflegerischer Sicht sind solche separaten intensivmedizinischen Einheiten durchaus sinnvoll, beispielsweise für die Versorgung von HNO-Patienten. Differenzierung nach Krankheitsschwere: Neben der horizontalen Gliederung nach Fachabteilungen findet man in größeren Kliniken auch eine vertikale Differenzierung der Intensivbehandlung nach dem erforderlichen organisatorischen und pflegerischen Aufwand. Am häufigsten anzutreffen, aber keineswegs unumstritten, ist die Trennung von Intensivstation und IntermediateCare-Station. Intermediate-Care-Stationen unterscheiden sich von Normalstationen durch eine sehr viel intensivere Patientenüberwachung. Im Vergleich zu Intensivstationen sind auf Intermediate-Care-Stationen jedoch deutlich weniger Prozeduren und Eingriffe am Patienten durchzuführen. Das Patientenaufkommen für solche Einheiten, die sich eingezwängt in eine Art Sandwich-Position zwischen Normal- und Intensivstation sehen, ist naturgemäß begrenzt. Daher werden Intermediate-Care-Stationen häufiger noch als Intensivstationen interdisziplinär geführt.
4.4 In der Radiologie: Leitlinien erhöhen die Leistungsfähigkeit der Abteilung 83
4.3.4 Fazit: Optimierung erfordert Transparenz Vielleicht mehr noch als auf der Normalstation ist auf der Intensivstation jeder Patient als Einzelfall zu behandeln, der eine individuelle und intensive Versorgung und Pflege benötigt. Gleichwohl kann eine statistische Auswertung von Diagnosen und Behandlungsdauer Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten geben. Hauptansatzpunkt ist die Frage, ob die Bettenzahl dem Bedarf adäquat ist. Will man den Bedarf korrekt beurteilen, so ist vertiefend zu prüfen, ob die Intensivbetreuung für einen Patienten tatsächlich erforderlich ist und wie lange diese Intensivbetreuung fortgeführt werden sollte. Die Optimierung der Intensivstation sollte idealerweise einhergehen mit der Etablierung belastbarer Prozesse in anderen Teilen der Klinik, vor allem im Bereich der Notaufnahme und der Normalstation. Die Notaufnahme muss auch weiterhin die Möglichkeit haben, Patienten auf Grund ihrer Behandlungsbedürftigkeit auf die Intensivstation zu verlegen – allerdings nicht nur, um freie Bettenkapazitäten in der Notaufnahme zu sichern. Von Seiten der Normalstation muss eine zügige Übernahme ehemaliger Intensivpatienten gewährleistet sein. Daher sollte die Umsetzung von Verbesserungsmöglichkeiten auf der Intensivstation nicht isoliert vom Rest der Klinik erfolgen, vielmehr ist ein Gesamtkonzept unumgänglich. Prozesstransparenz auf der Intensivstation zu schaffen kann durchaus der Ausgangspunkt für einen solchen Optimierungsplan sein.
4.4 In der Radiologie: Leitlinien erhöhen die Leistungsfähigkeit der Abteilung und treiben die technologische Weiterentwicklung voran Die Radiologie sieht sich – vielleicht mehr als andere klinische Funktionsbereiche – mit konfliktären Anforderungen konfrontiert. Zum einen kann sie das zu erbringende Leistungsvolumen nicht selbst definieren, vielmehr ist sie als Auftragnehmer von den Fachabteilungen abhängig. Zum anderen muss sie ausgeprägte Servicequalitäten unter Beweis stellen: Immer wieder muss sie kurzfristig Untersuchungen dazwischen schieben und unklar definierte Untersuchungsaufträge zügig abhandeln. Gleichwohl wird die Radiologie – sieht man einmal von den Befundlaufzeiten im Labor ab – auch für alle Verzögerungen im Behandlungsverlauf verantwortlich gemacht. Patientenklagen wie „Ich warte nun schon seit einer Stunde auf meinen Rücktransport auf die Station. Man kann mich hier doch nicht einfach liegen lassen!“, sind denn auch nicht gerade selten. Als relativ kleine Abteilung mit einem Gesamtkostenanteil von lediglich 2 bis 4% sind die Radiologen es gewohnt, die Kritik aller auf sich zu ziehen. In der Regel kontern sie mit Gegenklagen über mangelnde Vorbereitung der Patienten, fehlende Laborwerte und unauffindbare Patientenakten – verbunden mit dem trotzigen Hinweis, dass „ein Krankenhaus eigentlich nichts anderes ist als eine Radiologie mit ein paar Betten drum herum“.
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Unbestreitbar ist auch, dass die Radiologie im modernen Klinikbetrieb zunehmend weiter an Bedeutung gewinnt: Die Fortschritte in der Informationstechnologie, speziell bei bildgebenden Systemen, beschleunigen die Behandlungsabläufe und verschaffen ihr wachsendes diagnostisches und therapeutisches Gewicht. Zudem fällt der Radiologie unter DRG-Bedingungen eine Schlüsselrolle zu beim Ringen um mehr Transparenz, effizienteren Ressourceneinsatz und kürzere Verweildauern. Vor diesem Hintergrund eröffnet die Einführung von klinischen Behandlungspfaden gerade diesem Funktionsbereich große Chancen:
• Rationellerer Ressourceneinsatz. Klinische Pfade machen vor allem im Falle elek-
tiver Patienten frühzeitig transparent, welche diagnostischen Untersuchungen zu welchem Zeitpunkt erforderlich werden. Damit kann das Pflegepersonal – idealerweise bereits am Einweisungstag – die benötigten radiologischen Leistungen jeweils im Voraus buchen. Dies ermöglicht die frühzeitige Zusammenstellung von Untersuchungsprogrammen, einschließlich einer entsprechenden Belegplanung für die einzelnen Geräte, was in aller Regel zu einer besseren Auslastung der Sach- und Personalressourcen in der Radiologie führt. Sind die klinischen Pfade erst einmal direkt elektronisch in einem zentralen Krankenhaus-Informationssystem (KIS) abgebildet, lassen sich alle Daten – Reservierungen, Ergebnisse und Befunde – sogar in Echtzeit zwischen der Radiologie und allen involvierten Fach-/Funktionsabteilungen austauschen.
• Sinkender Leistungskonsum. Als Folge der rationelleren Ressourcennutzung ist
zu erwarten, dass auch Häufigkeit und Umfang der Inanspruchnahme radiologischer Leistungen zurückgehen. Dass es hier erhebliche Einsparpotenziale geben dürfte, verdeutlichen die vielerorts zu beobachtenden massiven Nachfrageschwankungen – sowohl hinsichtlich der Frequenz wie auch der Art der Anforderungen, je nachdem welcher Arzt gerade für die Patientenbehandlung zuständig ist. Ebenso lassen sich im Benchmarkingvergleich von Haus zu Haus ausgeprägte Diskrepanzen bei der Inanspruchnahme nachweisen. Sie können als Indiz für eher hausspezifische Usancen dienen, da sie schulmedizinisch (meist) nicht zu begründen sind.
• Radiologische Leitlinien als Steuerungsinstrument. Im Zuge der Pfaddefinition
bietet sich zudem die Gelegenheit, spezielle Leitlinien für die Radiologie zu erstellen. Basierend auf dem jeweils neuesten Wissensstand, legen diese, jeweils pfadbezogen, die Leistungsanforderungen an die Radiologie fest – insbesondere im Hinblick auf die Anwendung bildgebender Diagnostik je Krankheitsbild. Modellcharakter haben hier die Leitlinien der Deutschen Röntgengesellschaft zur Thoraxdiagnostik.9
Auch für Indikationen, für die es bisher noch keine Pfaddarstellung gibt, stellen evidenzbasierte Leitlinien eine sinnvolle, kontinuierlich weiterzuentwickelnde Behandlungsgrundlage dar. Dies gilt namentlich für die radiologische Behandlung von Patienten aus den Rettungsstellen, die häufig nicht auf entsprechende Pfade „gesetzt“ werden können. Welche Einsparungen sich bei solchen Einzelfallbehandlungen durch radiologische Leitlinien erzielen lassen, zeigt das Bei-
4.4 In der Radiologie: Leitlinien erhöhen die Leistungsfähigkeit der Abteilung 85
spiel der Ottawa Ankle Rules. Die systematische Anwendung dieser Leitlinien für Sprunggelenksaufnahmen hat, wie kanadische Fallstudien belegen, zu einer Reduzierung der Anzahl der benötigten Aufnahmen um 15% geführt, bei gleicher Sensitivität und Patientenzufriedenheit.10 Wie es scheint, können Senkung des Leistungskonsums und Verbesserung der Prozessqualität in der Radiologie durchaus Hand in Hand gehen.
• Differenziertere Preisgestaltung. DRGs und Behandlungspfade lassen sich auch
zu einer transparenteren Preissetzung und Verrechnung radiologischer Leistungen nutzen. Anhand der DRGs ist es möglich, unter Berücksichtigung der internen Verlegungen jeder Abteilung und damit auch der Radiologie entsprechende Erlös- bzw. Deckungsbeiträge je Patient zuzuordnen. Anhand des jeweiligen Behandlungspfads können anschließend fiktive Budgets je Patient definiert und aus diesen dann Leistungen der Radiologie „eingekauft“ werden – zu einem internen Verrechnungspreis, der sich am zu erwirtschaftenden Deckungsbeitrag für die entsprechende Leistung orientiert. Werden die Betten führender Stationen explizit als Profit-Center geführt, ist eine solche interne Leistungsverrechnung sogar unabdingbar. Das so entstehende System interner Verrechnungspreise für erbrachte Leistungen bietet der Radiologie im konkreten Fall durchaus Handlungsspielraum bei der Preissetzung. Eine Differenzierung beispielsweise nach Routine- und Notfallpreisen schafft klare Anreize für die Leistungsnachfrager: Niedrigere Routinepreise stimulieren eine Inanspruchnahme radiologischer Leistungen innerhalb des Routineprogramms, insbesondere innerhalb der Kernarbeitszeiten. Höhere Notfallpreise hingegen zwingen zum Nachdenken, ob Ad-hoc-Leistungen außerhalb des Routineprogramms wirklich erforderlich sind bzw. ob der zu erwartende Nutzenzugewinn tatsächlich die anfallenden Mehrkosten rechtfertigt.
Aus dem modernen Klinikbetrieb sind radiologische Leistungen heutzutage nicht mehr wegzudenken. Fast jeder Patient erhält während seines stationären Aufenthalts eine radiologische Untersuchung, deren Ergebnisse entscheidenden Einfluss auf Therapiewahl und Behandlungsverlauf haben. Damit stellt die ablauforganisatorische Neuausrichtung der Radiologie einen Haupterfolgsfaktor dar – mit weitreichenden Folgen für alle übrigen Abläufe und Prozesse im Krankenhaus. Wesentliche Stoßrichtungen der Neuausrichtung sind eine durchgängige Prozessoptimierung, flankierende Maßnahmen zur Prozessunterstützung sowie ein flexibler, effizienter Personaleinsatz.
4.4.1 Durchgängige Prozessoptimierung – von der Anmeldung bis zur Befundung Analysiert man den traditionellen Radiologiebetrieb, wie er heute vielerorts noch üblich ist, so findet man Schwachstellen auf nahezu jeder Prozessstufe. Oftmals scheinen die identifizierten operativen Probleme – für sich betrachtet – relativ geringfügig zu sein. Über die gesamte Prozesskette schaukeln und summieren sie sich jedoch auf und führen am Ende dann zu massiven Beeinträchtigungen der
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operativen Handlungsfähigkeit und Schlagkraft. Auf Grund der vielfältigen Verbundeffekte empfiehlt sich eine schrittweise Optimierung der Abläufe entlang der verschiedenen Stufen der Patientenbetreuung. Die nachstehend beschriebenen Maßnahmen und Abhilfen mögen von der Konzeption her eher einfach und naheliegend scheinen. Das Problem ist jedoch, dass sie oft nicht systematisch und konsequent genug umgesetzt werden – was überaus bedauerlich ist, da nur mit einer durchgängigen, umfassenden Prozessoptimierung nachhaltige Verbesserungen erzielbar sind. Wie Beispiele zeigen, lässt sich gerade bei teuren Großgeräten die Auslastung um bis zu 30% steigern, was dann im Tagesgeschäft zu kürzeren Wartezeiten und in der Endabrechnung zu kürzeren Verweildauern und einer besseren Kostenabdeckung führt. Vereinzelt entfällt sogar die Notwendigkeit zusätzlicher Investitionen in CT- oder MRT-Kapazitäten. Anmeldung. Typische Schwachstellen im Anmeldeprozess sind unkanalisierter Eingang von Anmeldungen und fehlende Terminierung von Untersuchungen. Im Ergebnis führt dies zu unzureichender Koordination bei multiplen Untersuchungen sowie unnötigen Leerzeiten an den Geräten. Zudem ist der administrative Aufwand oft unangemessen hoch – vor allem dann, wenn kein leistungsstarkes RadiologieInformationssystem (RIS) verfügbar ist und Anmeldungsscheine noch immer per Hauspost oder Fax verschickt werden. Dabei liegen die Lösungen auf der Hand: Eine zentrale Anmeldung am Eingang zur Radiologie lässt sich mit wenig Aufwand etablieren. Überdies wird die Terminierung von Patienten durch die Einführung klinischer Behandlungspfade wesentlich vereinfacht. Falls zwei Arbeitsplätze vorhanden sind, empfiehlt sich eine Trennung von Routine- und Notfalluntersuchungen, wie sie sich bereits vielerorts bewährt hat. Bei nur einem verfügbaren Arbeitsplatz verhindern eingeplante Puffer, dass ein Notfall das ganze Routineprogramm durcheinander bringt. Und selbstverständlich ist ein funktionsfähiges RIS mit Online-Zugang die überlegene Alternative zu Anmeldezetteln und Faxen. Patiententransport und Abruf der Patienten. Leerzeiten an Geräten, weil gerade keine Patienten verfügbar, lassen sich in der Radiologie nur allzu häufig beobachten. Die Gründe sind unterschiedlich – oft handelt es sich um eine Kombination aus verspätetem Abruf der Patienten durch die radiologischen Assistenten, fehlender Vorausplanung auf den Stationen sowie Wartezeiten beim Patiententransport. Auch hier erweist sich die Einführung von Pfaden in der Regel als sehr hilfreich. Denn ausgehend von den Pfaddaten, kann die Radiologie eine robuste Untersuchungsplanung erstellen und mit den Verantwortlichen auf der Pflegestation bzw. in den jeweiligen Fachabteilungen abstimmen. Überdies haben einzelne Krankenhäuser mit der Zuordnung von Mitarbeitern des Patiententransports zur Radiologie – zumindest für die Kernzeiten – durchweg gute Erfahrungen gemacht. Durchführung der Untersuchungen. Die unzureichende Vorbereitung der Patienten für radiologische Untersuchungen stellt ein weiteres Dauerproblem dar. Betroffen davon sind vor allem die CT- und MRT-Arbeitsplätze. Dass hier bis zu 30% der Patienten nur unvollständig vorbereitet ankommen, ist keine Seltenheit; die Kritik entzündet sich in aller Regel an fehlenden Akten und Laborwerten. Bei Kontrastmitteluntersuchungen wiederum sind fehlende venöse Zugänge ein häufig diskutiertes Problem. Solche vermeintlich kleinen Themen sind nicht selten Ursache für erhebliche Verzögerungen und Auslastungsprobleme gerade bei Großgeräten. Abhilfe schaffen
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können hier klar definierte Vorbereitungsstandards, die verbindlich mit den Stationsleitungen und den verantwortlichen Radiologieassistenten abgesprochen werden. Ebenso dringlich ist es feste Standards zu etablieren für die Protokollierung von Untersuchungen und Ergebnissen. Solche Untersuchungsprotokolle sollten idealerweise ein Spiegelbild der radiologischen Leitlinien sein und die technischen Aspekte bei der Bilderstellung detailliert darstellen. In dieser Funktion sind sie besonders wichtig für CT- und MRT-Arbeitsplätze. Häufig wird allerdings noch nicht streng genug auf die Vollständigkeit und Einheitlichkeit der Protokolle geachtet, was nicht selten Verwirrung bei den Radiologieassistenten und teilweise deutlich abweichende Ergebnisse bei der Befundung zur Folge hat. Befundung. Vielfach bemängelt werden auf dieser Prozessstufe lange Laufzeiten sowie wortreiche, unpräzise Befunde. Bewährt haben sich hier, um Abhilfe zu schaffen, Maßnahmen wie die Einführung eines standardisierten Befundformats oder die Anwendung von Textbausteinen. Zudem kann eine einheitliche Unterschriftenregelung die Befundlaufzeiten deutlich reduzieren. Auf diese Weise lassen sich insbesondere Verzögerungen vermeiden, wie sie durch die Abwesenheit der verantwortlichen Ärzte – z. B. auf Grund von Nachtdiensten oder urlaubsbedingt – entstehen.
4.4.2 Flankierende Maßnahmen zur Prozessunterstützung Die Maßnahmen zur Prozessoptimierung sollten begleitet werden von Maßnahmen, die den Gesamtprozess der Leistungserbringung in der Radiologie weiter stabilisieren und unterstützen. Hauptstoßrichtungen sind infrastrukturelle Verbesserungen, Ausweitung des Leistungscontrollings sowie innovative Systemunterstützung. Damit lassen sich nicht nur operative Engpässe beseitigen, sondern auch wichtige Weichenstellungen vornehmen– und zwar mit Blick auf der Weiterentwicklung der Radiologie selbst wie auch auf ihre Rolle bei der künftigen Diskussion um Behandlungspfade. Verbesserungen in der Infrastruktur. Die Prozesse in der Radiologie werden oftmals durch die vorhandene Infrastruktur nicht optimal unterstützt, was teilweise an den räumlichen Gegebenheiten und teilweise auch an der historischen Entwicklung der Gerätelandschaft liegt. So finden sich MRT-Geräte – infolge ursprünglicher Bedenken hinsichtlich der von ihnen ausgehenden Strahlenbelastung – allzu oft separiert in Pavillons oder im Keller von Krankenhäusern, wo sie für Patienten wie auch Personal nur schwer zu erreichen sind. Auch im eigentlichen Kernbereich der Radiologie sind die Geräte vielerorts dezentral platziert; zudem fehlt nicht selten ein zentraler Befundungsplatz für die Ärzte. Die Folge sind aufwendige Prozessabläufe, verbunden mit geringerer Geräteauslastung und höherem Personalbedarf. Patienten bemängeln überdies die meist unzureichende Anzahl von Liegeplätzen in den Wartezimmern, was zur Folge hat, dass Patienten auf Fluren und Gängen außerhalb der Radiologie gelagert werden müssen. In solchen Fällen sollten kleinere Umbauten wie etwa die Einrichtung adäquater Stellplätze möglichst umgehend in Angriff genommen werden, schon allein um die Motivation und Geduld von Patienten und Mitarbeitern nicht über Gebühr zu strapazieren. Die Rekonfiguration des Geräteparks ist dagegen nicht selten erst im Rahmen größerer Neuanschaffungen sinnvoll realisierbar.
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Ausweitung des Leistungscontrollings. Minimalanforderung an das Controlling sollte sein, die Leistungskennzahlen der Radiologie sowie die Personal- und Sachkosten jeweils monatlich auszuweisen. Aus den Leistungszahlen lässt sich dann die monatliche Geräteauslastung insbesondere der Großgeräte ableiten. Leistungs- und Kostenkennzahlen sind darüber hinaus unerlässlich für die interne Leistungsverrechnung. Künftig sollten nach Möglichkeit zwei weitere Controllingprozesse für radiologische Leistungen etabliert werden:
• Controlling der Prozess- und Ergebnisqualität. Um die Entwicklung der Prozess-
und Ergebnisqualität verlässlich verfolgen zu können, sind insbesondere Parameter wie Wartezeiten, Befundlaufzeiten und Patientenzufriedenheit regelmäßig zu erheben.
• Controlling des Leistungsvolumens je DRG. Ziel ist hier, die Anzahl der vergüteten
Leistungen jeweils der Anzahl der real erbrachten Leistungen gegenüberzustellen. Damit die Ergebnisse möglichst aussagekräftig sind, sollte diese Gegenüberstellung am besten im Rahmen eines Vergleichs der DRG-Datenbasis mit den eigenen Leistungen erfolgen.
Die DRG-Kalkulationsdaten weisen über alle bundesweit erfassten Kliniken folgende Parameter aus: die Anzahl der radiologischen Leistungen, die Zuordnung der Leistungen zu den einzelnen DRGs sowie den jeweiligen Erlösanteil. Die Anzahl der Leistungen ist im DRG-Browser hinterlegt. Der Vergleich mit den entsprechenden Daten kann für das eigene Haus dann je DRG Hinweise auf eine mögliche Unteroder Überdeckung geben. Allerdings sind die gewonnenen Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen; keinesfalls sollten sie isoliert betrachtet werden. Mehr als einen zusätzlichen Hinweis liefern die Vergleiche mit den DRG-Daten nicht. Innovative Systemunterstützung. Die Chancen der Prozessoptimierung lassen sich nur dann vollständig nutzen, wenn parallel dazu die Voraussetzungen für eine moderne Systemunterstützung in der Radiologie geschaffen werden. Zweifellos verspricht die Digitalisierung der Radiologie die größten Produktivitätssteigerungen. Mit der Umstellung auf digitales Röntgen, ein elektronisches Bildarchivsystem (PACS) und einen RIS können die Abläufe in der Radiologie optimal elektronisch abgebildet und unterstützt werden. Alle Bilder sowie alle eventuellen Voraufnahmen sind bei einer solchen Hardware-Software-Konfiguration digital abrufbar – sei es auf der Station oder am Befundungsmonitor in der Radiologie – und für jeden Klinikarzt in Echtzeit auf Knopfdruck zugänglich. Welche Vorteile sich damit eröffnen, ist in der einschlägigen Literatur bereits ausführlich beschrieben worden.11 Eines kann dabei als sicher gelten: Anmeldungsscheine, Röntgentüten und Ähnliches werden schon bald Relikte der Vergangenheit sein. Durchgängige Digitalisierung erlaubt zudem den Aufbau teleradiologischer Verbindungen zwischen einzelnen Fachabteilungen, aber auch zwischen mehreren Krankenhäusern.12 Damit wird nicht nur eine qualitativ hochwertige, zeitnahe Zweitbefundung schwieriger Behandlungsfälle möglich, vielmehr fällt es kleineren Häusern auch sehr viel leichter, einen leistungsstarken Radiologiebetrieb betriebswirtschaftlich darzustellen. Zahlreiche Krankenhäuser haben solche Vernetzungskonzepte für radiologische Leistungen inzwischen erfolgreich umgesetzt.13
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Allerdings bedarf es dazu eines langen Atems. Die Investitionen in die Digitalisierung sind beträchtlich und binden auch erhebliche personelle Ressourcen. Weder stehen in Zeiten öffentlicher Mittelknappheit nennenswerte externe Finanzierungsquellen zur Verfügung noch lassen sich die Aufwendungen für moderne Radiologiegeräte und IT-Infrastruktur im Regelfall aus dem operativen Cashflow abdecken. Aus diesen Erwägungen heraus ist eine Suche nach pragmatischen Lösungen anzuraten. Zum einen kann die Umstellung schrittweise erfolgen, z. B. durch den Erwerb von Speicherfolien anstatt von Flächendetektoren. Zum anderen bieten sich an Stelle eines Kaufs alternative Finanzierungsmodelle an: Leasing, Pay-per-Use oder Kooperationen mit externen Partnern.
4.4.3 Effizienter und flexibler Personaleinsatz Prozessoptimierung und verbesserte Prozessunterstützung schaffen günstige Rahmenbedingungen für einen effizienteren Personaleinsatz mit kontinuierlichen Produktivitätssteigerungen. Um diese Chancen entschlossen zu nutzen, bieten sich die drei nachstehend beschriebenen Ansatzpunkte auf der Personalseite an. Idealerweise sollten sie parallel zu den anderen Optimierungsansätzen verfolgt werden: 1. Flexible Anpassung der Radiologie-Personalkapazitäten an die Leistungsnachfrage. Bei einem untertägigen Vergleich von Personalvorhaltung und tatsächlichem Arbeitsanfall zeigen sich vielerorts erstaunliche Diskrepanzen. Am Morgen sind radiologische Abteilungen tendenziell überbesetzt, da die Patienten – zumeist auf Grund von Transportengpässen – in der Regel erst nachrangig zu den primären Funktionsbereichen in der Radiologie geführt werden. Am späten Nachmittag ist oft das Gegenteil zu beobachten: Die verfügbaren Kapazitäten reichen nicht mehr aus und die Wartezeiten und -schlangen wachsen rapide an. Denn fast gleichzeitig müssen nun der Patientenhochlauf aus dem Routineprogramm und das Patientenaufkommen aus der Rettungsstelle, die sich ab Nachmittag immer stärker füllt, bewältigt werden. Die Antwort auf diese Auslastungsschwankungen kann im Grunde nur in einem flexibleren Kapazitätseinsatz und einer Verlängerung der Servicezeiten in den Abend hinein bestehen. Dazu ist die Personalbesetzung konsequent an das abteilungsspezifische Lastprofil anzupassen. Am Vormittag sollte der Arbeitsbeginn der Radiologieassistenten gestaffelt erfolgen, so dass am Nachmittag die maximale Personalbesetzung erreicht wird. Je nach Patientenaufkommen kann es zudem sinnvoll sein, eine komplette Routineschicht für den Nachmittag einzurichten, mit entsprechender Ausweitung der Servicezeiten. Derzeit arbeiten viele Kliniken bereits bis 20:00 Uhr. Um diese veränderten Arbeitszeiten auch für die Mitarbeiter attraktiv zu machen, empfiehlt sich der Übergang vom starren Vollzeiteinsatz zu Stundenkonten und Teilzeitmodellen. 2. Ausrichtung der Radiologie-Personalkosten an den DRG-Normkosten. Als Wirtschaftlichkeitsmaß sollte gelten, dass die Personalkosten sich an den DRG-Normkosten für radiologische Abteilungen orientieren müssen. Gemäß diesem Prinzip lässt sich aus den Soll-Kostenstrukturen eine Soll-Personalbesetzung für die Radiologie ableiten,14 Sie bildet zugleich den maximalen Personalbedarf für den Ärztlichen Dienst wie auch für die Radiologieassistenten ab.
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Im Zuge der weiteren Detaillierung werden die verfügbaren Mitarbeiter dann – über verbindliche Besetzungspläne – den verfügbaren Arbeitsplätzen zugeordnet. Grundlage der Besetzungspläne sind dabei z. B. interne oder externe Benchmarks sowie Vergleichszahlen, etwa des DKI. 3. Multifunktionelle Aus- und Weiterbildung der Radiologieassistenten. Leitziel für die Personalentwicklung sollte sein, Radiologieassistenten grundsätzlich an allen relevanten Untersuchungsgeräten einzuweisen bzw. auszubilden. Die gezielte Kombination von Schulungsmaßnahmen, Training on the Job und Jobrotation macht die Mitarbeiter multifunktionell einsetzbar. Dies verbessert nicht nur die Abteilungseffizienz, sondern erhöht auch die Zufriedenheit der einzelnen Mitarbeiter merklich.
4.4.4 Fazit: Eine leistungsstarke Radiologie ist wesentlich zur Differenzierung im Wettbewerb Bereits heute nutzen Krankenhäuser bildgebende Verfahren als wesentliches Differenzierungsmerkmal im regionalen Wettbewerb: Hohes Kompetenzniveau und Engagement in der Radiologie sind wichtige Argumente bei der Ansprache von Einweisern und Patienten. In der Regel verweist man gerne auf die daraus resultierenden Vorteile des Hauses gegenüber Mitbewerbern. Außerdem werden bildgebende Verfahren zunehmend in anderen Fachabteilungen genutzt für Anwendungen, die sich nicht immer eindeutig von der Radiologie abgrenzen lassen. Unterschwellig entsteht dabei eine Tendenz zur angebotsinduzierten Nutzung teurer radiologischer Apparaturen. Sie ist nicht immer sachlich gerechtfertigt, sondern speist sich mindestens ebenso sehr aus der bequemen Verfügbarkeit der Geräte und der Notwendigkeit, sie angemessen auszulasten. Die Strahlenemission der Geräte konnte mittlerweile zwar deutlich reduziert werden. Gleichwohl sollte die Indikation zur Untersuchung unverändert streng gestellt werden – zum Wohle des Patienten, aber auch mit Blick auf das ökonomische Interesse des Krankenhauses. Behandlungspfade können hierbei einen wesentlichen Beitrag leisten. Gelingt es überdies noch, eine stringente Ablauforganisation zu etablieren, dann wird die Radiologie zum unverzichtbaren Baustein bei der Ausrichtung des Krankenhauses auf Markt und Wettbewerb.
4.5 In der Notaufnahme: Am Startpunkt der Pfade werden die Akzente gesetzt – für die Behandlung wie auch für den Dialog mit Einweisern und Patienten Die Notaufnahme, vielfach auch Rettungsstelle genannt, ist gleichermaßen Außenportal und Aushängeschild eines Krankenhauses. Aufgrund dieser Brückenfunktion hat sie zentrale Bedeutung für die Kommunikation mit Einweisern und Patienten. Ein erheblicher Teil der Notfallpatienten, aber auch der elektiven Patienten gelangt über die Notaufnahme in die stationäre Versorgung. Einer gängigen Faustregel zufolge wird etwa ein Drittel aller Patienten, die zunächst in der Notaufnahme
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erscheinen, anschließend stationär aufgenommen.15 Ebenso repräsentieren Patienten aus der Notaufnahme rund ein Drittel des gesamten Patientenaufkommens eines Durchschnittskrankenhauses. Als wichtigste erste Anlaufstation für Patienten ist die Notaufnahme im Regelfall auch der Ausgangspunkt aller klinischen Behandlungspfade. Dort werden für Standardindikationen die Weichen gestellt, wird festgelegt, auf welchen Pfad der Patient zu setzen ist und wie die weiteren Behandlungsschritte und Abläufe aussehen. Für die Notaufnahme bietet die Einführung verbindlich definierter Pfade die Chance, weitaus stärker als bisher den Behandlungsverlauf über die weiteren Prozessstufen zu beeinflussen und meist sogar bis ins Detail vorherzubestimmen. Angesichts der bereichstypisch hohen Arbeitsbelastung war es früher meist nur möglich, die Erstversorgung der Patienten vorzunehmen und dann deren Verlegung auf die stationären Fachabteilungen des Hauses zu veranlassen. Im Rahmen der neuen Pfadverantwortlichkeiten erhalten die Ärzte der Notaufnahme jetzt – über die Erstversorgung hinaus – die Zuständigkeit für die Erstdiagnose sowie die Wahl des geeignetsten stationären Behandlungspfads. In diesem Sinne übernehmen sie die Vorplanung der weiteren Schritte und koordinieren das Zusammenwirken mit den betreffenden Fachabteilungen bzw. Funktionsbereichen. Damit kann, sofern die nötigen diagnostischen Einrichtungen in der Notaufnahme verfügbar sind, auch an Wochenenden ohne Verzögerung ein entsprechender evidenzbasierter Therapieplan umgesetzt werden. Aus der fortschreitenden Etablierung der Pfade dürfte mithin, zumindest über die Zeit, eine erhebliche funktionelle Aufwertung der Notaufnahme resultieren – gerade im Innenverhältnis zu den anderen Abteilungen und Funktionsbereichen. In welchem Maße die Institution Notaufnahme ihre neu gewonnenen Handlungsspielräume tatsächlich wird ausschöpfen können, muss sich allerdings erst noch erweisen. Traditionell gibt es von Krankenhaus zu Krankenhaus sehr verschiedene Typen von Notaufnahmen, mit teilweise stark divergierender fachlicher Ausrichtung sowie unterschiedlichem Integrationsgrad. Gleichwohl lässt sich – unabhängig von den jeweiligen Gegebenheiten vor Ort – eine Reihe bereichstypischer Probleme identifizieren, die im Zuge der Pfadeinführung mit Nachdruck angegangen werden sollten. Neben der Notwendigkeit, eine nachhaltige Finanzierung zu sichern, sind dies vor allem Probleme der Prozessorganisation, der Infrastrukturnutzung sowie der Behandlungs- und Servicequalität.
4.5.1 Sehr unterschiedliche Typen von Notaufnahmen – teils differenziert nach fachlicher Ausrichtung, teils nach dem Grad der Integration Notaufnahmen unterscheiden sich zum Teil sehr deutlich hinsichtlich der Breite und Tiefe ihres Leistungsangebots. Das Spektrum reicht hier von fachbezogenen, hochspezialisierten Notaufnahmen bis hin zu interdisziplinären Notaufnahmen, die ein sehr breit gefächertes Leistungsangebot vorhalten. Parallel dazu gibt es auch eine große Schwankungsbreite bei der Integration: Vorherrschendes Gestaltungsprinzip bei interdisziplinären Modellen ist die horizontale
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4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
Kombination verschiedener Fachdisziplinen in einer Organisationseinheit. Daneben gibt es Versuche, die Notaufnahme mit nachgelagerten Funktionsbereichen vertikal zu integrieren. Die stärkste Integration der Notaufnahme in die Leistungen des Gesamtkrankenhauses wird erreicht, wenn der Betrieb der Notaufnahme an eine Pflegestation mit Intensivbetten gekoppelt ist. Bislang hat sich jedoch noch kein dominantes Erfolgsmodell herausbilden können – infolge der zum Teil sehr spezifischen Anforderungen vor Ort, aber auch wegen der unterschiedlichen Trade-offs, wie sie mit jeder Modellwahl unweigerlich verbunden sind. Gegenwärtig sind daher vier Typen von Notaufnahmen zu unterscheiden: Fachspezifische Notaufnahmen. Solche Modelle erlauben es den verschiedenen Fachabteilungen, jeweils eine eigene Notfallversorgung zu organisieren – und zwar nahezu überlappungsfrei mit anderen Fachabteilungen. Üblich sind fachlich getrennte Notaufnahmen vor allem in den Fachdisziplinen Innere Medizin, Chirurgie und Neurologie/Neurochirurgie. Gelegentlich finden sie sich auch in Gynäkologie und Geburtshilfe sowie kleineren chirurgischen Fächern, allerdings meist mit der Koppelung an einen Routine-Ambulanzbetrieb. In manchen Häusern der Maximalversorgung sind die fachspezifischen Notaufnahmen räumlich weit voneinander getrennt. Teilweise sind die Entfernungen so groß, dass es eines externen Transportdienstes bedarf, um Patientenverlegungen vorzunehmen. Betrachtet man die jeweils erforderliche parallele Vorhaltung von Personal, Räumen und technischer Ausrüstung, so drängt sich die Suche nach Synergiepotenzialen geradezu auf. Bezeichnenderweise lassen sich deshalb auch unterschiedliche Hybridlösungen finden: Je nach Tageszeit oder Wochentag kommt es beispielsweise bei den verschiedenen Modellen mit Tag- und Nachtschichten und/ oder Werk-/Wochentagen abwechselnd zu einer vollständigen fachlichen Trennung und zu einer partiellen interdisziplinären Integration. In letzterem Fall stellt sich fast von selbst die Frage nach dem tatsächlich optimalen Integrationsgrad. Interdisziplinäre Notaufnahmen. Der wirtschaftliche Vorteil solcher Modelle liegt zuallererst in der statistischen Glättung der Einweisungsgründe und -häufigkeiten. Zudem reduziert sich der Flächenbedarf; ebenso die Notwendigkeit, Material und Technik vorzuhalten. Denn die Patienten können von Spezialisten unterschiedlicher Fachrichtungen visitiert werden, ohne dass ein Wechsel der Räumlichkeiten erforderlich wird. In welchem Umfang die relevanten Fachabteilungen in der Notaufnahme direkt zusammenarbeiten, kann stark variieren. Angestrebt wird eine Abdeckung von internistischen und chirurgischen Notfällen unter Wahrung des Facharztprinzips. Tendenziell gilt: Je höher der Integrationsgrad auf Grund konsolidierter Dienstpläne und einheitlicher Hierarchien, desto eher lassen sich – gemessen am Modell fachspezifischer Notaufnahmen – Effizienzgewinne erzielen. Die größte Hebelwirkung hat in der Regel die Anpassung der vorgehaltenen Personalkapazitäten an das Patientenaufkommen – jeweils in Abhängigkeit von Tageszeit und Wochentag. Schon für Häuser mittlerer Größe ist es möglich, eine sehr genaue Personalbedarfsplanung zu erstellen – gestützt auf eine Analyse der historischen Behandlungsdaten der Notaufnahme sowie auf evidenzbasierte Abschätzungen der Kapazitätsvorhaltung vergleichbarer Kliniken.
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Insgesamt erscheinen interdisziplinäre Modelle durchaus vielversprechend: Sucht man nach robusten Zukunftsmodellen, so lassen sie sich am ehesten unter den verschiedenen Versionen interdisziplinärer Notaufnahmen finden. Zentrale Aufnahme- und Diagnostikabteilung. Ein typisches Modell vertikaler Integration ist die Zusammenführung von Notaufnahme und Diagnostik – beispielsweise mit organisatorischer Zuordnung der Radiologie zur Notaufnahme. So reizvoll dieses Modell von der Konzeption her scheinen mag, in der Praxis sind doch häufig operative Probleme zu beobachten, die aus der Koppelung von Routinebetrieb und Notfallversorgung resultieren. Deshalb sollte vor einer Einführungsentscheidung jeweils sorgfältig geprüft werden, wie sich Belastungsspitzen im operativen Betrieb hinreichend abfedern lassen – auf Assistenten-/Pflegerebene etwa durch Springerlösungen oder zeitlich gestaffelten Arbeitsbeginn. Klinisch integrierte Notaufnahme (Präklinik). Charakteristisch für das Modell der Präklinik ist die organisatorische Verzahnung von Notaufnahme und Intensivstation, bei der sich fließende Übergänge zwischen den Funktionen Notaufnahme, Aufnahmestation und Intensivstation ergeben. Der Charme des Modells besteht darin, dass es eine nahezu ideale Nutzung der verfügbaren Personalressourcen ermöglicht. Denn wie kein anderes Modell trägt es dem Umstand Rechnung, dass die Anforderungsprofile für Intensivstation und Notaufnahme einander sehr ähneln – was gleichermaßen für den ärztlichen Dienst wie auch für den Pflegedienst gilt. In der Praxis allerdings resultieren aus der Verwischung der Funktionsabgrenzungen erhebliche Transparenzprobleme: Zum einen besteht die Gefahr, dass sich die Kostenentwicklung in der Notaufnahme nicht mehr genau nachhalten lässt. Zum anderen drohen Effizienzverluste auf der Intensivstation, wenn Bettenkontingente als Reservekapazitäten für Nachfragespitzen in der Notaufnahme vorgehalten werden.
4.5.2 Gleiche Herausforderungen für den operativen Betrieb von Notaufnahmen Wunschvorstellung vieler Notaufnahmen ist es, alle benötigten Diagnostikleistungen wie etwa Laboruntersuchungen und Bildgebung jederzeit auf 24/7-Basis, d. h. Tag und Nacht sowie am Wochenende, zur Verfügung zu haben. Und zwar nicht nur räumlich nah, sondern auch mit dem entsprechenden operativen Durchgriff! Die wirtschaftliche Realität lässt dies jedoch nicht zu. In aller Regel sehen sich Notaufnahmen außerstande, ausreichend Erlöse zu erwirtschaften, um die Kosten zu decken. Die Ursache dafür ist vor allem struktureller Natur, denn Notaufnahmen unterliegen der Mischfinanzierung: Ambulante Leistungen, die etwa zwei Drittel des gesamten Leistungsvolumens ausmachen, werden bisher nach Punktwerten abgerechnet, analog zur Vergütung im niedergelassenen Sektor. Lediglich stationäre Leistungen werden – entsprechend dem erbrachten Anteil – nach DRG vergütet. Im Ergebnis diskriminieren beide Vergütungsarten die Notaufnahme. Denn der erhöhte personelle und apparative Aufwand der Notaufnahme wird in aller Regel nur unzureichend berücksichtigt – bedingt durch eine Vergütungssystematik, die
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Notaufnahmeleistungen in einen direkten Vergleich setzt zu den wesentlich kostengünstigeren Praxisleistungen sowie zu den Sätzen für reguläre stationäre Behandlung. Unberücksichtigt bleibt insbesondere die Notwendigkeit, in der Notaufnahme auch in Zeiten schwacher Auslastung eine volle Personal- und Geräteausstattung vorzuhalten, um für Akutfälle gerüstet zu sein. Angesichts dieser Situation ist es notwendig, alle Möglichkeiten der Optimierung von Abläufen und Ressourceneinsatz zu nutzen, um Produktivitätsreserven zu erschließen. Dabei ist jeweils ein sorgfältiger Abgleich vorzunehmen zwischen den evidenten Wirtschaftlichkeitsanforderungen einerseits und den Anforderungen, die sich aus der Doppelfunktion der Notaufnahme als Außenportal und Aushängeschild ergeben, andererseits. Denn die Notaufnahme steht sowohl für Qualität und Servicebereitschaft gegenüber dem Patienten als auch für enge, beiderseits nutzenstiftende Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten der Region: Fühlt sich ein Patient in der Notaufnahme gut betreut, so wird er sich – bei einer eventuell erforderlichen weiteren stationären Behandlung – im Zweifelsfall gern für das ihm schon bekannte Krankenhaus entscheiden. Ähnliches gilt für den Umgang mit den niedergelassenen Kollegen vor Ort. Aus Sicht der Notaufnahme sind sie als Nachbetreuer wie als Einweiser gleichermaßen unentbehrlich. In aller Regel verweist die Notaufnahme die überwiegende Mehrheit der Patienten nach der Notversorgung wieder zurück an niedergelassene Ärzte. Geschieht dies mit einer sauberen Dokumentation sowie gegebenenfalls mit einem soliden Konzept zur Weiterbehandlung, so wird der Praxisinhaber von der Ergebnis- und Servicequalität beeindruckt sein. Und er wird auch nicht zögern, andere Patienten zur stationären Behandlung an das von ihm geschätzte Krankenhaus zu überweisen. 4.5.2.1 Prozessoptimierung mit Hilfe von Triage-Systemen Die Entwicklung des Patientenaufkommens in der Notaufnahme folgt – auf der Ebene des Einzelkrankenhauses – teils wochentäglichen, teils tageszeitlichen Mustern. Entgegen der landläufigen Meinung lässt sich die Anzahl der Aufnahmen in der Notaufnahme anhand der Analyse historischer Daten recht stabil prognostizieren. Auch wenn es allgemeingültige Faktoren wie etwa Arbeitswoche, Öffnungszeiten niedergelassener Ärzte etc. gibt, die diese Muster bestimmen, so gilt es doch, die örtlichen, hausspezifischen Verläufe der Inanspruchnahme genau herauszuarbeiten. Denn die Nutzung ambulanter Behandlungsmöglichkeiten kann sich von Krankenhaus zu Krankenhaus jeweils sehr unterschiedlich gestalten. Aus der systematischen Auswertung der Daten lässt sich ein Profil der tageszeitlichen und wochentäglichen Entwicklung des Patientenaufkommens ableiten. Mit dessen Hilfe kann dann in einem weiteren Schritt eine optimale, d. h. auf den tatsächlichen Bedarf zugeschnittene, Verteilung der vorzuhaltenden Personalressourcen erfolgen (Abb. 4.15). In Zeiten mit Spitzenaufkommen wird die Verweildauer der Patienten zum kritischen Einflussfaktor, der jeweils den Abstand zur absoluten Kapazitätsgrenze bestimmt. Optimierungsziel sollte daher eine dynamische Kapazitätsauslastung sein. Um hierfür die Voraussetzungen zu schaffen, muss zum einen eine zügige, dem medizinischen Bedarf adäquate Entscheidungsfindung sichergestellt werden. Zum anderen sind Prozessmängel abzustellen, die unnötige Wartezeiten verursachen.
4.5 In der Notaufnahme: Am Startpunkt der Pfade werden die Akzente gesetzt 95
Abb. 4.15. Die Anzahl von Patienten in der Notaufnahme ist stabil prognostizierbar und kann zur Ressourcenplanung genutzt werden
Erfahrungsgemäß lassen sich unzureichende Ressourcennutzung sowie Kapazitätsengpässe im Routinebetrieb häufig auf verzögerte Entscheidungsprozesse zurückführen. Hier können klare Triage-Richtlinien bzw. Scoring-Systeme helfen, da sie eine frühzeitige Selektion von Patienten entsprechend ihrer akuten Behandlungsbedürftigkeit ermöglichen. Allerdings kann es sich als erforderlich erweisen, Patienten auf andere Behandlungsmöglichkeiten umzuleiten. Mögliche Alternativen sind dann die Verweisung an den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst oder die direkte Einbestellung in eine der hauseigenen Fachambulanzen. Besonders bewährt haben sich Triage-Systeme, die Patienten nach wenigen, relevanten Kriterien auf unterschiedliche Dringlichkeitsstufen verteilen, z. B. „Notfall“, „sehr dringlich“ sowie „dringlich“ (Abb. 4.16). Damit wird zum einen die Behandlung von Patienten auf nachvollziehbare Weise priorisiert. Zum anderen lassen sich den einzelnen Triage-Richtlinien in gebündelter Form jeweils die wesentlichen Maßnahmen zuordnen, die einzuleiten sind. Für Notfälle sowie für alle als sehr dringlich eingestufte Fälle gibt es einen definierten „Fast Track“. Die klare, leicht fassbare Auflistung der wichtigsten Behandlungsschritte, unterstützt durch eine entsprechende bauliche Anordnung der Behandlungsräume (als Sequenz von Fast-Track-Behandlungsräumen), erlaubt es dem Pflegepersonal, noch vor dem ersten Arztkontakt die entscheidenden Untersuchungen zu initiieren.
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4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
Abb. 4.16. Beispiel für ein praktikables Triage-System mit einfachen Entscheidungskriterien
4.5.2.2 Prozessgerechter Einsatz von Ressourcen Parallel zur Optimierung der Prozessschritte in der Notaufnahme sollte auch der Ressourceneinsatz überprüft und, wo immer dies erforderlich ist, entsprechend angepasst werden. Die Maßnahmenableitung sollte sich an den folgenden vier Leitfragen orientieren: 1. Erlaubt die bauliche Anordnung tatsächlich eine optimale Prozessunterstützung? Behandlungs‑, Lager- und Aufenthaltsräume sind in der Notaufnahme häufig eher nach formalistischen Kriterien und weniger nach Prozess- und Nutzungsgesichtspunkten angeordnet. Vielerorts lassen sich daher Transport- und Wartezeiten für Patienten und Personal deutlich reduzieren, z. B. durch eine Optimierung der Schnittstellen innerhalb der Notaufnahme, aber auch gegenüber den Labor- und radiologischen Funktionsdiensten. Während die eigentliche Untersuchungszeit im Wesentlichen als fix zu betrachten ist, sind alle anderen Durchlaufzeiten kritisch zu überprüfen: Wie lange sollte der Patient im Höchstfall auf die Untersuchung warten müssen – und wie lange auf die Befundung? Abhängig von den baulichen Gegebenheiten sind dann entsprechende Umzugs- und/oder Umbaumaßnahmen zu definieren (Abb. 4.17).
4.5 In der Notaufnahme: Am Startpunkt der Pfade werden die Akzente gesetzt 97
Optimierung der baulichen Anordnung Status quo
Zielstruktur 1
Aufnahmestation
Gynäkologie
Praxis
1
Chirurgie
1
2 Radiologie
Pforte 1
1 Liegend-Aufnahme 3
Neurologie Orthopädie
1 Pforte LaUro- bor logie
Praxis Chirurgie
2 Pforte
Aufnahmestation
Gynäkologie
1 Liegend-Aufnahme 3
2 Chirurgische Ambulanz 3 Internistische Ambulanz
Radiologie
Neurologie Orthopädie
1 Pforte LaUro- bor logie
2 Zentrale Interdisziplinäre Notaufnahme
Abb. 4.17. Weg- und Zeitersparnis durch optimierte bauliche Anordnung (hier Bündelung der Interaktion mit Patienten in einer zentralen interdisziplinären Notaufnahme)
2. Wie lässt sich eine durchgängige, gesamtheitliche Behandlungsplanung bereits in der Notaufnahme realisieren? Wertvolle Zeit lässt sich durch die proaktive Vorausplanung der weiteren Behandlungsschritte nach der Notaufnahme gewinnen; dies gilt insbesondere für die Entscheidung über die stationäre Aufnahme. Verzögerungen entstehen hier vor allem durch vermeidbare Prozessmängel, weniger auf Grund medizinischer Erfordernisse und Entscheidungsgänge. Vordringlich ist in erster Linie ein funktionierender Informationsaustausch zwischen Pflegestationen und Notaufnahme. Vor allem die laufende Unterrichtung über freie und frei werdende Stationsbetten sollte zur Bringschuld der Stationen werden. Damit wird es für die Notaufnahme deutlich leichter, einen Patienten auf den für ihn richtigen Pfad zu „setzen“. 3. Welche Einsparungen sind realistischerweise erzielbar und wie lassen sich insbesondere frei werdende Personalkapazitäten nutzen? Erfahrungsgemäß lassen sich durch Prozessoptimierung und verbesserten Ressourceneinsatz im Durchschnitt etwa 20% der bestehenden Kosten in der Notaufnahme einsparen. Frei werdende Personalkapazitäten abzubauen sollte hingegen, falls nicht unbedingt erforderlich, kein vorrangiges Ziel mehr sein – schon mit Blick auf die bereits in den vergangenen Jahren forcierten Rationalisierungsanstrengungen. Vielmehr ist zu prüfen, ob freie Kapazitäten nicht zur Verbesserung der Betreuungsqualität oder – bei Fallzahlenausweitung – zur Abdeckung des wachsenden Patientenaufkommens genutzt werden sollten.
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4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
4. Wie lässt sich die Notaufnahme als Außenportal der Klinik auch strategisch sinnvoll nutzen? Prozessoptimierung bedeutet für Fachabteilungen bzw. Funktionsbereiche in der Regel zuallererst den Abbau von vorgehaltenen Betten- und Betreuungskapazitäten, da sich mögliche Fallzahlsteigerungen, wenn überhaupt, erst mit Verzögerung bemerkbar machen. Dies gilt allerdings nicht für die Notaufnahme: Kapazitätsplanungen sollten sich hier keineswegs ausschließlich am historischen Patientenaufkommen orientieren. Vielmehr sollten auch die strategischen Ziele des Krankenhauses, z. B. regionale Marktanteilsziele oder Bestrebungen zur Integration der präklinischen Notfallrettung, explizit mit in die Planungen eingehen. Gelingt es, das Patientenaufkommen in der Notaufnahme real zu vergrößern, so führt dies in der Konsequenz auch zu höheren Fallzahlen in der stationären Behandlung. Demzufolge lohnt es sich, gezielt auf die regionalen Einweiserstrukturen Einfluss zu nehmen. Zu beachten ist, dass eine vermehrte Einweisung von Patienten aus engeren Kontakten mit den niedergelassenen Ärzten vor Ort, aus intensiverer Zusammenarbeit mit den Notarztdiensten und nicht zuletzt aus einer verstärkten Verzahnung mit den Rettungsdiensten in der Region resultieren kann. 4.5.2.3 Verbesserung der Behandlungs- und Servicequalität Wie Patientenumfragen immer wieder zeigen, werden vor allem vermeidbare Wartezeiten als äußerst lästig und irritierend wahrgenommen. Um hier eine nachhaltige Imageverbesserung zu erreichen, reicht es nicht aus, lediglich die Wartezeiten auf ein Minimum zu reduzieren. Fast ebenso wichtig ist eine verbesserte Kommunikation und – damit verbunden – ein Vertrauensaufbau. Denn ausschlaggebend für die Wahrnehmung der Behandlungs- und Betreuungsqualität eines Krankenhauses ist, ob der Patient und seine Angehörigen sich einem unüberschaubaren Medizinbetrieb ausgeliefert oder sich über den jeweiligen Prozessablauf sowie die nächsten Schritte gut informiert fühlen. Mithin sollte die Ausrichtung der medizinischen Abläufe auf patientenzentrierte Prozesse, die ihren Startpunkt in der Notaufnahme haben, ergänzt werden um ein entsprechendes kommunikatives Konzept. Dazu gehören klare, möglichst standardisierte Informationen, z. B. in Form von Textbausteinen zu allen anstehenden Diagnose- und Therapieschritten, zu den relevanten Ansprechpersonen sowie zur Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen involvierten Abteilungen und Funktionsbereichen. Flankierende Maßnahmen sind dabei: gezielt demonstrierte Serviceorientierung sowie eine zweckdienliche, jedoch komfortable Neugestaltung der Wartebereiche für Patienten und Angehörige. Beide können nachhaltig zur Verbesserung des Imageprofils von Abteilung und Krankenhaus beitragen.
4.5.3 Fazit: Der klinische Behandlungspfad beginnt in der Notaufnahme Jeder Notaufnahmepatient benötigt eine individuelle, ganz auf ihn abgestimmte Behandlung. Zugleich zeigt die Erfahrung, dass in der Notaufnahme viele Patienten mit ähnlichen Krankheits- und Verletzungsbildern versorgt werden. Daher liegt
4.6 Im Labor: Der Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und schneller Verfügbarkeit!
99
es im Interesse der Notaufnahme sicherzustellen, dass diese Patienten – im Zuge der Einführung von medizinisch sinnvollen Triagesystemen – priorisiert nach der Dringlichkeit ihrer Erkrankung oder Verletzung behandelt werden können. Durch die Etablierung von Standardvorgehensweisen lassen sich Wartezeiten sowohl vor Beginn der Versorgung als auch während des Behandlungsprozesses verkürzen. Verbesserte Abstimmung mit den Fachabteilungen und Funktionsdiensten und eine bessere Kommunikation nach draußen schaffen die Grundlage für eine erhöhte Qualität der Prozesse und höhere Patientenzufriedenheit. In der Praxis gestaltet sich die Einführung von Standards und Behandlungspfaden jedoch nachgerade schwierig, besonders in der Notaufnahme. Hauptaufgabe des Managements muss es daher sein, alle Beteiligten davon zu überzeugen, dass hier tatsächlich Verbesserungsmöglichkeiten bestehen. Wesentliche Voraussetzung dafür ist eine hinreichende Datentransparenz. Ist erst einmal klar geworden, dass sich Patientenaufkommen stabil prognostizieren lassen, kann eine wesentliche Hürde für eine verbesserte Betten- und Personalplanung bereits als genommen betrachtet werden. Als ungleich langwieriger erweisen sich in aller Regel einschneidende organisatorische Eingriffe in historisch gewachsene Strukturen – was die fachlichen Zuordnung oder die Integrationstiefe der Notaufnahme innerhalb der Klinik anbelangt. Im Regelfall gehen sie einher mit baulichen Maßnahmen, um eine interdisziplinäre Notaufnahme über Fachbereichsgrenzen hinweg zu ermöglichen.
4.6 Im Labor: Der Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und schneller Verfügbarkeit! Die Laboratoriumsmedizin ist neben der Radiologie das wichtigste diagnostische Fachgebiet der Medizin. Laborbefunde werden fächerübergreifend für fast alle medizinischen Disziplinen und praktisch jeden Behandlungsfall erstellt. Sie unterstützen die Diagnostik ebenso wie die Verlaufs- und Therapiekontrolle oder die Prävention. Das Aufgabenspektrum der Laboratorien beschränkt sich keineswegs auf die eigentliche Analytik, vielmehr umfasst es auch Präanalytik, d. h. Probenvorbereitung und Transport ins Labor, sowie Postanalytik, d. h. die Rückübermittlung der Laborbefunde zum anfordernden Arzt, inklusive Datenfernübertragung und Beratung. Fast jedes Krankenhaus hat zurzeit noch ein eigenes Laboratorium – zu den wenigen Ausnahmen gehören Reha-Kliniken, kleine Krankenhäuser oder Krankenhäuser mit sehr niedrigem Laborbedarf, z. B. psychiatrische Kliniken. Das Spektrum der angebotenen Analyseleistungen bemisst sich im Prinzip nach der Größe des jeweiligen Krankenhauses. Allerdings gibt es einen Mindestumfang, der sich auf die folgenden Bereiche erstreckt:
• Klinische Chemie: Enzyme, Elektrolyte und Substratehämatologie: großes und kleines Blutbild
• Gerinnung: Basisverfahren wie PTT und Quick • Blutbank und Verwaltung des Blutbankdepots.
100
4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
In der Regel müssen die Analysen Tag und Nacht verfügbar sein; für die Bereitschafts dienstzeiten wird meist ein kleineres analytisches Programm vorgehalten. In größeren Krankenhäusern gibt es üblicherweise noch ein mehr oder weniger ausgeprägtes Programm von Spezialuntersuchungen, etwa in den Bereichen Mikrobiologie und Humangenetik. Wachsende Bedeutung hat die Labordiagnostik am Krankenbett. Klassisches Beispiel sind die Blutzuckermessgeräte für Diabetiker; dabei handelt es sich um kleine handliche Messinstrumente, mit denen man auf Station die Konzentration von Glukose im Blut bestimmen kann. Inzwischen werden immer mehr Geräte angeboten, die auch von nicht speziell geschulten Mitarbeitern bedienbar sind. Beispiele für solche „Point of Care“-Geräte sind: Blutgasgeräte, Teststreifenmethoden für die Bestimmung von Drogen oder Sepsismarkern, Troponin, CKMB, Bedside-Tests für die Blutgruppenserologie und vieles weitere mehr. Gegenwärtig ist dies das profitabelste und am schnellsten wachsende Segment des Diagnostikamarkts. Schon bald dürfte, so ist zu erwarten, ein immer größerer Teil der Laboratoriumsmedizin durch „Point of Care“-Methoden abgedeckt werden. Die meisten Krankenhauslaboratorien sind heute im Stande, die Umsetzung klinischer Behandlungspfade in hervorragender Weise zu unterstützen. Dank kurzer Wege können sie Proben schnell entgegennehmen, und eilige Befunde lassen sich notfalls auch „zu Fuß“ dem behandelnden Arzt überbringen. Behandelnde Ärzte und Pflegekräfte attestieren den Laboratorien gerne ein lobenswertes Serviceniveau. Den Kaufleuten stechen dagegen die vergleichsweise hohen Kosten ins Auge. „Manufakturartige“ Bearbeitung ungeplanter Proben und kleinste Serienlängen gelten als die größten Kostentreiber. Outsourcing der Laborleistungen erscheint aus kaufmännischer Sicht häufig als die attraktivste Lösung. Umgekehrt weisen die Mediziner darauf hin, dass sich klinische Behandlungspfade realistischerweise nur umsetzen lassen, wenn das hausinterne Labor beibehalten wird. Gleichzeitig wächst – nach einzelnen Behandlungsfällen betrachtet – die Nachfrage nach Menge und Vielfalt der Laborparameter fast exponentiell, ohne dass sich dies in messbar besseren Behandlungserfolgen niederschlägt. Damit stellt sich der Krankenhausleitung eine dreifache Aufgabe: (1) bei der Wirtschaftlichkeit mit zugekauften Laborleistungen Schritt zu halten; (2) beim Serviceniveau die hausinternen Standards zu verteidigen sowie (3) bei der Nachfrage Mengenentwicklung und Vielfalt in den Griff zu bekommen. Welche Lösungen hier möglich sind, wird nachfolgend beschrieben:
4.6.1 Ansatzpunkte für eine wirtschaftlichere Erbringung von Laborleistungen, insbesondere vor Ort Im niedergelassenen Bereich ist es Laborgemeinschaften und Einzellabors gelungen, durch Konzentration und Verlängerung der Serienlängen die Kosten der Leistungserbringung kontinuierlich zu senken. Den Krankenhauslaboratorien blieb dieser Weg bisher weitgehend versperrt. Kooperation mit Niedergelassenen stieß auf eine Reihe von rechtlichen und steuerlichen Hürden. Ebenso blieben Kooperationen von Krankenhauslaboratorien untereinander eher die Ausnahme, zum Teil auch auf Grund der heftigen Konkurrenz zwischen den einzelnen Krankenhäusern.
4.6 Im Labor: Der Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und schneller Verfügbarkeit!
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Als Folge weisen in Deutschland heute Krankenhauslaboratorien gegenüber den niedergelassenen wesentlich höhere interne Kosten der Leistungserbringung auf. Nach einer Studie der GEBERA liegen die Kosten für nicht zeitkritische Routineanalysen in Krankenhauslaboratorien etwa 4- bis 6-mal höher als in Laborgemeinschaften oder Laborarztpraxen. Häufig wird eingewendet, dieser Vergleich sei unfair aus vielerlei Gründen: Zum einen müssten die Krankenhauslaboratorien höhere Anforderungen an Geschwindigkeit und Qualität erfüllen. Zum andern würden sie – vor allem in Häusern mit öffentlich-rechtlicher Trägerschaft – den Restriktionen des öffentlichen Tarif- und Arbeitsrechts unterliegen, die für niedergelassene Labors eben nicht gelten. Und nicht zuletzt sei es der Diagnostikaindustrie gelungen, den Markt zu spalten und Krankenhäusern systematisch höhere Preise in Rechnung zu stellen. Diese Argumente stimmen nur bedingt. Denn die ungünstige Kostenstruktur in Krankenhauslaboratorien ist zuallererst ein hausgemachtes Problem. Wesentliche Kostentreiber sind: die patientenbezogene Abarbeitung der Proben, die Notwendigkeit, in einem relativ kleinen Zeitfenster etwa von 9:00 bis 12:00 Uhr die gesamte Tagesroutine erledigen zu müssen, sowie ein tendenziell aufgeblähtes Angebotssortiment, da aus medizinischen Gründen auch unwirtschaftliche Verfahren vorzuhalten sind. Daraus resultiert eine geringere Serienlänge und damit auch eine geringere Wirtschaftlichkeit, gemessen an den Verhältnissen im niedergelassenen Bereich. Auf Dauer ist diesen strukturellen Nachteilen nur durch die wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit anderen Laboreinrichtungen zu begegnen. Eine Möglichkeit stellen Kooperationen zwischen Krankenhauslaboratorien dar, gegebenenfalls mit Gründung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft. Allerdings sprechen die bisherigen Erfahrungen eher gegen dagegen.. Ausschlaggebend sind folgende Erwägungen:
• Wirtschaftlichkeit: Durch solche Kooperationen – zwischen zwei oder auch noch
mehr Krankenhauslaboratorien – lassen sich in der Regel eine höhere Auslastung von Laborautomaten im Routinebetrieb sowie eine kritische Mindestzahl von Untersuchungen bei speziellerer Diagnostik erreichen. Indes kommt es zu keinerlei Glättung der tageszeitabhängigen Schwankungen im Bedarf an Laboruntersuchungen. Damit bleibt die Hauptursache verminderter Wirtschaftlichkeit gegenüber niedergelassenen Laborpraxen weiter bestehen.
• Steuerrecht:
Die Kooperation von Krankenhauslabors ist steuerlich problematisch. Wenn ein Krankenhaus die Laborarbeiten eines anderen Hauses mit durchführt, darf es im Teilbetrieb „Labor“ nicht mehr als 20% des Umsatzes mit fremden Einrichtungen machen. Sonst ist der Tatbestand der Gewerblichkeit erfüllt und es gilt Umsatzsteuerpflicht. Bei Gründung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft fällt Umsatzsteuer für all die Krankenhäuser an, die kein Organschaftsverhältnis zur Laborgesellschaft haben.
• Vergaberecht: Ein Krankenhaus darf für fremdvergebene Leistungen kein Ange-
bot unter den Vollkosten der Leistungserbringung machen. Ebenso wenig darf es – in Erwartung künftiger Gewinne – irgendwelche kurzfristigen Verluste auf sich nehmen – etwa durch Personalübernahme, Investitionen in das Fremdlabor
102
4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
etc. Damit ist Krankenhäusern de facto eine normale unternehmerische Kalkulation, wie sie bei der Verschmelzung von Wirtschaftsbetrieben nun einmal notwendig ist, gesetzlich untersagt. Hinzu kommen die üblichen Hürden des öffentlichen Dienstes. Bei völliger Fremdvergabe von Laborleistungen an ein anderes Krankenhaus kann ein niedergelassener Mitbewerber geltend machen, dies sei ein ausschreibungspflichtiger Vorgang – mit allen rechtlichen und politischen Implikationen.
• Umsetzung in der Praxis: Gewerkschaften und Betriebsräte haben oft ablehnend
auf Kooperationen zwischen Krankenhauslabors reagiert und sie als „Ausverkauf “, „feindliche Übernahme“ und Vernichtung von Arbeitsplätzen charakterisiert. Zudem macht es die Konkurrenz unter Krankenhäusern mit unterschiedlicher Trägerschaft in der Praxis oft schwierig, eine Kooperation mit einem anderen Krankenhaus zu Stande zu bringen. Fälle, in denen sogar benachbarte Häuser jeweils teures radiologisches Equipment, Küchen, Apotheken und eben auch Laboratorien vorhalten, ohne dass die gemeinsame Nutzung dieser Ressourcen durchsetzbar wäre, sind eher die Regel als die Ausnahme. Solange es nicht auf breiter Front zu Krankenhausfusionen kommt, ist wohl kaum ein Umdenken zu erwarten. Und bis dahin werden noch einige Jahre vergehen.
Erfolgversprechender erscheint dagegen eine Kooperation mit oder ein Outsourcing an eine Laborgemeinschaft. Hierfür sprechen vor allem zwei Vorteile: 1. Beide Laborformen führen zumeist Untersuchungen durch, die den Geltungsbereichen des Kapitels OI des BMÄ oder MII der GoÄ zugehören. In Krankenhäusern kommt lediglich die Blutbank noch dazu. Das analytische Profil dieser beiden Laborformen ist somit in großen Teilen identisch. 2. Über den gesamten Arbeitstag betrachtet verhalten sich Anforderungsprofile von Krankenhauslabors und Laborpraxen komplementär, d. h., sie ergänzen sich im Prinzip (Abb. 4.18). Trotz dieser Vorteile gibt es bisher nur eher wenige Kooperationen von Krankenhäusern mit Laborgemeinschaft: Knackpunkt ist häufig die Vorbedingung von Krankenhausseite, dass die Laborgemeinschaft in Räume des Krankenhauses zieht. Je nach vereinbarter Abrechnung lohnt sich das aber nur, wenn die Klinik im Stande ist, mehrere Millionen Analysen an die Laborgemeinschaft zu vergeben. Über solche Volumina verfügen in der Regel nur sehr große Krankenhäuser und Universitätskliniken – und für sie gilt es ganz besonders Rücksicht zu nehmen auf ImageErfordernisse sowie etwaige Arbeitnehmervorbehalte in Sachen „Outsourcing“. Auch niedergelassene Labormediziner erwärmen sich nur schwer für die Kooperation mit einem Krankenhaus. Denn sie sehen sich gezwungen, ihr Anlagekapital in Klinikinfrastruktur und -betrieb zu integrieren und damit ein Stück weit aus der Hand zu geben. Für welche der nachstehenden Kooperationsoptionen mit einer Laborgemeinschaft sich ein Krankenhaus auch immer entscheidet: Wesentlich ist, dass die neuen Strukturen im Laborbereich ein Serviceniveau bieten, welches die reibungslose Versorgung der Patienten auf der Grundlage klinischer Behandlungspfade ermöglicht.
4.6 Im Labor: Der Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und schneller Verfügbarkeit!
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Komplettes Outsourcing. Hierbei geht der gesamte Laborbetrieb des Krankenhauses an eine Laborgemeinschaft über. Meistens betreibt diese das Labor weiter in den Räumen des Krankenhauses. Sie kauft dem Krankenhaus das Anlagevermögen ab (meistens zum Buchwert), rekrutiert die Mitarbeiter fürs Labor und stellt die erforderlichen Investitions- und Sachmittel für den Laborbetrieb zur Verfügung. Falls eine Personalgestellung gewünscht ist, muss geprüft werden, wie mit dem Anfall von Umsatzsteuer umgegangen werden soll. Das Krankenhaus selbst kann aus rechtlichen Gründen nicht Mitglied der Laborgemeinschaft werden. Am einfachsten lässt sich die Kooperation über den jeweiligen Laborarzt regeln. In diesem Fall gilt:
• Die Laborgemeinschaft zieht in die Räume des Krankenhauses und übernimmt alle sachlichen Einrichtungen, die für die Laborproduktion notwendig sind
• Der Laborarzt des Krankenhauses wird Mitglied der Laborgemeinschaft • Das Krankenhaus überweist dem Laborarzt sämtliche Laboruntersuchungen • Der Laborarzt lässt die Untersuchungen als Mitglied der Laborgemeinschaft in der Laborgemeinschaft abarbeiten
• Der Laborarzt berechnet dem Krankenhaus die Leistungen nach einem vereinbarten Tarif.
Auslastung Prozent
Summe Krankenhaus
80
Laborgemeinschaft
70 60 50 40 30 20 10 0
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19 Uhrzeit
Abb. 4.18. Zeitliches Tagesprofil der Auslastung eines Krankenhauslabors und einer Laborgemeinschaft. Modellrechnung zur Auslastung der Zentralrechner-CPU (Prozent)
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4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
In den meisten Fällen werden dem Kooperationspartner auch die wirtschaftliche und medizinische Verantwortung für die „Point of Care“-Untersuchungen übertragen. In der Praxis kann das zu erheblichen Anlaufproblemen führen: Zum einen ist das ursprüngliche Mengengerüst der „Point of Care“-Untersuchungen im Krankenhaus häufig kaum bekannt. Zum andern sind die EDV-technischen Voraussetzungen für eine professionelle „Point of Care“-Organisation nur schwer zu erfüllen. Management- und Betreibermodell. Der Laborarzt kauft dem Krankenhaus sämtliche sachlichen Laboreinrichtungen ab (in der Regel zum Buchwert). Er richtet das Labor vollständig ein und stellt die Verbrauchsmittel für die tägliche Produktion zur Verfügung. Weiterhin nimmt er die ärztliche Leitung die Produktion im Labor wahr. Das Personal verbleibt beim Krankenhaus. Der Laborbetreiber ist Fachvorgesetzter des Personals, Dienstvorgesetzter bleibt das Krankenhaus. Das Personal des Krankenhauses arbeitet an den Geräten des Laborbetreibers. Liefermodell. Das Krankenhaus macht sich hier lediglich den Vorteil zunutze, dass die Diagnostikindustrie niedergelassenen Laboreinrichtungen in der Regel bessere Preiskonditionen gewährt. Das Labor verbleibt unter der wirtschaftlichen und ärztlichen Kontrolle des Krankenhauses. Das Krankenhaus bezieht alle Verbrauchsmittel und gegebenenfalls auch Investitionsmittel fürs Labor vom Laborarzt. Meistens verpflichtet sich das Krankenhaus im Gegenzug, alle Laborleistungen, die nicht im eigenen Labor erbracht werden können, an den Laborarzt zu überweisen.
4.6.2 Absicherung eines akzeptablen Serviceniveaus, auch bei Fremdvergabe von Laborleistungen Gegen Outsourcing, insbesondere gegen die Verlagerung des Labors in Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses, wird häufig das Argument vorgebracht, die Anforderungen könnten dann nicht mehr flexibel und schnell genug bearbeitet werden. Es würden sich unakzeptable Verzögerungen in der Diagnose und Therapie von Patienten ergeben, insbesondere wenn sich der Zeitraum von der Entnahme der Probe bis zur Vorlage des Befunds nochmals um die Transportzeiten zwischen Krankenhaus und Labor verlängert. Analysiert man allerdings die „Cycle Times“ für jeden Prozessschritt im Detail, so erhält man ein sehr viel differenzierteres Bild: Erstaunlich ist zunächst einmal, wie viel Zeit häufig beim Transport der Routineproben von der Entnahme bis ins krankenhauseigene Labor verbraucht wird. Vielfach lässt sich hier bereits mehr Zeit einsparen, als überhaupt für den externen Transport zwischen Krankenhaus und externem Labor aufzuwenden ist. Zudem lässt sich – anders als im eigenen Haus – der maximale Zeitaufwand vom Eintreffen der Probe bis zur Übermittlung des Befundes mit externen Laboratorien vertraglich und verbindlich regeln. Erfahrungsgemäß wird im Normalfall eine „Cycle Time“ von zwei Stunden garantiert, für Notfälle entweder 30 oder 60 Minuten. Routinefahrten erfolgen meist viermal täglich, Notfälle als Einzeltransport unmittelbar. Überdies bieten die neuen „Point of Care“-Technologien die Möglichkeit, einige Parameter unmittelbar in der Notaufnahme durch das dort tätige Personal erledigen zu lassen, beispielsweise Gerinnungswerte oder Elektrozyten. Und auch die Kreuz-
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proben für Blutkonserven können extern erledigt werden, wenn das im Krankenhaus befindliche Blutbankdepot entsprechend im externen Laboratorium gespiegelt wird. Der physische Ort der Erbringung von Laborleistungen hat, wie insgesamt festzustellen ist, einen weitaus geringeren Einfluss auf die Servicequalität als die durchdachte Organisation des Laborprozesses von der Prä- bis zur Postanalytik. Die Einführung klinischer Behandlungspfade kann die Prozessorganisation zusätzlich vereinfachen: Schon bei der Aufnahme des Patienten wird erkennbar und damit planbar, wann welche Routineuntersuchungen anfallen und zu welchem Zeitpunkt die Befunde in den Händen des behandelnden Mediziners liegen müssen.
4.6.3 Management von Mengenausweitung und Nachfragedifferenzierung In den vergangenen Jahren hat die Labormedizin erhebliche Fortschritte erzielt. Den behandelnden Ärzten wird heute ein immer breiteres Angebot an abrufbaren Laborparametern offeriert. Demgemäß hat sich in allen Krankenhäusern auch die Nachfrage nach Laborleistungen massiv ausgeweitet. Sofern dadurch eine Verbesserung der Diagnose und Therapie möglich wurde, ist diese Entwicklung natürlich zu begrüßen. Kehrseite des Booms bei Laborleistungen ist allerdings, dass inzwischen auch vielfach Parameter abgefragt werden, die für eine bestimmte Diagnose oder Therapie-Verlaufskontrolle entweder überhaupt nicht oder zumindest nicht in dieser Häufigkeit erforderlich sind. Mehr Wirtschaftlichkeit resultiert indes keineswegs nur aus Skaleneffekten. Auch über Mengensteuerung lassen sich erhebliche Zugewinne an Effizienz erzielen. Vielversprechende Ansatzpunkte bieten hier die Einführung klinischer Behandlungspfade und eines transparenten Abrechungsmodells: 1. Klinische Behandlungspfade: Mit der Einführung klinischer Behandlungspfade wird für jede Indikation festgelegt, welche Laborleistungen routinemäßig zu erbringen sind. Der behandelnde Arzt behält selbstverständlich das Anrecht, ergänzende Laborleistungen eigens anzufordern. Gleichwohl resultiert daraus im Regelfall eine Mengenreduktion von etwa 10 bis 20%, denn der Attitüde, insbesondere jüngerer Assistenzärzte, sozusagen automatisch zur „Sicherheit“ alle irgendwie in Frage kommenden Laborleistungen anzufordern, wird wirksam begegnet. Fangen behandelnde Ärzte und Laborärzte an zu diskutieren, bei welcher Indikation eigentlich welcher Parameter relevant und hilfreich ist, so hat schon dieser Vorgang allein vielfältige positive Folgewirkungen: Man erhält ein weitaus besseres Verständnis der Aussagekraft von Laborbefunden und gelangt so auch zu einer inhaltlich besseren Diagnose und Therapie. 2. Transparentes Abrechnungsmodell: Ziel ist hier auszuschließen, dass Mengenausweitungen mit irgendwelchen finanziellen Anreizen verbunden sind. In die-
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4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe
sem Sinne wird die Vergütung von Einzelleistungen zu festen Tarifen durch die Bezahlung nach festem Budget ersetzt. Damit kann man zumindest teilweise das wirtschaftliche Risiko der Mengenausweitung an den Lieferanten weitergeben. Meist werden so genannte „Korridore“ für die Schwankungsbreite des Mengengerüsts vereinbart. Noch radikaler ist ein Modell, demzufolge für die Vergütung der Laborleistungen – im Falle eines gesetzlich krankenversicherten Patienten – ein fester Prozentsatz vereinbart wird, der sich an der in den InEK-Tabellen ausgewiesenen Refinanzierung für den Laborbereich orientiert. In diesem Modell entfällt von vorneherein jeder Anreiz für eine Mengenausweitung. Wie auch immer die Abrechnungsvereinbarungen im Detail aussehen mögen, unabdingbar ist ein gut funktionierendes Controlling: Zum einen muss es im Stande sein, die Vereinbarungen im Klinikalltag operativ umzusetzen und nachzuhalten. Zum andern sollte es den behandelnden Ärzten jederzeit ein klares Bild vermitteln von der Menge und den Kosten der bezogenen Laborleistungen.
4.6.4 Fazit: An der Neuausrichtung führt kein Weg vorbei Grundsätzlich gilt: Die klassischen Krankenhauslaboratorien müssen neu ausgerichtet werden – in ihren Prozessen wie auch in ihren Strukturen. Bereits heute leistet die Laboratoriumsmedizin einen enormen Beitrag zur schnellen Diagnose und zielführenden Therapie bei stationären Patienten. Künftig, so ist zu erwarten, wird ihre Bedeutung noch weiter zunehmen bedingt durch die großen Fortschritte in Neurobiologie, Biochemie, Informatik etc. Kehrseite sind ungünstige Kostenstrukturen in den meisten hauseigenen Laboren, bei ständiger Angebotsausweitung und boomender Leistungsnachfrage. Die Krankenhäuser müssen darauf reagieren mit Differenzierung und Standardisierung. Die hauseigene Leistungserbringung wird sich – von wenigen sehr großen Krankenhäusern abgesehen – wohl zunehmend auf Spezialdisziplinen mit entsprechender Wertschöpfung beschränken. Bei Standardleistungen bieten Konsolidierung und Zusammenarbeit mit anderen Anbietern enorme Wirtschaftlichkeitsvorteile: Größere Serienlängen lassen sich erreichen durch zentralisierte Leistungserbringung aus einem Labor heraus – das gilt für Krankenhäuser und ebenso für niedergelassene Praxen. Damit stellt sich automatisch die Frage nach geeigneten Kooperationsformen und -partnern. Im Prinzip ist hier eine Vielzahl von Optionen denkbar und auch realisierbar. Aus heutiger Sicht empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit Laborgemeinschaften.
Endnoten
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Endnoten 1
Roeder, 2003a. Hopp, Wallace J. (2000): Factory Physics: foundations of manufacturing management; 2nd ed./Wallace J. Hopp, Mark L. Spearman; McGraw-Hill: Higher Education, S. 287. 3 Siehe dazu auch Roeder, 2003b. 4 Vgl. dazu Buescher, 2004. 5 Vgl. Rotter et al. (2006). Basis der Untersuchung waren 2.386 einschlägige Studien aus aller Welt. 6 Weitere Beispiele finden sich auch bei Krusch 2006, Moscho 2004 sowie Oberender 2005. 7 Haupt et al. 2007. 8 Je nach Ausstattung und Eingriffsspektrum. 9 Leitlinien der Deutschen Röntgengesellschaft, Radiologische Thoraxdiagnostik. www.drg.de. 10 Stiell, I.G. et al.: Implementing of the Ottawa Ankle Rules, JAMA 1994, 271, S. 827–832. 11 Z. B. Gross-Fengels et al.: PACS: Vom Projekt zur Realität, Radiologie 42, S. 119–124, 2002. 12 Z. B. Bodemeyer, J. et al.: Teleradiologie – Segen oder Fluch, Vier Jahre Routine im teleradiologischen Datennetz Nordhessen, Radiologie 42, S. 71–81, 2002. 13 Das papierlose Krankenhaus: Vivantes und Agfa Healthcare schließen erste Phase in Deutschlands größtem Krankenhaus-IT-Projekt erfolgreich ab, 25.1.2007, http://www.radiologieforum.de/. 14 Vgl. dazu die Darstellung des methodischen Vorgehens in Kap. 3.1. 15 Naturgemäß gibt es regionale und krankenhausspezifische Unterschiede: In Berlin kommen fast 50% aller Patienten in sämtlichen Krankenhäusern aus der Notaufnahme, in anderen Bereichen mit einer guten ambulanten Notfallversorgung wie z. B. München sind es weitaus weniger. 2
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Qualität im Krankenhaus – Das Wohl des Patienten als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor
Salus aegroti suprema lex – das Wohl des Patienten ist oberstes Gesetz. Mit dieser Verhaltensmaxime aus der Antike verband sich für die Mitarbeiter im Krankenhaus traditionell vor allem eine ethische Verpflichtung. Mittlerweile zeigt sich immer deutlicher, dass qualitativ exzellente Patientenversorgung – unter Wettbewerbsbedingungen – auch einen wesentlichen wirtschaftlichen Erfolgsfaktor darstellt. Durch den neuen Fokus auf Qualität verändert sich zusehends die Fachdiskussion: Die Einhaltung von Leitlinien und, soweit vorhanden, evidenzbasierte Behandlungsstandards sind inzwischen beherrschende Themen. Dabei stehen hohen Reformerwartungen zum Teil recht divergierende Ergebnisse gegenüber. Nach wie vor groß sind die Hürden und Widerstände, auf die modernes Qualitätsmanagement im Klinikalltag trifft. Angesichts des sprunghaft steigenden externen Transparenzdrucks, aber auch der vielfältigen Beharrungstendenzen einer ständischen Expertenorganisation, sollte sich die Krankenhausleitung für eine gesamtheitliche, durchgängige Konzeption des Qualitätsmanagements entscheiden – mit klarer Vision, effektivem Controlling sowie aktiver Kommunikation von Qualitätsergebnissen. Mit einer solchen Positionierung gegenüber Markt und Wettbewerb ist das einzelne Krankenhaus auch am besten gerüstet für die heute schon absehbare weitere Verschärfung der Qualitätsanforderungen und Kontrollmechanismen.
5.1. Fokus auf Qualität in der stationären Versorgung durch zunehmende Transparenz Dass eine möglichst hohe Qualität der Leistungserbringung das zentrale Ziel medizinischer Versorgung ist, darüber besteht unter allen am deutschen Gesundheitswesen Beteiligten seit Langem Einvernehmen. Weniger klar war und ist, was unter Qualität im Einzelnen zu verstehen ist und vor allem wie sie sich objektiv messen lässt. Während es für den wirtschaftlichen Erfolg von Krankenhäusern inzwischen valide, relativ klar zu erhebende Finanzkennziffern gibt, ist Qualität ein ungleich schwerer zu fassendes Leistungskriterium.
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5 Qualität im Krankenhaus – Das Wohl des Patienten als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor
Tatsächlich besteht für eine große Anzahl von Erkrankungen heute Übereinstimmung, wie optimal zu behandeln ist. Weltweit haben sich die medizinischen Fachgesellschaften seit Langem bemüht, klinische Behandlungsstandards aus empirischen Erkenntnissen herzuleiten. Neu geschaffene Institutionen wie etwa das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)1 entwickeln Behandlungsroutinen kontinuierlich weiter. Damit setzen sie Normen, an denen sich die klinische Qualität jedes Krankenhauses messen muss. Zu erwarten ist, dass sich die Bemühungen um Qualitätsmessung und -steuerung künftig noch verstärken werden. Krankenhäuser, die sich hierauf nicht rechtzeitig einstellen, werden im Wettbewerb immer weiter zurückfallen.
5.1.1 Bestehende Systeme zur Qualitätsmessung Erfolgskritisch für eine breite Umsetzung von Qualitätsstandards sind etablierte, autoritative Systeme zur kontinuierlichen Messung der Qualität. Derzeit gibt es eine Reihe z. T. sehr unterschiedlicher Qualitätsinitiativen – getragen und propagiert von den verschiedenen Interessengruppen im deutschen Gesundheitswesen. Das Spektrum reicht hier von Internetdatenbanken über freiwillige institutionelle Qualitätssicherungsinitiativen wie z. B. KTQ bis hin zur Datenerhebung durch die Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS). Offiziellen und verpflichtenden Charakter hat nur das BQS-System: Seine Aufgabe ist es, sektorweit Transparenz der Prozessund Ergebnisqualität zu schaffen. Dazu wertet es im Rahmen von Qualitätsberichten die Pflichtdaten aller Krankenhäuser2 aus, die an die Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung berichten. Dagegen verfügen die in der Öffentlichkeit derzeit viel zitierten Internetdatenbanken zumeist über keine eigenständige Empiriebasis. Vielmehr zitieren sie in der Regel aus den Qualitätsberichten. Für sich allein betrachtet ist keine der gegenwärtig bestehenden Qualitätsinitiativen perfekt. In ihrer Gesamtheit weisen sie jedoch den richtigen Weg. Grundanforderung für die Qualitätssicherungsinstrumente der Zukunft sollte sein, dass sie auf eine möglichst breite Datenbasis zurückgreifen können. Die verpflichtende, gesetzlich geregelte Erhebung der Daten ist unumgänglich, um Transparenz und Vergleichbarkeit sicherzustellen. Zudem sollten möglichst viele Daten aus dem Routinebetrieb stammen, um den Dokumentationsaufwand zu minimieren und gleichzeitig vor Datenmanipulation zu schützen. Ebenso sollten sie breit gefächerte, zugleich detaillierte Aussagen zu Qualitätsaspekten ermöglichen und die aktuelle Versorgungsqualität zuverlässig abbilden. Institutionelle Qualitätssicherungsinitiativen für den Krankenhaussektor: Zu nennen sind hier unter anderem die weit verbreiteten Gütesiegel des Deutschen Instituts für Normung (DIN EN ISO), der Kooperation für Transparenz und Qualität im Krankenhaus (KTQ), der Zertifizierungsgesellschaft proCum Cert sowie der deutschen Krebsgesellschaft e.V. (OnkoZert). Die erteilten Gütesiegel bestätigen zumeist die Erfüllung von Mindeststandards beispielsweise in der Infrastruktur eines Krankenhauses. Prozessqualität wird meist weniger, Ergebnisqualität kaum erfasst. Zudem geben solche Krankenhauszertifikate nur sehr eingeschränkt Auskunft auf die typische Patientenfrage, ob Fachabteilung X aktuell über gute Expertise bei der Behandlung des spezifischen Krankheitsbilds Y verfüge.
5.1. Fokus auf Qualität in der stationären Versorgung durch zunehmende Transparenz
111
Qualitätssicherung der Stationären Versorgung mit Routinedaten (QSR): Der QSRAnsatz wurde gemeinschaftlich von der Klinikkette Helios, dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) und dem Forschungs- und Entwicklungsinstitut für das Sozial- und Gesundheitswesen Sachsen-Anhalt (FEISA) entwickelt. Ziel ist, die Ergebnisqualität mittels stationärer Routinedaten zu sichern. 2002 ins Leben gerufen, veröffentlichte das QSR-Projekt 2007 erstmals zum Abschluss der Entwicklungsphase einen Bericht auf Grundlage von GKV-Routinedaten. Die verwendeten Qualitätsindikatoren sind unter anderem Sterblichkeit im Krankenhaus (innerhalb von 30 Tagen, 90 Tagen, einem Jahr), Revisionsraten und erneute stationäre Aufnahmen. Durch den Austausch von Daten sowohl seitens der Versorger (Helios) als auch der Kostenträger (AOK) ermöglicht QSR eine intersektorale Qualitätsmessung. Im Gegensatz zu anderen Qualitätssystemen lassen sich hier Patientenverläufe auch über den stationären Aufenthalt hinaus beobachten und messen. System der Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung (BQS): Die BQS wurde 2001 von der Bundesärztekammer, der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. und den Spitzenverbänden der Krankenkassen ins Leben gerufen. Ziel des BQS-Qualitätssystems ist es, einen objektiven Vergleich von Krankenhausleistungen bundesweit zu ermöglichen – gestützt auf Qualitätsindikatoren, die anhand klar definierter Indikations-, Prozess- und Ergebniskriterien entwickelt wurden. War die Überlassung der Daten zunächst ausschließlich freiwillig, so wurde inzwischen die gesetzliche Basis für BQS (§§ 135, 135a und 137 SGB V) deutlich gestärkt. Seit 2005 ist jedes nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhaus verpflichtet, regelmäßig Qualitätsberichte zu erstellen. Für das Berichtsjahr 2006 mussten die beteiligten Krankenhäuser erstmals einen Teil ihrer BQS-Qualitätsdaten – auf Hausebene – auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Insgesamt umfasst der von der BQS im Jahr 2007 veröffentlichte Bericht zur Qualität deutscher Krankenhäuser 24 medizinische Leistungsbereiche mit 180 Qualitätsindikatoren. Die Indikatoren werden dabei in drei Kategorien gegliedert: Die auf Einzelhausebene für die Öffentlichkeit zugänglichen Qualitätsindikatoren werden von den Kontrollgremien der BQS als Kategorie-A-Indikatoren eingestuft, d. h. als wissenschaftlich validiert nach der Indikatorgüte. Indikatoren der Kategorie B gelten als „eingeschränkt zur Veröffentlichung geeignet“. Kategorie-C-Indikatoren sind entweder als nicht geeignet eingestuft oder bedürfen noch einer wissenschaftlichen Prüfung der Indikatorgüte. Im Prinzip stellt die BQS es den einzelnen Krankenhäusern frei, eigene, zur Veröffentlichung geeignete Daten zu den Indikatoren der Kategorien B und C zu publizieren. Manche Kliniken nutzen momentan diese Möglichkeit, um selektiv jene Indikatoren in ihren Qualitätsberichten auszuweisen, bei denen sie die BQS-Zielvorgaben erfüllen konnten. Ein nicht anonymisierter Vergleich der Krankenhäuser ist – aus Sicht der Öffentlichkeit – bisher nur für die Qualitätsindikatoren der Kategorie A möglich. Zu erwarten ist, dass im Lauf der Zeit weitere Indikatoren nach wissenschaftlicher Überprüfung der Indikatortauglichkeit in diese verpflichtende Kategorie überführt und damit offen zugänglich werden. Für die Geschäftsleitung von Krankenhäusern ist es unumgänglich, sich mit dem BQS-Prozess und seiner jeweiligen Relevanz gründlich vertraut zu machen:
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5 Qualität im Krankenhaus – Das Wohl des Patienten als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor
• Zum
einen kann jedermann die Pflichtdaten der Krankenhäuser, sofern sie den Kategorie-A-Indikatoren zugeordnet sind, bereits heute über die öffentlich zugänglichen „Krankenhausführer“ abrufen. Über kurz oder lang dürften diese Daten, auch wenn sie bislang noch wenig geläufig sind, eine zusehends wichtigere Rolle spielen im Dialog zwischen Patient und einweisendem Arzt. Damit werden sie auch immer bedeutsamer als Kriterien für die Krankenhauswahl.
• Zum andern könnten die Qualitätsdaten in Zukunft als Grundlage für versor-
gungspolitische Entscheidungen genutzt werden. Kommt es zum intendierten Qualitätswettbewerb, können die Daten beispielsweise für die selektive Kontrahierung zwischen Krankenhaus und Krankenkasse genutzt werden. Ebenso können sie Eingang finden in qualitätsabhängige Vergütungsmodelle (Stichwort „pay for performance“) und als Referenzquelle bei der Aushandlung entsprechender Verträge dienen.
Internetbasierte Qualitätsdatenbanken: In den vergangenen Jahren ist das Angebot internetbasierter Datenbanken, die Auskunft über die Qualität von Kranken häusern versprechen, rasant gestiegen. Die meisten dieser Internetportale, darunter Websites wie der Klinikführer Rhein-Ruhr, das AOK-Klinik-Konsil oder der TKKlinikführer, eröffnen Einweisern wie Patienten die Möglichkeit, die BQS-Pflichtdaten von Krankenhäusern einzusehen (Abb. 5.1). Die zunehmende externe Veröffentlichung solcher Qualitätsparameter schafft nicht nur die Möglichkeit eines objektiven Vergleichs spezifischer Qualitätsparameter. Ebenso bedeutsam ist die auf
Online-Klinikführer Weisse Liste
Klinik-Lotse TK-Klinikfführer AOK Klinik-Konsil Hamburger Krankenhaus-spiegel -F Klinik-Führer Rhein-Ruhr
Homepage
Betreiber
www.weisse-liste.de
• Bertelsmann Stiftung
www.klinik-lotse.de -
• VdAK, AEV
www.tk-online.de -
• Techniker Kranken--
www.aok-klinikkonsil.de
• AOK Bundesverband
www.hamburger-krankenhaus-spiegel.de
• 26 Hamburger Kliniken,
www.kliniken-rheinruhr.de
• Initiativkreis Ruhr--
und Patientenorganisation
kasse
Ärztekammer HH, Ver-braucherzentrale HH gebiet
Abb. 5.1. Wachsende Bedeutung von Internetdatenbanken für die Krankenhauswahl
5.1. Fokus auf Qualität in der stationären Versorgung durch zunehmende Transparenz
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Seiten von Einweisern und Patienten erzeugte subjektive Wahrnehmung der Qualität auf Krankenhausebene: Über ihren Einfluss auf die Krankenhauswahl wirkt sie sich auch spürbar auf die ökonomischen Geschicke der einzelnen Krankenhäuser und Kliniken aus. Auch wenn ihre Datenbasis im Wesentlichen die gleiche ist, so unterscheiden sich die Datenbanken doch teilweise erheblich bei der Aufbereitung und Darstellung der Daten: Der Hamburger Krankenhausspiegel etwa hinterlegt die Ergebnisse mit einer Ampellogik zur besseren Verständlichkeit der Daten. Auch inhaltlich gibt es Unterschiede: So hat es sich die Weisse Liste der Bertelsmann Stiftung zur Aufgabe gemacht, Patientenzufriedenheit standardisiert zu messen und über verschiedene Krankenhäuser hinweg vergleichbar zu machen. Viele dieser Quellen sehen die Möglichkeit eines direkten Vergleichs oder Rankings verschiedener Krankenhäuser vor. Teils ist die Aussagekraft hinsichtlich Aktualität, Vollständigkeit und Darstellung der verwendeten Daten noch erheblich verbesserbar. Teils beruht die Bewertung von Krankenhäusern auf so wenig Beobachtungspunkten, dass sich ein Rückschluss auf die Gesamtqualität des Hauses verbietet. Gleichwohl sollte die langfristige Bedeutung der Websites nicht unterschätzt werden. Patienten und ihre Angehörigen suchen zunehmend objektive Informationsquellen, um sich eine eigene Meinung über die am besten geeigneten Behandlungsmöglichkeiten zu bilden. Internetratgeber werden zwangsläufig zu diesen Informationsquellen gehören. Selbst dann, wenn ihre Empfehlungen auf fragwürdiger Empirie beruhen.
5.1.2 Absehbare weitere Entwicklungen Insgesamt ist davon auszugehen, dass alle genannten Systeme zur Qualitätsmessung und -steuerung in den nächsten Jahren weiter ausgebaut werden. Immer mehr Indikationen werden erfasst, innerhalb eines Erkrankungsbilds immer mehr Datenpunkte hinterlegt und die Auswertung wird zunehmend bundesweit erfolgen. Auf absehbare Zeit werden verschiedene Systeme nebeneinander existieren. Noch ist nicht klar, welches System – etwa das BQS-System oder eines der Zertifizierungssysteme für Krankenhäuser – andere dauerhaft obsolet machen könnte. Vielmehr spricht einiges dafür, dass die jüngsten politischen Initiativen eher zu einer weiteren Proliferation führen werden als zu einer Flurbereinigung unter den Qualitäts systemen. Als nächster Schritt ist überdies zu erwarten, dass die Politik den gewonnenen Erkenntnissen über die Qualitätsstandards auf Einzelhausebene noch höhere Relevanz einräumen wird: Erwogen wird, die Krankenhausplanung an Qualitätsindikatoren zu koppeln und insbesondere eine zentrale Qualitätssteuerungsinstanz zu etablieren. Derzeit läuft die Ausschreibungsphase für das so genannte „Qualitätsinstitut“, wie es in § 137a SGB V beschlossen wurde. Nach seiner Gründung wird es aller Voraussicht nach eine prominente Rolle spielen bei der künftigen gesundheitspolitischen Steuerung via Qualität3. Sehr viele Krankenhäuser müssen sich auf einen Schock gefasst machen: Die gemessene Qualität wird, so ist zu erwarten, enorm differieren. Auf Einzelhaus-
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5 Qualität im Krankenhaus – Das Wohl des Patienten als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor
ebene wird es Jahre dauern, Leistungsbereiche mit schlechten Werten auf ein höheres Qualitätsniveau zu bringen. Wird von Seite der Politik keine Konvergenzphase – ähnlich wie bei der Einführung der DRGs – gewährt, dürfte eine ganze Reihe von Krankenhäusern vor der vollständigen oder teilweisen Schließung stehen. Vergleicht man die bislang vorliegenden Qualitätsparameter, so erhärtet sich diese Prognose: Die erhobenen Qualitätsparameter weisen in ihrer Mehrzahl eine erstaunliche Streubreite der Ist-Werte auf. Daran ist wenig zu rütteln, selbst wenn man Krankenhäuser mit kleinen Fallzahlen (< 20 Fälle) von der Analyse ausnimmt. Welch massive Qualitätsunterschiede bundesweit bestehen, zeigen beispielhaft die Untersuchungsergebnisse für zwei Standardindikatoren: „Antibiotikaprophylaxe bei Hysterektomie“ (Gebärmutterentfernung) sowie „Angabe Sicherheitsabstand bei Mastektomie“, d. h. Dokumentation des Abstands eines Tumors vom gesunden Gewebe bei Brustkrebsoperationen (Abb. 5.2). Krankenhäusern mit nachweislich schlechter Qualität drohen nicht nur regulatorische Konsequenzen, vielmehr müssen sie auch mit sinkenden Fallzahlen rechnen. Zu erwarten ist, dass sich die Einweiser bei der Krankenhauswahl zunehmend an Qualitätsparametern orientieren. Ähnlich verhalten werden sich auch Patientenselbsthilfegruppen, wenn sie untereinander Informationen sammeln und austauschen. Und nicht zuletzt werden die Krankenkassen und -versicherungen
Anhand zweier Beispiele zeigt sich die große Varianz der Ergebnisse von Qualitätsparametern zwischen den einzelnen Krankenhäusern Qualitätsindikatoren in Prozent, Referenzwerte
Antibiotikaprophylaxe* bei Hysterektomie
Angabe Sicherheitsabstand bei Mastektomie**
100
100
≥95,0
≥90,0
75
50
25
0
75 25% der Häuser unterhalb des Referenzwertes
Max. 100% Min. 0% Median 96,4% Krankenhäuser mit > 20 Hysterektomien
50
25
0
57% der Häuser unterhalb des Referenzwertes
Max. 100% Min. 15% Median 91,9% Krankenhäuser mit > 20 Mastektomien
* BQS-Ergebnisparameter 2006/15n1-GYN-OP/47637 ** BQS-Ergebnisparameter 2006/18n1-MAMMA-PCI/68100 Quelle: Qualitätsberichte 2006
Abb. 5.2. Die Ergebnisse von Qualitätsindikatoren können von Krankenhaus zu Krankenhaus enorm variieren
5.1. Fokus auf Qualität in der stationären Versorgung durch zunehmende Transparenz
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entsprechende Empfehlungen abgeben. Schon heute stützen sich private Krankenhausketten bei ihrem Markt-/Wettbewerbsauftritt zunehmend auf vorteilhafte Bewertungen ihrer Behandlungsqualität. Ob auf Grund schlechter Qualitätswerte ein akuter Einbruch bei den Fallzahlen droht, hängt, aus der Patientenperspektive betrachtet, entscheidend von den Wahloptionen ab – vor Ort oder in der Region. Nicht selten lassen sich nur wenige Kilometer bzw. Fahrminuten voneinander entfernt auffällige Qualitätsunterschiede zwischen den verschiedenen Krankenhäusern beobachten. Beispielhaft lässt sich dies für Krankenhäuser aus dem Ballungsraum Stuttgart mit einem Radius von 20 km zum Stadtzentrum dokumentieren (Abb. 5.3). Bei der Implantierung von Hüft-Totalendoprothesen (künstlichen Hüftgelenken), einer im Regelfall vorab planbaren Routineoperation, kommt es gelegentlich zu Komplikationen. Im Extremfall machen sie eine erneute Operation (Reintervention) erforderlich – was für den Patienten eine erhebliche Belastung und ein zusätzliches Risiko bedeutet. Wie das Beispiel verdeutlicht, variiert die Häufigkeit solcher Reinterventionen beträchtlich, selbst bei Häusern/Kliniken, die in unmittelbarem Wettbewerb um die Gunst von Einweisern und Patienten stehen. Je besser die Versorgungsstruktur und je mehr Wettbewerber im nahen Umfeld, umso eher dürften „Verwerfungen“ in der Qualitätslandschaft die Richtung künftiger Patientenströme beeinflussen.
Der Qualitätsvergleich auf Krankenhausebene fördert deutliche Unterschiede innerhalb einer Region zu Tage Qualitätskennzahl Reintervention wegen Komplikation* im Leistungsbereich Hüft-Endoprothesen-Erstimplantation Krankenhaus Krankenhäuser
r = 20 km
Stuttgart
Reinterventionsrate in Prozent
1 2 10,0 3 9,0 4 8,3 5 6,9 6 5,8 7 4,6 8 3,6 9 3,5 10 3,0 11 2,0 12 2,0 13 1,6 14 1,4 15 0,9 16 0 17 0 Min.
Referenzwert 9%
16,7
Max.
* BQS-Ergebnisparameter: Kode 45059/17n2-Hüft-TEP Quelle: Qualitätsberichte 2006
Abb. 5.3. Regionalvergleiche dokumentieren erhebliche Qualitätsverwerfungen vor Ort
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5 Qualität im Krankenhaus – Das Wohl des Patienten als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor
Im ungünstigsten Fall können schlechte Qualitätsergebnisse einen Teufelskreis in Gang setzen: Verminderte Fallzahlen führen zur Unterschreitung kritischer Mindestmengen – was wiederum einen weiteren Qualitätsverfall auslösen kann. Als Konsequenz können sehr rasch ganze Leistungsbereiche eines Krankenhauses förmlich „austrocknen“. Vor allem dann, wenn ortsnah ein Konkurrent mit besseren Qualitätswerten die gleichen Leistungsumfänge anbietet. Gegen solche Abwanderungsrisiken sind selbst große Krankenhäuser nicht gefeit. Erreicht die Fachabteilung eines Maximalversorgers auf Grund von Leistungsschwäche und unzureichender Fallzahlen kein auskömmliches Qualitätsniveau, kann ihr ein kleinerer, stärker spezialisierter Anbieter sehr wohl die Patienten abspenstig machen – regional, manchmal sogar auch überregional. Zu fragen bleibt natürlich, wie sich die unerwartet große Spreizung der Qualitätswerte bei Standardindikationen erklären lässt. Warum ist den Bemühungen um Qualität bisher nicht mehr Erfolg beschieden?
5.2 Im Krankenhausalltag stößt Qualitätsmanagement auf Hindernisse Über Qualität – als Leitprinzip und auch als Forschungsobjekt – wird heute in den Krankenhäusern viel berichtet und ausgiebig diskutiert. Gleichwohl spielt Qualität als Managementaufgabe im Krankenhausalltag nach wie vor eine eher untergeordnete Rolle. Zwar gibt es inzwischen Komponenten eines Qualitätsmanagements, z. B. Beschwerdemanagement, Patientenbefragung sowie Systeme zur Erfassung von Fehlern und Beinahefehlern (Critical Incident Reporting Systems – CIRS). Ihre Vernetzung und Integration ins Controlling ist allerdings meist nicht sehr weit gediehen. Ein gesamtheitliches Qualitätsmanagementsystem, noch dazu organisatorisch effektiv auf Vorstandsniveau angesiedelt, findet sich in der deutschen Krankenhauslandschaft nur höchst selten. Verantwortlich dafür, dass das Qualitätsmanagement immer noch vergleichsweise in den Kinderschuhen steckt, ist eine Reihe von Gründen, die im Folgenden näher beschrieben werden. Unklares Verständnis von Qualitätsbegriff und -konzepten: Der Begriff „Qualität“ kann je nach Blickwinkel der Beteiligten sehr unterschiedliche Bedeutungen haben: Für die einen ist Qualität bereits sichergestellt, wenn das Krankenhaus über Zertifizierung eine entsprechende Qualitätsorientierung nachweisen kann. Für die anderen steht Qualität für eine gesamtheitliche, mehrdimensionale Qualitätskultur: Sie umfasst zum einen subjektive Erfahrungen von Patienten und Angehörigen sowie Erhebungen der Mitarbeiterzufriedenheit, zum andern die fachlichen Einschätzungen von Einweisern und Nachbehandelnden. Hinzu kommen die „harten“ Messdaten der klinischen Ergebnisqualität. Ebenso vielschichtig und facettenreich gestalten sich auch die Konzepte zum Qualitätscontrolling auf Fachabteilungsebene. Dies wird exemplarisch deutlich, wenn man sich einmal die Bemühungen um Patientensicherheit anschaut: Das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) führte dazu im Jahr 2007 eine Befragung
5.2 Im Krankenhausalltag stößt Qualitätsmanagement auf Hindernisse
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von 40 Krankenhäusern durch4. Erhoben wurden sowohl typische Controllingaktivitäten/Handlungsfelder, als auch gängige Interventionsmaßnahmen. In absteigender Häufigkeit wurden Aktivitäten auf folgenden Feldern genannt: nosokomiale Infektionen bzw. Hygiene, Arzneimittelsicherheit, Sturzprophylaxe, Dekubitusprophylaxe, Patientenidentifikation (beispielsweise um Fehleingriffe zu vermeiden), Eingriffsverwechslung, Transfusionssicherheit, Arzthaftpflicht, Qualität der medizinischen Dokumentation, Gerätesicherheit, Strahlenschutz, Notfallmanagement. Als Ansatzpunkte/Maßnahmen wurden angeführt, ebenfalls nach absteigender Häufigkeit: Handlungsempfehlungen bzw. Dienstanweisungen, Statistik, CIRS (Critical Incident Reporting System), Mortalitäts- und Morbiditätskonferenzen, Schulung, Patientenarmband, Fallbesprechungen, Risikomanagementsystem, Qualitätszirkel, Arbeitskreis, OP-Markierung, Qualitätsbeauftragter, Ausstattung, Verschreibungssoftware, Zertifizierung, Aktionstag, Patienteninformation/-beratung, Veröffentlichungen. Wie allein schon diese Auflistungen zur Patientensicherheit verdeutlichen, ist die Vielfalt der Versuche, in den Krankenhäusern Qualität sicherzustellen, derzeit kaum noch überschaubar. Patentlösungen zur Qualitätssicherung gibt es bekanntlich nicht. Zudem gestalten sich die Rahmenbedingungen von Haus zu Haus und Abteilung zu Abteilung höchst unterschiedlich. Dies gilt für Fallspektrum, Infrastruktur, Personal- und Sachressourcen ebenso wie für das Stärken-SchwächenProfil des jeweiligen Qualitätsmanagements. Klar ist, dass es nicht darum gehen kann, immer neue Maßnahmen zur Qualitätsmessung und -sicherung zu etablieren. Nicht die Anzahl der Qualitätsinitiativen ist entscheidend, sondern ihre Einbettung in eine durchgängige Gesamtkonzeption – mit sinnvollen Messparametern und wirkungsvollen Steuerungsmechanismen. Interaktionsdefizite in der Expertenorganisation „Krankenhaus“: In Krankenhäusern mit ihrer ausgeprägten berufsständischen Gliederung – unter anderem in Ärzteschaft, Pflegedienst und Administration – sind die Möglichkeiten der Geschäftsleitung zur durchgängigen Planung, Steuerung und Kontrolle der Behandlungsabläufe stark eingeschränkt. Qualitätssicherung gilt als Zuständigkeitsbereich von Ärzteschaft und Pflegedienst. Und direkter Durchgriff oder gar direktive Führung scheitern in aller Regel schon am Rechtsanspruch auf Behandlungsfreiheit. Insbesondere die Ärzteschaft hat es bislang erfolgreich verstanden, die Wissensund Informationshoheit in Fragen der klinischen Behandlungsqualität für sich zu reklamieren. In der Praxis bedeutet dies, dass die verantwortlichen Ärzte oft genug weder willens noch im Stande sind, sich bezüglich ihres medizinischen Handelns einer ernsthaften Ergebnisdiskussion zu stellen. Vor allem dann nicht, wenn die Diskussion außerhalb der eigenen Fachsphäre stattfindet und unter den potenziellen Kritikern auch Nicht-Mediziner sind. Damit bleibt das Thema Qualität für die Geschäftsleitung meist intransparent und wenig greifbar. Als Stellhebel, um die Markt- und Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Hauses zu verbessern, wird es denn auch kaum strategisch genutzt. Fehlende Transparenzkultur: Auch im dritten Jahr der BQS-Berichterstattung sind deutsche Krankenhäuser/Kliniken vielfach noch sehr zögerlich mit der Veröffentlichung von Qualitätsdaten. Publiziert werden in aller Regel nur die Pflichtdaten.
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5 Qualität im Krankenhaus – Das Wohl des Patienten als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor
Andere Indikatoren werden selbst dann nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn die BQS sie zur freiwilligen Veröffentlichung empfiehlt. Den kompletten Datensatz zur Pneumonie – vier Kennzahlen der Kategorie B – beispielsweise veröffentlicht nicht einmal jedes hundertste deutsche Krankenhaus. Gleichwohl ist fast jedes zweite Haus bereit, einzelne Indikatoren zur Pneumonie plakativ herauszustellen, wenn sie im Referenzbereich liegen und ein gutes Image versprechen. Tendenziell noch geringer ist die Bereitschaft, intern erhobene Qualitätsdaten, etwa zur Patientenzufriedenheit, weiterzugeben. Kaum ein Krankenhaus in Deutschland stellt derzeit entsprechende Daten öffentlich zur Verfügung. Auch wenn Gesetzgeber, Medien und Patientengruppen zunehmend auf Datentransparenz dringen, bleibt es um die interne Transparenz der Krankenhäuser weiterhin eher schlecht bestellt. Die Gründe hierfür sind sehr unterschiedlich. Zunächst sind es sicherlich Verhaltenstraditionen, wie das Selbstverständnis der Heilberufe oder auch professioneller Esprit de Corps, die Krankenhäuser zögern lassen, klinische Qualitätsdaten umfassend oder sogar zu Wettbewerbszwecken zu veröffentlichen. Selbst die grundlegende Frage, inwiefern sich medizinische Leistungen überhaupt anhand von vordefinierten Zielwerten messen und beurteilen lassen, ist mancherorts noch Gegenstand von Diskussionen. Hinzu kommen auch gewichtige Sachgründe: Vielfach werden standardisierte Verfahren und Indikatorsysteme als zu rigide erachtet, um den individuellen und komplexen Verlauf von Therapien sinnvoll zu erfassen. Häufige Einwände sind auch unverhältnismäßiger Dokumentationsaufwand, Anfälligkeit der Daten für Manipulation und nicht zuletzt die Gefahr, falsche Anreize zu setzen. Beispielsweise können strikte Zielwerte für Mortalität bei bestimmten chirurgischen Eingriffen dazu führen, dass Ärzte vor der Behandlung von Hochrisikopatienten zurückschrecken. Zudem liegen wichtige Ergebnisparameter zeitlich außerhalb des Klinikaufenthalts und lassen sich in der derzeitigen, zumeist sektorspezifisch ausgelegten Qualitätskontrolle nicht erfassen. Auf längere Sicht dürfte es jedoch keine Alternative zu einer neuen, umfassenden Transparenzkultur geben. Zum einen wird sich der externe Transparenzdruck – d. h. von Politik, Medien und Öffentlichkeit – aller Voraussicht nach weiter erhöhen. Zum andern erscheint es nicht länger hinnehmbar, dass auf Grund interner Datenintransparenz der Geschäftsführung, aber auch den ergebnisverantwortlichen Chefärzten bzw. Leitern von Fachabteilungen wichtige Informationen und Steuerungsoptionen vorenthalten bleiben. Denn mit Sicherheit wird sich auch der Wettbewerb um mehr Qualität und damit mehr Patienten und höhere Fallzahlen weiter verschärfen.
5.3 Erforderlich ist eine gesamtheitliche Konzeption des Qualitätsmanagements Mehr Qualität einerseits, mehr Wirtschaftlichkeit andererseits – in der öffentlichen Diskussion oft gegeneinander ausgespielt – sind keine Gegensätze. Denn grundsätzlich gilt: Die qualitativ beste Behandlung ist in aller Regel auch die für
5.3 Erforderlich ist eine gesamtheitliche Konzeption des Qualitätsmanagements
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das Krankenhaus wirtschaftlichste Option. Besonders im DRG-System mit seiner fallbezogenen pauschalen Vergütung ist ein fehlerfreies und schnelles Erreichen des Behandlungsziels erstrebenswert. Jede Verzögerung, jede Verschlechterung des Gesundheitszustands des Patienten bedeutet zumeist mehr Kosten für das Haus, ohne dass sich die Einnahmen entsprechend steigern lassen. Das lässt sich untermauern mit dem Faktum, dass qualitativ schlechtere Krankenhäuser nicht etwa höhere Gewinne verbuchen, sondern im Gegenteil statistisch häufiger von Insolvenz bedroht sind.5 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie ein zukunftsweisendes Qualitätsmanagement, das dem ethisch-medizinischen Anspruch und der wirtschaftlichen Zielsetzung gleichermaßen gerecht wird, aussehen sollte. Aus heutiger Sicht muss es vor allem drei Elemente umfassen: 1. Eine klare Vision für das einzelne Krankenhaus, das den verschiedenen Aspekten und Dimensionen des Qualitätsthemas glaubwürdig Rechnung trägt 2. Ein leistungsstarkes Controlling, das Qualität valide messbar macht und rasche, wirkungsvolle Maßnahmen zur Qualitätssicherung ermöglicht 3. Eine aktive Kommunikation von Qualitätsinformationen, um im Wettbewerb um die Gunst von Patienten, Angehörigen und Einweisern nicht zurückzufallen.
5.3.1 „Total quality hospital“ – Eine Vision, die fünf Handlungsfelder umfasst Jedes Krankenhaus muss für sich eine maßgeschneiderte Konzeption des Qualitätsmanagements entwickeln. Ausgangspunkt dafür sollte eine attraktive, allseits erstrebenswerte Zielvision für das eigene Haus sein. Aus heutiger Sicht sollte sie folgende fünf Dimensionen von Qualität als Handlungsfelder umfassen: 1. Klinische Qualität 2. Patientensicherheit 3. Patientenzufriedenheit 4. Externe Qualitätswahrnehmung und Reputation 5. Krankenhausinterne Qualitätskultur Wie für andere Industrien gilt auch für den Krankenhaussektor, dass innerhalb dieser Handlungsfelder Qualitätssicherung nochmals nach den Kategorien Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität unterteilt werden kann. 5.3.1.1 Klinische Qualität Unter klinischer Qualität wird vor allem die Qualität der behandlungsspezifischen ärztlichen und pflegerischen medizinischen Leistung sowie der medizinischen Infrastruktur verstanden. Die klinische Qualität ist Kern aller Bemühungen um Qua-
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5 Qualität im Krankenhaus – Das Wohl des Patienten als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor
lität im Krankenhaus – mithin auch Fokus der Qualitätsberichte, z. B. im BQS-Verfahren. Wichtige Treiber der klinischen Qualität sind strukturell betrachtet die materielle Ausstattung des Krankenhauses sowie die Fähigkeiten des Personals. Prozessual betrachtet sind es Handlungsabläufe sowie die Stellhebel zu ihrer Standardisierung. Mit einem modernen Ultraschallgerät kann beispielsweise die Diagnosegenauigkeit im Vergleich zu einem veralteten Gerät verbessert werden. Ebenso wichtig ist die Aus- und Weiterbildung des medizinischen Personals, das an dem Gerät arbeitet. Während im niedergelassenen Bereich hier teilweise schon strenge Zertifizierungsvorschriften bestehen, haben Krankenhausärzte in vielen Bereichen mehr Freiräume, was die Durchführung von diagnostischen und therapeutischen Prozeduren anbelangt. Umso wichtiger ist, dass das Krankenhaus selbst eine strukturierte Ausund Weiterbildung der Mitarbeiter betreibt. Interne Fortbildungsangebote, Tumor-, Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen etc. sind weitere gängige Mittel, um die Strukturqualität zu verbessern. Aus Prozesssicht hat sich die Einführung von Behandlungsstandards bewährt. So kann die Qualitätskennzahl „Thromboseprophylaxe bei Hysterektomie“ (Schutz vor Thrombose bei Gebärmutterentfernung) mit einem klinischen Behandlungspfad hinterlegt werden, der den Thromboseschutz explizit als Standardmaßnahme verankert6. Ebenso kann regelmäßiges „postoperatives Präparatröntgen“ (Röntgen des Operationsfelds nach einer Brustoperation) durch Erstellung von OP-Standardkarten gewährleistet werden. Viele der BQS-Parameter, die gehäuft problematische Ergebnisse aufweisen, sind keineswegs an ärztliches Können geknüpft. Vielmehr kann man bei ihnen durch relativ einfache Maßnahmen wie Prozessredesign und -standardisierung kontinuierliche Verbesserungen erreichen. Insofern lassen sie sich auch direkt als Instrumente für das Krankenhausmanagement nutzbar machen. 5.3.1.2 Patientensicherheit Der Kategorie Patientensicherheit werden all jene Maßnahmen zugeordnet, die unabhängig von der spezifischen Erkrankung des Patienten erfolgen – sei es, um den Behandlungserfolg zu unterstützen oder um unerwünschte Vorfälle zu verhindern. Solche Maßnahmen dienen letztlich dem Ziel, ein gutes klinisches Ergebnis zu ermöglichen – sie weisen damit zum Teil Schnittstellen zum Handlungsfeld klinische Qualität auf. Dass in Sachen Patientensicherheit nach wie vor Handlungsbedarf besteht, ist unbestreitbar: Wie Hochrechnungen des Aktionsbündnisses Patientensicherheit belegen, sterben in Deutschland jährlich rund 17.000 Patienten auf Grund vermeidbarer Behandlungsfehler im Krankenhaus. Zum Vergleich: Knapp 5.000 Menschen kommen bundesweit bei Verkehrsunfällen ums Leben – eine Zahl, die weithin als inakzeptabel hoch gilt. Viele Ansätze zur Verbesserung der Patientensicherheit stammen aus den USA. Angesichts drohender Schadenersatzklagen in Millionenhöhe haben dort die Krankenhäuser frühzeitig begonnen, Programme zur „patient safety“ zu etablieren. Typische Beispiele sind Programme zu Fall- und Sturzprophylaxe, zur Arzneimittelsicherheit oder zur Patientenidentifikation – wie sie jetzt auch in Deutschland
5.3 Erforderlich ist eine gesamtheitliche Konzeption des Qualitätsmanagements
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zunehmend zum Einsatz kommen. Die Maßnahmen dazu reichen von einfachen Dienstanweisungen bis hin zu kostspieligen Investitionen in IT und Infrastruktur. Mit Blick auf die eigenen limitierten Ressourcen kann ein Krankenhaus für gewöhnlich nicht an allen Brennpunkten die volle Maßnahmenpalette einsetzen. Daher gilt es, die typischen Schwachstellen im Klinikbetrieb zu erkennen, das jeweilige Schadenspotenzial abzuschätzen und dann entsprechende Maßnahmen unter KostenNutzen-Gesichtspunkten zu erarbeiten und zu priorisieren. Dreh- und Angelpunkt ist dabei der Einsatz so genannter Critical Incident Reporting Systems (CIRS), um Risiken überhaupt erfassen zu können. Mit ihrer Hilfe lassen sich nicht nur Fehler, sondern vor allem auch Beinahefehler identifizieren, die noch nicht zu einem Schadensereignis führten, jedoch das Potenzial dazu haben. CIRS sind aus vielen Industrien, allen voran der Luftfahrtindustrie, nicht mehr wegzudenken und sollten eigentlich auch in keinem Krankenhaus fehlen. Worauf es ankommt, ist die richtige Umsetzung: Zum einen muss die Meldung von Beinahefehlern komplett risikofrei für alle involvierten Personen sein, was am besten durch Anonymität der Berichterstattung gewährleistet wird. Zum andern müssen die gemeldeten Fehler möglichst zeitnah bearbeitet werden. Entscheidend ist, dass die Mitarbeiter die Fehlermeldung als willkommene Chance begreifen, um daraus gemeinsam zu lernen und dem Leitziel Qualitätsverbesserung wieder einen Schritt näher zu kommen. Die Verfahrensweise der Berliner Charité, einen „Fehler des Monats“ im Intranet zu veröffentlichen und zum Gegenstand einer Forumsdiskussion zu machen, ist in diesem Sinne ein interessanter Ansatz auf dem Weg zu einer konstruktiven Fehlerkultur. Konsequent gepflegt, können CIRS als zentrales Steuerungselement bei der Patientensicherheitsplanung dienen: Sie decken Fehlerquellen systematisch auf, ermöglichen die Priorisierung von Maßnahmen und binden die Beteiligten unmittelbar in die Erarbeitung von Lösungen ein. Zugleich stellen sie sicher, dass die Qualitätsinitiativen wirklich aus dem Alltag des Klinikbetriebs heraus entwickelt und von den Mitarbeitern auch mitgetragen werden. Naturgemäß schwieriger ist der Umgang mit tatsächlich eingetretenen Schadensfällen. Orientieren könnten sich die Krankenhäuser hier z. B. am Vorgehen in der Luftfahrtindustrie. Dort wird das Primat der Sicherheit konsequent zu Ende gedacht: Wer auf Fehlerquellen aufmerksam macht und so zur Verbesserung der Qualität beiträgt, erfährt Unterstützung und Wertschätzung. Resultiert aus Nichtbeachtung von Standards jedoch ein Fehler mit Schadensfall, so hat das spürbare Konsequenzen für den jeweiligen Verursacher. Die Übernahme dieses Prinzips würde zweifellos die Sensibilität für die Belange der Patientensicherheit nachhaltig steigern, bisher gibt es jedoch kaum entsprechende Modelle für die Krankenversorgung. 5.3.1.3 Patientenzufriedenheit Mit der zunehmenden Orientierung an der Patientenperspektive gewinnt auch die Patientenzufriedenheit als Kriterium für Qualität immer mehr an Bedeutung. Um die Kommunikation mit dem Patienten zu verbessern, bieten sich folgende Maßnahmen an: klares Bekenntnis zum respektvollen Umgang mit den Patienten in den Behandlungsrichtlinien, konsequente Einbindung des Patienten und
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seiner Angehörigen in den Behandlungsablauf, Vermeidung von Wartezeiten bei Aufnahme, Diagnostik, und Entlassung, eine ansprechende Gestaltung der Räumlichkeiten und Ähnliches mehr. Wichtiger als diese an sich selbstverständlichen Einzelmaßnahmen ist der erforderliche Bewusstseins- und Verhaltenswandel auf Mitarbeiterseite – hierfür sind die geeigneten Anreiz- und Controllingmechanismen zu schaffen. Erster Schritt dazu ist eine valide, kontinuierliche Messung der Patientenzufriedenheit: Interne Patientenbefragungen während der Behandlung, wie sie bisher an der Tagesordnung sind, eignen sich dazu nur bedingt. Zum einen ist inzwischen wissenschaftlich gut belegt, dass Patienten auf Grund der emotionalen Stresssituation eines Krankenhausaufenthalts, verbunden mit der subjektiven Abhängigkeit vom medizinischen Personal, nur sehr eingeschränkt aussagekräftige Angaben zu ihren Krankenhauserfahrungen machen können. Zum andern ist der Rücklauf der Fragebögen oft so niedrig, dass keine Chance auf statistisch signifikante Auswertungen besteht. Als Folge messen auch die Mitarbeiter solchen internen Befragungen wenig Bedeutung bei. Alternativ bieten sich externe Patientenbefragungsprogramme an, wie sie unabhängig von dritter Seite durchgeführt werden können. Kennzeichnend für diese Art Befragungsprogramm ist der Einsatz standardisierter und validierter Fragebögen, die alle wesentlichen Dimensionen der Patientenzufriedenheit erfassen. Die Befragung selbst erfolgt zwei bis acht Wochen nach dem jeweiligen Krankenhausaufenthalt, um den systematischen Bias beim Antwortverhalten zu minimieren. Die Datenauswertung kann auch von einem unabhängigen Institut vorgenommen werden. Sind diese ermittelten Ergebnisse statistisch repräsentativ, werden sie im Falle der Weissen Liste beispielsweise im Internet zusammen mit den Auswertungen für andere teilnehmende Krankenhäuser veröffentlicht.7 Damit sind sie für jedermann zugänglich und transparent – was natürlich das Interesse der beteiligten Häuser fördert, Patientenzufriedenheit nachzuhalten und im Klinikalltag auch zu berücksichtigen. 5.3.1.4 Externe Qualitätswahrnehmung und Reputation Im Zuge der Neuausrichtung auf Qualität sollte auch eine entsprechende Positionierung nach „außen“ erfolgen. Leitgedanke sollte sein, einen Dialog mit den vorund nachgeschalteten Akteuren der Versorgungskette in Gang zu setzen – und zwar im Sinne einer sektorübergreifenden Kooperation. Fokus auf klinischer Qualität ist beispielsweise ein zugkräftiges Argument bei der Ansprache von Einweisern8. Ebenso sollten Reha-Einrichtungen, Altenheime, aber auch die Krankenkassen den Eindruck vermittelt bekommen, es mit einem „Qualitätskrankenhaus“ zu tun zu haben. Und schließlich sollte sich das Angebot zum Dialog an Akteure aus allen Bereichen der Gesundheitswirtschaft richten. Das besondere Interesse der externen Teilnehmer am Dialog gilt in aller Regel dem hauseigenen Konzept zur Servicequalität: Finden niedergelassene Ärzte, Krankenhäuser und Angehörige von Patienten schnell einen Ansprechpartner? Gibt es eine Einweiser-Hotline? Welche Fortbildungsveranstaltungen werden angebo-
5.3 Erforderlich ist eine gesamtheitliche Konzeption des Qualitätsmanagements
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ten? Werden künftige Mitarbeiter mit der Botschaft des „Qualitätskrankenhauses“ umworben? Wird die Qualität des Krankenhauses an prominenter Stelle auf der Homepage transparent gemacht? Gibt es eine Broschüre zum Thema Qualität sowie den themenverwandten Angeboten des Krankenhauses? Und wann hat sich das Krankenhaus zuletzt bei einem Tag der offenen Tür der umliegenden Gemeinde vorgestellt? Um hierauf überzeugende Antworten bieten zu können, empfiehlt sich eine enge Abstimmung zwischen Qualitätsmanagement und Marketingabteilung. Denn welche Maßnahmen am besten geeignet sind, das Leistungsversprechen „Qualitätskrankenhaus“ erfolgreich zu vermitteln, lässt sich nur mit Blick auf das zu Grunde liegende Marketingkonzept des Hauses bestimmen. 5.3.1.5 Krankenhausinterne Qualitätskultur Krankenhausinterne Qualitätskultur ist einerseits Vorbedingung für Erfolge in den vier bereits beschriebenen Handlungsfeldern. Andererseits hat sie eigenständige Bedeutung als Motor für kontinuierliche Verbesserungen. Denn qualitätsorientierte Mitarbeiter werden – schon aus eigenem Ermessen – vieles verbessern und vorantreiben, was nicht im Rahmen großer Planungen detailliert vorgegeben wurde. Charakteristisch für eine im Arbeitsalltag gelebte Qualitätskultur sind folgende Elemente:
• Verständnis und Einverständnis („Ich weiß, warum die Veränderung nötig und richtig ist“ bzw. „Ich stimme mit der Idee überein“)
• Weiterentwicklung von Talenten und Fähigkeiten („Ich kann es selbst umsetzen“) • Vorbildfunktion („Ich sehe die Veränderung bei meinen Vorgesetzten und Kollegen“)
• Verstärkungsmechanismen für das gewünschte Verhalten („Es lohnt sich für mich, die neuen Strukturen und Prozesse einzuhalten“).
Liegen diese Elemente einer Qualitätskultur nicht oder nur unzureichend vor, sollte man jeweils entsprechende Initiativen ergreifen. Das Spektrum der Möglichkeiten ist hier breit gefächert: Es reicht von Mitarbeiterbefragungen über Problemlösungs-Workshops, Maßnahmen zur Höherqualifizierung von Mitarbeitern etc. bis hin zur Etablierung von Anreizmechanismen für qualitätsförderndes Verhalten. Zudem empfiehlt es sich, Qualitätschampions, d. h. Führungskräfte und Leistungsträger, die sich das Thema Qualität zum persönlichen Anliegen gemacht haben, über Stations- und Fachbereichsgrenzen hinweg einzusetzen, um Best-Practice-Ansätze krankenhausweit zu etablieren. Das Dresdner Universitätsklinikum beispielsweise hat, in Anlehnung an das aus der Güterproduktion bekannte Six-Sigma-Konzept, seine Qualitätschampions mit „black belts“ ausgestattet. Als ernsthaftes Hindernis für die Etablierung einer auch im Alltag gelebten Qualitätskultur können sich die oft stark ausgeprägten Krankenhaushierarchien erwei-
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5 Qualität im Krankenhaus – Das Wohl des Patienten als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor
sen. Auf Mitarbeiterseite fördern sie nicht gerade die Bereitschaft zum offenen, vertrauensvollen Feedback „nach oben“. Auf Seiten der Führungskräfte limitieren sie das Interesse, Feedback „von unten“ überhaupt anzunehmen. Hier können Team-Building-Events Verbesserungen bewirken. Wünschenswert ist auch eine institutionalisierte Verpflichtung zum Widerspruch. Sie ermutigt Mitarbeiter zum „whistle blowing“, wenn sie der Meinung sind, dass die klinische Qualität durch eine beobachtete Handlung (oder Unterlassung) gefährdet wird.
5.3.2 Grundanforderungen an das Qualitätscontrolling Strategische Aufgabe des Controllings ist es, im Rahmen des Qualitätsmanagements nicht nur wichtige Kennziffern zur Qualitätsmessung möglichst zeitnah zur Verfügung zu stellen. Ebenso bedeutsam ist es, die Fortschritte bei Qualitätsmaßnahmen auch konsequent nachzuhalten und gegebenenfalls entsprechende Zusatzmaßnahmen anzustoßen. Dabei muss sich das Qualitätscontrolling zum Teil spezifischen Herausforderungen und Problemen stellen, die von der üblichen Controllingagenda abweichen. Verpflichtende vs. freiwillige Datenerhebung: Bei der verpflichtenden Datenerhebung (z. B. im BQS-Verfahren) hat das Krankenhaus keinen unmittelbaren Einfluss auf die Art und Anzahl der Messparameter. Hier müssen sich die Bemühungen auf Mitarbeiterschulung und eine klare Zuweisung der Kompetenzen richten, um so eine akkurate und zugleich ressourceneffiziente Dokumentation sicherzustellen. Auf den ersten Blick mag dies wie eine Selbstverständlichkeit erscheinen. Im Klinikalltag sieht es jedoch anders aus: Etwa 30% der Krankenhäuser, die von der BQS als qualitativ auffällig eingestuft werden und deshalb mit ihr in einem strukturierten Dialog stehen, geben als Grund für die beanstandete Auffälligkeit Dokumentationsprobleme an. Zusätzlich zu den verpflichtenden Messungen muss sich das Krankenhaus entscheiden, welche weiteren Daten freiwillig erhoben und kontrolliert werden sollen. Erster Schritt sollte sein, sich auf jene Indikationen zu konzentrieren, die für die Profilierung des Hauses von Bedeutung sind und häufig erbracht werden. Akademische vs. pragmatische Datenerhebung: Bei fast allen Datenerhebungen im Diagnose- und Therapiebetrieb stellt sich immer wieder die Grundsatzfrage, wie Prozesse und Verrichtungen erfasst werden sollen: Umfassend, lückenlos und akademisch deskriptiv? Oder mit Fokus auf handlungsorientierten Steuerungshebeln, um eine pragmatische Maßnahmenentwicklung zu erlauben? Der Wunsch nach einer akademischen Datenerhebung, die auch mögliche Variationen in einem Prozessverlauf vollständig abbildet, führt oft zu einer Vielzahl von Messparametern. Auch wenn das Streben nach „perfekter“ Datenerhebung aus Sicht des Controllings nachvollziehbar ist, so fördert dies doch massive Bürokratisierungstendenzen und damit den Verfall der Dokumentationsqualität. Entsprechend skeptisch werden denn auch die Datenauswertungen betrachtet, was deren Wert weiter schmälert und auch die Motivation zu sorgsamer Datenerfassung sinken lässt. In der Praxis sind überdies häufig Controllingsysteme anzutreffen, die erhebliche Ressourcen binden und als Ergebnis lediglich Berichte für die Ablage generieren. Dies erzeugt Frustration bei den medizinischen Mitarbeitern und Resignation im Controlling, ganz nach dem Motto: „Wir messen doch alles, warum verändert sich trotzdem nichts?“ Daher sollte man der
5.3 Erforderlich ist eine gesamtheitliche Konzeption des Qualitätsmanagements
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akademischen Datenerhebung als notwendiges Korrektiv eine pragmatische, mehr auf Effizienz und Ökonomie ausgerichtete Datenerhebung gegenüberstellen. Im Idealfall konzentriert sich pragmatisches Controlling auf wenige ausgewählte Parameter. Sie sollten für Qualität wie auch ökonomische Ziele besonders relevant sein, zudem sollte ein großer Anreiz zu konsequenter Zielerreichung vorliegen. Beispiele gibt es hierfür viele: Die Umstellung auf ein orales Antibiotikum bei der Pneumonie als Messpunkt indiziert sowohl einen erfolgreichen Behandlungsverlauf (Qualität) als auch baldige Entlassung des Patienten (Ökonomie). Controlling klinischer Pfade verfolgt die Einhaltung der Behandlungsstandards (Qualität) und der Verweildauer (Ökonomie). Controlling der Stabilität des OP-Plans verbessert die Patientenzufriedenheit, da keine Operationen vertagt werden müssen (Qualität), zugleich ermöglicht es eine bessere Auslastung der OP-Säle (Ökonomie). Entwicklung und Verfolgung von Qualitätsmaßnahmen: Letztlich sind es nicht Datenerhebungen, sondern die daraus abgeleiteten Maßnahmen, die eine Qualitätsverbesserung bewirken. Daher sollte das Qualitätsmanagement ausreichend Ressourcen auf die Erarbeitung und Umsetzung von Verbesserungen verwenden. Was selbstverständlich klingt, ist in der Praxis oft nicht leicht umzusetzen. Wie eine repräsentative Umfrage unter Qualitätsmanagern in den USA ergab, verwenden die Manager im Durchschnitt etwa die Hälfte ihrer Arbeitszeit für Aufgaben rund um das Qualitätsmanagement. Von dieser produktiven Arbeitszeit werden jedoch etwa zwei Drittel durch das Erfassen, Validieren und Weiterverbreiten von Daten aufgebraucht, lediglich 11% entfallen auf die Auswahl von Qualitätsparametern und nur 22% auf die Entwicklung von Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung. Dies verdeutlicht nochmals die Notwendigkeit, bei der Auswahl der zu messenden Qualitätsparameter mit Augenmaß und Umsicht vorzugehen. Denn Datenerhebung bindet wertvolle Ressourcen. Erfolgt sie ohne die erforderliche Fokussierung, kann sie leicht von der eigentlichen Aufgabe ablenken – der inhaltlichen Arbeit an der Qualitätsverbesserung. Timing des Berichtswesens: Gerade wenn wichtige Veränderungsprozesse unterstützt werden sollen, kommt es entscheidend auf einen sehr zeitnahen Rücklauf und eine klare Kommunikation der Daten an. Im Klinikalltag liegt stattdessen der Fokus des Controllings leider nur allzu oft auf umfassenden Monats-, Quartals- oder gar Jahresstatistiken. Dabei gilt doch: Wenn ein Mitarbeiter seine Verhaltensroutine ändern soll, muss er nicht unbedingt wissen, wie die kumulierten Monatsdaten aussehen, sondern vielmehr was er am Vortag richtig oder falsch gemacht hat. Und welche Maßnahmen zu treffen sind, um es heute besser zu machen.
5.3.3 Aktive Qualitätskommunikation sichert die Kontrolle über die Informationsprozesse Aus Krankenhaussicht mag es verlockend erscheinen, sich auf interne Qualitätsverbesserungen zu konzentrieren und sich aus der externen Qualitätsdiskussion in Medien und Öffentlichkeit möglichst herauszuhalten. So verlockend diese Alternative erscheinen mag – unter dem anhaltenden externen Transparenzdruck ist sie wenig realistisch. Werden Qualitätsdaten nicht aktiv
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5 Qualität im Krankenhaus – Das Wohl des Patienten als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor
vom betreffenden Krankenhaus bekannt gemacht, wird früher oder später eine andere Institution diese Aufgabe übernehmen. Zu groß ist inzwischen die Dynamik in der öffentlichen Diskussion, zu stark der Wunsch nach Information und Mitentscheidung auf Seiten der Patienten und ihrer Angehörigen. Nehmen Krankenhäuser ihre Kommunikations- und Informationsaufgaben nicht aktiv wahr, berauben sie sich zudem wichtiger Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten. Dann treten kommerzielle Ranking-Provider wie Informationsbörsen oder Webportale an ihre Stelle und die Leistungserbringer verlieren ihren Einfluss darauf, welche Dimensionen der Qualität in welchem Kontext und mit welcher Validität dargestellt werden. Überspitzt ausgedrückt: Wenn ein Leistungserbringer seine Qualität nicht selbst veröffentlicht, wird jemand anders es für ihn tun. Im Zweifelsfall könnten dies auch Internet-Blogger und Patientenorganisationen sein, die mit ad hoc produzierten externen Patientenbefragungen aufwarten – methodisch zweifelhaft und empirisch wenig aussagekräftig. Was passieren kann, verdeutlichen die Erfahrungen aus dem ambulanten Sektor: Hier wurde die Ärzteschaft aufgeschreckt durch eine Vielzahl von Internetportalen, wie etwa docinsider.de und imedo.de, die individuelle Bewertungen von Ärzten personenbezogen verfügbar machen. Zu Recht fürchten die Ärzte eine Marktverzerrung durch ungefilterte Benotungen ihrer Patienten. Eilig wird nun erwogen, in die Offensive zu gehen und sich mit eigenen Internetportalen gegen die Bewertungsangebote im Internet zur Wehr zu setzen9. Um solchen Entwicklungen frühzeitig entgegenzutreten, sollten die Krankenhäuser ihre Qualitätsergebnisse entschlossen und konsequent offenlegen. Nach wie vor sind sie selbst die denkbar beste Informationsquelle – und werden auch so in Medien und Öffentlichkeit wahrgenommen. Diese einzigartige Autoritäts- und Einflussposition sollten sie nach Möglichkeit offensiv nutzen. Manche Akteure haben die Zeichen der Zeit bereits erkannt und frühzeitig auf aktives Qualitätsmanagement und transparente Berichterstattung von Qualitäts daten gesetzt.
5.4 Fazit: Qualität wird in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen Um weitere Entwicklungen im Qualitätsmanagement zu antizipieren, lohnt sich durchaus ein Blick auf andere Länder, für die Qualitätsaspekte schon länger im Fokus stehen: In den USA beispielsweise besteht mit der Joint Commission on Accreditation of Hospitals (JCAHO) seit 1951 eine offizielle, landesweite Institution zur Qualitätssicherung in der medizinischen Versorgung. Veröffentlichungen von Krankenhausqualitätsdaten sind dort seit vielen Jahren bereits gängige Praxis. Auch wenn angelsächsische Konzepte meist nicht direkt übertragbar sind, so können doch mögliche Zukunftstrends für Deutschland abgeleitet werden: Vieles spricht dafür, dass Maßnahmen zur Patientensicherheit zunehmend in den Vordergrund treten, eng verbunden mit der Weiterentwicklung der institutionellen Transparenz hin zu personifizierter Transparenz – bis zur Führungsebene „Arzt“. Vielfach werden in den USA bereits Operationsergebnisse einzelner Chirurgen veröffentlicht.
5.4 Fazit: Qualität wird in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen
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Einhergehen wird die Erhöhung der Qualitätsanforderungen, so ist zu erwarten, mit einer Verschärfung der Kontrollmechanismen. Beispielsweise haben die US-amerikanischen Akkreditierungsinstitute begonnen, unangekündigt extensive Kontrollen in Krankenhäusern durchzuführen. Ebenso zeichnen sich Tendenzen ab, die Qualitätssicherung auch auf die nachgelagerten Bereiche auszuweiten – auf den ambulanten Sektor, Reha und Pflege. Damit stellt sich automatisch auch die Frage, wie sich Qualitätssicherung bei Modellen integrierter Versorgung gestalten sollte. Erschwert wird die Abschätzung der künftigen Entwicklung durch die starke Fragmentierung der Qualitätslandschaft in Deutschland. Unklar ist, inwiefern die vielen verschiedenen Initiativen – mit jeweils eigenen Aktionsschwerpunkten und Bewertungssystemen – in den nächsten Jahren verstärkt für Zusammenarbeit und Arbeitsteilung gewonnen werden können. Gleichwohl gilt: Mit dem Übergang zu einem gesamtheitlichen Qualitätsmanagement vollzieht sich auch im deutschen Gesundheitswesen ein Umbruch. Zunehmende Datentransparenz und damit einhergehend zunehmend mündige Patienten werden dafür sorgen, dass Qualität immer mehr zum Dreh- und Angelpunkt im Klinikgeschehen wird. Angesichts dieser Zukunftsperspektiven sollten sich die einzelnen Krankenhäuser zu einem umfassenden Reformprogramm entschließen – fokussiert auf die fünf Handlungsfelder: klinische Qualität, Patientensicherheit, Patientenzufriedenheit, externe Qualitätswahrnehmung und Reputation sowie krankenhausinterne Qualitätskultur. Entlang dieser Dimensionen kann das Management individuelle Maßnahmen erarbeiten, die sich zu einem holistischen Qualitätskonzept ergänzen. Die Transformation zum „Qualitätskrankenhaus“ wird am besten gelingen, wenn folgende Erfolgsvoraussetzungen konsequent eingehalten werden: 1. Bekenntnis zu Qualitätstransparenz 2. Fokussierung auf die für das Krankenhaus relevanten Parameter 3. Definition und Priorisierung von Qualitätsinitiativen 4. Enge Einbindung der Mitarbeiter in den Wandlungsprozess 5. Kontinuierliches und engmaschiges Controlling 6. Verankerung der Qualität als Priorität auf der Agenda der Geschäftsführung. Ausgehend von diesen Faktoren können sich Krankenhäuser erfolgreich als Qualitätsführer positionieren, um den Wandel der deutschen Krankenhauslandschaft aktiv zu gestalten, anstatt auf Trends lediglich passiv zu reagieren. Sollte sich die Erwartung der deutschen Gesundheitsminister, Qualität werde schon in wenigen Jahren zum Leit- und Steuerungskriterium des Gesundheitswesens, tatsächlich erfüllen, so können diese Krankenhäuser der Zukunft gelassen entgegensehen. Der Krankenhausleitung fällt dabei eine wichtige Vorbildfunktion zu. Sie muss die Glaubwürdigkeit und Umsetzbarkeit ihrer Maßnahmen vorleben. Ein klar definiertes und kommuniziertes Leitbild für das Krankenhaus und die Patientenversorgung kann hier entscheidende Hilfe leisten.
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5 Qualität im Krankenhaus – Das Wohl des Patienten als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor
Endnoten 1
Das IQWiG wurde 2004 im Zuge der Umsetzung des GKV-Modernisierungsgesetzes gegründet. Es ist im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) und des Bundesgesundheitsministeriums tätig und untersucht den Nutzen medizinischer Leistungen für Patienten, speziell im stationären Bereich. Im ambulanten Bereich ist unter anderem das Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (AQUA) an der Erarbeitung von Qualitätsstandards beteiligt. 2 Vgl. dazu Gaede (2008) 3 Vgl. Grether (2008) und Gruhl (2008) 4 Vgl. Agenda Patientensicherheit (2007), [Herausgeber: Aktionsbündnis Patientensicherheit] 5 Quelle: RWI, Krankenhaus Rating Report 2008. 6 Vgl. dazu die Darstellung von klinischen Behandlungspfaden in Kap. 4 7 Vgl. Internetseite der Weissen Liste: www.weisse-liste.de/entwicklungspartner.204.html 8 Vgl. dazu Kap. 6 9 Vgl. Schmincke (2008), Medbiz
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Der Weg zur erfolgreichen Vermarktung von Krankenhausleistungen
In der Vergangenheit haben sich Krankenhäuser nur selten damit beschäftigt, wie sie ihr Leistungsvolumen durch Expansion der Fallzahlen und gegebenenfalls auch der Fallschwere steigern können. Anders als in den übrigen Bereichen unserer Volkswirtschaft, wo sich Erfolg gerade über kontinuierliches Wachstum definiert, waren die Krankenhäuser traditionell sehr zurückhaltend mit der Formulierung von Wachstumsstrategien. Vor allem aus drei Gründen: 1. Gute, leistungsstarke Krankenhäuser waren immer voll und kämpften eher mit überlangen Wartezeiten als mit einem Mangel an Patienten. Für fast alle Mediziner standen die Sorge um den Patienten sowie die Weiterentwicklung der ärztlichen Heilkunst im Mittelpunkt des eigenen Handelns. Für ein aktives Werben um den einzelnen Patienten blieb kaum Zeit und ein voller Warteraum ließ ein ernsthaftes Nachdenken über Marketing- und Vertriebskonzepte gar nicht zu. 2. Die Entwicklung der Krankenhausbudgets ist seit 1993 (Gesundheitsstrukturgesetz) – und seit 1996/97 (Beitragsentlastungsgesetz, 2. GKV-Neuordnungs gesetz) sogar verschärft – an die Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen der GKV-Mitglieder gekoppelt, d. h. an die so genannte Grundlohnsumme. Die damit erreichte Deckelung der Krankenhausbudgets hatte insbesondere zur Folge, dass für eventuelle Leistungsausweitungen schlichtweg keine Finanzierungsmittel auf Seiten der Krankenkassen zur Verfügung standen. Damit war allen Wachstumsbemühungen von Krankenhäusern jahrelang die betriebswirtschaftliche Grundlage entzogen. 3. Unter Medizinern galt der Wettbewerb um Patienten lange Zeit als eher unfein. Die Geschäftsleitungen der Krankenhäuser fühlten sich einander freundschaftlich verbunden und verstanden sich mehr als Teil eines gemeinsamen, abgestimmten Versorgungssystems denn als Wettbewerber. Wenn es überhaupt Wettbewerb gab, dann um finanzielle Fördermittel des jeweiligen Bundeslands für Neu- und Umbaumaßnahmen oder die Anschaffung von Großgeräten. Inzwischen haben sich die Rahmenbedingungen entscheidend verändert. Seit dem Inkrafttreten des 2. Fallpauschalenänderungsgesetzes Anfang 2005 ist es nicht nur möglich, sondern auch politisch gewollt, das Leistungsvolumen eines Krankenhau-
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6 Der Weg zur erfolgreichen Vermarktung von Krankenhausleistungen
ses durch qualitativ hochwertige Behandlungen auszudehnen. Auch wenn diese Leistungssteigerungen im ersten Jahr ihrer Erbringung nicht voll finanziert werden, so können wachstumsorientierte Krankenhäuser über mehrere Jahre hinweg mit einer entsprechenden Anhebung ihrer Budgets rechnen. Überdies sind die Krankenkassen bestrebt, bei weniger erfolgreichen Krankenhäusern zu sparen und in letzter Konsequenz eine Schließung zu erzwingen. Für Krankenhäuser, deren individueller Basisfallwert oberhalb des jeweiligen Landesbasisfallwerts liegt, ist es geradezu zur Notwendigkeit geworden, die Fallzahlen und/oder die Fallschwere zu steigern. Denn nur so können sie eine Senkung ihres Gesamtbudgets bei gleichem Leistungsvolumen und niedrigeren Preisen vermeiden. Auch die Ärzte in solchen Häusern wissen mittlerweile, dass sie mit den bestehenden Ressourcen kontinuierlich mehr Patienten behandeln müssen, um die Ist-Kosten ihrer Abteilungen stabil abzudecken. In manchen Regionen ist ein regelrechter Wettbewerb um Patienten in Gang gekommen – was bereits erhebliche Verschiebungen in den Behandlungsleistungen zwischen den einzelnen Krankenhäusern zur Folge hatte. Wer die Veränderungen nicht aktiv mitgestaltet, läuft Gefahr, Patienten an Mitbewerber zu verlieren, deren Markt- bzw. Wettbewerbsanstrengungen mehr Überzeugungskraft haben. Hinzu kommt, dass höhere Fallzahlen vielfach auch Verbesserungen bei der medizinischen Versorgungsqualität ermöglichen. Die aufkommenden Mindestmengenregelungen sind kein Hindernis, wenn hinreichend hohe Fallzahlen in jedem Erkrankungsbild behandelt werden. Prozesse lassen sich viel leichter optimieren und standardisieren, wenn genügend viele Fälle mit gleichartigen Behandlungsabläufen therapiert werden können. Größeren Abteilungen fällt es wesentlich leichter, die Bereitschaftsdienste in einer für jeden einzelnen Arzt tragbaren Weise zu organisieren. Auch der Zwang, Bereitschaftsdienste interdisziplinär zu besetzen, lässt nach, wenn ein entsprechendes Fallzahlaufkommen hinreichend große Fachabteilungen im Krankenhaus ermöglicht. Alle diese Effekte stärken wiederum die Wirtschaftlichkeit des Krankenhausbetriebs. Denn standardisierte und spezialisierte Abläufe erlauben es, mit jeweils limitiertem Personal- und Sachaufwand kontinuierliche Leistungssteigerungen zu erzielen. Ein Krankenhaus mit stark steigendem Leistungsvolumen schafft neue Arbeitsplätze und bietet seinen Mitarbeitern die Möglichkeit, sich durch internen Aufstieg beruflich weiterzuentwickeln. Für gewöhnlich entsteht so eine ungleich positivere Arbeitsatmosphäre – nicht zu vergleichen mit der Arbeitsatmosphäre in Krankenhäusern, die bei stagnierenden oder schrumpfenden Leistungsvolumina immer neue Einspar- und Abbaurunden über sich ergehen lassen müssen. Angesichts dieser Vielzahl direkter und indirekter Anreize, das Leistungsvolumen zu steigern, stellen sich vielerorts Geschäftsleitungen und Chefärzte die Frage, wie eine erfolgreiche Markt- bzw. Wettbewerbsstrategie für das eigene Haus bzw. die eigene Fachabteilung aussehen könnte. Aus dem Konsumgütermarketing ist der so genannte 4P-Ansatz geläufig, mit den vier klassischen Stellhebeln Product, Price, Place (im Sinne von Standort, aber auch Wettbewerbsarena) und Promotion. Klar ist, dass Price im Krankenhausmarketing allenfalls ein Stellhebel von begrenzter Bedeutung ist. Denn die Preissetzung für die Krankenhausleistungen wird in weiten Bereichen durch gesetzliche Vorgaben
6 Der Weg zur erfolgreichen Vermarktung von Krankenhausleistungen
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festgelegt. Preiswettbewerb gibt es – sieht man von privat finanzierten kosmetischen Operationen ab – nur in Randbereichen des Krankenhausgeschäfts, etwa bei integrierten Verträgen. Auch wenn die Krankenkassen zunehmend darauf drängen, Preisverhandlungen mit einzelnen Krankenhäusern führen zu dürfen, wird es wohl auf absehbare Zeit zu keinem großflächigen Preiswettbewerb kommen. Zudem bedeutet Preiswettbewerb nicht automatisch niedrigere Preise: In den USA, dem Land mit dem schärfsten Preiswettbewerb, sind die Preise für jeweils vergleichbare Behandlungsleistungen keinesfalls niedriger als in Deutschland, sondern in aller Regel fast dreimal so hoch! Vor diesem Hintergrund muss sich Krankenhausmarketing in Deutschland vor allem auf die verbleibenden drei Ps konzentrieren: Product, Place und Promotion.
• Product: Aus Marketingsicht ist die Behandlung im Krankenhaus eine Dienst-
leistung – mit dem Ziel, die Patienten möglichst rasch wieder gesund zu machen und ihnen zugleich den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Stationäre Versorgung ist mithin nicht nur eine Frage des richtigen Mix von Diagnose-, Therapie- und Pflegeleistungen, sondern ebenso sehr eine Frage der Ergebnis- und Prozessqualität. Geht man vom Patientenwohl als oberstes Leitziel aus, so ist die Qualität der Leistungserbringung Dreh- und Angelpunkt allen medizinischen Handelns.
• Place: Gemeint sind hiermit Distribution und Vertrieb von Behandlungsleistun-
gen. Dabei stellen sich zwei Fragen: Wo sollen diese Leistungen angeboten werden. Und vor allem wem? Zu definieren ist zum einen der genaue Einzugsbereich des Krankenhauses: Sollen Patienten primär aus dem Umland versorgt werden? Oder auch Patienten aus anderen Regionen oder Ländern. Zum andern sind die relevanten Ansprechpartner zu bestimmen. Meist sind das nicht die Patienten selbst, sondern niedergelassene Ärzte, die ihre Patienten ins Krankenhaus einweisen oder es – mit Blick auf das jeweilige Leistungs- und Qualitätsangebot – zumindest empfehlen.
• Promotion: Hervorragende ärztliche und pflegerische Leistungen nützen wenig,
wenn sie nicht auch nach außen sichtbar und bekannt gemacht werden. Lange Zeit war es zudem politisch nicht gerade gewollt, in der Öffentlichkeit Transparenz hinsichtlich Krankenhausleistungen zu schaffen. Das Heilmittelwerbegesetz – seit 1965 in Kraft und zuletzt in 2006 aktualisiert – ist vor allem aus der Überlegung heraus entstanden, dass die Qualität medizinischer Leistung kaum objektiv messbar ist und Patienten nicht durch Werbeversprechungen verunsichert werden sollten. Erst in jüngster Zeit hat der Gesetzgeber verstärkt Anstrengungen unternommen, mehr Transparenz in den immer noch weitgehend intransparenten Markt für Krankenhausleistungen zu bringen. Seit 2004 sind die deutschen Krankenhäuser verpflichtet, jährlich strukturierte Qualitätsberichte zu veröffentlichen. Die eigens geschaffene Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) misst die medizinische Ergebnisqualität anhand der Vergleichsdaten der berichtspflichtigen Krankenhäuser. Viele Krankenkassen bewerten inzwischen bundesweit die Krankenhäuser auf Grundlage von Umfragen bei ihren Versicherten. Immer mehr „Krankenhausführer“ entstehen im Internet und
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6 Der Weg zur erfolgreichen Vermarktung von Krankenhausleistungen
Publikationsorgane wie etwa der „Focus“ oder der „Berliner Tagesspiegel“ veröffentlichen Rankinglisten von Ärzten und Krankenhäusern. Auf den Punkt gebracht: Auch die Krankenhäuser in Deutschland müssen sich der klassischen Marketingaufgabe stellen: „Tue Gutes. Am richtigen Ort. Und rede darüber!“ Zentrale Bedeutung haben dabei, wie im Folgenden noch deutlicher werden wird, Ergebnis- und Prozessqualität. Und zwar für alle drei Stellhebel des Marketingmix.
6.1 Ein überzeugendes Leistungsversprechen formulieren „Gutes tun“ ist als Absichtserklärung eines Krankenhauses schnell formuliert, aber nur mit großem Aufwand umzusetzen. Sicherlich gibt es in jedem Haus Leistungsbereiche, in denen der Patient optimal versorgt wird und kaum etwas noch besser zu machen ist. Die meisten Krankenhäuser machen jedoch die Erfahrung, dass große Anstrengungen erforderlich sind, um den Patienten auch flächendeckend ein überzeugendes Leistungsangebot zu offerieren. Um mit den verfügbaren personellen und finanziellen Ressourcen Fortschritte zu erzielen, bedarf es zuallererst einer Priorisierung der Aktivitäten. Damit beginnt aber auch schon das Problem. Im Zweifelsfall hat jede Berufsgruppe im Krankenhaus ihr eigenes, professionsspezifisches Verständnis von „Gutes tun“. Die Ärzteschaft meint damit in aller Regel die Anwendung innovativer Diagnose- und Therapieverfahren. Das Pflegepersonal möchte für die Patienten mehr Zeit und Zuwendung haben. Die nicht klinischen Funktionen denken möglicherweise an Verbesserungen bei Speiseversorgung und Reinigung. Und die Verwaltung setzt auf mehr Ausstattungskomfort für die Patienten und freundlichere Gemeinschaftsräume. All diese Vorhaben sind gewiss gut gemeint und ein jedes trägt auch zum Kundennutzen bei. Wie sie im Einzelnen zu finanzieren bzw. zu priorisieren sind, muss jeweils sorgsam abgewogen werden. Hohe Priorität sollten auf jeden Fall Verbesserungsinitiativen erhalten, die Patientenbedürfnisse optimal adressieren. Dazu gehören auch Maßnahmen, die zu einer besseren Zusammenarbeit mit den einweisenden Ärzten führen. Welche Leistungsverbesserungen die Patientenbedürfnisse am treffendsten adressieren, darüber gibt es mittlerweile gesicherte empirische Erkenntnisse1. Sie lassen sich auch relativ einfach zuordnen.
• Diagnose und Therapie: Wesentlichster Wunsch der Patienten ist eine Behand-
lung nach modernsten medizinischen Methoden. Die Ärzte sollten jeweils ausgewiesene Spezialisten auf ihrem Gebiet sein, über die notwendige apparative Ausstattung verfügen und in enger fachlicher Abstimmung mit ihren Kollegen handeln.
• Betreuung: Alle Prozesse sollen, so der Wunsch der Patienten, möglichst reibungslos ablaufen. Die Ärzte sollten ausreichend Zeit haben, Diagnose und Therapie zu erläutern. Und das Pflegepersonal sollte ein hohes Maß an Freundlichkeit und Zuwendung zeigen.
6.2 Auf die wesentlichen Marktsegmente konzentrieren
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• Infrastruktur: Erwartet werden helle, lichte Krankenhausgebäude. Zudem sollten sie einen Ausblick auf die Natur bieten.
Sicherlich gibt es noch viele weitere Ideen, wie das Dienstleistungsangebot eines Krankenhauses verbessert werden kann – und sie finden auch die Anerkennung der Patienten. Mehr als eine willkommene Ergänzung sind sie freilich nicht. Denn sie erweisen sich als bedeutungslos, wenn der Kern der Dienstleistung nicht überzeugt: Kein elektiver Patient wird sich einem Krankenhaus anvertrauen, dessen medizinische Versorgungsqualität oder Pflegekompetenz er bezweifelt. Auch nicht, wenn dort die Küche besonders gut ist! Stimmen umgekehrt medizinische und pflegerische Leistung, so wird er gern die gepflegte Küche oder den Komfort gut gestalteter Zimmer in Anspruch nehmen. Nur im letzteren Fall werden die Zusatzleistungen zu einem relevanten Wettbewerbsvorteil – sonst nicht! Mithin sollten das eigene Leistungsangebot und die Qualität der Leistungserbringung anhand der aus Patientensicht entscheidenden Kriterien definiert und mit den entsprechenden Offerten der Wettbewerber kritisch verglichen werden. Bestehen hier Schwachstellen, empfiehlt es sich, diese zuerst auszuräumen – und zwar noch vor allen Überlegungen, wer als Ansprechpartner für die Vermarktung der Leistungen in Frage kommen könnte.
6.2 Auf die wesentlichen Marktsegmente konzentrieren Von Krankenhäusern wird – sieht man einmal von Spezialkliniken und Häusern der Maximal- und Supramaximalversorgung ab – üblicherweise erwartet, dass sie stationäre Versorgung möglichst gut erreichbar und möglichst nahe zum Aufenthaltsort bzw. zu den Wohn- und Arbeitsbereichen ihrer Patienten anbieten. Daraus resultiert in Ballungsräumen eine eher lokale, in ländlichen Räumen eine eher regionale Ausrichtung der Krankenhäuser und ihrer Bemühungen, die Nachfrage nach Versorgungsleistungen abzudecken. Schwieriger zu beantworten ist die Frage, wie eigentlich die Nachfrage nach Krankenhausleistungen zustande kommt. Klar ist, dass die Patienten die Empfänger der Leistungen sind. Sind sie damit aber auch schon – zumindest in Fällen elektiver Behandlung – die „Kunden“ und somit die entscheidenden Ansprechpartner der Krankenhäuser? Analysiert man die verschiedenen Zugangswege, die Patienten mit ihrem jeweiligen Krankenhaus verbinden, so ist diese Frage aus heutiger Sicht eher zu verneinen. Nach wie vor sind die niedergelassenen Ärzte als Einweiser die mit Abstand wichtigsten Erzeuger von Nachfrage. Patienten spielen nur eine nachrangige Rolle, obgleich – unter den Bedingungen der modernen Wissensgesellschaft – ihr Einfluss auf die Krankenhauswahl sicherlich weiter zunimmt. Diese Einschätzungen werden plausibel, wenn man die Zugangswege und Patientenströme von Krankenhäusern näher betrachtet. Mögen Relevanz und Verteilung im Einzelfall orts-, leistungs- oder wettbewerbsbedingt auch geringfügig variieren, so dürfte die nachstehende Analyse doch repräsentativ sein für viele deutsche Krankenhäuser, insbesondere in städtischen und stadtnahen Lagen (Abb.6.1).
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6 Der Weg zur erfolgreichen Vermarktung von Krankenhausleistungen
Rund die Hälfte aller Patienten wird demnach elektiv von einem niedergelassenen Arzt eingewiesen1. Erfahrungsgemäß haben Empfehlungen aus dem niedergelassenen Bereich auch Einfluss auf die Selbsteinweiser (Anteil ca. 30%)1. Wird der Patient durch einen Rettungsdienst eingeliefert, so trifft zumeist der Notarzt die Krankenhauswahl2. Bei der Verlegung aus anderen Krankenhäusern sind ebenfalls die Ärzte die relevanten Entscheider3. Somit sollten bei allen Bemühungen, die eigenen Leistungsvolumina weiter zu steigern, die niedergelassenen Ärzte primäre Adressaten und Ansprechpartner sein. Zweite Priorität sollten die Patienten erhalten, wenn es darum geht, sie über Leistungsspektrum und -qualität eines Krankenhauses zu informieren. Erst an dritter Stelle kommen dann Rettungsdienste und die Ärzte anderer Krankenhäuser, sofern sie als Zuweiser fungieren. Im Regelfall wird es kaum machbar sein, alle niedergelassenen Ärzte sowie potenzielle Patienten in Deutschland anzusprechen. Selbst wenn das mit vertretbarem Aufwand möglich wäre, würde das Krankenhaus wohl nur von Patienten aufgesucht und von Ärzten empfohlen, wenn es in einer zumutbaren Entfernung vom Wohnort des Patienten läge. Dementsprechend gilt es nicht nur zu überlegen, welche Personengruppen überhaupt angesprochen werden sollten, sondern vielmehr auch, an welchen Orten. Voraussetzung dafür ist eine genaue Kenntnis der Marktpotenziale und der aktuellen Marktausschöpfung – für die einzelnen Fachabteilungen wie auch für das
Die KH-Wahl basiert meist auf der Empfehlung des Niedergelassenen Zugangswege der stationär aufgenommenen Patienten Typische Städtische Klinik Anteil in Prozent
100
~45 ~30 ~15
Zugangsweg
Beispiele für wichtigste Meinungsbildner
Alle stationären Aufnahmen
~10
Elektive Einweisung von niedergelassenen Ärzten
„Selbsteinweiser“ über Ambulanz/ Nothilfe
Rettungswesen und Notfallversorgung
Verlegungen von anderen Häusern/ Institutionen
• Eigene
• Niederge-
• Feuer-
• Krankenhaus-
•
Vorerfahrung Meinungsführer in der Ärzteschaft
• •
lassene Ärzte Bekannte Presse
• •
wehren, Rettungsdienste Notärzte Krankentransportunternehmen
ärzte (Vorerfahrung)
Abb. 6.1. Zugangswege in die stationäre Versorgung von Krankenhäusern
6.2 Auf die wesentlichen Marktsegmente konzentrieren
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gesamte Haus. Beide Mengengerüste lassen sich in recht guter Annäherung ermitteln, wenn man – auf Jahresbasis – die Zahlen der hausintern behandelten DRGs, Hauptdiagnosen oder Operationen und Prozeduren jeweils in Bezug setzt zum statistischen Behandlungsbedarf der Population im Einzugsgebiet. Konsolidiert man die Fallzahlen und den ermittelten potenziellen Bedarf über die verschiedenen Alters-, DRG-, Diagnose- oder Operations-/Prozedurgruppen, so erhält man eine aussagekräftige Darstellung von Marktausschöpfung und -potenzialen. Zunächst für jede Fachabteilung, nach erfolgter Konsolidierung dann für das gesamte Krankenhaus. Eine solche Analyse kann mit erprobten IT-Applikationen, etwa dem McKinsey-Marktausschöpfungsinstrument (NAFA®), durchgeführt werden, wie nachstehend für ein Berliner Krankenhaus demonstriert (Abb. 6.2). Als Faustregel sollte ein Krankenhaus für sein unmittelbares Einzugsgebiet Marktanteile von über 60% anstreben. Für einzelne Abteilungen mit überregionaler Reputation dürften zudem Marktanteile von 10 bis 30% in einem Radius von bis zu 100 km erreichbar sein4. Von besonderem Interesse sind die „weißen Flecken“, die sich innerhalb der jeweils abteilungsspezifisch erreichbaren Einzugsgebiete identifizieren lassen, d. h. Zonen, aus denen nur vergleichsweise wenige Überweisungen ins eigene Haus erfolgen. Anzunehmen ist, dass sich in solchen Zonen vorzugsweise Ärzte niedergelassen haben, die offenbar andere Krankenhäuser für die stationäre Behandlung ihrer Patienten präferieren.
Die statistische Marktausschöpfung hilft Fallzahlpotenziale abzuleiten Ermittlung durch das McKinsey-Marktausschöpfungstool
KLIENTENBEISPIEL
Standort KH
Die statistische Marktausschöpfung dient der ersten Orientierung über das Einzugsgebiet und mögliche Potenziale zur Fallzahlsteigerung.
Marktanteil* in Prozent: > 0 ≤ 7.5 > 7.5 ≤ 15.0 > 15.0 ≤ 30.0 > 30.0 ≤ 60.0 > 60.0
Abb. 6.2. Marktausschöpfungsanalyse für ein Klinikum in Berlin
136
6 Der Weg zur erfolgreichen Vermarktung von Krankenhausleistungen
Segmentiert man nun die niedergelassenen Ärzte vor Ort, so lassen sich drei Typen unterscheiden und nach ihrem Beitrag für eine Fallzahlsteigerung priorisieren:
• Niedergelassene Haupteinweiser. Niedergelassene Ärzte, die ausschließlich oder
überwiegend in das eigene Haus überweisen, sind de facto unerlässlich für den Erfolg im Einweiserwettbewerb. Die Pflege der Beziehung zu ihnen ermöglicht es, das Patientenaufkommen auf hohem Niveau abzusichern. Beispielsweise bietet es sich an, ihr Einweiserverhalten anhand von Zeitreihen zu überwachen. Abweichungen vom „normalen“ Überweisungsverhalten können so kurzfristig aufgedeckt und deren Ursachen, z. B. im Rahmen eines Besuchs, geklärt werden. Insgesamt sind in diesem Segment allerdings nur vergleichsweise geringe Fallzahlsteigerungen zu erwarten, da die Patientenströme im Regelfall bereits auf das eigene Haus gelenkt werden.
• Niedergelassene ohne klares Einweiserprofil. Sie überweisen gelegentlich in das
eigene Haus, häufig aber auch zur Konkurrenz. In aller Regel tun sie das vor allem aus Unkenntnis des vollen Leistungsspektrums des eigenen Hauses. Solche Informationsdefizite lassen sich am besten im persönlichen Gespräch adressieren und ausräumen. Gelingt das, so bestehen in diesem Segment prinzipiell die größten Wachstumspotenziale.
• Niedergelassene mit fester Einweiserbindung an andere Krankenhäuser. Die Zusam-
menarbeit mit ihnen gestaltet sich in der Regel am schwierigsten. Ziel sollte hier sein, im offenen Dialog Leistungsvorteile gegenüber etwaigen Konkurrenten anzusprechen. Solche Diskussionen liefern oft die wertvollsten Aufschlüsse und Anregungen für die Weiterentwicklung des eigenen Hauses. Im Erfolgsfall lassen sich zudem wesentliche Fallzahlzuwächse erzielen – zu Lasten der Wettbewerber.
Auf jeden Fall empfiehlt es sich, vor der Ansprache eines niedergelassenen Arztes genau zu prüfen, welchem der drei Segmente er angehört. In ihrem Schwerpunkt sollten sich dann die Akquisitions- und Bindungsbemühungen auf die „Niedergelassenen ohne klares Einweiserprofil“ konzentrieren.
6.3 Ein gewinnendes Kommunikationskonzept erarbeiten Die Kommunikation mit den Einweisern, aber auch mit den Patienten sollte jeweils präzise geplant und konsequent umgesetzt werden. Denn die Aufmerksamkeitsspanne ist in beiden Gruppen erfahrungsgemäß kurz und nur eine knappe, prägnante Botschaft wird Wirkung erzielen.
6.3.1 Dialog mit niedergelassenen Ärzten Niedergelassene Ärzte tun sich meist schwer damit einzuschätzen, welches Krankenhaus sich für welche Indikationen klinisch besonders gut eignet. Daher sind sie
6.3 Ein gewinnendes Kommunikationskonzept erarbeiten
137
in hohem Maße auf die Informationsangebote der Krankenhäuser und die Rückmeldungen ihrer Patienten angewiesen. Im Prinzip empfehlen sie Krankenhäuser, wenn sie sicher sein können, dass ihre Patienten dort nicht nur erstklassige medizinische Versorgung erhalten, sondern sich auch vergleichsweise gut aufgehoben fühlen. Vielfach sind dies Häuser, zu denen sie bereits etablierte Kontakte haben. Als Basis für die Zusammenarbeit empfiehlt sich eine klare Positionierung des eigenen Hauses gegenüber dem niedergelassenen Sektor, unterstrichen durch die Zuordnung fester Ansprechpartner im eigenen Haus für die Ärzte aus dem Umland. Für die Einweiser muss jeweils deutlich sein, welche Bereiche Spitzenmedizin und welche Bereiche lediglich Erst- und Notfallversorgung bieten, um die Patienten dann an stärker spezialisierte Häuser weiterzuverweisen. Letzteres ist durchaus akzeptabel. Denn angesichts der heute breit gefächerten Fachdisziplinen können nur noch sehr große Krankenhäuser – in der Regel Universitätsklinika und Maximalversorger – in wirklich jedem Einzelbereich ein gleich hohes Kompetenzniveau vorhalten. Außerdem sind Unterbringungs- und Betreuungsqualität wichtige Kriterien für die Krankenhauswahl. Sind hier die Leistungen unzureichend, muss der niedergelassene Kollege jedem Patienten mühsam erklären, warum hervorragende Diagnostik und Therapie letztlich wichtiger sind als die vermeintlichen Defizite bei Zimmerausstattung, Speiseversorgung oder in der persönlichen Betreuung. Dies kostet viel Zeit und veranlasst die Einweiser nur allzu oft, den Patienten in ein „schöneres“ Krankenhaus zu überweisen, welches den Betreuungskomfort möglicherweise stärker betont als die klinische Qualität. Nach wie vor ist – auch aus Sicht der Niedergelassenen – das Entlassmanagement ein neuralgischer Punkt. Um hier gegenüber den Mitbewerbern Pluspunkte zu sammeln, empfiehlt es sich, nach Behandlungsabschluss jeweils eine sorgfältige Fallinformation weiterzuleiten. Der einweisende Arzt sollte möglichst zeitnah zur Entlassung – auf Wunsch auch online – alle relevanten Dokumente aus der Patientenakte des Krankenhauses erhalten: nicht nur Laborwerte und Röntgenbilder, sondern vielmehr eine vollständige Dokumentation der Behandlung, einschließlich Befunde, Medikation sowie eventueller Verhaltensanweisungen an den Patienten. Um eine kontinuierliche Weiterbetreuung sicherzustellen, sollte man zudem Patienten im Rahmen des Entlassgesprächs darauf hinweisen, dass sie zur Nachkontrolle unbedingt innerhalb der nächsten 14 Tage den einweisenden Arzt aufsuchen sollten. Es sei denn, es besteht bereits explizit eine entsprechende andere Vereinbarung mit dem Einweiser. Auf dieser Grundlage lassen sich dann die Beziehungen zu den Einweisern vertiefen und intensivieren (Abb. 6.3). Besonders wertvoll und von den Niedergelassenen in aller Regel hochgeschätzt sind Besuche leitender Klinikärzte vor Ort – in der Praxis des Einweisers. Hinzu kommen Fortbildungsangebote, gemeinsame Workshops, Aufnahme in den Verteiler für Publikationen und Informationen, eventuelle Hospitationsangebote etc. Bestehen regelmäßige Kontakte, so liegt es nahe, Arztpraxen und Klinikum auch direkt zu vernetzen. Das kann telefonisch über eine Hotline oder auch online über das Internet geschehen. Technisch ist es schon heute möglich, elektive Patienten online an das geeignete Krankenhaus zu überweisen und umgekehrt aus dem Krankenhaus heraus Nachbehandlungs- oder Reha-Maßnah-
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6 Der Weg zur erfolgreichen Vermarktung von Krankenhausleistungen
Ergebnisse einer Einweiserbefragung Groß
Niedergelassenenbesuche Hotline Workshop zur Erarbeitung gemeinsamer Therapierichtlinien
Nutzen
Fortbildungen HausinfoKontaktkarte heft Ärzte Angebot einer Hospitation Kontaktkarte Patienten
Infobuch
Klein Schwer (aufwändig)
Leicht
Machbarkeit
Abb. 6.3. Maßnahmenpriorisierung zur Einweiserbindung durch die Niedergelassenen
men einzuleiten. Aufnahme- und Entlassprozess lassen sich so wesentlich effizienter gestalten. Kooperationsziele, Partnerauswahl sowie Modalitäten der Ansprache und Betreuung sollte man nach Möglichkeit jeweils anhand der segmentierten Einweisergruppen festlegen und detaillieren. Die Entwicklung standardisierter Gesprächsleitfäden für die einzelnen Zielgruppen kann die Kommunikation erleichtern, sichert ein einheitliches Niveau und lässt eine zentrale Auswertung der Besuche zu. Sofern mehrere Fachabteilungen Einweisergespräche führen wollen, sollten diese in jedem Fall koordiniert werden. Damit wird verhindert, dass innerhalb kürzester Zeit verschiedene Fachrichtungen den Kontakt zum gleichen niedergelassenen Kollegen suchen. Zudem lässt sich so am besten sicherstellen, dass die Positionierung des gesamten Krankenhauses und das Wertversprechen jeweils in gleicher Form von allen Fachabteilungen übermittelt werden. Wie zahlreiche Fallbeispiele inzwischen belegen, lassen sich mit professionell koordinierten und durchgeführten Einweiserbesuchen rasche und zugleich nachhaltige Fallzahlsteigerungen erzielen (Abb. 6.4). So konnte ein Klinikum der Maximalversorgung mit über 40.000 Patienten pro Jahr seine stationären Fälle innerhalb von drei Monaten um rund 6% gegenüber dem Vorjahreszeitraum steigern, nach zwölf Monaten waren es sogar 8%5. Erwähnung verdient, dass sich das Wachstum breit über alle Fachrichtungen erstreckte und nicht nur in einzelnen Fachabteilungen generiert wurde.
6.3 Ein gewinnendes Kommunikationskonzept erarbeiten
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Erfolge eines professionell koordinierten Einweiserbesuchprogramms KLIENTENBEISPIEL
8,0
Veränderung der Zahl stationärer Aufnahmen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, in Prozent
-1,9 Vor Programmbeginn
5,9
6 Wochen nach Programmbeginn
12 Monate nach Programmbeginn
Abb. 6.4. Mit einem professionellen Einweiserprogramm lassen sich nachhaltige Fallzahlsteigerungen erzielen
Sollen wichtige Einweiser noch enger an das eigene Haus gebunden werden, kann es sinnvoll sein, die bestehende Kooperation stärker zu institutionalisieren. Um das erhoffte Wohlverhalten zu erreichen, empfehlen sich entsprechende gesellschafts- oder vertragsrechtliche Absicherungen. Im Regelfall reduzieren sie die Schnittstellenprobleme bei der direkten Zusammenarbeit. Typische Beispiele sind die Integration von Arztpraxen in medizinische Versorgungszentren, der Abschluss von integrierten Versorgungsverträgen oder auch die Teilzeitanstellung von niedergelassenen Ärzten. Derart institutionalisierte und damit auf Dauer nicht zu verbergende Vertragsbeziehungen stellen allerdings auch einen massiven Eingriff in die Markt- bzw. Wettbewerbsbedingungen auf Einweiserseite dar. Und daraus resultieren zum Teil erhebliche Risiken – nicht nur für die Partner im niedergelassenen Bereich, sondern auch für das jeweilige Krankenhaus6. Daher sollte man aus Krankenhaussicht institutionalisierte Kooperationen stets nur sehr selektiv eingehen, mit klarem strategischen Ziel und erst nach sorgfältiger Abwägung der Chancen und Risiken7.
6.3.2 Ansprache von Patienten Auch wenn die Meinungsbildung auf Patientenseite nach wie vor stark vom behandelnden niedergelassenen Arzt geprägt wird, so müssen sich die Krankenhäuser
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6 Der Weg zur erfolgreichen Vermarktung von Krankenhausleistungen
doch auf zunehmend mündigere Patienten einstellen. Um zu verstehen, inwieweit ein Haus den Anforderungen genügt, verlassen sich immer mehr Patienten auf Empfehlungen aus dem persönlichen Umfeld oder recherchieren selbst bzw. über Angehörige im Internet. Hier bietet modernes Krankenhausmarketing die Chance, das Profil des eigenen Hauses überzeugend in Medien und Öffentlichkeit darzustellen und dem Patienten bereits im Vorfeld das Gefühl zu vermitteln, in die richtige Einrichtung zu kommen. Dabei ist es von Vorteil, auch dem einweisenden Arzt selbst Informationsmaterial für den Patienten – jeweils indikationsspezifisch formuliert – an die Hand zu geben. Den Patienten erreichen auf diesem Wege verlässlich die entscheidenden Botschaften, der Arzt wird zeitlich entlastet. Weitere Möglichkeiten, dem eigenen Haus angemessen Gehör zu verschaffen, sind indikationsspezifische Fachvorträge für Patienten oder die intensive Zusammenarbeit mit den für einzelne Erkrankungsbilder bereits sehr bedeutsamen Selbsthilfegruppen. Mit der Ansprache des Patienten im Vorfeld eines Krankenhausaufenthalts sollte man es jedoch nach Möglichkeit nicht bewenden lassen. Vieles spricht dafür, eine dauerhafte Beziehung zum Patienten auch nach seiner Entlassung aufrechtzuerhalten. Schließlich müssen die meisten Menschen mehr als einmal im Leben in stationäre Behandlung. Und eine positive Erfahrung beim ersten Aufenthalt, verbunden mit einer Pflege der Kontakte in den Folgejahren, kann sich für das behandelnde Krankenhaus in der Zukunft durchaus bezahlt machen. Von einem solchen Verständnis der Patienten- oder vielleicht besser der Kundenbeziehung sind die meisten deutschen Krankenhäuser derzeit noch weit entfernt. Dies verdeutlicht die Studie des Commonwealth Fund (2005), in der die Prozessqualität von Krankenhäusern in sechs Ländern verglichen wurde8. Mehr als die Hälfte der in Deutschland befragten Patienten bewerteten die Koordination bei der Entlassung als schlecht: Den Patienten fehlt häufig ein Ansprechpartner für eventuelle spätere Rückfragen, kaum jemand vereinbart Anschlusstermine zur Vorstellung in der Ambulanz. Ebenso unterbleiben Rückverweisungen an den einweisenden Arzt, so wünschenswert sie auch sein mögen. In der Vergangenheit mögen dies eher lässliche Versäumnisse gewesen sein. Heute sehen sich die Krankenhäuser mit einem zunehmend veränderten Patientenverhalten konfrontiert: Die Patienten erwarten, in die verschiedenen Entscheidungen des Behandlungsprozesses verstärkt eingebunden zu werden, damit gewinnen sie für die Kliniken auch als Endkunden immer mehr an Bedeutung. Mit steigendem Informationsgrad treten sie zudem den Niedergelassenen wie auch den Klinikärzten zunehmend selbstbewusst entgegen.9 Was heute schon möglich ist in der Interaktion von Klinikpersonal und Patienten, zeigen die Erfolgsbeispiele einiger fortschrittlicher Krankenhäuser. Meist konzentrieren sich ihre Bemühungen auf Verbesserungen im Entlassmanagement sowie auf erste Ansätze zur Kundenbindung, um auch nach abgeschlossener Behandlung den Kontakt zum Patienten weiter aufrechtzuerhalten. Im Grunde geht es hier zunächst einmal um sehr elementare Dinge. Ein sorgsam geführtes, eventuell durch ein IT-Expertensystem unterstütztes Entlassgespräch am Ende jeder Behandlung sollte eigentlich eine Selbstverständlich-
Endnoten
141
keit sein – mit klaren Informationen und Verhaltensanweisungen sowie genauen Absprachen über die weiteren Therapie- bzw. Rehaschritte. Ein solches Gespräch schafft Sicherheit und Vertrauen auf Patientenseite und bietet zudem Anknüpfungspunkte für eine regelmäßige Kontaktpflege. Was spricht dagegen, wenn die verantwortlichen Ärzte in den ersten Monaten nach der Entlassung gelegentlich den Patienten anrufen und sich nach Befinden und Genesungsfortschritt erkundigen? Zudem empfiehlt es sich, ehemalige Patienten einige Zeit nach Behandlungsabschluss zu einem Kontrolltermin einzubestellen. Auf diese Weise wird nicht nur der Patientenkontakt gewahrt, vielmehr erhält man auch wichtiges Datenmaterial für die hauseigene Qualitätssicherung. Patienten, die frühzeitig sowie nachhaltig durch klar zugeordnete Ansprechpartner auf Seite des Krankenhauses betreut werden, wählen für weitere Behandlungen eher das bereits vertraute Krankenhaus oder empfehlen dieses gegebenenfalls gern im Familien- und Freundeskreis weiter. Für jedes Krankenhaus dürfte es ein echter Wettbewerbsvorteil sein, wenn es einen vergleichsweise hohen Bekanntheitsgrad und – mehr noch – das Vertrauen seiner Patienten besitzt.
Endnoten 1
Dies bestätigen auch die Arbeiten der Forschungsgruppe Metrik. Vgl. Zinn/Messner, 2004 Meist handelt es sich dabei um Privatpatienten – eine zwar wirtschaftlich attraktive, aber zahlenmäßig begrenzte Zielgruppe. Zu beachten ist überdies, dass erfahrungsgemäß 60 bis 80% dieser Patienten nach der ambulanten Versorgung wieder nach Hause entlassen werden. Die auffällige Schwankungsbreite von 60 bis 80 % erklärt sich aus regionalen Unterschieden im Nutzerverhalten und mithin auch im Behandlungsbedarf. In einem Stadtstaat wie Berlin werden die öffentlichen Krankenhäuser und ihre Notaufnahmen häufig als 24/7-Alternative zum Hausarzt genutzt, insbesondere von älteren Mitbürgern. Entsprechend hoch ist der Anteil von Fällen mit nur einmaligem bzw. relativ geringem Behandlungsbedarf, die keine stationäre Versorgung erfordern. Anders in einem Flächenstaat wie Bayern: Dort suchen die Patienten vorzugsweise nur in echten Notsituationen das nächstgelegene Krankenhaus auf. Entsprechend höher fällt damit der Anteil gravierender Verletzungen oder Erkrankungen aus, die stationär weiter behandelt werden müssen. 3 Einer Fallzahlerhöhung sind hier schon rechtlich enge Grenzen gesetzt. Denn das Rettungspersonal ist gehalten, stets das nächstgelegene Krankenhaus anzusteuern, das eine medizinisch akzeptable Versorgung für den Patienten sicherzustellen vermag. Damit bestehen für Sanitäter wie gegebenenfalls auch Patienten nur begrenzte Wahlmöglichkeiten. Eine gezielte Lenkung des Patientenstroms auf das eigene Haus ist auf diesem Wege nur schwer möglich. 4 Die Verlegung aus anderen Häusern hat auch heute noch relativ geringe Bedeutung, da es dem Selbstverständnis vieler Häuser widerspricht, Patienten nach der Diagnose oder während des Therapieverlaufs an ein anderes Krankenhaus zu überweisen. Auch wenn künftig mehr Arbeitsteilung und Kooperation zwischen den einzelnen Krankenhäusern üblich sein dürfte, sollte man damit doch keine übermäßigen Erwartungen bezüglich höherer Fallzahlen verbinden. 5 Zur Zahlenbasis vgl. Wichels, R./Behar, B.I./Salfeld, R. (2007): Wege zum professionellen Einweisermanagement. In: Chefärzte Brief, Sonderausgabe, S. 26–32. 6 Vgl. dazu Thomas, A. (2005): Wann lohnt sich ein MVZ? Konzeption des Gesetzgebers und betriebswirtschaftliche Implikationen aus Sicht der Krankenhäuser. In: Das Krankenhaus (10), S. 865–872. 7 Welche entscheidungsrelevanten Fragen sich hier im Einzelnen stellen, wird in Kap. VII modellhaft am Beispiel der Gründung eines medizinischen Versorgungszentrums erörtert 8 Zur Studie des Commonwealth Fund vgl. Kap. 1, Seite 10 9 Vgl. Gellner 2006, S. 14. 2
7
Neue Ideen zur Optimierung nicht klinischer Teilfunktionen
Nicht klinische Dienste haben im Krankenhaus eine Doppelfunktion. Zum einen ist es ihre Aufgabe, die komplexe Infrastruktur aufrechtzuerhalten und die Betriebsfähigkeit des Krankenhauses sicherzustellen. Zum andern fungieren sie – nolens volens – als eine Art Visitenkarte: Als Erbringer von Service- und Supportleistungen haben sie vielfältige Kontakte zu Patienten und Besuchern. Zudem ist die Qualität ihrer Leistungen in hohem Maße transparent und auch von Außenstehenden direkt überprüfbar. Ob das Essen schmeckt, Räume gepflegt oder ungepflegt erscheinen, Anlagen und Geräte auch sämtlich funktionieren – darüber kann sich jeder sehr rasch eine (durchaus zutreffende) Meinung bilden. Wie Umfragen in der Bevölkerung immer wieder zeigen, ist die Qualität der nicht klinischen Dienstleistungen zwar nicht das Hauptkriterium zur Beurteilung von Krankenhäusern, aber stets ein wichtiges zusätzliches Kriterium zur Beurteilung der Gesamtqualität eines Krankenhauses.1 Typischerweise entfallen auf die nicht klinischen Dienste etwa 20% der Gesamt kosten des Krankenhauses. Dort sind im Regelfall auch 20% aller Beschäftigten tätig, mit einem Anteil von etwa 50% an den gesamten Bereichskosten (Abb. 7.1). Die wichtigsten dieser patienten- und besuchernahen Service- und Supportleistun gen sind:
• Speiseversorgung/Catering • Textil- und Wäscheversorgung • Reinigung • Facility Management • Transport- und Logistikdienstleistungen • Handwerker- und Hausmeisterdienste • Sicherheitsdienste • Wartung und Sterilisation medizinischer Anlagen und Geräte. Größte Herausforderung angesichts des zunehmenden Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitswettbewerbs ist es, die verschiedenen Einzelleistungen nicht nur qualitativ hochwertig, sondern vor allem auch möglichst kostengünstig zu erbringen.
144
7 Neue Ideen zur Optimierung nicht klinischer Teilfunktionen
Kosten für nicht klinische Service- und Supportleistungen in Prozent
GROBSCHÄTZUNG
Gesamtkosten
100
~ 50
~ 80
Nicht medizinische ~ 20 Serviceund Supportleistungen
~ 20 ~ 20
Gesamt
SpeiseFacility Manage- versorgung ment*, Transport, Sicherheit
Reinigung
~ 10 Wäsche
* Inkl. Instandhaltung, Handwerker- und Hausmeisterdienste, ohne medizinischen Sachbedarf Quelle: McKinsey
Abb. 7.1. Die Kosten für nicht klinische Service- und Supportleistungen haben einen sigifikanten Anteil an den Gesamtkosten eines Krankenhauses
7.1 Leistungserhebung und -messung sollten sich gleichermaßen an Kosten und Produktivität orientieren Erfahrungsgemäß sind Krankenhausträgern und kritischer Öffentlichkeit Einsparungen bei den nicht klinischen Diensten leichter zu vermitteln als Einsparungen bei den klinischen. Entsprechend konzentrieren sich die Sparmaßnahmen in vielen Häusern seit Jahren auf die nicht klinischen Bereiche: Das Spektrum reicht von bloßer Arbeitsverdichtung über Zentralisierung bis hin zur (teilweise auch partiellen) Fremdvergabe von Leistungen. Inzwischen hat sich hierfür – auch gefördert durch systematisches Benchmarking – eine Art Best-Practice für Verbesserungsmaßnahmen herausgebildet. Als Modellbeispiele für die Maßnahmenerarbeitung und -implementierung werden im Folgenden drei Leistungsbereiche gewählt. Üblicherweise repräsentieren sie auch die drei größten Einzelkostenblöcke bei den nicht klinischen Dienstleistungen und sind somit vorrangig zu betrachten: Speiseversorgung/Catering, Textil-/ Wäscheversorgung und Reinigung. Auf das Facility Management entfällt zwar ein nominal höherer Kostenanteil, bei näherem Hinsehen erweisen sich die Einzelposi-
7.1 Leistungserhebung und -messung
145
tionen des Facility Management jedoch als überaus heterogen und eher summarisch zusammengefasst. Für sich genommen sind sie auch jeweils deutlich kleiner als die nachfolgend dargestellten sehr viel homogeneren Leistungsbereiche: 1. Speiseversorgung/Catering, d. h. die Versorgung der Patienten und gegebenenfalls der Mitarbeiter mit den meist drei Tagesmahlzeiten sowie eventuellen Zwischenmahlzeiten 2. Textil- und Wäscheversorgung, d. h. die Versorgung z. B. der Stationen, OPs und Rettungsstellen mit gereinigten Textilien und der Mitarbeiter mit entsprechender Berufsbekleidung 3. Reinigung, d. h. die regelmäßige Reinigung und Pflege der Räumlichkeiten – auf den Stationen, in den OPs und im administrativen Bereich. Alle drei Bereiche sind in hohem Maße krankenhausspezifisch. Die hier demonstrierten Verfahren können somit auch auf andere, vergleichbare nicht klinische Dienste/Bereiche übertragen werden. Überdies kann man zur Optimierung nicht krankenhausspezifischer Funktionen direkt auf gängige Methoden und Ansätze aus der Unternehmenspraxis zurückgreifen. Grundlage für einen qualitativ hochwertigen und zugleich wirtschaftlichen Einsatz der nicht klinischen Dienste sind eine exakte Messung und präzise Steuerung der Leistungserbringung. In Kombination mit internen und externen Best-PracticeVorgaben ermöglichen sie es, Verbesserungspotenziale systematisch zu ermitteln und auszuschöpfen. Benötigt werden hierzu vorzugsweise quantitative Kennziffern: Sie müssen sich sowohl zur Messung von Effizienz und Qualität nicht klinischer Dienstleistungen als auch zur Steuerung der zu Grunde liegenden Prozesse und Abläufe eignen: Nach Lage der Dinge sind dies Kosten-, aber auch Produktivitätskennziffern: Erst die Kombination der beiden nachstehend beschriebenen Typen von Kennziffern ermöglicht es dem Krankenhaus, (noch) bestehende Verbesserungspotenziale zu ermitteln, Zielvorgaben auf Best-Practice-Niveau zu definieren und die Aktivitäten bei der Leistungserbringung entsprechend zu steuern. Wo immer es möglich ist, sollte das so entstehende Kennziffersystem ergänzt werden um Zufriedenheitsparameter zu Prozessqualität und Servicelevel. Diese Parameter dienen zur Erfassung der „gefühlten“ Versorgungsqualität aus Patienten- und Besuchersicht; sie lassen sich anhand entsprechender Nutzerbefragungen ermitteln und regelmäßig nachhalten. Kostenkennziffern: Für die einzelnen Bereiche lassen sich zumeist nur relativ wenige Einflussgrößen identifizieren, die operativ relevant und zugleich auch als Haupttreiber für den jeweiligen Kostenblock einzustufen sind. Aus diesem Grund werden als Messkriterien für operative Effizienz vorzugsweise kostenbezogene Kennziffern gewählt, z. B. Personal- und Sachkosten. Solche Kennziffern eignen sich nicht nur zur internen Kontrolle und Steuerung der Abläufe, sondern auch für vielfältige Benchmarkingvergleiche: (1) zwischen verschiedenen Häusern; (2) zwischen verschiedenen Krankenhäusern und (sinn-
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7 Neue Ideen zur Optimierung nicht klinischer Teilfunktionen
voll) vergleichbaren Serviceeinrichtungen, z. B. im NGG-Bereich, (3) zwischen interner Leistungserbringung und Fremdvergabe an externe Dienstleister. Typische Kostenkennziffern sind:
• Speiseversorgung/Catering − Gesamtkosten für die Beköstigung je Behandlungstag ·· Zielwert: ca. 8 bis 10 EUR je Behandlungstag
• Essen und Getränke
− Kosten des „Wareneinsatzes" je Behandlungstag ·· Zielwert: ca. 4 bis 4,50 EUR je Behandlungstag
• Textil-/Wäscheversorgung
− Gesamtkosten je Behandlungstag ·· Zielwert: ca. 4 bis 5 EUR − Gesamtkosten je Fall ·· Zielwert: ca. 40 bis 45 EUR − Gesamtkosten je kg ·· Zielwert: ca. 0,70 bis 0,75 EUR je kg. Gerade der Bereich Textil-/Wäscheversorgung stellt sich in vielen Krankenhäusern ausgesprochen heterogen dar. Häufig wird noch völlig unspezifiziert je kg gewaschene Textilien abgerechnet. Welche Leistungsumfänge unter dem Begriff Textil-/ Wäscheversorgung erfasst werden, kann von Haus zu Haus ganz erheblich variieren. Wenn von Bereichskosten die Rede ist, sind damit erfahrungsgemäß die Kosten für Stations- und Flachwäsche, für OP-Textilien oder auch für Berufsbekleidung gemeint. Auf Grund der sehr unterschiedlichen, von Haus zu Haus gegebenenfalls stark variierenden Abgrenzung empfiehlt es sich, vor jeder Interpretation der Ergebnisse stets zu prüfen, welche Textilarten mit der Kostenaufstellung tatsächlich erfasst werden.
• Reinigung − Gesamtkosten für die Reinigung je m2 Reinigungsfläche ·· Zielwert: ca. 16 bis 18 EUR jährliche Kosten je m2 Reinigungsfläche. Produktivitätskennziffern: Die Leistungserbringung lässt sich wirklich vollständig nur abbilden, wenn auch Produktivitätsaspekte in geeigneter Weise einbezogen werden. Die hierfür relevanten Kennziffern werden nachstehend aufgelistet. Mit ihrer Hilfe kann man auch Benchmarkingvergleiche anstellen – zwischen einzelnen Häusern, zwischen verschiedenen Krankenhäusern und NGG-Einrichtungen, aber auch zwischen interner Leistungserbringung und Fremdvergabe.
7.2 Operative Exzellenz erlaubt es, Leistungsreserven systematisch zu erschließen
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• Speiseversorgung/Catering − Verhältnis Beköstigungstag zu Behandlungstag (BKT-BHT-Verhältnis) als Indikator für die Planung des Wareneinsatzes ·· Zielwert: BKT-BHT-Verhältnis von 0,95
• Textil-/Wäscheversorgung
− (Meist werden hier ersatzweise kostenbezogene Kennzahlen verwendet.)
• Reinigung
− Reinigungsleistung in m2 pro Stunde je Mitarbeiter ·· Zielwert: 180 bis 200 m2 je Stunde.
7.2 Operative Exzellenz erlaubt es, Leistungsreserven systematisch zu erschließen Auf den ersten Blick tun die nicht klinischen Dienste in allen Krankenhäusern das Gleiche: Sie verköstigen die Patienten, versorgen sie mit Wäsche, reinigen die Behandlungsräume und Stationen etc. Bei näherer Prüfung zeigt sich jedoch, dass sie diese zumeist generischen Leistungen sehr unterschiedlich erbringen – mit unterschiedlicher Produktivität und auch in unterschiedlicher Qualität. Eventuelle Diskrepanzen lassen sich anhand zweier einfacher Leitfragen identifizieren. Teils schon im hausinternen Vergleich, teils aber auch erst in Benchmarkingvergleichen mit anderen Häusern oder Leistungserbringern. 1. Wie viele Mitarbeiter werden benötigt, um eine definierte Dienstleistung zu erbringen? Dies ist die klassische Frage nach der Produktivität, genau genommen dem Verhältnis von Output zu Input. 2. Welche Kosten fallen für die definierten Dienstleistungen an? Dies ist die klassische Benchmarkingfrage nach den Kosten zur Erbringung der Dienstleistungen und wird vor allem von der Kostenstruktur des Leistungserbringers getrieben. Besonders frustrierend ist aus Krankenhaussicht meist der Benchmarkingvergleich mit strikt privatwirtschaftlich geführten NGG-Betrieben wie Gaststätten, Hotels und Reinigungsfirmen. In der Regel bestehen solchen Anbietern gegenüber Faktorkostennachteile von ca. 15 bis 20%. Sie resultieren im Wesentlichen aus den tarifvertraglichen Unterschieden zwischen NGG-Bereich und öffentlichrechtlichem Sektor. Nach wie vor dominieren in der stationären Versorgung die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (TVöD): Sie schreiben Vergütungsniveaus fest, die zum Teil klar über den entsprechenden NGG-Levels liegen. Gleichzeitig ist die Regel-Wochenarbeitszeit deutlich kürzer als in der Privatwirtschaft. Ebenso schaffen die vergleichsweise großzügigen Urlaubs- und Weihnachtsgeldregelungen spürbare finanzielle Mehrbelastungen. Hinzu kommt, gerade in öffentlich-rechtli-
148
7 Neue Ideen zur Optimierung nicht klinischer Teilfunktionen
chen Krankenhäusern, ein typischer Problemmix aus ungünstiger Altersstruktur der Mitarbeiter, weitgehenden Arbeitsplatzgarantien, hohem Krankenstand sowie unzureichenden individuellen Leistungsanreizen. In der Summe ergeben sich daraus erhebliche weitere Produktivitätsminderungen. Da ist es nicht verwunderlich, wenn rigoroses Outsourcing geradezu verlockend erscheint – als Alternative zu schmerzhaften eigenen Einspar- und Produktivitätsanstrengungen. Die Hoffnungen, dass sich so die Produktivitätsvorteile der Privatwirtschaft auch automatisch für die stationäre Versorgung erschließen lassen, erfüllen sich aber in aller Regel nicht. Vielfach geben nämlich privatwirtschaftlich agierende Outsourcing-Partner ihre Faktorkostenvorteile so gut wie gar nicht an ihren Auftraggeber weiter, vielmehr nutzen sie diese, um daraus die eigene Gewinnmarge zu finanzieren. Bei Weitem empfehlenswerter ist es, auf eigene operative Exzellenz (OE) zu setzen. Wie die Praxiserfahrungen zeigen, können durch entsprechende OE-Programme bestehende Leistungsreserven ebenso kurzfristig wie nachhaltig erschlossen werden. Je nach Ausgangssituation belaufen sich die Verbesserungspotenziale in den nicht klinischen Diensten auf etwa 20 bis 30% der dort (bislang) anfallenden Kosten bzw. 4 bis 6% der Gesamtkosten des jeweiligen Krankenhauses. Die mit Abstand größte Hebelwirkung erzielen Effizienzsteigerungen beim Personaleinsatz. Denn im Regelfall machen die Personalkosten über 50% des Kostenblocks der nicht klinischen Dienste aus. Auch wenn Ausmaß und Ursachen der Produktivitätsminderungen von Haus zu Haus leicht variieren mögen, so hat sich doch ein weitgehend standardisierbares OE-Vorgehen herausgebildet – analog zu Erfahrungen in der Unternehmenspraxis. In der Regel umfasst der OE-Prozess fünf Schritte. Zumindest in Turnaround-Situationen sollten Krankenhäuser ihn auch in der angegebenen Reihenfolge durchlaufen, und zwar intensiv und vollständig: 1. Diagnose, im Regelfall gestützt auf Leitfragen als Arbeitshypothesen. Dazu gehören Interviews mit allen Betroffenen, Besichtigung von Geräten und Infrastruktur, Analysen von Prozessen, Erhebungen von Kosten- und Mengendaten. 2. Einsatz von Benchmarkingvergleichen, um Leistungslücken zu identifizieren. Der Vergleich mit besonders kostengünstigen Häusern erlaubt es, das maximal mögliche Verbesserungspotenzial zu bestimmen. Zunächst werden die relevanten Kosten-, Qualitäts- und Leistungsparameter für die Vergleichskrankenhäuser erhoben. Danach werden die wichtigsten Handlungsfelder ermittelt und priorisiert. 3. Maßnahmenentwicklung, um jeweils höhere Leistungsniveaus zu erreichen. Ausgehend von Ansatzpunkten und Zielwerten sind die entsprechenden Maßnahmen zur Verbesserung des Status quo zu detaillieren und zu erhärten. Dazu gehören insbesondere Nachweis der Machbarkeit und Ermittlung des Zeitbedarfs. 4. Bewertung der Einsparpotenziale. Zunächst gilt es, die Potenziale der einzelnen Maßnahmen jeweils überschneidungsfrei zu quantifizieren. Danach sind für jede Maßnahme Umsetzungsaufwand und -wahrscheinlichkeit realistisch abzuschät-
7.2 Operative Exzellenz erlaubt es, Leistungsreserven systematisch zu erschließen
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zen. Abschließend erfolgt ihre Priorisierung nach Ergebniswirksamkeit und Fristigkeit. 5. Implementierungsplanung und -controlling. Ausgehend von den Priorisierungen sind für die einzelnen Maßnahmenbündel Umsetzungswellen, Meilensteine und Verantwortlichkeiten festzulegen. Falls erforderlich, sind vorab Pilotierungen zur Rollout-Vorbereitung und Mitarbeiterschulung durchzuführen. Umsetzungsergebnisse und -fortschritte werden jeweils durch ein begleitendes Realisierungscontrolling nachgehalten. Gegebenenfalls initiiert das Controlling auch Maßnahmen zur Gegensteuerung, um den Implementierungserfolg sicherzustellen. Wie im Folgenden an den Beispielen von Speiseversorgung, Textilversorgung und Wäscherei sowie Reinigung gezeigt werden soll, lassen sich durch OE vor allem zwei Arten von Verbesserungen realisieren: Kurzfristig, d. h. schon nach wenigen Monaten, ergebniswirksam erweisen sich so genannte Leistungssprünge; sie resultieren im Wesentlichen aus Sofortmaßnahmen und Einmaleffekten. Langfristig zu Buche schlagen kontinuierliche Verbesserungen; sie beruhen auf Lerneffekten in der Organisation und spiegeln auch neu gewonnene strategische Freiheitsgrade und Gestaltungsmöglichkeiten wider. Mithin sollten die Bemühungen um OE stets am Anfang aller Reorganisationsanstrengungen stehen – sei es, dass sie andere Maßnahmen flankierend begleiten oder ihnen antizipierend vorausgehen.
7.2.1 OE-Ansätze in der Speiseversorgung Speiseversorgung in Krankenhäusern ist vielerorts noch eine historisch gewachsene Dienstleistung, geprägt von Hygieneanforderungen, Ad-hoc-Lösungen und geringer Arbeitsproduktivität. Typische Schwachstellen sind dezentrale Küchen mit veralteter Technik, ungünstigen Arbeitsabläufen und hohem Renovierungsbedarf. Personal- und Sachkosten sind hoch. Die Mitarbeiter, meist noch nach TVöD entlohnt, sind vergleichsweise alt und müssen eine Vielzahl von Nebentätigkeiten verrichten. Entsprechend hoch ist meist auch der Krankenstand. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, zuerst die Zielstruktur für die Speiseversorgung neu festzulegen, gestützt auf Benchmarkingvergleiche, aber auch vertiefende Analysen vor Ort. Typische Zielvorgaben bei der Essensherstellung sind Umstellung des Speiseangebots auf Convenience Food, Reduzierung der Fertigungstiefe sowie Senkung des Krankenstands und Abbau von Nebentätigkeiten. Verwirklichen lässt sich das übergreifende Ziel, dem Patienten kostengünstiges, warmes und wohlschmeckendes Essen zu bieten, in der Regel durch eine Kombination von kurz- und längerfristig wirksamen Maßnahmen. 7.2.1.1 Überlegungen zur Zielstruktur Zentrales Problem der Speiseversorgung ist und bleibt die Herstellung und Auslieferung teilweise warmer Mahlzeiten, insbesondere zu den Hauptessenszeiten am Mittag und Abend.
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7 Neue Ideen zur Optimierung nicht klinischer Teilfunktionen
Auf Grund der Economies of Scale ist – wie bei allen personalintensiven Prozessen – die zentrale Herstellung der Gerichte in Großküchen vielfach günstiger als die dezentrale in mehreren kleineren Küchen. Inzwischen gibt es eine Reihe professioneller Zentralisierungskonzepte, mit denen sich auch unter Großküchenbedingungen hohe Anforderungen an Qualität und Geschmack der Gerichte zuverlässig erfüllen lassen:
• „Cook and Serve“. Gemeint ist damit frisches Kochen der Zutaten – in spezialisierten Küchen, dezentral, aber mit stark vereinfachten Arbeitsprozessen und deutlich reduziertem Ressourcenaufwand. Auch bei solch „frisch“ zubereiteten Gerichten liegt, entgegen landläufiger Meinung, der Vorfertigungsgrad der Produkte mittlerweile bei etwa 50 bis 60%. In der Regel handelt es sich hier um Arbeitsgänge bzw. Vorbereitungstätigkeiten, die in Großküchen beim Lieferanten durchgeführt werden können. Dezentral vor Ort werden die Vorprodukte dann in den „Cook and Serve“-Küchen zu Gerichten zusammengestellt und fertig zubereitet.
• „Cook and Chill“. Gemeint sind damit frische Zubereitung und anschließende
Kühlung der Gerichte in Großküchen, mit einer Haltbarkeit des gekühlten Essens von bis zu drei Tagen. Solche Gerichte können direkt vom Caterer bezogen werden und müssen nur noch kurz aufgewärmt bzw. fertig gekocht werden.
• „Cook and Freeze“. In diesem Fall werden Gerichte zentral beim Zulieferer – meist außerhalb des Krankenhauses – vorgekocht und anschließend eingefroren, mit einer Haltbarkeit von mehreren Wochen bzw. Monaten. Vor Ort im Krankenhaus müssen die Gerichte dann professionell gelagert, aufgetaut und fertig zubereitet werden.
• „Sous Vide“-Verfahren. Hochwertige, im Wasserbad bei 70 bis 140 Grad vorge-
garte Fertiggerichte werden hierbei vakuumverpackt vom Lieferanten angeliefert. Vor Ort im Krankenhaus werden die Gerichte nur noch – häufig dezentral auf den Stationen – tischwarm gemacht („regeneriert“) und an die Patienten verteilt.
Was die Auslieferung der Gerichte anbelangt, gibt es grundsätzlich zwei Optionen: (1) Der Patient geht bzw. wird dorthin gebracht, wo die Mahlzeit üblicherweise serviert wird. (2) Die Mahlzeit wird dorthin gebracht, wo sich der Patient üblicherweise aufhält. Welches die bessere Lösung ist, lässt sich nicht a priori bestimmen. Denn die Beantwortung der Frage hängt ebenso ab von der Zusammensetzung des Patientenkreises wie den räumlichen und personellen Gegebenheiten des Krankenhauses. Sieht man einmal von Sonderfällen wie psychiatrischen Abteilungen und Geburtshilfe ab, so besteht für typische Akutkrankenhäuser die logistische Herausforderung in der Regel darin, bettlägerige wie auch nicht bettlägerige Patienten zweimal täglich – nahezu zeitgleich – mit warmen, zudem ansehnlich angerichteten Mahlzeiten zu versorgen. Für die standort- und situationsgerechte Bewältigung dieser Aufgabe gibt es eine ganze Reihe betriebswirtschaftlicher Ansatzpunkte.
7.2 Operative Exzellenz erlaubt es, Leistungsreserven systematisch zu erschließen
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Grundsätzlich gilt: Je größer ein Haus ist, umso schwerer fällt es, tischwarme Mahlzeiten von der Zentralküche an die entfernt gelegenen Stationen zu liefern. Für solche Häuser erweisen sich Versorgungskonzepte, bei denen zentral vorbereitetes Essen kalt angeliefert und dezentral, möglichst „nah am Patienten“, erhitzt und verteilt wird, als zunehmend attraktiv. Dies gilt insbesondere für „Sous Vide“-Angebote. In welchem Umfang künftig noch eigene Küchenkapazitäten erforderlich sind, eine Ausgliederung oder eventuell sogar eine komplette Fremdvergabe erfolgen sollte, muss gesondert geprüft werden. Dabei sollte auch die Zulieferersituation vor Ort oder in der Region berücksichtigt werden. Eine denkbare Alternative ist der gemeinsame Betrieb einer leistungsstarken Großküche bzw. eines Netzes aus Zentralküche und angeschlossenen dezentralen „Cook and Serve“-Küchen im Rahmen einer Kooperation. Als Kooperationspartner kommen nicht nur andere Krankenhäuser, sondern auch Heime, Schulen und sonstige Großeinrichtungen in Frage. Häufig lassen sich die gleichen Speiseangebote ebenso gut extern für Kantinen und Cafeterien verwenden. Damit können gegebenenfalls erhebliche Synergiepotenziale erschlossen werden – bei Auslastung, Mengenumschlag und Ressourceneinsatz, aber auch bei Beschaffung, Logistik sowie Investitionsaufwendungen. 7.2.1.2 Hauptstoßrichtungen für operative Maßnahmen Economies of Scale lassen sich in der Speiseversorgung durch die Bündelung unterschiedlicher operativer Einzelmaßnahmen erschließen. Die Hauptstoßrichtungen werden im Folgenden beispielhaft beschrieben. Bester Zeitpunkt zur Durchführung solcher Maßnahmen ist in der Regel, wenn im Küchenbereich umfangreiche Modernisierungsentscheidungen anstehen, nicht selten in einer Größenordnung von mehreren Millionen Euro. Bedingt durch die unvermeidlichen Betriebsbeschränkungen können dann ohnehin nicht mehr alle Speisen am gleichen Tag produziert und auch verteilt werden, was zu einer weitgehenden Entkoppelung von Produktion und Ausgabe führt. Damit ergeben sich Leer- und Stillstandszeiten beim Personal- und Geräteeinsatz, die für operative Verbesserungen genutzt werden können. Zudem stellen größere Investitionsvorhaben für alle Beteiligten eine natürliche Zäsur dar – wie geschaffen, um gemeinsam über neue, optimale Strukturen in der Speiseversorgung nachzudenken. Umstellung auf „Sous Vide“-Essen: Lebensmittel in Eigenregie zu beschaffen, vorzubereiten und zu kochen, ist in aller Regel sehr arbeitsintensiv und überdies mit erheblichem Flächen- und Infrastrukturaufwand verbunden. Eine elegante Alternative ist die Umstellung auf „Sous Vide“-Fertiggerichte; sie erfordern nur noch geringe Zubereitungsarbeiten vor Ort. Wie kalte Zutaten können „Sous Vide“-Gerichte direkt tablettweise portioniert und dann noch gekühlt zwischengelagert werden. Unmittelbar vor der Verteilung an die Patienten werden sie in speziellen „Regenerierwagen“ vom Krankenhauspersonal direkt auf der jeweiligen Station erhitzt. Auf diese Weise gelangt das Essen garantiert warm zu den Patienten, denn es wird in ihrer direkten Nähe auf die Serviertemperatur gebracht und auch sogleich ausgegeben.
152
7 Neue Ideen zur Optimierung nicht klinischer Teilfunktionen
Mit dem Übergang zu „Sous Vide“-Gerichten verbinden sich viele Vorteile: Küche und Küchendienst im Krankenhaus entfallen weitgehend – in deutlichem Unterschied etwa zu dezentralen „Cook and Serve“-Küchenlösungen. Die Patienten können sich im Prinzip aus einem umfangreichen „Sous Vide“-Produktangebot ihr Essen täglich individuell zusammenstellen, was echte Wahlfreiheit schafft. „Sous Vide“-Gerichte sind in aller Regel hochwertig, vitaminreich und immer tischwarm, sie brauchen zudem keine Zusatzstoffe und müssen kaum gewürzt werden. Deshalb eignen sie sich speziell für die Versorgung von Kindern, Kranken und sonstigen Schonkostbedürftigen. Zentralisierung der Speisenproduktion und -verteilung: Für Krankenhäuser, die ihre „Sous Vide“-Gerichte selbst produzieren/portionieren, empfiehlt es sich, die Küchenleistungen an einem Standort zusammenzuführen, gegebenenfalls gemeinsam mit anderen Krankenhäusern oder Abnehmern. Zum einen wird damit die zentrale Beschaffung der „Sous Vide“-Komponenten bei diversen Großhändlern deutlich erleichtert. Zum andern ermöglicht die Zentralisierung der Küchenleistungen eine Produktion unter echten Großküchenbedingungen: „Sous Vide“-Gerichte lassen sich jeweils mit deutlichem Vorlauf, Stunden oder gegebenenfalls auch Tage im Voraus, in Großserie vorbereiten bzw. portionieren. Dabei werden die Zutaten in der Regel auf Fließbändern tablettweise portioniert, nach Bedarf kühl gelagert oder mit eigenen Transportwagen direkt an die angeschlossenen Stationen bzw. Standorte zur weiteren Verteilung ausgeliefert. Einsatz von „Halb-Euronorm“- oder „2/3-Euronorm“-Tabletts: Logistik- und Investitionskosten lassen sich durch den Einsatz spezieller Speisetabletts wesentlich senken. Sie beanspruchen nur etwa die Hälfte bzw. zwei Drittel der Fläche eines derzeit üblichen Euronorm-Tabletts. Damit kann man auf einem Standardservierwagen für 20 Euronorm-Tabletts 10 bis 20 Tabletts mehr transportieren, was den Logistik- und damit auch den Investitionsaufwand erheblich reduziert: Weniger Servierwagen auf den Stationen bedeuten weniger Lagerflächen, weniger Auslieferungsfahrten und weniger benötigte Lkw-Kapazitäten. Für die Versorgung mit „Sous Vide“-Gerichten reicht vielfach ein Regenerierwagen, auch bei größeren Stationen. Zudem wird die Verteilung vereinfacht, da sich in jeder Hand ein Tablett problemlos tragen lässt (Abb. 7.2). IT-gestützte Planung und Steuerung des Wareneinsatzes: Online-Bestellung erlaubt eine präzise, zugleich flexible Planung, Steuerung und Kontrolle der Speiseversorgung – bei einer Vorlaufzeit von weniger als einem Tag. Die Patienten treffen dazu – in der Regel am Vortag – aus dem aktuellen „Sous Vide“-Katalog ihre individuelle Auswahl. Ihre Bestellung wird jeweils direkt eingegeben über ein Handheld-System, ähnlich einem Organizer oder PDA. Ein derart vereinfachter Bestellvorgang sorgt für mehr Zufriedenheit auf Patientenseite, zugleich reduziert sich das Risiko von Fehlbestellungen und Überproduktion. Die präzisere Vorplanung schlägt sich auch in der Statistik nieder, denn vielfach verbessert sich das Verhältnis von Beköstigungs- zu Behandlungstagen. Für die Stationsleitung bedeutet die onlinegestützte Erfassung mehr Flexibilität und Planungssicherheit bei der Essensausgabe. Für jede Station kann der Zeitpunkt der Regenerierung des Essens individuell bestimmt werden. Damit ist gewährleis-
7.2 Operative Exzellenz erlaubt es, Leistungsreserven systematisch zu erschließen
Einsparpotenziale bei Nutzung von Halb-EuronormTabletts und Outsourcing
153
MODELLRECHNUNG
Catering – Auswirkungen Wechsel von Euronorm- auf Halb-Euronorm-Tabletts Euronorm Investitionskosten
Halb-Euronorm
100%
60%
100%
80%
Tabletts Transportwagen* Regenerierwagen Logistikkosten Stellfläche Lager Verteillogistik Auswirkungen Übergabe Catering an externen Outsourcing-Partner Selbstbetrieben
Outsourcing-Partner
Produktivität je Mitarbeiter
100%
120%
Kosten je Mitarbeiter
100%
85%
Kosten eines Beköstigungstags
100%
80%
* Ca. 40% weniger Tablettwagen, da zahlreiche Stationen durch Wechsel auf Halb-Euronorm mit nur 1 Wagen versorgt werden können Quelle: McKinsey
Abb.7.2. Die Modellrechnung zeigt, wie je nach Ausgangslage beim Catering teilweise signifikante Kosten- und Effizienzvorteile erschlossen werden können
tet, dass jeder Patient, auch bei zunehmend kürzerer Verweildauer, seine Mahlzeiten tatsächlich wie bestellt auf den Tisch bekommt – warm, frisch und qualitativ hochwertig. Just-in-time-Konzepte, in anderen Industrien längst gang und gäbe, werden so auch für die Speiseversorgung im Krankenhaus nutzbar. Bei funktionierendem Schnittstellenmanagement, d. h. im eingeschwungenen Zustand, erfolgt die Essensdisposition zudem genau abgestimmt auf die Anforderungen des Behandlungspfads. Damit ist sichergestellt, dass der Patient jeweils vorschriftsgemäß nüchtern zu Diagnose und Operation erscheint. Ebenso werden Einweisungs-, Verlegungs- und Entlassdaten jeweils online mit den aktuellen Bestelllisten der Station abgeglichen, so dass mögliche Orderfehler auf ein Minimum reduziert werden.
7.2.2 OE-Ansätze in der Textilversorgung und Wäscherei Textilversorgung und Wäschereileistungen stehen üblicherweise nicht im Mittelpunkt von Optimierungsüberlegungen: Zum einen werden die bestehenden Ver-
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7 Neue Ideen zur Optimierung nicht klinischer Teilfunktionen
besserungspotenziale tendenziell eher unterschätzt, zum andern geht es um zum Teil sehr unterschiedliche Produkt- und Servicesegmente. Mit Blick auf die hier realisierbaren, zumeist ausgeprägten Economies of Scale spricht vieles für weitgehende Fremdvergabe, sieht man einmal von der Situation in wenigen sehr großen Häusern ab. Im Regelfall kann nämlich ein leistungsstarker Outsourcing-Partner die anfallenden Auftragsvolumina sehr effizient poolen und so die bestehenden Optimierungspotenziale ungleich besser ausschöpfen. Bedeutendster Kostenblock ist zumeist das Segment „Stations- und Flachwäsche“, gefolgt von den Segmenten „Berufs- und Schutzkleidung“ (Mietwäsche oder Krankenhauseigentum), „OP-Wäsche“, „Decken und Kissen“ sowie „Systemunterlagen“:
• Kostentreiber bei Stations- und Flachwäsche ist im Wesentlichen ein von Station •
zu Station, von Standort zu Standort stark variierender Wäscheverbrauch je Fall/ Behandlungstag. Hinzu kommen – häufig damit verbunden – deutlich divergierende Produkt- und Pflegestandards.
Bei Berufs- und Schutzkleidung wirken kostentreibend auf Arbeitgeberseite vor allem die mangelnde Erfassung und Dokumentation der Nutzer sowie Inef fizienzen beim Ausgabe- und Rücknahmeprozess. Auf Arbeitnehmerseite schlagen mangelndes Kostenbewusstsein sowie eine vorzugsweise sporadische Inanspruchnahme der verfügbaren Bestände zu Buche.
• Bei der OP-Wäsche stehen sich Befürworter der textilen Mehrwegwäsche und
Befürworter der Plastik-Einwegwäsche anscheinend unversöhnlich gegenüber. Auf beiden Seiten wird der Streit erbittert geführt, zum Teil mit geradezu scholastischer Logik. Welche Alternative günstiger ist, lässt sich aus Krankenhaussicht kaum eindeutig entscheiden. Bedingt durch den Wettbewerb zwischen Einweg- und Mehrweganbietern gibt es inzwischen Preisschwankungen von 30 bis 40% von Ort zu Ort. Auch das Argument „Sterilität“, das zunächst für Einwegwäsche zu sprechen scheint, erweist sich als nicht wirklich stichhaltig. Denn inzwischen haben die Mehrweganbieter Reinigungsprozesse etabliert, die allen Sterilitätsbedenken die Basis entziehen und eine umfassende Qualitätskontrolle sicherstellen.
• Bei Decken und Kissen finden Kosten-Leistungs-Vergleiche, wenn überhaupt, auf
Ad-hoc-Basis statt. Zudem ist es üblich, Inletts eher häufiger in die Wäsche zu geben, als kostengünstige Schutzbezüge einzusetzen.
• Bei
Systemunterlagen sowie sonstigen Hilfsmitteln resultiert überhöhter Verbrauch vor allem aus nicht bestimmungsgemäßer Nutzung bzw. offener Zweckentfremdung.
In aller Regel empfiehlt es sich, zuerst Transparenz zu schaffen hinsichtlich Verbrauch und Kosten. Parallel dazu muss ein entsprechender Bewusstseinswandel in Gang kommen, bei den Mitarbeitern ebenso wie bei den Patienten. Um die erforderlichen Lernprozesse auszulösen, eignen sich am besten Benchmarkingvergleiche zwischen den Abteilungen eines Hauses, aber auch zwischen dem eigenen Haus und externen Best-Practice-Vergleichspartnern.
7.2 Operative Exzellenz erlaubt es, Leistungsreserven systematisch zu erschließen
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Auf dieser Grundlage lassen sich dann Zielvorgaben für Leistungsumfänge, Verbrauchs- und Kostenentwicklung definieren. Schlüsselbedeutung hat dabei die Etablierung von Standards zu Produkteinsatz, Pflegeintensität und -frequenz sowie zu Verbrauchsquoten und Sachkosten-/Personalkostenentwicklung. Idealerweise sollte dies jeweils in Form aussagekräftiger Kennzahlensysteme geschehen. Was die Erbringung von Wäschereileistungen in Eigenregie betrifft, sollten vor Ort bzw. in der Region regelmäßige Preis-Leistungs-Vergleiche mit kommerziellen Wäschereien und Lieferserviceanbietern durchgeführt werden. Sie legen für die intern erbrachten Leistungen eine verbindliche Messlatte fest. Entsprechend sind die Vergütungs- und Anreizstrukturen für die Mitarbeiter im Bereich Textilversorgung und Wäscherei zu gestalten.
7.2.3 OE-Ansätze bei Reinigung/Hygiene Reinigung und Hygiene gelten gemeinhin als neuralgische Punkte im Krankenhausbetrieb. Unstrittig ist, dass hier in aller Regel erhebliche Leistungsreserven bestehen. Ähnlich wie bei Wäschereileistungen sind die Vorstellungen, was die Realisierbarkeit von Effizienzpotenzialen anbelangt, eher diffus. Bei genauerem Hinsehen finden sich meist mehr Einsparmöglichkeiten, als man zunächst vermutet. Realisierungsvoraussetzung ist allerdings, dass man die Einsparpotenziale sehr genau mit den erforderlichen Hygienestandards abgleicht. Ebenso wie bei der Speiseversorgung drohen bei übertriebener Reduzierung der Reinigungsfrequenzen bei dieser sehr sichtbaren Serviceleistung Imageeinbußen bei Patienten und Besuchern (Stichwort „gefühlte Qualität“). Erster Schritt sollte eine umfassende Bestandsaufnahme der erforderlichen Leistungsumfänge sein. Für die Reinigung bedeutet dies: genaue Erhebung der verfügbaren und der tatsächlich genutzten Flächen und Räume. Damit einhergehen müssen die Revision und gegebenenfalls Neudefinition der Reinigungsfrequenzen sowie der Reinigungstiefe/-gründlichkeit je Raum. Vielfach gibt es hier zum Teil erstaunliche Transparenzdefizite. Ist-Quadratmeterzahlen der zu reinigenden Flächen sind oft nur schätzungsweise bekannt. Nicht selten fehlen verbindliche Richtlinien, welche Räumlichkeiten täglich und stets auch vollständig/steril zu reinigen sind, z. B. OP, Intensivstationen und Sanitärbereiche. Ebenso ist selten klar definiert, welche Räume in geringerer Frequenz bzw. bei Bedarf zu reinigen sind, z. B. Patientenzimmer, Administrationsräume. Die gewählte Reinigungshäufigkeit und -intensität sollte besonders in der Anfangszeit regelmäßig überprüft werden, um ein bedarfsgerechtes Nachsteuern zu ermöglichen. Benchmarkingvergleiche sind dabei nur bedingt hilfreich, da die bauliche Situation von Standort zu Standort, von Krankenhaus zu Krankenhaus sehr unterschiedlich sein kann. Besonders schlecht schneiden in aller Regel Altbauten ab: Meist weisen sie einen weit überproportionalen Flächenbedarf je Bett auf – 80 bis 120 m2 statt unter 50 m2, wie in heutigen Neubauten üblich. Konsequenz sind zum einen höhere Reinigungskosten, zum andern höhere Wartungskosten und ein größerer Stromund Heizungsbedarf. Beheben lassen sich solche Wettbewerbsnachteile letztlich nur durch Um- und Neubaumaßnahmen inklusive entsprechender Flächenreduzierung.
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7 Neue Ideen zur Optimierung nicht klinischer Teilfunktionen
In einem zweiten Schritt sollten dann ausgehend von den identifizierten Defiziten – jeweils in enger Abstimmung mit Pflegeleitung, Hygieneverantwortlichen und Facility Management – Rahmenvorgaben für die Reinigung erarbeitet werden. Die Grundlage hierfür liefern interne und, soweit übertragbar, externe BestPractice-Erfahrungen. Sämtliche Reinigungskosten sind anhand von Kennziffersystemen transparent und vergleichbar zu machen; das gilt auch für erforderliche Glas- und Sonderreinigungsvorgänge. Damit sind die methodischen Voraussetzungen geschaffen, um sinnvoll Flächenreduzierungen vorzunehmen sowie Konzepte für eine optimierte Flächen- und Raumnutzung zu entwickeln – mit jeweils klar definierten Servicelevels. Aufgabe des Bereichs Reinigung muss es sein, flankierend dazu ein entsprechendes Raumbuch zu erstellen und die verschiedenen Raumklassen nach Reinigungsintensität und -frequenzen neu zu definieren. Ergänzend dazu empfiehlt es sich auch, die Vergütungs- und Anreizstrukturen für den Bereich neu festzulegen: Grundsätzlich sollte sich die Vergütung für Raumpflege- und Wartungsleistungen an den Tarifen für Gebäudereiniger und Hausmeister orientieren. Sofern die Entscheidung zur teilweisen oder vollständigen Fremdvergabe getroffen wird, sind ein entsprechendes Vertragsmanagement und -controlling zu etablieren. Erfahrungsgemäß kommt es gerade in der Anfangszeit zu teilweise auffälligen Qualitätseinbußen. Um hier gegenzusteuern, empfiehlt es sich, ein System von monetären Zu- und Abschlagsregelungen zu vereinbaren, abhängig von der jeweils erbrachten Servicequalität. Außerdem sollte man gerade mit externen Serviceanbietern nur Verträge mit eher kurzer Laufzeit (z. B. zwei Jahre) abschließen, um wirksame Anreize für kontinuierliche Verbesserungen bei Qualität und Kosten zu schaffen.
7.3 Zur Optimierung der Betriebsform gibt es unterschiedliche Modelle Zweifellos können OE-Programme zu erstaunlichen Kurzfristerfolgen führen. Gleichwohl gilt: Dauerhafte Überlegenheit im Wettbewerb lässt sich nur erreichen, wenn die Möglichkeiten zur langfristigen, kontinuierlichen Erschließung von Effektivitäts- und Effizienzpotenzialen auch wirklich konsequent genutzt werden. Voraussetzung dafür ist die Wahl der „richtigen“ Betriebsform. Gemeint ist damit eine Betriebsform für die nicht klinischen Dienstleistungen, in der sich bestehende Economies of Scale und Scope, aber auch organisationsinterne Lernkurveneffekte aus Sicht des Krankenhauses am nachhaltigsten realisieren lassen. Zur Wahl stehen im Prinzip vier Optionen – jede von ihnen hat ihre Vor- und Nachteile. Welche die am besten geeignete ist, lässt sich in aller Regel nicht von vornherein bestimmen. Vielmehr kommt es darauf an, bei der Auswahl der besten Option der spezifischen Umfeldsituation eines Hauses jeweils angemessen Rechnung zu tragen. Gemeint sind damit nicht nur die Markt-/Wettbewerbsbedingungen, sondern auch die Erwartungen des Eigentümers sowie Leistungsvermögen und Anspruchshaltung der Mitarbeiter (Abb. 7.3).
7.3 Zur Optimierung der Betriebsform gibt es unterschiedliche Modelle
157
Vier Optionen zur Leistungserbringung bei nicht klinischen Dienstleistungen 1 Interne Leistungserbringung Erbringung der Leistung unter Leitung und durch eigenes Personal des Krankenhauses
• 100% von Krankenhaus gesteuert • Einsatz eigener Mitarbeiter des Krankenhauses
2 Managementvertrag Externes Management mit Budgetverantwortung Servicegesellschaft
• Externes Management steuert die Leistungserbringung • Mitarbeiter weiterhin Angestellte des Krankenhauses
• Geringer Veränderungs-
• Einbringung externes
• Einflussnahme auf
• Professionelles
• Häufig niedrigere
• Geringe Einsparpoten-
grad
Qualität der Leistung
Produktivität • Häufig ungünstige Faktorkostenstruktur • Betrieb Nicht-Kerngeschäft
Know-how
Management ziale
3 Tochtergesellschaft (Organschaft) 51% Krankenhaus „Servicegesellschaft“ 49% Partner
• Bildung einer umsatz-
steuerlichen Organschaft • Gestellung und sukzessiver Ersatz des krankenhauseigenen Personals
• Einsparung durch nied-
rigere Faktorkosten, Ersparnis Umsatzsteuer • Einbringung externes Know-how • Einfluss auf Qualität • Nach wie vor Beteiligung an Investitionen und Betrieb des NichtKerngeschäfts
4 Outsourcing
Vollständige Leistungserbringung durch externen Vertragspartner
• Rahmenvertrag mit externem Partner
• Anzahl Partner abhängig
von Größe der jeweiligen Aufträge
• Aufhebung Faktorkostennachteil und i.d.R. keine Beteiligung an Investitionen • Vergabe des NichtKerngeschäfts an professionellen externen Experten für solche Leistungen • Anfall der Umsatzsteuer
Quelle: McKinsey
Abb. 7.3. Krankenhäuser können zwischen vier Optionen zur Erbringung der nicht klinischen Dienstleistungen wählen und so den Anteil der eigenen Leistungserbringung steuern
7.3.1 Option 1: Interne Erbringung sämtlicher nicht klinischen Dienstleistungen Ökonomisch sinnvoll ist die Entscheidung zur (kompletten) Eigenerbringung nicht klinischer Dienstleistungen eigentlich nur unter einer Bedingung: wenn es gelingt, bei den relevanten Kernprozessen, insbesondere in der Speise- und Wäscheversorgung, ausreichend kritische Masse zu erreichen, um Skalen- und Verbundvorteile nutzen zu können. Vergleichsweise günstig ist hier die Ausgangslage für Klinikverbünde und Klinikketten. Denn auf Grund ihrer meist hohen Leistungsumfänge sollte es ihnen möglich sein, von solchen Vorteilen zu profitieren. Vielfach erschweren allerdings überkommene Personalstrukturen und Tarifregelungen Reorganisationsmaßnahmen, die erforderlich sind, um wirklich volle Wettbewerbsfähigkeit herzustellen – insbesondere im Vergleich zu externen, kommerziellen Anbietern. Wesentlicher Vorteil interner Leistungserbringung gegenüber einer möglichen Fremdvergabe ist der unmittelbare operative Durchgriff: Damit lassen sich Leistungsstandards sehr viel besser nachhalten und erforderliche Verbesserungen sehr viel direkter durchsetzen. Nachteilig ist vor allem die Bindung von Management- und Personalressourcen außerhalb des eigentlichen Kerngeschäfts eines Krankenhauses – nämlich der
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7 Neue Ideen zur Optimierung nicht klinischer Teilfunktionen
Behandlung und Betreuung von Patienten. Zudem können Wettbewerbsnachteile gegenüber externen Leistungserbringern – z. B. niedrigere Produktivität oder ungünstige, TVöD-bedingte Vergütungs- und Anreizsysteme – erfahrungsgemäß nicht oder nur sehr langsam abgebaut werden.
7.3.2 Option 2: Managementvertrag mit externem Dienstleister In diesem Fall werden die nicht klinischen Dienstleistungen weiterhin mit dem klinikeigenen Personal erbracht. Die operative Führung erfolgt aber durch einen externen Dienstleister – im Rahmen eines entsprechenden „Managementvertrags“. Ziel ist, das Management-Know-how des externen Dienstleisters für die interne Leistungserbringung nutzbar zu machen sowie das Personal besser anzuleiten, zu motivieren und fortzubilden. Gravierende Probleme bei Personal- und Kostenstrukturen, insbesondere bei der tariflichen Vergütung, lassen sich so jedoch keinesfalls beheben. Denn die möglichen Verbesserungen beschränken sich zwangsläufig auf den operativen Betrieb. Besser organisierte, straffere Abläufe erlauben Qualitäts- und Produktivitätssteigerungen, in Ausnahmefällen auch Effektivitätsgewinne, wenn es etwa gelingt, externe Abnehmer für die eigene Speiseversorgung zu akquirieren.
7.3.3 Option 3: Gemeinsame Servicegesellschaft mit externem Dienstleister Inzwischen ist es „en vogue“, so genannte Servicegesellschaften zu gründen, mit dem beteiligten Krankenhaus als Mehrheitsgesellschafter (Anteil mindestens 51%) und einem externen Dienstleister als Minderheitsgesellschafter (Anteil höchstens 49%). Grundidee ist die Bildung einer „umsatzsteuerlichen Organschaft“, so dass die Servicegesellschaft dem Krankenhaus für die erbrachten nicht klinischen Dienstleistungen keinen Umsatzsteueraufschlag in Rechnung stellen muss. Die Einsparung der 19% Umsatzsteuer, die im Falle einer vollständigen Fremdvergabe an einen externen Outsourcing-Partner fällig würden, hat in der Regel einen solch hohen Kostendämpfungseffekt, dass verbleibende Ineffizienzen, etwa auf Grund der Personalstruktur in der neuen, gemeinsamen Servicegesellschaft, bereitwillig in Kauf genommen werden. Daher dürfte auch künftig das Konstrukt der „umsatzsteuerlichen Organschaft“ weiter an Popularität gewinnen. Wie erfolgreich Servicegesellschaften im operativen Geschäft agieren können, hängt entscheidend vom Personalmix ab – d. h. von der Kombination der Krankenhausmitarbeiter und der vom externen Dienstleister abgestellten Mitarbeiter sowie ihren jeweiligen Interaktionen im Geschäftsbetrieb. Beispielsweise ist es möglich – im Rahmen einer so genannten Personalgestellung – Mitarbeiter des Krankenhauses zu marktgerechten Faktorkosten, d. h. separiert vom Tarifgefüge des TVöD, in die „Servicegesellschaft“ einzubringen. Die verbleibenden Mehrkosten für die abgestellten Mitarbeiter sind bei einer solchen Lösung weiterhin vom Krankenhaus zu tragen. Die Mitarbeiter des externen Dienstleisters werden dagegen von vorne-
7.3 Zur Optimierung der Betriebsform gibt es unterschiedliche Modelle
159
herein zu marktüblichen Bedingungen übernommen und entlohnt; d. h., die für sie anfallenden Personalkosten liegen im Regelfall unter dem Kostenniveau des öffentlichen Dienstes. Insgesamt unterschreiten damit die Personalkosten der Servicegesellschaft das Durchschnittsniveau der Personalkosten, die bei interner Leistungserbringung zu TVöD-Bedingungen entstehen würden. Weitere Vorteile sind der Zugang zum professionellen Know-how des externen Dienstleisters und die dadurch möglichen Produktivitäts- und Qualitätsverbesserungen. Aus der Verantwortung für die operative Führung der Servicegesellschaft erwächst für den externen Dienstleister zudem die Verpflichtung, die vom Krankenhaus abgestellten Mitarbeiter entsprechend zu schulen und weiterzuqualifizieren. Als nachteilig kann sich dagegen erweisen, dass das Krankenhaus – auf Grund seiner Mehrheitsbeteiligung an der Servicegesellschaft – weiterhin in die Erbringung nicht klinischer Dienstleistungen involviert ist. Damit bleiben Managementund Mitarbeiterkapazitäten an Aktivitäten außerhalb des eigentlichen Kerngeschäfts des Krankenhauses gebunden.
7.3.4 Option 4: Vollständiges Outsourcing Vollständiges Outsourcing meint die komplette Fremdvergabe nicht klinischer Dienstleistungen an einen oder mehrere externe Service Provider. In der Regel werden als Partner leistungsstarke kommerzielle Dienstleister gewählt, die über ausreichende kritische Masse und spezielle Kernkompetenzen verfügen. Damit können sie z. B. in Einkauf und Vertrieb – über Skalen- und Skopus-Effekte – Effizienz- und Effektivitätspotenziale erschließen, die für ein einzelnes Krankenhaus nicht realisierbar sind. Mit der Entscheidung zur Fremdvergabe verbinden die Krankenhausträger vor allem die Hoffnung, nachhaltig Kosten senken zu können und sich operativ nicht weiter mit nicht klinischen Dienstleistungen befassen zu müssen. Vielfach herrscht die Vorstellung, Outsourcing sei eine Art Patentlösung, mit der man die Konsequenzen von zum Teil langjähriger Unterinvestition geschickt umgehen und sich zugleich Versorgungsleistungen auf Best-Practice-Niveau sichern könne. Über die Verbesserung der Kostensituation hinaus würden sich damit auch neue Investitionsspielräume in den klinischen Bereichen ergeben. Vom externen Partner wird erwartet, dass er die übernommenen Dienstleistungen jeweils mit eigenem Personal zu marktüblichen Preisen/Konditionen erbringt und auch für notwendige Ersatzund Erweiterungsinvestitionen aufkommt. Mit der Fremdvergabe den Schlussstrich unter das Kapitel „nicht klinische Dienstleistungen“ zu ziehen, mag überaus verlockend erscheinen. Die Realität sieht allerdings deutlich anders aus: Wie Erfahrungen aus der Privatwirtschaft zeigen, sind Outsourcing-Entscheidungen kaum erfolgreicher als M&A-Aktivitäten – d. h., ex post erweisen sich rund 60% als nicht erfolgreich und damit wertvernichtend. Warum sollte die Erfolgsquote für die Outsourcing-Aktivitäten von Krankenhäusern a priori höher sein? Über Erfolg oder Misserfolg entscheidet zunächst einmal, ob es gelingt, überhaupt ein tragfähiges Outsourcing-Modell zu definieren und dafür auch den passenden Partner zu finden. Zudem sollte man bei Vertragsgestaltung und -manage-
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7 Neue Ideen zur Optimierung nicht klinischer Teilfunktionen
ment stets darauf achten, dass bestehende Verträge im Lauf der Zeit jeweils flexibel an neue Erfordernisse angepasst werden können. 7.3.4.1 Ausgestaltung des eigenen Outsourcing-Modells In der Praxis trifft man auf ein breites Spektrum von Outsourcing-Arten. Je nachdem, ob es sich um einen einzelnen Krankenhausstandort, mehrere Standorte oder einen Klinikverbund handelt, gestalten sich die Verträge sehr unterschiedlich. Gängig sind Modelle, in denen ein externer Dienstleister in der Rolle des Generalunternehmers alle Serviceleistungen aus einer Hand anbietet, um die Komplexität zu reduzieren – gegebenenfalls unterstützt durch weitere Subkontraktoren und/oder Zulieferer. Wo ausreichend hohe kritische Masse vorhanden ist, ist es ebenso denkbar, mehrere Anbieter gleichrangig zu beauftragen, um mögliche Abhängigkeiten zu vermeiden und für ausreichend Wettbewerb zu sorgen. Große Unterschiede gibt es auch beim Outsourcing von Leistungsumfängen und Leistungstiefe. Im Bereich Speiseversorgung beispielsweise ist es möglich, allein den Küchenbetrieb fremdzuvergeben. Ebenso kommt eine Maximallösung in Frage mit kompletter Vergabe des Caterings, einschließlich aller erforderlichen Investitionen in Küchen- und Logistikausstattung. Oder eine Minimallösung, bei der lediglich zusätzliche Serviceleistungen fremdvergeben werden, etwa die Ernährungsberatung. Vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten bestehen auch bei der Vergütung. Das Spektrum reicht hier von festen Budgets für die Outsourcing-Partner über die Einzelvergütung vordefinierter Leistungen bis hin zu nutzungsabhängigen Gebührenordnungen. 7.3.4.2 Auswahl und Führung des externen Partners Analysiert man das Scheitern von Outsourcing-Beziehungen, so zeigt sich, dass bei allem guten Willen auf beiden Seiten der Hauptfehler meist gleich am Anfang gemacht wird – bei der Suche des passenden Partners. Aus Sicht des Krankenhauses muss es darauf ankommen, einen wirklich leistungsstarken, hochprofessionellen Partner zu finden. Dieser sollte sich nicht nur bereit erklären, klare und zugleich strikt verbindliche Vertragsverpflichtungen einzugehen. Vielmehr muss er auch im Stande sein, diese Verpflichtungen Jahr für Jahr konsequent und konstant einzuhalten. Nur wenn beides gegeben ist, lässt sich die erforderliche Vertrauensbasis herstellen und im Lauf der Zeit vertiefend weiterentwickeln. Nicht klinische Dienstleistungen sind zum einen unverzichtbar für den Krankenhausbetrieb, zum andern haben sie in hohem Maße auch Visitenkartenfunktion. Gesucht wird deshalb idealerweise ein Anbieter, der ausgewiesene Versorgungsexpertise mit hohem Qualitätsbewusstsein verbindet. Solche Anbieter sind naturgemäß eher rar – und im Regelfall auch nicht die preisgünstigsten. Im Wettbewerb um Top-Provider können gut geführte Krankenhäuser mit klarer strategischer Ausrichtung ihre Markt- und Verhandlungsmacht natürlich besser ausspielen als Häuser in vergleichsweise schlechterer Ausgangslage. Aber auch sie
7.3 Zur Optimierung der Betriebsform gibt es unterschiedliche Modelle
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dürfen den Auswahl- und Steuerungsaufwand für das Management nicht unterschätzen. Auf jeden Fall sollte ein hochqualifizierter Manager als „single point of contact“ für externe Dienstleister berufen werden. Seine Aufgabe ist es, eine enge Arbeitsbeziehung mit dem jeweiligen Outsourcing-Partner herzustellen, Leistungsumfänge und -qualität laufend nachzuhalten sowie insbesondere das Vertragsmanagement aktiv wahrzunehmen. 7.3.4.3 Transparente, nachhaltbare Vertragsgestaltung Bei jedem Outsourcing-Vertrag und erst recht bei Verträgen mit leistungsbezogenen Vergütungskomponenten ist professionelles, vorausschauendes Vertragsmanagement der Schlüssel zum Outsourcing-Erfolg. Auch Verträge mit leistungsstarken Anbietern können scheitern, wenn die Inhalte nicht konsequent genug ausgehandelt und die beiderseitigen Verpflichtungen und Schnittstellen nicht präzise genug definiert wurden. Erforderlich sind:
• Klare, objektiv messbare und leicht nachzuhaltende Vereinbarungen • Genaue und zugleich belastbare Regelungen von Leistungsumfängen/-niveaus und Interventionsstufen
• Wirksame Vergütungs- und Anreizsysteme, einschließlich eventueller BonusMalus-Regelungen.
Aus Krankenhaussicht zu vermeiden ist eine allzu starke Fokussierung auf Kosten und Einsparungen. Mindestens ebenso wichtig sind Kontroll- und Steuerungs mechanismen, die eine enge Führung der Outsourcing-Partner und die Einhaltung vereinbarter Leistungs- und Qualitätsstandards sicherstellen. Dies gilt besonders für so wichtige Themen wie Sterilisation von Apparaten und Geräten, Versorgung von Patienten mit besonderen Diätanforderungen oder Reinhaltung von OP-Sälen. Während bei interner Leistungserbringung solche Standards über den direkten operativen Durchgriff zu sichern sind, müssen bei Fremdvergabe ein geeignetes Monitoring-System und ein Qualitätsmanagement etabliert werden. Nur auf diesem Wege ist es möglich, die Leistungserbringung lückenlos zu verfolgen und bei auftretenden Problemen frühzeitig gegenzusteuern. Unbedingt zu empfehlen sind auch Service Level Agreements, um Streitereien bei der Vertragsauslegung von vorneherein auf ein Minimum zu begrenzen. Solche Agreements haben sich beim Outsourcing von Leistungsumfängen mittlerweile in vielen Industrien bewährt. Ausgehend von einer allgemeinen Beschreibung der auszulagernden Leistungsumfänge geben sie jeweils exakt definierte Zielwerte vor für die Produktivität und die Qualität der zu erbringenden Einzelleistungen. Damit wird es den Krankenhäusern möglich, die Erfüllung der Vertragsvereinbarungen anhand objektiv messbarer Parameter zu verfolgen. Ergänzt werden sollte dieses Instrumentarium durch Messblätter für die verschie denen erforderlichen Einzelleistungen. Neben einer kurzen Leistungsbeschreibung sollten sie jeweils die einzelnen Arbeitsschritte/Verrichtungen, Terminvorgaben und
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7 Neue Ideen zur Optimierung nicht klinischer Teilfunktionen
Verantwortlichkeiten sowie die anhand der Service Levels definierten Leistungskriterien festhalten. Anlässlich von Review-Terminen kann man diese Messblätter gemeinsam durchgehen und abhaken; eventuelle Bewertungsunterschiede werden auf dem jeweiligen Messblatt vermerkt und abgezeichnet. Mit Hilfe der Messblätter lässt sich auch die Vergütung direkt an die Erfüllung der vereinbarten Servicelevels koppeln. Outsourcing-Verträge sollten – aus grundsätzlichen Erwägungen – überdies Ausstiegs- und Öffnungsklauseln enthalten. Mit ihrer Hilfe lassen sich Vertragsverein barungen bei Bedarf flexibel an veränderte Markt-/Wettbewerbsbedingungen, aber auch an Dispositionsveränderungen auf Krankenhausseite anpassen. Um neue Dienstleistungen abzudecken und die Kosten für Zusatzleistungen zu begrenzen, empfiehlt es sich insbesondere, entsprechende Benchmarkingklauseln in den Vertrag aufzunehmen. Letztere legen verbindlich fest, dass sich die Preise für bisher nicht im Vertrag erfasste Leistungen generell an Marktpreisen orientieren müssen. Zu ermitteln sind diese Marktpreise anhand einzuholender Vergleichsangebote anderer Anbieter, sie bilden die Basis für die eigene Kalkulation des Outsourcing-Partners. Deutlich einfacher gestalten sich solche Erweiterungsverhandlungen, wenn man darüber hinaus noch eine prospektive Preisliste mit dem Outsourcing-Partner für weitere, im Augenblick (noch) nicht nachgefragte Leistungen vereinbart und als Anlage in den Vertrag aufnimmt, einschließlich der entsprechenden Benchmarkingklau seln. Damit lassen sich von vorneherein unangenehme Überraschungen ausschließen – vor allem dann, wenn der Outsourcing-Partner zu einem späteren Zeitpunkt sehr kurzfristig weitere Leistungsumfänge übernehmen soll.
7.4 Fazit: Mit OE-Ansätzen lassen sich auch künftig nachhaltige Leistungssteigerungen erzielen Nicht klinische Dienste wie Speiseversorgung/Catering, Textil- und Wäsche versorgung sowie Reinigung prägen in hohem Maße das Erscheinungsbild eines Krankenhauses; damit haben sie auch unbestreitbar eine Visitenkartenfunktion gegenüber Besuchern und Patienten. Als Nicht-Kerngeschäfte stehen sie schon lange im Brennpunkt unterschiedlichster Kostensenkungs- und Produktivitätssteigerungsbemühungen. Gleichwohl lassen sich hier aller Voraussicht nach auch künftig erhebliche Leistungsreserven erschließen. Begünstigt werden solche Vorhaben durch den Umstand, dass sich die nicht klinischen Dienste häufig bereits mit wenigen Kosten- und Produktivitätskennzahlen steuern und vor allem auch benchmarken lassen. Somit erscheint es relativ einfach, Best-Practice-Erfahrungen aus anderen Krankenhäusern, aber auch vergleichbaren Industrien zu übertragen, um operative Exzellenz zu erreichen. Richtig eingesetzt, können OE-Programme schon kurzfristig zu erstaunlichen Leistungssprüngen führen. Auf längere Sicht ermöglichen sie ebenso kontinuierliche wie nachhaltige Effektivitäts- und Effizienzverbesserungen.
Endnoten
163
Im Rahmen dieser laufenden Programme ist auch zu prüfen, in welcher Betriebsform die nicht klinischen Dienste am besten weitergeführt werden sollen. Das Spektrum der Optionen reicht hier jeweils von fortgesetztem Eigenbetrieb bis hin zu kompletter Fremdvergabe. Um eine wirklich maßgeschneiderte Lösung zu finden, empfiehlt es sich, zunächst die Umfeldsituation des Krankenhauses genau zu analysieren. Erst danach sollte die Entscheidung über die richtige Option und ihre Umsetzung erfolgen.
Endnoten 1
Vgl. Catering-Ausschreibung. Tiefer Blick in die Töpfe. KMA, 14.06.2006, Verpflegung. Der Patient darf hoffen, KMA, 15.07.2003, Neue Würze fürs Hospital, Rheinische Post, 30.01.2007, Wie finde ich das richtige Krankenhaus? Publikation der Verbraucherzentrale Hamburg, Juli 2006.
8
Anpassung der Angebotsstrukturen
Noch vor wenigen Jahren dominierte sektorweit der Typ des autarken Einzelkrankenhauses mit breitem Behandlungsspektrum. Gleichzeitig galt die Maxime „Größe ist gut“. Denn man glaubte, dass in großen Krankenhäusern Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung besser sicherzustellen seien als in kleineren. Aus heutiger Sicht ist die Frage, welche Krankenhaustypen unter Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsgesichtspunkten überlegen sind, sehr viel differenzierter zu beantworten. Vor allem die Behauptung „Größe ist gut“ muss deutlich relativiert werden, abhängig von der gewählten Betrachtungsebene. Auf Abteilungs-/Stationsebene, d. h. innerhalb eines Krankenhauses, haben Skalen- und auch Verbundeffekte sicherlich nicht an Bedeutung verloren. Der Langfristtrend geht hier eindeutig zu größeren Einheiten, auf den Pflegestationen sogar zur Bildung interdisziplinär genutzter Einheiten. Hinzu kommen in wachsendem Umfang Rationalisierungsmaßnahmen zur Verbesserung der Auslastung und zum flexibleren Ressourceneinsatz. Auf Einzelhausebene geht der Trend eher zu Häusern mit geringerer Bettenzahl und reduziertem, aber vielfach stärker spezialisiertem Leistungsangebot. Größere Krankenhäuser profitieren zwar nach wie vor von Größen- und natürlich auch Verbundvorteilen. Erkauft werden diese Vorteile jedoch um den Preis steigender Komplexität und Intransparenz – was aus Managementsicht eine effiziente Führung und Steuerung des Geschäftsbetriebs zusehends erschwert.1 Aus diesem Grund erweisen sich heutzutage gerade kleinere Häuser, d. h. Häuser mit einer begrenzten Anzahl von Fachabteilungen und entsprechend einfach gestalteten Strukturen, vielfach als erfolgreicher. Große Häuser der Maximalversorgung – und darunter insbesondere die Universitätskliniken – werden gleichwohl auch künftig unverzichtbar bleiben. Die Behandlung komplexer Krankheitsbilder sowie multimorbider Patienten kann – in aller Regel – eben nicht von kleinen, lokalen Allgemeinkrankenhäusern wahrgenommen werden. Standort- bzw. krankenhausübergreifend scheint das Prinzip völliger Autarkie inzwischen zunehmend passé. Bundesweit im Vormarsch sind privatwirtschaftliche Krankenhausketten sowie – gerade in den vergangenen Jahren verstärkt – kommunale und freigemeinnützige Verbünde öffentlicher Krankenhäuser. Ziel solcher Zusammenschlüsse ist es in der Regel, Effizienzgewinne bei operativer Leistungserbringung, Ressourcennutzung, Einkauf und Investitionen zu kombinieren mit einer Komplettierung des diagnostisch-therapeutischen Leistungsangebots auf
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8 Anpassung der Angebotsstrukturen
durchgehend hohem Qualitätsniveau. Tendenziell ähnliche Ziele verfolgen auch die inzwischen zahlreichen Kooperationen und Partnerschaften kleinerer und mittlerer Krankenhäuser auf kommunaler und regionaler Ebene.
8.1 Auf Abteilungs-/Stationsebene gewinnen Größen und Verbundvorteile zunehmend an Bedeutung Seit 2002 sind die Abteilungsgrößen deutscher Krankenhäuser im Durchschnitt leicht zurückgegangen, bedingt durch sinkende Bettenzahlen insbesondere in spezialisierten chirurgischen Fachgebieten wie der Thorax- oder der Kinderchirurgie.2 Der Spezialisierungsgrad der Häuser, gemessen an der Anzahl der Fachabteilungen je Haus, ist dabei in den vergangenen Jahren weitestgehend konstant geblieben.3 Angesichts der hohen öffentlichen Erwartungen an Wirtschaftlichkeit und Versorgungsqualität ist jedoch schon heute absehbar, dass an einer Erhöhung der Fallzahlen und – damit verbunden – an einer Ausweitung der Abteilungs- und Stationsgrößen künftig kein Weg mehr vorbeiführen wird. Denn zum einen lassen sich über die Ausweitung der Abteilungsgrößen die geforderten jährlichen Mindestfallzahlen leichter erbringen, was auch wesentliche Voraussetzung ist für eine erfolgversprechende Spezialisierung im Wettbewerb. Zum anderen lässt sich die Mindestbesetzungsproblematik – d. h. die Anforderung, Mindestpersonalkapazitäten vorzuhalten, um etwa eine korrekte Besetzung der Nachtdienste sicherzustellen – mit größeren, flexibler geführten Stationen ungleich besser bewältigen.
8.1.1 Ausweitung der Abteilungsgrößen Seitdem im Jahr 2004 erstmals Mindestmengenvereinbarungen eingeführt wurden, müssen Krankenhäuser für bestimmte Leistungen jährlich eine Mindestzahl an Durchführungen nachweisen, um diese auch in Zukunft vornehmen zu dürfen. Im Zuge der Diskussion um Mindestmengenvereinbarungen wurden – insbesondere in der Geburtshilfe – so genannte „verbindliche Versorgungskriterien“ eingeführt. Der ohnehin schon bestehende Druck auf die Fachabteilungen, ihre Fallzahlen auszuweiten, um die entsprechenden Anforderungen an Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität erfüllen zu können, wird durch diese Kriterien noch verstärkt. Funktionsweise und Rolle der Mindestmengenvereinbarungen. Erreicht ein Krankenhaus bei definierten planbaren Leistungen nicht die erforderliche Mindestmenge übers Jahr, so darf es diese Leistungen künftig nicht mehr erbringen. Diese Regelung gilt jeweils ab dem Jahr, in dem die entsprechende Vereinbarung in Kraft tritt.4 Erklärtes Ziel der Einführung von Mindestmengen ist es, durch den Einsatz erfahrener Ärzte in erfahrenen Einrichtungen die medizinische Versorgung des Patienten zu verbessern.5 Auf diese Weise sollen spezialisierte Krankenhäuser entstehen, die attraktiver für spezialisierte Ärzte werden, so dass sich langfristig „Centers of Excellence“ für verschiedene Prozeduren herausbilden können. Gleichzeitig soll die Einführung von Mindestmengen dazu führen, dass die Fallkosten sinken und die Verweildauern sich weiter reduzieren.
8.1 Größen und Verbundvorteile auf Abteilungs- und Stationsebene 167
Inwieweit Mindestmengen tatsächlich einen verlässlichen Qualitätsindikator darstellen, ist wissenschaftlich durchaus umstritten. Noch umstrittener ist es allerdings, welche Grenz- bzw. Schwellenwerte bei den einzelnen Leistungen zu Grunde zu legen sind. Wie Studien zeigen, gibt es diesbezüglich eine enorme Spannbreite; zudem besteht in den meisten Fällen keine eindeutige Korrelation zwischen Leistungsmenge und Qualität.6 Auch Krankenhäuser bzw. Abteilungen mit geringen Leistungszahlen sind, wie Auswertungen der Daten der externen Qualitätssicherung durch die Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung ergaben, sehr wohl im Stande, durchgängig gute Qualität zu erbringen, z. B. im Sinne niedriger Komplikationsraten. Umgekehrt finden sich unter den Krankenhäusern bzw. Abteilungen mit hohen Fallzahlen immer wieder Einrichtungen mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an „Auffälligkeiten“.7 Klar ist bislang lediglich, dass noch erheblicher Forschungsbedarf besteht – vor allem dann, wenn die bundesdeutschen Versorgungsdaten zu Grunde gelegt werden. Mediziner der Universität Düsseldorf untersuchen deshalb anhand empirischer Erhebungen, welche Folgen die Mindestmengenvereinbarungen für Krankenhäuser haben.8 Insbesondere wollen sie herausfinden, inwiefern sich die Behandlungsergebnisse im Zuge der Einführung von Mindestmengen verändern. Welche Auswirkungen die Einführung von Mindestmengen auf die Ergebnisqualität hat, war bislang mangels geeigneter Indikatoren für fünf der sechs Mindestmengen nicht bestimmbar. Daten zur Ergebnisqualität liegen nur bei Knie-TEP vor. Lediglich beim Ergebnisindikator Wundinfektion ergab sich eindeutig, dass Krankenhäuser, welche die Mindestmenge erfüllen, bessere Ergebnisse erzielen als Krankenhäuser, die darunter bleiben. Insgesamt lassen die Ergebnisse der Begleitforschung keine wissenschaftlich fundierte Aussage zur Angemessenheit der bisher eingeführten Mindestmengen zu. Derweil geht in Deutschland die Mehrheitsmeinung dahin, dass sich über Mindestmengenbetrachtungen allein die Qualität der Leistungserbringung nicht valide ermitteln lässt. Sinnvollerweise sollten stets auch weitere Qualitätsindikatoren einbezogen werden.9 Für welche Leistungen welche Mindestmengen zu erbringen sind, wird aktuell durch die Mindestmengenvereinbarung in der letzten Fassung vom Dezember 2008 geregelt. Deren Katalog aus Prozeduren und Leistungen enthält insgesamt sechs Mindestmengen für Transplantationen sowie abdominalchirurgische Operationen und Gelenkoperationen. Außerdem wurden koronarchirurgische Eingriffe in den Katalog aufgenommen – allerdings ohne die Festlegung einer Mindestmenge. Diskussionsgegenstand sind vor allem die Soll-Vorgaben für Gelenkoperationen (Knie-Endoprothesen). Gerade kleinere Häuser mit geringen Fallzahlen haben erfahrungsgemäß häufig Schwierigkeiten, das Zielniveau von 50 Fällen pro Jahr zu erreichen.10 Auswirkungen verbindlicher Versorgungskriterien – insbesondere in der Geburtshilfe. Im Jahr 2004 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nach eingehender Diskussion darauf verzichtet, Mindestmengen für die Behandlung von VLBWNeugeborenen – d. h. Neugeborene mit „very low birth weight“ bzw. Risiko-
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8 Anpassung der Angebotsstrukturen
Neugeborene – in neonatalen Intensiveinheiten einzuführen. Stattdessen wurden verbindliche Versorgungskriterien für die Neonatologie festgelegt. Damit Kliniken Früh- und Neugeborene mit höchstem und hohem Risiko behandeln dürfen, müssen sie ab 2006 bestimmte Anforderungen hinsichtlich Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität erfüllen. Diese Minimalanforderungen oder Qualitätsmerkmale gelten in entsprechender Abstufung auch für Säuglinge, die bereits unmittelbar nach ihrer Geburt erkennbar eine entsprechende Therapie benötigen, sowie für die Behandlung von Neugeborenen ohne Risiko.11 Anhand der Qualitätsmerkmale werden die deutschen Kliniken in vier Abstufungen unterteilt: 1. Perinatalzentren (Level 1) für die Versorgung von Kindern mit höchstem Risiko, etwa Frühchen unter 1.250 g. Zu den Minimalanforderungen gehört hier beispielsweise, dass ein Arzt mit dem Schwerpunktnachweis Neonatologie die Intensivstation leitet. 2. Perinatalzentren (Level 2) für die flächendeckende intermediäre Versorgung von Kindern mit hohem Risiko 3. Perinatale Schwerpunkte in Krankenhäusern (Kliniken mit Geburts- und Kinderklinik), deren Aufgabe es ist, Neugeborene, bei denen eine postnatale Therapie absehbar ist, flächendeckend zu versorgen. In solchen Schwerpunktzentren muss es mindestens sechs Intensivbetten geben. Zudem muss durch Schichtdienst eine 24-stündige Arztpräsenz sichergestellt sein. 4. Geburtskliniken, die lediglich zugelassen sind für „reife Neugeborene“, die voraussichtlich ohne Risiken zur Welt kommen werden. Eine weitere Vorgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses betrifft die pflegerische Versorgung im Intensivtherapiebereich: Hier müssen mindestens 40% der Mitarbeiter speziell ausgebildete Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger sein.12 Dass sich der Mindestmengenkatalog künftig noch um weitere Leistungen erweitern dürfte, zeichnet sich bereits ab. In den USA beispielsweise rät inzwischen die Leapfrog Group, ein Zusammenschluss von rund 145 US-Kostenträgern medizinischer Leistungen, für Hochrisikogeburten Krankenhäuser mit neonataler Intensivstation sowie einer Mindestfallzahl von 14 Fällen je Tag auszuwählen.13 Denkbar ist auf jeden Fall eine Hinterlegung der verbindlichen Versorgungskriterien mit entsprechenden Mindestmengenvereinbarungen. Zudem dürften für koronarchirurgische Eingriffe verbindliche Mindestfallzahlen eingeführt werden. Einzelne Bundesländer haben hierzu schon – unabhängig von eventuellen bundesweiten Regelungen – eigene Mindestmengen festgelegt. So haben beispielsweise die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, die Berliner Krankenkassen sowie der Verbraucherschutz bereits ein Konzept vorgestellt, das die kardiologische Krankenhausversorgung neu regeln soll. Vorgesehen sind insbesondere zwei kardiologische Versorgungsstufen: Krankenhäuser mit kardiologischer Abteilung sowie Häuser mit kardiologischer Maximalversorgung. Für beide Versorgungsstufen werden Anforderungen an Struktur-, Prozess‑ und Ergebnisqualität gestellt. Bestandteil der Vereinbarung sind auch verbindliche Mindestmengen: Ein Linksherzkatheter-
8.1 Größen und Verbundvorteile auf Abteilungs- und Stationsebene 169
labor etwa muss die Durchführung von mindestens 300 PTCA im Jahr nachweisen; für Ärzte liegt die Schwelle bei mindestens 75 PTCA jährlich.14 Was immer die Diskussion um Mindestmengen als geeignete Qualitätsfaktoren noch ergeben mag – gewiss ist, dass die Anzahl an Leistungen, die mit Mindestmengen hinterlegt sind, weiter steigen wird. Und dies wird erhebliche Auswirkungen auf die gesamte stationäre Versorgung in Deutschland haben. Krankenhäuser, die sich hierauf vorbereiten wollen, sollten schon jetzt beginnen, ihre Abteilungen prospektiv zu vergrößern, um die künftig geforderten Mindestfallzahlen aus eigener Kraft erbringen zu können.
8.1.2 Vergrößerung und flexiblere Nutzung von Stationen Mit dem Trend zu größeren Abteilungen korrespondiert der Trend zu größeren Stationseinheiten. Treibende Kraft ist hier die Notwendigkeit, Synergieeffekte bei der personellen Besetzung der Stationen forciert auszuschöpfen.15 Viele kleinere Stationen parallel aufrechtzuerhalten, erfordert zum einen die entsprechende Vorhaltung von Leitungsstrukturen. Zum anderen bedarf es einer Mindestzahl an Arbeitskräften, um die Dienstpläne wie vorgesehen umsetzen zu können. Dieser Bedarf an ärztlichem und pflegerischem Personal wird als Folge des neuen Arbeitszeitgesetzes (seit 2007 in Kraft) noch weiter zunehmen. Schlüssel zu relevanten Produktivitätssteigerungen ist hier die systematische Integration kleinerer, subkritischer Stationseinheiten: Damit entfällt einerseits die Notwendigkeit, Stationsleitungsstrukturen für jeden kleinen Stationssatelliten parallel aufrechtzuerhalten, andererseits lassen sich so die Konsequenzen der Mindestbesetzungsproblematik geschickt umgehen. Überdies ermöglicht das Pooling der Mitarbeiter je Station eine flexiblere Dienstplangestaltung. 8.1.2.1 Bildung interdisziplinärer Stationen Interdisziplinäre Stationen erlauben es, Verbundeffekte bei der Patientenbetreuung gezielt auszuschöpfen. Darüber hinaus können sie als Keimzelle für die etwaigen späteren Zusammenschlüsse kompatibler Fachabteilungen zu entsprechenden Zentren dienen. In der Regel sind interdisziplinäre Stationen mit Patienten belegt, die sowohl eine internistische als auch eine chirurgische Behandlung benötigen. Gemeinsame Visiten von Internisten und Chirurgen sowie interdisziplinäre Fallbesprechungen – unter Einbeziehung von Radiologen, Strahlentherapeuten oder Pathologen – machen es möglich, integrierte Behandlungskonzepte rasch und unkompliziert zu entwerfen und umzusetzen. Die präoperative Diagnostik wird somit in gemeinsamen Besprechungen ebenso abgestimmt wie die postoperative Therapie, ohne dass die Patienten die Station wechseln müssen. Die Patienten werden dadurch umfassender und schneller versorgt und können zudem in der Obhut desselben ärztlichen und pflegerischen Teams bleiben. Analog dazu ist bei Einsatz des Pflegepersonals darauf zu achten, dass im betreuenden Team jeweils internistisch und chirurgisch erfahrene Pflegekräfte zusammen-
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8 Anpassung der Angebotsstrukturen
arbeiten, um den interdisziplinären Patienten optimale Versorgung anzubieten. Auf diese Weise wird eine fachrichtungsübergreifende Versorgung der Patienten nicht nur von ärztlicher, sondern auch von pflegerischer Seite gewährleistet. 8.1.2.2 Verstetigung der Auslastung über die Woche Während Entlassungen in deutschen Krankenhäusern überwiegend freitags stattfinden, werden elektive Patienten meist erst montags aufgenommen.16 Die Folge sind Spitzenauslastungen während der Woche und Auslastungsflauten am Wochenende. Um diese Schwankungen zu vermeiden, ist ein präzise aufeinander abgestimmtes Aufnahme- und Entlassungsmanagement erforderlich – und zwar über den gesamten Wochenverlauf. Selbst wenn Notfälle immer wieder zu Planungsunsicherheiten führen werden, so lassen sich Elektivaufnahmen auf diese Weise doch gleichmäßiger über die Woche verteilt planen. Insbesondere kleinere chirurgische Eingriffe mit leicht abzuschätzender Aufenthaltsdauer der Patienten können auch zum Wochenende hin vorgenommen werden, die Entlassung der Patienten würde dann zu Wochenbeginn erfolgen. 8.1.2.3 Saisonale Schließung von Stationen Ganze Stationen übers Wochenende zu schließen, wie immer wieder erwogen wird, scheint aus grundsätzlichen Erwägungen kaum empfehlenswert. Schon der damit verbundene unverhältnismäßig hohe logistische Aufwand spricht dagegen: Aufnahme- und Entlassdaten sind für eine ganze Station kaum taggenau vorauszuplanen. Anders sieht die Situation bei saisonalen Schließungen aus, in der Regel während der Haupturlaubsmonate. Erfahrungsgemäß kann für Stationen eine Zielauslastung von 85% als optimal angesetzt werden. Von diesem Ziel sind kleine Krankenhäuser mit einem Nutzungsgrad ihrer Betten von ca. 70% im Durchschnitt deutlich entfernt.17 Selbst bei Optimierung der Auslastungsverteilung über die Woche oder das Gesamtjahr bleibt hier Raum für die saisonale Schließung ganzer Stationen. Auf Basis historischer Fallzahlverteilungen über das Jahr lassen sich längere Perioden mit verminderter Auslastung identifizieren. Besonders auffällig ist das so genannte „Sommerloch“; vielerorts sind – insbesondere in den Sommermonaten – Fallzahlenrückgänge von fast 15% keine Seltenheit.18 Mit Blick auf diese saisonalen Auslastungsschwankungen bieten sich vor allem die Sommermonate zur zeitweiligen Schließung von Stationen an. Auf Grund der ohnehin geringen Auslastung sind hier am wenigsten Umsatz- oder gar Geschäftseinbußen zu befürchten. Insbesondere kleine Allgemeinkrankenhäuser können so ihre Ressourcen besser bündeln.
8.1.3 Fazit: Schwerpunkte ausbauen und alternative Stationskonzepte nutzen Gemessen an den aktuellen Entwicklungen in den USA steht Deutschland erst am Anfang einer umfassenden Einführung von Mindestmengen und verbindlichen
8.2 Die Zukunft dürfte drei deutlich abgrenzbaren Krankenhaustypen gehören
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Versorgungskriterien. Um in diesem Umfeld mit entsprechenden Fallzahlen bestehen zu können, werden Krankenhäuser ihre Schwerpunkte definieren und entsprechend groß dimensionierte Abteilungen ausbauen müssen. Um anschließend in diesen Abteilungen möglichst effizient arbeiten und dem Anspruch an höchste medizinische Qualität genügen zu können, sollten sie zum einen ihre Auslastung optimieren und zum anderen verstärkt über alternative Stationskonzepte, z. B. interdisziplinäre Stationen, nachdenken.
8.2 Die Zukunft dürfte drei deutlich abgrenzbaren Krankenhaustypen gehören Die heutige Versorgungsstruktur segmentiert die Krankenhäuser nach den vier Stufen: Grundversorgung, Regelversorgung, Schwerpunktversorgung und Maximalversorgung. Entsprechend ihrem jeweiligen Spezialisierungsgrad lassen sich die Häuser des Weiteren unterteilen in Allgemeinkrankenhäuser und Fachkliniken.19 Zudem werden noch „besondere Versorgungsformen“ ausgewiesen und in Krankenhausplänen definiert. Hierbei handelt es sich um: Universitätskliniken, Portal-/ Teleportalkliniken, Tageskliniken und Praxiskliniken. 20 Für die Zukunft zeichnet sich, unter DRG-Bedingungen und bei verschärftem Wirtschaftlichkeits- und Qualitätswettbewerb, eine deutliche Verschiebung dieses Gefüges ab. Gerade in ländlichen Gebieten wird es auch weiterhin kleinere Allgemeinkrankenhäuser geben, um die Versorgung in der Fläche zu gewährleisten. Für (eher) kleine bis mittelgroße Krankenhäuser in Ballungsräumen und im Einzugsgebiet größerer Städte wird es dagegen schwieriger werden: Der Trend dürfte hier eindeutig zu Fachkliniken mit einer oder mehreren Spezialdisziplinen gehen. Für Häuser der Maximalversorgung wird es, insbesondere in Ballungsräumen, weiterhin einen festen Bedarf geben. Ihre heute schon hohen Fallzahlen und ihr erheblicher Spezialisierungsgrad sollten es Ihnen ermöglichen, am Trend zu zunehmenden Abteilungsgrößen und größeren, flexibler genutzten Stationen (erfolgreich) zu partizipieren.
8.2.1 Kleinere Allgemeinkrankenhäuser zur Versorgung in der Fläche Eine flächendeckende Versorgung wird, gerade in ländlichen Regionen, in Zukunft maßgeblich durch kleinere Allgemeinhäuser gewährleistet. Mit ihren ca. 80 bis 200 Betten ermöglichen sie es, vor Ort die Grund- und Erstversorgung gezielt abzudecken. 8.2.1.1 Charakteristika kleiner Häuser Zur Abdeckung der Grundversorgung sind die kleinen Häuser sowohl mit allgemein-chirurgischer als auch -internistischer Kompetenz ausgestattet. Viele von ihnen werden auch künftig eine Gynäkologie/Geburtshilfe vorhalten, allerdings wird es ihnen – auf Grund der verbindlichen Versorgungskriterien – gerade im Bereich der Geburtshilfe zunehmend schwerer fallen, diese Fachrichtung fortzu-
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8 Anpassung der Angebotsstrukturen
führen.21 Kleine Häuser der Allgemeinversorgung werden mithin kaum den Status eines perinatalen Zentrums oder Schwerpunkts erreichen. Zudem ist die stationäre Gynäkologie in den vergangenen Jahren verstärkt unter Druck geraten: Zum einen durch die Abwanderung vollstationärer gynäkologischer Fälle in den ambulanten Bereich, was zu einem Rückgang der vollstationären Fälle um ca. 15% geführt hat.22 Zum anderen durch die Verkürzung der durchschnittlichen Patientenverweildauer um rund 35%.23 Kleinere Allgemeinkrankenhäuser werden daher in Zukunft immer häufiger nur noch mit zwei Disziplinen ausgestattet sein: Einer allgemeinen Inneren Medizin und einer allgemeinen Chirurgie. Damit verbinden sich deutliche Akzentverschiebungen in der Aufgabenstellung: Diagnostik und Erstversorgung in kleinen Häusern. Neben der Inneren Medizin und Chirurgie – gegebenenfalls erweitert um Gynäkologie/Geburtshilfe – verfügen diese Häuser über eine intensivmedizinische Einheit sowie eine optimal ausgestattete Notaufnahme, inklusive einer zentralen Einheit für Diagnostik. Auf diese Weise kann der Patient zum einen schnell, zum anderen aber auch medizinisch hochwertig untersucht und versorgt werden. Die zentrale Einheit für Diagnostik beherbergt die für eine optimale Erstversorgung notwendigen radiologischen Großgeräte, insbesondere einen Computertomographen zur schnellen Diagnose etwa von Trauma- oder Schlaganfallpatienten. Bei den meisten Krankheitsbildern dürfte die Diagnostik auch künftig fachkompetent direkt vor Ort erfolgen. Für Einzelindikationen, wie etwa die Versorgung von Schlaganfallpatienten, kann sie jedoch bereits heute zentralisiert vorgenommen werden – mit Hilfe der Telemedizin, gegebenenfalls auch in Kooperation mit spezialisierten Stroke Units größerer Häuser oder Fachkliniken. Ein Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung eines solchen Konzepts ist das „Telemedizinische Projekt zur integrierten Schlaganfallversorgung“ (TEMPiS-Projekt) in Bayern. Im Rahmen des Projekts wurden zwölf Kooperationskliniken, darunter überwiegend regionale Krankenhäuser, mit den Schlaganfallzentren in MünchenHarlaching und Regensburg so vernetzt, dass es möglich ist, sowohl audiovisuelle interaktive Telekonsile durchzuführen als auch bildgebende Verfahren und medizinische Daten zu übermitteln. Die Vorteile sind augenscheinlich: schnelleres Eingreifen nach einem Schlaganfall, da Spezialisten sofort verfügbar sind und Daten über hochwertige elektronische Medien übertragen werden können. Auf diese Weise ist es möglich, die Diagnose gemeinsam mit den Spezialisten, die Behandlung jedoch direkt vor Ort innerhalb des kritischen Zeitfensters durchzuführen. TEMPiS zeigt bisher einen erfolgreichen Verlauf auf Seiten der Patientenversorgung24: Seit Anfang 2003 wurden in diesem Rahmen über 9.000 Telekonsile bei mehr als 8.000 Patienten durchgeführt. Mehr als 450 Patienten mit Hirninfarkten erhielten nach telekonsiliarischer Indikationsstellung eine medikamentöse Gerinnselauflösung, was einer Verzehnfachung der vorher erreichten Lyserate entspricht. Die Sicherheit der Thrombolysetherapie gemessen an Hirnblutungen und Krankenhausmortalität entsprach dabei den Ergebnissen aus erfahrenen Zentren bzw. den großen klinischen Studien.
8.2 Die Zukunft dürfte drei deutlich abgrenzbaren Krankenhaustypen gehören
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Erfreulich ist auch die deutliche Reduktion der Pflegeeinstufungen bei Schlaganfallpatienten, die daraus resultierte. Wird zudem die kostengünstige Vernetzung unterschiedlicher Versorgungsstufen berücksichtigt, so ist mit einer spürbaren Senkung der gesundheitsökonomischen Gesamtkosten zu rechnen. Detaillierte Auswertungen der Krankenkassendaten dazu laufen derzeit.25 Gelingt es, die beschriebenen modernen Diagnoseverfahren konsequent anzuwenden, so sollten auch die kleinen Allgemeinkrankenhäuser im Stande sein, ihre Patienten erst optimal zu versorgen und, sofern notwendig, zur adäquaten Therapie in entsprechende Spezialkliniken weiterzuleiten. Therapie in kleinen Häusern. Die Therapie kann entweder im Rahmen einer kurzstationären Behandlung direkt vor Ort – in der internistischen oder chirurgischen Abteilung – oder im Rahmen einer gezielten Verlegung indikationsbezogen in ausgewählte Kliniken erfolgen.26 In einigen Fällen wird auch die Verlegung in einen Maximalversorger notwendig sein. Gerade bei unkomplizierten Krankheitsbildern ist jedoch auch die direkte Rückverweisung des Patienten vom kleinen Allgemeinkrankenhaus in das ambulante, vertragsärztliche System möglich. 8.2.1.2 Chancen kleiner Häuser Kleine Häuser profitieren von mannigfaltigen Faktoren, insbesondere von ihrer Nähe zum Patienten und ihrer hohen Kosteneffizienz. „Heimatnähe“ ist grundsätzlich – nach „Empfehlung des Arztes“ – der am häufigsten genannte Grund für die Krankenhauswahl eines Patienten.27 Damit hat die Alleinstellung kleinerer Häuser vielerorts maßgeblichen Einfluss auf die Akquisition von Fallzahlen. Während jüngere Patienten ihre Krankenhauswahl immer mehr von Kriterien wie einer modernen, transparenten Darstellung klinischer Versorgungsprozesse abhängig machen28, sind es vor allem die älteren Patienten, die Häuser in ihrer unmittelbaren Nähe vorziehen. Kleine Häuser vor Ort können angesichts der fortschreitenden Alterung unserer Gesellschaft mithin auf einen wachsenden Wettbewerbsvorteil hoffen.29 Kleine Häuser haben zudem wirtschaftliche Vorteile auf der Kostenseite: Sie arbeiten nachweislich kosteneffizienter als große Häuser der Schwerpunkt- oder Maximalversorgung. Ihre höhere Kosteneffizienz spiegelt sich im geringeren Ist-Basisfallwert kleiner Häuser wider30, der das „historische Kostenniveau des Krankenhauses reflektiert“.31 Gruppiert man deutsche Häuser in die drei Größenklassen kleine Häuser (bis 150 Betten), mittelgroße Häuser (200 bis 400 Betten) und große Häuser (bis zu 700 Betten) und analysiert die entsprechenden Basisfallwerte der einzelnen Gruppen, so ergibt sich eine klare Korrelation zwischen steigender Bettenzahl und steigendem Basisfallwert, d. h. steigendem Kostenniveau (Abb. 8.1) Der fallzahlgewichtete Basisfallwert reicht von 2.562 EUR bei kleinen über 2.611 EUR bei mittelgroßen bis hin zu 2.736 EUR bei großen Krankenhäusern.32 Zurückzuführen ist die Kosteneffizienz kleinerer Häuser einerseits auf einen häufig prozessgerechteren Aufbau mit geringeren Gebäudeflächen, andererseits auf deren übersichtlichere und damit leichter steuerbare Strukturen.33 Allerdings kön-
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8 Anpassung der Angebotsstrukturen
Korrelation zwischen Bettenzahl und Basisfallwert
Anzahl Betten
≤ 150
200 - 400
500 - 700*
Leistungsspektrum
Maximal 3 Fach-richtungen
Breites allgemeines Leistungsspektrum
Schwerpunkt-- und Maximalversorgung (inklusive Spezial-leistungen))
Besonderheiten
Häufig geteilte Infra-struktur (begrenzte eigene Vorhaltung)
Verbundstruktur mit anderen „ gleichwer-tigen“ Häusern
Häufig Zentrum von Verbundstrukturen
Fallzahlgewichteter BFW in EUR
2.562
2.611
2.736
* In Ausnahmefällen auch größere Zentren der Super-Maximalversorgung denkbar Quelle: McKinsey
Abb. 8.1. Es besteht eine klare Korrelation zwischen steigender Bettenzahl und steigendem Basisfallwert
nen die Mindestmengen zum Stolperstein für kleinere Häuser werden. Während Patienten mit Leber-, Nieren- oder Stammzelltransplantation ohnehin zumeist nicht zur Klientel kleinerer Häuser gehören, sind es vor allem die geforderten 50 Fälle je Betriebsstätte als Mindestmenge an Kniegelenk- und Knie-Totalendoprothesen, mit denen kleine Häuser zu kämpfen haben.34 Das führt zu möglicherweise ungerechtfertigten Nachteilen, denn gerade diese Mindestmengenvereinbarung ist stark umstritten: Bei der Knie-Totalendoprothese (Knie-TEP) ist zwar ein statistischer Zusammenhang zwischen Menge und Ergebnisqualität der Eingriffe anhand deutscher Versorgungsdaten nachweisbar, allgemein gültige Schwellenwerte für Mindestmengen lassen sich daraus aber nicht ableiten. Zum einen ist die Aussagekraft der bisher verfügbaren Daten zu gering. Zum anderen sind die Ergebnisse widersprüchlich: Je nach Qualitätsindikator stellt sich die Relation zwischen der Fallzahl und dem Ergebnis ganz unterschiedlich dar. Zu diesem Schluss gelangte Anfang 2006 auch ein Bericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).35 In Schleswig-Holstein werden etwa zwei Drittel der Häuser ihr Knie-TEPAngebot auf Grund der Mindestmengenvereinbarungen einstellen, berichtet der Geschäftsführer der dortigen Landeskrankenhausgesellschaft. Die festgelegte Mindestzahl wird nur von zehn der insgesamt 30 Häuser erfüllt, die künstliche Kniegelenke implantieren.36 Insbesondere kleinere Häuser mit weniger als 400 Betten und ohne Spezialisierung sind auf Grund geringer Fallzahlen stark von diesen umstrittenen Mindestmengenvereinbarungen betroffen.37
8.2 Die Zukunft dürfte drei deutlich abgrenzbaren Krankenhaustypen gehören
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Vergleich der Krankenhausstruktur früher und heute
Früher
Heute
Größere Häuser mit vielen kleinen Einzeleinheiten
Kleinere Häuser mit größeren Einzeleinheiten
Zahlreiche räumlich getrennte Funktionsbereiche für einzelne Fachabteilungen
Zentralisierte Funktionsbereiche, die von den Fachabteilungen gemeinsam genutzt werden
Quelle: McKinsey
Abb. 8.2. Der Trend geht zu kleineren Krankenhäusern mit größeren Abteilungen
Zwar soll die Anwendung der Mindestmengenvereinbarung nicht zur Verschärfung einer bereits bestehenden Unterversorgung führen, entsprechende Ausnahmeregelungen greifen jedoch zumeist nur in ländlichen Gebieten. Die Chance, insbesondere von kleinen Häusern, die Mindestmengenvereinbarungen zu erfüllen, liegt somit klar in einer organisatorischen Transformation – hin zu größeren Abteilungen mit höherem Spezialisierungsgrad sowie flexibler Kombination bei der Stationsbelegung (Abb. 8.2).
8.2.2 Fachkliniken in der Rolle von Spezialisten Fachkliniken mit Schwerpunkt auf einer oder mehreren Spezialdisziplinen dürften die zweite große Krankenhausgruppe sein, die sich aller Voraussicht nach erfolgreich am deutschen Markt behaupten wird. Ziel einer solchen Zentralisierung und Qualitätsentwicklung ist es, Behandlungen, die besondere Anforderungen an Spezialisierung oder Interdisziplinarität stellen, in ausgewiesenen Zentren zu konzentrieren sowie Qualitätsstandards zu etablieren und transparent zu machen. Knapp 80% der Fach- und Führungskräfte in Krankenhäusern gehen davon aus, dass die Bildung medizinischer Zentren in den nächsten zwei Jahren stark oder sehr stark zunehmen wird.38 Spezialisierte Leistungen wie die Brustkrebsversorgung sind bereits in Einrichtungen gebündelt worden, die eine leitlinienbasierte Qualität in dem jeweiligen Bereich nachweisen können.
176
8 Anpassung der Angebotsstrukturen
Mittlerweile gibt es bundesweit bereits über 200 Brustkrebszentren. Von diesen liegen mehr als 80 allein in Nordrhein-Westfalen39. In dessen Masterplan Gesundheitswirtschaft heißt es: „Besonders bedeutsam ist aber, dass künftig besondere Leistungen (z. B. hochspezialisierte Leistungen und Leistungen mit sehr hohen Sachkostenanteilen) durch Zusatzentgelte abgerechnet werden können“. Zudem wird die Vereinbarung krankenhausindividueller Entgelte für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die noch nicht sachgerecht über Fallpauschalen abgerechnet werden können, vereinfacht. Dies trägt den Leistungsbesonderheiten im Sinne der Patienten besser Rechnung und erleichtert die Verbreitung des medizinischen Fortschritts, da Risiken für hoch spezialisierte Krankenhäuser reduziert werden. Die Rahmenbedingungen für medizinische Zentren werden durch die Qualitätskriterien einschließlich der Mindestfallzahlen vorgegeben.40 Die Anerkennung der Kriterien erfolgt im Rahmen der Krankenhausplanung. Ähnliche Bestrebungen wie für die Brustkrebszentren bestehen überdies für eine breite Spanne weiterer Tumordiagnosen.41 Kleine Krankenhäuser, die sich nicht früh genug spezialisiert haben, werden bei dieser Entwicklung voraussichtlich das Nachsehen haben. Denn künftig werden sie Brustkrebs nicht mehr behandeln dürfen – sei es, dass sie die nötigen Fallzahlen nicht erreichen oder dass sie nicht über die erforderlichen Kooperationspartner verfügen, um eine qualitätsgesicherte Behandlungskette nachzuweisen.42 Daher besteht für kleinere Häuser – sieht man von ihrer Rolle in der flächendeckenden Versorgung ab – die große Chance in frühzeitiger Spezialisierung sowie der Akquirierung geeigneter Kooperationspartner, um entsprechende Zentren bilden zu können: Konzentration auf ausgewählte Fachgebiete. Neben der Zusammenführung medizinischer Fachleistungen in Zentren wird in Zukunft auch die Anzahl der Fachkliniken mit Fokus auf einem oder mehreren Spezialgebieten zunehmen. Fachkliniken, die ca. 50 bis 300 Betten haben, können ganz unterschiedliche Spezialisierungsschwerpunkte aufweisen: Grundsätzlich haben sie die Wahl, sich auf eine Fachdisziplin (Specialty-Klinik) oder mehrere Fachdisziplinen (Multi-Specialty-Klinik) zu spezialisieren. Unter den Multi-Specialty-Kliniken wiederum wird es künftig vermehrt Häuser geben, die sich nach Organen ausrichten, z. B. Kopf-Zentren. Andere werden sich auf Patientengruppen konzentrieren, z. B. Frauen und Kinder, oder auf ganze Erkrankungsbilder, z. B. rheumatologische Erkrankungen. Verbreiterung und Vertiefung der Spezialisierung. Vorteile spezialisierter Kliniken liegen sicherlich in der effizienteren Behandlung von Patienten – als Folge von Erfahrungsaufbau, Standardisierung sowie Prozessoptimierung. Gleichzeitig führen ausreichende Fallzahlen seltener Krankheitsbilder zur optimalen Nutzung spezialisierter Diagnose- und Therapieverfahren und somit auch kostspieliger technischer Geräte.
8.2 Die Zukunft dürfte drei deutlich abgrenzbaren Krankenhaustypen gehören
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Die höhere Spezialisierung ermöglicht so den unmittelbaren Zugang zu innovativen Therapieverfahren und damit auch zur Beteiligung an internationalen klinischen Anwendungsstudien. Dies steigert die Attraktivität des Einsatzgebiets klinischer Mitarbeiter und erlaubt auch die Einstellung hochqualifizierter Arbeitskräfte, einschließlich ihrer langfristigen Bindung an das Haus. Zudem gewinnen spezialisierte Klinika auf diesem Wege einen souveränen Überblick über die aktuellen Entwicklungen auf ihrem jeweiligen Gebiet – was medizinisch-technische Fortschritte wie auch administrative Regelungen anbelangt. 8.2.2.1 Fachkliniken mit Fokus auf einer Spezialdisziplin Bei den Fachkliniken, die sich auf eine Spezialdisziplin ausrichten, kann der Fokus sowohl auf speziellen Prozeduren als auch auf ausgewählten Krankheitsbildern liegen. Ein Beispiel für eine solche Fokussierung ist die Endo-Klinik in Hamburg. Die in den 70er Jahren gegründete Klinik mit ca. 250 Betten ist eine Spezialklinik für Knochen- und Wirbelsäulenchirurgie mit dem besonderen Schwerpunkt „Gelenkersatz“. Alle großen Gelenke des menschlichen Körpers können mit Kunstgelenken versorgt werden. Mit ca. 5.000 endoprothetischen Eingriffen werden hier weltweit die meisten Eingriffe dieser Art durchgeführt.43 Auch für die Ausrichtung auf eine einzelne Erkrankung oder auf Erkrankungen des gleichen Formenkreises lassen sich bereits heute zahlreiche Beispiele in Deutschland finden. Sei es die Parkinsonklinik in Bad Nauheim44, die sich diesem Krankheitsbild mit seinen Ausprägungen und Folgen (Bewegungsstörungen) widmet, oder das Rheumazentrum in Bad Bramstedt45, das sich den Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises verschrieben hat. Angesichts der häufigen Multimorbidität dieser Patienten bzw. des Übergreifens vieler Erkrankungen auf mehrere Organsysteme dürften sich künftig immer mehr Häuser auf mehr als eine Spezialdisziplin fokussieren und daher Multi-Specialty-Zentren bilden. 8.2.2.2 Fachkliniken mit Fokus auf mehreren Spezialdisziplinen Häuser mit mehreren Spezialdisziplinen können sich auf bestimmte Organe oder Organsysteme ausrichten, bestimmte Gruppen von Patienten versorgen – wie dies z. B. geriatrische Zentren tun – oder sich auf die Behandlung verwandter Erkrankungsbilder konzentrieren. Ein Beispiel für die spezifische Ausrichtung auf ein Organ/Organsystem im Rahmen der Neuromedizin ist das International Neuroscience Institute (INI) in Hannover. Dabei handelt es sich um eine Spezialklinik und eine Forschungseinrichtung mit ca. 100 Betten für Erkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks, der Wirbelsäule, des Skelettsystems und der Nerven. Internationale Ärzteteams arbeiten hier insbesondere in der Neurochirurgie, Neurostrahlentherapie und Neuroradiologie in Diagnostik und Therapie. Die Architektur des INI ist in Deutschland einzigartig, das Gebäude ähnelt in seiner Form dem menschlichen Gehirn (Abb. 8.3). 46 Die bereits im Jahr 1987 gegründete Heidelberger Kopfklinik ist ein weiteres Beispiel für die Integration unterschiedlicher Fachdisziplinen gleichen Schwerpunkts unter einem Dach. Sechs Einzelkliniken – Augenheilkunde, HNO, Mund-Zahn-
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8 Anpassung der Angebotsstrukturen
Abb. 8.3. Einzigartige Architektur in „Gehirnform“: das INI (International Neuroscience Institute) in Hannover
Kieferklinik sowie die Radiologische, die Neurochirurgische und die Neurologische Klinik – wurden hier zu einem neuartigen Komplex zusammengeschlossen, der einen Grundpfeiler der Heidelberger Universitätsklinik darstellt.47 8.2.2.3 Fachkliniken mit Ausrichtung auf Patientengruppen US-amerikanische, aber auch deutsche Kliniken haben sich bereits früh auf bestimmte Patientengruppen, insbesondere Kinder, spezialisiert. Seit einiger Zeit weitet sich dieser Spezialisierungstrend in den Vereinigten Staaten aus auf mehrere, sehr große Patientengruppen, die nur im Zusammenwirken mit anderen Fachdisziplinen optimal behandelt werden können. Typisch sind die neu entstehenden Kinder- und Frauenzentren – eine Entwicklung, die in letzter Zeit auch in Deutschland zu beobachten ist. Daneben gibt es Zentren für geriatrische Patienten sowie MultiSpecialty-Kliniken mit Ausrichtung auf verwandte Disziplinen: Zentren für Kinder sowie für Kinder und Frauen. In Deutschland bestehen seit vielen Jahren Spezialkliniken für einzelne Patientengruppen. So ist beispielsweise das vor über 160 Jahren gegründete Olgahospital eine der größten und ältesten Kinderkliniken in Deutschland. Es umfasst – als Teil des Klinikums Stuttgart – fast alle
8.2 Die Zukunft dürfte drei deutlich abgrenzbaren Krankenhaustypen gehören
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internistischen und chirurgischen Disziplinen, die zur Versorgung kranker und schwerstkranker Kinder notwendig sind. Klassisches Beispiel für die Behandlung von Kindern als Patientengruppe in den USA ist das CHOP (Children’s Hospital of Philadelphia). Seit seiner Inbetriebnahme im Jahr 1855 – als erstes amerikanisches Krankenhaus überhaupt – konzentriert es sich ausschließlich auf die medizinische Versorgung von Kindern. Heute umfasst das CHOP beinahe 40 Spezialgebiete von Allergologie bis Urologie und über 30 Zentren – vom Zentrum für Atemwegserkrankungen bis zum Zentrum für Traumatologie. Des Weiteren bietet diese Fachklinik, die wiederholt zum besten pädiatrischen Krankenhaus der USA gewählt wurde48, mehr als 40 verschiedene Serviceleistungen und Spezialprogramme für Kinder und ihre Familien. Seit einiger Zeit richten sich US-amerikanische Zentren jedoch nicht mehr nur auf eine Patientengruppe aus, sondern auf eine kombinierte Behandlung mehrerer Patientengruppen. Hier ist beispielsweise das Lancaster General Women & Babies Hospital zu nennen, das sich vollkommen auf die gesundheitlichen Bedürfnisse von Frauen und ihren Kindern spezialisiert hat. Neben Stationen zur Versorgung gynäkologischer Tumorerkrankungen verfügt es über eine Neonatologie sowie Stationen für pädiatrische Kardiologie, Rheumatologie und Pneumologie.49 Der Trend zur Behandlung von Frauen und Kindern unter einem Dach setzt sich auch in Deutschland durch: Im Zuge der Konsolidierung der Standorte des Klinikums Stuttgart wird aus dem zuvor beschriebenen Olgahospital und der dortigen Frauenklinik bis 2011 ein integriertes Kinder- und Frauenzentrum werden.50 Zentren für geriatrische Patienten. Bedingt durch unsere alternde Gesellschaft wird es in Deutschland zwangsläufig immer mehr Zentren geben, die sich auf die Erkrankungen älterer Patienten spezialisieren. Wegweisend könnte das Geriatrische Zentrum in Michigan sein. Ende der 90er Jahre eröffnet, ist es die erste Einrichtung in den USA, die speziell für geriatrische Forschung und klinische Programme geschaffen wurde. Teams aus klinischem Personal und Sozialarbeitern helfen hier Menschen über 60 Jahre im Rahmen von Spezialprogrammen, so lange wie möglich gesund und unabhängig zu bleiben. Auch dieses Zentrum wurde wiederholt als eine der besten geriatrischen Top-Einrichtungen in den USA ausgezeichnet.51 Multi-Specialty-Kliniken mit Ausrichtung auf verwandte Disziplinen. Neben den Häusern mit einer Spezialisierung auf Organsysteme oder Patientengruppen wird es auch in Zukunft Multi-Specialty-Kliniken geben, die sich mit verwandten klinischen Disziplinen beschäftigen. Ein Beispiel ist die Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim, die (mit 232 Betten) zu den größten und renommiertesten Herz- und Rheumazentren in Deutschland zählt. Ihr Leistungsspektrum umfasst alle modernen Diagnose- und Therapieverfahren in den Fachgebieten Kardiologie, Herz- und Gefäßchirurgie sowie Rheumatologie. Zur Verfügung steht außerdem ein breites Angebot an Spezialambulanzen für Patienten mit Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Fettstoffwechsel- und Blutgerinnungsstörungen sowie rheumatologischen Erkrankungen. Sei es die Ausrichtung auf eine oder mehrere Disziplinen – in der Spezialisierung auf Nischen liegt gerade für kleine städtische Häuser in starker lokaler Wettbewerbssituation die große Chance, auch künftig erfolgreich agieren zu können.
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8 Anpassung der Angebotsstrukturen
8.2.3 Große Maximalversorger als regionaler Anlaufpunkt zur Behandlung komplexer Erkrankungen Kliniken der Maximalversorgung mit ca. 500 bis 700 Betten werden auch in Zukunft der Anlaufpunkt für multimorbide Patienten mit komplexen Krankheitsbildern sein. Maximalversorger stehen an der Spitze der neuen dreigliedrigen Versorgungsstruktur. Ihr Leistungsangebot sieht das Vorhalten von entsprechend hoch differenzierten medizinisch-technischen Einrichtungen vor und ihre Leistungen gehen weit über die Angebote von Häusern der Regel-/Schwerpunktversorgung hinaus.52 In aller Regel weisen Maximalversorger gegenüber kleineren Allgemeinkrankenhäusern deutliche Vorteile auf: größere klinische Kapazitäten, eine breitere Notfallabdeckung, ungleich bessere Infrastruktur- und Geräteausstattung in Notaufnahme und Ambulanz, eine hauseigene Poliklinik und, nicht zuletzt, einen sehr viel leistungsstärkeren OP-Bereich. Hinzu kommen obligatorische, schlichtweg nicht substituierbare Leistungen in Lehre, Aus- und Weiterbildung – sowohl für Studenten, Ärzte und Pfleger als auch für andere medizinische Berufsgruppen wie etwa Rettungspersonal. Eigene Forschungsaktivitäten sind speziell für Universitätskliniken unabdingbar, für Nicht-Universitätskliniken zumindest wünschenswert.53 Die große Chance der Maximalversorger, künftig wirtschaftlich zu arbeiten, liegt in der Konsolidierung ihrer Struktur und Bettenzahl. Selbst Kliniken der Maximalversorgung werden auf längere Sicht nicht mehr als 700 Betten benötigen. Sinkende Verweildauern und verbesserte Abläufe machen es möglich, in Häusern dieser Größe zwischen 30.000 und 40.000 Patienten zu versorgen. Noch in den 90er Jahren waren hierzu Kapazitäten von 1.000 Betten oder mehr erforderlich. Damit stellt sich für die bisherigen Großkrankenhäuser die Frage nach einem geeigneten Betriebsmodell. Ohne massive Steigerung der Fallzahlen ist es unumgänglich, den internen Klinikbetrieb räumlich zu konzentrieren und zu konsolidieren. Während kommunale Großkrankenhäuser aus dem 19. Jahrhundert nicht selten über 120 m2 je Bett aufweisen, verfügt das durchschnittliche Krankenhaus in Deutschland heutzutage über ca. 80 m2 Fläche je Bett. Moderne Krankenhausbauten kommen inzwischen bereits mit 45 bis 50 m2 je Bett aus. Die mit dem Überangebot an Fläche verbundenen Zusatzkosten sind enorm. Der entstehende Leerstand, d. h. nicht genutzte Betten und geschlossene Stationen, sollte zur Reduzierung der Infrastrukturkosten an dritte Nutzer gegen Vergütung vergeben bzw. versiegelt werden. Bei zu großem Leerstand und hohen Infrastrukturkosten sind Umbau- oder sogar Neubaumaßnahmen zu erwägen. Prozessgerechtes Bauen erspart hier in der Regel erhebliche Folgekosten. Maximalversorger, die es schaffen, ihre Strukturen rechtzeitig an die veränderten Anforderungen anzupassen, werden auf Grund ihres breiten und tiefen klinischen Spektrums auch künftig erfolgreich am Markt agieren können.
8.3 Verbundstrukturen ermöglichen den Zusammenschluss von Krankenhäusern
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8.2.4 Fazit: Zukunftschancen bieten sich gerade für kleine Häuser, Fachkliniken und Maximalversorger In Zeiten verschärften Wettbewerbs – sowohl im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit als auch die Qualität der medizinischen Versorgung – werden sich insbesondere kleine bis mittelgroße Krankenhäuser neu ausrichten müssen. Ihre Chance liegt in zunehmender Spezialisierung oder einem Zusammenschluss in Verbünden. Kleine einzeln stehende Häuser müssen ihren Fokus auf eine hervorragende Diagnostik legen, die es erlaubt, den Patienten schnell und adäquat vor Ort zu untersuchen, um ihn dann gegebenenfalls in eine Fachklinik oder einen Maximalversorger zu verlegen. Die größte Herausforderung für Maximalversorger ist die Verdichtung ihrer Struktur und Bettenzahl, um effizienter arbeiten zu können. Nur Häuser, die diese spezifischen Herausforderungen frühzeitig erkennen und entsprechend in den nächsten Jahren berücksichtigen, werden sich auch in Zukunft auf dem deutschen Krankenhausmarkt behaupten können.
8.3 Verbundstrukturen ermöglichen den Zusammenschluss von Krankenhäusern Anhaltende Konsolidierung und fortschreitende Privatisierung prägen seit Jahren den deutschen Krankenhaussektor. Im Zuge dieser Entwicklung haben sich zunehmend größere Krankenhausketten im privaten Besitz herausgebildet. Bekannte Beispiele für Privatisierungen in jüngster Zeit sind der Verkauf des Universitätskrankenhauses Marburg-Gießen an die Rhön-Klinikum AG sowie die Teilprivatisierung des LBK Hamburg durch einen Anteilsverkauf an die Asklepios Kliniken GmbH. Insgesamt ist der Marktanteil privater Klinikgesellschaften von 18% im Jahr 1995 auf 24% im Jahr 2004 angewachsen. Ermutigt durch die Erfolge ihrer privatwirtschaftlichen Vorbilder, haben inzwischen auch öffentlich-rechtlich geführte Häuser begonnen, sich zu kommunalen Krankenhausverbünden zusammenzuschließen – in aller Regel in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften.54 Wesentliche Anstöße für die Konsolidierungs- und Privatisierungswelle sind die angespannte Finanzlage vieler Kommunen, die Einführung des deutschen DRGSystems sowie wachsende Markttransparenz, bedingt durch die seit 2005 jährlich zu veröffentlichenden Qualitätsberichte. Auch künftig ist davon auszugehen, dass sich Kosten- und Wettbewerbsdruck weiter verstärken werden. Um langfristig am Markt bestehen zu können, sind die Krankenhäuser gezwungen, leistungsstarke, effiziente Strukturen zu etablieren. Verbünde und Kooperationen stellen hierfür – insbesondere für kleinere Krankenhäuser – ein geeignetes Instrument dar. Dabei kommt der durch Zusammenschluss realisierbaren Übertragung von Führungswissen eine mindestens ebenso große Bedeutung zu wie den oft zitierten Betriebsgrößenvorteilen. Historisch betrachtet gibt es zwei Formen von Krankenhausverbünden und -kooperationen: Wegbereiterfunktion hatten die zuerst entstandenen überregiona-
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len Verbundstrukturen. Inzwischen bilden sich vermehrt auch regionale Verbundstrukturen heraus, vor allem in deutschen Großstädten wie Hamburg, Berlin, Stuttgart oder München. Aus den Erfahrungen mit beiden Formen von Verbundstrukturen lassen sich Erfolgsprinzipien und -modelle für die optimale Ausgestaltung von Verbundstrukturen ableiten. Bei konsequenter Umsetzung erlauben sie die schrittweise Erschließung und Ausschöpfung der Synergiepotenziale eines Verbunds.
8.3.1 Überregionale Verbünde als erster Schritt, um Synergien zu erschließen Überregionale Verbundstrukturen sind vor allem durch das Aufkommen privater Krankenhausgesellschaften in den 70er und 80er Jahren entstanden. Zu dieser Zeit wurde das wirtschaftliche Risiko des Krankenhausbetriebs noch gänzlich von den Krankenkassen getragen. Dementsprechend hatten nur wenige öffentliche bzw. freigemeinnützige Träger ein Interesse, ihre Krankenhäuser zu veräußern. Daher waren für den Aufbau privatwirtschaftlicher Krankenhausgesellschaften nur vereinzelt Krankenhäuser verfügbar, vorwiegend in ländlichen Gegenden und geografisch oft weit voneinander entfernt. Auf Grund der oftmals großen Distanzen zwischen den Standorten überregionaler Verbünde fokussiert sich das Angebot zentral erbrachter Leistungen meist auf einzelne Management- sowie weitere unterstützende Funktionen. Typische Zentralfunktionen in diesem Sinne waren und sind: Finanz- und Rechnungswesen, Controlling, Personal, Recht, EDV, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit, Qualitätsmanagement, Akquisition und Projektberatung sowie Bau und Technik. Zudem erweist es sich als möglich, durch Bündelung des Einkaufs von medizinischem wie auch nicht medizinischem Sachbedarf erhebliche Skaleneffekte und Kosteneinsparungen zu erzielen. Ergänzend dazu kann der Verbund die Geschäftsleitungen der einbezogenen Krankenhäuser in strategischen und operativen Fragen zentral unterstützen: beispielsweise bei Abrechnungsfragen nach dem DRG-System, bei Budgetverhandlungen mit den Kassen oder wenn es um marktstrategische Fragen wie die Optimierung des Leistungsspektrums bzw. die Erschließung neuer Geschäftsfelder geht. Dagegen sind für überregionale Verbünde die Möglichkeiten, Synergien bei Infrastruktur und Service zu nutzen, naturgemäß beschränkt. Haupthindernis ist, dass der operative Klinikbetrieb auf Einzelhausebene bei großer räumlicher Distanz weiterhin in erster Linie autark erfolgen muss. Vereinzelt bieten überregionale Verbünde zwar Dienstleistungen bei Wäsche-/Textilversorgung, Catering und Reinigung an. In aller Regel handelt es sich jedoch um beratende Dienstleistungen, die dem Krankenhaus vor Ort helfen sollen, Qualitätsstandards einzuhalten und Einsparpotenziale zu realisieren. Serviceaufgaben werden meist weiterhin vom Krankenhaus selbst oder im Rahmen von Kooperationen mit lokalen Fremdfirmen erbracht. Auch im medizinischen Bereich lassen sich Synergien zwischen den einzelnen Standorten nur begrenzt erschließen. Die wichtigsten Einzelmaßnahmen sind hier
8.3 Verbundstrukturen ermöglichen den Zusammenschluss von Krankenhäusern
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die durchgängige Etablierung von verbindlichen Qualitätsstandards und Behandlungsabläufen.55 Auf diese Weise ist es möglich, die Behandlungsqualität und Prozesseffizienz verbundweit zu verbessern. Zudem kann ein kontinuierlicher Lernprozess in Gang kommen, bei dem einzelne Standorte vom Know-how der anderen hinsichtlich Diagnose und Therapie profitieren. Mehr ist kaum denkbar. Denn die Zusammenarbeit räumlich getrennter Häuser via Telemedizin – z. B. zur zentralen radiologischen Befundung – lässt sich bisher erst in Einzelfällen verwirklichen.
8.3.2 Regionale Verbünde als Treiber von Integration und Konsolidierung Regionale Krankenhausverbünde sind gerade in jüngster Zeit vermehrt entstanden. Meist handelt es sich um Zusammenschlüsse innerhalb eines Stadtgebiets oder auf Ebene von Landkreisen. Typische Beispiele sind die Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH in Berlin oder die Klinikverbund Südwest GmbH. Im Frühjahr 2006 gegründet, umfasst der Klinikverbund Südwest das Städtische Krankenhaus Sindelfingen sowie die Krankenhäuser der Landkreise Böblingen und Calw. Wesentlicher Grund für die Herausbildung solcher regionalen Verbünde ist die wachsende Bereitschaft vieler kommunaler Träger, sich – angesichts der Verknappung öffentlicher Mittel – von ihren Häusern zu trennen und diese in neue Strukturen zu überführen. Damit sollen die Voraussetzungen für einen künftig leistungsfähigeren und effizienteren Klinikbetrieb geschaffen werden, der – auf mittlere bis längere Sicht – eine tragfähige Selbstfinanzierung ermöglicht und so die öffentlichen Haushalte entlastet. Für den Aufbau von Verbundstrukturen bedeutet dies, dass zunehmend Häuser aus derselben Region zur Verfügung stehen. Dank der räumlichen Nähe der Standorte wird auch eine wesentlich tiefer greifende Integration der Häuser möglich. Sie umfasst nahezu alle Bereiche der operativen Leistungserbringung. Insbesondere wird es möglich, auf Verbundebene eine abgestufte Versorgungsstruktur zu etablieren. Damit verbessert sich nicht nur die Effizienz der einzelnen Verbundkrankenhäuser. Vielmehr wird es auch möglich, durch ein differenzierteres Leistungsangebot die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Verbunds insgesamt zu erhöhen. Idealerweise ist ein regionaler Verbund nichts anderes als ein Netzwerk aus kleineren Allgemeinkrankenhäusern, einem Krankenhaus der Maximalversorgung sowie gegebenenfalls weiteren spezialisierten Fachkliniken56: Die Allgemeinkrankenhäuser gewährleisten die Grundversorgung der Bevölkerung in der Region und fungieren darüber hinaus mit ihrer umfassenden Diagnostik als Portal für den Klinikverbund. Komplizierte Fälle, die eine Spezialbehandlung oder eine spezielle medizinische Apparateausstattung erfordern, werden an das Krankenhaus der Maximalversorgung als (verbundinternes) Kompetenzzentrum überwiesen. Das Krankenhaus der Maximalversorgung bildet auch insgesamt den Mittelpunkt des Verbunds; in dieser Rolle ermöglicht es mit seinen klinischen Kapazitäten und seiner apparativen Ausstattung die Versorgung komplexer Fälle auf medizinisch höchstem Niveau. Fachkliniken können das angebotene Leistungsspektrum ergänzen und den Spezialisierungsgrad des Verbunds weiter erhöhen (Abb. 8.4).
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8 Anpassung der Angebotsstrukturen
Idealtypischer Aufbau regionaler Krankenhausverbünde Wesentliche Elemente
• Durchführung um-
fassender Diagnostik, Erstversorgung und Behandlung von Standardfällen in Allgemeinkrankenhäusern des Verbundes
Kleinere Allgemeinkrankenhäuser Fachklinik Krankenhaus der Maximalversorgung
• Überweisung
komplexer/multimorbider Fälle in gruppeninternes Kompetenzzentrum (z.B. innerhalb Maximalversorger oder Fachklinik)
• Vorhaltung spezieller, kostenintensiver Apparate an lediglich einem Standort des Verbundes
Quelle: McKinsey
Abb. 8.4. Regionale Krankenhausverbünde erlauben abgestufte Versorgungsstrukturen
8.3.2.1 Vielfältige Synergieeffekte Der Aufbau regionaler Verbünde ermöglicht, neben effizienterem Ressourceneinsatz und Kosteneinsparungen, insbesondere Verbesserungen im Leistungsangebot und der Versorgungsqualität. Letztere wird immer mehr zum entscheidenden Differenzierungsmerkmal unter den Leistungserbringern. Um im Wettbewerb bestehen zu können, ist es für einen Großteil der Krankenhäuser unumgänglich, ihr Leistungsspektrum anzupassen und weiter zu optimieren. Synergieeffekte im klinischen Bereich. Regionale Verbundstrukturen erlauben es den einbezogenen Krankenhäusern, ihr Leistungsangebot komplementär zu ergänzen. Insbesondere kleinere Allgemeinkrankenhäuser können auf die Ressourcen anderer Verbundkrankenhäuser zurückgreifen, anstatt diese selbst aufzubauen und dadurch unwirtschaftliche Kostenstrukturen zu schaffen. Aus den unterschiedlichen Leistungsangeboten der Einzelkrankenhäuser ergeben sich mithin Synergien, die das Leistungsspektrum auf Verbundebene – qualitativ, aber auch in der Breite der Indikationen – deutlich ausweiten. Daneben spielt bei der Optimierung des Leistungsspektrums der Aufbau von verbundweiten Kompetenzzentren, z. B. Bauch-, Thorax- oder Kopfzentren, eine wesentliche Rolle. Die daraus resultierenden Vorteile sind vielfältig. Zum einen können durch die enge Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen, die für die Behandlung eines
8.3 Verbundstrukturen ermöglichen den Zusammenschluss von Krankenhäusern
185
bestimmten Krankheitsbilds notwendig sind, bessere Behandlungsergebnisse erzielt werden. Zum anderen stellt der Aufbau von Zentren auf Verbundebene sicher, dass die individuellen Stärken und Kompetenzen der Verbundkrankenhäuser gebündelt und durch eine zentrale Bereitstellung bestmöglich genutzt werden. Dies bietet die beste Garantie, dass alle Patienten des Verbunds – insbesondere in schwierigen Fällen – eine Behandlung auf höchstem medizinischem Niveau erhalten. Ein weiterer Vorteil von Kompetenzzentren liegt in der Möglichkeit, auch bei seltener auftretenden Krankheitsbildern eine höhere Fallzahl zu erreichen. Dies führt zu Lernkurveneffekten, höheren Prozesseffizienzen und letztlich zu einer besseren Versorgungsqualität. Wie bei überregionalen Verbünden kann durch die Etablierung einheitlicher Qualitätsstandards und Behandlungspfade auch die Leistungsfähigkeit des Verbunds insgesamt gesteigert werden. Eigener Anspruch sollte sein, dass jeder Einzelstandort – über die Zeit – das Niveau des besten und leistungsfähigsten Krankenhauses im Verbund erreicht. Synergieeffekte bei der Infrastrukturnutzung. Anders als in autarken Einzelkrankenhäusern können in regionalen Verbünden wichtige Infrastrukturressourcen zusammengefasst und gemeinsam genutzt werden – wodurch sich erhebliche Entlastungen bei Betriebskosten und Investitionsbedarf ergeben. Analog zur Bildung medizinischer Zentren können besonders kostenintensive und spezialisierte medizinische Apparaturen auf wenige Verbundstandorte konzentriert werden, was zu einem Abbau kostspieliger Mehrfachvorhaltungen führt. Begleitet werden sollte dieser Prozess von einer Steuerung elektiver Untersuchungen und Eingriffe hin zu den jeweiligen Kompetenzzentren bzw. Standorten mit entsprechender apparativer Ausstattung. Modellbeispiel ist hier der Aufbau eines Linksherzmesskatheterplatzes, der verbundweit von allen anderen angeschlossenen Krankenhäusern mit genutzt werden kann. Regionale Krankenhausverbünde sind in aller Regel im Stande, ihre Betriebskosten und Investitionsaufwendungen – zumindest auf längere Sicht – nachhaltig zu senken. Zusammengelegte höhere Budgets und eine zwischen den Standorten abgestimmte Investitionspolitik stärken zudem die Investitionskraft des Verbunds und erlauben es, die verfügbaren Mittel effizienter zu nutzen. Damit wird es möglich, gezielt in den medizinischen Fortschritt sowie die kontinuierliche Verbesserung der Prozess- und Ergebnisqualität zu investieren – was wiederum die Wettbewerbsfähigkeit des Verbunds langfristig stärkt. Angesichts des immer deutlicheren Rückzugs der Länder und Kommunen aus der Investitionsfinanzierung stellt dies für die meisten Häuser eine mehr als willkommene Gelegenheit dar. Die Krankenhäuser müssen die Chance erhalten, die zu erwartenden zusätzlichen Investitionsanforderungen mit entsprechend wachsenden Eigenmitteln abzudecken. Und hier kommen erhebliche Mehrbelastungen auf die Krankenhäuser zu! Betrug der Eigenbeitrag der Krankenhäuser zu den erbrachten Investitionsaufwendungen im Jahr 2003 erst 33%, so zeichnet sich nun ab, dass bereits mittelfristig der Investitionsbedarf zu über 50% aus Eigenmitteln bestritten werden muss.57 Synergieeffekte in den Servicefunktionen. Auch in Servicefunktionen wie Wäsche‑/ Textilversorgung, Catering und Reinigung lassen sich durch regionale Verbünde
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signifikante Kosteneinsparungen erzielen. Im Vergleich zu überregionalen Verbünden sind die Spielräume tendenziell größer. Einerseits besteht hier, wie bei überregionalen Verbünden, die Möglichkeit, solche Serviceaufgaben direkt fremdzuvergeben oder – in Kooperation mit Dritten – im Rahmen einer eigenen Servicegesellschaft wahrzunehmen.58 Der regionale Verbund tritt hierbei als lokale/regionale Einkaufsmacht auf. Auf Grund der ausgeprägten Lokalität/Regionalität dieser Dienstleistungsgeschäfte muss er jedoch de facto kaum Preis-/Kostennachteile gegenüber überregional agierenden Verbünden befürchten. Andererseits bietet die räumliche Nähe der Einzelstandorte auch die Möglichkeit, Serviceleistungen wie Catering sowie Wäsche-/Textilversorgung zentralisiert und aus eigener Kraft zu erbringen – etwa durch den Aufbau eines eigenen Verbund-Versorgungszentrums. Auf diese Weise lassen sich ebenfalls Produktivitätsund Kostenvorteile erzielen, da so insbesondere kostspielige Mehrfachvorhaltungen an den Einzelstandorten entfallen. Welche der beiden Optionen die günstigere ist, lässt sich in aller Regel nicht a priori bestimmen. Vielmehr wird man eine maßgeschneiderte Lösung finden müssen, die den spezifischen Umfeldbedingungen des Verbunds wie auch der einzelnen Standorte optimal Rechnung trägt. Synergieeffekte in Management- und unterstützenden Funktionen. Zentral erbrachte Leistungen spielen bei der Optimierung der Management- und unterstützenden Funktionen eine bedeutende Rolle. Dabei hängt die Höhe der zu erwartenden Synergiepotenziale sehr viel stärker von der Größe des Verbunds als von seiner geografischen Reichweite ab. Ausschlaggebendes Erfolgskriterium bei der Zentralisierung der Einkaufsfunktion ist bezeichnenderweise die Höhe des Volumens, über das der Verbund insgesamt verfügt. Ob es sich bei der Einkaufsgemeinschaft um einen regionalen oder überregionalen Verbund handelt, ist lediglich von untergeordneter Bedeutung. Fest steht, dass ein regionaler Verbund gegenüber einem autarken Einzelkrankenhaus deutlich mehr Markt- und Verhandlungsstärke besitzt, wenn es um Fragen der Beschaffung, der Budgetierung durch die GKV oder auch der Systemunterstützung geht. Neben Skaleneffekten sowie Produktivitäts- und Kostenvorteilen spielen in einem regionalen Verbund aber auch Know-how-Vorteile eine wichtige Rolle. Der Verbund hat die Möglichkeit, die jeweils erfolgreichsten Organisationslösungen über alle Standorte systematisch zu etablieren. 8.3.2.2 Künftige Entwicklungs- und Wachstumschancen Stationäre Versorgung ist und bleibt ein vorwiegend lokal bzw. regional geprägtes Dienstleistungsgeschäft. Solange dem so ist, haben regionale Verbünde Synergievorteile gegenüber überregional agierenden Verbünden. Diese zeigen sich am deutlichsten bei der medizinischen Leistungserbringung sowie bei der Infrastrukturnutzung. Auf Grund dieser günstigen Perspektive ist zu erwarten, dass regionale Verbünde in den nächsten Jahren weiter an Zahl und Bedeutung gewinnen werden. Allerdings sind ihrem weiteren Wachstum, vor allem in der angestammten Region, zunehmend kartellrechtliche Grenzen gesetzt. Krankenhausfusionen unter-
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liegen – im privatwirtschaftlichen wie auch im öffentlichen Sektor – dem „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ (GWB).59 Dieses sieht ein Verfahren zur Zusammenschlusskontrolle vor, wenn im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss (1) die beteiligten Unternehmen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Mio. EUR erzielt haben und (2) mindestens ein beteiligtes Unternehmen im Inland Umsatzerlöse von mehr als 25 Mio. EUR erzielt hat.60 Sind beide Bedingungen erfüllt, so muss ein Zusammenschluss vor dem Vollzug beim Bundeskartellamt angemeldet werden. Das anschließende Prüfverfahren kann unter Umständen auch dazu führen, dass der geplante Zusammenschluss untersagt wird. Dies wurde deutlich, als das Bundeskartellamt – in seiner Entscheidung vom 10. März 2005 – den geplanten Zusammenschluss der Krankenhäuser des Landkreises Rhön- Grabfeld mit der Rhön-Klinikum AG untersagte. Nach Ansicht des Amtes drohte die Rhön AG durch die Übernahmen eine „einzelmarktbeherrschende“ Stellung in den Regionen Bad Neustadt/Bad Kissingen sowie Markt Meiningen/Schmalkalden zu erlangen.61 Zum gleichen Schluss gelangte – nach eingehender Prüfung – auch die Monopolkommission in ihrem Sondergutachten vom April 2006. Als Folge wurde den beiden Fusionspartnern die angestrebte Ministererlaubnis nicht erteilt.62 Grundsätzlich gilt, dass kartellrechtliche Implikationen jeweils im konkreten Einzelfall geprüft und evaluiert werden müssen. Damit haben ablehnende Bescheide an sich nur eine limitierte Präzedenzwirkung. Gleichwohl können sie bereits im Vorfeld allzu euphorische Erwartungen hinsichtlich der Ausdehnung regionaler Verbünde deutlich dämpfen.
8.3.3 Wege zum Erfolg im Verbund In der Vergangenheit haben Wirtschaftswissenschaftler und Praktiker viel Zeit darauf verwandt, eine universell richtige Organisationsform für Krankenhausverbünde zu finden. Die Suche erwies sich als müßig, denn eine Patentlösung gibt es anscheinend nicht. Vielmehr findet man in der Realität eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Organisationsformen. Das Spektrum reicht von lockeren Kooperationen bis hin zur völligen Integration mehrerer lokal benachbarter Krankenhäuser – und dazwischen gibt es noch denkbar viele Variationen. Welche Organisationsstruktur für einen Krankenhausverbund optimal ist, kann nur individuell für den jeweiligen Verbund ermittelt werden. Jeder Verbund muss für sich herausfinden, welche Rechtsform, welche Ablauf- und welche Aufbauorganisation für ihn am besten passt. Um diese Entscheidung zu treffen, kann man auf unterschiedliche Auswahlkriterien zurückgreifen. Vor allem zwei Kriterien dürften für die Ausgestaltung des Verbunds von besonderer Bedeutung sein: 1. Spezifische Zielsetzung/Vision, die mit dem geplanten Verbund von mehreren Krankenhäusern verwirklicht werden soll. 2. Interessenlage/Anspruchshaltung von Mitarbeitern, Geschäftsführungen sowie den Trägern an den jeweiligen Standorten.
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Sollten beispielsweise mehrere Krankenhäuser eine Einkaufsgemeinschaft bilden wollen, so ist es kaum erforderlich, die Geschäftsfunktionen jedes einzelnen Krankenhauses umfassend anzupassen oder in ein neues gemeinsames Organisationsmodell zu integrieren. Vielmehr dürfte es genügen, eine entsprechende vertragliche Vereinbarung zu treffen, die Einkaufsfunktionen zentral zu koordinieren oder gegebenenfalls in eine gemeinsame Tochtergesellschaft auszulagern. Anders sieht es aus, wenn zwei benachbarte Krankenhäuser beschließen, ihren Klinikbetrieb so abzustimmen, dass die Leistung im Verbund die Addition der Einzelleistungen beider Häuser klar übertrifft. Zwangsläufig werden dabei Partikularinteressen aufeinanderprallen. Etwa wenn es darum geht zu klären, welche klinischen Leistungen künftig an welchem Standort erbracht bzw. welche der nicht klinischen Unterstützungsfunktionen künftig zentral zusammengefasst werden sollen. Zügige Integrationsfortschritte lassen sich hier nur erreichen, indem man ein neues standortübergreifendes Organisationsmodell etabliert – mit einer einheitlichen Geschäftsführung sowie einer einheitlichen Trägerschaft für beide Standorte. Wie eng oder lose ein Verbund zu gestalten ist, darüber sollte mit Blick auf den jeweils erforderlichen Integrationsgrad entschieden werden. Sind die Ziele des Verbunds umfassender Natur und/oder die Partikularinteressen an den einzelnen Standorten sehr ausgeprägt, so ist ein hoher Integrationsgrad angebracht. Entsprechend eng und einheitlich sind die organisatorischen Strukturen zu gestalten. Beschränkt sich der Verbund dagegen auf vereinzelte Themenbereiche und sind auch die gemeinsamen Ziele eher limitiert, so bedarf es keines hohen Integrationsgrads. Statt organisatorischer Zusammenführung genügt häufig eine vertragliche Lösung; meist führt sie auch schneller zu Ergebnissen. Insgesamt stehen je nach gewünschtem Integrationsgrad vier Organisationsmodelle zur Verfügung: Verschmelzung: Dies ist die konsequenteste, nachhaltigste und – im Regelfall – auch irreversible Verbindung von Krankenhäusern. Technisch wird sie erreicht, indem mehrere, in eigener Rechtsform organisierte Krankenhäuser aufeinander verschmolzen oder die jeweiligen Geschäftsbetriebe in eine einheitliche Gesellschaft eingebracht werden. Die ehemals selbständigen Krankenhäuser werden durch diesen Vorgang zu unselbständigen Betriebsstätten. Eine einzige Geschäftsführung trägt die Verantwortung für alle Standorte und hat auch die Kompetenz, die notwendigen Entscheidungen für jeden Standort zu treffen. Die bisherigen Träger werden gemeinhin im Verhältnis ihrer Einlagen am verschmolzenen Betrieb beteiligt, so dass auch die Ebene der Gesellschafter einheitlich für alle Standorte zuständig ist. In einem derart gestalteten Verbund ist es möglich, sehr schnell nachhaltige und umfassende standortübergreifende Anpassungen vorzunehmen. Das ist vor allem dann vorteilhaft, wenn die Krankenhausbetriebe räumlich nahe zusammen liegen und mithin vielfältige Kooperationsmöglichkeiten bestehen. Ein typisches Beispiel ist die Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH in Berlin. Vivantes ist – auf Beschluss des Berliner Senats – aus der Verschmelzung von ehemals zehn städtischen Krankenhäusern hervorgegangen; die Häuser werden heute als unselbständige Betriebsstätten unter einer einheitlichen IK-Nummer geführt. Einen solch hochintegrierten Verbund zu schaffen, ist in der Praxis allerdings nicht einfach. Für die beteiligten Krankenhausträger verbindet sich mit der ange-
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strebten Verschmelzung vielfach die unterschwellige Besorgnis, dass die neue gesamtverantwortliche Geschäftsführung Maßnahmen ergreifen könnte, die gegen die Interessen der von ihnen vertretenen Einzelstandorte gerichtet sind. Deshalb gibt es immer wieder Versuche, den vor der Verschmelzung bestehenden Status quo auch in der Satzung der neuen Gesellschaft festzuschreiben. Leider wird dadurch der eigentliche Zweck des Verbunds, ein standortübergreifendes Optimum zu erreichen, ins Gegenteil verkehrt. Holding: Eine weniger stringente, im Prinzip stets reversible Organisationsform stellen Holding-Lösungen dar. In diesem Fall übertragen die Gesellschafter der einzelnen Krankenhausbetriebe ihre Anteile auf eine Obergesellschaft und werden selbst Gesellschafter dieser Obergesellschaft (Holding). Die jeweilige Geschäftsführung vor Ort bleibt für jedes beteiligte Krankenhaus bestehen und wird ergänzt durch die standortübergreifend verantwortliche Holding-Geschäftsführung. Holding-Modelle bieten sehr differenzierte Möglichkeiten der Aufsichtsführung sowie der Steuerung der jeweiligen Geschäftsführung vor Ort. Sie sind besonders empfehlenswert, wenn die einzelnen Krankenhausbetriebe räumlich weiter auseinander liegen. Die für das einzelne Krankenhaus zuständige Geschäftsführung sichert eine gute Führung des Standorts im lokalen Wettbewerbsumfeld. Zugleich können die Synergien zwischen den Standorten durch die Zentralisierung einzelner Funktionen auf Holding-Ebene effizient erschlossen werden. Bezeichnenderweise sind Holding-Lösungen das vorherrschende Organisationsmodell bei vielen privaten Krankenhausverbünden, z. B. bei Asklepios, Helios oder den Rhön-Kliniken. Holding-Lösungen sind gleichwohl kein Königsweg. Gerade bei der Zusammenführung von öffentlich-rechtlich geführten Krankenhäusern innerhalb einer Region sind Holding-Modelle wiederholt gescheitert. Grund waren in aller Regel fest verankerte Geschäftsführungen vor Ort, denen es mit Hilfe ihrer ehemaligen Träger gelang, den Status quo an ihrem Standort zu zementieren. Damit konnte die Holding-Geschäftsführung selbst keine nennenswerten Synergien heben; ihre Existenz verursachte vielmehr zusätzlichen Aufwand und machte die Entscheidungsprozesse noch komplizierter. Gemeinsame Tochtergesellschaft: Sofern nur Teilbereiche von mehreren Krankenhausbetrieben integriert werden sollen, bietet sich die Gründung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft an, in die dann die betreffenden Betriebsteile eingebracht werden. Alle übrigen Betriebsteile der beteiligten Partnerkrankenhäuser werden von diesem Modell nicht tangiert. In der Tochtergesellschaft agieren die Geschäftsführungen der Partnerkrankenhäuser als Gesellschafter. Der Geschäftsführung der Tochtergesellschaft obliegt es, die einheitliche Führung der zu integrierenden Teilfunktionen sicherzustellen. Ein solches Lösungsmodell empfiehlt sich insbesondere, wenn parallel an mehreren Standorten bestehende Organisationseinheiten, etwa wissenschaftliche Institute, radiologische Einrichtungen oder auch Servicebereiche (z. B. Küche) zusammengelegt werden sollen. Ebenso kommt das Modell in Frage, wenn hohe Investitionen in neue Technologien – z. B. die Bestrahlung mit Protonen – nicht mehr von den einzelnen Krankenhausbetrieben allein getragen werden können. Hier bietet die gemeinsame Tochtergesellschaft die geeignete Rechtsform, um zentrale Einrichtungen gemeinsam zu schaffen und wirtschaftlich zu betreiben.
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8 Anpassung der Angebotsstrukturen
In der Praxis sind Tochtergesellschaftsmodelle aber eher selten anzutreffen. Wesentlicher Grund ist die Belastung durch die Umsatzsteuer. Gesellschafter, die weniger als 50% der Anteile halten, müssen 19% Mehrwertsteuer abführen, wenn sie Leistungen der gemeinsamen Tochter in Anspruch nehmen. Damit stellt sich bei jeder Inanspruchnahme die Wirtschaftlichkeitsfrage. Vertragliche Bindung: In seiner losesten Form beruht ein Verbund auf vertraglicher Vereinbarung, fallweise auch auf entsprechendem faktischem Verhalten. Vertragliche Vereinbarungen sind in der Regel schnell zu realisieren und können – bei entsprechenden Öffnungsklauseln – relativ leicht modifiziert bzw. gekündigt werden. Dies ist vor allem von Vorteil, wenn Teilfunktionen der Leistungserbringung standortübergreifend koordiniert oder zusammengeführt werden sollen. Ein typisches Beispiel ist die Gründung von Einkaufsgemeinschaften. Solchen vertraglichen Lösungen fehlt allerdings häufig die wünschenswerte Nachhaltigkeit. Ihr Einfluss auf die weitere Entwicklung der beteiligten Krankenhausbetriebe ist vergleichsweise gering. Fortschritte zeigen sich eher in Details als in übergreifenden Veränderungen.
8.3.4 Fazit: Verbundstrukturen erweitern die operativen und strategischen Spielräume der Krankenhäuser Verbundstrukturen sind ein geeignetes Instrument, um leistungsfähige effiziente Strukturen für Krankenhäuser zu schaffen. Vor allem regionale Verbünde erweisen sich als zunehmend erfolgversprechend. Mit ihrer Hilfe lassen sich zum einen Synergien – insbesondere bei medizinischem Leistungsangebot und Infrastrukturnutzung – erschließen, was vielfältige Größen-, Produktivitäts- und Kostenvorteile schafft. Zum anderen können in Verbundstrukturen nicht nur qualitativ höhere, sondern auch breiter gefächerte Leistungen angeboten werden. Diese Vorteile kommen vor allem bei der Entscheidung für eine abgestufte Versorgungsstruktur zum Tragen. Maßgeblich für den Erfolg einer Verbundorganisation ist die transparente Organisationsform. In Abhängigkeit vom gewünschten Integrationsgrad stehen mehrere Alternativen zur Verfügung. Angesichts des immer schärferen Wettbewerbs und des zunehmend deutlicheren Rückzugs der Länder und Kommunen aus der Investitionsfinanzierung ist zu Recht davon auszugehen, dass Verbundstrukturen auch künftig – was Anzahl und Bedeutung anbelangt – weiter auf dem Vormarsch sein werden.
Endnoten 1
Canbäck, S., Samouel, P., Price, D.: Do diseconomies of scale impact firmsize and performance? A theoretical and empirical overview. Journal of Managerial Economics, 2006. 2 Grunddaten der Krankenhäuser, Tabellen 2.1.3 und 2.2.3, Statistisches Bundesamt, 2002–2004. 3 Grunddaten der Krankenhäuser, Tabelle 2.1.1, Statistisches Bundesamt (Verhältnis von Häusern mit zwei bis drei Fachabteilungen vs. Häuser mit vier bis sechs Fachabteilungen), 2000–2004. 4 Mindestmengenvereinbarung, Gemeinsamer Bundesausschuss, 2006. 5 Evidenz zur Ableitung von Mindestmengen in der Medizin, Gutachten im Auftrag der Bundesärztekammer, M. Geraedts, 2004.
Endnoten 6
191
www.gesundheit.nrw.de; das Landesgesundheitsportal. www.bqs-online.de. 8 Uni Düsseldorf untersucht Einfluss von Mindestmengen auf Versorgungsstrukturen, Ärztezeitung, 2006. 9 www.gesundheit.nrw.de; das Landesgesundheitsportal. 10 Vgl. dazu die Ausführungen in Kap. 6.2.1.2. 11 Gemeinsamer Bundesausschuss – Mindestmengen, KMA, 2005. 12 Neue Qualitätsstandards für Perinatalzentren, Ärztezeitung, 2006; www.g-ba.de. 13 Evidenz zur Ableitung von Mindestmengen in der Medizin, Gutachten im Auftrag der Bundesärztekammer, M. Geraedts, 2004. 14 Mindestmengen – Rechnen ohne Zahlen, KMA, 2005. 15 Ergebnisse verschiedener Interviews zur Untersuchung „Beeinflusst die Stationsgröße die Wirtschaftlichkeit?“ in der Zeitschrift „Pflege und Management“, 2005. 16 Klientenbeispiele, McKinsey, 2005. 17 Statistisches Bundesamt, Kostennachweis der Krankenhäuser, Tabelle 2.2.1, 2004. 18 Klientenbeispiel: Differenz zwischen auslastungsstärkstem und auslastungsschwächstem Monat im Jahr, McKinsey, 2005. 19 Definition lt. SGB V §108. 20 Krankenhausplan des Landes NRW, 2001. 21 Vgl. dazu die Ausführungen in Kap. 6.1.1. 22 Statistisches Bundesamt (Anzahl vollstationärer gynäkologischer Fälle, 1991–2003). 23 Statistisches Bundesamt (durchschnittliche Verweildauer gynäkologischer vollstationärer Fälle in Tagen, 1991–2003). 24 Schlaganfallbehandlung mit Telemedizin, Magazin „Fakt“, 2005. 25 www.tempis.de. 26 Vgl. zur Rolle der Spezialkliniken Kap. 6.2.2. 27 Gründe für die Wahl eines Krankenhauses, Schriftenreihe Medical Research and Consult, 2004. 28 Public Health Dissertation, „Versorgungsforschung im stationären Sektor“, Martin Bauer, 2003. 29 Statistisches Bundesamt (Alterspyramiden 1950–2003 und Prognose 2050). 30 McKinsey-Analyse, 2005. 31 www.aok-gesundheitspartner.de. 32 McKinsey-Analyse, 2005. 33 Zum prozessgerechteren Aufbau vgl. Kap. 6.2.3. 34 Klienteninterviews, McKinsey 2006. 35 Rechenmodell zu Mindestmengen lässt vieles offen, Ärztezeitung, 2006; www.iqwig.de. 36 Mindestmengen machen Wege für Patienten weit, Ärztezeitung, 2005. 37 Analyse der Auswirkung der Festlegung von Mindestmengen auf die Versorgungsstruktur, PD Dr. Norbert Roeder et al., 2004. 38 Krankenhaus-Trend: Zentrenbildung hoch im Kurs, Deutsches Ärzteblatt, 2005. 39 Regionalreport Ruhrgebiet, KMA, 2005. 40 Siehe dazu Kap. 6.1.1. 41 Masterplan Gesundheitswirtschaft NRW, Version 2.0, 2005. 42 Regionalreport Ruhrgebiet, KMA, 2005. 43 Qualitätsberichte, 2004; www.endo-klinik.de. 44 www.parkinson-zentrum.de. 45 www.rheuma-zentrum.de. 46 www.ini-hannover.de 47 Pressemitteilung Universität Heidelberg (Kopfklinik: Positive Bilanz bei Patientenversorgung, Forschung und Lehre), www.klinikum.uni-heidelberg.de/Kopfklinik.1110.0.html. 48 www.chop.edu; Child Magazine, US News & World Report, 2005. 49 www.lancastergeneral.org. 50 Konzentrierung der Standorte in Stuttgart, Klinik Management Aktuell, KLINIK@NEWS, 2005. 51 www.med.umich.edu/geriatrics; US News & World Report, 2005. 52 Definition entsprechend dem Bayerischen Krankenhausgesetz (BayKrG), 2004. 7
192
8 Anpassung der Angebotsstrukturen
53 Anforderungen
an Krankenhäuser abhängig von der Versorgungsstufe, Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie, www.dgu-online.de, 2004. 54 Die am häufigsten gewählten Rechtsformen sind die GmbH und die gGmbH. 55 Siehe auch Kapitel 4: „Patientenzentrierte Behandlungsabläufe als Schlüssel zu Wirtschaftlichkeit und Qualität“. 56 Zur Rolle der verschiedenen Krankenhaustypen im Rahmen einer abgestuften Versorgung vgl. Kap. 6.2. 57 Umfrage DKI-Krankenhaus-Barometer 2005, McKinsey. 58 Zur Optimierung von Servicefunktionen vgl. auch Kapitel 5.2 und 5.3. 59 § 130 GWB. 60 § 35 GWB. 61 Entlang seiner Argumentationslinie vom 10.3.2005 begründet das Bundeskartellamt auch seine Untersagungsverfügung zum geplanten Erwerb aller Anteile an der Städtisches Krankenhaus Eisenhüttenstadt GmbH durch die Rhön-Klinikum AG vom 23.3.2005. 62 Quelle: Sondergutachten der Monopolkommission zum Zusammenschlussvorhaben der Rhön-Klinikum AG mit dem Landkreis Rhön-Grabfeld gemäß § 42 Abs. 4 Satz 2 GWB.
9
Wege zur transsektoralen Versorgung
Der Gesetzgeber unternimmt seit Jahren wachsende Anstrengungen, die starren Abgrenzungen zwischen Krankenhaus-Sektor und niedergelassenem Bereich zu überwinden. Leitziel all dieser politischen Initiativen war und ist es, durch den Übergang zu einer (möglichst) nahtlosen transsektoralen Versorgung Wirtschaftlichkeitspotenziale systematisch zu erschließen und gleichzeitig die medizinische Versorgungsqualität kontinuierlich zu verbessern.1
Meilensteine auf dem Weg zu einer integrierten Patientenversorgung 1989: Etablierung von Hochschulambulanzen und Sozialpädiatrischen Zentren als neue Versorgungsformen (§§ 117, 119 SGB V) 1993: Erlaubnis zum ambulanten Operieren sowie sonstigen stationsersetzenden Eingriffen in Krankenhäusern (§ 115 b SGB V) 2000: Einführung der Vertragsmodelle zur Integrierten Versorgung (§ 140 a–d SGB V) 2003: Erlaubnis, Medizinische Versorgungszentren (MVZen) zu errichten (§ 95 SGB V) 2004: Zulassung von Krankenhäusern zur Erbringung hochspezialisierter Leistungen sowie zur Behandlung seltener Erkrankungen bzw. von Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen (§ 116 b SGB V) 2007: Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG), mit vielfältigen Verbesserungen der Rahmenbedingungen für transsektorale Versorgung.
Von der Konzeption her sind die Ansätze der transsektoralen Versorgung bestechend: Die Schnittstellen zwischen ambulanten und stationären Leistungserbringern lassen sich erstmals sektorübergreifend optimieren – wodurch sich unnötige Mehrfachuntersuchungen, aber auch Diskontinuitäten in der Patientenbehandlung weitestgehend vermeiden lassen. Zugleich ist es möglich, neue, sektorübergreifende Behandlungsleitlinien und Versorgungspfade zu entwickeln.
194
9 Wege zur transsektoralen Versorgung
Aus Sicht der Krankenhäuser eröffnen die gesetzgeberischen Maßnahmen vielfältige Optionen zum Einstieg in die ambulante Versorgung und zur fortschreitenden Integration ihrer Abläufe mit denen ihrer Einweiser und Nachbetreuer. Im Prinzip wird so eine durchgängige Betreuung der Patienten über alle Behandlungsstufen ermöglicht. Was in den hocheffizienten Integrierten Versorgungsnetzen der Knappschaft, aber auch erfolgreicher privater Krankenhausketten bereits heute Realität ist, wird zunehmend auch zu einem Leitmodell für die gesamte deutsche Versorgungslandschaft.2 Die beteiligten Krankenhäuser können sich dabei berechtigte Hoffnungen machen auf eine nachhaltige Stabilisierung, ja kontinuierliche Ausweitung ihres Fallaufkommens auf hohem Niveau – bei gleichzeitiger weiterer Reduzierung der Verweildauer ihrer Patienten. So vielversprechend diese Vision einer Integrierten Versorgung auf längere Sicht scheinen mag – selbst unter den jetzt verbesserten gesetzlichen Rahmenbedingungen hat sie bislang nur geringe Chancen auf Verwirklichung. Immer noch ist die ökonomische Realität mehr als ernüchternd:3
• Bundesweit
haben sich nach Einführung des GMG bis Ende 2007 erst 948 MVZen gebildet – mit insgesamt 4.006 dort tätigen Ärzten, von denen sich 2.850 im Anstellungsverhältnis befinden (Abb. 9.1). Die Gesamtzahl der in MVZen tätigen Ärzte stellt lediglich rund 3,5% der insgesamt an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte dar.4 Im Durchschnitt erreichen die MVZs mit
MVZ nach Trägerschaft
Andere Träger
Anzahl
666 456
210
733
501
232
809
541
268
KH-Träger
880
585
295
948
622
• Fachübergreifende
326
Q4/2006 Q1/2007 Q2/2007 Q3/2007 Q4/2007
Durchschnittliche Arztbeteiligung in Q3/2006: 4 Ärzte/MVZ
Medizinische Versorgungszentren (MVZ) nach § 95 SGB V Einrichtungen zur fachübergreifenden Versorgung von Patienten
• Ärztliche Leitung • Tätigkeit von Ärzten als
Angestellte und/oder als niedergelassene Vertragsärzte
• Gründung durch
Krankenhäuser möglich
Quelle: Destatis, KBV, BMGS, BQS, gemeinsame Registrierungsstelle zur Unterstützung der Umsetzung in § 140 d SGB V, McKinsey
Abb. 9.1. Medizinische Versorgungszentren nach Trägerschaft
9.1 Was heute schon möglich ist
195
vier beschäftigten Ärzten in etwa die Größenordnung von Gemeinschaftspraxen. Die am häufigsten beteiligten Facharztgruppen sind Hausärzte, Internisten und Laborärzte. Die Mehrzahl der MVZen wurden in Gebieten mit hoher Einwohnerdichte gegründet. Als Partner für die ambulante/stationäre Zusammenarbeit eignen sie sich nur bedingt.
• Ambulante Operationen (AOPs) sind in den derzeitigen Krankenhausstrukturen
nur für wenige, ausgesuchte Indikationen, beispielsweise für Kataraktbehandlungen, kostendeckend durchführbar. Gleichwohl haben im Jahr 2006 rund 1.300 deutsche Krankenhäuser ambulante operative Leistungen erbracht. Insgesamt wurden etwa 1,5 Millionen derartiger Operationen vorgenommen. Die Tendenz zur ambulanten Operation hält weiter an, obwohl ambulante Eingriffe deutlich schlechter vergütet werden. Auf Dauer erscheinen ambulante Operationen jedoch nur sinnvoll, wenn zumindest die Grenzkosten für die jeweilige Indikation erwirtschaftet werden. Dies setzt eine genaue Kenntnis der Kostenstruktur auf Seiten der einzelnen Häuser voraus.
• IV-Vertragsmodelle mit den Krankenkassen erfordern einen hohen Organisati-
onsaufwand. Momentan decken sie nur ein relativ geringes Spektrum von Versorgungsleistungen ab. Im Rahmen solcher Modelle werden oftmals nur Einzelindikationen behandelt, etwa Knie- und Hüft-TEPs. In aller Regel geht es dabei um kurzfristige finanzielle Optimierungsziele, weniger jedoch um einen ernsthaften Anlauf zur Integrierten Versorgung. Als positive Ausnahmen sind hier die integrierten Versorgungsnetze „prosper“ der Knappschaft zu nennen – sowie weitere lokale Projekte, z. B. das Netz „Gesundes Kinzigtal“. Hierbei handelt es sich um vollintegrierte Versorgungsstrukturen, die mit der langfristigen Intention der Verbesserung von Wirtschaftlichkeit und Versorgungsqualität betrieben werden.
• Hochspezialisierte Leistungen nach § 116 b SGB V ermöglichen interessierten
Krankenhäusern den Einstieg in die vertragsärztliche Versorgung. Ihre Einführung im Jahr 2004 war mit vielen Hürden verbunden, bedingt durch die ungeklärte Finanzierung. Inzwischen wurde mit dem GKV-WSG 2007 einiges nachgebessert. Vereinzelte Projekte sind bereits auf dem Weg. Die meisten Anträge liegen allerdings noch bei den Zulassungsbehörden.
Vor diesem Hintergrund stellen sich aus Krankenhaussicht vor allem drei Fragen: Was lässt sich derzeit überhaupt sinnvollerweise tun, ohne dass inakzeptable Belastungen und Risiken entstehen? Welche Stoßrichtungen sollten künftig vorrangig verfolgt werden – vor allem mit Blick auf zu erwartende weitere Verbesserungen der politischen Rahmenbedingungen? Und: Wie kann eine erfolgversprechende Strategie für transsektorale Versorgung zumindest in ihren Grundzügen aussehen?
9.1 Was heute schon möglich ist Dass eine durchgängige, nahtlose transsektorale Versorgung gegenüber der heutigen Dichotomie von Krankenhaus- und niedergelassenem Sektor klare Vorteile bietet, darüber besteht weitgehende Einigkeit bei allen Beteiligten: Gesetzgeber, Kran-
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9 Wege zur transsektoralen Versorgung
kenkassen, Patienten, Praxisinhaber sowie – nicht zuletzt – den Krankenhäusern. Über das Vorgehen, dieses Ziel zu erreichen, gehen die Meinungen allerdings z. T. erheblich auseinander. Aus Sicht von Gesetzgeber und gesetzlichen Krankenkassen bieten vor allem die Vertragsmodelle der Integrierten Versorgung eine Chance zur Erneuerung des gesamten deutschen Gesundheitswesens.5 Der Gesetzgeber hat sehr deutlich gemacht, dass er ggf. – über die derzeit noch laufende Anschubfinanzierung hinaus – noch weitere Reformvorhaben auf den Weg bringen will, um der Integrierten Versorgung endgültig zum Durchbruch zu verhelfen. Die einzelnen Krankenkassen erhalten durch die Verträge zur Integrierten Versorgung – entsprechend dem von der GKV propagierten Einkaufsmodell/Vertragswettbewerb – die Möglichkeit, mit ausgewählten Krankenhäusern, Ärzten und Ärztegruppen sowie Pflege- und Rehaeinrichtungen individuelle Vergütungsverträge für ambulante, aber auch stationäre Leistungen abzuschließen. Der bisher geltende gesetzliche Kontrahierungszwang, der die Kassen in ihrer Gesamtheit jeweils zu Einheitsverträgen mit den Repräsentanten der verschiedenen Anbietergruppen (Krankenhausverbänden, Kassenärztlichen Vereinigungen etc.) verpflichtete, wird dabei weitestgehend aufgehoben. Vergleichsweise groß ist die Skepsis immer noch auf Seiten der Krankenhäuser. Die Vorteile der vielen neuen Regelungen zur transsektoralen Versorgung liegen aus Sicht vieler Klinikleiter nicht so klar auf der Hand.6 Als Faustregel dürfte gelten, dass sich bei all diesen Neuerungen nennenswerte Vorteile, falls überhaupt, in der Regel nicht isoliert, sondern erst aus dem Zusammenspiel von ambulantem und stationärem Sektor ergeben. Wie auch immer – eine strikte Verweigerungshaltung erscheint wenig ratsam und auch eher unwahrscheinlich. Im staatlich verordneten Wettbewerb um Wirtschaftlichkeit und Behandlungsqualität bietet die fortschreitende Verzahnung der Leistungserbringung vielfältige Differenzierungsmöglichkeiten – was sich experimentierfreudige, leistungsstarke Häuser bzw. Krankenhausketten und -verbünde wohl kaum entgehen lassen. Bei den Medizinischen Versorgungszentren zeichnet sich – nach eher enttäuschender Anlaufphase – inzwischen ein wachsendes Investitionsinteresse auf Seiten der Kassen, aber auch privater Krankenhausketten ab. Der Verband der Betriebskrankenkassen hat sich bereit erklärt, in den nächsten Jahren ein bundesweites MVZ-Netzwerk aufzubauen. Die Helios Kliniken Gruppe beabsichtigt, durch den Einstieg ins MVZ-Geschäft ihr Angebot in der ambulanten Versorgung zu vervollständigen. Inzwischen bestehen bereits Helios-MVZs in Gotha, Jena, Nordhausen und Ohrdruf. Ebenso scheint sich der Trend zum ambulanten Operieren weiter zu verstärken. Nach Expertenschätzungen reduziert sich infolge der vom Gesetzgeber geförderten Verlagerung in die ambulante Versorgung das stationäre Fallaufkommen für die Krankenhäuser. Soll dieses Fallpotenzial nicht unwiederbringlich verloren gehen, bleibt den Krankenhäusern kaum eine andere Alternative als verstärktes ambulantes Operieren – mit dem Ziel, die Auslastung zu stabilisieren und die Abwanderungsverluste wenigstens teilweise aufzufangen.
9.1 Was heute schon möglich ist
197
Vertragsmodelle zur Integrierten Versorgung profitierten in den letzten Jahren in hohem Maße von der staatlichen Anschubfinanzierung im Zuge der GMG-Reform.7 Finanziert aus den Budgets der stationären und ambulanten Versorgung, setzte die Anschubfinanzierung die Krankenhäuser – wie auch die Niedergelassenen – unter wachsenden Handlungsdruck. Wer nicht inakzeptable Erlösschmälerungen hinnehmen wollte, musste sich zwangsläufig um Fördermittel aus der Anschubfinanzierung bemühen. Die Anschubfinanzierung ist allerdings mit dem Ende des Jahres 2008 ausgelaufen, damit ist eine Anpassungskrise so gut wie programmiert. Denn die bestehenden Verträge werden intensiv hinsichtlich Eigenständigkeit und Wirtschaftlichkeit überprüft werden. Aller Voraussicht nach wird die Mehrzahl der IVVerträge diese Prüfung nicht bestehen. Neue Finanzierungsmöglichkeiten und Optionen für Krankenhäuser eröffnet der Einstieg in die vertragsärztliche Versorgung, wie in § 116 b SGB V vorgesehen. Allerdings sind hier die Rahmenbedingungen noch nicht klar genug abgesteckt. In dieser nicht einfachen Übergangssituation muss es für die einzelnen Krankenhäuser, wie in Kapitel 6 dargestellt, zuallererst darum gehen, die Zusammenarbeit mit den Niedergelassenen zu intensivieren. Zur Ergänzung und Abrundung bietet es sich an, wie nachstehend beschrieben, die neuen Spielräume fallweise für sektorübergreifende Aktivitäten auszuloten.
9.1.1 Aufbau von MVZen Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sind, nach der aktuellen Definition des Gesundheitsministeriums, „Einrichtungen für eine fachübergreifende Zusammenarbeit unterschiedlicher medizinischer Fachgebiete“. Sie können daher in den unterschiedlichsten Bereichen der ambulanten Versorgung tätig sein und von allen gesetzlich zugelassenen Leistungserbringern aus dem System der gesetzlichen Krankenversicherung gegründet werden. Sie müssen lediglich unter ärztlicher Leitung stehen, mindestens zwei medizinische Fachrichtungen anbieten und die Voraussetzungen eines wirtschaftlich tragfähigen Geschäftsbetriebs erfüllen. Mit der Gründung von MVZen können die Krankenhäuser – so die Intention des Gesetzgebers – der gesundheitspolitischen Tendenz zur Verlagerung stationärer Leistungen in den ambulanten Bereich proaktiv Rechnung tragen und innerhalb der dadurch veränderten Rahmenbedingungen auch künftig wettbewerbsfähig bleiben. Insbesondere die in den jeweiligen Landeskrankenhausplan aufgenommenen Häuser erhalten die Möglichkeit, über die Beteiligung an MVZen Leistungen im ambulanten Bereich zu erbringen. Neue ambulante Erlösquellen können so erschlossen werden; zudem lässt sich das Leistungsspektrum auch für solche Fälle aufrechterhalten, die künftig nicht mehr stationär abrechenbar sind, beispielsweise auf dem Gebiet der Onkologie. Beim Abschluss von IV-Verträgen können angeschlossene MVZen auch als Vertragspartner des Krankenhauses auftreten, wenn es darum geht, die Erfüllung der Voraussetzungen transsektoraler Versorgung nachzuweisen. Im eingeschwungenen Zustand erscheint eine Vielzahl von Synergieeffekten zwischen MVZ und Krankenhaus realisierbar – vor allem aus Sicht des Krankenhauses. So kann die Mitnutzung der bestehenden Infrastruktur des Krankenhauses durch
198
9 Wege zur transsektoralen Versorgung
das MVZ zu einer deutlich optimierten Kapazitätsauslastung führen. Sind Ärzte im MVZ als Angestellte, im Krankenhaus aber als Beleg- oder Konsiliarärzte tätig, können personelle Valenzen und tarifliche Einschränkungen vermieden werden. Durch Verlagerung medizinischer Funktionsbereiche, wie z. B. Radiologie, Labor oder Anästhesie, ins angeschlossene MVZ lassen sich die unterschiedlichen Tarifstrukturen vorteilhaft nutzen. Überdies kann das MVZ als Einweiser fungieren und entlassene Patienten effizient nachbetreuen, was die Verweildauern verkürzt und eine optimale transsektorale Versorgung ermöglicht. Wie erste Praxiserfahrungen zeigen, können diese vielfältigen Vorteile gerade in wettbewerbsintensiven städtischen Ballungsgebieten ernste Konflikte mit etablierten Einweisern heraufbeschwören. Deutlich weniger konfliktträchtig erscheint die Situation in strukturschwachen, eher ländlichen Regionen: Dort können die neuen MVZen einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der ambulanten Versorgung und zur engeren Verzahnung von Krankenhaus und Arztpraxen leisten8. Dies gilt insbesondere für die neuen Bundesländer, wo es vielerorts immer schwerer fällt, die Versorgung durch niedergelassene Vertragsärzte vollständig aufrechtzuerhalten. Gelingt es, medizinische Leistungen nachfrageorientiert zusammenzufassen und wettbewerbsfähige Organisations- und Gesellschafterstrukturen zu etablieren, bestehen zweifellos gute Aussichten auf mehr Versorgungsqualität und niedrigere Versorgungskosten. Zunichte gemacht werden diese positiven Aussichten jedoch vielfach durch die rechtliche Anforderung einer fachübergreifenden Versorgung in den MVZen – vor allem politisch motiviert, in Anlehnung an das Vorbild der früheren Polikliniken. Als Folge wird dann oftmals eine zusätzliche Fachdisziplin ins Portfolio aufgenommen, nur um den gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden – was die Leistungserbringung entsprechend verteuert. Zu prüfen ist, ob die Intentionen des Gesetzgebers nicht besser realisierbar sind, wenn fachübergreifende Versorgung künftig nur noch als fakultatives, nicht obligatorisches Anforderungsmerkmal genannt wird. Je nach Planungsbereich, in dem ein MVZ angesiedelt werden soll, gestaltet sich die Gründung eines MVZ durchaus unterschiedlich. Im nicht beschränkten Planungsbereich ist die Erteilung der ortsgebundenen Zulassung unproblematisch, solange die Grenzvorgaben der Bedarfsplanung nicht erreicht werden. Im gesperrten Planungsbereich, was für viele städtische Lagen geltende Rechtslage ist, können entweder bestehende, frei gewordene kassenärztliche Sitze oder bestehende besetzte KV-Sitze in neu gebildete MVZen integriert werden. 9.1.1.1 Erfolgsträchtige Beteiligungs-/Gründungskonstellationen bei MVZen MVZen können grundsätzlich mit oder ohne Beteiligung von Krankenhäusern betrieben werden. Bisher ist die Beteiligung der Krankenhäuser eher gering. Wesentlicher Grund dafür dürften Befürchtungen sein, dass daraus Konflikte mit den niedergelassenen Ärzten vor Ort erwachsen könnten – mit entsprechenden Auswirkungen aufs Einweiserverhalten. Stein des Anstoßes sind MVZen vor allem dann, wenn sie auch Leistungsumfänge aus bedarfsgeplanten Fachdisziplinen anbieten. Oder – was noch konflikt-
9.1 Was heute schon möglich ist
199
trächtiger ist – wenn eingetragene Ärzte als Angestellte in MVZen wechseln oder zugelassene Praxen übernommen und ins jeweilige MVZ integriert werden. Solche MVZen werden von niedergelassenen Ärzten vielfach als inakzeptable Konkurrenz betrachtet. Umso mehr, wenn sich auch noch ein Krankenhaus vor Ort daran beteiligt. Wie Beispielfälle zeigen, sinken die Einweisungsvolumina teilweise schon, wenn nur bekannt wird, dass ein Krankenhaus sich mit MVZ-Überlegungen trägt. Dies gilt selbst dann, wenn das fragliche MVZ – auf Grund seiner fachlichen Ausrichtung bzw. seiner ausschließlichen Komplementarität zum Krankenhaus – zum Zeitpunkt der Gründung faktisch in keinerlei Konkurrenz zu den niedergelassenen Ärzten vor Ort steht. Am Ende verzichtet das betroffene Krankenhaus dann lieber darauf, das geplante Vorhaben weiterzuverfolgen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, bei allen MVZ-Projekten sehr bedachtsam vorzugehen. Erforderlich ist eine umfassende, wirtschaftlich tragfähige Geschäftsplanung mit Definition von Art und Umfang der Krankenhausbeteiligung, präzise ermitteltem Investitionsbedarf sowie einer realistischen Schätzung, wann welche Gewinne erwirtschaftet werden können. Üblicherweise ist von einem Amortisationszeitraum von drei bis fünf Jahren auszugehen. Nur wenn sich das Projekt als nachhaltig profitabel darstellen lässt, sollte man überhaupt eine MVZ-Gründung in Betracht ziehen. Ansonsten stellt sich sehr schnell die Wirtschaftlichkeitsfrage. Denn ein MVZ verursacht, wenn es eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Größenordnung erreichen soll, ceteris paribus ungefähr den gleichen Managementaufwand wie ein Krankenhaus, allerdings bei deutlich geringeren Umsätzen und Erträgen. Bleibt zu fragen, unter welchen Bedingungen ein MVZ-Projekt überhaupt sinnvoll ist. Versucht man, die wesentlichen Erfolgsfaktoren zu bestimmen, so ist zunächst zwischen unterschiedlichen Perspektiven der Partner zu unterscheiden – den beteiligten niedergelassenen Ärzten auf der einen, dem jeweiligen Krankenhaus auf der anderen Seite. Erfolgsvoraussetzungen aus Sicht der niedergelassenen Partner: Aus Ärztesicht ist die Gründung eines MVZ lediglich unter zwei Bedingungen sinnvoll: 1. Gesetzliche Krankenkassen sollen als Investoren am MVZ beteiligt werden. 2. Kassenärztliche Sitze sollen ans MVZ weitergegeben werden – und zwar, ohne dass eigens ein Übertragungsverfahren vor der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung erforderlich wird. Falls das MVZ als juristische Person ausgestaltet ist, die zugleich als Inhaber der kassenärztlichen Sitze agiert, sind – im Falle von Veränderungen im Gesellschafterkreis – lediglich die Anteile der kassenärztlichen Sitze an der MVZ an die neuen Erwerber zu übertragen. Und diese Übertragung ist parallel der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung anzuzeigen. Der KV obliegt es dann, nur noch abschließend festzustellen, ob die Erwerber tatsächlich die formale Anforderung erfüllen, Leistungserbringer im GKV-System zu sein. Die kassenärztlichen Sitze als solche werden dabei zu keinem Zeitpunkt übertragen. Sie verbleiben vielmehr stets beim
200
9 Wege zur transsektoralen Versorgung
MVZ als juristische Person. Damit entfällt die sonst erforderliche inhaltliche Übertragungsprüfung durch die KV. Größtes MVZ, das allein von niedergelassenen Ärzten als Gesellschafter gehalten wird, ist derzeit das Polikum in Berlin mit seinen drei Standorten Charlottenburg, Fennpfuhl und Friedenau. Dem Vorbild der DDR-Polikliniken nachempfunden, ist es wie ein Krankenhaus aufgebaut, mit dem Unterschied, dass alle Behandlungen ambulant durchgeführt werden. Ohne dass eine explizite Ein- oder Überweisung erforderlich wäre, bietet es seinen Patienten eine fachübergreifende Versorgung aus einer Hand. Alle Ärzte am Polikum sind als Angestellte tätig: allein am Standort Friedenau sind es 40 aus insgesamt 13 Fachrichtungen. Die Prozesse am Polikum wurden weitgehend optimiert; die Patientenbehandlung beispielsweise erfolgt inzwischen papierlos. Erfolgsvoraussetzungen aus Krankenhaussicht: Aus Krankenhaussicht ist die Beteiligung an einem MVZ lediglich dann wirtschaftlich sinnvoll, wenn sich daraus Synergien für den Krankenhausbetrieb ergeben. Dazu muss eine der vier nachstehend beschriebenen Gründungs-/Beteiligungskonstellationen gegeben sein:
• Modell Einweiser-MVZ: Das MVZ entsteht aus dem Aufkauf und Zusammen-
schluss von Praxen, die zusammen hohe Marktanteile im Einzugsgebiet des Krankenhauses halten. Mit seiner Beteiligung verfolgt das Krankenhaus die Absicht, seine Stellung unter den Einweisern zu festigen und das Fallpotenzial in der Region besser auszuschöpfen. Das (zusätzliche) Patientenaufkommen aus dem MVZ muss fürs Krankenhaus hinreichend groß sein, um eventuelle Fallzahlrückgänge auf Grund der Abwanderung einzelner Einweiser (über)kompensieren zu können. Dazu müssen die konsolidierten Praxen de facto einen wesentlichen Teil der gesamten Einweiserlandschaft ausmachen. Nur in den seltensten Fällen dürfte es gelingen, ausreichend viele und große Praxen erfolgreich in einem MVZ zusammenzuführen. Eines der wenigen Erfolgsbeispiele ist das Ärztehaus Vaisana in Vaihingen/Enz. Mit 13 Ärzten in 10 Praxen stellt Vaisana die gesamte ambulante Patientenversorgung für die Region sicher. Das Ärztehaus ist eng an das örtliche Krankenhaus angebunden und größtenteils mit diesem zusammen in einem MVZ organisiert.
• Modell „Lückenfüller“-MVZ: Das MVZ entsteht im Umfeld eines Krankenhau-
ses und bietet nur Fachrichtungen an, die im relevanten Zulassungsbereich noch nicht vorhanden sind. Damit steht es zum Gründungszeitpunkt nicht in Konkurrenz zu den niedergelassenen Ärzten vor Ort und kann de facto als ein weiterer Einweiser für die Klinik agieren, ohne Irritationen zu wecken. Gleichwohl ist äußerste Behutsamkeit im Umgang mit den etablierten Einweisern geboten. Ratsam ist es auf jeden Fall, vorab intensive Aufklärungsgespräche mit den niedergelassenen Kollegen zu führen.
• Modell Satelliten-MVZ: Das MVZ befindet sich in einer weiter entfernten Gegend,
aus der bislang kaum Einweisungen in das Krankenhaus erfolgen. Es liegt jedoch noch nahe genug zum Krankenhaus, um sinnvoll Einweisungen vornehmen zu können. Ein solches Satelliten-MVZ ist unproblematisch, sofern kein Konkur-
9.1 Was heute schon möglich ist
201
renzverhältnis zu einem anderen relevanten Einweiser des Krankenhauses entsteht. Vor allem für Krankenhäuser in ländlichen Regionen bieten sich Allianzen mit leistungsstarken Satelliten-MVZen an.
• Modell
Outsourcing-MVZ: Das MVZ übernimmt medizinische Funktionsbereiche des Krankenhauses, und zwar zu deutlich niedrigeren Kosten. Dies wird ermöglicht durch günstigere Tarifstrukturen und/oder durch eine höhere Auslastung von Geräten und Personal dank zusätzlich generierter ambulanter Fälle. Typische Beispiele sind die Verlagerung von Funktionsleistungen wie Labor, Radiologie und Strahlentherapie in MVZen, durch die beachtliche Synergien erschlossen werden können. Zum einen kann bereits bestehende Krankenhausinfrastruktur jeweils zu Grenzkosten genutzt werden. Zum anderen tangiert die Ausgliederung bislang intern erbrachter Leistungen allenfalls marginal die für jedes Krankenhaus essenziellen Beziehungen zu den Einweisern und Nachbetreuern in der Niedergelassenen-Landschaft.
9.1.1.2 Rechtliche Anforderungen an Aufbau und Ausgestaltung von MVZen Wesentliche gesetzliche Grundlage für Medizinische Versorgungszentren ist § 95 SGB V, Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Medizinische Versorgungszentren sind demnach „fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte (…) als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Die Medizinischen Versorgungszentren können sich aller zulässigen Organisationsformen bedienen; sie können von den Leistungserbringern, die auf Grund von Zulassung, Ermächtigung oder Vertrag an der Versorgung der Versicherten teilnehmen, gegründet werden.“ 9 Daraus ergeben sich für Aufbau und Ausgestaltung von Medizinischen Versorgungszentren folgende rechtliche Anforderungen: Wahl der Rechtsform: Entsprechend der Gesetzeslage können MVZen sowohl als Personengesellschaften wie auch als Kapitalgesellschaften geführt werden. Entscheidend ist, dass die juristische Person als Trägerin von Rechten und Pflichten Inhaberin der kassenärztlichen Zulassungen sein kann, soweit eine Übertragung derselben auf die zu Grunde liegende Gesellschaft bzw. juristische Person intendiert ist. Welche Rechtsstruktur optimal ist, hängt von den spezifischen Anforderungen der Gesellschafter an steuerliche Behandlung und Aufsichtsführung („Corporate Governance“) ab. Bis Ende 2007 wurden MVZen nahezu zu gleichen Teilen in der Rechtsform einer GbR oder einer GmbH betrieben. Die Rechtsform der GmbH ist vor allem bei MVZen weit verbreitet, an denen Krankenhäuser beteiligt sind. Wesentlicher Grund sind die geringeren Hürden, wenn es darum geht, die Träger der Krankenhäuser an der dem jeweiligen MVZ zu Grunde liegenden Gesellschaft zu beteiligen. Für Vertragsärzte ist es grundsätzlich günstiger, ein MVZ in Form einer Personengesellschaft zu betreiben, etwa als GbR. Vor allem aus steuerrechtlichen Erwägungen: Die Steuerersparnis einer GbR gegenüber einer GmbH liegt in der Regel bei etwa 5%.
202
9 Wege zur transsektoralen Versorgung
Sollen kassenärztliche Sitze übertragen werden, so erleichtert die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft den Übertragungsvorgang ungemein. Gegenüber der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung ist lediglich noch die Übertragung der Gesellschaftsanteile an einen Leistungserbringer aus dem GKV-System anzuzeigen. Für die KV-Sitze selbst entfällt das Übertragungsverfahren, da diese Anteile – auch nach der Übertragung – beim MVZ als juristische Person verbleiben. Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Bundesverfassungsgerichts sind auch Kapitalgesellschaften von der Umsatzsteuer für ärztliche Leistungen befreit. Ebenso kann die Gewerbesteuer unter bestimmten, rechtlich eng gefassten Bedingungen entfallen, falls im MVZ überwiegend gesetzlich Versicherte behandelt werden. Ende 2007 wurden rund 34% der MVZ von den Krankenhäusern als Kapitalgesellschaften betrieben, ganz überwiegend in der Rechtsform der GmbH – mit steigender Tendenz. Grundsätzlich lassen sich folgende (Haupt-)Gestaltungsmodelle unterscheiden:
• MVZs
ohne Krankenhausbeteiligung in drei möglichen Ausprägungen. In diesem Fall kann das MVZ von Vertragsärzten ebenso wie von angestellten Ärzten betrieben werden. Auch Mischformen sind möglich. In jedem Falle sind MVZen ohne Krankenhausbeteiligung, abhängig von ihrer Spezialisierung und Größe, potenziell attraktive Einweiser für die jeweiligen Kliniken.
• MVZs mit Krankenhausbeteiligung. Aus Krankenhaussicht sind hier die unter-
schiedlichsten Beteiligungsmöglichkeiten denkbar. Das Spektrum reicht von der bloßen Überlassung von Infrastruktureinrichtungen bis hin zum operativen Geschäftsbetrieb in Eigenregie. Welche Option ggf. zu wählen ist, hängt in hohem Maße ab von der geplanten Versorgungsintensität. Sollen im MVZ Funktionsleistungen erbracht werden? Oder Komplementärleistungen? Oder gar stationsersetzende Leistungen?
Gesellschafterstruktur: Mögliche Gesellschafter einer einem MVZ zu Grunde liegenden Gesellschaft sind nach der gesetzlichen Regelung Leistungserbringer aus dem System der gesetzlichen Krankenversicherung. Leistungserbringer in diesem Sinne sind: Vertragsärzte, -zahnärzte, Psychotherapeuten, ermächtigte Krankenhausärzte, Krankenhausträger, Apotheker, Rehaeinrichtungen sowie Heil- und Hilfsmittelerbringer. Die dauerhafte Leistungserbringerschaft im System der gesetzlichen Krankenversicherung ist in jedem Fall Voraussetzung, um Gesellschafter in einem MVZ sein zu können. Sie ist auch Voraussetzung für die Anerkennung des MVZ durch die Kassenärztliche Vereinigung. Die Leistungserbringerschaft bleibt – im Wege der veränderten Beibehaltung der gesetzlichen Voraussetzungen – auch dann gewahrt, wenn ein Arzt seinen kassenärztlichen Vertragsarztsitz in die MVZ einbringt und anschließend selbst im Angestelltenverhältnis für die MVZ tätig wird. Die vom Gesetzgeber in § 95 SGB V vorgegebene Struktur unterscheidet insoweit zwischen der Gründer-, der Träger- und der Betriebsebene. Tätigwerden des ärztlichen Personals: Der personelle Aufbau eines in Form einer Kapitalgesellschaft geführten MVZ gleicht dem eines Krankenhauses. Die ärztliche
9.1 Was heute schon möglich ist
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Leitung von MVZen muss, gleich der ärztlichen Leitung eines Krankenhauses, ohne Weisungsbindung an die kaufmännische Leitung agieren können, da der medizinische Versorgungsauftrag eindeutig Vorrang besitzt gegenüber wirtschaftlichen Überlegungen. Zu beachten ist, dass die verantwortlichen Ärzte der Bedarfsplanung unterliegen – abhängig von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Arztgruppe. Im Rahmen des Geschäftsbetriebs können zudem auch im Arztregister eingetragene Ärzte als Angestellte für MVZen tätig werden. Seit 2005 ist eine verstärkte Tendenz der Ärzte zum Tätigwerden als Angestellte in MVZen erkennbar. Inzwischen stellen MVZen, in denen ausschließlich nicht angestellte Vertragsärzte beschäftigt sind, die Ausnahme dar. Ein Tätigwerden von Ärzten als Angestellte eines Krankenhauses und eines MVZ parallel wird allerdings durch § 20 Abs. 2 der Ärzte-Zulassungsverordnung eingeschränkt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ergibt sich die Unvereinbarkeit aus den Nachteilen, welche für Patienten und Kostenträger auf Grund der mangelnden Abgrenzbarkeit beider Tätigkeiten resultieren. Als Ergebnis der Bestrebungen des Gesetzgebers, eine sektorenübergreifende Behandlung der Patienten zu ermöglichen, hat sich seit Mitte 2006 jedoch eine progressive Auslegung dieser Vorschrift durchgesetzt. Ihr zufolge können in einem MVZ angestellte Ärzte, nach entsprechender Anzeige bei der Kassenärztlichen Vereinigung, auch bis zu 13 Wochenstunden in einem Krankenhaus tätig sein, sofern ihre Verfügbarkeit für Patienten des MVZ dadurch nur unwesentlich eingeschränkt wird. Überdies ist zu erwarten, dass die Möglichkeiten eines durchgängigen Tätigwerdens künftig noch erweitert werden. Arbeitet ein in einem MVZ angestellter Arzt als Konsiliararzt für ein Krankenhaus, so bleibt er generell befreit von den beschriebenen Einschränkungen. Als freier Mitarbeiter unterliegt der Konsiliararzt nicht dem Direktionsrecht der Leitung des Krankenhauses als Arbeitgeber; somit kann er auch seinen Verpflichtungen gegenüber den Patienten des MVZ angemessen Rechnung tragen. Die Abrechenbarkeit von Hauptabteilungsleistungen, welche durch Konsiliarärzte erbracht werden, wird in Einzelfällen gleichwohl immer wieder in Frage gestellt.
9.1.2 Selektive Durchführung ambulanter Operationen bei nachgewiesener Wirtschaftlichkeit Seit Verabschiedung des GMG ist eine zunehmende Verlagerung operativer Leistungen vom stationären in den ambulanten Bereich zu beobachten. Die Fallzahlen ambulanter Operationen (AOPs) im Krankenhaus haben allein im Zeitraum von 2003 bis 2005 um rund 90% zugenommen. Im Jahr 2006 stiegen die Fallzahlen nochmals um etwa 10% auf rund 1,5 Millionen ambulante Eingriffe. Kehrseite dieser Entwicklung ist, dass die Erlöse bei AOPs durchschnittlich deutlich unter den Erlösen bei einer entsprechenden stationären Leistungserbringung liegen. Ambulante Operationen sind somit aus Krankenhaussicht für die meisten Indikationen bisher nicht kostendeckend zu erbringen (Abb. 9.2). Bleibt zu fragen, ob Krankenhäuser bzw. ihre klinischen Abteilungen überhaupt den Einstieg in ambulante Operationen forciert betreiben sollten. Unter Wirtschaft-
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9 Wege zur transsektoralen Versorgung
Erlöse aus ambulanten Operationen in EUR je ambulanter OP
Erlöse ambulanter und stationärer OPs OP Katarakt Hysteroskopie Osteosynthesematerialentfernung
Ambulante OPs nach § 115b SGB V
Ø Erlöse ~ 690 ~ 390 ~ 1.180 ~ 300 ~ 1.300
Varizen-Stripping Resezierende Arthroskopie
• Vermeidung von stationären OPs und Verlegung in den ambulanten Bereich
~ 2.550 ~ 1.870 ~ 1.140 ~ 1.550 ~ 1.350
• Gewährleistung patientengerechter und wirtschaftlicher OP-Versorgung
• Verbesserung der Kooperation zwischen niedergelassenem Sektor und Krankenhaus
Quelle: DRG 2008, EBM 2008, McKinsey
Abb. 9.2. Ambulante Operationen sind in den meisten Indikationen nicht kostendeckend zu er bringen
lichkeitsgesichtspunkten betrachtet, stellen AOPs nur dann eine attraktive Option dar, wenn wenigstens eine der folgenden Prämissen erfüllt ist:
• AOPs können indikationsbezogen zu Grenzkosten durchgeführt werden, die unter den heutigen EBM-Erlösen liegen.
• Mit dem Engagement bei AOPs werden – nachweislich – Steigerungen bei den Einweisungsraten für stationäre Indikationen erzielt.
Nur in Ausnahmefällen dürften Krankenhäuser in der Lage sein, ein breites AOPLeistungsspektrum in diesem Sinne ökonomisch darstellbar abzudecken. Als Alternative bietet sich eine Beschränkung auf hochspezialisierte Leistungen an, wie z. B. auf arthroskopische Behandlungen. Hier scheint es durchaus möglich, mit ambulanten Operationen auskömmliche Erlöse je Fall zu erzielen.
9.1.3 Teilnahme an ausgewählten IV-Vertragsmodellen IV-Vertragsmodelle werden, unter Beteiligung der gesetzlichen Krankenkassen, in Deutschland seit 1997 in wechselnden Projektvorhaben auf ihre Praxistauglichkeit hin getestet und erprobt. Die Integration von stationärer und ambulanter Versorgung soll dabei zum einen für nachhaltige und dauerhafte Ausgabensenkungen sorgen, zum anderen fortschreitende Verbesserungen bei der medizinischen Versorgungsqualität ermöglichen.
9.1 Was heute schon möglich ist
205
Im Zuge der GMG- sowie GKV-WSG-Reformen konnten die IV-Ansätze verstärkt ausgeweitet werden. Treibende Kraft der Veränderung war die seit 2004 bestehende neue Anschubfinanzierung in Höhe von jeweils 1% der verfügbaren GKV-Budgets für ambulante und stationäre Versorgung. Sie trug dazu bei, dass sich in großer Zahl auch IV-Versorgungsformen ohne echtes Wirtschaftlichkeitspotenzial herausbildeten. Gleichwohl wurden die Mittel der IV-Anschubfinanzierung bislang nicht voll ausgeschöpft. De facto hatte das zur Folge, dass für den stationären Bereich heute insgesamt weniger GKV-Mittel verfügbar sind als vor der Reform durch das GMG. Mit dem Auslaufen der Anschubfinanzierung, die durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz nochmals bis Ende 2008 verlängert wurde, unterliegen die IVVerträge verstärkt einer Wirtschaftlichkeitsüberprüfung. Zu erwarten ist, dass insbesondere viele kleine, indikationsbasierte IV-Verträge eingestellt werden. Dies ist auch erklärtes Ziel des Gesetzgebers: Im GKV-WSG wird ab dem 1. April 2007 eine „bevölkerungsbezogene Flächendeckung“ für neue IV-Verträge verlangt. Inzwischen gibt es – zum Stand 31. März 2008 – bundesweit 5.114 IV-Verträge. Die Realität hinter den Zahlen ist freilich eher ernüchternd: Verträge zur Integrierten Versorgung sind in aller Regel sehr komplex – ohne entsprechend große Finanzierungsvolumina zu generieren (Abb. 9.3). Derzeit sind etwa 3.400 Krankenhäuser bzw. klinische Abteilungen an IV-Projekten beteiligt, doch das durchschnittliche
Integrationsverträge in Deutschland, Stichtag 31.03.2008* in Prozent
Verträge zur Integrierten Versorgung
GKV-Versicherte
GKV-Ausgaben
100% = 70.276.950
100% = 143,8 Mrd. EUR
5,6
(3,9 Mio.)
0,5
Integrationsverträge (0,71 Mio. nach § 140a SGB V • Fach- und sektorEUR) übergreifende Integration stationärer und ambulanter Versorgung
• Ziel ist die Verbesserung von Qualität und Wirtschaftlichkeit
• Integration von mindestens Entspricht einer Gesamtzahl von 5.114 Verträgen
2 Leistungserbringern durch vertragliche Bindung
* Verträge in mehreren Regionen je Krankenkasse werden einfach gezählt Quelle: BQS, BMG, SGB V, McKinsey
Abb. 9.3. Integrationsverträge in Deutschland
206
9 Wege zur transsektoralen Versorgung
Erlösvolumen liegt gerade einmal bei etwa 150.000 EUR je Projekt. Streng genommen spricht für die Teilnahme von Krankenhäusern/Kliniken an IV-Projekten aus heutiger Sicht allein die Möglichkeit, so das Einweiserverhalten positiv beeinflussen zu können, sowie extrabudgetäre Erlöse zu erzielen. Dem stehen jedoch teilweise erhebliche administrative Aufwendungen gegenüber. Jeder IV-Vertrag muss als dreiseitiger Vertrag mit einer Krankenkasse sowie ambulanten Leistungserbringern verhandelt werden, was erfahrungsgemäß zeitaufwendig ist. Aus Sicht des einzelnen Krankenhauses wäre es mithin wünschenswert, identische Verträge auch mit weiteren Krankenkassen abschließen zu können. Im Regelfall ist jedoch jede Krankenkasse daran interessiert, ihren eigenen Vertragstext mit spezifischen Modalitäten durchzusetzen. Mit der Konsequenz, dass für jede Indikationsstellung – beispielsweise Hüfttotalendoprothese – je nach Kasse unterschiedliche Leistungsmerkmale zu erbringen sind und unterschiedliche Abrechnungsmodalitäten gelten. Im Klinikbetrieb bedeutet dies, dass bereits bei Aufnahme des Patienten klar sein muss, welche spezifischen Leistungsmerkmale, z. B. Zweibettzimmer ohne Aufpreis für die Versicherten der Kasse XY – zu erbringen sind. Und bei der Abrechnung ist zu beachten, dass alle Preis-/Konditionsregelungen jeweils minutiös eingehalten werden. Bei hohen Fallzahlen mag ein solcher Aufwand durchaus Sinn machen. Leider sieht die Realität deutlich anders aus: Aus vielen IV-Verträgen resultieren pro Jahr nur ein-, bestenfalls zweistellige Patientenzahlen. Überdies ist der Einfluss der Kassen auf die Krankenhauswahl ihrer Versicherten häufiger geringer als gemeinhin angenommen – weshalb sich auch die Fallzahlen nach Abschluss eines IV-Vertrags nur eher inkrementell erhöhen. Dies ist vor allem dann misslich, wenn das betroffene Krankenhaus – in Erwartung höherer Fallzahlen und entsprechender Kostendegressionseffekte – sich zuvor größere Preiszugeständnisse abringen ließ. Auch für die Kassen stellt sich die Situation kaum besser dar. Abgeschlossene IV-Verträge rechnen sich in aller Regel nur, wenn den Kassen dafür eine Anschubfinanzierung gewährt wurde. Damit stellt sich die Frage, ob die Kassen auch über das Jahr 2008 hinaus mit gleicher Entschlossenheit neue IV-Verträge eingehen werden. Vermutlich dürften weder Krankenhäuser noch Kassen künftig bereit sein, sich in einer Vielzahl von Einzelverträgen zu verzetteln. Vielmehr werden sie wohl auf Vertragsmodelle setzen, die mit hinreichend großen Leistungs- und Abrechnungsvolumina hinterlegt sind. Das neue GKV-WSV eröffnet hier die interessante Option, im Rahmen von IV-Verträgen die Versorgung eines ganzen Bevölkerungssegments „kopfpauschal“ zu vereinbaren.10 Eine solche populationsbasierte Versorgung bietet zum einen die erforderlichen Wirtschaftlichkeitspotenziale; zum anderen ermöglicht sie die Ausrichtung auf ein umfassendes Versorgungsmanagement – was inzwischen zu einem Leitziel des Gesetzgebers geworden ist. Grundidee ist, durch eine pauschale, von der Einzelleistung unabhängige Vergütung eine qualitativ hochwertige und zugleich ökonomisch zweckmäßige Patientenbetreuung sicherzustellen. In diesem Sinne bieten populationsbasierte Modelle ein breit gefächertes Versorgungsangebot für die Gesamtheit der Versicherten vor Ort, aber auch für ausgewählte Zielgruppen mit jeweils besonders hohem Betreuungsbedarf. Abhängig vom
9.1 Was heute schon möglich ist
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jeweiligen Modell reicht das Spektrum von der Betreuung einzelner Personengruppen, etwa Bewohnern von Pflege- oder Behindertenwohnheimen, bis hin zur Vollversorgung für ganze Bevölkerungssegmente, z. B. im Rahmen von Stadtteilnetzen oder regionalen Versorgungsangeboten einer Krankenkasse. Als Vorbild können hier die integrierten Versorgungsnetze „prosper“ der Knappschaft dienen. Denn sie kommen der Leitvorstellung einer „bevölkerungsbezogenen Flächendeckung“, wie im GKV-WSG explizit formuliert, schon recht nahe. Krankenhäuser können im Rahmen von populationsbasierten Modellen die Rolle eines zentralen Koordinators übernehmen. Voraussetzung ist, dass sie über eine hervorragende Eingangsdiagnostik verfügen sowie eine exzellente Prozesssteuerung vorweisen können. Denn ansonsten lassen sich Behandlungen nicht mehr wirtschaftlich tragfähig durchführen.
9.1.4 Erbringung von Leistungen nach § 116 b SGB V Gemeint sind damit hochspezialisierte Leistungen sowie Leistungen bei der Behandlung seltener Erkrankungen und bei besonderen Krankheitsverläufen. Mögliche Erkrankungsgruppen und Therapien umfassen beispielsweise onkologische Erkrankungen, immunologische Erkrankungen, Querschnittslähmungen, HIV/AIDS, Hämophilie oder CT-/MRT-gestützte Schmerztherapie. Der gemeinsame Bundesausschuss legt den Katalog nach den Kriterien medizinischer Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit im Einzelnen fest. Aktuell sind unter anderem Regelungen zu Mukoviszidose, Hämophilie, Multipler Sklerose und onkologischen Erkrankungen durch den GBA erarbeitet worden. Eine umfassende Regelung für alle Indikationen wird für Anfang 2009 erwartet. Um Leistungen nach § 116 erbringen zu können, braucht ein Krankenhaus die Zulassung durch die zuständige Landesbehörde. Die hierfür notwendigen Voraussetzungen personeller und apparativer Natur und die Qualitätsanforderungen werden ebenfalls durch den GBA bestimmt. Beispielsweise werden für den Bereich Onkologie Zentrumsstrukturen gefordert, die in der Regel nur Häuser erfüllen können, die bereits entsprechende Strukturen implementiert haben. Die Leistungsarten nach § 116 b wurden zwar bereits 2004 gesetzlich eingeführt, konnten aber zunächst praktisch nicht umgesetzt werden. Zum einen war die Finanzierung nicht klar geregelt; zum anderen gab es Widerstand von Seiten der niedergelassenen Ärzteschaft. Durch das GKV-WSG wurden 2007 die Modalitäten vereinfacht und präziser geregelt. Der Gesetzestext sieht jetzt eine direkte extrabudgetäre Abrechnung mit den Kassen vor, wobei keine Zustimmungspflicht der Kassen mehr gesetzlich verankert ist. Dies trifft allerdings nur auf die eigentliche ambulante Leistung zu. Für Arzneimittel, Hilfs- und Heilmittel müssen noch Zusatzvereinbarungen mit den Kassen getroffen werden. Die zuständigen Landesbehörden verhalten sich allerdings noch immer zögerlich hinsichtlich der Zulassungen. Die Zulassungsverfahren der Bundesländer sind sehr unterschiedlich gestaltet. Vorreiter sind Schleswig-Holstein und Hamburg. In anderen Bundesländern liegen die Anträge bei den Landesbehörden, Entscheidungen stehen noch aus (Stand: Mai 2008).
208
9 Wege zur transsektoralen Versorgung
Gründe hierfür sind unter anderem im anhaltenden Widerstand der niedergelassenen Ärzte zu suchen. Derzeit sind Klagen niedergelassener Ärzte beim Bundesverfassungsgericht anhängig, die sich auf das Argument fehlender Gleichbehandlung stützen (Stand: April 2008). Aus Sicht der Krankenhäuser ermöglicht die Leistungserbringung nach § 116 b erstmals den Einstieg in die vertragsärztliche Versorgung. Durch die extrabudgetäre Vergütung eröffnen sich für die Krankenhäuser zusätzliche ambulante Erlösquellen. Zudem können stationäre Patienten, z. B. bei onkologischen Erkrankungen, dauerhaft im eigenen Haus versorgt werden. Insgesamt verspricht die Bündelung der stationären und ambulanten Versorgung in einer Hand eine gesteigerte Versorgungsqualität – mit vielfältigen positiven Folgewirkungen für die Ansprache von Einweisern, Nachbetreuern und Patienten. Welche Krankenhäuser die Zulassung zur Leistungserbringung nach § 116 erhalten, kann der GBA über seine Regelungskompetenz wesentlich beeinflussen. Anfang 2008 hat er für die Krankenhäuser die zu erbringenden Mindestmengen bei seltenen und hochspezialisierten Erkrankungen auf 50 Fälle pro Jahr festgelegt. Eine Mindestmengenregelung gibt es auch für die Erkrankungen mit besonderen Erkrankungsverläufen. Hier hat der GBA 1 Promille der bundesweiten Prävalenz als untere Grenze festgelegt. Die GBA-Regelungen schränken die Möglichkeiten für kleinere Häuser, Leistungen nach § 116 zu erbringen, stark ein. Eine Antragstellung ist daher gegenwärtig wohl nur für Häuser ab mindestens Regelversorgung mit entsprechenden Fallzahlen sinnvoll. Insbesondere Universitätskliniken und Maximalversorger können hier ihr Potenzial voll ausspielen. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Der § 116 b SGB V bietet eine sinnvolle Ergänzung des Leistungsspektrums der integrativen Versorgung. Erstmals erhalten die Krankenhäuser die Chance, in nennenswertem Umfang vertragsärztliche Leistungen zu erbringen. Vorteile bietet dies vor allem im onkologischen Bereich. Die Ausgestaltung der positiven politischen Intention ist jedoch, wie häufig im deutschen Gesundheitswesen, nicht geradlinig. Solange über die Verfassungsklagen noch nicht entschieden ist, lässt sich der tatsächliche Nutzen der Reform nur schwer abschätzen. Für entschlossene Anbieter eröffnen sich gleichwohl schon jetzt interessante Möglichkeiten, die neuen Freiräume auszuloten.
9.2 Was künftig erforderlich ist In der politischen Diskussion geht es inzwischen nicht mehr um das bloße Ausprobieren von Versorgungsformen unter dem Schutz der Anschubfinanzierung, sondern um den Aufbau wirtschaftlich tragfähiger Modelle, die auch dem Patienten einen erkennbaren Nutzen bieten. Erklärtes Ziel des Gesetzgebers ist es, eine weiter reichende, umfassende Integrierte Versorgung zu schaffen. Um auf künftige Entwicklungen jeweils rasch und flexibel reagieren zu können, sollten sich die Krankenhäuser bei ihren IV-Vorhaben vor allem an drei übergreifenden Leitzielen orientieren. Werden sie konsequent verwirklicht, so steht einer
9.2 Was künftig erforderlich ist
209
erfolgreichen Teilnahme an der transsektoralen Versorgung kaum noch etwas im Wege. 1. Übergeordnete Orchestrierung des gesamten Integrationsprozesses, in Analogie zur Etablierung der Behandlungspfade im Klinikbetrieb 2. Aufbau einer begleitenden Infrastruktur, um die zunehmend komplexeren Prozesse überhaupt transparent und steuerbar zu machen; dazu zählt insbesondere eine leistungsstarke IT-Systemunterstützung 3. Etablierung entsprechender Anreiz- und Vergütungssysteme, um eine für alle Beteiligten tragfähige, sektorübergreifende Vergütung sicherzustellen.
9.2.1 Orchestrierung der Integration Dreh- und Angelpunkt transsektoraler Versorgung sind Behandlungsprozesse, die durch optimale Koordination ambulanter und stationärer Leistungen eine möglichst schnelle Gesundung des Patienten sicherstellen – basierend auf den „State of the Art“-Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften. Ausgangspunkt muss eine verlässliche Diagnostik im niedergelassenen Bereich sein. Statt die Symptome einer Erkrankung zu bekämpfen, wie es immer noch vereinzelt geschieht, muss es zur Selbstverständlichkeit werden, den Ursachen rückhaltlos nachzugehen. Stimmt die Diagnose des niedergelassenen Arztes, so kann er den Patienten auf den am besten geeigneten transsektoralen Behandlungspfad setzen und die erforderlichen ambulanten und stationären Leistungen anordnen. Solche Pfade dienen nicht nur der Durchsetzung verbindlicher medizinischer Standards, sondern in gleicher Weise auch der Ablaufsteuerung und -kontrolle sowie der lückenlosen Dokumentation aller Behandlungsschritte. Festgelegt werden die Pfade im gemeinsamen Zusammenwirken beider Sektoren; dabei sind neben den ärztlichen Belangen auch die Belange der Pfleger und Spezialisten angemessen zu berücksichtigen. Für die Erstellung derart umfassender transsektoraler Behandlungspfade gibt es bereits erste Beispiele, wie etwa das mammaNetz Augsburg.11 Das Augsburger Projekt beschränkt sich nicht allein auf die Definition und Etablierung von Pfaden. Vielmehr werden auch Case Manager eingesetzt, die verantwortlich sind für Patientensteuerung und Pfadcontrolling. Parallel dazu ermöglicht es eine speziell entwickelte Software („Case Management Assistant“), Behandlungsschritte auf dem PC online zu dokumentieren und nachzuhalten.
9.2.2 Aufbau der begleitenden Infrastruktur Voraussetzung für die erfolgreiche Integration beider Sektoren ist die Bereitstellung einer entsprechenden Kommunikationsinfrastruktur. Dazu gehört auf jeden Fall eine durchgängige IT-Systemunterstützung. Hinzukommen sollten institutionalisierte Foren zum Austausch von Informationen; ein Beispiel sind transsektorale Fallkonferenzen für onkologische Fälle. Eine weitere Option ist der forcierte Einsatz von Telemedizin.
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9 Wege zur transsektoralen Versorgung
Was die Vereinheitlichung der IT-Infrastruktur anbelangt, sind erste Systemlösungen bereits heute in der Erprobung, allerdings ist an einen flächendeckenden Einsatz noch lange nicht zu denken. Ob die elektronische Gesundheitskarte geeignet ist, den transsektoralen Informationsfluss sicherzustellen, muss sich noch erweisen. Auf jeden Fall erscheint eine weitere Standardisierung der Dokumentation unabdingbar. Denn nur so können die in die transsektorale Versorgung eingebundenen Partner den Zugriff auf alle relevanten Informationen erhalten: Diagnose, bereits erfolgte Behandlungsschritte sowie erforderliche Medikation. Im Rahmen des erweiterten Datenaustauschs gibt es bereits Einweiserportale, die aus dem Krankenhaus heraus den Einweisern ein erweitertes Informationsspektrum anbieten. Ein Beispiel ist „Medigreif “, das stationäre und ambulante Einrichtungen im Raum Greifswald vernetzt.12 Näher zu prüfen ist auch, welche Möglichkeiten die Telemedizin zur Steuerung der transsektoralen Versorgung bieten kann. Bereits heute lassen sich entscheidende Parameterdaten zu Hause beim Patienten erfassen, mit deren Hilfe der Patient über Fernbeobachtung direkt in die am besten geeignete ambulante oder stationäre Einrichtung eingesteuert werden kann. Ein Beispiel ist das IV-Projekt der Techniker Krankenkasse für chronisch Herzkranke, genannt „Telemedizin fürs Herz“.13 In diesem Fall wird das Case Management von einem unabhängigen Partner, der „Deutschen Stiftung für chronisch Herzkranke“ erbracht. Krankenhäuser sind in die Steuerung und Beurteilung der Patienten bisher nicht direkt eingebunden. Auf längere Sicht sollte es möglich sein, via Telemedizin einen transsektoralen Behandlungsablauf zu koordinieren und die Patientenbetreuung schrittweise anhand der laufend übermittelten Vitalparameter zu steuern. Ungeachtet der vielen zukunftsträchtigen Ansätze gilt jedoch zunächst auch weiterhin: Der Weg zu einer transsektoralen IT-Plattform, die vorgegebene Behandlungsprozesse wirkungsvoll unterstützt, ist noch sehr weit. Der britische National Health Service hat inzwischen viele Milliarden Pfund in den Aufbau einer transsektoralen IT-Unterstützung investiert, messbare Erfolge stehen bislang noch aus.
9.2.3 Begleitende finanzielle Anreize und Vergütungssysteme Neue leistungsstarke transsektorale Versorgungsstrukturen werden sich auf Dauer nur herausbilden können, wenn auch die entsprechenden ökonomischen Anreize gegeben sind. Als erster Schritt hierzu bietet sich die Standardisierung von Leistungen und Vergütungen an – über die jeweilige Sektorgrenze hinaus, verbindlich für alle Leistungserbringer und alle Krankenkassen. Die Koppelung von Leistungen und Vergütungen erfolgt heute schon sektorübergreifend im Rahmen von vereinbarten Komplexpauschalen.14 Solche Regelungen können auf individueller Basis zwischen einzelnen Krankenhäusern, niedergelassenen Ärzten und Krankenkassen getroffen werden. Das Management dieser unterschiedlichen Verträge ist allerdings für alle Beteiligten sehr mühsam und auch die Aushandlung individueller Vereinbarungen braucht viel Zeit.15 Daher wäre es zu wünschen, dass der Gesetzgeber hier die Initiative ergreift und – neben dem DRG-Katalog und dem EBM-Katalog – noch ein weiteres Katalogwerk
9.3 Fazit: Transsektorale Versorgungsmodelle bieten bereits heute vielfältige Optionen 211
für Komplexpauschalen erarbeitet. Adressatenkreis sollten „Integrierte Leistungserbringer“ sein, deren Leistungsumfänge und Vergütungsansprüche durch den Katalog geregelt werden. Denkbar ist auch, für die postoperative Versorgung von Patienten Kopfpauschalen zu vereinbaren – und zwar bezogen auf eine jeweils geografisch umrissene Region.16 Solche Kopfpauschalen-Modelle gibt es beispielsweise in Spanien. Dort besteht für jeweils 40.000 bis 100.000 Patienten ein regionales Versorgungsnetz: Für jeden behandelten Fall wird ein festes Entgelt ausgeschüttet – unabhängig von der individuellen Morbidität des Patienten oder den erhaltenen Leistungen. In Deutschland gibt es hierzu allenfalls erste Versuche, etwa das „Unternehmen Gesundheit Oberpfalz Mitte“ (UGOM). Im Rahmen von UGOM verfolgen niedergelassene Ärzte, Krankenhäuser und Kassen der Region einen populationsbasierten Versorgungsansatz über Sektorgrenzen hinweg. Derzeit hat UGOM noch eher Pilotcharakter.17 Eine flächendeckende Implementierung erscheint kaum realisierbar, solange noch die gesetzlichen Grundlagen für ein solches Vergütungsmodell fehlen.
9.3 Fazit: Transsektorale Versorgungsmodelle bieten bereits heute vielfältige Optionen, künftig werden sie über die Positionierung im Wettbewerb entscheiden Als einziges Land in Europa hat Deutschland eine sektorale Abgrenzung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Vieles spricht dafür, dass diese Abgrenzung auf Dauer keinen Bestand haben wird. Seit Längerem schon ist die Überwindung der sektoralen Trennung erklärtes Anliegen der Politik. Die gesetzlichen Grundlagen für die transsektoralen Versorgungsmodelle bestehen mittlerweile. Alle Interessierten können damit rechnen, dass sich die Gestaltungsmöglichkeiten in der transsektoralen Versorgung über die kommenden Jahre noch weiter verbessern werden. Aus Sicht der Krankenhäuser bedeutet dies, dass ein umfassender Aufbau transsektoraler Versorgungsstrukturen derzeit gewiss verfrüht ist. Zum einen fehlen die nötigen sektorübergreifenden Behandlungskonzepte, zum anderen mangelt es sowohl an der erforderlichen IT-Infrastruktur als auch an den ökonomischen Anreizen. Vor diesem Hintergrund sollten sich Krankenhäuser lediglich selektiv – in ausgewählten Bereichen und Fällen – an transsektoralen Versorgungsmodellen beteiligen. Voraussetzung muss jeweils sein, dass die Beteiligung medizinisch sinnvoll und eine entsprechende Wirtschaftlichkeit nachvollziehbar sichergestellt ist. Für das deutsche Gesundheitswesen bedeutet dies, dass sich der politisch gewünschte Systemwandel hin zur transsektoralen Versorgung auch weiterhin nur in sehr kleinen Schritten vollziehen wird.
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9 Wege zur transsektoralen Versorgung
Endnoten 1
Hintergrundinformationen zur Vorgeschichte und zur Konzeption der Integrierten Versorgung liefert S. Schulz, ,,Integrierte Versorgung auf dem Prüfstand“, Marburg 2007, S. 3–25. 2 Vgl. dazu Müller/Vössing/Amelung, ,,Das Verbundsystem Knappschaft“ in Weatherley/Seiler/Meyer/ Lutterloh/Schmid/Läge/Amlung, ,,Leuchtturmprojekte Integrierter Versorgung und Medizinischer Versorgungszentren“, Berlin 2007, S. 131–138. 3 Zu ähnlichen Einschätzungen gelangen auch Wagner/Ackerschott/Lenz in ,,Potentiale ausgeschöpft? Ergebnisse einer Evaluationsstudie zur Integrierten Versorgung“, erschienen in ku-Sonderheft ,,Integrierte Versorgung“ 10/2006, S. 6–9. 4 Die Zahlenangaben entsprechen dem Entwicklungsstand von Ende Dezember 2007 5 So die Aussage von Christoph Straub, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkassen, durchaus repräsentativ für die Einschätzungen auf Kassenseite. Zitiert nachKMA03/2006 6 ,,Integrierte Versorgung bringt im Grunde nichts“, so Rüdiger Siewert, ÄD am Klinikum rechts der Isar, München, stellvertretend für viele seiner Kollegen. Zitiert nach KMA 03/2006 7 Zur Problematik der Anschubfinanzierung vgl. Stüve/Hildebrandt/Bischoff-Everding, ,,Überlebenschancen kleiner Häuser auf dem Land“ in ku-Sonderheft ,,Integrierte Versorgung“ 10/2006, S. 15. 8 Zur Chance von MVZs und anderen Formen Integrierter Versorgung im ländlichen Raum vgl. ebenda, S. 12–15. 9 http://www.sozialgesetzbuch-bundessozialhilfegesetz.de/buch/agbv/95.html 10 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) 11 Torenz/Seiler, „Optimierte Brustkrebsversorgung – das mammaAugsburg“, In: Weatherly/ Seiler/ Meyer-Lutterloh/Schmid/Amelung (Hrsg.), „Leuchtturmprojekte Integrierter Versorgung und Medizinischer Versorgungszentren“, 2007, S. 45–56. 12 Vgl. die Unternehmenswebsite http://www.medigreif.de/medigreif-unternehmensgruppe.html 13 Hecke/Weatherly, „Neue Technologie sinnvoll nutzen - Telemedizin mit der Techniker Krankenkasse“ In: Weatherly/Seiler/Meyer-Lutterloh/Schmid/Lägel/Amelung, „Leuchtturmprojekte Integrierter Versorgung und Medizinischer Versorgungszentren“, 2007, S. 57–64. 14 Vgl. dazu Abraham/Gnutzmann: „Integrierte Versorgung aus der Basis von Komplexpauschalen“ in Wagner/Lenz (Hg.), „Erfolgreiche Wege in der Integrierten Versorgung. Eine betriebswirtschaftliche Analyse, Stuttgart, 2007, S. 280–293. 15 Zu Verhandlungsführung und Vertragsgestaltung vgl. Weatherley/Seiler/Meyer/Lutterloh/Schmid/ Läge/Amelung, „Leuchtturmprojekte Integrierter Versorgung und Medizinischer Versorgungszentren“, Berlin, 2007, S. 85–90. 16 Zum Konzept der Kopfpauschale vgl. Janus/Amelung/Voss, „Innovative Vergütungsmodelle auf dem Prüfstand – Ansätze zur Erhöhung der Behandlungsqualität und der Kosteneffizienz in der Integrierten Versorgung“ in Wagner/Lenz (Hg.), „Erfolgreiche Wege in der Integrierten Versorgung. Eine betriebswirtschaftliche Analyse“, Stuttgart, 2007, S. 82 ff. 17 Vgl. dazu „Capitaation umsetzen – UGOM Unternehmen Gesundheit Oberpfalz Mitte“ in Weatherley/ Seiler/Meyer/Luttlerloh/Schmid/Läge/Amelung, „Leuchtturmprojekte Integrierter Versorgung und Medizinischer Versorgungszentren“, Berlin 2007, S. 151–161.
Autoren- und Mitarbeiterverzeichnis
Autoren Prof. Dr. Rainer Salfeld Volljurist, Studium der Rechtswissenschaften, Promotion am Institut für Gesellschaftsrecht, Prof. Dr. Peter Hommelhoff, Universität Bielefeld, 1986; Lehrbeauftragter der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Universität Augsburg seit 1999, Berufung zum Honorarprofessor durch den Freistaat Bayern 2004; von 1986–2008 Berater bei McKinsey & Company, Inc., zuletzt als Senior Partner in der Leitung des Gesundheitssektors; seit 2008 geschäftsführender Gesellschafter der Artemed Kliniken, München Dr. Steffen Hehner Apotheker, Studium der Pharmazie, Promotion 1999, Universität Mainz; von 1997 bis 1999 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, Schwerpunkt: Immungenetik; seit 2000 Berater bei McKinsey & Company Inc., Partner
Dr. Reinhard Wichels Mediziner, Studium und Promotion an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg; vier Jahre Tätigkeit als Arzt in den Bereichen Innere Medizin und Kardiologie, u. a. am Klinikum Großhadern der LMU München; seit 2001 Berater bei McKinsey & Company Inc., Partner
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Autoren- und Mitarbeiterverzeichnis
Mitarbeiter Jan R. Ascher Dipl.-Kfm., WHU – Otto Beisheim School of Management, Vallendar, Schwerpunkte Controlling, Rechnungswesen, Finanzen und Produktionsmanagement; seit 2004 Berater bei McKinsey & Company, Inc. Dr. Benjamin I. Behar Dipl.-Kfm., Freie Universität Berlin mit den Schwerpunkten Zwischenbetriebliche Beziehungen, Organisation und Führung, sowie Innovations- und Technologiemanagement; Bankkaufmann; Promotion zum Thema „Verbundstrukturen im deutschen Krankenhausmarkt“ am Institut für Management, Lehrstuhl für Unternehmenskooperation der Freien Universität Berlin; von 2005–2008 Berater bei McKinsey & Company, Inc., Berlin; seit 2009 kaufmännischer Leiter des Krankenhauses Tabea in Hamburg, und Lehrbeauftragter für strategisches Gesundheitsmanagement an der Freien Universität Berlin. Kapitelschwerpunkt: Kapitel 1 Die deutschen Krankenhäuser – International auf dem Weg zur Spitze Kapitel 3 Von der Verwaltung zum Management von Krankenhäusern Kapitel 6 Der Weg zur erfolgreichen Vermarktung von Krankenhäusern Dr. Sören Eichhorst Facharzt für Innere Medizin, Studium an den Universitäten Göttingen, Heidelberg und New York. Promotion an der Universität Göttingen in Molekularer Gastroenterologie; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg Facharztausbildung an den Universitäten Heidelberg und LMU München-Großhadern. Berater bei McKinsey seit 2005. Kapitelschwerpunkte: Kapitel 4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe – Schlüssel zu mehr Wirtschaftlichkeit und Qualität Kapitel 9 Wege zur transsektoralen Versorgung Dr. Clemens Guth Mediziner, Studium am Imperial College London; 2002 bis 2003 Junior Doctor am Chelsea &Westminster Hospital London; seit 2005 im MBA-Programm an der Harvard Business School; seit 2008 Kaufmännischer Leiter Benedictus Krankenhaus Tutzing. Kapitelschwerpunkte: Kapitel 1 Die deutschen Krankenhäuser – International auf dem Weg zur Spitze Kapitel 4.4 In der Radiologie: Leitlinien erhöhen die Leistungsfähigkeit der Abteilung und treiben die technologische Weiterentwicklung voran
Autoren- und Mitarbeiterverzeichnis
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Dr. Jan Hartmann Mediziner, Studium in Freiburg, Newcastle (AUS), Buenos Aires und München (LMU); Promotion an der Universität Freiburg nach Forschungsarbeiten am Institut für Zellbiologie der Yale University; Arzttätigkeit in der Urologie am Universitätsklinikum Münster; seit 2008 Berater bei McKinsey & Company, Inc. Kapitelschwerpunkt: Kapitel 5 Qualität im Krankenhaus – Das Wohl des Patienten als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor Dr. Christian Kloss Mediziner, Studium an den Universitäten Freiburg, Belfast, Harvard, LMU München. Promotion von der TU München nach Forschungsarbeiten am MPI für Neurobiologie, Martinsried; Arzttätigkeit in der Schlaganfallintensiveinheit am Klinikum Großhadern; seit 2001 Berater bei McKinsey & Company, Inc. Kapitelschwerpunkte: Kapitel 4.1 Ausrichtung auf Abläufe und Prozesse hilft, ,,Silodenken“ zu überwinden Kapitel 4.2 Im OP-Bereich: Behandlungspfade ermöglichen eine Gesamtsteuerung der Abläufe und Interaktionen – mit kontinuierlichen Produktivitätsverbesserungen Dr. Thomas Kowallik Dipl.-Ing. in Wirtschaftsingenieurwesen, TU Berlin, und M.Sc. in Management, Stevens Institute of Technology, USA; Promotion zum Dr. rer. pol. an der WHU – Otto Beisheim School of Management, Vallendar; seit 1998 Berater bei McKinsey & Company, Inc.; Associate Principal Kapitelschwerpunkt: Kapitel 7 Neue Ideen zur Optimierung nicht klinischer Teilfunktionen Dr. Georg Klymiuk Studium der Germanistik, Philosophie und Mathematik, Universität München; Promotion im Bereich Literaturgeschichte; Senior Editor, McKinsey & Company, Inc., München Dr. Karl Miserok Volljurist, Studium und Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität München; wissenschaftliche Tätigkeit an der Universidad Austral de Buenos Aires; Vorstandsreferent Amper Kliniken AG, Abteilungsleiter Schön-Kliniken; seit 2007 Berater bei McKinsey & Company, Inc. Kapitelschwerpunkt: Kapitel 9 Wege zur transsektoralen Versorgung
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Autoren- und Mitarbeiterverzeichnis
Dr. Tobias Möhlmann Mediziner, Studium der Medizin in Heidelberg, München und Boston; Promotion am Lehrstuhl für Stoffwechselbiochemie an der LMU München; Approbation als Arzt; seit 2005 Berater bei McKinsey & Company, Inc.; Associate Principal Kapitelschwerpunkte: Kapitel 2 Herausforderungen und Handlungsfelder für die Krankenhausführung Kapitel 4 Patientenzentrierte Behandlungsabläufe – Schlüssel zu mehr Wirtschaftlichkeit und Qualität Kapitel 5 Qualität im Krankenhaus – Das Wohl der Patienten als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor Dr. Christian Pawlu Mediziner, Studium der Medizin in München, Freiburg, Calgary und Nîmes; Promotion im Bereich Neurowissenschaften; Approbationals Arzt; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Physiologie der Universität Freiburg; seit 2005 Berater bei McKinsey & Company, Inc. Kapitelschwerpunkte: Kapitel 4.3 Auf der Intensivstation: Etablierung fester Standards ermöglicht eine patientenzentrierte und zugleich wirtschaftliche Betreuung Kapitel 4.5 In der Notaufnahme: Am Startpunkt der Pfade werden die Akzente gesetzt – für die Behandlung wie auch für den Dialog mit Einweisern und Patienten Dr. Maren Rowold Medizinerin, Studium der Humanmedizin an der Universität zu Köln; Arzttätigkeit am Städtischen Krankenhaus Siegburg, Abteilung für Innere Medizin und Kardiologie; Doktorandin an der Universität zu Köln, Abteilung für Psychosomatik. Seit 2001 Beraterin bei McKinsey & Company, Inc.; seit 2006 Practicemanagerin für Healthcare Payors and Providers in Europa, im Mittleren Osten und in Afrika Kapitelschwerpunkte: Kapitel 4.1 Ausrichtung auf Abläufe und Prozesse hilft, ,,Silodenken“ zu überwinden Kapitel 2 Herausforderung und Handlungsfelder für die Krankenhausführung Kapitel 4.2 Im OP-Bereich: Behandlungspfade ermöglichen eine Gesamtsteuerung der Abläufe und Interaktionen – mit kontinuierlichen Produktivitätsverbesserungen Kapitel 4.3 Auf der Intensivstation: Etablierung fester Standards ermöglicht eine patientenzentrierte und zugleich wirtschaftliche Betreuung
Autoren- und Mitarbeiterverzeichnis
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Dr. Thomas Rudolph Mediziner, Studium der Humanmedizin an der Universität Tübingen; Promotion im Bereich Onkologie. Seit 2001 Berater bei McKinsey & Company, Inc., Partner Kapitelschwerpunkt: Kapitel 9 Der Weg zur transsektoralen Versorgung Dr. Sebastian Sieler Dipl.-Betriebswirt, Studium der Betriebswirtschaftslehre an der European School of Business (ESB) Reutlingen sowie an der University of Texas at Austin und der Indiana University; Studienschwerpunkte Finanzierung, Controlling und Strategisches Management; Promotion am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre/Wirtschaftsprüfung und Controlling der Universität Augsburg zum Thema „Erfolgsfaktoren von Internationalisierungsprozessen“; seit 2003 Berater bei McKinsey & Company, Inc. Kapitelschwerpunkt: Kapitel 8 Anpassung der Angebotsstrukturen Dr. Julia M. Sperling Medizinerin, Studium der Medizin an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt; Promotion im Bereich der funktionellen Bildgebung am Max-PlanckInstitut für Hirnforschung, Frankfurt; seit 2004 Beraterin bei McKinsey & Company, Inc. Kapitelschwerpunkt: Kapitel 8 Anpassung der Angebotsstrukturen Dr. Florian Then Mediziner, Studium der Medizin in München, Boston, und Nanjing; Promotion in Tumorimmunologie an der LMU München, Arzttätigkeit an der TU München, Postdoktorand am Massachusetts Institute for Neurodegenerative Diseases, Harvard Medical School, seit 2007 Berater bei McKinsey & Company, Inc. Kapitelschwerpunkt: Kapitel Qualität im Krankenhaus – Das Wohl des Patienten als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor
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Sachverzeichnis
Abbau von Betten-/Betreuungskapazitäten (Notaufnahme) 98 Ablauforganisation 58 klinische 49 Ableitung der Pfadimplikationen 56 Abrechnungsmodell, transparentes 105 Abrechnungsvereinbarungen 106 Absagequote 59 Abstimmungsgespräche 37 Abteilungsgrößen von Krankenhäusern 166 Abweichung vom Zielwert 45 AHB-Nachsorge 63 Akutkrankenhaus 74 Allgemeinkrankenhäuser, kleinere 165 Allokation von Personal-/Sachressourcen 41 Ampeldarstellung 45 Analytik 99 Anästhesie/Anästhesieteam 67 Anästhesisten 64, 80 Anforderungsprofil 40 Angebotsbreite 1 Anmeldung 86 Anordnung, bauliche (Notaufnahme) 96 Anschlussheilbehandlung (AHB) 63 Anschlussversorgung 55 Antibiotikaprophylaxe 11 Anwendung von Textbausteinen 87 Arbeitsatmosphäre 130 Arbeitskosten 8 Arbeitsplatzmethoden 56 Arbeitszeitgesetz 169 Arterienverschlüsse 59 Ärzteschaft 6 Ärztlicher Leiter 53 Aufbau teleradiologischer Verbindungen 88 Aufenthalt auf der Intensivstation 76 Aufnahme-/Entlassprozess 138 Aufnahme- und Entlassungsmanagement 55, 170
Auftraggeber-AuftragnehmerBeziehungen 40 Aufwachraum 81 Aufwertung der Notaufnahme 91 Ausbildung von Radiologieassistenten 90 Ausgangspunkt aller klinischen Behandlungspfade 91 Auslastung der OP-Kapazitäten 59 Auslastung von Großgeräten 86 Ausnahmeregelungen 9 Ausrichtung der Krankenhäuser lokale 133 regionale 133 Ausstiegs- und Öffnungsklauseln bei Outsourcing 162 Ausweitung der Abteilungs- und Stationsgrößen 166 Ausweitung der Betriebszeiten (OP) 69
B
Basisfallwert 173, 174 Basisszenario 29 Befragung/Befragte 13, 14 Befundformat, standardisiertes 87 Befundlaufzeiten 87, 88 Befundung 55 Befundungsplatz für Ärzte zentraler 87 Begrenzung des internen Leistungskonsums 52 Behandlungsabläufe 52, 57, 64, 84 patientenzentrierte vi, 49 Behandlungsbedürftigkeit des Patienten 75, 83 Behandlungsfehler 120 Behandlungskonzepte, integrierte 169 Behandlungskosten 8 Behandlungsleitlinien 53 Behandlungspfade 49, 51, 79 klinische 40, 50, 51, 56, 73, 84, 105
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Sachverzeichnis
patientenzentrierte 65 transsektorale 193 Behandlungsplanung, gesamtheitliche (Notaufnahme) 97 Behandlungsqualität 1, 12, 52, 115, 117 Behandlungsstandards 11 klinische 110 Behandlungszeiten 49 Beinahefehler 121 Beitragssicherungsgesetz 27 Belegarzt-Modelle 198 Belegungsquote der Intensivstation 78 Benchmarkingklausel 162 Benchmarking-Vergleich 79, 84, 145 Bereiche, sekundäre medizinische 39 Berichtswesen 28, 42, 125 Berufs- und Schutzkleidung 154 Best-Practice-Erfahrungen 123 Betablocker 11 Betreiber 2 Betriebsergebnis 27 Betriebsform für nicht klinische Dienstleistungen 156 Betriebsmodell für Maximalversorger, geeignetes 180 Bildarchivsystem, elektronisches (PACS) 88 bildgebende Verfahren/Systeme 90 Bildung interdisziplinärer OP-Teams 70 Blinddarmoperation 53 Blindleistungen 69 Blutbank 99 BQS 110, 111, 118, 131 Berichterstattung 117 Daten 12 Parameter 120 Pflichtdaten 112 Prozess 111 System 113 Verfahren 124 Brustkrebsoperationen 114 Brustkrebszentrum 176 Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2 Budgetierung der Leistungsausgaben 27 Budgets je Patient, fiktives 85 Bündelung des Einkaufs 182 Bundesausschuss, gemeinsamer 30 Bundesbasisfallwert 18 Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung (BQS) 11, 12, 21 Bundeskartellamt 187 Bürgerversicherung 8 Case Management Assistant 209
Case Manager 209 Case Mix 38 Cholezystektomie 13 CIRS 121 Clinical/Critical Pathways 50 CMI 57 CMI-Anstieg 57 Coaching von Fachkollegen 44 Commonwealth Fund 13, 140 Commonwealth Health Policy 9 Controlling 43 Cockpits 43, 44, 54 Report 43 Standardsysteme 43 Controllingprozesse für radiologische Leistungen 88 Convenience Food 149 Cook and Chill 150 Cook and Freeze 150 Cook and Serve 150 Cook and Serve-Küchenlösungen 152 Cost-Center 37, 38, 41, 42, 80 Critical Incident Reporting Systems (CIRS) 116, 117, 121 CT-/MRT-Arbeitsplätze 86, 87 CT-/MRT-Kapazitäten 86 Cycle Time 104
D
Data Warehouse 43 Datenerhebung 124, 125 Datensatz zur Pneumonie 118 Deckelung der Krankenhausbudgets 129 Decken und Kissen 154 Deckungsbeitrag je Patient 85 Deckungsbeitragsrechnung (DBRechnung) 34 Deeskalationsinstanzen und ‑mechanismen 39 Definition und Konsentierung von Zielen 41 Designkriterien für Kennzahlen 45 Detaillierungsgrad der InEK-Kalkulation 31 Deutsche Krankenhausgesellschaft 18 Deutschen Rentenversicherung KnappschaftBahn-See (KBS) 56 Dezentralisierung von Führungsaufgaben und Zuständigkeiten 41 Diagnosegenauigkeit 120 Diagnosis Related Groups (DRGs) v, 17, 27, 32, 53 Diagnostikaindustrie 101 Diagnostikleistungen auf 24/7-Basis 93 Diagnostik, präoperative 169
Sachverzeichnis
Dialog mit Niedergelassenen 136 Dienst ärztlicher 6, 30, 80 medizinisch-technischer 6 Dienstarten, klinische 38 Dienstleistungsbereiche, tertiäre vi Differenzierung nach Fachabteilungen 81 Differenzierung nach Krankheitsschwere 82 Differenzierung nach Routine- und Notfallpreisen 85 DIN 21 DIN EN ISO 110 Disaggregation der Kennzahlen 43 DocPath-System 57 Dokumentationsaufwand 110, 118 Dokumentationsqualität 124 Doppelfunktion der nicht klinischen Dienste 143 Doppelfunktion der Notaufnahme 94 Dreigestirn 36 DRG 135 Browser 88 Kalkulationsdaten 88 Normkosten 53 Normkostenableitung 56 System 23, 119, 182 E
EBM 23 Economies of Scale bei der Speiseversorgung 150, 151 Economies of Scale bei der Textilversorgung und Wäscherei 154 EFQM 21 Eigenerbringung nicht klinischer Dienstleistungen 157 Einführung fester Visitetermine 55 Einführung von Mindestmengen 166 Eingriffe, endoprothetische 177 Eingriffe, koronarchirurgische 167 einheitliche Geschäftsführung 188 einheitliche Trägerschaft 188 Einsatz spezieller Speisetabletts 152 Einsatz von Telemedizin 209 Einsparung der Umsatzsteuer 158 Einsparungen bei nicht klinischen Diensten 144 Einsparungen (Notaufnahme) 97 Einweiser 12, 74, 133, 137 -gespräche 138 -gruppen 138 -Hotline 122 -portale 210
-programm 139 -zufriedenheit 52 EKG-Überwachung/-Übertragung 77 elektiv 134 Elektivaufnahmen 170 Endo-Klinik, Hamburg 177 Entlassgespräch 137, 140 Entlassmanagement 13, 55, 137, 140 Entlassungen 4, 6, 170 Entlassung von Patienten 74 Erfolgsquote bei OutsourcingEntscheidungen 159 Ergebnislücke 29 Ergebnisqualität 11, 13, 49, 52, 55, 56, 88, 110, 119, 131 Ergebnis- und Prozessqualität 132 Erkrankungen, chronische 22 Erkrankungen, rheumatologische 176 Erkrankungsbilder 79 Erlösbasisfallwert 33 Erlösverlust je Fall 20 Erschließung von Synergien 182 Eskalationsmechanismus 45 Essensdisposition (online) 153 Essen und Getränke 146 Etablierung von Qualitätsstandards und Behandlungsabläufen 183 Etablierung von Zentral-OPs 69 Expertenorganisation 117 F
Fachkliniken 171, 175 Facility Management 143, 144 Faktorkostennachteile bei nicht klinischen Dienstleistungen 147 Fallgruppen, diagnosebasierte 27 Fallinformation 137 Fallkosten 4, 5 Fallpauschalen 27 diagnosebasierte 17, 27, 29 Fallpauschalenänderungsgesetz, 2. 129 Fallpauschalengesetz 27 Fallschwere (CMI) 30, 74, 129 Fallzahlakquirierung 173 Fallzahlaufkommen 130 Fallzahlen 4, 5, 29, 35, 46, 129, 130 Fallzahlsteigerungen 42 Fallzusammensetzung/Case Mix 79 Fast-Track-Behandlungsräume 95 Feedback 124 Fehlbelegung (Intensivstation) primäre 74 sekundäre 74
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230
Sachverzeichnis
Fehlermeldung 121 Fehlerquellen 121 Femurschaft 32 Finanzierung, duale 22 Finanzierungsgrundlage 8 Finanzierungsmodelle (Radiologie), alternative 89 Finanzierungsprobleme 2 Flächenreduzierungen 155 Flexibilisierung des Personaleinsatzes 69 Fokus auf Qualität 109 Fraktur 32 Freigabe, präoperative, anästhesiologische 55 Fremdvergabe von Laborleistungen 102 Fremdvergabe von Wäschereileistungen 155 Frühwarnindikatoren 46 Führungsmodell, abgestuftes 42 Führungsorganisation 36, 38, 42 Führungsrollen 39 Führungsspannen 39 Führungsstrukturen, monolithe 38 Führung über Ziele und Zielvereinbarungen 28 Führung von Outsourcing-Partnern 161 Funktionsdienst 6 Funktionsräume 23 Funktionsuntersuchungen 55 G
Gebärmutterentfernung 114 Geburtshilfe 150, 166, 167 Geburtskliniken 168 Gefäßmedizin 58 Gemeinkosten 39 Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) 167 Gerinnselauflösung, medikamentöse 172 Gerinnung 99 Gesamtausgaben 2 Geschäftsbereiche 28 Geschäftsbetrieb 27, 28 Geschäftsleitung/-führung 28, 29, 35 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) 187 Gesundheitsausgaben 2 Gesundheitspauschale 8 Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) 27 Gesundheitssystem 2, 8 GKV-Gesundheitsreformgesetz 27 Glas- und Sonderreinigungsvorgänge 156 Grenzen, kartellrechtliche 186 Grob-Wirtschaftsplan 29 Größe ist gut 165 Grund für die Krankenhauswahl
Empfehlung des Arztes 173 Heimatnähe 173 Grundlohnsumme 20, 27 Grundversorgung 171 GuV-Verantwortung 37 Gynäkologie, stationäre 172 H
Handwerker- und Hausmeisterdienste 143 Häuser der Maximalversorgung 171, 173 Heilmittelwerbegesetz 131 Herz-Kreislauf Zentrum Freiburg (HKZ) 58 Hirnblutungen 172 Hochrisikopatienten 118 Holdinglösung 42 Hospital Quality Initiative 12 Hüft- und Knie-Endoprothesen 59 I
ICD/OPS-Kombination 53 Imageverbesserung (Notaufnahme) 98 Indikationsstellung 78 Indikatoren 12 individueller Basisfallwert 130 InEK 30, 58 -Kalkulationshäuser 30, 33 -Kostenart 33 -Kosten-Basisfallwert 33 Infektionsrate 11 Informationsquellen, objektive 113 Informations- und Berichtswesen, transparentes 41 Informations- und Controllingsysteme 47 Infrastrukturinvestitionen 29 Infrastrukturkosten 31, 39 Innerbetriebliche Holding 41 Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) 174 Integrationstiefe (Notaufnahme) 99 Integration, transsektorale 63 integrierte Versorgung 205 indikationsbasierte 205 populationsbasierte 207, 211 Intensivbehandlung 77 Intensivmedizin/intensivmedizinische Betreuung/Intensive Care 74, 75, 79, 80 Intensivstation 74, 75 chirurgisch ausgerichtete 82 konservative 82 Interessenausgleich, tragfähiger 187 Intermediate Care 79, 82 International Neuroscience Institute (INI), Hannover 177 Internetratgeber 113
Sachverzeichnis
Investitionskosten 23 Investitionsquote 23 Investorenrolle 41 IQWiG 110 Irreversibilität des Vorgangs 188 IV-Anschubfinanzierung 205 IV-Projekte 205 IV-Vertragsmodelle 195, 206 J
JCAHO 126 Joint Commission 21 Just-in-time-Konzepte für Speiseversorgung 153 K
Kapitalkosten 29 Kardiologie, pädiatrische 179 Kaufkraftunterschied 3 Kenngrößen/-zahlen 43, 45, 46 Kennzahlensystem 43, 45 Kennziffersysteme 145, 156 Kerckhoff-Klinik, Bad Nauheim 179 Kerngeschäft von Krankenhäusern 157 Kernkennzahlen 43 Kernsteuerungsparameter 43, 45 Kernteam 53 Kinder- und Frauenzentren 178 Kliniken, spezialisierte 176 Klinikleitlinien/Trampelpfade 50 Klinikum Stuttgart 179 Klinikverbund Südwest GmbH 183 Klinische Chemie 99 Klinische Qualität 119 Knie-Endoprothesen 167 Knie-Totalendoprothese 174 Knie- und Hüft-TEPs 195 Kompetenzzentren, verbundweite 184 Komplexpauschale, vereinbarte 210 Komplikationen, eingriffsspezifische 13 Komplikationen, neurologische 11 Konsolidierungswelle 181 Konsultierungs- und Genehmigungsverfahren 38 Kontrahierung, selektive 112 Kontrollgremien der BQS 111 Kontrolltermin 141 Konvergenzphase 19, 33 Konzept, kommunikatives (Notaufnahme) 98 Kooperationen, institutionalisierte 139 Kooperationen/Partnerschaften von Krankenhäusern 166 Kooperationsoptionen 102
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Kooperation (Speiseversorgung) 101, 151 Koordinationsprobleme 55, 65 Kopfklinik, Heidelberg 177 Kopfpauschalen-Modelle 211 Kopf-Zentrum 176 Kostenarten-/Kostenstellenstruktur 30 Kostenartenstelle 33 Kostenblock 2 Kostengünstigkeit 1 Kostenkennziffern für nicht klinische Dienstleistungen 145 Kostenstrukturen 19 Kostenträgerrechnung 53 Kostentreiber 101 Kostenzentrum 19 Krankenhausausgaben 5 Krankenhaus-Barometer 17 Krankenhausbauten 23 Krankenhausbeteiligung 202 Krankenhausbetten pro Tausend Einwohner 22 Krankenhausbudget 27 Krankenhausführer 112, 131 Krankenhausgesellschaft, gemeinsame 189 Krankenhausgröße nach Betten 30 Krankenhausinformationssystem (KIS) 43, 57, 84 Krankenhausketten 165 Krankenhauskosten 4, 5 Krankenhaus-Kostenkalkulation nach InEK 30 Krankenhauslaboratorien 100 Krankenhausleistungen 4, 8 Krankenhausmarketing 131, 140 Krankenhausmarkt v, 27 Krankenhausmortalität 172 Krankenhauspläne 171 Krankenhaussektor 1, 2 Krankenhaussysteme 1 Krankenhaustypen 165 Krankenhausverbände und -kooperationen 181 Krankenhausverbünde, regionale 183, 184, 185 Krankenkassen 8, 11 Kreuzproben 104 KTQ 21, 110 KTQ-Berichte 12 Kundenorientierung, fehlende 37 L
Labor 37, 52 -betrieb 103
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Sachverzeichnis
-diagnostik 100 -gemeinschaft 100, 102, 103 -leistungen 100, 105, 106 -medizin 57, 105 -parameter 105 -prozesse 105 Lancaster General Women & Babies Hospital 179 Ländervergleich 1 Landesbasisfallwert 19, 130 Langlieger-Zuschläge 42 Lasten 18 Lastprofil, abteilungsspezifisches (Radiologie) 89 Leapfrog Group 168 Leerlaufzeiten 65 Leerzeiten 86 Leistenhernien 59 Leistungsanbieter (Rolle) 40 Leistungsarten/-stellen 33 Leistungsausgaben 3 Leistungsbeziehungen 24 Leistungskonsum 54, 57, 59, 84 Leistungsnachfrager (Rolle) 40 Leistungsportfolio 38 Leistungsqualität 21 Leistungsspektrum 11, 21 Leistungssprünge durch OE 149 Leistungsstrukturen 19 Leistungsumfänge 45 Leistungsverflechtungen 31 Leistungsverrechnung 39 Leistungsvolumen je DRG 88 Leiter, ärztlicher 53 Leitziel, strategisches 28 Lernprozess, kontinuierlicher 183 Letalität 12 Liefermodell 104 Liegeplätze in Wartezimmern 87 Liegezeiten 79 Linksherzkatheterlabor 168 Linksherzmesskatheterplatz 185 Lyserate 172 Magenbandoperationen 11 Management der Einweiser und Nachbetreuer 201 Managementprozess, rückgekoppelter 28 Management- und Betreibermodell 104 Managementvertrag mit externem Dienstleister 158 Marktanteile 135
Marktausschöpfung, aktuelle 134 Marktkonsolidierung 28 Marktpotenzial 134 Markt-/Wettbewerbsanforderungen 28 Masterplan Gesundheitswirtschaft 176 Maximalversorger 180, 181 Maximalversorgung 171 Medigreif 210 Medizincontrolling 40 Medizin, evidenzbasierte 52, 61 Mehrheitsbeteiligung an Servicegesellschaft 159 Mengenausweitung 106 Mengenkontrolle 54 Mengensteuerung 40 Mentoren 55 Messkriterien für operative Effizienz 145 Messung des Servicegrads 40 Messung nicht klinischer Dienstleistungen 145 Mindestbesetzungsproblematik 166, 169 Mindestfallzahlen 169, 176 Mindestmengenkatalog 168 Mindestmengenregelungen 130 Mindestmengenvereinbarung 166, 167, 168, 174 Mischfinanzierung (Notaufnahme) 93 Mitarbeiterzufriedenheit 49, 116 Mittelfristplanung 35 Monopolkommission 187 Mortalität 118 Mortalitäts-/Morbiditätskonferenzen 117, 120 MRT-Geräte 86 Muda 51 Multimorbidität von Patienten 177 Multi-Specialty-Klinik 176 Myokardinfarkt 11 N
Nachbehandlung 13 Nachfrage nach Krankenhausleistungen 133 Nachkontrolle 137 Nachsorgetermin 11 NAFA® 135 National Health Service 210 Neonatologie 179 Neuausrichtung der Radiologie, ablauforganisatorische 85 Neurochirurgie 58 NGG-Bereich/-Betriebe 146, 147 Nierenfunktionsstörungen 11 Normalstation 78, 83
Sachverzeichnis
Normkosten 19, 31, 32 -Benchmarking 30 -Kalkulationsmatrix 31 -vergleiche 31 Notaufnahme 9, 13 Notaufnahme (Rettungsstelle) 78, 83, 90 O
OE-Ansätze 149 Reinigung/Hygiene 155 Speiseversorgung 149 Textil und Wäscherei 153 OE-Programme 162 OE-Prozess (Einzelschritt) 148 OECD Health Data 3, 4 OECD-Vergleichsländer 3, 5 Ökonomie 125 OnkoZert 110 Online-Bestellung (Speiseversorgung) 152 OP-Aufkommen 71 OP-Bereich 64 OP-Betrieb 64, 71, 73 OP-Betriebszeiten 71 Operation ambulante 195, 203 kosmetische 11 operative Exzellenz (OE) 148 OP-Management, gesamtverantwortliches 70 OP-Manager 72 OP-Planung 64 OPS 53 OP-Saal 64, 65, 66, 67 OP-Schleuse 64, 74 OP-Standardkarten 120 OP-Standards 67, 69 OP-Statut 71 OP-Steuerungsgruppe 72 OP-Termin 64, 67 Optimierung der Patienten- und Einweiserzufriedenheit 52 OP-Wäsche 154 Organisation nach Berufsgruppen 28 Organisationsstruktur, offene 38 Organsysteme 177 Ottawa Ankle Rules 85 Outputqualität 12 Output-Werte 46 Outsourcing 102 Outsourcing, komplettes 103 Outsourcing nicht klinischer Dienstleistungen 159 Outsourcing-Partner 158, 161, 162
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Outsourcing-Verträge 161, 162 Outsourcing von Leistungsumfängen und Leistungstiefe 160 P
Parkinsonklinik, Bad Nauheim 177 Patienten elektive 65, 84, 170 somatische 27 Patientenakte 74 Patientenaufkommen 94, 98 Patientenbedürfnisse 132 Patientenbefragungen 10, 122 Patientenbewertungen 14 Patientenhistorie 79 Patientenidentifikation 117, 120 Patientenmanager 59 Patienten mit Herzrhythmusstörungen 77 Patienten mit Leber-, Nieren- oder Stammzelltransplantation 174 Patientenselbsthilfegruppen 114 Patientensicherheit 116, 117, 119, 120, 121, 126, 127 Patientensteuerung 209 Patientenstrom 74, 79, 133 Patientenüberwachung rund um die Uhr 78 Patientenversorgung 109 Patientenverweildauer 172 Patientenzufriedenheit 53, 85, 88, 99, 113, 118, 119, 121, 122, 127, 152 Perinatalzentrum 168 Personalabbau 49 Personalbemessung 34 Personalgestellung 158 Personalkosten 30, 38 Personalkosten je Patient 76 Personalmix 158 Personalproduktivität 6, 30 Pfadabweichungen (Varianzen) 58 Pfad-Datenbanken 55 Pfaddefinition/-entwicklung 52, 54, 61 Pfade papierlose 61 sektorübergreifende 57 transsektorale 61 vertiefte 61 Pfadetablierung 56, 58 Pfad-Grobkonzepte 55 Pfadteam 53, 57 Pflegedienst 80 Pflegeleitung 53 Pflegepersonal 6, 7
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Sachverzeichnis
Pflegeschlüssel 80 Pflegestation 65 Place 130, 131 Planungsbereich gesperrter 198 nicht beschränkter 198 Pneumologie 179 Point of Care-Methoden 100 Point of Care-Technologien 104 Polioepidemie (Kopenhagen) 75 Polytrauma 53 Positionierung, klare 137 Prämedikation 67, 74 Preisliste, prospektive 162 Preiswettbewerb 131 Price 130 Prinzip der Balanced Scorecard 45 Prinzip vollständiger Autarkie 165 Priorisierung der Aktivitäten 132 Privatisierungen Teilprivatisierung des LBK Hamburg 181 Verkauf des Universitätskrankenhauses Marburg-Gießen 181 Privatisierungswelle 2, 181 Problemlösungs-Workshops 123 Product 130, 131 Produktivitätskennziffern für nicht klinische Dienste 146 Profit-Center 19, 28, 38, 41, 80, 85 Projektorganisation 53 Pro-Kopf-Quote 3 Promotion 130, 131 Protokolle (Radiologie) 87 Prozesse (Pfade), evidenzbasierte 49 Prozessqualität 11, 13, 29, 56, 110, 119, 145 Prozesssteuerung, ganzheitliche 66 PTCA 169 Q
Qualität 109, 112, 113, 116, 121, 122, 124, 125, 126, 127 der Leistungserbringung 131 der nicht klinischen Dienstleistungen 143 des Gesundheitssystems 9 klinische 119, 120 stationärer Behandlung 85 Qualitätsbegriff 116 Qualitätsberichte v, 21, 30, 111, 131 Qualitätsberichterstattung 12 Qualitätschampions 123 Qualitätscontrolling 116, 124 Qualitätsdaten 111, 117, 118, 125, 126 Qualitätsdatenbanken, internetbasierte 112 Qualitätsindikatoren 12, 111, 113
Qualitätsinitiativen 110, 117, 127 Qualitätsinstitut 113 Qualitätskommunikation 125 Qualitätskrankenhaus 122, 123, 127 Qualitätskultur 116, 119, 123, 127 Qualitätsmanagement 40, 109, 116, 117, 119, 123, 124, 125, 126, 127 Qualitätsmanager 125 Qualitätsmessung/-sicherung 117 Qualitätsmessung/-steuerung 110, 113 Qualitätsniveau 8 Qualitätsparameter 21, 112, 114, 125 Qualitätssicherung 110, 111, 117, 119, 127, 141 Qualitätsstandards 110, 113 Qualitätsverfall 116 Qualitätswahrnehmung 119, 122 Qualitätswerte 115, 116 Qualitätswettbewerb 112
R
Radiologie 37, 52, 57, 83, 84, 85 Radiologie-Informationssystem (RIS) 86, 88 Radiologie-Personalkosten 89 Rankinglisten 132 Ranking-Provider 126 Rankings 113 Raumklassen definiert nach Reinigungsintensität, -frequenzen 156 Reduzierung des Dokumentationsaufwands 52 Regelversorgung 171 Regenerierung 152 Reinigung 7, 33, 37, 143, 144, 146, 147 Reintervention 115 Reinterventionsrate 13 Rekonfiguration des Geräteparks 87 Ressourceneinsatz 49, 56 Ressourcenzuteilung 28 Revisionen 11 Rheumatologie 179 Rheumazentrum, Bad Bramstedt 177 Richtwertkataloge 34 Rolle der Geschäftsführung 41 Rolle des Generalunternehmers 160 Rollenverständnis von Ärzten und Pflegern 75 Routineanalysen, zeitkritische 101 Rückzugs des Landes und der Kommunen aus der Investitionsfinanzierung 185
S
Saalkontingente (OP) 69 Sachbedarf, medizinischer 40, 57 Säulenzeiten 68
Sachverzeichnis
Schichtplan 80 Schließung von Stationen, temporäre 170 Schmerzkontrolle 14 Schnitt-Naht-Zeiten 66, 69 Schnittstellen 46 -management 37, 55 -probleme 55, 63 Schwachstellen im Klinikbetrieb 121 Schwellenwerte für Mindestmengen 174 Schweregrad der Erkrankung 77 Schwerpunkte, perinatale 168 Schwerpunktversorgung 171 Scoring-Systeme 95 Segmente 136 Selbsthilfegruppen 22, 140 Serienlänge 106 Servicegesellschaft 158 Serviceleistungen 7 Servicelevel 145, 156, 162 Service Level Agreements 161 Serviceline-Modell 42 Serviceniveau 10 Service Provider, externe 159 Servicequalität 75, 94, 156 Service- und Supportleistungen, patientenund besuchernahe 143 Sicherheitsdienste 143 Silodenken 49 Six-Sigma-Konzept 123 Skalen- und Verbundvorteile bei nicht klinischen Dienstleistungen 157 Soll-Zeitwerte 34 Sous Vide-Gerichte 151 Sous Vide-Produktangebot 152 Sous Vide-Verfahren 150 Spartenorganisation 42 Spartenverantwortlichen 42 Specialty-Klinik 176 Speiseversorgung 7, 33, 42, 143 Speiseversorgung/Catering 143, 144, 146, 147 Spezialisierungsgrad von Krankenhäusern 171 Springermodell 70 Sprunggelenksaufnahmen 85 Standardindikationen 116 Standardindikatoren 114 State of the Art-Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften 209 Stationen, interdisziplinäre 169, 171 Stationsauslastungen 46 Stationskonzepte, alternative 170 Stations- und Flachwäsche 154
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Stellung, einzelmarktbeherrschende 187 Sterblichkeitsrate, auch Mortalitätsrate 11 Steuerrecht 101 Steuerung der Qualitätsprozesse 40 Steuerung des Behandlungsprozesses 52 Steuerungsgröße 12 Strahlenemission von Geräten 90 Streitfall/Entscheidungsfall 37 Stroke Units 172 Strukturqualität 55, 119, 120 Subkontraktoren 160 Suche nach Outsourcing-Partnern 160 Survey of Sicker Adults 9 Synergieeffekte 184 Systemunterlagen/sonstige Hilfsmittel 154 Systemunterstützung 52, 57 Systemwandel hin zur transsektoralen Versorgung 211
T
Tarife für Gebäudereiniger und Hausmeister 156 Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (TVöD) 147 Team-Building-Events 124 Teams, interdisziplinär besetzte 49 Telemedizin fürs Herz 210 Telemedizinische Projekt zur integrierten Schlaganfallversorgung (TEMPiSProjekt) 172 Telemetriesysteme, flexible 78 Therapie, postoperative 169 Thoraxdiagnostik 84 Thrombolysetherapie 172 Transparenzkultur 117, 118 Transport- und Logistikaufwand 51 Transport- und Logistikdienstleistungen 143 Trauma- oder Schlaganfallpatienten 172 Treiberbaum 46 Trennung der operativen von der wirtschaftlichen Verantwortung 36 Trennung nach Mengen- und Preiseffekten 39 Trennung von Intensivstation und Intermediate-Care-Station 82 Trennung von operativer und ökonomischer Verantwortung 37 Trennung von Routine- und Notfalluntersuchungen 86 Triage-Richtlinien 95 Triage-Systeme 95 Tumordiagnosen 176 Tumorkonferenzen 120 Turnaround-Situationen 148
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Sachverzeichnis
Typen von Notaufnahmen Fachspezifische Notaufnahmen 92 Interdisziplinäre Notaufnahme 92 Klinisch integrierte Notaufnahme 93 Zentrale Aufnahme- und Diagnostikabteilung 93 U
Überlastung der Leitungsfunktionen 37 Überstunden 71 Übertragung von Gesellschaftsanteilen 189 Überwindung der sektoralen Trennung 211 Umlagenschlüssel 39 Umsatzrendite 23, 29, 33 umsatzsteuerliche Organschaft 158 Umstellung auf Sous Vide-Essen 151 Universitätsklinik 19 Unterbringungs-/Betreuungsqualität 137 Unternehmen Gesundheit Oberpfalz Mitte (UGOM) 211 Unterschriftenregelung, einheitliche 87 Unterstützungsfunktionen 37 V
Verbesserung der medizinischen Behandlungsqualität 52 Verbesserungen durch OE, kontinuierliche 149 Verbesserungspotenziale (OEProgramme) 148 Verbrauchsmaterial, klinisches 37 Verbundeffekte 86 Verbundeffekte bei der Patientenbetreuung 169 Verbünde, lokal oder regional 165 Verbundstrukturen, regionale 182 Verbundstrukturen, überregionale 181, 185 Verdrängungswettbewerb v, 32 Vereinheitlichung der IT-Infrastruktur 210 Vergaberecht 101 Vergleichskrankenhäuser 2 Vergütung der Laborleistungen 106 Vergütung für Raumpflege- und Wartungsleistungen 156 Vergütungs-/Anreizstrukturen für Mitarbeiter Reinigung/Hygiene 156 Textilversorgung/Wäscherei 155 TVöD-bedingt 158 Vergütungsmodelle, qualitätsabhängige 112 Verhältnis von Beköstigungs- zu Behandlungstagen 152 Verrechnungslogik 34 Verrechnungspreis, interner 85
Verrichtungen 34 Versorgung ambulante 14 integrierte 24 populationsbasierte 206 Versorgungsformen, besondere 171 Versorgungskonzepte (Speiseversorgung) 151 Versorgungskriterien, verbindliche 167 Versorgungsleistungen 5 Versorgungspfade, klinische 50 Versorgungsqualität 1, 12 Versorgungsstrukturen, abgestufte 184 Versorgungszentren, medizinische 194 Versorgung, transsektorale 193 Verträge zur Integrierten Versorgung 196 Vertragsarztrechtsänderungsgesetz 205 Vertragsmanagement und -controlling 156, 161 Verwaltung/Administration 6, 49 Verweildauer 4, 42 Verweildauer, durchschnittliche 54, 56, 57, 58, 59, 74, 84, 86, 94 Verweildauer, präoperative 59 Verweildaueranalyse 77 Verweildauerentwicklung 54 Vision einer Integrierten Versorgung 194 Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH, Berlin 59, 183 Vollzeitkraft 8 Vollzeitkräfte je Intensivpflegebett/ Intensivstation 80 W
Wahl der richtigen Betriebsform 156 Wahlfreiheit 9 Wartezeiten 10, 51, 57, 86, 98 Wartung und Sterilisation von Anlagen/ Geräten 143 Wäsche 7, 33, 37 Weg zu einer transsektoralen ITPlattform 210 Weisse Liste 113, 122 Weiterbetreuung, kontinuierliche 137 Wettbewerb um Patienten 19, 38, 129, 130 Wettbewerb um Qualität 118 whistle blowing 124 Wiederaufnahme stationäre 13 ungeplante 11 Wirtschaftlichkeit 1, 3, 19, 21, 23, 27, 36, 101 Wirtschaftlichkeitszwänge 49
Sachverzeichnis
Wirtschaftsplan 29, 35 Workflow-Management 63 Z
Zahlungen 9 Zentrale 41 Zentralisierung der Einkaufsfunktion 186 Zentralisierung der Speisenproduktion und -verteilung 152 Zentren für geriatrische Patienten 179 Zentren für Kinder 178 Zentren, geriatrische 177 Zertifizierungssysteme 113 Ziele 28 Zielerreichung 28
237
Zielparameter 29 Zielsetzung 28 Zielvereinbarungen 28 Zielvereinbarungsgespräche 35 Zielvorgaben 33, 35 Zugänglichkeit 1, 8 Zugangswege 133 Zusammenarbeit mit den Notarztdiensten 98 Zusammenlegung von Abteilungen 56 Zusatzleistungen 133 Zuständigkeit für Erstdiagnose 91 Zuzahlungen 9 Zuzahlungsbefreiung 9