Helmut V. Fuchs Schallabsorber und Schalldämpfer
Helmut V. Fuchs
Schallabsorber und Schalldämpfer Innovative akustische Konzepte und Bauteile mit praktischen Anwendungen in konkreten Beispielen 2., wesentlich erweiterte und bearbeitete Auflage
Mit 375 Abbildungen und 24 Tabellen
123
Prof. Dr.-Ing. Helmut V. Fuchs Mühlweg 39/1 71093 Weil im Schönbuch
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ISBN-10 3-540-35493-X Springer Berlin Heidelberg New York ISBN-13 978-3-540-35493-2 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN-10
3-540-40330-2 1. Aufl. Springer Berlin Heidelberg New York
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Vorwort
Geräusch-Emissionen sind eine lästige Randerscheinung fast aller technischen Errungenschaften des Menschen. Lärmbekämpfung an Maschinen und Anlagen gehört deshalb zu den notwendigen Übeln, denen man sich als Hersteller oder Verursacher zu widmen hat. Da Geräuscharmut aber nicht zu den hervorstechendsten Qualitätsmerkmalen eines Gerätes gehört, verursachen schalltechnische Maßnahmen zwar häufig erhebliche Kosten, bringen jedoch nur selten entsprechenden Mehrerlös. Auch bei der bauund raumakustischen Gestaltung von Gebäuden sehen Architekten und Bauherren nur selten einen triftigen Grund für planerische Zugeständnisse oder auch nur geringfügigen Mehraufwand. Entsprechend gering ist daher i. A. die Wertschätzung derjenigen Ingenieure, die sich mit der Minderung des Lärms oder der Erhöhung der akustischen Behaglichkeit in den verschiedenen Lebensbereichen beschäftigen. Die Akustik gilt gerade dort als brotlose Kunst, wo sie wissenschaftlich an vorderster Front betrieben wird. Besonders wenn sie, wie in vielen neuen Fakultäten der Hochschulen, als eine der ausgesprochen unproduktiven Fachdisziplinen des Umweltschutzes auftritt, wird sie von manchen als gerade noch förderungswürdig, von den meisten aber als entbehrlich angesehen. Nur wenige vermuten hier ein Arbeitsfeld für umwälzende Innovationen oder gar lukrative neue Produkte. Es mag daher verwundern, daß sich eine Abteilung für technische Akustik und Raumakustik des Fraunhofer IBP überwiegend nicht mit öffentlicher, sondern mit privater Unterstützung über 25 Jahre aufbauen ließ. Dies wurde möglich, weil man sich nicht damit begnügte, ein akustisches Problem einer wissenschaftlichen Klärung näher zu bringen,durch Analysen und Versuchsreihen eine grundsätzliche Lösung aufzuzeigen, im Labor einen Prototypen auf die Beine zu stellen und beim Patentamt etwas anzumelden, es im Übrigen aber bei eindrucksvollen Veröffentlichungen in der einen oder anderen Form zu belassen, so als wäre es Sache anderer, vielleicht weniger ingeniöser Techniker, die neuen Erkenntnisse als Produkt auf dem Markt praktisch umzusetzen. Nach diesem von Akustikern weltweit favorisierten Modell B (Tabelle 1) landen unzählige „Halbfabrikate“ in Zeitschriften und Büchern wie in einem Museum für unerschwingliche Preziosen oder auf einer Deponie für unverkäufliche Kuriositäten.
VI
Vorwort
Nützlicher können sich Akustiker für Wirtschaft und Industrie machen, wenn sie ihre Fachkompetenz nach Modell A als diverse Dienstleistungen prüfend, beratend und anderweitig unterstützend bei Bedarf und nach Aufwand dem jeweiligen Marktteilnehmer anzubieten verstehen. Zu einer echten Kooperation zwischen Forschung und Entwicklung kommt es auf diesem Wege aber ebenso wenig wie zur wirklichen Beteiligung an einem Markterfolg. Dagegen favorisiert eine Gruppe von über 20 Wissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern des IBP das Modell C gemäß Tabelle 1. Man greift akute schalltechnische Probleme von einiger Relevanz und Tragweite auf und erarbeitet innovative Werkzeuge und Materialien zu ihrer Lösung. Erst mit einem exemplarischen Prototyp und demonstrativen Umsetzungs-Projekten sucht man sich den dazu passenden Industrie-Partner und schließt mit ihm einen langfristigen Lizenz-, Know-how- und Kooperations-Vertrag ab. Nach dem Modell C sind so bereits 14 Alternative Faserfreie Absorber ALFA nach Abb. 1 bis zur Serienreife entwickelt worden. Die neuartigen Schallabsorber und Schalldämpfer erfüllen offenbar einen dringlichen Bedarf in einem Markt, der überwiegend von Materialen und Bauteilen beherrscht wird, deren Konzeption bereits 40 bis 50 Jahre alt ist. Jedenfalls konnte mit ihrer Hilfe, auch in Zeiten leerer öffentlicher Kassen und eines danieder liegenden Baumarktes, einiges zur Bekämpfung der viel beklagten Lärmbelastung des Menschen erreicht und mehr als 10 kleinen und mittleren Unternehmen eine neue oder zusätzliche Operationsbasis geschaffen werden. Nach 3 öffentlichen ALFA-Kolloquien in Stuttgart [2–4] und einer ersten Plattform Innovative Akustik PIA in Beijing [5] wurden auch schon erste Schritte zur Globalisierung dieser Allianz getan [6–11]. Einer raschen Umsetzung der Innovationen standen allerdings geltende Normen und Richtlinien als Abbildung der konventionellen Technologien, aber auch vorherrschende Lehrmeinungen im Wege. Auch wurden, für manchen Fachmann wohl abschreckend, die Neuerungen oft wie etwas den überkommenen faserigen/porösen Schallabsorbern Entgegengesetztes publiziert. Eine zusammenhängende Darstellung aller schalldämpfenden Prinzipien und Erzeugnisse mit ihren jeweiligen Anwendungsvorteilen fehlte dagegen bisher. Sie wurde erst in der 3. Auflage des Taschenbuches der Technischen Akustik [12] und in einem 6-teiligen Repetitorium in der Zeitschrift Bauphysik [13] nachgeholt. Eine besonders schnelle Umsetzung in die industrielle Praxis gelang mit neuartigen, hoch absorbierenden Auskleidungen für Akustik-Prüfstände in vielen Forschungs- und Entwicklungslabors der Automobil-Hersteller und -Zulieferer. Das kam nicht überraschend – arbeiten doch hier bei weitem die meisten Akustiker, und zwar unter großer Wertschätzung des Managements, weil Lärmminderung und akustischer Komfort (auch unter dem
Vorwort
VII
Begriff „sound design“) in der Kraftfahrzeug-Branche tatsächlich einen sehr hohen Stellenwert besitzt. In der 1. Auflage dieses Werkes standen daher schon die Verbundplatten-Resonatoren und Breitband-Kompaktabsorber und ihre Integration in reflexionsarmen Messräumen im Vordergrund. Ihre außerordentliche Wirksamkeit – bei geringster Bautiefe – brachte sie aber auch in kommunikationsintensiv genutzten Räumen wie z. B. Büros, Schulen und Musizierräumen immer mehr zum Einsatz. In dieser 2. Auflage wurden deshalb der Grundlagenteil vor allem um die große Familie der Mikroperforierten Absorber ergänzt und ein neuer Anwendungsteil Innovative Raum-Akustik als Kap. 11 hinzugefügt. Aber auch im Bereich der Schalldämpfer haben sich – wiederum in enger Kooperation mit kompetenten Industriepartnern – besonders zur Verbesserung ihrer Wirksamkeit bei tiefen Frequenzen und ihrer Beständigkeit gegenüber aggressiven oder stark verschmutzenden Fluiden viel versprechende Alternativen entwickeln lassen. So wurden im Grundlagenteil die Ausführungen über Platten-Resonatoren erweitert und zwei Kapitel über Interferenz-Dämpfer bzw. Aktive Resonatoren eingefügt. In einem dritten Anwendungsteil (Kap. 13) geht es u. A. um Energie sparende und Kosten senkende Kanal-Auskleidungen in raumlufttechnischen (RLT) und prozesslufttechnischen (PLT) Anlagen. Entsprechend den Ergänzungen zur 2. Auflage ist der Kreis derer gewachsen, denen der Autor für ihre jahrelange Unterstützung im Fraunhofer IBP zu danken hat. Für die Gruppe „Raumakustik“ sei hier stellvertretend deren jetziger Leiter Horst Drotleff (in der Nachfolge von Frau Zha Xueqin) genannt. Als Leiter der Gruppe „Schalldämpfer“ haben im IBP nacheinander Ulrich Ackermann, Dietmar Eckoldt und Peter Brandstätt wesentlich zur Entwicklung und Umsetzung neuer Konzepte und Produkte beigetragen. Philip Leistner, der als Leiter der Gruppe „Signalverarbeitung“ die Familie der Aktiven Schalldämpfer bis zur Anwendung in Geräten und Anlagen betreut hat, ist wie allen ehemaligen Mitarbeitern zu danken und zu wünschen, dass sie den Nährboden für fruchtbare Innovationen in der Akustik noch vertiefen und die Industrie-Kooperationen erfolgreich weiterführen können. Dass dieses Werk dem Verlag (fast) druckfertig übergeben werden kann, verdankt der Autor der Unterstützung durch Frau Magdalena Niewrzoll. Was noch zu korrigieren war, besorgte Frau Monika Riepl vorbildlich. Weil im Schönbuch, Mai 2006
Helmut Fuchs
VIII Vorwort
Abb. 1. Alternative Faserfreie Absorber ALFA für die Raumakustik und den Technischen Schallschutz [7]
Vorwort
IX
Tabelle 1. Wege zur Umsetzung von Innovationen aus der Forschung in den Markt mit Industriepartnern über Dienstleistungen (DL) und Lizenz-, Know-how- und Kooperationsverträge (LV) [1]
Inhaltsverzeichnis
1
Einführung ................................................................................... 1
2
Problemschwerpunkt tiefe Frequenzen....................................... 5
3
Schallabsorption für den Lärmschutz und die raumakustische Gestaltung .......................................... 3.1 Verhinderung schädlicher Reflexionen ............................... 3.2 Raumakustische Gestaltung................................................ 3.3 Pegelsenkung im Raum ...................................................... 3.4 Vermeidung des Lombard-Effektes .................................... 3.5 Herstellung akustischer Transparenz................................... 3.6 Konditionierung akustischer Messräume ............................ 3.7 Schutz gegenüber Außenlärm............................................. 3.8 Schalldämpfer in Strömungskanälen................................... 3.9 Kapselung von Maschinen und Anlagen ............................. 3.10 Abschirmung ruhiger gegen laute Bereiche.........................
15 17 18 19 20 21 22 23 25 26 27
4
Passive Absorber ........................................................................ 4.1 Faserige Materialien........................................................... 4.2 Offenporige Schaumstoffe.................................................. 4.3 Geblähte Baustoffe.............................................................
29 32 35 38
5
Platten-Resonatoren................................................................... 5.1 Folien-Absorber ................................................................. 5.2 Platten-Schwinger .............................................................. 5.3 Verbundplatten-Resonatoren ..............................................
41 42 48 50
6
Helmholtz-Resonatoren ............................................................. 6.1 Lochflächen-Absorber........................................................ 6.2 Schlitzförmige Absorber..................................................... 6.3 Membran-Absorber ............................................................
63 63 66 72
XII Inhaltsverzeichnis
7
Interferenz-Dämpfer .................................................................. 7.1 O/4-Resonatoren ................................................................. 7.2 O/2-Resonatoren ................................................................. 7.3 Rohr-Schalldämpfer ...........................................................
77 78 81 81
8
Absorber mit aktiven Komponenten ......................................... 8.1 Masse-Feder-Systeme ........................................................ 8.2 Abzweig-Resonatoren ........................................................ 8.3 Moden-Dämpfer.................................................................
87 88 95 98
9
Mikroperforierte Absorber...................................................... 9.1 MPA-Platten .................................................................... 9.2 MPA-Folien ..................................................................... 9.3 MPA-Flächengebilde .......................................................
103 108 115 119
10
Hochintegrierte Schallabsorber............................................... 10.1 Breitband-Kompaktabsorber............................................. 10.2 Reflexionsarme Raumauskleidungen ................................ 10.3 Dämpfende Schornstein-Innenzüge ..................................
125 128 132 134
11
Innovative Raum-Akustik........................................................ 11.1 Kriterien für die Hörsamkeit von Räumen ........................ 11.1.1 Größe des Raumes............................................... 11.1.2 Grobstruktur des Raumes..................................... 11.1.3 Feinstruktur des Raumes...................................... 11.1.4 Nachhall im Raum............................................... 11.1.5 Störpegel im Raum.............................................. 11.1.6 Pegelverteilung im Raum..................................... 11.1.7 Impulsantwort des Raumes .................................. 11.1.8 Klarheits-Maß ..................................................... 11.1.9 Deutlichkeits-Maß............................................... 11.1.10 Schwerpunkts-Zeit .............................................. 11.1.11 Seitenschall-Maß................................................. 11.2 Sprachverständlichkeit ..................................................... 11.2.1 Späte Reflexionen ............................................... 11.2.2 Nachhall.............................................................. 11.2.3 Störabstand.......................................................... 11.2.4 Frequenzbegrenzung............................................ 11.3 Verdeckung hoher durch tiefe Frequenzanteile ................. 11.4 Raumakustische Anforderungen nach DIN 18 041............ 11.5 Auflösung eines raumakustischen Dilemmas in Kommunikationsräumen ..............................................
139 141 142 145 146 147 150 152 154 156 156 157 157 158 161 162 164 166 167 173 182
Inhaltsverzeichnis XIII
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik ............. 11.6.1 Anspruchsvolle Versammlungsstätten.................. a) Speisesäle...................................................... b) Plenarsäle...................................................... c) „Forum“ im Office Innovation Center............ d) „Schlüterhof“ im Deutschen Historischen Museum ........................................................ e) Tagungsräume im Wirtschaftsministerium..... f) Mehrzweckräume in der neuen Akademie der Künste..................................................... 11.6.2 Sport- und Freizeithallen ..................................... a) „Vicemoos“ Sporthalle .................................. b) Erlebnisbad „Die Welle“ ............................... 11.6.3 Konferenz- und Schulungsräume ......................... a) Besprechungszimmer..................................... b) „Medienraum“ im Office Innovation Center .. c) Glaskabinen................................................... d) Mehrzwecksäle.............................................. e) Schulungszentrum in ehemaliger Fabrikhalle .................................................... 11.6.4 Offene Büro-Landschaften................................... 11.6.5 Musiker-Arbeitsräume......................................... a) Schlagzeug-Unterrichtsraum der Musikschule Waldenbuch.............................. b) Schlagzeug-Konzert im Musiksaal der Akademie des Schlosses Solitude Stuttgart .... c) Orchestergräben ............................................ d) Orchester-Probensäle..................................... e) Andere Probenräume ..................................... 11.6.6 Großes Haus des Staatstheaters Mainz ................. a) Das akustische Konzept ................................. b) Notwendige Grobanpassungen....................... c) Schall lenkende Maßnahmen ......................... d) Schall absorbierende Maßnahmen.................. e) Konzertnutzung ............................................. f) Ergebnisse und Beurteilung ........................... 11.6.7 Tonstudios........................................................... a) Mehrkanal-Vorführraum auf der Tonmeistertagung 1992 ................................. b) Aufnahme- und Übertragungswagen.............. c) Mehrkanal-Abhörraum .................................. d) Hörraum im Büroformat ................................
190 190 190 193 196 199 201 204 208 208 211 217 219 220 221 225 229 231 239 243 244 246 258 266 267 268 270 273 277 282 282 287 289 291 293 299
XIV Inhaltsverzeichnis
e) Tonbearbeitungsräume .................................. 304 f) Produktionsstudios ........................................ 305 11.6.8 Akustische Messräume ........................................ 310 12
Innovative Akustik-Prüfstände................................................ 12.1 Stand der Technik bei reflexionsarmen Räumen ............... 12.2 Quellen des Lärms von Kraftfahrzeugen........................... 12.3 Konventionelle Werkzeuge und Materialien für Freifeld-Räume........................................................... 12.4 Alternative Auslegungs-Konzepte .................................... 12.5 Drei aktuelle ALFA-Bausteine für reflexionsarme Räume.............................................................................. 12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik ...................................................................... 12.6.1 BMW Motor-Akustik-Prüfstand in München ....... 12.6.2 Audi Aeroakustik-Windkanal in Ingolstadt .......... 12.6.3 Mercedes Technik-Zentrum in Sindelfingen ........ 12.6.4 Volkswagen Akustik-Zentrum in Wolfsburg........ a) Außengeräusch-Messhalle ............................. b) Rollen-Prüfstände.......................................... c) Motoren- und Aggregate-Prüfstände .............. d) Fenster-Prüfstand .......................................... e) Hör-Studio .................................................... f) Erfahrungen aus einem anspruchsvollen Projekt........................................................... 12.6.5 DaimlerChrysler Windkanal in Auburn Hills ....... 12.6.6 PSA Renault-Windkanal in St.-Cyr-L’Ecole ........ 12.6.7 Erfahrungen aus dem chinesischen Markt ............ a) Freifeldraum bei der Shanghai Academy of Public Measurement .................................. b) Halbfreifeldraum in Shanghai Academy of Public Measurement .................................. c) Aggregate-Prüfstand bei PAN-ASIA Automobiles in Shanghai............................... d) Messkabine für NOKIA in Beijing................. e) Messkabine für MOTOROLA in Beijing ....... f) Vorbeifahrt-Prüfstand an der Tongji University Shanghai ...................................... 12.7 Rück- und Ausblick auf Akustik-Prüfstände .....................
319 321 323 324 329 344 351 351 361 365 371 375 380 385 391 395 398 408 418 425 426 427 428 428 429 429 431
Inhaltsverzeichnis XV
13
Innovative Kanal-Auskleidungen ............................................ 13.1 Geometrische Parameter von Schalldämpfern ................... 13.2 Abschätzung der Dämpfung ............................................. 13.2.1 Wahl von Kulissendicke und -spalt...................... 13.2.2 Einfluss der Strömung ......................................... 13.2.3 Einfluss der Temperatur ...................................... 13.2.4 Reflexionsdämpfung............................................ 13.2.5 Berücksichtigung von Abdeckungen.................... 13.2.6 Beeinträchtigungen durch Nebenwege ................. 13.2.7 Dämpfung höherer Moden................................... 13.3 Abschätzung des Eigengeräuschs ..................................... 13.4 Abschätzung der Druckverluste ........................................ 13.5 Messungen an Schalldämpfern ......................................... 13.5.1 Einfügungsdämpfung .......................................... 13.5.2 Durchgangsdämpfung.......................................... 13.5.3 Ausbreitungsdämpfung........................................ 13.5.4 Immissionswirksame Dämpfung.......................... 13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen .. 13.6.1 Membran-Absorber für Bewetterungsanlagen ...... 13.6.2 Membran-Absorber in Rauchgas-Reinigungsanlagen .............................. 13.6.3 Alternative Dämpfer-Technologien für Vakuumanlagen an Papiermaschinen ................... 13.6.4 Schalldämpfer in der Abluft von Mineralfaser-Produktionsanlagen ........................ 13.6.5 Schalldämpfer für die Nassentstaubung in einer Düngemittel-Fabrik................................. 13.6.6 Reinigbare Rohr-Schalldämpfer für mit Staub beladene Abluft ................................................... 13.6.7 Schalldämpfer in Heizungsanlagen ...................... 13.6.8 Aktive Schalldämpfer in Raumklimageräten ........ 13.7 Rück- und Ausblick auf Schall dämpfende Maßnahmen ...
435 437 439 444 446 446 447 448 449 450 451 452 456 465 467 467 469 473 474 475 480 486 499 502 504 508 510
Nachwort ........................................................................................... 517 Literatur............................................................................................ 519 Sachverzeichnis ................................................................................. 537
1 Einführung
Die Lärmbelastung des Menschen steigt kontinuierlich an. Besonders der Verkehrslärm nimmt, auch in den bereits hoch entwickelten Ländern, um 0.2 bis 0.3 dB(A) pro Jahr zu, obgleich strengere Anforderungen die Emissions-Pegel LW von Pkw, Krafträdern bzw. Lkw in Europa in den vergangenen 20 Jahren im Mittel um etwa 6, 9 bzw. 12 dB(A) gesenkt haben. Die entscheidenden Immissions-Pegel
L
LW 'L 10 lg n
(1.1)
wachsen vor allem wegen des zunehmenden Verkehrsaufkommens in einem immer dichteren Straßennetz. Ähnlich hat sich die Geräuschbelastung durch den Fluglärm entwickelt: Erfolge bei der Lärmminderung ('L in Gl. (1.1)) an einzelnen technischen Schallquellen (LW) werden weltweit mehr als kompensiert durch die Zunahme ihrer Menge (n), die gleichzeitig oder in zeitlicher Folge auf die Betroffenen in ihrer Umgebung einwirken. Nach Veröffentlichungen des Umweltbundesamtes (siehe z. B. [14]) hat sich der Anteil durch Lärm Gestörter in Deutschland von 30% im Jahre 1965 bis heute auf ca. 70% mehr als verdoppelt. Dabei stieg der Anteil des Straßenverkehrs als Hauptverursacher zwischen 1988 (s. Abb. 1.1) und 2002 von 55 auf ca. 65%, derjenige des Flugverkehrs von 37 auf nahe 40%
Abb. 1.1. Prozentsatz der deutschen Bevölkerung, der durch verschiedene Lärmquellen gestört wird [14]
2
1 Einführung
und derjenige des Schienenverkehrs von 17 auf über 20%, mit generell weiter steigender Tendenz. Dabei unterliegen fast alle relevanten Geräuscherzeuger, dank nationaler und internationaler Richtlinien und Gesetze, einer strengen Emissionskontrolle. Sie ist vielfach wichtiger Bestandteil der Marktzulassung eines jeden neuen Gerätes. Außerdem legt ein wachsender Anteil der Käufer und Nutzer Wert auf Komfort, auch auf akustischen. Da es aber erfahrungsgemäß leichter fällt, die regelmäßig nur A-bewerteten Emissions-Grenzwerte durch lärmmindernde Maßnahmen an der Quelle bei höheren Frequenzen zu erreichen, hat sich das Spektrum fast aller technischen Lärmquellen aber tendenziell zu tieferen Frequenzen verschoben, bei denen schalltechnische Sekundär-Maßnahmen und solche auf dem Ausbreitungsweg ('L in Gl. (1.1)) grundsätzlich weniger wirksam sind als bei hohen Frequenzen. Auch der Freizeit- und Nachbarschaftslärm hat sich, dank immer leistungsfähigerer elektroakustischer Anlagen daheim, im Auto und im Freien, besonders im Bassbereich erheblich verstärkt. Dieser Trend wird sich in Anbetracht der Hörgewohnheiten der jüngeren Menschen und der Zunahme des Anteils der Schwerhörigen (in Deutschland z. Zt. 20%) fortsetzen. Die besonders lärmbelasteten Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe, insbesondere der metallverarbeitenden Industrie, nehmen zwar ab. An den neu entstehenden im Dienstleistungs-Gewerbe ist indessen, gerade in den kommunikationsintensiven und sozialen Berufen mit höchster geistiger Qualifikation, ein bisher wenig beachtetes neues Lärmproblem mit beträchtlichen Ausmaßen entstanden. In Büros, Besprechungsräumen und Dienstleistungszentren, aber ebenso in Klassenzimmern sowie in Sportund Freizeitbereichen, Restaurants und Bars hat die Lärmbelastung infolge einer deutlich geänderten Kommunikation (z. B. über Mobiltelefone) zugenommen. Auch hier hat man bisher mit absorbierenden Unterdecken, Gehbelägen, Vorhängen sowie speziellen Putzen und Tapeten allenfalls etwas zur Lärmminderung bei hohen Frequenzen getan. Halbhohe Stellwände, die man hier und da zur nachträglichen Abschirmung einzelner Arbeitsplätze zu Hilfe nimmt, sind bei tiefen Frequenzen aber ebenso wirkungslos wie viele Lärmschutzaufbauten an Autobahnen. Herkömmliche Schalldämpfer und Schallabsorber aus faserigen oder porösen Materialien sind zwar unverzichtbar zur Bedämpfung hochfrequenter Geräuschanteile von Maschinen und Anlagen. In der täglichen Praxis der Lärmbekämpfung und Raumakustik, ebenso wie in den Schalllabors und Entwicklungszentren der Hersteller, liegt das eigentliche Problem aber immer häufiger bei tiefen Frequenzen, die wegen der dazu notwendigen Bautiefe von passiven Absorbern nur schlecht erreichbar sind. Wegen eines akuten Mangels geeigneter reaktiver und aktiver Schall-Absorber, die mit geringem Druckverlust in Abluftkanälen und wenig Raumbedarf in
1 Einführung
3
Aufenthalts- und Versammlungsräumen eingebaut werden können, wird das Brummen von Anlagen über große Entfernungen (fast ungedämpft) auch von Schwerhörigen noch sehr störend wahrgenommen. Weniger bekannt ist, auch unter Akustik-Beratern, dass das „Dröhnen“ der Räume bei tiefen Frequenzen (auch unterhalb 100 Hz) die Sprachverständlichkeit derart herabsetzt, dass beim Kommunizieren alle Teilnehmer (auch die am Telefon) sich unwillkürlich und für die anderen unangenehm laut artikulieren. Neben den bekannten passiven und reaktiven schalldämpfenden Materialien und Bauteilen soll im Folgenden die ganze Vielfalt heute verfügbarer Produkte für den Schallschutz und die raumakustische Gestaltung aufgeblättert werden, auch solche auf der Basis alternativer, faserfreier Absorber. Manche wurden erst kürzlich bis zur Serienreife entwickelt. Bei ihrer Beschreibung wurde auf „theoretische Tiefe“ verzichtet und stattdessen das „praktisch Nützliche“ in den Vordergrund gehoben. Die Auslegung, Dimensionierung und Anwendung insbesondere der neuartigen reaktiven und aktiven Schall-Absorber wird unter Hinweis auf konkrete Umsetzungsprojekte verdeutlicht, die von ihren Erfindern zusammen mit den jeweiligen Lizenznehmern Beispiel gebend von der Beratung und Planung über die Ausführung und Überwachung bis hin zur Abnahme und Dokumentation durchgeführt wurden. Der Leser wird zwar mit einer ganzen Reihe akuter Lärmprobleme konfrontiert, aber gleichzeitig mit praktikablen Lösungen vertraut gemacht.
2 Problemschwerpunkt tiefe Frequenzen
Aus dem Emissions-Schallleistungs-Pegel LW einer Quelle Q, den man unter Freifeld-Bedingungen nach [15, 16] bestimmen kann, lässt sich der Immissions-Schalldruck-Pegel L in ihrer Nachbarschaft (im Freien) schematisch beschreiben durch: L
LW 'LQ 10 lg Q 10 lg n 20 lg s
∑D
i
i
(2.1)
20 lg f m 10 lg A 'LR const.
Darin symbolisiert 'LQ eine mögliche Lärmminderung an der Quelle, z. B. durch direkten Eingriff in den Entstehungs-Mechanismus, durch Kapselung oder/und Schalldämpfer. Da es leichter fällt, den stets maßgeblichen A-bewerteten Schallpegel durch Maßnahmen bei höheren Frequenzen zu senken, verschieben Minderungsmaßnahmen das Maximum in den Spektren meistens zu niedrigen Frequenzen. Der Term 10 lg Q in Gl. (2.1) beschreibt die Erhöhung in L, wenn die in alle Richtungen gleichförmig abstrahlend angenommene Quelle nicht frei (Richtungsfaktor ν = 1, sondern über einer vollständig reflektierenden Fläche (Q = 2), von einer Kante aus (Q = 4) oder aus einer Ecke heraus (Q = 8) abstrahlt. n steht für eine variable Anzahl gleicher Quellen (etwa wie der Einfluss der Verkehrsdichte). Das überaus stark in die Abschätzung eingehende Abstandsmaß 20 lg s (mit 6 dB Abnahme pro Verdoppelung der Entfernung s) ist zwar, ebenso wie die beiden zuvor diskutierten Einflüsse, frequenzunabhängig. Aber die meisten Dämpfungs- und Abschirmungs-Effekte auf dem Ausbreitungsweg (Di) sind bei hohen Frequenzen weitaus stärker als bei tiefen. Auch eine mögliche Dämmung durch leichte Bauteile (mit der Masse m), wie z. B. Fenster, wächst etwa wie 20 lg f mit der Frequenz f stark an. Schließlich findet der in einen geschlossenen Raum eingedrungene Lärm dort eine Absorptionsfläche A vor, die bei tiefen Frequenzen fast immer viel geringer ist als bei hohen. Man kann also davon ausgehen, dass selten das im Freifeld nahe der Quelle gemessene Emissions-Spektrum für die eigentliche Lärmbelastung in ihrer Nachbarschaft maßgeblich ist. Je größere Entfernungen und je mehr Hindernisse die Schallwellen auf ihrem Weg zu überwinden haben, umso stärker treten die tiefen Frequenzanteile in den Vordergrund. Diese sind es
6
2 Problemschwerpunkt tiefe Frequenzen
auch, die als besonders lästig wahrgenommen werden. Allerdings verdeckt manchmal die weltweit eingeführte A-Bewertung dieses Problem in der Praxis. Auch die von den einschlägigen Normen und Richtlinien gestützte Gewohnheit, Schall-Pegel, -Dämmung und -Dämpfung nur bis 125 oder 100 Hz zu messen und erst oberhalb 500 Hz schärfer zu bewerten, hat zwar zu Schall dämpfenden und dämmenden Bauteilen mit eindrucksvollen Einzahl-Angaben, z. B. den bewerteten Absorptionsgrad Dw oder das bewertete Schalldämm-Maß Rw, geführt. Tatsächlich bleibt ihre Wirksamkeit im Einsatzfall aber oft weit hinter der dadurch beim Anwender geweckten Erwartung zurück, weil man eben nicht einfach die Einzahl-Angaben für die Quellen und Übertragungswege addieren oder subtrahieren darf, sondern die jeweilige spektrale Charakteristik aller Terme in Gl. (2.1) berücksichtigen muss. Häufig ist das Problem bei tiefen Frequenzen sogar noch gravierender: Zum einen verdanken zweischalige Bauteile wie Fenster und Fassaden ihre hohe Dämmung bei mittleren und hohen Frequenzen, die ihnen bei der üblichen Einzahl-Bewertung so zugute kommt, einer Masse-Feder-Resonanz bei Frequenzen unter 100 Hz, bei welcher ein praktisch ungehinderter Schalldurchgang nach innen erfolgen kann. Zum anderen kann der tieffrequente Lärm im Raum sogenannte Hohlraum- oder Eigenresonanzen gewaltig anregen und so bei bestimmten Frequenzen eine u. U. wesentliche Verstärkung ('LR in Gl. (2.1)) verursachen. Dies wirkt nicht nur sehr störend; es erschwert auch jede Messung bei den tiefen Frequenzen [17]. Am deutlichsten kommen Eigenresonanzen in Räumen zum Ausdruck, die mindestens in einer Dimension kleiner als etwa 5 m sind. Im Frequenzbereich zwischen 200 und 50 Hz, gegebenenfalls bis 31 Hz herunter, prägen stehende Wellen („Moden“) ähnlich denen im zweidimensionalen Feld (Kap. 3, Tabelle 3.1) ihr Schallfeld. Abbildung 2.1 zeigt z. B. für einen quasi unbedämpften 5 u 4 u 3 m großen Quaderraum in einer zwischen 2 diagonal gegenüber liegenden Ecken gemessenen Übertragungsfunktion kaum mehr als 10 stark hervortretende Resonanzen entsprechend [18, Kap. 11] bei f nx , ny , nz
c0 2
⎛ nx ⎞ ⎜ ⎟ ⎝ lx ⎠
2
⎛ ny ⎞ ⎜ ⎟ ⎝ ly ⎠
2
⎛n ⎞ ⎜ z ⎟ ⎝ lz ⎠
2
; nx , n y , nz
0,1, 2
…
(2.2)
mit der Schallgeschwindigkeit c0. In Abb. 2.2 ist z. B. die Pegelverteilung in einer Ebene 1.3 m über dem Boden für die 1,1,0-Mode bei 55 Hz dargestellt mit einer maximalen Differenz von fast 40 dB zwischen der Mitte und den 4 Kanten des fensterlosen Raumes, der durch sorgfältige Entdröhnung der inneren Schale seiner
2 Problemschwerpunkt tiefe Frequenzen
7
Abb. 2.1. Eigenfrequenzen und Übertragungsfunktion in einem ungedämpften Quaderraum (V = 60 m3) [17]
Schalldämmtür rundum schallhart gemacht wurde. Wenn man seine unvermeidbare Wandabsorption bei jeder einzelnen Mode n, z. B. als „Halbwertsbreite“ δn = 2 S ' fn nach [75, S. 65], aus ihrer Nachklingzeit (für 60 dB) Tn [s] nach [18, Kap. 9] als
Gn
6.9 Tn
(2.3)
(z. B. aus Messungen wie in [20] beschrieben) in der Rechnung berücksichtigt, lässt sich das Schallfeld in diesem Referenzraum für zahlreiche
8
2 Problemschwerpunkt tiefe Frequenzen
Abb. 2.2. Pegelverteilung der Mode 1,1,0 bei f = 55 Hz, 1.3 m über dem Boden des schwach bedämpften Raumes nach Abb. 2.1 [19]
Untersuchungen bei sehr tiefen Frequenzen in guter Übereinstimmung mit Messungen bestimmen. Aber jeder schallhart belassene Raum, auch völlig unsymmetrische Schallkapseln für laute Maschinen, Fahrgasträume von Kfz, Studios für die Aufnahme und Bearbeitung von Audio-Produktionen und Hallräume zum Messen des Absorptionsgrads von Bauteilen sowie der Leistung von Schallquellen, ja sogar „Freifeld“-Räume zeigen bei tiefen Frequenzen ein ganz ähnliches Verhalten [20]: Der Raum dröhnt (im Englischen spricht man sehr bildhaft und treffend von „booming“); alle darin wirksamen Quellen werden selektiv verstärkt bzw. in ihrem Klang und Abstrahlverhalten stark beeinflusst. Akustische Messungen sind unter diesen Umständen nur mit besonderen Vorkehrungen möglich, die in [17, 20] eingehender diskutiert werden. Für einen Quaderraum mit lx > ly > lz bzw. einen Würfel ergibt sich die tiefste Resonanz bei f1
c0 2l x
bzw.
f1
c0 23 V
.
(2.4)
Unterhalb dieser unteren Grenzfrequenz verhält sich der Raum zunehmend wie eine als Ganzes und gleichphasig anregbare Druckkammer. Oberhalb f1 dominieren die Modalfelder. Zwischen 2 Resonanzen nach Gl. (2.1) lässt sich der Raum, auch mit einem Sinus-Ton, praktisch nicht anregen. Ab einer nicht so eindeutig bestimmbaren höheren Frequenz fs rücken die Resonanzen so eng zusammen, dass z. B. innerhalb einer Terz bereits mehr als 20 enthalten sind und deshalb das Schallfeld für die genormten raum- und bauakustischen Messungen als genügend gleichförmig
2 Problemschwerpunkt tiefe Frequenzen
9
(„diffus“) anzusehen ist. In [21] wird die Zunahme der Eigenfrequenzen N zwischen 0 und f nach 4S 3 S 1 f V 2 f 2S fL 3 8c0 3c0 4c0
N
(2.5)
mit dem Volumen V = lx ly lz [m3], der Fläche S = 2 (lx ly + lx lz + ly lz) [m2] und der Kantenlänge L = 4 (lx + ly + lz) [m] eines Quaderraumes angegeben. Für Messungen mit relativ konstanter Bandbreite 'f / fm kann man die Frequenzdichte (bezogen auf die jeweilige Bandbreite 'f) abhängig von der Band-Mittenfrequenz fm [Hz] abschätzen nach 3
'N
⎛ f ⎞ C3 ⎜ m ⎟ ⎝ c0 ⎠
V
⎛ f ⎞ C2 ⎜ m ⎟ ⎝ c0 ⎠
2
fm L c0
S C1
(2.6)
mit den in Tabelle 2.1 für verschiedene Bandbreiten angegebenen Konstanten. Für den Referenzraum zeigt Abb. 2.3 die in Abhängigkeit von der Frequenz zu erwartende Modendichte. Terz-Messungen genügen den meisten Anforderungen der Raum- und Bauakustik. Oktav-Messungen sind dagegen, insbesondere bei tiefen Frequenzen, völlig unzureichend. Im Vergleich dazu erfüllen 1/12-Oktav-Messungen auch höhere Anforderungen im Bereich des technischen Schallschutzes. Näherungsweise gilt Gl. (2.6) auch für von der Quaderform abweichende Räume, wenn auch nicht für ausgesprochene Flachräume. Tabelle 2.1. Konstanten zur Berechnung der Eigenfrequenzen eines Raumes innerhalb einer vorgegebenen Bandbreite nach Gl. (2.6) C3
C2
C1
(Oktave)
8.89
1.11
0.087
0.37
0.029
0.09
0.007
' f / fm 1/
2
1/
3
2
(Terz)
2.96
1/
12
2
(Halbton)
0.74
Die zweite Grenzfrequenz fs, oberhalb welcher in schwach bedämpften Räumen ein Diffus- oder Hallfeld angenommen werden darf, wird nach [22] bzw. [23] etwas unterschiedlich angegeben, fs
3c0 3
V
bzw.
fs
2c0 3
V
.
(2.7)
Diese auch in [24, Abschn. 2.5, S. 261] anklingende Unsicherheit ist in der vereinfachten Darstellung von Abb. 2.4 durch den Graubereich angedeutet.
10
2 Problemschwerpunkt tiefe Frequenzen
Abb. 2.3. Eigenfrequenzdichte 'N nach Gl. (2.6) und Tabelle 2.1 für den Quaderraum gemäß Abb. 2.1 bei Messungen in Oktaven (○), Terzen (□) oder mit Halbtönen (1/12Oktaven)
Für die Quaderräume, auf welche sich die gängigen bauakustischen Prüfungen im Labor fast ausnahmslos beziehen, ist selbst die Grenzfrequenz nach [22] noch als optimistisch einzustufen. Erfahrene Messtechniker trauen ihren Messungen in einem 300 m3 großen Hallraum oft bereits ab 200 Hz abwärts nicht mehr so recht. Eine Unterdrückung der in vieler Hinsicht störenden Raum-Moden, z. B. mit aus dem Studiobereich bekannten passiven „KantenAbsorbern“, sog. „Bass-Fallen“ (siehe z. B. [26, Fig. 19-4]), würde viel Volumen beanspruchen. Geeignetere „Kompakt-Absorber“, die mit Hilfe eigener Resonanzsysteme Schallenergie, insbesondere aus dem Modalfeld, „absaugen“ sollen, wirken aber nicht nur dissipativ, sondern auch reaktiv. Ihr Einfluss lässt sich durch ein dem Quellenfeld entgegen gerichtetes zweites Modalfeld im Raum beschreiben [25, 27]. Dazu müssen die genaue Position der sinnvoll konzentriert anzuordnenden Tiefen-Absorber sowie ihre (komplexe) WandImpedanz W (bei senkrechtem Schalleinfall) in die Berechnung des Gesamtschallfeldes einfließen. Für ausgedehnte flächige Absorber z. B. in Freifeld-Räumen, die von den ganz unterschiedlich strukturierten Druckfeldern möglichst vieler Raum-Moden gleichzeitig angeregt werden sollen, ist eine exakte ortsabhängige Schallfeldberechnung allerdings weder möglich noch nötig. Man muss aber bei allen Resonanz-Absorbern beachten, dass sie die Struktur der Schallfelder in ihrer Nähe beeinflussen und, z. B. nebeneinander angeordnet, miteinander in Wechselwirkung treten können. Ihr optimierter Einsatz, insbesondere in kleinen Räumen, erfordert daher ähnlich
2 Problemschwerpunkt tiefe Frequenzen
11
Abb. 2.4. Frequenzbereiche für ein vorwiegend modales bzw. diffuses Schallfeld in einem würfelförmigen Raum in Abhängigkeit vom Volumen [25]. Übergangsbereich, siehe Gl. (2.7); --- erste Eigenresonanz des Raumes, siehe Gl. (2.1)
viel Erfahrung wie die richtige Installation von Lautsprechern und Monitoren, insbesondere „Subwoofern“, in Audioräumen. Bei der Entwicklung spezieller Tiefen-Absorber und zum Vergleich der Wirksamkeit ihrer verschiedenen Bauformen hat sich ein Meßverfahren im Quader-Raum für den Bereich (a) sehr geringer Eigenfrequenzdichte ('N < 5 pro Terz) gut bewährt [20]. Dazu mißt man, ähnlich wie in einer „Hallkammer“ nach [18, Kap. 11, S. 258], die bereits zur Bestimmung der ModenDämpfung in Gl. (2.3) eingeführte Nachklingzeit an sorgfältig der ModenStruktur angepaßten Meßpunkten (s. Abb. 2.5) mit Sinus-Anregung einmal
Abb. 2.5. Schematische Darstellung von Sender (LS) und Empfängern 1 bis 8 im 5 u 4 u 3 m großen „T-Labor“ des IBP zur Untersuchung von Absorbern bei tiefen Frequenzen [20]
12
2 Problemschwerpunkt tiefe Frequenzen
ohne (Tn,0) und zum anderen mit (Tn,m [s]) dem Prüfling in den Ecken und Kanten des Raumes [17, 20]. Man kann dann, in Analogie zum HallraumVerfahren [23], mit der Fläche des Absorbers SA [m2] einen „effektiven“ Absorptionsgrad
De
0,163
V ⎛ 1 1 ⎜ S A ⎝ Tn ,m Tn,0
⎞ ⎟ ⎠
(2.8)
ermitteln. Man muß aber beachten, daß dieser aus physikalisch erklärbaren Gründen – auch Werte weit über 1 annehmen kann, – nicht nur eine Eigenschaft des Absorbers selbst, sondern, wegen seiner Wechselwirkung mit dem Schallfeld, auch des Meßraumes darstellt, – sich unterschiedlich auswirken kann, je nachdem, wo der Prüfling im Raum mit dem Volumen V [m3] positioniert wird, – nicht nur von der Wirkungsweise, sondern auch der Größe (SA) des Absorbers abhängen kann, – nicht ohne weiteres auf andere Einbausituationen übertragen oder z. B. zur Bestimmung von Schallpegeln und Nachhallzeiten eingesetzt werden darf. Trotzdem rechtfertigen die geschilderten akuten Probleme bei tiefen Frequenzen insbesondere in kleinen Räumen alle praktikablen Wege, die zur Erarbeitung neuer Handwerkzeuge, Materialien und Bauteile zu ihrer Lösung beitragen. Für den Bereich (b) (5 < 'N < 20 pro Terz) kann zeitsparend mit TerzRauschen aus einer Ecke heraus angeregt und in anderen Ecken das Abklingen (Tn) aller Eigenfrequenzen des jeweiligen Frequenzbandes gemessen werden. Für den Bereich (c) ('N > 20 pro Terz) kann man schließlich die Absorptionsgrad (Ds)-Messung nach DIN EN ISO 354 [297] durchführen. Dabei hat sich in zahlreichen Untersuchungen bestätigt, dass eine gewisse Grunddämpfung des Hallraumes in mindestens 2 seiner unteren Ecken die Wiederholgenauigkeit und Reproduzierbarkeit in anderen Räumen für Frequenzen mindestens bis 200 Hz hinauf deutlich verbessert [17]. Außerdem hat sich bei der aktuellen Entwicklung neuartiger Absorber (siehe z. B. Kap. 5.3 und Abschn. 11.6.8) gezeigt, daß die theoretisch vorausgesagten oder aus Voruntersuchungen unter anderen Meßbedingungen gefundenen Absorptions-Mechanismen erst dann auch im Hallraum deutlich werden, wenn dieser im Rahmen des nach der Norm Zulässigen bedämpft wird [17]. Es sei aber nochmals betont, daß in dem für die Raumakustik wie für die Lärmbekämpfung so wichtigen Frequenzbereich, wo Absorber mit dem
2 Problemschwerpunkt tiefe Frequenzen
13
Schallfeld unvermeidbar reagieren, ein wie auch immer gemessenes D(f) eine nur mit entsprechender Erfahrung nutzbare Kennzeichnung darstellt. Noch mehr als bei den eigentlich nur für höhere Frequenzen entwickelten Norm-Verfahren, gilt für die tieferen, daß man Produktvergleiche nur bei sehr engen Vorgaben hinsichtlich der Prüfräume und der Anordnung des Prüflings darin sinnvoll anstellen kann. Nur bei sehr breitbandig wirksamen reaktiven Absorbern erhält man auch nach den Verfahren (a) und (b) überhaupt genügend hohe und sichere De-Werte, um trotz der Selektivität der Messungen zu einer Absorptions-Charakteristik zu kommen, die Aufschluß über die Resonanz-Mechanismen im Absorber selbst geben kann, welche breitbandig über mehrere Oktaven reichen können (s. auch Abschn. 5.3). Der Raumeinfluss bleibt, auch wenn die Schallwellen schräg auf Wand, Boden oder Decke auftreffen, besonders stark sogar, wenn eine Quelle den Raum nicht aus seiner Mitte, sondern aus einer Ecke heraus anregt. Da sich die Raum-Resonanzen entsprechend Gl. (2.2) immer auf die jeweiligen Raumabmessungen lx, ly, lz einstellen und jede verfügbare Begrenzungsfläche nur einmal absorbierend belegt werden kann, mussten geeignete Schallabsorber möglichst raumsparend, aber sehr breitbandig wirksam, neu entwickelt werden. Da sich die Schallenergie, wie in Abb. 2.2 nur beispielhaft dargestellt, bei tiefen Frequenzen immer ungleich im Raum verteilen will, wäre es unzweckmäßig, die Absorber räumlich oder flächig, etwa entsprechend den in [15, 16] formulierten Anforderungen an Messräume, möglichst gleichmäßig zu verteilen. Statt dessen ist es sinnvoll, die für die tiefsten Frequenzanteile zu optimierenden Absorberflächen bevorzugt in den Ecken und Kanten anzubringen. Von dort aus lassen sich nämlich alle Raum-Moden mit größtmöglichem Wirkungsgrad, d. h. maximalem effektiven Absorptionsgrad De nach [20], dämpfen. Mit innovativen ALFA-Bauteilen kann man das jeweilige Ziel, die Minimierung der Geräuschentwicklung im Raum (ausgehend von nützlichen oder störenden Quellen innerhalb oder außerhalb), Schaffung eines möglichst homogenen Schallfeldes in akustischen Messräumen für die Bestimmung der Schallleistung oder der Schallabsorption (in so genannten Hallräumen) sowie der Schalldämmung (in diversen Bauteil-Prüfständen) [17], Eliminierung der schädlichen Reflexionen zur ungestörten Untersuchung der Schallfelder in allen Details von beliebigen, u. A. auch sehr tieffrequent abstrahlenden Quellen (in so genannten Freifeld-Räumen), in Zukunft etwas besser als mit herkömmlichen Mitteln erreichen. Hier stoßen die allgemein bekannten Schallabsorber bei tiefen Frequenzen an ihre Grenzen. Deshalb sollen im Folgenden zunächst die Grundlagen passiver,
14
2 Problemschwerpunkt tiefe Frequenzen
reaktiver und aktiver Absorber nach dem aktuellen Stand der Technik [26] kurz beschrieben werden. In Kap. 11 geht es dann um die Anwendung neuer Konzepte und Bauteile für eine innovative Raumakustik und in Kap. 12 um solche für innovative Freifeldräume, beide mit zahlreichen repräsentativen Ausführungsbeispielen.
3 Schallabsorption für den Lärmschutz und die raumakustische Gestaltung
Trifft eine Schallwelle mit der Schallleistung Pi, dem Schalldruck pi, der Schallschnelle vi und Frequenz f auf ein gegenüber ihrer Wellenlänge O großes Hindernis, so wird sie teilweise reflektiert (Pr), u. U. auch gebeugt und gestreut, durchgelassen (Pt), als Körperschall fortgeleitet (Pf), aber auch absorbiert (Pa), s. Abb. 3.1, mit Pi
Pr Pt Pf Pa .
(3.1)
Handelt es sich bei dem Hindernis z. B. um eine Wand (oder Decke), deren flächenbezogene Masse msW groß gegenüber der in der auftreffenden Welle mitbewegten flächenbezogenen Luftmasse msA ist, mW" !! m"A
pi 2S f vi 1
1 2S f
Z0
U 0O , 2S
(3.2)
mit dem Wellenwiderstand Z0
U0 c0
408Pa s m1
(bei 20qC und 105 Pa),
(3.3)
der Dichte U0 = 1.2 kg m–3 und Schallgeschwindigkeit c0 = 340 m s–1 der Luft, so wird nur ein kleiner Teil der Schallleistung durchgelassen oder fortgeleitet. Der größte Teil wird zur Quelle oder in den Raum zurückgeworfen, es sei denn, dass vor, an oder auch in der Wand ein absorbierendes Material oder Bauteil eingebaut wurde, das einen wesentlichen Teil von Pi unmittelbar nach dem Auftreffen „schluckt“, d. h. in Wärme umwandelt. Will man einen solchen Schallabsorber quantifizieren, so kann man hinsichtlich seiner Wirksamkeit für die Sendeseite Pt und Pf zu Pa gegebenenfalls hinzurechnen:
D
Pa Pt Pf Pi
Pi Pr Pi
1 U.
(3.4)
Der Absorptionsgrad D kann also, ebenso wie der Reflexionsgrad U, Werte zwischen nahe 0 und nahe 1 annehmen. Letzterer lässt sich auch durch das Verhältnis der Amplituden des Schalldrucks der reflektierten (pr) und
16
3 Schallabsorption für den Lärmschutz und die raumakustische Gestaltung
Abb. 3.1. Der Weg der Leistung einer Schallwelle, die auf ein absorbierendes Hindernis trifft
der auftreffenden Welle, den i. A. komplexen Reflexionsfaktor r, ausdrücken: Pr Pi
U
pr 2 pi 2
r2 1 D.
(3.5)
Nach [18, Kap. 3] kann man r aus der ebenfalls komplexen Wand-Impedanz W ableiten, die den Wandaufbau akustisch vollständig beschreibt. Für senkrechten Schalleinfall gilt mit Druck und Schnelle pW und vW: W r
W U0 c0 W U 0 c0
pW vW
W ' jW '';
; D
4W ' U0 c0 . (W ' U0 c0 )2 W ''2
(3.6) (3.7)
Man bezeichnet Gl. (3.7) auch als „Anpassungsgesetz“: Die Absorption wird am größten, wenn der Imaginärteil der Impedanz verschwindet. Sie erreicht den Maximalwert 1 aber nur, wenn der Realteil der Impedanz gerade U0 c0 entspricht. Bei jeder „Fehlanpassung“ überlagern sich vor der Wand bei einer bestimmten Frequenz auftreffende und reflektierte zu einer „stehenden“ Welle, in welcher die Pegeldifferenz,
'L
Lmax Lmin
(3.8)
ein Maß für den Absorptionsgrad darstellt, s. [28] und Tabelle 3.1. Die Extremwerte für D ergeben sich zum einen bei besonders hart und glatt verputztem oder gefliestem Mauerwerk (D # 0.01) und zum anderen bei einer besonders ausgestatteten Wandauskleidung reflexionsarmer Räume
3.1 Verhinderung schädlicher Reflexionen
17
Tabelle 3.1. Pegeldifferenz ∆L in einer ebenen stehenden Welle vor einem mehr oder weniger absorbierenden ebenen Hindernis [28, S. 459] und zugehöriger Absorptionsgrad α sowie Betrag des Reflexionsfaktors ~r~
α
'L [dB]
~r~
0.99 0.60 0.20 0.01
2 13 25 50
0.11 0.63 0.89 0.99
(D # 0.99). Die meisten im Bau vorkommenden schallabsorbierenden Materialien und Bauteile mit der Fläche Si summieren sich mit Di-Werten zwischen 0.2 und 0.6 bis über 0.8, wie sie aus Schluckgrad-Tabellen z. B. in [29–31] zu entnehmen sind, mit AS zur äquivalenten Absorptionsfläche des Raumes. Daneben tragen auch Möbel, Einrichtungsgegenstände und Akustik-Module, die als Einzelelemente von der Decke abgehängt, im Abstand vor einer Wand montiert werden oder auf dem Boden stehen sowie anwesende Personen mit Aj zur resultierenden Absorptionsfläche des Raumes bei:
AS
∑D S i
i
i
;
AE
∑A . j
(3.9)
j
Man kann mindestens 10 Anwendungsbereiche definieren, in denen die Schallabsorption von zentraler praktischer Bedeutung ist:
3.1 Verhinderung schädlicher Reflexionen Vor schwach absorbierenden Begrenzungsflächen (D < 0.2) ist das Schallfeld gemäß Gl. (3.8) und Tabelle 3.1 stark ortsabhängig, erschwert die Ortung von Schallquellen und beeinträchtigt die Klarheit von Musik sowie die Verständlichkeit von Sprache. Dies stört nicht nur die Arbeit von Musikern oder Tonmeistern (vor einer Wand oder einem Regiefenster), sondern auch von Dienstleistern in einem Großraum-Büro vor einer Glasfassade. Auch in größerer Entfernung zwischen Quelle und insbesondere konkav gekrümmten Reflektoren (r > 0.9), z. B. der Rückwand eines Zuschauersaales, werden von der Bühne Echos sehr störend wahrgenommen. ELA-Anlagen können durch Rückwürfe von reflektierenden Halbkugeln oder Zylindern völlig aus ihrer Funktion geraten, wie 1992 der spektakuläre Vorfall bei der Inbetriebnahme des Plenarsaals im Bundestag zu Bonn exemplarisch demonstriert hat, s. Abschn. 11.6.1 (b). In solchen Fällen hilft neben der Veränderung der
18
3 Schallabsorption für den Lärmschutz und die raumakustische Gestaltung
architektonischen Struktur (z. B. Schrägstellung von Fenstern oder Wänden) und Anbringung vorgesetzter oder abgehängter Reflektoren eben nur Auslöschung der schädlichen Reflexion durch gezielte Absorption. Insbesondere in reflexionsarm ausgekleideten Messräumen können auch kleinste reflektierende Flächen, z. B. als Schalttafeln oder Leuchten, die Messung stark verfälschen. Da eine Schrägstellung der Fläche, so dass sie die auftreffenden Schallwellen nicht zum Messort sondern in die hoch absorbierenden Auskleidungen lenkt, oft nicht möglich ist, hilft auch hier nur die Auslöschung der schädlichen Reflexion durch Absorption. Ein besonderes Problem stellen immer wieder die Bodenreflexionen in sogen. Halbfreifeld-Räumen dar (s. Abschn. 11.6.8 und 12.6.4).
3.2 Raumakustische Gestaltung Wenn dagegen in einem Theater oder einer Kirche mit großem Volumen V [m3] die Nachhallzeit T
0.163
V [s] A
(3.10)
wegen zu geringer resultierender Absorptionsfläche A [m2] nach Gl. (3.9),
A
AS AE 4V m ,
(3.11)
zu groß ist, so leidet die Sprachverständlichkeit. Da die Absorption durch Einrichtung und Publikum (AE) weitgehend vorgegeben wird, muss sich der Raumakustiker um geeignete Flächen Si für seine Zwecke bemühen. Nicht selten kranken Konzertsäle und Opernhäuser allerdings an zu viel Dämpfung bei den hohen Frequenzen als Folge des heute meistens weich gepolsterten Gestühls sowie des Publikums. Weil auch die Dämpfung auf dem Weg der Schallwellen zwischen zwei Reflexionen (m) zu tiefen Frequenzen hin stark abnimmt, s. Tabelle 3.2, liegt der Hauptbedarf für große wie für kleine Räume vor allem bei Absorbern für tiefe, viel seltener auch für hohe Frequenzen. Beim Einsatz konventioneller Absorber besteht daher, gewollt oder ungewollt, die Tendenz, bei hohen Frequenzen etwas mehr zu tun, als es dem Raumklang gut tut. Weil dabei die Frequenzen unter 250 oder 125 Hz oft ganz außer Acht gelassen werden, ist nicht selten eine „dumpfe“ oder „mulmige“ Raumakustik die Folge. Das Problem der auf den jeweiligen Bedarf abgestimmten Schall-Absorber, die einen starken Anstieg der Nachhallzeit zu tiefen Frequenzen verhindern, bleibt vielleicht nur deshalb meistens undiskutiert, weil man auch unter Experten die tiefen Frequenzen kaum misst und zur Bewertung heranzieht, wohl weil hier auch Vergleiche mit repräsentativen Sälen eher etwas mager ausfallen [298].
3.3 Pegelsenkung im Raum
19
Tabelle 3.2. Dämpfungskonstante m bei der Schallausbreitung in Räumen (bei 20°C und 50% Luftfeuchte) und Absorptionskoeffizient Da im Freien (bei 10°C und 70%) sowie akustische Grenzschichtdicke G bei 20°C in Luft f [Hz] m [10–3 m–1] Da [dB km–1] G [Pm]
< 250 < 0.08 <1 > 95
500 0.25 2 67
1k 0.75 4 47
2k 2.5 8 34
4k 7.5 20 24
8k 25 50 17
In Freifeld-Räumen muss dagegen die Absorption im gesamten interessierenden Frequenzbereich, in welchem gemessen werden soll, ganz ausschließlich von der Auskleidung ihrer Begrenzungsflächen bewerkstelligt werden. Eine Nachhallzeit nach Gl. (3.11) macht unter diesen Umständen natürlich keinen Sinn. Die Raum-Rückwirkung auf die Quelle wird hier vielmehr allein aus der Abweichung vom – 20 lg s – Term in Gl. (2.1) durch Pegelabnahme (engl.: „draw-away“) – Messungen nach [15, 16] bestimmt.
3.3 Pegelsenkung im Raum Bei Schallquellen mit konstant angenommenem Schallleistungs-Pegel LW lässt sich der mittlere Schalldruck-Pegel L durch den Einbau von schallabsorbierenden Einbauten und Verkleidungen senken: L
LW 10lg A 6 dB .
(3.12)
Dabei ist es in diesem Fall natürlich wichtig, dass das AbsorptionsSpektrum (A) möglichst gut an das der jeweiligen Quelle(n) (LW) angepasst ist. Innerhalb des Hallradius nach Gl. (3.14) sind die raumakustischen Maßnahmen allerdings wirkungslos. Trotzdem betreffen die meisten Investitionen solche Maßnahmen, bei denen gemäß 'L
10lg
A2 A1
(3.13)
eine Verdopplung von A nur eine Absenkung des Raumpegels um gerade einmal 3 dB bewirkt und z. B. Arbeitsplätze in der Nähe lauter Maschinen davon kaum profitieren. Es sei an dieser Stelle aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein bei tiefen Frequenzen nicht richtig bedämpfter kleiner Raum sehr stark bei seinen niedrigsten Eigenresonanzen angeregt wird, s. Kap. 2, und dies auch durch Quellen, die in diesem Spektralbereich eigentlich nur einen verhältnismäßig geringen Energieanteil produzieren, wie z. B. die menschliche
20
3 Schallabsorption für den Lärmschutz und die raumakustische Gestaltung
Stimme (s. Abschn. 11.2). Erst recht wenn es sich bei der Anregung ebenfalls um einen Resonator handelt, der sich mit den Raum-Moden koppeln kann, macht es Sinn, auf das z. B. unter Freifeldbedingungen gemessene Quellspektrum und auf den Raum angepasste Schall-Absorber zur Lärmminderung einzusetzen. Wenn es so gelingt, die 10 Resonanzspitzen z. B. in einem 5 u 4 u 3 m großen Raum zwischen etwa 35 und 90 Hz (Abb. 2.1) von bis zu 30 dB auf unter 5 dB herunter zu dämpfen [300], so wird daraus deutlich, dass man mit den richtigen Schall-Absorbern in einem Raum auch einmal erheblich mehr als die in der Praxis der Lärmbekämpfung nach Gl. (3.12) und (3.13) in Werkhallen üblicherweise für erreichbar gehaltenen 3 bis 6 dB Pegelsenkung erzielt. Dieser Ansatz wird natürlich besonders attraktiv, wenn zumindest 2 gegenüber liegende Flächen schallhart und nur wenige Meter voneinander entfernt sind, z. B. Decke und Boden einer Fabrikhalle.
3.4 Vermeidung des Lombard-Effektes In Versammlungsarenen, Besprechungsräumen und Mehrpersonenbüros, Restaurants, Klassenzimmern, Kassenhallen usw., wo viele Menschen gleichzeitig ihre Stimme erheben, kann die Unterhaltung zu einer Tortur werden, wenn A nicht groß genug ist. Dies kann man aus dem Hallradius rH [m] ablesen (s. auch Abschn. 11.5), der mit rH
0.14 A
Q P1 Pges
(3.14)
den Abstand von der Quelle markiert, bei dem der Schallpegel des Direktschallfeldes gerade dem des aus Vielfach-Reflexionen sich ergebenden Diffusfeldes entspricht. Man kann zwar die Bedingungen für einen einzelnen Redner (P1), sich verständlich zu machen, dadurch etwas erhöhen, dass man ihn nicht inmitten des Raumes frei sprechen lässt (Q = 1), sondern vor einer großen reflektierenden Wand (Q = 2), in einer Kante (Q = 4) oder gar in einer Ecke (Q = 8) des Raumes aufstellt. Ähnliche Verbesserungen erreicht man bekanntlich mit Lautsprechern mit einem hohen Bündelungsmaß Q, die auf bestimmte Raumbereiche, auf die es bei der Beschallung besonders ankommt, ausgerichtet werden [24, Kap. 7]. Es scheint nach Gl. (3.14) zwar so, dass mit der Anzahl der sich gleichzeitig artikulierenden Personen (Pges) auch die von ihnen ja mitgebrachte Absorptionsfläche (A) gleichzeitig proportional zunimmt. Die Erfahrung lehrt aber, dass man sein Gegenüber immer schlechter versteht, je mehr
3.5 Herstellung akustischer Transparenz
21
Personen sich z. B. zu einem Stehempfang versammeln und unterhalten wollen. Dies liegt daran, dass die Diskussions-Teilnehmer Absorber leider nur für Frequenzen oberhalb etwa 250 Hz mitbringen. Wenn aber die tiefen Frequenzen unbedämpft bleiben und die Nachhallzeit hier stark ansteigt, füllt ein „Dröhnen“ den Raum, welches durch eine Art „Maskierung“ die für die Verständigung so wichtigen höheren Frequenzanteile verdeckt. Dies wiederum führt dazu, dass alle Redner gemäß dem sogen. Lombard-Effekt nach [296] zum lauteren Sprechen neigen, wodurch sich die Kommunikation weiter verschlechtert, s. Abschn. 11.5. Um diesem Problem zu begegnen, müssen, insbesondere in kleineren Räumen, spezielle Tiefen-Absorber für Frequenzen mindestens bis 50 Hz herunter zum Einsatz kommen, wie zahlreiche raumakustische Sanierungsmaßnahmen – oft zur Überraschung der Nutzer – nachgewiesen haben, s. Abschn. 11.6.
3.5 Herstellung akustischer Transparenz In kleinen bis mittelgroßen Räumen zum Ensemble-Musizieren oder Musik-Unterrichten tritt sowohl für die Musiker untereinander wie für den Dirigenten oder den Lehrer ein ähnliches Kommunikationsproblem auf. In Übungsräumen, Orchester-Probensälen, aber ganz besonders in den engen, teilweise überdachten Orchestergräben der Opernhäuser, in denen sich bis über hundert qualifizierte Künstler auf engstem Raum (in nur 3 bis 20 m3 Volumen bzw. auf 1 bis 1.5 m2 Fläche je Musiker!) ihrer Nerven zehrenden Arbeit widmen, bewirkt das die Klarheit der Musik vernebelnde tieffrequente Dröhnen, dass die für das Ensemble-Spiel so wichtigen Bass-Instrumente alles andere als klar durchzuhören sind. Stärker gerichtet abstrahlende Blechblasinstrumente [32] sind zwar (mit in bestimmter Richtung bedeutend größerem Hallradius nach Gl. (3.14)) in einer vergleichsweise besseren Position am hinteren Rand des Orchesters. Da aber das gegenseitige Hören unter den in diesem Anwendungsbereich weltweit vorherrschenden schlechten raumakustischen Bedingungen nicht richtig funktionieren kann, tendieren auch die Musiker dazu, lauter als dem Gesamtergebnis zuträglich zu spielen, weil sie meinen, sich anders selbst nicht mehr hören und ihr eigenes Spiel kontrollieren zu können. Das Ergebnis solcher völlig unzureichenden Arbeitsbedingungen ist erfahrungsgemäß ein unausgeglichener, schwer zu dirigierender und oftmals viel zu lauter Orchesterklang, der auch die Balance zwischen den Stimmen auf der Bühne und im Graben in vielen Häusern schwierig macht. Bei Maximalpegeln weit über 100 dB(A) und Mittelungspegeln bis 90 dB(A) [298] verwundert es nicht, dass der Arbeitgeber persönlichen Gehörschutz beim Eintreten in diese akustischen „Folterkammern“ offeriert und viele
22
3 Schallabsorption für den Lärmschutz und die raumakustische Gestaltung
betroffene Musiker trotzdem frühzeitig gravierende Hörverluste erleiden. Dass es auch an diesen sehr hochwertigen Arbeitsplätzen gelingt, mit speziellen, kostbarsten Raum sparenden Tiefen-Absorbern ein eklatantes Lärmproblem zu mildern, wird ebenfalls in einigen Sanierungsprojekten demonstriert, s. Abschn. 11.6.5.
3.6 Konditionierung akustischer Messräume Die in Kap. 2 beschriebenen Phänomene bei tiefen Frequenzen stellen ein besonderes Problem an der unteren Messgrenze aller genormten akustischen Prüfverfahren in geschlossenen Messräumen dar: Wenn z. B. der Leistungspegel LW einer stationären Schallquelle, etwa nach Gl. (3.12), aus dem mittleren Schallpegel bestimmt werden soll, den diese in einem Raum mit der äquivalenten Absorptionsfläche A erzeugt, dann setzt dies die Ausbildung eines einigermaßen gleichmäßigen („diffusen“) Schallfeldes voraus. Auch bei der nach Norm (DIN EN ISO 3741 [33] für breitbandig bzw. ISO 3742 [34] für schmalbandig abstrahlende Quellen) vorgeschriebenen Mittelung über mehrere Mikrofon-Positionen im Raum führt die Anregung der Moden gemäß Gl. (2.2) und z. B. Abb. 2.2 zu einer geringen Wiederholgenauigkeit (im selben Prüfraum bei derselben Schallquelle) und schlechten Reproduzierbarkeit (einer und derselben Quelle in verschieden dimensionierten Prüfräumen) der Messergebnisse [17]. Es wäre eine Illusion anzunehmen, dass Hallräume mit nicht parallelen Begrenzungsflächen etwa keine ausgeprägte Modenanregung aufwiesen, siehe Abb. 11.172. Gerade erfahrenere Messtechniker sind sich vielmehr bewusst, dass ihre Hallräume im und unterhalb des in Abb. 2.4 angedeuteten Graubereichs nur mit einiger Vorsicht und Erfahrung, z. B. was die Positionierung des Prüflings im Raum angeht, zu interpretieren und weiter zu benutzen sind. Dies gilt noch mehr für die Bestimmung des Absorptionsgrades Ds aus den Nachhallzeiten Tm[s] mit und T o[s] ohne Prüfling mit seiner meist auf dem Boden ausgelegten Absorberfläche SA[m2] und dem Raumvolumen V[m3] nach
Ds
0.163
V ⎛ 1 1 ⎜ S A ⎝ Tm T0
⎞ ⎟ ⎠
(3.15)
Da Absorber-Prüflinge, je nach ihrer Lage im Raum und damit ihrer Auswirkung auf das jeweilige Modenfeld den Abklingvorgang des letzteren, nach dem Abschalten der Test-Schallquelle sehr unterschiedlich beeinflussen können, tritt dieses Problem bei Absorptionsgrad-Messungen nach DIN EN ISO 354 [297] sogar stärker als bei Schalleistungs-Messungen auf (s. Kap. 5). Erst recht macht es sich bei den viel kleineren Rechteck-Räumen
3.7 Schutz gegenüber Außenlärm
23
störend bemerkbar, die man gemäß DIN EN ISO 140 [35] zur Bestimmung des Schalldämm-Maßes aus der (wiederum gemittelten) Pegel-Differenz zwischen Sende- und Empfangsraum, 'L = L1–L2, sowie der Prüffläche SR und der äquivalenten Absorptionsfläche A2 im Empfangsraum nach R
'L 10lg S R 10lg A2
(3.16)
routinemäßig verwendet. Um alle diese Mess- und Prüfverfahren bei tieferen Frequenzen verlässlicher zu machen sowie ihre Reproduzierbarkeit und Wiederholgenauigkeit zu erhöhen, empfiehlt es sich, die in den zitierten Richtlinien ausdrücklich zugelassenen Absorptionsflächen der leeren Messräume durch Einbringen geeigneter Absorber-Module, bevorzugt in ihren Ecken, zur Vergleichmäßigung der Schallfelder einzusetzen. Dafür eignen sich die breitbandig wirksamen, dabei sehr kompakten Resonatoren, die in Abschn. 5.3 ausführlich beschrieben werden. Es versteht sich von selbst, dass man auch und gerade in Freifeld-Räumen nach DIN EN ISO 3745 [16] sich wegen der hier oft besonders wichtigen Bedämpfung der tieffrequenten Raum-Moden nicht allein auf eine passiv wirksame poröse oder faserige Raumauskleidung verlassen, sondern, wiederum in den Raum-Ecken und Kanten, reaktive Absorber zum Einsatz bringen sollte (s. Kap. 12).
3.7 Schutz gegenüber Außenlärm Im gleichen Zusammenhang sei auf ein weiteres bisher zu wenig beachtetes Problem des Schallschutzes gegenüber von außen in einen geschlossenen Raum eindringendem Lärm hingewiesen, dem man u. U. sehr wirksam mit geeigneten Absorptions-Maßnahmen begegnen kann: Li
Le R 10lg S 10lg A .
(3.17)
Die Flächen S mit kleinem Schalldämm-Maß R (z. B. Fenster und Glasfassaden) nehmen in den Gebäuden ständig zu, was selbst bei konstant angenommenen Außengeräusch-Pegeln Le zu höheren Innen-Pegeln Li führt. Die gängige Beurteilung aller Bauteile nach Einzahl-Angaben (Rw) hat dazu geführt, dass mehrschalige Konstruktionen scheinbar besonders gut abschneiden. Diese haben aber ihre imposanten Dämmwerte bei hohen Frequenzen oftmals mit einem Dämmungseinbruch unter 100 Hz (also außerhalb des genormten Bewertungsbereichs!) erkauft, s. Abb. 3.2. Deshalb tritt bei geschlossenen Türen und Fenstern typischerweise der tieffrequente Teil z. B. des Verkehrslärms, des Lärms von Diskotheken oder auch von industriellen Abluftanlagen als eigentliche Störung in Erscheinung. Auch
24
3 Schallabsorption für den Lärmschutz und die raumakustische Gestaltung
Abb. 3.2. Schalldämm-Maß R nach [35] eines Türblattes allein (strichliert) und mit Vorsatzschale (VPR nach Abschn. 5.3, 1 mm Stahlblech, 40 mm Weichschaum) nach [17]
relativ leichte biegeweiche Schalen, wie sie hier und da im Hochbau wie im Maschinenbau vorkommen, verlieren nach dem Massegesetz [36], R
20lg mW" 20lg f 45 dB ,
(3.18)
zu den tiefen Frequenzen hin um 6 dB pro Oktave an der sonst nur durch " [kg m–2] bestimmten Dämmung. ihre flächenbezogene Masse m W Manche Menschen reagieren aber auf tieffrequente Geräusche und Töne besonders empfindlich. Gerade von Schwerhörigen wird tieffrequentes Dröhnen oft als starke Belastung empfunden. Es liegt daher nahe, in dem Frequenzbereich, wo R und A nur selten gemessen werden, aber erfahrungsgemäß meistens nur sehr klein sind [37], durch den Einbau spezieller TiefenAbsorber den Schallpegel Li nach Gl. (3.17) zu reduzieren. Sie könnten hier im günstigsten Fall auf dreierlei Art der Lärmminderung dienen durch a) Abbau der Raum-Eigenresonanzen, b) Verhinderung der Einkopplung von Bauteil-Resonanzen und c) Bedämpfung der in den Raum dringenden Außen-Geräusche.
3.8 Schalldämpfer in Strömungskanälen
25
Üblich ist dies bisher allerdings nicht, weil die geltenden Anforderungen, Richtlinien und Messvorschriften die Emission, Transmission und Immission von Schall betreffend, dem Frequenzbereich unter 100 Hz generell noch zu wenig Beachtung schenken und es bis vor kurzem auch an hierfür wirklich geeigneten Schall-Absorbern fehlte.
3.8 Schalldämpfer in Strömungskanälen Das ist bei der Auslegung von Schalldämpfern für Lüftungskanäle ganz anders: Hier ist es seit langem selbstverständlich, ihre Wirksamkeit auf das jeweils durch die Anlage, z. B. ihre Strömungsmaschine, vorgegebene Schallleistungs-Spektrum (LW) anzupassen. Dabei wird zwar oft bei hohen Frequenzen stark übertrieben. Bei der Ausbreitung über große Entfernungen s [m] im Gelände bleiben nämlich gemäß Li
LW De DI 20lg s
∑ D 11dB i
(3.19)
i
im Immissions-Pegel Li, wie bereits an Hand von Gl. (2.1) diskutiert, wiederum nicht selten vor allem die tieffrequenten Geräuschanteile übrig, weil alle Dämpfungseinflüsse auf dem Ausbreitungsweg und auch eventuell vorhandene Abschirmungen (Di) grundsätzlich bei hohen Frequenzen viel höhere Werte erreichen als bei tiefen. Die Absorption z. B. bei der Schallausbreitung im Freien, Da
Da s
(3.20)
beträgt nach Tabelle 3.2 oberhalb 2.5 kHz bereits mehr als 10 dB km–1, ist aber unterhalb 250 Hz vernachlässigbar. Auch die Richtwirkung („directivity index“ DI) an der Kanalmündung ins Freie bewirkt gemäß Abschn. 13.5.4 oftmals eine Abschwächung nur der hohen Frequenzen. Die Einfügungsdämpfung De der regelmäßig in die Kanäle oder Schornsteine einzubauenden Dämpfer verlangt daher von den darin eingesetzten Absorbern sehr häufig einen möglichst hohen Absorptionsgrad D gerade bei den tiefen Frequenzen, um nach W. Piening [38] gemäß De
1.5 D
U L [dB ] S
(3.21)
weit unterhalb der „Durchstrahlungs“-Frequenz (s. Abschn. 13.2 und [39]) bei vorgegebener Länge L[m] sowie absorbierender Berandung U[m] und freiem Querschnitt Ss[m2] des Schalldämpfer-Aufbaus wirksam werden zu können.
26
3 Schallabsorption für den Lärmschutz und die raumakustische Gestaltung
Aus dem geschilderten Bedarf für Schallabsorption vor allem bei den tiefen (< 250 Hz) bis sehr tiefen (unter 100, bis 50 oder 31 Hz herunter) Frequenzen folgt, dass passive (faserige/poröse) Schall-Absorber allein die vielfältigen Aufgaben auch in diesem Bereich des Lärmschutzes nicht mehr lösen können. Dicke Kulissen würden in Strömungskanälen und Schornsteinen unnötig hohe Druckverluste und Energiekosten verursachen, s. Kap. 13.
3.9 Kapselung von Maschinen und Anlagen Auch in Maschinen und Anlagen oft sehr eng umschließenden Schallkapseln bleibt meist nur wenig Platz für eine absorbierende Auskleidung, die nicht nur bei hohen, sondern auch bei mittleren und tiefen Frequenzen wirken könnte. Außerdem spricht hier ihre gleichzeitig hohe Wärmedämmung gegen den Einsatz von dickeren porösen oder faserigen Dämpfungsschichten. Eine hohe Schalldämmung R der meist geschlossenen StahlPaneele als außen liegende Wandelemente einer Schallschutz-Haube allein hilft nicht viel, wenn nicht im selben Frequenzbereich auch ausreichend Absorption in ihrem Inneren installiert ist. Nur so kann verhindert werden, dass die gedämmte und in der Kapsel eingeschlossene Schallenergie nicht zum Aufbau entsprechend höherer Innenpegel führt. Die Einfügungsdämmung De einer Kabine als Lärmschutz für Personen oder einer Kapsel als Maßnahme an der Quelle nach Abb. 3.3 hängt gemäß De
R 10lg
SK AK
R 10lg
1
DK
(3.23)
nicht von der Größe S K der geschlossenen Einhausung, aber stark von der äquivalenten Absorptionsfläche AK bzw. dem mittleren Absorptionsgrad
Abb. 3.3. Einhausung von Menschen (a) oder Lärmquellen (b) als Schallschutzmaßnahme [262]
3.10 Abschirmung ruhiger gegen laute Bereiche
27
D K ihrer Auskleidung ab. In kräftig durchströmten und stark verschmutzenden lauten Räumen sind mechanisch und chemisch hochresistente absorbierende Verkleidungen gefragt. Hier bieten sich der poröse Glasschaum nach Abschn. 4.3 (z. B. in Maschinenräumen) und mikroperforierte Flächengebilde nach Abschn. 9.3 an (z. B. in Motorräumen oder unter der Bodengruppe von Kraftfahrzeugen), im zweiten Falle auch mit einer Zusatzfunktion als „Hitzeschilde“ zur Verhinderung von Wärmeübertragung auf andere, z. B. Fahrgasträume.
3.10 Abschirmung ruhiger gegen laute Bereiche Zu den am meisten überschätzten Lärm bekämpfenden Maßnahmen gehören, jedenfalls bei ihrem konventionellen Einsatz in geschlossenen Räumen mit (schall)harten Wänden und Decken, Schallschirme etwa nach Abb. 3.4. Im besten Fall wird ihre abschirmende Wirkung etwa nach Ds
⎛
10lg ⎜⎜1 20 ⎝
2 heff sO
⎞ ⎟ ⎟ ⎠
(3.23)
vom Verhältnis der effektiven Schirmhöhe heff einerseits zur Schall-Wellenlänge O und andererseits zum Abstand s von Sender und Empfänger vom Schirm bestimmt und, wie man aus Abb. 3.5 entnehmen kann, stark begrenzt: Bei einem schon relativ hohen Schirm mit heff = 0.4 m sind
Abb. 3.4. So genannte Schallschirme zwischen Arbeitsplätzen in einer offenen Bürolandschaft (s. Abschn. 11.6.4)
28
3 Schallabsorption für den Lärmschutz und die raumakustische Gestaltung
Abb. 3.5. Maximal mögliche Abschirmung Ds nach Gl. (3.22) für verschiedene Schirmhöhen heff und s = 1 m bei vollständig absorbierenden Begrenzungen
oberhalb 1000 Hz zwar mehr als 10 dB Pegelminderung durch diese Maßnahme erreichbar; bei 100 Hz sind es aber nur noch 3 dB. Diese Werte setzen allerdings, oft ganz unrealistisch, voraus, dass sämtliche Flächen an und in der Nähe des Schirmes, so wie in Abb. 3.4 skizziert, voll absorbierend, d. h. nichts reflektierend, verkleidet werden. Hier könnte die Entwicklung einschaliger transparenter mikroperforierter Bauteile nach Kap. 9 einen Durchbruch bringen, auch hin zu größeren Werten von heff. Wo zusätzlich ein gewisser Sichtschutz erwünscht ist, lässt sich dies durch entsprechende Farbgebung und Bedruckung der Kunststoff- oder Glas-Bauteile bewerkstelligen.
4 Passive Absorber
Die nach Anwendungsbreite und Marktvolumen weitaus größte und wichtigste Gruppe von Schall-Absorbern folgt dem Prinzip, den Schallwellen bei ihrem Auftreffen nach Abb. 3.1 einen möglichst geringen Widerstand W entgegenzusetzen. Wäre die Schichtdicke d des passiven Absorbers sehr groß, so hinge nach [40] W
U0 c0
F V; 1 j 2 S f U0 F V
(4.1)
nur von drei Materialkennwerten ab: a) Porosität V mit dem akustisch wirksamen Luftvolumen im Absorber (VL) und dem Gesamtvolumen des Absorbers (VA), VL 1, VA
V
(4.2)
b) Strukturfaktor χ mit dem an der Kompression (VK) bzw. Beschleunigung (VB) beteiligten Luftvolumen,
F
VK t 1, VB
(4.3)
c) längenbezogener Strömungswiderstand Ξ mit dem Druckabfall 'p bei gleichmäßigem Durchströmen einer Absorberschicht der Dicke 'x mit der Geschwindigkeit v, ;
'p . v' x
(4.4)
Für sehr kleine Strömungswiderstände oder sehr hohe Frequenzen vereinfachen sich die Gl. (4.1), (3.6) und (3.7), ; 2S U 0 f
o W
U0 c0
F V
; D
4
F V 2 F V
,
(4.5)
30
4 Passive Absorber
und zeigen, dass für Fasermaterialien mit nur wenig von 1 abweichenden Größen σ und χ, wie sie üblicherweise für akustische Zwecke eingesetzt werden, sich W dem Wert U0c0 und α dem Wert 1 nähert („Anpassung“). Eine ebene Schallwelle würde in diesem Grenzfall exponentiell mit dem Laufweg im Material abklingen, nach [18, Kap. 8] mit einem Exponenten
P~
V; f. U 0 c02
(4.6)
Gl. (4.6) zeigt die charakteristische Eigenschaft aller passiven Schallabsorber, bei höheren Frequenzen stärker zu dämpfen. Nun soll aber der Schall auf einem möglichst kurzen Weg (d in Abb. 3.1) durch den Absorber zur reflektierenden Wand und auf dem Weg zurück durch Reibung der in der Welle mitbewegten Luftteilchen an dem sehr fein strukturierten faserigen oder offenporigen Material seine Energie an den sich im übrigen passiv verhaltenden Absorber abgeben. Dann genügt es offenbar nicht mehr, Ξ nur möglichst klein zu machen, für 100 Hz nach Gl. (4.5) z. B. weit unter 750 Pa s m2. Tatsächlich kommen für die Lärmbekämpfung und Raumakustik überwiegend Materialien mit Ξ > 7 500 Pa s m2 in Betracht. Damit der Schall nun einerseits möglichst ungehindert in den Absorber eindringen kann, sollte Ξ nicht zu groß gemacht werden. Damit er aber auf seinem zweifachen Weg durch den Absorber auch hinreichend starken Reibungsverlusten ausgesetzt wird, sollte Ξ andererseits genügend groß sein. Für die Bauteil-Kenngröße Strömungswiderstand (Ξ im Produkt mit der Schichtdicke d bzw. dieser Wert bezogen auf den Wellenwiderstand ρ0 c0) hat sich generell der Bereich 800 ; d 2 400 Pa s m 1 bzw. 2 H
;d V 6 U 0 c0 F
(4.7)
als „optimal“ herausgestellt. Das „Anpassungsverhältnis“ ε ist in Abb. 4.1 als Funktion von Ξ mit d als Parameter und σ | χ | 1 nach [39] dargestellt. Die etwas schematisierte und normierte Darstellung in Abb. 4.2 zeigt, dass für Schichtdicken d << λ dann trotzdem noch keine hohen Absorptionsgrade α erreicht werden können. Bei d t λ/8 kann man
D t 80% für d t
42.5 3 10 f
erwarten; aber erst für d > λ/4 wird α > 0.9.
> mm @
(4.8)
4 Passive Absorber
31
Abb. 4.1. Anpassungsverhältnis ε als Funktion des längenbezogenen Strömungswiderstandes Ξ für verschiedene Schichtdicken d
Diese äußerst einfache Dimensionierungsvorschrift für praktisch alle homogenen faserigen/porösen Materialien, die in der Praxis nur irgendwo als Schallabsorber oder -dämpfer zur Anwendung kommen, suggeriert eine geradezu universelle Einsetzbarkeit. Man beachte aber, dass zur Absorption bei 100 Hz mit d = 500 mm das optimale ; nach Abb. 4.1. zwischen 1 600 und 4 800 Pa s m2, also wiederum unterhalb des Strömungswiderstandes üblicher Absorptionsmaterialien, liegt. Derart lockeres Material wäre selbst im Bereich der Raumakustik, gut geschützt und verpackt, nicht einsatzfähig. Auch in meterdicken Kulissen hinter Faservlies und Lochblech empfiehlt es sich nicht, die tiefen Frequenzen mit Material optimalen Strömungswiderstandes mit entsprechend niedrigem Raumgewicht und geringer Festigkeit zu bedämpfen. Für die reflexionsarme Auskleidung von Freifeld-Räumen zu Messzwecken ging man deshalb zu O/4-langen Keilen oder Pyramiden über, die in ihrer Eintrittsebene den Schallwellen einen von U0c0 nur wenig abweichenden Widerstand entgegensetzen, aber auf ihrem nach [15, 16] insgesamt mindestens O/2 langen Laufweg hin zur Wand und wieder zurück dennoch fast alle (ca. 99%) ihrer Energie durch Dissipation im faserigen/porösen Material entziehen. Es versteht sich aber von selbst, dass man derartigen Auskleidungen mit Keillängen nach tK
85 3 10 f
> mm @
(4.9)
32
4 Passive Absorber
Abb. 4.2. Absorptionsgrad α faseriger/poröser Absorber unterschiedlicher Dicke mit optimalem Anpassungsverhältnis für diffusen (―) bzw. senkrechten (−·−) Schalleinfall [12]
von z. B. 1 700 mm für 50 Hz durch zusätzliche Armierungen oder akustisch transparente Abdeckprofile Halt und Schutz geben muss, damit sie dauerhaft „in Form“ bleiben. Für diesen tiefen Frequenzbereich gibt es aber glücklicherweise inzwischen Alternativen, die mit geringerem Volumen auskommen, weniger empfindlich sind und entsprechend hohe Standzeiten erreichen, s. Abschn. 12.5. Trotz dieser Einschränkungen für die praktische Realisierung homogener fein strukturierter Schichten kann man die durchgezogenen Kurven in Abb. 4.2 als Referenz-Kurven für recht gute passive Absorber bei statistischem bzw. die strich-punktierten bei senkrechtem Schalleinfall zum Vergleich heranziehen, auch wenn es sich um ganz andere Materialien und Konstruktionen gleicher Bautiefe handelt.
4.1 Faserige Materialien Die hier zunächst angesprochenen Absorber, vorzugsweise und überwiegend aus künstlichen Mineralfasern hergestellt, bezeichnet man als passiv, weil sie – trotz ihres in der Regel sehr niedrigen Raumgewichtes UA t 60 kg m3 – von Schallwellen praktisch nicht zum Mitschwingen angeregt werden. Ihre Strukturen – so zerbrechlich und empfindlich sie gegenüber mechanischer Beanspruchung auch sein mögen – sind i. a. schwer genug, um beliebigen Luftschallfeldern im Hörbereich keinerlei Angriffsfläche zu bieten. Man kann hier zusammenfassen, dass insbesondere faseri-
4.1 Faserige Materialien
33
ge Materialien mit einer Schichtdicke von 50 bis 100 mm geradezu ideale Schallabsorber für den Frequenzbereich oberhalb etwa 500 bis 250 Hz darstellen. In diesem Frequenzbereich lässt sich die jeweils erforderliche Absorption nach den Gl. (3.1) bis (3.8) einfach abschätzen. Um im kHzBereich kräftig absorbieren zu können, reichen auch ein dicht gewebter Teppich oder eine Stofftapete von 5 bis 10 mm Dicke aus, allerdings mit einem Strömungswiderstand von, am besten, mehr als 105 Pa s m2. Für alle faserigen Absorber gilt, dass ein sie gegen Abrieb schützendes, entsprechend dichtes Faservlies dem optimalen Strömungswiderstand des Gesamtaufbaues nach Gl. (4.7) angepasst sein muss. Strömungswiderstände verschiedener gebräuchlicher Stoffe finden sich z. B. in [29, Tabelle 4.2]. Eine als Rieselschutz häufig vor dem Absorber angeordnete Folie darf, um den Schalleintritt nicht wesentlich zu behindern, gegenüber der in der Welle mitbewegten Luftmasse nach Gl. (3.2) nicht zu schwer ( mccF ) bzw. dick (t) sein: mFcc
U 0 c0 1 . 2S f
U F t mccA
Damit der Transmissionsgrad der Folie 80% beträgt, sollte nach [28, 30] mccF d
τF = Pt / Pi
(4.10) auch nur mindestens
90 [ kg m 2 ] f
(4.11)
sein, für f > 250 Hz also mFcc < 360 g m2, für 2 500 Hz aber nur 36 g m2. Diese Abschätzung gilt allerdings nur, wenn die Folie frei beweglich bleibt, also nicht (wie allgemein üblich) zwischen der Absorberfüllung und einem Lochblech eingezwängt wird, siehe [40, Bilder 6-17 und 6-18]. Einer Abdeckung aus einem widerstandsfähigen Stoff oder Vlies ist der Vorzug zu geben, insbesondere wenn letztere auf eine faserige Platte oder Matte aufkaschiert sind. Soll eine Lochplattenabdeckung als Sicht- und Berührungsschutz den Schall ebenfalls nur zu 80% durchlassen, so müssen nach [29, 31] die effektive Plattendicke teff [mm] und das Lochflächen-Verhältnis V entsprechend teff
V
d
75 3 10 f
>mm @
; teff
t 2't
(4.12)
gewählt werden. Aus [29, Bild 4.11] lassen sich die Mündungs-Korrekturen 2't ablesen, um welche die Plattendicke t bei unterschiedlicher Lochgeometrie vergrößert wirkt. Abdeckungen mit einem Perforationsgrad von
34
4 Passive Absorber
üblicherweise V > 0.3 sind dennoch bis zu sehr hohen Frequenzen als akustisch transparent zu betrachten. Für kleinere V siehe [40, Bild 6-16] und Abschn. 6.2. Zum Einfluss von Raumgewicht, Stopfdichte und Temperatur auf die Wirksamkeit faseriger Schallabsorber wird auf [39, 40, 43, 44] verwiesen. Es sei hier aber deutlich gesagt, dass auch detailliertere Berechnungen für faserige Schichten mit den verschiedensten Abdeckungen wegen der i. a. recht großen Streuungen aller Materialdaten bei ihrer Herstellung immer nur eine grobe Abschätzung darstellen und bei der Planung regelmäßig Prüfergebnisse im Kundt’schen Rohr für senkrechten bzw. im Hallraum für statistischen Schalleinfall für die auf dem Markt in sehr großer Vielfalt erhältlichen Faser-Absorber zu Grunde gelegt werden müssen. Für ein faseriges Material, z. B. Glas- oder Steinwolle, mit einem konstant angenommenen längenbezogenen Strömungswiderstand von 8 000 Pa s m2, wie es häufig in Schalldämpfer-Kulissen zum Einsatz kommt, lässt sich der Absorptionsgrad bei senkrechtem Schalleinfall nach [43] für unterschiedliche Schichtdicken d berechnen. Abbildung 4.3 verdeutlicht, dass dieses Material ein optimales Ergebnis in guter Übereinstimmung mit der von tiefen Frequenzen steil ansteigenden Charakteristik wie in Abb. 4.2 nur für d # 200 mm erwarten lässt. Wegen des bei größeren Schichtdicken wie d = 500 mm viel zu großen Strömungswiderstandes bleibt die Absorption oberhalb 31.5 Hz deutlich unter den Erwartungen. Bei dünneren Schichten,
Abb. 4.3. Absorptionsgrad α0 bei senkrechtem Schalleinfall auf eine Schicht unterschiedlicher Dicke d aus handelsüblichen Mineralfasern vor schallharter Wand bei optimal angepasstem Strömungswiderstand ε = 4 (−·−) bzw. konstantem Ξ = 8 000 Pa s m2 nach [43] (―)
4.2 Offenporige Schaumstoffe
35
Abb. 4.4. Absorptionsgrad αS bei diffusem Schalleinfall auf eine 60 mm dicke Glaswolleplatte mit 80 kgm3 hinter einer 5 mm dicken porösen Putzschicht (□) im Vergleich mit einem Absorber gleicher Gesamtdicke nach Abb. 4.2
wie sie in Wand- und Deckenverkleidungen üblich sind (z. B. d = 20 bis 50 mm), liegt die Absorption im gesamten interessierenden Frequenzbereich weit unter den Werten nach Abb. 4.2. Es macht daher Sinn, dünnere Mineralwolle-Schichten vor Ort mit einem relativ dichten porösen Putz abzudecken. Dieser kann zumindest die Absorption bei den mittleren Frequenzen erheblich verbessern, sowie die empfindliche Mineralwolle optisch und haptisch attraktiv verkleiden. Abbildung 4.4 zeigt z. B. den im Hallraum gemessenen Absorptionsgrad eines insgesamt 65 mm dicken derart geschichteten handelsüblichen Aufbaus. Letzterer kann aber weder die Wirksamkeit eines ausgesprochenen TiefenSchluckers nach Kap. 5 erreichen, noch diejenige eines Breitband-Absorbers nach Abschn. 10.1 u. 10.2 mit Absorptionsgraden auch weit oberhalb 80% in einem jeweils weiten Frequenzbereich.
4.2 Offenporige Schaumstoffe Kunststoff-Schäume, deren feine Skelettstrukturen kleine Poren im SubMillimeter-Bereich untereinander offen halten, wirken in erster Näherung gemäß den Gl. (4.1) bis (4.7) ganz ähnlich wie die faserigen Schallabsorber gemäß Abb. 4.2. Bei bestimmten Weichschäumen kann man bei tieferen Frequenzen, bei denen nach Gl. (3.2) auch erhebliche Luftmassen in Bewegung gesetzt werden, ein Mitschwingen des Materials beobachten und für schalltechnische Optimierungen nutzbar machen. Die hohe Flexibilität,
36
4 Passive Absorber
Abb. 4.5. 8.5 m hoher Umlenk-Schalldämpfer eines Windkanlas (links) mit MembranAbsorbern nach Abschn. 12.4 und mit Schaumstoff-Belegungen aerodynamisch optimierte Umlenk-Profile (rechts) [45]
leichte Verarbeitung und Formbarkeit sowie haltbare Verbindungsmöglichkeiten mit anderen Materialien, auch durch dauerelastische Verklebungen, machen Schäume zu einem wichtigen Schallabsorber im Lärmschutz wie in der Raumakustik. Als strömungsgünstig geschnittene Formteile können diese porösen Absorber z. B. den Leitblechen in den Umlenkecken großer Luftführungen angepasst werden. Im Kfz-Akustik-Windkanal der Universität Stuttgart [45] sind mit einer sehr dünnen Verhautung versehene Schaumstoff-Profile ohne Spuren von Abrieb oder Alterung seit 1993 Anströmgeschwindigkeiten bis 137 km h1 (38 m s1) ausgesetzt (Abb. 4.5). In Abb. 4.6 werden einerseits der Bonus von bis zu 20 dB durch die zweifache Schallumlenkung und andererseits der geringfügige Malus durch die Verhautung deutlich. Mit der saugseitig konstant 40 bzw. 100 mm und druckseitig bis 160 bzw. 200 mm dicken Verkleidung konnte der Widerstandsbeiwert der in diesem Fall vorgegebenen „Kröber“-Profile außerdem energiesparend von U = 0.135 auf 0.112 verringert werden. Für manche Anwendungen in der Raumakustik, wo es die BrandschutzAnforderungen zulassen (mindestens B1-Qualität nach alter deutscher Norm ist gefragt!), lassen sich Schäume handlicher, flexibler und attraktiver als Fasern verarbeiten. Als Abdeckung genügt häufig ein reißfestes
4.2 Offenporige Schaumstoffe
37
Abb. 4.6. Einfügungsdämpfung De zweier 2.5 m langer Profile nach Abb. 4.5; Schaumstoff unverhautet (∆); Schaumstoff verhautet (○); gleich lange gerade, 100 mm dicke Kulissen mit 500 mm Spalt (□)
Tuch mit geeignetem Strömungswiderstand. Auf dem Markt findet man aber auch solche textilen Beschichtungen, die den Wirkungsbereich poröser Absorber, ähnlich wie in Abb. 4.4 für faserige Absorber illustriert, ein wenig von hohen zu mittleren Frequenzen verschieben. Auf dem Boden von Schallkapseln oder Freifeld-Räumen lassen sich mit einem dünnen Lochblech abgedeckte Schaumstoff-Verkleidungen sogar begehbar machen, s. Abschn. 12.6.1 und [46]. Der Trend zu organischen (z. B. Seegras, Kokosfasern, Holzschnitzeln) oder tierischen Materialien (z. B. Schafswolle) als umweltfreundlichem Ersatz für künstliche Mineralfasern ist zwar nach kurzem Boom wieder abgeklungen. Man kann aber festhalten, dass auch weiterhin alle porösen oder faserigen Stoffe mit in etwa optimalem Strömungswiderstand nach Gl. (4.7) als Dämpfungsmaterial in Frage kommen. So kann man z. B. eine verschmutzungsempfindliche Mineralfaser-Füllung in einer SchalldämpferKulisse zunächst mit geeignetem Vlies oder Folie abdecken und davor eine dünnere (weil viel teurere) Schicht aus Edelstahlwolle hinter Lochblech anbringen. Eine derart verkleidete Kulisse lässt sich leichter z. B. mit Druckluft oder Wasserstrahl rückstandsfrei von Ablagerungen aus dem Fluid reinigen. Wenn man stattdessen Aluminiumspäne als Schallabsorber einsetzen möchte, muss man das Material nur genügend dicht stopfen, um eine Absorption wie mit einer gleich dicken Mineralfaser-Schicht zu erreichen, s. [13, Teil 1, Bild 11]. Es ist jedenfalls nicht notwendig, die Porengröße, Spandicke oder Faserstärke, wie bei Mineralfasern üblich, im Pm-Bereich
38
4 Passive Absorber
zu suchen, s. [44, Tabelle 19.7], wenn man mit diesen diversen fein strukturierten Materialien neben der Schalldämpfung nicht gleichzeitig die Wärmedämmung optimieren möchte. Schließlich liegt die Dicke der akustischen (Zähigkeits-)Grenzschicht an einem ebenen Hindernis,
G
K U0 Z
1500 f
> P m@ ,
(4.13)
mit der dynamischen Zähigkeit von Luft K = 0.018 kg m1s1 bei 20°C bei mittleren und tiefen Frequenzen f [Hz] auch nur im Sub-Millimeter-Bereich, s. Tabelle 3.2.
4.3 Geblähte Baustoffe Zu den unabsichtlichen Dämpfungseffekten im Bau gehören Kanten, Spalte, Nischen und Hohlräume, auch wenn sie anderen Zwecken dienen sollen, z. B. der Erhöhung der Diffusität von Schallfeldern. Lüftungs- und andere haustechnische Komponenten können so erheblichen Einfluß auf die raumakustische Planung haben. Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Bauteilen an Wänden und Decken, die neben statischen auch schallabsorbierende Aufgaben gezielt übernehmen können. Dazu gehören z. B. Bauteile aus Blähton, Porenbeton und besonders geformte Loch- oder Hohlblocksteine. Wenn die darin vorgegebene Porosität nicht durch dichte Putze oder Abdeckungen verschlossen wird, kann man auch in inhomogenem porösen Material selbst bei einem nach Gl. (4.7) keinesfalls optimalen Strömungswiderstand ; d für d # O/4 einen Absorptionsgrad D nahe 1 erwarten. Allerdings tritt gemäß Abb. 4.7 z. B. für ein haufwerksförmiges Lavagestein mit F # 4 und einer Schallgeschwindigkeit im Material von c # 170 m s1 für d = 120 mm bei etwa 800 Hz entsprechend d # O/2 ein Dämpfungs-Minimum in Erscheinung und erst bei d # 3O/4 ein zweites Maximum. Wenn man aber als Ausgangsmaterial einen durch und durch offenporig und genügend fein strukturierten Glasschaum zum Einsatz bringt [42], dann kann man, wie Abb. 4.8 zeigt, bei einiger Optimierung eine AbsorptionsCharakteristik vergleichbar mit derjenigen einer Mineralwolleschicht erreichen. Dazu werden Altglasscherben gemahlen und mit einem Blähhilfsmittel gemischt. Dann erfolgt die thermische Expansion der Granulate, die abschließend fraktioniert werden. Diese Produkte sind bereits kommerziell verfügbar und werden vielfach als Leichtzuschläge für Mörtel verwendet. Bei der Glasschaum-Herstellung werden diese Blähglasgranulate mit einem Sinterhilfsmittel beschichtet. Aus dieser Masse wird mit Hilfe eines Formge-
4.3 Geblähte Baustoffe
39
Abb. 4.7. Absorptionsgrad α0 bei senkrechtem Schalleinfall eines haufwerksförmigen porösen Lavagesteines mit d = 120 mm [41] im Vergleich mit einem gleich dicken Absorber nach Abb. 4.2
bungsverfahrens (z. B. Achsial-Pressen) ein Formkörper hergestellt, der anschließend getrocknet wird. Der so entstandene „Grünkörper“, der sich bereits mechanisch nachbearbeiten lässt, erfährt eine abschließende thermische Behandlung, wobei er ähnlich wie ein Ziegel gebrannt wird. Während dieses Brennprozesses entsteht eine Art Flüssigphasensinterung, wodurch die Blähglasgranulate punktuell miteinander „verkleben“. Im Verlauf dieses Sinterungsvorganges tritt ein Ionenaustausch zwischen der Flüssigphase und den Granulaten auf, der zu einer stoffeigenen Bindung führt. Der so entstandene faserfreie Absorberwerkstoff kann anschließend spanabhebend, z. B. durch Bohren, Sägen oder Fräsen, mit handelsüblichen Maschinen bearbeitet werden, wodurch eine sehr vielfältige Anwendung möglich wird. Dieser nicht brennbare Glasschaum mit einer Rohdichte von 200 bis 400 kg m3 zeichnet sich durch hohe Druckfestigkeit (1.2 bis 9 106 Pa) und Temperaturbeständigkeit (bis 540°C) und außerordentliche Umweltverträglichkeit sowie Rückführbarkeit aus. Wenn es gelingt, die akustischen Anforderungen auch in der Massenfertigung verlässlich und dauerhaft zu gewährleisten, bietet sich dieses Material für Trennwände, Abschirmungen, Wandauskleidungen, Kapselungen, Unterdecken, abgehängte Akustik-Module und Schalldämpfer-Kulissen an, wo größte mechanische Robustheit und chemische Resistenz gefordert sind. Sein gegenüber den meisten anderen porösen Absorbern deutlich höheres Gewicht dürfte in vielen Fällen durch seine höhere Stabilität aufgefangen werden.
40
4 Passive Absorber
Abb. 4.8. Mikroskopische Aufnahme (oben) und Absorptionsgrad α0 bei senkrechtem Schalleinfall eines aus drei jeweils 100 mm dicken Schichten mit 230, 250 und 275 kg m3 aufgebauten Glasschaumes [42] im Vergleich mit einem Absorber gleicher Gesamtdicke nach Abb. 4.2 (−·−)
5 Platten-Resonatoren
In Kap. 4 ging es einleitend – darin der historischen Entwicklung folgend – um die passiven Absorber. Entsprechend ihrer im Markt bisher dominierenden Präsenz nehmen sie in allen zitierten Standard-Darstellungen von Schallabsorbern und -dämpfern den weitaus größten Raum ein. Im Zusammenhang mit der als Rieselschutz üblichen Abdeckung von Faser-Absorbern mit Folien als vorgesetzte luftundurchlässige Schichten sollte deren Masse nach Gl. (4.11) eine gewisse Grenze nicht überschreiten, um den Schalleintritt in das poröse Material als dem eigentlichen Absorber möglichst wenig zu behindern. In Abschn. 6.2 wird beschrieben, wie mit nur teilweiser, z. B. streifenförmiger, massefreier Abdeckung eines hinter den so gebildeten Eintrittsschlitzen dicht gepackten porösen oder faserigen Materials sehr breitbandig wirksame Absorber für mittlere Frequenzen geschaffen werden können. Im Folgenden werden reaktive Absorber behandelt, die dem Schallfeld eine undurchlässige Schicht entgegensetzen, deren flächenbezogene Masse mcc nicht klein, sondern groß gegenüber der in der auftreffenden Welle mitbewegten Luftmasse nach Gl. (3.2) ist. Eine solche Masse kann mit dem Schallfeld nur reagieren, wenn sie als Teil eines Resonanzsystems anregbar gemacht wird. Dies geschieht am einfachsten dadurch, dass eine Platte im Abstand zu einer schallharten Rückwand, etwa wie in Abb. 5.1 angedeutet, auf einer Unterkonstruktion befestigt wird, die den Wandabstand d definiert und das so gebildete Luft-Kissen akustisch schließt. Im Inneren des durch die Plattenbewegung komprimierbaren Luftraumes sollte – gemäß der historischen
Abb. 5.1. Klassischer Platten-Resonator aus einer geschlossenen Schicht der Masse mcc (1); einem unnachgiebigen Rahmen (2); einem Luftkissen der Dicke d (3); einer Dämpfungsschicht der Dicke dD (4)
42
5 Platten-Resonatoren
Entwicklung – eine dünnere Schicht (dD) aus einem faserigen oder offenporigen Dämpfungsmaterial mit einem Strömungswiderstand ; dD, der im optimalen Fall Werten nach Gl. (4.7) entspricht [21], so lose eingebaut werden, dass sie nach Möglichkeit die Platte nicht berührt und deren Schwingungen daher weder behindern noch direkt bedämpfen kann [31, S. 140].
5.1 Folien-Absorber Wenn die schwere Schicht 1 in Abb. 5.1 selbst keine Steifigkeit aufzuweisen hat, trifft die nach Abb. 3.1 auffallende Schallwelle auf die WandImpedanz gemäß Gl. (3.6)
W
r Wm Ws
; Wm
j Z mcc
j Z Ut t
(5.1)
mit der etwas schwer zu quantifizierenden Reibung r [Pa s m–1], nach [36] näherungsweise r = ; dD / 3, der Kreisfrequenz Z = 2 Sf sowie der flächenbezogenen Masse mcc [kg m–2] der Platte mit der Dicke t [mm]. Für LuftKissen, deren Dicke d klein gegenüber O/4 ist, reduziert sich deren Impedanz auf ihre flächenbezogene Federsteife scc [Pa m–1]: Ws
j U0 c0 cot
Zd c0
#j
U 0 c02 Zd
j
scc
Z
.
(5.2)
Die stärkste Reaktion zeigt dieser Resonator, wenn der Imaginärteil von W verschwindet. Dies ist bei der Resonanz-Frequenz fR [Hz] (mit d [mm]) der Fall: fR
1 2S
scc c # 0 cc m 2S
U0 mcc d
#
1900 . mcc d
(5.3)
Damit lässt sich W, normiert auf U0 c0, schreiben als W U0 c0
r mccscc ⎛ f f j R ⎜ U0 c0 U0 c0 ⎝ f R f
⎞ ⎟ ⎠
r c j Z Rc F .
(5.4)
Der normierte Resonator-Kennwiderstand Z Rc
ZR U 0 c0
mccscc U0 c0
mcc U0 d
(5.5)
5.1 Folien-Absorber
43
ist eine Funktion nur der Größe der Masse und der Feder des Resonators, und er bestimmt nach Gl. (3.7),
D
4r c
r c 1
2
D max
Z Rc F
2
⎛ Zc ⎞ 1 ⎜ R F ⎟ c ⎝ r 1 ⎠
2
; F
f f R, fR f
(5.6)
im Produkt mit der Frequenz-Verstimmung F den Absorptionsgrad D bei senkrechtem Schalleinfall. Man erkennt an Gl. (5.6) dreierlei: – Der maximal mögliche Absorptionsgrad DR = 1 kann nur mit der für dieses einfache Masse-Feder-System optimalen Dämpfung (rc = 1 bzw. r = U0 c0) bei der Resonanzfrequenz erreicht werden (F = 0 bzw. f = fR). – Unabhängig von dem Wert der Absorption bei Resonanz DR (fR) klingt D, über der logarithmischen Frequenzskala in Abb. 5.2 nach Art einer „Glockenkurve“ zu beiden Seiten von fR mit wachsendem ~F~um so stärker ab, je kleiner der Reibungswiderstand rc in diesem einfachen System ist. – Während sich aber der rc-Einfluss auf die Bandbreite, auch wenn man geeignetes Dämpfungsmaterial einsetzen könnte, nur etwa um einen Faktor 5 ändern ließe (rc # 0,2 gegenüber rc # 1), stellt der im Produkt mit F auftretende Kennwiderstand ZcR einen Einstellparameter für die mit einem solchen reaktiven Absorber erreichbare Breitbandigkeit dar, der sich um Größenordnungen variieren lässt. Auch dieser Sachverhalt wird in Abb. 5.2 als Funktion der mit der jeweiligen Resonanzfrequenz fR normierten Frequenz dargestellt. Will man also ein Masse-Feder-System optimal auslegen, dann kann man dies – unabhängig von r – sehr gezielt durch Wahl des Kennwiderstandes tun. Da fR nach Gl. (5.1) nur vom Verhältnis scc/mcc abhängt, so heißt die wichtigste Auslegungsregel unter der vorgegebenen Zielsetzung, sowohl mcc als auch scc – unabhängig vom jeweiligen fR – möglichst klein zu wählen. Es bestätigt sich damit einerseits, dass Tiefen-Absorber nicht allein durch große Masse zu bewerkstelligen sind. Nicht nur aus akustischer Sicht sollte nach [29] der Wandabstand weder zu groß noch zu klein gegenüber den zu dämpfenden Wellenlängen O sein, 3400 f
O 100
d
O 12
28 3 10 f
> mm @.
(5.7)
Folgt man der aktuellen Herausforderung von Kap. 2, spezielle TiefenAbsorber auszulegen, so verbieten sich natürlich generell die großen Bautiefen d nach Gl. (5.7) als Wandverkleidungen, z. B. 560 mm für 50 Hz, und man muss danach trachten, über möglichst kleine Massen mcc zu kleinen
44
5 Platten-Resonatoren
Abb. 5.2. Absorptionsgrad D eines einfachen Masse/Feder-Schwingers in Abhängigkeit von der Frequenz f und dem normierten Kennwiderstand ZcR; (a) schwach bedämpft (rc = 0.2); (b) optimal bedämpft (rc = 1); (c) stark bedämpft (rc = 5)
Werten für ZcR zu kommen. Dagegen spricht aber bei diesem Resonator seine zentrale Auslegungsregel Gl. (5.3), weshalb auch die konventionellen Tiefen-Absorber nach diesem Prinzip stets nur relativ schmalbandig wirken bzw. nur D-Werte unter 0.5 erreichen, vgl. [31, Tafel 7.1.] für die üblichen Sperrholz-, Holzspan- und Gipskartonplatten mit bzw. ohne Hinterfüllung des Hohlraums. Eine 2.5 mm dicke Stahlplatte im Abstand d = 100 mm sollte bei optimaler Dämpfung rc = 1 zwar theoretisch D = 1 bei fR = 50 Hz erreichen, mit ZcR = 11 aber nur in einem extrem schmalen Band wirksam werden. Wenn
5.1 Folien-Absorber
45
es daher darum ging, eine zu tiefen Frequenzen stark ansteigende Nachhallzeit in einem Saal zu reduzieren, musste der Akustiker bislang große d durchsetzen (Bauvolumen!), unterschiedlich abgestimmte Resonatoren nebeneinander anordnen (Flächenbedarf!) und damit dem Bauherrn für derartige „Vertäfelungen“ sehr hohe Kosten zumuten (Budgetgrenzen!). Man ist deshalb nicht selten schon auf in Nischen und Hohlräumen, z. B. im Deckenbereich, von Konzertsälen und Theatern „versteckte“ HelmholtzResonatoren (s. Kap. 6) ausgewichen, ebenfalls nur mit relativ geringem Wirkungsgrad. Etwas günstiger sieht die Auslegung von Resonatoren mit dünneren Kunststoff-Folien oder Metall-Membranen für mittlere Frequenzen aus, insbesondere wenn mehrere Schichten hintereinander angeordnet werden.
Abb. 5.3. Absorptionsgrad α0 für senkrechten Schalleinfall auf eine 0.3 mm dicke Polycarbonat-Folie in den Abmessungen 200 u 200 mm, 50 mm vor schallharter Wand
46
5 Platten-Resonatoren
Abb. 5.4. Absorptionsgrad α0 für senkrechten Schalleinfall auf dreifach vor einer schallharten Wand angeordneten Folien; Messung (□); Rechnung (○)
Abb. 5.5. Berechneter Absorptionsgrad α0 von Folien vor schallharter Wand; einfache Anordnung (---); dreifache Anordnung (―)
5.1 Folien-Absorber
47
Abbildung 5.3 zeigt zunächst den im Kundt’schen Rohr ermittelten Absorptionsgrad einer Folie mit mcc = 0.28 kg m–2 im Abstand d = 50 mm vor schallharter Rückwand. Bereits ohne Dämpfungsmaterial im Hohlraum stellt sich in dieser Konfiguration eine fast optimale Dämpfung rc # 0.8 bei fR # 500 Hz ein. Legt man die Resonanzen von 3 hintereinander angeordneten Folien durch entsprechende Wahl ihrer Flächengewichte und Abstände zueinander weit auseinander, so zeigen Messung und Rechnung nach [47] deutlich getrennte D-Maxima (Abb. 5.4). Liegen die Resonanzen dagegen enger beisammen, so erscheint die Absorption der geschichteten Anordnung etwas gespreizt. Abbildung 5.5 zeigt einen Absorber, der zwischen 200 und etwas oberhalb 2000 Hz gut 60% absorbiert. In [48] wurden becherförmig tiefgezogene und zu handlichen Modulen zusammengesteckte marktgerechte Folien-Absorber beschrieben. Ein ungefährer Vergleich der im Hallraum gemessenen Absorption dieser Variante aus 3 Lagen 0.2 bis 0.4 mm dicker ebener bzw. tiefgezogener PVC-Folien in Abb. 5.6 mit der gerechneten in Abb. 5.5 lässt erkennen, dass man nicht, wie z. B. in [48] ausgeführt, die Anregung diverser Biegeschwingungen der vielfach gefalteten Boden- und Stegelemente der Becher annehmen muss, um ihre breitbandige Wirkung zu erklären. Inzwischen sind transluzente Folien-Baffles in Arbeitsräumen mit hohen hygienischen Anforderungen zum Einsatz gekommen (Abb. 5.7), die gegenüber konventionellen Bauformen mit Mineralwolle-Füllung einige Vorteile aufweisen: – dichte, geschlossene Oberfläche und daher leicht sauber zu halten, – lichtdurchlässige Ausführung für abgehängte Decken in Räumen mit Dach-Belichtungselementen, – niedriges Flächengewicht und daher geringe zusätzliche Belastung der Tragkonstruktion der Decken.
Abb. 5.6. Prinzipskizze eines Folien-Absorbers nach N. Kiesewetter [48] und sein Absorptionsgrad αs für diffusen Schalleinfall
48
5 Platten-Resonatoren
Abb. 5.7. Transluzente Folien-Absorber-Baffles über der Abfüllanlage einer Brauerei
Über eine andere Innovationslinie mit PVC-, Polycarbonat- und ETFEFolien, die mittels einer Mikroperforation auch zu noch höheren Frequenzen in einlagiger und zweilagiger ebener Ausführung wirksam werden können, wird in Kap. 9 berichtet.
5.2 Platten-Schwinger Am Beispiel diverser biegeweicher ebener Folien-Absorber in Kap. 5.1 wurde deutlich, daß es – entgegen überlieferten Vorstellungen – zur Realisierung eines breitbandig wirksamen Resonators mit optimalen Verlusten (rc # 1) gemäß Abb. 5.1 nicht notwendig ist, – geeignetes Dämpfungsmaterial 4 locker im Luftkissen 3 einzubauen, – jeglichen Kontakt zwischen 4 und der Frontplatte 1 unbedingt zu vermeiden, damit letztere auch wirklich frei schwingen kann, – Breitbandigkeit durch eine Vielzahl von Eigenresonanzen von 1 zwischen den Auflagen 2 oder durch besondere Formgebung in 1 zu erzielen. In der mehr theoretisch motivierten Literatur wird ein „elastischer“ Platten-Resonator behandelt [44], bei welchem gemäß Abb. 5.1 eine Frontplatte 1 nicht nur als Ganzes gegen die Feder des Luftkissens 3 und u. U. auch der Auflage 2 schwingen, sondern statt dessen bzw. zusätzlich bei ihren Biegeschwingungs-Eigenfrequenzen Luftschall absorbieren soll. In [47] wird dem mit parallel geschalteten Impedanzen nach [48, 49] Wmn
…
⎡ Bc Bmn G mn Bc Bmn ⎤ j ⎢Z mcc Amn ⎥ ; m, n 1,3,5 4 ZL Z L4 ⎦ ⎣
(5.8)
5.2 Platten-Schwinger
49
einer quadratisch angenommenen Platte der Kantenlänge L und der Dicke t sowie flächenbezogenen Masse mcc und Biegesteife, Bc
E t3 12 (1 P 2 )
(5.9)
mit dem Elastizitätsmodul E und der PoissonZahl P (z. B. 0.3 für Stahl) nachgegangen. Die Konstanten Amn, Bmn wurden dabei aus [49] (vgl. Tabelle 5.1) für frei aufliegende (dickere) bzw. fest eingespannte (dünnere) Platten entnommen, die entsprechenden Verlustfaktoren in [47] aus zahlreichen Modell-Messungen im Kundt’schen Rohr an L = 0.2 m großen Platten empirisch zu G11 = 0.3 und G13 = G31 = G33 = 0.1 ermittelt. Um eine auch nur näherungsweise Übereinstimmung mit der Rechnung zu erreichen, musste also die Grundmode (wohlgemerkt ohne jedes Dämpfungsmaterial an der Platte oder im Hohlraum) viel stärker gedämpft als alle höheren Moden angenommen werden, ohne dass für die Werte der verschiedenen Verlustfaktoren in [47] physikalisch Rechenschaft hätte abgelegt werden können. Überhaupt zeigt die Entwicklung von leistungsfähigen Schall-Absorbern für die tiefen Frequenzen einmal mehr die Überlegenheit der systematischen Arbeit am Objekt verglichen mit der reinen Theorie, wenn es um Fortschritte in einer so praxisbezogenen Disziplin wie der technischen Akustik geht. Die Übereinstimmung der experimentell und theoretisch aus W
Wmn j
U 0 c02 Zd
;
f mn
c0 2S
U0 mcc d
⎛ ⎜ ⎝
1 Bc d Bmn ⎞ ⎟ Amn U0 c02 L4 Amn ⎠
(5.10)
gefundenen Eigenfrequenzen stimmen bei den kleinen (L = 0.2 m) in [47] untersuchten Test-Objekten zwar auch für mehrschichtige Anordnungen aus Aluminium bis t = 0.8 mm recht gut überein. Bei d = 30 bis 50 mm dicken Luftzwischenräumen bleiben sie aber, alle noch weit oberhalb 125 Hz, so weit auseinander und derart schmalbandig, dass man daraus folgern kann, dass derartige Platten-Resonatoren so niemals große praktische Bedeutung erlangt hätten. Wenn man ebene Metall- durch Kunststoff-Folien ersetzt, zeigt aber die Messung in [47, Bild 11], in Abweichung von der Rechnung, deutlich breitere Maxima. Dieser Exkurs bestätigt aber immerhin die praktische Erfahrung in [29, 31], dass man die kleinste Plattenabmessung nicht unter 0.5 m und ihre Fläche nicht kleiner als 0.4 m2 wählen sollte, um bei geeigneter Dämpfung im Hohlraum wenigstens die Masse-Feder-Resonanz nutzen zu können, so gut dies eben bei einer festen Einspannung der einzelnen Paneele am Rand überhaupt möglich ist. Selbst dann gilt die Auslegung dieser Resonanz-Absorber wegen einer Vielzahl von Einflüssen von der Art der Befestigung zwi-
50
5 Platten-Resonatoren
Tabelle 5.1. Bei der Berechnung der Eigenfrequenzen nach Gl. (5.10) von am Rande aufliegenden quadratischen Platten auftretende Konstanten nach [49] Auflage
A11
fest frei
2.02 1.52
A13 = A31 10.8 13.7
A33 57.1 123
B11 2640 592
B13 = B31 5
1.9 u 10 1.3 u 105
B33 2.8 u 106 3.9 u 106
schen 1 und 2 gemäß Abb. 5.1 als stets unsicher, und es wird in [29, 31] empfohlen, sich im konkreten Fall immer auf Messergebnisse abzustützen. Zu einem ganz anderen, zu viel tieferen Frequenzen reichenden und unvergleichlich breitbandiger arbeitenden Platten-Resonator kann man aber gelangen, wenn man seinen Aufbau in einigen wesentlichen Merkmalen gemäß Abschn. 5.3 verändert.
5.3 Verbundplatten-Resonatoren Die Schmalbandigkeit der üblichen steifen Platten-Resonatoren nach Abschn. 5.2, die eine Folge weniger ihrer fehlenden Dämpfung als ihres hohen Kennwiderstandes nach Gl. (5.5) ist, hat nach einigen Umwegen – die in [7, Fig. 17] grob umrissen werden – zur Entwicklung eines sehr wirkungsvollen neuartigen Platten-Absorbers geführt, der tatsächlich außer bei seiner Masse-Feder-Resonanz auch zu einer Vielfalt von Biegeschwingungen angeregt werden kann. Dazu muss aber seine etwa 0.5 bis 3 mm dicke Stahlplatte, so wie in Abb. 5.8 dargestellt, auf ihrer ganzen Fläche und am gesamten Rand möchlichst frei schwingfähig und anregbar gelagert werden. Für derart schwere Platten (5 < mcc < 25 kg m–2), wie man sie sich nach Gl. (5.3) und (5.9) schon vorstellen muss, wenn man bei Bautiefen von nur 50 < d < 100 mm in den Frequenzbereich 100 > f > 50 (oder gar darunter) vorstoßen will, ist ohne weiteres klar, dass man mit lockerer Dämpfung im Hohlraum ohne Kontakt zur Platte eine optimale Bedämpfung jeglicher Platten-Schwingungen nach Gl. (5.6) und Abb. 5.2 (entsprechend rc # 1) unmöglich erreichen kann. Von dem dicht gestopften FolienAbsorber in [18, Bild 61] kann man aber bereits vermuten, dass auch ein inniger Verbund der Frontplatte (mit sehr geringer innerer Reibung wie bei Stahl) mit einem eng anliegenden, aber die Schwingungen in keiner Weise behindernden elastischen Material mit großer innerer Reibung vorteilhaft ist. Dies geschieht am besten dadurch, dass man die Platte ganzflächig auf einer Elastomerschicht „schwimmen“ lässt.
5.3 Verbundplatten-Resonatoren
51
Abb. 5.8. Verbundplatten-Resonator VPR (schematisch): 1 Frei schwingende Platte (z. B. 0.5 bis 3 mm Stahl); 2 faserige/poröse Dämpfungsschicht; 3 Befestigungswinkel; 4 Rohbauteil; 5 Rückenplatte (z. B. 2 bis 3 mm Stahl)
Wenn letztere nach Abb. 5.8 z. B. aus einer Weichschaum-Platte 2, wie in Kap. 4.2 beschrieben, besteht, die in etwa die Abmessungen der Frontplatte 1 oder (wie bei der Anwendung in Abb. 11.48) etwas größere bzw. (wie in Abb. 10.9 dargestellt) etwas kleinere besitzt, so können beide Schichten im Verbund vor einer schallharten Rückwand 4 (oder auch mit einer entsprechenden zweiten schweren Schale 5 als „Baffle“) vom dieses Flächengebilde umgebenden Schallfeld zu sehr vielfältigen, aber stets stark gedämpften Schwingungen angeregt werden. Gegenüber dem klassischen Platten-Resonator nach Abschn. 5.2 unterscheidet sich dieser Verbundplatten-Resonator VPR durch – vorzugsweise dünnere, hochelastische, aber bei Bedarf auch viel schwerere Frontplatten, – grundsätzlich viel kleinere Bautiefen, maximal d = 100 mm für den bevorzugten Frequenzbereich A zwischen etwa 31 bis 125 Hz, – tendenziell größere zusammenhängende Flächen SA > 1 m2, – vorteilhafterweise unterschiedliche Kantenlängen 1.5 m d Lx > Ly t 1 m, – Fehlen eines definitionsgemäß geschlossenen Luftkissens zwischen 1 und 4 bzw. 5 (Abb. 5.8), – dauerelastische punktweise Verbindung zwischen 1 und 2, – eine Befestigungs- bzw. Tragkonstruktion, die das Verbund-Modul an einer Wand oder Decke hält, ohne dass die Platten-Schwingungen dadurch wesentlich behindert werden,
52
5 Platten-Resonatoren
– gegebenenfalls einen Rahmen, der das gesamte Bauteil umschließt und durch gezielt einstellbare Perforationen an seinen Stirnflächen über den seitlichen Schalleintritt in die poröse oder auch faserige Schicht 2 quasi einen zweiten Schall-Absorber einstellbar macht, der sein Wirkungsmaximum, z. B. nach Bedarf in einen an A lückenlos anschließenden Frequenzbereich B zwischen etwa 125 und 500 Hz, also wiederum über 2 Oktaven, entfalten kann. Ein solcher sehr universell einsetzbarer Akustik-Baustein verwirklicht als erstes den Masse-Feder-Resonator nach Kap. 5.1 auf geradezu ideale Weise. Da eine hochdämpfende Platte 2 mit geeignetem Strömungswiderstand das Luftkissen ersetzt hat, entfällt für die meisten Anwendungen der schalltechnische Bedarf für zusätzliche Kassettierungen, Unterkonstruktionen oder Rahmen. Die Resonanzfrequenz dieses Verbund-Systems [300], fd
cd 2S
Ud Ut t d
fR
Ed , E0
(5.11)
verschiebt sich dennoch u. U. nur unwesentlich gegenüber fR in Gl. (5.3), wenn die Dehnwellen-Geschwindigkeit cd in 2 etwa im gleichen Maße gegenüber c0 verkleinert wie U d gegenüber U 0 vergrößert wird oder, anders gesagt, der Elastizitäts-Modul der Dämpfungsschicht Ed nur wenig von E 0 = 0.14 106 Pa (für Luft bei 20°C) abweicht, z. B. für Weichschaum: 0.1 < E < 0.8 106 Pa. Gegenüber Anordnungen wie in Abb. 5.1 kann die Verbundplatte frei schwingen. Dabei würde die 1,1-Mode, bei der die Platte in ihrer Mitte am stärksten ausgelenkt wird, aber nicht, wie etwa nach Gl. (5.9) zu erwarten, wegen der die Auslenkung behindernden Auflager zu einer höheren Grundfrequenz verschoben. Vielmehr kann in der Anordnung von Abb. 5.8 die Platte, ohne Fesselung an einen vorgegebenen Rahmen, in allen ihr selbst eigenen Moden frei schwingen, wenn 2 diese Schwingungen, etwa wie ein „Antidröhn“-Belag, nur ebenfalls ungehindert mitmacht und dabei bestimmungsgemäß dämpft. Wenn nun die Platte 1, wie auf einem See schwimmend, dem Schallfeld ausgesetzt wird, kann man mit einem Modell für den VPR gedanklich an die wohl ältesten systematischen Schwingungs-Untersuchungen anknüpfen. E. F. F. Chladni hat bereits 1787 [50] auf ebenen quadratischen Platten ohne jede Randeinspannung ihre Eigenresonanzen, zur nachhaltigen Verblüffung seiner Zeitgenossen, sichtbar gemacht, indem er sie mit einem „Staub“ aus Sand, Sägemehl oder dergleichen bedeckte. L. Cremer beschreibt in [51, Kap. 4] dieses historische Verfahren in seiner unnachahmlich einfachen und eindringlichen Sprache: „Bei Anregung in einer Eigenfrequenz fangen die feinen ‚Staubkörner’ an zu tanzen und wandern dabei an die Orte der Ruhe,
5.3 Verbundplatten-Resonatoren
53
an die Knotenlinien. Dabei bekommt man, wenn man die Frequenz der Anregung, die über Luftschall mit Lautsprechern oder direkt als Körperschall erfolgen kann, langsam gleiten lässt, eine Eigenschwingung nach der anderen zu sehen. Man kann sogar aus der Art des Wechselns der Eigenformen mit der Frequenz darauf schließen, ob mit starken Überlagerungen zu rechnen ist oder nicht. Die Chladnischen ‚Staubfiguren‛ sind allerdings nur ein Hinweis auf die Lage der Knotenlinien; sie sagen nicht aus, ob die von ihnen eingeschlossenen Gebiete sehr oder wenig schwingen.“ Heute kann man die Schwingungen einer z. B. 1.5 u 1 m großen und 1 mm dicken Stahlplatte viel besser mit einem Laser-Vibrometer sichtbar und messbar machen [52]. Abbildung5.9 zeigt die Auslenkung der Platte, zum einen wenn diese waagerecht auf einem schmalen, 100 mm hohen Holzrahmen vor einem harten Boden (ohne Dämpfung des Hohlraumes) aufgelegt bei der (5,3)-Mode nach Gl. (5.9) bei der Frequenz 50 Hz mit einem Lautsprecher frontal aus etwa 1 m Entfernung angeregt wird. Die Platte kann offenbar, trotz der allerdings relativ „weichen“ Auflage, bis in die Randbereiche sehr gut schwingen. Zum anderen ist in Abb. 5.9 die Auslenkung bei gleicher Anregung mit 76 Hz dargestellt, wenn dieselbe Platte ganzflächig auf einer 100 mm dicken Platte aus Melaminharzschaum (ohne Rahmen) aufliegt. Die Amplitude der Schwingung ist nur um den Faktor 1.4 geringer als im ersten Falle; aber bei keiner Frequenz lassen sich im zweiten Falle, ohne eine systematische Modal-Analyse, einzelne Moden identifizieren. Leider ist die mathematische Beschreibung der vollkommen freien Platten-Schwingungen endlicher Ausdehnung nicht einfach. Rayleigh [53] bezeichnet sie, fast 100 Jahre nach Chladni, als „a problem of great difficulty“. Erst in [54] erscheinen exakte Lösungen für allseitig völlig „freie“
Abb. 5.9. Momentanwert der mit einem Laser-Vibrometer gemessenen Auslenkung einer 1500 u 1000 u 1 mm großen Stahlplatte bei Anregung mit Luftschall. Oben: Platte auf 100 mm Holzrahmen, Anregung bei 50 Hz; unten: Platte auf 100 mm Melaminharzschaum, Anregung bei 76 Hz
54
5 Platten-Resonatoren
Randbedingungen, die auf [55] aufbauen. Bei der Behandlung von PlattenResonatoren nicht als Schall-Absorber, sondern in der komplementären Funktion als Schall-Generatoren in Musik-Instrumenten, wie z. B. als Decke und Boden von Violinen, beschäftigt man sich bei der Auswahl und Formgebung von Holzplatten (lange vor dem Zusammenleimen) ebenfalls mit den freien Biegewellen durch subjektive und objektive Klanganalysen. Wenn man sich selbst dort, wo es viel eher auf das Schwingverhalten bei diskreten Frequenzen ankommt, nach ausführlicher Diskussion [56] doch als Näherung mit den Eigenfrequenzen der aufgestützten Rechteck-Platte (ohne Luftkissen) zufrieden gibt, sollen diese hier, wo es um ein Modell für einen Breitband-Absorber geht, ebenfalls als Näherung herangezogen werden: f mx n y
Bc ⎡⎛ mx ⎢⎜ 2 mcc ⎢⎣⎝ Lx
S
⎞ ⎟ ⎠
2
⎛ my ⎜ ⎝ Ly
⎞⎤ ⎟⎥ ⎠⎥ ⎦
mx , my
⎡⎛ m 0.45 ct t ⎢⎜ x L ⎢ ⎣⎝ x
…
⎞ ⎟ ⎠
2
⎛ m y ⎞⎤ ⎟⎥ ; ⎝ Ly ⎠⎥ ⎦
⎜
(5.12)
1,2,3
weil anders „der mathematische Aufwand zu groß und die dabei gewonnene Durchsichtigkeit zu gering bliebe“ [51, Kap. 3]. Für eine t = 2 mm dicke 1.5 u 1 m große Platte aus Stahl mit einer Dehnwellen-Geschwindigkeit ct # 5 100 m s–1 läge die tiefste Eigenfrequenz etwa bei f1,1 = 6.6 Hz, also weit unter der Masse-Feder-Frequenz nach Gl. (7.3) von fR = 48 Hz für d = 100 mm. Die Anzahl der Eigenfrequenzen in einem bestimmten Frequenzband 'f steigt nach [57] gemäß 'N 1.75
SA 'f ct t
; SA
Lx L y
(5.13)
im Gegensatz zu den Raum-Resonanzen nach Gl. (4.6) mit der Mittenfrequenz nicht an. Trotzdem ergeben sich für das obige Beispiel in der 50 HzOktave bereits 9, in der 100-Hz-Oktave sogar 18 Eigenfrequenzen. Dies sind in jedem Fall genug, um für jede der Raum-Moden nach Kap. 4 eine PlattenResonanz zur Dämpfung bereit zu halten, insbesondere wenn man im praktischen Einsatz sowohl t als auch SD bei den vorzugsweise in den Kanten des Raumes zu installierenden Absorbern variieren kann – günstige Voraussetzungen jedenfalls, um einen breitbandig wirksamen Tiefen-Schlucker zu entwickeln. Tatsächlich treten in ihm die tieffrequenten Platten-Resonanzen bis etwa 125 Hz, alle gekoppelt mit der Masse-Feder-Resonanz auf, wenn auch vielleicht nicht genau so wie es in Gl. (5.9) für die Platte vor abgeschlossenem Luftkissen zum Ausdruck kommt. Für rechteckige Platten mit freien Rändern und Lx/Ly = 2; 1.5 und 1 sind in [56, Figs. 3.9–3.13] die Schwingungsformen aber sehr anschaulich dargestellt. Die dort angegebene
5.3 Verbundplatten-Resonatoren
55
Formel für die f1,1-Mode der quadratischen Platte weist gegenüber der entsprechend degenerierten Gl. (5.11) lediglich eine etwas kleinere Konstante auf: f1,1 # 0.6
ct t ( frei) ; L2
f1,1 # 0.9
ct t (aufgestützt ) L2
(5.14)
und lässt eine gegenüber Gl. (5.12) noch etwas größere Eigenfrequenzdichte der freien gegenüber der aufgestützten Platte erwarten. Da es hier aber überhaupt nicht auf die Identifikation einzelner Platten-Schwingungen ankommt, sondern nur auf eine ausreichende Frequenzdichte 'N im maßgeblichen Frequenzbereich um fR bzw. fd nach Gl. (5.10) herum, sollen diese neuartigen Absorber durch Messungen weiter beschrieben werden. Abbildung 5.10 zeigt zunächst die Absorption eines konventionellen Platten-Resonators nach Kap. 5.2 bestehend aus einer t = 0.2 mm dicken Edelstahl-Platte vor einem d = 100 mm tiefen Hohlraum. Seine Resonanzfrequenz fR # 150 Hz nach Gl. (5.3) verschiebt sich erwartungsgemäß nur wenig, seine Absorption steigt aber merklich bei tiefen Frequenzen an, wenn im Hohlraum ein nach Gl. (4.7) optimaler Strömungswiderstand ;d = 1 090 bzw. 1 740 Pa s m–1 eingebracht wird. In [13, Teil 2, Bilder 10–12] sind Absorptionsgrad-Messungen an Verbundplatten-Resonatoren VPR dargestellt, die auf den 1.7 u 0.65 m großen Querschnitt des „Impedanz-Kanals“ im IBP mit einem Randspalt von 5 bis
Abb. 5.10. Absorptionsgrad D0 bei senkrechtem Schalleinfall auf eine 1.70 u 0.65 m große, 0.2 mm dicke Edelstahl-Platte als fest schließender „Deckel“ einer d = 100 mm tiefen starren „Wanne“ mit Mineralfasereinlage gemäß Abb. 5.1 (U = 50 kg m–3, ; = 2.18 104 Pa sm–2); dα= 88 (□), 50 (○), 0 mm (∆)
56
5 Platten-Resonatoren
20 mm zugeschnitten wurden. Der Anregung mit ebenen Wellen im Kundt’schen Rohr ähnelt die nach Abb. 5.11 mit 6 jeweils 1,5 u 1 m großen Resonatoren mit offenen Rändern an den insgesamt 6, sich paarweise parallel gegenüber stehenden Begrenzungsflächen des Quaderraumes nach Abb. 2.1, wenn man den effektiven Absorptionsgrad nach [20] bei den jeweiligen Axial-Moden senkrecht zu den Absorberflächen bestimmt. Die Ergebnisse für 1 bzw. 2.5 mm dicke, 1.5 m2 große Stahlplatten zeigen zwei breite Dämpfungs-Maxima zwischen 30 und 90 Hz, die – so gut es eben bei nur 5 Eigenfrequenzen geht – die nach Gl. (5.11) erwartete Verschiebung von fd von etwa 80 nach 50 Hz näherungsweise bestätigt. Die 0.75 m2
Abb. 5.11. Effektiver Absorptionsgrad De nach [20], gemessen bei den niedrigsten axialen Moden und entsprechender Ausrichtung von sechs Verbundplatten-Resonatoren mit d = 100 mm; Lx = 1.5, Ly = 1.0 m, t = 1.0 mm (□), Lx = 1.0, Ly = 0.75 m, t = 1.0 mm (∆), Lx = 1.5, Ly = 1.0 m, t = 2.5 mm (■), Lx = 1.0, Ly = 0.75 m, t = 2.5 mm (▲)
5.3 Verbundplatten-Resonatoren
57
Abb. 5.12. Effektiver Absorptionsgrad αe nach [20], gemessen bei den niedrigsten Raum-Moden mit 6 Verbundplatten-Resonatoren (□) bzw. nur Schaumstoff (○) mit d = 100 mm und t = 1 mm in 2 Raumecken; Axial-Moden (nx,0,0; 0,ny,0; 0,0,nz), Tangential-Moden (nx,ny,0; 0,ny,nz; nx,0,nz), Oblique-Moden (nx,ny,nz)
großen Verbundplatten zeigen diese Verschiebung zu tieferen Frequenzen nicht so deutlich, weswegen für praktische Anwendungen i. a. SA > 1 m2 gewählt wird. Installiert man dieselben 6 VPR in 2 gemäß Abb. 5.12 gegenüber liegenden Ecken mit ca. 200 mm Abstand von den Raumkanten, so kann man die Absorption bei einer größeren Zahl von Eigenfrequenzen an sorgfältig ausgewählten Mikrofonpositionen nach [20] messen. Die Ergebnisse zeigen De-Werte bis weit über 1, was natürlich mit der starken Konzentration der Schallenergie, besonders bei den Tangential- und Oblique-Moden, in den Raumecken zusammenhängt. Zum Vergleich sind in Abb. 5.12 die viel geringeren Absorptionsgrade dargestellt für den Fall, dass alle VPR-Module durch gleich große bloße Schaumstoffplatten ersetzt werden, die RaumModen also keine mitschwingenden Verbundplatten mehr vorfinden. Ab 100 Hz aufwärts lässt sich der Absorptionsgrad der am Rande offenen VPR auch im Quaderraum nach Abb. 2.1 in Anlehnung an [28] messen. Wie die Ergebnisse in Abb. 5.13 (a) zeigen, unterscheiden sich die VPR mit unterschiedlicher Plattendicke zwar nicht wesentlich voneinander. Allerdings sind nach (b) hier die kleineren VPR-Module etwas im Vorteil, weil sie – bezogen auf ihre Oberfläche S A – eine größere Randfläche für die Schallbeugung in den porösen Absorber hinein aufzuweisen haben. Jedenfalls können geeignet ausgelegte VPR nicht nur den Bass-Bereich sehr breitbandig abdecken, sondern auch bis in den kHz-Bereich hinein hochwirksam sein, sofern dies bei der jeweiligen Anwendung überhaupt erwünscht ist. Anderenfalls werden die Ränder eben akustisch geschlossen, was die Tiefen-Absorption nicht schmälern muss. In [20, Bild 4 und 5] ist ein etwas anderer Einbaufall in einem zusammenhängenden Absorptionsspektrum dokumentiert.
58
5 Platten-Resonatoren
Abb. 5.13. Absorptionsgrad αs, gemessen wie im Hallraum nach [297] für Verbundplatten-Resonatoren mit d = 100 mm (Symbole wie in Abb. 5.12)
Diese Labor-Ergebnisse für VPR-Module zeigen deutlich die in Kap. 2 aufgeführten Eigenheiten von Tiefen-Absorbern in kleinen Räumen, mit denen man in der Praxis umgehen muss. Sie erlauben trotzdem, die geometrischen und Materialeinflüsse eines Absorbers zu quantifizieren und unterschiedliche Produkte miteinander zu vergleichen. Man kommt aber auf längere Sicht bei der Umsetzung neuer Absorber-Technologien nicht
5.3 Verbundplatten-Resonatoren
59
Abb. 5.14. Messung des Absorptionsgrades im durch sechs VPR-Module in zwei unteren Ecken bedämpften Hallraum
umhin, auch Hallraum-Messungen nach Norm [297] zu ihrer Kennzeichnung heranzuziehen. Dazu werden die Prüflinge wie üblich und in Abb. 5.14 illustriert auf einer Fläche von ca. 12 m2 des Hallraum-Bodens ausgebreitet, und aus den ohne bzw. mit dem Prüfling an mindestens 12 Mikrofon-Positionen gemessenen Nachhallzeiten T0 bzw. Tm der Absorptionsgrad nach Gl. (3.15) mit dem Volumen V [m3] des Hallraumes und der Oberfläche SA [m2] des Prüflings berechnet. Die in Kap. 2 diskutierte Problematik macht es aber erforderlich, den Messraum zunächst für Frequenzen unter 125 Hz zu qualifizieren. Da die übliche Schrägstellung von gegenüberliegenden Begrenzungsflächen ebenso wie die Anbringung zusätzlicher Diffusoren nachweislich keinen wesentlichen Beitrag zur Vergleichmäßigung des Schallfeldes bei tiefen Frequenzen liefern, bleibt nur eine geeignete Bedämpfung der Raum-Moden, so wie dies ausführlich in [17] dargelegt ist. Für die Messung des Absorptionsgrades haben sich jeweils 3 VPR-Module mit den Abmessungen 1.5 u 1.0 u 0.1 m mit 1 bzw. 2.5 mm dicken Verbundplatten in geschlossenen Rahmen in zwei unteren Ecken des 392 m3 großen Hallraumes des IBP bewährt, um gut reproduzierbare Ergebnisse mindestens bis 63 Hz (in Terzen gemessen) zu erzielen. Abbildung 5.15 zeigt die Nachhallzeit des gemäß Abb. 5.14 bedämpften Hallraumes ohne Prüfling im Vergleich zum schallhart belassenen Raum. Aus der entsprechenden mittleren äquivalenten Absorptionsfläche in Abb. 5.15 unten geht hervor, dass der so bedämpfte Raum immer noch den Anforderungen der Norm ohne weiteres entspricht, wenn man nur die dort festgelegte Grenz-Kurve bis 63 Hz waagerecht extrapuliert.
60
5 Platten-Resonatoren
Abb. 5.15. Nachhallzeiten (links) und äquivalente Absorptionsfläche (rechts) im Hallraum mit V = 392 m3 ohne (○) und mit (□) konstanter Grunddämpfung in zwei unteren Ecken gemäß Abb. 5.14. Zum Vergleich (∆): maximal zulässige Absorptionsfläche nach [297]
Abbildung 5.16 zeigt neuere Messergebnisse mit einem 0.1 m hohen schallharten Rahmen, der gemäß Abb. 5.14 sechs im Abstand von 0.2 m ausgelegte VPR-Module mit einheitlich 1 mm dicken Stahlplatten im Verbund mit 100 mm dicken Platten aus Melaminharzschaum bzw. Polyesterfasern umschließt. Der auf die grau angelegte Absorberfläche S A = 9 m2 parallel zum Boden bezogene Absorptionsgrad zeigt ein breitbandiges Wirkungsmaximum um die Resonanzfrequenz 63 < fd < 125 Hz herum und
Abb. 5.16. Absorptionsgrad αs von 6 VPR-Modulen (1.5 u 1 u 0.1 m, 1 mm Stahl) mit Melaminharzschaum (□) bzw. Polyesterfasern (○), gemessen nach Abb. 5.14 und bezogen auf 9 m2. Zum Vergleich: faseriger/poröser Absorber gleicher Dicke nach Abb. 4.2
5.3 Verbundplatten-Resonatoren
61
einen nur allmählich zum kHz-Bereich hin abfallenden „Schwanz“, der vor allem auf die in diesem Prüfaufbau zu 60% offenen Randspalte zurückzuführen ist. Für dickere Stahlplatten verschiebt sich das Maximum andeutungsweise auch im Hallraum, der aber unter 63 Hz, auch in diesem bedämpften Zustand, für D-Messungen nicht mehr taugt. Umsetzungs- und Anwendungs-Beispiele dieses inzwischen ziemlich universell in der Raumakustik (Kap. 11), aber auch im technischen Schallschutz erprobten Tiefen-Absorbers finden sich in [58 bis 60]. Da der VPR mit seiner glatten, z. B. lackierten oder pulverbeschichteten Oberfläche dem architektonischen Design und den Nutzeransprüchen häufig entgegen kommt, haben sich Module auch schon als Pinnwand, Tafel, Projektionsfläche oder Spiegel vielfach nützlich gemacht und ihren nur geringen Raumbedarf gerechtfertigt [61]. Wegen ihrer kleinen Bautiefe lassen sich VPR auch hinter akustisch transparenten Vorsatzschalen, Unterdecken und Hohlraumböden „verstecken“ [62], oder auch in reflexionsarme Raumauskleidungen integrieren, s. Abschn. 10.1.
6 Helmholtz-Resonatoren
In Abschn. 4.1 ist das Verhalten von Loch- oder Schlitzplatten als vorgesetzte schalldurchlässige Schichten für den Sicht- oder Berührungsschutz diskutiert worden. Dort sollte die effektive Plattendicke teff bzw. das Lochflächen-Verhältnis V nach Gl. (4.12) bestimmte Grenzen nicht über- bzw. unterschreiten, um den Schalleintritt in das poröse Material als dem eigentlichen Absorber möglichst wenig zu behindern. Anhand konventioneller und innovativer Platten-Resonatoren wurde in Kap. 5 gezeigt, wie auch mit schweren Stahlplatten abgedeckte Schichten durch Resonanz-Mechanismen zu sehr breitbandigen Absorbern werden. Hier interessieren reaktive Absorber, bei denen die Masse in den Löchern oder Schlitzen von unterschiedlich perforierten Platten oder Membranen nicht klein gegenüber der in der auf die Löcher treffenden Welle mitbewegten Luftmasse nach Gl. (3.2) ist. Eine solche, u. U. durch die den Löchern benachbarte Luft zusätzlich beschwerte Masse kann mit dem Schallfeld, ähnlich wie beim Platten-Resonator, reagieren, wenn sie als Teil eines Resonanzsystems anregbar gemacht wird. Dies geschieht am einfachsten durch eine geeignet perforierte Platte im Abstand d zu einer schallharten Rückwand (Abb. 6.1), die auf einer Unterkonstruktion aufliegt und das so gebildete Luft-Kissen akustisch schließt. Anders als beim Platten-Resonator (Abb. 5.1), kann man die Dämpfung dieses Schwingsystems „Luft in Luft“ – auch nach herkömmlicher Vorstellung – nicht nur durch eine lockere Füllung des Hohlraumes mit Dämpfungsmaterial (a) sondern, sogar viel effizienter, durch Aufspannen eines nach Gl. (4.7) optimalen Strömungswiderstandes unmittelbar vor (c) oder hinter den Löchern (b) in Form z. B. eines Faser-Vlieses oder Tuches bewerkstelligen.
6.1 Lochflächen-Absorber Die akustische Beschreibung von Lochflächen-Absorbern kann ebenfalls mit den Gleichungen (5.3) bis (5.6) vorgenommen werden, wenn dabei rc den mit ρ0 c0 dimensionslos gemachten Strömungswiderstand (rc = Ξ d / ρ0c0 bei bekanntem längenspezifischem Widerstand Ξ) bedeutet und unter mcc
64
6 Helmholtz-Resonatoren
die auf die Absorberfläche SA transformierte akustische Masse mccH (SH = gesamte Lochfläche in der Platte)
U0 teff mit V V
mccH
SH SA
(6.1)
verstanden wird. Nach Gl. (7.1) und (7.2) ergibt sich die Resonanzfrequenz: fH
c0 2S
V d teff
c0 2S
SH d S A teff
c0 SH 2S V teff
(6.2)
oder für d; teff [mm], SH; SA [cm2] und V [cm3] die Zahlenwert-Gleichung: fH
54 103
V d teff
> Hz @
(6.3)
für den Lochplatten-Resonator. Das Lochflächen-Verhältnis liegt typisch bei 0.02 < V < 0.2. Führt nur ein konzentriertes Loch SH die bewegte Luftmasse, so ist fH
17 103
SH V teff
> Hz @.
(6.4)
Wegen einer Abschätzung von teff wird auf Abschn. 4.1 und [29] verwiesen. Für den Kennwiderstand gilt nach Gl. (5.5) Z Hc
teff . dV
(6.5)
Ähnlich wie schon beim Platten-Resonator führen also auch beim Helmholtz-Resonator nur große Bautiefen (d) zu tiefen Frequenzen und kleinen ZccH , sehr kleine Löcher und dicke Platten aber zu nur schmalbandig wirksamen Tiefen-Schluckern, selbst bei optimaler Dämpfung rc = 1. Man sollte daher auch bei diesem Hohlkammer-Resonator versuchen, weitere Schwingungsformen anzukoppeln, die seine Absorptions-Charakteristik verbreitern können (auch die Überlegungen in [31, S. 141] gehen in diese Richtung). In [47] wird eine Vielfalt von Lochplatten-Resonatoren unter Einbeziehung der Platten- und Hohlraum-Resonanzen, mit und ohne Kassettierung, in sehr guter Übereinstimmung zwischen Theorie und Messung untersucht. Dabei wird deutlich, dass bei einer Bautiefe von 50 mm die Bandbreite der Absorption auch bei mittleren Frequenzen stets gering bleibt, solange die Resonanzen weit auseinander liegen. Legt man sie dagegen eng zusammen, so dominiert stets nur einer der Mechanismen,
6.1 Lochflächen-Absorber
65
Abb. 6.1. Helmholtz-Resonator klassischer Bauart mit Dämpfung im Hohlraum (a) und Strömungswiderstand hinter (b) bzw. vor der Lochplatte (c)
s. [47, Bilder 4–7]. Wenn man aber die Helmholtz- und die ersten PlattenResonanzen (fH nach Gl. (6.3) und (6.4) sowie f11, f13 nach Gl. (5.9)) optimal etwa jeweils eine Oktave höher auslegt, dann behindern sie sich nicht gegenseitig [47, Bild 8]. Allerdings muss ausreichende Dämpfung dann helfen, die einzelnen Maxima zu einem breitbandigen Absorptionsspektrum zu „verschmelzen“. In [24, Bild 41, S. 296] wird ein Überblick über die in der Praxis üblichen Lochgeometrien in relativ dicken und daher in der Regel nicht zu Schwingungen anregbaren Holz- oder Gipskarton-Platten gegeben, wobei der Lochanteil zwischen 2 und 30%, die in den Löchern schwingende Luftmasse nach Gl. (6.1) zwischen 30 und 330 g m2 und die Resonanzfrequenz nach Gl. (6.3) und (6.4) zwischen 420 und 1 460 Hz variieren können. Im Hallraum gemessene Absorptionsspektren sind in [31, Tafel 7.2] zu finden. Das dortige Beispiel 7.2.4 zeigt die Schwierigkeit, mit dieser Art von Helmholtz-Resonatoren den Frequenzbereich unter 250 Hz abzudecken. Selbst mit einer Bautiefe von 240 mm fällt die Absorption unter
66
6 Helmholtz-Resonatoren
200 Hz steil ab. Als Mitten-Schlucker haben sich Lochplatten-Absorber aber in der raumakustischen Gestaltung durchgesetzt. Im Folgenden sei ein Auslegungs- und Optimierungsverfahren für eine spezielle Klasse von besonders breitbandigen Schlitz-Absorbern beschrieben.
6.2 Schlitzförmige Absorber Die Auslegung konventioneller Helmholtz- und Lochflächenabsorber erfolgt in der Regel nach den Gl. (6.1) bis (6.3) mit dem meistens experimentell bestätigten Resultat relativ schmalbandig wirksamer Resonanz-Absorber. Nur wenn man, wie in Abb. 6.2 am Beispiel eines Kulissen-Dämpfers für Kraftwerksanlagen angedeutet [63], in neben- bzw. hintereinander angeordneten Modulen die geometrischen Parameter stark variiert, wird eine breitbandigere Absorption erreicht. Wenn man aber einen breitbandigen MittenSchlucker flächen- oder raumsparend optimieren will, so lohnt sich eine etwas genauere Betrachtung der in Abschn. 6.1 beschriebenen Wirkungsmechanismen und Bestandteile dieses Hohlkammer-Resonators. Zu seiner Optimierung stellt sich, ähnlich wie beim Verbundplatten-Resonator in Abschn. 5.3, eine innige Verknüpfung der Luftbewegung in den Schlitzen mit einem unmittelbar dahinter angeordneten voluminösen, porösen oder faserigen Strömungswiderstand als vorteilhaft heraus. Außerdem gewinnt die Verteilung der Schlitze innerhalb der Absorberfläche SA nicht nur hinsichtlich der Mündungs-Korrektur als Teil von teff nach Gl. (4.12) an Bedeutung. Schließlich können Eigenfrequenzen des zwischen dem SchlitzFlächengebilde und der schallharten Rückwand geformten Raumes eine wichtige Rolle in einem verbreiterten Resonanzbereich spielen.
Abb. 6.2. In Strömungsrichtung hintereinander angeordnete Helmholtz-Resonatoren in einer Schalldämpfer-Kulisse für Kraftwerksanlagen [63] (siehe Kap. 13)
6.2 Schlitzförmige Absorber
67
Abb. 6.3. Prinzipieller Aufbau schlitzförmiger Absorber mit parallelen Schlitzen nach [64]
Wenn man das Verhältnis von Schlitzbreite b und Schlitzabstand a nicht nur, wie z. B. in [18, 29, 31, 40] geschehen, als Perforationsgrad V = b/a in der Auslegung berücksichtigt, sondern als geometrische Einstellparameter, jeden für sich, in die Berechnung einführt, ergeben sich neue Möglichkeiten zur Optimierung. Zur Erläuterung des Funktionsmodells schlitzförmiger Absorber lassen sich zunächst in Abb. 6.3 die geometrischen (Schlitzgebilde) und Materialkenngrößen (Absorberschicht) erkennen. Die Luftmasse in den Schlitzen einschließlich der jeweils zugehörigen Mündungskorrektur [29] (hier allerdings nur einseitig auf der Vorderseite) ergibt sich ähnlich wie bei Helmholtz-Resonatoren nach Abschn. 6.1 aus: mScc
tS U0 mit tS
t 't .
(6.6)
Für die Impedanz der Absorberschicht (Dicke dD) gilt mit Bezug auf die freie Schlitzfläche zunächst nach [40]: W
V WA coth * A dD .
(6.7)
Der Wellenwiderstand WA und die Ausbreitungskonstante * A der Absorberschicht lassen sich nach [44] mit
und
WA
U0 c0 ( E 0.86) j
*A
2S f c0
0.11 E
;
(6.8)
0.22 ( E 1.24) j E
E
U0 f ;
(6.9)
für ; > 7 500 Pa s m2 ausreichend genau abschätzen. Bei offenzelligem Melaminharzschaum mit nachweislichen Skelettschwingungen erweist sich
68
6 Helmholtz-Resonatoren
die Einbeziehung des Raumgewichtes UD in Gestalt einer Zusatzmasse als sinnvoll: E
U0 f ;
j
U0 2 S UD
(6.10)
.
Unter der Annahme, dass sich das Schallfeld im Absorber wie hinter einem Beugungsgitter ausbildet, wird in [64] die Wandimpedanz des schlitzförmigen Absorbers einschließlich der Luftmasse in den Schlitzen und der Mündungskorrektur abgeleitet: ⎛
WS
3
⎞
a2 b ⎞2 ⎛ j Z mscc V WA coth * A dD WA * A ⎜ sin S ⎟ ⎟ (6.11) 3 a ⎠ ⎟⎟ V ⎜⎜ bS ⎝ 1⎜
⎝
⎠
Einerseits entsteht durch die Verknüpfung der federartigen Wandimpedanz der Absorberschicht mit der Luftmasse in den Schlitzen wieder ein Resonanzsystem. Andererseits erhöhen sich aber die wirksame Federwirkung und Dämpfung der Absorberschicht, siehe den 3. Summanden in Gl. (6.11). Dies begründet die im Vergleich zu bedämpften oder unbedämpften Helmholtz-Resonatoren gleicher Bautiefe deutlich tiefere Resonanzfrequenz und größere Bandbreite schlitzförmiger Absorber. Abbildung 6.4 zeigt den nach Gln. (3.7) und (6.11) berechneten und nach [65] gemessenen Absorptionsgrad für einen Absorber mit stark unterschiedlicher Schlitz-Geometrie, aber immer etwa gleichem Perforationsgrad σ # 0.02. In Abb. 6.5 wird ein Schlitz-Absorber mit σ # 0.02 verglichen mit zwei konventionellen Helmholtz-Resonatoren mit optimaler Dämpfung, zum einen mit nur einem zentralen Schlitz, zum anderen mit nur einem zentralen Loch mit jeweils gleichem σ = 0.02 sowie mit dem porösen Absorber allein. Ihr Vorteil gegenüber herkömmlichen Absorbern lässt sich anhand von Abb. 6.5 beschreiben: – Wie alle Helmholtz-Resonatoren erreicht der Schlitz-Absorber bei gleicher Bautiefe d eine Verschiebung der maximalen Absorption um 2 bis 4 Terzen gegenüber einem homogenen faserigen/porösen Absorber. – Gegenüber einem konventionellen Helmholtz-Resonator mit nur einem zentralen Schlitz läßt sich dieser Absorber tiefer abstimmen. – Gegenüber einem konventionellen Resonator mit nur einem entsprechend großen Loch lässt sich der neuartige Schlitz-Absorber erheblich breitbandiger auslegen.
6.2 Schlitzförmige Absorber
69
Abb. 6.4. Absorptionsgrad α0 bei senkrechtem Schalleinfall auf Abdeckungen mit unterschiedlichen Schlitzbreiten b und -abständen a, aber etwa gleichem Perforationsgrad σ, vor 50 mm offenzelligem Melaminharz-Weichschaum mit ρ ≈ 10 kg m3 und Ξ ≈ 10 kPa s m2; Draufsicht (a), Rechnung (b), Messung (c)
Hinsichtlich ihrer praktischen Anwendung zeichnen sich Schlitz-Absorber also durch hohe und breitbandige Absorption vorwiegend im mittleren Frequenzbereich aus. Sie ermöglichen die Einsparung von Bautiefe und stellen keine besonderen Ansprüche an die Gestalt und Befestigung der streifenförmigen Abdeckungen. Dadurch ergeben sich vielfältige neue Oberflächenstrukturen und Möglichkeiten zur Kombination mit den in Abschn. 5.3 vorgestellten Verbundplatten-Resonatoren als breitbandige Tiefen-Schlucker für die Raumakustik. Die Verschiebung des Maximums eines passiven Absorbers gemäß Abb. 6.5 um fast 2 Oktaven zu tieferen Frequenzen durch nichts als eine fast beliebige Teilabdeckung kommt einem aktuellen Bedarf entgegen, wie er in Kap. 2 beschrieben wurde.
70
6 Helmholtz-Resonatoren
Abb. 6.5. Im Kundt’schen Rohr (200 u 200 mm) gemessener Absorptionsgrad α0 schlitzförmiger Absorber aus 199 u 199 u 1 mm Stahlblech mit 1 mm umlaufendem Schlitz vor 100 mm Weichschaum (wie in Abb. 6.4) mit stets gleichem Perforationsgrad σ # 2% (1 bis 4), ohne Abdeckung gemäß Abb. 4.2 (−·−), mit einem 4 mm-Schlitz (····) bzw. einem 32 mm-Loch (−−), jeweils in der Mitte, berechnet nach Abschn. 8.1 für optimale Dämpfung r´= 1 [64]
Die Abdeckung zwischen den Schlitzen wurde bislang als schallhart angenommen, so dass weder Biegeschwingungen auftreten noch die Bewegungen der Abdeckung die Absorberschicht zusätzlich komprimieren können. Es ergeben sich aber auch Möglichkeiten zur Kombination mit anderen Resonanzprinzipien, z. B. mit biegeweichen Folien vor einer Absorberschicht nach Abschn. 5.1 oder biegesteifen Platten nach Abschn. 5.3. Abbildung 6.6 zeigt z. B. den Absorptionsgrad bei diffusem Schalleinfall für einen mit Stahlblech-Platten kachelartig ausgelegten Schlitz-Absorber unterschiedlicher Formatierung. Bei größeren Schlitzabständen a tritt das Maximum bei der Feder/Masse-Resonanz, wie nach Gl. (5.3) bzw. (5.10) erwartet, bei etwa 100 Hz deutlich in Erscheinung [66]. Der Absorptionsgrad ergibt sich zum einen aus der Impedanz eines einfachen Masse-Feder-Systems, WP
1 jZ mccp WA coth * Ad A 1 V
(6.12)
mit der flächenbezogenen Masse mccp der Schwingplatte. Dabei wird die Schallausbreitung hinter der Platte in der homogenen Absorberschicht mit
6.2 Schlitzförmige Absorber
71
Abb. 6.6. Absorptionsgrad αs eines Schlitz-Absorbers mit schwingfähig gelagerter Abdeckung (1 mm Stahl), gemessen im nach Abb. 5.14 bedämpften Hallraum; ohne Abdeckung, d = dα = 50 mm (●), 312 u 312 mm große Abdeckungen mit b = 15 mm (○), 625 u 625 mm große Abdeckungen mit b = 28 mm (■)(s. Foto), 1250 u 1250 mm große Abdeckungen mit b = 50 mm (□), Rechnung für 1250 u 1250 mm große Abdeckungen mit b = 50 mm [66]
relativ hohem Strömungswiderstand Ξ # 10 kPa s m2 bei den relativ großen Schlitzabständen a = 1 250 mm vernachlässigt. Die Parallelschaltung mit WS nach Gl. (6.12) ergibt nach [47] die resultierende Impedanz Wres
WP WS , WP WS
(6.13)
welche den Wirkungsbereich einer porösen oder faserigen Schicht (s. Kap. 4) nochmals auf eindrucksvolle Weise zu tiefen Frequenzen zu verschieben erlaubt. Wenn die Schlitze und die Abdeckungen also sehr groß werden, tritt einerseits der Masse-Feder-Effekt bei tiefen Frequenzen deutlich in Erscheinung; der Schlitz-Effekt bei mittleren Frequenzen tritt dagegen etwas in den Hintergrund. Mit der in [52] entsprechend erweiterten Theorie für den Schlitz- bzw. Streifen-Absorber kann man offenbar sowohl das
72
6 Helmholtz-Resonatoren
Schwingverhalten als auch die Beugungseffekte beim VerbundplattenResonator nach Abschn. 5.3 [30] qualitativ ganz gut beschreiben (s. die beiden letzten Kurvenverläufe in Abb. 6.6).
6.3 Membran-Absorber Für bestimmte Anwendungen verbietet sich der Einsatz von faserigem, aber auch von porösem Dämpfungsmaterial wie Kunststoff-Weichschaum aus gesundheitlichen, hygienischen, Brandschutz- oder Haltbarkeitsgründen. Bei raumlufttechnischen Anlagen z. B. in Krankenhäusern, Altenheimen und Produktionsstätten mit ausgesprochenen Reinraum-Bedingungen und für prozesslufttechnische Anlagen z. B. mit stark verschmutzenden oder aggressiven Fluiden in den Strömungskanälen oder Schornsteinen haben sich Schalldämpfer-Module ganz aus Aluminium oder Edelstahl bewährt, die rundum gegenüber der Strömung hermetisch abgeschlossen sind. Ihre bemerkenswerte Steifigkeit und Resistenz verdanken diese Membran-Absorber-Module einer aus dem Leichtbau entlehnten Wabenstruktur, über welche 2 relativ dünne (0.05 < t < 1 mm) Platten eben einoder auch beidseitig (Abb. 6.7) aufgespannt sind. Die starke Unterteilung des im übrigen leeren Hohlraumes wirkt akustisch wie eine „Kassettierung“, die bei schrägem oder streifendem Schalleinfall (z. B. beim Einsatz als Schalldämpfer-Kulisse) die Längsausbreitung des Schalls im Hohlraum verhindert. Wenn die Stege quer zur Ausbreitungsrichtung einen Abstand ed
O 8
42.5 3 10 [mm] f
(6.14)
Abb. 6.7. Modell eines beidseitig absorbierenden Membran-Absorbers (a) mit teilweise abgewickelten Loch- und Deckmembranen (b)
6.3 Membran-Absorber
73
mit f [Hz] aufweisen, dann reagiert auch dieser faserfreie Absorber stets „lokal“ [18], d. h. mit einer Wand-Impedanz W nach Gl. (3.6). Da der Membran-Absorber zwar für maximale Absorption mit einem Bruchteil der Bautiefe d eines passiven Absorbers auskommt, aber dennoch für tiefere Frequenzen zu größeren Kammertiefen d tendiert, um genügend breitbandig zu bleiben, kommt ein in etwa konstantes e/d-Verhältnis von etwa 1 bis 2 auch den Erfordernissen der Statik entgegen. In der Praxis haben sich würfelförmige Kammern mit z. B. Lx Ly d = d3 = V # 1 000 cm3 für maximale Absorption bei 250 Hz durchgesetzt. Pro Hohlkammer hält die innen möglichst weich auf dem Raster aufliegende Loch-Membran ein Loch oder einen Schlitz zur Ausbildung eines Helmholtz-Resonators bereit. Loch- und Kammergröße sind, näherungsweise nach Gl. (6.3) und (6.4), so aufeinander abzustimmen, dass sie die untere Grenze des Wirkungsbereichs, etwa analog Gl. (4.8) für passive Absorber, markiert. Dabei kommt bei runden Löchern, die kaum kleiner als 5 mm sind, und der zum Lochdurchmesser dH meist kleinen Membranstärke t der Mündungs-Korrektur 2 't # 0.85 dH nach Abschn. 4.1 und [29] besondere Bedeutung zu. Für V = 1 000 cm3, dH = 10 mm, SH = 0.78 cm2, t = 0.2 mm, teff = 8.7 mm erhält man z. B. nach Gl. (6.3 u. 6.4) fH # 160 Hz und nach Gl. (6.5) etwa ZcH # 3.3. Diese Parameter lassen nach Abb. 5.2 bei nicht zu geringer Dämpfung bereits einen recht breitbandigen Absorber erwarten. Für die ungelochte Aluminium-Membran ergäbe sich nach Gl. (5.3) die erste Platten-Resonanz näherungsweise bei fR = 258 Hz. Tatsächlich wird aber die Kompression des Luftkissens in V beim Helmholtz-Reonator durch die Ausweichbewegung der doch etwas nachgiebigen Membran und beim Platten-Resonator durch die Ausweichbewegung des Luftpfropfens im Loch geringfügig erhöht. In [67] wird der Frage dieser Kopplung beider Resonanz-Mechanismen experimentell und theoretisch nachgegangen. Abbildung 6.8 zeigt für den oben beschriebenen Membran-Absorber (noch ohne Deckmembran) in recht guter Übereinstimmung mit einer detaillierteren Rechnung (unter Einbeziehung auch der Randeinflüsse an der LochMembran), dass im Membran-Absorber 2 Haupt-Maxima das AbsorptionsSpektrum dominieren können: fH bei ca. 125 Hz und f11 bei ca. 270 Hz. Ein Neben-Maximum ist bei f13 # 650 Hz zu erkennen. Ein Rohr-Schalldämpfer, aus einem Polygon von Membran-AbsorberStreifen zusammengesetzt, zeigt in Abb. 6.9 eine ähnliche Charakteristik auch als Einfügungsdämpfung nach Abschn. 13.5.1 gemessen. Wenn man die Löcher der Lochmembran überklebt, bleibt nur ein in seiner Dämpfung stark reduzierter Platten-Resonator übrig. Wenn man eine Deckmembran unmittelbar vor der Lochmembran anordnet, ohne dass beide sich berühren, so verschiebt sich das nicht immer derart breitbandige
74
6 Helmholtz-Resonatoren
Abb. 6.8. Absorptionsgrad α0 eines Helmholtz-Resonators (ohne Deckmembran) bei senkrechtem Schalleinfall; Messung ( ), Rechnung ( )
―
○
Absorptions-Maximum zu etwas tieferen Frequenzen. Offenbar koppelt sich die zusätzliche Masse in das komplexe Schwingsystem mit ein. Höhere Moden der Lochmembran verschwinden allerdings dann meistens. Wenn man die Deckmembran auf weichen Moosgummi-Streifen bettet, kann sie auch bei hohen Frequenzen eine deutliche Verbesserung der Absorption bringen, wie in [67] gezeigt wurde. Dass auch die Deckmembran Schwingungen ähnlich wie der Verbundplatten-Resonator (Abschn. 5.3) ausführen kann, zeigen Fotos von „Staub-Figuren“ einer f15-Mode in [68]. Einen wichtigen Einfluss auf die Verluste des Membran-Absorbers hat auch die Befestigung der Lochmembran auf den Stegen. Ein stark aushärtender Kleber führt in der Regel zu einem Verlust an Dämpfung.
Abb. 6.9. Ansicht (ohne Mantel) und Einfügungsdämpfung De (ohne Deckmembran) eines aus Membran-Absorbern oktogonal zusammengesetzten Rohr-Schalldämpfers; Löcher offen ( ), Löcher zu ( ) (siehe Abschn. 13.6.3)
□
○
6.3 Membran-Absorber
75
Sehr viel bessere Ergebnisse lassen sich mit einem dauerelastischen Kleber, z. B. Silicon, erzielen. Anwendungen, bei denen der ursprünglich benutzte Kleber beim Dauereinsatz in der Anlage offenbar „verdampft“ war, gaben den Hinweis, daß man auf das Befestigen der Loch-Membran i. a. ganz verzichten kann, wenn die beiden Membranen in Form und großflächig getrennt bleiben. Allerdings muss generell darauf geachtet werden, dass die Membran-Absorber vor starken Erschütterungen gegebenenfalls durch entsprechende Körperschall-Isolierungen geschützt werden [70]. Da optimale Ergebnisse sowohl mit Membranen aus Materialien mit hohem Verlustfaktor K (z. B. Kunststoffen mit K # 101) als auch aus solchen mit extrem niedriger innerer Dämpfung (z. B. Aluminium mit K # 7 · 105) erzielt werden können, ist es unwahrscheinlich, daß dieser Parameter von entscheidender Bedeutung ist. Auch die Reibung der Luftteilchen in den Wandgrenzschichten in der Umgebung der Löcher kommt als Mechanismus für die unerwartet hohe Dämpfung nicht in Betracht, weil diese bei konventionellen Helmholtz-Resonatoren, aus viel dickeren Lochplatten aufgebaut, eher noch größer anstatt kleiner sein sollte. Es ist zwar ein charakteristisches Merkmal des Membran-Absorbers, dass er funktioniert, auch wenn die Deckmembran in geringem Abstand vor den Löchern angebracht wird und so den schwingenden Luftpfropfen stark verformt. Die dadurch erzwungenen Schwingungen im engen Spalt zwischen Loch- und Deckmembran mit entsprechend vergrößerter Wandreibung, wie sie etwa bei der Dämpfung von Biegewellen in zweischaligen Bauteilen [69] wirksam werden, können hier aber keine entscheidende Rolle spielen, weil der Membran-Absorber auch mit größerem Spalt und auch ganz ohne Deckmembran gut funktioniert. Es ist bekannt, dass bereits bei konventionell aufgebauten HelmholtzResonatoren ein Teil der Dämpfung durch scharfe Kanten an den Löchern hervorgerufen werden kann. Dieser Effekt kann bei den zuvor nicht verwendeten, extrem dünnen Membranen eine noch größere Rolle spielen, weil die Luftteilchen am Lochrand eine 180°-Umlenkung anstatt einer oder zweier 90°-Umlenkungen bei dickeren Platten durchlaufen müssen. Die instationäre Strömung im Bereich dieser Diskontinuitäten löst sich selbst bei den relativ kleinen Schallschnellen ab, so dass freie Scherschichten mit großen Energieverlusten entstehen können. Der Schneiden-Effekt wird dann besonders ausgeprägt, wenn die Dicke der Membran in die Größenordnung der Teilchenauslenkung im Loch kommt. Das ist bei starker Anregung (Pegel um 100 dB) und Resonanz-Überhöhung (um ca. 20 dB) ohne weiteres möglich. Damit würde ein „nicht-linearer“ Dämpfungs-Mechanismus erklärbar, der bereits bei anregenden Schallpegeln einsetzt, für die normalerweise noch die Gesetze der linearen Akustik gelten.
76
6 Helmholtz-Resonatoren
Der Schneiden-Effekt mit der typischen Abscherung von Fluidteilchen aus den in den Resonatorlöchern schwingenden Luftpfropfen läßt sich anschaulich an nach innen umgebördelten Lochrändern darstellen (Abb. 6.10): Bei der nach innen gerichteten Bewegung des Pfropfens werden ebenso Fluidteile „abgeschält“ wie bei der nach außen gerichteten Schwingungsphase. Zumindest die darin enthaltene kinetische Energie wird vollständig in Reibungswärme umgesetzt. Wenn aber dieser Dämpfungs-Mechanismus eine wichtige Rolle spielt, wird auch verständlich, daß es bei den messerscharfen Membranen keine zusätzliche Dämpfung bringt, wenn man den Lochrand nicht glatt, sondern unregelmäßig gestaltet. Dieser neuartige Tiefen-Schlucker konnte sich vielfältig als Schalldämpfer für besondere Anforderungen bewähren [70, 71]. Die Umsetzung von Membran-Absorber-Bauteilen als Wand-Elemente in Schallkapseln mit besonders hoher Dämpfung und Dämmung zwischen 25 und 125 Hz [72, 73] steht dagegen noch aus. Dem Membran-Absorber ist aber auch der Durchbruch mit einer völlig faserfreien Absorber-Technologie sowohl in den Kanälen als auch im Plenum eines Aeroakustik-Windkanals zu verdanken [74], der wegbereitend war für die in Kap. 12 beschriebenen neuen Technologien in Akustik-Prüfständen der Automobil-Industrie.
Abb. 6.10. Dämpfung an akustisch durchströmten Löchern; links: in konventionellen Helmholtz-Resonatoren; an Lochwand (a), in engem Spalt hinter Abdeckung (b), in poröser/faseriger Schicht (c); rechts: in Membran-Absorbern; an Kante (a), Schneide (b), Kragen (c)
7 Interferenz-Dämpfer
Schalldämpfer und Kapselungen müssen, je nach Schallquelle und Einsatzbedingungen, auf unterschiedliche Geräusch-Spektren, u. U. auch schmalbandig, abstimmbar sein und oft extremen mechanischen, chemischen und thermischen Belastungen möglichst dauerhaft standhalten. Hier bringt fast jede neue Anwendung den Zwang zu innovativen Problemlösungen, sei es um Druckverluste zu minimieren oder Wärmestau zu vermeiden. Allein die Verschmutzungs-Problematik verhindert immer noch bereichsweise den Einsatz geeigneter Schallschutz-Maßnahmen in Kanälen und an Maschinen, während bei einfacheren Randbedingungen, insbesondere hinsichtlich der hohen Frequenzen, oft schon übertrieben wird. Weil besonders das Austragen und Verschmutzen der faserigen oder porösen DämpfungsMaterialien neue Probleme schafft, besteht hier dringender Bedarf für Alternative Faserfreie Absorber ALFA-Technologien [7]. Der in Abschn. 6.3 bereits vorgestellte Membran-Absorber kann zwar, was tiefe Frequenzen, Druckverlust, Haltbarkeit und Reinigbarkeit angeht, universell als Schalldämpfer-Kulisse und Kapsel-Wandelement mit hoher Dämpfung und (steifebedingter) Dämmung eingesetzt werden. Für hohe Frequenzen bieten sich entsprechende Bauteile aus gesintertem Glasschaum nach Abschn. 4.3 an. Speziell für Schornsteine haben sich, wiederum für die so wichtigen tiefen Frequenzen, ebenfalls recht breitbandig wirksame Auskleidungen nach Abschn. 10.3 bestens bewährt. Es fehlt aber noch ein robuster SchallAbsorber für einen breiten mittleren Frequenzbereich zwischen etwa 250 und 2 500 Hz. Auch gibt es Einsatzbereiche an Maschinen und Kraftfahrzeugen, bei denen Schall-Absorber starken Erschütterungen ausgesetzt sind, denen weder der Membran- noch ein Glasschaum- oder irgendein anderer Absorber standhält. Hier haben sich z. B. Hohlkammer-Resonatoren unterschiedlichster Bauart mit Wandungen aus hochwertigen Stählen bewährt. Sie können oft auch ohne Absorptions-Material auskommen. Ihre Wirkung in Kanälen verdanken sie überwiegend verschiedenen Interferenz-Mechanismen, die eine Reflexion der Schallenergie zur Quelle hervorrufen. Dieses reaktive Prinzip wurde zwar schon in Kap. 2 als Einfluss auf die Schallfeldverteilung in geschlossenen Räumen diskutiert. Es kann zwar nicht die in Kap. 3 geschilderten raumakustischen Probleme lösen. Die Einfügungsdämpfung
78
7 Interferenz-Dämpfer
nach Abschn. 3.8 lässt sich hingegen allein mit reaktiven Mitteln bewerkstelligen. Weil diese aber prinzipiell relativ schmalbandig wirken, müssen in der Regel mehrere solcher Interferenz-Schalldämpfer neben- oder hintereinander kombiniert werden, etwa so wie dies in Abb. 6.2 für Helmholtz-Resonatoren in einer Schalldämpfer-Kulisse dargestellt wurde.
7.1 O/4-Resonatoren Die Wirkungsweise von reinen Reflexionsdämpfern läßt sich bereits an einem einfachen Querschnittssprung in einem Rohr nach Abb. 7.1 (a) darstellen [75, Kap. 3.25]. Wenn beide Flächen S1 und S2 klein gegenüber der Wellenlänge sind, so ergibt sich mit W
U0 c0 m ; r
m 1 ; m m 1
S1 S2
(7.1)
und dem Wellenwiderstand U0 c0 des Mediums ein Reflexionsgrad oder Schalldämm-Maß gemäß
U 1
Pt Pi
P R 10lg i Pt
;
Pi Pt
1 1 U
1 10lg 1 r2
; ( m 1) 2 10lg . 4m
(7.2)
Abb. 7.1. Prinzipien reaktiver Interferenz-Schalldämpfer; einfacher Querschnittssprung (a), Expansionskammer (b), Abzweig-Resonator (c), Umweg-Leitung
7.1 O/4-Resonatoren
79
Tiefe Frequenzen werden demnach z. B. von Luftauslässen in großen Wand- und Deckenflächen (S2 » S1) stark reflektiert:
R # 10lg m 6 dB für m »1.
(7.3)
Dies gilt aber, wie gesagt, nur bei ebener Wellenausbreitung vor und hinter der Querschnittserweiterung (oder entsprechenden -verengung). Wenn der Raum mit seinen Eigenresonanzen auf den Kanal zurückwirkt, dann weist diese Art von Schalldämmung entsprechende Einbrüche und (zwischen jeweils 2 Resonanzen) auch Überhöhungen auf, wie in [76] experimentell und theoretisch nachgewiesen wurde. Folgt in einem Abstand l von einer Erweiterung eine ebenso abrupte Verengung des Kanals nach Abb. 7.1 (b), so wiederholt sich die Reflexion dort, nur mit umgekehrtem Vorzeichen, mit dem Ergebnis [75]: ⎡
2
1 l ⎞ ⎤ sin 2 S ⎟ ⎥ O⎠ ⎥ ⎝ 2m ⎦ ⎛ m2
R 10lg ⎢1 ⎜ ⎢ ⎣
(7.4)
mit Dämmungs-Maxima von Rmax # 20 lg m 6 dB für m »1
(7.5)
…
(7.6)
bei den Frequenzen fn
c0 (2 n 1) ; n 1,2,3 4l
Ein solcher O/4-Resonator wurde in [77] als Wasserschall-Dämpfer mit m = 20 untersucht (Abb. 7.2). Nur selten dürften derartige „Expansionskammern“ in Kanal- oder RohrSystemen zum praktischen Einsatz kommen. Eher haben sich schon „Stichleitungen“ gemäß Abb. 7.1 (c), die mit einem Querschnitt vergleichbar dem des Hauptkanals an diesen angeschlossen werden, als so genannte Abzweig-Resonatoren bewährt. Bei diesen überlagern sich hin- und rücklaufende ebene Wellen im Abzweig mit derjenigen im Kanal bei Frequenzen gemäß Gl. (7.6) derart, daß die durchgelassene Welle (Pt) stark geschwächt wird. Ähnlich wie beim Helmholtz-Resonator (Kap. 6) bewirkt die an den Rohrenden mitschwingende Luftmasse in der Länge l nach [23, Kap. 2.7] eine Mündungs-Korrektur in Abhängigkeit vom Rohr-Radius r ' l # 0.6 r bzw. 0.85 r,
(7.7)
wenn das Rohr frei im Raum bzw. in einer großen Wand mündet. Um die Wirksamkeit dieser Art von Hohlraum-Resonatoren breitbandig wirksam
80
7 Interferenz-Dämpfer
Abb. 7.2. Einfügungsdämpfung De einer schallharten Expansionskammer in einer Wasserleitung mit m = 20 und l = 125 mm; gemessen im Wasserschall-Labor [77], berechnet nach Gl. (7.4)
werden zu lassen, kann man Kammern unterschiedlicher Länge nebenoder hintereinander anordnen und ihre Wände mit etwas Dämpfungsmaterial absorbierend gestalten, etwa so wie dies in Abb. 7.3 am Beispiel eines Kulissen-Schalldämpfers gezeigt ist. Wenn dieser senkrecht in einem Schacht montiert wird, kann man dafür sorgen, daß Ablagerungen in den Hohlkammern immer nach unten ausfallen können. Eine andere Methode zur Ausdehnung des Dämpfungsspektrums von O/4-Resonatoren, insbesondere zu tieferen Frequenzen, wird in Abschn. 8.2 vorgestellt.
Abb. 7.3. Hintereinander angeordnete λ/4-Resonatoren unterschiedlicher Längen l1 und l2 in einer Schalldämpfer-Kulisse für Kraftwerksanlagen [63] (siehe Kap. 13)
7.3 Rohr-Schalldämpfer
81
7.2 O/2-Resonatoren Das in Abschn. 7.1 schon beschriebene Interferenz-Prinzip läßt sich auch mit „Umwegleitungen“ nach Abb. 7.1 (d) realisieren, die die einfallende Schallwelle (Pi) über gleich große Querschnitte aufspaltet und bei Frequenzen fn
…
c0 2n 1 ; n 1,2,3 2l
(7.8)
der fortgeleiteten Welle gerade mit umgekehrtem Vorzeichen wieder überlagert. Wenn dieses denkbar einfache eindimensionale Auslöschungsprinzip wegen des damit verbundenen mechanischen Aufwandes kaum jemals so verwirklicht wurde, so kann man sich wohl vorstellen, welche Hindernisse von jedem „Antischall“-System in der Praxis überwunden werden müssen, das außer mechanischen auch noch diverse elektrische Komponenten dauerhaft und verläßlich betreiben muss.
7.3 Rohr-Schalldämpfer Hohlkammern, die innerhalb langer Wellenleiter, wie in Abschn. 7.1 und 7.2 beschrieben, eingesetzt werden, aber klein gegenüber der Wellenlänge bleiben, können die Schallübertragung natürlich nicht beeinflussen. Wenn sie allerdings über einen kurzen Rohrstutzen zwischen einer pulsierenden Quelle, z. B. einer Kolbenpumpe oder einem Verbrennungsmotor, und einem Rohrsystem eingebaut werden, können sie als „Puffervolumen“, ähnlich einem Schwingungsdämpfer, oberhalb einer oft nicht sehr stark ausgeprägten Feder/Masse-Resonanz, sehr wirkungsvoll dämpfen, wie in [78] nach K. Gösele beschrieben wird. Die Entwicklung komplexer reaktiver Hohlkammer-Schalldämpfer, die auf laute Motoren und Maschinen individuell abgestimmt werden und aus einer Kombination von Hohlräumen, Rohrstutzen und Lochflächengebilden mit oft vielfachen Strömungsumlenkungen, etwa gemäß Abb. 7.4, in inniger Wechselwirkung mit der Quelle und dem angekoppelten Rohrsystem arbeiten, ist inzwischen zu einem Spezialgebiet der Akustik geworden. Mit linearen und nicht-linearen Theorien sowie numerischen Methoden können zahlreiche geometrische Parameter, Strömungs- und Temperatur-Effekte zur Optimierung der Dämpfung aufeinander abgestimmt werden [78, 80]. Relativ neue Schalldämpfer aus der ALFA-Familie [7] für den Einsatz an Abgas-Schornsteinen kommen ebenfalls ohne den Einsatz faseriger/poröser Stoffe als Dämpfungsmaterial aus, sind in der Regel ganz aus Edelstahl gefertigt und können bei Bedarf leicht gesäubert werden. Diese Reinigbaren
82
7 Interferenz-Dämpfer
Abb. 7.4. Prinzip eines Auspuff-Topfes im Abgasstrang eines Verbrennungsmotors
Rohr-Schalldämpfer werden bis zu Durchmessern von etwa 1 m hergestellt und werden mit einem Schwerpunkt bei tiefen Frequenzen ausgelegt. Abbildung 7.5 zeigt das Prinzip dieser Dämpfer. Sie bestehen aus ringförmig um den luftführenden Kanal angeordneten Kammern, die über einen Lochblechring mit dem Kanal in Verbindung stehen. Die Eingangsimpedanz einer einzelnen Kammer kann nach [79] angegeben werden als 2
WR
U0 Z n x S c0
⎛ ⎜ Z U0 teff j⎜ ⎜ nx S h ⎜ ⎝
⎞ ⎟ U0 c0 ⎟ Z Z ⎞⎟ ⎛ S c ⎜ tan La tan Lb ⎟ ⎟ c0 c0 ⎠ ⎠ ⎝
(7.9)
mit der Anzahl der Löcher nx im Lochblechring, den Kammer-Teillängen La und Lb, der Kammerstirnfläche Sc = π ra2 – π ri2, Dicke des Lochblechs t, Lochradius r, Lochfläche Sh = S r2 und der aufgrund der beidseitig mitschwingenden Mediummasse wirksamen Länge teff = t + 1.7 r. In Gl. (7.9) gibt der erste Ausdruck die Reibung der Luft in den Löchern wieder, der zweite die Masse der in den Löchern mitschwingenden Luft und der dritte die Nachgiebigkeit des in der Kammer eingeschlossenen Luftvolumens. Der Schalldämpfer wirkt bei langgestreckten Kammern im Wesentlichen als O/4-Resonator mit den Kammerteillängen L a und Lb. Eine Abschätzung der Resonanzfrequenz kann dann näherungsweise mit Gl. (7.6) erfolgen. Sie verschiebt sich gemäß Gl. (7.9) aber aufgrund der in den Löchern mitschwingenden Luftmasse gegenüber Gl. (7.6) zu etwas tieferen Frequenzen:
Z U 0 teff nx Sh
U0 c0 Z ⎛ Sc ⎜ tan c0 ⎝
Z
⎞ La tan Lb ⎟ c0 ⎠
(7.10)
Diese Gleichung läßt sich nur numerisch oder über ein grafisches Verfahren lösen, da die Resonanzfrequenz Z = 2Sf auf beiden Seiten der Gleichung
7.3 Rohr-Schalldämpfer
83
Abb. 7.5. Längsschnitt und berechnete (○) sowie im Prüfstand nach Abschn. 13.5 gemessene (□) Einfügungsdämpfung De eines Rohr-Schalldämpfers nach [81]
auftaucht. Für tiefe Frequenzen und kurze Kammerlängen ( Z L / c0 1 ) geht Gl. (7.9) in die Gleichung für den Helmholtz-Resonator über [79],
WR
U0 Z 2 S c0
j
⎛Z ⎜ ⎜ ⎝
U 0 teff Sn
U0 c0 2 ⎞⎟ Z V ⎟⎠
(7.11)
mit der Öffnungsfläche Sn und dem Kammervolumen V. Für den Bereich der ebenen Welle im Kanal, der für ein Rohr mit dem Durchmesser D bis zur so genannten „cut-on-Frequenz“
fc
0.586
c D
(7.12)
84
7 Interferenz-Dämpfer
vorhanden ist, und unter der idealisierten Annahme eines unendlich langen Kanals kann die Ausbreitungsdämpfung Da berechnet werden nach
Da
WR 20log
W0 2 .
(7.13)
WR
Dabei ist W0 U 0 c0 / S K die mit der Querschnittsfläche SK des Kanals normierte Impedanz. In Abb. 7.5 ist der Vergleich von im Prüfstand gemessener Einfügungsdämpfung De mit der vorgestellten Berechnung dargestellt, die mit einem für diesen Schalldämpfer entwickelten Auslegungsprogramm durchgeführt wurde. Da der Lochblechring am Anfang der Kammer angeordnet ist, tritt nur die Dämpfung der großen Teillänge Lb in Erscheinung. Deutlich ausgeprägt sind hohe und relativ schmalbandige Dämpfungsspitzen, die, wie oben angeführt, etwa bei O/4 (Terzband 80 Hz) und 3O/4 (Terzband 250 Hz) auftreten. Die beschriebene Methode eignet sich zur Berechnung der Dämpfung einer einzelnen Kammer. Werden mehrere Kammern hintereinander angeordnet, so kommt es über die Abstände der Lochblechringe zu einer Kopplung der einzelnen Resonatorkammern. Dadurch stellt sich eine Dämpfung ein, die viel breitbandiger wirken kann als die Dämpfung der einzelnen Resonatoren. In diesem Fall kann die Dämpfung mit den eingangs erwähnten Methoden berechnet werden, indem der Schalldämpfer als Wellenleiter mit konzentrierten Elementen (Resonatorkammern) und verteilten Elementen (Verbindungslängen), vorzugsweise in Matrizenschreibweise [23], modelliert wird. Abbildung 7.6 zeigt einen solchen Rohrschalldämpfer mit 6 hintereinander angeordneten Kammern, die alle unterschiedliche Längen und damit verschiedene Resonanzfrequenzen aufweisen. Damit kann ein tieffrequent breitbandig wirksamer Dämpfer hergestellt werden, wie die in Abb. 7.6 dargestellte Messung im Prüfstand für Luft bei 20°C und die rechnerische Abschätzung für den Einsatz bei 180°C zeigen. Da der neuartige Rohrschalldämpfer für Abgas-Schornsteine bis 1 m Durchmesser ohne poröse Absorber auskommt und die Kammern damit völlig leer bleiben, kann er in einfacher Weise mit Flüssigkeit gereinigt werden. Über Anschlußstutzen, wie in Abb. 7.5 angedeutet, werden die Spülleitungen an die Kammern angeschlossen. Ein weiterer Vorteil ist der vernachlässigbare Druckverlust, da sich keine Einbauten im Kanal befinden. Für einige Anwendungsbeispiele sei auf Abschn. 13.6.6 und [4, 81] verwiesen.
7.3 Rohr-Schalldämpfer
85
Abb. 7.6. Längsschnitt und für 180°C berechnete (○) sowie im Prüfstand nach Abschn. 13.5 bei 20°C gemessene (□) Einfügungsdämpfung De eines Rohr-Schalldämpfers mit 6 Kammern nach [81]
8 Absorber mit aktiven Komponenten
Die vorstehend behandelten passiven und reaktiven Schallabsorber und Schalldämpfer dienen seit langem dem Lärmschutz und der akustischen Behaglichkeit. Mit den Verbundplatten-Resonatoren in Abschn. 5.3, den Membran-Absorbern in Abschn. 6.3 sowie den Rohr-Schalldämpfern in Abschn. 7.3 wurden auch bereits einige neuartige Varianten vorgestellt, die eine besonders hohe und breitbandige Wirksamkeit bei tiefen Frequenzen aufzuweisen haben und faserfrei aufgebaut werden können. In den Medien erregt daneben die „Aktive Lärmminderung“, auch als „Antischall“-Maßnahme tituliert, immer wieder großes Interesse. Weil diese aber einen sehr hohen elektronischen Aufwand erfordert, blieb ihr praktischer Einsatz bisher auf wenige Sonderfälle, wie z. B. die Kopfhörer von HubschrauberPiloten, beschränkt. Hier soll dagegen ein relativ einfach funktionierendes neues Prinzip zur aktiven Unterstützung reaktiv wirksamer Absorber vorgestellt werden, das sich bereits als hochwirksame Schalldämpfereinheit für kompakte Klimageräte und an Heizungsanlagen in großer Stückzahl dauerhaft besonders bei tiefen und mittleren Frequenzen bewährt hat. Eine Systematik zur Einordnung von Resonatoren lässt sich nach [13, T. 4] mit mehreren praktischen oder theoretischen Kategorien entwickeln. Die Art und Verknüpfung der beteiligten konzentrierten Elemente (Masse, Feder, Reibung) und modalen Komponenten (biegesteife Platte, Wellenleiter, Hohlkammer) in einzelnen oder kombinierten Resonanzsystemen nach Kap. 5 bis 7 stellt eine solche Möglichkeit zur Unterscheidung dar. Die Hinzunahme der Kategorie „aktiv“ bedeutet für diese Systematik zwar keine neu hinzukommenden akustischen Elemente oder Komponenten. Ihre Wirksamkeit wird jedoch durch die Integration elektromechanischer oder elektroakustischer Wandler verändert und gesteigert. Dazu ist eine meist geringe Hilfsenergie (elektrisch, aber auch pneumatisch oder hydraulisch etc.) erforderlich, die in ganz unterschiedlicher Weise benutzt bzw. verbraucht wird. Weiterhin sind zur Beschreibung der aktiven Resonatoren akustische mit regelungstechnischen Begriffen und Methoden zu verknüpfen, da die Wechselwirkung der Resonatorelemente mit den jeweils anregenden akustischen Größen (Schalldruck, Schallschnelle etc.) erfasst und gleichzeitig beeinflusst werden. Diese Einflussnahme aber verändert wiederum die Wechselwirkung, so dass ein geschlossener Regelkreis entsteht.
88
8 Absorber mit aktiven Komponenten
Die Gestaltungsmöglichkeiten mit diesem Aktivierungsansatz sind sehr vielseitig und betreffen nahezu alle Resonanzprinzipien. Die wissenschaftlichen Bemühungen auf diesem Gebiet führen demzufolge auch immer wieder zu neuen Spielarten und Kombinationen. Einige wenige Entwicklungen [82, 83], die meist auf preiswerte elektroakustische Standardbauteile zugeschnitten sind, erlangen bereits praktische Bedeutung im technischen Schallschutz. Auf Grund ihrer geringen Baugröße und zugleich hohen Wirksamkeit hauptsächlich bei tiefen Frequenzen stellen sie eine willkommene Ergänzung der passiven und reaktiven Schallabsorber dar. Immer weniger Platz für Schallschutzbauteile und immer mehr tieffrequent dominierte technische Lärmquellen wie Ventilatoren und Motoren – diese Tendenz begründet die steigende Nachfrage auch nach praktisch einsetzbaren aktiven Resonatoren, von denen im folgenden einige Varianten vorgestellt werden.
8.1 Masse-Feder-Systeme Unabhängig von ihrer tatsächlichen Ausführung stellen diese Systeme eine akustische Reihenschaltung mit mindestens einer Masse, einer Nachgiebigkeit (Feder) und einer Reibung (gewollt oder ungewollt) dar. Der Begriff Reihenschaltung deutet die Analogie von Akustik und Elektrotechnik an, die sich in vielen Fällen als zutreffend und hilfreich erwiesen hat. Die entsprechenden Regeln, Begriffe und Elemente für elektrische und gleichbedeutende akustische Netzwerke, in die sich eben auch regelungstechnische Zusammenhänge einfacher einbinden lassen, sind z. B. in [84] umfassend dargestellt. Zurück zum Masse-Feder-System, ergibt sich für die beispielhafte Ausführung in Abb. 8.1 (a) ein zugehöriges vereinfachtes Ersatzschaltbild, Abb. 8.1 (b) mit den Eingangsgrößen Schalldruck p0 und Schallfluss q. In diesem Fall übernimmt z. B. ein konventioneller Konus-Lautsprecher bzw. im wesentlichen seine Membran die Funktion der Masse M mit der Teilimpedanz
WM
jZ M
(8.1)
und das geschlossene Gehäusevolumen hinter dem Lautsprecher die Funktion der Nachgiebigkeit N bzw. Feder, ggf. als Wellenleiter der Länge L WN
WN
1 jZ N
j U 0 c0 cot k0 L .
(8.2a)
(8.2b)
8.1 Masse-Feder-Systeme
89
Abb. 8.1. Aufbau, Komponenten (a) und Ersatzschaltbild (b) eines akustischen MasseFeder-Systems
Hinzu kommt die unvermeidliche Reibung WR bei ausgeführten Membranbewegungen, mit der sich die Einzelelemente entsprechend der Reihenschaltung zur Impedanz des Masse-Feder-Systems summieren. Der Lautsprecher ermöglicht jedoch mehr, als nur eine Masse zu repräsentieren. Er verfügt über ein Antriebssystem (Schwingspule etc.), mit dessen Hilfe die Membranschwingungen beeinflusst werden können. Die einfachste Form der Beeinflussung ist die Verstärkung dieser Schwingungen mit dem Ziel, die Absorptionswirkung des Masse-Feder-Systems zu erhöhen. Dazu müssen die Membranschwingungen bzw. ihre Wechselwirkung mit den anregenden Schallschwingungen z. B. mit einem Mikrofon in unmittelbarer Nähe der Membran erfasst, und geeignet verstärkt an die Schwingspule des Lautsprechers rückgekoppelt werden. Der Aufbau dieses Regelkreises mit dem zugehörigen Ersatzschaltbild ist in Abb. 8.2 vereinfacht dargestellt. Der erwähnte resultierende Schalldruck wird vor der Membran mit einem Mikrofon, das durch einen elektroakustischer Übertragungsfaktor charakterisiert ist, erfasst. Mit der entsprechenden Mikrofonspannung am Eingang eines Leistungsverstärkers mit linearer Verstärkung V liegt dessen Ausgangssignal an den Klemmen des Lautsprechers. Diese Verknüpfung lässt sich z. B. als eine abhängig geregelte Schallquelle mit dem Schalldruck pQ = V p0 in die Reihenschaltung (Ersatzschaltbild, Abb. 8.2 (b)) einfügen. Die Impedanz eines solchen nunmehr aktiven Masse-Feder-Systems lautet demnach: W
1 ⎛ 1 ⎞ ⎜WR j Z M ⎟ jZ N ⎠ 1V ⎝
(8.3)
90
8 Absorber mit aktiven Komponenten
Abb. 8.2. Ansicht (a), Schnitt (b) und Ersatzschaltbild (c) eines aktivierten Masse-FederSystems nach [13, T.4]
Die Verstärkungseinstellung beeinflusst die Impedanz, wobei hohe Verstärkungswerte zu niedrigeren Impedanzen führen. Unter Berücksichtigung der Resonator (Membran) -Fläche zeigt sich diese Wirkung z. B. bei senkrechtem Schalleinfall (Impedanzrohr) nach Abb. 8.3 am Unterschied zwischen ein- und ausgeschaltetem Verstärker in Abb. 8.4. Der Vergleich der ca. 1 Liter kleinen aktiven Resonatorbox mit einer zwar gleich dicken aber insgesamt viel breiteren Absorberschicht veranschaulicht sehr prägnant die Vorzüge aktiver Masse-Feder-Systeme: Mit besonders geringer Baugröße wird eine hohe Absorptionswirkung bei tiefen Frequenzen erreicht. Für Einsatzfälle mit derartigen Ansprüchen stellen die aktiven Resonatoren eine praktikable Alternative dar. Dazu zählen u. a. aktive Schalldämpfer,
8.1 Masse-Feder-Systeme
91
α
Abb. 8.3. Bestimmung des Absorptionsgrades 0 eines aktivierten Masse-Feder-Systems und einer porösen Absorberschicht im Kundt’schen Rohr (250 u 250 mm)
z. B. in Kulissenform nach Abb. 8.5, die in Lüftungskanälen [83] oder an Klimageräten [82] mit dem minimalen Platzangebot auskommen. Der Vergleich mit konventionellen Schalldämpfern in Abb. 8.6 veranschaulicht die bis zu sechsfach höhere Dämpfungswirkung der aktiven Schalldämpfer (ASD)-Kulissen mit gleichen Abmessungen. Im Foto in Abb. 8.5 wird zugleich die vorteilhafte Kombination von aktiven Resonatoren und porösen Absorbern angedeutet.
Abb. 8.4. Nach Abb. 8.3 gemessener Absorptionsgrad α0 des Masse-Feder-Systems gemäß Abb. 8.2; ohne (−−), mit ( )Verstärkung, poröser/faseriger Absorber nach Abb. 4.2 für d = 100 mm (− −)
·
―
92
8 Absorber mit aktiven Komponenten
Abb. 8.5. Aktive Schalldämpfer-Kulissen bestehend nach [13, T.4] aus aktivierten Masse-Feder-Resonatoren und dünnen Schichten aus porösem/faserigem Material als Schallabsorber-Kulisse in einem Strömungskanal (siehe auch Abb. 13.15)
Abb. 8.6. Einfügungsdämpfung De der aktiven Schalldämpfer (ASD) – Kulissen nach Abb. 8.5; Länge 250 (○) bzw. 500 mm (□), gemessen im Vergleich zu einem porösen Schalldämpfer gleicher Konfiguration
8.1 Masse-Feder-Systeme
93
Der einfache Ausdruck in Gl. (8.3) reicht allerdings für eine Auslegung nicht aus, da er nicht alle Einzelheiten (Komponenten, Wechselwirkungen etc.) wiedergibt, die bei diesem Regelkreis zusätzlich zu beachten sind. In [85, 86] wurden ausführliche Untersuchungen ausgewertet und die unterschiedlichen akustischen und regelungstechnischen Einflüsse auf die Funktion aktiver Resonatoren beschrieben. Neben den konkreten Eigenschaften (Betrag und Phase der Übertragungsfunktion, mechanische Ausführung etc.) der elektroakustischen Wandler kann sich bei aktiven Resonatoren die Art und Verbindung der akustischen Umgebung besonders auf die Funktion auswirken. Dies gilt sowohl für den tiefen Frequenzbereich, in dem die Dämpfung erreicht werden soll, als auch im hochfrequenten Bereich, in dem zumindest keine Abstrahlung durch elektroakustische Instabilität des Regelkreises auftreten darf. Hierin liegen auch die Grenzen der einstellbaren Verstärkung nach Gl. (8.3) begründet: Bei tiefen Frequenzen ist es der klirrfreie Hub des Lautsprechers und bei hohen Frequenzen sind es u. a. die auftretenden Eigenschwingungen der Lautsprechermembran. Innerhalb dieser Grenzen besteht jedoch ein beträchtlicher Spielraum, in dem die Komponenten variiert und das Resonanzsystem abgestimmt werden können. Darüber hinaus bieten sich regelungstechnische Möglichkeiten, den nachträglich sehr schwierigen Komponentenaustausch durch erweiterte Regelstrukturen zu ersetzen. Ein Beispiel zeigt Abb. 8.7, bei dem in die Regelung des Resonators ein weiteres Schalldruck- bzw. Mikrofonsignal einfließt. Dieses Mikrofon befindet sich im Luftvolumen hinter der Lautsprechermembran, das Mikrofonsignal wird separat verstärkt und mit der verstärkten Spannung des Mikrofons vor der Membran summiert. Die gesonderte Verstärkung der beiden Schalldrucksignale ist durchaus von Bedeutung, da
Abb. 8.7. Aufbau, Komponenten (a) und Ersatzschaltbild (b) eines aktivierten und elektronisch abstimmbaren akustischen Masse-Feder-Systems nach [13, T.4]
94
8 Absorber mit aktiven Komponenten
ansonsten lediglich die Schalldruckdifferenz proportional zur Membranschnelle erfasst würde. Dies stellt, ähnlich wie die ausschließliche Verwendung des Mikrofonsignals hinter der Membran, einen anderen Fall dar. Anhand des Ersatzschaltbildes lässt sich wiederum ein vereinfachter Ausdruck für die resultierende Impedanz herleiten: W
1 ⎛ 1 VN ⎜ WR j Z M jZ N 1 V0 ⎝
⎞ ⎟ ⎠
(8.4)
Abb. 8.8. Nach Abb.8.3 gemessener (a) und berechneter (b) Absorptionsgrad α0 des Masse-Feder-Systems ohne (dünne) bzw. mit Verstärkung (fette Kurve) sowie höherer (○) bzw. tieferer (□)Abstimmung der Verstärkung gemäß (Abb. 8.7)
8.2 Abzweig-Resonatoren
95
Hinsichtlich der einzustellenden Verstärkung V0 bleibt alles wie in Gl. (8.3). Mit der Verstärkung VN (Vorzeichen, Betrag) lässt sich jedoch die „wirksame“ Größe der Luftfeder und damit der spektrale Absorptionsbereich elektronisch einstellen. In Abb. 8.8 werden zwei unterschiedliche Abstimmungsvarianten mit dem passiven (Abb. 8.1) und dem mit einem Mikrofonsignal aktivierten Resonator (Abb. 8.2) verglichen. Das Absorptionsmaximum kann danach im Bereich von einer Oktave beliebig und ohne Komponentenwechsel variiert werden. Die automatische Abstimmung richtet sich praktisch z. B. nach den Signalen einfacher Stellglieder (Drehzahlmesser), die etwa den Zustand und somit das Spektrum einer Lärmquelle (Motor) charakterisieren.
8.2 Abzweig-Resonatoren Ein ebenfalls tieffrequentes Lärmproblem, das nach Abschn. 13.6.7 an Brisanz gewinnt, sind Abgasgeräusche von Heizungsanlagen [87]. Immer häufiger ist eine Tendenz zu erhöhten Abgasgeräuschen festzustellen, die nicht nur den Betreiber, sondern vor allem auch die Nachbarschaft betreffen. Für die notwendige Schalldämpfung der dominierenden tieffrequenten Geräuschanteile reichen konventionelle Absorptions-Schalldämpfer nach Kap. 4 nicht aus. Die aktiven Masse-Feder-Resonatoren sind in der oben vorgestellten Form allerdings auch nicht für den Einsatz bei hohen Temperaturen, mitunter starker Kondensatbildung und anderen erschwerenden Bedingungen geeignet. Aus praktischer Sicht müssen die empfindlichen Komponenten entweder geschützt oder durch robustere und zugleich viel teurere Bauteile ersetzt werden. Aus akustischer Sicht ändert sich an der Betrachtungsweise nur im ersten Fall etwas, da zusätzliche schützende Elemente die Funktion des Gesamtsystems beeinflussen können. Mit aktiven Abzweig-Resonatoren wird diese Beeinflussung nicht nur hingenommen, sondern vorteilhaft ausgenutzt. Dazu wird dem bereits geschilderten Masse-Feder-System eine langgestreckte Hohlkammer der Länge L vorgeschaltet, Abb. 8.9 Sie fungiert als wärmedämmendes Luftvolumen mit sehr gut wärmeleitenden Seitenwänden und wirkt wie ein akustischer Wellenleiter nach Abschn. 7.1. Die Beschreibung der vorderseitigen Impedanz eines solchen Wellenleiters bei zunächst rückseitig schallhartem Abschluss erfolgt für den unbedämpften Fall nach Gl. (8.2b). Bei den daraus ableitbaren Resonanzfrequenzen verschwindet der Imaginärteil der Impedanz, so dass zumindest diese Voraussetzung für hohe Absorptions- bzw. Dämpfungswirkung erfüllt ist.
96
8 Absorber mit aktiven Komponenten
Abb. 8.9. Ansicht (a), Schnitt (b) und Ersatzschaltbild (c) eines aktivierten akustischen Masse-Feder-Systems mit vorgeschalteter Hohlkammer (Wellenleiter) nach [87]
Für den allgemeineren Fall einer beliebigen rückseitigen Abschlussimpedanz WL der Hohlkammer gilt für die vorderseitige Impedanz [79]: W
WL cos k0 L j U0 c0 sin k0 L W j L sin k0 L cos k0 L U 0 c0
(8.5)
Der Übergang zu Gl. (8.2b) ist für sehr hohe Impedanzen (schallharter Abschluss) leicht nachzuvollziehen. Um nun die aktive Kombination aus Masse-Feder-Resonator und Wellenleiter zu beschreiben, ist in Gl. (8.5) für WL die Impedanz nach Gl. (8.4) einzusetzen. In dieser Form werden in Gl. (8.5) allerdings einige wichtige Details noch nicht berücksichtigt. Die tatsächlichen Relationen z. B. zwischen der wirksamen Membranfläche des Lautsprechers sowie den Querschnittsflächen des Resonatorgehäuses und der Hohlkammer beeinflussen auch die Impedanz des aktiv abgeschlossenen Wellenleiters. Darüber hinaus ist auch bei diesem Hohlraumresonator die Mündungskorrektur bzw. genauer die Strahlungsimpedanz [79] der Luftsäule in der Hohlkammer einzubeziehen. Auf Grund ihres Massecharakters bewirkt sie eine Verschiebung der Resonanz zu tieferen Frequenzen. Die bereits in Aussicht gestellten akustischen Vorteile der aktiven Kombination unterschiedlicher Resonanzsysteme liegen in ihrer Wirksamkeit im tieffrequenten Bereich. Zur Veranschaulichung sei wiederum der Einsatzfall eines Schalldämpfers in bzw. an einem Kanal gewählt, der in Abb. 8.10 (a) dargestellt ist. Der Messaufbau umfasst einen zylindrischen Kanal als Messstrecke, an die zwei gleichartige aktive Resonatoren gegenüberliegend angeflanscht sind. Die Einfügungsdämpfung dieser Resonatoren im passiven und
8.2 Abzweig-Resonatoren
97
Abb. 8.10. Gemessene Einfügungsdämpfung De der aktiven Abzweig-Resonatoren ohne (---) und mit Verstärkung ( )
―
aktiven Zustand zeigt Abb. 8.10 (b). Ohne elektrische Verstärkung (V0 = 0) tritt bei ca. 260 Hz das erste Dämpfungsmaximum auf, dessen Höhe u. A. auf die eben erwähnten Querschnittsverhältnisse zurückgeht. Die Resonanzfrequenz ergibt sich aus der Länge der Luftsäule von der Kanalmündung bis zur Lautsprecher-Membran zuzüglich der Mündungskorrektur. Bei eingeschaltetem Verstärker stellt sich maximale Dämpfung bereits bei 60 Hz ein. Um eine solche Resonanzfrequenz ohne aktive Abschlussimpedanz zu erreichen, wäre bei gleich anzusetzender Mündungskorrektur die mehr als vierfache Kammerlänge erforderlich. Die Aktivierung wirkt sich also platzsparend aus, ein Vorteil, der bei beengten Verhältnissen für den Einbau oder die
98
8 Absorber mit aktiven Komponenten
Nachrüstung sehr attraktiv ist. Die beiden Kurven mit unterschiedlichen Resonanzfrequenzen, lediglich durch Ein- und Ausschalten eines Verstärkers erreicht, deuten jedoch noch eine weiteren Vorteil an: Bei Lärmspektren, die in Abhängigkeit von Betriebszuständen hohe Pegel bei jeweils unterschiedlichen Frequenzen erzeugen, lassen sich Resonatoren auf einfache Art und Weise jederzeit automatisch anpassen. Reicht die Hohlkammer allein zum Schutz der elektroakustischen Bauteile nicht aus, bestehen weitere Möglichkeiten, die thermische Belastung zu verringern. Als zusätzliche Bauteile mit schützender Wirkung kommen z. B. Lochblech-, Vlies- und Folienabdeckungen gemäß Abschn. 4.1 an der Mündung der Hohlkammer in Frage. Während eine poröse Vliesschicht durch ihre Strömungsresistanz (WV) akustisch charakterisiert ist, stellen Folien eine reaktive Komponente (Masse WF = j Z mccF ) dar, die das resultierende Gesamtsystem verstimmen können. Dies gilt auch für ein Lochblech, wobei hier in aller Regel die Masse (WLB = j Z mccLB ) der Luftpfropfen in den Löchern wie beim Helmholtz-Resonator nach Kap. 6 die Resonanz(en) des gekoppelten Systems verändert. Ihr rechnerischer Einfluss lässt sich in Gl. (8.5) wie folgt einbinden: W
WLB WV WF
WL cos k0 L j U0 c0 sin k0 L W j L sin k0 L cos k0 L U0 c0
(8.6)
Neben dem bereits erläuterten akustischen Verhalten zeigt sich bei diesem Beispiel auch eine beständige Funktion bis zu Kanaltemperaturen von 150°C. Dieser Temperaturbereich ist für Heizungssysteme kleinerer Leistung repräsentativ. Die vorteilhafte Kombination der aktiven Masse-FederSysteme mit anderen reaktiven Bauteilen ist nicht nur auf Hohlraum-Resonatoren wie Wellenleiter oder die naheliegenden Helmholtz-Resonatoren [88] beschränkt. Zusätzliche akustische Komponenten, erweiterte oder andere Regelstrukturen [89], aber auch die angepasste Auswahl und Positionierung von Sensoren können z. B. die Empfindlichkeit aktiver Resonanzsysteme gegenüber äußeren Bedingungen verringern helfen. Dieser Aspekt entscheidet in den meisten praktischen Fällen über den Einsatz und sollte deshalb bereits beim Lösungsansatz gebührend berücksichtigt werden.
8.3 Moden-Dämpfer Der Vorteil aktiver Resonatoren, mit sehr geringem Bauvolumen tieffrequente Geräusche wirkungsvoll zu dämpfen, zahlt sich nicht nur bei ihrem Einsatz als Schalldämpfer in oder an Kanälen aus. Platzsparende Lösungen
8.3 Moden-Dämpfer
99
sind auch bei der Dämpfung bzw. Beeinflussung von Schallfeldern in Räumen gefragt. Zweifellos eignen sich die hier vorgestellten aktiven Resonanzabsorber nicht für jede raumakustische Situation. Großflächige Installationen in Hallen oder Sälen mit entsprechend vielen aktiven Einzelsystemen erscheinen aus heutiger Sicht weder akustisch noch wirtschaftlich sinnvoll. Hörbar tieffrequente Probleme treten aber auch, vielleicht sogar gerade in kleinen Räumen auf, in denen zugleich der Platz für Absorber besonders knapp ist. Hier erzwingt die Raumgeometrie eine stark ortsabhängige, modale Schalldruckverteilung. Die verzerrende Wirkung dieser Raumresonanzen gemäß Kap. 2, die wie sehr schmalbandige Filter jegliche Schallübertragung beeinflussen, begründet den Behandlungsbedarf kleiner Räume bei tiefen Frequenzen. Der mathematische Ausdruck dieses Zusammenhangs, d. h. der Schallübertragung zwischen einer Quelle (Schallfluß q) am Ort rQ (xQ, yQ, zQ) und einem Empfänger (Schalldruck p) am Ort rE (xE, yE, zE) in einem quaderförmigen Raum (Volumen V, Abmessungen lx, ly, lz) mit schallharten Wänden, lautet nach [27]: p(rE ) WQE q(rQ )
j ZU0 V
∑ (r(K)< k(r ) ) n
N
Q
n
E
n
2 n
2 0
(8.7)
Summe der Raummoden
Die Randbedingungen durch den umgebenden Raum treten in Gestalt der symmetrischen Eigenfunktionen
(8.8)
Es handelt sich hierbei um eine Überlagerung der Übertragungspfade Quelle o Empfänger (WQE ohne Resonator) und Quelle o Resonator o Empfänger. Abgesehen von den geometrischen Koordinaten gleichen die
100 8 Absorber mit aktiven Komponenten
Abb. 8.11. Schallharter Raum mit Quelle, Empfänger, aktivem Resonator sowie schematisch dargestellten Transferpfaden und Impedanzen
Transferimpedanzen einander. Eine Besonderheit stellt die Impedanz WRR dar, die als akustische Lastimpedanz des Resonators zu betrachten ist und deshalb eine Nahfeldbetrachtung erfordert (Messung, Berechnung). Der Übergang von Gl. (8.8) bei hoher Resonatorimpedanz (schallhart) zu Gl. (8.7) ist leicht zu erkennen und lässt sich z. B. für eine praktische Demonstration durch Entfernen oder auch Ausschalten des aktiven Resonators bewerkstelligen. Abbildung 8.11 zeigt eine solche Situation [90], wobei Quelle und Empfänger über eine Raumdiagonale verbunden sind. Ein aktiver Resonator nach Abb. 8.2 befindet sich in einer der verbleibenden Raumecken am Boden. Die zu berücksichtigenden Übertragungspfade bzw. Transferimpedanzen nach Gl. (8.8) sind ebenfalls dargestellt. Die Mess- und Rechenergebnisse der Transferimpedanz W QE (Betrag, normiert) in Abb. 8.12 veranschaulichen die Besonderheiten des tieffrequenten Schallfeldes in einem kleinen Raum und die Möglichkeiten zu dessen Beeinflussung. Bei leerem Raum treten die erwähnten Raumresonanzen als sehr schmalbandige Maxima deutlich hervor. Die Berechnungsvorschrift der zugehörigen Frequenzen folgt unmittelbar aus Gl. (8.7). Bei diesen Frequenzen bzw. bei den Frequenzen ausgeprägter Minima in Abb. 8.11 wird das in den Raum abgestrahlte Geräusch ortsabhängig deutlich lauter bzw. leiser. Einerseits bedeutet die Wirkung der aktivierten, etwa 10 Liter großen Resonatorbox also eine Geräuschminderung. In Abb. 8.12 ist dies z. B. im Bereich von 80 Hz mit etwa 20 dB der Fall, einer gerade bei tiefen Frequenzen sehr gut hörbaren Pegeldifferenz. Andererseits erfolgt eine spektrale Nivellierung bzw. Glättung der akustischen Übertragungsstrecke, d. h. die verzerrenden Filtereigenschaften des Raumes werden zumindest teilweise kompensiert.
8.3 Moden-Dämpfer 101
Abb. 8.12. Betrag der gemessenen (a) und berechneten (b) Transferimpedanz WQE entlang der Raumdiagonale nach Abb.8.11 mit (fett) und ohne (dünn) aktivierten Resonator nach Abb. 8.2 [90]
9 Mikroperforierte Absorber
Im Vorangegangenen wurde zunächst in Kap. 4 ein Überblick gegeben über alle klassischen Materialien für und Bauformen von Schall-Absorbern. Noch bestehen diese überwiegend aus den verschiedensten faserigen/porösen Stoffen, die sich Luftschallwellen gegenüber passiv verhalten. Allerdings rücken heute diverse Resonatoren immer mehr in den Vordergrund, die mit dem sie anregenden Schallfeld auf sehr unterschiedliche Weise reagieren (Kap. 5–9). Ob letztere nun materiell mit Platten, Folien oder Membranen (Kap. 6 und 9) oder nur mit unterschiedlich ausgeformten Luftvolumina (Kap. 7 und 8) zum Mitschwingen veranlasst werden: Auch ihre Wirksamkeit kann in den meisten Fällen durch das Anbringen bzw. Einbringen einer kleineren oder größeren Menge akustischen Dämpfungsmaterials aktiviert bzw. optimiert werden. Im folgenden Kapitel geht es um Absorber, die ganz ohne Dämpfungsmaterialien ihre breitbandige Wirkung entfalten. Die Idee für die Nutzung der Reibung in kleinen Löchern und Schlitzen zur Absorption von Schallenergie ist viel älter als der Einsatz von feinen Mineralfasern in zunächst vergleichsweise groben Strukturen für den gleichen Zweck und geht ursprünglich auf russische Arbeiten [91–93] zurück. Aber dem Altmeister der chinesischen Akustiker, D.-Y. Maa, war die Theorie zu verdanken [94], nach welcher vor nunmehr 13 Jahren der Einsatz des ersten Mikroperforierten Absorbers MPA in einem spektakulären raumakustischen Sanierungsfall [95] gelang. Inzwischen sind neben diesem transparenten Acrylglas-Absorber eine ganze Familie faserfreier Akustik-Bauteile aus diversen Metallen und Kunststoffen im Fraunhofer IBP entwickelt worden, die hier kurz angesprochen werden. Nachdem sich die Schallabsorption in fein-faserigen oder offen-porösen Materialien für den Lärmschutz wie für die Raumakustik seit Mitte des vorigen Jahrhunderts weltweit durchgesetzt hatte, war es schon ein großer Fortschritt, als G. Kurtze [96] nachweisen konnte, dass man Decken- oder Wandverkleidungen mit möglichst dicken passiven Schichten nach Kap. 4 und Abb. 9.1 (a) hinter Lochplatten mit mindestens 15% Lochanteil einfach und wirtschaftlich durch ähnlich perforierte Blechkassetten, Holz- oder Gipskartonplatten mit einer viel dünneren vorder- oder rückseitigen Vliesbzw. Stoffbespannung ersetzen kann, s. Abb. 9.1 (b).
104 9 Mikroperforierte Absorber
Abb. 9.1. Raumakustische Wand- und Decken-Verkleidungen; faseriges/poröses Dämpfungsmaterial hinter Lochplatten mit σ > 15% (a), Lochplatte wie bei (a), aber mit faserigem/porösem Stoff bespannt (b), mikroperforierte Platte/Folie mit σ ≈ 1% (c)
Abbildung 9.2 zeigt, wie sich bei einer Vliesbespannung mit unterschiedlichem Strömungswiderstand bei d # O/4 ein breites AbsorptionsMaximum einstellt, bei d # O/2 zwar ein relatives Minimum bleibt, aber für d # O/8 beim Anbringen eines optimalen Strömungswiderstandes D # 80% etwa wie bei einem homogenen passiven Absorber nach Abb. 4.2 und Gl. (4.8) erreichbar sind. Wenn also der Abstand d nur groß genug ist, lassen sich so Schall-Absorber, insbesondere für raumakustische Zwecke, bauen, die auch zu tieferen Frequenzen breitbandig realisierbar sind. Allerdings bleibt das gewohnte Loch- oder Schlitzbild des konventionellen Sicht- und Abriebschutzes für konventionelle poröse/faserige Absorber auch dann andeutungsweise erhalten, wenn das Vlies zum Raum hin angebracht wird, weil eine gewisse Durchströmung und damit Verschmutzung der Loch-Abdeckungen auf Dauer fast unvermeidlich ist, selbst wenn man auf einem vorderseitig angebrachten Vlies noch einen „Akustik“-Putz, u. a. auch zur Überbrückung von Element-Fugen, aufträgt. In der Architektur repräsentativer Gebäude ist seit einiger Zeit ein unaufhaltsamer Trend zu immer mehr Glas in den Außenbauteilen und Zwischenwänden zu beobachten. Die Glas-Industrie hat von dieser Zeitströmung nicht nur mit einem erhöhten Absatz konventioneller Bauprodukte profitiert, sondern in geradezu vorbildlicher Weise auf dadurch neu entstandene bauphysikalische Herausforderungen (insbesondere des Schallund Wärmeschutzes) mit einer Reihe von durchgreifenden Innovationen
9 Mikroperforierte Absorber 105
Abb. 9.2. Im Hallraum gemessener Absorptionsgrad αs einer Lochblech-KassettenDecke nach Abb. 9.1 (a) und (b) mit d = 200 mm; faseriger/poröser Absorber nach Abb. 4.2 ( ), 7 mm Vliesauflage (1 kg m-2) ( ), 5 mm Vliesauflage (0.5 kg m-2) ( ), 0.6 mm Vliesbespannung ( )
―
∆
□
○
reagiert. Bei richtiger Wahl der Schallschutz-Klasse der Fassade entsprechend dem zu erwartenden Außenlärm-Pegel und Ausführung von Zargen und Dichtungen an Türen entsprechend der zu fordernden schalltechnischen Entkopplung benachbarter Gebäude- oder Nutzungsbereiche lassen sich auch erhöhte Anforderungen an die Schalldämmung heute nach dem Stande der Technik problemlos erfüllen. Wenn die innen angeordnete Schale dieser Glasbauteile nicht zu dick ist, bilden sie in Verbindung mit den angekoppelten Hohlräumen außerdem auch einen für die Raumakustik sehr wertvollen Tiefen-Schlucker. Anders sieht dies aber für die mittleren und hohen Frequenzen in den so geschaffenen gläsernen Innenräumen aus. So vorteilhaft sich das hohe spezifische Gewicht und die große Steifigkeit von Glas (beide Kenngrößen sind vergleichbar mit denen von Beton und anderen massiven Baustoffen) auf die Erzielung eines ausreichenden Schalldämm-Maßes nutzen lässt, so schädlich können sich die daraus ebenso unvermeidlich resultierenden starken Reflexionen auswirken. Akustische Berater waren bisher oft ratlos, wenn es darum ging, Beanstandungen wegen zu hoher Halligkeit (bis hin zu unerträglichen Lärm-Pegeln) oder schlechter Sprachverständlichkeit (bis hin zum Ausfall von elektroakustischen Anlagen) in glasbegrenzten Räumen nachträglich zu beheben. Hinsichtlich der seitlichen Begrenzungen blieb meist nicht mehr übrig, als vor diese Glas-Bauteile, zumindest
106 9 Mikroperforierte Absorber
bereichsweise, absorbierende Vorhänge zu ziehen oder Rollos herunter zu lassen, womit das architektonische Konzept allerdings nachhaltig zerstört werden konnte. In ästhetischer wie ergonomischer und hygienischer Hinsicht hat D.-Y. Maa [97] hier mit seiner Idee für einen mikroperforierten Platten-Absorber im Abstand vor einer schallharten Rückwand nicht nur die Entwicklung völlig neuartiger Akustik-Bausteine angestoßen, die ganz ohne den Einsatz poröser/faseriger Dämpfungsmaterialien auskommen, s. Abb. 9.1 (c). Da sich ihre akustische Wirksamkeit fast unabhängig von der Wahl des Platten-Materials, allein durch ihre geometrischen Parameter, exakt einstellen lässt, ermöglichen Mikroperforierte Absorber MPA erstmals auch optisch transparente Schall-Absorber z. B. aus Acrylglas, Polycarbonat, PVC oder ETFE. Das akustische Fiasko bei der Eröffnung des „gläsernen“ Plenarsaales des Bundestages 1992 in Bonn [95] wurde daher zum Ausgangspunkt für eine sehr weitreichende deutsch-chinesische Kooperation zur Entwicklung und Umsetzung einer ganzen Familie von, bei entsprechendem Bedarf, auch transparenten oder transluzenten Akustik-Bauteilen für den anspruchsvollen Innenausbau [98]. In allen, inzwischen schon sehr vielfältig in der Praxis erprobten MPAVarianten schwingt die Luft in vielen nebeneinander angeordneten Löchern (a, b) oder Schlitzen als Masse zusammen mit der Luft im Zwischenraum (d) zu einer in der Regel schallharten Rückwand gemäß Abb. 9.3 (a) als Feder nach Art eines Helmholtz-Resonators nach Kap. 6. Gegenüber konventionellen Lochflächen-Absorbern nach Abschn. 6.1 und den in Abschn. 6.2 vorgestellten Schlitz-Resonatoren [64] wird in MPA allerdings nur ein verhältnismäßig kleines Lochflächenverhältnis V (bevorzugt in der Größenordnung von 1%) gewählt. Vor allem wird aber die kleinste Abmessung der Löcher oder Schlitze (2 r0) stets so klein gemacht, dass sie in die Größenordnung der akustischen Grenzschicht einer laminaren Strömung in den Löchern nach Abb. 9.3 (b) und Gl. (4.13) gerät. Bei allen porösen Schall-Absorbern, in denen Luftschwingungen durch Reibung bedämpft werden sollen, spielt das Verhältnis aus Poren-Abmessung quer zur Schwingungsrichtung und Grenzschichtdicke eine wichtige Rolle. Für zylindrische Löcher mit dem Radius r0 [mm] liefert z. B. das dimensionslose Verhältnis x
r0
G
0.65 r0 f
(9.1)
mit f [Hz] eine qualitative Aussage darüber, wie wirkungsvoll die Wandhaftung die Schwingungen in den Löchern bedämpfen kann.
9 Mikroperforierte Absorber 107
Abb. 9.3. Zum Prinzip mikroperforierter Absorber MPA; Draufsicht und Schnitt, schematisch (a), Schnelleverteilung in großen (links) bzw. kleinen Löchern oder Schlitzen (rechts) (b)
In konventionellen Lochflächen-Absorbern mit 2 < r0 < 25 mm bleibt die Reibung mit 10 < x < 500 so lange gering, wie man nicht durch Anbringung zusätzlichen Dämpfungsmaterials in der Nähe der Löcher für additive Dissipation sorgt. Für typische Lochgrößen 0.05 < r0 < 5 mm in MPA bleibt r0 dagegen stets in der Größenordnung von δ; die durch Resonanz verstärkten Schwingungen in den Löchern können optimal bedämpft werden. Für offenporige Schäume empfehlen sich ebenfalls Porengrößen zwischen 0.1 und 0.5 mm, um hohe innere Reibung auch ohne Resonanz-Effekte erreichen zu können. Wenn man dasselbe Modell der Reibung in engen Kanälen auf die üblichen künstlichen Mineralfasern überträgt, so wie es im Rayleigh-Modell [18, S. 235] allgemein üblich ist, so ergeben sich aus mittleren Faser-Durchmessern nach [44, Tabelle 19.7] von 4 bis 15 Pm zwar stark vom optimalen Wert x # 1 abweichende Reibungsparameter. Tatsächlich lässt sich durch Vergleich der Theorie des Rayleigh-Modells mit
108 9 Mikroperforierte Absorber
Messungen an realen Faser-Absorbern aber ein effektiver Porenradius zwischen 65 und 125 µm bestimmen [44]. Damit ergeben sich interessanterweise ungefähr wieder die Werte 0.5 < x < 5, ganz ähnlich wie beim MPA. Man kann also die Mikroperforation, je nach dem anvisierten Frequenzbereich, so einrichten, dass für r0 im Submillimeter-Bereich x nicht viel von 1 abweicht. Mit entsprechend feiner Perforation (r0) kann man die Reibung für die Schwingungen in den Löchern auch für höhere Frequenzen gerade so einstellen, dass es zur optimalen Bedämpfung des MPA-Resonators keines zusätzlichen Dämpfungsmaterials vor, in oder hinter den Löchern oder gar im Hohlraum dahinter bedarf. Mit ihrer „inhärenten“ Reibung und der vollständig durch ihre geometrischen Parameter definierten Wirkungsweise lassen sich MPA also exakt aus ihren Auslegungs-Parametern berechnen, bzw. genau auf das vorgegebene Schallspektrum auslegen. Bei gut wärmeleitenden Platten aus Metall oder Glas lassen sich in einer thermischen Grenzschicht, die von gleicher Größenordnung wie die akustische ist [18, S. 79] zusätzliche Verluste durch Wärmeableitung identifizieren. Bei sonst gleicher geometrischer Auslegung sollten also z. B. MPA aus Metall eine etwas größere inhärente Absorption aufweisen als solche aus Acrylglas. In ungefährer Übereinstimmung mit anderen Autoren (z. B. [18]) führt Maa für den Fall, dass es sich bei der Platte um ein wärmeleitendes Material handelt, im Grenzschicht-Parameter x zur Viskosität K noch zusätzliche Verluste mit dem Wert 0.024 g m–1 s–1 ein, so dass x 0.42 r0
f
(9.2)
Gl. (9.1) für mikroperforierte Bauteile mit guter Wärmeleitung ersetzt.
9.1 MPA-Platten Die Theorie der MPA und ihre lange Vorgeschichte, die bis in die 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückreicht und bei welcher die Russin K. A. Velizhanina eine wichtige Rolle gespielt hat, wird ausführlich in [99] beschrieben. Hier soll die Wand-Impedanz einer mikroperforierten Anordnung nach Abb. 9.3 gemäß Gl. (3.6), auf den Kennwiderstand der Luft bezogen, W U0 c0
⎛
r c j ⎜ Z mc cot ⎝
Zd ⎞ c0
⎟ ⎠
(9.3)
in der Näherung von Maa [94] für zylindrische Löcher zur Beschreibung der MPA herangezogen werden. Gegenüber dem einfachen Feder/MasseSystem, wie es in Kap. 5, 6 und 8 schon als Modell für Resonanz-Absorber
9.1 MPA-Platten 109
mit konzentrierten Elementen (d << O) behandelt wurde, beschreibt der cot Z d/c0 in Gl. (9.3) die Tatsache, dass für die hier angestrebten relativ breitbandig wirksamen MPA der Hohlraum zwischen Lochplatte und Wand für höhere Frequenzen genau genommen einen HohlkammerResonator nach Abschn. 7.1 darstellt. Für d = O/4 würde dieser bei nicht zu großen Werten der flächenbezogenen, mit U0 c0 normierten Masse der in den Löchern schwingfähigen Luft mc ein entsprechend rc gedämpftes Schwingungs-Maximum zulassen. Andererseits wird cot Z d/c0 für d = O/2 unendlich groß, so dass bei der entsprechenden Frequenz ebenso wie bei ganzzahligen Vielfachen derselben kein Mitschwingen und daher, im Rahmen dieses Modells, auch keine Absorption möglich ist. Da nur für sehr kleine Frequenzen cot
Zd c0
#
c0
(9.4)
Zd
gilt, tendiert die Frequenz des Absorptions-Maximums gegenüber einer wie auch immer gearteten Grobabschätzung nach Gl. (6.2) zu etwas niedrigeren Frequenzen. Der Hauptunterschied zum konventionellen Helmholtz-Resonator steckt aber natürlich in der (über den GrenzschichtParameter x) stark frequenzabhängigen Form von rc und mc in Gl. (9.3), mc
rc
t c0 V
Km
; Km
1 (9 0.5 x 2 ) 1/ 2 1.7 r0 t 1
8K t t K r # 0.34(0.78)103 Kr 2 U 0 c0 V r0 V r0 2 Kr
2 1/ 2
(1 0.031x )
;
(9.5)
(9.6) 1
0.35 x r0 t ,
wobei der jeweils letzte Summand in den für MPA charakteristischen Multiplikatoren Km und Kr unschwer als spezielle „Mündungs-Korrekturen“ zu erkennen sind, die – wie beim klassischen Helmholtz-Resonator – mit dem Verhältnis r0/t die mitschwingende Masse erhöhen, aber bei kleinen Löchern (r0 [mm]) und dicken Platten (t [mm]) an Bedeutung verlieren. Mit der Näherung (9.6) kann man die MPA in Analogie zum einfachen Feder/Masse-System nach Abschn. 6.1 hinsichtlich ihrer Haupt-Resonanzfrequenz f MPA
54 103
V d t Km
[ Hz ]
(9.7)
110 9 Mikroperforierte Absorber
und ihres normierten Kennwiderstandes Z cMPA
t Km dV
[ ]
(9.8)
charakterisieren, wenn man nur den, wiederum über x nach den Gln. (9.1) bzw. (9.2) vom Frequenzbereich der Auslegung abhängigen Korrekturfaktor Km nach Gl. (9.5) abschätzt und alle Maße in mm einsetzt. Aus dem Verhältnis (rc + 1)/ZcMPA folgt dann nach dem Modell in Abschn. 5.1 auch eine Aussage über die relative Bandbreite des jeweiligen MPA. Damit steht ein einfach handhabbares Handwerkszeug zur Verfügung, um MPA ganz gezielt auslegen zu können. Abbildung 9.4 zeigt, wie man aus ein und derselben t = 3 mm dicken Platte mit immer demselben Lochflächenverhältnis V # 0.014 und immer gleichem Wandabstand d = 50 mm drei ganz verschiedene Schallabsorber erstellen kann, indem man nur die Lochgröße variiert. Die erste Kurve beschreibt einen fast noch konventionellen Helmholtz-Resonator mit x = 19; Km = 1.9; Kr = 7; rc1 = 0.24; ZcMPA = 2.9 (jeweils bei seiner Resonanz-Frequenz fMPA = 376 Hz) mit offensichtlich etwas zu geringer Dämpfung und nur mäßiger Bandbreite. Demgegenüber zeigt die zweite Kurve schon die charakteristische Breitbandigkeit der MPA, die sich im Bereich 0.1 < 2 r0 < 1 mm optimal auf das jeweilige Schallspektrum einstellen lässt.
Abb. 9.4. Einfluss der Lochgröße (b = 2 r0) auf den Absorptionsgrad α0 eines MPA
9.1 MPA-Platten 111
Abb. 9.5. Absorptionsgrad α0 bei senkrechtem Schalleinfall auf eine 5 × 5 cm große mikroperforierte Platte mit Wärmeleitung; Messung (○), Rechnung (□)
Die dritte Kurve deutet dagegen einen mit viel zu kleinen Löchern stark „überdämpften“ Resonator an. Für ein mikroperforiertes Stahlblech vor harter Wand sind in Abb. 9.5 die berechneten und die in einem Impedanz-Rohr an einer 5 u 5 cm großen Probe gemessenen Absorptionsgrade für senkrechten Schalleinfall dargestellt. Beide Kurven zeigen deutlich den Einbruch bei f # 1 700 Hz entsprechend d = O/2 und ein kleineres zweites Maximum der Absorption bei 2 000 Hz. Abbildung 9.6 soll den Einfluss der Lochzahl (308 000 gegenüber 154 000 pro m2) bei sonst gleicher Geometrie des MPA darstellen: Gemäß Gl. (9.6) verschiebt sich das Maximum um etwa eine halbe Oktave (von 500 auf 750 Hz). Die Reibung nimmt nach Gl. (9.6) zwar von r´ = 1.69 auf 0.87 ab; gleichzeitig verändert sich aber der Kennwiderstand Z´MPA von 2.07 auf 1.46, so dass die Bandbreite gemäß Gl. (5.6) praktisch unverändert bleibt. Will man die Bandbreite noch weiter vergrößern, so kann man dies bei gleichem σ mit kleinerem d und damit größerem r´erreichen (vgl. die strichlierte Kurve Abb. 9.6). Allerdings wird diese nur marginale Verbesserung mit einer Erhöhung der Lochzahl pro m2 von 308 000 auf 547 000 erkauft. Beim Übergang vom senkrechten zum schrägen oder diffusen Schalleinfall verschiebt sich nach [94] gemäß 4 r´cosT
D
r´cosT 1
2
⎛ ⎜ Z m´cos T ⎝
cot
Z d cosT c0
⎞ ⎟ ⎠
2
(9.9)
112 9 Mikroperforierte Absorber
Abb. 9.6. Einfluss der Lochanzahl auf den Absorptionsgrad α0 eines MPA
für 4 > 0 das Absorptionsmaximum zu etwas höheren Frequenzen und fällt etwas niedriger aus. Weil aber nicht nur r´ effektiv kleiner wird, sondern auch Z'MPA, nimmt die relative Bandbreite im Diffusfeld etwas zu. Während die Übereinstimmung zwischen Rechnung und Messung bei senkrechtem Einfall immer als gut zu bezeichnen ist (< 5% Unterschied in α0, stellt man bei Messungen im Hallraum nicht selten fest, dass die theoretischen Werte, insbesondere bei höheren Frequenzen, etwas überschritten werden (Abb. 9.7). Man liegt also hier mit der Abschätzung nach Maa in der Regel auf der sicheren Seite. Dies kann aber beim Einsatz von MPA unter streifendem Schalleinfall, z. B. als Resonatoren in Kulissen-Schalldämpfern, wieder anders sein, wenn man den Hohlraum hinter der Lochplatte nicht kassettiert. Durch einen zum Raum hin konvex gewölbten MPA, wie er in [99, Fig. 11] dargestellt ist, lässt sich die Bandbreite seiner Wirksamkeit weiter steigern, so dass es möglich ist, über mehr als 2 Oktaven mit nur einer Auslegungs-Variante eines MPA mehr als 50% der auftreffenden Schallenergie zu schlucken. Wenn die Bandbreite eines einlagigen MPA aber nicht ausreicht, kann man auch 2 oder 3 mikroperforierte Flächengebilde hintereinander mit vorzugsweise zur Rückwand hin wachsendem Abstand zueinander so anordnen, dass die höheren Frequenzanteile vor allem in der vorderen und die tieferen vor allem in den nachgeordneten MPA absorbiert werden. Abbildung 9.8 zeigt so ein Auslegungs-Beispiel mit einer Bandbreite von 4 Oktaven. Auch für diese Berechnung [47] legte D.-Y. Maa bereits die Basis [97].
9.1 MPA-Platten 113
Abb. 9.7. Absorptionsgrad bei diffusem Schalleinfall eines einfachen MPA; Messung (○), Rechnung (□)
Abb. 9.8. Berechneter Absorptionsgrad α0 bei senkrechtem Schalleinfall eines dreilagigen MPA aus Aluminium (□) im Vergleich mit einem faserigen/porösen Absorber gleicher Dicke nach Abb. 4.2
114 9 Mikroperforierte Absorber
Wie dies schon bei der Behandlung von Platten-Resonatoren nach Kap. 5 diskutiert wurde, kann man natürlich auch durch Anordnung unterschiedlich abgestimmter Module (z. B. Holz-Paneele mit variierendem Abstand) nebeneinander auch mit MPA zu sehr breitbandigen Schallabsorbern gelangen. Wenn man z. B. bei einer Ausführung als mikroperforierter Blechkassetten-Unterdecke, wie sie unter dem Hersteller-Namen PERFORA 1997 auf den Markt kam [100], die Abhängehöhe d variiert, dann lässt sich auch dadurch eine gewisse Breitbandigkeit erzielen. Abbildung 9.9 zeigt diesen Einfluss für t = 0.5 mm dicke Stahlbleche mit 0.5 mm großen Löchern und einem Perforationsgrad von etwas weniger als 1%. Insbesondere bei größeren Hohlräumen vor schallharter Decke oder Wand lassen sich mit diesem Produkt die raumakustischen Verhältnisse z. B. in Schulen, Krankenhäusern und Empfangshallen sowie Fluren sehr nachhaltig im Sinne der in Abschn. 3.1 bis 3.5 geschilderten Problematik verbessern [59]. Auch ein z. B. durch Unterzüge und diverse Installationen „zerklüfteter“ DeckenHohlraum trägt zur Breitbandigkeit einer MPA-Akustikdecke bei. Weiter oben wurde schon darauf hingewiesen, dass die effektive Masse der Luft in den Löchern dem Perforationsgrad V umgekehrt proportional ist (vgl. Gl. (9.5)). Will man aber nur über kleine Werte von V und große Werte von t zu tiefen Frequenzen hin auslegen, so kann man zwar gemäß Gl. (9.6) auch gleichzeitig rc erhöhen. Die Bandbreite wird aber dennoch begrenzt, weil nach Gl. (9.8) ZcMPA dann ebenfalls zunimmt. Abschließend soll auf eine noch wichtigere Begrenzung dieser Vorgehensweise
Abb. 9.9. Für diffusen Schalleinfall gemessener Absorptionsgrad αs der mikroperforierten Blechkassetten-Unterdecke mit t = 0.5, b = 0.5, a = 5 mm; d = 50 (), 100 (○), 200 (□), 400 mm (∆)
9.2 MPA-Folien 115
Abb. 9.10. Absorptionsgrad α0 bei senkrechtem Schalleinfall eines MPA, dessen akustische Masse in den Löchern die Plattenmasse übersteigt; Messung mit (○) bzw. ohne Löcher (∆), Rechnung (□)
hingewiesen werden: Wenn mc in den Löchern in die Größenordnung der flächenbezogenen Platten-Masse m"/U0 c0 kommt oder sogar größer als diese wird, so lässt sich der so ausgelegte MPA nicht anregen. Dies zeigt Abb. 9.10 für eine Aluminium-Platte mit der Dichte U, x = 4.2, Km = 3.36 und einem Massenverhältnis mc cc m / U 0 c0
U0 K m 1 UV
(9.10)
von über 2. Stattdessen treten bei der Messung 2 Platten-Resonanzen gemäß Kap. 5.2 deutlich in Erscheinung.
9.2 MPA-Folien Die Entwicklung einer ganzen Familie von sehr unterschiedlich mikroperforierten Akustik-Elementen begann, nach ersten Bohrversuchen an Prototypen aus Aluminium, 1993 mit dem Schneiden von Löchern und Schlitzen in Acrylglas mittels eines entsprechend programmierten Einstrahl-Lasers. Danach wurde das Bohren in Kunststoffen mit einer Mehrspindel-Maschine produktiv. Stahl-Bleche dünner als 1 mm ließen sich bald darauf mit
116 9 Mikroperforierte Absorber
Stanz-Werkzeugen zu Decken-Kassetten mikroperforieren. Für die Anwendung von dünnen Blech- und Kunststoff-Teilen für den Schallschutz an Kraftfahrzeugen haben es inzwischen auch spezielle Schlitz-Verfahren mit anschließendem Walz-Prozess bis zur Serienreife gebracht. Aufwendigere Verfahren, wie sie in wissenschaftlichen Journalen propagiert wurden, kann man wohl eher als Kuriositäten ansehen [101]. Zurzeit untersucht man, ob sich auch in Glas kleine Löcher mit Hilfe eines neuartigen Verfahrens herstellen lassen. Bereits bei der ersten US-Patentanmeldung (1994), deren Ansprüche sehr weit gefasst wurden und ohne Einspruch Bestand haben, war u. a. von einer dünnen Folie oder Membran die Rede, die mit sehr kleinen Löchern sehr dicht perforiert antizipiert wurde. Da in einem solchen „Flächengebilde“ mit einem Perforationsgrad von 1% die Hohlraum-Resonanzen entsprechend dem cot-Term in Gl. (9.3) offenbar gut angeregt werden, kann man das „Kopf“-Maximum des MPA gemäß Abb. 9.11 mit wachsendem d weit zu tiefen Frequenzen verschieben und trotzdem einen relativ hohen „Rücken“ bei mittleren und langen „Schwanz“ bei hohen Frequenzen erhalten. Die daraus resultierende Breitbandigkeit dieses speziellen Helmholtz-Resonators, dessen ungedämpfter Hohlraum über ein mikroperforiertes Flächengebilde für auftreffende Schallwellen anregbar gemacht wird, erinnert an diejenige von Verbundplatten- und SchlitzResonatoren gemäß Abschn. 5.3 und 6.2, deren Hohlräume möglichst prall mit Dämpfungsmaterial gefüllt sein sollten. Zu vergleichbar tiefen
Abb. 9.11. Für senkrechten Schalleinfall berechneter Absorptionsgrad α0 eines FolienMPA (ohne Wärmeleitung) mit b = 0.2, a = 2, t = 0.2 mm; d = 25 (□), 50 (∆), 100 (○), 200 (■), 400 (●), 800 mm(▲)
9.2 MPA-Folien 117
Frequenzen kommt man mit MPA-Bauteilen allerdings nur mit viel größeren Bautiefen. Außerdem muss man verhindern, dass ein zu leichtes Flächengebilde von der anregbaren Luftmasse nach Gl. (3.2) ohne große Dämpfung in den Löchern nur als Ganzes mitbewegt wird. In Abschn. 5.2 wurde schon einmal ausführlich über Folien-Absorber i. w. als Feder/Masse-Systeme für vorzugsweise mittlere Frequenzen berichtet. Zur Lärmbekämpfung in Freizeitbereichen mit dominantem Kindergeschrei war es aber nötig, den Frequenzbereichen bis 4 kHz auszudehnen. Zum Einsatz kamen schließlich, wie in Abschn. 11.6.2 und [102] ausführlich beschrieben wird, im Schwimmbad „Welle“ in Gütersloh 2-lagige mikroperforierte Polycarbonat-Folien. Um solche Folien unter dem Hersteller-Namen MICROSORBER auf den Markt bringen und in raumakustisch anspruchsvollen Hallen und Sälen einsetzen zu können, musste in langwierigen Untersuchungen ein zuverlässiges Verfahren entwickelt werden, das die winzigen Löcher mit Hilfe heißer Nadeln auf einer Walze „ausschmilzt“. Der zweifach geschichtete Aufbau in 100 bzw. 130 mm Abstand zur Rückwand bewirkt nach Abb. 9.12 mehr als die Summe der Absorption der Einzelfolien (vgl. Abb. 9.13 und 9.14). Wenn
Abb. 9.12. Absorptionsgrad Ds bei diffusem Schalleinfall auf einen zweilagigen Folien-MPA nach Abb. 9.11 mit d = 100 und 130 mm; Messung (○), Rechnung (□)
118 9 Mikroperforierte Absorber
es also darum geht, Lärm im Frequenzbereich zwischen 400 und 4 000 Hz zu bedämpfen, z. B. in Getränkeabfüllanlagen oder Sporthallen, so bieten diese zweilagigen MPA-Folien eine neue, abriebfeste, UV-stabilisierte, auch gegenüber Chlor resistente Anordnung, die hinsichtlich des Brandverhaltens den Anforderungen der Baustoffklasse B1 nach DIN 4102 genügt.
Abb. 9.13. Absorptionsgrad αs bei diffusem Schalleinfall auf einen Folien-MPA nach Abb. 9.11 mit d = 100; Messung (○), Rechnung (□)
Abb. 9.14. Absorptionsgrad αs bei diffusem Schalleinfall auf einen Folien-MPA nach Abb. 9.11 mit d = 30 mm; Messung (○), Rechnung (□)
9.3 MPA-Flächengebilde 119
9.3 MPA-Flächengebilde Bei allen bisher diskutierten mikroperforierten Bauteilen ging es stets um Luft-in-Luft-Resonatoren, deren Bautiefe nach Gln. (9.7) und (9.4) nicht nur die Resonanzfrequenzen, sondern nach Gl. (9.8) auch die Bandbreite ihres Wirkungs-Maximums mitbestimmt. Am Schluss dieses Kapitels über einen neu verfügbar gewordenen Mitten- und Höhen-Schlucker sollen MPAAnwendungen kurz angesprochen werden, bei denen meist sehr dünne mikroperforierte Flächengebilde aus Kunststoff- oder Metallfolien ohne eine gemäß Abb. 9.1 (c) klar definierte Hohlkammer dahinter, als Schallabsorber ausgelegt werden. Dabei bleibt die inhärente Dämpfung in den kleinen Löchern wirksam, auch wenn der Feder/Masse-Mechanismus nicht so wie in Abschn. 9.1 beschrieben, angeregt werden kann. Wenn mikroperforierte ebene Flächengebilde einfach parallel zueinander senkrecht von einer Decke oder auch Zwischendecke abgehängt werden, zeigen sie zu höheren Frequenzen hin im Diffusfeld eine bemerkenswerte
Abb. 9.15. Absorptionsgrad αs für diffusen Schalleinfall auf parallel frei aufgespannte oder abgehängte Folien-MPA vor schallharter Fläche, im Hallraum (mit Rahmen) gemessen bei B = 170 (□), 330 (○), 525 mm (∆)
120 9 Mikroperforierte Absorber
Schallabsorption, die natürlich wiederum von allen geometrischen Parametern dieser Anordnung, insbesondere dem Abstand B, stark beeinflusst wird (Abb. 9.15). Sie fällt aber interessanterweise höher aus als für eine gleiche Anordnung aus Vlies oder Stoff [103]. Wenn mikroperforierte ebene Flächengebilde einfach parallel zueinander senkrecht von einer Decke oder auch Zwischendecke abgehängt werden, zeigen sie zu höheren Frequenzen hin im Diffusfeld eine bemerkenswerte Schallabsorption, die natürlich wiederum von allen geometrischen Parametern dieser Anordnung, insbesondere dem Abstand B, stark beeinflusst wird (Abb. 9.15). Sie fällt aber interessanterweise höher aus als für eine gleiche Anordnung aus Vlies oder Stoff [103]. Man kann auch für eine erhebliche zusätzliche Absorption im Raum sorgen, indem man z. B. großformatige runde oder rechteckige Lüftungskanäle mit einer Mikroperforation versieht. Eine typische Absorptions-Charakteristik eines Kanalsegments mit D = 375 mm Durchmesser und einer 3.5 m2 großen Kanalwandung aus t = 0.5 mm dickem Stahlblech mit b = 0.5 mm großen Löchern im Abstand von a = 5 mm zueinander (V | 0.01) zeigt Abb. 9.16. Wenn die Löcher bei einem gewissen Überdruck im Kanal durchströmt werden, was im Hinblick auf die Belüftung des Raumes nicht unerwünscht sein muss, so erhöht sich diese Absorption sogar noch etwas. Außerdem kann der mit der Strömung im Inneren des Kanals, z. B. vom Ventilator her, mitgeführte Lärm nach [104] auch und gerade bei mittleren und tiefen Frequenzen um einige dB pro m gedämpft werden. Bei den äußeren wie den inneren Dämpfungs-Mechanismen wirkt offenbar die ruhende
Abb. 9.16. Äquivalente Absorptionsfläche A eines 3 m langen mikroperforierten Lüftungskanals mit 375 mm Durchmesser, gemessen in 0.6 m Abstand vom Hallraumboden [104]
9.3 MPA-Flächengebilde 121
oder auch bewegte Luft im Kanal als konzentrisch komprimierbares Luftkissen, ähnlich wie in Kap. 6 beschrieben, indem im einen Fall die von außen auftreffenden, im anderen die innen näherungsweise eben fortschreitenden Wellen diesen nochmals wesentlich modifizierten Helmholtz-Resonator zum Mitschwingen und damit zum Absorbieren anregen. Auch kann man mit mikroperforierten Blechen oder Folien nicht nur Kanäle oder andere Hohlkörper bauen und in ihrer Hülle versuchen, möglichst viel Schall zu schlucken. Es erscheint darüber hinaus auch als sehr attraktiv und vorteilhaft, derartige flächige und räumliche Gebilde nach Art von Schalldämpfern, die konventionell mit porösem/faserigem Material nach Kap. 4 arbeiten, stattdessen mit einem wiederum mikroperforierten Flächengebilde zu „füllen“. Anstelle von sehr eng beieinander angeordneten Poren und Fasern im Pm-Bereich lassen sich durch u. U. extrem dünne mikroperforierte Folien, die in den Hohlraum hinein gefaltet, gerollt oder „geknüllt“ werden, Löcher oder Kanäle in kleinerer aber immer noch ausreichender Zahl in einer mehr oder weniger gleichmäßigen Verteilung zwischen Teil-Kammern unterschiedlicher Größe „aufspannen“:
Abb. 9.17. Prinzipskizze und gemessener Absorptionsgrad α0 für senkrechten Schalleinfall auf eine Schalldämpfer-Packung aus ca. 20 Lagen mikroperforierter Folie (1) mit Lochblech-Abdeckung (2); regelmäßig wie skizziert (dicke), unregelmäßig gefaltet (dünne Kurve), faseriger/poröser Absorber gleicher Dicke nach Abb. 4.2 ( )
―·―
Seitdem Lord Rayleigh sein Modell für die Schallabsorption aufstellte, weiß man eigentlich, dass Luftschallwellen gut in Fasern und Poren gedämpft werden, deren Dimensionen etwa im Zehntel-Millimeter-Bereich liegen. Deshalb kann man z. B. Schalldämpfer für extreme mechanische und chemische Belastungen auch mit Edelstahl-Wolle oder AluminiumSpänen anstatt mit Mineralwolle oder Weichschäumen füllen. Wie in
122 9 Mikroperforierte Absorber
Kap. 7 aber ausgeführt wurde, gibt es Einsatzbedingungen an Maschinen und Anlagen, insbesondere Verbrennungs-Motoren und Ölbrennern, bei denen überhaupt kein Dämpfungsmaterial den Schall- und ErschütterungsPegeln dauerhaft standhält. Durch und durch mikroperforierte Schalldämpfer, wie sie in Abb. 9.17 schematisch dargestellt sind, könnten hier Vorteile bieten: Die großen innen wie außen zusammenhängenden mikroperforierten Flächengebilde (z. B. aus Edelstahl) können harte Stöße und anhaltende Vibrationen besser auffangen und aushalten als unzusammenhängende, relativ spröde Fasern, Gespinste oder Hartschäume nach Kap. 4. Ihre fast geschlossenen glatten Oberflächen verschmutzen außerdem weniger und lassen Flüssigkeiten abtropfen. Abbildung 9.17 zeigt den an 2 Prototypen mit 100 mm Bautiefe gemessenen Absorptionsgrad. Natürlich ließe sich ein schalltechnisch ebenso gutes oder besseres Ergebnis auch mit einem ganz symmetrisch aufgebauten 2-, 3- oder gar mehrlagigen mikroperforierten Absorber erzielen. Die hier vorgeschlagene Variante lässt sich aber vermutlich einfacher und deshalb preiswerter herstellen. Aus dem Vorstehenden wird wohl klar, dass mikroperforierte Bauteile noch ein großes Entwicklungspotential darstellen, wenn es um die Absorption bei mittleren und hohen Frequenzen geht. In [301] wird ein etwas anderes Auslegungskonzept für mikroperforierte Flächengebilde propagiert, die – einzeln und völlig frei im Raum aufgespannt – ihre Schall absorbierende Wirkung voll entfalten können. Mit ihrer nur aus der Luftmasse m' und dem Strömungswiderstand r' in den Löchern gebildeten Impedanz (bezogen auf U0 c0), W U0 c0
r c j Z mc ,
(9.11)
lässt sich das Absorptionsvermögen eines gegenüber der Wellenlänge großen derartigen Flächengebildes nach Gl. (3.7) abschätzen:
D
4 rc
1 r c
2
Z mc
4 2
⎡ 1 ⎛ Z mc ⎞ 2 r c ⎢1 ⎜ ⎟ rc ⎝ rc ⎠ ⎢ ⎣
2
⎤ ⎥ ⎥ ⎦
.
(9.12)
Wenn man r' nahe 1 und das Verhältnis
Z mc rc
0.0537 (0.0234) f r02
Km 1 Kr
(9.13)
ohne (oder mit) Wärmeleitung im Material über r0 und Km/Kr möglichst klein macht, dann kann man auch bei mittleren und hohen Frequenzen f
9.3 MPA-Flächengebilde 123
noch hohe Absorption erreichen. Für z. B. r0 = 0.1 mm und t = 0.2 mm ergäbe sich bei 1 000 oder 500 Hz für Z m´/r´ ein Wert von 0.813 (0.403) oder 0.452 (0.216). Entsprechend hohe Absorptionsgrade ließen sich nach Gl. (9.12) mit r´ | 1 für V | 0.01 (0.02) erreichen. In der Realität kann zwar ein Teil der so absorbierten Schallenergie sich hinter diesem dünnen mikroperforierten Flächengebilde u. U. weiter im Raum ausbreiten. Andererseits bietet dieser Absorber, anders als der herkömmliche als Vorsatzschale vor einer harten Rückwand nach Abb. 9.1 (c) bzw. 9.3, seine Oberfläche SA beidseitig, also doppelt dem Schallfeld im Raum dar. Die exakte Berechnung seiner Absorption ist zwar nicht mehr so einfach wie beim herkömmlichen MPA mit eingeschlossenem Luftkissen. Aber seine Überlegenheit bei mittleren und hohen Frequenzen wird sehr deutlich aus Messungen an einem Prototyp mit sehr feiner und enger Perforation in Abb. 9.18. Auf dem Markt sind inzwischen neben Kunststoff-Folien („Microsorber“) und Blech-Kassetten („Perfora“) eine ganze Reihe von mikroperforierten Bauteilen für den Innenausbau, aber auch für den Einsatz in Kraftfahrzeugen. Manche Hersteller applizieren zusätzliches faseriges/poröses Material, entweder um (bei nicht hinreichend kleinen Löchern) so die Dämpfungswirkung zu erhöhen oder im Versuch, so bestehende Schutzrechte zu umgehen. Andererseits werden auch größer perforierte Abdeckungen und Verkleidungen gern unter dem nicht geschützten Begriff „mikroperforiert“ verkauft. Zum Schluss dieses vielleicht am weitesten in die Zukunft weisenden Kapitels seien daher die 10 Eigenschaften in Tabelle 9.1 als Definitionshilfe für die neuartigen mikroperforierten Schallabsorber angeboten.
Abb. 9.18. Im Hallraum gemessener Absorptionsgrad αs, bezogen auf SA, eines herkömmlichen MPA wie in Abb. 9.9 (○) und eines nach Gl. (9.12) ausgelegten MPA (□), beide mit d = 400 mm über dem Boden, sowie letzterer senkrecht aufgestellt (■). Zum Vergleich: nicht perforiertes, 0.5 mm dickes Blech mit d = 400 mm (')
124 9 Mikroperforierte Absorber Tabelle 9.1. Charakteristische Eigenschaften mikroperforierter Schallabsorber MPA
– MPA ersetzen die Reibung an dünnen Fasern und in feinen Poren, die räumlich oder flächig, mehr oder weniger homogen, verteilt sind, durch die Reibung in engen Perforationen, die in im Übrigen unpermeablen, flächigen Gebilden auf ca. 1% der Fläche konzentriert sind – MPA haben beliebig geformte Löcher, deren mindestens eine halbe Querabmessung r0 in der Größenordnung der laminaren Grenzschichtdicke G im jeweiligen Medium liegt (x = r0 / δ ≈ 1) – MPA werden in ihrer akustischen Wirksamkeit allein durch ihre geometrischen Parameter r0, Lochlänge t, Lochflächenanteil V und die Wärmeleitfähigkeit des Materials bestimmt, in welches die Löcher eingebracht sind – MPA ermöglichen – wegen der Mündungseffekte an den kleinen Löchern – Schalldämpfung auch in infinitesimal dünnen Schichten nahezu beliebiger impermeabler Materialien – MPA lassen sich ebenso vielfältig wie faserige/poröse Absorber mit Hohlräumen hinter/vor dem mikro-perforierten Flächengebilde koppeln – MPA gehen auf Forschungsarbeiten in den 40er- und 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts zurück und wurden erstmalig durch D.-Y. Maa (1975) quantitativ berechenbar gemacht – MPA sind in zahlreichen Varianten aus Kunststoff, Metall und Holz auf dem Markt – MPA finden in verschiedensten Konfigurationen vielfältige Anwendung in der Raumakustik wie im technischen Schallschutz – MPA können mit ihrer robusten Bauweise und (fast) geschlossenen Oberfläche faserige/poröse Absorber unter harten Einsatzbedingungen ersetzen – MPA lassen sich in Bauteilen mit primär anderen Funktionen realisieren
10 Hochintegrierte Schallabsorber
In den ersten 3 Kapiteln dieses Kompendiums zur technischen Akustik wird der akute Bedarf für Schall dämpfende Maßnahmen an Maschinen und Anlagen sowie in Gebäuden beschrieben. Darin wird das besondere Problem bei den tiefen Frequenzen deutlich gemacht. Die nachfolgenden Kapitel 4 bis 9 geben einen aktuellen Überblick über die verschiedenen Wirkungsweisen und Bauarten altbekannter, aber auch einiger neuartiger marktgerechter Luftschall-Absorber. Dabei steht die Erläuterung der im Einzelnen sehr unterschiedlichen physikalischen Dämpfungs-Mechanismen ordnend im Vordergrund. In der Praxis der Lärmbekämpfung und, noch mehr, bei der raumakustischen Gestaltung besteht aber oft die Aufgabe darin, z. B. eine wünschenswerte Nachhall-Charakteristik sicher einzuhalten bzw. exakt einzustellen. Da kommt es darauf an, mit einer möglichst wirksamen und kostengünstigen Auswahl oder, besser noch, einer optimalen Kombination von geeigneten Absorbern das gesteckte oder vorgegebene Ziel unter den jeweiligen Einbau- und Betriebs- bzw. Nutzungsbedingungen zu erreichen. Je breiter die Palette ist, aus der sich ein erfahrener Berater oder Planer bedienen kann, umso besser kann er den an ihn gestellten Erwartungen gerecht werden. Bei der Fülle des Angebots auch innovativer Absorber-Typen kann man allerdings nicht in jedem Anwendungsfall einfach auf Katalogwerte der Hersteller bauen. Schon bei den bisher meist vorrangig behandelten hohen und mittleren Frequenzen kann man z. B. bei der Umsetzung von Laborergebnissen für den Absorptionsgrad von Akustikelementen in NachhallPrognosen für akustisch anspruchsvolle Räume einige Überraschungen erleben. Das liegt einerseits daran, dass z. B. das Schallfeld in einem Hallraum nur selten mit demjenigen in realen Räumen (Werkhallen, Büroräumen, Klassenzimmern oder Orchester-Probenräumen) vergleichbar ist. Es bedarf schon einiger Erfahrung, um mit Unterstützung geeigneter Simulationsprogramme verlässliche Auslegungen machen zu können. Selbst die aufwändigsten Programme können nach einem sorgfältigen Vergleich in [105] die „stehenden Wellen“ bei tiefen Frequenzen gemäß Kap. 2 nicht simulieren. Mehr als bei der Gewährleistung einer bestimmten SchallDämmung z. B. zwischen benachbarten Räumen kommt es bei der SchallDämpfung im Raum auf die Lage im und Wechselwirkung mit dem
126 10 Hochintegrierte Schallabsorber
Schallfeld aller an der Dämpfung beteiligten Bauteile an. Bei Reklamationen die Schalldämmung durch Fenster, Türen oder SchalldämpferKulissen betreffend können sich Berater, Planer und Hersteller in der Regel auf die im Prüfstand z. B. nach [35] oder DIN 45 646 [106] bzw. DIN EN ISO 7235 [107] gemessenen Eigenschaften dieser Bauteile berufen. Selten wird beim Schallschutz im Hochbau nach DIN 4109 [108], vielleicht mit Ausnahme der haustechnischen Anlagen [109], die sich im eingerichteten schützenswerten Raum tatsächlich einstellende Geräuschsituation beurteilt. Das muss bei der Bewertung der „Hörsamkeit“ von Räumen nach der neuen DIN 18041 [110, 111] natürlich anders sein. Hier zählt viel mehr das subjektiv wahrnehmbare und nach DIN EN ISO 3382 [112] im jeweiligen Raum mit allen Einbauten auch gut messbare tatsächlich erreichte Ergebnis ohne Wenn und Aber! Da es nicht ohne standardisierte Verfahren zur Kennzeichnung der Schallabsorber selbst, z. B. nach DIN EN ISO 354 [297], geht, müssten eigentlich alle Beteiligten sich über die unvermeidlichen Wechselwirkungen derselben Absorber mit dem zu behandelnden Raum mehr als bisher üblich Gedanken machen. Allzu oft werden Ds-Werte, wie sie im Hallraum gemessen wurden, einfach mit der im Raum einzubringenden Absorberfläche SA multipliziert, in Berechnungen der Nachhallzeit etwa nach Gln. (3.9) und (3.10) eingesetzt. Was schon bei höheren Frequenzen manchmal schief gehen kann, wird aber bei den so wichtigen tieferen zu einem echten Auslegungs- bzw. Nachweisproblem. Das in [17] vorgeschlagene Messverfahren mit einem bedämpften Hallraum ist noch nicht allgemein verstanden und akzeptiert. Die anstehenden Probleme können aber nicht auf die Verabschiedung entsprechend erweiterter Normen warten. Die neuen Technologien werden sich auch vor einer notwendigen Aktualisierung der Prüfverfahren durchsetzen, wenn sie sich nur weiterhin in der Praxis bewähren. In Zukunft wird es für den kompetenten akustischen Berater darum gehen, für komplexe Aufgaben an die jeweiligen Anforderungen und Umgebungen eng angepasste Problemlösungen zu finden. Sein Klient erwartet nicht mehr nur eine Vorschlagsliste für mehr oder weniger geeignete Materialien und Bauteile mit ihren jeweiligen Kennwerten im Anhang zu seiner Expertise, sondern ein in das Gesamtkonzept z. B. seines Dienstleistungs-Zentrums, seines Akustik-Prüfstands oder seiner Abluft-Anlage vollständig integriertes Akustik-Paket, das seine Anforderungen in jeder Hinsicht erfüllt. Um beispielsweise die Geräusche eines 3 MW-Ventilators eines KfzWindkanals in der Messstrecke zu eliminieren, ist es nach [74] nicht sehr sinnvoll, die Luft auf konventionelle Weise durch enge, mit Fasern gestopfte Schalldämpfer-Pakete zu pressen. Stattdessen kann man die mittleren
10 Hochintegrierte Schallabsorber 127
und hohen Frequenzanteile in verhauteten Schaum-Profilen nach Abb. 10.1 dämpfen, die in die Umlenk-Vorrichtungen auch strömungsmechanisch sinnvoll integriert werden (s. Kap. 12). Die tiefen Frequenzen lassen sich ebenfalls ohne wesentlichen Druckverlust in Membran-Absorbern nach Abschn. 6.3 schlucken, die mit ihren glatten metallischen Oberflächen die Strömung an den Wänden und Zwischenwänden der beiden 180°-Umlenkungen optimal um die 4 Ecken herumführen. Seit Abschluss dieses Pilotprojektes [45] gehören Umlenk-Schalldämpfer in dieser und ähnlicher Bauart zur Standard-Empfehlung bei Schalldämpfer-Auslegungen, um oberhalb 1 000 Hz einen kräftigen „Umlenk-Bonus“ von mehr als 15 dB zu nutzen. Wenn es aber um derart an die jeweilige Anwendung angepasste, in ihre Umgebung vollständig integrierte Akustik-Maßnahmen geht, braucht auch ein auf innovative Problemlösungen spezialisiertes Forschungsteam wie z. B. das am Fraunhofer IBP für eine erfolgreiche Markteinführung stets einen kompetenten Industriepartner, der im betreffenden Anwendungsfeld bereits eine starke Position innehat und bereit ist, in die neue Technologie zu investieren. Auf dem gemeinsamen Weg C von Tabelle 1 im Vorwort sind bei den Schritten 4 bis 10 der Erprobung und Vermarktung regelmäßig noch zahlreiche Hürden zu überwinden, wie die folgenden 3 Beispiele illustrieren sollen.
Abb. 10.1. In die Umlenkecken eines Windkanals integrierter Schalldämpfer [74]; Aufteilung der Luftführung in ungleiche Kanäle mit etwa gleicher Einfügungsdämpfung und konstantem Druckverlust (1), Wandverkleidungen aus Membran-Absorbern nach Abschn. 6.3 (2), Kulissen mit „Rücken-an-Rücken“-Anordnung von MembranAbsorbern (3), Umlenkschaufeln mit profilierter Schaumstoff-Beschichtung nach Abb. 4.5
128 10 Hochintegrierte Schallabsorber
10.1 Breitband-Kompaktabsorber In Großraumbüros mit thermisch aktivierter Decke und dem Anspruch flexibler Arbeitsplatzgestaltung und rundum höchster optischer Transparenz [113] sind herkömmliche abgehängte Akustik-Decken und WandVerkleidungen oft nicht mehr anzubringen. Stattdessen sind heute in das architektonische und ergonomische Konzept und in den gesamten Innenausbau voll integrierte akustische Maßnahmen gefragt, die mit attraktiven, glatten Oberflächen dem Betreiber oder Nutzer möglichst jede Gestaltungsmöglichkeit lassen und keinen zusätzlichen Raumbedarf verursachen oder gar kostbare Nutzfläche verbrauchen. Unter einem solchen ökonomischen Zwang liegt es nahe, z. B. die in Abschn. 5.3 beschriebenen Verbundplatten-Resonatoren vollständig in Systemwände zu integrieren, die neben ihrer Arbeitsplätze trennenden Aufgabe bereits viele andere Funktionen wie die der Kabelführung und Netzanbindung für die zeitgemäßen Informationstechnologien und der Beleuchtung bei weit gehender Transparenz implementiert haben, siehe Abb.10.2. Aber auch in bereits vorgesehenen oder vorhandenen Deckenund Boden-Hohlräumen lassen sich Kompaktabsorber „verstecken“, wenn
Abb. 10.2. System-Wände aus Glas mit komplett integrierten Kompakt-Absorbern erhalten die Offenheit und Transparenz einer Bürolandschaft, senken aber den Störpegel an den Arbeitsplätzen
10.1 Breitband-Kompaktabsorber 129
Abb. 10.3. Unauffällig installierte ALFA-Module in einer als Schulungszentrum umgebauten Fabrikhalle [62]; Nachhallzeit vor (■) und nach der Umnutzung (○)
Öffnungen zum Raum hin, zumindest für tiefe und mittlere Frequenzen, akustisch transparent ausgeführt werden. Will man z. B. eine denkmalgeschützte Industriehalle mit viel Glas und Stuck zu einem Großraum-Büro oder Mehrzweck-Raum umrüsten, so kann man, wie in Abschn. 11.6.3 und [62] modellhaft gezeigt wird, im aufgeständerten Unterboden, hinter einer riesigen Projektionsfläche, aber auch auf den zu erhaltenden Kranschienen, ja sogar vor den großen Fenstern geeignete Schall-Absorber unauffällig anbringen, s. Abb. 10.3. Man muss sich dazu nur von der klassischen 20 bis 100 mm dicken Fasermatte hinter einer, wie gewohnt, auffällig perforierten Abdeckung als AkustikVerkleidung der Wände lösen. Wenn man Architekten, Bauherren und Nutzern erklärt, dass die nun einmal notwendige Raumdämpfung bei rechtzeitiger Planung in die nicht tragenden Bauteile und Einrichtungsgegenstände förmlich integriert oder ihr selbst die Gestalt von nützlichen, harten Bauelementen gegeben werden kann, dann lassen sich hier und da bestehende Aversionen gegenüber Akustik-Maßnahmen in „stahlharter“ und „glasklarer“ Umgebung vielleicht abbauen. In den Mehrpersonen-Büros eines großen IT-Unternehmens hat man einen Teil der akustischen Maßnahmen in Form von mikroperforierten farbigen Acrylglasplatten nach Abschn. 9.1 als Wand- und Türenelemente in Möbeln integriert, die gleichzeitig auch als Leuchtkörper zu einer attraktiven Beleuchtung des Raumes beitragen, siehe Abb. 10.4. Aber erst wenn man den gesamten Hörbereich des Menschen von unter 50 Hz bis weit in den kHz-Bereich hinein an ein und derselben Begrenzungsfläche mit geringer Bautiefe bei entsprechendem Bedarf praktisch
130 10 Hochintegrierte Schallabsorber
Abb. 10.4. Leuchtende Schall absorbierende Möbel an einem „Meeting Point“ in einem Bürokomplex eines großen IT-Unternehmens
vollständig absorbieren kann, lassen sich manche Zweifler von der Bedeutung der Akustik für anspruchsvolle Arbeits- und Aufenthaltsräume überzeugen. Abschnitt 5.3 schildert einen breitbandig ausgelegten Tiefen-Schlucker, welcher die freien Schwingungen einer „schwimmend“ verlegten Stahlplatte mit der Dämpfung einer am Rande offenen Weichschaumplatte kombiniert. Bereits bei diesem Verbundplatten-Resonator spielte die möglichst elastische Verbindung zwischen schwingender Platte und dämpfender Schicht eine wichtige Rolle. Wenn man gemäß Abb. 10.5 eine zweite faserige oder poröse Schicht auf ähnliche Weise vor der Stahlplatte anbringt, dann entfaltet letztere nicht nur die in Abschn. 4.1 bzw. 4.2 beschriebene
Abb. 10.5. Nach [297] wie in Abschn. 5.3 gemessener Absorptionsgrad Ds von jeweils 100 mm dicken VPR (Ƒ) und BKA (Ɣ); Rechnung für 100 mm faserigen/porösen Absorber (ʊ)
10.1 Breitband-Kompaktabsorber 131
Absorption bei höheren Frequenzen. Offenbar erreicht bei dieser Konfiguration, bei der die Platte allseitig weich eingebettet frei schwingen kann, das Dämpfungspotential dieses kombiniert reaktiv-passiven BreitbandKompaktabsorbers BKA ein Optimum. Die Ergebnisse in Abb. 10.5 zeigen auf eindrucksvolle Weise, dass man mit einem nur 100 mm dicken BKA mit innen schwimmend gelagerter 1 mm starker Stahlplatte den gesamten praktisch interessierenden Hörbereich abdecken kann. Der Einfluss von noch dickeren Platten (bis 2.5 mm) lässt sich allerdings auch nach Abschn. 5.3 konditionierten Hallräumen nicht mehr so eindeutig quantifizieren wie durch Messung der Nachklingzeiten bei den Eigenresonanzen des Raumes (s. Kap. 2). Auch die etwas hervortretenden Maxima in den beiden Mess-Kurven von Abb. 10.5 unter 250 Hz haben mehr mit dem speziellen Messraum als mit den Resonanz-Mechanismen in diesen vielfach geschichteten AbsorberModulen zu tun. Im zur Zeit wohl schnellsten und leisesten Windkanal der Welt [11] wurden BKA als Wandauskleidung am Kollektor und als beidseitig wirksamer Schalldämpfer in den Umlenkeinrichtungen (hier in Kombination mit An- und Abströmkappen aus offenporigem Weichschaum) integriert, siehe Abb. 10.6. Einige raumakustische Anwendungen der BKA werden in Kap. 11 und 12 beschrieben. Damit sind seine Anwendungsmöglichkeiten aber noch längst nicht ausgeschöpft.
Abb. 10.6. Integration von BKA-Modulen in die Wand-Verkleidungen (unten) und Kulissen-Schalldämpfer (oben) eines Windkanals, siehe Abschn. 12.6.2 und [11]; 300 mm BKA (1a), 250 mm BKA (1b), Schaumstoff-Schotts zur Hohlraumdämpfung (2), Schaumstoff-Profile zur Optimierung der Strömungsführung und Dämpfung (3), 3, 2 mm Stahlplatte (4a, 4b), Betonwand bzw -decke (5)
132 10 Hochintegrierte Schallabsorber
10.2 Reflexionsarme Raumauskleidungen Die in Abschn. 5.3 und 10.1 beschriebenen Verbundplatten-Resonatoren und Breitband-Kompaktabsorber wurden zwar ursprünglich für die Gestaltung von Schallfeldern in hochwertigen Abhörräumen von professionellen Audio- und Video-Studios, aber auch als Hilfsmittel zur Schaffung einer geeigneten raumakustischen Umgebung für die Mehrkanal-Wiedergabe bei anspruchsvollen Musik-Liebhabern entwickelt [61]. Angesichts ihrer in Abb. 10.7 dargestellten Absorptionseigenschaften lag es aber nahe, auf dieser Basis eine neuartige reflexionsarme Auskleidung für akustische Mess- und Prüfräume zu schaffen. Damit wurde an die frühen Versuche mit geschichtet aufgebauten ebenen Absorbern angeknüpft [114]. Bei tiefen Frequenzen, für welche ein reflexionsarmer Raum nicht mehr sehr groß gegenüber der Wellenlänge ist, bildet sich, wie in Kap. 2 beschrieben, ein ungleichförmiges Schallfeld aus. Die neuartige BKA-Auskleidung trägt diesem Umstand Rechnung, indem sie, anders als bei der konventionellen Auskleidung mit Keil-Absorbern, und entgegen einer Forderung z. B. in DIN 45 635 [15] die rückseitigen Resonatoren nicht gleichmäßig auf alle Begrenzungsflächen verteilt, sondern diejenigen mit den dicksten Blechen bevorzugt in den Raum-Kanten platziert. Von hier können sie die Raum-Moden am wirksamsten bedämpfen. Bereichsweise, z. B. vor Türen, kann man die schweren Schwingbleche auch ganz fortlassen (Abb. 10.8). Zwischen den stets mit Abstand nebeneinander montierten BKA-Modulen, deren bevorzugte Größe über 1 m2 sein sollte, lassen sich Kanäle und Leitungen sowie andere Installationen zur jeweiligen Raumnutzung geschickt integrieren. Auch Leuchten lassen sich optisch vorteilhaft z. B. in der Deckenauskleidung versenken (s. Abb. 10.9 (b) und (c)).
Abb. 10.7. Absorptionsgrad αs von jeweils 6 ALFA-Modulen mit 1 mm Stahlplatte in Melaminharz-Schaum, gemessen nach [297] wie in Abb. 5.14, bezogen auf die gesamte Prüffläche; BKA mit 100/150 mm Schaum nach Abb. 10.9 (□), VPR + ASA mit 100/520 mm Schaum nach Abb. 10.10 (∆)
10.2 Reflexionsarme Raumauskleidungen 133
Abb. 10.8. Inhomogene reflexionsarme Wandverkleidung aus unterschiedlich abgestimmten BKA-Modulen nach Abb. 10.9 [20]
Abb. 10.9. BKA-Auskleidung mit 1 bis 2.5 mm dicken Stahlplatten zwischen 100 bzw. 150 mm offenporigen Weichschaum-Platten mit offenen Fugen (a), Passstücken für Leitungen, Kanäle u.s.w. (b) sowie integrierten Leuchtkörpern
134 10 Hochintegrierte Schallabsorber
Abb. 10.10. Verbundplatten-Resonatoren VPR, Breitband-Kompaktabsorbern BKA und Asymmetrisch Strukturierte Absorber ASA als reflexionsarme Raumauskleidungen (schematisch)
Der Absorptionsgrad der BKA-Auskleidung in ihrer einfachsten Form erreicht nicht notwendiger Weise die von den zitierten Normen geforderten 99% bei senkrechtem Schalleinfall. Dennoch kann es in Fällen, bei denen es um Untersuchungen an schmalbandig abstrahlenden Quellen geht, u. U. Sinn machen, die BKA-Auskleidung mit einem vorderseitig geeignet strukturierten porösen Absorber zu kombinieren. Wenn man dem Schall den Eintritt in die poröse Schicht (z. B. aus Melaminharz-Schaum) durch eine spezielle Formgebung noch etwas erleichtert, dann gelingt es, die Absorptionsgrade herkömmlicher Keil-Absorber zu übertreffen bzw. ihre Wirksamkeit bei hohen wie tiefen Frequenzen mit deutlich geringerer Bautiefe zu erreichen. Dies gelingt dadurch, dass die neuartigen Asymmetrisch Strukturierten Absorber ASA gemäß Abb. 10.10 nicht nur passiv gemäß Kap. 4 wirken, sondern wegen ihrer spezifischen Materialdaten auch vorteilhaft mit dem Schallfeld reagieren.
10.3 Dämpfende Schornstein-Innenzüge Rohrleitungen und Schornsteine stellen im neuen Zustand, bzw. wenn sie nur wenig verschmutzt sind, ideale Schallwellenleiter dar: Ihr Schalldämmaß ist – abgesehen von dem bei der Ringdehnfrequenz – hoch, und über viele Meter runder Kanal-Länge gibt es selbst bei geringer Wandstärke der Rohrleitung nur eine geringe Pegelminderung. In Achsrichtung gesehen ist das Wandmaterial eines Rohres im Gegensatz zu den ebenen Begrenzungsflächen
10.3 Dämpfende Schornstein-Innenzüge 135 Tabelle 10.1. Dämpfung eines 4 m langen runden Edelstahl-Rohres Oktavband [Hz] Dämpfung gemessen [dB] Dämpfung nach [115] [dB]
63 0,2 0,05
125 0,2 0,1
250 0,3 0,1
500 0,5 0,15
1k 0,4 0,2
2k 0,3 0,2
4k 0,8 0,2
8k 0,3 0,2
rechteckiger Kanäle akustisch so steif, dass es kaum Schallenergie dem inneren Schallfeld entzieht. Auf alten Schiffen kann man heute noch die Trichter sehen, über die sich der Kapitän von der Brücke aus über Rohrleitungen mit dem lauten Maschinenraum verständigte. In der Industrie werden häufig Schornsteine verwendet, die aus einem dünnen „Innenzug“ aus hochwertigem Material (Edelstahl) bestehen, der von einem außen liegenden, die statischen und dynamischen Lasten aufnehmenden Außenrohr gehalten wird. Das Außenrohr wird dann aus preiswertem Baustahl gefertigt. Zwischen Innen- und Außenrohr wird meist Mineralwolle zur Wärmeisolierung eingebaut. Im Rohrschalldämpfer-Prüfstand des IBP wurde für eine solche 4 m lange Anordnung mit einem Innenrohr aus 0.4 mm Edelstahl und 350 mm Durchmesser, einer 30 mm dicken Wärmeisolierung und einem 500er Außenrohr die Einfügungsdämpfung nach [107] ohne Strömung bestimmt und mit Angaben in [115, Tabelle 5] in Tabelle 10.1 verglichen. Nur bei der Ringdehnfrequenz fR [116] des Innenrohres, die im Oktavband 4 kHz liegt, wurde mit 0.8 dB auf 4 m Länge etwas Dämpfung gemessen, alles andere liegt im Rahmen der Messunsicherheit im Prüfstand. Aus der Sicht des Lärm-Immissionsschutzes sind es vor allem die Frequenzanteile unterhalb von 500 Hz, die in der Nachbarschaft von Schornsteinen stören können. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde deshalb seit 1996 der herkömmliche Weg, Schalldämpfer in die Rohrleitungen vor dem Schornstein einzubauen, aber die oft großen Längen der Schornsteine akustisch ungenutzt zu lassen, aufgegeben. Wenn die inneren, die Strömung und den Schall im Schornstein führenden Bauteile nicht mehr rund, sondern (viel-)eckig ausgeführt werden, kann der Schall die dann ebenen inneren Begrenzungsflächen zum Mitschwingen anregen. Wird das Mitschwingen gedämpft, kann dem Schallfeld im Schornstein so die Energie entzogen werden. Die in Form von Vielecken gestalteten Eckigen Innenzüge (Abb. 10.11) können durch die Parameter – Dicke der schwingenden (Edelstahl-)Platte – Strömungswiderstand, E-Modul und Dicke der Dämpfungsschicht zwischen schwingender Platte und Außenrohr – Quer- und Längs-Abmessungen der schwingfähigen Platten – Kassettierung der Dämpfungsschicht in Achsrichtung
136 10 Hochintegrierte Schallabsorber
Abb. 10.11. Beispiel für eine Platten-Absorber-Anordnung in einem Eckigen Innenzug nach [117]
akustisch so abgestimmt werden, dass erforderlichenfalls bereits im Oktavband 31.5 Hz beginnend eine breitbandige und dem Frequenzspektrum der Lärmquelle (Ventilator) angepasste Einfügungsdämpfung erzielt wird. Basisdaten für die Auslegung lieferten umfangreiche Messungen des Absorptionsgrades im Impedanzkanal des IBP mit 0.65 u 1.7 m-Querschnitt. Mit den dort im Frequenzbereich von 30–300 Hz gewonnenen D-Werten kann man dann mit der Piening’schen Formel, Gl. (3.21), die zu erwartende Dämpfung abschätzen. Inzwischen ist mit Hilfe eines PC-Programms die Auslegung der Eckigen Innenzüge schneller und einfacher geworden. Der Absorptionsgrad der einzelnen Platten-Resonatoren wird zum einen aus den Impedanzen WP der Eigenschwingungen nach Gl. (5.8) der Platte berechnet WP
1
∑∑ m
n
1 Wmn
;
m, n = 1, 3, 5, …
(10.1)
10.3 Dämpfende Schornstein-Innenzüge 137
Zum anderen berücksichtigt eine Transferimpedanz WT die Wirkung des Luftvolumens entsprechend Gl. (5.2) und die Impedanz des Abschlusses hinter dem Luftvolumen [48]. Wellenwiderstand, Dicke des Absorbers und Ausbreitungskonstante im Absorber werden wie in Abschn. 6.2, Gl. (6.7), berücksichtigt. Mit W WP WT berechnet sich der Absorptionsgrad α bei senkrechtem Schalleinfall dann wie in Gl. (3.7) angegeben. Die prinzipielle Schnittzeichnung in Abb. 10.11 zeigt eine auf 50 bis 200 Hz abgestimmte Anordnung eines Eckigen Innenzuges aus je n = 2 Platten mit 0.8 und 1 mm Dicke und aus n = 4 Platten mit 0.6 mm Blechstärke. Mit Hilfe einer an den Eckigen Innenzug angepassten Piening’schen Formel (s. Gl. (3.21)) kann so eine Dämpfung D abgeschätzt werden nach D
1.5 l S
∑n D U i
i
i
…
; i 1, 2,3
(10.2)
Das Diagramm in Abb. 10.12 zeigt die gemessenen Dämpfungsmaße des ersten Schornsteins mit integriertem Schalldämpfer [117, 118]. Die Vorteile dieser Integration des Schalldämpfers in den Schornstein (oder auch die Abgasleitung) liegen auf der Hand: Es wird kein zusätzlicher Platz für Schalldämpfer gebraucht, tieffrequenter Lärm kann mit kleinen Bautiefen gedämpft werden. Deshalb entsteht nur geringer zusätzlicher Druckverlust, d. h. Energiekosten werden reduziert. Auch Montagezeiten und -kosten werden gespart, weil Schalldämpfer und Schornstein in einem Zuge montiert werden. Verschmutzung der ebenen Flächen des Eckigen Innenzuges ist kein Problem: erstens bleibt die Haftung auf den schwingenden Blechen gering, zweitens ist eine Reinigung leicht durch Wasseroder Dampfstrahl möglich und drittens erhöht eine mäßige Verschmutzung nur die Masse der Schwingbleche und verschiebt dadurch das AbsorptionsMaximum zu tieferen Frequenzen, was in der Auslegung eingeplant werden kann. Nachteilig ist, dass bei in den Schornstein integrierten Schalldämpfern ein Auswechseln beschädigter Teile schwieriger ist, als wenn im herkömmlichen Schalldämpfer etwa Kulissen gezogen werden müssen. Dem kann aber durch sorgfältige Konstruktion und Verarbeitung Rechnung getragen werden, wie die Erfahrungen mit bisher 15 ausgeführten Anlagen mit Durchmessern von 1.4 bis 3.5 m zeigen, s. Kap. 13.
138 10 Hochintegrierte Schallabsorber
Abb. 10.12. Einfügungsdämpfung De des ersten (23 m langen) Schornsteins mit Eckigem Innenzug beim Odenwald Faserplattenwerk in Amorbach [118]
11 Innovative Raum-Akustik
Im Grundlagenteil (Kap. 1 bis 10) wurde versucht, einen aktuellen Überblick über Materialien und Bauteile zu geben, die es dem beratenden und planenden Ingenieur ermöglichen, Lärmschutz und Raumakustik nach dem neusten Stand der Technik zu gestalten. Dabei wird der Schwerpunkt auf die Schalldämpfung bei tiefen Frequenzen und den Einsatz faserfreier Absorber mit glatten, möglichst geschlossenen Oberflächen gelegt. Etwa 70% des Stoffes behandeln neuartige Werkzeuge und Hilfsmittel zur Lösung akuter Probleme der technischen Akustik. Zum größten Teil sind diese das Ergebnis langjähriger Forschungs- und Entwicklungsarbeit einer Gruppe von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern am Fraunhofer IBP. Die rasante Markteinführung einiger der ALFA-Bauelemente nach Abb. 1 im Vorwort, wurde durch Lizenz-, Know-how- und Kooperationspartner nach [6] unterstützt. Sie haben etwa so wie in Kap. 10 neuartige Akustik-Bausteine als Absorber-Module, Schall-Dämpfer und Wand-Auskleidungen teilweise als Ersatz für ihre konventionellen Faser-/SchaumProdukte eingeführt. An der Schwelle zum massenweisen Einsatz der Breitband-Absorber auf der Basis von VPR nach Abschn. 5.3 und BKA nach 10.1 in großen Büro-Komplexen, die zum Zeitpunkt der 1. Auflage dieses Buches bereits mit namhaften Nutzern, Architekten und Beratern geplant wurden, ist es inzwischen gelungen, auch für diese Entwicklungslinie kompetente Partner zu finden. Sie haben sich, zusammen mit dem IBP und 5 älteren seiner Lizenzpartner, auf der Jahrestagung der deutschen und französischen Akustik-Gesellschaften DEGA und CFA in Strasbourg innerhalb der fachbegleitenden Ausstellung präsentiert [120]. Im selben Jahr wurden die „Kompakt-Absorber“ für die Raumakustik mit dem 1. Preis der „European Grand Prix for Innovation Awards“ ausgezeichnet. Auf dem eingeschlagenen Weg hin zu einer besseren Raum-Akustik wird die neue DIN 18 041 [110] hilfreich sein. Zeitschriften wie die TrockenbauAkustik können ein geeignetes Diskussionsforum für die Bedeutung gerade der tiefen Frequenzen abgeben [113]. Manche Planer und Berater für akustisch anspruchsvolle Gebäude werden nicht mehr anführen können, dass für die untere Oktave (125 bis 63 Hz) keine hinreichend dokumentierten Absorber bekannt seien und daher „bei tiefen Frequenzen alle Berechnungen nur geringe Aussagekraft besitzen“ [121]. Für den Herausgeber der zitierten
140 11 Innovative Raum-Akustik
Zeitschrift wird es jedenfalls „höchste Zeit, dass Auftraggeber, Investoren, Planer und mitberatende Ausbaufirmen offene Ohren für Akustik bekommen …, weil Akustik zu einer der wichtigsten Bau-Aufgaben unserer Zeit geworden ist.“ Für ihn hat z. B. „die Mikroperforation (s. Kap. 9) eine völlig neue Dimension der Akustik und der Raumgestaltung eröffnet“ [122]. Die neuen Absorber-Produkte stoßen hier und da auch auf Widerstand im Markt. Es kam schon vor, dass ein Innenausbauer statt der eigentlich ausgeschriebenen neuen Module die konventionelle Mineralwolle/Lochblech-Kombination in einem repräsentativen Verwaltungskomplex einzubauen versuchte mit der Begründung, dass praktisch geschlossene, dicke Blechplatten doch kaum besser absorbieren könnten. Selbst gegen den Produkt-Namen „Membran-Absorber“ wurde schon Einwand erhoben, weil Membranen „ihre Elastizität aus Zugspannungen in der Fläche der Membran gewinnen (Trommelfell-Spannung)“ [123, S. 768). Dabei kann man z. B. im Duden aus dem Jahre 1989 nachlesen, eine (technische) Membran sei „ein dünnes Blättchen aus Metall, Papier o. ä., das durch seine Schwingungsfähigkeit geeignet ist, Schallwellen zu übertragen“. Genau so verstehen Akustiker die Membranen in ihren Lautsprechern und Mikrofonen [153, Kap. 3 und 11] sowie – seit seiner Markeinführung auf der Internationalen Sanitär- und Heizungsmesse ISH 1987 – eben auch als wesentlichen Bestandteil im ersten faserfreien Schalldämpfer [63]. Bei der theoretischen Behandlung poröser Absorber errechnet derselbe Autor [123, Bild 15.32] bei einem 10 cm dicken elastischen Fasermaterial mit einem Gewicht von über 12 kg/m2 und einer 1 mm dicken Blech-Abdeckung mit einem Lochanteil von 35% im Absorptionsgrad bei ca. 175 Hz einen kleinen Höcker, von dem er meint, man könne ihn „herauskitzeln, um damit die untere Flanke (der Absorption) aufzufüllen“. Da sei „mehr Musike drin, als jener Banause ahnt, der seit Jahren landauf landab behauptet, poröse Absorber hätten bei tieffrequenten Anwendungen nun einmal eine unvermeidlich und unverhältnismäßig große Bautiefe…“ [123, S. 495]. Dem Leser sei es überlassen, sich zu diesen schalltechnischen „Antithesen“ und zu den polemisch-diffamierenden Äußerungen eine eigene Meinung zu bilden. Für die weitere Durchsetzung der Innovativen BauProdukte I.B.P. werden selbstverständlich nur ihre akustische Effizienz, architektonische Attrakivität und Haltbarkeit sowie, vor allem anderen, ihr Preis /Leistungs-Verhältnis entscheidend sein. In den drei großen Anwendungs-Kapiteln 11 bis 13 wird es auch weiterhin weniger um die abstrakte Erörterung von theoretischem als um die konkrete Nutzung von ganz praktischem Handwerkszeug für die ausgewählten Fachgebiete gehen. Auch bei einem so komplexen Arbeitsfeld wie der Konditionierung von Raum-Akustik werden dabei die Schallabsorber als Gestaltungselemente, vor allem aber als Problemlöser, im Vordergrund
11.1 Kriterien für die Hörsamkeit von Räumen 141
stehen, auch wenn viele andere bauliche Einflüsse und Maßnahmen die „Akustik“ anspruchsvoller Umgebungen ebenfalls stark beeinflussen können. Im „Kleinen Haus“ der Staatstheater Stuttgart (s. Abschn. 11.6.5) gelang z. B. die eindrucksvolle Sanierung des sogen. „Noelte-Lochs“ allein durch eine verbesserte Schall-Lenkung mit besonders leichten Reflektoren aus Wellaluminium [132]. In Studios des Senders RTL (s. Abschn. 11.6.7) bauen z. B. transparente mikroperforierte Diffusoren aus Acrylglas störende Reflexionen ab. In allen hier mitgeteilten Erfahrungen aus realen Bauprojekten wird es jedenfalls mehr um die Lösung grundsätzlicher, weit verbreiteter Probleme mit Hilfe von innovativen Konzepten und Materialien gehen und nicht so sehr um die Erweiterung allgemein vermittelbarer Grundlagen zum jeweiligen Fachgebiet. Es werden auch keine Umsetzungen behandelt, die – sozusagen unter Umgehung der normalen Markt-Mechanismen – etwa nur dank öffentlicher Unterstützung einer Aktivität im Fraunhofer IBP realisierbar gewesen wären. Derart angewandte Forschungs- und Entwicklungsarbeit musste sich, allenfalls nach einer Anfangsförderung speziell für kleine und mittlere Partnerunternehmen, auch bei der FhG stets selbst tragen und finanzieren. Entsprechend praktikabel, robust und preiswert sind denn auch alle hier dokumentierten Problemlösungen. Die meisten Maßnahmen und Produkte eignen sich auch für den routinemäßigen Einsatz in neuen Bauwerken und Anlagen, wenn bei deren Planung und Errichtung die akustischen Anforderungen nur rechtzeitig berücksichtigt werden können.
11.1 Kriterien für die Hörsamkeit von Räumen Wenn Musiker wie Laien z. B. von der weltweit unvergleichlichen Akustik eines Musikvereinssaales in Wien schwärmen, schwingen dabei nicht nur sehr viele subjektive, sondern auch zahlreiche irrationale und optische Eindrücke bei jeder Darbietung in diesem eindrucksvollen Raum mit. Bei der großen Masse profaner Räume für Arbeit, Kommunikation, Sport und Freizeit wird der Akustik dagegen viel weniger Bedeutung beigemessen. Man muss aber kein blauäugiger Idealist oder engagierter InteressenVertreter sein, um hier für ein besseres Bewusstsein zu werben. In einer Zeit, da man z. B. jedem Automobil, Trockenrasierer oder Knäckebrot, mit viel Aufwand und ohne Kosten zu scheuen, dem jeweiligen Zweck entsprechend sein „sound design“ zugute kommen lässt, erscheint die allgemein übliche Missachtung der Raum-Akustik (hier einmal, der englischen „architectural acoustics“ nachempfunden, bewusst so geschrieben) sehr unlogisch und unzeitgemäß. Eigentlich müssten beim herrschenden
142 11 Innovative Raum-Akustik
Überangebot gewisser Immobilien, insbesondere im Gewerbe- und Bürobereich, Räume unterschiedlichster Größe und Bestimmung auch danach ausgewählt, gekauft, gemietet und genutzt werden, wie sie akustisch für den jeweiligen Zweck funktionieren, wie laut es in ihnen ist und wie behaglich sich seine Benutzer in ihnen fühlen. Das ist aber leider nicht so, wie häufige Reklamationen nach Abnahme der Bauleistung und zahlreiche teure Sanierungen im Bestand zeigen. Ein Grund dafür sind sicherlich fehlende Richtlinien und Beurteilungskriterien in diesem speziellen Bereich der technischen Akustik. Hier sollen zunächst einige akustische Kenngrößen behandelt werden – allerdings nur solche, die objektiv mit relativ geringem Aufwand messbar sind und die Eignung eines Raumes für einen oder auch mehrere Zwecke ganz rational beschreiben. Danach wird eine neue deutsche Norm mit ihren lange entbehrten Anforderungen und Sollvorgaben, aber auch Unzulänglichkeiten diskutiert (s. Abschn. 11.4). Sie lässt den unbefangenen Leser aber weiter in einem scheinbar unauflösbaren Dilemma (s. Abschn. 11.5), welches erst mit einem neuartigen raumakustischen Auslegungskonzept (s. Abschn. 11.6) aufgelöst werden kann. 11.1.1 Größe des Raumes Ganz allgemein kann man den von seinen Nutzern geradezu körperlich wahrnehmbaren Lautstärke-Pegel L in einem Raum bei einer darin wirksamen Quelle mit dem Schalleistungs-Pegel LW nach Gl. (3.10) bis (3.12) ausdrücken durch L
LW 10lg V 10lg T 14 dB ,
(11.1)
wobei in dieser Zahlenwert-Gleichung das Raumvolumen V in m3 und die Nachhallzeit T in s einzusetzen sind. Man könnte also meinen, dass auch eine schwache Schallquelle überall in dem geschlossenen Raum gut zu hören sein müsste, wenn T nur groß genug wäre und keine anderen Störquellen ihre Hörbarkeit beeinträchtigen. Die Erfahrung aus großen Kathedralen lehrt uns dagegen, dass größere Volumina nur dann mit gutem Ergebnis (auch mit elektroakustischer Verstärkung) beschallt werden können, wenn die zugehörige Nachhallzeit in Grenzen gehalten werden kann. Wenn z. B. im Dom zu Speyer mit einer zu tiefen Frequenzen bis auf 16 s ansteigenden Nachhallzeit (s. Abb. 11.1) Konzerte mit großem Chor und Orchester stattfinden, so wird seine Hörsamkeit nach Aussage des DomOrganisten und -Kapellmeisters L. Krämer bereits dadurch deutlich verbessert, dass (anlässlich einer Renovierung) ein Seitenschiff durch eine nur schwach absorbierende schwere Baufolie akustisch abgekoppelt und
11.1 Kriterien für die Hörsamkeit von Räumen 143
Abb. 11.1. Nachhallzeit des Domes zu Speyer, gemessen im Hauptschiff mit Terzen (---) bzw. Oktaven [296]
dadurch sein wirksames Volumen und seine Nachhallzeit etwas verkleinert werden [296]. Ziemlich abwegig wäre die Vorstellung, man könnte die Belastung der Arbeiter an lauten Maschinen nach Gl. (11.1) etwa dadurch senken, dass man beide in möglichst großen Fabrikhallen arbeiten lässt. Auch hier muss es stattdessen darum gehen, den in seiner Größe durch andere, meist unveränderliche, Randbedingungen vorgegebenen Raum in seiner Nachhallzeit so stark wie möglich zu reduzieren. In einer Werkhalle mag es genügen, sich dabei auf das von den Lärmerzeugern abgestrahlte Geräuschspektrum zu konzentrieren. Bei der stets impulshaltigen Darbietung von Sprache und Musik in einer Kirche sollte die Nachhallzeit dagegen breitbandig bis 63 Hz herunter konstant (in den hier angesprochenen Fällen: möglichst niedrig) eingestellt werden. Nach Gl. (3.10) und (3.11), T
0.163
V AS AE 4V m
(11.2)
fällt dies bei großen Räumen und tiefen Frequenzen mit entsprechend geringer Luftabsorption (m nach Tabelle 3.2) besonders schwer, wenn in zeitgenössischer Bauweise (AS) und Einrichtung (AE ) der Gebäude überwiegend (schall)harte Materialien zum Einsatz kommen. In Abschn. 11.6.3 wird aber gezeigt, wie man beim Umbau einer denkmalgeschützten Fabrikhalle zu einem modernen Schulungszentrum die Nachhallzeit (s. Abb. 10.3) breitbandig von fast 8 auf unter 1.5 s senken kann, ohne das architektonische Konzept zu behindern.
144 11 Innovative Raum-Akustik
Konzertsäle und Opernhäuser werden in der Regel nur so groß gebaut, dass sie die notwendigen Einbauten und erwarteten Zuschauerzahlen n gerade fassen können. Da letztere erheblich Absorption, insbesondere bei mittleren und hohen Frequenzen, in den Raum hineintragen und auch die Bühnen-Dekoration ähnlich wirken kann (AE), ist man hier regelmäßig mit dem gegenteiligen Problem konfrontiert: Eine gute Hörsamkeit des Raumes verlangt in diesem Fall möglichst wenig absorbierende Oberflächen (AS), um die Nachhallzeit nicht unter einen gewissen Optimalwert (s. Abschn. 11.4) sinken zu lassen. Allenfalls für tiefe Frequenzen (etwa unter 250 Hz) fehlt es auch in diesen akustisch anspruchsvollen Räumen oft an Absorption. An einer für die jeweilige Nutzung nicht zu überschreitenden Volumen-Kennzahl Kn
V n
(11.3)
entscheidet sich jedenfalls oft lange vor der Einschaltung eines Akustikers, ob ein Raum für eine bestimmte Nutzung die richtige Hörsamkeit überhaupt ermöglichen kann, siehe z. B. [29, Tabelle 4.19]. Wenn nämlich die Absorption überwiegend von den mit Publikum und Darstellern mit AP = 0.5 y 0.65 m2 pro Person belegten Flächen ausgeht, wird die Nachhallzeit bei mittleren und hohen Frequenzen nach oben begrenzt auf T
(0.25 y 0.33)
V n
(0.25 y 0.33) K n
(11.4)
Dem Akustiker bleibt für die raumakustische Gestaltung derartiger Säle der Bereich tiefer Frequenzen, dessen Bedeutung aber nicht zu unterschätzen ist (s. Abschn. 11.3 und 11.6.6). Unter den üblichen Bau-Beschränkungen gelingt es nur selten, etwa zusätzliche Hall-Räume an einen Konzert- oder Mehrzwecksaal ankoppelbar zu machen, um so, bei unveränderbar vorgegebener Absorption A, das Volumen und damit nach Gl. (11.2) die Nachhallzeit für bestimmte Darbietungen zu erhöhen. Beispiele hierfür sind zwar in jüngerer Zeit aus Birmingham (Symphony Hall), Luzern (Großer Saal im Kultur- und Kongresszentrum) und Budapest (Nationaler Konzertsaal im Palast der Künste) bekannt geworden. Im erstgenannten Fall wurden zum Volumen des Auditoriums von 25 000 m3 immerhin über 10 000 m3 als „Hallraum“ für keinen anderen Zweck als für eine dann variable Akustik „dazugebaut“. Die Nachhallzeit ließ sich so bei hohen Frequenzen deutlich anheben und vergleichmäßigen [200]. Ein derart gewaltiger Bauaufwand für die Akustik wird aber wohl immer die Ausnahme bleiben.
11.1 Kriterien für die Hörsamkeit von Räumen 145
Man sollte aber bei der akustischen Verbesserung bestehender Räume stets auch die Möglichkeit prüfen, die vorhandenen zu kleinen Volumina durch die Entfernung von z. B. leichten Trennwänden zu nicht mehr benötigten Lagerräumen oder von Zwischendecken zu größeren Hohlräumen, die nur ohnehin veraltete Installationen für Heizung und Lüftung beherbergen, zu vergrößern. Dadurch ergeben sich manchmal neue Gestaltungsmöglichkeiten, wie die Beispiele „Großes Haus“ des Staatstheaters Mainz (s. Abschn. 11.6.6) und „Probenbühne“ der Staatstheater Stuttgart (s. Abschn. 11.6.5) illustrieren. 11.1.2 Grobstruktur des Raumes So wie es von vornherein für ihren Zweck akustisch eigentlich zu große oder zu kleine Räume gibt (s. Abschn. 11.1.1), so können auch schlechte Raum-Grundformen dem Akustiker seine Aufgabe schwer bis fast unlösbar machen. Kugel- oder zylinderförmige Begrenzungsflächen führen z. B. unweigerlich zu störenden Schall-Konzentrationen, Fehllenkungen und Echowirkungen. Elliptische und parabolisch gekrümmte Flächen können zwar gelegentlich auch zur gezielten Schallführung zu bestimmten, sonst schlecht „versorgten“ Bereichen eines Raumes dienen. Generell bereiten aber konkav gekrümmte große Flächen dem Akustiker meist Probleme, während ebene oder konvexe Flächen seinem Auslegungskonzept tendenziell eher entgegenkommen. Zur Problematik grundsätzlich ungünstiger Primär-Strukturen eines Raumes oder von Teilen desselben kann hier auf umfassende Darstellungen z. B. in [24, 125, 29] verwiesen werden. Zu ihrer Lösung werden regelmäßig Schall lenkende, streuende oder/und dämpfende bauliche Maßnahmen erforderlich. Es versteht sich von selbst, dass ein hallig belassener Raum oder eine sehr ungleichmäßige Verteilung der Absorption im Raum die oben angesprochene Problematik noch verstärkt. Sie tritt in großen Räumen breitbandig in Erscheinung, ist in ihrer Dramatik aber vergleichbar mit der in kleinen Räumen schmalbandig auftretenden „Moden-Schau“ (s. Kap. 2). Beide Phänomene eskalieren, wenn Räume, oft aus guten (z. B. wärmetechnischen) Gründen, sehr kompakt, d. h. mit einem großen Verhältnis von Volumen V und gesamter Oberfläche Sges, gebaut werden. Entsprechend groß ist in solchen kompakten Räumen die mittlere freie Weglänge zwischen zwei Reflexionen der in ihnen vagabundierenden Schallwellen [24, S. 170] lm = 4
V S ges
(11.5)
146 11 Innovative Raum-Akustik
Für große akustisch unbehandelte Räume in Massivbauweise – z. B. auch mittelalterliche Kirchen, die aller ihrer über Jahrhunderte in ihnen angehäuften Einrichtungen entkleidet wurden – kann man die dann nur spärlich vorhandene Absorption mit D = 0.06 y 0.12 proportional zu ihrer Oberfläche S ges ansetzen und erhält so mit Ages ≈ (0.06 ÷ 0.12) Sges
(11.6)
bei vorgegebener Grobstruktur eine mit dem Volumen stetig und zu tiefen Frequenzen hin stark auf T | (1.36 ÷ 2.72)
V S ges
(0.34 y 0.68) lm
(11.7)
ansteigende Nachhallzeit. Etwas anderes ist nur zu erwarten, wenn größere Fensterflächen mit dünnen Glasscheiben wie Tiefen-Schlucker wirken, s. [141, Abschn. 4.2]. Um z. B. Bau- und Energiekosten zu sparen, manchmal auch um Akteure und Zuschauer möglichst dicht zueinander zu bringen, erscheint zwar die kompakte kreis- oder fächerförmige Grobstruktur, etwa wie im klassischen Amphitheater oder in modernen Sport-Arenen, immer wieder nahe liegend. Sobald aber das so scheinbar optimal angeordnete Auditorium mit senkrecht aufragenden Wänden und einem geschlossenen Dach, oder gar noch mit einer Kuppel umschlossen wird, führen solche Strukturen oft zu akustischen Problemen. Der einfache Rechteckraum („Schuhkarton“) bietet bereits vom Ansatz her eine demgegenüber viel bessere Schallfeldverteilung, besonders wenn er von einer Schmalseite her angeregt wird. Die räumliche (bei tiefen Frequenzen: auch die spektrale) Konzentration der Schallenergie wächst tendenziell, je symmetrischer ein Grundriss und je kompakter ein Raum gestaltet wird. 11.1.3 Feinstruktur des Raumes Man kann den Problemen der Schall-Konzentration im Raum (breitbandig) sowie im Spektrum (bei tiefen Frequenzen) auf klassische Weise begegnen, indem man große Flächen einer ungünstigen Grobstruktur in günstiger zu orientierende Teilflächen zerlegt. Allerdings steht der zeitgenössische Trend in der Architektur zu Sichtbeton und Glas in Wänden und Fassaden der Auflösung ungünstiger Grobstrukturen durch Gliederungen, Faltungen und Schrägstellungen in günstigere Feinstrukturen, deren Abmessungen aber immer noch in der Größenordnung der akustischen Wellenlänge liegen müssen, um wirksam zu werden, oft entgegen.
11.1 Kriterien für die Hörsamkeit von Räumen 147
Durch die Schaffung optisch transparenter mikroperforierter AkustikElemente nach Kap. 9 kann man aber heute, auch ohne auffällige Veränderungen an einer ungünstigen Grobstruktur, massive raumakustische Probleme wie diejenigen im „Plenarsaal“ des alten Bundestages in Bonn [126] (zylindrische Zwischenwände) oder im „Schlüterhof“ des Deutschen Historischen Museums in Berlin [127] (sphärische Dachkuppel) nachhaltig lösen. Neben solchen innovativen Lösungen kann auch die Anordnung und Ausführung von Tribünen und Brüstungen (siehe z. B. Abschn. 11.6.6) im jeweiligen Auditorium Schall lenkend, streuend und schluckend nutzbar gemacht werden. 11.1.4 Nachhall im Raum „Nach W. C. Sabines um die Jahrhunderwende durchgeführter Pionierarbeit galt die von ihm in die Raumakustik eingeführte Nachhallzeit bis in die 30er-Jahre als das objektiv messbare Gütekriterium schlechthin. Aber auch als man erkannte, dass sie nicht den einzigen Gütemaßstab darstellen konnte und als immer wieder neue Kriterien ergänzend angeboten wurden, blieb sie die einzige Größe, für die in Lehr- und Taschenbüchern Richtwerte angegeben wurden. Dies liegt vor allem daran, dass die Nachhallzeit auch heute noch das einzige Kriterium darstellt, das bei der Planung verhältnismäßig einfach, wenn auch nicht sehr genau, an Hand von Plänen und Materialangaben vorausberechnet werden kann. Kein verantwortungsbewusster Berater wird daher darauf verzichten, ihre Werte abzuschätzen“. Diese Einschätzung von L. Cremer [24, S. 490] teilen Praktiker heute noch. Schon damals hielt man übrigens Abschätzungen bis zur 63-Hz-Oktave herunter für wichtig, doch gab es „hierfür kaum zuverlässige Angaben über die einzusetzenden Absorptionsgrade“. Zumindest waren „die meisten Hallräume nicht groß genug, um solche darin zu bestimmen“, siehe hierzu aber die Ausführungen in Kap. 2 und Abschn. 5.3. Nach der grundsätzlichen Festlegung von Volumen, Grob- und Feinstruktur eines Raumes gibt es jedenfalls, bei der heutigen Verfügbarkeit einer breiten Palette von Schallabsorbern für den gesamten Frequenzbereich, keine wichtigere Zielgröße in der Raum-Akustik als den Nachhall des Raumes. Hier soll aber nicht mit vagen Begriffen wie „Resonanz“, „Halligkeit“, „trockener“, „voller“ oder „warmer“ Akustik, „subjektiver“ oder „objektiver“ Nachhalldauer umgegangen werden, die praktisch nicht weiter helfen. Stattdessen sollen drei Definitionen eingeführt werden, die sich gegebenenfalls auf unterschiedliche Nachhallvorgänge in einem oder mehreren gekoppelten Räumen ohne weiteres anwenden lassen:
148 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.2. Nachhallvorgänge im Raum; links: schematisch; rechts: realistisch mit Nachhallzeit T und Anfangsnachhallzeit EDT [29]
Nachhallzeit T60 In einem Rechteckraum mittlerer Größe misst man mit für Akustiker allgemein verfügbaren Messgeräten üblicherweise die Nachhallzeit T oder T60 in s, die vergeht, wenn eine stationäre künstliche Geräuschsituation nach Abschalten der Quelle im Schalldruck-Pegel um gerade 60 dB abgeklungen ist (siehe die schematische Darstellung in Abb. 11.2 links). Da sich in keinem Raum ein wirklich gleichmäßiges Schallfeld ausbildet, bleibt auch jeder Abklingvorgang etwas ortsabhängig. Deshalb mittelt man nach DIN EN ISO 3382 [112] auch stets über mehrere Messpunkte im Raum. Nachhallzeit T30 Nur selten lässt sich aber wegen der vor Ort herrschenden StörgeräuschPegel und der oft notwendigen Rücksichtnahme auf Nutzer und Nachbarn mit den üblichen Messeinrichtungen eine Dynamik von 60 dB realisieren. Deswegen wird häufig gemäß Abb. 11.2 rechts nur aus dem Abklingverlauf zwischen –5 und –35 dB unter dem Anfangspegel die Steigung entnommen und damit wiederum auf die Zeit für 60 dB Pegelabfall (als T 30) extrapoliert. Nachhallzeit T10 Zwischen T30 und T60 kann es in größeren oder stark strukturierten Räumen sowie in gekoppelten Räumen (z. B. Bühnenturm oder Orchestergraben und Zuschauerraum in einem Opernhaus, s. Abschn. 11.6.5) zu systematischen Unterschieden in den Zahlenwerten kommen. Diese können sogar von großer praktischer Bedeutung sein, wenn es um absorbierende Maßnahmen in den verschiedenen beteiligten Räumen geht. Deshalb sei hier auch ausdrücklich dazu geraten, sich die Pegelverläufe über der Zeit,
11.1 Kriterien für die Hörsamkeit von Räumen 149
wenn es darauf ankommt, immer genau anzusehen und sich nicht nur auf die Anzeige automatischer Auswertungen moderner Mess-Systeme zu verlassen. Die früher übliche Auswertung „von Hand“ mit Pegelschreiber und Schablone hat vor mancher Fehldiagnose bewahrt. Wenn es ausdrücklich darum geht, zwischen frühen (der Quelle nahe gelegenen) Reflexionen und späteren zu unterscheiden, so hat sich die Einführung einer frühen Nachhallzeit, z. B. T20, T15 oder T10 (letztere englisch auch verbindlich „Early Decay Time“ genannt) über die ersten 20, 15 oder 10 dB des Pegelabfalls bewährt (vgl. Abb. 11.2 rechts). Diese differenzierte Betrachtung des Nachhalls im Raum ermöglicht nicht nur eine detaillierte Beurteilung unterschiedlicher gekoppelter Schallfeldbereiche sondern, insbesondere bei kleineren Räumen und tiefen Frequenzen, auch eine Unterscheidung nach verschiedenen ModenFeldern, die – abhängig von Ort und Frequenz – ganz unterschiedlich abklingen. Hier mag auch ein Schlüssel zum besseren Verständnis von Hallraum-Ergebnissen für den Absorptionsgrad bei tiefen Frequenzen liegen (vgl. Kap. 2, Abschn. 5.3 und 11.6.8). Zur Berechnung der in einem Raum zu erwartenden Nachhallzeit eignet sich die Sabine’sche Formel (3.10), wenn man in Gl. (3.11) bzw. (3.9) die äquivalente Absorptionsfläche bzw. den Absorptionsgrad frequenzabhängig einsetzt und zuvor der mittlere Absorptionsgrad
D
A S ges
(11.8)
abgeschätzt wird. Für D ! 0.3 empfiehlt sich die Eyring’sche Formel [128] z. B. in der Form
D Eyr
0.163
V S ges [ ln (1 D )]
(11.9)
als wohl etwas genauere Prognose als diejenige nach Sabine, siehe Abb. 11.3. Man findet in der Literatur aber auch andere Nachhall-Formeln [129, 24] z. B. für den Fall, dass die Absorption im Raum sehr ungleichmäßig verteilt ist. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Vorhersagen sind aber i. A. kleiner als die Ungenauigkeit bei einer bedenkenlosen Übertragung von Messwerten aus dem Hallraum oder sogen. „Schluckgrad-Tabellen“ über Gl. (3.9) bzw. (3.11) in den jeweiligen Raum nicht nur, aber besonders bei tiefen Frequenzen, s. Kap. 2. In kritischen Fällen sollte man daher immer auf die sichere Seite hin auslegen je nach dem, ob T möglichst klein (z. B. für Lärmschutz und Sprachverständlichkeit) oder aber groß (z. B. für Konzertgenuss) angestrebt wird.
150 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.3. Zusammenhang zwischen mittlerem Absorptionsgrad D und Nachhallzeit TEyr für verschiedene Werte V / Sges [29]
11.1.5 Störpegel im Raum Nicht nur bei akustischen Messungen wie denjenigen zur Bestimmung von Nachhallzeiten können Geräusche, die von außen (z. B. durch Verkehr, Gewerbe oder Bauarbeiten) in den Raum eindringen, je nach Nutzungsart sehr störend wirken. Es seien ausdrücklich auch die Geräusche haustechnischer Anlagen im selben Gebäude, insbesondere diejenigen der Lüftungsanlagen, erwähnt, welche die Dynamik nach Gl. (11.30) für Musik und Sprache einscränken können. Dazu wird auf Abschn. 11.6.7 verwiesen, aber hier schon betont, dass es wenig Sinn macht, die Raum-Akustik auf ein hohes Niveau zu trimmen, wenn z. B. bei Darbietungen Akteure und Zuschauer schwitzen müssen, weil die Klimaanlage wegen zu hoher Geräuschentwicklung während der Aufführungen regelmäßig abgeschaltet werden muss. Es erscheint übrigens als völlig unzureichend, diese Störgeräusche etwa gemäß Abb. 11.4 nur durch einen so genannten „Speech Interference Level“ SIL zu quantifizieren, der lediglich die Pegelwerte bei den Oktaven 500 bis 4 000 Hz des Geräuschs (linear gemittelt!) berücksichtigt, aber die tieferen Frequenzanteile in jedem Fall vernachlässigt. Überhaupt sollte man sich im Zeitalter der Computer nicht mehr immer nur auf Einzahl-Angaben stützen, seien es nun Nachhallzeiten, Pegel oder Pegel-Differenzen. Es ist auch nicht mehr zeitgemäß, die Schalldämmung von trennenden Bauteilen (z. B. Wänden, Fenstern oder Türen) mit Bezugskurven nach Abb. 11.5 zu bewerten, die ihre mindestens ebenso wichtigen Eigenschaften bei Frequenzen unter 100 Hz außer Acht lassen und im wesentlichen die Dämmung ab 500 Hz aufwärts gewichten. Die in DIN EN ISO 717 [131]
11.1 Kriterien für die Hörsamkeit von Räumen 151
Abb. 11.4. Ermittlung des Speech Interference Levels SIL aus einem StörgeräuschSpektrum nach [130]
eingeführten Spektrum-Anpassungswerte C und Ctr weisen zwar in die richtige Richtung, kleben aber weiter an Einzahl-Maßen, anstatt endlich zu einer spektralen Kennzeichnung überzugehen, wie dies seit langem im technischen Schallschutz, z. B. für die Einfügungs-Dämpfung von Schalldämpfern in Kanälen, überall zur Routine geworden ist (s. Kap. 13). An dieser Stelle sei daran erinnert, dass der für Sprache und Musik wichtigste Frequenzbereich mindestens von 63 bis 8 000 Hz reicht und auch die Disziplinen der Raum- und Bauakustik sich nach [29] nicht auf einen viel kleineren Ausschnitt des Hörens konzentrieren dürfen, vgl. Abb. 11.6. Will man einen mittleren Schallpegel L im Raum nach Gl. (3.11) und (3.12) aus dem Schallleistungs-Pegel LW einer (oder auch mehrerer) Quellen im Sinne einer zu erzielenden oder zu ertragenden Lautstärke abschätzen, so kann mit einem mittleren Absorptionsgrad D aller Raumbegrenzungsflächen S ges und aller Einbauten ( D E , SE) sowie der Dämpfungskonstanten m nach Tabelle 3.2 und der freien Weglänge lm nach Gl. (11.5) die folgende Gleichung hilfreich sein: L = LW 10 lg [Sges ( D + D E
SE + m lm)] + 6 dB. S ges
(11.10)
Für die Abschätzung der Lärmsituation z. B. in Werkhallen und Großraum-Büros kann man nach [262] mit SE / Sges = lm / lE auch mit einer mittleren freien Weglänge lE zwischen den absorbierenden (und streuenden)
152 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.5. Bezugskurven für das bewertete Schalldämm-Maß Rw nach [131] in Terzen (oben) bzw. Oktaven (unten)
Einbauten (Maschinen, Regale, Nischen, Möbel, Stellwände) oder deren Kehrwert, der Streukörperdichte qE = 1/lE, ganz gut auch frequenzabhängig, rechnen. Das Ergebnis kann allerdings immer nur so genau sein wie die Eingabedaten für D, DE und lE bzw. qE, s. [262, Tabelle 13.2 bis 13.4]. 11.1.6 Pegelverteilung im Raum Auch wenn weder Störungen von außen noch von innen die akustischen Darbietungen im Raum stören, tritt nicht selten, insbesondere bei Sprachdarbietungen, das Problem auf, dass z. B. in der Mitte des Parketts oder an Plätzen unter überhängenden Rängen in Theatern der beim Hörer ankommende Schalldruck-Pegel zu niedrig wahrgenommen wird. Neben heute häufiger zu beobachtender schlechter Artikulation der Darsteller und, manchmal als Folge derselben, einer gewissen Unruhe im Auditorium, ist
11.1 Kriterien für die Hörsamkeit von Räumen 153
Abb. 11.6. Wichtige Frequenzbereiche für das Hören (oben) und Wellenlängenbereich in der Raumakustik (unten) nach [29]
nicht selten eine unzureichende Versorgung mit frühen Reflexionen (s. Abschn. 11.1.7) über Portale, Seitenwände und Decke der Grund, warum insbesondere Schwerhörige (wohl mehr als 20% der deutschen Theaterbesucher zählen leider dazu!) nicht in den vollen Genuss des Dargebotenen kommen können. Deshalb sollte es zu jeder Beurteilung einer raumakustischen Situation auch gehören, die Lautstärkeverteilung im gesamten Auditorium von mindestens 3 Sendeorten auf der Bühne (im Hinblick auf moderne Aufführungspraktiken: auch im Zuschauerraum) mindestens für 500 und 1 000 Hz zu bestimmen. Pegel-Differenzen bis 5 dB zwischen den lautesten und leisesten Plätzen gelten als gut. Sind es aber mehr als 8 dB in einer Zuhörerfläche wie im Parkett des Beispiels in [132], so spricht man schon von einem „Loch“ in der Lautstärke. Üblicherweise gibt man die Pegelverteilung Lx relativ zu einem gut beschallten Platz in der Nähe der Test-Schallquelle mit KugelCharakteristik (L0) an als 'L Lx L0 : (11.11) Man kann Lx aber auch relativ zum Schalleistungs-Pegel LW einer TestSchallquelle angeben oder Lx auf den in einer bestimmten Entfernung x0 (z. B. 5 oder 10 m) von derselben Quelle unter der Annahme kugelförmiger Abstrahlung in ein ideales Freifeld zu erwartenden Schalldruck-Pegel beziehen:
G
Lx Lw 20lg x0 11dB
(11.12)
154 11 Innovative Raum-Akustik
Dieses Stärke-Maß G kennzeichnet die Übertragung von einer bestimmten Quelle (z. B. einem Sprecher) mit allen Einflüssen aus seiner näheren und weiteren Umgebung zu einem beliebigen Hörplatz. Für das gegenseitige Hören von Musikern untereinander, die sogen. Balance z. B. in einer Orchester-Muschel, muss man G natürlich frequenzabhängig bewerten. G kann so auch als Indiz für eine zu starke Übertragung insbesondere von Bass-Anregungen des Raumes in einem Ensemble herangezogen werden, wie z. B. unter dem großen Überhang im Orchestergraben des Aalto Theaters in Essen, s. Abschn. 11.6.5. 11.1.7 Impulsantwort des Raumes
Bereits bei der Beurteilung des Nachhalls eines Raumes (s. Abschn. 11.1.4) kommt man nicht umhin, zwischen „frühen“ und „späten“ Abläufen nach dem Abschalten einer Quelle zu unterscheiden. Oft benutzt man der Einfachheit halber zur Anregung nicht zu großer Räume bei mittleren Frequenzen auch schon mal eine „Schreckschuss“-Pistole. Für eingehendere raumakustische Untersuchungen liegt es aber nahe, nicht nur einen geeignet gemittelten Abkling-Pegel auszuwerten, sondern nach Anregung des Raumes durch einen sehr kurzen Rechteck-Impuls einzelne oder zeitlich gestaffelte Gruppen von Reflexionen zur Beurteilung heranzuziehen. Eine solche „Impulsantwort“ ist in Abb. 11.7 dargestellt. Man kann darin bei entsprechend feiner Auflösung im einzelnen unterscheiden: a) den an verschiedenen Hörplätzen möglichst ungestört mit maximalem Pegel eintreffenden Direktschall, b) die für die Deutlichkeit von Sprache und die Klarheit von Musik nützlichen Anfangs-Reflexionen ( 100 ms), c) den mehr oder weniger gleichmäßig abklingenden Nachhallvorgang, in welchem keine einzelnen Rückwürfe von bestimmten reflektierenden Flächen im Raum mehr identifizierbar sind, der aber für den Raumeindruck eine wichtige Rolle spielt, d) einzelne aus dem Nachhall deutlich herausragende Pegelspitzen, die als Echos mit einer Zeitverzögerung ! 50 ms wahrgenommen werden können. Natürlich sind diese Reflektogramme und alle aus der Impulsantwort abzuleitenden raumakustischen Kriterien immer stark abhängig von – – – –
Sendeort Empfangsort Richtwirkung der Quelle Frequenz.
11.1 Kriterien für die Hörsamkeit von Räumen 155
Abb. 11.7. Aufzeichnung der Impulsantwort eines Raumes nach [29]
Wegen des mit ihrer Gewinnung und Darstellung verbundenen hohen Mess- oder Rechenaufwandes bleiben Untersuchungen dieser Art in der Regel auf Forschungs- und besonders repräsentative Bauvorhaben beschränkt. Noch seltener stehen Geld und Zeit zur Verfügung, um sich etwa vorab in einem Modell des geplanten Raumes (z. B. im Maßstab 1:10 oder 20) ein genaues Bild z. B. von den zu erwartenden „Brennpunkten“ des Schallfeldes zu machen. Dabei kann ein sorgfältig erstelltes Modell wie das in Abb. 11.8 von einem großen Konzertsaal für das „Atatürk-Kulturzentrum“ in Ankara mit seiner sehr „gefährlichen“ Grobstruktur den Architekten nicht nur akustische Probleme verdeutlichen. Der Modellbauer kann ihn bei der elektronischen Übernahme und Realisierung auf verdeckte Diskrepanzen in seinen Entwurfszeichnungen aufmerksam machen, bevor es zu spät ist. Immer häufiger kommen zwar Simulationsprogramme [105] mit komfortabler Software zur anschaulichen farbigen Darstellung der Ergebnisse zum Einsatz, die Architekten und Bauherren akustische Auswirkungen ihrer
Abb. 11.8. Modell im Maßstab 1:20 eines eiförmigen Konzertsaales für das Atatürk Kulturzentrum in Ankara [133, S. 118]
156 11 Innovative Raum-Akustik
visuellen Vorstellungen und Planungen frühzeitig vor Augen führen können, etwa so wie beim Großen Haus des Staatstheaters Mainz, s. Abschn. 11.6.6 und [111]. In der Mehrzahl raumakustischer Auslegungen muss sich der Akustiker (wenn er überhaupt gehört wird) allerdings vor allem auf seine Erfahrungen mit ausgeführten Projekten und eine entsprechende Überzeugungskraft verlassen. Die wichtigste Voraussetzung für seinen Erfolg ist dabei erfahrungsgemäß, rasch eine gemeinsame Sprache mit Baubeteiligten und Nutzern zu finden, in der überwältigend hochgestochene Kriterien eher abschrecken als Vertrauen schaffen. 11.1.8 Klarheits-Maß
Reflexionen von den Begrenzungsflächen des Raumes, die innerhalb eines Zeitintervalls von 80 ms nach dem Direktschall beim Hörer eintreffen, gelten allgemein als der Durchhörbarkeit einer musikalischen Darbietung dienlich, während die später eintreffenden Reflexionen und der Nachhall diese Eigenschaft des vom Raum mitbestimmten Klangbildes verringert. Man definiert deshalb aus der Impulsantwort ein Klarheits-Maß C80, welches die in den ersten 80 ms beim Hörer eintreffende Schallenergie E80 der restlichen Energie gegenüberstellt, C80 10lg
E80 , Eges E80
(11.13)
wobei Eges die gesamte von einem Impuls einer Quelle (z. B. auf dem Podium) beim Hörer (z. B. im 2. Rang hinten) eintreffende Energie ist. Nach [32] sind in Konzertsälen für C80 Werte zwischen +4 und –2 dB anzustreben, an entfernteren (meist auch preisgünstigeren) Hörplätzen auch –5 dB noch tolerierbar. 11.1.9 Deutlichkeits-Maß
Bei der Darbietung von Sprache und von stark akzentuierter Musik liegt die Grenze zwischen den die Durchhörbarkeit fördernden bzw. beeinträchtigenden Reflexionen eher bei nur 50 ms. Dementsprechend hat man als ein weiteres raumakustisches Kriterium für derartige Darbietungen das Deutlichkeits-Maß gemäß C50 10lg
E50 Eges E50
eingeführt. Es sollte nach [32] möglichst über 0 dB liegen.
(11.14)
11.1 Kriterien für die Hörsamkeit von Räumen 157
11.1.10 Schwerpunkts-Zeit
Klarheits- und Deutlichkeits-Maß sind natürlich nicht die einzigen für die Hörsamkeit eines Raumes wichtigen Kriterien. Wenn man aber nur ein Maß für die Durchhörbarkeit der darin ablaufenden Schallereignisse sucht, kann man auch auf die sogen. Schwerkunkts-Zeit tS nach [134] verfallen: f
∫ t E (t ) d t
ts
0
E ges
(11.15)
Für reflexionsarme Räume wäre tS breitbandig immer sehr klein zu erwarten. In Studios oder Musik-Übungsräumen ist es aber interessant, für tS wie für C80 und C50 die Größe und Frequenzabhängigkeit dieser Kriterien zu betrachten, um so z. B. noch gezielter auf die Sprachverständlichkeit (s. Abschn. 11.2) zu schließen. Es erscheint aber ziemlich illusorisch, dass diese oder noch weiter gehende Auswertungen der Impulsantworten in größerem Umfang, selbst bei akustisch anspruchsvollen Räumen, zum praktischen Einsatz kommen. Deswegen fehlen auch verallgemeinerbare Erfahrungen mit sowie genauere Optimal- und Grenzwerte für diese spezielleren raumakustischen Kriterien – ganz anders als für die allgemein gebräuchliche Nachhallzeit, auch in ihrer Frequenzabhängigkeit. Trotzdem sei aus der Vielfalt möglicher die Raum-Akustik beschreibender Parameter noch ein weiterer hier angesprochen. 11.1.11 Seitenschall-Maß
Wenn man nicht nur den Einfluss des Raumes auf die Lautstärke und Durchhörbarkeit der in ihm ablaufenden Schallereignisse beschreiben, sondern mit seiner Hörsamkeit auch den Raumeindruck selbst verbinden möchte, reichen die oben beschriebenen Kriterien nicht aus. Störpegel und Nachhallzeit wurden noch weitgehend unabhängig vom Ort der Sender und Empfänger definiert. Alle übrigen oben definierten Parameter sind dagegen immer stark ortsabhängig und deshalb nur mit entsprechendem Aufwand zu ermitteln. Um etwa die Räumlichkeit, das Eingehülltsein zu beschreiben, setzen Akustiker komplizierte Messgeräte und -verfahren ein, die nicht ohne artifizielle Nachbildungen von Sendern und Empfängern auskommen. Spezielle „Kunstköpfe“, die das in diesem Zusammenhang unumgängliche beidohrige (binaurale) Empfangen und Verarbeiten von Schallsignalen ermöglichen und der „künstliche Mund“ zur Simulation von Sprechern gehören als Hardware mit entsprechend aufwändiger Software inzwischen zu diesem teuren Arsenal. Hier soll aber
158 11 Innovative Raum-Akustik
nur der Seitenschallgrad (engl.: lateral energy fraction LF) bzw. seine logarithmierte Größe, das Seitenschall-Maß, 80 ms
SS
∫
10lg
Ef d t
5 80 ms
∫
,
(11.16)
E0 d t
0
angesprochen werden. Darin bedeutet E0 die von einem Mikrofon mit Kugel-Charakteristik aufgenommene Impulsantwort, in der alle für die Richtungswahrnehmung wichtigen Schallanteile der ersten 80 ms integriert werden. E∞ dagegen stellt die von einem lateral zur Raumachse ausgerichteten Mikrofon mit Achter-Charakteristik bei gleicher Sender/Empfänger-Konfiguration aufgenommene Impulsantwort dar, in der unter Ausblendung des Direktschallanteils nur die von den Seitenflächen nahe des Senders herrührenden Reflexionen zwischen z. B. 5 und 80 ms erfasst werden. Für Konzertsäle soll der Optimalwert dieses Parameters nach [29] zwischen 4 und 6 dB liegen. Ein weiterer raumakustischer Parameter, der mit Hilfe eines „Kunstkopfes“ messbare interaurale KreuzkorrelationsKoeffizient IACC [200], sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
11.2 Sprachverständlichkeit Abbildung 11.9 zeigt in der „Hörfläche“ zwischen der „Hörschwelle“ und der „Schmerzgrenze“ des Menschen die charakteristischen Schallanteile im für die Sprache wichtigen Frequenzbereich zwischen 63 und 8 000 Hz, vgl. Abb. 11.6. Die für die Verständlichkeit entscheidenden helleren „Vokale“ und stimmhaften „Konsonanten“ sind auf etwa 500 bis 8 000 Hz konzentriert. Weit darunter schließt sich der für die Deutlichkeit von Sprache weniger wichtige, durch das Schnarren der Stimmbänder angeregte GrundtonBereich an. Abbildung 11.10 zeigt aber besonders für männliche Stimmen bis 63 Hz herunter noch eine, verglichen mit den Konsonanten, relativ starke Schallemission, die zur Verständigung wenig beiträgt, aber die Resonanzen kleiner und mittelgroßer Räume gemäß Kap. 2 anregen kann. Den mittleren Frequenzbereich der Vokale trainieren Sängerinnen und Sänger besonders zur Stärkung ihrer Stimme, um sich z. B. gegenüber einem Orchester mit seinem beim normalen Spielen zwischen 500 und 4 000 Hz ebenfalls um ca. 30 dB abfallenden Spektrum [32, S. 102] gut durchhörbar behaupten zu können. Dies gelingt leider manchmal nur zu Lasten des Wohlklangs, geht aber immer auf Kosten der Sprachverständlichkeit. Wenn
11.2 Sprachverständlichkeit 159
das Orchester nämlich mit Pauken (tiefe Frequenzen) und Trompeten (hohe) so richtig loslegt, stoßen auch die stärksten Stimmen an ihre Grenzen, weswegen bei Opernaufführungen oft selbst für Textkundige „Untertitel“ hilfreich wären.
Abb. 11.9. Lage der für die Sprachverständigung wichtigen „Formanten“ und unwichtigeren „Grundtöne“ in der „Hörfläche“ nach [135] und die Verdeckung andeutender Pfeil
Abb. 11.10. Mittlere spektrale Verteilung „normaler“ Sprache; männlich (fette), weiblich (dünne Kurve) nach [29]
160 11 Innovative Raum-Akustik
Entfernung zum Sprecher [m] Abb. 11.11. Zusammenhang von SIL, Sprachverständlichkeit und Stimmaufwand nach [136]
Aber auch bei normaler Unterhaltung kommt es vor allem auf die Schallanteile im kHz-Bereich an. Bei einem SIL gemäß Abschn. 11.1.5 von 52 dB wie im Beispiel von Abb. 11.4 sollte man nach DIN 33 410 [136] einen Sprecher in 1 m Entfernung eigentlich noch gut verstehen. Tatsächlich wird erfahrungsgemäß bereits mit „erhobener“ Stimme gesprochen, so als wäre der Zuhörer nicht 1 sondern 2 bis 3 m entfernt. Bei einem SIL von 60 dB, wie er in Büro- und Konferenzsituationen keine Seltenheit ist, reagieren manche Menschen sogar mit sehr lauter Stimme, auch wenn sie damit niemanden im selben Raum, sondern nur ihren Gesprächspartner am Telefon erreichen wollen. Diese Zusammenhänge von Störgeräusch und notwendiger bzw. unwillkürlicher Stimmentfaltung ist in Abb. 11.11 angedeutet. Die darin dargestellten Geraden deuten den Pegelabfall mit 6 dB pro Entfernungsverdopplung von einer Stimme im ungestörten Freifeld an. In geschlossenen Räumen mit ihren vielfältigen Rückwirkungen ist mit jeder zusätzlichen Stimme und mit jeder Stimmanhebung eine Erhöhung des allgemeinen Geräusch-Niveaus verbunden. Bevor in Abschn. 11.5 näher auf ein daraus eskalierendes Dilemma eingegangen wird, sollen hier zunächst einige Einflüsse auf die Sprachverständlichkeit, so wie sie aus der einschlägigen Literatur bekannt erscheinen, kurz angesprochen werden. Dabei soll es ausnahmsweise einmal mehr um das grundsätzliche Verständnis als um quantitative Bewertungen gehen. Da der Autor diese Phänomene mehr von der technischen als von der physiologischen Seite behandelt, wird es dann in Abschn. 11.5 um ein vom Konventionellen etwas abweichendes raumakustisches Konzept speziell für kommunikationsintensiv genutzte
11.2 Sprachverständlichkeit 161
Abb. 11.12. Satz- bzw. Wort-Verständlichkeit VS bzw. VW in Abhängigkeit von der Silben-Verständlichkeit V nach [137, 138]
Räume beliebiger Größe gehen, das nur auf relativ einfachen baulichen Maßnahmen basiert. Zunächst werden die bekannten Faktoren, welche die Silben-Verständlichkeit V irgendwie kumulativ beeinflussen, nach W. Reichardt [137, 138] als einfaches Produkt hingeschrieben – so als würden sie sich nicht gegenseitig beeinflussen: V
96 k ft k fh k T / PL k E / C
>%@
(11.17)
Für in ihrer Muttersprache (Deutsch) Normalhörende ergibt sich daraus die logischerweise viel höhere Wort-Verständlichkeit VW (für V = 50% z. B. VW = 80%) nach Abb. 11.12. Da ein der Sprache mächtiger Proband einen Satz noch „versteht“, auch wenn er darin nicht jedes Wort richtig wahrgenommen hat, paart sich die Silben-Verständlichkeit stets mit einer noch höheren Satz-Verständlichkeit VS (z. B. 50 und 97% in Abb. 11.12). Bei allen die maximal mögliche Silben-Verständlichkeit von 96% mindernden Einflussfaktoren in Gl. (11.17) geht man davon aus, dass es sich immer nur um einen Sender und einen Empfänger handelt. 11.2.1 Späte Reflexionen
Für Sprachdarbietungen in großen Räumen können Schallrückwürfe von mehr als ca. 8 m entfernten Reflektorflächen die Verständlichkeit nach H. Niese [139] gemäß k E # 1 0.25
EE E50 EE
(11.18)
162 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.13. Einfluss des Deutlichkeits-Maßes auf die Sprachverständlichkeit nach [140]
mindern, wobei E50 die Nutz-Energie darstellt, die innerhalb der ersten 50 ms nach Eintreffen des Direktschalls beim Empfänger ankommt und EE die danach eintreffende Echo-Energie. Stark ausgeprägte Echos sind in kleinen bis mittelgroßen Räumen, um die es bei der Kommunikation meistens geht, eher selten. Stattdessen findet man in [140] eine Art von Nutzenergie-Faktor kC, der sich nach Abb. 11.13 aus dem Deutlichkeits-Maß nach Gl. (11.12) ergibt. 11.2.2 Nachhall
Eine allgemeine Erfahrung lehrt, dass man die Sprachverständlichkeit konsequent steigert, wenn man alle späten, weniger nützlichen Reflexionen, eben den Nachhall im Raum, absenkt. Die in Abb. 11.14 dargestellte Tendenz für den Nachhall gilt für alle Größen und Nutzungsarten geschlossener Räume. An Stelle des Nachhall-Faktors kT, der sich auf T60 oder auch T 10 bezieht, kann man auch einen so genannten Platz-Faktor kPL nach [134] gemäß k PL
1 ts2 105
(11.19)
aus der Schwerpunkts-Zeit tS nach Abschn. 11.1.4 ableiten und in Gl. (11.17) einsetzen. Die „Verwischungs-Schwelle“, unterhalb welcher man unmittelbar aufeinander folgende Silben noch getrennt wahrnimmt, liegt zwischen etwa 50 und 100 ms [29]. Bei einer Nachhallzeit von 1 s ist in dieser Zeitspanne der Ausgangspegel bereits zwischen 3 und 6 dB abgesunken. Käme es daher nur auf diese Art der Raumrückwirkung auf ein Sprachsignal an, so
11.2 Sprachverständlichkeit 163
würde man, auch in kleineren Räumen, wohl kaum eine kürzere Nachhallzeit für nötig halten. Es sei aber schon hier auf die Ausführungen in Abschn. 11.4 hingewiesen. DIN 18041 fordert zu Recht die kleinsten Nachhallzeiten für kommunikationsintensive Nutzungen, und zwar um so kleinere, je kleiner der Raum ist (vgl. Abb. 11.30). Auch für große bis sehr große Räume stellte V. O. Knudsen [135] fest, dass kleinere Nachhallzeiten günstig sind, um bei gleicher Anregung dieselbe Silben-Verständlichkeit zu erzielen, s. Abb. 11.15, auch wenn der größere Raum nicht die VS-Werte des kleineren erreichen kann. Abbildung 11.16 bestätigt eine andere allgemeine Erfahrung: Ein hier stets einzeln angenommener Sprecher muss seine Stimme anheben oder zur elektroakustischen Verstärkung greifen, um sich in einem großen Raum – unabhängig von seiner Nachhallzeit – besser verständlich machen zu können. Nur wenn diese Erhöhung der Sendeleistung nicht möglich ist, kann der jeweils leisere Sprecher von einer jeweils etwas höheren Nachhallzeit ein wenig profitieren.
Abb. 11.14. Einfluss der Nachhallzeit auf die Sprachverständlichkeit nach [135]
Abb. 11.15. Silben-Verständlichkeit V als Funktion der Nachhallzeit T für verschiedene Raumgrößen nach [135]; 675 (oberste), 5 400 (mittlere), 21 600 m3 (unterste Kurve)
164 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.16. Silben-Verständlichkeit V als Funktion der Nachhallzeit T in einem 11 300 m3 großen Hörsaal nach [135]; mit ELA-Verstärkung (a), sehr lauter (b), lauter (c), normaler (d), leiser (e), sehr leiser Sprecher (f)
Abb. 11.17. Deutlichkeits-Maß C50 in Abhängigkeit von der Nachhallzeit T und der Entfernung r (bezogen auf rH) zur Quelle nach [141, S. 53]
11.2.3 Störabstand
Den wohl wichtigsten Einfluss auf die Verständlichkeit von Sprache nimmt, nach Echos und Nachhall, die Differenz 'L
L LS
>dB @
(11.20)
11.2 Sprachverständlichkeit 165
Abb. 11.18. Einfluss eines Stör-Pegels LS auf die Sprachverständlichkeit in Abhängigkeit vom Nutzpegel L nach [142]
des Nutz-Pegels L und des gleichzeitig wirksamen Stör-Pegels LS. Nur wenn L deutlich (z. B. 6 dB, mindestens aber 3 dB) über LS eingestellt werden kann, wird eine gute Sprachverständlichkeit erreicht (s. Abb. 11.18). Bei mehreren gleichzeitig kommunizierenden Personen kommt zwar der so genannte „Cocktailparty“-Effekt [32] der Verständigung in der Gruppe etwas zu Hilfe: die Möglichkeit eines gesunden beidohrig Hörenden, eine einzelne aus einem Gewirr von Stimmen bei entsprechender akustischer Fokussierung („Ohren spitzend“) herauszuhören. Diese Fähigkeit des Menschen wird aber meist mehr als kompensiert durch den Anstieg des durch die Kommunikation selbst erzeugten Geräusch-Pegels im Raum, der mit jedem zusätzlichen Teilnehmer weiter ansteigt und so eine regelrechte „Lautheits-Spirale“ (s. Abschn. 11.3) in Gang setzt. Nach Abb. 11.19 sinkt die Sprachverständlichkeit bei einer Nachhallzeit von 1 s auf weniger als die Hälfte, bei 2 s auf ein Drittel, wenn der Nutz-Pegel durch einen gleich lauten Pegel gestört wird ('L = 0). Mit wachsendem
Abb. 11.19. Silben-Verständlichkeit V als Funktion der Nachhallzeit T bei verschiedenen Störabständen nach Gl. (11.15); 'L > +30 dB (a), +3 dB (b), 0 dB (c), 3 dB (d)
166 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.20. Von Kommunizierenden für Umgangssprache bevorzugter Abstand zueinander abhängig vom Stör-Pegel im Raum nach [130]
7Stör-Pegel versucht man zunächst, sich dem Gesprächspartner gemäß Abb. 11.20 zu nähern (mit den damit für beide u. U. verbundenen Unannehmlichkeiten), oder man zieht es vor, die Kommunikation in einer weniger störenden Umgebung fortzusetzen. 11.2.4 Frequenzbegrenzung
Von der Beschallungstechnik ist bekannt, dass man beim Übertragen von Sprache die tiefen Frequenzen bis in den kHz-Bereich hinein abschneiden darf. Erst zwischen 1 und 2 kHz fällt die Sprachverständlichkeit gemäß kf,t in Abb. 11.21 steil ab. Dagegen steigt die entsprechende Kurve für kf,h immer weiter an, wenn man die obere Übertragungsgrenze noch weit in
Abb. 11.21. Einfluss einer Begrenzung des übertragenen Frequenzbandes nach unten (kft) bzw. nach oben (kfh)auf die Sprachverständlichkeit nach [142]
11.3 Verdeckung hoher durch tiefe Frequenzanteile 167
den kHz-Bereich verschiebt. Das liegt daran, dass die für die Verständlichkeit von Sprache so wichtigen Konsonanten nur im kHz-Bereich übertragen werden können. Selbst bei gut artikulierenden Sprechern wird diese eigentliche Nutz-Energie aber leider stets um 10 bis 30 dB schwächer abgestrahlt als die für die Verständlichkeit fast wertlosen tieffrequenten Anteile, siehe Abb. 11.9.
11.3 Verdeckung hoher durch tiefe Frequenzanteile Die Bedeutung der hohen relativ zu den tiefen Frequenzanteilen der Sprache suggeriert natürlich, dass man Störgeräusche bei hohen Frequenzen besonders zu bekämpfen habe, ihre tieffrequenten Komponenten dagegen vernachlässigen dürfe. Weil dies mit konventionellen Mitteln auch leichter zu bewerkstelligen ist, dominieren selbst in aufwändig gedämmten und bedämpften Räumen oft die tieferen Frequenzen. Dies kann aber sehr negative Konsequenzen haben wegen eines anderen, bisher noch wenig untersuchten Effektes: Tiefe Frequenzen können hohe Frequenzen viel stärker verdecken als umgekehrt. Beim Ertönen eines lauteren Tones oder Geräusches wird ein leiserer Ton im gleichen Frequenzbereich erst wahrgenommen, wenn sein Pegel einen Wert etwa 20 dB unterhalb des lauteren erreicht. Diese scheinbare Anhebung der Hörschwelle, die „Mithörschwelle“, ist auf eigenartige und fast unglaubliche Weise abhängig von der Frequenz: Bei niedrigen Störpegeln und hoher Störfrequenz fällt diese „Verdeckung“, wie zu erwarten, fast symmetrisch zu tieferen wie höheren Frequenzen stark ab; die Mithörschwelle mündet, weitab von der Störfrequenz, in die individuelle Hörschwelle, s. Abb. 11.22. Bei der Einwirkung starker Töne der Frequenz f1 entstehen aber nach [144] in dem vielschichtigen nichtlinearen Mechanismus der Schallwahrnehmung zusätzliche „Harmonische“ fH
n 1 f1
…
; n 1, 2,3
(11.21)
Wirken mehrere starke Töne z. B. bei f1 und f2 ein, so werden außer ihren Harmonischen auch noch „Kombinationstöne“ gehört: fK
n f1 r m f 2
…
; m 1, 2,3
(11.22)
Diese zusätzlichen Töne entstehen im Hörorgan und werden deshalb nach [144] „subjektiv“ genannt, weil sie in dem jeweiligen Tongemisch, das tatsächlich auf das Ohr trifft, nicht wirklich enthalten sind. Die Menge und Lautstärke der subjektiven Töne nimmt mit dem Pegel des tatsächlich einwirkenden Tones überproportional stark zu. Bei tiefen Tönen mit Pegeln oberhalb 80 dB können die subjektiven „Obertöne“ bei höheren Frequenzen
168 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.22. Mithörschwellen L für verschieden starke Störtöne (Lstör, Angaben in dB) nach [143], fstör = 1 kHz
sogar lauter wahrgenommen werden als der Grundton. Diese „harmonische“ Verlagerung der Wahrnehmung zu höheren Frequenzen findet zwar nur im Hörorgan statt, erinnert aber an die Schallerzeugung von einem Kontrabass, dessen Obertöne beim Streichen der tieferen Saiten tatsächlich stärker abgestrahlt werden als die Grundtöne. Trotzdem kann auch das ungeübte Ohr den Klang eines Kontrabasses sehr wohl von dem eines Cellos unterscheiden. Beim Ertönen starker Klänge oder Geräusche führt die besagte Nichtlinearität hingegen nur zu einem unharmonischen Klang-Wirrwarr mit einem entsprechend breiten Frequenzband bei hohen, auch noch weit oberhalb der eigentlichen Anregung bei tiefen Frequenzen. Wenn hochfrequenter Schall gleichzeitig mit starkem Störschall bei tieferen Frequenzen ertönt, so kann der „subjekte“ Schall den hochfrequenten also ebenso stark verdecken wie denjenigen in der Nähe der Störfrequenz. Wie Abb. 11.23 andeutet, entstehen so sehr unsymmetrische Mithörschwellen. Frequenzanteile unterhalb der Störfrequenz werden dagegen vergleichsweise wenig verdeckt. Diese Unsymmetrie wird offenbar umso stärker, je niedriger die Störfrequenz ist. Für fstör = 200 Hz und 60 dB wird ein gestörter Ton mit derselben Frequenz bei 40 dB, mit 400 Hz aber erst bei 50 dB wahrgenommen, wie Abb. 11.24 zeigt. Hebt man denselben Störton auf 80 dB an, also auf einen bewerteten Pegel von 69 dB(A) weit unterhalb der Gehörschädigung, so verschiebt sich das Maximum der Verdeckung bereits so weit, dass ein Ton von 1000 Hz erst mitgehört wird, wenn er ebenfalls mit ca. 80 dB ertönt. Alle bisherigen Erkenntnisse sprechen
11.3 Verdeckung hoher durch tiefe Frequenzanteile 169
dafür, dass noch tiefere Störfrequenzen wahrscheinlich den gesamten für die Verständigung so wichtigen kHz-Bereich stark verdecken. Nach I. I. Slawin [144] wirken dabei Geräusche noch stärker verdeckend als Töne, weswegen sich jede Anregung bei tiefen Frequenzen störend auf jede Art der Kommunikation (sei es Sprache oder Musik) auswirken kann.
Abb. 11.23. Mithörschwellen L für verschieden starke Störtöne (Lstör, Angaben in dB) nach [144], fstör = 800 Hz
Abb. 11.24. Mithörschwellen L für verschieden starke Störtöne (Lstör, Angaben in dB) nach [144], fstör = 200 Hz
170 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.25. Hörschwellenverschiebung 'L durch einen Störton unterschiedlichen Pegels LS bei 1 200 Hz nach [137, 142]
W. Reichardt [137, Abschn. 42.4] diskutiert die physiologisch sehr interessanten Phänomene in Abb. 11.22 bis 11.24 auch anhand der Hörschwellen-Verschiebung nach H. Fletcher [142] (s. Abb. 11.25) und kommt zu dem Schluss, „dass mit höherer Lautstärke die tiefen Frequenzen immer mehr hervortreten und die für die Verständlichkeit so wichtigen hohen Töne auslöschen“, bemerkt aber gleichzeitig, „dass die Schwellwertverschiebungen in der wiedergegebenen Höhe nur zu beobachten sind, wenn beide Töne, verdeckender und verdeckter, demselben Ohr zugeführt werden. Werden sie beiden Ohren getrennt zugeführt, so ist der Verdeckungseffekt sehr viel geringer“. Dies könnte erklären, warum einohrig Schwerhörige sie offenbar als besonders erschwerend für ihre Kommunikation erleben müssen. Sie verlassen nämlich z. B. einen Stehempfang für eine große Menschenmenge in akustisch untauglicher Umgebung (z. B. einem glas- oder betonumschlossenen Foyer) meist als erste, weil sie die „Tortur“ auch mit dem besten Hörgerät nicht länger ertragen können. Eigene Versuche, diese Verdeckungen quantitativ nachzuvollziehen und ihren Einfluss auf die Sprachverständlichkeit zu konkretisieren [145] waren zwar nicht gleich erfolgreich. Die zitierten, mit synthetisierten Klängen gewonnenen Ergebnisse stützen aber eine in unzähligen Fällen gemachte praktische Erfahrung: Wenn ein Raum nicht oder nur bei mittleren und hohen Frequenzen bedämpft wurde, also seine Nachhallzeit zu tiefen Frequenzen (auch unter den von vielen Akustikern als Grenze angesehenen 250 oder 125 Hz, wenn es „nur um Sprache“ geht) ansteigt, dann leidet die Verständlichkeit. Bei Labortests mit Logatomen wurde festgestellt [145], dass die Silbenverständlichkeit bei starker Störung durch gleichzeitig eingespieltes „Rosa Rauschen“ zwischen 20 Hz und 20 kHz stets am größten bleibt, wenn der Raum gemäß Abb. 11.26 mit Absorbern bedämpft wird,
11.3 Verdeckung hoher durch tiefe Frequenzanteile 171
Abb. 11.26. Nachhallzeit T im „T-Labor“ des IBP; Leerraum (Ƒ), Dämpfungsmaximum unter 250 Hz (VPR) (¨), breitbandig (BKA) (), oberhalb 250 Hz (PE-Fasern) (ż)
die ihr Wirkungsmaximum nicht etwa oberhalb 250 Hz sondern zwischen 50 und 500 Hz aufweisen und zwar gleichermaßen für eine Gruppe von 20 bis 50-Jährigen, von über 50-Jährigen, Nicht-Muttersprachlern und Hörgeschädigten (s. Abb. 11.27). Von nahezu allen Probanden wurde die Testumgebung mit einer Bedämpfung vor allem unterhalb 250 Hz als die angenehmste empfunden. Die akustische Behaglichkeit wurde dabei als gut gewertet, die Silbenverständlichkeit subjektiv als hoch eingeschätzt. Demgegenüber wurde die Bedämpfung vor allem oberhalb 250 Hz von allen Testpersonen als deutlich unbehaglicher eingestuft. Überraschend war dabei, dass subjektiv die Verständlichkeit schlechter als tatsächlich gemessen eingeschätzt wurde. Wenn also die Testperson in den beschriebenen Umgebungen selbst zum Kommunizieren aufgefordert wäre, würde sie ihre Stimme im zweiten Fall (Dämpfung vor allem
172 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.27. Silben-Verständlichkeit bei Störung durch rosa Rauschen (20 bis 20 000 Hz) im Raum nach Abb. 11.26 mit (von links nach rechts) der dort angegebenen Dämpfung; (a) 20- bis 50-Jährige, (b) über 50-Jährige, (c) Nicht-Muttersprachler, (d) Hörgeschädigte
oberhalb 250 Hz) wohl gemäß dem bekannten Lombard-Effekt auch deswegen stärker als im ersten Fall anheben, um sich verständlich zu machen. Durch die übliche Schallabsorption oberhalb 250 Hz wird der Pegel im für die Kommunikation so wichtigen kHz-Bereich gesenkt. Mit einer dann fast regelmäßig zu tiefen Frequenzen ansteigenden Nachhallzeit treten aber gerade die für die Verdeckung, und damit für die Sprachverständlichkeit entscheidend mitverantwortlichen tieffrequenten Schallanteile um so stärker hervor. Insbesondere in kleineren Räumen werden auch noch Eigenresonanzen nach Kap. 2 angeregt, die den Schall bei tiefen Frequenzen unharmonisch verstärken und so – den Klangeindruck verfälschen, – eine unnötige und nutzlose Lautstärke provozieren, – die Verdeckung der meist nützlicheren hohen Frequenzanteile gewaltig vorantreiben. Als Folge dieses dreifachen negativen Einflusses eines nicht oder falsch bedämpften Raumes setzt sich z. B. in Konferenzräumen oder Orchestergräben eine verhängnisvolle Lautheitsspirale in Gang (Abb. 11.28): Eine
11.4 Raumakustische Anforderungen nach DIN 18 041 173
Abb. 11.28. Modell für das Zustandekommen unnötig hoher Schallpegel in akustisch schlecht konditionierten, kommunikationsintensiv genutzten Räumen am Beispiel der Musizierenden
einzelne Stimme fühlt sich vielleicht durch einen solchen Raum gestützt und wird von allen anderen noch gut gehört und verstanden. Wenn aber mehrere Stimmen oder Instrumente gleichzeitig erklingen, steigt der Pegel kontinuierlich an. Dabei wird nicht nur für alle die Hörschwelle über das gesamte Frequenzspektrum gleichmäßig angehoben. Wegen der Betonung der Tiefen verschlechtert zusätzlich die oben geschilderte Verdeckung die Verständigung untereinander. Dies führt unvermeidbar dazu, dass alle lauter intonieren. Dabei handelt es sich nach dem sog. Lombard-Effekt um den unbewussten Versuch, durch lauteres Sprechen oder Musizieren das Verdeckungs-Phänomen zu durchbrechen [299, S. 340]. Dies endet dann regelmäßig in einem „Wirrwarr“, in welchem man seine eigene Stimme oder sein eigenes Instrument kaum noch richtig hört, wenn kein Moderator oder Dirigent diesem Tun Einhalt gebietet. Dies heißt aber gleichzeitig, dass im Gespräch oder Ensemble wirklich jeweils nur einer reden oder spielen darf, oder dass eben alle nur unter erheblichen Lärm- und Konzentrations-Belastungen ihre Arbeit verrichten können.
11.4 Raumakustische Anforderungen nach DIN 18 041 Das Baugewerbe liegt seit einiger Zeit wie „im Koma“ – jedenfalls was z. B. den Büro-, Verwaltungs- und Schulbau angeht. Wo nur noch mit schmalsten Budgets in Gebäude investiert wird, öffnen Architekten, Bauherren und
174 11 Innovative Raum-Akustik
Investoren nur ungern ein Ohr für raumakustische Maßnahmen beim Innenausbau. Die verbreitete Ignoranz der Bauschaffenden gegenüber fundamentalen akustischen Erfordernissen für kommunikationsintensiv genutzte Räume rächt sich aber immer häufiger dadurch, dass Bauleistungen, die dem bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht genügen, nicht mehr abgenommen werden. Teure Nachbesserungen sind oft die Folge, nachdem ausgiebig über in Haushaltsunterlagen und Baubeschreibungen meist nur vage formulierte raumakustische Anforderungen gestritten wurde. Oftmals kommt es erst bei der feierlichen Übergabe oder Inbetriebnahme solcher Kommunikations-Räume mit vielen Personen zu einem bösen Erwachen. Der natürlich für Alles verantwortliche und durch zu Vieles überforderte Architekt erinnert sich, unter Druck gesetzt, gegebenenfalls an seinen Bau-Akustiker, den er in zahllosen Baubesprechungen kaum hat zu Wort kommen lassen, damit dieser bzw. dessen Versicherung ihm zumindest einen Teil der Schuld abnähme. Landet der Streit gar vor einem Richter, so kann sich dieser nur über sachverständige Gutachter und oft „ohrenbetäubende“ Begehungen ein eigenes Urteil bilden. Ein verbindlicher Standard, wie ihn die DIN 4109 für die Bauakustik seit langem beschreibt, fehlte leider für die Raumakustik bisher, so dass und obgleich die Beanstandungen letztere betreffend, gerade in Kommunikations- und Dienstleistungs-Zentren, viel häufiger und gravierender sind. Man versucht zwar manchmal, viel zu lautes Kommunizieren auf schlechten Schallschutz z. B. gegen Verkehrslärm zu schieben, aber in den meisten Fällen liegt der Grund für hohe Sprachpegel in schlechter „Hörsamkeit“, d. h. der mangelnden Eignung eines Raumes für Schalldarbietungen, insbesondere sprachliche Kommunikation, d. h. „Austausch von Informationen zur Verständigung zwischen Menschen“ [110]. Die neue Raumakustik-Norm kann eine gefährliche Lücke zur rechten Zeit schließen. Die heute aktuellen Bauweisen und Baustoffe ebenso wie die Ausstattung und Möblierung in den Räumen provozieren geradezu eine schlechte Raumakustik. Das gilt auch und besonders für die Restaurierung denkmalgeschützter Bauwerke, weil man zwar bemüht ist, ihre Grob- und Feinstruktur, etwa genau nach Skizzen oder Zeichnungen, wie „nackte“ Strukturen wieder herzustellen, aber die oft vielfältigen (reflektierenden und streuenden) Einbauten und diversen (absorbierenden) Verkleidungen fortlässt, die erst in ihrem Zusammenwirken einem Auditorium seine gerühmte „Akustik“ verliehen haben. Man vergleiche dazu mit Vorhängen und Plüsch üppig ausstaffierte alte Säle mit einer zeitgemäß spartanisch eingerichteten Tagungsstätte (Abb. 11.29). Dabei sind die Anforderungen an die Sprachverständlichkeit (s. Abschn. 11.2) bei dem heute viel höheren Anteil von Schwerhörigen (in Deutschland generell ca. 20%) und Fremdsprechenden, z. B. in Konferenzen oder Schulen (hier nicht selten über 50%), eindeutig höher als vor
11.4 Raumakustische Anforderungen nach DIN 18 041 175
Abb. 11.29. Aufwändig restaurierte Versammlungsräume (hier: „Aula“ im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit in Berlin) sollten hohen raumakustischen Anforderungen genügen
100 Jahren, zumal das isolierte Proklamieren und frontale Unterrichten zugunsten einer interaktiven Kommunikation zurücktreten sollten. Damit die neue Norm aus dem Jahr 2004 [110] aber mehr Klarheit über aktuelle Anforderungen und praktikable Maßnahmen zu ihrer Erfüllung bringt und nicht etwa die leider selbst in Fachkreisen verbreitete Unsicherheit noch vergrößert, sollte sie in einigen Punkten präzisiert und aktualisiert werden. Wenn 2 der 3 wesentlichen Änderungen gegenüber der Fassung aus dem Jahre 1968 die „Frequenzabhängigkeit der Nachhallzeiten“ und die ebenfalls stark frequenzabhängige „Einschränkung des Hörvermögens“ betreffen sollen [110, S. 4] dann sollte die Norm das Vorurteil nicht
176 11 Innovative Raum-Akustik
bestätigen, dass man raumakustische Probleme am besten mit den konventionellen Mitteln zur Dämpfung hoher und mittlerer Frequenzen löst, wenn es „nur um Sprache“ geht. Wenn die Norm schließlich für so kommunikationsintensive Räume wie Gaststätten, Mehrpersonen- und Großraumbüros, Anwalts- und Arztpraxen oder Operationssäle (Räume der Gruppe B „über geringere Entfernungen“ [110]) nicht einmal die Einhaltung eines Sollwertes der Nachhallzeit nach [110, Bild 1], geschweige denn des Toleranzbandes nach [Bild 2] für erforderlich erklärt, dann ist beim Rat suchenden Leser, der ein Problem der Sprachkommunikation in seiner Umgebung oder bei seinem Kunden zu lösen hat, die Verwirrung perfekt. Stattdessen sollte man klar unterscheiden zwischen a) Musikdarbietung (obere Sollkurve) b) Sprachdarbietung (mittlere Sollkurve, wenn in der Regel nur eine Schallquelle im Raum sendet) c) Sprachkommunikation (untere Sollkurve, wenn regelmäßig mehrere Quellen (Sprecher) im Raum gleichzeitig senden und empfangen) und der Kategorie (c) die in [110] explizit erwähnten Räume der Tabelle 11.1 und Räume mit ähnlich hohen Anforderungen an die Sprachverständlichkeit eindeutig zuordnen und natürlich für alle diese Räume das aus der Literatur hinreichend bekannte Toleranzband für die immer frequenzabhängige Nachhallzeit (zwischen 63 und 8 000 Hz gemäß Abb. 11.30 unten) zu Grunde legen. In einer auf Kommunikation und Interaktion aufbauenden Dienstleistungsgesellschaft sollten schwächere Anforderungen (z. B. die mittlere Kurve in Abb. 11.30 oben) allenfalls für Arbeitszimmer mit 1 bis 2 Personen und solche Räume, in denen in der Regel nur eine(r) zu reden gewohnt Tabelle 11.1. Kommunikationsintensiv genutzte Räume mit hohen akustischen Anforderungen Unterricht / Diskussion Kindergärten Klassenzimmer Sporthallen Hörsäle Konferenzräume Seminarräume Tagungsstätten Museen
Arbeit / Freizeit Mehrpersonen-Büros Dienstleistungszentren Schalterhallen Anwalts- und Arztpraxen Operationssäle Empfangsräume Gaststätten Bahnhofs- und Messehallen
11.4 Raumakustische Anforderungen nach DIN 18 041 177
Abb. 11.30. Anzustrebende Nachhallzeit Tsoll, gemittelt zwischen 500 und 1 000 Hz, für Musikdarbietung (a), Sprachdarbietung (b) bzw. kommunikationsintensive Raumnutzung (c) in Abhängigkeit vom Raum-Volumen V (oben) sowie Toleranzbereich T / Tsoll als Funktion der Frequenz für Sprache (unten) nach [110]
ist, gelten (also keine Kommunikation, sondern nur Darbietung von Sprache). Wenn ein Bistro- oder Call-Center-Betreiber meint, seinen Gästen bzw. Agenten raumakustisch widrige Freizeit- bzw. Arbeitsumgebungen zumuten zu können, weil doch das Essen so gut bzw. das Gehalt dafür ausreichend hoch sei, dann wird er in Verhandlungen mit seinem Architekten einen Weg finden, um mit ihm auch eine schwächere Anforderung zu vereinbaren. Überhaupt sollte man nicht erwarten, dass das Erscheinen einer neuen Norm mit der Verabschiedung eines Gesetzes vergleichbar wäre. Aber das eine wie das andere sollte in sich schlüssig sein, und eine Norm den Stand des Wissens und der Technik richtig abbilden. Es ist zwar allgemein üblich, sich bei der Charakterisierung des Nachhalls eines Raumes auf seine Nachhallzeit „zwischen 500 und 1 000 Hz“ zu beziehen. Aber bereits vor 50 Jahren forderte E. Skudrzyk [146, S. 675],
178 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.31. Kurven gleicher Lautstärke-Pegel LN für Sinus-Töne im Freifeld nach [29]
„dass die Nachhallzeit für die tiefen Frequenzen nicht wesentlich größer sein soll, als für mittlere und hohe Töne“. Vor ihm empfahl G. v. Békésy [147] „einen frequenzunabhängigen Verlauf der Nachhallzeit als günstigsten“ sogar auch für Musikdarbietungen. Damit begegneten beide dem offenbar schon damals verbreiteten Vorurteil, dass man die tiefen Frequenzanteile wegen der für diese geringeren Empfindlichkeit des menschlichen Ohres (Abb. 11.31) auch raumakustisch schwächer zu bewerten habe. Eine starke Bedämpfung der Tiefen durch Holztäfelungen und andere „schwingungsfähige Absorber“ wird in [148] ausdrücklich positiv beurteilt, selbst wenn dadurch die Nachhallzeit zu tiefen Frequenzen absänke. F. Blutner [148, S. 1105] hebt für die Musikdarbietung hervor: „Die Erscheinung der Verdeckung spielt insbesondere in der polyphonen Musik eine grosse Rolle. So bewirkt die Asymmetrie der Verdeckungskurve bei einem großen niederfrequenten Maskierungspegel (z. B. fortissimo blasende Posaunen) eine völlige Verdeckung der hohen Stimmen (z. B. Oboen, Flöten).“ H. Winkler und W. Reichardt [149] führten schon 1984 den in Abb. 11.30 unten reproduzierten Toleranzbereich (bis 63 Hz herunter) einheitlich für Unterrichts-, Seminar- und Kongressräume sowie Hörsäle, Sprechtheater und, mit gewissen Einschränkungen, auch für Mehrzweckräume ein mit Begründungen wie: „Bei Frequenzen < 250 Hz ist ein Abfall(!) anzustreben“, „Meist ist eine frequenzunabhängige Nachhallzeit optimal“, „Zur Korrektur des Frequenzganges bei tiefen Frequenzen sind stets spezielle Schallabsorber erforderlich“. So wurden die frühen Erkenntnisse bis in jüngste Ausgaben von Standardwerken wie z. B. [29] tradiert und von Praktikern als allgemein anerkannte Regel benutzt. Aber erst bei H. Kuttruff [30, S. 617] klingt dazu
11.4 Raumakustische Anforderungen nach DIN 18 041 179
eine in Abschn. 11.3 im Detail ausgeführte Begründung mit an: „Nach tiefen Frequenzen zu sollte die Nachhallzeit eher noch etwas kürzer sein, da sonst die für die Sprachverständlichkeit wichtigsten höheren Komponenten des Sprachspektrums verdeckt werden. Dies kann durch die Anwendung richtig dimensionierter Resonanzabsorber erreicht werden.“ Nur im Hinblick auf die damals wegen der geringen Wirksamkeit solcher Absorber noch erforderlichen großen Flächen im Raum dämpft L. Cremer [24, S. 111] entsprechende Anforderungen und Erwartungen mit den Worten „Glücklicherweise setzt unsere nach tiefen Frequenzen nachlassende Hörfähigkeit diesen Raumforderungen eine Grenze“. Bei der heute so verbreiteten Unterschätzung der Bedeutung tiefer Frequenzen spielen die „Kurven gleicher Lautstärke“ (Abb. 11.31) mit, die kleinere Empfindlichkeit bei tiefen und größere bei hohen Frequenzen signalisieren. Weiter wird oft argumentiert, dass die menschliche Stimme unter 250 Hz (weiblich) bzw. 125 Hz (männlich) nur noch wenig Energie abstrahlt (Abb. 11.10). Auch hat man gelernt, dass im Wesentlichen die Frequenzanteile oberhalb 500 oder 1 000 Hz zur Sprachverständlichkeit beitragen (Abb. 11.21), man sich also auch mit schalltechnischen Maßnahmen vermeintlich auf den kHz-Bereich konzentrieren sollte. Nach W. Kraak [302, S. 277] korreliert der Mittelwert einer dauerhaften Hörschwellen-Verschiebung bei 1 000, 2 000 und 4 000 Hz sogar besser als derjenige bei 500, 1 000 und 2 000 Hz bei Schwerhörigen mit deren Beeinträchtigung der Sprachverständlichkeit. Da die dort von Sprechern mehr oder weniger artikulierten Konsonanten aber im Mittel mit 20 bis 40 dB geringerer Energie abgestrahlt werden als die Vokal- und GrundtonAnteile der Sprache (Abb. 11.9), liegt es natürlich nahe, alle Störgeräusche gerade in diesem für die Sprachverständigung so wichtigen Frequenzbereich durch Maßnahmen an den Quellen möglichst niedrig zu halten. Schließlich muss Sprache gegenüber jedem Störschall mindestens um 10 bis 15 dB lauter beim Empfänger ankommen, damit dieser auch nur 80% der Silben versteht [137, Kap. 52]. Je lauter also der Grundgeräusch-Pegel ist, um so lauter wird gesprochen, auch wenn ersterer von anderen, gleichzeitig Sprechenden, verursacht wird. Eine Diskussion in Gruppen in einem Unterrichts- oder Konferenzraum kann daher schnell auf Pegel über 80 dB(A) anschwellen, selbst wenn nach [110, Tabelle E.1] ein einzelner Sprecher „normal“ mit 60 dB(A) in 1 m Abstand die Unterhaltung beginnt. Mit einer Anhebung auf über 75 dB(A) nimmt aber nicht nur die Anstrengung beim Sprechenden zu, sondern auch die Verständlichkeit durch Verzerrungen ab. Hier setzt herkömmlicherweise die raumakustische Behandlung ein, naheliegend natürlich wieder vor allem oberhalb 500 Hz, zumal wenn man wie in [110] die ca. 20% Schwerhöriger berücksichtigt, die gemäß Abb. 11.32
180 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.32. Hörschwellen Normalhörender bzw. mittelgradig Schwerhörender nach [150]
mit einer Anhebung ihrer „Hörschwelle“ gerade in diesem für die Verständlichkeit so wichtigen oberen Frequenzbereich leben müssen. Es ist z. B. üblich – und besonders in raumakustisch schlecht konditionierten Umgebungen auch notwendig, bei der elektroakustischen Verstärkung von Sprachdarbietungen die tiefen Frequenzanteile unter 100 oder sogar unter 250 Hz nur reduziert über die Beschallungsanlage abzustrahlen. Oberhalb 250 Hz würde sich allerdings die entsprechende „Verfärbung“ der Sprache negativ bemerkbar machen. Außerdem werden Geräusche, die die Sprachverständlichkeit im Raum reduzieren, nicht nur über die Anlage, sondern bei größeren Menschenansammlungen auch oder überwiegend durch Unterhaltungen untereinander (z. B. als vielstimmiges „Murmeln“) sowie durch Nutzergeräusche (z. B. Stühlerücken, Hantieren und Räuspern) abgestrahlt. Was aber die weitere Verbreitung aller Schallanteile unter 500 Hz durch Reflexionen im Raum angeht, so gibt Abb. 11.21 den wertvollen Hinweis, dass man gut daran tut, bei tiefen Frequenzen die Raumrückwürfe mindestens eben so stark zu bedämpfen wie bei mittleren und hohen. Dadurch kann die Verständlichkeit nur verbessert werden, auch wenn mehrere Personen gleichzeitig sprechen. Den Direktschall in der Nähe eines jeden Sprechers oder Lautsprechers lassen derart optimierte raumakustische Maßnahmen nur um so unverfälschter erklingen. Niemand bestreitet, dass es sinnvoll ist, den Raum bei hohen Frequenzen zu bedämpfen. Man sollte sich davon nur nicht zu viel versprechen. Allein durch Möbel und Personen wird zwar jeder Raum in diesem Frequenzbereich schon etwas bedämpft. Ein schallhart belassener Versammlungsraum bleibt für die Kommunikation aber untauglich, auch wenn er
11.4 Raumakustische Anforderungen nach DIN 18 041 181
mit einer Person pro Quadratmeter Grundfläche gefüllt wird. Selbst eine hoch absorbierende „Akustikdecke“ herkömmlicher Bauart könnte allenfalls eine vergleichbare Bedämpfung des Raumes besorgen. Da es aber viele Räume gibt, die trotz dieser Maßnahme und eines zusätzlichen Teppichbodens bei voller Belegung nur schlecht zur Kommunikation taugen, geht die allgemein übliche Konzentration auf mittlere und hohe Frequenzen am eigentlichen Problem vorbei. Man kann nämlich zeigen, dass auch eine geringere Absorptionsfläche (z. B. nur 50 oder 25% seiner Grundfläche) einen solchen Raum, unabhängig von seiner Belegung, für kommunikationsintensive Nutzung ertüchtigen kann, wenn man den Frequenzbereich unter 500 Hz, herunter bis etwa 63 Hz, richtig bedämpft. Leider unterstützt die neue DIN 18041 den Trend bei akustischen Beratern, die raumakustische Auslegung – so wie es in der Bauakustik lange üblich war – allenfalls über Einzahl-Kenngrößen der Nachhallzeit Tsoll nach Abb. 11.30 oben und die daraus resultierende zusätzlich erforderliche Absorberfläche nach S A, erf
0.163
V T0 TSoll D ( w) T0 TSoll
(11.23)
mit Hilfe eines bewerteten Absorptionsgrades Dw zu erledigen. Während in der Bauakustik langsam ein Trend in Richtung spektraler Kennzeichnungen geht, versucht man in der Raumakustik, sich auf Einzahlangaben zu beschränken. Nach DIN EN ISO 11 654 [151] werden die 18 frequenzabhängigen Messwerte in einem bewerteten Absorptionsgrad Dw zusammengefasst und darüber hinaus Absorber auch noch in „Absorptionsklassen“ eingeteilt. Abbildung 11.33 macht deutlich, dass dabei wiederum die D-Werte zwischen 500 und 2 000 Hz stark, diejenigen bei 250 Hz schwach und die Werte unter 250 Hz gar nicht bewertet werden. Für das Problem der raumakustischen Gestaltung kleiner, aber anspruchsvoller Räume ist diese Tendenz widersinnig. Im Hinblick auf die Sprachverständlichkeit (s. Abschn. 11.2 und 11.5) gerade der Bereich unter 250 Hz, der mit über die akustische Qualität eines Raumes entscheidet, auch wenn in VDI 3755 aus dem Jahre 2000 leider zu lesen ist: „Der für die Raumakustik relevante Frequenzbereich erstreckt sich auf 250 bis 1 000 Hz“. Hier bleibt noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten, am besten anhand ausgeführter Demonstrationsräume wie in Abschn. 11.6. Hier sei nochmals betont, dass die neue Norm ihren Sinn verfehlt hätte, wenn sie sich im Hinblick auf die große Zahl kommunikationsintensiv genutzter Räume gemäß Tabelle 11.1 auf Dauer einer Behandlung mindestens mit gleichem Anspruch wie bei Musikräumen widersetzen wollte, nicht obwohl es sich nur, sondern gerade weil es sich eben um die in gewisser
182 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.33. Bezugskurven für den bewerteten Absorptionsgrad Dw und Absorptionsklassen nach [151]
Weise (s. o.) viel anspruchsvollere Nutzung durch Sprache handelt. Schließlich würde kein verantwortungsvoller Akustiker nur mit Einzahl-Kriterien operieren, wenn es um ein Theater oder Opernhaus ginge. Man sollte also sowohl die Nachhallzeit des Raumes T0 im Ausgangszustand und die nach [110] zu fordernde (Tsoll) als auch den Absorptionsgrad D der vorzuschlagenden Absorberflächen stets frequenzabhängig bis 63 Hz herunter der Berechnung der erforderlichen Fläche SA,erf nach Gl. (11.23) zu Grunde legen. Dazu gehört, dass eine wichtige Norm wie die DIN 18 041 nicht nur im Text den gesamten relevanten Frequenzbereich von 63 bis 4 000 oder 8000 Hz artikuliert, wo es nötig ist, sondern auch bei der Kennzeichnung von Schallabsorbern in Tabelle B.1 und B.2 die Absorptionsgrade für 63 Hz ergänzt. Als Vorbild sollte man sich z. B. die Tafeln 7 und 8 in [31] nehmen, in denen ca. 30 verschiedene Resonanzabsorber bis 63 Hz herunter gekennzeichnet sind. Nur wenn zu den zweifellos hohen Anforderungen der Norm auch entsprechende Materialien und Bauteile angeboten werden, kann man ihre Umsetzung in die Praxis erreichen.
11.5 Auflösung eines raumakustischen Dilemmas in Kommunikationsräumen Wenn man die höchsten Anforderungen der DIN 18041 gemäß Abschn. 11.4 für kommunikative Nutzung (also Kurve c in Abb. 11.30) konventionell erfüllen will, muss man große Teile der Raumbegrenzungsflächen mit
11.5 Auflösung eines raumakustischen Dilemmas in Kommunikationsräumen 183
porösem/faserigem Dämpfungsmaterial belegen, s. [110, Tabelle 6] und [152, Bilder 4 bis 7]. Bei mittleren und hohen Frequenzen hilft zwar oft die Raumausstattung mit, den Nachhall zu begrenzen. Nach [37] kann man bei Frequenzen um 100 Hz für kleinere Räume (ohne Fenster) aber nur mit einem mittleren Absorptionsgrad nach Gl. (11.8) von 0.02 bzw. 0.15 bei Massivbauweise (verputztes Mauerwerk oder Beton) bzw. Leichtbauweise (z. B. Gipskartonplatten auf Holz-Unterkonstruktionen für Wände, Decke und Boden) rechnen. Die Obergrenze der Nachhallzeit eines näherungsweise würfelförmigen Raumes mit einer Kantenlänge von 10 (5) m (ohne Fenster und andere dämpfende Einrichtungen) würde demnach bei tiefen Frequenzen bei etwa 14 (7) bzw. 2 (1) s liegen. Selbst die niedrigeren Werte für den rundum reaktiv dämpfend ausgekleideten Raum lägen also noch weit oberhalb Tsoll nach DIN 18041. Bei, wie häufiger anzutreffen, schallhartem Boden und Decke wären entsprechend höhere Werte zu erwarten. Außerdem blieben in diesem Fall die vertikalen Raum-Moden ungedämpft – ein besonders kritischer Fall, wie das erste Beispiel in Abschn. 11.6.3 zeigt. Üblicherweise wird in der Raumakustik der Raum immer nur in seinem Einfluss auf eine einzelne, durch ihren Schalleistungs-Pegel LW definierte, Quelle betrachtet. Unter der Annahme einer gleichmäßigen Verteilung der Schallenergie im Raum stellt sich so ein mittlerer Schalldruck-Pegel nach Gl. (11.2) entsprechend der insgesamt im Raum vorhandenen Absorption ein. Nur innerhalb eines eng umgrenzten Nahfeldes dominiert ihr Direktschall, in welchem der Druck-Pegel nach Gl. (3.19) mit dem Abstand r zur Quelle variiert. Die Entfernung, bei welcher beide Pegel gerade gleich groß sind, definiert den sogen. Hallradius rH, der in dieser einfachen Vorstellung ebenso wie die Nachhallzeit T nur eine Eigenschaft des Raumes darstellt, unabhängig von der (oder den) Quelle(n). Man erkennt in Abb. 11.34, dass z. B. für rH ! 0.5 m in einem z. B. 400 m3 großen Raum die Nachhallzeit nur wenig über 4 s liegen sollte. Das heißt: Um einen einzelnen Sprecher noch gut (ohne zu starke Störung durch den Nachhall des von ihm Gesprochenen) verstehen zu können, möchte der Zuhörer sich dem Sprecher gern bis auf 0.5 m nähern. Theoretisch läuft Kommunikation im Unterricht oder in einer Konferenz zwar so ab, dass immer nur einer spricht und alle anderen ihm still zuhören. Nur in einem Musiker-Ensemble erklingen regelmäßig mehrere Stimmen gleichzeitig. Tatsächlich hat man es aber fast immer mit mehreren Schallquellen zu tun. Ihr vom Nachhall des Raumes gebildeter mittlerer Schallpegel nach Gl. (3.10) bis (3.12) stellt, mehr noch als bei nur einer Quelle, für jede einzelne Sprecher-/Zuhörer-Kombination einen Störpegel dar. Wenn man n gleich starken Quellen (z. B. Schülern einer Klasse, Agenten in einem Service-Center oder Teilnehmern einer Konferenz) eine Schallleistung P und dem Direktfeld nur einer Quelle (z. B. des Lehrers
184 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.34. Hallradius rH als Funktion des Volumens V für verschiedene Nachhallzeiten eines Raumes
oder Sitzungsleiters) die Leistung P1 zuordnet, die etwa bevorzugt vor einer reflektierenden Wand (J = 2), aus einer Raumkante (J = 4) oder Raumecke (J = 8) heraus sendet, dann ergibt sich der jeweilige Hallradius abhängig vom Raumvolumen V [m3] zu rH
0.057
J P1 V n PT
0.14
J P1 A nP
> m @.
(11.24)
Wollte man also für eine gleichmäßig gute Beschallung durch P1 sorgen, müsste man demnach bei einer Erhöhung der Zahl n entweder P1 entsprechend vervielfachen oder T entsprechend absenken. In Räumen mit etwa gleichmäßig verteilten und gleich lauten Quellen (z. B. Restaurants oder Call-Centern) kann man näherungsweise J = 1 und P1 = P setzen und erhält rH # 0.5
A 10 n
> m@.
(11.25)
Um sich also mit seinem Tischnachbarn oder Arbeitskollegen in 0.5 m Abstand ohne Anhebung der Stimme einigermaßen unterhalten zu können, müssten also für jeden Nutzer mindestens 10 m2 äquivalenter Absorptionsfläche im Raum installiert sein, besser noch mehr. Das wäre aber in derart
11.5 Auflösung eines raumakustischen Dilemmas in Kommunikationsräumen 185
eng besetzten Räumen (oft weniger als 5 m2 Grundfläche pro Nutzer) eine völlig unrealistische Forderung. Es sei nur angemerkt, dass jeder Nutzer weniger als A = 1 m2 mit sich herumträgt (nach L. Cremer: ca. 0.6 m2). Man bedenke aber vor allem, dass diese und alle konventionellen Schallabsorber, auch Sitzpolster, nur bei höheren Frequenzen absorbieren, der Hallradius also meist zu tieferen Frequenzen schrumpft. Außerdem werden bei tiefen Frequenzen oftmals sehr störende Stehwellen (z. B. zwischen Decke und Boden) angeregt, die ebenfalls die Verständigung erschweren. Deshalb erscheint es fast aussichtslos, in solchen kommunikationsintensiv zu nutzenden Räumen eine auch nur minimale Sprachverständlichkeit zu erreichen. Die Folge ist unausweichlich, dass alle Nutzer ihre Stimme mehr oder weniger stark anheben (s. o.) und sich so mit jedem zusätzlichen Gast, Kollegen oder Schüler, der an der Kommunikation nur irgendwie teilnimmt, die in Abb. 11.28 gekennzeichnete LautheitsSpirale höher schraubt, bis kaum einer sein eigenes Wort noch versteht. In einer Stehkneipe oder Diskothek mag man sich mit solchen „akustischen Katastrophen“ [153, S. 175] vielleicht noch abfinden. In Klassenzimmern und bei Banketten illustrer Gesellschaften mit gleichermaßen international-fremdsprachlicher Mischung wird dieses eingestandene Versagen der Akustiker aber zum Skandal. Bis vor kurzem schien dieses Dilemma, das in den Probenräumen und Orchestergräben der Musiker einen tragischen Höhepunkt erreicht [154], unlösbar. Jetzt können neue Erkenntnisse und Bauteile das Problem aber mit baulichen Maßnahmen lösen und so für mehr akustische Behaglichkeit auch und vor allem in kommunikationsintensiv genutzten Räumen sorgen. Der neue Ansatz folgt drei klaren Grundsätzen: Akustische Transparenz erzeugen! Bisher hat man das oben geschilderte Dilemma zu lösen versucht, indem man so viel (meist faseriges oder poröses) Dämpfungsmaterial wie möglich in diese Räume eingebaut, am liebsten die ganze Decke und zusätzlich Teile der Wände belegt hat [155]. Das hat zwar im besten Fall die hohen Frequenzanteile geschluckt, in denen die wesentlichen Informationen von Sprache und Musik konzentriert sind. Außerdem, manchmal auch zusätzlich, hat man hier und da Geräusche in den Raum eingespielt, die den Pegel der jeweiligen Mitnutzer maskieren, zudecken sollten. Beide Maßnahmen folgten eigentlich dem Prinzip: wenn man die Geräusche nicht nachhaltig senken kann, wenigstens die Verständlichkeit der darin enthaltenen Informationen zu reduzieren. Es sei nicht bestritten, dass eine massive konventionelle Bedämpfung der Unterrichtsräume in den brutalen Beton- und Glasburgen der Boomjahre im Schulbau die Behaglichkeit
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verbessert und die Pegel während des Unterrichts um mehr als die vielleicht nach Gl. (3.13) erwarteten 3 dB, nämlich um 6 bis 8 dB, gesenkt haben mag [155]. Aber zum einen ist eine derart großflächige Verkleidung von Decken und Wänden nicht immer möglich, und zum zweiten wird das Problem so nicht wirklich an der Wurzel gepackt. Demgegenüber heißt das neue Prinzip, nichts zu verdecken, sondern alle akustischen Informationen möglichst glasklar und unverfälscht vom jeweiligen Sender zu jedem auf diesen fokussierten Empfänger (im Raum oder am Telefon) zu übertragen, also zunächst einmal das Gegenteil von Maskierung und Abschirmung der Nutzer untereinander (Abb. 11.35). Wer absolute Vertraulichkeit und Abgeschlossenheit des Einzelnen will, sollte zur Zellenbauweise für Büros zurückkehren; wer die Kommunikation der Schüler untereinander und mit dem Lehrer nicht fördern zu müssen glaubt, sollte vom Gruppen- zum Frontal-Unterricht zurückkehren. Erst wenn alles Gesprochene im ganzen Raum deutlich verstanden werden kann, hat der Einzelne die Möglichkeit, seine Stimme dem jeweiligen Zweck (z. B. einer individuellen Unterhaltung zu zweit oder einer Ansprache an Alle) ganz gezielt anzupassen. Nur die größtmögliche Durchhörbarkeit des Raumes schafft nämlich die Voraussetzung, mit der eigenen Stimme die nötige Dynamik zu entfalten, die eine differenzierte Kommunikation überhaupt ermöglicht. Erst wenn der oft körperlich spürbare Zwang zum Lautwerden
Abb. 11.35. Transparenz anstelle von Maskierung als Ausweg aus einem raumakustischen Dilemma
11.5 Auflösung eines raumakustischen Dilemmas in Kommunikationsräumen 187
entfällt, bekommt auch Vertraulichkeit in der Gruppe eine Chance. Das in einer solchen, für viele völlig ungewohnten, akustisch richtig konditionierten Umgebung sich zwanglos einstellende „Gemurmel“ der Nutzer verhindert viel besser als jede künstliche Beschallung, dass man ungewollter Zuhörer einer entfernteren Unterhaltung würde oder durch jene im eigenen Tun abgelenkt, gar gestört würde. In der Literatur [156] findet man die Zielgrößen akustischer Transparenz, wenn auch in anderem Zusammenhang, als – Klarheit, Deutlichkeit: zeitliche und klangliche Differenzierbarkeit der Komponenten komplexer Schallereignisse, – Register-Durchsichtigkeit: Unterscheidbarkeit gleichzeitig erklingender Schallquellen, – Zeit-Druchsichtigkeit: Erkennbarkeit einzelner imulsartiger Töne oder Klänge bei schneller Aufeinanderfolge. Dem ersten Grundsatz folgend, sind diese subjektiven Kriterien in jedem (auch in jedem optisch transparenten) Raum allein durch absorbierende Maßnahmen zu erreichen, allerdings nicht, wie allgemein üblich, durch solche, die vorrangig die für die Kommunikation wertvollen hochfrequenten Schallanteile schlucken. Vielmehr müssen Absorber zum Einsatz kommen, die auf den gemäß Abschn. 11.2 für die Kommunikation ganz und gar wertlosen bzw. sogar schädlichen Frequenzbereich abgestimmt sind. Erst wenn man den Raum von diesem die Kommunikation nur störenden akustischen Ballast, so weit wie irgend möglich, befreit hat, kann man an eine akustische Gestaltung des Raumes, auch an akustische Zonierungen in demselben denken. Raum-Moden bedämpfen! Am stärksten interferiert der Raum mit allen Schallvorgängen durch die bei schallharten Begrenzungen zunächst unvermeidliche Anregung seiner eigenen Resonanzen bei tiefen Frequenzen (s. Kap. 2). In kleinen bis mittleren, insbesondere auch flachen Räumen dominiert z. B. regelmäßig die Mode zwischen Decke und Boden, bei einer Raumhöhe von 3.5 m z. B. bei 50 und 100 Hz. Diese ganz unnatürliche, aber gewaltige Verstärkung bei tiefen Frquenzen kennt wohl jeder von Treppenhäusern und Sanitärzellen. Sie entfalten aber, für das ungeübte Ohr nur weniger auffällig, überall in jedem Raum ihre unglaublich destruktive Wirkung auf jede Kommunikation, wenn sie nicht breitbandig, d. h. etwa zwischen 50 und 500 Hz, bedämpft werden. Dies gelingt besonders wirkungsvoll mit den so genannten Verbundplatten-Resonatoren VPR nach Abschn. 5.3 und Breitband-Kompaktabsorbern BKA nach 10.1. Da die kritischen tiefsten Eigenresonanzen stets
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den ganzen Raum zwischen zwei reflektierenden Flächen, z. B. auch zwischen großen Tischplatten und Decke, erfassen, lassen sie sich aber bereits von den Kanten des Raumes her sehr effektiv anpacken. In offenen Bürolandschaften ist es nicht notwendig, etwa die gesamte Deckenfläche zu belegen. Stattdessen zeigt Abb. 11.36 eine exemplarische Ausführung in einem großen IT-Unternehmen, wo nur etwa 10% der (thermisch aktivierten) Decke mit den VPR-und BKA-Modulen belegt und nur weitere 5% an harten Wänden montiert wurden (Abb. 11.37). Die nach Durchführung dieser (nach einer der jeweiligen Umgebung angepassten Oberflächenbehandlung) sehr unauffälligen raumakustischen Behandlung gemessene Nachhallzeit entspricht auch bereits auf ideale Weise dem dritten Grundsatz: Nachhallzeit gleichmäßig senken! Mit dem Volumen V [m3] eines unbehandelten Raumes steigt tendenziell seine Nachhallzeit T [s] gemäß Gl. (3.10) an, da die äquivalente Absorptionsfläche A [m2] der Raumbegrenzungen nicht in gleichem Maße wächst. Bei hohen Frequenzen wirkt diesem Trend zwar die Schallabsorption auf den Ausbreitungswegen zwischen zwei Reflexionen entgegen. Aber auch in mittleren und kleinen Räumen steigt die Nachhallzeit zu tiefen Frequenzen häufig stark an, weil die im Raum vorhandene, aber auch die konventionell installierte Absorption typischerweise zu tiefen Frequenzen regelmäßig abfällt. Das macht selbst flache Räume, wie z. B. offene Bürolandschaften oder Restaurants, zu dröhnenden akustischen Foltern für etwas sensiblere, besonders aber schlecht verstehende oder gar hörbehinderte Personen.
Abb. 11.36. Offene, transparente Bürolandschaft mit einer minimalisierten MusterInstallation aus VPR- und BKA-Modulen; Grundriss mit angedeutetem Deckenspiegel (links), Nachhallzeit (rechts)
11.5 Auflösung eines raumakustischen Dilemmas in Kommunikationsräumen 189
Abb. 11.37. VPR- und BKA-Module (noch ohne Oberflächen-Finish) im Musterraum gemäß Abb. 11.36; entsprechend ca. 10% der Grundfläche an der Decke (oben), ca. 5% an den Wänden [152]
Mit den in Abb. 11.36 und 11.37 angedeuteten neuartigen AkustikBausteinen lassen sich nun nicht nur die tieffrequenten Raum-Moden bedämpfen. Bei optimaler Abstimmung auf den jeweiligen Raum und seine Ausstattung ist es, wie in Abb. 11.36 veranschaulicht, möglich, einen ganz gleichmäßigen Verlauf der Nachallzeit, d. h. der RaumRückwirkung, über den gesamten interessierenden Frequenzbereich von 63 Hz bis 8 kHz zu erzwingen. Der Raum wird so zu einem „linearen“ Übertragungselement zwischen jedem Sender und Empfänger. Man braucht also nicht mehr die Ausreden zu bemühen, dass doch keine Information unter 500 Hz verloren gehe und das Ohr doch ohnehin zu tiefen Frequenzen immer unempfindlicher werde, um eine hier ansteigende Nachhallzeit zu tolerieren.
190 11 Innovative Raum-Akustik
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik Das Fraunhofer IBP, in dessen Laboren die meisten der hier vorgestellten innovativen Materialien, Bauteile und Auslegungsverfahren entwickelt wurden, sieht es nicht als seine vorrangige Aufgabe, akustische Beratungen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik durchzuführen. Das können darauf trainierte Ingenieurbüros vor Ort in der Regel schneller und kostengünstiger. Wenn aber besondere Herausforderungen nach alternativen Lösungen mit neuartigen Produkten verlangen, sieht man es geradezu als eine den öffentlichen Förderern geschuldete Verpflichtung an, sich über die eigentliche Forschungs-, Entwicklungs- und Prototypphase hinaus in repräsentativen Demonstrations-Projekten mit einer gewissen Breitenwirkung mit gleicher Intensität zu engagieren. Nur unter marktüblichen Randbedingungen, Termin- und Preisdruck können Problemlösungen ihren notwendigen Praxistest bestehen. In den folgenden Musterausführungen hat das Institut in ganz unterschiedlicher Verantwortlichkeit fungiert. Wenn diese im Extremfall bis zu einer Art von Generalunternehmerschaft ging, wurde das Risiko natürlich mit dem ausführenden Unternehmen (meist dem bereits fixierten oder für Folgeprojekte vorgesehenen Lizenzpartner) den jeweiligen Kompetenzen entsprechend geteilt. Der Name Fraunhofer war dabei in manchen kritischen Fällen von einiger Bedeutung. 11.6.1 Anspruchsvolle Versammlungsstätten Für bloße Sprachdarbietungen ohne gleichzeitige Kommunikation unter den Nutzern kann man [110, Abschn. 4.3.2] eine Soll-Nachhallzeit in s Tsoll
0.37 lg V 0.14
(11.26)
für den besetzten (jeweils +0.2 s für den unbesetzten) Raum entnehmen (vgl. Kurve b in Abb. 11.30). Für fremdsprachliche Nutzer und solche mit eingeschränktem Hörvermögen sollte man um 20% niedrigere Tsoll-Werte anstreben. a) Speisesäle
Man kann darüber streiten, ob Gaststätten nicht sogar zu den kommunikationsintensiv genutzten Räumen (Kurve c in Abb. 11.30) zu zählen sind. Ziemlich unangebracht erscheint aber ihre Einordnung nach [110, Kap. 6] in eine Gruppe B, für welche „die Einhaltung eines Sollwertes der Nachhallzeit nicht erforderlich, und für deren Störgeräuschunterdrückung gemäß [110, Tabelle 6] lediglich der nur die Frequenzen oberhalb 250 Hz
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 191
Abb. 11.38. Raumakustische Sanierung der glasumschlossenen, mit einer „AkustikDecke“ ausgestatteten Kantine des Fraunhofer-Instituts-Zentrums (kleines) durch einige VPR-Module (großes Foto), die kaum 5% der Grundfläche des Raumes belegen; Nachhallzeit vorher (○), nachher (□), Empfehlung nach [110] (schraffiert)
berücksichtigende bewertete Absorptionsgrad Dw heranzuziehen“ sei. Was bei einer derart beschränkten Sichtweise herauskommen kann, zeigt das folgende Beispiel [59]: Die Kantine des Institutszentrums Stuttgart der FhG (Abb. 11.38) hatte nach einer Erweiterung zwar ganzflächig eine konventionelle „AkustikDecke“ mit einer ca. 40 mm dicken Mineralfaserauflage hinter Holzpaneelen, die mit ca. 20 mm breiten Fugen und etwa 20% Lochanteil von der Rohdecke abgehängt waren, erhalten. Damit war die Anforderung nach [110, Tabelle 6, Zeile 3] mit der 0.5 bis 1-fachen Belegung bei Dw zwischen
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1 und 0.5 jedenfalls erfüllt. Trotzdem war der von den Nutzern selbst bei den Mahlzeiten erzeugte Lärm in dem dreiseitig glasumschossenen Raum mit schallhartem Steinfußboden geradezu ohrenbetäubend, eine entspannte Unterhaltung mit dem Tischnachbarn kaum möglich. Eine Rede des Präsidenten der FhG aus feierlichem Anlass verhallte so unverstanden – auch unter Zuhilfenahme elektroakustischer Verstärkung. Dieses eindrucksvolle Erlebnis ermöglichte eine Sanierung sogar im eigenen Hause! Es wurden kaum 1 m2 große Verbundplatten-Module nach Abschn. 5.3 gemäß Abb. 11.38, kaum sichtbar hinter dem Holzraster, unmittelbar unter die Unterdecke geschraubt. Sie bedeckt so kaum mehr als 5% der Grundfläche. Ihre Wirksamkeit wurde aber von allen Nutzern subjektiv sofort bestätigt, obgleich sie in diesem Falle objektiv (in der Nachhallzeit, s. Abb. 11.38 unten) nur unter 200 Hz zum Ausdruck kommt. Durch die geringfügige Abdeckung der ursprünglichen Akustikdecke wird sogar eine kleine Erhöhung der Nachhallzeit zwischen 200 und 500 Hz sichtbar. Dafür wird letztere aber bei 63 Hz fast halbiert und bei 80 Hz von 1.2 auf unter 0.8 gesenkt. Bei Anwendung der üblichen Mess- und Prüftechnik, die nur bis 125 Hz herunter reicht, wäre der Unterschied vorher/nachher wohl kaum auffällig geworden. Wenn man aber den Messund Beurteilungsbereich mindestens bis 63 Hz nach unten ausdehnt, wird der subjektiv wahrgenommene Unterschied durch die unscheinbare Maßnahme im Deckenbereich auch objektiv eindeutig nachweisbar und so die besondere Bedeutung der tiefen Frequenzen nach Kap. 2 und [165] eindringlich demonstriert. Aber auch wenn die Nachhallzeit in einer Werkskantine wie in Abb. 11.39 zu hohen Frequenzen hin stark ansteigt, führt dies unweigerlich zu Beanstandungen, weil Geräusche von den diversen Aggregaten im Gastraum und im Bereich der Essenausgabe oft gerade in diesem Frequenzbereich dominieren und so die Verständigung unter den Nutzern stören. Hier kamen mikroperforierte transparente Folien unter der Betondecke erfolgreich zum Einsatz, um die Nachhallzeit zu vergleichmäßigen, mit einem ganz ähnlichen Ergebnis wie im Beispiel zuvor. In beiden Fällen war es also nicht notwendig, etwas an den Glasfassaden zu unternehmen, die beide Kantinen so schön umschließen. Die durchgeführten Maßnahmen beeinträchtigen die vorhandenen Installationen nicht und erforderten auch keine Renovierung der Räume. Nach solchen Schlüsselerlebnissen kann man kaum verstehen, in wie vielen erstklassigen Gourmet-Tempeln beste Gaumenfreuden unter akustisch miserabelsten Umgebungsbedingungen verkauft werden. Auch das Einspielen der geschmackvollsten Musik in den Raum ändert an dieser eklatanten Dissonanz nur wenig. Wenn es stimmt, dass – zumindest für eine bestimmte privilegierte Schicht – die Grenzen zwischen Arbeit,
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 193
Abb. 11.39. Raumakustische Sanierung in einer großen Werkskantine durch mikroperforierte transparente Folien unter der Betondecke
Kommunikation und Freizeit immer mehr verschwimmen sollen, besteht in vielen solcher von der Norm [110] bisher vernachlässigter Räume akuter Handlungsbedarf. b) Plenarsäle
Politische und künstlerische Gremien tagen gern in von außen gut einsehbaren Plenarsälen, wenn sie sich ihrem medienwirksamen Geschäft hingeben. Dabei werden ihre verbalen und mimischen Äußerungen stets direkt über Radio und Fernsehen übertragen. Wenn es aber, etwas seltener zwar, zu Debatten im Plenum kommt, werden nicht selten akustische Mängel des Raumes deutlich, der natürlich in erster Linie optisch gestaltet wurde. Dann spielt der Raum mit seinen schallhart belassenen Oberflächen eine
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destruktive Rolle, auch und besonders wenn seine Benutzer über eine komplexe elektro-akustische Anlage ELA kommunizieren sollen. Ein Musterbeispiel für eine Verkettung unglücklicher Umstände stellte der damals neue Bundestag in Bonn der Architekten Behnisch & Partner [95, 126] dar. Die helle Lichtdecke des Plenarsaales (Abb. 11.40 (a)) mit gläsernen Lamellen (außen), die dem Sonnenstand nachgeführt werden, und Licht
Abb. 11.40. Die zylindrische Glasfassade zwischen dem Plenarsaal in Bonn (a) und seinem Foyer wurde durch transparente Reflektoren (b, c) und mikroperforierte Acrylglas-Absorber (b) akustisch entschärft [98]
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lenkenden Rastern (innen) sowie rundum raumhohe Glaswände (innen wie außen) sorgen für ein Höchstmaß an Klarheit und Durchsichtigkeit bei optimaler klimatischer und akustischer Trennung zwischen Innenraum (Plenarbereich) und Außenraum (Foyer). Schädliche Reflexionen der Schallwellen von den Lautsprecher-Ampeln zu den Zwischenwänden und zurück zu den Mikrofonen brachten die digitale Elektronik bei der Inbetriebnahme1992 aus dem Konzept und so die Volksvertreter zum einstweiligen Rückzug in das „Wasserwerk“! Die betörend schöne, bis fast 10 m hohe Holz-Glas-Konstruktion der Zwischenwände zwischen Plenarsaal und Foyer (Abb. 11.40 (c)) läßt sich durch schräg vor den 24 Türen installierte transparente MPA-Vorsatzschalen aus Acrylglas nach Abschn. 9.1 in Verbindung mit Glas-Reflektoren vor Wandelementen akustisch „entschärfen“. Zusammen mit einer Schrägstellung der Brüstungselemente an den Zuschauertribünen sowie Maßnahmen an der „Adlerwand“ und Auslegen eines absorbierenden Gehbelages kosteten diese Sanierungsarbeiten unnötig viel Geld. Bei sorgsamer und vor allem rechtzeitiger Planung hätte man dem namhaften Hersteller der ELA und dem Parlament als Bauherr viel Hohn und Spott erspart! Ab 1993 konnten sich die Abgeordneten, heute immer noch zahlreiche Besucher des eindrucksvollen Bauwerks, über die geschlossenen MPAKassetten (Abb. 11.40 (b)) an den 24 Türen wundern. In den vergangenen 12 Jahren wurden die viel betasteten Vorsatzschalen ebenso wie die Sicherheits-Glasscheiben regelmäßig mit konventionellen Mitteln gereinigt. Einige gingen zwar inzwischen aus Unachtsamkeit zu Bruch; Reklamationen wegen Reflexionen, die etwa die ELA gestört hätten, blieben aber aus. Diese dauerhafte Demonstration einer neuartigen Absorber-Technologie an einem herausragenden Ort führt noch heute zu Anfragen und Hilferufen an das Fraunhofer IBP. Die aber nie verstummenden Bedenken, ob sich die kleinen (<1 mm!) Löcher nicht mit der Zeit durch Ablagerungen aus der Luft zusetzen könnten, sind mit Sicherheit unbegründet. Selbst unter viel härteren Einsatzbedingungen zeigt ein damals gleichzeitig im Technikum des IBP in unmittelbarer Nähe zu Wand-Prüfständen (mit den dort üblichen staubigen Abrissarbeiten) installiertes MPA-Modell ähnlich dem in Abb. 11.40 (b) bis heute keinerlei Verschmutzung der Löcher, wohl aber seiner Oberflächen. Offenbar ist die Anregung der resonanzartigen Luftschwingungen in denselben bei der ständigen Beschallung mit einer gewissen Selbstreinigung verbunden. Beim Einbau mikroperforierter Bauteile in Anlagen des technischen Schallschutzes können deren Erschütterungen eine ähnlich positive Wirkung haben. Größere Löcher, wie sie oft in Abdeckungen vor porösen oder faserigen Dämpfungsschichten anzutreffen sind, können u. U. sogar stärker verschmutzen. Als besonderes Problem stellte sich
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Abb. 11.41. Auch vor der Glasfassade des Plenarsaales des Landtages von SachsenAnhalt sorgen mikroperforierte transluzente Vorsatzschalen mit für gute Verständigung unter den Abgeordneten [158]
bereits bei den ersten Sanierungsarbeiten im Bundestag [157] heraus, wie man einen „Akustik“-Putz, wie er in der großen „Adler-Wand“ des Plenarsaals (Abb. 11.40 (a)) angebracht ist, ohne gravierende Beeinträchtigung seiner Absorptionswirkung durch sehr behutsame Sprühbeschichtung farblich „auffrischen“ kann. Auch im Landtag in Magdeburg wurden MPA-Vorsatzschalen, hier allerdings in transluzenter Ausführung, um den Einblick von der äußeren Parkanlage zu verwehren, an einer gläsernen Außenfassade nach einer Planung des Instituts für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken IEMB [158] mit Erfolg zum Einsatz gebracht, s. Abb. 11.41. Wegen des „Plenarsaals“ in der neuen Akademie der Künste in Berlin wird auf Ausführungen weiter unten verwiesen. c) „Forum“ im Office Innovation Center
Mikroperforierte Bauteile werden üblicherweise als ein- oder mehrlagige Schichten vor einem geschlossenen Luftvolumen eingesetzt. Nach diesem Prinzip wurden Produkte, wie transparente Rollos oder transparente, absorbierende Stellwände entwickelt, s. Beispiel „Mediengarten“ in Abschn. 11.6.7. Daneben haben sich im Bereich des Lärmschutzes in Werkhallen auch vertikal von der Decke abgehängte Folienstreifen bewährt. Die Anordnung entspricht derjenigen konventioneller BaffelAbsorber, weist aber insbesondere im Hinblick auf die Reinigbarkeit Vorteile auf [127]. Frei im Raum aufgehängte Folien-Bahnen oder -Segel sind dagegen bislang selten realisiert worden. Das ist in einer gewissen planerischen Unsicherheit begründet – ohne eine klar definierte rückseitige Luftschicht ist die raumakustische Auslegung nicht ganz einfach. Dennoch bieten sich gerade für diese Anwendungsform optisch attraktive Möglichkeiten. Das
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 197
Abb. 11.42. Mikroperforierte Folien-Bahnen als temporäre akustische Maßnahme zur Beruhigung einer „Hocketse“ im IBP-Technikum [127]
geringe Gewicht erfordert keine komplexe Montagekonstruktion. Ein Höchstmaß an Flexibilität, Mobilität und Portabilität beim Einsatz im Messebau oder bei Sport- und Freizeitanlagen ist sichergestellt, eine temporäre Konditionierung für bestimmte Veranstaltungen problemlos möglich.Häufig kommt es darauf an, möglichst unkompliziert und kostengünstig eine brauchbare akustische Umgebung herzustellen. So hat die eigens für die abschließende „Hocketse“ zum Bauphysik-Kongress 1998 im Technikum des IBP aufgespannte Folie durch ihre lärmmindernde Wirkung überzeugt (Abb. 11.42). Diese neuen Möglichkeiten sollen in diesem und dem nächsten Ausführungsbeispiel genauer aufgezeigt werden. Beiden Projekten ist gemeinsam, dass eine akustisch adäquate Konditionierung für die angestrebte Nutzung erst „in letzter Minute“ realisiert wurde. Zuvor konnte die unbrauchbare Akustik am bereits fertiggestellten Bau erlebt und auch messtechnisch dokumentiert werden. In beiden Fällen waren einfache und preiswerte Maßnahmen gefragt, die nicht wesentlich in die gebaute Substanz eingreifen durften. Inzwischen haben sich beide „Provisorien“ als recht dauerhafte Problemlösungen bewährt. Das Office Innovation Center OIC versteht sich als Demonstrationszentrum für fortschrittliche Technologien und Konzepte zur Büroarbeit. Entwicklungen von fünf Fraunhofer-Instituten werden hier erprobt und Planern zugänglich gemacht. Neben Lösungen in den Bereichen Raumklima, Beleuchtung und Lärmschutz wurden auch raumakustische Konzepte für den Bürobereich entwickelt und im OIC beispielhaft umgesetzt (s. Abschn. 11.6.3). Dagegen waren raumakustische Maßnahmen für das Forum, einem 16,5 u 13,5 u 9,0 m großen Raum, zunächst nicht geplant
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Abb. 11.43. Frei aufgespannte mikroperforierte Folien (links) haben im OIC die mittere Nachhallzeit (rechts) dauerhaft fast halbiert [127]; vorher (□), nachher (○)
(Abb. 11.43). Der Raum dient als Präsentationsfläche für Produktinnovationen in wechselnden Ausstellungen. Darüber hinaus wird er als Vortragsraum für etwa 60 Personen genutzt. Die obere Hälfte der Wandkonstruktion besteht aus Metall-Sandwichelementen, die Decke aus der Trapezblech-Konstruktion des Gebäudedachs. Die Bedämpfung und Transmission des tieffrequenten Schalls durch diese Stahlkonstruktion hat vergleichsweise kurze Nachhallzeiten in diesem Frequenzbereich zur Folge, wie das Messergebnis in Abb. 11.43 rechts zeigt. Dagegen ist zwischen 500 und 2 000 Hz eine Nachhallzeit von mehr als 3,5 s gemessen worden. Ausreichende Sprachverständlichkeit für Vorträge ist unter diesen Bedingungen auch mit elektroakustischen Mitteln nur schwer erreichbar. Diskussionen und Gespräche bei Führungen oder Empfängen werden anstrengend. Trotz eines sehr schmalen Budgets für den Innenausbau wurde anlässlich der Eröffnung des OIC dann doch eine Maßnahme eingebracht, die in den begrenzten zeitlichen und finanziellen Rahmen passte und ohne bauliche Eingriffe in die bestehende Wand- oder Deckenkonstruktion auskam. Zehn Bahnen mikroperforierter Folie von jeweils 1,2 m Breite und ca. 13,5 m Länge sind mit einer einfachen Montagekonstruktion frei in den Raum gehängt. Die durchschnittliche Abhängehöhe der einlagigen Folie von der Trapezblechdecke beträgt 1,2 m. Durch diese einfache Maßnahme gelang eine deutliche Reduktion der Nachhallzeit im für die Sprachverständlichkeit so wichtigen Frequenzbereich zwischen 500 und 2 000 Hz. Aus der Nachhallzeitverkürzung kann man auf einen Absorptionsgrad der eingebauten Konstruktion zwischen 40 und 50% schließen. Inzwischen sind die Folien-Bahnen im OIC zu einer dauerhaften Installation geworden, die durch absorbierende Bauteile an den Wänden ergänzt wurden.
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 199
d) „Schlüterhof“ im Deutschen Historischen Museum
Der Schlüterhof des alten Zeughauses im DHM in Berlin zeigt sich nach dem Umbau als überdachter Innenhof mit einem Volumen von ca. 30.800 m3. Auf einem annähernd quadratischen Grundriss überspannt eine gewölbte Konstruktion aus Stahl und Glas stützenlos den Hof (Abb. 11.44). Der Betreiber hat zwar die Nutzung des repräsentativen Raumes für Veranstaltungen wie Kongresse, Tagungen oder Galas angestrebt. Aus Kostengründen wurde der Raum jedoch nur als überdachte Verkehrsfläche in Planung gegeben. Nach Fertigstellung des Glasdaches wurde den beratenden Akustikern (W. Moll für die Bau- und Raumakustik sowie W. Ahnert für die Beschallung) natürlich sofort klar, dass die raumakustischen Verhältnisse die angestrebten Veranstaltungen nicht zulassen. Auch der Einsatz einer Beschallungsanlage würde daran nichts ändern. Bauseitig weist keine der Raumbegrenzungsflächen ein nennenswertes Schallabsorptionsvermögen auf. Die starke Gliederung der Barockfassade sorgt zwar für Diffusität bei mittleren Frequenzen. Die Echobildung unter dem konkav gewölbten Dach wird dadurch jedoch nicht gemindert. Schall, der in einem weiten Bereich um den Raummittelpunkt entsteht, wird durch die bündelnde Wirkung der Dachkalotte immer wieder zur Quelle zurückgeworfen. Dabei vermindert sich die Schallintensität bei weitem nicht so wie bei der Reflexion an ebenen oder gar konvexen Flächen. Das belegen auch die gemessenen Echo-Abklingzeiten bei Anregung im Bereich der Raummitte (Abb. 11.44 (c)). Im Scheitel der Glasdachkonstruktion ergibt sich eine Raumhöhe von ca. 24 m. Als Folge dieser großen Weglänge zwischen den Reflexionen ergeben sich deutlich wahrnehmbare Echos, die die Sprachverständlichkeit verschlechtern. Bei einer Anregung in Wandnähe treten die Echobildungen weniger in Erscheinung. Die so gemessenen Nachhallzeiten belegen, dass die unzureichende Bedämpfung eine Nutzung des Raums nicht zulässt. Eine Belegung der Fassade mit konventionellen schallabsorbierenden Materialien ist aus architektonischer Sicht und im Hinblick auf den Denkmalschutz unmöglich. Schall schluckendes oder diffus reflektierendes Mobiliar kann zumindest im erforderlichen Umfang nicht eingestellt werden. Stattdessen wurde ein ca. 710 m2 großes transparentes Segel aus zweilagiger mikroperforierter Folie eingebaut (Abb. 11.44 (b)). Das Segel wird von einem grazilen Stahldraht-Netz getragen. In den Knotenpunkten der Netzkonstruktion sind die Ecken der ca. 1,15 u 1,15 m großen Folien eingespannt. Distanzstücke halten die beiden Folienlagen auf 15 cm Abstand. Die konvex gekrümmte Segelfläche hat einen maximalen Abstand zum Glasdach von ca. 7 m. Am Rand beträgt er noch 4 m. Die Nachhallzeit konnte mit dieser vergleichsweise einfachen Maßnahme deutlich reduziert werden (Abb. 11.44 (c)). Auch die Echobildung unter
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der Dachkalotte wurde wirkungsvoll unterbunden. Dies ist einerseits auf die Absorption zurückzuführen. Andererseits breitet sich der vom Segel reflektierte Schall auch divergierend aus. Die von den Betreibern noch als Provisorium eingestufte Maßnahme ermöglicht die geplanten Veranstaltungen nun ohne Abstriche, bis hin zur Veranstaltung von Fernsehübertragungen mit Prominenten. Messungen im Hallraum sind für solche Aufbauten kaum möglich. Die Ergebnisse wären im Hinblick auf das nicht diffuse Schallfeld unter dem Schlüterhof-Dach auch wenig aussagekräftig. Immerhin kann aus den Nachhallzeiten vor und nach dem Einbau auf den Absorptionsgrad des Segels in dieser Einbausituation geschlossen werden. Abbildung 11.44 (d) zeigt die recht hohe und breitbandige Absorption zwischen 250 und 8 000 Hz.
Abb. 11.44. Erst ein transparentes mikroperforiertes Segel unter seinem konkav gewölbten Glasdach machte den „Schlüterhof“ fit für Staatsempfänge und Talk-Shows; (a) Ansicht, (b) Detail der Abhängung, (c) Nachhallzeit (Ƒ) bzw. Abklingdauer (¨) vorher, Nachhallzeit nachher (ż), (d) resultierender Absorptionsgrad des Segels
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 201
e) Tagungsräume im Wirtschaftsministerium Das Gelände der ehemaligen Kaiser Wilhelm Akademie wurde nach der deutschen Wiedervereinigung in fast zehnjähriger Umbau- und Restaurierungsarbeit als Dienstsitz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit BMWA hergerichtet. Erklärtes Ziel der Baumaßnahmen war einerseits die historische und städtebauliche Wiederherstellung des geschichtsträchtigen Gebäudekomplexes, andererseits die Schaffung moderner Arbeitsplätze. Nach Aussage des Hausherrn ist dies beispielhaft gelungen. Trotzdem gab es massive Kritik in Bezug auf die Akustik in der ehemaligen „Aula“ sowie im „Eichensaal“, die zu einem internationalen Konferenzzentrum umgebaut wurden. Die „Aula“ (Abb. 11.29) hat Abmessungen von 25 u 15 u 12 m. Der Sollwert der Nachhallzeit war in der Planungsphase auf den für die Nutzung „Sprache“ recht hohen Wert von 2 s festgelegt worden. Dies geschah in Anbetracht der strengen Auflagen des Denkmalschutzes, die nur auf einem geringen Teil der Raumoberflächen Behandlungen für akustische Zwecke zuließen. Zur Ausführung kamen zunächst ein Akustikputzsystem an der Decke, an den Wänden in den Raumkanten, über den Türen und über der Medienwand, sowie poröse Absorber hinter Holzlamellen an beiden Stirnwänden. Weitere Absorptionsflächen kamen durch je nach Einrichtung 90 bis 320 leicht gepolsterte Stühle hinzu. Allen diesen Absorbern ist gemeinsam, dass sie einen recht hohen Absorptionsgrad bei hohen und mittleren Frequenzen besitzen, jedoch nur über einen geringen Absorptionsgrad bei tiefen Frequenzen verfügen. Daraus resultiert die im unbesetzten Zustand mit 246 Stühlen gemessene Nachhallzeit (Abb. 11.45 (c)). Sie liegt nur in den Oktavbändern von 1000 Hz und darüber im zulässigen Toleranzbereich des Sollwertes nach [110] von 2 s. Je tiefer die Frequenz, desto stärker überschreitet die Nachhallzeit den akzeptablen Bereich. In der Folge rügten die Nutzer eine schlechte Sprachverständlichkeit, auch beim Einsatz der Beschallungsanlage. Nachbesserungen bei der Raumakustik wurden deshalb unumgänglich, wollte man nicht die zahlreich angekündigten Konferenzen und Empfänge dauerhaft absagen. Das Ziel bestand darin, die Nachhallzeit in der „Aula“ hauptsächlich im mittleren und tiefen Frequenzbereich zu senken. So wurde z. B. das mittlere Deckenfeld (63 m2) hinter einer akustisch transparenten Stoffverkleidung mit 15 cm dicken Breitband-Kompakt-Absorber BKA nach Abschn. 10.1 belegt (Abb. 11.45 (a)). Über den Türen und über der Medienwand kamen 6 Stück 2 u 1 m bzw. 4 Stück 1.25 u 1 m große, 10 cm starke VerbundplattenResonatoren VPR nach Abschn. 5.3 zum Einsatz, s. Abb. 11.45 (b). Abbildung 11.45 (c) zeigt Messergebnisse des Absorptionsgrades im Hallraum dieser neu eingebrachten Absorber im Vergleich zum Akustikputzsystem.
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Abb. 11.45. BKA-Module an der Decke (a) und VPR-Module über den Eingangstüren (b) (beide hinter Stoffverkleidungen) qualifizieren die „Aula“ im BMWI [111] für internationale Konferenzen; (c) Nachhallzeiten (unbesetzt) vorher (Ƒ) und nachher (ż), (d) nach [297] im Hallraum gemessener Absorptionsgrad des ersetzten „AkustikPutzes“ (Ƒ), der BKA (ż) und der VPR (¨)
Man erkennt, dass sich VPR besonders dann eignen, wenn wie hier zusätzliche Absorptionsflächen für tiefe Frequenzen erwünscht sind, jedoch für höhere Frequenzen (oberhalb von etwa 500 Hz) keine weiteren Absorptionsflächen nötig sind. 25 cm dicke BKA wurden lediglich an nicht sichtbarer Stelle in einem Hohlraum hinter den Holzlamellen der Medienwand (14 m2) installiert 3). In den Raumkanten und unter den Tischen wurden konventionelle poröse Absorber (38 m2) eingebaut. Die Fenster konnten als zusätzliche Absorberfläche erschlossen werden. Hier kamen transparente
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 203
Absorber aus mikroperforiertem Acrylglas in etwa 20 cm Abstand vor den Scheiben zum Einsatz (Abb. 11.52). Mit den bisher genannten Veränderungen ergab sich ein Nachhallzeitverlauf nach Abb. 11.50. Eine weitere Option für zusätzliche Absorptionsflächen bestand in 60 m2 mobilen Stellwänden aus VPR-Modulen. Sie könnten dafür sorgen, dass die Nachhallzeit auch bei tiefen Frequenzen auf einen Wert innerhalb des Toleranzbereiches gesenkt wird. Der „Eichensaal“ (Abb. 11.46) hat einschließlich der akustisch angekoppelten Vorräume und Emporen Abmessungen von ca. 36 u 10 u 9 m. Der Sollwert der Nachhallzeit war während der Planung wiederum mit Rücksicht auf den Denkmalschutz auf 1.7 s im unbesetzten Zustand festgelegt worden. Mit seinem großen Flächenanteil an Holzvertäfelungen
Abb. 11.46. BKA-Module hinter Stoffverkleidungen an einer Seitenwand (a), zusammen mit diversen porösen Absorbern schaffen im „Eichensaal“ ein auch akustisch sehr angenehmes Ambiente für Symposien und Diners [159]; (b) Nachhallzeiten (unbesetzt) vorher (Ƒ) und nachher (ż)
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und Fenstern sowie den 75 bis 300 leicht gepolsterten Stühlen verfügte der Raum schon über beachtliche Absorption im tiefen und hohen Frequenzbereich. So zeigt die im unbesetzten Zustand mit 75 Stühlen gemessene Nachhallzeit im Ausgangszustand (Abb. 11.46 (b)) die größten Überschreitungen des Toleranzbereiches bei mittleren Frequenzen. In der Mitte des Saales bildete sich unter der gewölbten Decke ein Flatterecho aus. Die sich ergebende schlechte Sprachverständlichkeit und der unangenehme raumakustische Eindruck erforderten auch hier nachträgliche Verbesserungen. Hier wurden die akustisch praktisch unwirksamen Hartschaumplatten hinter den Stoffverkleidungen der Längswand ausgetauscht gegen hochwirksame BKA von 9 cm Dicke. An den Stirnseiten wurden dreilagige Vorhänge, in den Heizkörpernischen und unter den Tischen poröse Absorber installiert. Mit diesen Maßnahmen konnte eine Nachhallzeit gemäß Abb. 11.46 (b) erreicht werden. Das Flatterecho wurde durch den Einbau poröser Absorber unmittelbar unter der Decke und in zwei Ablufthauben unterbunden. f) Mehrzweckräume in der neuen Akademie der Künste Große, vielfach rundum glasumschlossene Atrien, Lichthöfe, Lobbies, Ausstellungssäle und Schalterhallen dienen nicht nur der Selbstdarstellung, sie werden auch zunehmend für sprachliche und musikalische Darbietungen sowie als Treffpunkte für die unterschiedlichsten Veranstaltungen mit hohem Kommunikationsanspruch genutzt. Selbst Museen werden zu Orten akustischer Signalübertragungen, wenn größere Besuchergruppen sich vor den Exponaten aufhalten. Man sollte diese Mehrzweckräume also tunlichst nicht in der Gruppe B der raumakustisch nicht besonders zu qualifizierenden Räume wie in [110, Kap. 6] abhandeln. Anderenfalls werden sich wohl Gerichte und Gutachter in Zukunft vermehrt damit befassen müssen, ob repräsentative Bauwerke wie diese „die nach dem bestimmungsgemäßen Gebrauch geschuldeten Eigenschaften“ gemäß der Verdingungsordnung für Bauleistungen VOB und anderen geltenden Richtlinien tatsächlich aufweisen oder – dann meist sehr aufwändig – saniert werden müssen. Wände, Fassaden und Decken aus Glas bestimmen das Erscheinungsbild der neuen Akademie der Künste, die jetzt eine der letzten Baulücken am Pariser Platz in Berlin spektakulär schließt [160]. Die ausschließliche Verwendung schallharter Baumaterialien stellte eine besondere Herausforderung für die verantwortlichen Akustiker (Müller-BBM, Berlin, für die Raumakustik und Acoustic Design Ahnert, Berlin, für die Beschallung) dar. Neben konventionellen raum- und elektroakustischen Maßnahmen kamen daher auch zwei innovative Schallabsorber aus der Werkstatt
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des Fraunhofer IBP zu einem vergleichsweise unauffälligen, aber sehr wirkungsvollen Einsatz. Sie haben geholfen, dass transparente Architektur und anspruchsvolle Akustik hier nicht, wie so oft, in Konflikt gerieten. Vom Erdgeschoss bis zur Dachdecke bilden offene Wandelgänge, Stege, Auf- und Durchgänge sowie rampenartige Verbindungen eine einzige, optisch und akustisch zusammenhängende Bühne für mannigfaltige Bewegungsabläufe und Kommunikationsmöglichkeiten auf vielen Ebenen. Mit ihren Sektionen für Baukunst, Musik und Literatur spricht die AdK ihre Akteure und Besucher nicht nur durch ihre Architektur, sondern ebenso stark durch ihre Akustik an. Sehen und Hören müssen bei jeder Kommunikation und Interaktion im Raum zusammen gehen. Selbst in Gebäuden der Andacht und Anschaulichkeit (z. B. Kirchen und Museen) spielt heute der verbale Informationsaustausch eine zentrale Rolle. Deswegen stieße der aktuelle Trend zu höchster visueller Transparenz in der Architektur dort an eine harte Grenze, wo er das gegenseitige Hören und Verstehen etwa behinderte. Leider trüben aber laute Umgebungen und schlechte Akustik allzu oft die Freude über gelungene Architektur. Andererseits können großflächige Akustik-Verkleidungen und -Decken sowie voluminöse Akustik-Baffles und -Kulissen üblichen Designs zweifellos das architektonische Konzept nachhaltig verderben. Ohne geeignete raumakustische Maßnahmen würden die Stimmen von Akteuren und Besuchern im großen Plenarsaal (Abb. 11.47 (a)) oder in den über mehrere Geschosse offenen Wandelgängen der AdK unweigerlich lauter erklingen, als es für jedes audiovisuelle Ereignis tolerierbar wäre. Dieser fast vorprogrammierten und leider allzu bekannten Konsequenz überwiegend schallharter Baumaterialien wie Beton, Metall und Glas in repräsentativen Gebäuden wie hier der AdK muss man mit einem neuen Raumakustik-Konzept gemäß Abschn. 11.5 begegnen. Um in dem ca. 1700 m3 großen Plenarsaal mit der vorgesehenen Nutzung originär als Tagungsstätte, aber auch für Musikdarbietungen gemäß [110] eine möglichst frequenzunabhängige Nachhallzeit unter 1.5 s zu erreichen, standen nur sehr kleine Begrenzungsflächen zur Belegung mit Schallabsorbern zur Verfügung. Lediglich an einer kleinen Rückwand und der Unterseite der Zuschauertribüne fand der Akustiker nur 22 bzw. 12 m2 für eine konventionelle 3 cm dicke Mineralwolleschicht hinter einer optisch ansprechenden gelochten Abdeckung, die allerdings nur bei hohen Frequenzen wirken kann. Für mittlere Frequenzen wurden 131 Zylinder aus offenporigem Melaminharz-Weichschaum mit einem Durchmesser von 23 cm und einer Länge von 1.2 m in unterschiedlicher Höhe nebenund übereinander frei von der Decke bis ca. 4.6 m über dem Boden abgehängt. In der Summe entfalten sie eine Art von skulpturaler Wirkung (Abb. 11.47 (a)).
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Abb. 11.47. Die transparente Architektur der AdK bietet kaum Flächen für eine konventionelle akustische Auskleidung; (a) Plenarsaal im zweiten OG, (b) Passage zwischen Pariser Platz und Behrenstrasse [160]
Zusammen mit ca. 300 dünn gepolsterten Stühlen im Saal und auf der Tribüne hätten diese marktgängigen raumakustischen Maßnahmen eine zu tiefen Frequenzen stark ansteigende Nachhallzeit ergeben mit den nach Abschn. 11.5 zu erwartenden Auswirkungen auf die Sprach-Verständlichkeit und den Schallpegel bei kommunikationsintensiver Raumnutzung. Deshalb wurden vom verantwortlichen Akustiker zunächst 7 mm dicke furnierte Sperrholz-Paneele im Abstand von 97 mm vor der gesamten großen Westwand des Plenarsaales vorgesehen. Messungen an Mustern mit einer losen Hinterfüllung aus 40 mm Mineralwolle mit einer Rohdichte von 50 kg/m3 und einem längenbezogenen Strömungswiderstand von 16 kPa s/m2 im Hallraum zeigten aber rechtzeitig, dass die Wirksamkeit dieser Art von konventionellen Platten-Resonatoren nur gering und schmalbandig zu erwarten ist (Abb. 11.48 (b)). Als viel wirksamere Alternative wurden stattdessen ca. 150 m2 der Brandwand zum benachbarten Bankgebäude mit Verbundplatten-Resonatoren VPR nach Abschn. 5.3 mit einer Bautiefe von ebenfalls nur ca. 100 mm belegt. Messungen an 1.5 u 1 u 0.1 m großen VPR mit 1 mm dicken Schwingblechen aus Stahl, die mit einem Abstand von 0.2 m auf dem Hallraumboden ausgelegt wurden, zeigen in Abb. 11.48 (b) mindestens bis 500 Hz einen viel höheren und breitbandigeren Absorptionsgrad. Dieser verändert sich kaum, wenn in diesem Falle auf seiner Vorderseite noch ein 1 mm dickes Echtholz-Furnier aufkaschiert und sehr aufwändig (ähnlich wie bei den zunächst geplanten Sperrholz-Paneelen) farblich behandelt
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Abb. 11.48. Bereits in der Planungsphase wurden 7 mm Sperrholz-Paneele durch 1 mm Stahl-Paneele als VPR, ebenfalls mit 100 mm Wandabstand, im Plenarsaal ersetzt (a); nach [297] im Hallraum gemessener Absorptionsgrad für Holz-Paneele (Ƒ) bzw. Stahl-Paneele (ż)
wird. Lediglich bei den durch die anderen raumakustischen Maßnahmen bereits abgedeckten höheren Frequenzen wird die Wirksamkeit der VPR hier etwas vermindert, weil die einzelnen Module, hier mit den Hauptabmessungen ca. 1.7 u 1 u 0.1 m, in diesem Falle mit einer unüblich schmalen Fuge von 8 mm montiert wurden (Abb. 11.48 (a)). Ein allseitig lichtdurchflutetes, durchsichtiges Gebäude wie dieses ruft natürlich nach dem Einsatz transparenter Schallabsorber. Zwischen dem „Foyer“ hinter der Nordfassade zum Pariser Platz und dem „Treffpunkt“ hinter der Südfassade an der Behrenstraße führt ein großräumiger Wandelgang zu den Ausstellungssälen, dessen Glasfassade den Blick zum Hof des Hotels Adlon freigibt (Abb. 11.47 (b)). Hier hätte man einen unangenehm hohen Geräuschpegel, verursacht durch die oft sehr zahlreichen, zwischen Brandenburger Tor und Mahnmal wandelnden Besucher, erwarten müssen, hätte man nicht 19 transparent/transluzent bedruckte MPA-Folien nach
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Abschn. 9.2 zur Verbesserung der Raumakustik in den Abmessungen 3 u 1 m der Fassade in einigem Abstand innen vorgehängt. In dieser Einbausituation, bei welcher die Folien wiederum nicht, wie im klassischen Fall nach Abb. 9.1 (c), vor einem allseitig geschlossenen Luftkissen angeordnet sind, fällt es etwas schwer, ihre Wirksamkeit quantitativ abzuschätzen, s. Abschn. 9.3. Transparente Architektur und akustische Transparenz schließen einander nicht mehr aus. Mit geeigneten Schallabsorbern, die insbesondere die mittleren und tiefen Frequenzanteile stärker als die konventionellen schlucken, lassen sich auch mit kleinen Bautiefen auf geringsten Flächen raumakustische Maßnahmen unauffällig, aber hochwirksam realisieren. Wenn alle Baubeteiligten rechtzeitig über die zu erwartenden Probleme richtig kommunizieren, können sich herkömmliche und neuartige Maßnahmen raumsparend und kostengünstig ergänzen. Die leider schon zur Regel gewordenen ärgerlichen und teuren Nachbesserungen zur Erfüllung auch nur minimaler akustischer Anforderungen lassen sich, wie auch dieses Beispiel zeigt, vermeiden. 11.6.2 Sport- und Freizeithallen Sporthallen wirken oft abstoßend laut. Sobald darin Unterricht, Training oder Spiele stattfinden, kann man kaum sein eigenes Wort verstehen. Veranstaltungen, bei denen Worte und Musik, aber auch Stille eine Rolle spielen, bleiben in solchen Hallen fast undurchführbar. Für wichtige Durchsagen kann dann der Lärmpegel nur mit Hilfe starker Lautsprecheranlagen übertönt werden, die noch weit entfernt in der Nachbarschaft zu hören sind. Es ist deshalb sehr zu begrüßen, dass in [110] detaillierte Anforderungen an die Nachhallzeit in Sporthallen mit Volumina zwischen ca. 2 000 und 8 500 m3 nach Tsoll 1.27 lg V 2.49 bzw. Tsoll 0.95lg V 1.74 (11.27)
festgeschrieben wurden, jeweils ohne Publikum zu rechnen oder messen, für einfache Nutzung (nur eine Gruppe, einfache Kommunikation) bzw. mehrfache Nutzung (mehrere Gruppen, mehrfache Kommunikation). a) „Vicemoos“ Sporthalle
Die Sporthalle mit einem Volumen von 45 u 27 u 9 = 11 000 m3 kann durch zwei schwere zweilagige Folien-Vorhänge für gleichzeitig drei Gruppen (Sportunterricht einer Freien Waldorfschule und eines Gymnasiums oder Breitensport von Vereinen in Schopfheim) optisch und akustisch getrennt werden, s. Abb. 11.49.
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 209
Abb. 11.49. Die „Vicemoos“-Sporthalle in Schopfheim (a) nach dem Wiederaufbau 2004: Akustisch transparente Holzverschalungen vor VPR-Modulen im Decken- und Giebelbereich (b) sowie im unteren Wandbereich (c)
Auf Grund der schlechten Erfahrungen in der Vorgängerhalle wurde nach deren Brand beim Wiederaufbau der Halle auf die akustische Qualität besonderer Wert gelegt. Die Festlegung der anzustrebenden Nachhallzeiten geht daher deutlich über den Standard der Normung hinaus, die während der Planung gültig war [161]. Danach sollte für eine Sporthalle mit einem Volumen von 11 000 m3 ein Wert von 3 s nicht überschritten werden. Für die Teilhallen ergibt sich eine maximale Nachhallzeit von 2.5 s. Allerdings wird die Anforderung erst für Frequenzen ab 500 Hz gestellt. In der Neuausgabe von [110], die während der Planung noch nicht verbindlich war, ist der relevante Bereich auf die Frequenzen von 250 Hz bis 2 kHz erweitert. Als mittlere Nachhallzeit wird bei mehrzügigem Unterrichtsbetrieb („Sport 2“) ein Wert von ca. 2.2 s für die ungeteilte Halle und von 1.7 s für die Teilhallen gefordert. Weil z. B. bei Ballspielen auch eine starke Anregung bei den tiefen Frequenzen erfolgt, wurde im Hinblick auf den Unterrichtsbetrieb und die hohen Erwartungen der Nutzer hier eine Auslegung bis 63 Hz geplant und entsprechend ausgeführt. Allerdings durften die
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akustischen Maßnahmen weder die Nutzung der Halle einschränken, noch ihren optischen Gesamteindruck stören. Die akustischen Bauteile mussten daher mechanisch geschützt werden und möglichst unsichtbar bleiben. Weil die Kinderstimmen bei Sport, Spiel und Unterricht einen starken Energieanteil bei mittleren und hohen Frequenzen erzeugen, wurden beide Giebelseiten der großen Halle oberhalb der „Prallwände“ mit einer ca. 20 mm dicken Mineralfaserschicht nach Abschn. 4.1 hinter horizontal verlaufenden, 25 mm breiten Holzprofilen im Abstand von 15 mm zueinander absorbierend gestaltet (Abb. 11.49 (b)). Ähnliche Verkleidungen wurden hinter 125 mm breiten, „sägerauh“ bearbeiteten Holzprofilen im Abstand von ca. 25 mm unter den Decken in den zur Halle hin offenen Gängen an den Längsseiten der Halle angebracht, insgesamt also ca. 600 m2 konventioneller Schallabsorber. Um ein transparentes akustisches Ambiente mit guter Sprachverständlichkeit gemäß Abschn. 11.5 herbeizuführen, wurden hinter den rundum 2.5 m hohen „Prallwänden“ an den unteren Längs- und Giebelseiten aus 150 mm breiten, glatt gehobelten Holzprofilen im Abstand von 10 mm Verbundplatten-Resonatoren VPR nach Abschn. 5.3 mit den StandardAbmessungen 1.5 u 1.0 u 0.1 m montiert, vgl. Abb. 11.49 (c), insgesamt 60 m2. Die massivste Bedämpfung verdankt die Halle den 176 VPR-Modulen, die hinter 40 mm breiten Holzprofilen im Abstand von 20 mm im oberen Bereich der Giebelwände sowie im Deckenbereich „versteckt“ wurden (Abb. 11.49 (a)), insgesamt nochmals 260 m2. Wegen der notwendigen Wärmedämmschicht im Dachbereich mussten die VPR hier mit Abstand montiert werden. Deswegen erhielten die vom Hersteller komplett vorgefertigten Module jeweils eine schwere Holzspanplatte als quasi schallharte Rückwand mitgeliefert. Die in der großen Halle gemessene Nachhallzeit bleibt im gesamten interessierenden Frequenzbereich unterhalb der von [161] geforderten Werte, aber auch unter denjenigen von [110], wenn man deren Sollkurve bis V = 11 000 m3 extrapoliert, s. Abb. 11.50. Auch die Teilhallen 1 und 3 mit jeweils ca. 3 600 m3 erfüllen alle Anforderungen mit Abstand. Lediglich die mittlere Teilhalle 2 mit 3 800 m3 liegt zwischen den beiden Anforderungskurven bei Frequenzen zwischen 250 und 2 500 Hz, s. Abb. 11.50 (b). Hier ist das erreichte Verhältnis von Absorptionsfläche zu Raumvolumen ungünstiger, auch weil die konventionellen Absorber an den Längsseiten oberhalb der „Prallwände“ aus Kostengründen entfallen mussten und die schweren, Schall dämmenden Trennvorhänge allenfalls etwas bei tieferen Frequenzen absorbieren.
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 211
Abb. 11.50. Mittelwert der Nachhallzeiten (ż) sowie Grenzwerte nach [161] (rot) für (a) die Teilhalle 1 (V = 3 600 m3), (b) Teilhalle 2 (V = 3 800 m3), Teilhalle 3 (V = 3 600 m3), (c) ungeteilte Halle
Die Nutzer sind mit diesem Ergebnis einer beispielhaften Zusammenarbeit von Bauherr, Architekt und Akustiker sehr zufrieden. Die farbenfrohen, robusten und dauerhaften Oberflächen harmonieren mit einer klaren und ruhigen Akustik, die sich vor allem beim Unterricht und bei Veranstaltungen mit Publikum wohltuend von derjenigen in der Vorgängerhalle abhebt. Sie kommt damit einem Hauptziel insbesondere der Freien Waldorfschule Schopfheim entgegen, „im Innenraum durch Maßnahmen im Bereich der Akustik und der Farb- und Oberflächengestaltung eine positive, angenehme und produktive Arbeitsatmosphäre zu begünstigen“. Sie ist jetzt so gut, dass man bei impulsartiger Anregung der Halle (z. B. bei Ballspielen) ein Mitschwingen und Ausklingen der Aussteifungsstäbe des Dachtragwerkes (s. Abb. 11.49 (a)) vernehmen kann. Die Ohren reagieren schließlich umso empfindlicher, je niedriger der Grundgeräusch-Pegel im Raum ist. b) Erlebnisbad „Die Welle“ Um sich von der strengen Beton-Architektur des benachbarten Schulzentrums abzuheben, wurde für das 1992 eröffnete Bad in Gütersloh eine pagodenartige Dachkonstruktion gewählt, die seine drei annähernd gleichgroßen Hallen wellenförmig überspannt, s. Abb. 11.51. Neben einem Sport- und Lehrschwimmbecken (Sportbereich) verfügt das Bad über ein
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großes Wellenbecken sowie ein noch etwas größeres Erlebnisbecken (Freizeitbereich), insgesamt über ein umbautes Volumen von ca. 10 000 m3. Diese verschiedenen Bereiche haben, wie alle anderen Räume des Freizeitbades, Decken mit nach oben trichterförmig zusammenlaufenden, konvex gekrümmten Flächen. Die Dachkonstruktion besteht aus Holzleimbindern, auf die jeweils Glaskuppeln bzw. Glasbänder aufgesetzt sind. Die Flächen zwischen den Holzleimbindern weisen eine dekorative, behandelte Holzschalung auf. Die Wände sind geputzt, gefliest oder aus Sichtbeton. Die Trennwand zwischen Sport- und Freizeitbereich besteht i. w. aus Glas. Auf der Südseite sorgt eine giebelhohe Verglasung für viel Licht im Freizeitbereich. Das Freizeitbad sollte auch aus akustischer Sicht nicht nur für die dort arbeitenden Menschen arbeitsrechtlich tolerante Bedingungen aufweisen, sondern vor allem für die Gäste ein Ort der Entspannung und Erholung sein. Daher wurden schon beim Bau des Bades schallabsorbierende Verkleidungen als Holzriemen mit offenen Fugen mit in Folien eingehüllter Mineralfaserauflage unter den waagerechten, tiefer gelegenen Flachdachbereichen
Abb. 11.51. Mikroperforierte transparente Folienabsorber im Dach reduzieren den Lärmpegel in der „Welle“[162]
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(Beckenumgangsflächen) als Bänder auf ca. 20% der Grundfläche ausgeführt. Im Verlauf der bisherigen Betriebszeit stellte sich jedoch heraus, dass die getroffenen raumakustischen Maßnahmen nicht ausreichen. Die hohen Lärmpegel, die durch Reflexion von schallharten Begrenzungsflächen aus Beton, Fliesen, Glas und Wasser verursacht wurden, waren weder für die Badegäste noch für die Mitarbeiter zumutbar (Werte bis zu 100 dB(A) an Wochenenden und eine Nachhallzeit bis zu 3 s). Besichtigungen anderer Freizeitbäder und Nachforschungen auf dem Markt führten zu keinen befriedigenden Lösungsvorschlägen, insbesondere war niemand bereit, bei einer vorgesehenen Sanierung eine entsprechende Erfolgsgarantie abzugeben. Nach den Vorstellungen des Betreibers sollten die VerbesserungsMaßnahmen folgende Anforderungen erfüllen: – deutliche Senkung des bisherigen Lärmpegels im hier maßgeblichen Frequenzbereich von 500 bis 1 000 Hz um mindestens 5 dB im Freizeitund 3 dB im Sportbereich, – erhebliche Verkürzung der Nachhallzeit, – Konzentration der Maßnahmen auf die Deckenflächen, ohne den optischen Gesamteindruck nachhaltig zu beeinträchtigen, – Erfüllung der Baustoffklasse B1 (Brandschutz), – UV-Beständigkeit, – Hygiene und Faserfreiheit, – Konzentration der Baumaßnahme auf nur 28 Schließungstage. Bei Würdigung aller Anforderungen des Betreibers mussten sich die akustischen Maßnahmen fast ausschließlich auf die Deckenflächen zwischen den Sparren konzentrieren. Die anspruchsvollen architektonischen Vorgaben und die vorgegebene Farbkomposition in der „Welle“ führten nach einer fehlgeschlagenen Bemusterung mit einem anderen Material zum erstmaligen Einsatz eines neuartigen transparenten Folienabsorbers. Die Baumaßnahmen sollten ursprünglich auch den Austausch von insgesamt 400 m ebenfalls unter dem Dach frei verlegter 40 cm dicker Lüftungsrohre durch solche mit einer zusätzlich absorbierenden Mikroperforation der Rohrwandung gemäß Abschn. 9.3 umfassen. Das Absorptionsmaximum der Absorber sollte bei möglichst breitbandiger Wirksamkeit zwischen 500 und 2 000 Hz liegen. Ergebnis dieser Auslegung war ein zweilagiger Folienabsorber mit dem in Abb. 9.12 dargestellten Aufbau aus 0.1 mm dicken Polycarbonat-Folien mit ca. 0.2 mm großen Löchern im Abstand von 2 u 2 mm. Der gemessene Absorptionsgrad ist entsprechend der Vorhersage der Auslegung im geforderten Frequenzbereich größer als 0.65.
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Dieser zweilagige Folienabsorber [102, 162] wurde vor die konvex geformten Deckenflächen im Freizeit- und Sportbereich eingebaut. Die erste Folie wurde mit Hilfe einer Lattenkonstruktion im Abstand von 100 mm vor der Deckenverschalung und die zweite 30 mm davor angebracht, so daß die gesamte Bautiefe des Absorbers 130 mm beträgt. Die insgesamt ca. 1 600 m2 Absorber sind aus Polycarbonatfolie, durchsichtig, abriebfest, UV-beständig, chemisch resistent, antistatisch und genügen den Anforderungen der Baustoffklasse B1. Abbildung 11.52 illustriert ihre Montage. Zu
Abb. 11.52. Montage der Folienabsorber unter dem Dach zwischen den Sparren; (a): Vormontage auf dem Hallenboden, (b): Aufhängung an den oberen Haltepunkten, (c): Schwenken vor die Holzverschalung, (d): Spannen der Folien über Distanzleisten vor der Schalung
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 215
erkennen sind die Holzleisten und Kunststoffrohre, mit denen die Folien auf Distanz gehalten werden (a), die Aufhängung unterhalb der Glasbänder (b), die beidseitig angeordneten Spannseile aus Edelstahl (c) und die Spannschlösser am unteren Ende der gut hinterlüfteten Folienbahnen (d). Die Aufnahme in Abb. 11.51 zeigt, wie wenig die akustischen Nachrüstungen den optischen Raumeindruck verändert haben. Die fast glatten Folien harmonieren sehr gut mit der ebenfalls spiegelnden Wasseroberfläche. Zur Überprüfung der Wirksamkeit der akustischen Maßnahmen wurden vor und nach Ausführung der raumakustischen Sanierung im Freizeit- und Sportbereich Messungen des Schallpegels und zusätzlich der Nachhallzeit durchgeführt. Für die Schallpegelmessungen wurde eine sehr konstante Referenzschallquelle, für die Nachhallzeitmessungen eine SchreckschussPistole verwendet. Wie sich bei der Messung herausstellte [162], war nach Einbau der Absorber der mit Hilfe der Nachhallzeitmessungen ermittelte Hallradius für einige Meßbahnen mit geringem Abstand zur Quelle zu groß geworden. Um die Lärmminderung in den Hallen, ausgedrückt durch die Schallpegeldifferenz vor und nach dem Umbau, bestimmen zu können, musste deshalb der Anteil des Direktschalls der Testschallquelle durch eine entsprechende Korrektur berücksichtigt werden. Aus den derart korrigierten Meßwerten wurden die Pegeldifferenzen ' L in Tabelle 11.2 ermittelt. Aus diesen Werten ergibt sich schließlich der über die Terz-Mittenfrequenzen gemittelte Wert ' L m von 5.2 dB für die Messbahnen im Freizeitbereich und 3.8 dB im Sportbereich. Die tatsächlich erreichte Beruhigung geht wohl weit über die so „statisch“ gemessene Pegel-Minderung hinaus, weil in einer weniger halligen Umgebung auch die „dynamischen“ Geräuschemissionen von natürlichen Quellen, insbesondere bei lauten Kinderstimmen, die sich gegenseitig anfeuern, zurückgeht. Tabelle 11.2 Über die Meßbahnen gemittelte Differenzen der Schalldruckpegel 'L [dB] vor und nach dem Einbau der Schallabsorber in der „Welle“ [102]. Terzmittenfrequenz [Hz] 500 630 800 1000 1250 1600 2000 ' Lm
' L [dB] Erlebnisbecken 6,0 5,9 5,7 5,9 4,5 5,0 5,8 5,5
' L [dB] Wellenbecken 4,3 5,2 4,4 4,6 3,9 4,5 4,9 4,5
' L [dB] Freizeitbereich insgesamt 5,4 5,6 5,2 5,4 4,3 4,8 5,5 5,2
' L [dB] Sportbereich
4,0 4,5 4,1 4,0 3,1 3,5 3,5 3,8
216 11 Innovative Raum-Akustik
Neben den Schallpegeln wurden die Nachhallzeiten vor und nach der Sanierung im Freizeit- und Sportbereich gemessen. Die Ergebnisse dieser Messungen und die nach [163] geforderten Nachhallzeiten sind in Abb. 11.53 aufgetragen. Nach dem Einbau liegen die Werte zwischen 500 und 2 000 Hz im Freizeitbereich im Mittel bei 1.4 s und in Sportbereich bei 1.5 s. Diese Werte spiegeln die nach dem Umbau deutlich verbesserte Akustik wieder. Im Freizeitbereich sind die Werte unter dem von der Richtlinie für den Bäderbau [163] vorgegebenen Wert von 1,7 s, im Sportbereich liegen die höheren Frequenzen etwas darüber. Dies ist auch auf die geringere Diffusität des Schallfeldes im Sportbereich zurückzuführen. Dennoch sind die Nachhallzeiten unterhalb 1 000 Hz auch hier kürzer als gefordert. Auch die Sollwerte gemäß der neueren Norm [110] werden nach der Sanierung gut erfüllt; wenn man das Gesamtvolumen von 10 000 m3 zu Grunde legen würde, die geforderte Nachhallzeit von Tsoll = 2.1 s entsprechend „Sport 2“,
Abb. 11.53. Nachhallzeiten vor (dunkle) und nach der Beruhigung (helle Punkte) im Freizeitbereich (a) und Sportbereich (b) sowie Anforderungen nach [163] ( )
―
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 217
Abb. 11.54. Auch im „Marienbad“ in Brandenburg haben Folienabsorber den Lärmpegel reduziert, zweilagig im Dach des Sportbereichs (a) und zusätzlich einlagig im Freizeitbereich (b) [164]
wenn man ca. 3 000 m3 für die Teilvolumina betrachtet, immer noch Tsoll = 1.9 s entsprechend „Sport 1“. Wollte man auch bei Frequenzen unter 400 Hz noch etwas für die akustische Behaglichkeit tun, so könnte man daran denken, noch einige Tiefenschlucker nach Abschn. 5.3 vor den völlig unbehandelt gebliebenen Massivwänden zwischen den drei Becken anzubringen. Die subjektive Beurteilung durch die Badegäste und das Personal ist sehr positiv. Der Aufenthalt im Bad ist durch die Reduktion der Schallpegel und Nachhallzeiten deutlich angenehmer und erholsamer geworden. Die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter konnten erheblich verbessert werden. Durch die Verwendung der transparenten Absorber wurde das architektonische Erscheinungsbild des Innenbereiches nicht verändert. Durch die Minderung des Lärmpegels und Verkürzung der Nachhallzeit ist der Betreiber jetzt sogar in der Lage, auch Musikveranstaltungen zu annehmbaren Bedingungen im Bad durchzuführen. Dieselben mikroperforierten Folien mit den Eigenschaften schwer entflammbar (B1 nach DIN 4102), UV-stabilisiert und antistatisch (oberhalb einer relativen Feuchte von 40%) wurden in weiteren Hallenbädern, zweilagig oder einlagig, wie z. B. in Abb. 11.54 zu sehen, ausgeführt [164]. 11.6.3 Konferenz- und Schulungsräume
Die eindeutig höchsten akustischen Anforderungen stellen nach der festen Überzeugung des Autors dieses Kompendiums Besprechungs-, Schulungsund Klassenzimmer. Hier wartet auch die bei weitem größte Zahl von
218 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.55. Viele kommunikationsintensiv genutzte Räume warten (Zahlen allein für Deutschland) auf ihre raumakustische Aufwertung
unterschiedlich genutzten Räumen auf eine adäquate raumakustische Aufwertung (s. Position 2 und 3 in Abb. 11.55) – insgesamt eine echte Herausforderung für Beratungsbüros und ein riesiger Markt für einen zeitgemäßen Innenausbau mit Zukunftsperspektive! Man denke dabei nur an das miserable Abschneiden vieler Schüler in internationalen Studien, das sicherlich z. T. auch in oftmals schlechten Arbeits- und Lernbedingungen für Lehrer und Klassenverbünde gemäß den Ausführungen in Abschn. 11.5 seine Ursachen hat. Niemand sollte ernsthaft daran zweifeln, dass für diesen Baubereich die unterste Kurve c von Abb. 11.30 angestrebt werden muss, die nach [110] in Tsoll
0.32lg V 0.17
(11.28)
auch den geringsten Anstieg mit der Raumgröße toleriert. Die Bedeutung ungestörter Kommunikation für Verständigung und Effizienz kann in diesem besonders kritischen Bereich nicht hoch genug eingeschätzt werden. Hier darf es auch keine falschen Toleranzen und Kompromisse bezüglich der Behandlung der tiefen Frequenzen gemäß den Erfahrungen in zahlreichen ausgeführten Neubau- und Sanierungsprojekten mehr geben [165]. Einerseits soll nach der neuen Norm [110] die Nachhallzeit sogar 20% unter der Kurve c angestrebt werden „für Personen mit eingeschränktem Hörvermögen“ oder „für die Kommunikation in einer Sprache, die nicht als Muttersprache gelernt wurde und auch mit Personen, die Deutsch als Fremdsprache sprechen oder solchen mit Sprach-, Sprachverarbeitungs-, Konzentrations- bzw. Aufmerksamkeits-Störungen oder Leistungs-Schwäche. Andererseits wird in [110] aber selbst in diesem Bereich des „barrierefreien Planens und Bauens“ der Frequenzbereich unter 250 Hz (für normal
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 219
hörende und verstehende Nutzer: 125 Hz) unsinniger Weise ausgeklammert und entsprechend der Bedarf für zusätzlich notwendige Absorberflächen in Unterrichtsräumen nach Tabelle 5 derselben Richtlinie nur über deren bewerteten Absorptionsgrad Dw abgeschätzt. So sind Misserfolge geradezu vorprogrammiert, selbst wenn große Flächen des Raumes konventionell absorbierend verkleidet werden. a) Besprechungszimmer
Das in Kap. 2 beschriebene Problem der Moden-Anregung eskaliert in kleinen Räumen, besonders wenn diese einen näherungsweise quadratischen Grundriss aufweisen. Dann reduziert sich die Anzahl der Moden im tieffrequenten Bereich noch weiter. Wenn zusätzlich noch in einem Raum wie dem in Abb. 11.56 abgebildeten alle Wände z. B. mit GipskartonPlatten leicht beplankt sind, die mit den eingeschlossenen Luftkissen sehr schmalbandig wirksame Resonatoren nach Abschn. 5.2 bilden, kann die Nachhallzeit z. B. bei 80 Hz einen markanten schmalen „Einbruch“ aufweisen. Weil damit zwar einige Raum-Moden stark bedämpft werden, prägen sich die wenigen dann noch verbleibenden aber nur um so stärker dem Sprachspektrum auf und reduzieren so die Verständlichkeit besonders auffallend und störend. Dieser 5.4 u 5.2 u 2.9 = 81 m3 große Raum hätte sich mit seiner leer gemessenen Nachhallzeit von 0.6 s bei 1 000 Hz nach [110, Bild 1] für „Sprache“ durchaus als tauglich erweisen sollen. Nach seiner aufwändigen Renovierung, Möblierung und Ausstattung speziell für Video-Konferenzen erwies er sich aber als akustisch völlig ungeeignet. Erst als man durch den
Abb. 11.56. Leichte Trennwände können zwar, wie hier in einem für VideoKonferenzen konzipierten Raum, schmalbandig dämpfen (○) und so das „Dröhnen“ noch verstärken. Eine die Kommunikation fördernde Nachhallzeit ergibt sich erst mit zusätzlichen VPR-Modulen an Decke und Wand (□)
220 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.57. Ungleichmäßige Nachhallzeit eines nur mit einer „Akustik-Decke“ ausgestatteten Konferenzraumes [166]
Einbau einer größeren Zahl von Verbundplatten-Resonatoren nach Abschn. 5.3 an der Decke sowie eines größeren VPR-Moduls als beschreibbares „White-Board“ an der einen Wand sowie eines mit Stoff bespannten, ebenfalls 100 mm dicken Breitband-Kompaktabsorber-Moduls nach Abschn. 10.1 als Projektionsfläche für „Power-Point“-Präsentationen an einer anderen den in Abb. 11.56 (b) dargestellten gleichmäßigen Nachhallzeitverlauf zwischen 0.3 s (bei mittleren) und 0.5 s (bei tiefen Frequenzen) ermöglichte, wurde aus einer Art akustischem „Horror-Kabinett“ ein überaus angenehmes Besprechungszimmer, in dem bis zu 12 Personen sich in Konferenzen mühelos verständigen können. Es sei aber nochmals betont, dass es nicht nur auf Tsoll gemäß Abb. 11.30 (gemäß Kurve c: ca. 0.4 s) sondern viel mehr noch auf einen gleichmäßigen und zu tiefen Frequenzen nur sanften Anstieg der Nachhallzeit innerhalb des Toleranzfeldes in Abb. 11.30 unten ankommt. Demgegenüber zeigt Abb. 11.57 einen ca. 66 m3 großen Konferenzraum, der ganz konventionell und vollflächig mit einer „Akustik-Decke“ ausgestattet wurde. Seine Nachhallzeit steht bis 160 Hz herunter völlig im Einklang mit den Anforderungen in [110] für „Sprache“ und „Unterricht“. Erst darunter wird wieder der Grund für die Klagen der bis zu 10 Nutzer gleichzeitig deutlich. Ganz ähnlich wie im Beispiel der Kantine in Abb. 11.38 reicht eben die Absorption bei mittleren und hohen Frequenzen zur Ertüchtigung von Räumen für eine kommunikationsintensive Nutzung nicht aus [166]. b) „Medienraum“ im Office Innovation Center
Ein ähnlich gutes Demonstrationsbeispiel für eine zeitgemäße Konferenzumgebung mit modernsten Präsentationstechniken stellt der in Abb. 11.58 wiedergegebene „Medienraum“ dar. Es wurden nicht nur besonders lärmarme
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 221
Abb. 11.58. Innovative Akustik-Bausteine (MPA-Decke und Fensterrollos,VPR-Module an der Wand) demonstrieren im OIC-Medienraum gutes akustisches Ambiente für Vorträge und Diskussionen [167]
Geräte, z. B. leise „Beamer“, ausgewählt und installiert. Vor allem wurde die Raumakustik mit mikroperforierten Bauteilen nach Abschn. 9.1 bzw. 9.2 unter der Betondecke bzw. vor den Glasfenstern sowie VPR-Modulen hinter verschiebbaren Blenden vor den Massivwänden (zusammen mit den übrigen haustechnischen Leitungen und Installationen) in den auch optisch ansprechenden Innenausbau integriert [9]. Die Nachhallzeit in Abb. 11.58 (b) zeigt wieder die anzustrebende Gleichmäßigkeit unter 0.5 s im unbesetzten Raum für ein Volumen von hier ca. 200 m3. In diesem Raum könnten auch viel größere, weniger disziplinierte Besuchergruppen ohne besondere Anstrengung miteinander kommunizieren. c) Glaskabinen
In Abschn. 11.6.4 werden weitgehend offene Bürolandschaften ohne große Trenn- und Abschirmwände zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen behandelt. Bei der hier üblichen schlechten Sprachverständlichkeit und fehlenden Vertraulichkeit behilft man sich gern mit der Aufstellung von Glaskabinen. Diese sollen Inseln der Ruhe und Kommunikation sein – bei
222 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.59. In Werkhallen wie in Mehrpersonen-Büros lassen sich durch Glaskabinen laute von leisen Bereichen gut trennen, wenn man dabei die Raumakustik nicht vergisst [168, 169]
voller optischer Durchsichtigkeit. Tatsächlich fällt es nicht schwer, mit einer 8 mm starken Verglasung die notwendige Schalldämmung gegenüber dem oft lauten Ambiente sicherzustellen, wenn man die Glasbauteile nur genügend schalldicht macht, s. Abb. 11.59. In rundum geschlossenen Kabinen mit fast würfelförmiger Geometrie eskaliert allerdings das in Kap. 2 und Abschn. 11.5 beschriebene Problem: Die Anregung von sehr wenigen Raum-Moden bei tiefen Frequenzen lassen insbesondere Männerstimmen bedrohlich dröhnen. Unnatürliche Klangverfärbung und schlechte Verständigung erschweren den raschen Aufbau einer entspannten, vertrauensvollen Atmosphäre zwischen den Gesprächspartnern. Unangenehm hohe Schallpegel können zwar nicht nach außen dringen, machen aber die Kommunikation innen anstrengend. Die raumakustische Optimierung erfolgte in diesem DemonstrationsProjekt in 3 Schritten: (1) Da die Glasbauteile die sehr tiefen Frequenzen unter 100 Hz bereits etwas durchlassen, also für den Innenraum gemäß Gl. (3.4) quasi absorbieren, genügen in diesem Falle relativ kleinformatige VPR-Module nach Abschn. 5.3. Vor den 11 feststehenden Wandelementen werden im oberen und unteren Drittel jeweils nur 90 u 78 u 5 cm
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 223
Abb. 11.60. Ohne Verlust an optischer Transparenz lässt sich mit VPR- und MPAModulen (a) die Nachhallzeit (b) so weit senken, dass innen akustische Transparenz entsteht
große Elemente mit 1.5 bzw. 2 mm dicken Frontplatten aus Stahl mit teilweise akustisch offenen Rändern eingebaut. Mit einer Bautiefe von nur 5 cm verschwinden die Module vollständig in den vorgegebenen Aluminium-Rahmen. Sie können mit jeweils 4 Schrauben nach Bedarf, auch als Nachrüstsatz, leicht ein- und ausgebaut werden. Zusätzlich werden 4 der 9 Deckenelemente (ebenfalls aus 8 mm dickem Sicherheitsglas) mit 94 u 94 u 8 cm großen VPR-Modulen mit 1 mm dicken Frontplatten bestückt, s. Abb. 11.60 (a). Die Nachhallzeit (Abb. 11.60 (b)) lässt sich so zwischen 315 und 630 Hz von ca. 1.7 auf 0.3 s senken. Noch bei 80 Hz kann sie von 0.8 auf 0.3 mehr als halbiert werden. (2) Zur Bedämpfung der Frequenzen oberhalb ca. 630 Hz werden transparente mikroperforierte Folien-Absorber MPA nach Abschn. 9.2 vor den nicht von VPR belegten Deckenelementen im Abstand von ca. 50 mm angebracht. (3) Die hohe Wirksamkeit der VPR lässt es zu, die in Abb. 11.60 (a) mit einem Kreuz markierten Module auszusparen, ohne die Akustik der dadurch optisch sehr transparent erscheinenden Kabine wesentlich zu verschlechtern. Der verbleibende Anstieg der Nachhallzeit der leeren Kabine im kHzBereich wird im Einsatzfall schon durch eine spärliche Möblierung mit einem 1.2 u 0.6 m großen Tisch und 4 leicht gepolsterten Stühlen sowie durch 4 Personen geglättet. Für die Schallabsorption bei den mittleren Frequenzen spielen die kleinen Öffnungen an den Rändern der VPRModule eine wichtige Rolle: Wenn man die Löcher (ca. 4 cm2 u 2 u 19) an der Oberkante der unteren sowie der Unterkante der oberen Wand-VPR schließt, steigt die Nachhallzeit bei 500 Hz auf 0.5 s (in Abb. 11.60 (b) strichpunktiert). Schließt man alle Fugen (ca. 1.8 cm u 90 cm u 2 u 4) an je 2 Rändern der 4 Deckenelemente, so erreicht die Nachhallzeit bereits 0.75 s (punktiert). Wollte man auch noch alle restlichen Fugen zwischen
224 11 Innovative Raum-Akustik
den Wand-VPR und den Rahmen verschließen, dann würde das Maximum der Nachhallzeit sogar bei 0.9 s liegen (strichliert) – aber immer ohne eine negativen Einfluss auf die wichtige Absorption unter 100 Hz! Übrigens zeigt die mit 5 oder 6 VPR-Modulen bestückte Kabinenwand im Labor [168] einen kleinen Dämmungseinbruch bei 100 Hz. Hierfür ist die bei tiefen Frequenzen starke Anregung der Module, und damit auch der rückseitigen Glasplatte, zum Mitschwingen verantwortlich, die notwendig ist, um die Nachhallzeit in diesem wichtigen Frequenzbereich möglichst stark (von über 1 auf unter 0.3 s) zu senken. Abschließend seien einige Konstruktionsdetails der so optimierten Kabine erwähnt: Abb. 11.61 (a) zeigt schematisch den Einbau der VPRModule in den Aluminium-Rahmen. Beim Decken-VPR kann ein Ventilator aufgesetzt werden (b), der die Luft über in die Schaumstoffplatte eingeschnittene Kanäle schallgedämpft aus der Kabine ansaugt. Als derart gestalteter Prototyp wurde die „entdröhnte“ Glaskabine auf der Messe ORGATEC 2000 ausgestellt. Gegenüber einer früher beschriebenen Kabine [169], die mit Hilfe allein von mikroperforierten Acrylglas-Vorsatzschalen akustisch verbessert werden konnte, zeichnet sich die hier vorgestellte Variante durch die kostengünstigere integrale Installation der relativ breitbandig absorbierenden Kompakt-Elemente aus.
Abb. 11.61. Details der absorbierenden Einbauten in den Kabinen nach Abb. 11.59; Prinzip eines integrierten Wand-VPR (links), Prinzip eines Decken-VPR mit integriertem Lüftungselement (rechts oben)
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 225
d) Mehrzwecksäle
In Zeiten knapper Bauetats werden leer stehende, schlecht genutzte, auch historisch wertvolle Räume gern einer neuen, vielfach wechselnden Nutzung für Vorträge, Diskussionen und alle möglichen „Events“ neu hergerichtet. Auch hier sollte eine akustische Aufwertung angestrebt werden mit – einer Nachhallzeit Tsoll, je nach vorherrschender Nutzung, gemäß Kurve b oder c in Abb. 11.30, – einem möglichst gleichmäßigen Verlauf der Nachhallzeit über der Frequenz, – einem allenfalls geringen Anstieg unter 125 Hz. Für diese Kategorie mittelgroßer Räume (ca. 250 bis 5 000 m3) gibt [110, Abschn. 5.2.2] wertvolle Hinweise hinsichtlich der geometrischen Gestaltung und Gliederung reflektierender sowie der Verteilung absorbierender Flächen. Als besonders kritisch werden sehr niedrige Räume und solche mit konkav gekrümmten Begrenzungsflächen, z. B. unter Tonnengewölben oder Kuppeldecken, beschrieben, weil hier störende Schall-Konzentrationen auftreten, insbesondere wenn ihr Brennpunkt in oder unter der Hörerebene liegt. In einem denkmalgeschützten Raum der Volkshochschule Inzigkofen für Vorlesungen und Musikunterricht (Abb. 11.62) konnte den Dozenten und den meist älteren Studenten mit Verbundplatten-Resonatoren VPR nach Abschn. 5.3 an Decke und Wänden gegen eine ziemlich unerträgliche Akustik geholfen werden. Die Nachhallzeit wurde so bei 63 Hz von 5 auf 1.5 s reduziert und bei höheren Frequenzen auf konstant 0.8 s eingestellt, eine für Sprache und Kammermusik optimale Dämpfung in einem um 1 000 m3 großen Mehrzweckraum. Ein derart massiver Eingriff in das optische Erscheinungsbild des Raumes wird aber nur selten von Architekten und Denkmalschützern für die Herstellung einer „funktionierenden“ Akustik in Kauf genommen. Bei der Ertüchtigung einer 1 800 m3 großen Halle im Kloster Bronnbach, die über Jahrzehnte nur als Museum diente, zu einer neuen Bestimmung primär für Kammermusik, aber auch für Vortragsveranstaltungen musste z. B. viel behutsamer vorgegangen werden. Hier wurde die Nachhallzeit von 7 auf 1.5 s (gemäß Kurve a in Abb. 11.30) im unbesetzten Raum abgesenkt, s. Abb. 11.63 (c). Da die Decke und Teile der Stirnwände mit wertvollen Bemalungen versehen sind, blieben nur verhältnismäßig kleine Flächen unter den Gemälden der Rückwand und zwischen den Fenstern der Seitenwände übrig, insgesamt kaum 10% der Gesamtfläche des Raumes. Die Vorderwand hinter einem Podium auf dem ebenfalls zu erhaltenden Steinfußboden blieb völlig unbehandelt.
226 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.62. Vortrags- und Musikraum des Volkshochschulheims Inzigkofen mit frühen VPR-Elementen an Decke und Sockeln; Nachhallzeit im Ausgangszustand (○), mit 28 VPR (□) und mit zusätzlich 15 Personen in Sommer- bzw. Winterkleidung [59]
An der Rückwand wurden Breitband-Kompaktabsorber BKA nach Abschn. 10.1 hinter einer akustisch transparenten Gipskarton-Verkleidung „versteckt“ (Abb. 11.63 (a). BKA-Module als verfahrbare Stellwände und nur 10 cm dicke fest montierte VPR-Module passen sich, zusammen mit einigen metallischen Lüftungskanälen, so gut es eben geht, den 8 Fensterwölbungen in den beiden Seitenwänden an (Abb. 11.63 (b)). Mit den insgesamt nur 97 m2 sehr wirksamer Schallabsorber und dem leicht gepolsterten Gestühl entspricht die Nachhallzeit nach dieser Sanierung der Prognose. Auch das Klarheitsmaß nach Abschn. 11.1.8 C80(3) (gemittelt über die 3 Frequenzen 500, 1 000 und 2 000 Hz) nimmt jetzt optimale Werte zwischen +3 und 3 dB an dank der frühen Reflexionen von der Vorderwand, der Decke sowie von Teilen der vorderen Seitenwände. Die
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 227
Abb. 11.63. BKA-Module (hinter einer Vorsatzschale) an seiner Rückwand (a), VPRModule beidseits der Fenster sowie fahrbare BKA-Module (b) reduzieren die Nachhallzeit (c) in einem Kammermusiksaal des Klosters Bronnbach von 7.5 auf 1.5 s
Wiedereröffnung des Saales mit Bachs „Brandenburgischen Konzerten“ wurde von Musikern und Hörern entsprechend positiv aufgenommen. Allerdings wurden, vermutlich wegen eines dann besseren Zugangs von der großen Eingangstüre her, das Podium eines Tages auf die gegenüber liegende Seite versetzt – natürlich mit sehr negativen Folgen für die anders ausgerichtete akustische Auslegung. Noch behutsamer wurde, zusammen mit dem Architekten M. Kaelble, bei der Restaurierung der „Aula“ der Universität Freiburg vorgegangen [8], das von L. Cremer [24, S. 60] als Demonstrations-Beispiel für „mehrere und mehrfache Echos“ bei elliptischen Reflexionsflächen ausführlich diskutiert wurde. Entsprechend der hier vorrangigen Nutzung (Sprache)
228 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.64. Frei hängendeVPR-Baffles über der Unterdecke und BKA-Module hinter Sichtblenden sowie MPA-Vorsatzschalen an den Fenstern optimieren unauffällig die Nachhallzeit der Aula der Universität Freiburg (von zu )
▲ □
wurde für den zweiteiligen, insgesamt 3 400 m3 großen Raum eine Nachhallzeit von 1.2 s (unbesetzt gemäß Kurve b in Abb. 11.30) angestrebt, s. Abb. 11.64. Unter der elliptischen Decke [24, Bild 30] wurde im Abstand von 40 cm eine Unterdecke aus 5 cm dicken Gipsplatten eingezogen, die ebenso wie der schallharte Boden und die Seitenwände nicht für eine konventionelle akustische Verkleidung zur Verfügung stand. Stattdessen wurden insgesamt 150 m2 beidseitig mit Schwingblechen belegte VPR-„Baffles“ hinter der für tiefe Frequenzen transparenten (weil entsprechend perforierten) elliptischen Unterdecke frei hängend untergebracht. Um Echobildung auch in der Längsrichtung des Raumes zu vermeiden, wurden außerdem insgesamt 33 m2 BKA an den beiden Stirnwänden und 30 m2 BKA in den Nischen zu beiden Seiten der Orgel auf der Empore an der Wand installiert. Auch diese sind wiederum unsichtbar hinter perforierten Gipskartonplatten mit einer raumseitigen Stoffbespannung verborgen. Schliesslich wurden noch 45 m2 mikroperforierte transparente Acrylglasplatten als Vorsatzschalen vor den Fenstern an den beiden Seitenwänden angebracht. Alle diese Maßnahmen ließen sich harmonisch in das Konzept des Architekten und die Anforderungen des Denkmalamtes unauffällig einfügen. Auch im „Senatssaal“ derselben Universität (Abb. 11.65) kamen ähnliche ALFA-Akustikelemente wie in der „Aula“ zum Einsatz. 15 cm dicke BKA wurden an der Stirnwand und hinter einer großen Projektionsfläche, 10 cm dicke BKA an den Wandteilen zu beiden Seiten des Podiums, jeweils hinter einer fugenlosen, akustisch transparenten Vorsatzschale, installiert. Auch hier wurden optisch transparente MPA-Platten vor den relativ großen Glasflächen dauerhaft und unauffällig angebracht. Mit demselben Architekturbüro wurden inzwischen 6 sehr unterschiedliche Bauprojekte
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 229
Abb. 11.65. Auch im „Senatssaal“ der Universität Freiburg sorgen ALFA-Bauteile, ähnlich wie in Abb. 11.64, für gute Verständigung [170]
vom Hörsaal über ein Hallenbad bis zu einer „überkopfverglasten“ Schalterhalle einer Bank jeweils sehr individuelle und vor allem „unsichtbar“ integrierte akustische Problemlösungen entwickelt und realisiert [170]. e) Schulungszentrum in ehemaliger Fabrikhalle
Am Übergang von einer handwerklich produzierenden zu einer wissensbasierten Arbeitswelt liegt es für viele deutsche Firmen nahe, ihre teilweise über 100 Jahre alten und oft unter Denkmalschutz stehenden Werkhallen entsprechend den neuen „white-collar“-Anforderungen anzupassen. So wurde eine erhaltenswerte 2 400 m3 große Halle der Firma Bosch aus dem Jahre 1903 zu einem modernen, vielfältig nutzbaren Schulungszentrum umgebaut (Abb. 11.66). Von den alten Kranschienen bis zu den wertvollen
230 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.66. Durch „versteckte“ Breitband-Absorber wird aus einer Fabrikhalle ein Kommunikations-Zentrum ersten Ranges, wozu die Nachhallzeit gemäß Abb. 10.3 von fast 8 auf 1.4 s gesenkt werden konnte [171]
Stuckarbeiten an der Decke (siehe auch Abb. 10.3) sollte das architektonische Konzept vollständig erhalten bleiben. Glatte, geschlossene Oberflächen sollten das ursprüngliche Erscheinungsbild einer Fabrikhalle auch weiterhin betonen. Konventionelle Akustikmaterialien hinter perforierten Abdeckungen kamen daher hier nicht in Frage. Die Decke durfte in keiner Weise „belegt“ werden. Unter diesen sehr starken Einschränkungen erschien eine Absenkung der Nachhallzeit der leeren Halle von fast 8 auf unter 1.5 s (Abb. 10.3 rechts) als große Herausforderung. Um die tiefen Frequenzen von Sprache und Musik bis 63 Hz herunter zu bedämpfen, kamen VPR in 3 verschiedenen Konfigurationen zum Einsatz:
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 231
– An der Vorder- und an der Rückwand der Halle insgesamt 58 m2 10 cm dicke VPR-Module gemäß Abb. 11.66 (a). Eine ebene, geschlossene Oberfläche wurde mit einer unmittelbar davor angebrachten, 1.8 cm dicken Gipskarton-Vorsatzschale erreicht. Ihre Perforation mit einem Lochanteil von 20% wurde mit einem Stoff abgedeckt, der mit einer Spezialfarbe den ursprünglichen Putz und Anstrich simuliert. Der Transmissionsgrad dieser Kaschierung liegt bis 250 Hz hinauf über 90, bis 500 Hz noch über 80%, – 54 m2 VPR im Hohlraumboden in Wandnähe hinter einer ebenfalls akustisch ausreichend transparenten Abdeckung, – schließlich noch 32 m2 dieser Tiefenschlucker auf den Kranschienen, s. Abb. 10.3 links. Für eine hochwirksame Absorption über den ganzen interessierenden Frequenzbereich kamen insgesamt noch 58 m2 BKA-Module, vor allem hinter der großen Projektionsfläche an der Rückwand (Abb. 11.66 (b)) zum Einsatz. Um bei dieser starken Bedämpfung vor allem der beiden Stirnwände der Echobildung von den Seitenwänden her vorzubeugen und noch etwas zusätzliche Absorption bei mittleren Frequenzen zu besorgen, wurden schließlich noch MPA-Rollos vor den Glasfenstern vorgesehen. Damit konnte die sehr gleichmäßige Nachhallzeit gemäß Abb. 10.3 mit einer Belegung von kaum 20% der gesamten Raumoberfläche realisiert und so eine universelle Nutzung, z. B. auch als Mehrpersonen-Büro, ermöglicht werden. 11.6.4 Offene Büro-Landschaften Was für Konferenz-, Besprechungs- und Schulungsräume zu fordern ist, gilt in noch stärkerem Maße für zeitgemäße Mehrpersonen-Büros, insbesondere so genannte Call- oder Service-Center, in denen eine große Zahl von Schallquellen (Büromaschinen, haustechnische Anlagen und menschliche Stimmen) gleichzeitig emittieren. Hier ist der aktuelle Bedarf für geeignete raumakustische Maßnahmen nach Abb. 11.55 wohl mit Abstand am größten. In den meist relativ flachen Räumen mit oft mehr als 1 000 m2 Grundfläche und mehr als 3 000 m3 Volumen lässt sich das fast unvermeidliche Lärmproblem natürlich nicht einfach nach Gl. (3.12) durch einen mittleren Schallpegel L beschreiben und nach Gl. (3.13) durch Vergrößerung der Absorptionsfläche lösen. Da hier die Annahme einer gleichmäßigen Verteilung der gesamten emittierten Schallenergie im Raum nicht immer zutrifft, lag es nahe, diese neuen großen Räume zunächst in Analogie zu den akustischen Beratern vertrauteren Fabrikhallen mit ihren lauten Maschinenparks zu behandeln.
232 11 Innovative Raum-Akustik
Nach DIN EN ISO 11 690 [172] wurde z. B. versucht, den Raum durch die so genannte Schallausbreitungskurve, das ist die Pegelabnahme von einer gleichförmig strahlenden Quelle aus auf einem, gegebenenfalls mehreren hindernisfreien Pfaden (in einer Fabrikhalle waren dies z. B. Transportwege), zu beschreiben. Aus der Differenz des in einem bestimmten Abstand s von der Quelle gemessenen (und gegebenenfalls gemittelten) Druckpegel Ls und dem Leistungspegel LW der Quelle, Ds
Ls LW ,
(11.29)
lassen sich zwei Kenngrößen ermitteln: – Die Pegelabnahme pro Abstandsverdoppelung DL2 (im Freifeld wären dies nach Gl. (3.19) für Q = 1 und Di = 0 gerade 6 dB). Als gut gelten hier Werte DL2 > 4 dB. – Die Pegelüberhöhung DLf gegenüber dem Pegel, der sich in einem idealen Freifeld (also ohne Reflexionen vom Boden oder anderen Hindernissen im Raum) im jeweiligen Abstand von der Quelle nach Gl. (3.19) ergeben würde. Als gut gelten hier Werte DLf <8 dB. Beide hängen grundsätzlich vom Abstand zur Quelle ab, den man deswegen unterteilt in einen Nahbereich (1 d s d 5 m), einen Mittelbereich (5 < s d 16 m) und einen Fernbereich (16 < s d 64 m). Abbildung 11.67 zeigt ein Messergebnis sowie eine rechnerische Prognose nach der Planung absorbierender Maßnahmen in einem Raum [173] sowie dünn eingezeichnet die Freifeld-Bezugskurve mit resultierendem DLf = 12.8 dB vor und
Abb. 11.67. Schallausbreitungskurven vor (□) und nach (◊) der akustischen Sanierung einer Fabrikhalle [173]. Zum Vergleich: Freifeld-Gerade
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 233
DL2 = 2.1 dB vor sowie 4.3 dB nach der Sanierung (jeweils für den Mittelbereich), gemittelt über Frequenzen zwischen 125 und 4 000 Hz. Nach herkömmlicher Meinung werden hier, ähnlich wie bei den Kenngrößen nach Abschn. 11.1.8 bis 11.1.11, die Messungen und Rechnungen nur bei 500, 1 000 und 2 000 Hz für ausreichend erachtet, also die Bedeutung der tieferen Frequenzen missachtet. Derselben Philosophie folgend meinte man lange (siehe z. B. [174]), dass man nur durch Aufstellen von Schallschirmen in Verbindung mit darüber angeordneten Deckenabsorbern, etwa wie in Abb. 3.4 angedeutet, die Schallübertragung mindestens zu weiter entfernten Arbeitsplätzen mindern könne. Wenn dies nicht ausreichend möglich wäre, sollte man demnach durch das Einspielen von Musik oder Geräuschen über ein Netz von Lautsprechern im Abstand von 3 bis 4 m einen mittleren Druckpegel von etwa 48 dB(A) an allen Arbeitsplätzen einstellen, um so wenigstens die Verständlichkeit von störenden Sprechern einzuschränken. Großflächige Absorption an der Decke ist aber aus Kostengründen, wegen Raumersparnis und Betonkernaktivierung als preiswerter Raumkühlung heute kaum noch gefragt. Auch einen akustisch aktivierten Hohlraumboden mit transparentem/absorbierendem Gehbelag kann man kaum noch diskutieren. Gegen eine Beschallung sprechen nicht nur die hohen Kosten für Installation und Wartung. Guter Rat erscheint deshalb teuer und „… in unserer klagefreudigen Zeit der Tag nicht fern, an dem z. B. unter Berufung auf die DIN 18 041 ein Gerichtsurteil gefällt wird, in dem ein schwer korrigierbarer Planungsfehler wegen akustischer Unbrauchbarkeit von Büroflächen nachgewiesen wird“ [175]. Andererseits gibt es einen starken Trend von einer produzierenden zur dienstleistenden Arbeitswelt mit einem wachsenden Anteil von „Telearbeit“ mit immer leistungsfähigeren Informationstechniken IT. Die Produktivität an Arbeitsplätzen mit höchsten kognitiven und kommunikativen Anforderungen wird noch stärker als diejenige in Werkhallen durch Lärm beeinträchtigt. Zwar können Pegel unter 80 dB(A) das Gehör nicht nachhaltig schädigen. Entsprechend der Skala in Abb. 11.68 treten aber bereits ab 70 dB(A) vegetative Störungen auf, die z. B. bei Metallarbeitern „Lärmzulagen“ zum Lohn begründen. Auch und gerade in den herrlich offenen, flexiblen, kommunikationsorientierten neuen Bürowelten [176] ist mit steigenden Pegeln zwischen 50 und 70 dB(A) ein wachsender Leistungsabfall eindeutig feststellbar. Die Arbeitsstättenverordnung [177] verlangt daher für „überwiegend geistige“ Tätigkeiten die Einhaltung eines Grenzwertes von 55 dB(A). Die Richtlinien für die Gestaltung lärmarmer Arbeitsstätten [172] empfehlen 45 bis 55 dB(A) für „übliche Büroarbeit“ und 35 bis 45 dB(A) für Arbeiten „mit besonderer Konzentration“. Diese Zielvorgaben werden leider oft schon durch laute Drucker, Kopierer, Lüfter
234 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.68. Die Wirkungen von Lärm auf den Menschen
und Klimaanlagen überschritten. Der Beurteilungspegel erfasst alle an einem Arbeitsplatz über eine Arbeitsschicht eintreffenden Geräusche, einschließlich der Stimmen im Raum, aber nicht das Sprechen von demselben Platz mit einem Nachbarn oder am Telefon. Er liegt gemäß Tabelle 11.3 typischerweise ca. 15 dB(A) über jeglichem Hintergrundgeräusch ohne die Nutzer. Menschen können zwar, individuell sehr unterschiedlich, Störgeräusche „überhören“, wenn sie nicht gerade die Ohren für etwas „spitzen“ müssen (z. B. im Gespräch, am Telefon oder beim bewussten Musikhören). Dies funktioniert besser bei gleichmäßigem Rauschen ohne als bei impulshaltigen Lauten mit hohem Informationsgehalt. Glücklich erscheinen da die Mitmenschen, die eine gewisse Geräusch-Kulisse geradezu brauchen, um zu arbeiten und sich wohl zu fühlen. Wobei aber offen bleibt, ob nicht auch diese unterschwellig Energie verschwenden müssen, um sich auf ihre jeweilige Beschäftigung zu konzentrieren. Unbestreitbar ist jedenfalls, dass eine Unterhaltung in lärmiger Umgebung nur mit einem bis zu 20 dB erhöhten Stimmaufwand möglich ist, vgl. [110, Tabelle D.1]. Schließlich sollte man auch daran denken, dass zukünftige Computer-Arrangements
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 235
überwiegend überwiegend mechageistige nische Tätigkeit Tätigkeit
Tabelle 11.3. Welcher Schallpegel für welche Arbeit? GrundgeräuschBeurteilungsPegel Pegel [dB(A)] [dB(A)] unakzeptabel 55 65–70 akzeptabel 50 60–65 anzustreben 45 55–60 z. B. in Foyers, Schalterhallen, Poststellen, Restaurants usw.
Anforderung gem. ArbStättV.
noch akzeptabel 40 50–55 akzeptabel 35 45–50 anzustreben 30 40–45 z. B. in Call-Centern, Zeichenbüros, Konferenz- und Seminarräumen usw.
mit ihren Nutzern mehr und mehr sprechend (also mit den eigenen und fremden Störgeräuschen interferierend) kommunizieren werden. Eines nicht zu fernen Tages wird man auch die neu geschaffenen, wissensbasierten Arbeitsplätze wegzurationalisieren versuchen. Zur Steigerung ihrer Produktivität werden die ergonomischen Randbedingungen, – Festlegung plausibler Arbeits-Inhalte, – Bereitstellung effizienter Arbeits-Mittel, – Schaffung optimaler Arbeits-Umgebungen, eine entscheidende Rolle spielen. Die ersten beiden sind nicht neu und werden auch von niemandem ungestraft missachtet. Bei der zweiten Bedingung überbieten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer förmlich mit Angeboten und Forderungen nach höhenverstellbaren Schreibtischen, körpergerechten Bürostühlen und handgelenkschonenden Rechnertastaturen. Dagegen besteht hinsichtlich des Arbeitsumfeldes, das auf die Motivation und Produktivität aller Akteure nachweislich einen mindestens ebenso starken Einfluss ausübt, dringender Aufklärungs- und Nachholbedarf. Es ist nämlich nicht damit getan, dass man flexible Arbeitsplätze schafft, einladende Meeting.Points einrichtet und komfortable „headsets“ bereitstellt.Auch reicht es nicht, dass man allenthalben die Zusammenarbeit zwischen den KollegInnen („Team-Work“), die Ein- und Durchsichtigkeit sämtlicher Arbeitsabläufe („Transparenz“) und den Informationsaustausch auf allen Ebenen („Kommunikation“) als hehre Zielvorgaben postuliert. Tatsächlich haben viele Dienstleistungszentren es zunächst nur geschafft, immer mehr Arbeitsplätze auf einer immer kleineren Bürofläche unterzubringen (6 m2 pro Arbeitsplatz gelten vielerorts als optimal). Diese starke „Verdichtung“ und die Entfernung alles Raumteilenden zwischen
236 11 Innovative Raum-Akustik
den ohnehin drastisch reduzierten Arbeitsplätzen – verbunden mit der grassierenden Angst um noch weitere Einschränkungen und Kürzungen – steigert nicht gerade die Bereitschaft zur notwendigen Zusammenarbeit. Im Gegenteil: Wo Absicherung und Individualität scheinbar verloren gehen, wächst unbewusst die Aggressivität und sinkt die gegenseitige Rücksichtsnahme, wenn man die im Interesse der Wirtschaftlichkeit oft unausweichlichen Veränderungen nicht mit wesentlichen Verbesserungen der Arbeits-Umgebungen flankiert. Damit „new work“ nicht in bloßer „Rationalisierung“ und „Verschlankung“ stecken bleibt, müssen – Architektur, Licht und Farbe (Optik) – Baumaterialien, Klima/Luft und Möbel (Haptik) – Fremdgeräusche, Lautstärke und Sprachverständlichkeit (Akustik) viel besser auf die neuen Bürolandschaften eingestellt werden, als dies jemals in den Zellenbüros notwendig und möglich gewesen wäre. Diese Herausforderungen und Chancen für einen entsprechenden Innenausbau wurden von den Fachgebieten Optik und Haptik mit z. T. imponierenden Erfolgen aufgegriffen. Gute Fachingenieure wissen inzwischen, was sie Investoren, Bauherren und Nutzern zeitgemäßer Mehrpersonenbüros anraten können, wenn es um das richtige Licht oder Klima und um angenehme Farben oder Möbel geht. Für die Akustik führten die neuen Bürowelten aber fast überall zu deutlichen Verschlechterungen, nicht selten sogar zu katastrophalen Arbeitsbedingungen. In den sehr dicht mit hochmotivierten und engagierten Mitarbeitern besetzten Dienstleistungs-Agenturen erzeugen mehrere Stimmen gleichzeitig im Gespräch untereinander, am Telefon, mit dem Mobiltelefon oder über ein „headset“ – stark abhängig von der Raumgestaltung – einen GeräuschPegel, der zu schlechter Sprachverständlichkeit führt. Im Bemühen, sich trotzdem ihren Gesprächspartnern im Raum oder an der Leitung mitteilen zu können, heben alle an der Kommunikation Beteiligten unwillkürlich ihre Stimmen noch mehr an (so genannter Lombard-Effekt, s Abschn. 3.4), bis kaum noch einer sein eigenes Wort verstehen kann. So entstehen (selbst erzeugte!) Beurteilungspegel, die weit (20 bis 30 dB(A)!) über den nach Tabelle 11.3 anzustrebenden liegen. Empfindliche Menschen kann man deshalb auch dabei beobachten, wie sie sich, der Not folgend, ihrem Gesprächspartner körperlich zu nähern, beim Telefonieren das freie Ohr zuhalten oder sich gar mit hoch dämmenden Kopfhörern zu schützen versuchen – im krassen Gegensatz zu allem, was eine barrierefreie, offene, transparente Büroumwelt eigentlich intendiert. Dies führt allein bei IT-Unternehmen an Hunderttausenden von Arbeitsplätzen im Land zu
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 237
– – – – –
unnötigen Fehlern bei der Informationsübertragung hoher Anspannung bei der Kommunikation frühzeitiger Ermüdung am Arbeitsplatz längerfristigen Demotivation bei geforderter Höchstleistung vermehrten Fehlzeiten und Krankmeldungen
mit entsprechenden Verlusten an Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit [178]. Für herkömmliche Lärm mindernde Massnahmen (z. B. Akustikdecken und -putze, Teppiche und Vorhänge oder Schallschirme und -kulissen) ist in diesem Baubereich weder ausreichend Raum noch Geld vorhanden. Hübsche kleine Abtrennungen nach Abb. 3.3, die vielleicht das Verrutschen der Arbeitsunterlagen, aber keinesfalls die Schallübertragung zwischen benachbarten Arbeitsplätzen verhindern können oder die heute üblichen leichten (auch binauralen) „headsets“ mit noch so intelligenten „Digitalen Signal-Prozessoren“ oder „acoustic shock protection“ etc. können das oben geschilderte Raumakustik-Problem keinesfalls lösen. Eine praktikable Alternative [179 bis 181], die auch allen konventionellen Schallschutz-Massnahmen zu höherer Wirksamkeit verhelfen kann, wurde inzwischen bei einem großen IT-Unternehmen zur Einsatzreife gebracht. Sie ist jetzt Teil einer konzernübergreifenden Umsetzungsstrategie für die neuen Bürowelten und hat sich innerhalb weniger Monate bereits auf ca. 50 000 m2 Bürofläche bewährt (s. Abb. 11.36 und 11.37). Unter ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten entstehen so neue Qualitäten, die den gesamten New-Work-Bereich positiv beeinflussen werden. Das neue Konzept für Büro-Umgebungen folgt sehr eng den in Abschn. 11.5 und [182] dargelegten Grundsätzen. In den heute mehr denn je und aus guten Gründen propagierten Mehrpersonenbüros sollten demnach nur etwa 10 bis 20% der Deckenfläche mit komplett vorgefertigten und oberflächenbehandelten VPR- und BKA-Modulen belegt werden. Alternativ kann die gleiche Menge dieser hochwirksamen Kompakt-Absorber auch zwischen den Arbeitsplätzen installiert werden. Hier sollten sie bevorzugt in weitgehend transparente Trennelemente intergriert werden, die gleichzeitig noch eine ganze Reihe anderer Funktionen, z. B. für die Beleuchtung und Datenanbindung, Raum und Kosten sparend übernehmen können. Diese können den Raum als Ganzes, insbesondere bei den so wichtigen tiefen Frequenzen, bedämpfen und zusätzlich einzelne Arbeitsplätze oder Gruppen derselben, je nach Wunsch, gegeneinander abschirmen. Besonders bewährt haben sich für solche akustischen „Zonierungen“ auch deckenhohe Systemwände, deren große Glaselemente gemäß Abb. 10.2 von vollständig in das System integrierten schmaleren VPR- und/oder BKA-Elementen flankiert werden.
238 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.69. Trennelemente, die Durchblicke gestatten, Licht verteilen, Daten anbinden und Schallpegel senken, können Raum und Kosten sparend Behaglichkeit verbreiten, ohne die ökonomischen Vorteile des Mehrpersonen-Büros zu gefährden
An Arbeitsplätzen nach Abb. 11.69 können so der Beurteilungspegel ohne Weiteres um 6 bis 12 dB(A) gesenkt und die Behaglichkeit und Produktivität entsprechend gesteigert werden. Durch den sehr hohen Leerstand von Büro-Immobilien (10 bis 20% in deutschen Großstädten) gehen den Eigentümern allein in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln und München jährlich auf 5.8 Mio. m2 ungenutzter Fläche fast 900 Mio. € verloren [183]. Die Qualität der Gebäude, die den Leerstand ausmachen, nimmt ständig ab. Da liegt es nahe, den Bestand so aufzurüsten, dass er dem Vergleich mit Neubauten nicht nur standhält, sondern sogar einen Mehrwert bieten kann. Der Eigentümer des von der Fraunhofer-Zentrale in München-Neuhausen über Jahrzehnte gemieteten Verwaltungsbaus konnte z. B. für das 1969 errichtete Gebäude nach dem Umzug der FhG in ein eigenes neues Gebäude keine Interessenten mehr finden. Man entschloss sich daraufhin, 22 Mio. € in die Sanierung des 13 000 m2 großen Objekts zu investieren. Restauriert vereint die Immobilie nun auf 6 Stockwerken 3 unterschiedliche Bürotypen mit variierenden Einrichtungswelten. Das Resultat des Konzepts, so verschiedene Nutzergruppen attraktiv anzusprechen: Über die Hälfte der Büros war bereits vor der Fertigstellung wieder vermietet [183]. Allerdings sollte der weitsichtige Investor die akustische Aufwertung seiner Bürolandschaften nicht mehr auf dem Niveau von früher vornehmen, etwa dem jüngst erschienenen „Büro-Atlas“ [184] folgend, wo Akustik noch immer allenfalls als „Schallschutz“ nach DIN 4109 nur mit Teppich, Vorhang und Akustikputz daherkommt. Bei einer Sanierung mit
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 239
ca. 1 700 €/m2 Grundfläche wie oben wäre die optimale Umsetzung des hier propagierten innovativen Raumakustik-Konzepts mit VPR- und BKA-Modulen wie in Abb. 11.98 für weniger als 2% dieser Kosten realisierbar. 11.6.5 Musiker-Arbeitsräume Für manche Akustiker beginnt ihre eigentliche Kunst erst bei der Konzeption und Planung von Auditorien für Konzert, Oper und Theater und zwar vorrangig auf den Eindruck bei den Zuhörern, nur nachrangig auf die Arbeitsbedingungen der Musiker, Sänger und Sprecher gerichtet. Jedenfalls fehlt den meisten Bühnen und insbesondere den Orchestergräben eine der Arbeit der Künstler förderliche raumakustische Gestaltung. Hier soll zunächst der Schwerpunkt, ähnlich wie etwa bei Büros und Schulen, auf die akustischen Arbeitsbedingungen gelegt werden. Allerdings stellte sich bei allen Ausführungsbeispielen heraus, dass sich raumakustische Verbesserungen auch in diesem Bereich auf das Arbeitsergebnis insgesamt, also das künstlerische Erlebnis für Akteure wie Zuhörer in gleichem Maße positiv auswirkten. Musiker sind an ihren Arbeitsplätzen vielerorts dauerhaft gehörschädigenden Schallpegeln ausgesetzt [185]. Ein wesentlicher Teil dieser ergonomischen Belastung muss nicht etwa als unausweichliche Konsequenz von Expressivität romantischer oder moderner Musik hingenommen werden, sondern wird durch schlechte raumakustische Umgebungen mit negativen Auswirkungen auf das künstlerische Ergebnis provoziert. Eine unnötige selektive Betonung des Bassbereiches durch den Raum hebt den Grund-Pegel an und erschwert das Ensemble-Musizieren. Dies hat zur Folge, dass die Künstler in ihrem Bemühen um präzise Artikulation und Brillanz sich selbst und alle Mitspieler auf ein nutzlos hohes LautstärkeNiveau „einstimmen“, das beim Zuhörer nur mit verminderter Dynamik und eingeschränkten Kontrasten ankommt. Wenn hier nichts geschieht, werden die Pegel im Orchestergraben [186], auf der Bühne ebenso wie in den Proben- und Unterrichtsräumen [187] weiter ansteigen, weil der Trend zu schallharten Raum-Umgebungen und die Erwartungshaltung der durch leistungsfähige elektroakustische Anlagen „verwöhnten“ Zuhörer immer höhere Schall-Leistungen auch von den ohne „Verstärker“ arbeitenden Musikern erwarten. Deshalb werden seit langem ernsthafte Anstrengungen unternommen, um durch den Einsatz praktikabler Gehörschutz-Mittel diesem gefährlichen Trend zu begegnen. Auch fehlt es nicht an mahnenden Stimmen, die allzu rücksichtslose Dirigenten (und Musiker) warnen, ihr wertvollstes Kapital, ihr Gehör, nicht unnötig zu gefährden. Schließlich kommt es bei der Umsetzung einer Partitur in einem Raum nur ganz selten
240 11 Innovative Raum-Akustik
auf das Erreichen einer maximalen Lautstärke an. Vielmehr lebt auch die expressivste Musik mehr von der „Dynamik“, d. h. den Pegel-Differenzen
'L
Lmax Lmin
(11.30)
zwischen aufeinander folgenden lauteren (Lmax) und leiseren Klangereignissen (Lmin). Während der beim Zuhörer von einem Ensemble (ohne elektroakustische Verstärkung) erreichbare Maximal-Pegel jeweils stark vom Raum-Volumen, seiner Einrichtung und der Personenzahl abhängt, haben es gut ausgebildete Musiker (und Dirigenten) „in der Hand“, die gewünschte, vom Komponisten vorgegebene und vom Zuhörer zu Recht erwartete Dynamik in jedem Raum individuell darzustellen. Die hohe Kunst, Sprache und Musik im Raum zu realisieren, stößt aber an Grenzen, die auch der versierteste Musiker nicht überwinden kann, nämlich: – Zum einen darf der „Ruhe-Pegel“ im Raum, der durch Fremdgeräusche (von außen eindringend oder innen von Zuschauern und Akteuren erzeugt) gewisse Grenzen nicht überschreiten. Für Musiker ist es bekanntlich eine Tortur, in einer lauten Umgebung zu spielen, – zum anderen hat der Musiker die von seinen Mitspielern an seinen Ohren erzeugten Schall-Pegel mit seinem Instrument zu „überspielen“, um sich bei sich selbst und bei den anderen richtig hörbar und „abstimmbar“ zu machen. Dieses „Ensemble-Spiel“ erfordert selbst in einem raumakustisch optimal gestalteten Konzertsaal und mit Unterstützung durch einen erstklassigen Dirigenten professionelles Können und hohe Konzentration. Wenn der Raum aber für diesen Zweck weniger gut konditioniert ist, müssen Ensembles erhebliche zusätzliche Anstrengungen auf sich nehmen und sich um so mehr auf die Zeichengebung des Dirigenten konzentrieren – eine für alle Beteiligte sehr strapaziöse Arbeitsweise. Wenn der Raum das gegenseitige Hören durch zu hohen Nachhall und schlechte Schalllenkung erschwert, tendieren nämlich die meisten Musiker dazu, lauter zu spielen als nötig. Dies hebt den Grund-Pegel weiter an und zwingt alle anderen Mitspieler, ebenfalls mehr als eigentlich nötig zu geben, um sich selber noch hören und kontrollieren zu können. Wirkt der Dirigent diesem „Kräftespiel“ nicht konsequent entgegen, dann steigert sich der mittlere Schallpegel ohrenbetäubend gemäß Abb. 11.28 mit den bekannten Konsequenzen, so dass für die eigentlich anzustrebende Dynamik kaum noch „Spielraum“ bleibt. Allenfalls Schlag- und Blech-Instrumente mit großen Kraftreserven können dann im „Fortissimo“ noch einmal „zulegen“, die allgemeine „Vertaubung“ noch steigern und so das ganze Ensemble auf immer schädlichere mittlere Pegel anheben. Die Lärm-Dosis jedes Einzelnen wird also durch schlechte raumakustische Arbeitsbedingungen (oft sogar auf Kosten der
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 241
erreichbaren Dynamik), wie in einem „Teufelskreis“, in die Ohren schädigende Höhen getrieben. Das Problem des schlechten gegenseitigen Hörens kulminiert in (fast) allen Orchestergräben, Probensälen und Unterrichtsräumen. Je kleiner diese sind, um so lauter ertönen in ihnen tendenziell alle Stimmen und Instrumente gemäß Gl. (3.12). Die für einen größeren Zuschauerraum oder Konzertsaal ausgelegte Schallleistung konzentriert sich hier auf ein kleineres Volumen. Zu diesem unvermeidlichen Effekt, der selbst bei Proben und Unterricht nur in gewissen Grenzen durch die Spielweise kompensiert werden kann, kommt noch ein zweiter, der sehr stark durch die raumakustische Gestaltung der Räume beeinflusst werden kann: In herkömmlich eingerichteten Räumen dieser Gattung fehlt es meist an Schall schluckenden und lenkenden Einbauten. Weil in ihnen wenig Platz für derartige Maßnahmen zur Verfügung steht, findet man allenfalls dickere Teppiche, Vorhänge und manchmal sogar „Akustik“-Decken, -Putze und -Segel, die allesamt nur den Frequenzbereich oberhalb 500 oder 250 Hz betreffen können. Wenn man damit übertreibt, dann klingt der Raum zwar „trocken“, „dumpf“ oder „stumpf“ – die tiefen Frequenzanteile können darin aber weiter „dröhnen“, ohne dass man den Bass Stimmen klar folgen kann. Auf diese Weise geht einerseits eine für das Ensemble-Spiel unverzichtbare Basis-Funktion der Bässe verloren. Noch schlimmer wirkt sich die fehlende Absorption bei den tiefen Frequenzen als „Verdeckung“ der höheren, für das Zusammenspiel besonders wichtigen Frequenzanteile aus. Auch anderen Akustikern ist die Bedeutung der tiefen Frequenzen für Musikerarbeitsplätze offenbar seit langem klar. E. McCue führt z. B. in [188] beredt Klage über die leider auch bei Übungsräumen vorherrschende, die tiefen Frequenzen vernachlässigende akustische Behandlung: „… Guidelines for the acoustical design of rehearsal spaces rarely take into account the importance of loudness control and the optimization of hearing for both the musicians and director. Such design guides often target only mid-frequency reverberation times for various types of rehearsal activity. Such design criteria have misled many architects into designing „boomy“ environments with no control over low frequency sound energy from percussion and bass instruments. A room with uneven response upsets the balance between sections of the ensemble and masks many of the sounds that define timbre and articulation … In order for the timbre of an instrument to be true and evenly responsive throughout its playing range, it is important that the sound-absorbing materials within the room collectively affect a broad range of musical frequencies. The musicians’ bodies and performance equipment absorb primarily high and middle frequencies of sound. „Acoustical“ finishes used in standard construction, such as carpet and most ceiling tiles, reduce primarily high-frequency sound energy
242 11 Innovative Raum-Akustik
without adequately controlling middle or low frequencies. If an environment is treated only with conventional acoustical materials, the environment will be overly reverberant and loud in the lower frequencies. As a result, an acoustical correction for a „boomy“ rehearsal environment usually strives to flatten the room’s response at all frequencies and increase communication among the musicians and conductor.“ Den bisher von Bauplanern nur wenig beachteten „Lombard-Effekt“ nach Abschn. 3.4 bemerken Schwerhörige besonders leidvoll, zu denen man mehr als 20% der „normalen“ Menschen und unter Musikern leider wohl noch einen höheren Prozentsatz rechnen muss. Diese werden durch ein schlechtes raumakustisches Ambiente bekanntlich stark behindert, weil ihre Hörschwelle bei den hohen Frequenzen gemäß Abb. 11.32 ohnehin angehoben ist. In der Literatur finden sich zwar nur wenige Hinweise auf eine konkrete den Arbeitsbedingungen der Musiker dienende raumakustische Gestaltung der kleineren Räume. Das Wiener ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (AschG) z. B. folgt aber der neuen EC Noise Directive 2003/10 in § 65(1) mit der Formulierung: „Arbeitgeber haben unter Berücksichtigung des Standes der Technik die Arbeitsvorgänge und die Arbeitsplätze entsprechend zu gestalten und alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, damit die Lärmeinwirkung auf das niedrigste in der Praxis vertretbare Niveau gesenkt wird. Unter Berücksichtigung des technischen Fortschrittes und der verfügbaren Maßnahmen ist auf eine Verringerung des Lärms, möglichst direkt an der Entstehungsquelle, hinzuwirken.“ In [189] heißt es, konkret auf MusikerInnen bezogen einerseits: „music should not be excluded from the scope of the Directive“, aber andererseits: „for music produced by musical instruments hearing protectors should only be recommended“. Natürlich kann man ambitionierten Musikern nicht zumuten, in anspruchsvollen Darbietungen etwa persönlichen Gehörschutz zu tragen. Wenn dies auch nur ein Teil des Ensembles täte, hätte das verheerende Auswirkungen auf das Klangergebnis aller. Nur wenn ein weniger fähiger Dirigent und rücksichtslose Kollegen am Werke sind, versuchen verantwortungsvolle Spieler sich wenigstens während der Proben in kleinen Räumen durch speziell angepasste „Ohrstöpsel“ ihr Gehör zu schützen. Nur so lassen sich Beurteilungspegel von über 90 und Spitzenpegel über 120 dB(A) nach [190, Tabelle 1] an bestimmten Plätzen im Orchester auch drastisch senken. Nirgendwo sonst liegen Hörgenuss und Hörverlust derart nah beieinander. Die bedauernswerte Zwangslage von Musikern in kleinen Räumen war deshalb auch Auslöser für eine lange Erfahrungskette im Fraunhofer IBP, die im Jahre 1991 in einem kleinen Schlagzeug-Keller einer Musikschule begann und 2003 mit dem Neubau des Großen Hauses des Staatstheaters Mainz seinen Höhepunkt fand. Heute kann das dabei
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 243
entwickelte Konzept der systematischen Bedämpfung des Bassbereichs zum Stand der Technik gezählt werden, der Musiker inzwischen schon in etlichen Orchestergräben und -proberäumen um einige entscheidende dB der ihr Gehör gefährdenden Schallpegel entlastet. a) Schlagzeug-Unterrichtsraum der Musikschule Waldenbuch Beim Unterricht in einem restaurierten mittelalterlichen Kellergewölbe (Abb. 11.70 (a)) erfüllten die tief klingenden Schlaginstrumente den nur 53 m3 großen Raum derart, dass es Lehrern und Schülern schwer fiel, die Klanganteile bei höheren Frequenzen differenziert wahrzunehmen. Das Auslegen eines Teppichs und die Anbringung von Schaumstoffplatten hatten natürlich keine Verbesserung gebracht. Die Messung in Abb. 11.70 (d) zeigt nämlich eine zu tiefen Frequenzen hin dramatisch bis auf 4 s kontinuierlich ansteigende Nachhallzeit. Der Schnitt in Abb. 11.70 (b) weist auf
Abb. 11.70. Tonnengewölbe (a) mit ihrer fokussierenden Wirkung (b) führen unweigerlich zum „Dröhnen“ bei tiefen Frequenzen. Membran-Absorber-Module, die kaum 7% seiner Oberfläche belegen (c), lindern das Problem, indem sie die Nachhallzeit von ca. 3 auf 1.5 s halbieren (d) [191]
244 11 Innovative Raum-Akustik
den Ursprung der Raum-Resonanz bei 70 Hz hin, bei welcher die Raumhöhe von 2.4 m nach Gl. (7.8) gerade einer halben Wellenlänge entspricht. Da mit Rücksicht auf den Denkmalschutz und die geringe Größe des Raumes eine Änderung seiner Struktur nicht in Frage kam, konnte das Problem nur mit besonders auf Frequenzen zwischen 63 und 500 Hz abgestimmten Absorbern angegangen werden. Dafür bot sich der in den 80er-Jahren als Schalldämpfer für hoch belastete Abgasanlagen entwickelte Membran-Absorber nach Abschn. 6.3 an. Er wurde in einer Dicke von 100 mm mit 0.2 mm dicken Lochmembranen aus Aluminium und Deckmembranen einerseits aus 0.5 mm dickem Stahl und andererseits 0.3 mm dickem Aluminium unter der Decke installiert, s. Abb. 11.70 (c). Der Vergleich der Nachhallzeiten in Abb. 11.70 (d) zeigt die starke Verbesserung durch die Belegung von nur 4.5 m2 der insgesamt 67 m2 Oberfläche des Raumes. Der Abstand von den Sollwerten nach [110] gemäß
Tsoll
0.45lg V 0.07
(11.31)
für „Musik“ entsprechend Kurve a in Abb. 1.30 ist zwar noch groß. Insbesondere die Lehrer empfanden aber die Entlastung während ihres stundenlangen Unterrichtens schon sehr wohltuend. Eine ausführlichere Darstellung dieses Falles mit einem Vergleich mit konventionelleren „TiefenSchluckern“ findet sich in [191]. b) Schlagzeug-Konzert im Musiksaal der Akademie des Schlosses Solitude Stuttgart
In historischen Gebäuden werden Säle mittlerer Größe wegen ihres attraktiven Ambientes gern für Konzerte genutzt. Sie sind heute oft absichtlich so karg eingerichtet, wie wohl niemals in ihrer langen Geschichte, um die schöne Gestalt und Oberfläche ihrer natürlich schallharten Decken, Wände und Böden besonders zur Geltung kommen zu lassen. Befinden sich genügend Zuhörer im Saal, so stellt sich die Nachhallzeit bei hohen und mittleren Frequenzen gemäß Gl. (11.27) recht günstig ein. Bei tiefen bleibt der Nachhall für empfindsamere Musiker und Zuhörer aber immer zu hoch. Bei Musikaufnahmen wird dies besonders problematisch, weil der Tonmeister kein probates technisches Mittel zur Verfügung hat, um das dumpfe „Dröhnen“ im Raum anders als durch eine drastische Frequenzbegrenzung zu eliminieren. Dieses Problem eskalierte bei Proben zu einem Schlagzeug-Konzert im 17 u 12.3 u 3.8 m = 795 m3 großen Raum nach Abb. 11.71, der schwach gegliedert ist, an den Längsseiten einige Fenster besitzt und für Konzerte auf einem Viertel seiner Grundfläche mit Teppich belegt wird. Zum Zeitpunkt
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 245
Abb. 11.71. In einem Raum, der bei tiefen Frequenzen „dröhnt“ (a), haben Tonmeister Probleme, die einzelnen Instrumente differenziert aufzunehmen. Membran-AbsorberStellwände (c, d) können, auch als „mitreisende“ Maßnahme, die Aufnahmebedingungen in widriger Umgebung verbessern, wie die Nachhallzeit vorher (strichliert) und nachher (durchgezogen) deutlich macht [191]
der Messung in Abb. 11.71 (a) befanden sich im Raum einige ungepolsterte Metallstühle, einige Musikinstrumente sowie, als akustische Verbesserungsmaßnahme, 9 ca. 1 × 2 m große Stellwände bestehend aus einer Holzplatte, beidseitig mit 5 cm dickem Schaumstoff mit pyramidenförmig strukturierter Oberfläche beklebt. So kann es nicht verwundern, dass die Nachhallzeit bis 100 Hz auf 4 s steil ansteigt. Mit den 70 bei der Aufnahme erwarteten Zuhörern wäre der Anstieg noch steiler ausgefallen. Deswegen wurden nach den Erfahrungen im Beispiel (a) [191] auf einen
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entsprechenden Hilferuf hin wiederum 100 mm dicke Membran-Absorber in transportablen Stellwänden (Abb. 11.99 (b)) als Ad-hoc-Maßnahme eingestellt. Die so wichtige Reduktion der Nachhallzeit bis 500 Hz in Abb. 11.99 (a) wurde mit insgesamt 18 m2 unterschiedlich abgestimmter, einseitig wirksamer Absorber, also einer Belegung von nur knapp 9% der Grundfläche erreicht. Bei dieser Anordnung frei im Raum entfalten diese Module bei der Decke/Boden-Resonanz von etwa 100 Hz eine äquivalente Absorptionsfläche von ca. A = 28 m2! Diese einfachen und reversiblen raumakustischen Maßnahmen wurden von den Musikern und dem Aufnahmeteam als wesentliche Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen wahrgenommen. Sie ermöglichten die Aufnahme mit einem Hauptmikrofon mit Nieren-Charakteristik in etwa 2.5 m Höhe, das eine gute räumliche Abbildung der einzelnen Instrumente ermöglicht, sowie einigen Stützmikrofonen in der Nähe der Instrumente, deren Pegel so eingestellt werden kann, dass ein ausgewogenes Klangbild der Aufnahme entsteht. Die Raumakustik wurde von allen Beteiligten in diesem Projekt als angenehm, nicht dröhnend sondern klar, die Aufnahme schließlich als sehr natürlich und transparent beurteilt. Die robusten, allseitig geschlossenen metallischen Absorber-Module eignen sich auch für den mobilen Einsatz bei Vor-Ort-Aufführungen und -Produktionen viel reisender Bands [192]. c) Orchestergräben
Auf den Podien großer Konzertsäle haben die Musiker hin und wieder Probleme des gegenseitigen Hörens und damit des Zusammenspiels, wenn nicht genügend reflektierende Flächen in ihrer Nähe angeordnet sind. In tiefen und weit überdachten Orchestergräben (Abb. 11.72) kommt es dagegen regelmäßig zu ganz anderen Problemen auf Grund zu starker Reflexionen von den üblicherweise schallhart belassenen Begrenzungsflächen. Das resultierende Schallfeld ist wie in stehenden Wellen vor reflektierenden Wänden ausgesprochen inhomogen [193] mit Pegeldifferenzen über 20 dB. Weil der ungedämpfte Raum zwischen den tiefsten Eigenfrequenzen praktisch nicht anregbar ist, bewirkt diese anomale Raumantwort eine massive Verfärbung des Klangbildes, je nachdem, wo Schallerzeuger und -empfänger zufällig sitzen oder stehen. In einem solchen ResonanzSchallfeld wird das Richtungshören untereinander praktisch unmöglich. Wenn der Graben bei einigen tiefen Eigenfrequenzen „dröhnt“, haben die Musiker sogar Schwierigkeiten, ihr eigenes Instrument richtig und deutlich zu hören. Die ersten Geigen meinen z. B., auf die reflektierende Vorderwand des Grabens angewiesen zu sein, um ihr eigenes Spielen kontrollieren zu können. Dies sind denkbar ungünstige Voraussetzungen für ein
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 247
Abb. 11.72. Das in sehr engen Orchestergräben, wie diesem im Großen Haus der Staatstheater Stuttgart, eskalierende Problem bei tiefen Frequenzen erfordert ein besonders „schlankes“ raumakustisches Konzept [193]
ausgewogenes und abgestimmtes Zusammenspiel. Sie verleiten dazu, dass sich jeder nur auf seinen eigenen Part konzentriert und im hoffentlich noch vorhandenen Blickkontakt zum Dirigenten sich ganz auf dessen „Körpersprache“ verlässt. Letzterer ist schliesslich der einzige, der aus dem akustischen „Sumpf“ etwas herausragt und einigermaßen den akustischen Überblick über sein Orchester behält. Wenn Musiker sich selbst kaum richtig hören können und Schwierigkeiten haben, die Mitspieler im Graben klar wahrzunehmen, dann darf man ihnen nicht übel nehmen, dass sie von sich aus nicht gut mit den Sängern auf der Bühne kommunizieren können. Unter solchen widrigen akustischen Verhältnissen hat natürlich auch der Dirigent alle Mühe, die Balance zwischen Graben und Bühne gerade so einzustellen, dass das Ergebnis im Zuschauerraum den Eindruck eines zusammengehörigen homogenen Klangkörpers vermittelt. Bei Neubauten kann man versuchen, den Orchestergraben nicht zu klein (mehr als die üblichen 1 bis 1.25 m2 pro Musiker!), möglichst flach und wenig überdacht zu bauen, so wie dies vor Jahrhunderten auch üblich gewesen ist. Auch durch die geometrische Gestaltung von Bühne, Zuschauerraum und vor allem des Proszeniumbereichs versucht man üblicherweise, die Übertragung von der Bühne in das Auditorium zu optimieren. Bei tiefen überdachten Gräben bleibt die Problematik aber solange erhalten, wie man sich nur oberhalb des Grabens um eine vernünftige Raumakustik bemüht: Die Sänger sind unter dem Dach mit Schallpegeln von 25 bis 30 dB unter dem der Musiker dort kaum wahrnehmbar („maskiert“); all zu oft
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wird auch der eigene Schall durch den aller anderen Musiker überkritisch „zugedeckt“. Während man sich über die Problematik der Akustik in den Orchestergräben seit langem klar ist, sind kaum Versuche bekannt geworden, bestehende Missstände nachträglich zu beheben oder auch nur zu lindern. Wo sich Akustiker hierzu äußern, überwiegt das Bemühen, das Orchester durch Tieflage und Überdachung zugunsten des Bühnenschalles zu „deckeln“. Dämpfende Massnahmen an Dach und Wänden hält man für entbehrlich oder gar schädlich [31], weil sie sich ungünstig auf das gegenseitige Hören und damit auf das Zusammenspiel auswirken könnten. G. M. Naylor [194] kommt typischerweise zu dem ratlosen Schluss: „Audiences at opera performances seem not to be particularly concerned with good acoustics as long as no major defects occur. A very common complaint, however, is that the orchestra is heard much too loudly relative to the singers. It has been confirmed that musicians playing in partially covered orchestra pits experience an acoustic environment quite different from that generally found on concert hall platforms. Problems both acoustical and non-acoustical seem to be more severe, and account for the high level of dissatisfaction felt amongst musicians towards orchestra pits. Whilst some improvements are undoubtedly possible in most pits, in a situation of such compromise as an opera house it is mostly unlikely that all the participants will ever be satisfied.“ Das Opernhaus der Staatstheater Stuttgart wurde 1910 erbaut und nach mehreren Umbauten in den 50er Jahren 1982 bis 1984 weitgehend wieder in den Originalzustand versetzt [195]. Es bietet 1399 Plätze im Parkett und in den drei Rängen. Abbildung 11.72 zeigt einen Grundriss des Orchestergrabens und die Bestuhlung im Parkett. Der nach oben durch den Bühnenboden abgeschlossene Teil des Orchestergrabens ist etwa 2 m hoch, der vordere offene Teil wird durch eine bis zu 3 m hohe Wand mit etwa 27 m Krümmungsradius zum Parkett hin begrenzt. Der Boden besteht aus Holzdielen, die gemauerten Wände sind nur verputzt und gestrichen. Bei Proben und Aufführungen von Opern mit großem Orchester traten die weiter oben beschriebenen Probleme auf. Da aber insbesondere der Generalmusikdirektor gleichzeitig sehr hohe Anforderungen an Sänger und Musiker stellte, wurden verschiedene, leider ziemlich untaugliche Versuche unternommen, die Schallpegel im Orchestergraben zu senken und dadurch auch die Balance mit der Bühne zu verbessern. So wurde für manche Produktionen auf dem Grabenboden ein großer Teppich ausgebreitet. An der Rückwand unter dem Dach wurden Weichschaum-Platten befestigt. Wenn bestimmt Instrumentengruppen (vor allem die Hörner) trotzdem noch zu stark zu hören waren, mussten sie sich in Probenpausen weitere „Akustik-Materialien“ besorgen und diese irgendwo in ihrer Nähe
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anbringen. All dies trug verständlicherweise nicht gerade zu einem guten Arbeitsklima bei, in dem erstklassige Musiker-Individuen gemeinsam Spitzenleistungen hervorbringen können. Als bei der Uraufführung von H. Zenders Oper „Don Quijote“ das Problem der Trennung einzelner Stimmen im Orchestergraben zur Realisierung komponierter „Playback“-Effekte auftrat, halfen die Akustiker des IBP zunächst wiederum mit mobilen Stellwänden aus. Sie bestanden gemäß Abb. 11.73 (a) aus einem Unterteil, in welchem wiederum Membran-Absorber tiefe Frequenzanteile schlucken und einem Kopfteil aus Acrylglas, welches die oft besonders lauten Schallanteile bei höheren Frequenzen abschirmt, ohne den Sichtkontakt zwischen den Musikern zu behindern. Weil diese Maßnahmen zur Absorption und Reflexion innerhalb eines Orchestergrabens überzeugten, kamen die Verantwortlichen Anfang 1993 überein, gemeinsam das umfassende Problem der akustischen Arbeitsbedingungen der Musiker in ihren Gräben nachhaltig und dauerhaft zu lösen. Die Skepsis der Musiker gegenüber den Absorber-Elementen war anfänglich groß und durchaus verständlich. Von den zuvor bei „Don Quijote“ eingesetzten Stellwänden wusste man schon, dass von diesen Elementen eine erhebliche Wirkung auf das Schallfeld selbst des eigenen Instrumentes ausgeht. Einige befürchteten daher, dass die großflächige Anbringung in ihrer unmittelbaren Nähe die Maskierung des eigenen Klanges durch die anderen verstärken könnte. Die ersten Violinen konnten sich kaum vorstellen, ohne die schallharte Vorderwand auskommen zu können. Die Kontrabässe befürchteten, mit Absorbern im Rücken, es noch schwerer zu haben durchzudringen. Die Hörner schliesslich meinten zunächst, eine Klangverfärbung beim Blasen gegen die Absorber wahrzunehmen. Um die Musiker von dem neuartigen Konzept zu überzeugen, dem Raum seine knallharten Eigenschaften etwas abzugewöhnen, musste daher in zwei Schritten vorgegangen werden: In der Sommerpause 1993 wurden mobile, teilweise eigenständige Wand-Elemente nach Abb. 11.73 (b) provisorisch an der Vorderwand des Orchestergrabens eingebaut. Obgleich diese Einbauten alles andere als schön aussahen und zu einigen Stolpereien über vorstehende Kanten führte, wurde die Verbesserung auf Anhieb so deutlich wahrgenommen, dass sie während der Proben und sogar für die Premiere der „Meistersinger von Nürnberg“ so installiert blieben. Als man in einem weiteren Selbstversuch feststellte, dass die zuvor verwendeten Materialien (Teppiche und Schaumstoffplatten) nun auch keine weitere Verbesserung mehr brachten, war die Bereitschaft auf breiter Front gewachsen, den festen Einbau der Module in die Wände und in das Dach zuzulassen. Die dauerhaften Massnahmen nach Abb. 11.74 wurden in der Sommerpause 1994 durchgeführt. Dabei wurden auch nie benutzte Heizkörper in
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Abb. 11.73. Passende Stellwände (a) können bei kleiner Besetzung zur Differenzierung der Stimmen beitragen. Bei großen müssen die Begrenzungsflächen mit geeigneten Absorbern belegt werden (b). Dauerhaft geschieht dies durch unterschiedlich abgestimmte Wand- und (wo möglich) auch Deckenelemente (c, d)
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Abb. 11.74. Vorderwand des Grabens nach Abb. 11.72 mit breitbandig wirksamen, teilweise geschichtet aufgebauten Absorbern (a) und Rückwand mit schachbrettartig angeordneten, unterschiedlich abgestimmten Absorbern
der Vorderwand entfernt, um in ihren Nischen zusätzlichen Platz für einige ca. 200 mm tiefe Module aus Membran-Absorbern (hinten) und verhautetem Weichschaum (vorn) mit Lochblech-Abdeckungen zu schaffen. Die Membran-Absorber wurden schwarz lackiert, die Weichschaumelemente mit einem nicht brennbaren Vlies hinter dem Lochblech überzogen, damit sich die neuen Wandelemente gut an die dunklen Oberflächen des Grabens anpassten. Nur hinter dem Dirigenten wurde eine große Fläche weiß gehalten, damit seine Bewegungen für alle gut sichtbar würden. An der Rückseite des Orchestergrabens unter der Bühne wurde ein Raster von einzelnen gegeneinander tauschbaren Elementen gleicher Größe (Abb. 11.73 (c) und (d)) an die Wand gehängt. Die Einzelaufhängung der Elemente erlaubt auch einen späteren Wechsel der Absorptionscharakteristik verschiedener Wandbereiche, wenn sich die Sitzordnung stark ändern sollte. Die konkav gekrümmte Vorderseite des Orchestergrabens besteht aus einer etwa 50 cm dicken tragenden gemauerten Wand. Durch das Einziehen von Oberzügen konnten Nischen von 10 bis 20 cm Tiefe an einigen Stellen geschaffen werden, in die dann Absorber bündig zur Wandoberfläche montiert wurden. Ein einfaches Aufhängen der Absorber war nicht möglich, da der Boden im vorderen Teil des Orchestergrabens bis auf Bühnenhöhe komplett hochzufahren ist. Hier wurden die Absorber für jede Nische speziell auf Maß gefertigt. Schliesslich wurde auch noch an der vorderen Kante der Decke des Orchestergrabens, also unmittelbar an der Grenze zwischen geschlossenem und offenem Teil des Grabens ein 50 cm
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Abb. 11.75. Klarheits-Maß ohne (fette), mit provisorischen (dünnere) sowie dauerhaft installierten Absorbern (strichlierte Kurven) an einem Platz unter dem Überhang (a) bzw. beim Dirigenten (b), gemessen mit „Kunstkopf“ (c), Sender stets unter dem Überhang
breiter Streifen unverhautetem 10 cm dicken Schaumstoffes in die dort vorhandene Holzdecke integriert. Auch dieser Schaum wurde mit einer Lochblechabdeckung dauerhaft geschützt. Mit der in Abb. 11.75 dokumentierten starken Erhöhung der Klarheitsmaße im gesamten interessierenden Frequenzbereich wird auch objektiv nach einem anerkannten Kriterium der klassischen Raumakustik bestätigt, dass die durchgeführten absorbierenden Massnahmen das gegenseitige Hören (die akustische Transparenz nach Abschn. 11.5) im Orchestergraben erheblich verbessert haben. Auch der Dirigent kann jetzt die einzelnen Stimmen besser als vorher verfolgen und Feinheiten des Gespielten beurteilen. Da jetzt das „Dröhnen“ des Raumes und die damit verbundene „Maskierung“ einzelner Stimmen stark abgebaut ist, wurde der vorher beklagten Tendenz zum Lautspielen nach Abschn. 3.4 erfolgreich entgegengewirkt. Die Musiker werden dadurch vor vorzeitiger Ermüdung und allmählichem,
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sozusagen berufsbedingtem Hörverlust geschützt [194]. Bereits nach gut einem Jahr der Gewöhnung aller Beteiligten an die durchaus veränderten akustischen Arbeitsbedingungen äußerte sich der Orchestervorstand auf Befragen nur positiv. Er gibt aber auch mit einem Augenzwinkern zu, dass die Arbeit mit einem anspruchsvollen Dirigenten nun in ganz anderer Weise anstrengender geworden ist: auch kleinere „Schnitzer“ in rythmischen oder klanglichen Bereich werden jetzt auffälliger hörbar und entsprechend geahndet. Dagegen stellten sich alle bei den ersten Diskussionen von den Musikern vorgetragenen Bedenken als unbegründet heraus. Sogar die Bässe können sich nun etwas besser hörbar machen, weil die so „gezähmte“ Raum-Akustik die Frequenzanteile zwischen zwei Resonanzgipfeln ja nicht, wie befürchtet, dämpft sondern sogar etwas anhebt. Die derart verbesserten Randbedingungen erleichtern es dem Dirigenten, im Graben selbst und mit der Bühne eine bessere Balance herzustellen, so dass auch der Klangeindruck im Zuschauerraum besser werden kann. So konnten die auch von J. Meyer [32, S. 203] beschriebenen akustischen Nachteile der seit dem 19. Jahrhundert mit den stark vergrößerten OpernOrchestern notwendig gewordenen, stark überdeckten Orchestergräben zumindest teilweise abgebaut werden: „Das Absenken des Orchesterraumes wirkt sich natürlich auch in starkem Maße auf den Klang der Instrumente, vor allem für die Zuhörer im Parterre aus. Da die tiefen Frequenzanteile besser um die Wand der Orchesterwanne herumgebeugt werden, wirkt der Klang des Orchesters im Parkett dunkler und weniger brillant als auf den Plätzen, von denen aus man die Spieler sehen kann oder als im Konzertsaal. Zugleich wird das Klangbild auch weniger durchsichtig, so dass manche Details in den Instrumentalstimmen verloren gehen. Diese Erscheinung war schon von Berlioz an den seinerzeit neuen, tiefliegenden Orchestergräben gerügt worden. Eine zunehmende Absenkung verstärkt diese Effekte zwar, bewirkt aber zugleich auch eine bessere Balance zwischen dem Orchester und den Sängern, zumal wenn letztere Schwierigkeiten haben, sich gegen eine große Besetzung durchzusetzen. Die Abschwächung der hohen Frequenzanteile und die geringe Deutlichkeit des Orchesterklanges lassen zumindest die Artikulation der Gesangsstimmen stärker hervortreten, wenngleich auch die Aussagekraft der Instrumentalstimmen dabei abnimmt. Für die Opern Mozarts und seiner Zeitgenossen und auch mancher Werke des frühen 19. Jahrhunderts sollte dagegen dem Orchesterklang mit den zur Verfügung stehenden akustischen Mitteln zu möglichst großer Durchsichtigkeit verholfen werden. In diesem Zusammenhang sei auch drauf verwiesen, dass Mozart selbst nach einem Besuch seiner „Zauberflöte“, deren beide Akte er auf verschiedenen Plätzen hörte, zum Ausdruck brachte, dass sich die Musik in einer Loge nahe am Orchester viel besser ausnimmt als auf der Galerie.“
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Hier wurden also früher bereits zaghaft begonnene absorbierende Maßnahmen konsequent weiterentwickelt und durchgesetzt: nach [32] wurden für die Fagotte der alten Dresdener Staatsoper seitlich Vorhänge angebracht. Das neue Festpielhaus in Salzburg besitzt sogar auswechselbare Wandelemente unterschiedlichen Schallschluckgrades. Dass sich diese Absorber nicht allgemein in Orchestergräben durchsetzen konnten, erklärt sich vielleicht daraus, dass sie mit den herkömmlichen Dämpfungs-Materialien aus Mineralwolle nur bei mittleren und hohen Frequenzen wirksam werden konnten, bei den für kleine Räume aber viel wichtigeren Frequenzen unter 200 Hz so gut wie wirkungslos bleiben mussten. Für eine nachhaltige und dauerhafte Installation, wie sie in den hier geschilderten Projekt wohl erstmals geplant und ausgeführt werden konnte, waren drei Fakten entscheidendt für den Erfolg: – Die Erfahrung und Befürchtung der Musiker konnten sorgfältig analysiert und mit allen Beteiligten ausdiskutiert werden. Nichts wurde ohne die Möglichkeit einer Korrektur eingebaut (in zwei gut überlegten Schritten). – Die absorbierenden Massnahmen waren stets breitbandig, vor allem auch im Hinblick auf die für das „Dröhnen“ verantwortlichen tiefen und tiefsten Frequenzen, ausgelegt. Dadurch wurde eine natürliche und erwünschte Klangverfärbung und der von vielen zunächst befürchtete Verlust von Brillanz erfolgreich vermieden. Nach dem Zwischenergebnis mit den provisorisch aufgestellten Absorbern wurde der Anteil der speziellen Tiefen-Absorber für die dauerhafte Installation mit Bedacht nochmals gegenüber den Mitten- und Höhen-Schluckern auf ca. 50% erhöht. – Im offenen Teil des Grabens, insbesondere an dessen Vorderwand, wurden die verschieden abgestimmten Absorber ziemlich gleichmäßig verteilt. Den ersten Geigen wurde aber mit den beiden mittleren und hohen Frequenzen reflektierenden Membran-Absorbern eine bei Forte-Stellen hilfreiche Wand belassen. Im geschlossenen Teil des Grabens, wo die eigentlich kritischen Instrumentengruppen untergebracht sind, wurden die Absorber, soweit dies eben geht, auf diese jeweils individuell angepasst. So finden die Hörner z. B. in ihrer unmittelbaren Nähe nur Membran-Absorber vor. Der nächste „Hilferuf“ kam vom Stadttheater Flensburg, wo sich ein etwa zur Hälfte bedeckter Orchestergraben (Abb. 11.76) mit seiner Grundfläche von ca. 80 m2 befindet. Die Beschwerden des Orchesters reichten von schlechter Transparenz, das eigene Spiel sei schlecht zu beurteilen, über schlechte Kommunikation zwischen den Instrumentengruppen bis zu unnötig hoher Lautstärke. Hier wurden hauptsächlich VPR nach Abschn. 5.3 eingebracht (Abb. 11.76 (b)). Der Erfolg ist eindeutig in der Nachhallzeit (Abb. 11.76 (c)) sichtbar. Sie wurde besonders bei tiefen Frequenzen im
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Abb. 11.76. Grundriss (a) und VPR-Module an der Rückwand unter dem Überhang im Orchestergraben des Stadttheaters Flensburg (b) und Nachhallzeiten (c) im Auditorium (●○) sowie im Graben (■□) vor (dunkel) bzw. nach (hell) dem Einbau von TiefenSchluckern
Graben geglättet. 90% der Musiker stellten eine Verbesserung fest. Die Hälfte davon fand die Verbesserungen sogar sehr deutlich. Durch die verbesserten raumakustischen Bedingungen können die Musiker sich jetzt selbst und andere Spieler besser hören; dadurch hat der Dirigent das Ensemble besser „im Griff“. Dies trägt indirekt zur Absenkung des mittleren Lautstärke-Pegels im Orchestergraben bei. Das behutsamere Spiel fiel auch der Intendanz auf. Auf deren besonderen Wunsch wurde der raumakustische Status im Orchestergraben, an der Dirigentenposition und im Zuschauerraum mit und ohne die Verbesserungsmaßnahmen im Orchestergraben sorgfältig messtechnisch dokumentiert. Während sich die Nachhallzeit im Orchestergraben deutlich verändert hat, zeigt die im Vergleich zur im Zuschauerraum schon vorhandenen
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Absorption geringe Menge zusätzlicher Absorber hier erwartungsgemäß keinen Einfluss (s. obere Kurven in Abb. 11.76 (c)). Der Intendant hielt danach positiv fest, dass: „durch die von Ihnen angeregten Absorber eine deutliche Verbesserung für den Orchesterklang im Orchestergraben für die Musiker bewirkt hat, ohne dass es zu Verschlechterungen im Zuschauerraum gekommen ist. Ihren Empfehlungen folgend lasse ich jetzt in Schleswig im hinteren Teil des Orchestergrabens einen Teil absenken, an den Wänden haben wir Ihre empfohlenen Absorber aus Flensburg angebracht, und im Moment wird die Brüstung des Orchestergrabens zum Zuschauerraum soweit es geht abgebrochen und durch eine neue akustisch durchlässige ersetzt“. Die Staatsoper Mainz wurde kernsaniert; Zuschauerraum und Bühnenhaus wurden neu gestaltet, s. Abschn. 11.6.6 und [196]. Die übliche Besetzungsstärke im Orchestergraben sind ca. 80 Musiker bei einer Grundfläche von ca. 130 m2. Davon ist ca. 50% durch einen Überhang bedeckt. In diesem Haus konnte das vorgestellte raumakustische Konzept zur Optimierung der Arbeitsbedingungen von Musikern erstmals in einem Neubau von vornherein umgesetzt werden. Der Orchestergraben wurde unter Berücksichtigung der üblichen Besetzung mit insgesamt ca. 78 m2 VPR und BKA an seinen Wänden und der Überhangdecke versehen (vgl. Abb. 11.98). Zwecks Anpassung an unterschiedliche Besetzungsstärken und Aufstellungen können außerdem bis zu 10 mobile Absorber (BKA) eingebracht werden. Das Aalto Theater Essen besitzt mit einer Grundfläche von ca. 145 m2 für 44 bis 82 Musiker einen relativ großzügigen Orchestergraben (Abb. 11.77 (a)). Die Hälfte davon befindet sich jedoch unter einem Überhang. In einem neuen Theater wie diesem war wohl schon beim Bau bis 1988 die Problematik der akustischen Belastungen in Orchestergräben bekannt. Jedenfalls wurden unter dem Überhang und an der Rückwand ganzflächig konventionelle poröse Absorber eingebaut. Wie Beschwerden zeigen, waren diese Standard-Maßnahmen aber nicht erfolgreich. Zwar wurden die Konzertmeister- und die Dirigenten-Positionen positiv beurteilt. Im Graben wurden aber das „Blech“ als zu laut und die „Streicher“ als zu schwach wahrgenommen. Außerdem wurde der Kontakt zwischen den Instrumentengruppen im linken und rechten Teil des Grabens bemängelt. Die übliche Orchesteraufstellung ist in Abb. 11.77 (b) dargestellt. Zwischen ca. 7 m entfernten Messpunkten wurde sowohl unter als auch außerhalb des Überhangs das Stärke-Maß G nach Abschn. 11.1.6 gemessen. Es ist unter dem Überhang, insbesondere im tiefen Frequenzbereich, deutlich größer als das im freien Teil gemessene (Abb. 11.77 (d)). Außerdem steigt das Stärke-Maß unter 500 bzw. 250 Hz zu tiefen Frequenzen hin stark an, was zur Verdeckung der für das Ensemble-Spiel besonders wichtigen höheren durch die tieferen Frequenzen führt. Entsprechend dem
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Abb. 11.77. Im relativ großen Orchestergraben des Aalto Theaters in Essen (a) wurden untaugliche raumakustische Maßnahmen durch an die dort vorherrschende Sitzordnung (b) angepasste Absorber (c) an der Rückwand und unter dem Überhang ersetzt, die das außerhalb (○), aber besonders unterhalb (■) des Überhangs zu tiefen Frequenzen hin ansteigende Stärke-Maß (d) reduzieren [197]
vorgestellten innovativen Ansatz zur Verbesserung der akustischen Arbeitsbedingungen ist für diesen Graben der Vorschlag in Abb. 11.77 (c) umgesetzt worden [197]. Die Lage im Graben des Staatstheaters Koblenz war so ernst, dass durch die Berufsgenossenschaft erwogen wurde, die Arbeitsstätte bis zur Verbesserung der akustischen Arbeitsbedingungen zu schließen. Bezüglich seiner Dimensionen stellt dieser Orchestergraben das Gegenteil vom Graben in Essen dar. Er ist bloß 70 m2 groß und davon sind ca. 55% durch einen Überhang bedeckt. Hier und in weiteren Orchestergräben in Theatern in Rendsburg, Duisburg, Aachen und Regensburg, sowie im Royal Opera House Covent Garden in London und dem Hippodrome Theatre in Birmingham kam oder kommt das neuartige raumakustische Konzept mit kleinen Variationen, die lokale Besonderheiten berücksichtigen, inzwischen zu einer breiten Anwendung.
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d) Orchester-Probensäle
Bei der raumakustischen Gestaltung von Probenräumen für große Besetzungen wurde in der Vergangenheit häufig versucht, den Musikern und Sängern einen Raumeindruck ähnlich dem in viel größeren Auditorien, so gut es eben geht, nachzubilden, auch wenn das Raumvolumen dafür regelmäßig viel zu klein war. In Probenräumen steht auch nicht das musikalische Ergebnis für hier eher unerwünschte Zuhörer im Vordergrund, sondern das gegenseitige Hören der Musiker untereinander und die Kommunikation mit dem Dirigenten. Es wird sozusagen „im Trockenen“, wie auf einem Prüfstand, geprobt. Dementsprechend sind an diese meist viel kleineren Räume grundsätzlich andere Anforderungen als an Auditorien zu stellen. Hier scheint sich in letzter Zeit ein gewisser Wandel vollzogen zu haben [32, 198 bis 200]; allgemein anerkannte Richtlinien für die Akustik in Probenräumen fehlen aber bis heute. Das Orchester der Staatstheater Stuttgart kann auf eine 400-jährige Geschichte zurückblicken. Mit der mehrfachen Auszeichnung des Großen Hauses als „Oper des Jahres“ unter der Intendanz von K. Zehelein und unter der Leitung seines 1999 als „Dirigent des Jahres“ gelobten GMD L. Zagrosek hat es eine außergewöhnliche Leistungsfähigkeit bewiesen. Aber auch seine Leidensfähigkeit ist zu bewundern, denn die Musiker und Sänger mussten in ihrem einzigen Probenraum lange unter eigentlich unzumutbaren ergonomischen Bedingungen arbeiten. Im 22 u 16 u 5.9 m = 2 077 m3 großen Raum waren (abzüglich eines abgestuften Podiums) bei einer Besetzung mit 100 (maximal: 160) Musikern nur weniger als 19 (minimal: 12) m3 pro Person in diesem Raum vorhanden. Man hatte zwar schon früher versucht, durch Anbringung ziemlich untauglicher massiver Diffusoren an der Front- und an den Seitenwänden, vor denen einmal Stoff-Rollos abgesenkt werden konnten, eine stark absorbierende Verkleidung der Rückwand sowie eine absorbierende Verkleidung der Decke über den Streichern (Abb. 11.78) die Raumakustik zu verbessern. Trotzdem klagten die Nutzer zu Recht über – ein die Ohren geradezu betäubendes Schallfeld (hohe Lautstärke) – undifferenziertes gegenseitiges Hören (fehlende Transparenz) – Schwierigkeiten, sein eigenes Klangergebnis zu erfassen (schlechte Kontrolle) mit der unausweichlichen Folge mangelhafter Kommunikation untereinander und mit dem Dirigenten sowie rascher Ermüdung bis hin zu Krankmeldungen wegen dieser hohen physischen und nervlichen Belastungen mit unvermeidbaren Hörverlusten [201]. Besonders wurde die schlechte Übertragung von den 1. Violinen zu den Violen (also quer im Raum)
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Abb. 11.78. Die „Probebühne“ der Staatstheater Stuttgart mit ihren gut gemeinten Schall absorbiernden und streuenden Maßnahmen vom Standort der Pauken (a) und über dem Chor-Podium (b) sowie Nachhallzeit (c) vor der Sanierung
sowie längs des Raumes zwischen Streichern und Chor (Abb. 11.79 (a)) bemängelt. Umfangreiche raumakustische Messungen im Frühjahr 1998 [60] bestätigten die subjektiven Bemängelungen. Die Nachhallzeit (Abb. 11.78 (c)) ist mit etwa 1 s fast unabhängig von der Frequenz für einen derart großen Raum eigentlich akzeptabel. Das Klarheits-Maß nach Abschn. 11.1.8 in Abb. 11.80 weist aber, z. B. gemessen von den Violen zum Chor bzw. von der Harfe zum Dirigenten, mit C80(3) = 1.9 bzw. +2.4 dB sehr niedrige Werte auf. In enger Abstimmung mit dem Hochbauamt, den Verantwortlichen der Staatstheater und den diversen Nutzern wurde deshalb ein durchaus neuartiges Konzept zur nachhaltigen Verbesserung des Raumeinflusses auf die Arbeitsbedingungen in diesem Probenraum vorgeschlagen und zusammen mit der Firma KAEFER Isoliertechnik während der SommerSpielpause 1999 im Zusammenhang mit einer ebenso dringlichen Erneuerung der Klimaanlage baulich umgesetzt [60]:
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– Entfernung aller raumakustisch motivierten Bauelemente von den Wänden, – Vergrößerung des effektiven Raumvolumens von ca. 2 000 auf ca. 2 800 m3 durch Wegnahme der gesamten abgehängten Deckenkonstruktion (s. Abb. 11.79 (b) und (c)), – Einbau von insgesamt 177 unterschiedlich abgestimmten, jeweils 1.5 u 1 u 0.1 m großen, VPR-Modulen als Tiefen- und Mitten-Absorber nach Abschn. 5.3 an den Front- und Seitenwänden (Abb. 11.81) sowie an der Decke (Abb. 11.82 (a)), – dauerhafte Anbringung von insgesamt 70 m2 mikroperforierter transluzenter Folien-Absorber nach Abschn. 9.2 als Mitten- und Höhenabsorber, aber auch aus optischen Gründen vor den VPR-Modulen an den Wänden, – Abhängung von insgesamt 51 Reflektoren aus Aluminium-SandwichPlatten mit den Abmessungen 2 u 1 m bzw. 1.6 u 1 m von der Art wie in [132] beschrieben, 5.5 m über dem harten Boden, zur gezielten Lenkung und Verteilung der Schallenergie (s. Abb. 11.82). yDie VPR an den Seitenwänden wurden zwischen bestehenden Schotten montiert, die zweilagigen Folien im Abstand von 100 und 30 mm davor aufgespannt, s. Abb. 11.83. Die Dicke der Schwingplatten aus Stahl in den VPRModulen wurde detailliert ausgewählt und mit Bedacht in den verschiedenen Flächen, Kanten und Ecken des Raumes so platziert, dass sie ihre dämpfende Wirkung im Hinblick auf die vorherrschende Quellenverteilung optimal
Abb. 11.79. Bei vorgegebenem Grundriss (links) konnte eine wesentliche Vergrößerung des Raumes vor allem durch die Entfernung der leichten Unterdecke (c) erreicht werden
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Abb. 11.80. Durch die akustische Sanierung [202] konnte das Klarheits-Maß C80, z. B. gemessen von den Bratschen zum Chor (a) oder von der Harfe zum Dirigenten (b) deutlich angehoben werden
entfalten können. Auch die Ausrichtung der schachbrettartig verteilten Reflektoren wurde, wie seinerzeit im Zuschauerraum des Kleinen Hauses [132], mit Hilfe eines Laser-Pointers exakt auf die verschiedenen Instrumentengruppen ausgerichtet, wobei die große Zahl eine kräftige Unterstützung der im Ausgangszustand als schwach erkannten Übertragungswege ermöglichte. Trotz seiner erheblichen Vergrößerung weist der leere Raum nach diesen massiven Umbauten eine etwas kleinere Nachhallzeit von ca. 0.8 s über einen breiten Frequenzbereich auf (Abb. 11.84 (a)). Dieser Wert liegt ziemlich genau bei dem Sollwert (im besetzten Zustand) nach [110] für „Unterricht“, vgl. Kurve c in Abb. 11.30. Der schwache Anstieg zu tiefen
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Abb. 11.81. Die Seitenwände (z. B. oben) und die Wand hinter dem Dirigenten (unten) wurden mit tief abgestimmten VPR-Modulen zwischen vorhandenen Schotten belegt
Frequenzen sollte für diesen Fall (Musik) nicht von Nachteil sein. Dieses Ergebnis entspricht auch den Vorstellungen, die in [199] für OrchesterProbenräume formuliert wurden. Das Klarheits-Maß C80(3) schwankte, über alle in [60] dokumentierten Messkonstellationen gesehen, um 7.1 dB (1.9 bis +5.2 dB) vor den Umbauten, danach nur noch um 3.5 dB (+3.4 bis +6.9 dB). Diese wesentliche
Abb. 11.82. Auch die Decke wurde mit VPR-Modulen dicht belegt (a). Eine Vielzahl von abgehängten Reflektoren (b) dient der gezielten Schalllenkung im Raum
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Abb. 11.83. Die den Eingängen gegenüber liegende Wand während der Montage der zweilagigen mikroperforierten Folien vor den VPR-Modulen zur Dämpfung auch mittlerer Frequenzanteile
Verbesserung ist besonders deutlich in Abb. 11.112 zu erkennen für die Schallübertragung von den Violen zum Chor (a) und von der Harfe zum Dirigenten (b). In Abb. 11.84 (b) ist exemplarisch eine der gemessenen Impulsantworten dargestellt. Sie zeigt einen sehr gleichmäßigen Nachhallvorgang im Raum ohne störende Echos von den Begrenzungsflächen. Noch wichtiger als die objektive Analyse ist im Falle einer völligen Umgestaltung der Akustik die subjektive Beurteilung der Nutzer: Sie freuen sich „unisono“ über eine geringere mittlere Lautstärke, können also mit entsprechend größerer Dynamik nach Gl. (11.30) musizieren, Feinheiten der Partitur besser zum Ausdruck bringen und sich gegenseitig besser hören und mitteilen. Stressfaktoren wurden abgebaut, die Probenarbeit allerdings noch anspruchsvoller, weil der ambitionierte Dirigent wegen der verbesserten akustischen Transparenz nun auch seine Kontrolle gezielter ausüben kann. Besonders wird jetzt die Prägnanz der Pizzicati der Bässe hervorgehoben und wohltuend wahrgenommen, dass ein Paukenschlag den Musikern nicht mehr ungedämpft „in die Glieder“ fährt. Auch der Intendant spricht von körperlich spürbaren Veränderungen, die er in diesem Ausmaß nicht für möglich gehalten hätte, und schreibt dankbar: „Um es kurz zu sagen: alle sind begeistert von der total neuen Akustik! Ich selbst war auf verschiedenen Proben, zuletzt auf einer Sitzprobe von Prokofjews „Liebe zu den drei Orangen“, wo ca. 160 Menschen in dem von Ihnen akustisch definierten Raum arbeiteten.“ Der Orchester-Probenraum des Staatstheaters Mainz (Abb. 11.85), der bereits vor der Neugestaltung des Großen Hauses (s. Abschn. 11.6.6) von einer anderen Planungsgruppe erstellt wurde, wies ebenfalls von Anfang an gravierende Mängel auf, die mit eigenen Mitteln des Hauses nicht behoben werden konnten. Mit einer Grundfläche von nur 120 m2 und einem
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Abb. 11.84. Nachhallzeit (a) des leeren (○) bzw. mit 100 Musikern besetzten Probenraumes (■)des Stuttgarter Probenraumes sowie Impulsantwort (b) gemessen von den 1. Violinen zu den Bratschen
auch noch schlecht zu nutzenden Volumen von nur 1 200 m3 für bis zu 100 Musiker wäre der Raum selbst bei einer günstigeren Grobstruktur, als viel zu klein einzustufen. Wenn man noch die schlechte Anordnung absorbierender und reflektierender Flächen betrachtet, verwundert es nicht, dass die Musiker u. a. die hohe Lautstärke, das schwierige Ensemblespiel sowie den akustischen Gesamteindruck des Raumes bemängelten [202]. Nachhallzeiten von über 1.5 s (Abb. 11.86 (a)) und Klarheits-Maße bis 3 dB für viele Übertragungswege (Abb. 11.86 (b)) verlangten nach einer grundlegenden Sanierung.
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Abb. 11.85. Ungünstiger Grundriss (a) sowie untaugliche Schall lenkende und dämpfende Maßnahmen (b) sorgten in Mainz für eine weit gehende Frustration von Nutzern wie Betreibern über die Akustik ihres neuen Probenraumes
Abb. 11.86. Die für das kleine Volumen zu hohe Nachhallzeit (a) im Ausgangszustand (Ÿ) stieg zwar nach dem Entfernen von Unterdecke und Vorsatzschalen noch an, konnte aber durch innovative Maßnahmen reduziert und vergleichmäßigt werden (leer: Ɣ; besetzt: ż). Das Klarheits-Maß C80(3) ließ sich an allen Messpunkten für Sender bei M2 (b) bzw. M6 (c) von vorher (Ŷ) zu nachher (Ɣ) anheben
266 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.87. BKA-Module z. B. in der rechten „Seitentasche“ und Reflektoren über dem eigentlichen Probenraum (a) sowie VPR-Montage hinter einer akustisch transparenten Vorsatzschale an einer Seitenwand des Mainzer Probensaales (b)
Anders als im zuvor besprochenen Falle, war hier aber keine Volumenvergrößerung (leider auch keine Strukturveränderung) möglich. Um die langen Laufwege in den zwei „Taschen“ unschädlich zu machen und den Nachhall zu reduzieren, wurden alle Wände und Teile der Decke gezielt (die vorherrschende Orchesteraufstellung berücksichtigend) mit unterschiedlich abgestimmten VPR- und BKA-Modulen belegt und teilweise mit akustisch transparenten Holzverkleidungen versehen, s. Abb. 11.87. So konnte eine Nachhallzeit gemäß Abb. 11.86 (a) von 0.6 bis 0.7 s im mit ca. 70 Personen besetzten Raum eingestellt werden. Außerdem wurden über dem Orchester auch nachträglich leicht verstellbare große Reflektoren zur Verbesserung der Schallübertragung zwischen den Instrumentengruppen und zum Dirigenten installiert (Abb. 11.87 (a)). Das Klarheits-Maß ließ sich so gemäß Abb. 11.86 (b, c) auf (im Mittel) über +5 dB erhöhen. e) Andere Probenräume
Das Gehör und die Nerven belastende Arbeitsbedingungen sind nicht nur in den weiter oben diskutierten Räumlichkeiten für unzählige Künstler täglich traurige Realität. Mehr noch als in den Sälen für großes Orchester vermisst man in fast allen Proben-, Einspiel- und Unterrichtsräumen selbst namhafter „Kunst-Tempel“ jeden Ansatz für eine wirklich funktionsgerechte Akustik. So wird ständig mit der Gesundheit hoch qualifizierter Menschen „gespielt“ und wertvolle Produktivität vergeudet. Das trifft für Instrumentalisten ebenso zu, wie für Chor- und Ballettgruppen in ihren oft nicht oder nur schlecht konditionierten Umgebungen. Der Chor-Probenraum in Abb. 11.88 zeigt z. B. eine zu tiefen Frequenzen hin stark (bis auf 2 s!) ansteigende Nachhallzeit. Daran ändern auch
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 267
Abb. 11.88. Mangelhafter Ausgangszustand des Chor-Probenraumes der Staatstheater Stuttgart mit ungeeigneten Absorbern (dicke Vorhänge und Teppich) und Diffusoren (a) sowie Nachhallzeit (b) mit (●) bzw. ohne (□) ausgezogene Vorhänge
schwere Vorhänge vor einer Wand und ein auf dem Boden ausgebreiteter Teppich nicht viel, oder etwa die kleinen sphärischen Diffusoren an Decke und Wänden. Auch hier soll versucht werden, durch Öffnen eines Dachraumes über diesem Saal dessen Volumen-Kennzahl nach Gl. (11.3) von jetzt 9 auf wenigstens 12 m3 zu erhöhen. Mit absorbierenden und reflektierenden Bauteilen wie zuvor beschrieben sollte es dann gelingen, den Künstlern hier wie in vielen anderen akustischen „Folterkammern“ deutlich Erleichterung bei ihrer anspruchsvollen Tätigkeit zu verschaffen. Dadurch könnten nicht nur das künstlerische Ergebnis und die Zufriedenheit am Arbeitsplatz gesteigert werden; auch die in Deutschland für Berufskrankheiten aller Art zuständigen (und zahlungspflichtigen!) Genossenschaften und Versicherungen könnten daran Gefallen finden. 11.6.6 Großes Haus des Staatstheaters Mainz
Dem Anfang des 19. Jahrhunderts für 1 500 Besucher konzipierten Bauwerk des Hofbaumeisters G. Moller wird eine gute Akustik nachgesagt. Zahlreiche bauliche Veränderungen, insbesondere der Wiederaufbau von 1951, führten aber nach Meinung der Chronisten ins Abseits. Die Rekonstruktion am Beginn des 21. Jahrhunderts verlangte nicht nur eine Rückbesinnung auf die ursprüngliche architektonische Idee, sondern auch ein raumakustisches Konzept, das den zukünftigen Anforderungen an ein Haus für Schauspiel, Ballett, Oper und Konzert gewachsen ist. Der Forderung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der Stadt Mainz und des Landes Rheinland-Pfalz folgend, wurde deshalb 1999 eine Neubewertung aller Maßnahmen zur Optimierung der Akustik vorgenommen [202204].
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a) Das akustische Konzept
Der Verantwortliche der Stadt fasst zusammen: „Die Erkenntnisse des dazu in Auftrag gegebenen Gutachtens führten zu einer gänzlichen Neukonzeption des Zuschauerraumbereiches. Trotz der sich abzeichnenden Konsequenzen für den gesamten Projektlauf entschlossen sich die Arbeitsgruppe, die Ausschüsse, Stadtrat und Landtag für eine Umsetzung dieser Neukonzeption. Die sich jetzt präsentierenden hervorragenden akustischen Ergebnisse bestätigen meine Entscheidung, den Gremien die Umplanung zu empfehlen, in vollem Umfang. Das Risiko einzugehen, hat sich mit diesem Ergebnis offensichtlich gelohnt [203] … Primär ausgelöst von der Zielsetzung, die akustischen Bedingungen deutlich zu verbessern, eröffnete die damit einhergehende Anhebung der Saaldecke die einmalige Chance, auf dem Zuschauerrund ein Café-Restaurant und einen der zwei Malersäle anzuordnen. Ein intensives, konstruktives Abstimmungsprozedere, insbesondere zwischen Planern, Denkmalpflegern und Städtebaubeirat kam in Gang. Im realisierten Ergebnis noch weitaus klarer gegenüber den ersten Überlegungen, zeigt sich der gläserne Zylinder als außen ablesbare Fortsetzung der inneren Form des Zuschauerrundes (s. Abb. 11.89). Im Innenraum wird den Zuschauern nun eine Qualität im Komfort, in der Akustik und in der architektonischen Gestalt geboten, die zu keinem früheren Zeitpunkt hier vorzufinden war [204] … Zumindest an den seitlichen Glasreflektoren im Bereich der beiden Beleuchterrinnen und der Segel über dem Orchestergraben kann der Zuschauer den Umfang der akustischen Maßnahmen erahnen [203].“ Die antike Bauform für die Darbietung von Sprache, Chor und Musik war das Amphitheater. Konzentrisch um eine kreisförmige Bühne („Orchestra“) erhoben sich steil ansteigende Zuschauerringe, die von jeder Stufe und jedem Platz ideale Sichtverhältnisse boten. Da kein Verkehrslärm von der Straße oder aus der Luft eindrang und jeder Ton sich ungestört von jedem Akteur zu jedem Zuhörer auf direktem Wege übertragen konnte, gab
Abb. 11.89. Frontalansicht des alten (a) und des neuen (b) Großen Hauses des Staatstheaters Mainz
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 269
Abb. 11.90. Zylinderförmiger Grundriss am Beispiel der Münchner Staatsoper mit stark von der Bühne beeinflusster Nachhallzeit: Leer ('), stark absorbierend ( ), Hauptvorhang geschlossen (o)
es damals kaum akustische Probleme. Für sehr große „Arenen“ lernte man allenfalls, die verstärkende Wirkung von in die Masken der Schauspieler integrierten „Sprachrohren“ und auf der Bühne installierten „Kulissen“ zu nutzen. Immer wieder fanden Architekten im Laufe der Zeit für Versammlungsräume zur klassischen Kreisform zurück. Wenn aber die in unseren Breiten heute übliche und notwendige geschlossene Bauweise zu fokussierend reflektierenden zylindrischen Umfassungswänden und kugelförmigen Decken führt, so sind raumakustische Probleme vorprogrammiert. Der Mehrzwecksaal „Haus des Lehrers“ in Berlin ist in dieser Hinsicht zu einem Schulbeispiel geworden [31, Kap. 10.3.2.1]. Aber auch der „alte“ Plenarsaal des Bundestages zu Bonn sorgte mit seinen zylindrischen Glaswänden seinerzeit für Probleme, s. Abschn. 11.6.1 (b) und [205]. Auch die Opernhäuser aus dem 19. Jahrhundert huldigten fast alle der Zylinderform, wie in Abb. 11.90 dargestellt. Der technisch bedingt weit aus dem Kreiszentrum herausgerückte Bühnenturm bildet quasi einen separaten Raum, der nicht selten ein Vielfaches des Volumens des Zuschauerraumes (in diesem Fall 12 600 zu 6 900 m3) umschließt. Dies wird auch aus der Nachhallzeit deutlich, die bei stark dämpfenden Bühnenaufbauten gegenüber der leeren Bühne auf etwa die Hälfte sinken kann und bei geschlossenem Hauptvorhang wieder um einiges steigt [31, Kap. 10.2.2.2]. Die optische und akustische Trennung beider Räume wird noch durch den Orchestergraben dazwischen verstärkt. Wenn dann noch ein großer Teil der Zuschauer auf Rängen in Kreis-, Lyra- oder Hufeisen-Form gar nicht zur Bühne hin, sondern zur Mitte ausgerichtet sitzen muss, dann führt dies zu ergonomisch heute kaum noch zumutbaren Sitz- und Sichtverhältnissen. Als Oper noch als ein gesellschaftliches Ereignis, ja als Fest für alle Sinne, gefeiert wurde, ergab die Kreisform mit Aktionen nicht nur auf der
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Bühne, sondern auch im Parkett und in den Seitenlogen einen besonderen Sinn. Die Kreisform der Ränge im ursprünglichen Moller-Bau wurde jedenfalls für eine Reihe von Opernhäusern, zunächst in Europa, dann aber auch weltweit, zum architektonischen Vorbild. Bei allem Respekt vor dem in seiner Zeit Beispiel gebenden Bauwerk mussten aber die hohen Erwartungen von Betreibern und Nutzern an das neu zu schaffende Große Haus zu einem zeitgemäßen Konzept für die optische, klimatische und akustische Behaglichkeit an jedem Platz im gesamten Gebäudekomplex führen. In einer vorbildlichen Kooperation zwischen Architekten und Akustikern von der ersten Grobplanung bis zur Festlegung feinster baulicher Details im Zuschauerraum, im Proszeniumsbereich und Orchestergraben, aber auch im Bühnenturm, wurde versucht, allen Ansprüchen an ein Vier-Sparten-Haus gerecht zu werden. Das im Sommer 1999 erstmals vorgestellte neue Konzept ließ den Moller’schen Zylinder zwar in allen Zuschauerflächen als Raumbegrenzung bestehen. Infolge der Öffnung des Zuschauerraumes nach oben durch Wegnahme einer Zwischendecke konnte er sogar neu zur Geltung gebracht werden. Es wurde aber bei der Planung aller Grob- und Feinstrukturen akribisch darauf bestanden, dass alle Schallwege von Bühne und Graben nach neuesten akustischen Erkenntnissen und Erfahrungen zu den Zuhörern geführt werden und die, je nach Nutzung des Hauses, unterschiedlich gekoppelten Räume ihren spezifischen Klang erhalten. Zu dieser Optimierung gehören z. B. auch neuartige raumakustische Einbauten im Bühnenturm, um hier eine gewisse Grunddämpfung insbesondere bei den tiefen Frequenzen sicherzustellen. Dazu gehört aber ebenso die bedarfsweise Aufstellung eines rundum geschlossenen „Konzertzimmers“ auf der Bühne. Neben gezielt angeordneten Reflektoren zwischen Bühne und Zuschauerraum sowie unauffälligen Tiefen-Schluckern im Saal wurde besonderer Wert auf eine spezielle Bedämpfung des Grabens (s. Abschn. 11.6.5 (c)) gelegt. Alle sichtbaren Begrenzungsflächen im Zuschauerraum selbst wurden dagegen im für die Raumakustik förderlichen Frequenzbereich schallhart belassen. Um eine optimale Raumrückwirkung auf alle geplanten Darbietungen zu ermöglichen, folgte das architektonische Design konsequent dem obersten akustischen Prinzip: Möglichst viele nützliche Reflexionen wie ein filigranes Flächengebilde in den Raum einziehen, schädliche Reflexionen dagegen überall vermeiden! Das Ergebnis sollte sich auch ohne elektroakustische Verstärkung und Nachhallregulierung sehen und hören lassen. b) Notwendige Grobanpassungen
Um die für Schauspiel, Oper und Konzert anzustrebenden raumakustischen Bedingungen ohne elektroakustische Unterstützung erreichen zu können,
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 271
wurden bereits in einer frühen Planungsphase mit allen Beteiligten einige grundsätzliche Vereinbarungen getroffen: – Das vergleichsweise kleine Volumen des Zuschauerraumes von nur 5 200 m3 wurde durch das Heraufsetzen der Decke und Öffnen der Wand hinter dem zweiten Rang zur „Galerie“ auf 6 900 m3 vergrößert. Damit wird eine vorteilhafte Volumenkennzahl von, je nach Nutzung, 7.5 bis 8.3 m3 pro Person erreicht. – Die vorgegebene Zylinderform der Begrenzungswände im Zuschauerraum wurde durch schollenartig in den Raum ragende und ihn stark gliedernde Einschübe in viele gezielt reflektierende Teilflächen aufgelöst. Alle dadurch geschaffenen Brüstungen erhielten Neigungen zwischen 30 und 45° nach vorn; die halbhohen Zwischenwände wurden so ausgerichtet, dass sie für seitliche Reflexionen zu den Zuschauern sorgen. Vor allem wurde aber die Steigung im Parkett auf 7°, im ersten Rang auf 18° und im zweiten auf 33° so eingestellt, dass die Zuschauer überall von der Bühne akustisch gut versorgt werden (Abb. 11.91). – Einbauten, Verkleidungen und Beläge wurden, so weit möglich, Schall reflektierend konzipiert, um die vergleichsweise große äquivalente Absorptionsfläche des voll besetzten Saales nicht unnötig weiter zu vergrößern. – Für Konzerte wurde die Installation eines „Konzertzimmers“ auf der Bühne eingeplant, welches den bei den so wichtigen mittleren und hohen Frequenzen i. A. stark absorbierenden Hintergrund und Schnürboden der Bühne vom Orchesterpodium und Zuschauerraum akustisch abtrennt. – Um eine unter den gegebenen Verhältnissen zu tiefen Frequenzen stark ansteigende Nachhallzeit zu vermeiden, wurden in allen drei gekoppelten Räumen (Saal, Graben und Bühne) spezielle Tiefenabsorber eingebaut. Damit wurden die „Transparenz“ der Akustik und das Zusammenspiel der Musiker und Sänger nachhaltig gefördert. – Dem gleichen Zweck dient auch die Vergrößerung des Orchestergrabens von zunächst nur 100 auf jetzt maximal 130 m2. So konnten einem in Opernhäusern verbreiteten Missstand vorgebeugt und rechtzeitig die nachhaltige Verbesserung der in diesem Bereich oft ergonomisch und gesundheitlich unzumutbaren Arbeitsbedingungen eingeplant werden, s. Abschn. 11.6.5. Dass diese Forderungen weit gehend erfüllt werden konnten, ist nicht nur den verantwortlichen Architekten sondern auch zahlreichen konstruktiven Auseinandersetzungen mit den Kollegen von der Lüftungs- und Beleuchtungstechnik zu danken, die es gewohnheitsmäßig für ihre Installationen oft auf dieselben Räume und Flächen abgesehen haben.
272 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.91. Schnitt durch das Große Haus mit „Theater-Cafe“ und „Maler-Saal“ oberhalb der „Galerie“
Im architektonischen Ergebnis tritt die Akustik zunächst nicht besonders in Erscheinung. Das Parkett (Abb. 11.92 (a)) lässt den Mollerschen Zylinder mit einem Durchmesser von 28 m zwar weiterhin deutlich erkennen. Im 1. Rang sorgen aber bereits zwei nahezu kopfhohe Brüstungen aus Glas für zusätzliche, nützliche akustische Reflexionen (Abb. 11.92 (b)). Das Motiv der steil aufsteigenden drei Terrassen erscheint andeutungsweise auch als Projektion in der Anordnung der Sitzreihen im Parkett und findet seine Krönung im 2. Rang, der mit seiner fächerartig ausgreifenden Galerie den ursprünglichen Zylinder durchbricht und mit dafür sorgt, dass bei Opern 829, bei Schauspiel und Konzert 923 Zuschauer (einschließlich vorgeschriebener Behindertenplätze) bequem Platz finden können.
Abb. 11.92. Grundrisse des Großen Hauses: Parkett mit Eingangshalle (a), 1. Rang mit Hauptfoyer (b)
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 273
c) Schall lenkende Maßnahmen
Die im Vorausgegangenen erläuterten grundsätzlichen geometrischen und Materialfragen können mit Computersimulationen bereits in den ersten Entwurfsplänen beantwortet werden. Auch die Verfolgung einzelner Schallwege von Bühne, Graben und Podium lässt sich so überzeugend illustrieren. Die kostbare Schallenergie darf weder in unwichtige Deckenund Bühnenbereiche ungenutzt verschwinden, noch auf Teilbereiche der Zuschauer fokussiert auftreffen. Da sie den Zuhörer zwar auf verschiedenen Wegen aber nur einmal erreicht, erfordern das gegenseitige Hören aller Musiker bzw. Sprecher untereinander und eine möglichst gleichmäßige
Abb. 11.93. Schalllenkung von einer Quelle auf der Bühne über geneigte Brüstungen an den seitlichen (oben) bzw. mittleren 1. und 2. Rängen (unten)
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akustische Versorgung aller Zuhörer eine penible Schallenkung von allen Schallsendern. Dazu reichen die oben beschriebenen Grobstrukturen allein noch nicht aus. Daher wurde nicht nur um die exakte Ausrichtung aller schallhart gestalteten baulichen Begrenzungsflächen gerungen, wobei die gesamte Gestaltung insbesondere der Seitenwände des Bühnenportals („Proszenium“) eine wichtige Rolle spielte. Auch die nach vorn geneigten Brüstungen der Rang-Vorderseiten bringen nützliche Reflexionen (Abb. 11.93), insbesondere für den vorderen Teil des Parketts bzw. den Orchestergraben. Außerdem mussten zusätzlich vier Gruppen von unauffällig abgehängten bzw. aufgeständerten großen Reflektoren frühzeitig in die Detailplanung eingefügt und gegen vielfältige „Angriffe“ immer wieder verteidigt werden: Portal-Reflektor Zur Unterstützung der Schallübertragung von der Bühne in den Zuschauerraum wurde ein ca. 1,2 u 12 m großer, über das gesamte Portal reichender Reflektor, quasi als vergrößerte Portaldecke, aufgespannt. Für eine Quelle im Orchestergraben ist die Schallübertragung, auch zur Bühne hin, in Abb. 11.94 (a) dargestellt. Reflektoren über Orchestergraben Besonders seien die je fünf in zwei Reihen 1.9 u 2.9 m großen, bis zu 10% quer zur Saal-Längsachse geneigten Reflektoren über dem Graben hervorgehoben (Abb. 11.94 (b)), weil sie nach sorgfältiger Justierung einen wesentlichen Beitrag für die Übertragung vom Orchester in den Zuschauerraum, aber auch für die „Balance“ im und vom Orchester zu den Sängern leisten.
Abb. 11.94. Schalllenkung von einer Quelle auf der Bühne über Reflektoren über dem Portal (a) bzw. über dem Orchestergraben (b)
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 275
Diese Reflektoren sind aus dünnen Aluminium-Sandwich-Platten mit hoher innerer Dämpfung gefertigt. Ihr geringes Gewicht erwies sich erstmals bei der raumakustischen Verbesserung des „Kleinen Hauses“ der Staatstheater Stuttgart [132] als Vorteil für eine bequeme und reproduzierbare Montage und Justage. Seiten-Reflektoren Um die relativ groß und schallhart erhalten gebliebene Zylinderfläche im vorderen Teil des Zuschauerraumes akustisch zu entschärfen, wurden beidseits jeweils sechs 1.2 u 2.0 m große Reflektoren um etwa 9º zu ihrer Längsachse gekrümmt. Aus architektonischen Gründen wurden nur diese Seiten-Reflektoren aus 2.5 cm dickem Sicherheitsglas mit ca. 150 kg Gewicht gefertigt (Abb. 11.95). Diese wurden, ebenso wie die Graben-Reflektoren, einzeln in drei Richtungen zwischen Bühne, Graben und Zuschauerraum ausgerichtet und in ihrer optimalen Orientierung sicher arretiert. Die abschließende Feinjustage wurde sowohl optisch mit Hilfe eines Lasers als auch akustisch vorgenommen. Die Abstände der jeweils vier Ecken der zwölf Seiten-Reflektoren von der Wand wurden schließlich exakt dokumentiert, damit ihre Position auch nach einem eventuellen Umbau stets wieder hergestellt werden kann. Da der Schall aus dem Orchestergraben nur in geringem Maße einen direkten Weg zum Zuhörer im Parkett findet, könnten bei einer Fehlausrichtung insbesondere der großen Seiten-Reflektoren (Abb. 11.130), auch wegen der mit ihnen einher gehenden relativ starken Laufzeit-Verzögerungen, Probleme bei der richtigen akustischen Lokalisierung der einzelnen Instrumentengruppen auftreten. Decken-Reflektoren Um die große Zuschauerfläche im 2. Rang ausreichend mit Schallenergie von Bühne und Graben zu versorgen, wurde eine geschwungene Konstruktion (Abb. 11.96 (a)) zwischen die Beleuchterbrücken unter der Betondecke eingefügt. Sie wurde so in die optische Trennung des Decken-Hohlraumes integriert, dass sie und die anderen Installationen dort dem Zuschauer nicht auffallen. Reflektoren oberhalb der Regiefenster Um schädliche Reflexionen („Echos“) von dort zur Bühne hin zu vermeiden, wurde schließlich ein ca. 7.0 u 0.9 m großer, zum Parkett geneigter Reflektor oberhalb der Ton- und Lichtregie vor der gesamten Rückwand eingebaut (Abb. 11.96 (b)). Alle reflektierenden Maßnahmen wurden so gestaltet und hinsichtlich ihres Materials ausgewählt, dass sie nur eine geringe zusätzliche Absorption im Raum verursachen und so dessen
276 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.95. Seiten-Reflektoren an der vorderen Zylinderwand des Zuschauerraumes
Nachhallzeit bei mittleren und hohen Frequenzen nicht mindern. Damit gelang es, einerseits störende Fokussierungen, schädliche Reflexionen und irritierende Schallenkungen im Saal zu vermeiden, andererseits aber für eine gleichmäßig gute Schallübertragung von allen Sendern zu allen Empfängern zu gewährleisten und für den hinteren Teil des Parketts sowie für die beiden Ränge einen guten akustischen Raumeindruck zu erzeugen. Das komplexe Zusammenwirken der fünf Gruppen zusätzlich im Raum installierter Reflektoren ist in einer zusammenfassenden Computersimulation in Abb. 11.96 (b) nochmals dargestellt. Dieses Konzept der raumakustischen Gestaltung, das kaum in Erscheinung tritt, hat gegenüber großflächig anzubringenden Diffusoren den Vorteil, dass sie der unvermeidbaren Absorption durch das relativ dicht besetzte Publikum in einem verhältnismäßig kleinen Saal nicht Unnötiges
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 277
Abb. 11.96. Decken-Reflektoren und akustisch transparente Abhängungen zwischen den Z-Brücken über dem Zuschauerraum (a); Rechner-Simulation der Übertragung von einer Schallquelle in der Mitte der vorderen Bühne in den Zuschauerraum (b)
hinzufügen. Eine auch nur teilweise Belegung des ursprünglichen Zylinders mit Diffusoren, wie sie z. B. in [206] propagiert werden, um im Raum eine gleichmäßige Schallverteilung zu erzielen, hätte zu einer unakzeptabel niedrigen Nachhallzeit geführt. d) Schall absorbierende Maßnahmen
Aus den bereits mehrfach genannten Gründen besteht hier aber neben der so wichtigen Schallenkung die Aufgabe darin, einer zu tiefen Frequenzen hin unweigerlich ansteigenden Nachhallzeit bewusst entgegenzuwirken. Der innovative Ansatz von Abschn. 11.5 war Teil der einleitend beschriebenen radikalen Änderung des zunächst vorgeschlagenen raumakustischen Konzeptes. Dahinter steckt die Überzeugung, dass es der natürlich, d. h. vorzugsweise ohne elektroakustische Verstärkung, dargebotenen Sprache
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und Musik in den meisten Umgebungen nicht gut tut, wenn ihr Schallspektrum durch die Raumantwort stark verändert wird. In einem Konzertsaal mag man einer Betonung der tiefen Frequenzanteile hier und da wegen der damit verbundenen „Wärme“ des Klanges der Musik noch etwas Positives abgewinnen. In einem 3- oder 4-Sparten-Haus dagegen kommt eine bis 63 Hz hinunter näherungsweise konstante Nachhallzeit der Deutlichkeit von Sprache und Klarheit von Musik unter allen sonstigen Umständen nur entgegen. Ein gleichmäßiger Frequenzgang des Nachhalls im Raum sorgt nämlich nicht nur für eine gute Sprachverständlichkeit und akustische „Transparenz“ alles Dargebotenen, sondern auch für ein optimales gegenseitiges Hören der Künstler untereinander. Dies hat viel zu tun mit dem Phänomen der „Verdeckung“ hoher durch tiefe Frequenzanteile, s. Abschn. 11.3. Wenn man diesem mit neu geschaffenen Bauteilen entgegenwirkt, so kann man für alle, Akteure wie Zuhörer, ein entspanntes akustisches Ambiente schaffen, das unnötig laute mittlere Schallpegel vermeidet, aber so die maximal mögliche „Dynamik“ der akustischen Ereignisse schafft. Den größten Einfluss auf die Raumakustik nehmen unter den geschilderten Bedingungen die Zuschauer selbst [207]. Das Gestühl soll im besetzten Zustand möglichst wenig absorbieren. Es ist außerdem gute Tradition, dass letzteres im unbesetzten Saal (Abb. 11.97 (a)) für etwa die gleiche resultierende Nachhallzeit wie im besetzten Saal sorgt. Entsprechend sorgfältig wurden an den zum Einbau vorgesehenen Stühlen im Hallraum Untersuchungen angestellt und dem Hersteller Hinweise zur genauen „Einstellung“ der Absorption übermittelt (Abb. 11.97 (b)). Auch die als Lichtdecke ausgebildeten Unterseiten der Ränge wurden auf ihre unvermeidliche Absorption hin untersucht, optimiert und bei der raumakustischen Detailplanung exakt berücksichtigt. Die Absorption aller übrigen Begrenzungsflächen und Einbauten im Zuschauerraum wurde, so gut es eben geht, aus Erfahrung bereits in einer frühen Planungsphase abgeschätzt und in die Computersimulation eingefügt. Um das hoch gesteckte Ziel einer konstanten Nachhallzeit zu erreichen, wurden insgesamt ca. 1 200 m2, vorwiegend sehr tief abgestimmte Schallabsorber in den drei untereinander mehr oder weniger akustisch gekoppelten Räumen unterschiedlich, aber nie für den Zuschauer auffällig, dauerhaft eingebaut, nämlich: Orchestergraben Das hier erstmalig in einem Mehrsparten-Haus konsequent eingeführte Konzept wurde bei der raumakustischen Verbesserung des Orchestergrabens im „Großen Haus“ der Staatstheater Stuttgart, s. Abschn. 11.6.5 (b) und [190] geboren, auf der „Probebühne“ desselben Hauses auf einen
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 279
Abb. 11.97. Blick in den Zuschauerraum (a); Absorptionsgrad Ds des Gestühls (b), nach [297, 207] besetzt (Ŷ) bzw. unbesetzt (Ɣ) gemessen
größeren Raum erfolgreich übertragen [60] und inzwischen in zahlreichen anderen Opernhäusern eingeführt. Was ursprünglich „nur“ zur Entlastung der Musiker von gehörschädigend hohen Schallpegeln gedacht war [208], stellte sich bald als verallgemeinerbares Prinzip zur Verbesserung der musikalischen Kommunikation aller beteiligten Künstler heraus. Deshalb wurden im ersten von Grund auf neugeplanten Graben die bereits andernorts gesammelten Erfahrungen auch in Mainz konsequent zur Anwendung gebracht, s. Abb. 11.98. Zuschauerraum Obgleich die insgesamt bis zu ca. 100 m2 Absorber vor den Begrenzungsflächen des Orchestergrabens einen nachweislich starken Einfluss auf die dort herrschenden Arbeitsbedingungen und Spielweisen auszuüben in der Lage sind (sofern Dirigent und Musiker einem Orchester von Rang gemäß sensibel ans Werk gehen), können sie dennoch die Akustik im Auditorium selbst weder positiv noch negativ beeinflussen. Da hier – im Gegensatz zum Graben – keine Absorption oberhalb von ca. 125 Hz gewünscht war,
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Abb. 11.98. Belegung der Wände des Orchestergrabens mit VPR- und BKA-Modulen nach Abschn. 5.3 und 10.1
kamen im Zuschauerraum nur ausgesprochene „Tiefen-Schlucker“, nämlich VPR mit ringsum geschlossenem Rand nach Abschn. 5.3 zum Einsatz. Die (optisch verdeckte) Belegung der Decke mit 255 m2 etwas unterschiedlich abgestimmter VPR zeigt Abb. 11.99. Weitere 95 m2 wurden ebenso unauffällig über den zum Saal hin offenen Rundgängen hinter dem Parkett und 1. Rang (vgl. Abb. 11.91) sowie an den Wänden vor der Regie und an der Rohdecke (Abb. 11.96 (a)) angeordnet. Da im Wirkungsbereich dieser neuartigen Resonanz-Absorber im Raum sonst nur wenig Absorption vorhanden ist, kommen die hier installierten insgesamt 350 m2 voll zur Geltung, wie die Ergebnisse zeigen werden. Bühnenraum Da aber bei offenem Hauptvorhang der Bühnenraum mit seinem riesigen Volumen angekoppelt bleibt, würde dieser – je nach Bühnenaufbau – vor allem bei tiefen Frequenzen die Nachhall-Situation dramatisch und unkontrollierbar beeinflussen. Um diesen negativen Einfluss auf die Raumakustik zu eliminieren, wurden auch an Decke und Wänden des Bühnenturmes großflächig 220 m2 VPR-Module und außerdem noch 516 m2 mikroperforierter Blechkassetten nach Abschn. 9.1 im Abstand von bis zu 60 cm zum jeweils
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 281
Abb. 11.99. Belegung der Saaldecke mit VPR-Modulen nach Abschn. 5.3
Abb. 11.100. Beispiel für die Anbringung tieffrequenter Absorber und die Aufstellung eines „Konzertzimmers“ im Bühnenturm
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schallharten Hintergrund ebenfalls dauerhaft montiert. Hier wurden die Module zur Vermeidung von Lichtreflexen schwarz lackiert (Abb. 11.100). Diese stets vorhandene „Grundabsorption“ macht die Raumakustik im Saal nun weitgehend unabhängig vom jeweiligen Bühnenaufbau und sorgt für akustisch flexibel zu gestaltende Randbedingungen auf der Bühne, sowohl für die Oper als auch für das Schauspiel. e) Konzertnutzung
Ob nun die Bühne hinreichend bedämpft wurde oder nicht: Sobald das Orchester dort Platz zu nehmen hat, benötigt es rundum reflektierende Flächen, damit sich die Musiker untereinander gut hören, die Schallübertragung vom Podium zum Auditorium besser vonstatten geht und das große, sonst in jedem Fall stark absorbierende Bühnenportal den ohnehin nicht sehr großen Saal möglichst schallhart abschließt und dadurch seine Nachhallzeit für die Konzertnutzung deutlich anhebt. Um unterschiedlichen Besetzungen gerecht zu werden, wurde das Konzertzimmer in zwei Größen konzipiert. Das große Zimmer sollte bis zu 100 Musiker, die dann teilweise auch auf der Vorbühne platziert werden, aufnehmen, das kleine ist für ca. 50 Musiker geeignet. Das Konzertzimmer besteht aus unterschiedlich gekrümmten Elementen (Abb. 11.100 (c)). Aus Budgetgründen wurde allerdings die Anschaffung der Anschlüsse an das Portal sowie der Seitenelemente des Konzertzimmers auf der Vorbühne auf später verschoben, so dass das hier zugrunde gelegte Konzept leider noch nicht voll realisiert werden konnte. Die zunächst verbleibenden, bis zu 4 m breiten Spalte zwischen der nach hinten verschobenen Rückwand des Konzertzimmers sowie der 1.5 m breit umlaufenden Spalte zwischen dem Portal und dem derart offen gelassenen kleinen Konzertzimmer verhindern also einstweilen die dringend erforderliche Entkopplung von Bühnen- und Zuschauerraum mit der dadurch erreichbaren und sehr wünschenswerten Nachhallverlängerung. f) Ergebnisse und Beurteilung
Bevor der Innenausbau und die Installationen zusätzlicher Reflektoren und Absorber begannen, konnten in einem Modell im Maßstab 1:20 viele Konturen des Zuschauerraumes und des Bühnenturmes akustisch beurteilt werden (Abb. 11.101). Allerdings wurde in dieser Phase der Untersuchungen nur die Zuschauerfläche als Schallabsorber (in der Form eines 4 mm dicken Filzes) im Modell simuliert. So wichtig diese Zwischenergebnisse für die Beratung mit den anderen Planern auch waren; entscheidend sind die in der Ausführung schließlich realisierten akustischen Parameter. Zwar stehen dabei natürlich die objektiv messbaren Befunde zunächst im Vordergrund. Nachdem aber über die „erlebte“ Akustik von den ersten Besuchern bereits
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 283
Abb. 11.101. Halbseitig aufgefahrenes 1 : 20-Modell des Großen Hauses in Mainz
Aussprüche fielen wie: „… klang das Orchester anders, so artikuliert und stilgerecht, als hätte man die Barockmusik in Mainz gerade noch einmal erfunden“ [209], standen die erst nach der Premiere abgeschlossenen Justierungen und Messungen unter ziemlich hohen Erwartungen. Nachhallzeit Die Nachhallzeit im Zuschauerraum beträgt, wie geplant, im mittleren Frequenzbereich ca. 1.4 s. Ihr Verlauf ist sowohl für Oper- als auch für Konzertnutzung über der Frequenz bis zu tiefen Frequenzen (63 Hz) sehr gleichmäßig (Abb. 11.102 (a)). Dies ermöglicht eine gleich gute Darbietung in allen Nutzungsarten. Bei Opernutzung wird der Wegfall der vorderen Stuhlreihen durch die Bedämpfung des Orchestergrabens gegenüber der Konzertnutzung etwa ausgeglichen. Der Unterschied zwischen frühen Abklingvorgängen und der Nachhallzeit ist gering (Abb. 11.102 (b)). Dies unterstützt die „Präsenz“ im Zuschauerraum. In Abb. 11.102 (c) ist ersichtlich, dass die Grunddämpfung der Bühne samt Kulissen den Verlauf der Nachhallzeit über der Frequenz im Zuschauerraum nicht beeinträchtigt. Zum besseren Vergleich mit vorhandenen Daten von verschiedenen Opernhäusern (Tabelle 11.4) wurde die Nachhallzeit zwischen 125 und 250 Hz (Tt) und zwischen 500 und 1 000 Hz (Tm) gemittelt. Pegelverteilung Die Übertragung von der Bühne zum Zuschauerraum soll möglichst gleichmäßig sein. Durch die schallenkenden Maßnahmen wurde eine sehr geringe Pegelschwankung selbst im Zentrum des Zylinders realisiert. Sie beträgt für den gesamten Zuschauerraum nicht mehr als r3 dB. Beispielhaft ist dies für die Opernutzung mit angeschlossenem Bühnenhaus in Abb. 11.103 dargestellt.
284 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.102. Im Zuschauerraum gemittelte Nachhallzeiten: (a) Hauptvorhang unten, Oper (Ƈ) bzw. Konzert (Ŷ); (b) wie (a) T60 (Ƈ), T30 (¸), EDT (¸) jeweils für Oper; (c) T30 für Oper ohne (Ƈ) bzw. mit angekoppeltem Bühnenturm (ź) Tabelle 11.4. Übersicht über einige raumakustische Parameter (teilweise berechnet oder geschätzt) von 7 Opernhäusern nach [298, 202] T (unbesetzt) [s]
T (besetzt) [s]
c80 [dB]
IACC (3) [%]
LF (3) [%]
4.75
–
0.21 –
Sitzplätze
Volumen [m3]
Tt
Tm
Tt
Tm
c80 t
c80 m
London, Royal Opera House
2 120
12 250
1.28
1.21
1.10
1.05
2.50
Opernhaus
Mailand, La Scala
2 289
11 252
1.69
1.35
1.46
1.20
1.2
2.90
0.48
Paris, Bastille
2 700
21 000
1.60
1.72
1.45
1.50
–0.15
1.75
–
–
Paris, Garnier
2 131
10 000
1.62
1.22
1.10
1.10
1.45
4.35
0.53
–
Philadelphia, Academy of Music
2 827
15 100
1.40
1.31
0.70
1.60
0.56
0.16
Salzburg, Festspielhaus
2 158
14 020
1.84
1.94
–1.50
0.10
–
0.16
Wien, Staatsoper
1 709
10 665
Mittelwerte Mainz, Großes Haus
829
6900
1.49
1.38
1.72
1.55
1.43
1.30
0.70
2.70
0.44
1.59
1.47
1.39
1.26
0.70
2.60
0.50
0.17
1.48
1.45
1.39
1.31
1.40
2.83
0.60
0.21
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 285
Abb. 11.103. Pegelverteilung im Parkett (oben), 1. Rang (Mitte), 2. Rang (unten) bei Opernutzung; Quelle in der Mitte des vorderen Drittels der Bühne
Klarheits-Maß Der Mittelwert des Klarheitsmaßes über den gesamten Zuschauerraum ist in Abb. 11.104 für Oper- und Konzertnutzung frequenzabhängig dargestellt. Für die Oper ist das Klarheitsmaß insgesamt höher, während es für den Konzertfall niedriger ist, was der jeweiligen Nutzung entgegen kommt.
286 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.104. Im Parkett, 1. und 2. Rang an 27 Punkten gemitteltes Klarheits-Maß für Oper (Ɣ) bzw. Konzert (mit Konzertzimmer) (Ƒ)
Analog zur Nachhallzeit wurde auch das Klarheitsmaß C80, t und C80, m dargestellt (den Vergleich mit anderen Opernhäusern zeigt Tabelle 11.4). Das große Konzertzimmer auf der Bühne unterstützt nicht nur die Versorgung des Zuschauerraumes, sondern verbessert auch die Kommunikation zwischen den einzelnen Instrumentengruppen. Frühe Reflexionen durch Wände und Decke des Konzertzimmers erhöhen C80,(3) im Mittel um +3 dB. Seitenschall-Maß Für Opernutzung ist das über 500, 1 000 und 2 000 Hz gemittelte Seitenschall-Maß 10 lg LF(3) nach Abschn. 11.1.11 an den meisten Messpunkten auf allen Ebenen größer als 7 dB. Wenige Ausnahmen sind im mittleren Parkett sowie in den peripheren Bereichen der Ränge zwischen 7 und 12 dB zu finden. Für Konzertnutzung ist dieser raumakustische Parameter,
Abb. 11.105. Im Zuschauerraum gemittelter Grundgeräusch-Pegel
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 287
bedingt durch das Konzertzimmer, abgesehen vom mittleren Parkett, insgesamt höher. Auch der IACC(3) liegt gut im Vergleich zu anderen Opernhäusern [200] (Tabelle 11.4). Grundgeräusch-Pegel Der A-bewertete Hintergrundgeräuschpegel ist mit ca. 25 dB(A) ausreichend gering. Der Verlauf über der Frequenz ist in Abb. 11.105 angegeben. Zusammenfassung Der subjektive Eindruck von Künstlern und Zuschauern und die objektiven raumakustischen Maße zeigen, dass das Große Haus in Mainz mit nur einer fest installierten bau- und raumakustischen Ausstattung ohne Einschränkungen für alle Sparten gut geeignet ist. 11.6.7 Tonstudios
Kaum ein anderes Teilgebiet der Akustik hat sich in den letzten Jahren so rasant entwickelt wie die elektro-mechanische Wandler-, die elektronische Speicher- und die digitale Übertragungstechnik für Audio-Signale. Mit zeitgemäßer „Kunstkopf-Stereophonie“ lässt sich auch der für das menschliche Gehör charakteristische Frequenzgang (Abb. 11.106 (a)) gut nachbilden. Selbst Lautsprecher einer niedrigen Preisklasse haben bis unter 50 Hz einen praktisch „linearen“ Frequenzgang (Abb. 11.106 (b)). Moderne „HighFidelity“-Empfänger und -Verstärker übertragen zwischen 20 Hz und 50 kHz ohne jede Verzerrung des Audio-Signals. Dabei braucht nach W. Reichardt
Abb. 11.106. Übertragungsfunktionen: (a) gemessen am Gehörkanaleingang eines menschlichen Kopfes (strichliert) bzw. eines „Kunstkopfes“ [210]; (b) eines handelsüblichen Lautsprechers
288 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.107. Der Raum ist stets das schwächste Glied in der Übertragungskette [193]: Schallquellen Q; elektro-mechanische Aufnehmer M; elektronische Speicher S; elektro-mechanische Sender L; Empfänger E
[137, S. 400 ff] der Frequenzbereich aller Glieder einer Übertragungskette nach Abb. 11.107 tatsächlich nicht bis an die Hörbarkeitsgrenze, etwa bis 50 Hz, heranzugehen. Wenn man z. B. bei der Wiedergabe männlicher Sprache alle Anteile unter 125 Hz nicht mit überträgt, können dies 80% von konzentriert Zuhörenden nicht wahrnehmen; selbst bei einem Kontrabass ist eine Übertragung bis 63 Hz herunter voll ausreichend. Die Hersteller von Audio- und Video-Konserven sowie der Wiedergabegeräte machen sich nur wenig Gedanken darüber, wie die hochwertige Schallemission der „High-End“-Produkte beim Zuhörer wirklich ankommt. Dieser sitzt viel häufiger in einem (i. A. kleineren) Raum als im Freien oder einem größeren Saal (ohne schädliche Reflexionen). Er sollte einerseits wissen, dass er die Kenndaten der Geräte oberhalb 20 kHz beim Kauf getrost außer Acht lassen darf (weil er in diesem Frequenzbereich ohnehin nichts hört). Andererseits sollte man ihm aber klar machen, dass sein unbehandelter „Abhörraum“ in den meisten Fällen auch den besten Frequenzgang der Geräte im unteren Bereich radikal entwertet. Nachdem nun Mehrkanal-Aufnahmen versuchen, auch noch den Raum-Klang der Original-Darbietungen naturgetreu in kleine Räume zu übertragen, wird es höchste Zeit, sich mit deren meist mangelhaften Übertragungs-Eigenschaften intensiver auseinander zu setzen [211]. Die Hersteller von Audio- und Video-Konserven sowie der Wiedergabegeräte machen sich nur wenig Gedanken darüber, wie die hochwertige Schallemission der „High-End“-Produkte beim Zuhörer wirklich ankommt. Dieser sitzt viel häufiger in einem (i. A. kleineren) Raum als im Freien oder einem größeren Saal (ohne schädliche Reflexionen). Er sollte einerseits wissen, dass er die Kenndaten der Geräte oberhalb 20 kHz beim Kauf getrost außer Acht lassen darf (weil er in diesem Frequenzbereich ohnehin nichts hört). Andererseits sollte man ihm aber klar machen, dass
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 289
sein unbehandelter „Abhörraum“ in den meisten Fällen auch den besten Frequenzgang der Geräte im unteren Bereich radikal entwertet. Nachdem nun Mehrkanal-Aufnahmen versuchen, auch noch den Raum-Klang der Original-Darbietungen naturgetreu in kleine Räume zu übertragen, wird es höchste Zeit, sich mit deren meist mangelhaften Übertragungs-Eigenschaften intensiver auseinander zu setzen [211]. In diesem Zusammenhang sei auf die Ausführungen in Kap. 2 und Abschn. 11.2 bis 11.5 verwiesen: Jedes Einspielen von Sprache oder Musik in den Raum regt diesen impulsartig, stets unvermeidbar, auch bei seinen Eigenresonanzen an. Auch wenn diese nichts zum eigentlich angestrebten Klangeindruck beitragen, reduzieren sie doch die Deutlichkeit und Klarheit des im Raum Wiedergegebenen, verfälschen es, wenn man diesem versteckten Phänomen nicht mit raumakustischen Maßnahmen entgegenwirkt. Dies gilt natürlich in besonderem Maße für solche Hörer, die in Ausübung ihrer Hobbies oder Berufe (z. B. Tonmeister und -ingenieure) auf höchste Wiedergabequalität fixiert und bereit sind, erheblich in hochwertige Geräte und Anlagen zu investieren. In Tonstudios, in Abhör- und Bearbeitungsräumen, sind daher die Übertragungseigenschaften des Raumes auch bei den tiefsten Frequenzen von größter Bedeutung. Aber auch alle standardisierten Messräume (Freifeld- und Hallräume) bedürfen regelmäßig einer raumakustischen Behandlung bei den tiefen Frequenzen, um ihren Einfluss auf das Messergebnis möglichst gering, oder wenigstens gut reproduzierbar zu machen. a) Mehrkanal-Vorführraum auf der Tonmeistertagung 1992
Der 101 m3 große Raum (Abb. 11.108 (a)) hat drei 1 m2 große Fenster, eine Decke aus abgehängten Gipskartonplatten und einen Teppichbelag. Mit 12 leicht gepolsterten Stühlen in der Raummitte entspricht er etwa einem größeren Wohnzimmer. Dieser Raum wurde während der Tagung in Karlsruhe von den Referenten als Vorführraum für ihre Mehrkanal-Produktionen benutzt [213]. Alle raumakustischen Ad-hoc-Maßnahmen mussten, ebenso wie die jeweiligen Audio-Anlagen, leicht aufzustellen, zu variieren und nach der Veranstaltung wieder abzubauen sein. Zwischen 8 000 und 80 Hz wird die Nachhallzeit im Ausgangszustand konventionell nach [112] in Terzen gemessen, s. Abb. 11.108 (b). Darunter lässt sie sich nur noch einzeln für jede Raummode gemäß [214] bestimmen. Dazu wird die Übertragungsfunktion zwischen zwei diagonal gegenüber liegenden Raumecken von 20 bis 100 Hz ermittelt. Das Eingangssignal des Lautsprechers in der einen Ecke und das Ausgangssignal des Mikrofons in der anderen werden einem Zweikanal-Spektrum-Analystor zugeführt. Die mit dem zu tiefen Frequenzen etwas abfallenden Frequenzgang des
290 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.108. Raum für Mehrkanal-Demonstrationen [212, 213]: (a) Senderaufstellung; (b) Nachhall- bzw. Nachklingzeiten (oben) und Übertragungsfunktion (unten) mit 12 gepolsterten Stühlen ohne (○) bzw. mit (●) raumakustischen Maßnahmen; (c) berechnete Schalldruckverteilung auf den Begrenzungsflächen für die niedrigsten 5 Moden; (d) mobile Stellwände aus Membran-Absorbern (in den Ecken) und porösen Absorbern
Lautsprechers korrigierte Übertragungsfunktion zeigt in Abb. 11.108 (b) unten alle anregbaren Raum-Moden. Mit Hilfe mathematischer Fit-Funktionen können auch gleichzeitig die entsprechenden Resonanzfrequenzen
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 291
und zugehörigen Halbwertsbreiten 'f in Form von Polen der Übertragungsfunktion ausgegeben und daraus eine äquivalente Nachhallzeit berechnet werden [75, S. 65], wie sie ebenfalls in Abb. 11.108 (b) oben dargestellt ist: T
6.9 . 2S ' f
(11.32)
Abbildung 11.108 (c) zeigt durch Schwärzung die berechnete Verteilung des Schalldrucks für die 5 niedrigsten Moden und die Positionen der beiden „Subwoofer“ und der Zuhörer. Wenn Sender und Empfänger, wie zuerst bei der Mode (0, 2, 0) bei 55.1 Hz, etwa beide im schwarzen Bereich liegen, wird das „Dröhnen“ im Raum besonders stark, mit Nachhallzeiten über 2.5 s. Nur wenn man die tieffrequenten Raum-Moden nachhaltig bedämpft, kann man die für die Mehrkanal-Wiedergabe wünschenswerte gleichmäßige Schallfeldüberlagerung wenigstens näherungsweise erreichen. Zum Zeitpunkt dieses Projektes bot sich hierfür der Membran-Absorber nach Abschn. 6.3 an. Um in diesem mit konventionellen Absorbern relativ karg ausgestatteten Raum auch für die mittleren Frequenzen etwas zu tun, kamen zusätzlich Stellwände ähnlich denen in Abb. 11.71 und 11.73 mit verhautetem offenporigem PU-Weichschaum in Lochblechkörben zum Einsatz, s. Abb. 11.108 (d). Mit der hier erreichten Nachhallzeit von konstant 0.4 s erfüllt der Vorführraum die Anforderungen der DIN 18041 [110] für differenziertes Hören (Kurve c in Abb. 11.30). b) Aufnahme- und Übertragungswagen
Die Problematik der Akustik in kleinen Räumen beklagt auch A. Everest in [26] mit den Worten: „It is a hard fact of life that the intangibility of the acoustics link in the audio chain tends to obscure its vital importance. Hands on experience with microphones, amplifiers and loudspeakers lends a feeling of familiarity and comfort almost entirely lacking in our attitude toward the acoustical environment in which the microphone and loudspeaker function“. Das Problem der Wiedergabe eskaliert in nur etwa 25 bis 50 m3 großen Ü-Wagen, mit deren Hilfe der Audio-Ingenieur an ständig wechselnden Einsatzorten seiner Arbeit nachgeht und überall, ohne viel Probieren, sofort möglichst optimale und bequeme Abhörbedingungen vorfinden möchte. Die auf öffentlichen Straßen maximal erlaubten Fahrzeug-Abmessungen setzen sehr enge Grenzen, weswegen man schon Wagen mit im Stand ausfahrbaren Seitenwänden konzipiert hat. Dann wird der Ü-Wagen mit den Standardmaßen 16.5 u 2.5 m für den Sattelzug beeindruckende 17.5 m lang und wächst in der Breite auf bis zu 5.7 m. Fertig zu kaufen gibt es solche Spezialräume natürlich nicht.
292 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.109. Raum und Gewicht minimierende raumakustische Gestaltung eines Übertragungswagens; (a) Draufsicht, (b) Blick auf den Abhörplatz, (c) Nachhallzeit
In einem Ü-Wagen, dessen lichte Breite von kaum über 2 m durch das Mischpult vorgegeben war (Abb. 11.109), konnte demonstriert werden, dass man auch hier mit den schlanken Membran-Absorbern nach Abschn. 6.3 und verhautetem Weichschaum nach Abschn. 4.2 sehr raumsparend zum Ziel kommen kann [215]. Dazu blieb der Parkett-Boden unbehandelt. Bei mittleren Frequenzen gilt es, eine möglichst kurze und konstante Nachhallzeit zu erreichen. Dies gelingt in diesem Falle mit einer fast vollflächigen Verkleidung der Wände und der Decke mit meist 100 mm dickem offenporigem Weichschaum, der oberflächlich mit einem speziellen, farbigen Lack spritzverhautet ist. Die Dicke dieser Verhautung ist so gewählt, dass der Absorptionsgrad des Schaums zu sehr hohen Frequenzen leicht abnimmt. Vor dem Schaumstoff befindet sich als Schutz vor mechanischen Beanspruchungen ein Lochblech mit 15 u 15 mm quadratischer Lochung (56% Lochflächenanteil). Zum anderen sollen frühe Reflexionen vermieden werden, die Klangverfärbungen durch so genannte „Kammfilter“-Effekte verursachen können. Durch Anbringung von Diffusoren kann der Schall vorteilhaft gestreut werden. Hier wurden stattdessen die ohnehin notwendigen Einbauten an der Rückseite des Abhörraumes und das Mischpult so geneigt, dass schädliche Reflexionen zur Abhörposition vermieden werden.
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 293
Zur Absorption tiefer Frequenzen kamen Membran-Absorber an der Vorder- und Rückseite des Raumes hinter der Schaumstoffverkleidung, neben den Monitoren auch an den Längsseiten, zum Einsatz. Sie sind für die Nachhallzeit unter 125 Hz bestimmend. Ihr Anstieg in Abb. 11.109 (c) von unter 0.1 s bei höheren Frequenzen auf 0.4 s bei 50 Hz ist zwar nicht optimal. Das in derartigen Räumen gefürchtete „Dröhnen“ konnte aber so mit relativ geringem Raumverlust und Kostenaufwand vermieden werden. c) Mehrkanal-Abhörraum
Neue Entwicklungen im Bereich der Kodierung von Audio-Signalen wie der ISO/MPEG-Standard [216] bilden eine Schlüsseltechnologie für die multimedialen Audio- und Videosysteme von morgen. Das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS arbeitet an vorderster Front an der Verbesserung und Echtzeit-Implementierung von Verfahren zur Daten-Reduktion und -Komprimierung. Um die jeweiligen Ergebnisse unter realistischen Wiedergabebedingungen beurteilen und gegebenenfalls weiter optimieren zu können, sollte im Labor des IIS ein allen aktuellen und zukünftig zu erwartenden Ansprüchen genügender Abhörraum geschaffen werden. Er musste in ein bestehendes Institutsgebäude mit benachbarten Studiokomplexen, Laborräumen und Werkstätten integriert werden mit entsprechend hohen bau- und schalltechnischen Anforderungen. Die Vorgabe von Einzahlangaben, wie etwa eines A-bewerteten Schalldruck-Pegels LA nach [217] für das Störgeräusch oder eines bewerteten Schalldämm-Maßes Rw nach [35] für die Luftschall-Dämmung reicht hier natürlich nicht. DIN 15 996 [218] legt stattdessen Grenzkurven (GK) in Terzen zwischen 50 und 10 000 Hz fest, die im wichtigsten Frequenzbereich unter 500 Hz den Noise-Rating (NR)-Kurven (in Oktaven) der ISO 1996 [220] entsprechen, und die entsprechend der Nutzung an keiner Stelle überschritten werden dürfen, s. Abb. 11.110. Da im schräg über dem für den Einbau des Abhörraumes vorgesehenen Laborbereich gelegenen Geschoss eine Metallwerkstatt mit einer sehr lauten Schlagschere arbeitet, musste außerdem für eine starke Körperschall-Entkopplung vom übrigen Baukörper gesorgt werden. Dazu wurde – nach der Aufdoppelung der bestehenden Leichtbauwände durch 24 cm starke Kalksandsteinwände auf dem bestehenden Verbundestrich – dem Raum-in-Raum-Prinzip folgend zunächst eine Betonplatte eingebaut, deren verlorene Schalung auf in Gummi eingeschlossenen Mineralwolleklötzen gelagert ist. Diese „Würfelchen“ haben sich in zahlreichen Bauprojekten als kostengünstige und besonders fehlertolerant einzubauende Körperschall-Isolierung bewährt. Auf dieser „schwimmenden“ Fundamentplatte wurden – völlig vom bestehenden Gebäude getrennt – wiederum Kalksandsteinwände errichtet, die eine 18 cm starke Ortbetondecke tragen.
294 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.110. Grenzkurven (GK) für den zulässigen Geräuschpegel nach [218] für Produktionsstudios des Hörfunks – Hörspiel GK 0 – Kammermusik 0 – Sinfonische Musik 5 – Sprache 10 bis 15 – Unterhaltungsmusik 15 Abhör- und Tonbearbeitungsräume 5 bis 15 Produktionsstudios des Fernsehens 10 bis 20 Bearbeitungsräume allgemein 10 bis 20 Bearbeitungsräume mit Bürofunktion 20 bis 25
Die Oberflächen des Mauerwerks wurden, wo zugänglich, verputzt und der Schalenzwischenraum mit Mineralfasermatten bedämpft. In beiden Schalen wurde je eine Schallschutz-Stahltür mit Rw = 45 dB eingesetzt. Das Regiefenster erhielt eine geneigte Sicherheitsverglasung in schreinermäßig mit Minimaltoleranzen gefertigten Rahmen, auf welche zusätzlich eine mikroperforierte Acrylglasplatte nach Abb. 11.111 geschraubt werden kann. Die Durchführungen fest verlegter Leitungen wurden alle dauerelastisch verfugt. Aus akustischer Sicht kritisch, aber dem Nutzer nicht auszureden, waren zwei Durchbrüche in Höhe der Sockelleisten für z. T. konfektionierte Audio- und Videokabel. Hier mussten einerseits die geradlinige Durchführung durch eine Gesamtwandstärke von 65 cm, andererseits eine sichere Entkopplung und Vermeidung eines „Schlüsselloch“-Effektes gewährleistet werden. Diese und andere Details der Bauausführung sind ausführlich in [221] beschrieben. Neben den aus seiner Umgebung in den Abhörraum eindringenden Fremdgeräuschen sind es die eigenen Betriebsgeräusche, die seine bestimmungsgemäße Nutzung beeinträchtigen können. Im Vordergrund steht dabei stets die Lüftungs- und Klimaanlage. Da der Raum durch bis zu 10 Hörer oft für mehrere Stunden genutzt wird, musste eine entsprechend
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 295
Abb. 11.111. Stark dämmendes und dämpfendes Studio-Fenster [219]
leistungsfähige mechanische Lüftung eingeplant werden. Hinsichtlich ihrer Geräuschentwicklung mussten die Lüftungs- und Beleuchtungsanlagen natürlich denselben harten Anforderungen (GK 15 nach Abb. 11.110) unterworfen werden wie alle anderen Störquellen. Erstere wurde an eine bereits bestehende raumlufttechnische Anlage angeschlossen. Die neuen Lüftungskanäle wurden trockenbautechnisch eingehaust und elastisch von der Rohdecke abgehängt [221, Bild 8]. 4 gerade, 60 cm breite und 100 cm lange Schalldämpfer aus Membran-Absorbern nach Abschn. 6.3 für die tiefen und aus verhautetem Weichschaum nach Abschn. 4.2 für mittlere und hohe Frequenzen sowie 5 teilweise in den Umlenkungen vor den Luftauslässen integrierte Weichschaum-Schalldämpfer [221, Bilder 6 u. 7] sorgen hier für die nötige Einfügungsdämpfung. Obgleich dieser Raum mit seinen ca. 100 m3 am unteren Ende der ITU-Empfehlungen [222] liegt, wurde er raumakustisch so realisiert, dass er die Erwartungen der Nutzer voll erfüllt und inzwischen zu einem Referenzraum zum kritischen Vergleich konkurrierender Verfahren zur Datenkomprimierung geworden ist. Auf eine Schrägstellung seiner Wände oder ihre Gliederung nach Art von Diffusoren wurde bewusst verzichtet, um seiner Doppelfunktion als technischer Laborraum einerseits und als attraktiver, akquisitorisch einsetzbarer Demonstrationsraum andererseits gerecht zu werden. Seine mit Bedacht gewählten inneren Abmessungen (7.3 u 5.7 u 2.6 m) mit einer „Nettobreite“ von 5.5 m für die
296 11 Innovative Raum-Akustik
Lautsprecher-Anordnung führen zu einem Abstand ' f der axialen Moden nach Gl. (2.2) von
2 Hz ' f ! 20 Hz
(11.33)
gute Voraussetzungen zur Glättung der Übertragungsfunktion mit Hilfe einer hier erstmals eingesetzten Raumauskleidung. Insgesamt 53 m2 Verbundplatten-Resonatoren VPR nach Abschn. 5.3 in drei verschiedenen Auslegungen mit unterschiedlicher Blechstärke und 15 m2 verhauteter Weichschaum belegen zusammen nur etwa 50% der Raumbegrenzungsfläche in einer schachbrettartigen Anordnung. Dabei wurde sorgfältig auf eine möglichst vollkommene Symmetrie der Auskleidung zur mittelsenkrechten Ebene (als Stereo-Basis) geachtet. Bereits in der Vorplanung wurde deutlich, dass die verschiedenen Oberflächen aus Blech und Schaum in den unterschiedlichsten Abmessungen gemäß Abb. 11.112 (a) nicht den angestrebten, ruhig zurückhaltenden Eindruck vermitteln. In enger Abstimmung mit dem Architekten und den Nutzern wurde deshalb eine akustisch transparente, optisch attraktive
Abb. 11.112. Montage der VPR-Module an Wänden (a) und Decke (b) eines Abhörraumes hinter einer akustisch transparenten Vorsatzschale (c) nach [221]
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 297
Vorsatzschale aus quadratisch gelochten Blechen im Wandbereich und Streckmetallfeldern im Deckenbereich entwickelt, s. Abb. 11.112 (b). Die Absorber-Module sind zwischen Montageschienen nach Art einer Pfosten/Riegel-Fassade eingebaut (c) und vorderseitig mit einem dekorativen Glasgewebe beklebt. Die vorn trogförmig offenen Montageschienen ermöglichen flexible nachträgliche Installationen auch schwererer Geräte an Wänden und Decke, ohne die Raumauskleidung zu berühren. „Fliegend“ verlegte Audioleitungen können vermieden werden durch einen U-förmig umlaufenden Kabelkanal im Boden (s. Abb. 11.112 (b)), dessen Rollrostabdeckung an jeder Stelle des Raumes eine verdeckte Kabelführung ermöglicht. Da lichttechnisch anspruchsvolle Demonstrationen nicht im Abhörraum stattfinden, wurde nur eine „atmosphärische“ Beleuchtung des Raumes auf einer Niedervolt-Stromschiene gewählt, deren Trafos mit Rücksicht auf mögliche Geräuschentwicklungen außerhalb angeordnet wurden. Die Luftschall-Dämmung zwischen dem Abhörraum und dem SchallLabor übertrifft bereichsweise mit über 90 dB oberhalb 125 Hz noch die hohen Anforderungen der DIN 15966 für Räume mit Musikproduktion (GK 15). Die Trittschall-Übertragung von der Decke über dem Laborraum konnte durch die Raum-in-Raum-Bauweise im Abhörraum ab 100 Hz um 40, oberhalb 500 Hz sogar um 50 dB gemindert werden, s. Abb. 11.113 (a). Selbst das Geräusch der Schlagschere wird mit seinem Maximum bei 50 Hz nur noch unterhalb der GK 15 wahrnehmbar, s. Abb. 11.113 (b). Auch die Lüftungsanlage bleibt demnach, selbst bei maximaler Leistung, gerade bei den so wichtigen tiefen Frequenzen noch deutlich unter dieser Grenzkurve. Die mittlere Nachhallzeit nach [222] zwischen 200 und 4 000 Hz liegt zwar gemäß Abb. 11.114 mit 0.2 s etwas niedriger als nach dieser Empfehlung bei einem Volumen V (hier gerade dem dort definierten Referenzvolumen V0 entsprechend) nahegelegt: 1/ 3
Tsoll
⎛V ⎞ 0.3 ⎜ ⎟ ⎝ V0 ⎠
.
(11.34)
Viel wichtiger ist aber, dass der Verlauf der Nachhallzeit zwischen 125 und 8 000 Hz sehr gleichmäßig, wie für ein Referenz-Schallfeld anzustreben, ist. Von 100 Hz abwärts steigt diese zwar, wie erwartet, etwas an. Sie bleibt aber mindestens bis 63 Hz innerhalb des Toleranzfeldes nach [222]. Das ebenfalls in Abb. 11.114 eingetragene Toleranzfeld nach [218] gilt selbst bei ambitionierten Fachleuten als etwas zu eng, wenn die mittlere Nachhallzeit derart klein ist.
298 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.113. Trittschall-Pegel von der oben liegenden Werkstatt vor (♦) und nach (□) den Maßnahmen (a) sowie Lüftungsgeräusche bei minimaler (∆) bzw. maximaler Leistung (○) und Pegel der Schlagschere (b) im Vergleich zur GK 15 nach Abb. 11.110
Abb. 11.114. Nachhallzeit im Abhörraum (○) mit Toleranzbereichen nach [222] (durchgezogen) bzw. [218] (strichliert)
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 299
Abb. 11.115. Im Abhörraum diagonal über Eck gemessene Übertragungsfunktion
Das gute Ergebnis mit einer neuartigen, insgesamt nur 12 cm dicken Raumauskleidung an Decke und Wänden erkennt man auch an dem sehr glatten Verlauf der Übertragungsfunktion in Abb. 11.115, die kaum mehr als 5 dB innerhalb eines Halbtonabstandes schwankt. Ihr kontinuierlicher Anstieg mit der Frequenz ist auf die Charakteristik des Lautsprechers, nicht aber auf eine Raumrückwirkung zurückzuführen. In der Zwischenzeit hat diese erfolgreiche Zusammenarbeit auch im Fraunhofer-Institut für digitale Medientechnik IDMT, einem Ableger des IIS, in einem ähnlichen Abhörraum Früchte getragen. d) Hörraum im Büroformat Kleine Räume wie der zuvor beschriebene mit derart geglätteter Raumantwort sind selbst für professionell mit Audio-Problemen konfrontierte Tonmeister und -ingenieure noch etwas durchaus Ungewohntes. Auch in noch kleineren Räumen, die zudem noch wegen ihrer Nutzung auf größeren Flächen unbehandelt bleiben müssen, lässt sich das neue raumakustische Konzept zur Erzielung von Abhörqualitäten nach [222] mit kleinen Abstrichen, insbesondere was die bauakustischen Bedingungen und oft auch die Störgeräusche angeht, gut anwenden. Eigentlich liegt es nahe, dieses auch auf Räume anzuwenden, in denen oft mit sehr teuren Instrumenten oder Geräten Musik gemacht oder gehört wird. Man kann sogar noch einen Schritt weiter gehen und propagieren, dass aufwändig eingerichtete Arbeits- und Freizeiträume im Büroformat grundsätzlich für alle vier Sinne, die jede Umgebung anspricht, also auch das Hören neben dem Sehen (Lichtverhältnisse), Fühlen (Raumtemperatur) und Riechen (Luftqualität), die größtmögliche Behaglichkeit für ihre Nutzer ermöglichen sollten. Um für dieses Konzept bei seinen Besuchern zu werben, wurde im Hauptgebäude des Fraunhofer IBP ein 6.9 u 4.7 u 2.9 m großes Büro als Demonstrationsraum (Raum A 2.24) für beste Hörbedingungen eingerichtet, s. Abb. 11.116 und [61]. Seine untere Stirnwand ist massiv, alle anderen Wände weisen leichte Gipskartonschalen ähnlich wie im Beispiel von
300 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.116. Demoraum für beste Hörbedingungen im Fraunhofer IZS [61]; Ansichten mit Büroausstattung (a, b), Grundriss mit Abhör-Positionen nach [222] (c), VPRund Schaumstoff-Module an der Decke (d)
Abb. 11.56 auf. Die jeweils 3.4 m2 großen Glasfenster und 2 m2 großen Holztüren entsprechen dem Bürostandard vom Anfang der 80er-Jahre. Ihre Schalldämmung entspricht also keinesfalls den Anforderungen an Abhörräume [222]. Zur weiteren, unverändert belassenen, Grundausstattung gehören ein nicht besonders weicher Gehbelag, ein 2 m2 großer Schreibtisch sowie eine Sitzgarnitur mit einem kleinen Tisch, beide aus Holz, mit 8 dünnen Sitzkissen in einer Lederhülle. Im Ausgangszustand weist dieser Raum die in Abb. 11.117 dargestellten raumakustischen Eigenschaften auf. Die Nachhallzeit ist sehr ungleichmäßig
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 301
Abb. 11.117. Nachhallzeit (a) bzw. Übertragungsfunktion (b) des Hörraumes vor (○ bzw. dünn) und nach (● bzw. fett) Durchführung raumakustischer Optimierungen nach [61]
und gipfelt um 1.3 s unter 250 Hz. Im für die Sprachverständlichkeit als besonders wichtig erachteten kHz-Bereich variiert sie zwischen 0.6 und 0.8 s, ein nach Kurve b in Abb. 11.30 für V = 94 m3 ganz passabler Wert. Die Übertragungsfunktion schwankt bei tiefen Frequenzen stark um 20 dB. Eine konventionelle Akustik-Unterdecke mit der hier nur möglichen 10 cm Abhängung würde allenfalls bei Frequenzen oberhalb 250 Hz die notwendige Absorption bringen. Stattdessen decken nun 14 ebenfalls nur 10 cm dicke VPR-Module nach Abschn. 5.3 insgesamt ca. 20 m2 gerade einmal 62% der Decke ab. Oberhalb der Sitzgruppe wurden zwischen diesen starken Tiefen-Schluckern zusätzlich ca. 3 m2 raumseitig verhautete Weichschaumstreifen eingefügt, die auch hier den seitlichen Schalleintritt in die VPR nicht behindern. Das Teuerste an dieser gegen das tieffrequente „Dröhnen“ besonders wirksamen Deckenauskleidung ist ihre akustisch transparente Lochblechabdeckung ähnlich der Wandverkleidung in Abb. 11.112 (b), die auf einem konventionellen Unterdeckenraster aufliegt und deckenseitig mit einem Dekorationsstoff bespannt ist. Auch im Zeitalter von Multi-Media und E-Mails kommt ein Büro ohne Stauraum für Akten, Bücher und Zeitschriften nicht aus. Die hier fest
302 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.118. Lochplatten-Resonatoren in den Schiebetüren vor Akten-Regalen an 2 Wänden (a, b); VPR-Modul als Wandtafel und Projektionsfläche zwischen den Fenstern (c) des Demoraumes
eingebauten 6.4 m breiten und 0.45 m tiefen, fast raumhohen Regale an den 2 leichten Innenwänden wurden gleichzeitig akustisch genutzt, indem die 8 Schiebetüren, 2.6 m hoch, mit speziellen Füllungen aus gelochten Tischlerplatten versehen wurden (Abb. 11.118). Die 24 mm großen Rundlöcher, die einen Lochanteil von ca. 9% bilden, wurden raumseitig mit demselben Stoff wie an der Deckenblende bespannt, so dass an diesen Wänden ca. 17 m2 eines breitbandig wirksamen Mitten-Schluckers realisiert werden
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 303
konnten, die auch optisch und haptisch nichts zu wünschen übrig lassen. Die 0.6 m tiefen 4.3 m breiten Regale vor der Massivwand zur Aufnahme der audiovisuellen Medien wurden nur teilweise mit Schiebetüren versehen, die hier aber Füllungen aus transparenten mikroperforierten Acrylglasplatten nach Abschn. 9.1 als Mitten- und Tiefen-Schlucker erhielten. Über der Tür zum Sekretariat wurde ein kleines VPR-Modul nach Art eines Frieses mit einem überstehenden Schwingblech, welches mit dem dekorativen Stoff der Fenstervorhänge bespannt ist, zu Demozwecken montiert. Die Wandfläche zwischen den beiden Fenstern wurde mehrfach genutzt, indem ein 2 u 1.4 m großer VPR in einem attraktiven Lochblechrahmen dort gleichzeitig als weiß pulverbeschichtete Schreibtafel, Pinnwand für Zeichnungen und Notizen sowie Projektionsfläche für Dia-, Overhead- und Power-Point-Präsentationen dienen kann. Insgesamt wurden so auf knapp 23 m2, entsprechend etwa 17% der gesamten Raumoberfläche, VPR mit Blechdicken zwischen 1 und 2.5 mm installiert. Außerdem wurden noch einige Kanten und Nischen zwischen Regal-Wangen und -Böden und Raumbegrenzungen sowie hinter den in den Raum schwenkbaren Monitoren mit dünneren Schaumstoff-Kissen ausgefüllt, so dass ein optisch geschlossener Eindruck sich mit einer optimalen Gestaltung der Raumakustik paaren ließ. Es wurden aber nur solche Maßnahmen realisiert, die sich in jedem Büroraum auch nachträglich, mit verhältnismäßig geringem Raumbedarf und Kostenaufwand, etwa mit dem Zeitaufwand einer gründlichen Renovierung durchführen lassen. Der Raum zeichnet sich durch eine ungewohnte akustische Transparenz bei deutlich (um mehr als 6 dB) gegenüber baugleichen Nachbarräumen abgesenktem Fremdgeräusch-Pegel aus. 20 und mehr Besucher können sich darin ohne Anstrengung ihrer Stimmbänder gleichzeitig beliebig leise oder laut gut verständigen – für die meisten ein sehr überraschendes Phänomen, wobei gleichzeitig durch die Überlagerung so vieler Stimmen die Vertraulichkeit der einzelnen Gespräche erhalten bleiben kann. Besonders der direkte Vergleich mit einem fast gleichen, erst viel später ähnlich behandelten Büroraum überzeugt von dem innovativen Konzept nach Abschn. 11.5. Objektiv lässt sich das gute Ergebnis vor allem anhand der zwischen 20 und 120 Hz weitgehend geglätteten Übertragungsfunktion dokumentieren (Abb. 11.117 (b)). Aber auch die nach Durchführung aller Maßnahmen sehr gleichmäßig niedrige Nachhallzeit spiegelt den subjektiven Eindruck eines die Schallereignisse im Raum nicht verfälschenden „ReferenzSchallfeldes“ wider: Nur bei 63 und 50 Hz steigt die Nachklingzeit (gemessen nach [20]) auf etwas höhere Werte an. Es sei noch angemerkt, dass an der in Abb. 11.116.(c) skizzierten Abhörposition die hohen ITU-Anforderungen für die „Symmetrie“ einer 2-Kanal-Wiedergabe gut erfüllt wird.
304 11 Innovative Raum-Akustik
e) Tonbearbeitungsräume Der vorstehend beschriebene Demoraum mit seinen exzellenten Hörbedingungen bei baulichen Standard-Voraussetzungen veranlasste einige Betreiber von Audio- und Video-Studios, ihre raumakustisch oft nur unzulänglich ausgestatteten „Bearbeitungsräume mit büroähnlichem Charakter“ (nach [218] mit den geringsten Anforderungen an die Fremdgeräusch-Immission, GK 20 bis 25 in Abb. 11.110) kostengünstig aufzuwerten, ohne auf bequemes Arbeiten bei Tageslicht verzichten zu müssen. Im Digital-Mastering-Raum eines ambitionierten Musikstudios (Abb. 11.119) blieben die VPR-Module in Lochblechrahmen, mit einer weißen Lackierung versehen, an Decke und Wänden ganz unverkleidet, um Kosten zu sparen. So blieb den Nutzern jederzeit die Möglichkeit, insbesondere die Wand-Module nach den jeweiligen Arbeitsbedingungen oder dem persönlichen akustischen „Geschmack“ gezielt umzuhängen. Die Übertragungsfunktion und die Nachhallzeit (Abb. 11.119 (b)) bleiben dabei stets problemlos innerhalb der ITU-Empfehlungen [222]. Ein ähnliches Beispiel für dieses kostengünstige raumakustische Konzept liefert der Ton-Nachbearbeitungsraum eines Video-Labors an der Fachhochschule Dessau (Abb. 11.120). Hier wurden VPR- und BKA-Module dauerhaft an Decke und Wänden, im Hinblick auf die Stereo-Basis möglichst symmetrisch zur mittelsenkrechten Ebene des Raumes, angebracht. An den Fenstern kamen Rollos aus dreilagigen transparenten Folien-Absorbern nach Abschn. 9.2 zum Einsatz. Diese Maßnahmen gewährleisten wiederum die ITU-Anforderungen an die Nachhallzeit, wie in Abb. 11.120 (b) abzulesen ist. Die Übertragungsfunktion wurde geglättet; oberhalb 50 Hz sind die Schwankungen jetzt kleiner als 5 dB.
Abb. 11.119. VPR-Module an Decke und Wänden (a) zur akustischen Aufwertung der Arbeitsbedingungen in einem professionellen Tonstudio; (b) Nachhallzeit vorher (○) und nachher (□) sowie ITU-Empfehlung [222]
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 305
Abb. 11.120. VPR-, BKA- und MPA-Module an Decke und Wänden eines Ton-Nachbearbeitungsraumes in einem Video-Labor [223] (a); Mittelwert der Nachhallzeit (b); Übertragungsfunktion vorher (dünn) bzw. nachher (fett) (c)
f) Produktionsstudios In den Abschnitten 11.6.5 und 11.6.6 wurden die Einflüsse sehr unterschiedlich großer Räume auf die Arbeitsbedingungen der Künstler, Instrumentalisten, Sänger und Sprecher behandelt und raumakustische Maßnahmen zu ihrer Verbesserung aufgezeigt. In den ersten Beispielen dieses Abschnitts ging es mehr um die Arbeitsbedingungen der Tonmeister, Ingenieure und Wissenschaftler, die sich um eine optimale Aufnahme, Konservierung und Nutzung der künstlerischen Produkte kümmern. In den eigentlichen Aufnahmestudios für Audio- und Video-Darbietungen treffen sich die Interessen aller Akteure im Wunsch nach einem Raum, der das von hochwertigen Quellen Erzeugte unterstützt, aber möglichst wenig verfälscht. Ähnlich wie der Dirigent in den Probenräumen alle Ensemblemitglieder sauber und differenziert hören und beeinflussen möchte, so freut sich der Tonmeister, wenn der Aufnahmeraum es ihm ermöglicht, alle Stimmen individuell und klar über die Mikrofone an sein Mischpult zu bekommen. Dies ist für ihn die beste Voraussetzung, um damit das gesamte Klangbild neu zu komponieren und zum Schluss z. B. auch einen gewissen Nachhall elektronisch zu simulieren. Man kann zwar auch durch geeignete Mikrofone und ihre Positionierung sowie durch Abschirmungen zwischen verschiedenen Quellen zu verbesserten Ausgangssignalen für die immer notwendige Tonbearbeitung kommen, s. Abschn. 11.6.5. Aber nur wenn der Raumeinfluss nicht zu stark ist, haben Künstler wie Techniker eine Chance, zu rundum optimalen Tonkonserven zu kommen, die ja auf dem Markt oft erst den eigentlichen Ertrag für alle Arbeit erbringen müssen.
306 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.121. Absorberbelegung von Wänden und Decke eines Video-ProduktionsStudios; Nachhallzeit mit (○) bzw. ohne (■) akustisch transparente Verkleidung [223]
Nachdem aber bei Probenräumen in den letzten Jahren schon ein Trend zu weniger halligen Räumen zu verzeichnen ist (s.o.), steht einer Anwendung des weiter oben beschriebenen raumakustischen Konzepts auch in Studios für die Aufnahme von Audio- und Video-Produktionen nichts im Wege. So wurde auch in einem dem Raum in Abb. 11.120 benachbarten Studio VPR- und BKA-Module an Wänden und Decke mit Abstand zueinander montiert. Anders als in der Tonbearbeitung wurden sie aber hier mit akustisch transparenten Verkleidungen (z. B. einer offenen Rasterdecke) versehen, siehe Abb. 11.121. Die Nachhallzeit bleibt in diesem Raum fast in den engen Grenzen der DIN 15 996 [218]. Eine besondere Herausforderung stellten die Regiefenster zwischen zwei Sprecher-Studios sowie zum Bearbeitungsraum in einem kommerziellen Sender dar (Abb. 11.122 (a) bis (c)). Mit ihren großen, schweren Glasscheiben stellen sie für Sprecher und Toningenieure gleichermaßen ein leidiges Problem dar: Da sie die von einem Sprecher oder Monitor ausgehenden Schallwellen praktisch vollständig zurückwerfen, können sich direkter und reflektierter Schall störend und den Klang verfälschend überlagern. Dieser Effekt tritt besonders stark auf, wenn alle anderen Begrenzungen, so wie im vorliegenden Fall, mit Hilfe der oben beschriebenen Akustik-Bausteine (hier hinter Lochblech-Verkleidung) praktisch reflexionsfrei gemacht wurden. In einem Musteraufbau konnte gezeigt werden, dass eine 3 mm dicke mikroperforierte Acrylglasplatte 4 mit 0.3 mm breiten Schlitzen im Abstand von 16 mm (Perforationsgrad ca. 2%) den störenden Kammfilter-Effekt mit Pegel-Einbrüchen von bis zu 25 dB in der Übertragungsfunktion um 500 Hz völlig und zwischen 125 und 1 000 Hz immerhin auf weniger als 10 dB einebnet, s. Abb. 11.122 (d) [219].
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 307
Abb. 11.122. Transparente mikroperforierte Absorber MPA (a, b) und Diffusoren MPD im Ton-Studio eines Fernsehsenders (c) sowie im Labor gemessene Übertragungsfunktionen (d) des Lautsprechers im Freifeld a, des Fensters ohne b bzw. mit c absorbierender Vorsatzschale [219]
Deshalb wurden vor einem Außenfenster und vor beiden Regiefenstern im Beispiel von Abb. 11.122 beidseitig transparente, 12 mm dicke, Absorber nach Abschn. 9.1 installiert. Am großen Außenfenster hinter dem Toningenieur wurden über die gesamte Breite und Höhe (ca. 2 m) transparente mikroperforierte Diffusoren nach [224], ebenfalls aus Acrylglas vorgesetzt (Abb. 11.123). Ihre Bautiefe beträgt nur 7 cm. Sie wurden in 4 unterschiedlich auf Frequenzen zwischen 315 und 1 600 Hz abgestimmten, jeweils 1.2 m breiten, Streifen eingebaut. Die Impulsantwort von einem der Regie-Lautsprecher zur Hörposition (Abb. 11.123 (c)) zeigt nach dem um 17 dB erhöhten Direktschall einen tatsächlich sehr gleichmäßigen Abfall mit nur schwach herausragenden Spitzen, die auf andere Reflexionen von den Begrenzungsflächen und Einrichtungsgegenständen zurückzuführen sind [225].
308 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.123. Transparente MPD-Kassetten vor dem Außenfenster des Ton-Studios in Abb. 11.122; Impulsantwort an der bevorzugten Hörposition der Tonbearbeitung, gemessen mit dem Regie-Lautsprecher
Der architektonische Trend zu glasumschlossenen Arbeitsräumen (vgl. Abschn. 11.6.1 und 11.6.3) hat auch nicht vor großen Studio-Komplexen Halt gemacht. Dadurch werden der raumakustischen Gestaltung natürlich sehr enge Grenzen gesetzt. So ist der kürzlich erstellte „Mediengarten“ des Mitteldeutschen Rundfunks in Leipzig als filigrane Stahlkonstruktion mit Glasdach und Glasfassaden erstellt worden (Abb. 11.124). Der untere Bereich trägt Terrakotta-Verkleidungen an Wänden und Boden. Seine Nachhallzeit von fast 4 s gemäß Abb. 11.125 (c) wäre nach [110] selbst für reine Musikdarbietungen in einem Raum mit einer Grundfläche von 800 m2 und Höhe von ca. 12.5 m viel zu groß. Da der Raum auch für Vorträge, Diskussionen und „Talkshows“ genutzt wird, waren raumakustische Maßnahmen unabdingbar [162]. Da aber der optische Gesamteindruck keinesfalls verändert werden durfte, kamen auf ausdrücklichen Wunsch von Architekt und Betreiber in diesem besonderen Fall ausschließlich mikroperforierte Polycarbonat-Folien einlagig zum Einsatz. Unter dem Dach wurden insgesamt 228 m2 Absorber vor den jeweils 2 u 2 m großen 57 Deckenfeldern in 1 m breiten Streifen fest angebracht. Die Folien wurden hier über jeweils 2 Aluminiumprofile an ihren Stirnseiten oberhalb der Stahlkonstruktion blickverdeckt befestigt und gespannt,
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 309
Abb. 11.124. Unter einem Schall absorbierenden Glasdach (a) bleibt der „Mediengarten“ des Mitteldeutschen Rundfunks in Leipzig lichtdurchflutet (b); beidseitig ebenfalls mit mikroperforierten Folien bespannte Stellwände als Raumteiler und im Raum verteilte Absorber (c)
s. Abb. 11.123 (b). Im oberen Fassadenbereich sind insgesamt 557 m2 Absorber als 80, jeweils 2.5 u 2 m große, Rolloeinheiten, 20 auf jeder Seite, hinter der Stahlkonstruktion beweglich installiert worden (Abb. 11.125 (b)). Auf jeder 2.5 m langen Rollowelle sind jeweils zwei 1.2 m breite Folienbahnen nebeneinander befestigt. Unten nimmt eine so genannte Auffangfalle das Folienende mit dem Beschwerungsstab auf. Der untere Fassadenbereich hat 24 Rolloeinheiten 2 u 1.4 m sowie 16 Einheiten 2.8 u 2 m groß erhalten (Abb. 11.125 (a)). Auch hier werden jeweils 2 Folien über eine Welle geführt. Da alle Rollos einen Motorantrieb haben, ist eine zentrale Bedienung möglich. Schließlich erhielten die 15, jeweils 2.3 u 1 m großen, Stellwände
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Abb. 11.125. Bewegliche mikroperforierte Folien-Rollos vor der unteren (a) und oberen (b) Glasfassade des „Mediengartens helfen mit, die Nachhallzeit (c) breitbandig zu senken, im Maximum sogar zu halbieren [162]
mit einer Füllung aus 8 mm dickem Acrylglas beidseitig insgesamt 60 m2 Folienabsorber im Abstand von jeweils 50 mm. Die Nachhallzeit konnte gemäß Abb. 11.125 (c) immerhin fast halbiert werden – ein unter den gegebenen Umständen – geradezu phänomenales Ergebnis, das von den Nutzern mit Dankbarkeit akzeptiert wurde und dem Lizenzpartner Mut für andere spektakuläre Einsätze im „Schlüterhof“ und in der neuen „Akademie der Künste“ (Abschn. 11.6.1) machte. 11.6.8 Akustische Messräume Wenn es um die akustische Behaglichkeit von Menschen in geschlossenen Räumen geht, tut man nach allem zuvor Gesagten gut daran, den i. A. negativen Einfluss Schall reflektierender Flächen gering zu halten, erstens um die Schallpegel in diesen Räumen möglichst gering zu halten, zweitens um schädliche Überlagerungen von Schallwellen zu vermeiden, drittens aber auch um schlechter Kommunikation (oft als Folge hoher Pegel und starker Interferenzen im Raum) entgegenzuwirken. In keinem der behandelten Beispiele versuchte man aber, den Raumeinfluss ganz auszuschalten. Wollte man dies, so könnte man hier und da einfach auf hoch
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 311
dämmenden persönlichen Gehörschutz zurückgreifen – mit dem Nachteil völliger Isolierung des Einzelnen ohne jede Kommunikation mit seinem Nachbarn. Eine gewisse Raumrückwirkung wünschen sich nicht nur die Musiker, umso mehr wenn sie sich solistisch betätigen dürfen. Die Reflexionen können ihnen, insbesondere in etwas größeren Räumen, helfen, sich ihrem Auditorium gut mitzuteilen. Wenn es dagegen um die akustische Gestaltung von Messräumen geht, möchte man in vielen Fällen auch den geringsten messbaren Einfluss des Raumes auf das Schallfeld eines Testobjekts ausschließen. Schließlich können Bruchteile eines dB über die Zulassung eines Gerätes entscheiden, während doch die subjektive Unterscheidung beim Menschen höchstens bei 3 dB liegt. Dies führt zu den entsprechend genormten Freifeld-Räumen, in denen die Begrenzungsflächen mindestens 99% der auftreffenden Schallenergie absorbieren sollten, s. hierzu Kap. 12. Diese verlangen aber nicht nur bei ihrer Errichtung und Ausstattung einen relativ hohen Investitionsaufwand. Auch die in ihnen vorzunehmenden Messungen der Schallleistung und der Abstrahlcharakteristik einer Quelle oder der Empfangscharakteristik eines Empfängers erfordern regelmäßig einen hohen Zeitaufwand. Die im Freifeld anfallende Datenmenge muss danach wieder auf handliche Kennwerte reduziert werden. Die meisten technischen Geräuschquellen und akustisch wirksamen Bauteile untersucht man deshalb nicht in reflexionsarmen Räumen sondern in so genannten Hallräumen. Wenn deren Abmessungen sehr groß gegenüber der Schallwellenlänge sind, breiten sich von einer stationären Quelle ständig Wellen in allen Richtungen aus und werden von allen schallhart belassenen Begrenzungsflächen vielfach in alle Richtungen reflektiert – die Quelle „füllt“ den Raum sehr rasch mit einem gleichmäßig verteilten („diffusen“) Schallfeld, dessen Intensität außer von der Quelle nur noch von der im Raum verteilten (mittleren) Absorption abhängt. In Hallräumen zur Bestimmung der – Schallemission von technischen Quellen, – Schallabsorption von Materialien und Bauelementen, – Schalltransmission durch Bauteile macht man deshalb Wände, Decke und Boden i. A. so reflektierend wie möglich, manchmal sogar durch spezielle Beschichtungen, die jede unnötige Porosität und damit Absorption vermeiden. In [226, S. 2.13] wird der Hallraum umschrieben als „a room having a long reverberation time, especially designed to make all surfaces as sound-reflective as possible and to make the sound field within it as diffuse as possible“ und in [227]: „the walls and all surfaces in the room are made highly reflective so that reverberation times are long and the region dominated by the direct field of
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sources is as small as possible“, oder in [228, S. 41]: „um eine hohe Genauigkeit bei der Messung zu erzielen, soll die Nachhallzeit des Raumes möglichst lang sein“. Für hohe und mittlere Frequenzen und nicht zu kleine Räume ist diese Vorstellung auch richtig. Für tiefe Frequenzen (f < 125 Hz) und kleinere Volumina (<180 m3) führt eine solche Strategie aber in die falsche Richtung, weil sich hier die Schallwellen nicht diffus sondern diskret überlagern. Bei schallharten Oberflächen bildet sich dann unvermeidbar das in Kap. 2 beschriebene sehr ungleichförmige Modenfeld aus. Selbst bei Anregung mit Breitband-, Oktav- oder Terz-Rauschen fällt es deshalb für tiefere Frequenzen schwer, – einen mittleren Schalldruckpegel als Maß für die Schallleistung von Quellen oder Schall übertragenden Bauteilen, – ein Spektrum der einspeisenden Quellen oder Bauteile, – eine Nachhallzeit als Maß für die äquivalente Absorptionsfläche im Raum mit der nach den geltenden Normen zu fordernden Genauigkeit zu bestimmen. Konventionelle reflexionsarme Räume verhalten sich weit unter 100 Hz ähnlich, weil ihre Auskleidung erst bei höheren Frequenzen zu wirken beginnt. Will man daher Quellen, Materialien und Bauteile mindestens bis 63 Hz herunter akustisch untersuchen, dann lohnt es sich, die standardisierten Messräume für tiefe Frequenzen etwas zu modifizieren und so für ihren Zweck besser zu qualifizieren. In Abschn. 5.3 wurde bereits beschrieben, wie man auch bei geringer Modendichte im Hallraum zu aussagekräftigen Absorptionsgraden kommen kann, die mit Abschätzungen aus Abklingzeiten bei einzelnen Moden nach Kap. 2 und [20] gut vergleichbar sind. Dazu wurden nach Abb. 5.14 sechs VPR-Module in den zwei unteren Ecken des 392 m3 großen Hallraumes bei beiden Messreihen ohne und mit dem jeweiligen Prüfling eingebaut, ohne dass dadurch die nach DIN EN ISO 354 [297] für den Leerraum zulässige Absorption überschritten worden wäre (Abb. 5.15). Auch wenn man die Emission einer Quelle nicht in einem simulierten Freifeld sondern im Hallraum prüfen will, verlangt die dann erforderliche Diffusität des Schallfeldes durch Vielfachreflexionen für die tiefen Frequenzen nach Abb. 2.4 derart große Volumina, dass die Messungen bei hohen Frequenzen im selben Raum wegen der entsprechend hohen Ausbreitungsdämpfung schwierig würden. Wenn man etwa die Schall-Leistung schmalbandig abstrahlender Quellen nach [34] in kleineren Hallräumen misst, so übersteigt die Standardabweichung der Ergebnisse bis 500 Hz in der Regel die von der Norm gesetzte Grenze [17]. Das liegt, wie Abb. 11.126 anschaulich macht, daran, dass auch in ziemlich großen
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 313
Abb. 11.126. Eigenfrequenzen und über Eck gemessene Übertragungsfunktion im 392 m3 großen Hallraum des IBP
Hallräumen mit grundsätzlich nicht parallelen Wand- und Deckenflächen bei tiefen Frequenzen, ganz so wie in Rechteckräumen, bei der Messung die Modenfelder weiter dominieren. Bei der Berechnung der Eigenfrequenzen nach Gl. (2.2) muss man nur den mittleren Abstand zwischen gegenüberliegenden Begrenzungsflächen benutzen. Wegen der in Abb. 11.127 (a) zu erkennenden hohen Standardabweichungen führt ein pragmatischer Mittelweg zu akzeptableren Ergebnissen: Der Hallraum wird in seinen 4 unteren Ecken mit jeweils 3 unterschiedlich abgestimmten VPR-Modulen so weit bedämpft (b), dass die örtlich starken Resonanzüberhöhungen bei tiefen Frequenzen abgebaut und dadurch die von den einschlägigen Normen geforderten Standardabweichungen bei Wiederholungsmessungen tatsächlich auch eingehalten werden können. Abbildung 11.127 (c) zeigt ein Beispiel einer Raumeignungsprüfung für tonale Geräusche nach [34], bei dem die Standardabweichung in den zu fordernden Grenzen bleibt, ohne dass die eingebaute Absorption den Grenzwert für den mittleren Absorptionsgrad nach [33] überschreitet oder die Nachhallzeit im Messraum zu stark reduziert würde, vgl. Abb. 11.128.
314 11 Innovative Raum-Akustik
Abb. 11.127. Standardabweichungen bei der Raumeignungsprüfung nach [34] in 392 (○), 290 (●), 249 (―) m3 großen Hallräumen (a); Grunddämpfung des mittleren mit 12 VPR-Modulen in den 4 unteren Ecken (b); Absenkung der Standardabweichung (○) auf den Grenzwert nach [34] (strichliert) durch diese „Grunddämpfung“ (c)
Will man schließlich die Schall-Transmission durch Bauteile in den nach DIN EN ISO 140 [35] genormten Prüfständen (Abb. 11.129) auch unter 100 Hz noch mit ausreichender Wiederhol- und Reproduzierbarkeit bestimmen, so empfiehlt es sich, sowohl im Sende- als auch im Empfangsraum gerade so viele geeignete Tiefen-Schlucker einzubringen, dass einerseits die z. B. hier mit Drehmikrofonen abzutastenden Schallfelder (L1 und L2) und andererseits der die Absorptionsfläche des Empfangsraumes (A2) in
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Abb. 11.128. Nachhallzeit T (a) und mittlerer Absorptionsgrad (b) im leeren Hallraum gemäß Abb. 11.127 (b) ohne (○) bzw. mit (●) „Grunddämpfung“ sowie Grenzdämpfung nach [[33]
Gl. (3.16) bestimmende Pegelabfall gleichförmig genug gemessen werden können. Abbildung 11.130 zeigt in einem Beispiel, wie mit einer in Abb. 11.129 (b, c) angedeuteten Belegung von 20% der gesamten Oberfläche der Räume in einem Türen-Prüfstand des IBP das Schalldämm-Maß mit sehr guter Wiederholbarkeit auch bei tiefen Frequenzen bestimmt werden kann, ohne dass sich etwa bei höheren Frequenzen oberhalb 125 Hz das Messergebnis wesentlich veränderte. Bei allen diesen Bemühungen um eine Verbesserung der akustischen Messräume im Hinblick auf die tieferen Frequenzen [229] sollte man aber nicht vergessen, dass es sich hier um ein ganz grundsätzliches physikalisches Problem handelt: Schallabsorber, Schallquellen und Trennbauteile weisen, wenn sie nicht ausnahmsweise in einem Freifeld eingesetzt werden, bei tiefen Frequenzen u. U. sehr unterschiedliche akustische Eigenschaften auf, je nach dem an welcher Stelle im Raum oder an seinen
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Abb. 11.129. Vorschlag für die „Grunddämpfung“ von Dämmprüfständen nach [35] (a); beispielhafte VPR-Belegung (20%) im Senderaum (b) bzw. Empfangsraum (c) des Türen-Prüfstandes im IBP
Abb. 11.130. Gemessenes Schalldämm-Maß (a) und Wiederholgenauigkeit sowie Grenzwert nach [35] (b) im Prüfstand gemäß Abb. 11.129 (b, c) ohne (dünne) und mit 8% (strichlierte) bzw. 20% VPR-Belegung (fette Kurve)
11.6 Ausführungsbeispiele innovativer Raum-Akustik 317
Oberflächen sie eingebaut werden. So ist natürlich auch z. B. das Schalldämm-Maß eines Fensters bei tiefen Frequenzen nicht unabhängig vom Einbauort in der Trennwand. Die Übertragung eines jeden Laborergebnisses auf eine konkrete Bausituation ist also immer notwendigerweise mit einer größeren Unsicherheit behaftet, als üblicherweise bei höheren Frequenzen. Aber mit dieser Schwierigkeit geht man im technischen Schallschutz seit jeher um, wenn man z. B. die Schallausbreitung von Quellen an unterschiedlichen Aufstellungsorten (stets frequenzabhängig!) zu betrachten hat. Auch wenn es um die Luftschall-Übertragung zwischen benachbarten Räumen geht, wird man sich in Zukunft wohl mit den jeweils charakteristischen Spektren der Emission, der Transmission und Absorption jeweils im Hinblickauf die zulässige Immission befassen müssen, wenn man die zunehmenden Probleme bei tiefen Frequenzen meistern will. Umso wichtiger bleiben aber Norm-Messungen in standardisierten Prüfständen, die gut reproduzierbare und vergleichbare Kenndaten der Bauteile liefern, um verschiedene Produkte unter möglichst gleichen Laborbedingungen miteinander objektiv vergleichen zu können. Zugegebenermaßen ist man hier bei der Gestaltung von Hallräumen noch nicht so weit wie bei derjenigen von Freifeldräumen (s. Kap.12).
12 Innovative Akustik-Prüfstände
In der Einleitung wurde bereits auf die immer noch wachsende Bedeutung der Verkehrsgeräusche als der mit Abstand stärksten Lärmbelastung hingewiesen (vgl. Abb. 1.1). W. Moll schließt in seiner Rezension der ersten Auflage dieses Buches [230] daran die interessante Frage an: „Wo sind die meisten Akustiker beschäftigt? Als Inhaber oder Angestellte in Akustik-Ingenieurbüros? In Lehre und Forschung? In der Bauindustrie? Bei Immissionsschutzbehörden? Weit gefehlt. Die Antwort lautet: in der Automobilindustrie. Alle bedeutenden Automobilhersteller beschäftigen Hunderte von Akustikfachleuten, um die Geräuschemission der Fahrzeuge nach den geltenden Richtlinien und Normen zu begrenzen und als „sound designer“ dem Autokäufer ein Produkt zu liefern, welches ihm nicht die Freude am Fahren vergällt, sondern im Gegenteil sie in allen Fahr- und Bediensituationen steigert. So hat z. B. der japanische Hersteller Mazda seinerzeit bei der Entwicklung des MX-5-Roadsters eine ganze Wagenladung verschiedener Ansaugkrümmer ausprobiert, um je nach gewählter Leistung dem Fahrer den richtigen Sound zu bieten: sanft schnurrend wie ein Kätzchen oder wild brüllend wie ein Löwe. Die technisch und physikalisch anspruchsvollen Entwicklungen verlangen aber ausgefeilte Prüfeinrichtungen, natürlich zuallererst zur Minimierung der Lärmemission, aber auch zur Optimierung der Innengeräusche.“ Auch W. Fasold verbindet mit diesem Thema eine zentrale Herausforderung an die akustische Zunft [231]: „Bei der Neu- und Weiterentwicklung von PKW ist die Geräuschminimierung heute zu einem der Hauptanliegen geworden, und natürlich ist der exakte messtechnische Vergleich der Geräuschentwicklung bei verschiedenen Maßnahmen und von unterschiedlichen Varianten hierbei von außergewöhnlicher Bedeutung. Wegen der Verschiedenartigkeit sowohl der zu erfassenden Schallquellen (Motor, Getriebe, Anlagen, Rollgeräusche, Strömung) als auch der Immissionsorte (Innen- und Außenraum) handelt es sich dabei um ein sehr breit gefächertes Aufgabengebiet.“ Alle Komponenten, die für das Klangbild und die Geräuscherzeugung insbesondere von PKW relevant sind, werden heute bereits in einer frühen Entwicklungsphase beim Automobil-Hersteller und/oder seinen vielen Zulieferern akustisch getestet. Die zulässigen Vorbeifahrt-Pegel werden
320 12 Innovative Akustik-Prüfstände
z. B. in der Europäischen Gemeinschaft (mit etwas Verzögerung: auch im fernen Ausland) sukzessive weiter abgesenkt. Um die jeweiligen Anforderungen zu erfüllen, wird oftmals um Bruchteile eines dB gerungen. Wegen der hohen Stückzahlen in der Serie geht es bei jeder einzelnen Lärmminderungs-Maßnahme immer auch um sehr viel Geld. In keinem Industriezweig sind daher auch nur annähernd so viele Akustiker beschäftigt. Anders als in Sparten, wo diese Spezies allenfalls als „notwendiges Übel ohne Nutzen“ geduldet wird, genießen sie z. B. bei Autobauern sogar besonderes Ansehen, weil Akustik hier zu einem wichtigen Verkaufsargument geworden ist. Kein Fahrzeug verlässt das Werk ohne eine sorgfältige individuelle akustische Kontrolle („sound quality“). Abweichungen von einem charakteristischen Klang können auch bei der Nutzung sowie in der Werkstatt als Indiz für die verschiedensten Defekte am Fahrzeug ausgewertet werden („acoustic monitoring“). Dem hohen Rang akustischer Messungen, Prüfungen und Analysen an Automobilen entspricht die Bedeutung einheitlicher Standards, die eine möglichst gute Reproduzierbarkeit und Vergleichbarkeit gewährleisten. Da die meisten Messungen in geschlossenen Räumen stattfinden, müssen diese praktisch jede Rückwirkung auf das Ergebnis ausschließen, d. h. Freifeld-Bedingungen erfüllen. Bei Außengeräusch-Messungen ist nach den geltenden Normen und Richtlinien [232] nur der ebene Boden, auf dem u. a. die Vorbeifahrt des Fahrzeugs simuliert wird, vollständig (d. h. mit r t 97%) reflektierend zu gestalten. Aber auch bei allen Innengeräusch-Untersuchungen der ca. 200 Quellen, die ihre Ursache vor allem in den Bereichen Motor, Antriebsstrang und Karosserie haben, legt die entsprechende DIN ISO 5128 [233] fest: „Der Messort muss so beschaffen sein, dass der Schall, der vom Fahrzeug nach außen gestrahlt wird, zum Innengeräusch nur durch Reflexionen von der Straßenoberfläche beiträgt und nicht durch Reflexionen an Gebäuden, Wänden und ähnlich großen Gegenständen außerhalb des Fahrzeuges.“ Bei Präzisionsmessungen darf man sich also weder darauf verlassen, dass unvollständig von Wänden und Decken der verschiedenen „Halbfreifeld“Räume absorbierte Schallanteile durch die Außenhaut des Prüflings ausreichend gedämmt in den Innenraum gelangen, noch dürfen die – meistens den Pegel erhöhenden – Einflüsse in der Umgebung des Testobjektes irgendwie rechnerisch korrigiert werden. Um Mess- und Prüfdaten im Werk und bei den zahlreichen Zulieferern unmittelbar vergleichbar zu machen, müssen deshalb alle Akustik-Prüfstände denselben harten Anforderungen angepasst werden. Bei immer kürzeren Entwicklungszyklen müssen außerdem die diversen Mess- und Versuchseinrichtungen auch räumlich stärker integriert und konzentriert werden. Deshalb entstehen bei den Kfz-Herstellern sowohl in den Entwicklungs- als auch in den Forschungszentren vielfach neue
12.1 Stand der Technik bei reflexionsarmen Räumen 321
Akustik-Bereiche mit bis zu 7 separaten reflexionsarmen Prüfständen (s. Abschn. 12.6.3 und 12.6.4). Der Wunsch, möglichst alle schall- und schwingungstechnischen Auswirkungen einer jeden Produkt-Innovation durch aufwändige Rechner-Simulationen bereits in der „Computer Aided Design“ CAD-Phase zu erkennen und etwaige Probleme frühzeitig zu beheben, ist leider nur ein schöner Traum. So bleibt den Herstellern oft nichts anderes übrig, als die Straße möglichst realitätsnah im Labor nachzubilden. Hinsichtlich der Boden-Effekte stellen die höheren Frequenzanteile ein gewisses Problem dar, das besondere Aufmerksamkeit erfordert (s. Abschn. 12.6.4 (f)). Was die Reflexionsfreiheit aller anderen Begrenzungsflächen angeht, lag das akustische Problem in der Vergangenheit dagegen eindeutig bei den tiefen Frequenzen (s. Kap. 2). Im Trend zur „gläsernen Fabrik“, die man dem Kunden in allen Bereichen transparent machen möchte, sollen auch die verschiedenen AkustikPrüfstände durch ein optisch ansprechendes Ambiente glänzen. Weil die darin untersuchten Fahrzeuge und Komponenten aber nicht immer klinisch sauber arbeiten, sollten sie außerdem mechanisch robuste, helle sowie leicht zu schützende und zu reinigende Oberflächen aufweisen. Die vielen konventionell z. B. mit Mineralfaser-Keilen ausgekleideten Räume in älteren Forschungs- und Entwicklungszentren befinden sich meist in einem nicht gut vorzeigbaren Zustand. Es erscheint daher sinnvoll, über praktikable Alternativen zu sprechen, die schall- und bautechnisch Vorteile bringen und sich bereits als besonders wartungsfreundlich bei ihren Nutzern (Wissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern) bewährt haben.
12.1 Stand der Technik bei reflexionsarmen Räumen Mitte der 80er Jahre wurde das Fraunhofer IBP mit umfangreichen Modell-Untersuchungen der aerodynamisch und akustisch relevanten Komponenten des Akustik-Windkanals bei BMW in München beauftragt [234]. Von der Vermeidung tieffrequenter Schwingungen durch Variation der Geometrie von Düse, Plenum und Auffänger über die Abschätzung der Einfügungsdämpfungen eines besonders geformten „Pilz-Schalldämpfers“ im Auffänger sowie der konventionellen Kulissen-Schalldämpfer in der Rückführung bis hin zur Vorhersage des unter den engen geometrischen Vorgaben zu erwartenden Eigengeräusch-Spektrums der Anlage wurden alle Optimierungen kostengünstig im Maßstab 1:8 durchgeführt und in der Ausführung (mit großen Mengen von Mineralfasern nach dem damaligen Stand der Schalltechnik) sehr gut bestätigt. Das 1988 erfolgreich abgeschlossene Beratungsprojekt [234] bildete die Basis für eine zukunftsweisende Forschungs- und Prüftätigkeit hin zu den Alternativen Faserfreien
322 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Absorber ALFA-Bausteinen (Abb. 1 im Vorwort), die sich in den nachfolgenden Beratungs- und Planungsaufgaben auch für die Automobil-Industrie in verschiedenen Varianten nachhaltig bewährt haben. Die weiteren Meilensteine auf dem Weg zu einem innovativen akustisch-messtechnischen sowie haptisch-ergonomischen Konzept für geräusch- und reflexionsarme Messräume unter weit gehender Vermeidung faseriger Materialien sind: – die akustische Nachrüstung des 1988 fertiggestellten Windkanals des Forschungsinstituts für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart FKFS (Abschn. 12.4) mit großzügiger Förderung durch Mercedes-Benz und Opel, unter Einsatz von Membran-Absorbern (siehe Nr. 3 in Abb. 1) und verhautetem Polyurethan-Weichschaum anstelle eines zuvor favorisierten Konzepts mit Kulissen-Paketen in den Umlenkungen und Keil-Auskleidungen in der Messhalle des Kanals [74], – die erste allseitig reflexionsarme Auskleidung eines Motor-AkustikPrüfstandes mit Breitband-Kompaktabsorbern BKA nach Abschn. 10.1 aus ebenen Melaminharz-Schaumplatten (siehe Nr. 5 in Abb. 1) mit innen schwimmend verlegten Blechplatten bei BMW in München (Abschn. 12.6.1 und [235]), – die Ausführung durchgehend faserfreier Schallschutzmaßnahmen am Gebläse und in den Strömungsumlenkungen sowie reflexionsarmer BKA-Auskleidungen im zur Zeit wohl schnellsten und leisesten Aeroakustik-Windkanal bei Audi in Ingolstadt (Abschn. 12.6.2 und [236]), – die Integration von faserfreien Kompakt-Schalldämpfern und -Auskleidungen am Gebläse, in den Kanälen sowie in der Messhalle des bisher größten alternativ ausgeführten Automotive Wind Tunnel bei DaimlerChrysler in Auburn Hills, USA (Abschn. 12.6.5 und [11]), – die vorgesehene Implementierung weitgehend vorgefertigter ALFAModule in einem neuen Peugeot/Renault/Citroen-Windkanal bei Paris und in Kfz-Prüfständen der Renault-Zentrale in Paris bzw. der First Automotive Works FAW in Changchun. Einen gewissen Höhepunkt in dieser kontinuierlichen Entwicklung eines neuartigen akustischen Design-Konzeptes stellte sicherlich die zum Ende des Jahres 2001 fertiggestellte Vorbeifahrt-Messhalle bei VW im neuen Akustikzentrum in Wolfsburg (Abschn. 12.6.4) dar. Hier wurden erstmals Asymmetrisch Strukturierte Absorber ASA (siehe Nr. 6 in Abb. 1) vor Verbundplatten-Resonatoren VPR-Modulen nach Abschn. 5.3 an Wänden und Decke installiert. Damit konnten spezielle, über die geltenden Freifeld-Normen hinaus gehende VW-Anforderungen erfüllt werden. Sie gewährleisten Freifeld-Bedingungen selbst für Schmalband-Messungen bis unter 50 Hz für Abstände bis über 9 m von einer zentral positionierten
12.2 Quellen des Lärms von Kraftfahrzeugen 323
künstlichen Schallquelle in Bodennähe. Dies gelang mit einer Bautiefe der Raumauskleidung von nur 620 mm! Seit 1997 wurden inzwischen außerdem ca. 100 Freifeld- und Halbfreifeld-Räume für die unterschiedlichsten Geräuschquellen der verschiedensten Produktbereiche von Kraftfahrzeugen mit ihren vielfältigen Zulieferteilen über Haushaltsgeräte und Hydraulik-Aggregate bis hin zu elektronischen, elektrischen und elektroakustischen Geräten geplant und ausgeführt. Dabei wurde der Melaminharzschaum in aller Regel als abriebfestes Dämpfungsmaterial begrüßt. Nur im Mercedes Technik-Zentrum bei Daimler-Chrysler in Sindelfingen (Abschn. 12.6.3) wurden 6 von insgesamt 7 Akustik-Prüfständen mit BKA-Auskleidungen versehen, in denen der Schaum aus Brandschutzgründen durch ebene Mineralfaser-Platten ersetzt wurde. Der rasante Fortschritt in kaum 5 Jahren von einer raumgreifenden Faser-Technologie aus den 40er Jahren [237] hin zu der raumsparenden Kompakt-Auskleidung war nur möglich durch eine enge Kooperation mit dem mittelständischen Unternehmen FAIST Anlagenbau als Lizenzpartner. Mit den besonders ambitionierten Kfz-Herstellern als ersten Kunden, die die Chancen der flexibel einsetzbaren Absorber-Module in neue Spezifikationen und härtere Anforderungen umzusetzen verstanden, wurden die Funktion und das Design für eine neue Generation akustischer Messräume inzwischen auf ein bisher nicht erreichtes Niveau angehoben. Von dem Erreichten können alle Industriezweige profitieren, die sich mit Produkten befassen, bei denen Lärmminderung vonnöten ist oder deren Klang zu ihren Verkaufsargumenten zählt. Auch „Abhörräume“ für Entscheider, die nicht mehr täglich ihr Ohr an den Entwicklungsobjekten haben, aber den unmittelbaren akustischen Vergleich z. B. auch mit Wettbewerbs-Produkten anstellen wollen, sollten eine rückwirkungsfreie neutrale Umgebung abgeben (s. Abschn. 12.6.4 (e)).
12.2 Quellen des Lärms von Kraftfahrzeugen Die Geräusche innerhalb bzw. außerhalb eines Fahrzeuges lassen sich grob 3 Geschwindigkeitsbereichen nach Tabelle 12.1 zuordnen. Je erfolgreicher die Konstruktionsbereiche 1. (Antrieb) und 2. (Rad/Fahrbahn) Lärmminderung betreiben, umso auffälliger treten die aerodynamisch erzeugten Geräusche in den Vordergrund, besonders in größerer Entfernung und bei tieferen Frequenzen. Daher verwundert es nicht, dass viele AutomobilHersteller seit Beginn der 90er Jahre ihre aerodynamisch damals schon sehr leistungsfähigen Windkanal-Anlagen weltweit aeroakustisch nachrüsteten oder damit begannen, neue zu bauen. Dabei ging es natürlich nicht
324 12 Innovative Akustik-Prüfstände
nur darum, die verschiedenen Eigengeräusche der Anlagen, sondern auch die akustischen Rückwirkungen ihrer Messräume im gesamten interessierenden Frequenzbereich (möglichst bis unter 50 Hz) zu minimieren [239]. Tabelle 12.1. Ursachen für Fahrzeug-Geräusche [238] Konstruktionsbereich 1. Antrieb – Motor – Getriebe – Achse – Ansaugtrakt – Abgasanlage 2. Rad/Fahrbahn – Karkassen-Schwingungen – Profil-Schwingungen – „Air Pumping“ 3. Umströmung – Karosserie – Bodengruppe – Räder – Auskragungen – Kühlluftführung
Geschwindigkeitsbereich [km/h]
< 60
40–100
> 80
12.3 Konventionelle Werkzeuge und Materialien für Freifeld-Räume „Schalltote“ Räume wurden bis vor kurzem gemäß den geltenden Normen [15, 16] meist mit homogenen faserigen/porösen Dämpfungsmaterialien möglichst gleichmäßig ausgekleidet. Um nach Abb. 4.2 damit überhaupt unter 100 Hz zu hohen Absorptionsgraden zu kommen, wären gemäß Gl. (4.9) Bautiefen von über 850 mm erforderlich. Um aber eine in der Darstellung von Abb. 4.2 vorausgesetzte optimale Anpassung des Strömungswiderstandes der Auskleidung an den Kennwiderstand der Luft realisieren zu können, müsste entweder ein „unhaltbar“ lockeres Material herangezogen werden oder dieses z. B. in mehreren dünnen Schichten mit großen Luftabständen parallel zum reflektierenden Bauteil, etwa wie in [114] beschrieben, aufgespannt werden. Hier und da hat man auch eine Idee von L. Cremer [18, Kap. 8] aus den frühen 60er Jahren aufgegriffen [240], faserige/poröse Würfelchen in zur Wand hin zunehmender Größe und Dichte an senkrechten Drähten aufzufädeln (s. Abb. 12.1). Die weitaus meisten reflexionsarmen Räume wurden aber zunächst mit pyramidenförmigen [237], in jüngerer Zeit vor allem mit Keil-Absorbern,
12.3 Konventionelle Werkzeuge und Materialien für Freifeld-Räume 325
Abb. 12.1. Reflexionsarme Wandauskleidung aus faserigen/porösen Würfeln nach [18, 240]
ausgeführt, die durch einen Lochblech-Käfig, oft auch nur durch einen Gaze-Strumpf wie in Abb. 12.2 gegen Beschädigung und Abrieb geschützt werden können. Auch im Plenum des 1987 fertiggestellten BMW-Windkanals [242] wurde mit (etwas anders versetzten) Keilen gearbeitet (Abb. 12.3). Nach [15, 16] sollten alle 6 (Freifeld-) bzw. 5 (Halbfreifeldraum-)Begrenzungsflächen möglichst gleichförmig mit einer Dicke d, die sich nach
Abb. 12.2. Reflexionsarme Wandauskleidung aus Mineralfaser-Keilen in Gaze-Strümpfen im 1983 fertiggestellten Freifeld-Raum des IBP [241] (s. a. Abb. 12.8)
326 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.3. Reflexionsarme Wandauskleidung aus Mineralfaser-Keilen in Gaze-Strümpfen des Plenums im BMW Akustik-Windkanal [234, 242]
der unteren Grenzfrequenz entsprechend Gl. (4.9) richtet, möglichst gleichmäßig reflexionsarm ausgekleidet werden. Der Reflexionsgrad r bei senkrechtem Schalleinfall sollte gemäß älteren Norm-Fassungen 0.1, der entsprechende Absorptionsgrad nach Gl. (3.4) also den Wert 0.99 nicht über- bzw. unterschreiten. Um aber die eigentlich zu fordernden FreifeldBedingungen nach Norm zu verifizieren, dürfen streng genommen keine reflektierenden Einbauten im Raum angebracht werden. Dies ist z. B. in den akustischen Prüfständen der Automobil-Industrie aber fast immer so gut wie unvermeidbar. Aus diesem Grunde begnügte sich BMW für seinen Windkanal mit r < 0.2, was für die gewählte Verkleidung bei Messungen im 1.7 u 0.65 m großen Impedanz-Kanal des IBP nach [242, Abb. 25] oberhalb von etwa 125 Hz auch eingehalten wurde. Um den wichtigeren Nachweis der Eignung der BMW-Messhalle als Halbfreifeld-Raum führen zu können, wurden große reflektierende Flächen am Auffänger (Abb. 12.4) und an der Düse des Windkanals, natürlich nur
Abb. 12.4. Auffänger mit „Pilz-Schalldämpfer“ des BMW Akustik-Windkanals
12.3 Konventionelle Werkzeuge und Materialien für Freifeld-Räume 327
Abb. 12.5. Messaufbau für die Pegelabnahme-Prüfungen mit absorbierend verkleideter Düse in der Messhalle des BMW Akustik-Windkanals [243]
während der Abnahmemessung [243], mit denselben Keil-Absorbern notdürftig verkleidet. Außerdem ist in Abb. 12.5 anstelle des Prüflings eine „punktförmige“ Schallquelle mit rundum gleichmäßiger (r1 dB) Abstrahlung weniger als 20 mm (f > 400 Hz) bzw. 5 mm (f > 2 kHz) über dem nach [15, 16] schallhart (α < 0.06) ausgeführten ebenen Boden platziert. Auf mindestens 8 (nach [15]) bzw. 5 (nach [16]) Bahnen wird, radial von der Quelle, mit einem Abstand von s = 0.5 m (nach [16]) beginnend, zu den Raumecken und -kanten hin der Schallpegel („draw-away“) gemessen. Eine innerhalb der geforderten Entfernung von der Quelle an die Messwerte bestangepasste Gerade mit der nach Gl. (2.1) zu erwartenden Abnahme wie 20 lg s zeigt dann Abweichungen, die die Grenzwerte nach Tabelle 12.2 nicht überschreiten dürfen. Tabelle 12.2. Toleranzen für Abweichungen der Pegelabnahme in Freifeld-Räumen gemäß Genauigkeits-Klasse 1 („precision method“) nach [15, 16] Messraumtyp Freifeld
Freifeld über reflektierender Ebene (Halbfreifeld)
Terzmittenfrequenz [Hz] Grenzwerte für Differenzen [dB] d 630 800 bis 5000
r1.5
t 6300
r1.5
d 630 800 bis 5000
r2.5 r2.0
t 6300
r3.0
r1.0
328 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Aus diesen Abweichungen ergibt sich nicht nur ein nutzbares Messvolumen, eine mögliche Hüllfläche oder ein maximaler Abstand für Messungen um die Quelle herum, sondern nach [244] auch ein mittlerer Reflexions- bzw. Absorptionsgrad für die gesamte Raumauskleidung. Die akustischen und aeroakustischen Modell-Untersuchungen wurden im ausgeführten Windkanal, besonders bei den so wichtigen tiefen und mittleren Frequenzen, gut bestätigt [242]. Abbildung 12.6 (a) zeigt z. B. ein Schalldruck-Spektrum an einem Messpunkt außerhalb der Strömung, Abb. 12.6 (b) an einem Punkt im Kern des Freistrahls und Abb. 12.6 (c) in der Mitte der Scherschicht. Untersuchungen im akustisch noch unbehandelten FKFS-Windkanal ergaben [238, 239], dass die notwendige Minderung des Anlagengeräusches bei Frequenzen oberhalb 1000 Hz geringer ist und leichter fällt als bei tieferen Frequenzen. Abbildung 12.7 zeigt, dass die Eigengeräusche des Gebläses, der Kanal-Einbauten und von Düse und Auffänger sowie
Abb. 12.6. Pegel der Druckschwankungen im Modell (○) und in der Ausführung (□) des BMW Windkanals [242]; (a) außerhalb der Strömung (100 km/h), (b) im Kern des Freistrahls (150 km/h), (c) in der Mitte der Scherschicht (100 km/h)
12.4 Alternative Auslegungs-Konzepte 329
Abb. 12.7. Terz-Spektren des Schalldruckes außerhalb der Strömung bei 200 km/h im FKFS-Windkanal vor der akustischen Nachrüstung (ohne Seiferth-Flügel an der Düse) [238]; leere Messstrecke (∆), Transporter 210 KB (Ⴎ), BMW 535 i mit Stufenheck (○), AUDI 5000 USA/Quattro (□)
der Nachhall der Messhalle im unbedämpften Zustand die Messung der von Serien-Pkw abgestrahlten Umströmungsgeräusche unter 1000 Hz unmöglich machten. Geräuscharme Fahrzeuge versanken auch oberhalb 1000 Hz im Anlagengeräusch. Lediglich im Inneren des Fahrzeuges selbst ließ sich bis etwa 500 Hz herunter mit genügendem Störabstand messen.
12.4 Alternative Auslegungs-Konzepte Die ersten akustischen Untersuchungen an und in Automobilen wurden einfach im Freien oder in nicht besonders dafür hergerichteten Werkhallen und Laborräumen durchgeführt. Um aber vom Wetter und von diversen Fremdgeräuschen unabhängig zu werden, hat man sich spezielle Akustik-Prüfstände für die Messung der verschiedenen Geräuschquellen am Fahrzeug geschaffen. Heute werden sie, sechs bis acht an der Zahl, in aufwändiger Raum-in-Raum-Bauweise nebeneinander in Forschungs- oder Entwicklungszentren gebaut. So ideal auf die akustischen Bedürfnisse zugeschnitten wie der 1 750 m3 große Freifeld-Raum des IBP (Abb. 12.8) können Messräume selten bleiben: Transport, Antrieb, Betrieb, Lüftung und Kühlung leistungsstarker voluminöser Maschinen und Geräte, aber auch die sonstige Messtechnik für die Prüflinge erfordern zahlreiche Kompromisse im Messraum selbst sowie in der Wandgestaltung und in der schalltechnischen Entkopplung zu den benachbarten Räumen und Aggregaten (s. Abschn. 12.6). Dafür muss
330 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.8. Schnitt durch den großen Freifeld-Raum des IBP mit einem lichten Rohbau-Volumen V = 1 750 m3, einer unteren Grenzfrequenz von 80 Hz sowie einer Resonanzfrequenz der Federung von 2 Hz (s. a. Abb. 12.2)
man in der oft auch ziemlich rauen Umgebung nicht auf Zehntel eines dB genau messen. Es ist deshalb nicht in jedem Falle nötig und möglich, die sehr hohen akustischen Anforderungen aus der Frühzeit, z. B. der Bell-Laboratories, als es ausschließlich um die Prüfung von elektroakustischen Wandlern und Apparaten (v. a. Mikrofone und Lautsprecher) ging, auf jede technische Schallquelle zu übertragen. Die Mehrzahl der in den vielen Teilen der DIN 45 635 [15] behandelten Quellen lassen schon wegen mangelnder Konstanz oder Reproduzierbarkeit ihrer Betriebszustände und Umgebungseinflüsse keine Genauigkeit entsprechend Klasse 1 bei der Bestimmung der Schallemission zu. Für viele wird eine Prüfung nach Klasse 2 oder 3, für manche überhaupt nur eine Messung im Freien bzw. vor Ort für ausreichend erachtet. Da mag man sich fragen, wie sinnvoll die in [15] und älteren Ausgaben von [16] geforderte 99%-ige Absorption aller Wandauskleidungen reflexionsarmer Räume wirklich ist. Der destruktive Einfluss reflektierender, für den Betrieb und die Prüfung der Testobjekte aber unentbehrlicher Einbauten auf die FreifeldQualität wurde bereits angesprochen. Fast noch wichtiger erscheint bei Halbfreifeld-Räumen der Hinweis, dass es kaum eine technische Schallquelle (eigentlich auch keinen noch so kleinen Lautsprecher) gibt, deren direkt abgestrahltes Schallfeld nicht auf unübersichtliche Weise, sowie
12.4 Alternative Auslegungs-Konzepte 331
stark frequenz- und ortsabhängig, mit Reflexionen vom hart belassenen Boden interferiert. Der Term 10 lg Q in Gl. (2.1) ist nur theoretisch konstant mit 3 dB anzusetzen. Da der Abstand der Quelle vom Boden nicht besonders groß ist, kann sich diese Interferenz etwa gleich starker Wellen im gesamten Messvolumen als Abweichung von dem ebenfalls nur theoretisch nach 20 lg s abklingenden Schallpegel störend bemerkbar machen (s. Abschn. 12.6.4 (f)). Wenn man von dieser starken Interferenz einmal absieht, so lässt sich das Schallfeld einer Punkt-Schallquelle in 3 Zonen unterteilen [119]: a) das Nahfeld, wo der Druckpegel so stark ist, dass er durch Reflexionen von den Raumbegrenzungen in keiner Weise beeinflusst werden kann, auch nicht durch die sich im Raum ausbildenden Moden, b) das Fernfeld, in welchem Schallmessungen nach Norm durchzuführen sind und wo deshalb insbesondere der Einfluss der Raum-Moden, wie in Kap. 4 und Abschn. 13.4.6 beschrieben, durch geeignete Dämpfungsmaßnahmen in engen Grenzen zu halten ist, c) das Randfeld, wo sich Schallwellen in größter möglicher Entfernung von der Quelle und daher mit relativ geringer Amplitude mit unvollständig absorbierten und (geometrisch) reflektierten Wellen besonders kritisch überlagern (s. Abschn. 13.4.1). Für Messungen nach [15, 16] eignet sich die Zone (a) nicht, weil ein gewisser Mindestabstand s > 2 l (l = Abmessung der Quelle) bzw. s > O/2 oder s > l2/O nach [245] (O = Wellenlänge) von der Quelle eingehalten werden sollte. In Zone (b) kann der Schalldruckpegel durch den Einfluss des Raum-Moden-Anteils verfälscht werden. Eine Pegelerhöhung oder -minderung durch Interferenz der Direktschallwelle mit einer reflektierten und dabei, je nach Raumauskleidung, mehr oder weniger geschwächten Schallwelle bleibt in nicht zu großer Entfernung von der Quelle relativ gering, solange der Abstand s´ von der durch die Absorption in ihrer Schallleistung verminderten Spiegel-Quelle Q´ zum Messpunkt viel größer ist als sein Abstand s zur realen Quelle Q (Abb. 12.9). Je näher aber der Messpunkt an die reflektierende Begrenzungsfläche rückt, umso geringer wird der Unterschied in den Abständen s zur realen und s´ zur Spiegel-Quelle. Wenn dieser gerade 2d # O/2 (bei 80 Hz also z. B. 2.15 m) wird, dann können hier hin- und rücklaufende Wellen von Quellen in sehr großem Abstand interferieren, wenn die Auskleidung nur unvollständig absorbiert. Die resultierende Pegelminderung oder -erhöhung ist abhängig von dem Verhältnis von Laufwegunterschied und Wellenlänge. Dies ist der Grund, warum Messungen nach Norm eine Randzone (c) mit d < O/4 meiden sollen. Abbildung 12.10 zeigt die resultierende
332 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.9. Skizze zur Erklärung der Schalldruckverhältnisse frontal vor einer ebenen, unvollständig absorbierenden Wand
Differenz D der maximalen und minimalen Pegel im Grenzfall ebener stehender Wellen (s = s´o f) vor einer Wand in Abhängigkeit von r [28]
r 0
10 D / 20 dB 1 10 D / 20 dB 1
(12.1)
bzw. vom Absorptionsgrad D (0) gemäß Gl. (3.5). Wollte man nach diesem einfachen Modell die Pegeldifferenz nach [15, 16] für mittlere Frequenzen auf r1 dB begrenzen, so sollte r(0) höchstens
―
Abb. 12.10. Reflexionsfaktor r(0) ( ) und Absorptionsgrad α (0) (---) bei senkrechtem ebenem Schalleinfall als Funktion der Pegeldifferenz D im Stehwellenfeld senkrecht vor einer ebenen Wand nach Gl. (12.1)
12.4 Alternative Auslegungs-Konzepte 333
einen Wert von 0.11 (D # 2 dB) und D(0) mindestens 0.99 aufweisen. Solche hohen Absorptionsgrade, wie sie in den geltenden Normen gefordert werden, sind am besten mit geeignet strukturierten porösen oder faserigen Absorbern erreichbar, wie sie in Abschn. 12.5 und 12.6.4 beschrieben werden. Für andere Einfallswinkel, wie sie in Freifeldräumen ebenso vorkommen, fehlte bisher eine verlässliche Messtechnik, insbesondere für tiefe Frequenzen und größere Absorber-Proben. Vor allem sollte man aber bei kleineren Messräumen dieses einfache Modell mit ebenen Wellen nicht zugrunde legen. Wenn nämlich nach [15, 16] ein Abstand d = 1 m von den Raumbegrenzungen eingehalten wird und s durch den Raum z. B. auf 3 m beschränkt bleibt, dann ergibt sich ein Amplitudenverhältnis der Kugelwellen von der realen und der Spiegel-Quelle, rc
pQc pQ
s ; sc s 2d , sc
(12.2)
von z. B. 0.6 am Ort des Mikrofons gemäß Abb. 12.9. In diesem Fall würde bereits ein tatsächlicher Reflexionsfaktor von r = 0.17 (entsprechend D = 0.97) zu r1 dB führen. Für Halbfreifeldräume wird aber nur r2 dB nach [15, 16] gefordert entsprechend einem resultierenden Amplitudenverhältnis von
rres
r r c 0.22
(12.3)
Dies entspricht im obigen Beispiel r = 0.37, also einem Absorptionsgrad D = 0.86 den man mit Tiefen-Absorbern nach Abschn. 12.5 auch weit unter 100 Hz inzwischen breitbandig gut erreichen kann. Die Situation hinsichtlich der Auslegung kleiner Freifeldräume für tiefe Frequenzen ist also nicht so aussichtslos, wie es auf den ersten Blick erscheint, wenn es nur gelingt, die Raumauskleidung für diese tiefen Frequenzen mit deutlich geringerer Bautiefe t als bisher nach Gl. (4.9) zu realisieren. In Wirklichkeit sind die Schallfelder, die sich bei EmissionsMessungen in reflexionsarmen Räumen ausbilden, je nach den jeweiligen Quellen- und Messpositionen viel komplexer, als es hier im Hinblick auf die sehr konservativen Forderungen in [15, 16] diskutiert wurde. Es sei aber betont, dass mehr als 99% der Emissionsmessungen an technischen Schallquellen sinnvollerweise nicht schmalbandig, sondern, völlig ausreichend, in Terzbandbreite durchgeführt werden. Bei solchen Prüfungen tritt das Problem der Interferenz zweier kohärenter Schallwellen nur mit geringeren Pegeldifferenzen D in Erscheinung. Bei der Auslegung kleiner Messräume sollte man daher vor allem auf die Bedämpfung der RaumModen besondere Sorgfalt verwenden. Um aber die Raum-Moden optimal
334 12 Innovative Akustik-Prüfstände
zu bedämpfen, erscheint es sinnvoll und notwendig, von weiteren Vorgaben bei der Auslegung reflexionsarmer Räume Abschied zu nehmen: a) Im Sinne einer möglichst gleichmäßigen Verteilung der Eigenresonanzen des Raumes bei tiefen Frequenzen sollte man keine etwa würfelförmigen Raumgeometrien sondern solche mit nicht ganzzahligen Seitenverhältnissen wählen, auch wenn dadurch den geometrischen Anforderungen in Normen scheinbar widersprochen wird. b) Da die breitbandige Dämpfung tiefer Frequenzen bis 50 oder gar 20 Hz herunter den Einsatz unterschiedlicher Resonanzabsorber erfordert und die Moden grundsätzlich ungleichförmig im Raum verteilt auftreten, sollte die optimale Raumauskleidung nicht an allen Begrenzungsflächen gleich und in der Fläche homogen ausgeführt werden, wie dies [15, 16] fordern. c) Es ist auch nicht in jedem Falle sinnvoll, die Quelle möglichst symmetrisch in der Mitte des Freifeldraumes zu platzieren, weil dann bei vorzugsweise parallelen Wänden die zu Interferenzen in den Randzonen führenden Laufwegunterschiede der direkten und reflektierten Schallwellen auf einer ebenfalls symmetrischen Messfläche unnötig gehäuft auftreten würden. Eine etwas außermittige Quellenanordnung erscheint grundsätzlich vorteilhafter, allerdings auf Kosten der Größe einer z. B. kugelförmigen Messfläche. Nach diesen neuen Ansätzen zur optimalen Gestaltung kleiner akustischer Messräume erscheint es ratsam, nicht wie bisher üblich, erst den Raum im Rohbau fertigzustellen und dann die Raumauskleidung auszusuchen und einbauen zu lassen, sondern das gesamte Konzept des Messraumes inklusive der zu prüfenden Schallquellen und der vorgesehenen Messtechnik zu planen. Aber auch wenn bereits die Geometrie des Raumes im Rohbau festliegt, ist es sinnvoll, die Auskleidung nach den hier vorgestellten Prinzipien zu diskutieren, weil die Absorber-Module nach Abschn. 12.5 neue Möglichkeiten für Installationen an den Begrenzungsflächen und für die Oberflächengestaltung bieten. Für Klasse 1-Messungen erlaubt die Norm keine Korrekturen des Messergebnisses, auch dann nicht, wenn z. B. die Geometrie der Quelle im Raum oder dessen Auskleidung für einen bestimmten Messpunkt eine gut reproduzierbare Pegelerhöhung oder -schwächung zur Folge hat. Dagegen kann man in der Genauigkeits-Klasse 2 den auf einer Messfläche (energetisch) gemittelten Schalldruck-Pegel Lp,m gemäß [15, 16] in gewissen Grenzen in dreierlei Hinsicht korrigieren: Lp
Lp , w K0 K1 K 2
(12.4)
12.4 Alternative Auslegungs-Konzepte 335 Tabelle 12.3. Korrekturen K1 für die Berücksichtigung des Fremdgeräusches abhängig von der Differenz 'L zwischen dem Schallpegel des Testobjektes und demjenigen des Fremdgeräusches allein 'L [dB]
3
4
5
6
7
8
9
10
> 10
K1 [dB]
3.0
2.2
1.7
1.3
1.0
0.7
0.6
0.5
0
a) Ausbreitungs-Korrektur K0 berücksichtigt (meist geringfügige) Einflüsse von Dichte, Schallgeschwindigkeit und Feuchte der Luft als Übertragungsmedium b) Fremdgeräusch-Korrektur K1 bringt während der Messung unvermeidlich vorhandene Fremdgeräusche (energetisch) in Abzug, allerdings nur, so lange die daraus für den A-bewerteten Summenpegel resultierende Korrektur K1A d 1.3 dB(A) bleibt, also der Störpegel mindestens 6 dB unter dem Nutzpegel liegt (vgl. Tabelle 12.3), c) Raumrückwirkungs-Korrektur K2 stellt die rechnerische Korrektur dar für Pegelerhöhungen infolge von Reflexionen der von der Quelle ausgehenden Schallwellen an reflektierenden Flächen im umgebenden Raum. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Mess- bzw. Hüllfläche S ergibt sich aus Gl. (12.4) dann der Schallleistungs-Pegel LW
Lp 10lg
S S0
; S0 1 m2 .
(12.5)
Der Raumeinfluss c) kann z. B. mittels einer Vergleichsschallquelle durch
K2
LW LWr
(12.6)
bestimmt werden mit dem Pegel der Vergleichsschallquelle im Prüffeld mit Raumrückwirkung (LW) bzw. nach Herstellerangaben oder gemessen im Freifeld (LWr). Wenn man diese Umgebungs-Korrektur, z. B. Terz für Terz, an den Messwerten eines Prüflings gemäß Gl. (12.4) anbringt, so darf die daraus resultierende A-Pegel-Korrektur insgesamt K2A = 2 dB(A) nicht überschreiten, damit die für die Praxis anzustrebende GenauigkeitsKlasse 2 eingehalten wird. Der an den Messpunkten der Hüllfläche mitgemessene Pegel infolge der Rückwürfe von Schallwellen von reflektierenden Flächen liegt in dieser Genauigkeits-Klasse also in etwa 2 bis 3 dB unter dem Pegel des Direktschallfeldes des Prüflings. Die in [15] ebenfalls definierte Genauigkeits-Klasse 3 (K2A d 7 dB(A)) entspricht in der Regel nicht den Anforderungen der Praxis, weil derartige
336 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Messungen zur Kennzeichnung der Schallquellen und zur Auslegung von Lärmminderungs-Maßnahmen mit einer zu großen Unsicherheit verknüpft wären. Eine bestimmte Messfläche gilt nach [16] übrigens auch dann als für Klasse 1-Messungen geeignet, wenn der auf einer vierfach größeren, geometrisch ähnlichen Hüllfläche gemessene Leistungspegel um nicht mehr als 0.5 dB variiert. In normal reflektierenden Räumen macht die Raum-Rückwirkung auf die Emissions-Messung bedeutend mehr als 2 dB, bei tiefen Frequenzen nicht selten über 10 dB aus. In dieser Situation haben Praktiker in der Industrie damit begonnen, ihre Prüffelder und Laborräume durch Anbringung zusätzlicher Absorptionsmaterialien an Wänden, Decken und allen übrigen reflektierenden Flächen für Freifeld-Messungen zu ertüchtigen. Da hierfür i. A. poröse/faserige Matten verwendet werden, leidet aber oft die Qualität der Raumluft unter diesen Maßnahmen. Vom IBP wurde deshalb ein vereinfachtes Verfahren für Schallemissions-Messungen entwickelt, getestet und beim Auftraggeber erstmalig installiert (Abb. 12.11), bei dem – symmetrisch aufgebaute, beidseitig in einem breiten Frequenzbereich absorbierende Folien-Absorber als Tafeln 0.6 u 0.6 m frei im Raum aufgehängt werden, – die untereinander mit Klammern verbundenen Tafeln, z. B. senkrecht von der Decke hängend, einen vorhangartigen Schallschirm mit einem Gewicht von ca. 2 kg/m2 bilden, – zwischen den einzelnen Tafeln rundum ein Spalt von jeweils ca. 1 cm Breite verbleibt, durch den ein praktisch ungehinderter Luftaustausch mit dem umgebenden Raum gewährleistet wird, – eine leichte Montage und Demontage (z. B. über an der Decke befestigte Laufschienen) unter nahezu beliebigen Raumgegebenheiten möglich wird. In Abb. 12.11 ist ein typisches Ventilatoren-Labor mit drei größeren Prüfständen mit angeschlossenen Kanälen für aerodynamische und akustische Messungen zu sehen. Die Außenwände (6) und (7) und die Messkabinen (4) und (5) sind großflächig verglast, die Decke ist ebenfalls stark reflektierend. Der gezeichnete Prüfling (9), ein Dach-Ventilator, ist in eine die Dachfläche simulierende Wand aus Spanplatten eingebaut. Der hier realisierte Schallschirm (8) bildet ein Messvolumen von ca. 80 m3, seine Seitenteile werden über die in Abb. 12.11 (a) skizzierten Hänger an der Decke befestigt. Abbildung 12.12 zeigt die Umgebungskorrektur K2 vor und nach der Aufstellung des Schallschirms, frequenzabhängig gemessen mit einer Vergleichsschallquelle. Der Einfluss des umgebenden Raumes ließ sich in diesem speziellen Anwendungsfall von K2A = 3.8 dB(A) auf 2.0 dB(A) reduzieren. In selteneren Fällen, bei denen das Geräuschspektrum der Maschine ein
12.4 Alternative Auslegungs-Konzepte 337
Abb. 12.11. Installation eines Schallschirms für Klasse 2 – Hüllflächen-Messungen nach [16] in einem Industrielabor [246]: 1, 2, 3 Ventilatoren-Prüfstände; 4, 5 Messkabinen; 6, 7 großflächige Glas-Bauteile; 8 leichter, licht- und luftdurchlässiger Schallschirm; 9 Prüfling; 10 Messfläche
Maximum oberhalb 2 000 Hz hat, ließe sich auf einfache Weise mit Hilfe eines leichten porösen Vorhangs die Raum-Rückwirkung bei hohen Frequenzen weiter vermindern. In den häufigeren Fällen, bei denen ein Ventilator ein Geräusch-Maximum bei 250 Hz aufweist, kann man mit speziellen Tiefen-Absorbern nach Abschn. 7.3 und 8.3 eine weitere Verbesserung des Schallschirms erzielen. In [247] wird ein Schallschirm beschrieben, der als Schirmmaterial Platten der Abmessungen 100 u 165 u 10 cm aus offenporigem PolyurethanSchaumstoff verwendet. Durch ihre Steifigkeit und ihr geringes Gewicht (3.2 kg/m2) ermöglichen sie den Aufbau leichter Schirmwände, wobei als Stützkonstruktion lediglich U-förmig gebogene Alu-Bleche, Klebeband und Blechwinkel verwendet werden. Auf diese Weise werden bis zu 3.5 m hohe Wände errichtet, die auch ein Dach tragen können, so dass ein rundum
338 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.12. Umgebungs-Korrektur K2 für Oktav-Schallpegel vor (□) und nach (○) Errichtung des Schallschirms nach Abb. 12.11
geschlossener Schirm entsteht. In einer relativ halligen Umgebung ließ sich seine Wirkung über einer ca. 3 u 5 m großen schallharten Grundfläche testen. Für den A-Schallpegel einer breitbandigen Vergleichsschallquelle ergaben sich Umgebungskorrekturen ohne Schirm mit 1.7 m hohem Schirm mit 3.5 m hohem Schirm mit 3.5 m hohem Schirm mit Dach
K2A = 8.1 dB(A) = 2.1 = 1.3 = 1.2
Die erste Windkanal-Anlage, die vollständig mit Hilfe von ALFA-Bausteinen für aeroakustische Messungen jeder Art in der Genauigkeits-Klasse 1 ertüchtigt wurde, arbeitet seit 1993 im FKFS an der Universität Stuttgart. Dort hatte man zunächst ein konventionelles Konzept zur Senkung der aerodynamisch am Gebläse und in den Strömungsführungen erzeugten Geräusche verfolgt (Abb. 12.13): – Schalldämpfer-Kulissen-Pakete in den beiden Quersträngen der Luftführung zwischen den Umlenkecken vor und nach dem Axialgebläse, – Schall schluckende Auskleidung auf der Druckseite der Blechschaufeln in den der Mess-Strecke jeweils nächstgelegenen Umlenkecken, – reflexionsarme Auskleidung der Messhalle mit Faser-Keilen. Das Besondere dieser Variante A war die Ausfahrbarkeit der Schalldämpfer-Pakete aus der Luftführung heraus in seitlich angebrachte druck- und
12.4 Alternative Auslegungs-Konzepte 339
Abb. 12.13. FKFS-Windkanal im Vertikalschnitt (a) mit Maßnahmen nach [238]: 1 Ausfahrbare Schalldämpfer-„Pakete“; 2 Druck- und schalldichte Schalldämpfer„Rucksäcke“; 3 Druckseitig absorbierende Umlenk-Ecken; 4 Mineralfaser-Keile; 5 Körperschall-Isolierung des Gebläses (b)
schalldichte „Kulissen-Häuser“ bei aerodynamischen Untersuchungen, so dass sich die erreichbare Höchstgeschwindigkeit von 268 km/h bei einer maximalen Leistungsaufnahme des Gebläses von 2 850 kW praktisch nicht ändert. Bei aeroakustischer Nutzung mit in die Luftführung eingefahrenen Schalldämpfern hätte sich jedoch infolge der Druckverluste in den dicht gepackten Dämpfer-Paketen die maximale Geschwindigkeit in der MessStrecke auf unter 200 km/h reduziert. Dies führte zum Vorschlag, zwei neuartige „Umlenk-Schalldämpfer“ in die Strömungskanäle beidseitig des Gebläses permanent zu integrieren und auch die Keil-Absorber durch eine faserfreie Wandauskleidung zu ersetzen (s. Abb. 12.14): – zwei bzw. drei freistehende Schalldämpfer-Kulissen und die zugehörigen Rand-Kulissen jeweils vor, zwischen und nach den beiden Umlenkecken-Paaren bilden zusammen mit den Umlenkprofilen jeweils eine fest eingebaute „Integrale Schalldämpfer-Umlenkeinheit“, deren Strömungsquerschnitte durch die Kulissen und Schaufeln in Teilquerschnitte unterschiedlicher Breite, aber mit gleicher Dämpfung und etwa gleichen Druckverlusten aufgelöst werden,
340 12 Innovative Akustik-Prüfstände
– profilierte, schallschluckende Beschichtung der frei stehenden Blechschaufeln aller vier Umlenkecken auf Saug- und Druckseite, s. Abb. 4.5, – ebene reflexionsarme ALFA-Auskleidung der Messhalle, s. Abb. 12.15. Durch umfangreiche Messungen und Berechnungen konnte nachgewiesen werden, dass die Körperschall-Übertragung vom Gebläse zur Messhalle auch nach Durchführung aller Luftschall-Lärmminderungs-Maßnahmen nicht stören würde. So konnten Baukosten eingespart werden, die etwas Spielraum für die zunächst etwas teureren innovativen Dämpfungsmaßnahmen und ihre Erprobung in entsprechenden Modell-Untersuchungen ergaben. Folgende grundsätzliche Anforderungen wurden vom FKFS aufgestellt [74]: – Die Absenkung des Eigengeräusches in der Mess-Strecke – ausgehend vom unbedämpften Windkanal – sollte möglichst nahe an das Niveau des „Strahlrauschens“ reichen, mindestens jedoch 20 dB betragen. – Die Maximalgeschwindigkeit sollte nach dem Umbau bei gleicher Gebläseleistung 245 km/h nicht unterschreiten; die Ungleichförmigkeit der Geschwindigkeitsverteilung sollte mit < ± 0,25% unverändert bleiben. – Alle Oberflächen von Bauteilen zur Lärmminderung insbesondere in der Luftführung sollten glattflächig, mechanisch stabil, gegen Verschmutzung und Feuchtigkeit unempfindlich und leicht reinigbar sein. – Zum Schutz von Nutzern und Kunden vor Austragungen von Fasern aus Dämpfereinbauten sowie im Hinblick auf staubempfindliche HitzdrahtMess-Sonden sollte eine faserfreie Absorbertechnik zur Anwendung kommen. – Die Auskleidung der Messhalle sollte trotz größtmöglicher Wirksamkeit bis zu tiefsten Frequenzen herab so dünn wie möglich bleiben, um eine Beeinflussung der aerodynamischen Beiwerte von Fahrzeugen infolge eines reduzierten Messhallen-Volumens zu vermeiden und die Bewegungsfreiheit des Traversiergerätes möglichst wenig einzuschränken. – Die erforderlichen Nachrüstungen des Windkanals sollten gering und seine Betriebsunterbrechung auf 4 Monate beschränkt bleiben. Am Referenz-Messpunkt 6 m neben der Strahlachse sollten für f t 125 Hz die Forderungen nach [15, 16] Klasse 1 eingehalten werden. Für tiefere Frequenzen sollte der Raum unter Einsatz der nach dem neuesten Stand der Technik leistungsfähigsten Schallabsorber so gut wie irgend möglich gestaltet werden. Diese bestehen aus 100 mm dicken Membran-Absorbern nach Abschn. 6.3, die ein Absorptions-Maximum bei 100 Hz haben. Vor diesem Resonanzabsorber wurde mit 10 mm Abstand ein 150 mm dicker, zum Raum hin verhauteter Schaumstoff hinter einer Lochgitter-Abdeckung mit 56% Lochflächenanteil befestigt. Man erkennt in Abb. 12.15 links die
12.4 Alternative Auslegungs-Konzepte 341
Abb. 12.14. FKFS-Windkanal mit ausgeführter innovativer Lösung [74]: 1 Saugseitiger Umlenk-Schalldämpfer aus drei Teilkanälen; 2 Druckseitiger Umlenk-Schalldämpfer aus vier Teilkanälen; 3 Membran-Absorber an den Kanalwänden nach Abb. 4.5; 4 Druck- und saugseitig schallabsorbierend profilierte Umlenk-Ecken nach Abb. 4.5; 5 Auskleidung mit ebenen Kompakt-Absorbern nach Abb. 12.15
Deckmembranen des Absorbers aus Aluminiumblech und daneben das fertige Element. Der Abstand des Lochgitters von der Betonwand beträgt – bedingt durch die notwendigen Kabelverlegungen und die zur Betonwand körperschallisolierte Stahlprofil-Haltekonstruktion – ca. 300 mm. Vor dem großen Tor zum Fahrzeug-Vorbereitungsraum und vor den Fenstern zur Messwarte (s. Abb. 12.16) sind Absorber-Module über Hubspindeln verfahrbar. Dafür musste an einigen Stellen auf die Membran-Absorber hinter dem Schaumstoff verzichtet werden. Durch den Einbau der dünnen Breitband-Absorber wurde die Messhallen-Breite auf etwa 14.4 m verringert.
Abb. 12.15. Breitband-Absorber als Wandverkleidung [74, 241]: 1 Stahlunterkonstruktion aus C-Profilen mit elastischer Befestigung; 2 Membran-Absorber, 100 mm dick (Abschn. 8.3); 3 Verhautete Polyester-Schaumstoffplatten in Lochblechkörben, 150 mm dick, 4 Messhallenwand (Beton); 5 Moosgummi zur Aufnahme der Wärmedehnung und elektrolytischen Trennung Stahl / Aluminium
342 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.16. Blick über ein Testobjekt in der Messstrecke des FKFS-Kanals zur vollständig reflexionsarm verkleideten Messwarte [74, 241]
Für die Abnahme im Sommer 1993 wurden, ähnlich wie bei BMW (Abschn. 12.3), vier diagonale Bahnen 1 bis 4 vom Boden in Raummitte zu den Raumecken in ca. 5.5 m Höhe (Länge ca. 10 m) und drei flache Bahnen 5, 6 und 7 vom Boden in Strahlmitte zu den verkleideten Fenstern der Messwarte in ca. 1.1 m Höhe (Länge ca. 7.4 m) gewählt; letztere auf Wunsch des Betreibers der Anlage, weil hier bevorzugt gemessen wird. Die Anforderungen wurden übererfüllt: Für f t 50 Hz sind Messabstände von der Raummitte bis s = 6 m, für t 25 Hz bis 4 m für Schallmessungen der Klasse 1 möglich. Die Vorteile dieser neuen reflexionsarmen Verkleidung kommen besonders in der hell-weiß gehaltenen abgehängten Decke der Messhalle (Abb. 12.17) zur Geltung: – – – – –
gute Licht-Reflexion, geringer Raumbedarf, mechanische Stabilität, hohe Abriebfestigkeit, variable Farbgebung (z. B. schwarz für Rauchaufnahmen, s. Abb. 12.18).
Mit den weiter oben beschriebenen mobilen oder ortsfesten Schallschirmen für Klasse 2-Messungen („engineering method“) und diversen hochabsorbierenden Verkleidungen für Klasse 1-Räume („precision method“) konnten attraktive neue Konzepte vorgestellt werden, wie man die Schallemission technischer Quellen unter ihren jeweiligen Betriebsbedingungen jeweils praxisgerecht untersuchen kann. Es leuchtet ein, dass derart komplexe Aufbauten wie in Abb. 12.15 und 12.17 zwar hohen bautechnischen Anforderungen genügen, aber als universell einsetzbare reflexionsarme Auskleidungen zu teuer sind. ALFA-Bauteile haben zwar eine gewisse Attraktivität gegenüber herkömmlichen Mineralfaser-Produkten. Sie dürfen aber im Preis dennoch nicht wesentlich über jenen liegen. Die weitere
12.4 Alternative Auslegungs-Konzepte 343
Abb. 12.17. Reflexionsarme Unterdecke in der Messhalle des FKFS-Kanals [74, 241]: 1 Deckenträger IP 800 mit untergeschweißter Zuglamelle; 2 Bügel für die Aufnahme der Decken-Rahmenelemente; 3 Rahmenelemente aus Winkelstahl; 4 Membran-Absorber, 100 mm dick; 5 Lochblechkästen mit 10 mm Melaminharzschaum-Inlet mit 140 mm unverhautetem Polyesterschaum hinterfüllt; 6 Deckenträger-Verkleidung aus Lochblech, 10 mm Schaum-Inlet und 240 mm PE-Schaum-Füllung
Entwicklung zielte deshalb auf einfacher aufgebaute Tiefen-Schlucker, kostengünstigere, mehrfach geschichtete Breitband-Module und eine zum Schallfeld hin strukturierte Anpassungs-Schicht für höchste Reflexionsfreiheit auch in den kritischen Randfeldern nach (c).
Abb. 12.18. Außengeräusch- und Druckschwankungsmessungen im Nachlauf des Hub-/Schiebedachs eines PKW mit dem Mikrofon an der Kurbelarmlanze des Traversiergeräts [74]
344 12 Innovative Akustik-Prüfstände
12.5 Drei aktuelle ALFA-Bausteine für reflexionsarme Räume Abbildung 12.19 zeichnet die Entwicklung vom klassischen Platten-Resonator bis zur leistungsfähigsten, optimal an das Schallfeld angepassten, reflexionsarmen Auskleidung nach. Der Membran-Absorber (a) wurde als Kombination eines innen liegenden, tief abgestimmten Helmholtz-Resonators mit einem um etwa eine Oktave höher abgestimmten Feder/MasseSystem (gebildet durch die Luftkammern 5 und die beiden Membranen 6 und 7) zu einem attraktiven Schalldämpfer-Bauteil für Lüftungsanlagen entwickelt, s. Abschn. 6.3. Im FKFS-Windkanal (Abschn. 12.4) wurden insgesamt über 3 000 m2 davon als Tiefen-Schlucker sowohl in die MittelKulissen als auch in Wand- und Deckenverkleidungen integriert. Um für die nachfolgenden Realisierungen Fertigungskosten zu sparen, wurden die teure Wabenstruktur 5 und die Lochmembran 6 des MembranAbsorbers eingespart und der Hohlraum ganz oder teilweise durch einen offenporigen Weichschaum 8 gefüllt (Abb. 12.19 (b)). Dadurch wurde die Absorption zu etwas höheren Frequenzen verschoben; vor allem aber blieben die Kosten für das Blech-Gehäuse 4 hoch. In einem zweiten und dritten Entwicklungsschritt wurde deshalb die Deckmembran 7 durch eine 1 bis 3 mm dicke Stahlplatte ersetzt, letztere punktweise dauerelastisch mit der Schaumplatte verbunden und diese Verbundstruktur (c) unter Einsparung der Wanne 4 mit Hilfe einfacher Haken oder Rahmen an Wand oder Decke befestigt. Wenn man dafür sorgt, dass die Frontplatte 9 am Rand rundum weder fest eingespannt wird noch hart aufliegt, so kann diese zum einen als Masse zusammen mit dem Schaum als Luftkissen nach Art eines Feder/Masse-Schwingers, zum anderen aber auch in ihren Eigenresonanzen schwingen. Beide Mechanismen werden durch die innige Verbindung 10 der Platten 8 und 9 stark bedämpft. Wenn die auftreffenden Schallwellen, um den Rand der Platte 9 in bevorzugten Abmessungen von ca. 1 u 1.5 m gebeugt, seitlich in die Schicht 8 eindringen können, dann entsteht so ein sehr breitbandig wirksamer Tiefen- und Mitten-Absorber, s. Abschn. 5.3. Will man nur die tiefen Frequenzen, etwa unter 250 oder 125 Hz, dämpfen, dann kann man die Stirnflächen dieses Verbund-Platten-Resonators VPR auch schalldicht abdecken. Wenn man dagegen eine möglichst breitbandige Wirkung erzielen möchte, dann werden die VPR-Module im Abstand von ca. 20 bis 30 cm voneinander montiert. Durch die Variation der Abmessungen, insbesondere der Dicke der Frontplatte 9 und der Stärke der Rückenplatte 8 in Abb. 12.19 (c), kann man die Belegung einer Wand oder Decke optimal auf die spektrale Zusammensetzung und räumliche Verteilung des Schallfeldes im Raum abstimmen.
12.5 Drei aktuelle ALFA-Bausteine für reflexionsarme Räume 345
Abb. 12.19. Schematische Darstellung einer ALFA-Entwicklungslinie vom einfachen Platten-Absorber bis zur reflexionsarmen Auskleidung für Freifeld-Räume [7]
Aufbauend auf den VPR-Elementen konnten geschlossene Auskleidungen für reflexionsarme („schalltote“) Räume in zwei Stufen zur Befriedigung unterschiedlicher Anforderungen entwickelt werden. Für breitbandig abstrahlende Quellen oder audiometrische Untersuchungen reichen i. A. Messungen in Oktav- oder Terz-Bandbreite aus. In diesem praktisch vorherrschenden Anwendungsbereich hat sich der Breitband-Kompakt-Absorber BKA nach Abb. 12.19 (d) bestens bewährt. Durch das Schließen der Zwischenräume 12 und Abdecken der VPR-Module mit einer homogenen porösen oder faserigen Schicht 11, letztere vorzugsweise ca. 150 mm dick,
346 12 Innovative Akustik-Prüfstände
entsteht ein unvergleichbar breitbandiger Schallabsorber, der auch bei den tiefen Frequenzen selbst gegenüber dem VPR nochmals höhere Wirksamkeit zeigt. Die untere Kurve in Abb. 10.7 ergibt sich für VPR-Module gemäß Abb. 5.14 mit 1 mm-Stahlplatten, wie oben beschrieben, aber mit einer vorderseitig ganzflächigen Belegung mit 150 mm Schaum, wobei hier in Gl. (3.15) entsprechend SA = 10.9 m2 angesetzt wurde. Offenbar erreicht bei dieser Konfiguration, in der die Platte allseitig weich eingebettet völlig frei schwingen kann, das Dämpfungspotential dieses kombiniert reaktiv-passiven BKA ein Optimum. Mit einer Bautiefe von insgesamt nur ca. 250 mm lassen sich nun mit einer BKA-Auskleidung auch sehr kleine Freifeld-Räume für Messungen der Genauigkeits-Klasse 1 nach Norm für Frequenzen bis 50 Hz und darunter ertüchtigen [17, 119]. Wenn man die vorgesetzte poröse Schicht 11 etwas dicker (z. B. 520 mm) macht und den Schalleintritt dadurch erleichtert, dass man diese Schicht auf neuartige Weise nach Abb. 12.20 strukturiert, so entsteht eine reflexionsarme Auskleidung nach Abb. 12.19 (e), die allen schalltechnischen Ansprüchen an Freifeld-Räume genügt. Dabei geht es hier nicht so sehr um die absolute Höhe der Messwerte. Man kann D-Werte größer als 1 bei höheren Frequenzen bekanntlich mit der üblichen Anordnung von Diffusoren im Hallraum, dem Einfluss von Beugungseffekten am Rande des Prüfkörpers, aber auch mit der nach Norm vorgeschriebenen Verwendung der Sabine’schen Formel Gl. (3.15) erklären. Im Gegensatz zu im Kundt’schen Rohr bei senkrechtem Schalleinfall oder bei unter einem anderen Winkel einfallenden Schallwellen gemessenen Absorptionsgraden, die den Wert 1 nicht überschreiten, sollte man sich nach [24, S. 273] deshalb nicht über Ds-Werte weit über 1 wundern. Die Ergebnisse in Abb. 10.7 zeigen jedenfalls, dass man mit einem nur 250 mm dicken BKA mit 1 mm starker Stahlplatte offenbar den gesamten praktisch interessierenden Hörbereich abdecken kann. Der Einfluss von noch dickeren Platten
Abb. 12.20. Asymmetrisch Strukturierter Absorber aus einem offenporigen Melaminharzschaum mit beispielsweise B1 = B2 = 125, D1 = 100, D2 = 150, H1 = 250, H2 = 270 (400, 530) mm
12.5 Drei aktuelle ALFA-Bausteine für reflexionsarme Räume 347
(bis 2.5 mm) lässt sich allerdings auch in derart konditionierten Hallräumen nicht mehr so eindeutig quantifizieren wie durch Messung der Nachklingzeiten bei den Eigenresonanzen des Raumes nach [20]. Ohne den so wichtigen VPR im Rücken lassen sich die Asymmetrisch Strukturierten Absorber ASA auf einer 200 u 200 mm großen Grundfläche im Kundt’schen Rohr mit konventionellen Mineralfaser-Keilen vergleichen. Abbildung 12.21 zeigt, dass bei Frequenzen oberhalb 125 Hz alle Varianten die 99%-Forderung der alten Freifeld-Norm [15] für schmalbandige Messungen in etwa gleicher Weise erfüllen. Unterhalb dieser Frequenzgrenze ist z. B. der ASA mit 520 mm Bautiefe den Keilen mit 650 mm deutlich überlegen. Der gleich tiefe ASA liegt noch bei 100 Hz bei 99%. Der ASA mit 780 mm Bautiefe kann sich wiederum gut mit 1 075 mm tiefen Keilen, wie in Abb. 35 und 43 dargestellt, messen. Die Überlegenheit der ALFA-Technologie entfaltet sich bei tiefen Frequenzen aber erst vollständig im Raum, wenn großformatige VPRModule hinter der ASA-Verkleidung integriert werden (Abb. 10.10), um so vor allem die Raum-Moden nachhaltig zu bedämpfen, siehe z. B. Abschn. 12.6.4. Der Vorteil der strukturierten gegenüber der dünneren glatten, porösen Oberfläche hinsichtlich schmalbandiger Messungen im Freifeld tritt bei Messungen im Hallraum (Abb. 10.7) weniger stark in Erscheinung – ein weiterer Hinweis darauf, dass für die praktisch vorherrschenden Anforderungen an reflexionsarme Räume (Messungen mit
Abb. 12.21. Absorptionsgrad α0 bei senkrechtem Schalleinfall auf verschieden strukturierte poröse/ faserige Absorber, gemessen im Kundt’schen Rohr mit 200 u 200 mm Querschnitt; ASA: 520 (fette), 650 (graue), 780 mm (dünne Kurve); Keile: 680 (∆), 1075 mm (▲).
348 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Terzbandbreite an Geräuschquellen ohne ausgeprägte tonale Anteile) die BKA-Auskleidungen sich mit deutlichen Vorteilen hinsichtlich Raumbedarf, Handhabung und Haltbarkeit empfehlen. Wenn es darum geht, auch schmalbandige Untersuchungen an tonalen Quellen im Freifeld durchzuführen, dann sind weder α-Messungen bei näherungsweise diffusem Schalleinfall im Hallraum (z. B. wie in Abb. 12.20), noch solche bei senkrechtem Einfall im Kundt’schen Rohr (z. B. wie in Abb. 12.22) für einen Vergleich verschiedener Auskleidungsarten geeignet. Der entscheidende Nachweis für ihre jeweilige Leistungsfähigkeit ist erst im ausgeführten Raum mit einer umfassenden Abnahmemessung möglich (siehe z. B. Abschn. 12.6.4). Häufig gibt der Nutzer darüber hinaus noch einen ganz bestimmten Messort oder Messpfad vor, für den eine bevorzugte Einfallsrichtung der Schallwellen auf die Auskleidung typisch ist. Im IBP wurde deshalb eine Messtechnik nach Abb. 12.24 erprobt [248]. Dabei wird der Prüfling mit dem Reflexionsfaktor r in einem hinreichend reflexionsarmen Raum von einem symmetrisch hinsichtlich des
Abb. 12.22. Zur Bestimmung des Absorptionsgrades bei schrägem (2T) Schalleinfall in reflexionsarmer Umgebung
12.5 Drei aktuelle ALFA-Bausteine für reflexionsarme Räume 349
Winkels T1 = T2 = T abstrahlenden Lautsprecher L unter dem Winkel 2T mit variabler Frequenz f beschallt. Am Mikrofon M überlagern sich dann die Schalldrucke pd der direkten und pr der reflektierten Wellen zu
p
pd pr
p0 2S f sd ⎞ p0 2S f sr ⎛ ⎛ r exp ⎜ j exp ⎜ j ⎟ sd c0 ⎠ sr c0 ⎝ ⎝
⎞ ⎟ ⎠
(12.7)
Der Betrag des Schalldrucks am Mikrofon wird so mit dem LaufwegUnterschied 's = sr sd und dem Laufweg-Verhältnis x = sd / sr eine eindeutige Funktion des Betrages des Reflexionsfaktors r:
p2
⎛
pd 2 ⎜1 2 r x cos ⎝
2S f 's 2⎞ x2 r ⎟ c0 ⎠
(12.8)
Für den Sonderfall einer vollständig absorbierenden Probenfläche, r
0 ; D 1 r
2
1,
(12.9)
zeigt sich am Mikrofon mit p2 = pd2 das unverfälschte Spektrum des Lautsprechers. Für eine vollständig reflektierende Fläche, r
1 ; D
0,
(12.10)
tritt dagegen der charakteristische Kammfilter-Effekt im Spektrum in Erscheinung. Wie Abb. 12.23 zeigt, strahlt der hier gewählte Lautsprecher nicht besonders gleichmäßig ab. Aber die gemessene und berechnete Kurve für eine hinreichend schwere und große 22 mm Spanplatte zeigen die nach
Abb. 12.23. Kammfilter-Effekt im Prüfaufbau nach Abb. 12.24 Lautsprecher ohne Prüfling Messung mit 22 mm Spanplatte Rechnung für ∆s = 2.23 m, θ = 27°, ~r~ = 1
350 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Gln. (12.7), (12.8) zu erwartenden Pegelerhöhungen (um hier knapp 5 dB), immer wenn f
…
c0 (n 1) ; n 1,2,3 's
(12.11)
und Einbrüche bis über 10 dB, immer wenn 's ungeradzahligen Vielfachen der halben Schallwellenlänge entspricht, f
c0 2 n 1 . 2' s
(12.12)
Abbildung 12.24 zeigt eine nur geringe Abweichung von der Lautsprecher-Charakteristik für den Fall, dass auf der Spanplatte ein ASA aufgelegt wird. Bei den Frequenzen, die bei der Spanplatte zu den starken Einbrüchen führen, lassen sich aus dieser Messkurve unter Anwendung der Gl. (12.7) die in der Tabelle in Abb. 12.26 aufgelisteten Absorptionsgrade ermitteln. Mit Werten von durchgehend D > 0.99 kann man wohl von einem außerordentlich wirksamen Schallabsorber sprechen. Bei anderen Winkeln 2T zwischen 45° und 60° ergeben sich ähnlich hohe Absorptionsgrade. Das neue Messverfahren dürfte sich auch für noch kleinere und
Frequenz [Hz] α (27°)
318 0.997
552 1.000
768 1.000
992 1.000
1204 0.998
1430 0.996
Frequenz [Hz] α (27°)
1858 0.995
2082 0.999
2312 0.998
2534 0.998
2748 0.996
2978 0.998
1654 0.993
Abb. 12.24. Ermittlung des Absorptionsgrades eines 520 mm tiefen ASA für ∆s = 2.23 m; θ = 27° gemäß Abb. 12.6 und Gl. (12.8); Lautsprecher ohne Prüfling (― dunkel), Messung mit 22 mm Spanplatte (---), Messung mit ASA auf 22 mm Spanplatte (― hell)
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 351
größere Winkel eignen. Bei genügend großen Probenflächen könnte man versuchen, den Frequenzbereich nach unten, auch unter 100 Hz, auszudehnen und tief abgestimmte sowie Breitband-Absorber vom Typ VPR nach Abschn. 5.3 und BKA nach Abschn. 5.3 und 10.1 ebenfalls derartigen Untersuchungen zu unterziehen.
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik Die neu verfügbaren Tiefen-Schlucker Membran-Absorber, Verbundplatten-Resonator und Breitband-Kompaktabsorber haben eine nachhaltige Erneuerung der fast 60 Jahre alten Standards für Freifeld-Messräume möglich gemacht. Anfangs gab es natürlich ausgiebige Diskussionen und „Abwehr-Reaktionen“. Da die Vorteile der neuartigen Auskleidungen erst im ausgeführten Raum voll zur Geltung kommen und auch objektiv, vor allem durch Messung der Schallpegelabnahme von einer Punktquelle, nachgewiesen werden können, dauerte es einige Jahre, bis der neue Standard sich durchsetzen konnte. Insbesondere die rasche Akzeptanz der ALFA-Auskleidungen in den Laboratorien führender Automobil-Hersteller hat aber dazu geführt, dass der Lizenz-Partner des IBP, FAIST Anlagenbau, seine Umsätze mit der neuen Technologie bereits eindrucksvoll steigern konnte und die Ausführung mit konventionellen Keil-Absorbern inzwischen ganz aufgegeben hat. Man kann daraus ablesen, dass es möglich ist, mit ambitionierten Anwendern auch in relativ kurzer Zeit von einem durch Normen und Gewohnheiten scheinbar unverrückbar festgeschriebenen Stand der Technik einen Weg zu rundum vorteilhaften Alternativen zu bahnen. 12.6.1 BMW Motor-Akustik-Prüfstand in München Die faserfreie Technik wurde zwar erstmalig im 1 750 m3 großen Plenum des FKFS-Windkanals zum Einsatz gebracht und in [249] vor dem Hintergrund geltender Normen diskutiert. Die Vorteile der Kombination eines porösen Schallabsorbers mit einem breitbandig wirksamen Resonanz-Absorber für die Behandlung der tiefen Frequenzen und einer ebenen gegenüber einer strukturierten Oberfläche kommen aber am bestem in kleineren Messräumen mit relativ strapaziösen Nutzungsbedingungen hinsichtlich Abrieb, Beschädigung und Verschmutzung zur Geltung. Deshalb war der (ohne Auskleidung) nur 339 m3 große Motor-Akustik-Prüfstand [235, 17] im Forschungs- und Ingenieurzentrum bei BMW fast noch bedeutsamer für die Durchsetzung der neuen Technologie.
352 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Akustik-Prüfstände, wie sie zahlreich in vielen Industriebetrieben anzutreffen sind, begnügen sich üblicherweise mit relativ kleinen Räumen, die eng an die Größe und Form der jeweiligen technischen Schallquelle angepasst werden. Die i. A. intensiv genutzten reflexionsarmen Räume bei den Herstellern schalltechnisch zu prüfender oder zu überwachender Geräte oder Maschinen müssen regelmäßig für Betrieb, Wartung und Eingriffe in den Prüfling neben den akustischen Messvorrichtungen auch umfangreiche Installationen und Einbauten, z. B. Maschinenrahmen, -halterungen und -zuführungen erhalten. Außerdem herrschen hier höhere Anforderungen an die Robustheit und Reinigungsmöglichkeit der Boden-, Wand- und Deckenflächen. Es leuchtet ein, dass unter den in der Industrie vorherrschenden Bedingungen Freifeldverhältnisse häufig nur eingeschränkt realisierbar sind. Im Konflikt zwischen ausreichend großem Messabstand s zur Quelle und erforderlicher Auskleidungstiefe t muss oft ein unbefriedigender Kompromiss zwischen Bewegungsfreiheit und Akustik geschlossen werden (vgl. Abb. 12.25, so dass (für z. B. t = 250 mm) die untere Messfrequenz bei herkömmlicher Auskleidung oberhalb 300 Hz läge. Andererseits möchte man Lärmminderung und „sound design“ in Zukunft immer mehr auch bei tiefen Frequenzen betreiben. Eine Raumauskleidung mit nur 250 mm Bautiefe, die bis 50 Hz herunter Präzisions-Messungen ermöglicht, eröffnet da neue Möglichkeiten. Nach [15] ist das Freifeld „ein Schallfeld ohne Begrenzungsflächen oder mit absorbierenden Begrenzungsflächen, deren Einfluss auf das Schallfeld im Bereich der Messfläche im interessierenden Frequenzbereich vernachlässigbar ist“. Die Messfläche soll nach Genauigkeitsklasse 1 [15, S. 24] „außerhalb des Nahfeldes der zu messenden Schallquelle liegen und einen Abstand von den absorbierenden Wänden von mindestens O0/4 haben, wobei O0
Abb. 12.25. Konventionelle reflexionsarme Auskleidungen von Motor-AkustikPrüfständen lassen oft wenig Raum für Untersuchungen an den verschiedenen Schallquellen
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 353
Abb. 12.26. BMW Motor-Akustik-Prüfstand [235] mit angedeuteter Wand-Auskleidung aus Breitband-Kompaktabsorbern, im Vergleich zu Keil-Absorbern für fu = 125 Hz (– – –)
die Wellenlänge der unteren Grenzfrequenz f0 des Raumes ist. Dies kann auch durch Versetzung der Schallquelle je nach Messpunkt erreicht werden“. Im Motor-Prüfstand liegt die Quelle allerdings unverrückbar fest, und zwar aus der Raummitte versetzt (Abb. 12.26), damit auch die Abgasanlage noch Platz finden kann. Je näher die Quelle zu einer Begrenzungsfläche rückt, umso schwerer fällt es natürlich, die Klasse 1 in größeren Messabständen noch zu erfüllen. Um das neuartige Auskleidungssystem mit BKA-Bauteilen dem konventionellen System mit Keil-Absorbern gegenüberzustellen, wurde für einen würfelförmigen Raum der Kantenlänge lR der Raum-Nutzungsgrad
KR
Vi Va
lR 2t 3 3 l R 3 l R 2t
(12.13)
berechnet mit Vi = Innenvolumen zwischen den absorbierenden Flächen und Va = Absorbervolumen. In Abb. 12.27 ist KR für verschiedene RohbauVolumina V in Abhängigkeit von der Frequenz aufgetragen. Wie zu erwarten, weist der mit BKA ausgeführte Messraum unterhalb 315 Hz höhere KR auf als der mit Keil-Absorbern, da sich durch die nur 250 mm dicken BKA ein größeres Vi realisieren lässt. Je kleiner das Rohbauvolumen und die Messfrequenz, desto stärker reduzieren die großen Bautiefen der Keil-Absorber also den noch für Messungen zur Verfügung stehenden Innenraum.
354 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.27. Raum-Nutzungsgrad ηR nach Gl. (12.13) für Messräume mit allseits konventioneller Keil-Auskleidung (―) und 250 mm dicker BKA-Auskleidung (---) in Abhängigkeit von der unteren Grenzfrequenz fu und vom Rohbauvolumen V = 125 (a), 250 (b), 500 (c), 1000 m3 (d)
Wenn z. B. ein Raum wie hier mit nur V = 339 m3 bis 80 Hz herunter reflexionsfrei ausgekleidet werden sollte, so ergäbe sich ein KR von ungefähr 0.5 für die Keil- und von mehr als 4 für die BKA-Auskleidung. Bei einer konventionellen Auslegung nach Norm für 125 Hz könnte ein Volumen von der hier vorgegebenen Größe im besten Falle nur zur Hälfte für Messzwecke genutzt werden (KR # 1). Auch bei größeren Messräumen (z. B. mit V = 1 000 m3) und einer Nutzung der BKA nur bis 100 Hz schneiden diese mit KR = 6 gegenüber KR = 1.3 für Keile immer noch deutlich besser ab. In Abb. 12.28 ist die untere Messfrequenz fu
3 c0 lR l
(12.14)
(mit l = Kantenlänge einer würfelförmigen, mittig angeordneten Schallquelle) dargestellt für den Fall, dass t und d der Norm folgend O/4 und s = O entspricht, sowie die zusätzliche Bedingung l 3 d 0.005 li 3
(12.15)
eingehalten wird. Zur Realisierung von Messräumen bis 50 Hz herunter wären nach diesen Idealvorstellungen also Rohbauvolumina in der Größenordnung von einigen Tausend m3 nötig. Mit lR3 = 339 m3 wäre der Motor-Akustik-Prüfstand konventionell nur bis etwa 176 Hz zu ertüchtigen gewesen, selbst wenn die Quelle punktförmig in Raummitte zu lokalisieren wäre. Tatsächlich wurde aber durch ihre außermittige Anordnung das
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 355
―
Abb. 12.28. Grenzfrequenz fu in Abhängigkeit vom Rohbau-Volumen ( ) für s = λ und d = t = λ/4 nach [15, 16], Prüflings-Volumen > 0,5% des Messraum-Volumens (---) für l = 0.5, 1 und 2 m
nutzbare Volumen zusätzlich so stark (auf effektiv nur noch etwa 138 m3) eingeschränkt, dass bei der relativ großen Quelle (l > 0.5 m) eine Auslegung nach dem herkömmlichen Stand der Technik eigentlich nur auf fu > 220 Hz hätte abzielen können. Abbildung 12.29 stellt den maximalen Messabstand smax von einer Quelle als Funktion der kleinsten Entfernung dR zum Rohbauteil für verschiedene Messfrequenzen gemäß [15, 16] dar.
Abb. 12.29. Maximaler Messabstand smax von der Quelle als Funktion der kleinsten Entfernung dR zum nächsten Rohbauteil gemäß [15, 16] für Frequenzen oberhalb 50 (a), 100 (b), 200 (c) und 400 Hz (d)
356 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.30. Vertikalschnitt des BMW Motor-Akustik-Prüfstandes [235]
Der Raum (Abb. 12.30) besitzt zwei Türen, eine zum Begehen des Prüfstandes und die andere zum Einbringen des Prüflings. Unterhalb des Zwischenbodens befindet sich die vom Gebäude schwingungsentkoppelte Fundamentplatte. Auf dieser ist die Stützkonstruktion für den Rahmen schwingungsisoliert befestigt, auf dem der Prüfling montiert wird. Für die notwendige Raumkühlung mit maximal etwa 21 000 m3/h sind in der Raumecke, in deren Nähe der Motor untersucht wird, über die gesamte Höhe Schlitzauslässe integriert. Weitere Luftzuführungen befinden sich unmittelbar unterhalb und seitlich vom Motor direkt über der Gitterrostebene. Die Öffnungen zur Luftabsaugung sind oberhalb und seitlich der schräg stehenden Wand eingebaut. Zum Transport des Motors von der Tür bis zum Montagerahmen wird ein aushängbarer Kran verwendet. In die Decke sind eine Sprinkleranlage, verschiedene Sensoren, Leuchtstofflampen, Videokameras und Rauchmelder integriert. Die Tragkonstruktion des Gitterrostes überspannt mit Stützen den gesamten Raum und hat keinerlei Kontakt zu den Seitenwänden. Fugen im Wandbereich ermöglichen die Unterbringung von Mess- und Versorgungsleitungen (Abb. 10.9). Zur Raumseite hin sind diese mit speziellen Absorbern abgedeckt, so dass sich im Inneren des Prüfstandes eine geschlossene ebene Absorberoberfläche ergibt. Sämtliche Kanäle im Bereich der Zu- und Abluftöffnungen sind mit Schaum hinter Lochblech abgedeckt. Die Reflektoren der 17 Leuchtstofflampen bestehen aus dem gleichen Lochblech wie die BKA und sind ebenfalls mit Schaum schallabsorbierend hinterlegt. Sowohl die Lampen als auch die Schiene für die Kranbahn sind in Deckenfugen verlegt. Die Stahlprofilträger der Gitterrost-Tragkonstruktion sind im seitlichen und unteren Bereich mit Schaum verkleidet. Unverkleidet
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 357
Abb. 12.31. BMW Motor-Akustik-Prüfstand nach Abb. 12.32 mit dem ersten Prüfling [235]
blieben die Gitterroste, der Montagerahmen für den Motor, die Oberseiten der Gitterrost-Tragkonstruktion, die zuvor erwähnten Hilfseinrichtungen sowie die Treppe mit Geländer. Insgesamt sind so ca. 6 m2 schallharte Oberfläche im Raum verblieben, entsprechend etwa 10% der Grundfläche. Abbildung 12.31 zeigt den Motor im fertigen Raum mit seinen auffallend hellen, glatten Oberflächen. Vor der Inbetriebnahme wurde Anfang 1997 die SchalldruckabnahmePrüfung nach [15] durchgeführt. Dabei wurden die Schallquelle auf dem Montagerahmen des Motors angebracht und, ausgehend von ihrem Mittelpunkt, Stahldrähte zu den fünf oberen und fünf unteren Raumecken gespannt. In Abb. 12.32 ist beispielhaft die Pegelabnahme auf einer Bahn für zwei Frequenzbänder dargestellt. Hier beträgt die Abweichung selbst bei
Abb. 12.32. Relative Pegelabnahme mit der Entfernung auf einer oberen Bahn im Raum nach Abb. 12.31 ohne Gitterrost für 800 (∆) und 50 Hz (□)
358 12 Innovative Akustik-Prüfstände
der größten Messentfernung von 4.5 m bei 50 Hz weniger als 1.5 dB und bei 800 Hz weniger als 1 dB. Auf dieser Bahn kann also mindestens ab 50 Hz aufwärts überall wie im Freifeld mit höchster Genauigkeit gemessen werden. In Abb. 12.33 sind die kritischen Entfernungen „x“ beispielhaft für 50 Hz in den Grundriss des Prüfstandes eingezeichnet. Die Entfernungen sind die tatsächlichen Abstände auf den Bahnen, abzulesen an dem eingezeichneten Maßstab. Außerdem sind für die hier verwendete Punktschallquelle der zulässige Messradius der Vollkugel-Messfläche smax1, der sich aus dem erforderlichen Mindestabstand von einem Viertel der Wellenlänge zu den absorbierenden Flächen ergibt, und der Mindestabstand von der Punktschallquelle smin = 1 m nach [15] dargestellt. Zusätzlich wurde der bei einem Abstand d = O/4 nach [15] noch mögliche maximale Radius smax2 für eine halbkugelförmige Messfläche im oberen Teil des Messraumes eingetragen. Der kleinste Abstand des Quellpunktes von der Raumauskleidung von nur 2.14 m bestimmt, dass smin > smax ist. Bei Einhaltung des O/4Wandabstandes nach [15] ist daher eine Normmessung bei 50 Hz nicht zulässig. Erst ab 80 Hz (smin < smax) kann der Halbfeldfreiraum trotz seiner nachgewiesenen Freifeldgüte auf Grund der besonderen Lage der Quelle relativ nah zur Auskleidung für diesen Punkt auf einer (Halb-)Kugelfläche nach der GK 1 gemessen werden. Messungen nach GK 2 sind ab 50 Hz möglich. Im Prüfstand mit den oben beschriebenen Einbauten können also Messungen gemäß Tabelle 12.4 durchgeführt werden.
Abb. 12.33. Entfernungen (x) auf den Bahnen in der oberen Raumhälfte, bis zu denen im Prüfstand die GK1-Anforderungen nach [15] für 50 Hz erfüllt sind [235]
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 359 Tabelle 12.4. Zulässige Messbereiche für den Raum nach Abb. 12.31, für die Lage der Quelle im Raum nach Abb. 12.33 Rohbauvolumen Volumen zwischen den Absorbern Raumnutzungsgrad KR nach Gl. (12.13) Höhe des Gitterrostes über Bodenabsorber Höhe über Gitterrost kleinster Abstand des Quellpunktes von der Raumauskleidung Messungen nach DIN 45 635 Teil 1 Genauigkeitsklasse 1 (Vollkugel) s min = 1 m; s max1 = 2.14 m λ/4 s max1 = 1 bis 1.06 m für f = 80 Hz
339 m3 276 m3 4.4 1.44 m 3.30 m 2.14 m
Genauigkeitsklasse 2
s ! 1.5 m
s max1 = 1 bis 1.28 m für f = 100 Hz s max1 = 1 bis 1.45 m für f t 125 Hz
für 50 Hz d f d 16 kHz
Dank der nur 250 mm dicken BKA können im Motorprüfstand Schallpegelmessungen der Genauigkeitsklasse 1 nach Norm bis 80 Hz herunter durchgeführt werden. Die Verwendung 700 mm langer Keile würde für Messungen ab 125 Hz aufwärts die Messflächen deutlich verringern: Der zulässige Radius der Vollkugel-Messfläche würde von 1.45 (wie ausgeführt) auf 1 m (mit Absorber-Keilen) reduziert. Dies bedeutet, dass ab 125 Hz nur kleinere Schallquellen vermessen werden könnten. Größere Motoren würden bereits bei Frequenzen deutlich oberhalb 125 Hz an die Grenzen des konventionell ausgekleideten Prüfstandes stoßen. Die in Abb. 12.33 strichliert angedeutete Auskleidung mit Keilen für 50 Hz ließe kaum Platz für den Prüfling selbst. Je kleiner der Messraum, desto vorteilhafter ist natürlich seine Gestaltung mit raumsparenden Kompakt-Absorbern. Die Einflüsse auf das Freifeld durch Reflexionen an den relativ klein strukturierten Gitterrosten wurden bei der Messung zwar in einzelnen Frequenzbändern und in größerer Entfernung von der Quelle festgestellt. Auf den für die Klasse 1 zulässigen Messflächen konnten sie aber vernachlässigt werden. Ein größeres Augenmerk ist dagegen auf die Stützkonstruktion zu richten. Wird der Gitterrost für Norm-Messungen ausgebaut, so werden die relativ breiten Auflageflächen der Tragkonstruktion ebenso mit Schaumstoff belegt wie die anderen Elemente der Stützkonstruktion, damit keine störenden Reflexionen bei Frequenzen ab 1 000 Hz aufwärts die Messergebnisse verfälschen. In der unteren Raumhälfte führen die zahlreichen verkleideten Stützelemente ab 800 Hz aufwärts zu Schalldämpferund Abschirmeffekten, die die Pegel im Bereich neben und hinter den Einbauten stark absenken. Dies hat zur Folge, dass die Klasse 1-Forderungen
360 12 Innovative Akustik-Prüfstände
für die hohen Frequenzen nur noch in einem kleinen Bereich um die Quelle herum realisiert werden können. Die zulässigen Messradien der Tabelle 12.4 gelten sowohl mit als auch ohne Gitterrost. Diese erste Anwendung der VPR/BKA-Technologie unter äußerst engen räumlichen Vorgaben hat eindeutige Vorteile offenbart: a) Sie schrumpft den üblicherweise zerklüftet aufgebauten Absorber räumlich auf ein notwendiges Minimum zusammen, b) sie schafft Raum für ausgedehnte Quellen und maximale Messabstände, c) sie macht einen reflexionsarmen Boden begehbar, d) sie ermöglicht die Anbringung einer auswechselbaren Auflage, um aus dem Motor fast unvermeidbar abtropfende Flüssigkeiten zu binden, e) sie erweitert den möglichen Frequenzbereich für Freifeld-Messungen bis 50 Hz, evtl. sogar noch darunter, ohne wesentliche Einbußen bei höheren Frequenzen. Will man die durch die Modul-Bauweise (Abb. 10.9) geschaffene Möglichkeit zur Integration der diversen Prüfstands-Installationen voll nutzen, setzt dies eine frühzeitige gute Abstimmung zwischen allen Planern voraus. Ein Mehrpreis für diese flexible und attraktive Raumauskleidung ist im Markt i. A. zwar nicht zu erzielen. Man kann aber eine Einsparung bei
Abb. 12.34. Mögliche Einsparung bei den Rohbaukosten durch den Einsatz raumsparender (t = 250 mm), allseitig reflexionsarmer Auskleidungen für fu = 80 Hz als Funktion des Rohbauvolumens eines würfelförmigen Raumes in Abhängigkeit von den Rohbaukosten; 65 € / m3 (□), 125 € / m3 (―), 255 € / m3 (∆)
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 361
den Rohbaukosten 'K durch die Reduktion der Auskleidungstiefe 't gegenüber konventionellen Keil-Absorbern gemäß Gl. (4.9) zur Diskussion bringen. Abbildung 12.34 zeigt diesen Gewinn 'K
⎡l R3 ⎣
3 l R 2 't ⎤ K
⎦
(12.16)
für drei beispielhafte Rohbaukosten K als Funktion eines Rohbauwürfels lR3 für eine anvisierte untere Messfrequenz f0 = 80 Hz. Nicht selten werden bei Prüfständen mit aufwändigen Installationen für deren Betrieb Leitungen und Kanäle hinter einer Vorsatzschale verlegt, vor welcher dann die akustische Auskleidung angeordnet wird. Wenn man diesen „verlorenen“ Hohlraum mitrechnet, weil die neuartige Modul-Bauweise die Integration der Installationen in die Auskleidung ermöglicht, fällt die Ersparnis in den Baukosten noch höher aus. 12.6.2 Audi Aeroakustik-Windkanal in Ingolstadt Das erste Windkanal-Plenum, das so vollständig wie eben möglich mit einer BKA-Auskleidung ausgestattet werden konnte, wurde 1998 im AudiWindkanalzentrum in Betrieb genommen [236]. Abbildung 12.36 zeigt die Messhalle mit einem Testobjekt; auch die großen Fenster der Messwarte, die durch absenkbare Absorber-Wände für Präzisionsmessungen akustisch unschädlich gemacht werden können. Die BKA-Module mit 250 mm Bautiefe werden hier durch Lochblech-Körbe nach Abb. 10.9 gehalten und geschützt. Die Bedingungen für Halbfreifeld-Räume nach Norm sind für Terz-Messungen bis 63 Hz von einer neutralen Prüfstelle bestätigt worden. In diesem Projekt kamen auch erstmals Schalldämpfer-Kulissen aus BKA-Modulen in einer der Umlenkecken zum Einsatz (Abb. 12.37). Sie wurden, jeweils 250 mm dick, durch eine 2 mm dicke Stahlplatte getrennt und mit Lochblech abgedeckt. Zur Minimierung der Druckverluste und Optimierung der Einfügungsdämpfung bei höheren Frequenzen wurden An- und Abströmprofile angepasst und mit offenporigem Weichschaum hinter Lochblech gefüllt (Abb. 10.6). Die anderen zwei Ecken wurden mit Umlenk-Blechen bestückt, die beidseitig, ähnlich wie in Abb. 11.8 angedeutet, mit verhautetem Schaumstoff profiliert sind. So konnte die Dämpfung bei mittleren und hohen Frequenzen weiter verbessert und der Druckverlust nochmals reduziert werden. Die großen Querschnitte der Strömungsführung ermöglichten die zusätzliche Anbringung einer ebenfalls sehr breitbandig wirksamen akustischen Wand- und Deckenverkleidung. So wurde im Bereich des Auffängers die in Abb. 10.6 oben dargestellte abgehängte Konstruktion mit 300 mm dicken
362 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.35. Mit BKA-Auskleidungen reflexionsarm gestaltete Messhalle im AudiWindkanal [236, 11]; (a) Blick zur Düse und Messwarte; (b) Blick zum Auffänger
BKA-Modulen realisiert. Der große Hohlraum entstand, weil die ursprüngliche Planung von weitaus voluminöseren faserigen Auskleidungen ausging. Er wurde durch eine 3 mm dicke Stahlplatte abgetrennt, auf der die BKA-Module montiert wurden. Im Hohlraum sorgen Absorber-Schotts für die nötige Dämpfung, um Längsübertragung von Luftschall zu vermeiden. Schließlich wurde noch ein Naben-Schalldämpfer aus ALFA-Modulen, wie in Abb. 12.38 angedeutet, am Gebläse selbst als besonders wirksame Maßnahme unmittelbar an der Quelle eingebaut. Alle diese innovativen Konzepte zusammen sowie eine sorgfältige Auswahl eines lärmarmen Gebläses haben den Audi-Windkanal zur weltweit leisesten Anlage gemacht [250]. Abbildung 12.39 veranschaulicht den respektablen Fortschritt bei der Lärmbekämpfung in Fahrzeug-Windkanälen in einer ersten Stufe, zu welcher vor allem der FKFS-Kanal zählt [74, 238, 249], um gut 30 dB(A) und in einer zweiten Stufe, die durch den Audi-Kanal eingeleitet wurde [236, 11, 250], um nochmals mehr als 10 dB(A). Damit scheint ein neuer Standard für die ungestörte Messung
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 363
Abb. 12.36. Die neuartige Verkleidung mit Breitband-Kompaktabsorbern ermöglicht eine nach Bedarf vor der Messwarte absenkbare reflexionsarme „Schürze“
Abb. 12.37. Druckseitiger Umlenk-Schalldämpfer aus BKA-Modulen im Audi-Windkanal [236, 11]
364 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.38. Naben-Schalldämpfer am Gebläse des Audi-Windkanals [7, 8]
Abb. 12.39. Eigengeräusch außerhalb der Messstrecke von Windkanälen der Fahrzeug-Hersteller nach [250, 251]
von Umströmgeräuschen an Kraftfahrzeugen erreicht zu sein, der allen Anforderungen der Praxis gerecht wird (vgl. die Ausführungen am Schluss von Abschn. 12.3). Es leuchtet ein, dass es beim prestigeträchtigen Thema „acoustic comfort“ und „sound design“ von unschätzbarem Vorteil sein kann, wenn ein Kfz-Hersteller eine Anlage zur Verfügung hat, in welcher auch schwache Geräuschanteile noch ohne messtechnische Klimmzüge sicher analysiert werden können. Dass alle Maßnahmen faserfrei ausgeführt werden können, stellt einen weiteren Vorteil für das hochqualifizierte Personal und die empfindlichen Messsonden dar.
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 365
12.6.3 Mercedes Technik-Zentrum in Sindelfingen Gewisse Nachteile der Mineralfaser-Technologie, wie sie im BMW-Windkanal (Abschn. 12.3) zu einem vorläufigen Höhepunkt geführt wurde, motivierten Mercedes und Opel bei der Nachrüstung des von diesen Kfz-Herstellern stark frequentierten FKFS-Windkanals (Abschn. 12.4), sich auf die faserfreie Membran-Absorber-Technik in Kombination mit verhautetem Weichschaum als Schalldämpfer in den Kanälen und reflexionsarme Auskleidung im Plenum einzulassen. Für ihren Motor-Akustik-Prüfstand (Abschn. 12.6.1) ließ sich BMW von den neuartigen Breitband-Kompakt-Absorbern auf Melaminharz-Basis (mit der Brandschutz-Klasse B1) überzeugen. Auch Audi sah für seinen Windkanal (Abschn. 12.6.2) im Einsatz dieser ALFA-Bauteile als Schalldämpfer und Raumauskleidung bei der Installation bewährter Brandschutzeinrichtungen keine besondere Gefahr. Für das Mercedes-Technik-Center bei Daimler-Chrysler kamen dagegen nur Baumaterialien der Brandschutz-Klasse A in Frage. Auch auf diese neue Herausforderung wurde bei der Auslegung der sechs hier zu realisierenden Prüfstände nach Tabelle 12.5 den Kundenwünschen entsprechend reagiert. Bei der ebenen und kompakten Bauweise der BKA-Module ist gegen den Ersatz der an sich bevorzugten Schaumstoff-Platten und Passstücke wie in Abb. 10.9 skizziert durch entsprechende Mineralwolle-Elemente nichts einzuwenden, wenn diese hinter Lochblech und Faservlies-Abdeckungen gemäß Abb. 12.40 ähnlich wie in konventionellen Schalldämpferkulissen dauerhaft und hier auch ohne größere Strömungsbeaufschlagung „eingepackt“ werden können. Die dann in der Mineralwolle eingebettete
Abb. 12.40. Prinzipskizze der Breitband-Kompaktabsorber mit Mineralwolle als Dämpfungsmaterial (schematisch); Verbund der eingebetteten Schwingplatte durch Klebung (a), Stifte (b) bzw. Zapfen (c)
366 12 Innovative Akustik-Prüfstände Tabelle 12.5. Reflexionsarme Räume im Mercedes-Technik-Center Bezeichnung des Messraumes 1. Allrad-Prüfstand (Abb. 12.41 und 12.42) – Rohbau-Volumen – Nutzbares Volumen – Raum-Nutzungsgrad KR nach Gl. (12.13) – Maximale Luftleistung 2. 1-Achs-Prüfstand mit Fahrtwind-Simulation – Rohbau-Volumen – Nutzbares Volumen – Raum-Nutzungsgrad KR – Maximale Luftleistung 3. 1-Achs-Prüfstand (Abb. 12.44) – Rohbau-Volumen – Nutzbares Volumen – Raum-Nutzungsgrad KR – Maximale Luftleistung 4. Kleinaggregate-Prüfstand – Rohbau-Volumen – Nutzbares Volumen – Raum-Nutzungsgrad KR – Maximale Luftleistung 5. Körperschall-Prüfstand – Rohbau-Volumen – Nutzbares Volumen – Raum-Nutzungsgrad KR – Maximale Luftleistung 6. Strukturanalyse-Prüfstand – Rohbau-Volumen – Nutzbares Volumen – Raum-Nutzungsgrad KR – Maximale Luftleistung 7. Außengeräusch-Messhalle (mit Keilen) – Rohbau-Volumen – Nutzbares Volumen – Raum-Nutzungsgrad KR – Maximale Luftleistung
V KR Qmax Reflexionsarme [m3] [-] [m3/h] Fläche [m2] Halbfreifeld 623 539
338 6.4 20 000 Halbfreifeld
630 543
348 6.2 20 000 Halbfreifeld
630 543
348 6.2 20 000 Freifeld
226 175
211 3.4 5 600 Halbfreifeld
408 345
253 5.5 5 000 Halbfreifeld
575 496
314 6.3 3 000 Halbfreifeld
2 828 1 910
855 2.1 20 000
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 367
Schwingplatte kann durch Zapfen oder Stifte, wie in Abb. 12.40 skizziert, innig mit ersterer verbunden werden. Im Prozess der auch räumlichen Konzentration verschiedener Pkw-Entwicklungsbereiche entstand bei Daimler-Crysler in unmittelbarer Nähe zum größten Mercedes-Benz Montagewerk in Sindelfingen ein neues Entwicklungs- und Vorbereitungszentrum. Darin wurden im Jahre 2000 auch sechs der insgesamt sieben Akustik-Prüfstände mit BKA-Auskleidung realisiert. Letztere haben, nach Abnahme durch ein neutrales Prüfinstitut, alle Erwartungen des Betreibers voll erfüllt. Da zum Zeitpunkt der Ausschreibung dieses Projektes die raumsparende Auskleidung mit Asymmetrisch Strukturierten Absorbern ihre Generalprobe bei Volkswagen (s. Abschn. 12.6.4) noch nicht bestanden hatten, wurde die große Außengeräusch-Messhalle noch mit Mineralwolle-Keil-Absorbern ausgeführt. Bei den Rollen-Prüfständen handelt es sich um komplexe Bauwerke, in denen hochtechnisierte Prüfstands-Aggregate mit empfindlichen Messund Überwachungssystemen, Medienzuführung (Benzin, Diesel, Wasser), leistungsfähiger Luft- und Klimatechnik sowie Abgasentsorgung durch zahlreiche Gewerke im Gebäude integriert werden müssen. Es liegt daher im Grunde nahe, die gesamte Abwicklung von der Initialphase, Projektstudie, Kostenermittlung und Budgetgenehmigung über die Erstellung des Lastenheftes (Spezifikation) und eines detaillierten Leistungsverzeichnisses als Basis für die Ausschreibungen an geeignete Lieferanten, bis hin zur Vergabe und Ausführung gemäss den in der Verdingungsordnung für Bauleistungen VOB festgelegten Randbedingungen und schließlich der Abnahme des Prüfstands, einem Generalunternehmen zu übertragen. Die Zulieferung schalltechnischer Komponenten wie Schwingungsisolatoren, Schalldämpfer, Schallschutz-Türen und Raumauskleidungen erschiene dann als nur eine von vielen Leistungen. Aber bei DC wie bei VW (s. Abschn. 12.6.4) wurden viele Gewerke, insbesondere aber die innovative akustische Gestaltung der Prüfstände, separat vergeben. Im Gegensatz zum VW-Projekt, bei dem zunächst das FhG-Institut bereits in einer sehr frühen Planungsphase einbezogen wurde, kam das FAIST/FhG-Gespann bei DC erst relativ spät zum Zuge. Hier fand man sich dafür in der glücklichen Lage, die Anforderungen an den im Hallraum nachzuweisenden Absorptionsgrad der Raumauskleidung für die in Tabelle 12.5 aufgelisteten Akustik-Prüfstände 1. bis 6., insbesondere bei tiefen Frequenzen, mit der in Abschn. 12.5 beschriebenen BKA-Technologie deutlich überbieten zu können (vgl. die untere Kurve in Abb. 12.7). Nachdem auch die erhöhten Brandschutz-Anforderungen durch den Austausch des Schaumes in den BKA-Modulen (s.o.), sowie einige harte Einkaufsbedingungen erfüllt werden konnten, wurde in Sindelfingen das erste
368 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Akustik-Zentrum, in dem alle Räume bis auf einen mit ebenen, nichtbrennbaren BKA ausgestattet sind. Bei den drei gleich großen Rollen-Prüfständen mit schallhartem Boden standen die späteren Innengeräusch-Messungen im Vordergrund. Dabei stellt der Allrad-Rollen-Prüfstand (Abb. 12.41) mit 2 Doppel-Rollen und
Abb. 12.41. Innenansicht und Grundriss des Allrad-Rollen-Prüfstandes im Mercedes Technik-Zentrum
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 369
4-Rad-Dynamometer sowie seiner frontalen Blaseinrichtung ebenso wie einer der 1-Achs-Prüfstände (mit maximal 200 000 m3/h) gleichzeitig einen kleinen Windkanal mit einem 250 kW-Gebläse dar (Abb. 12.42). Die separaten Rollen-Fundamente sind im Kellergeschoss auf Federelementen gelagert, um Körperschallübertragung zu unterbinden. Die Lauftrommeln werden mit auswechselbaren Belägen versehen, um verschiedene Straßenzustände zu simulieren. Die Aggregate der lufttechnischen Anlage, die auch der Fahrtwind-Simulation dienen, sind dagegen im Obergeschoss, ebenfalls sorgfältig schwingungsisoliert, aufgestellt. Die Raumluft wird über Kanäle in den Raumkanten zu- und abgeführt, die wandseitig die BKA-Module und raumseitig für tiefe Frequenzen durchlässige Mineralwolle-Platten als kostengünstige, druckverlustfreie Schalldämpfer nutzen. Auch die für eine gute Ausleuchtung des Fahrzeuges in die Wandverkleidung integrierten Leuchten sind auf eine Art reflexionsarm ausgeführt,
Abb. 12.42. Aufriss und Schnitt des Allrad-Rollen-Prüfstandes nach Abb. 12.41
370 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.43. Schnitt durch ein akustisch reflexionsarmes, optisch reflektierendes Leuchten-Element im Prüfstand nach Abb. 12.41
wie dies nur in Verbindung mit der flexiblen Modul-Bauweise möglich ist (Abb. 12.43). Diese speziellen Bauelemente kehren auch in den anderen Prüfständen der Tabelle 12.4 wieder. In den 1-Achs-Prüfstand mit Fahrtwind-Simulation wurde eine konventionelle Schallschutz-Kabine, auf
Abb. 12.44. 1-Achs-Prüfstand mit integrierter Schallschutz-Kabine und allseitig schallgedämpfter Raumluft-Zuführung (unten) im Mercedes Technik-Zentrum
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 371
Längsdämm-Bügeln gelagert, in den massiv einschalig ausgeführten Rohbau eingestellt, um eine ausreichende Entkopplung zu den benachbarten Räumen zu erreichen (Abb. 12.44). 12.6.4 Volkswagen Akustik-Zentrum in Wolfsburg Der von der Anzahl und Vielfältigkeit der akustischen Messräume größte Auftrag für reflexionsarme Auskleidungen und Dämpfungselemente wurde im Jahre 2001 bei VW erfolgreich zum Abschluss gebracht. Die sieben Prüfstände im neu erbauten Akustik-Zentrum gemäß Tabelle 12.6 wurden nicht nur, wie die entsprechenden Prüfräume bei Daimler-Chrysler (Abschn. 12.6.3), hinsichtlich der eigentlichen Raum-Akustik betreut. In diesem Falle wurde bereits in einem sehr frühen Stadium des Projektes ein Planungsauftrag an das IBP erteilt, zusätzlich auch den Erschütterungsund Schallschutz der Räume untereinander sowie der lüftungs- und klimatechnischen Anlagen sowohl von den akustischen Anforderungen her als auch hinsichtlich der Ausführungen im Detail zu planen. Die technischen Anlagen und Einrichtungen zum Betrieb der Prüfstände wurden ebenfalls vom IBP beraten und ausgelegt, soweit diese Auswirkungen auf die Freifeldeigenschaften der Räume hatten. Das betraf vor allem die Lage und Abmessungen von schallreflektierenden Einbauten. Die Vorgaben zur Einhaltung der Geräuschemissionen von den E-Maschinen, Rollenantrieben usw. oblag dagegen den jeweiligen Lieferfirmen. Auch wurde jeder einzelne Prüfstand seiner jeweiligen Nutzung entsprechend vom IBP individuell ausgelegt, hinsichtlich der Freifeldbedingungen vor Ort optimiert und durch umfängliche Messungen abgenommen (s. a. Abschn. 12.6.4 (f)). Hier kam als Dämpfungsmaterial in den BKA-Modulen wieder ausschließlich Melaminharzschaum zum Einsatz. Der gleichzeitige und voneinander unabhängige Betrieb von sieben akustischen Prüfzentren als Halbfreifeldräume innerhalb eines Gebäudekomplexes (Abb. 12.45) stellte eine Besonderheit dar, die eine zweischalige Raum-in-Raum-Bauweise für fünf Räume erforderlich machte. Eine besondere Herausforderung ergab sich aus der von Seiten des Nutzers verschärften Spezifikation, die in [15, 16] vorgegebene Toleranzbreite gemäß Tabelle 12.2 ab 100 Hz aufwärts auf nur ±1 dB abzusenken (Tabelle 12.7). Hintergrund dieser Forderung bildet die VW-interne Messkonzeption, die ermittelten Schalldruckpegel mit der größtmöglichen Präzision und Sicherheit und ohne eine Korrektur für alle Beurteilungen heranzuziehen. Die Tiefe der schallabsorbierenden Auskleidung wurde dabei zunächst mit nur 50 cm veranschlagt. In den Messräumen wurden Messquader vorgegeben, in denen die verschärften Freifeldbedingungen gelten sollten. Um
372 12 Innovative Akustik-Prüfstände
diesem hohen Qualitätsanspruch zu genügen, wurden die drei relativ großen Rollen-Prüfstände (1. und 2. in Tabelle 12.6) erstmals mit der in Abschn. 12.5 beschriebenen Technologie der Strukturierten Reflexionsarmen Raumauskleidung mit einer Bautiefe von tatsächlich 620 mm ausgeführt. Diese besteht aus einer Kombination von 100 mm dicken wandseitigen Verbund-Platten-Resonatoren VPR und raumseitigen Asymmetrisch Strukturierten Absorbern ASA. Tabelle 12.6. Halbfreifeld-Räume im VW Akustik-Zentrum [252] Bezeichnung des Messraumes 1. Außengeräusch-Messhalle (Abb. 12.47– 12.49) – Rohbau-Volumen – Nutzbares Volumen (einschl. Lüftung) – Raum-Nutzungsgrad KR, Gl. (12.13) – Maximale Luftleistung 2. Allrad-Rollen- / RollgeräuschPrüfstände (Abb. 12.50–12.52) – Rohbau-Volumen – Nutzbares Volumen (einschl. Lüftung) – Raum-Nutzungsgrad KR – Maximale Luftleistung 3. Aggregate-Prüfstand (Abb. 12.56) – Rohbau-Volumen – Nutzbares Volumen (einschl. Lüftung) – Raum-Nutzungsgrad KR – Maximale Luftleistung 4. Motoren-Prüfstände 1 und 2 (Abb. 12.55–12.57) – Rohbau-Volumen – Nutzbares Volumen (einschl. Lüftung) – Raum-Nutzungsgrad KR – Maximale Luftleistung 5. Fenster-Prüfstand (Abb. 12.58 und 12.59) – Rohbau-Volumen – Nutzbares Volumen (einschl. Lüftung) – Raum-Nutzungsgrad KR – Maximale Luftleistung
V [m3]
KR [-]
Qmax [m3/h]
ALFA-Bauteile BKA:
3 454 2 814
Luftkanäle VPR + ASA: 4 32 000
690 484
Wände Decke BKA: Luftkanäle VPR + ASA:
2.4 32/36 000 220 173 3.7 27 000 160 124
Wände Decke BKA: Wände Luftkanäle ASA: Decke BKA: Wände Luftkanäle
3.5 27 000
347 284
ASA: Decke BKA: Wände Luftkanäle
4.5 15 000
Decke Kranbahn
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 373 Tabelle 12.6. Von VW für die Prüfstände 1. und 2. in Tabelle 12.6 tolerierte Abweichung der Pegelabnahme [253] Messraumtyp Freifeld über reflektierender Ebene (Halbfreifeld)
Terzmittenfrequenz [Hz] 50 bis 80 t 100
Grenzwerte für Differenzen [dB] r 2.5 r 1.0
In allen Rollenprüfständen erfolgt die Raumbelüftung und -entlüftung über Luftführungskanäle mit in die Absorberschicht integrierten Schlitzauslässen jeweils längsseits im Deckenbereich (Abb. 12.46). Zusätzlich wird mit einem Schlitzauslass über dem Doppeltor die Frischluft für den Motor zugeführt. In den beiden kleineren, gleich großen Rollenprüfständen sind zusätzlich vertikale Schlitzauslässe in den Raumecken vorhanden. Die Kanäle sind innen mit Schaumstoff und Breitband-Kompakt-Absorbern BKA schallabsorbierend ausgekleidet. Von diesen zweigen Stichleitungen ab und verlaufen im Fugenbereich zwischen den VPR-Modulen mit Austritten zum Prüfraum bündig mit der Wandverkleidung. Leitungen zur Versorgungs- und Sensortechnik verlaufen wandseitig und sind mit der Auskleidung überbaut. Im schallharten Boden sind versenkbare Fahrtwindeinlässe und -auslässe sowie die Abgasabsaugung integriert. Eine große Bodenfläche ist symmetrisch in Raummitte aus der Betonplatte für die darunter befindliche Prüfeinrichtung mit den verschiebbaren Antriebsrollen ausgespart. Die Rollen befinden sich in Unterkellerungen jeweils federnd gelagert auf einem Fundament innerhalb einer Abmauerung und körperschallisoliert von den dazu gehörenden Antrieben. Dieser
Abb. 12.45. Grundriss Erdgeschoss des VW Akustik-Zentrums mit 7 HalbfreifeldRäumen nach [252]
374 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.46. Schnitt durch eine Raumkante mit schallgedämpften Lüftungs- und Heizungskanälen sowie strukturierter reflexionsarmer Raumauskleidung
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 375
abgemauerte Raum ist mit kleinformatigen Passelementen zum Messraumboden abgedeckt. Zwischen den Rollen gibt es verfahrbare Arbeitsbühnen. Daraus ergeben sich im Messraum zwangsläufig zahlreiche Spalte und Öffnungen zum schallharten unteren Raum. a) Außengeräusch-Messhalle Untersuchungen der Innen- und Außengeräusche von Fahrzeugen werden sowohl auf der Straße als auch in Fahrzeug-Rollenprüfständen durchgeführt. Für die Bewertung eines Fahrzeuges sind letztendlich immer die Messungen auf der Straße ausschlaggebend. Diese haben allerdings den Nachteil, dass sie in hohem Maße von den Umgebungseinflüssen abhängen. Den Kern des VW Akustik-Zentrums bildet daher die Außengeräusch-Messhalle mit lichten Rohbaumaßen von 25 u 20 u 6.8 m. Mit einem 4 u 175 kW Allrad-Rollen-Prüfstand und modernster Messtechnik ausgerüstet, bietet dieser Prüfraum die Möglichkeit, Untersuchungen zum Vorbeifahrtgeräusch witterungsunabhängig und reproduzierbar durchzuführen. Auf dem Prüfstand lassen sich gezielte Quellenanalysen durchführen, ohne dass straßentaugliche Aufbaustände der Fahrzeuge realisiert werden müssen. Durch Überblenden der Messsignale lässt sich bei stehendem Fahrzeug der Pegelverlauf in einer Außengeräusch-Messstrecke nach ISO 362 [254] simulieren. Der Messzyklus der beschleunigten Vorbeifahrt kann entweder manuell durch eine im Fahrzeug befindliche Person oder programmgesteuert mit Hilfe eines Autopiloten durchgeführt werden. Zur Gewährleistung der bei Straßenmessungen vorliegenden Verhältnisse ist der Messraumboden mit einem asphaltähnlichen Belag, der dem Anforderungsprofil nach ISO 10844 [255] bezüglich Textur und Reflexionsverhalten genügt, ausgelegt. Über die Möglichkeit der Vorbeifahrt-Simulation hinaus lassen sich auf dem Prüfstand akustische und schwingungstechnische Untersuchungen bis zu einer maximalen Geschwindigkeit von 300 km/h durchführen. Zur Fahrzeugkühlung und zur Abführung der in den Prüfraum eingetragenen Wärmelast ist neben der normalen Raumbelüftung mit einer maximalen Dauerwärmeabfuhr von 250 kW (40.000 m3/h) zusätzlich ein Fahrtwindgebläse installiert. Bei Bedarf können die in den Prüfraumboden eingelassenen Ein- bzw. Auslässe vor und hinter dem Prüfstand ausgefahren werden. Das Fahrtwindgebläse dient nur zur Kühlung des Prüflings und nicht der Simulation der durch Fahrtwind entstehenden Geräusche. Zur Erreichung möglichst niedriger Störpegel durch die Lüftung strömt die auf 17°C gekühlte, gerichtete Luft mit einer maximalen Austrittsgeschwindigkeit von 30 km/h aus. Besonders temperaturempfindliche Bauteile können zusätzlich mit separaten Spots gezielt gekühlt werden.
376 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Zur Simulation der Vorbeifahrt werden nach [254] beidseitig in 7.5 m Abstand zur Längsachse eines Fahrzeuges auf jeweils 20 m Länge Mikrofone in 1.20 m Höhe über dem Boden installiert. Etwas außermittig in diesem 300 m2 großen Areal befindet sich das zu untersuchende Fahrzeug auf Rollen. Mit verschiedenen Belägen lassen sich unterschiedliche Straßenverhältnisse simulieren. Ziel ist die bessere Übertragbarkeit der Ergebnisse von einer stehenden Quelle im Prüfstand auf Straßenmessungen mit einem
Abb. 12.47. Längsschnitt (oben) und Grundriss (unten), 7.5 m-Pfade für die nach [254] simulierte Vorbeifahrt, sowie Messquader und Messbahnen 1 bis 5 nach [255] der Außengeräusch-Messhalle im VW Akustik-Zentrum [252]
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 377
bewegten Fahrzeug. Zur Bestimmung der Vorbeifahrtpegel von Straßenfahrzeugen wurde der größte Prüfraum im VW Akustik-Zentrum als Rollen-Prüfstand errichtet. Der reflexionsarme Halbfreifeldraum ist in Abb. 12.47 mit Grundriss, Messquader und Messbahnen dargestellt. Dieser Raum wurde einschalig errichtet. Er ist vom übrigen Baukörper entkoppelt. Die Außenwände sind aus Gründen der Tauwasserproblematik innen mit einer Wandheizung versehen. Diese wiederum ist durch eine Überbauung mit Trapezblech hinterlüftet. Den Abschluss bildet raumseitig eine Glattblechabdeckung als Montagefläche für die schallabsorbierende Wandauskleidung (Abb. 12.46). Um die erforderlichen Schalldämmwerte auch bei den Türen zu sichern, sind diese von außen nach innen hintereinander als Brandschutz-, Schallschutz- und Absorberelemente angeordnet. Im Bereich der Lüftungskanäle treten die Auskleidungen 2 m breit und 0.60 m dick aus der Deckenverkleidung hervor (Abb. 12.46). In einer stirnseitigen Außenwand befindet sich eine einflügelige Tür von 1 u 2 m als Notausgang, gegenüber ein zweiflügeliges Tor von 3.5 u 4 m als Zufahrtöffnung für die Prüfobjekte sowie eine Verbindungstür zur Messwarte. Freifeldeigenschaften auf einem Messquader über dem Rollen-Prüfstand Zur Prüfung der Pegelabnahme gemäß [16, Anhang A] von einer zentralen Messposition auf dem Boden wurden, in Abstimmung mit den späteren Nutzern, vier Messbahnen diagonal durch die oberen Ecken und eine Bahn durch die Mitte einer der oberen Kanten des in Abb. 12.47 skizzierten Messquaders mit den gedachten Abmessungen 13 u 8 u 5 m festgelegt und die Messungen in 0.5 m-Schritten, beginnend 1 m von der Schallquelle, durchgeführt. Aufgrund der geforderten kugelförmigen Abstrahlcharakteristik der Quelle wurde das Schallfeld für die verschiedenen Frequenzbereiche mit entsprechenden Lautsprechersystemen angeregt. Trotzdem wurden Abweichungen festgestellt, die eindeutig Reflexionen und Interferenzen zuzuordnen sind. Z. B. ist dies durch die Aufstellung des Lautsprechers entgegen der Norm oberhalb des harten Bodens und damit besonders durch seine endlichen Abmessungen bedingt (s.a. Abschn. 12.6.4 (f)). Zur Verringerung dieser Einflüsse wurde während der Messung die jeweilige Störstelle über oder auf dem Boden in einem eng begrenzten Bereich absorbierend belegt. Sogar eine großflächige Belegung des Bodens wird ja für Messungen im Freien nach [256] vorgeschlagen. Innerhalb des vorgegebenen Messquaders auf jeweils 9 m Bahnlänge (s. Abb. 12.47) erfüllt der Raum die Anforderungen der Norm für Freifeldmessungen nach [16] ab einer unteren Grenzfrequenz von 40 Hz. Darüber hinaus werden die höheren VW-Anforderungen nach Tabelle 12.7 mit ±1 dB für den Frequenzbereich von 100 Hz bis 16 kHz und mit ± 2.5 dB für 40 Hz bis 16 kHz erfüllt. Ebenso werden im kHz-Bereich die VW-Anforderungen
378 12 Innovative Akustik-Prüfstände
auf den Bahnen 1 bis 4 über den Messquader hinaus statt bis 9 m noch bis zu Abständen über 12 m erfüllt. Im fahrzeugnahen Bereich sind sogar Messungen nach Norm bei 31.5 Hz bis zu 8 m und bei 25 Hz bis zu 5.5 m möglich. Das bedeutet eine wesentliche Erweiterung der Messmöglichkeiten. Freifeldeigenschaften auf dem Messpfad für die Vorbeifahrt-Simulation Für die Messungen der simulierten Vorbeifahrt wurde zum Nachweis der Freifeldeigenschaften in einem Viertel des Raumes, d. h. für 10 m der Raumlänge in jeweils 1 m Abstand auf den 7.5 m-Pfaden gemäß [254] zusätzlich die Pegelabnahme auf elf Bahnen bestimmt. Die Bahnen führten radial von derselben Test-Quelle durch die in 1.2 m Höhe liegenden
Abb. 12.48. Zur Messung der Vorbeifahrt-Pegel im Freien nach [254] (oben) und im Halbfreifeldraum des VW Akustik-Zentrums (2 u 10 m) (unten)
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 379
7.5 m-Bezugspunkte. Der Raum ist symmetrisch aufgebaut und dementsprechend absorbierend ausgekleidet. Deshalb und auch auf Grund der Messergebnisse von den vier Raumdiagonalen sind die Ergebnisse auf die anderen Viertel übertragbar. Gemessen wurde in Terzbandbreite bis 400 Hz in 0.5 mSchritten und ab 500 Hz in 0.25 m-Schritten. Der erste Messpunkt jeden Pfades befand sich in 3.5 m (bis 400 Hz) bzw. in 1.5 m (ab 500 Hz) Abstand vor den 7.5 m-Bezugspunkten von der Schallquelle aus betrachtet. Der letzte Messpunkt führte bei allen Pfaden und Frequenzen bis 0.5 m über den 7.5 m-Bezugspunkt in Richtung Wandverkleidung hinaus (Abb. 12.48). Die Abweichungen nach Tabelle 12.7 blieben wiederum im gesamten besonders interessierenden Frequenzbereich von 100 Hz bis 16 kHz in der engen Toleranzvorgabe von nur ±1 dB für Terz-Messungen bis zum 1 mPunkt der 7.5 m-Bezugslinie. Die Norm-Bedingungen nach Tabelle 12.2 konnten für 50 Hz bis 9 m und für 40 Hz bis 8 m in Richtung Stirnwand entlang des 7.5 m Pfades eingehalten werden. Das darf aber nicht verwundern, weil hier der Grenzabstand zur Wandauskleidung von λ/4 gemäß [15, 16] zur Stirnwand hin erreicht wird, s. a. die Ausführungen in Abschn. 12.4 (c) (Randfelder). An diesem Punkt wird der massive Vorteil der raumsparenden ALFAAuskleidung besonders greifbar: Eine konventionelle Wandauskleidung mit Keil-Absorbern würde für Frequenzen unter 100 Hz nach Gl. (4.9) Bautiefen entsprechend O/4 von über 1 m, für 50 Hz z. B. 1.70 m, verlangen. Dies
Abb. 12.49. Innenansicht der Außengeräusch-Messhalle im VW Akustik-Zentrum [252]
380 12 Innovative Akustik-Prüfstände
entspräche einem Raum-Nutzungsgrad nach Gl. (12.13) von nur 1.2 gegenüber 4.2 für die neue ALFA-Auskleidung. Die strichliert angedeutete Auskleidung für 50 Hz in Abb. 12.48 zeigt, wie bei gleichen Rohbau-Abmessungen der Messbereich längs des 7.5 m-Pfades eingeschränkt würde, bzw. um wie viel größer die Vorbeifahrt-Messhalle tatsächlich hätte gebaut werden müssen. Vor allem macht aber das Foto in Abb. 12.49 die optischen und nutzungstechnischen Vorteile der innovativen Auskleidung deutlich. b) Rollen-Prüfstände In den vergangenen 25 Jahren sind die Emissions-Grenzwerte für Kraftfahrzeuge zwar stetig verschärft worden. Viele sind trotzdem unverändert laut geblieben. Diesen Widerspruch führt das Umweltbundesamt auf Basis eines Gutachtens des Technischen Überwachungsvereins darauf zurück, dass die Kfz-Typprüfung sich bisher vor allem auf das Antriebsgeräusch konzentriert, aber das Abrollgeräusch der Reifen auf der Straße nicht angemessen berücksichtigt. Bevor aber entsprechend modifizierte Messvorschriften [254 bis 256] hier greifen können, tun Hersteller gut daran, bereits auf dem Prüfstand die Rollgeräusche möglichst realistisch zu erfassen. Besonders in der Oberklasse der Automobile gewinnt das Rollgeräusch immer mehr an Bedeutung. In einem Allrad-Rollen-Prüfstand und einem Rollgeräusch-Prüfstand werden im VW Akustik-Zentrum deshalb Fahrzeuge auf vier Rollen akustisch getestet. Sie sind geometrisch und in ihren raumakustischen Eigenschaften sehr ähnlich, unterscheiden sich jedoch wesentlich hinsichtlich der Messaufgaben voneinander. Zur Verhinderung von Körperschallübertragungen wurden diese in Raum-in-RaumBauweise errichtet. Raumansichten, Grundrisse und Messquader sowie die Messbahnen für die Abnahme-Messungen sind in den Abb. 12.50 und 12.51 dargestellt. Die Türen sowie die diversen Installationen wurden auf ähnlich hohem bautechnischen Niveau wie im Vorbeifahrt-Prüfstand (a) ausgeführt. Die Schnittzeichnung in Abb. 12.52 zeigt z. B. die Bestückung der „Lüftungsdecke“ mit ALFA-Absorbern nach Abschn. 12.5 und einer Längswand mit VPR- und ASA-Modulen.
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 381
Abb. 12.50. Ansicht, Grundriss, Messquader sowie Messbahnen nach [80] des AllradRollen-Prüfstandes mit Fahrtwind-Simulation im VW Akustik-Zentrum [252]
382 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.51. Ansicht, Grundriss, Messquader sowie Messbahnen nach [16] des Rollgeräusch-Prüfstandes im VW Akustik-Zentrum [252]
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 383
Abb. 12.52. Längsschnitt zur Darstellung der ALFA-Bauteile gemäß Abb. 12.50 und 12.51 in den Rollen-Prüfständen [252]
Der 15 u 9 u 5 m große Prüfraum ist sowohl von außen als auch von der zentralen Fahrstraße aus befahrbar und bietet großzügigen Raum für alle erdenklichen messtechnischen Analysearbeiten. Für allgemeine Untersuchungen von Innengeräuschen und zum Schwingungsverhalten dient eine 4 u 125 kW Allrad-Rollen-Anlage. Bezüglich der Fahrzeugkühlung ist der Allrad-Rollen-Prüfstand mit der bereits beim Außengeräusch-Prüfstand erwähnten Lüftungstechnik ausgerüstet. Auch hier lässt sich über das Fahrtwindgebläse ein Luftvolumenstrom von bis zu V = 40 000 m3/h einbringen. Eine absenkbare Scherenarbeitsbühne zwischen den Prüfstandsrollen gewährleistet eine optimale Erreichbarkeit des Fahrzeugunterbodenbereichs. Die Fesselung der Fahrzeuge erfolgt auf allen drei Rollenprüfständen über an den Abschleppösen angreifende Seilverspannungen. Jeweils vier einzeln ansteuerbare, zugkraftüberwachte Seilspanner sorgen für eine sichere Fahrzeugbefestigung. Lockert sich während des Prüfbetriebes eines der vier Seile, wird das Prüfprogramm automatisch unterbrochen und der Prüfstand heruntergefahren. Der in seiner Größe mit dem Allrad-Rollen-Prüfstand vergleichbare Rollgeräusch-Prüfstand bietet die Möglichkeit der Struktur-Analyse der Entstehungsmechanismen sowohl der Geräusche als auch der in die Karosse eingeleiteten Schwingungen. Der Prüfstand besitzt eine Analyserolle mit 3.18 m Durchmesser sowie eine Stützrolle mit 1 m Durchmesser. Abbildung 12.53 aus der Prüfstands-Testphase beim Hersteller verdeutlicht die Größenordnung eines solchen Prüfstandes. Der Prüfstand kann wahlweise als Einachs- oder als Allrad-Prüfstand betrieben werden. Die Untersuchung von Vorder- und Hinterachse erfolgt getrennt auf der eigentlichen Analyserolle. Das bedeutet, dass das zu untersuchende Fahrzeug einmal vorwärts und einmal rückwärts auf dem Prüfstand positioniert werden
384 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.53. Test-Aufbau (beim Hersteller) für den Rollgeräusch-Prüfstand nach Abb. 12.51
muss. Diese Vorgehensweise erlaubt bei der Auswertung der Messergebnisse eine eindeutige Zuordnung der Anteile der einzelnen Achsen. Zur Simulation unterschiedlicher Schwingungseinleitungen kann die Analyserolle mit verschiedenen Belägen ausgestattet werden (Asphalt; Grobasphalt; Kopfsteinpflaster, Schlagleisten). Sowohl bei dem Grobasphalt als auch bei dem Kopfsteinpflaster handelt es sich um Abgüsse von Messstreckenoberflächen im Prüfgelände Wolfsburg. Kopfsteinpflaster und Schlagleisten sind Wechselbeläge, die wahlweise neben dem Grobasphalt aufgeschraubt werden können. So sind auf den Analyserollen jeweils zwei Beläge nebeneinander angeordnet (Abb. 12.54). Da es sich bei Untersuchungen zum Fahrzeug-Rollgeräusch in der Regel um Schleppversuche handelt, bei denen das Fahrzeug vom Prüfstand geschleppt wird, konnte hier auf aufwändige Fahrtwindgebläse sowie auf Spotanlagen verzichtet werden.
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 385
Abb. 12.54. Zwei unterschiedliche Test-Beläge auf den „Analyse-Rollen“ des Rollgeräusch-Prüfstandes nach Abb. 12.51
Die Pegelabnahme-Messungen gemäß [16] erfolgten, wie unter (a) beschrieben, wiederum auf diagonalen Bahnen durch den gedachten Messquader beginnend 1 m von der Quelle, hier aber in 0.25 m-Schritten. Innerhalb des in Abb. 12.55 angedeuteten Quaders erfüllt der Raum die Anforderungen der Norm für Freifeldmessungen ab einer unteren Grenzfrequenz von 50 Hz auf den 5 Bahnen (s. Abb. 12.50 und 12.51) ab 4.5 m. Es macht sich mit maximal zulässigen Messentfernungen von 5 m bei 63 Hz und 5.5 m bei 80 Hz wieder der λ/4-Randabstand zur Auskleidung bemerkbar. Darüber hinaus werden für den Frequenzbereich von 100 Hz bis 16 kHz die höheren VW-Anforderungen nach Tabelle 13.4 mit ±1 dB erfüllt. Auf einigen Bahnen werden unter 100 Hz trotzdem Messabstände von maximal 5.75 m (bis zur Quaderecke) ermöglicht. Auf den Bahnen 1 und 2 erscheinen sogar Messungen bei 25 Hz bis zu diesem Abstand möglich, was angesichts der Raumabmessungen mit KR = 2.4 nach den Ausführungen in Abschn. 12.6.1 und Abb. 12.28 positiv überrascht. c) Motoren- und Aggregate-Prüfstände Die zwei Motor-Akustik-Prüfstände (Abb. 12.55) dienen der reproduzierbaren Vermessung und Analyse der vom Verbrennungsmotor emittierten Betriebsgeräusche bei definierten Lastzuständen. Neben der Bestimmung der Schallleistung, d. h. der akustischen Güte des Motors, geht es um die Beurteilung von Bauteilvarianten, Potenzialabschätzungen, sowie der Analyse bestimmter Geräuschphänomene, wie beispielsweise der Motorrauigkeit. Aus den neu gewonnenen Analyseergebnissen werden entsprechende Abhilfemaßnahmen erarbeitet und ggf. in serientaugliche Versuchsteile umgesetzt. Eine maximale Leistung von 400 kW und Drehzahlen bis 8 000 min-1 lassen Untersuchungen an Verbrennungsmotoren im oberen Leistungssegment zu. Um eine möglichst störungsfreie Schallausbreitung
386 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.55. Ansicht und Grundrisse der Motoren-Prüfstände 1 (links) und 2 (rechts) mit BKA-Auskleidung im VW Akustik-Zentrum [252]
zu gewährleisten, wird der Prüfling auf Einzelstützen montiert. Die Verbindung zu der im Nebenraum befindlichen Belastungsmaschine wurde durch eine CFK-Welle realisiert. Durch diesen relativ leichten Aufbau konnte die Belastung auf die Präzisionslagerpatronen auf ein Minimum reduziert werden. Auf dem Aggregate-Prüfstand (Abb. 12.56) werden die Gesamtaggregate, also der Motor mit dem Getriebe, hinsichtlich ihres Schwingungsverhaltens und ihrer Schallabstrahlung analysiert und beurteilt. Während die kleinen
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 387
Abb. 12.56. Ansicht (a), Längsschnitt (b) und Grundriss (c) des Aggregate-Prüfstandes im VW Akustik-Zentrum [252].
388 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Getriebe der querverbauten Aggregate die Schallleistung nur im geringen Maße erhöhen, können die großen Getriebe im Längseinbau durchaus einen beträchtlichen Anteil an der Gesamtschallleistung liefern. Neben der Gewichtung, wieviel Schall kommt vom Motor direkt und wieviel wird über die Getriebeoberfläche abgestrahlt, geht es auch um die Fragestellung des motorinduzierten Geräusches in die Getriebestruktur. Eine weitere Aufgabe ist die Betriebsschwingungsanalyse. Mit ihr wird das Schwingverhalten des Aggregates inklusive der angebauten Nebenaggregate beurteilt. Anhand der Ergebnisse lassen sich sowohl Bauteilresonanzen als auch die dynamischen „Schwachstellen“ des Motor-Getriebeverbandes erkennen und Maßnahmen zur Verbesserung des Schwingungsverhaltens erarbeiten. Auch auf diesem Prüfstand wird der Prüfling auf Einzelstützen, unter Beachtung der Fahrzeugeinbaulage, montiert. Die Belastung wird in Abhängigkeit vom aufgebauten Antriebskonzept (Front-, Heck- oder Allradantrieb) auf bis zu drei E-Maschinen verteilt. Um die Analysen immer mit den entsprechenden Originalantriebswellen durchführen zu können, sind die Unterbauten der Belastungsmaschinen hydraulisch verschiebbar aufgebaut, um verschiedene Spurweiten einstellen zu können. Für den Frontantrieb stehen 2 u 110 kW und für den Heckantrieb 1 u 220 kW zur Verfügung. Die relativ kleinen Messräume weisen, ähnlich wie der in Abschn. 12.6.1 beschriebene, zahlreiche Einbauten auf, die durch die Prüfaufgaben bedingt sind. Gegenüber den größeren Rollen-Prüfständen waren hier die Anforderungen nach [16] ab 63 Hz und nach Möglichkeit darunter zu erfüllen. Auch diese Räume wurden zweischalig errichtet. Von Vorteil sind gerade in den kleineren Messräumen die BKA-Module, zum einen wegen der relativ hohen Belastungen hinsichtlich Abrieb, Beschädigung und Verschmutzung und zum anderen mit den möglichst wandnahen Anordnungen der Antriebswellen zum benachbarten Raum mit den E-Maschinen. Ebenfalls von Vorteil sind die komplett in die Zwischendecken integrierten Lüftungskanäle mit den raumseitigen Schlitzauslässen (vgl. Abb. 12.46). Diese Kanäle sind gleichzeitig zur Bedämpfung der tieffrequenten Anteile des im Kanal mitgeführten Schalls mit BKA-Modulen ausgekleidet. Raumseitig wurden die Unterdecken mit ASA schallabsorbierend verkleidet und die Lüftungsschlitze sowie schallabsorbierenden Leuchten in diese integriert. Die Wandauskleidung wurde einheitlich mit den nur 25 cm dicken BKA-Modulen ausgeführt. Eine zusammenhängende Darstellung der Kombination von Lüftung und Absorberaufbau im Deckenbereich zeigt, beispielhaft für alle 3 Räume, die Abb.12.57. Hier erweist sich die Luftführung komplett über den Deckenbereich als Raumgewinn für den Prüfling, seine Antriebsstränge und die erforderlichen Einbauten für den anspruchsvollen Prüfbetrieb. Ansicht, Längsschnitt und Grundriss des Aggregate-Prüfstandes zur akustischen Untersuchung von Fahrzeugmotoren mit und ohne Getriebe
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 389
Abb. 12.57. Ansicht sowie Längsschnitt durch einen der Motoren-Prüfstände gemäß Abb. 12.55. mit BKA-Modulen als Wandverkleidung und Unterdeckenauskleidung
mit drei Antriebssträngen ist in Abb. 12.56 dargestellt. Die Aufständerung des Motors erfolgt in einer mittleren Höhe von 1.40 m über dem schallreflektierend ausgeführten Fußboden. Bei der Pegelabnahme-Prüfung wurde die Eignung des gesamten Messraumkonzeptes unter Einbeziehung eines Originalmotors als typische Geräuschquelle untersucht. Einfluss auf die Eignung haben daher die Raumgröße, die Abmessungen und Lage des Prüflings, die Einbauten im Raum sowie die absorbierende Auskleidung der Raumbegrenzungsflächen. Der Prüfraum sollte eigentlich frei von reflektierenden Einbauten sein. In dem Aggregate-Prüfstand war jedoch durch die zahlreichen besonderen Ein- und Aufbauten eine Prüfung nach [16, Anhang A] auf diagonalen Messpfaden nicht durchführbar. Stattdessen ist alternativ die Prüfung nach Anhang B durchzuführen. Dazu erfolgte die Prüfung nach dem „Zwei-Hüllflächen-Verfahren“ auf den mit den Nutzern abgestimmten Messpositionen.
390 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Die Messungen wurden nach [16, 257] auf einer inneren und einer äußeren Halbkugel-Messfläche durchgeführt. Diese entspricht der Lage der späteren Messpositionen bei der Nutzung des Messraumes. Die äußere Halbkugel-Messfläche wurde zur inneren geometrisch ähnlich gewählt. „Ausreißer“ bei den Pegeldifferenzen zwischen den beiden Radien bei einzelnen Frequenzen weisen auf Reflexionen der Einbauten bzw. von den Flächen der unverkleideten Stützen von Motor und Wellenlagerungen, Rahmen für die Mikrofonhalterung und weitere Rohre, Kabel und Halterungen hin. Wenn diese Flächen mit absorbierendem Material zusätzlich abgedeckt werden und die geometrische Nähe von Messpositionen zu störenden Einbauten vermieden wird, ist es auch in diesem Raum möglich, bis unter 50 Hz gemäß Genauigkeits-Klasse 1 zu messen. Der Halbfreifeldraum erfüllt die Bedingung δ d 0.5 dB nach [16] für f t 100 Hz. Durch die prüflingsbedingten Einbauten kommt es zwischen 50 und 80 Hz zu Abweichungen bis zu 2 dB. Der Prüfraum und die Originalmessfläche werden als geeignet für die Zwecke entsprechend dieser internationalen Norm eingestuft. Die Motoren-Prüfstände 1 und 2 dienen der akustischen Untersuchung von Fahrzeugmotoren mit und ohne Getriebe mit jeweils einem Antriebsstrang. Abbildung 12.55 zeigt die Grundrisse und Messpfade der beiden spiegelbildlich angeordneten Prüfstände. In einer der beiden gekürzten Seitenwände befindet sich jeweils ein zweiflügeliges Tor. Es dient als Einbringöffnung für die Prüfobjekte. Eine Verbindung zur Messwarte besteht über eine Tür in der 5.4 m langen Seitenwand. Durch die 45° abgeschrägte Raumecke führt die Antriebswelle der im benachbarten Raum aufgestellten E-Maschine. Die Aufständerung des Motors erfolgt mittels vier Stützen in einer Höhe von 1.20 m, der Achsmitte der Antriebswelle, über dem schallreflektierend belassenen Boden. Die Pegelabnahme-Prüfung wurde nach [16, Anhang A] auf den Messpfaden gemäß Abb. 12.55 durchgeführt. Die Abnahme der Pegel wurde gemessen, indem radial von der Position der Schallquelle 5 Bahnen festgelegt wurden. Es führten die Bahnen 1 bis 5 in die fünf oberen Ecken des Raumes. Die Pegel wurden im Abstand von 1 m von der Quelle in Schritten von 0.25 m gemessen. Dabei wurden Abweichungen festgestellt, die eindeutig Reflexionen und Interferenzen von den beschriebenen, das Freifeld stark beeinflussenden prüflingsbedingten Einbauten zuzuordnen sind. Dennoch wurden die nach [16] zulässigen Toleranzen in der GK 1 in diesen kleinen Räumen bei 63 Hz bis zu einem Messradius von etwa 2 m, bei 100 Hz bis 3 m und darüber sogar bis 3.5 m eingehalten.
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 391
d) Fenster-Prüfstand Die Schalldämmung großer, beliebig geformter Bauteile und Bauteilgruppen wird mit Hilfe eines Fenster- bzw. Deckenprüfstandes beurteilt. Die Anlage besteht aus einem Empfangsraum sowie zwei Sende-Hallräumen: ein Senderaum neben dem Empfangsraum (Fensterprüfstand für senkrechte Bauteile/Bauteilgruppen), ein zweiter unterhalb des Empfangsraumes (Decken-Prüfstand für waagerechte Einbauten), Abb. 12.58. Die Größe der Öffnungen zwischen Sende- und Empfangsraum sind variabel und ermöglichen den Einbau sehr großer Bauteile bis hin zu Bodengruppen von Nutzfahrzeugen. Der Empfangsraum ist als Halbfreifeldraum mit einem schallharten Boden für den Einsatz der akustischen Nahfeldholografie ausgelegt. Hierbei handelt es sich um ein Messverfahren, das eine räumliche Transformation von Schallfeldern ermöglicht. Sie dient dem präzisen Lokalisieren von abstrahlenden Flächen und Leckagen. Die Messwertaufnahme erfolgt mit Hilfe eines Mikrofonarrays. Große Bauteile werden mit einer rechnergesteuerten Verfahrvorrichtung gescanned. Somit ist eine Optimierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Schalldämmung zielgerichtet und zeiteffizient möglich. Als Messraum für die akustischen Untersuchungen wird der Empfangsraum als Halbfreifeldraum benutzt. Zusätzlich wurde er so konzipiert, dass dort Einzelkomponenten von Fahrzeugen untersucht werden können. Sende- und Empfangsraum im EG verfügen über eine Abgasabsaugung. Zwei benachbarte Senderäume mit 240 m3 bzw. 352 m3 Volumen sind als Hallräume jeweils über eine verschließbare Prüföffnung mit dem Empfangsraum verbunden. Der neben dem Empfangsraum liegende Senderaum ist wandseitig über eine Prüföffnung von maximal 10.2 m2 angekoppelt. Die Prüföffnung selbst lässt sich nach Bedarf mittels kleinformatiger Segmente reduzieren bzw. verschließen. Sie ist damit relativ leicht an die Größe der Prüflinge anzupassen. Weiterhin besitzt dieser Senderaum ein Zugangstor vom Gang sowie eine Verbindungstür zur Messwarte. Ein zweiter Senderaum mit einem Zugangstor zum Kellerbereich ist unmittelbar unter dem Empfangsraum angeordnet. Die Prüföffnung im Boden wird zur Vermessung der Dämmung einer Fahrzeug-Bodengruppe benötigt. Sie muss in horizontaler Einbaulage erfolgen, da das Feder-Masse-System dafür ausgelegt wurde. Zur Bewältigung dieser Aufgabe wurde im Empfangsraum mittig in Längsrichtung eine Kranbahn an der Decke angebracht. Um eine Nebenwegübertragung vom Sende- zum Empfangsraum, durch die einschalige Bauweise bedingt, zu vermeiden, wurden vor der schallabsorbierenden Auskleidung des Empfangsraumes beide flankierenden Wände sowie die Trennwand mit der Prüföffnung mit Vorsatzschalen belegt. Die gesamte Lüftungstechnik wird über den Deckenbereich geführt und ist
392 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.58. Vertikalschnitt (a) und Grundriss (b) sowie Messbahnen nach [16] des Fenster-Prüfstandes im VW Akustik-Zentrum [252]
zwischen den Unterzügen platziert. Die Kanäle sind innen schallabsorbierend ausgekleidet. Der sich ergebende Hohlraum zwischen den Lüftungskanälen und der Kranbahn wurde ebenfalls bedämpft. Den Abschluss bildet raumseitig eine Unterdecke aus 2 mm Glattblech, die gleichzeitig als
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 393
Rückwand für die schallabsorbierende Raumauskleidung aus BKA-Modulen im Regelmaß von 1.4 u 1 m mit der Dicke von 250 mm dient. Zum mechanischen Schutz wurden diese Absorber mit Lochblechkörben an den Wänden und der Decke befestigt. Der Bereich des Prüffensters, der nicht vom Prüfling belegt ist, wurde ebenfalls verkleidet. Durch die Unterteilung des Fensters in 24 Einzelelemente war es hier nicht möglich, BKA-Module zu verwenden. Stattdessen wurde die Verkleidung komplett mit Weichschaum ausgeführt. Auch die Kranbahn wurde mit 250 mm dicken Schaumstoff-Absorbern verkleidet, die bei Bedarf weggeklappt werden können. Die Ansicht der Prüföffnung ist in Abb. 12.59 von der Empfangsund Senderaumseite dargestellt.
Abb. 12.59. Ansicht der Prüföffnung von der Empfangsraumseite (oben) und der Senderaumseite (unten) des Fenster-Prüfstandes im VW Akustik-Zentrum [252]
394 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Die Pegelabnahme-Messungen erfolgten in 0.25 m-Schritten gemäß Abb. 12.62, beginnend 1 m von der Quelle auf diagonalen Bahnen 1 bis 4 in die oberen Raumecken sowie auf Bahn 5 in die Mitte der oberen Raumkante über der Prüföffnung. Die Messquader werden hier durch die Messungen unmittelbar vor den in den Prüföffnungen eingebauten Prüfobjekten vorgegeben. Aus diesem Grund beginnen die deckenseitigen Lüftungsschlitze erst im Abstand von 2 m von der Wand mit der Prüföffnung. Bei Anordnung der Test-Schallquellen auf dem schallhart verschlossenen Boden werden die Freifeld-Bedingungen nach [80] für Terz-Messungen ab 125 Hz bis mindestens 3.25 m ohne Einschränkung erfüllt. Trotz der relativ großen Flächen, an denen es nicht möglich war, BKA-Module anzubringen, konnten dennoch bei 63 Hz bis 2.75 m, bei 80 Hz bis 1.75 m und bei 100 Hz bis 2.25 m die Freifeldanforderungen der Norm erfüllt werden. Für tiefe Frequenzen konnte dieser Messraum offensichtlich nicht optimal gestaltet werden: Insgesamt ca. 35 m2, d. h. ca. 20% der reflexionsarm zu verkleidenden Wand- und Deckenflächen, konnten nur ohne Resonatoren nach Abschn. 12.5 ausschließlich mit 250 mm dicken SchaumstoffElementen verkleidet werden. Dabei liegen die ca. 16 m2 der KranbahnAbdeckung auf einer Breite von 2 m sehr ungünstig zentral über dem schallharten Boden. Auch die bei der Messung sich frontal gegenüberstehenden, nur unzureichend verkleideten Flächen von 10 bzw. 9 m2 der Prüföffnung bzw. der Türen führen unter 125 Hz zwangsläufig zur Ausbildung von nur schwach gedämpften Moden-Feldern, wie sie ähnlich auch von
Abb. 12.60. Nachhallzeiten in den Hallräumen des Fenster-Prüfstandes nach Abb. 12.58; Untergeschoss (Vorsatzschalen an der Decke) (fette), Erdgeschoss (jeweils 3 VPR mit 1 mm-Schwingblechen in zwei oberen Ecken) (dünne Kurve), Erdgeschoss (5 Brandschutz-Klappen geöffnet) (---)
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 395
den später einzubauenden Prüfobjekten angeregt werden können. Wenn man sich aber, wie dies dem Normalfall entsprechen dürfte, auf Schallmessungen im Nahfeld konzentriert, so eignet sich dieser Messraum auch gut für Messungen unter 125 Hz. Der obere Sendehallraum wurde, ähnlich wie in Abschn. 5.3 beschrieben, mit Hilfe von sechs VPR-Modulen bedämpft, die hier in zwei oberen Ecken dauerhaft installiert wurden. Der untere Hallraum erhielt durch großflächige Gipskarton-Vorsatzschalen ebenfalls eine tieffrequente Grunddämpfung. Mit den in Abb. 12.60 dargestellten Nachhallzeiten der leeren Hallräume sind die Voraussetzungen geschaffen, um auch Messungen der Schalldämmung von Prüflingen in den Prüföffnungen bis 63 Hz herunter reproduzierbar und vergleichbar durchführen zu können. e) Hör-Studio Zur Beurteilung von Klängen und Geräuschen können in dem neu gestalteten Hör-Studio (Abb. 12.61) mittels Kopfhörer- oder Lautsprecherwiedergabe die mit einem Kunstkopfsystem aufgenommenen Signale naturgetreu eingespielt werden. So sind direkte Vergleiche von akustischen Signalen im schnellen Wechsel möglich, zwischen deren Aufnahme zum Teil ein erheblicher zeitlicher Abstand besteht. Tiefe Frequenzen werden von zwei Subwoofer-Systemen abgestrahlt. Simulationen von z. B. mittels Filterung modifizierten Signale sind ebenso möglich. So lassen sich gewünschte Zielklänge erzeugen, ohne die entsprechenden Varianten in zeitraubenden Umbauten an Hardware erstellen zu müssen. Zur Visualisierung der Ergebnisse oder Diagramme ist das Hör-Studio mit einer modernen Beamerund Visualisiertechnik ausgestattet. Bei seiner Realisierung stand zwar die originalgetreue, vom Raum in keiner Weise akustisch beeinflusste Reproduktion und Präsentation von Prüfergebnissen im Vordergrund. Es wurde aber außerdem größter Wert auf ein auch optisch ansprechendes Ambiente gelegt. Die Oberfläche der Wandverkleidung sollte dabei bewusst das Lochbild-Motiv der Motor-Prüfstände strukturell und farblich aufgreifen. Der 120 m3 große, ca. 3 m hohe Raum (Abb. 12.61 (b)) liegt unmittelbar über dem Rollgeräusch-Prüfstand (b). Mit seiner Massiv-Bauweise, hochdämmenden Türen, aufgeständertem Doppelboden und sorgfältig bedämpfter Lüftungs- und Klimaanlage wurde für einen Ruhepegel weit unter 25 dB(A), gemessen bei Prüfstandsbetrieb des unmittelbar darunter befindlichen Rollgeräusch-Prüfstandes, gesorgt. Das Hör-Studio selbst besitzt keine Fenster und ist über eine Tür mit einem zum Betrieb des Studios erforderlichen separaten Technikraum verbunden. Dieser ist mit allen zeitgemäßen audio-visuellen Reproduktionstechniken ausgerüstet.
396 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.61. Ansicht (a), Längsschnitt (b) und Grundriss (c) sowie Messpfad für die Übertragungsfunktion im Hör-Studio des Akustik-Zentrums [252]
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 397
Abb. 12.62. Deckenspiegel mit Absorberbelegung des Hör-Studios nach Abb. 12.61
Die raumakustische Gestaltung benutzt Schaumstoff-, VPR- und BKAModule hinter Lochblech-Kassetten mit Vlies-Hinterlegung mit einer maximalen Bautiefe von 150 mm. Abbildung 12.62 zeigt z. B. die Belegung der Rohdecke im Hör-Studio mit BKA-Modulen und einigen Weichschaum-Elementen. So entstand eine völlig ebene Oberfläche, farblich abgestimmt auf den Geschmack der Nutzer, die hier in bequemen Sesseln Platz nehmen können (Abb. 12.61 (a)). Damit die in den Prüfräumen oder andernorts aufgenommenen Geräusche bis zu den tiefsten Frequenzen hin objektiv und subjektiv richtig beurteilt und verglichen werden können, muss möglichst an allen Sitzplätzen ein neutrales Schallfeld aufgebaut werden. Dies ist nur möglich, wenn – die Raum-Eigenresonanzen („Moden“) stark bedämpft sind, – frühe Reflexionen (innerhalb 15 ms) mindestens 10 dB unterhalb des Direktschalls liegen, – die Nachhallzeit möglichst niedrig ist und vor allem zu tiefen Frequenzen wenig ansteigt. Die Raum-Übertragungsfunktion in Abb. 12.63 dokumentiert mit einer Varianz von weniger als r4 dB, dass die Moden gut bedämpft wurden. Mit einer über acht Messpunkte gemittelten Nachhallzeit (Abb. 12.64) von kaum über 0.15 s, die auch bei 63 und 50 Hz kaum über 0.2 s anwächst, werden international gültige Anforderungen für professionelle Ton-Studios t erfüllt [48].
398 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.63. Raum-Übertragungsfunktion, gemessen zwischen 2 diagonal gegenüberliegenden Ecken des Raumes nach Abb. 12.61
Abb. 12.64. Nachhallzeit als Fucnktion der Frequenz, gemittelt über 8 Messpositionen im Raum nach Abb. 12.61 und Toleranzband nach [222]
f) Erfahrungen aus einem anspruchsvollen Projekt Das VW-Akustik-Zentrum unterstreicht eindrucksvoll die hohen Ansprüche eines Autoherstellers an die Entwicklungsqualität bei Geräusch und Schwingungskomfort. Für alle Akustik-Prüfstände zeigt die Abnahmeprüfung die Eignung als Halbfreifeldräume im Sinne der internationalen Norm ISO 3745 [16]. Tabelle 12.8 zeigt ihre schalltechnischen Eckdaten. Es stellte sich heraus, dass über die gestellten Anforderungen hinaus in der Außengeräusch-Messhalle bis zu einem Radius von 6 m um den Prüfstandsmittelpunkt Freifeldbedingungen ab einer unteren Grenzfrequenz von 25 Hz erreicht werden. Neben den bestehenden Einrichtungen bietet dieses Zentrum den 150 in diesem Arbeitsgebiet arbeitenden Mitarbeitern
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 399
damit einen nicht leicht zu übertreffenden neuen Standard für die Prüfstands- und Messtechnik an Kraftfahrzeugen. Der Bau und die Ausstattung akustischer Prüfstände verlangt vom Projektplaner eine große Flexibilität und Anpassung an die individuellen Wünsche und Vorstellungen der Nutzer. Letztere in sorgfältiger Kommunikation mit dem IBP zu eruieren und zu einem nachprüfbaren Anforderungsprofil zusammenzufassen, oblag einem für das gesamte Projekt verantwortlichen Akustiker bei VW [252]. Die eigentliche Bauplanung und -ausführung stand unter der Regie der VW-Bauabteilung. So wurde es möglich, in kontinuierlicher Abstimmung zwischen allen Verantwortlichen, die in einem derart komplexen Bauvorhaben unvermeidbar auftretenden Koordinationsprobleme zu meistern und alle hochgesteckten Ziele, den Lärm- und Erschütterungsschutz nach den anerkannten Regeln der Technik betreffend, zu erreichen. Was den neuen Standard bei den raumakustischen Anforderungen mit geringeren Toleranzen nach Tabelle 12.7 für Terz-Messungen und Erfüllung der Normen [15, 16] nach Tabelle 12.2 auch für Sinus-Messungen angeht [253], so wurde es nötig und vom Auftraggeber toleriert, dass einige Detail-Ausführungen die Raumauskleidungen betreffend messtechnische Probleme bei den aufwändigen und diffizilen Abnahme-Messungen erst zu gegebener Zeit vor Ort optimiert bzw. geklärt wurden. Den Verantwortlichen bei VW ist zu danken, dass sie zusätzliche Zeit und Ressourcen bereitgestellt haben, um die ehrgeizigen Zielvorgaben in wirklich jedem Punkt ohne Abstriche zu realisieren. So hatte man z. B. zunächst gehofft, mit einer kostengünstigen Belegung von maximal 40% der Raumbegrenzungsflächen durch VPR-Module hinter der ASA-Verkleidung auszukommen. Eine exakte Berechnung der Schallfeldverteilung ist aber, insbesondere bei den hier im Vordergrund stehenden sehr tiefen Frequenzen von 50 Hz und nach Möglichkeit noch darunter, leider noch nicht möglich. Deshalb verlangt die Festlegung der Dicke der Schwingbleche in den VPR in den verschiedenen Wand- und Deckenbereichen, die alle nur einmal zur Absorption bei den tiefsten Frequenzen verfügbar sind, viel Erfahrung, die wegen der immer wieder anderen Raumgeometrien nur im Zuge der Realisierung unterschiedlich dimensionierter reflexionsarmer Räume ergänzt werden kann. Abbildung 12.65 zeigt z. B. die Pegelabnahme auf einer diagonalen Bahn 1 gem. Abb. 12.47 in der Außengeräusch-Messhalle, die zwischen der Quelle auf dem harten Boden und der Rohdecke ca. 14 m lang ist. Etwa auf halber Höhe, also bei ca. 7 m, sind für das Terzband bei 50 Hz ein ausgeprägtes Maximum bzw. für 25 Hz ein Minimum zu erkennen, von denen letzteres den Toleranzbereich nach Tabelle 12.2 stark überschreitet. Beide lassen sich eindeutig den Axial-Moden 0, 0, 1 bzw. 0, 0, 2 gemäss Gl. (2.2)
400 12 Innovative Akustik-Prüfstände
mit Lz = O/2 bzw. O zuordnen. Bei 3.5 und 10.5 m Entfernung von der Quelle deuten sich bei 50 Hz außerdem 2 Minima entsprechend der ebenfalls in Abb. 12.65 skizzierten Schallfeldverteilung an. Erhöht man den Anteil der mit 2.5 mm dicken Schwingblechen bevorzugt auf diese tiefen Frequenzen abgestimmten VPR z. B. an der Decke von zunächst nur 8 auf 20% der Deckenfläche und die Belegung aller Wände und der Decke mit VPR insgesamt von 39 auf schließlich 55%, so wird der Toleranzbereich nach Tabelle 12.2 für diese beiden tiefsten Terzen erst im Abstand von ca. 13 m (25 Hz) bzw. 9.5 m (50 Hz) verlassen, s. Abb. 12.66. Tabelle 12.8. Schalltechnische Charakterisierung der 8 Akustik-Prüfstände im VW Akustik-Zentrum Prüfstand
Abmessungen LuBuH [m]
Auskleidung [m]
Außengeräusch- 23.6 u 19.2 u 6.2 0.62 Messhalle Fahrtwindgebläse Allrad-Rollen0.62 13.9 u 7.8 u 4.4 Prüfstand Fahrtwindgebläse Rollgeräusch0.62 13.9 u 7.8 u 4.4 Prüfstand Motorend 4.5 u 5.4 u 3.9 0.25/0.62 Prüfstand Aggregated 6.7 u 5.6 u 3.9 0.25/0.62 Prüfstand Fenster0.25 Prüfstand 7.6 u 7.0 u 4.4 (Empfangsraum) Hör-Studio 0.15 6.0 u 5.5 u 3.0 a
Ruhe- Lüftungspegel pegel des bei max. Raumes Volu[dB(A)] menstrom [dB(A)] 26
25 b
28 45
50
23
28
50
24
ca. 34
50
23.5
33.5
100
23
--
125
20
lichte Maße zwischen den Auskleidungen. in einem Radius von 6 m um den Prüfstandsmittelpunkt. c ab einem Abstand von 2 m von den Stirnwänden der Halle. d im Deckenbereich. b
27 45
21
untere Grenzfrequenz [Hz] von Raummitte auf Messpfad
--
40 c
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 401
Abb. 12.65. Pegelabnahme auf Bahn 1 nach Abb. 12.51 und Schalldruckverteilung der axialen Mode 0, 0, 1 bei 25 Hz (oben) bzw. 0, 0, 2 bei 50 Hz (unten) in der Außengeräusch-Messhalle des VW Akustik-Zentrums [253]
Abb. 12.66. Pegelabnahme wie in Abb. 12.65 bei 25 Hz (a) bzw. 50 Hz (b), aber mit einem erhöhten Anteil besonders tief abgestimmter VPR hinter der ASA-Auskleidung
402 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Musste bei den tiefen Frequenzen zur Erfüllung der Norm-Anforderungen bei der Ausführung der Messräume im VW Akustik-Zentrum noch etwas nachgebessert werden, so erfüllten sie ab 100 Hz aufwärts auf Anhieb auch die erhöhten Anforderungen nach Tabelle 12.7 dank der ganzflächigen raumseitigen Auskleidung mit ASA. Allerdings treten bei einer Toleranz von nur r1 dB bereits bei der Abnahme-Messung einige messtechnische Probleme deutlich zutage, die wegen ihrer allgemeinen Bedeutung, auch im Hinblick auf die späteren Messungen in diesen neuen Prüfständen, hier angesprochen werden sollen. Nach [16] sollte die Test-Schallquelle entweder kleiner als 0.1 O (d. h. bei 800 Hz nur 4.3 cm, bei 8 kHz nur 4.3 mm) sein oder vollständig im harten Boden versenkt werden, um Reflexionen von letzterem und damit verbundene Interferenzen mit dem Direktfeld der Quelle zu vermeiden. Derart kleine Quellen können aber nicht mit ausreichender Schallleistung und kugelförmiger Charakteristik hergestellt werden. Selbst bei der sehr ambitionierten und kooperativen Vorgehensweise in diesem Pilot-Projekt war es auch nicht möglich, eine geeignete Schallquelle in einem Loch im Boden zu versenken. Stattdessen wurde, wie in Abb. 12.67 angedeutet, der jeweilige Lautsprecher unmittelbar oberhalb des Bodens angeordnet. Wenn man eine Punktquelle ca. 0.2 m über einem auch nur mit r = 0.7 reflektierenden Boden annähme, so ließen sich auf Bahn 5 in Abb. 12.47 für verschiedene Sinus-Töne ganz unterschiedliche Abklingkurven berechnen [242], s. Abb. 12.68. Nur für tiefe Frequenzen folgten diese den im Freifeld eigentlich erwarteten 6 dB pro Entfernungsverdoppelung. Bei 4 kHz erschiene der Pegelabfall fast doppelt, bei 2 kHz dagegen nur halb so groß. Der Laufweg-Unterschied von ca. 0.25 m bzw. 0.2 m im Abstand von 1 m bzw. 10 m entspräche im ersten Fall gerade 3 O bzw. 5 O/2, also einem Maximum bzw. einem Minimum des resultierenden Schallfeldes nach Gln. (12.7) bis (12.12). Bei 800 Hz strebt die Pegelabnahme dagegen längs des gesamten Messpfades einem Minimum bei 's = 0.21 m O/2 zu. Dies erklärt qualitativ den Kurvenverlauf in Abb. 12.67 oben. Tatsächlich macht sich diese Boden-Interferenz bei Messungen mit Terz-Rauschen weniger stark bemerkbar; auch ist die Annahme einer Punktquelle in Wechselwirkung mit dem Boden in ihrem Nahfeld nur ein vereinfachendes Modell. Es erscheint aber gerechtfertigt, diesen Effekt, der nichts mit der Qualität der reflexionsarmen Raumauskleidung zu tun hat, durch Auslegen einer nur 1 u 0.4 m großen Schaumstoffplatte in unmittelbarer Nähe zur Quelle zu unterbinden. Die Messkurve folgt dann sehr gut der theoretisch erwarteten. Bei einer optimal angepassten Geraden würden die Messwerte den r1 dBToleranzbereich nach Tabelle 12.7 nicht einmal berühren (vgl. Abb. 12.67).
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 403
Abb. 12.67. Zur Verdeutlichung unvermeidbarer Boden-Interferenzen in HalbfreifeldRäumen: Pegelabnahme für das Terzband bei 800 Hz mit (oben) und ohne (unten) Reflexion vom Boden in der Nähe des Lautsprechers am Beispiel der AußengeräuschMesshalle nach Abb. 12.47 bis 12.49
Auch bei höheren Frequenzen traten bei den Abnahme-Messungen weitere Interferenz-Effekte auf, die wiederum nichts mit der reflexionsarmen Auskleidung zu tun haben. Weil die Quelle selbst nie punktförmig sein kann und im vorliegenden Fall (Abb. 12.69) z. B. die Öffnung der Druckkammer ein kleiner Kragen umgibt, zeigte die Pegelabnahme bei 6.3 kHz eine ähnliche Abweichung wie in Abb. 12.67, die aber leicht korrigiert werden konnte, indem der Kragen mit einer nur 5 mm dicken Schaumstoffscheibe belegt wurde, s. Abb. 12.69 (b). Ähnlich verhält es sich mit einer
404 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.68. Abschätzung des Einflusses der Boden-Reflexion auf der Bahn 5 in Abb. 12.47 für Sinus-Töne bei mittleren Frequenzen und einem angenommenen Reflexionsfaktor des Bodens von r # 0.7
Interferenz bei 10 kHz, die nicht unmittelbar an der Quelle, sondern am Empfänger ihre banale Ursache hat: Nur wenn man auch den kleinen fernsteuerbaren Messwagen, der das Mikrofon entlang einem im Raum gespannten Drahtseil führt, ebenfalls mit einem dünnen Absorber verkleidet, verschwindet dieses Phänomen, das auch bei jeder Freifeld-Messung in der Praxis auftreten kann, s. Abb. 12.70.
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 405
Abb. 12.69. Sender- und Empfänger-Anordnung für die Abnahme-Messungen [258] (a) Dodekaeder-Lautsprecher für f d 400 Hz; (b) Druckkammer-Lautsprecher für f t 500 Hz; (c) Mikrofon-Messwagen
406 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.70. Zur Vermeidung von Interferenzen durch Messaufbauten in reflexionsarmen Räumen; Pegelabnahme für das Terzband bei 10 kHz mit (oben) und ohne (unten) Reflexion vom Mikrofon-Messwagen nach Abb. 12.69 (c)
Abb. 12.71. Pegelabnahme bei Terz-Messungen nach [15, 16] auf der Bahn 1 gemäß Abb. 12.47
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 407
Wenn man diese messtechnischen Unzulänglichkeiten sorgfältig eliminiert, kann man die Qualität der reflexionsarmen Messhalle aus den Abklingkurven wie in Abb. 12.71 beurteilen. Es sei aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei fast allen Messungen im Freifeld mit reflektierendem Boden in der Praxis Interferenz-Effekte der oben beschriebenen Art nahezu unvermeidlich auftreten. Abbildung 12.72 verdeutlicht am Beispiel einer Quelle in 1 m Höhe über reflektierendem Boden, dass sich hier die Ungleichförmigkeit des Schallfeldes auch zu tieferen Frequenzen fortsetzen kann, wenn man die Boden-Reflexionen nicht im Auge behält. Es kann andererseits durchaus sinnvoll sein, diesen Einfluss in Messungen nach Normen, wie z. B. [255], die auf die jeweilige technische Schallquelle zugeschnitten sind, mit zu erfassen. Man muss sich dann nur klar darüber
Abb. 12.72. Abschätzung des Boden-Einflusses bei einer Punktquelle 1 m über einem mit r # 0.7 reflektierenden Boden nach [248]
408 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.73. Pegelabnahme bei Sinus-Messungen nach [13, 14] auf der Bahn 1 gemäß Abb. 12.47
sein, dass der Schallpegel in einem bestimmten Abstand u. a. deutlich von der Höhe der Quelle über dem Boden abhängt. Schließlich sei hier noch die Tauglichkeit der Vorbeifahrt-Messhalle für schmalbandige (Sinus-)Messungen gemäss Genauigkeits-Klasse 1 nach [80] nachgewiesen, auch wenn diese aufwändige Messtechnik, wie bei den meisten Freifeld-Messungen in der industriellen Praxis, selbst bei VW nicht ausdrücklich zu verifizieren war. Abbildung 12.73 zeigt, dass bei Vermeidung aller unnötigen Reflexionen und Interferenzen im Messraum und an den Messaufbauten der Messabstand für f t 80 Hz mehr als 9 m, für 63 Hz 7.5 m und für 31.5 Hz wieder mehr als 9 m, der Zielvorgabe des Nutzers und Auftraggebers, betragen darf. In anderen zwischenzeitlich mit der neuen Absorber-Technologie ausgeführten Freifeld-Räumen konnte ihre Tauglichkeit im Frequenzbereich 80 Hz d f d 16 kHz für Terz- wie für Sinus-Messungen nach [80] auch in kleineren Räumen testiert werden. 12.6.5 DaimlerChrysler Windkanal in Auburn Hills Die Entwicklung raumsparender und abriebfester reflexionsarmer Auskleidungen für Freifeld-Messräume wurde wesentlich durch die ständig wachsenden Anforderungen in der Kfz-Industrie vorangetrieben. Dabei spielten
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 409
Abb. 12.74. Waagerechter Schnitt durch den 87 u 33 m großen Aero-Acoustic Wind Tunnel AAWT im DC Technology Center in Auburn Hills [11, 251]
die Bestimmung und Analyse sowie das Design des Umströmungsgeräusches von Automobilen in Aeroakustik-Windkanälen eine besondere Rolle, ausgehend vom BMW-Kanal (Abschn. 12.3) über den FKFS-Kanal (Abschn. 12.4) bis zur Audi-Anlage (Abschn. 12.6.2). Wegen der in Kanälen zur Simulation von Fahrgeschwindigkeiten bis nahe 300 km/h entsprechend 80 m/s extrem hohen Anforderungen an die Abriebfestigkeit der strömungsführenden Berandungen sollte es nicht verwundern, dass 2001 der Sprung über den Atlantik mit der neuen faserfreien Technologie zuerst ebenfalls für einen Kfz-Kanal, sogar den bisher größten seiner Art, gelang. Ähnlich wie beim Audi-Windkanal (Abb. 12.37) wurde bei DaimlerChrysler (Abb. 12.74) in Auburn Hills bei Detroit nicht nur das Plenum mit BKA-Modulen gestaltet, sondern auch die Kanäle zu großen Teilen mit BKA-Wandverkleidungen versehen und der Naben-Schalldämpfer, der sich direkt an den Ventilator mit einem Laufraddurchmesser von 8 m anschließt, mit ALFA-Modulen ausgerüstet. Nur die Schalldämpfer in den Umlenkecken wurden durch separate Beauftragung als Schalldämpfer mit Mineralfasern hinter Vlies und Lochblech konventionell ausgeführt. Der Grundriss des Plenums ist in Abb. 12.75 skizziert. Der 61 Tonnen schwere Drehtisch, auf dem auch bis zu 4.5 Tonnen schwere LKW arretiert werden können, enthält eine Waage mit einer Genauigkeit von 0.01%. Mit ihm können die Fahrzeuge in jede gewünschte Position zum Wind gebracht werden. Die Wände, an denen die Auskleidung montiert wird, bestehen aus Beton. Im Plenum sollen die Geräusche an Personenwagen und an Nutzfahrzeugen gemessen werden, so dass eine, auch im Verhältnis zu denjenigen in den BMW-, FKFS- und Audi-Windkanälen, große Düse
410 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.75. Grundriss des Plenums im DC-Windkanal nach Abb. 12.74 mit den Messbahnen für die Pegelabnahme-Messungen [11]
mit 28 m2 Öffnungsfläche vorgesehen wurde. Auf der gegenüber liegenden Seite befindet sich die Auffängeröffnung (Kollektor) mit einer ebenfalls vorteilhaft großen Fläche von 47 m2, die an drei Seiten mit verstellbaren Flügeln ausgestattet ist. Die zweiflügelige Zugangstür, durch welche die Fahrzeuge in das Plenum gelangen, und die schmale Tür ins Freie auf der gegenüberliegenden Seite sind in der gleichen Weise mit Absorbern verkleidet wie das Plenum selbst. Die übrigen Fenster und die Zugangstür zum Kontrollraum blieben unverkleidet. Sie können jedoch ebenfalls mit Absorber-Modulen, die über eine automatische Vorrichtung bewegt werden, in der gleichen Weise wie die Wände ausgestattet werden. Die zu prüfenden Fahrzeuge werden auf dem schallharten Boden im Zentrum der Waage aufgestellt, die um 3.28 m aus dem Zentrum des Plenums in Richtung zur Düse verschoben liegt. Die Wandverkleidung besteht aus Breitband-Kompakt-Absorbern aus PU-Schaum mit einer Gesamtdicke von nur 250 mm und einer StandardModulgröße von 1.2 u 1.5 m. Sie sind direkt auf den Betonwänden und den Innenseiten der Zugangstüren angebracht. Zum Schutz vor Beschädigungen sind die BKA mit weiß lackierten Lochblechkörben abgedeckt und gehalten. An einer Längswand wurden die Lochblechkörbe schwarz lackiert und dienen damit als Hintergrund für Videoaufzeichnungen von Rauchbildern der Strömung (Abb. 12.76). Das optische Erscheinungsbild der Module wurde durch die Montage mit einer umlaufenden Fuge von 50 mm sehr attraktiv gestaltet. Die Deckenverkleidung besteht aus BKA-Modulen des
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 411
Abb. 12.76. Ansicht des Plenums vom Kollektor aus mit Blick auf die 6.9 u 4.4 m große Düsenöffnung des DC-Windkanals [11, 251]
gleichen Typs wie die Wandverkleidung. Aufgrund der Konstruktion als abgehängte Unterdecke wurde die Rückseite der BKA mit einer über der gesamten Fläche angebrachten geschlossenen Blechtafel abgedeckt, die als schallharte Wand fungiert. Das Volumen zwischen Rohdecke und abgehängter Decke ist akustisch unbehandelt und zum Plenum hin über die gesamte Länge der drei Stahlträger offen, die die abgehängte Decke und die Traversiereinheit tragen. Einige Flächen und Einbauten im Plenum bleiben akustisch unbehandelt und damit schallhart. Dazu zählen die Rückseiten der Düse und des Kollektors, deren Haltekonstruktionen aus Stahl, ein über zwei Raumseiten verlaufender Umgang und vor allem die große Traversiereinheit. Trotz all dieser unbehandelten Flächen soll das Plenum als Halbfreifeldraum der Genauigkeitsklasse 1 nach [14] mit einer unteren Grenzfrequenz von 80 Hz dienen. Der einzuhaltende Freifeld-Radius um die in der Mitte des Bodens angebrachte Prüfschallquelle sollte 5.5 m betragen. Die Ertüchtigung des Plenums als Halbfreifeldraum auch bei noch tieferen Frequenzen war von großem Interesse für den Auftraggeber. Zur Überprüfung der Freifeldeigenschaften wurden Abnahmemessungen auf den fünf Bahnen Nr. 1, 2, 3, 7 und 8 nach Abb. 12.74 in Terzbandbreite durchgeführt und der Einfluss der Fenster- und Türverkleidungen an der Kontrollraumwand durch weitere Messungen auf den Bahnen 4, 5 und 6 ermittelt, wobei der Bahnradius auf 7 m ausgedehnt wurde. Einige Ergebnisse dieser Abnahmemessungen sind in Abb. 12.77 für die kürzere und damit kritischere Bahn 6 (mit BKA-Verkleidung an Kontrollraumfenstern und -tür) dargestellt. Auf allen Bahnen wurden Freifeldbedingungen nach Norm im erweiterten Frequenzbereich bis 50 Hz und bis 7 m
412 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.77. Pegelabnahme bei Terz-Messungen nach [15, 16] auf der Bahn 6 gemäß Abb. 12.75
Bahnradius erfüllt. Wenn die Anforderungen gemäß Auftrag nur bis 80 Hz und für einen Bahnradius von 5.5 m einzuhalten sind, kann auf die Verkleidung der Kontrollraumfenster und der Tür verzichtet werden. Auf der durch reflektierende Einbauten am wenigsten beeinträchtigten Bahn 8 nach Abb. 12.74 brachten Testmessungen, die in Abb. 12.78 für den tieffrequenten Bereich dargestellt sind, das erstaunliche Ergebnis, dass bis auf die 31.5 Hz-Terz Freifeldbedingungen im 5.5 m-Radius sogar bis 20 Hz herunter erfüllt werden. Als zusätzliche Schallschutzmaßnahmen wurden Teile der Kanäle mit BKA-Modulen ausgekleidet und ein Naben-Schalldämpfer ähnlich dem in Abschn. 12.6.2 beschriebenen am Ventilator eingesetzt. Diese Maßnahmen dienen zur Reduzierung der Ventilatorgeräusche und der durch die Strömung an Kanaleinbauten zusätzlich entstehenden Geräusche. Die Wände und die Decke des Diffusors, die sich daran anschließenden Wände der Ecke 1 und des Querkanals sind ebenso mit BKA-Modulen mit einer Dicke von 360 mm ausgeführt wie ein Teil der Kanalwände vor der Düse und die davor liegende Ecke 4. Bei den Wänden der Ecken 2 und 3 und dem Naben-Schalldämpfer kam ein poröser Absorber, bestehend aus 305 mm dickem PU-Schaum, zum
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 413
Abb. 12.78. Pegelabnahme bei Terz-Messungen nach Norm auf der Bahn 8 gemäß Abb. 12.75
Einsatz. Abbildung 12.79 zeigt einen Blick vom Plenum in den Diffusor. Man erkennt sowohl die mit PU-Schaum belegten Flügel des Auffängers als auch die BKA-Verkleidung an der Diffusorwand und Decke.
Abb. 12.79. Ansicht auf die Wand- und Deckenverkleidung des 8.7 u 5.4 m großen Kollektors aus BKA-Modulen und auf die mit PU-Schaum verkleideten Flügel des DC-Windkanals [11, 251]
414 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.80. Naben-Schalldämpfer am Gebläse des DC-Windkanals. Ansicht mit dahinter liegendem Ventilator (oben), Längs- und Querschnitt (unten)
In Abb. 12.80 ist der Naben-Schalldämpfer mit dahinter liegendem Ventilator dargestellt. Das Foto wurde im sich anschließenden Betonkanal aufgenommen, der nach dem Schalldämpfer mit rundem Querschnitt auf einen quadratischen Querschnitt übergeht. Am Ventilator hat der Schalldämpfer einen Durchmesser von 8 m. Durch die konische Form erweitert er sich über einer Länge von 12.5 m auf 8.6 m. Der Zentralkörper hat ebenfalls eine konische Form mit einem Durchmesser von 3.55 m auf 1.20 m am Schalldämpferende. Die absorbierenden Auskleidungen der äußeren Berandung und des Zentralkörpers sind einheitlich 305 mm dick. Der Naben-Schalldämpfer musste seine Tauglichkeit durch Pegelmessungen, gemittelt über den Kanalquerschnitt vor und hinter dem Schalldämpfer (Abb. 12.81 (a)) beweisen. Dabei zeigte sich, dass die Anforderungen an die Dämpfung über den gesamten Frequenzbereich vollständig erfüllt wurden (b). Besonders wichtig war hierbei der kritische tieffrequente Bereich bis 250 Hz, bei dem der Ventilator die höchsten Pegel erzeugt.
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 415
Abb. 12.81. Überprüfung der Durchgangsdämpfung Dd des Naben-Schalldämpfers (a); Mittelwert beider Ausbreitungsrichtungen (b); Anforderung (rot), Modell-Messung (grün), Messung des IBP (schwarz), des Betreibers (blau)
Die gesamte aerodynamische und akustische Auslegung des 37.5 Mio. Dollar teuren DC-Windkanals zielt mit seinen mehrstufigen Schallschutzmaßnahmen, einem auf minimale Geräuschabstrahlung optimierten Ventilator und Strömungsführung in den Kanälen, auf ambitioniert niedrige Pegel im Plenum (Abb. 12.39). Im Vergleich zu den drei anderen hier beschriebenen Aeroakustik-Prüfständen, s. Tabelle 12.9, fällt die DC-Anlage aber vor allem durch die sehr große Düse auf. Einige Daten in Tabelle 13.6 wurden einem kürzlich verfassten Überblick über alle AeroakustikWindkanäle [251, 259] entnommen. Anders als beim BMW- (Abschn. 12.3) und beim FKFS-Windkanal (Abschn. 12.4), wurden Auslegung, Planung und Bauüberwachung komplett an ein weltweit agierendes Ingenieurbüro, Sverdrup Technologies, vergeben. Der Konstruktion dieses AAWT im Daimler Chrysler Technical Center DCTC war der Bau einer Pilot-Anlage, etwa 10 Jahre früher, vorausgegangen [251]. In der Zwischenzeit ging die Entwicklung über den FKFS- und Audi-Windkanal rasant weiter, so dass der Generalplaner das
416 12 Innovative Akustik-Prüfstände Tabelle 12.9. Aeroakustik-Windkanäle bei Automobil-Herstellern (Fettdruck hebt Anlagen hervor, die wesentlich vom Fraunhofer IBP mitgestaltet wurden) Betreiber
Nissan, Japan BMW, München Honda, Japan FKFS, Stuttgart Ford, Köln Audi, Ingolstadt Pininfarina, Italien Hyundai, Korea GM, Detroit DC, Auburn Hills PSA Renault St.-Cyr-L’Ecole
Fertig- Düsenstellung fläche
Ventilatorleistung
Luftleistung
Max. Geschwindigkeit [km/h] [m/s] 190 53
1986
[m2] < 28
[MW] 2.2
[m3/s] 1478
1987
10
1.9
667
240
67
1991
28
?
1550
200
55
1993
22
3.0
1 603
257
71
1998
20
<2
1 060
190
53
1998
11
2.6
< 918
< 300
< 83
1999
12
1.1
673
202
56
2000
28
2.6
1 550
200
55
2001
(56)
2.3
(3 640)
233
65
2002
28
4.7
1 876
240
67
2003
25
3.8
1 630
240
67
Akustik-Konzept in der heißen Phase des „final design“ in enger Abstimmung mit den Aerodynamikern und Akustikern bei DC, auf den neuen Standard mit der BKA-Technologie einstellen konnte. In [251] wird dies damit begründet, dass – „the aggressive background noise target for the AAWT could not be met using a conventional wind tunnel airline, – overly conservative acoustic treatment schemes could not be tolerated financially and – the basic shapes of the turning vanes based on aerodynamic performance needs … were developed simultaneously based on the (acoustic) insertion loss required from that particular corner.“ Besonders zufrieden sind die Planer und Nutzer auch mit dem reflexionsarmen Plenum [251]:
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 417
„The plenum was specified to be a semi-anechoic room according to ISO 3745 down to a frequency of 80 Hz within a 5.5 m radius from the center of the plenum. Commissioning measurements were made using the standard „draw-away“ test, and showed the anechoicity of the room to be better than required. Acoustic treatment in the plenum consists of flat broadband panel absorbers, which perform better than standard acoustic wedges and occupy less than 25% of the space. … Although acoustic covers for the control room windows are available, they were not used for any of the measurements reported in this paper. … Agreement of the traversemounted microphone when on the control room side (i. e., very close to the strut-mounted microphone) does not appear to be any better than when it is on the other side of the plenum. This suggests a very good symmetry of absorption in the plenum, in spite of asymmetries in the plenum, including the control room windows, the presence of the traverse superstructure, and other miscellaneous reflecting surfaces.“ In Abb. 12.82 ist das zu beiden Seiten des Freistrahls (ohne Prüfling) „out-of-flow“ gemessene Terz-Spektrum des Eigengeräusches des AAWT im Vergleich zu den hier gestellten sehr hohen Anforderungen bei einer Geschwindigkeit von 113 km/h (im Kern des Freistrahles) dargestellt: Sie wurden offenbar im gesamten interessierenden Frequenzbereich um bis zu 10 dB (gerade bei den tiefen Frequenzen) übertroffen. Die „in-flow“-Ergebnisse (Abb. 12.83) liegen etwa 5 bis 10 dB über den „out-of-flow“-Schallpegeln. Dazu macht man sich in [83] die folgenden Gedanken: „It has been
Abb. 12.82. Terz-Spektrum des Eigengeräusches außerhalb der Strömung bei 113 km/h
im DC-Windkanal [251]; Anforderung (○), Messergebnis auf der Kontrollraumseite (■, 56.9 dB(A)) bzw. gegenüber (●, 56.4 dB(A)), jeweils ca. 5.5 m von der Strahlachse entfernt
418 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.83. Terz-Spektrum des Eigengeräusches innerhalb der Strömung (1 m oberhalb des Waage-Zentrums, s. Abb. 12.75) bei 113 km/h im DC-Windkanal [251]; ○ Anforderung; ∆ Messergebnis auf der Kontrollraumseite, jeweils ca. 5.5 m von der Strahlachse entfernt
observed elsewhere that out-of-flow SPL measurements exceed in-flow measurements at the lowest frequencies. This does not appear to be the case at AAWT. … These results suggest the influence of the plenum acoustic treatment. If the treatment has poor absorption characteristics at low frequencies, then reflections off the plenum walls to the out-of-flow microphone can be expected to increase their SPLs while having less influence on the more distant in-flow microphone. … The AAWT panels (80 Hz design cutoff) appear to be effective down to about 30 Hz. “ 12.6.6 PSA Renault-Windkanal in St.-Cyr-L’Ecole Der jüngste Aeroakustik-Windkanal wurde von Peugeot/Citroën(PSA) und Renault in St.-Cyr-L’Ecole bei Paris im Jahre 2003 in Betrieb genommen. Auch hier ist das Plenum als Halbfreifeldraum mit der inzwischen bereits bewährten BKA-Technologie ausgestattet. Ähnlich wie bei den Windkanälen von Audi und Daimler-Chrysler (Abschn. 12.6.2 und 12.6.5) wurden nicht nur das Plenum, sondern auch die Kanäle nach dem Kollektor mit BKA-Modulen versehen. Die schalldämpfenden Verkleidungen der Bleche in den Umlenkecken mit profilierten und verhauteten Schaumstoffsegmenten wurden durch separate Beauftragung konventionell ausgeführt. Die technischen Daten des Windkanals sind in Tabelle 12.9 enthalten, der Grundriss des Plenums in Abb. 12.84 dargestellt. In Abb. 12.85 ist im vorderen Bereich der ausgekleidete Kanal und durch den Kollektor hindurch der
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 419
Abb. 12.84. Grundriss des Plenums im PSA Renault-Windkanal in St.-Cyr-L’Ecole mit den Lautsprecherpositionen L1 und L2 für die Pegelabnahme-Messungen [16]
Halbfreifeldraum mit der Düse zu sehen. Die lichten Abmessungen des Plenums im 5-seitig ausgekleideten Zustand betragen 22 u 15.5 u 10.15 m. Damit ergibt sich bei einer Grundfläche von ca. 340 m2 das freie Raumvolumen zu 3 460 m3. Hinter einer Längswand ist die benachbarte Messwarte gelegen. Eine relativ große Fensterfront erlaubt den Blickkontakt zwischen beiden Räumen. Im Plenum ist eine in der Höhe verschiebbare Wand aus BKA-Modulen vor dem Fenster eingebaut. Damit lässt sich dieses Fenster schallabsorbierend abdecken. Abbildung 12.86 zeigt das Plenum mit geschlossener und Abb. 12.87 mit geöffneter Verkleidung des Fensters. Ein großes Schallschutztor außerhalb des Plenums dient als Einbringöffnung für die Fahrzeuge. Es befindet
Abb. 12.85. Ansicht des Plenums aus dem Kanal durch den Kollektor in Richtung Düse im PSA Renault-Windkanal
420 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.86. Ansicht der BKA Wandverkleidung des Plenums mit der Test-Schallquelle bei L1 nach Abb. 12.84 und diagonale Messbahn im Volumen 1 –verschiebbare Absorberwand vor dem Fenster zum Kontrollraum geschlossen
sich im Kanal nach dem Kollektor, ersichtlich in Abb. 12.85 auf der rechten Seite. Eine Verbindung zur Messwarte besteht über eine Tür in der Seitenwand des Plenums, s. Abb. 12.84 rechts oben. Die Raumbelüftung und -entlüftung erfolgt über stirnseitige Öffnungen, die in die Absorberwand integriert sind. Im Messraum sind die Versorgungsund Medienleitungen einschließlich ihrer Anschlusselemente bündig in die Raumverkleidung integriert. In den Boden ist ebenerdig im Bereich der Fahrzeugaufstellung ein Laufband eingelassen, welches der Strömungsgeschwindigkeit im Strahlkern nachgeführt wird. Weitere unverkleidete Einbauten sind Videokameras, Leitern sowie ein in die Längswand gegenüber
Abb. 12.87. Ansicht der BKA Wandverkleidung des Plenums – verschiebbare Absorberwand vor dem Fenster zum Kontrollraum geöffnet
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 421
Abb. 12.88. Ansicht des Plenums im PSA Renault-Windkanal mit der Test-Schallquelle und Messbahn in 1.5 m Höhe
der Messwarte in die Absorberwand integrierte Großanzeige, zu sehen auf Abb. 12.88 links. Das verfahrbare Traversiergerät sowie die Düse sind relativ großformatige Einbauten. Beide sind ohne schallabsorbierende Verkleidung, der Kollektor ist jedoch mit Schaumstoffprofilen auf der Anströmseite absorbierend verkleidet. Die reflexionsarme Wandverkleidung reicht vom Boden ab 5 cm Höhe bis an die deckenseitigen Absorber. Die Module der Wand- und Deckenverkleidung bestehen aus 250 mm dicken BKA mit dem Regelmaß von ca. 1 u 1.50 m. Der BKA selbst besteht aus einem Lochblechkorb, der raumseitig den mechanischen Schutz gewährleistet und zwei Schichten PUSchaumstoff, die mit einem zwischen ihnen liegenden Schwingblech verklebt sind. Bauteile wie Schalter, Steckdosen usw. sind im Fugenbereich zwischen den BKA montiert. Zwischen den BKA-Modulen verlaufen vertikal etwa 5 cm breite Fugen. Die verfahrbare Wand vor dem Fenster zur Messwarte ist ebenfalls mit BKA verkleidet. Zwischen den BKADecken-Modulen sind in die 20 cm breiten Fugenelemente BeleuchtungsKörper, so wie in Abb. 10.9 (c) skizziert, integriert. Sie enden raumseitig bündig mit der Absorberauskleidung. Es handelt sich um schallabsorbierende Spezialleuchten. Obwohl einige Flächen und Einbauten im Plenum akustisch unbehandelt und damit schallhart verbleiben mussten, soll das Plenum als Halbfreifeldraum der Genauigkeitsklasse 1 nach [16] ab einer unteren Grenzfrequenz von 63 Hz entsprechen. Zur Überprüfung der Freifeldeigenschaften sind im Frequenzbereich von 63 Hz bis 10 kHz Schallpegelmessungen in Terzbandbreite durchzuführen. Die Ertüchtigung des Plenums als Halbfreifeldraum auch bei noch tieferen Frequenzen ist von großem Interesse für den Auftraggeber. Deshalb erfolgen die Messungen im erweiterten Frequenzbereich von 50 Hz bis 16 kHz. Für die Freifeld-Überprüfung wurden durch den Auftraggeber die Anzahl, Lage und Verlauf der Messpfade in unterschiedlichen
422 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.89. Größe und Lage von Messvolumen 1 und 2 im Plenum – Nachweisbereiche für die Freifeldeigenschaften nach [16]
Messvolumina entsprechend Abb. 12.89 konkretisiert. Die Schalldruckpegel auf den Messpfaden werden im Abstand von 1 m vom akustischen Zentrum der Schallquelle beginnend in festen Abständen von 0.25 m wie folgt gemessen. Volumen 1 – Durchmesser 12 m und 3 m Höhe Die Schallquelle befindet sich nach Abb. 12.84 am Boden an der Position L1. Sie ist um 1.5 m vom Mittelpunkt der Waage auf der Längsachse des Raumes in Richtung Kollektor verschoben. Es führen vom Kreismittelpunkt in 45° Schritten 8 Pfade diagonal in die obere Begrenzung des Messzylinders und Pfad 9 vertikal bis in 3 m Höhe. Zusätzlich wird auf dem Pfad 3 in Richtung Fenster diese Bahn noch einmal bei hochgezogener Akustikverkleidung, wie auf Abb. 12.87 zu sehen, gemessen. Volumen 1 – Durchmesser 12 m und 1.5 m Höhe Die Schallquelle befindet sich nach Abb. 12.84 an der Position L1 in einer Höhe von 1.5 m über dem Boden. Es führen vom Kreismittelpunkt in 45° Schritten 8 Pfade in 1.5 m Höhe parallel zum Boden in die äußere Begrenzung des Messzylinders. Sie entsprechen nicht den Forderungen der Norm [16], da sie parallel zum Boden verlaufen.
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 423
Volumen 2 – Quader (6 u 2 u 1.7 m) in 3 m Höhe auf dem Volumen 1 Die Schallquelle befindet sich nach Abb. 12.84 am Boden an der Position L2 im Mittelpunkt der Waage. Es führen 8 Bahnen diagonal in die obere Begrenzung des Messquaders und Bahn 9 vertikal bis in 4.7 m Höhe. Im Volumen 1 werden die Anforderungen der Norm innerhalb des geforderten Frequenzbereiches und darüber hinaus erfüllt, wenn die Quelle am Boden bleibt und die Messpfade diagonal verlaufen. Die grafische Darstellung der Pegelabnahme über der Entfernung sowohl rechnerisch als auch gemessen enthält beispielhaft Abb. 12.90 für den Frequenzbereich
Abb. 12.90. Pegelabnahmen im Messvolumen 1, Pfad 1, diagonal gemessen in Terzen von 50 Hz bis 160 Hz und zulässige Toleranzen nach [16]
424 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Abb. 12.91. Pegelabnahmen im Messvolumen 1, bodenparallel gemessen in Terzen von 50 Hz bis 160 Hz und zulässige Toleranzen nach [16]
von 50 Hz bis 160 Hz. Zusätzlich sind jeweils die zulässigen Abweichungen als Toleranzband dargestellt. Im Volumen 1, Sonderfall bodenparallele Messbahnen und Position der Quelle in 1.5 m Höhe, folgen die gemessenen Pegelverläufe erwartungsgemäß nur in engen Grenzen den Freifelderwartungen, s. die schwarzen Kreise in Abb. 12.91. Damit wird jedoch nicht die Güte der Raumauskleidung sondern sehr deutlich der Einfluss der Bodenreflexionen dokumentiert, vgl. Abschn. 12.6.4 (f). Auch im Volumen 2 werden die Anforderungen der Norm innerhalb des geforderten Frequenzbereiches und darüber hinaus erfüllt. Die grafische Darstellung der Pegelabnahme über der Entfernung sowohl rechnerisch als auch gemessen enthält beispielhaft Abb. 12.92 auf dem Messpfad 1 für den Frequenzbereich von 50 Hz bis 160 Hz.
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 425
Abb. 12.92. Pegelabnahmen im Messvolumen 2, Pfad 1, diagonal gemessen in Terzen von 50 Hz bis 160 Hz und zulässige Toleranzen nach [16]
12.6.7 Erfahrungen aus dem chinesischen Markt Auf der bereits im Vorwort zur 1. Auflage dieses Erfahrungsberichts erwähnten 1. Platform Innovative Acoustics PIA wurden Kontakte mit Vertretern der First Automotive Works FAW in Changchun wegen der Errichtung von Akustik-Prüfständen nach dem neusten Stand der Technik geknüpft. Als Muster hierfür dienten Außengeräusch-Messhalle, Motorund Aggregate-Prüfstand sowie Hör-Studio, wie sie im VW-AkustikZentrum in Wolfsburg ausgeführt wurden (s. Abschn. 12.6.4). Um aber zu einem entsprechenden ersten Auftrag zu kommen, waren wohl mehr als 5 weitere Reisen von und nach China mit zahlreichen Besichtigungen und z. T. schwierigen Diskussionen in 3 Sprachen (Chinesisch als Umgangssprache, Deutsch oder Englisch mit fachkundiger Übersetzung als Verhandlungssprachen) als allgemeine Vorbereitung nötig. Erst danach konnten die eigentlichen Hürden einer globalen Ausschreibung mit internationalen Bietern für alle mühsam geschnürten Aufgaben-Pakete, der Zahlungs-Bedingungen und Einfuhr-Genehmigungen genommen werden. Ohne die Unterstützung durch chinesische Fachleute, die nicht nur die
426 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Sprachen beherrschen, sondern auch die hier aufeinander treffenden Kulturen und die neuen Technologien gut kennen, wäre der Einstieg in einen auch in China bereits hart umkämpften Markt für Akustik-Prüfstände kaum möglich gewesen. X. Zha als langjährige IBP-Gruppenleiterin und X. Han als Leiter des FhG Representative Office in Beijing mussten ihre intimen Kenntnisse der Besonderheiten beider Seiten des öfteren einbringen, um alle nur möglichen Missverständnisse auszuräumen und die ersten Projekte realisieren zu können. Inzwischen ist die neue Technologie gemäß Abschn. 12.5 außer bei FAW in Changchun (Vorbeifahrt- und Aggregate-Prüfstände) auch bei – YULIN Dieselmotors in Guangxi (Motoren-Prüfstand), – Tongji University in Shanghai (Vorbeifahrt-Prüfstand), – PAN-ASIA Automobiles in Shanghai (Aggregate- und Fenster-Prüfstand), – CHANG´AN Automobiles in Chongqing (Vorbeifahrt-Prüfstand), – Shanghai Academy of Public Measurement in Shanghai (Freifeld- und Halbfreifeld-Räume), – NOKIA sowie MOTOROLA in Beijing (Freifeld-Kabinen), – Aerospace MITSUBISHI Motors in Shenyang (Motoren-Prüfstand) anzutreffen. Aber nicht nur die gegenüber europäischen FahrzeugHerstellern und Prüfstellen ganz andere Ausgangssituation und Erwartungshaltung stellten eine große Herausforderung für das IBP/FAISTTeam dar. Auch technisch wurden teilweise neue Bedingungen gestellt, um jeweils das wirklich Neueste und Allerbeste für eine viel versprechende Zukunft zu realisieren. So gab es in einigen Projekten gar keine Frage, dass die Abnahme der reflexionsarmen Räume selbstverständlich mit Sinus-Tönen zu erfolgen hatte. Die Auftraggeber legten großen Wert darauf, für die Auskleidung nur Originalteile zu importieren. Um aber trotzdemKosten zu sparen, erfolgte die Montage allerdings häufig unter deutscher Regie mit einheimischen Handwerkern. Auch bei der Kommunikation mit Bau-Zeichnungen fehlte es zunächst natürlich überall an der nötigen Kompatibilität der Programme zum Zeichnen und Schreiben. Inzwischen macht FAIST Anlagenbau wohl 50% seines Umsatzes mit reflexionsarmen Räumen in der Volksrepublik. a) Freifeldraum bei der Shanghai Academy of Public Measurement Mit der weit gehenden Öffnung des chinesischen Marktes ist im Lande, aber besonders natürlich in den großen Hafenstädten, erheblicher Bedarf auch für zeitgemäße schalltechnsche Prüfzentren entstanden. So wurde in
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 427
der Pudong-Region ein 14 u 12.3 u 10.2 = 1750 m3 großer Freifeldraum allseitig mit 130 mm dicken VPR und ca. 650 mm tiefen ASA nach Abb. 12.23 reflexionsarm ausgekleidet. Etwa 2.8 m über dem absorbierenden Boden spannt ein Seilnetz eine 12.4 u 10.7 = 132 m2 große Nutzfläche auf. Der kleinste Abstand von einer zentralen Punkt-Schallquelle zur nächstgelegenen Auskleidung beträgt also 2.8 m nach unten und 5.35 m zur Seite. Vom Nutzer wurden gegenüber Präzisionsmessungen nach ISO 3745 [16], s. Tabelle 12.1, noch erhöhte Anforderungen festgeschrieben, nämlich r1 dB bei 100 d f d 20 000 Hz und r1.5 dB bei f d 80 Hz, immer für Sinus-Signale. Mit dieser hier erstmalig realisierten Auskleidungsvariante konnten die Bedingungen bis zu Messabständen gemäß Tabelle 12.10 auf Radien in Richtung auf die Raumecken erfüllt, die weit über die Radien möglicher kugelförmiger Hüllflächen um die Quelle herum hinausreichen, ganz zu schweigen von einem O/4-Abstand zur Auskleidung, wie ihn dieselbe Norm eigentlich vorsieht. Die geringfügige Vergrößerung der Auskleidungstiefe gegenüber derjenigen im Prüfstand nach Abschn. 12.6.4 (a) hat sich also gelohnt. Tabelle 12.10. Abstände r auf radialen Pfaden von einer zentralen Quelle, auf denen bei tiefen Frequenzen noch Freifeld-Bedingungen herrschen f [Hz] a) r [m] b) c)
40 4 ÷ 5.2 3.7 –
80 4 y 4.2 4.2 2.6 y 2.9
160 4 y 5.5 6.4 2.6 y 3.2
315 4y5 6.8 2.6 y 3.5
630 6 7 2.6 y 3.5
b) Halbfreifeldraum in Shanghai Academy of Public Measurement Dieselbe reflexionsarme Auskleidung wie im Beispiel a) wurde auch an Wänden und Decke eines roh 11.2 u 9.7 u 8.15 = 885 m3 großen Raumes angebracht. Auf der hier 78 m2 großen Nutzfläche beträgt der kleinste Abstand von einer gedachten Punktquelle auf dem Boden zur nächstgelegenen Auskleidung also kaum mehr als 4 m. Tatsächlich reicht der radiale Abstand von einer zentralen Quelle auf dem Boden zu den Raumecken, auf dem die Abweichung vom Abstandsgesetz nach den Nutzeranforderungen gerade r 1 dB (für 100 d f d 20 000 Hz) bzw. r 2 dB (für f d 80 Hz) für Sinus-Messungen beträgt, wieder weit über den Radius der größtmöglichen Halbkugel-Hüllfläche um eine Punktquelle herum hinaus, wie die Messergebnisse in Tabelle 12.10 in der dritten Zeile deutlich machen.
428 12 Innovative Akustik-Prüfstände
c) Aggregate-Prüfstand bei PAN-ASIA Automobiles in Shanghai In etwas kleineren Räumen wie diesem mit 6.7 u 5.7 u 4.3 = 164 m3 ist kein Platz für eine Auskleidungstiefe von 750 mm wie in den Beispielen a) und b) zuvor. Auch möchte man in einem Motor- oder Aggregate-Prüfstand keine empfindlicheren strukturierten Absorber an den Wänden haben. Hier haben sich die Breitband-Kompaktabsorber BKA nach Abschn. 10.3 und Abb. 12.23 mit ihren glatten, widerstandsfähigen Oberflächen bewährt. Wenn aber in diesem Raum wiederum auch Schallquellen mit tonalen Komponenten untersucht werden sollen, ist es ratsam, eine etwas dickere passiv absorbierende Schicht vor dem VPR anzuordnen, als dies bei BMW (Abschn. 12.6.1) oder VW (Abschn. 12.6.4 (c)) für beitbandigere TerzMessungen nötig war. Und zwar wurde hier ein Polyester-Faservlies mit einem Raumgewicht von nur 15 kg/m3 150 mm dick zum Raum hin und dahinter von 20 kg/m3 100 mm dick vor dem VPR mit 100 mm Melaminharz-Weichschaum hinter dessen Schwingplatte angeordnet. Die Auskleidung verkleinert diesen Prüfstand zwar um 27% auf 120 m3 über dem schallharten Boden mit einer Nutzfläche von 30 m2. Sein Raum-Nutzungsgrad nach Gl. (12.13) beträgt aber immer noch KR = 2.7. Auch hier reichen die Freifeld-Bedingungen der Genauigkeits-Klasse 1 nach ISO 37 45 für radiale Abstände von einer zentralen Punktquelle auf dem Boden, die größer sind als die Entfernung zur nächstgelegenen Auskleidung (also 2 m), wie Zeile 3 in Tabelle 12.10 zeigt. d) Messkabine für NOKIA in Beijing Freifeld-Räume mit Rohbau-Abmessungen von nur 5.8 u 4.2 u 3.1 = 75 m3 für ausgesprochen kleinformatige IT-Produkte wie Mobil-Telefone stellen eine besondere Herausforderung für sinustaugliche Raumauskleidungen dar. Selbst mit der raumsparenden BKA-Auskleidung wie in Beispiel c) bleibt nur ein 43 m3 großer, allseitig absorbierender Raum über einer 18 m2 großen Nutzfläche mit einem Raum-Nutzungsgrad KR = 1.3 (Abb. 12.93). Mit konventionellen, nach Gl. (4.9) selbst für z. B. 160 Hz immerhin 530 mm tiefen, Keil-Absorbern wäre KR nur noch 0.6. Tatsächlich ist der hier realisierte Raum auf diagonalen Messbahnen von einer zentralen Quelle bis zu Abständen von mehr als 1.5 m für Frequenzen bis mindestens 63 Hz herunter gut, obgleich hier der Abstand zur nächstgelegenen Auskleidung (Decke) nur 1.2 m (für auf 160 Hz ausgelegte Keil-Absorber sogar nur 1 m) beträgt. Lediglich ein 0.2 m über dem reflexionsarmen Boden eingebautes Gitterrost macht Probleme bei Frequenzen oberhalb 2 kHz, wenn der Messpfad diagonal zum Boden hin
12.6 Ausführungsbeispiele nach dem neuen Stand der Technik 429
geführt wird und dieses Gehrost nicht wiederum mit einer dünneren absorbierenden Schicht belegt wird. e) Messkabine für MOTOROLA in Beijing Der bisher kleinste Vollfreifeld-Raum mit roh nur 3.6 u 3.1 u 3.7 = 30 m3, nutzbar immerhin mit 2.9 u 2.4 u 2 = 14 m3 auf einer Grundfläche von 7 m2, wurde – ähnlich wie der unter d) – in Modulbauweise aus vorgefertigten Wandelementen, wie sie auch für Schallkapseln Verwendung finden, kostengünstig hergestellt und verschifft. Trotzdem erfüllt er die FreifeldBedingungen der Norm für Frequenzen bis 100 Hz herunter bis zur hier maximal möglichen Hüllflächen-Kugel mit einem Radius von 1 m. f) Vorbeifahrt-Prüfstand an der Tongji University Shanghai Ein besonders gelungenes Beispiel in akustischer, optischer und haptischer Hinsicht stellt auch diese 25.7 u 21.7 u 7.35 = 4 100 m3 große Außengeräusch-Messhalle für alle möglichen Straßenfahrzeuge dar. Die nur 350 mm dicke Auskleidung (ähnlich derjenigen im Beispiel c) weiter oben) wurde oberhalb ca. 2 m an den Wänden und in den Randbereichen der Decke auf 250 mm (nur 150 mm Vlies mit 15 kg/m3) verjüngt, um so dort, wo die zweite Vliesschicht schalltechnisch nicht unbedingt erforderlich ist, etwas Kosten zu sparen. Auch hier mussten etwas höhere akustische Anforderungen für TerzMessungen als nach ISO 3745 eigentlich vorgesehen (s. Tabelle 12.2) eingehalten werden, nämlich r 2.5 dB für einen zu tiefen Frequenzen ausgedehnten Messbereich 40 d f d 100 Hz und r 2 dB für f t 125 Hz. Die Abnahmemessungen auf 5 diagonalen Pfaden in die Raumecken und Kanten ergaben Messabstännde von mehr als 9 m für 40 Hz und mehr als 11 m für alle anderen Terzen, obgleich doch die größtmögliche Halbkugel (ohne O/4-Sicherheitsabstand nach ISO 3745 von der Auskleidung) nur einen Radius von maximal 7 m haben könnte. Auch entlang der 7.5 m-Bahnen in Abb. 12.51 konnten Freifeld-Bedingungen zur vollen Zufriedenheit des Nutzers nachgewiesen werden: Mit Ausnahme eines flachen Pfades zu einer äußersten Kante des Raumes blieben die Abweichungen vom Abstandsgesetz auch über die jeweiligen 7.5 m-Punkte hinaus bis unmittelbar an die Auskleidung heran innerhalb der oben angegebenen Toleranzen. Für den Einstieg mit der neuen Kompakt-Absorber-Technologie in den chinesischen Markt war zwar die akustische, optische und haptische Präsenz der Vorbeifahrt-Halle bei VW (Abb. 12.49) sehr hilfreich. Aber die dritte Realisierung in diesem Land besticht bereits durch ihre individuelle Erscheinung mit glatten, unempfindlichen Stahlblech-Körben der BKA-Module im
430 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Format 1.5 u 1 m an Stelle der durch Vlies-Abdeckungen geschützten ASAAuskleidung im Wolfsburger Akustik-Zentrum, siehe Abb. 12.89: An einer Seitenwand ist im hellen unteren Streifen das ebenfalls mit 350 mm dicken BKA-Modulen reflexionsarm ausgekleidete Fenster zum angrenzenden Kontrollraum zu erkennen (Abb. 12.89 a)). Vor dieser, wie vor der gegenüber liegenden Wand sind die Mikrofone für die Simulation der VorbeifahrtGeräusche auf einzelnen Stativen montiert. Bevor also chinesische Pkw (Abb. 12.89 b)) und Kombi-Fahrzeuge (Abb. 12.89 c)) oder Lkw bald auch akustisch für den Export reif sind, haben sie harte Prüfungen u. a. in Vorbeifahrt-Prüfständen nach internationaler Norm [254] bestanden, in Zukunft vielleicht mit einem Prüfzeugnis der renommierten Tongji University.
Abb. 12.93. Vorbeifahrt-Halle mit reflexionsarmer BKA-Auskleidung an der Tongji University (a) mit chinesischen Test-Fahrzeugen auf dem Allrad-Rollen-Prüfstand (b,c)
12.7 Rück- und Ausblick auf Akustik-Prüfstände 431
12.7 Rück- und Ausblick auf Akustik-Prüfstände Ein so universelles Problem wie das des Verkehrslärms fordert nicht nur die Entwicklung leiser Antriebe sowie geräuschmindernder Reifen und Straßenbeläge heraus (s. Abschn. 12.2). Neben innovativen Schall-Absorbern für die Bedämpfung des Lärms im Motorraum und im Fahrgastraum, wurden in den vergangenen Jahren auch leistungsfähigere Prüfstände mit deutlich verbesserten Arbeitsumgebungen für die an Kraftfahrzeugen arbeitenden Wissenschaftler und Ingenieure verfügbar gemacht. Je erfolgreicher sie bei der Lärmbekämpfung an den verschiedenen Quellen am Fahrzeug selbst wurden, um so mehr trat der Umströmungslärm, auch schon bei Geschwindigkeiten um 100 km/h, als ein dominantes Problem in Erscheinung. Die Windkanäle der Automobil-Industrie hatten bis Anfang der 80er Jahre zwar gute Dienste geleistet, um „windschlüpfrige“ Automobile mit niedrigem Strömungswiderstand („cW-Wert“) zu kreieren. Um aber deren noch vorhandene Umströmgeräusche bei der im Windkanal simulierten Vorbeifahrt sowie im Fahrzeug-Inneren zu messen, waren die bestehenden Anlagen selbst viel zu laut, insbesondere bei den tieferen Frequenzen unter 500 Hz, ganz besonders aber unter 125 Hz, s. Abschn. 12.3, Abb. 12.7. Es wurde daher notwendig, die zunächst nur für aerodynamische Optimierungen konzipierten Windkanäle in ihrem Eigengeräusch zu reduzieren und neue Anlagen gleich als Aeroakustik-Windkanäle zu planen und zu bauen. Der erste mit Unterstützung durch das Fraunhofer IBP geplante, zunächst im Modell ausführlich untersuchte und dann erst im Forschungsund Ingenieurzentrum bei BMW in München gebaute Akustik-Windkanal (s. Abschn. 12.3 und [234, 242]) galt bis Ende der 80er Jahre als weltweit einer der leisesten Windkanäle. Sein außerhalb der Strömung gemessener, A-bewerteter Schalldruck-Pegel liegt mehr als 20 dB(A) unter demjenigen reiner Aerodynamik-Windkanäle. In Abb. 12.43 sind einige der in Tabelle 12.9 zusammengestellten Anlagen mit ihrem Eigengeräusch im Vergleich dargestellt. Die Autoren von [259] sprechen von einer ersten Generation von Aeroakustik-Windkanälen, die von BMW angeführt wurde und noch durch konventionelle Mineralfaser-Technologien in den Schalldämpfern sowie der Raum- und Kanalauskleidung geprägt war. Eine zweite Generation, „characterized by turning vanes integrated with acoustic baffle sections, test section plenums with robust absorption material tuned for low frequencies, acoustic lining of the ductwork and fan section, and selection of fans with low acoustic signature“ [259] wurde 1993 vom FKFSKanal eingeleitet, s. Abschn. 12.4. Sie zeichnet sich durch nochmals etwa 20 dB(A) Pegelminderung im gesamten Geschwindigkeitsbereich aus und wird z. Zt. vom Audi-Kanal angeführt.
432 12 Innovative Akustik-Prüfstände
Im Verlauf des sehr harten internationalen Wettbewerbs, insbesondere um die in Abschn. 12.6.7 angesprochenen Projekte, wurde deutlich, dass man offenbar hier und da versucht, die neue Technologie mit sogenannten „Flachabsorbern“ zu disqualifizieren, die keine vergleichbar hohe und breitbandige Absorption aufzuweisen haben [260]. Die neue Technologie, die grundsätzlich Breitband-Resonatoren zur Bedämpfung der tiefen Frequenzanteile implementiert, hat sich trotzdem inzwischen auch für aerodynamisch und mechanisch weniger belastete Prüfstände und schlichte Akustik-Messräume in über 100 Fällen bewährt. In der Anfangsphase dieser raumsparenden und nutzungsfreundlichen Alternative für die herkömmlichen Mineralfaser-Platten und Keile begnügten sich die meisten Anwender mit einer Reflexionsfreiheit der Raumauskleidung gemäß den geltenden Normen [15, 16] für Terz-Analysen der entsprechenden Geräuschquellen. Nachdem aber mit dem VW-Projekt (Abschn. 12.6.4) eine immer noch viel Platz und damit Investitionskosten sparende Variante gefunden wurde, die auch Schmalband-Analysen an entsprechenden Schallquellen ermöglicht, steht eine universell anwendbare neue Technologie für die Gestaltung von Freifeld-Messräumen zur Verfügung, die sich auch außerhalb der Fahrzeug-Industrie auf breiter Front durchzusetzen beginnt. Mit dem erstmals in China, z. B. im Vorbeifahrt-Prüfstand an der Tongji University (Abschn. 12.6.7 (f)), eingesetzten vielfach geschichteten BKA mit maximal 350 mm Dicke und ebener, glatter Oberfläche lassen sich auch sehr kleine Messkabinen für schmalbandige Freifeld-Messungen Kosten sparend ertüchtigen, s. Abschn. 12.6.7 (c) bis (e). Es sei an diesem wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu innovativen Schallabsorbern und Schalldämpfern sowie zu einer angenehmeren Messumgebung für zahlreiche Akustik-Ingenieure den Projektleitern im IBP gedankt, die verschiedene neue Ansätze jeweils in kürzester Zeit und unter anfangs sehr widrigen Umständen zum Erfolg geführt haben: U. Ackermann (BMW- und FKFS-Kanal), D. Eckoldt (FKFS- und Audi-Kanal), P. Brandstätt (Audi- und DC-Kanal) sowie X. Zha und G. Babuke (BMW-, DC- und VW-Prüfstände sowie alle anderen Freifeldräume). Alle zusammen hätten aber diesen rasanten Fortschritt in der Auslegung und Ausführung der neuen reflexionsarmen Auskleidungen nicht allein vollbringen können. Deshalb sei stellvertretend für alle dem Neuen aufgeschlossene Projekt-Partner den Herren U. Essers und J. Potthoff (FKFS-Kanal), J. Wiedemann (Audi-Kanal) sowie W. Moll (DC-Prüfstände) und P. Friederich (VW-Prüfstände) für ihre Unterstützung auf höchstem technischen Niveau in ihrer jeweiligen Disziplin und Verantwortung gedankt. Schließlich sei betont, dass die Ingenieure und Kaufleute bei dem exklusiven Lizenzpartner für die Umsetzung der innovativen Technologien, FAIST Anlagenbau, einen unschätzbaren Beitrag zur Überwindung vieler
12.7 Rück- und Ausblick auf Akustik-Prüfstände 433
großer und kleiner Hindernisse auf dem gemeinsamen Weg geleistet haben. Die Tatsache, dass in fünf von elf der in der Auto-Branche gemäß Tabelle 12.9 realisierten Akustik-Windkanäle Know-how des FraunhoferInstituts umgesetzt wurde, macht deutlich, dass technologische Fortschritte nicht immer aus den F&E-Labors global agierender großer Industriefirmen kommen müssen. Auch zeigt die Marktdurchdringung in so kurzer Zeit, dass die Bündelung sich auf ideale Weise ergänzender Kompetenzen aus problem- und zielgerichteter Wissenschaft und praxis- und marktorientierter Industrie auch relativ kleine Partner reüssieren lässt [261].
13 Innovative Kanal-Auskleidungen
In den Kapiteln 4 bis 10 wurden Schall absorbierende Bauteile hinsichtlich ihrer a) akustischen Wirksamkeit, b) mechanischen Belastbarkeit und c) optischen Erscheinung in zahlreichen Ausformungen beschrieben. Bei ihrer Installation in geschlossenen Räumen (s. Kap. 11 und 12) spielt der mit a) eng zusammen hängende Raumbedarf, insbesondere für tiefe Frequenzen, bereits eine große Rolle, weil er auf die Rohbaukosten der Gebäude einen direkten Einfluss hat. Die Haltbarkeit b) empfindlicher poröser/faseriger Dämpfungsmaterialien lässt sich hier durch akustisch transparente Abdeckungen und Verkleidungen nach Bedarf erhöhen. Die Eigenschaften a) und b) gewinnen zusammen eine um ein Vielfaches höhere Bedeutung, wenn Schallabsorber als Auskleidungen oder/und Kulissen in Kanäle eingebaut werden, in denen sie einer starken turbulenten Umströmung eines u. U. auch chemisch aggressiven Fluids und vielleicht zusätzlich noch Erschütterungen ausgesetzt sind. Wenn das Strömungsmedium Schwebteile, z. B. Reststäube, mit sich führt, besteht außerdem die Gefahr, dass Ablagerungen an solchen Schalldämpfern ihre Wirksamkeit a) mindern. Hier bieten „verhautete“ Materialien (vgl. Abschn. 4.2), aber besonders die reaktiven, rundum „versiegelten“ Metall-Kassetten nach Abschn. 6.3 und 10.3 eindeutige Vorteile. Die beiden Letztgenannten können, ebenso wie der „gesinterte“ Glasschaum nach Abschn. 4.3, auch sehr hohen Temperaturen im Kanal standhalten. Kaum eine raum- oder prozesslufttechnische Anlage kommt ohne den Einbau geeigneter Schalldämpfer aus, wenn sie den verbreitet geltenden Immissionsanforderungen innerhalb und außerhalb von Gebäuden erfüllen soll. Selbst für Kraftwerksanlagen auf einsamen Inseln oder in kaum besiedelten Regionen müssen z. B. häufig sehr geringe Schall-Emissionswerte nachgewiesen werden. So beanspruchen Schall dämpfende Einbauten regelmäßig 5 bis 10%, manchmal sogar noch mehr, der Investitionskosten einer RLT- oder PLT-Anlage.
436 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Bei großen Industrieanlagen gehören Strömungsmaschinen regelmäßig zu den dominanten Lärmquellen, die deshalb zwangsläufig bedämpft werden müssen, wenn der Betrieb der Anlage nicht gefährdet werden soll. RLT-Anlagen (z. B. an Arbeitsplätzen, in Wohnungen oder Restaurants) werden dagegen unter einem derartigen Kostendruck angeboten, beauftragt und ausgeführt, dass weder der Lüftungsbauer noch der Lieferant der Schalldämpfer, der meist für die resultierende Geräuschentfaltung verantwortlich gemacht wird, meinen, sich eine detaillierte Auslegung derselben nach dem Stand der Technik leisten zu können. Weil manche Rechenprogramme für Absorber und Schalldämpfer für Praktiker auch nicht ganz einfach zu handhaben sind, wird bei der Abschätzung des jeweiligen Bedarfs und seiner Erfüllung oft nur ein sehr „dicker Daumen“ benutzt. Eine der Folgen einer solchen Auslegung auf niedrigstem Niveau ist aber, dass die Schall dämpfenden Einbauten in den Strömungskanälen aus Angst noch häufiger über- als unterdimensioniert werden. Da außerdem bei den heutigen Preis- und Vergabeverhandlungen stets nur die Investitions-, nicht aber die späteren Betriebskosten in Betracht gezogen werden, führen diese Missstände z. B. häufig zu viel zu kleinen Strömungsquerschnitten, entsprechend großen Strömungsgeschwindigkeiten (lokal über 10, manchmal gar über 20 m/s) und deswegen, von kaum jemandem beachtet, zu unnötig hohen Energiekosten der Anlage, wenn diese nicht wegen ihrer Lärmemission ohnehin ausgeschaltet bleibt. Manchmal ist auch der Ventilator derart falsch ausgelegt, dass er erst mit dem Einbau von unnötig dicken Kulissen in den angeschlossenen Kanal in seinem optimalen Arbeitspunkt betrieben werden kann. Gelegentlich kann man beobachten, wie in weit verzweigten RLT-Anlagen für große Gebäudekomplexe in der Lüftungszentrale überhaupt nur eine Kulissengröße (z. B. 30 cm dick) eingebaut wird, wo auch immer dafür noch etwas Platz geblieben ist. Wenn es bei der Abnahme einer Anlage zu Beanstandungen kommt, suchen im besten Falle alle Beteiligten schuldbewusst gemeinsam nach einer Möglichkeit, hier und da noch zusätzlich einen Schalldämpfer unterzubringen, vorzugsweise unmittelbar vor dem Luftauslass in den beanstandeten Raum. In dieser bedauerlichen Situation, in der wissenschaftlich-technischer Fortschritt für mehr Sicherheit und Komfort kaum eine Chance erhält, sollen hier einige vielfach erprobte Auslegungsregeln für Schalldämpfer aufgestellt werden, die alle wichtigen Kenngrößen eines Schalldämpfers berücksichtigen, die aber selbst für Laien auf diesem Gebiet mit Hilfe eines Taschenrechners leicht anzuwenden sind. Eine peniblere Auslegung lohnt oft auch nicht, weil
13.1 Geometrische Parameter von Schalldämpfern 437
– der jeweilige Absorptionsgrad des im Schalldämpfer eingesetzten Dämpfungsmaterials, z. B. wegen größerer Herstellungsschwankungen nicht genauer bekannt ist, – die Wirksamkeit eines Schalldämpfers, mehr noch als eines Absorbers frei im Raum, vom jeweiligen Einbauort im Kanal abhängt, – die Emissionsdaten der jeweiligen Strömungsmaschine auch nicht präziser vorliegen. Bei konsequenter Anwendung dieser einfachen Regeln lassen sich aber schnell und zuverlässig – der Raumbedarf für Schalldämpfer im Kanal, – der Leistungsbedarf zur Überwindung der Druckverluste an den Schalldämpfern, – der durch die Schalldämpfer verursachte Energieaufwand beim Betrieb der Anlage abschätzen. Zur Berechnung der vom jeweiligen Schalldämpfer zu erbringenden Einfügungsdämpfung ist natürlich vorab eine möglichst genaue Festlegung der Immissions-Richtwerte auf der einen und eine Bestimmung der Emissions- und Dämpfungs-Parameter aller relevanten Anlagenteile unabdingbar, und zwar stets frequenzabhängig in Oktaven, besser noch in Terzen! Man kommt so auf direktem Wege zu den Schwachstellen einer gewählten Schalldämpfer-Auslegung – meistens bezüglich ihrer Wirksamkeit bei tiefen Frequenzen (z. B. realisierbare Kulissendicke oder Gehäusegröße), die zum Einsatz innovativer, insbesondere reaktiver Absorber in Kanal-Auskleidungen und Kulissen raten, die eine geringere Bautiefe beanspruchen.
13.1 Geometrische Parameter von Schalldämpfern Ein Schalldämpfer in einem langen geraden Kanal wird stets symmetrisch gemäß Abb. 13.1 gebaut. Sein Grundelement (b) wird durch die Kanalweite s, in welcher sich die Schallwellen ausbreiten, und die Auskleidungstiefe d seines Absorbers, in welchen hinein die Schallwellen gebeugt werden, sowie seine Länge L vollständig charakterisiert. Seine Höhe H bestimmt zwar, ebenso wie die insgesamt verbleibende freie Fläche Ss im Gehäuse, den Schallpegel am Eintritt in den Schalldämpfer, nicht aber seine Wirksamkeit, wenn er in einen Kanal mit beliebigen AnschlussQuerschnitten S1 und S2 (Abb. 13.1 (f)) über geeignete Übergangsstücke eingefügt wird.
438 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.1. Geometrische Parameter von Schalldämpfern in Kanälen
Im Falle eines rechteckigen Aufbaues entspricht die Dicke einer Mittelkulisse (2d) immer der doppelten Dicke einer Randkulisse, s. Abb. 13.1 (e). Für den viel selteneren, weil teurer herzustellenden Fall eines zylindrischen Aufbaues können die Querschnitte in Abb. 13.1 (b) bis (e) auch als Längsschnitte angesehen werden, also mit einem Zentralkörper mit einem Durchmesser von 2d. Wenn es sich um homogenes, passives Absorbermaterial (z. B. Mineralwolle) handelt, kann man also, unter Beibehaltung eines konstanten Ausstellungsverhältnisses m
Sd SS
d s
(13.1)
und gleichem Einbauvolumen
Vd
Sd L
(13.2)
entsprechend Abb. 13.1 (a) mit 2 Mittelkulissen die gleiche Einfügungsdämpfung erzielen wie mit einer Mittelkulisse und 2 Randkulissen, wobei
13.2 Abschätzung der Dämpfung 439
die Spaltbreite zwischen den Mittelkulissen 2s und der Randspalt s betragen. Die gleiche Dämpfung kann man mit beliebig vielen derart nebeneinander angeordneten Kulissen erzielen, wobei die Breite B, ebenso wie die Höhe H, dann keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Schalldämpfers haben. Aus praktischen und Kostengründen verzichtet man meistens auf eine Kanalauskleidung nach (f) ebenso wie auf Randkulissen. Bei homogenen Absorbern kann man sich natürlich, wegen der Symmetrie des hier stets ebenen, längs des Schalldämpfers fortschreitenden Schallfeldes, eine schallharte Trennwand zwischen zwei Kulissenhälften, wie in Abb. 13.1 (d) angedeutet, sparen. Besteht das Grundelement des Schalldämpfers dagegen aus einem Resonator nach Abb. 2, Nr. 3, 4, 5 oder 11, so sollten jeweils zwei davon, Rücken an Rücken, als Mittelkulisse eingebaut werden. Der Eckige Innenzug (Nr. 7) wird aber immer nur als Auskleidung von Schornsteinen eingesetzt, s. z. B. Abb. 10.12. Auch kommt es vor, dass man sehr primitive Kanäle selbst aus verdichteten Mineralfaserplatten baut, die einseitig schalldurchlässig und andererseits schallundurchlässig mit geeigneten Materialien kaschiert werden. Wenn die Breite B des Schalldämpfers vorgegeben ist, ergibt sich die Anzahl n der einbaubaren Kulissen aus
n
B 2d s
B 2 s 1 m
(13.3)
durch eine passende Wahl der Parameter d und s. Letztere werden wesentlich von 3 Randbedingungen bestimmt, a) Erreichung einer vorgegebenen Dämpfung, b) Begrenzung des Eigengeräuschs des Schalldämpfers, c) Minimierung der Druckverluste im Schalldämpfer, die im Folgenden in dieser Reihenfolge besprochen werden sollen.
13.2 Abschätzung der Dämpfung Analytische Verfahren zur Berechnung der Schalldämpfung in Auskleidungen und Kulissen mit einer Füllung aus porösen/faserigem Material nach Abschn. 4.1 erfordern ein Computer-Programm nach dem Stand der Technik [39]. Die Ergebnisse können aber immer nur so genau sein, wie die Eingabedaten mit den Eigenschaften der tatsächlich eingebauten Materialien übereinstimmen. So genannte Trapez-Diagramme nach Abb. 13.2 und [263] geben diese Rechenergebnisse näherungsweise graphisch (in doppelt-logarithmischer Darstellung) wieder – für manche Anwender offenbar immer
440 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.2. „Trapez-Diagramme“ zur Auslegung von homogenen faserigen oder porösen Schalldämpfern nach [263]
noch viel zu kompliziert. Zur Verbesserung der einleitend geschilderten misslichen Situation bei der Auslegung insbesondere von RLT-Anlagen könnte es vielleicht helfen, wenigstens die vor fast 70 Jahren aus empirischen Untersuchungen an Dämpfern für Dieselmotoren abgeleitete PieningFormel (s. Gl. (3.21) und [38]) stärker zur Anwendung zu bringen. Unter den geometrischen Bedingungen von Abschn. 13.1 lässt sich danach die auf die Länge des Schalldämpfers L bezogene Dämpfung Dc
D D 1.5 L s
⎡ dB ⎤ ⎢m ⎥ ⎣ ⎦
(13.4)
für einen Kulissen-Dämpfer und Dc
D L
3
D s
⎡ dB ⎤ ⎢ m ⎥ ⎣ ⎦
(13.5)
für einen Rohr-Dämpfer oder auch den allseitig ausgekleideten quadratischen Kanal ableiten. Damit wird die entscheidende Bedeutung der Kanalweite deutlich. Den Absorptionsgrad der Auskleidung können Messungen am Material und Aufbau derselben, z. B. im Kundt’schen Rohr nach DIN ISO 10 534 [65], ergeben.
13.2 Abschätzung der Dämpfung 441
Die spezifische Dämpfung z. B. für Kulissen-Dämpfer, D*
Dcs
D
s U 1.5D s [ dB ] L SS
(13.6)
folgt bei einem optimalen Anpassungsverhältnis nach Abschn. 4.1 von H = 3 recht gut den bei tiefen Frequenzen ansteigenden Geraden der Trapez-Kurven, die in Abb. 13.2 über einem dimensionslosen Frequenzparameter
K
2s f c
2s
(13.7)
O
mit der Schallgeschwindigkeit c und Wellenlänge O im Strömungsmedium (für Luft unter Normalbedingungen: c0 = 344 m/s) aufgetragen sind. Für m = 2 und 2d = 0.2 m ergibt sich so z. B. eine spezifische Dämpfung von D = 0.5 dB und eine längenbezogene von D' = 5 dB/m. Durch den maximal möglichen Absorptionsgrad von 1 wird D , unabhängig von m, auf den Wert 1.5 dB begrenzt. Die theoretisch erreichbare Dämpfung liegt zwar nach Abb. 13.2 höher, wird aber in der Praxis oft nicht erreicht wegen verschiedener Schallübertragungen auf Nebenwegen wie z. B. den in Abb. 13.3 und [264] angedeuteten, welche die Wirksamkeit eines Dämpfers einschränken können. Oberhalb einer Frequenz, die gemäß Abb. 13.2 nach
Ku
0.19 m0.72
0.19 m 0.72
fu
;
c 2s
(13.8)
vom Ausstellungsverhältnis 0.1 < m < 2 abhängt, wird die spezifische Dämpfung zunächst als konstant angenommen bis zu einer oberen Frequenz f0
K0 1.5 ;
1.5
c 2s
(13.9)
Diese hängt nur von der Spaltbreite ab. Wenn diese nämlich gemäß Gl. (13.7) nach [39] größer als 1.5 O wird, passieren ebene Schallwellen immer weniger gedämpft; man spricht von einer „Durchstrahlung“ des Schalldämpfers. Will man also den ganzen relevanten Frequenzbereich mit einfach handhabbaren Formeln abdecken, so berechne man passive Dämpfer mit etwa optimaler Anpassung (2 < H < 4) für U L⎛ f f fu : D 1.5 ⎜ S S ⎝ fu
⎞ ⎟ ⎠
x
> dB @
mit x 1.75 m0.12 ,
(13.10)
442 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
für f u f f 0 : D 1.5
UL , SS
(13.11)
2
U L ⎛ f0 ⎞ für f ! f 0 : D 1.5 ⎜ ⎟ , SS ⎝ f ⎠
(13.12)
jeweils in dB, und sorge sich weniger um die Rechengenauigkeit als darum, dass Dämpfungsmaterial mit geeignetem Strömungswiderstand in die Kulissen eingebracht wird und dass Nebenwege (bei großem m: auch solche durch Luftspalte zwischen Kulissenrahmen und Kanalwand) beim Einbau unterbunden werden. Für einen z. B. L = 1 m langen Dämpfer mit z. B. d = 0.1 m, ; = 12.5 kPa s/m2 und somit H | 3 sowie s = 0.05 m und somit m = 2 ergeben Gln. (13.10) bis (13.12) mit Ku = 0.12 und fu = 413 Hz sowie x = 1.61 und fo = 5 160 Hz bei den genormten Oktav-Mittenfrequenzen die in Tabelle 13.1 eingetragenen Dämpfungen. Diese Abschätzungen bleiben im ansteigenden Ast etwas unter der analytischen Berechnung nach [264]. Mit dieser erweiterten Piening-Formel wird die Dämpfung bei tiefen Frequenzen also nicht mehr wie bei der klassischen tendenziell überschätzt. Oberhalb fo kann es in dieser Vereinfachung zu Abweichungen kommen (s. Abb. 13.2), die mit steigender Frequenz wieder kleiner werden. Dieser Bereich ist aber für die Auslegung meistens von geringer Bedeutung. Abbildung 13.4 zeigt den Vergleich von normgerecht nach [107] gemessenen Einfügungsdämpfungen
Abb. 13.3. Schall-Nebenwege bei Schalldämpfern (rechts) als Körperschall über die Kanalwand (a), Körperschall über die Kanalwände (b), Körperschall über den Kulissenrahmen (c) mit Beispiel für (c) (links)
13.2 Abschätzung der Dämpfung 443 Tabelle 13.1. Berechnete Dämpfung nach Gl. (13.10) bis (13.12) (erste) und nach [264] (zweite Spalte) für d = 0.1 m, s = 0.05 m, L = 1 m Frequenz [Hz] 31,5 63 125 500 1 000 2 000 4 000 8 000
Piening erweitert D [dB] 0,5 1,5 13,4 30 30 30 30 12,5
Analytische Rechnung D [dB] 0,5 1,8 15,1 32,3 51,7 51,2 25,5 9,3
Frequenzbereich f > fu
fu < f < fs
f < fs
[265] im Vergleich zur hier vorgestellten Berechnung für Kulissen mit L = 2 m und 2d = 0.2 m. Dabei ist die Rechnung nicht an eine feste Frequenzauflösung gebunden; hier z. B. in 1/15-Oktaven. Die Abweichungen halten sich selbst für diese längeren Kulissen in Grenzen.
Abb. 13.4. Vergleich der Dämpfung nach Gl. (13.10) bis (13.12) (durchgezogen) und gemessen nach [265] (strichliert) für d = 0.1 m, L = 2 m; m = 0.5 (1), 1 (2) und 2 (3)
444 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Mit diesen Erweiterungen [266] können Dämpfer mit 2 < H < 4 und 0.1 < m < 2 mit höherer Genauigkeit als mit der klassischen Piening-Formel berechnet werden. Die Kenntnis von D ist dafür nicht mehr erforderlich, wenn man sich auf marktübliche Mineralwolle-Produkte für den Schalldämpferbau und eine sorgfältige Fertigung mit gleichmäßiger Stopfung verlassen kann. Die Abweichungen von den Berechnungen nach [264] dürften geringer sein als die Toleranzen bei Kulissen-Herstellung und -Einbau sowie der Nebenweg-Übertragung. Damit sollten alle mit der Auslegung von lufttechnischen Anlagen Befassten in der Lage sein, Schall dämpfende Auskleidungen in den Kanälen zu berechnen. Die über K nach Gl. (13.7) normierte Darstellung lässt auch bereits eine Anpassung an das jeweilige Fluid und die jeweils vorliegenden Temperaturverhältnisse zu. Für andere Dämpfungsmaterialien, auch reaktive Absorber in Schalldämpfern, kann der ambitionierte Ingenieur die klassische Piening-Formel (3.21) oder (13.6) mindestens als gute Näherung weiterhin benutzen, sofern er vom Hersteller der alternativen Absorber verlässliche Absorptionsgrade bekommen kann. Der Vergleich marktgängiger konventioneller Schalldämpfer erfolgt üblicherweise an Hand von Katalogdaten und Auslegungsprogrammen der Hersteller. Weil aber das Frequenzspektrum der Dämpfungsanforderungen oft nicht vorliegt, man aber aus Erfahrung weiß, dass es meist die tieferen Frequenzanteile sind, bei denen es am Ende fehlt, konzentriert man sich der Einfachheit halber auf die bei 250 Hz ausgewiesenen Dämpfungswerte. Wenn eine etwas genauere Betrachtung der Emissions- und Dämpfungs-Parameter der Anlage etwa gemäß VDI-Richtlinie 2081 [115] den konkreten Bedarf auch noch darunter erkennen lässt, reicht die kleine Verschiebung zu tieferen Frequenzen durch den üblichen Einbau von einfachen Resonatorblechen vor einer Mineralwollefüllung eben nicht aus. Dann empfiehlt sich der Einsatz von alternativen Schalldämpfern z. B. nach Abschn. 5.3, 6.3, 10.1 oder 10.1. Die dadurch erzielbaren Verbesserungen übersteigen bei weitem die eventuellen Ungenauigkeiten der Piening-Formel. Hier sollen noch einige Einflüsse auf die Wirksamkeit von konventionellen Dämpfern angesprochen werden, die man mit dem genaueren Rechenverfahren nach [264] entsprechend fein herausarbeiten kann: 13.2.1 Wahl von Kulissendicke und -spalt Wenn der Schalldämpfer nicht zu lang und damit seine Dämpfung nicht zu groß sind, hängt letztere nach Gl. (13.4) nur von s und (über D) von d ab. Abbildung 13.5 (a) zeigt die längenbezogene Dämpfung D´ in Abhängigkeit von der Kulissendicke, berechnet nach [264] für ; = 12 kPa s m2
13.2 Abschätzung der Dämpfung 445
Abb. 13.5. Berechnung nach [264] der längenbezogenen Dämpfung bei ; = 12 kPa s m2 für (a) s = 100 mm, d = 50, 100, 150, 200 (strichliert) und (b) d = 100 mm, s = 200, 150, 100, 75, 50 sowie für (c) s = 100 mm, aber jeweils gegenüber (a) optimal angepasstem ; = 6 bis 24 kPa s m2
und s = 100 mm. Mit wachsendem d verbreitert sich die Absorption zu tiefen Frequenzen hin, allerdings nicht etwa proportional, weil sich H nach Gl. (4.7) mit V | F | 1 gleichzeitig aus dem optimalen Bereich verschiebt. Selbst wenn man mit wachsendem d den Strömungswiderstand (z. B. durch Wahl einer Mineralwolle mit geringerer Dichte) so verkleinern würde, dass das Anpassungsverhältnis ε konstant bliebe, würde dies nicht viel bringen, wie Abb. 13.5 (c) verdeutlicht. Eine weitere Verdickung der Kulissen lohnt sich jedenfalls kaum, selbst wenn genug Platz für ein noch breiteres Gehäuse vorhanden wäre oder eine entsprechend stärkere „Verblockung“ des Kanals energetisch außer Acht gelassen würde. Oberhalb 1 000 Hz hat die Auskleidungstiefe erwartungsgemäß keinen Einfluss auf den Dämpfungsverlauf. Für eine mit d = 100 mm noch recht gut angepasste Kulisse zeigt Abb. 13.5 (b) das für diese Bauart charakteristische Spektrum mit einem Maximum oberhalb 500 Hz. Eine Verbreiterung zu hohen Frequenzen wird leicht durch Verkleinerung des Kulissenspaltes erreicht. Man beachte dabei aber die unter Abschn. 13.3 und 13.4 angesprochenen Konsequenzen!
446 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
13.2.2 Einfluss der Strömung Wenn man die Strömungsgeschwindigkeit im freien Querschnitt Ss des Dämpfers, die „Spaltgeschwindigkeit“ vs
qV , SS
(13.13)
entsprechend dem Volumenstrom qV aus Gründen der mechanischen Belastung der Einbauten und vor allem der energetischen Verluste (s. Abschn. 13.4) keinesfalls über 20 m/s ansteigen lässt, so hat diese in der Regel keinen großen Einfluss auf die Dämpfung. Abbildung 13.6 zeigt aber in der Rechnung wie in den Messungen, dass die Dämpfung bei Schallausbreitung mit der Strömung ein wenig ab- und entgegen der Strömung zunimmt. Auf der Saugseite eines Gebläses wirkt derselbe Schalldämpfer also etwas besser als auf der Druckseite.
Abb. 13.6. Einfluss einer Luftströmung auf die Wirksamkeit eines homogenen Kulissen-Dämpfers mit d = s = 100 mm, Ξ = 15 kPa s m2, L = 2 m bei vs = 0 m/s (—, □); 10 m/s (–·–, ○); + 20 m/s (– –, ∆) (berechnet, gemessen) [264]
13.2.3 Einfluss der Temperatur Einen etwas größeren Einfluss kann bei PLT-, insbesondere RauchgasAnlagen, die Temperatur im Fluid und damit auch im Dämpfungsmaterial nehmen. Neben der Dichte und Schallgeschwindigkeit ändern sich auch die Kennwerte des Absorbers auf recht übersichtliche Weise
13.2 Abschätzung der Dämpfung 447
Abb. 13.7. Einfluss der Temperatur auf die Wirksamkeit eines homogenen KulissenDämpfers mit d = s = 100 mm, L = 1 m bei 20, 50, 100, 200, 300, 500, 700°C [264]
[267, Abschn. 20.11]. Mit dem Auslegungsprogramm von [264] kann man diesen Einfluss an dem Beispiel in Abb. 13.7 illustrieren: Mit wachsender Temperatur verschiebt sich das Dämpfungsmaximum zu höheren Frequenzen; die Kurven deuten ein mit steigender Temperatur immer schlechteres (zu hohes) Anpassungsverhältnis an – etwa so wie die Kurve für d = 500 mm in Abb. 4.3, was bei der „dünneren“ Luft verständlich ist. Ohnehin muss man ja in derartigen Einsatzfällen besser zu ganz anderen als den normalen Mineralwolle-Produkten greifen. 13.2.4 Reflexionsdämpfung Auch wenn in konventionellen Schalldämpfern nur passives Absorptionsmaterial eingesetzt wird, kommt es, insbesondere bei hohen Frequenzen zur Reflexion eines Teils der Schallenergie vor dem Dämpfer. Abbildung 13.8 zeigt, wie dieser Effekt mit dem Ausstellungsverhältnis nach Gl. (13.1) kontinuierlich anwächst (für 1 < m < 2 auf etwa 2 dB bei 1 000 Hz). Bei tiefen Frequenzen bleibt diese Art von „Dämpfung“, die eigentlich Dämmung genannt werden müsste, dagegen immer innerhalb der Messgenauigkeit. Ganz anders sieht es natürlich aus, wenn man reaktive Absorber z. B. wie in Kap. 5 und 6 oder reine Resonator-Elemente wie in Kap. 7 beschrieben zum Einsatz bringt. Damit lassen sich, mehr oder weniger schmalbandig, sogar sehr hohe tieffrequente Pegelsenkungen erzielen, die dann ebenfalls mehr auf Reflexion als auf Absorption beruhen. Wenn dadurch nicht gerade eine Resonanz im vorgeschalteten Kanalsegment verstärkt wird, muss dies aber im Bedarfsfall kein Nachteil für diese Art von Dämpfern sein.
448 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.8. Reflexionsdämpfung an Kulissen mit d = 100 mm berechnet nach [264] für m = 0.5, 1, 2, 3, 4 [268]
13.2.5 Berücksichtigung von Abdeckungen Um empfindliche Dämpfungsmaterialien wie Mineralwolle gegen Beschädigung, Abrieb und Verschmutzung zu schützen, müssen sie mit Vlies, Folie und Lochblech abgedeckt werden. Sofern sichergestellt werden kann, dass sich diese nicht ihrerseits z. B. durch Ablagerungen aus der Strömung zusetzen und dichteres Material wie Kunststoff-Folien nicht zwischen der Füllung und dem Lochblech stramm eingezwängt wird, so lässt sich ihr
Abb. 13.9. Einfluss von Abdeckungen auf die Wirksamkeit homogener Dämpfer mit Ξ = 15 kPa s m2, d = s = 100 mm, L = 1 m: ohne (○), mit Vlies (m'' = 90 g m2, 30 kPs s m1) (□); mit Folie (m'' = 30 g m2) (∆); 1 mm dickes Lochblech (◊, *) [268]
13.2 Abschätzung der Dämpfung 449
Einfluss auf die Dämpfung gemäß den Ausführungen in Abschn. 4.1 in engen Grenzen halten (Abb. 13.9). 13.2.6 Beeinträchtigungen durch Nebenwege Je länger der Laufweg der Luftschallwellen entlang stark absorbierender Kanäle ist, um so störender können Längsübertragungen von Körperschallwellen werden, die am lauten Eintritt vor dem Dämpfer von dessen Blechgehäuse oder von den ebenfalls meist dünnwandig ausgeführten Blechkanälen aufgenommen werden. Sie können, u. U. mit geringerer Dämpfung an den Kanälen vorbei übertragen, auf der leisen Seite wieder abgestrahlt werden und so den Pegel im nachgeschalteten Kanal erhöhen. Dies führt dann, ebenso wie der Nebenweg (b) in Abb. 13.3, bei großen Längen und/oder Ausstellungsverhältnissen, zu einer Begrenzung der Wirksamkeit des Dämpfers (vgl. die Trapezkurven in Abschn. 13.2). In Abb. 13.10 wurden sehr viele Messungen nach [107] im SchalldämpferPrüfstand des IBP (Abb. 13.11), im Bereich ihres Maximums bei 800 Hz, über ihrer Länge aufgetragen. Die Abweichungen von der eingezeichneten Geraden, die für ein mittleres ; = 10 kPa s m2 als reine Ausbreitungsdämpfung berechnet wurde, wachsen deutlich mit L und können bis etwa 1 m zur
Abb. 13.10. Einfügungsdämpfung bei 800 Hz als Funktion der Dämpferlänge L für d = s = 100 mm. Rechnung mit Ξ = 10 kPa s m2(—); Messung mit Ξ = 9 bis 15 kPa s m2 [268]
450 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.11. Kulissen-Dämpfer bei der Güteprüfung im Messkanal (a); Sonden-Mikrofon auf Pneumatikschiene zur Durchzugsmessung (b) im Schalldämpfer-Prüfstand (c) nach [107] des IBP
näherungsweisen Ermittlung der Reflexionsdämpfung und oberhalb von 1 m der Nebenwegübertragung (c) in Abb. 13.3 herangezogen werden, s. [268]. Die immer noch sehr hohen Dämpfungswerte sind nur realisierbar, wenn wie hier die Übertragungen (a) und (b) dank der sehr schweren und elementierten Bauweise des Prüfkanals weitgehend ausgeschlossen werden können. 13.2.7 Dämpfung höherer Moden Alle bisherigen Formeln und Berechnungen der Dämpfung stellen in gewisser Weise eine Abschätzung nach unten dar, weil sie sich nur auf die Schwächung der ebenen Wellen im Kanal beziehen, die jeden Dämpfer relativ gut passieren. Die höheren Moden, die z. B. im Rechteck-Kanal mit den Querabmessungen lx und ly bei f nx , n y
c0 2
⎛ nx ⎞ ⎜ ⎟ ⎝ lx ⎠
2
⎛ ny ⎞ ⎜ ⎟ ⎝ ly ⎠
2
; nx , n y
0,1,2
…
(13.14)
erst oberhalb dessen „cut-on“-Frequenz fc
0.5
c , lx
(13.15)
13.3 Abschätzung des Eigengeräuschs 451
im zylindrischen Kanal mit einem Durchmesser D erst oberhalb c (13.16) D ausbreitungsfähig sind, werden im Schalldämpfer viel starker bereits kurz nach ihrem Eintritt in dessen freien Querschnitt absorbiert. Sie entstehen in Prüfständen wie dem in Abb. 13.11, wenn die anregende „Lautsprecherwand“ den Messkanal nicht ganz gleichmäßig beschallt. Sie entstehen im praktischen Einsatz aber auch hinter jeder Diskontinuität des Kanalsystems und bestimmen deshalb regelmäßig den Pegel vor dem Dämpfer mit und erhöhen so seine „in situ“ tatsächlich wirksame Pegeldifferenz. Sie gleichen bei höheren Frequenzen manchmal die Minderung wegen der Durchstrahlung gemäß Gl. (13.9) wieder aus. Bei tiefen Frequenzen, unterhalb fc, kann der Schalldämpfer allerdings nicht von einem solchen Bonus profitieren. Man kann aber einen ziemlich breitbandigen Bonus von bis zu 5 dB (bei tiefen) und über 10 dB (bei hohen Frequenzen) erwarten, wenn man den Schalldämpfer unmittelbar hinter einer 90°-Kanalumlenkung einbaut bzw. ein solches „Knie“ selbst wie einen Dämpfer auskleidet, vgl. hierzu [115, Tabelle 8]. Aus dem Vorstehenden wird einerseits wohl klar, warum die Messnorm [107], die ja bereits in den 80er-Jahren als DIN 45 646 [106] unter wesentlicher Mitwirkung des IBP erarbeitet wurde, zu Recht darauf besteht, dass nur im geraden Kanal ohne höhere Moden gemessen wird, weil sonst die Ergebnisse weder an anderer Stelle reproduzierbar noch repräsentativ für einen bestimmten Prüfling wären. Andererseits wird deutlich, dass eine passgenaue Auslegung von Schalldämpfern für ein konkretes Kanalsystem eigentlich noch etwas schwieriger als diejenige von Absorbern für einen bestimmten Raum (s. Kap. 11 und 12) ist. Man liegt aber in aller Regel auf der sicheren Seite, wenn man für Mineralwolle-Auskleidungen die erweiterte Piening-Formel Gl. (13.8) bis (13.12) zur Abschätzung des Dämpfungsspektrums benutzt oder sich auf Konfigurationen mit Prüfergebnissen nach Norm der Hersteller stützt. Nur wenn man die Einsatzbedingungen viel detaillierter als i. A. üblich kennt, lohnt sich auch eine genauere Berechnung mit den hier angesprochenen Werkzeugen. fc
0.586
13.3 Abschätzung des Eigengeräuschs Die Wirksamkeit eines Dämpfers findet dort eine physikalische Grenze, wo seine eigenen, insbesondere an seinem Ende, aerodynamisch erzeugten Geräusche zum Pegel dahinter beitragen oder diesen gar bestimmen. Die Schalleistung, die sich im fortführenden Kanal ähnlich wie die durchgelassene weiter ausbreitet, hängt nach sorgfältigen Untersuchungen in [269]
452 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.12. A-bewerteter Schallleistungs-Pegel pro m2 eines Kulissen-Dämpfers (a) nach Gl. (13.18) (—) und aus Messungen im Prüfstand nach Abb. 13.11 (●); zugehöriges Spektrum nach [115] und gemessen bei vs = 10 m/s (∆) bzw. 20 m/s (○)
außer vom Gesamtquerschnitt S [m2] des gemäß Abschn. 13.1 symmetrisch aufgebauten Kulissen-Schalldämpfers nur von der Strömungsgeschwindigkeit vs nach Gl. (13.13) im Spalt ab und zwar nach
LW
50lg vs 10lg S 7
(13.17)
LWA
70lg vs 10lg S 25
(13.18)
für den unbewerteten bzw. den bewerteten Leistungspegel, also z. B. 72 dB bzw. 66 dB(A) pro m2 für eine normalerweise nicht zu überschreitende Spaltgeschwindigkeit vs = 20 m/s. Die Messwerte sehr vieler Konfigurationen im Empfangshallraum des IBP-Prüfstands nach Abb. 13.11 stimmen gut mit den Gl. (13.17) und (13.18) und denen in [115] überein, ebenso wie ihre spektrale Verteilung, vgl. Abb. 13.12. Im Rahmen der hier favorisierten Abschätzungsweise kann man also auch bei dieser Kenngröße von Schalldämpfern getrost auf detaillierte Berechnungen und Messungen verzichten, sofern die Einbauten keine besonders rauen Oberflächen, vorstehende Kanten oder Hohlräume aufweisen, die zusätzliche Strömungsablösungen oder gar Tonanregungen provozieren können.
13.4 Abschätzung der Druckverluste Schall absorbierende Auskleidungen von rechteckigen oder zylindrischen Kanälen erzeugen nur minimal höhere Reibungsverluste in der anliegenden Strömungsgrenzschicht als glatte metallische Wände. Wenn aber in einem Rohr-Schalldämpfer ein absorbierender Zentralkörper oder in einem Kanal zusätzliche Kulissen eingestellt werden, um etwa nach
13.4 Abschätzung der Druckverluste 453
Gl. (13.10) bis (13.12) die Dämpfung zu erhöhen oder/und nach Gl. (13.9) die „Durchstrahlung“ zu verhindern, erhöht dies den Strömungswiderstand des Dämpfers erheblich, weil dadurch a) die Reibungsflächen der Strömung vergrößert werden, b) die Strömung an den Hinterkanten der Einbauten abreißen muss, c) die Geschwindigkeit in den Spalten meist entsprechend erhöht wird. Die daraus resultierende Differenz 'p der statischen Drücke vor (p1) und hinter dem Dämpfer (p 2) wächst immer quadratisch mit dem Volumenstrom qV bzw. der Strömungsgeschwindigkeit vs an und muss von der Strömungsmaschine zusätzlich zu ihren übrigen Förderaufgaben überwunden werden. Sie erhöht also die dort zu installierende elektrische Leistung und die von dort emittierte Schalleistung. Vor allem verursacht sie aber zusätzliche Energie- und somit Betriebskosten. Deswegen sollte in Zeiten steigender Energiepreise zur Kennzeichnung von Schalldämpfern immer auch ihr Druckverlust-Koeffizient
]
'p v2 U S 2
(13.19)
gehören mit der Dichte U des Fluids (für Luft unter Normalbedingungen: U0 = 1.2 kg m3). Aus Messungen nach [107] an wohl über 1000 Kulissen-Schalldämpfern [269] wurden zwei praxisgerechte Formeln abgeleitet, zum einen für völlig symmetrisch gebaute und eingebaute quaderförmige Kulissen mit glatten Oberflächen und Glattblechrahmen wie in Abb. 13.11 (a),
[
0.65lg m 0.025
L 0.53 , 2s
(13.20)
zum anderen für solche mit einem zusätzlichen halbkreisförmigen Anströmprofil wie in Abb. 13.11 (b),
[
0.75lg m 0.025
L 0.3 . 2s
(13.21)
Der darin (für L = 0) enthaltene „Stoßverlust“ fällt demnach etwas niedriger als in [115] angegeben aus. Eine Abdeckung der Kulissenfüllung mit einem Glatt- oder Lochblech an den strömungsparallelen Flächen macht sich demgegenüber nach [270] kaum bemerkbar. Diese Abschätzungen lassen sich bei sorgfältigem Einbau in einen Prüfstand wie dem des IBP in Abb. 13.11 für 1 < m < 2 sehr gut bestätigen.
454 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abbildung 13.13 zeigt aber auch etwas größere Abweichungen für m = 4, vermutlich weil selbst unter peniblen Laborbedingungen für entsprechende Prüfzeugnisse der Einbau nur schwer ohne kleine, aber folgenreiche Verschiebungen und Verformungen der Kulissen gelingt. Dies mag man als Hinweis nehmen, dass sich jede Unsymmetrie der Einbauten tendenziell als Erhöhung der Druckverluste auswirkt. Auch wenn die Anströmung nicht so ideal parallel wie im Prüfstand nach [107] erfolgt, die Dämpfer z. B. unmittelbar hinter einer Kanalumlenkung oder -verzweigung oder in einer drallbehafteten Strömung eingesetzt werden, sind u. U. erheblich (bis 100%) höhere Druckverluste zu erwarten. Während also die Dämpfung nach Gl. (13.10) bis (13.12), ebenso wie die Messung nach [107], immer eine Abschätzung auf der sicheren Seite
Abb. 13.13. Druckverlust-Koeffizient homogener Kulissen-Dämpfer; (a) für d = 100 mm, m = 0.67 (x), 1 (●), 2 (○), 4 (+), (b) für d = 200 mm, m = 1 (●), 2 (○), 4 (□) sowie Abschätzung nach Gl. (13.20) (—)
13.4 Abschätzung der Druckverluste 455 Tabelle 3.2. Wirkungsgrade η axialer oder radialer Ventilatoren unterschiedlicher Baugröße [271] Laufrad-Durchmesser [m] < 0,25 0,25 … < 0,40 0,40 … < 0,70 > 0,70
Wirkungsgrad K 0,60 0,75 0,80 0,85
darstellt, bieten die Gl. (13.17) und (13.18) sowie (13.20) und (13.21) eher eine optimistische Abschätzung von Mindestwerten, die in der Praxis aus vielen Gründen übertroffen werden können. Zumindest bei größeren RLTund bei allen PLT-Anlagen kann sich daher die Einschaltung eines auf diesem Gebiet erfahrenen Beraters lohnen. Für nach dem Stand der Technik gebaute Ventilatoren lassen sich in der Nähe ihres optimalen Arbeitspunktes mechanische Wirkungsgrade
K
' p qV N el
(13.22)
ungefähr entsprechend den Herstellerangaben in Tabelle 13.2 zuordnen. Die für die Schalldämpfer zusätzlich bereitzustellende elektrische Leistung Nel lässt sich also in Abhängigkeit von den Schalldämpfer- und VentilatorKenngrößen ] und K abschätzen nach N el
] U 2 vs qV K 2
(13.23)
Wenn man die u. U. temperatur- und druckabhängige Dichte des jeweiligen Fluids U mit U0 = 1.2 kg m3 normiert und den Volumenstrom qV auf q0 = 10 m3/s sowie die Spaltgeschwindigkeit vs auf v0 = 10 m/s bezieht, dann kann man Gl. (13.23) auch als handliche Zahlenwert-Gleichung schreiben: N el
] U qV ⎛ vs ⎞ 0.6 K U0 q0 ⎜⎝ v0 ⎟⎠
2
> kW @
(13.24)
Mit der Verfügbarkeit bzw. dem Einsatzgrad der strömungstechnischen Anlage,
P
Betriebsstunden ( h) / Tag ( d ) 24 h
Betriebstage ( d ) / Jahr (a ) bzw. 365 d
(13.25)
456 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
lässt sich die jährlich durch die Schalldämpfer nutzlos in Wärme umgesetzte elektrische Energie EL berechnen nach EL 5.25
] P U qV ⎛ vs ⎞ K U0 q0 ⎜⎝ v0 ⎟⎠
2
⎡ MWh ⎤ ⎢ a ⎥. ⎣ ⎦
(13.26)
Aus dem Vorstehenden wird schon klar, dass es angesichts eines wachsenden Umwelt- und Energiebewusstseins in der Öffentlichkeit höchste Zeit wird, dass man auch die Verluste in den zahllosen Schalldämpfern in Lüftungsanlagen in die betriebswirtschaftliche Kalkulation stärker als bisher üblich mit einbezieht. Da dies am greifbarsten wohl durch Abschätzung der dadurch jährlich verursachten Energiekosten EK geschieht, sollen diese ebenfalls angegeben werden: EK
5.25
] P H U qv ⎛ vs ⎞ K U 0 q0 ⎝⎜ v0 ⎠⎟
2
⎡T € ⎤ ⎢ a ⎥. ⎣ ⎦
(13.27)
Dabei ist natürlich der Energiepreis H [€/kWh] im Vergleich zu sämtlichen anderen Einfluss-Parametern mit der größten Variabilität und Unsicherheit behaftet; ein Preis von 0.2 €/kWh wird sicherlich bereits in naher Zukunft überschritten.
13.5 Messungen an Schalldämpfern In Abschn. 13.2 bis 13.4 wurden einfache Abschätzungsformeln für alle Kenngrößen von Schalldämpfern angegeben, die Messungen an konventionell, aber sorgfältig hergestellten Mustern einer Produktpalette eigentlich überflüssig machen. Zumindest für das Eigengeräusch (13.3) und den Druckverlust (13.4) genügt eine äußerliche Betrachtung ihrer Geometrie und Oberflächen, um diese wichtigen Kenngrößen genau zu ermitteln. Anders sieht es aber bei der Dämpfung (13.2) aus. Hier können die Qualität der Mineralwolle und ihre Verarbeitung in der jeweiligen Auskleidung schon zu Abweichungen in der nach Gl. (13.8) bis (13.12) eigentlich sicher zu erwartenden Wirksamkeit führen. Nach Einführung der DIN 45 646 [106], die heute in DIN EN ISO 7235 [107] globale Gültigkeit erlangt hat, mussten einige Hersteller ihre Katalogdaten erheblich nach unten korrigieren. Damit dies ohne befürchtete Wettbewerbsverzerrungen geschehen konnte, haben sich qualitätsbewusste Marktteilnehmer in einer „Gütegemeinschaft Schalldämpfer“ [272] zusammengeschlossen. Abbildung 13.14 zeigt, wie stark diese Korrektur bei einem ihrer Mitglieder tatsächlich ausfiel: bei tiefen Frequenzen blieb
13.5 Messungen an Schalldämpfern 457
Abb. 13.14. Katalogangaben des Herstellers eines Schalldämpfers mit d = 50 mm, m = 1, L = 1.5 m vor (oben) und nach (unten) Einbindung in die „Gütegemeinschaft Schalldämpfer“ [272]
kaum noch Dämpfung übrig; nur im praktisch ohnehin nur selten realisierbaren Maximum konnten die hohen Werte in etwa aufrecht erhalten werden. Davon unbenommen bleibt die Tatsache, dass Dämpfer im Einsatzfall, besonders bei höheren Frequenzen, aus den in Abschn. 13.2.7 geschilderten Gründen erheblich größere, nach 13.2.6 aber eben auch deutlich kleinere Dämpfungen erbringen können. In dieser etwas unübersichtlichen Situation kann es sehr hilfreich sein, wenn man sich, was die Qualitätssicherung und Gewährleistungsprobleme angeht, stets nur auf die Messung im Schalldämpfer-Prüfstand nach [107] beruft. Dabei handelt es sich um einen extrem leisen Windkanal (Abb. 13.11) mit einer maximalen Luftleistung von z. B. 35 m3/s bestehend aus – einem 130 kW-Gebläse, dessen Geräusche in sehr wirksamen Nabenund Kulissen-Schalldämpfern (s. Abb. 13.15 (a)) sowie in Auskleidungen der Umlenkecken unter Einsatz passiver, reaktiver und aktiver Dämpfer nach Abschn. 4.2, 8.1 und 10.1 eliminiert wurden, – dem 106 m3 großen Sende-Hallraum mit tief abgestimmten VPR-Modulen nach Abschn. 5.3 (mit rundum geschlossenen Stirnflächen) in seinen oberen Kanten und einer für Messungen mit Strömung verfahrbaren „Lautsprecherwand“ vor der 2 m langen „Einlaufdüse“ mit einer Kontraktion von 8 : 1,
458 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
– der 12 m langen, 0.5 m hohen, normal 1 (maximal 1.3) m breiten Messstrecke (Abb. 13.15 (b)) in sehr schwerer, Element für Element körperschallisolierter Modulbauweise mit einem fast 5 m langen, annähernd exponentiell sich öffnenden Transmissionselement, – dem 187 m3 großen Empfangs-Hallraum mit VPR-Modulen ähnlich wie im Senderaum und einem fest installierten „Drehmikrofon“ (Abb. 13.15 (c)).
Abb. 13.15. Schalldämpfer-Prüfstand nach Abb. 13.11: (a) Kulissenspalt mit aktiven Absorbern hinter Lochblech im UG; (b) 7 m lange Mittel-Kulisse in der auf 0.6 m Breite verkleinerten Messstrecke; (c) Transmissionselement zum Empfangshallraum mit VPR-Modulen in den Raumkanten
13.5 Messungen an Schalldämpfern 459
Abb. 13.16. Segmente des „Pilz-Schalldämpfers“ (a) und der Dämpfer in der Rückführung (b) des BMW-Windkanals (Abschn. 12.3 und [242]) in der erweiterten Messstrecke des IBP-Prüfstandes nach Abb. 13.11
Im IBP-Prüfstand bleiben so die Anlagengeräusche immer unter 35 dB(A) im Sende- und unter 30 dB(A) im Empfangs-Hallraum, wobei ersterer auch eine wichtige Funktion als Beruhigungskammer zur Herstellung einer
460 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.17. Schnitt (a), Messstrecke (b) und Transmissionselement (c) des RohrSchalldämpfer-Prüfstandes des IBP [273]
gleichmäßigen Strömung im Messkanal erfüllt. Selbst für sehr große Schalldämpfer, etwa den in Abschn. 12.3, Abb. 12.4 beschriebenen „PilzSchalldämpfer“, kann die Messstrecke, entsprechend aufgeweitet, genutzt werden, um wenigstens eine Hälfte eines symmetrischen Segments dieses einmaligen Gebildes im Maßstab 1 : 1 zu untersuchen, s. Abb. 13.16 und [242]. Parallel zu diesem rechteckigen Messkanal ist eine zylindrische Messstrecke ebenfalls zwischen den beiden Hallräumen aufgebaut, in der sowohl Rohr-Schalldämpfer als auch fast beliebig gestaltete Dämpfer samt ihrem Gehäuse mit entsprechenden Übergangsstücken getestet werden können, s. Abb. 13.17 und [273]. Die hohe Grenzdämpfung von jeweils über 60 dB bei 250 Hz und nahe 90 dB im kHz-Bereich ermöglicht in beiden Kanälen Prüfungen auch der wirksamsten Dämpfer. Spezielle Temperatur-Module erlauben auch Messungen an Schalldämpfern (ohne Strömung) bei Temperaturen bis +500°C (in Kulissen-) bzw. +400°C (in Rohr-Schalldämpfern). Eine 2 u 0.8 u 0.5 m große „Temperaturbox“ (Abb. 13.18 (a)) wird mit Übergangsstücken an den Prüfkanal mit einem Nenndurchmesser von 400 mm angeschlossen. In ihrem Boden und ihren Seitenwänden sind Heizelemente mit einer Leistung von 21 kW
13.5 Messungen an Schalldämpfern 461
Abb. 13.18. „Temperatur-Box“ (a) im Prüfstand nach Abb. 13.17 für Messungen an Kulissen-Schalldämpfern (b); „Heizstab“ für Rohr-Schalldämpfer (c)
installiert. Über den Deckel werden ein planer Abschluss für die eingebauten Kulissen (Abb. 13.18 (b)) und eine zusätzliche Wärmedämmung erreicht. An ihren Stirnseiten halten 50 mm dicke Absorberschotts die erhitzte Luft im Messsegment und sorgen zusammen mit Keramikdichtungen an den Übergangsstücken dafür, dass der übrige Messkanal weiterhin kühl bleibt. Zur Beheizung von Rohr-Schalldämpfern kommt ein „Heizstab“ mit einer nutzbaren Länge von 1.4 m und einer Heizleistung von 8 kW zum Einsatz, s. Abb. 13.18 (c). Über verschiedene Anschlussflansche kann der Heizstab für Rohrdurchmesser von 100 bis 500 mm verwendet werden. Der übrige Kanal ist wieder thermisch vom bis 400°C beheizbaren Segment getrennt. Eine kleine Druckluftleitung sorgt für einen besseren Wärmeübergang vom Stab an die Luft und zusammen mit
462 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
der äußeren Wärmedämmung für eine gleichmäßige Temperaturverteilung im Inneren des horizontal eingebauten Prüflings. Schließlich soll noch auf ein stark vereinfachtes Verfahren zur Bestimmung der akustischen Wirksamkeit von Kanal-Auskleidungen eingegangen werden. Wie in Abschn. 13.1 ausgeführt wurde, wird ein symmetrisch aufgebauter Schalldämpfer bereits durch sein Grundelement (b) in Abb. 13.1 vollständig charakterisiert. Wenn man, im Rahmen praktischer Anwendungen, mit guter Näherung annimmt, dass die Höhe H bei einer homogenen Auskleidung keinen wesentlichen Einfluss hat und die Länge L gemäß Gl. (13.4) bis (13.6), jedenfalls in einem Wertebereich von etwa 5 s < L < 20 s, nur als einfacher Multiplikator für D´ und D eines beliebig aus diesem Grundelement zusammengesetzten Schalldämpfer-Aufbaus wirksam wird, liegt es nahe, grundsätzliche Untersuchungen z. B. für Forschungs- und Entwicklungszwecke auch nur an einem solchen Grundelement durchzuführen. Auch die Qualitätsüberwachung von eingesetzten Dämpfungsmaterialien kann so im Werk vorgenommen werden. Dafür genügt aber ein relativ kleiner Prüfstand, z. B. mit einer nur 1 u 0.5 u 0.1 m großen Messstrecke. Diese sollte zwar an wiederum genügend lange zuund abführende Kanäle angeschlossen sein, die aber nur entsprechend kleinere Querabmessungen aufzuweisen brauchen. Ein solcher „Kleinprüfstand“ ist in Abb. 13.19 (a) und (b) zusammen mit dem Reflexionsfaktor seines reflexionsarmen Abschlusses (c) und dem Spektrum des von einer „Lautsprecherzeile“ am anderen Ende des Messkanals erzeugten Prüfschalls (d), gemessen hinter der leeren, geschlossenen Prüfstrecke, dargestellt und in [274] ausführlicher beschrieben. Er hat sich im IBP als zusätzlicher Laboraufbau vielfach bewährt, auch um mit Prototypen und Mustern innovativer Schallabsorber kostengünstig und schnell zu optimalen Problemlösungen zu gelangen. Für an sich schon kleinformatige Produkte, z. B. so genannte Telefonie-Schalldämpfer zwischen benachbarten Wohn- oder Arbeitsräumen, bietet sich diese Messeinrichtung als probates Prüfwerkzeug an. An Stelle des Drehmikrofons im Hallraum des Norm-Prüfstands (Abb. 13.11) wird hier ein kleines Mikrofon am Ende eines dünnen Rohres durch eine seitliche Kanalwand mit Hilfe einer außerhalb angeordneten „Pneumatikschiene“ diagonal auf halber Höhe durch den Kanal hin und her geführt. Man kann an Abb. 13.19 (d) sehen, dass sich die in jeder Terz festgestellten örtlichen Schwankungen auch oberhalb der ersten Quer-Mode gemäß Gl (13.15) bei 340 Hz bis etwa 1.25 kHz in engen Grenzen halten. Aber auch die stärkeren Ungleichförmigkeiten des Schallfeldes im Kanal bei höheren Frequenzen schlägt, bei der entsprechenden Mittelung, nicht voll auf das Messergebnis durch: In Abb. 13.20 sind neben der natürlich (in Folge seiner gegenüber dem Norm-Prüfstand einfachen Bauweise) viel
13.5 Messungen an Schalldämpfern 463
Abb. 13.19. Prinzip des Kleinprüfstandes nach [274] (a); Messstrecke mit eingebautem Schalldämpfersegment (b); gemessener (—) und nach [107] zu fordernder ()ـ ـ ـ Reflexionsfaktor r seines Abschlusses (c); Schwankungen des Prüfschalles Lp auf einem diagonalen Messpfad (d)
geringeren Grenzdämpfung des Kleinprüfstandes (a) zwei vergleichende Messungen an sehr zwei vergleichende Messungen an sehr unterschiedlichen Kulissen-Dämpfern, zum einen mit Mineralwolle- (b), zum anderen mit Membran-Absorbern nach Abschn. 6.3 (c) dargestellt. Dieser Vergleich fällt auch unter 200 Hz (Grenze bzgl. Reflexionsfreiheit) und oberhalb 1.25 kHz (Grenze bzgl. Homogenität des Schallfeldes) erstaunlich gut aus und zeigt einmal mehr die Tauglichkeit eines auf die praktischen Bedürfnisse zugeschnittenen vereinfachten Verfahrens. Im Folgenden sollen u. A. auch einige noch weiter von der Norm [107] abweichende Messverfahren kurz angesprochen werden. Eine ausführlichere Darstellung von „in-situ“-Messungen an Schalldämpfern findet sich in [275].
464 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.20. Grenz-Einfügungsdämpfung eines Kleinprüfstandes nach [274] (a); Einfügungsdämpfung (b) homogener Kulissen mit d = 50 mm, m = 0.67, L = 0.9 m mit 4 Kulissen (B = 1 m) im großen ( )ـ ـ ـbzw. 2 Kulissen (B = 0.5 m) im kleinen Prüfstand (—)
13.5 Messungen an Schalldämpfern 465
13.5.1 Einfügungsdämpfung
Zur Kennzeichnung der schalltechnischen Wirksamkeit von Schalldämpfern in Kanälen sind 3 Dämpfungs-Maße geeignet: – Einfügungsdämpfung De – Durchgangsdämpfung Dd – Ausbreitungsdämpfung Da, wobei die erstgenannte mit Abstand die wichtigste ist und auch regelmäßig gemeint ist, wenn im Vorstehenden von der Dämpfung D die Rede ist. Sie wird nach [107] z. B. in einem Prüfstand wie in Abb. 13.11 nach dem so genannten Substitutionsverfahren bestimmt. Sie stellt die Differenz des Schallleistungs-Pegels LW II in einem glatten, allseits schallharten Kanal und des Pegels LW I nach dem Einfügen des Prüflings in denselben dar, De
LW II LW I .
(13.28)
Bei der Messung ohne Dämpfer muss also u. U. ein glattes hartes Substitutionselement in den Kanal eingebaut werden. Von den in Abb. 13.3 angedeuteten Nebenwegen kann also nur die Körperschall-Längsleitung (c) Einfluss auf die Messung nehmen. Anders sähe es natürlich aus, wenn ein dem Prüfling zugehöriges Gehäuse mit dem Schalldämpfer zusammen eingebaut und in LW I mit gemessen würde. Die Pegel werden aus den entsprechenden räumlich und zeitlich gemittelten Schalldruck-Pegeln auf genormten Messpfaden in der Messstrecke hinter dem Prüfling oder im angeschlossenen Hallraum ermittelt, De
L p II L p I .
(13.29)
Die Anregung erfolgt stets frontal mit ebenen Wellen, z. B. mit einer Wand von vielen gleichphasig betriebenen Lautsprechern wie in Abb. 13.11 (c), bevorzugt breitbandig mit rosa Rauschen, die Messung jeweils in Terzen bei den genormten Mittenfrequenzen (vgl. Abb. 13.20). Die Umrechnung von jeweils 3 Terzwerten (DT) in einen entsprechenden Oktavwert (DO) erfolgt nach den Prüfbestimmunen der „Gütegemeinschaft Schalldämpfer“ durch D0
∑10 3
⎡1 3
10 lg ⎢ ⎣
i 1
0.1 DT ,i
⎤ ⎥. ⎦
(13.30)
Es sei aber ausdrücklich betont, dass bei der Darstellung von Oktav-Spektren auch bei relativ breitbandig wirksamen Resonanz-Dämpfern wie denen in Abb. 13.20 (d) u. U. für den jeweiligen Einsatzfall wichtige Informationen verloren gehen.
466 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.21. Einfluss des Schallfeldes auf die Einfügungsdämpfung: (a) frontale (—) bzw. laterale (– –) Anregung im geraden Kanal [269]; (b) gerader (—), unter 45° (– –) bzw. unter 90° anregender Kanal im Kleinprüfstand
Für die Umsetzung der im Prüfstand ermittelten Ergebnisse in die Praxis müssen natürlich der innere und äußere Aufbau des Dämpfers (mit 2d und L), aber auch der Spalt (2s) dem Prüfzeugnis genau entsprechen. Lediglich durch die Höhe (H) und die Kulissenzahl n (B) nach Gl. (13.3) lassen sich Prüfergebnisse auch auf beliebig hohe und breite Strömungskanäle 1:1 übertragen. Die Messungen an O/4-Dämpfern (ähnlich dem in Abb. 7.3) in Abb. 13.21 (a) zeigen oberhalb 500 Hz deutlich höhere Werte, wenn nicht normgerecht frontal (ebene Wellen von der Lautsprecherwand), sondern lateral (mit höheren Moden) mit zwei gleichphasigen Lautsprechern an einer Seitenwand des Kanals unmittelbar hinter der Einlaufdüse, um eine Kanalbreite axial versetzt, angeregt wird. Einen ähnlichen Effekt kann man auch erzielen, wenn man einen Schalldämpfer im Kleinprüfstand hinter einem Knick des Kanals anordnet, s. Abb.13.21 (b). Beide hier gut reproduzierbaren Labor-Ergebnisse bestätigen die praktische Erfahrung, dass Schalldämpfer ihre Normwerte im Einbauzustand fast regelmäßig um bis zu 10 dB übertreffen, allerdings leider immer nur bei den hohen Frequenzen, wo es seltener an Dämpfung fehlt, s. auch [269, Bild 18]. Auf exemplarische Weise ließ sich der „Umlenkbonus“ in den Umlenk-Schalldämpfern des FKFS-Windkanals (Abschn. 12.4) zur Geltung bringen: Die für die hohen Frequenzen ausgelegten Profile in Abb. 4.5 rechts brächten in ihrer gestreckten geraden Variante oberhalb 500 Hz bis zu 20 dB weniger Dämpfung, vgl. Abb. 4.6. Die ebenfalls über 40 dB
13.5 Messungen an Schalldämpfern 467
Einfügungsdämpfung bei 125 Hz der in diesem Fall für die tiefen Frequenzen zuständigen Membran-Absorber-Kulissen (Abb. 4.5 links) sind auch etwas der doppelten 90°-Umlenkung zu verdanken, auch wenn bekanntlich die (in diesem Frequenzbereich) schallharten Umlenkprofile den Umlenkbonus deutlich verkleinern, vgl. [45, Bild 9]. 13.5.2 Durchgangsdämpfung
Viel seltener als die Einfügungs- wird die Durchgangsdämpfung Dd
L p1 L p 2
(13.31)
über die mittleren Schalldruckpegel vor (Lp 1) und hinter (Lp 2) dem Prüfling bestimmt. Als exemplarisches Beispiel für solche Messungen möge der Nachweis der Wirksamkeit des Naben-Schalldämpfers am Gebläse des DaimlerChrysler-Windkanals (Abschn. 12.6.5, Abb. 12.85) dienen: Vor Ort konnten hier nur sehr grob die Pegel-Differenzen vor und hinter dem Dämpfer in beiden Richtungen bestimmt werden. Auch hier werden die gestellten Anforderungen bei Frequenzen oberhalb 500 Hz stark übertroffen, weil auch in dieser Konfiguration die grundsätzlich stärker gedämpften höheren Moden wieder mit im Spiel sind. 13.5.3 Ausbreitungsdämpfung
Wenn man den Schallwellen vom Eintritt in einen Schalldämpfer mit einem Sonden-Mikrofon, z. B. auf einer Pneumatikschiene (Abb. 13.11 (b)), an der absorbierenden Auskleidung entlang, folgt, so kann man natürlich, besser als nur mit Messungen vor und hinter dem Dämpfer, die Pegelabnahme beobachten. Zur Auslegung von Schalldämpfern z. B. auf Frequenzen um 250 Hz kann man Platten- und poröse Absorber in den Kulissen hintereinander anordnen. In Abb. 13.22 (a) kann man deutlich die beiden unterschiedlich wirksamen Absorber erkennen. Abbildung 13.22 (b) wurde in einem Kulissenspalt bei lateraler Anregung (s. Abschn. 13.5.1) aufgezeichnet. Hier ist deutlich das rasche Abklingen der als Quer-Moden eintretenden Schallenergie und erst danach die Ausbreitungsdämpfung für die verbleibende ebene Welle zu erkennen. In anderen Fällen kann man im Einbauzustand zum Ende des Dämpfers hin bei einer solchen Durchzugsmessung nach einem gleichmäßigen Abfall, Da
' Lp x 'x
⎡ dB ⎤ ⎢ m ⎥ ⎣ ⎦
(13.32)
468 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.22. Pegelabnahme im Kulissenspalt (a) eines inhomogen ausgekleideten Dämpfers und (b) eines homogenen bei lateraler Anregung [276]
einen erneuten Pegelanstieg bemerken. Dies ist dann ein untrügliches Zeichen, dass auf einem Nebenweg nach Abb. 13.3 übertragener Schall mit höherer Amplitude rückwärts in den Spalt eindringt. Abbildung 13.23 zeigt eine Durchzugsmessung durch den Naben-Schalldämpfer in Abb. 12.84 und 12.85. Der Pegelverlauf lässt erkennen, dass seine Dämpfung schon bei 40 Hz beginnt und bei 63 Hz bereits 2 dB/m beträgt. Als diagnostisches Werkzeug kann also auch die Ausbreitungsdämpfung im Detail Aufschluss über die Wirksamkeit von Schalldämpfern geben.
13.5 Messungen an Schalldämpfern 469
Abb. 13.23. Pegelabnahme im Schalldämpfer von Abb. 12.81 bei 31 Hz, 40 Hz, 50 Hz und 63 Hz
13.5.4 Immissionswirksame Dämpfung Wenn z. B. ein Dachventilator, ein Abgaskamin einer Heizanlage oder ein Schornstein einer Fertigungsanlage für Papier, Mineralfasern oder Düngemittel in der Nachbarschaft als Störenfried festgestellt wird, kann man im einfachsten Fall das Störgeräusch an einem maßgeblichen Immissionsort als Schalldruck-Spektrum aufnehmen und daraus die notwendige Dämpfung, ebenfalls frequenzabhängig, als 'L(f) festlegen, um einen bestimmten Immissions-Grenzwert Li [dB(A)] nach Gl. (3.19) nicht zu überschreiten. Diese Anforderung kann ein an oder in der Nähe der Quelle, z. B. auch vor einer den Schall emittierenden Schornsteinmündung einzubauender Schalldämpfer mit seiner charakteristischen Einfügungsdämpfung nach Abschn. 13.5.1 De
' L f
(13.33)
erfüllen. Voraussetzung für den Erfolg dieser schalltechnischen Maßnahme ist nur, dass sich die Ausbreitungsverhältnisse zwischen Emissions- und
470 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Immissionsort sowie die Betriebsbedingungen der Anlage inzwischen nicht wesentlich verändert haben. Viel schwieriger ist es, den Bedarf für Schalldämpfer allein aus einem Immissions-Grenzwert und einem Schallleistungs-Pegel der Quelle (beide vielleicht nur in dB(A) vorgegeben) zu bestimmen. Selbst wenn man Erfahrungen oder gar gesicherte Daten über das jeweilige Emissions-Spektrum zur Verfügung hat, bleiben, auch und gerade bei hoch aufragenden Emittenten wie Schornsteinen, noch viele Einflüsse auf dem Ausbreitungswege zu klären, siehe z. B. [277]. Da ist zunächst die Richtcharakteristik der Quelle (DI in Gl. (3.19)), z. B. einer durchströmten Schornsteinmündung. Man muss zwar für leichte Mitwind- und Inversions-Wetterlagen damit rechnen, dass die Schallwege zum Immissionsort gemäß Abb. 13.24 nicht gerade (sm), sondern zum Boden hin gebeugt (etwa auf einem 5 km-Radius R) verlaufen. Der jeweils maßgebliche Abstrahlwinkel ergibt sich dann aus ⎛ sm ⎞ ⎟. ⎝2R⎠
- -0 arc sin ⎜
(13.34)
Aber selbst wenn Quelle und Immissionsort auf gleicher Höhe oder sehr weit voneinander entfernt liegen, bleibt nur der Anteil der Schallemissionen immissionswirksam, der unter Winkeln - > 80° zur Normalen abgestrahlt wird [278], während der Anteil für - < 80° in der Atmosphäre absorbiert wird.
Abb. 13.24. Schallausbreitung von einer Schornsteinmündung nach [277]
13.5 Messungen an Schalldämpfern 471
In Modelluntersuchungen an einer Schornsteinmündung mit einem lichten Durchmesser von 2 m [279] wurde deshalb das Richtwirkungs-Maß von Gl. (3.19) für diesen relevanten Winkelbereich bei konstanter Temperatur ohne bzw. mit einer Schall absorbierenden Auskleidung unmittelbar vor der Mündung bestimmt. Tabelle 13.3 (a) zeigt, wie stark DI zu hohen Frequenzen hin zunimmt, bei der „schallweichen“ sogar doppelt so stark wie bei der „schallharten“ Mündung. Dieser aus [280] bekannte, für den Schallschutz positive Effekt wird nur etwas geschmälert, wenn eine schon relativ starke Strömung mit 15 m/s überlagert wird. Er wächst noch bis auf nahe 30 dB an für größere Winkel und sehr hohe Frequenzen, bleibt aber für 63 Hz stets fast vernachlässigbar, s. Tabelle 13.3 (b). Wenn man also ohne genauere Kenntnis der Ausbreitungsbedingungen im Einbaufall mit den DI-Werten für 80° rechnet, liegt man in den meisten Fällen auf der sicheren Seite. Man kann deshalb in der Regel auf zusätzliche Dämpfung bei hohen Frequenzen verzichten und sich stattdessen voll auf die tiefen konzentrieren mit dem Ziel, insbesondere die oft sehr auffälligen „Brummtöne“ zu eliminieren. Tabelle 13.3. Richtwirkungs-Maß DI an einer Schornsteinmündung mit 2 m Durchmesser (oben) unter 80° zur Achse ohne bzw. mit Schalldämpfer und Strömung, (unten) unter größeren Winkeln [278] SchornsteinMündung ohne SD, ohne Strömg. mit SD, ohne Strömg. mit SD, 15 m/s SchornsteinMündung
Oktavband [Hz] 500 1k
63
125
250
2k
4k
8k
–1
–3
–5
–6
–7
–8
–10
–14
–1
–6
–10
–12
–15
–20
–25
–28
–1
–6
–9
–11
–14
–18
–23
–25
2k
4k
8k
Oktavband [Hz] 500 1k
63
125
250
mit SD, 15 m/s, 80° mit SD, 15 m/s, 90° mit SD, 15 m/s, 100°
–1
–6
–9
–11
–14
–18
–23
–25
–1
–7
–10
–12
–15
–19
–25
–27
–2
–10
–12
–14
–17
–21
–27
–29
mit SD, 15 m/s, 110°
–3
–12
–14
–16
–19
–23
–29
–31
472 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Solche auf tiefe und sehr tiefe Frequenzen zugeschnittenen Schalldämpfer werden in Abschn. 7.3 (bis ca. 0.8 m) und in 10.3 (bis 3 m Durchmesser) beschrieben. Bei einer Länge von oft mehr als 10 m lassen sich diese Dämpfer natürlich nicht mehr im Prüfstand nach [107] testen. Zur bei diesen großen Anlagen unabdingbaren Qualitäts-Sicherung und ständigen Verbesserung der Auslegungs-Genauigkeit der in die Schornsteine integrierten Schalldämpfer wird jedes Produkt vor dem oft sehr aufwändigen Transport und der Montage, noch beim Hersteller (Niessing Anlagenbau), auch akustisch sorgfältig überprüft, s. Abb. 13.25 (a). Das geschieht grundsätzlich auf zweierlei Art [278]: In einem etwa 2 bis 3 m langen Stück Abgasrohr, das nur für die Messungen an den Abgaseintritt am Schornstein axial oder lateral angebaut wird, simulieren geeignete Lautsprecher die Quelle. Mit Hilfe eines Drehmikrofons (Abb. 13.25 (b)) oder vieler Mikrofonpositionen auf einer diagonalen Bahn (c) im Senderohr wird der mittlere Pegel als Maß für die in den Schornstein eingestrahlte Schallleistung bestimmt.
Abb. 13.25. Schalldämpfer-Prüfung im Werk über seitlich angeschlossenes Senderohr (a) mit Lautsprecher und Drehmikrofon (b) bzw. Mikrofon auf Pneumatikschiene (c) im Senderohr sowie Mikrofon am Seil vor der Schornsteinmündung [278]
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen 473
Nach dem ersten Verfahren wird in ca. 20 cm Abstand von der Mündungsebene auf mehreren Messpunkten die hinter dem Dämpfer abgegebene Schalleistung ermittelt. Die Differenz beider Mittelwerte ist ein Maß für die Durchgangsdämpfung nach Abschn. 13.5.2 dieser innovativen Schallschutzmaßnahme. Nach dem zweiten Verfahren wird ein an einem Stahlseil befestigtes Mikrofon durch den ganzen Schalldämpfer gezogen und dabei die Pegelabnahme als Ausbreitungsdämpfung nach Abschn. 13.5.3 Schritt für Schritt gemessen (Abb. 13.25 (d)). Alle Messergebnisse werden dann noch mit den Betriebsbedingungen im jeweiligen Einsatzfall bewertet, denn die Strömungs- und Temperaturverhältnisse können auf die schalltechnischen Eigenschaften dieser Resonator-Dämpfer einen nicht unwesentlichen Einfluss nehmen. Nur in Ausnahmefällen werden zusätzlich Abnahmemessungen vor Ort an der Schornsteinmündung (jeweils vor und nach der Maßnahme) erforderlich, aus denen man die Einfügungsdämpfung des Schalldämpfers nach Abschn. 13.5.1 ableiten könnte. Dabei wird das von dort z. B. unter 80° (für tiefe Frequenzen im Gegensatz zu hohen nahezu kugelförmig) abgestrahlte Geräusch schon oft von anderen Quellen derselben oder anderer Anlagen übertönt. Maßgeblich bleibt natürlich immer der am Immissionsort messbare Erfolg.
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer KanalAuskleidungen Die Serie Alternativer Faserfreier Absorber ALFA nach Abb. 1 begann einmal mit dem Absorber ganz aus Kunststoff-Folien von Abschn. 5.1. Als dieser 1983 auf der Hannover Messe als Ersatz für Mineralwolle-Anwendungen in der Raumakustik vorgestellt wurde, animierte er Frau R. Maute der Ferdinand Schad KG, dem IBP einen Entwicklungsauftrag für einen ganz nur aus Aluminium herzustellenden Absorber für den Einsatz in Strömungskanälen zu erteilen. Beim wohl größten Einzelauftrag mit dem daraus entstandenen Absorber nach Abschn. 6.3, dem FKFSWindkanal (Abschn. 12.4), kam dieser außer in den Kanälen auch in der reflexionsarmen Auskleidung der Messhalle zum Einsatz. Diese gegenseitige Befruchtung von Aufgaben zur Raumakustik und zum technischen Schallschutz blieb typisch für die nachfolgenden Innovationsprozesse im Fraunhofer-Institut, auch wenn mal die eine, mal die andere Disziplin auslösend war.
474 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
13.6.1 Membran-Absorber für Bewetterungsanlagen Im Steinkohlebergbau wird die Frischluft unter Tage durch so genannte Lutten geführt. Um den durch die Lüftungskanäle zu den Bergleuten gelangenden Ventilatorlärm zu reduzieren, müssen Schalldämpfer eingebaut werden, an die hohe Anforderungen hinsichtlich Resistenz gegenüber Verschmutzung bzw. Zerstörung durch Kohlestaub bzw. Erschütterungen zu stellen sind. Deshalb wurden die allseitig hermetisch abgeschlossenen Membran-Absorber MA nach Abschn. 6.3 zunächst im Labor akustisch mit herkömmlich offenen Hohlkammer-Resonatoren nach Abb. 7.3 (O/4Resonatoren) und Abb. 6.2 (Helmholtz-Resonatoren) verglichen [63], wie sie zuvor in einer Breite von 40 cm im Schalldämpfer-Prüfstand getestet wurden, s. Abb. 13.15 (b). Obgleich die ganz aus Edelstahl hergestellten MA-Kulissen (Abb. 13.26) nur 10 cm dick sind, konnten sie sich neben den jeweils 40 cm dicken anderen im Ventilator-Prüfstand der Westfälischen Berggewerkschaftskasse sehr gut behaupten, s. Abb. 13.27. Hier hat der Membran-Absorber neben seinem kleineren Volumen und Gewicht aber noch einen entscheidenden Vorteil: Auf seinen glatten
Abb. 13.26. 100 mm dicke Membran-Absorber aus Edelstahl (a) als Ersatz für 400 mm dicke Hohlkammer-Resonatoren (b) in Kohlegruben [281]
Abb. 13.27. Akustischer Vergleich in [280] von Membran-Absorbern (a), λ/4-Resonatoren (Abb. 7.3) (b) und Helmholtz-Resonatoren (Abb. 6.2) (c)
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen 475
Oberflächen kann sich kein Kohlenstaub ablagern. Dringt dagegen Kohlenstaub in die Kammern der anderen Dämpfer ein, so kann dieser beim Auftreten einer Druckwelle in den Kanälen aufgewirbelt werden und die im Bergbau gefürchteten Staubexplosionen auslösen. Außerdem unterscheiden sich beide Dämpfer-Konfigurationen bei gleicher Länge L = 1 m und bei vorgegebenem Gehäusequerschnitt S ganz deutlich in ihren Druck- und Energieverlusten nach Gl. (13.20) und (13.24): (a ) eine dicke Kulisse
(b) zwei dünne Kulissen
ma
2
mb
0.5
]a
0.85
]b
0.46
⇒
N el , b Nel , a
] b ⎛ vs , b ⎞ ⎜ ⎟ ] a ⎝ vs , a ⎠
2
0.135
Durch den Übergang zu den dünneren Kulissen kann also nicht nur das Einbauvolumen Vd auf die Hälfte reduziert werden. Auch die Energieverluste lassen sich auf nur 13.5% senken. Bei größerer Dämpferlänge wird zwar wegen der Verdoppelung der von der Strömung benetzten Oberfläche im Fall (b) der Vorteil etwas geringer, aber bei L = 2 bzw. 4 m beträgt er immer noch 85 bzw. 83%. Dieser Vergleich fällt tatsächlich noch stärker zu Gunsten der MA-Kulissen aus, weil die Hohlkammer-Resonatoren mit ihrer rauen, zerklüfteten Oberfläche der Strömung einen größeren Widerstand entgegensetzen, der in Gl. (13.20) nicht berücksichtigt ist. 13.6.2 Membran-Absorber in Rauchgas-Reinigungsanlagen Mit fossilen Brennstoffen befeuerte Kraftwerke müssen mit leistungsfähigen Rauchgas-Reinigungsanlagen RRA ausgerüstet werden. In diesen sind Ventilatoren mit Antriebsleistungen bis über 10 MW installiert, um das Rauchgas durch Filter, Wäscher und andere Einbauten in den Strömungskanälen zu fördern. Saugzug-, Druckerhöhungs- und Rezirkulationsgebläse, wie sie in RRA eingesetzt werden, können je nach Auslegung (Volumenstrom qV, Pressung 'p, Drehzahl U und Schaufelzahl z) SchallleistungsPegel zwischen 115 und 145 dB(A) in die geschlossenen Kanäle abstrahlen (Abb. 13.28).Dadurch werden unmittelbar vor und hinter dem Gebläse die Kanalwände derart angeregt, dass der Druckpegel vor großen abstrahlenden Flächen nicht selten oberhalb 100 dB(A) liegt. Wie Abb. 13.28 (b) andeutet, reduziert die übliche Wärmedämmung der Kanäle die Pegel bei hohen Frequenzen ganz erheblich, so dass das verbleibende Spektrum ein umso ausgeprägteres Maximum bei tiefen Frequenzen, typischerweise um
476 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.28. Typische Geräusch-Emissionen von Rauchgasgebläsen in Entschwefelungsanlagen (a) und Schalldruckpegel (b) unmittelbar neben dem Rauchgaskanal hinter bzw. vor dem Gebläse (Kurve c mit Wärmeisolierung des Kanals) [63]
fm = 250 Hz herum, behält. Ähnliches gilt für die Dämpfung durch die verschiedenen Kanaleinbauten, so dass auch das Emissionsspektrum an der Kaminmündung bei tiefen Frequenzen dominiert. Insbesondere hinter „Nassgebläsen“ stellen Feuchtigkeitsaufnahme (besonders in faserigen/porösen Materialien), Anbackungen (besonders in Totwassergebieten) und Korrosionserscheinungen Probleme dar, die die Wahl der Materialien für Schalldämpfer stark einschränken. Ein Mitglied der Vereinigung der Großkraftwerksbetreiber VGB suchte deshalb nach einer Möglichkeit, den MA unter realistischen Bedingungen, aber mit dem gebotenen eingeschränkten Risiko, in einer Rauchgas-Entschwefelungsanlage REA (auf der Basis Nasswäsche/Gips) der BEWAG in Berlin zu erproben[63], und zwar in einem Schalldämpfer im Reingasstrang hinter
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen 477
Abb. 13.29. Integration von Membran-Absorbern in einen Schalldämpfer der REA eines Heizkraftwerkes [63]
dem mit Schweröl befeuerten Dampfkessel, s. Abb. 13.29. In einer Kulisse wurde das obere, 90 cm hohe Segment durch 3 MA-Segmente ersetzt. Jedes MA-Kulissensegment ist durch 1.5 mm dicke Wände aus Edelstahl (Werkstoff 1.4539) in 10 u 11 cm große Waben unterteilt. Durch Trennbleche werden jeweils 80 einseitig offene Kammern mit 660 und 2970 cm3 Volumen gebildet, s. Abb. 13.30 (a). Die Waben (b) werden auf den Trennblechen angepunktet und dann mit einem schwer entflammbaren und bis 300°C temperaturbeständigen Kleber dauerelastisch gedichtet. Gemäß (c) werden auf die offenen Waben Edelstahlblechstreifen so geklebt, dass 1 cm breite Schlitze entstehen. Über diese Schlitzmembranen werden anschließend Deckmembranen (beide nur 0.075 mm dick aus Edelstahl 1.4301 bzw. „Hastelloy“) gespannt und an den Segmenträndern sicher befestigt. Jedes der 3 Segmente wiegt 95 kg. Abbildung 13.30 (d)
478 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.30. Aufbau von Membran-Absorber-Elementen aus Edelstahl für den Einsatz in einem Schalldämpfer gemäß Abb. 13.29 [63]
zeigt zwei davon fertig zur Messung im Norm-Prüfstand des IBP, Abb. 13.31 das Ergebnis der Einfügungsdämpfung. Die 3 Segmente wurden zunächst für 3 Monate (zwischen 2 Revisionen) vor Ort eingebaut. Danach zeigten sie keinerlei Veränderungen. Auch nach weiteren 5 Monaten wurden die MA-Kulissen in tadellosem Zustand vorgefunden nach immerhin insgesamt 2140 Betriebsstunden, 9 Stillständen mit weniger sowie 4 Stillständen mit mehr als 6 Stunden Dauer. Außer geringfügigen Ablagerungen, die sich leicht abbürsten ließen, waren keine Veränderungen zu erkennen (Abb. 13.32). Erst nach längerer Standzeit wurden nach dem Ausbau winzige Porositäten festgestellt, die aber die schalltechnische Funktion im Prüfstand noch nicht beeinträchtigten. Auch die in Abb. 13.29 vorgegebene Schalldämpfer-Konfiguration soll hier insgesamt energetisch untersucht werden: – – – –
Geometrie: Ausstellungsverhältnis: Spaltgeschwindigkeit: Druckverlust-Koeffizient:
S = H u B = 10 m2; L = 3.6 m 2d = 0.33 m; 2s = 0.2 m m = 1.65 qV = 146 m3/s; vs = 39 m/s ] = 1.12 (nach Gl. (13.20).
⇒
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen 479
Abb. 13.31. Einfügungsdämpfung von 3 Kulissen-Segmenten nach Abb. 13.30
Abb. 13.32. Membran-Absorber nach 5 Monaten Einsatz in einem Rauchgaskanal einer Entschwefelungsanlage [63]
Mit einem geschätzten K nach Tabelle 13.2 von 0.85 und U | U0 ergibt sich somit ein Leistungsbedarf für diesen Dämpfer nach Gl. (13.24) von Nel = 176 kW.
480 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Bei einer Verfügbarkeit von P = 0.96 bedeutet dies einen jährlichen Energiebedarf nach Gl. (13.26) von EL = 1 475 MWh/a und bei Energiekosten von H = 0.1 €/kWh einen Kostenaufwand nach Gl. (13.27) von EK = 150 T€/a. Mit der MA-Alternative ließen sich die Kulissen, wie im Beispiel 13.6.1 demonstriert, viel dünner bauen und damit der Druckverlust in diesem Dämpfer minimieren. Außerdem könnten die Membranen dann, zur Abstimmung wiederum auf 250 Hz, entsprechend dicker gewählt und so ihre Haltbarkeit noch weiter erhöht werden. Trotz aller dieser positiven Erfahrungen fehlt dieser Technologie aber leider bis heute eine marktgerechte Umsetzung in diesem Anwendungsbereich. 13.6.3 Alternative Dämpfer-Technologien für Vakuumanlagen an Papiermaschinen Vakuumanlagen, die in der Nassstrecke von Papiermaschinen den Papierbrei entwässern, strahlen ein von den Drehkolben-Gebläsen erzeugtes tieffrequentes „Wummern“ ab, das auch im A-bewerteten Immissionspegel noch in großer Entfernung deutlich hervortritt. Bei Nordland Papier, einer der größten Feinpapier-Fabriken in Europa, wurde dieses Problem bereits Ende der 80er-Jahre mit einer neuen Schalldämpfer-Technologie, anfangs mit Förderung durch das Umweltbundesamt, mit Membran-Absorbern nach Abschn. 6.3 angegangen. Inzwischen sind in diesem innovationsfreudigen, aber kaufmännisch scharf kalkulierenden Werk auch Platten-Resonatoren nach Abschn. 5.3 und ein Schornstein mit Eckigem Innenzug nach Abschn. 10.3 erfolgreich im Einsatz. Für das IBP begann die Arbeit mit der Aufnahme des Ist-Zustands durch Schallpegel-Messungen (mit Teilabschaltungen der verschiedenen Maschinen) zum einen an verschiedenen Immissionsorten und zum anderen an den Kaminöffnungen. Darauf erfolgte die Auslegung der damals neuartigen Membran-Absorber auf eine möglichst große Einfügungsdämpfung bei 80 und 160 Hz, Fertigung und Test von Prototypen, zunächst aus Aluminium, im Klein-Prüfstand sowie in den Norm-Prüfständen von Abschn. 13.5 und anschließend an den Kaminöffnungen der Papiermaschinen. Erst danach wurden Kulissen- und Rohr-Schalldämpfer ganz aus Edelstahl (1.4571) vom Lizenzpartner (Schako Klima Luft) hergestellt, nochmals im Labor nach [107] gemessen und dann auf den Dächern der Fabrik eingebaut [70].
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen 481
In die 5.8 u 0.6 m große Öffnung der Vakuumanlage einer der Papiermaschinen wurden 1989 beidseitig absorbierende, insgesamt 30 cm dicke und 3 m lange Kulissen mit einem Ausstellungs-Verhältnis von m = 0.7 eingebaut. Auf beiden Seiten eines Mittelblechs sind 3 u 6 Kammern mit einem Volumen von jeweils 3 900 cm3 nebeneinander angebracht. Die Wanddicke der Kammern und des Mittelblechs beträgt 1.5 mm. Durch diese Wabenstruktur erhalten die Kulissen eine hohe Stabilität. Auf die Stege ist die 0.3 mm dicke Schlitzmembran so aufgeklebt, dass ein in Strömungsrichtung verlaufender, etwa 3 mm breiter Schlitz entsteht. Unmittelbar darüber verschließt die ebenfalls 0.3 mm dicke Deckmembran das Innere der Kulisse dauerhaft. Um zu vermeiden, dass sich beide Membranen berühren, wurde zuvor die Schlitzmembran mit einer Gummiwalze etwas eingedellt. An den Stirn- und Seitenflächen der 1 u 0.5 m großen Segmente bietet ein umlaufender Rahmen mit einem 15 mm breit überstehenden Falz mechanischen Schutz. Damit ein sich innen bildendes Kondenswasser ablaufen kann, befindet sich in jedem Segment unten ein kleines Loch. Das Gewicht eines Segments beträgt 35 kg. Membran-Absorber MA dieser Bauart können auch leichter gebaut werden, wenn der Einsatzfall die Fertigung der akustisch nicht wirksamen Wabenstruktur aus dünnerem Material erlaubt. Abbildung 13.33 (a) zeigt den Einbau der MA-Segmente in die vorbereiteten 8 Gestelle (b), die unten mit einem halbkreisförmigen Anströmprofil versehen sind. Dazu dienen Montagekrallen, die auch das spätere Ziehen der Kulissen für die hier regelmäßig notwendigen Inspektions- und Wartungsarbeiten erleichtern. Die Druckverluste bleiben bei einer Strömungsgeschwindigkeit von nur vs = 3.5 m/s im Kulissenspalt mit 'p = 2 Pa praktisch vernachlässigbar. Diese Schalldämpfer reduzieren den Hüllflächen-Pegel um 7 dB(A), die Pegelspitzen bei 80 bzw. 160 Hz um 10 bzw. 5 dB, s. Abb. 13.34. Die Auswertung einzelner Messpunkte auf der Hüllfläche zeigt aber, dass bei den immissionswirksamen flachen Winkeln sogar Dämpfungswerte bis 15 dB erreicht werden (vgl. Abschn. 13.5.4). Auch nach einem Jahr im Einsatz waren noch keine Verschlechterungen festzustellen. Um aber das akustische Alterungsverhalten auch unter besser reproduzierbaren Messbedingungen im Norm-Prüfstand bestimmen zu können, wurde ein Kulissensegment gegen ein Reserveelement bei laufendem Betrieb ausgetauscht. Auch diese Ergebnisse in [70, Abb. 20] zeigen keine Veränderung. Abbildung 13.35 lässt eine trockene Oberfläche erkennen, die von einer dünnen grauen Schicht bedeckt ist, die sich aber leicht entfernen lässt. Darunter kommt dann die saubere Metalloberfläche wieder zum Vorschein (Abb. 13.35 (c)). Papierreste wie an der Kaminwand haben sich auf der glatten Deckmembran nicht abgesetzt. Nach einigen Jahren stellte der Betreiber allerdings fest,
482 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.33. Einbau der Membran-Absorber aus Edelstahl (a) in den Abluftschacht (b) auf dem Dach (c) einer Papierfabrik [70]
dass die Membranen unter diesen chemisch extrem harten Bedingungen, denen Mineralwolle-Dämpfer nur wenige Wochen standhalten [281], stark korrodiert waren. Seitdem wechselt er diese bis heute von Zeit zu Zeit selbst aus. Auch die in [70] ausführlich beschriebenen MA-Rohr-Schalldämpfer (Abb. 13.36), die auf die Abluftrohre mit einem Durchmesser von 0.4 m einer anderen Papiermaschine aufgesetzt wurden, erbrachten unter den
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen 483
Abb. 13.34. Terz-Spektrum (a) und Schmalband-Analyse (b) im Nahfeld des Abluftschachtes in Abb. 13.33; Hüllflächen-Schalldruckpegel vor (□) bzw. nach (○) Einbau derer Membran-Absorber [70]
immissionswirksamen flacheren Winkeln wiederum mehr als die angestrebte Pegelminderung von 10 dB(A). In Abb. 13.36 (c) ist zu erkennen, wie sich Papierreste nicht auf der glatten Absorberoberfläche, sondern nur an deren oberem Rand ablagern können. Allerdings wurde bei der Verbindung zwischen den 1m langen, oktaederförmig aus MA-Segmenten zusammengesetzten Dämpfern und den stark zu Körperschall angeregten Abluftrohren nicht genügend auf eine saubere Entkopplung geachtet. Dies hatte zur Folge, dass sich die Erschütterungen übertrugen und an den Kontaktstellen der Membranen sich regelrechte „Verbrennungen“ ergaben, die rasch zur mechanischen Zerlegung dieser Schalldämpfer führten. Nach 15 Jahren positiver Erfahrungen mit den Membran-Absorbern und deren Erfindern sowie der Zusammenarbeit mit dem IBP und seinen Lizenzpartnern beauftragte Nordland 2004 die schalltechnische Sanierung der Abluftanlagen weiterer Papiermaschinen. Dazu wurden alle dort installierten „Absorberkammern“ und Kulissen-Schalldämpfer in den Kanälen
484 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.35. Inspektion des Membran-Absorbers nach einem Jahr im Schalldämpfer nach Abb. 13.33
durch einen einzigen Schall dämpfenden Abluft-Schornstein ersetzt. Zu diesem werden jetzt insgesamt 6 Abluftkanäle in einer hoch gedämmten Sammelleitung herangeführt, in der zur Vermeidung von Resonanzen bereits tief abgestimmte Platten-Resonatoren eingebaut sind. Die eigentliche Dämpfungsaufgabe übernimmt jetzt der 18 m hohe Stahlschornstein mit einem Durchmesser von 1.3 m in seinem Eckigen Innenzug nach Abschn. 10.3. In seinem oberen Teil ist zusätzlich ein Kreuz aus 6 bzw. 10 cm dicken, ebenfalls rundum hermetisch abgeschlossenen Resonator-Kulissen nach Abschn. 5.3 und [282] auf einer Länge von 15.5 m eingebaut. Die Einfügungsdämpfung De der dünneren, auf 1 600 Hz abgestimmten, Kulisse zeigt Abb. 13.37, zum einen berechnet nach [283],
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen 485
Abb. 13.36. Oktogonaler Rohr-Schalldämpfer aus Membran-Absorber-Segmenten (a) an den Abluftöffnungen (b) einer Vakuumanlage [70]
486 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
▬
Abb. 13.37. Im Prüfstand (a) gemessene ( ) und berechnete (• •) Einfügungsdämpfung (b) von hoch abgestimmten Platten-Resonatoren [283]
zum anderen gemessen im Norm-Prüfstand. Die Messung der Durchgangsdämpfung Dd entsprechend den Ausführungen in Abschn. 13.5.4 und Abb. 13.25 beim Hersteller (Niessing Anlagenbau) zeigt in Abb. 13.38 einen sehr breitbandigen Dämpfer, der mit vollkommen geschlossenen und glatten Oberflächen unempfindlich gegenüber Verschmutzungen und Korrosionen ist und bei einer mittleren Strömungsgeschwindigkeit vs = 17 m/s einen Druckverlust von nur 150 Pa aufweist. Die Dämpfung bei hohen Frequenzen durch die relativ langen Kulissen wurden etwas überdimensioniert, um einer Verschiebung ihrer Platten-Resonanzen zu tiefen Frequenzen in Folge eventueller Ablagerungen aus der Abluft vorzubeugen. Die Geräusche der gefürchtet lauten Vakuumanlagen werden durch diese verschiedenen innovativen Schallschutz-Technologien jedenfalls bis zur jeweiligen Mündung ins Freie so stark gedämpft, dass dort nur noch das Strömungsrauschen der austretenden Abluft zu vernehmen ist [283]. 13.6.4 Schalldämpfer in der Abluft von MineralfaserProduktionsanlagen Für fortschrittliche Umwelttechnik gibt es einen weltweit heute noch stark wachsenden Markt, den deutsche und amerikanische Anlagenbauer mit jeweils ca. 27% dominieren. Er hat allein hierzulande ein Volumen von ca. 30 Mia. €. Ein Viertel davon wird in Maßnahmen zur Luftreinhaltung investiert (Abb. 13.39). Da die in den Anlagen für den Umweltschutz implementierten Strömungsmaschinen und Antriebe zu den stärksten LärmEmittenten zählen, macht der mitgelieferte integrale Schallschutz in der Form von Schalldämpfern und -kapselungen regelmäßig 10 bis 20% der
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen 487
Abb. 13.38. Schall dämpfender Schornstein beim Hersteller (Niessing Anlagenbau) von der Mündung (a) bzw. von innen (b) und die erreichte Durchgangsdämpfung Dd [dB] (c)
488 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.39. Patentanmeldungen zum Umweltschutz (a); Verteilung der Umsätze auf dem deutschen Markt für Umwelttechnik (b) [284]
Anlagenkosten aus. Der tatsächliche Anteil der Schallschutztechnik am Umweltmarkt beträgt daher tatsächlich mehr als der in Abb. 13.39 (b) für die Lärmbekämpfung (an Straßen, Schienen, Maschinen und Anlagen) ausgewiesene Anteil, sicherlich mehr als 10%. Zählt man zu den so berechneten 3 Mia. € noch den Umsatz mit raumakustischen Maßnahmen im Arbeits- und Freizeitbereich hinzu, so wird deutlich, wie groß der Markt für akustische Bauelemente allein in Deutschland ist. Die sprichwörtlich hohen Anforderungen des Schallimmissionsschutzes in diesem Land haben dazu beigetragen, dass nach einer Erhebung des ifo-Instituts im Jahre 1995 43% der weltweiten Patentanmeldungen zur Lärmbekämpfung von deutschen Anmeldern stammen. Hier liegt ein deutlicher Schwerpunkt der einheimischen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit. Das Fraunhofer IBP liegt also mit seinen Alternativen Faserfreien Absorber (ALFA)-Bauteilen
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen 489
Abb. 13.40. Vakuumpumpen zur Entwässerung von Papierbahnen (unten) bzw. Faserplatten (oben) [285] gehören zu den stärksten Quellen tieffrequenten Lärms
und dem Bestreben, diese mit Lizenzpartnern auf einem in technischer und kommerzieller Hinsicht interessanten Markt umzusetzen, voll im Trend. Nach wie vor basieren aber die weitaus meisten Akustik-Materialien und -Bauelemente auf Mineralfasern der einen oder anderen Art. Auch bei der Fertigung der verschiedenen Mineralfaser-Produkte kommen Drehkolben-Gebläse ähnlich denjenigen im Beispiel 13.6.3 und in Abb. 13.40 zum Einsatz. Für die unter (b) weiter unten beschriebene Vakuumanlage war an der über Dach befindlichen Austrittsöffnung für ca. 5.5 m3/s mit Wasserdampf gesättigte Abluft ein maximal zulässiger SchallleistungsPegel LWA = 73 dB(A) vorgegeben. 3 hier eingesetzte Vakuum-Ventilatoren tragen zusammen dazu 109 dB(A) bei mit einem starken Drehklang bei 500 Hz. Eines der 5 Drehkolben-Gebläse wurde im IBP auf dem Prüfstand vermessen. Sie tragen danach insgesamt 134 dB(A) bei mit einem starken tonalen Anteil bei 50 Hz. Letzteren unmittelbar nachgeschaltet
490 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.41. Schalldämpfer aus porösen (blau) und Membran-Absorbern (braun) in der Vakuumanlage (a); Einfügungsdämpfung (b); Schalldruckpegel neben der Abluftöffnung ohne (grün) bzw. mit (braun) Schalldämpfer
sind aber bereits große Schalldämpfer-/Abscheider-Töpfe, die den Pegel in der Druckleitung um ca. 30 dB(A) verringern. Die Schalldämpfer müssen demnach noch die Einfügungsdämpfung nach Abb. 13.41 (b) erbringen. Die Strömungsgeschwindigkeit in den Kulissenspalten wurde auf 12 m/s begrenzt, um ihren Druckverlust und ihr Eigengeräusch niedrig zu halten. In der Produktion von mit Mineralwolle-Fasern verstärkten Deckenplatten des Odenwald Faserplattenwerks wurden lufttechnische Anlagen in den vergangenen 15 Jahren mit neuartigen, verschmutzungsunempfindlichen und leicht reinigbaren Schalldämpfern aus- bzw. nachgerüstet. Dabei wurde jede einzelne Maßnahme im harten Wettbewerb mit konventioneller
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen 491
Technik erarbeitet und in jeder Hinsicht marktgerecht abgewickelt. Im Gegensatz zur allgemein üblichen Praxis wurden hier bei der Vergabe der Aufträge aber neben Herstellungs- und Montagekosten auch die Wartungsund Betriebskosten einschließlich der mittelfristig zu veranschlagenden Energiekosten infolge der jeweiligen Druckverluste in den verschieden ausgelegten Schalldämpfer-Anlagen detailliert berücksichtigt. a) Schalltechnische Anforderungen Bei der Faserplatten-Herstellung wird in Abluftanlagen verschmutzte Luft gereinigt und mit unbedenklichem Reststaubgehalt in vorgeschriebener Höhe (hier: 10 bis 40 m über dem Gelände) emittiert. Im unmittelbar an Mischgebiet angrenzenden Betrieb liegen die zulässigen A-bewerteten Schallleistungspegel je nach Lage der Abluftöffnungen bei etwa 70 bis 75 dB(A). Sie werden vom Akustik-Berater für jede Lärmquelle des Werkes vorgegeben mit dem Ziel, die in der Nachbarschaft des Werkes zulässigen Immissionspegel einzuhalten. Besondere Aufmerksamkeit muss dabei der Vermeidung starker tonaler Komponenten vor allem bei tiefen Frequenzen gewidmet werden. In der TA Lärm [3] gibt es bezüglich der lästigen Brummgeräusche im Frequenzbereich unter 90 Hz detaillierte Festlegungen. b) Ganzmetall-Schalldämpfer für eine Vakuum-Anlage Faserplatten werden aus einem durch Mineralwolle verstärkten Material hergestellt, das nass gemischt wird. Ähnlich der Produktion von Papier wird über eine sogenannte Nassstrecke durch ein unter dem nassen Produkt befindliches Sieb die grobe Entwässerung durchgeführt. Das übrige Wasser wird mittels Vakuum aus dem Produkt extrahiert. Auf der Druckseite dieser Vakuumerzeuger werden Schalldämpfer benötigt. Die Abluft ist nass und enthält Reste von nicht abgeschiedenem Produkt. Daher müssen die Schalldämpfer nicht nur akustisch wirksam, sondern auch leicht reinigbar und möglichst unempfindlich gegen Verschmutzung sein. Eingebaut wurden 1991 Schalldämpfer mit Membran-Absorbern (MA) für die tiefen Frequenzen und Stahlwolle hinter Lochblech für die mittleren und hohen. Die Kulissen und Gehäuse bestehen aus Edelstahl. Die Membranen sind zwischen 0,8 mm und 0,1 mm dick. Die Schalldämpfer-Kulissen-Anordnung zeigt Abb. 13.41 [285]. Die dicke MA-Kulisse ist auf die Oktavbänder 63 und 125 Hz unter besonderer Berücksichtigung des Drehklangs der Drehkolbengebläse (50 Hz) abgestimmt. Die dünnen MA-Kulissen für die tiefen Frequenzen bis zu 250 Hz sind auf ihrer Rückseite mit Edelstahlwolle hinter Lochblech für die Frequenzen oberhalb 250 Hz kombiniert. Damit
492 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.42. Schalldämpfer nach Abb. 13.41 vor (a) bzw. nach (b) der Reinigung mit Wasserstrahl [284]
werden die in Abb. 13.41 (b) angegebenen, im Prüfstand in Oktavbändern gemessenen, Dämpfungsmaße erreicht. In Abb. 13.41 (c) ist der Schallpegel in 1 m Entfernung von der Abluftöffnung der neuen und einer vergleichbaren alten Anlage mit herkömmlichen Schalldämpfern dargestellt. Man sieht deutlich den Vorteil, den die MA akustisch bieten: Die tonale Komponente der Drehkolbengebläse im Terzband 50 Hz, die von den normalen Schalldämpfern nur unzureichend gedämpft wird und demzufolge in der Nachbarschaft in den ruhigen Nachtstunden hörbar ist, wird von den MA gedämpft. Die Reinigung (Abb. 13.42) wird mittels Wasserstrahl alle 6 Monate durchgeführt und benötigt eine Arbeitskraft für ca. 2 Stunden. Sollten die MA-Schalldämpfer einmal ihre Aufgabe erfüllt haben, können sie als Schrott verwertet werden, wohingegen weniger haltbare MineralwolleKulissen nach dem Verschleiß als Sondermüll entsorgt werden müssen. Auch dies ist ein – bisher wenig beachteter – Vorteil dieser GanzmetallSchalldämpfer. Anlässlich einer der jährlichen Reinigungen zeigte die Inspektion nach 2 Jahren einen sowohl optisch als auch akustisch einwandfreien Zustand des Schalldämpfers. c) Umlenk-Schalldämpfer für eine Entstaubungsanlage Wenn die getrockneten Faserplatten konfektioniert werden, fällt Staub an. Dieser wird in Filteranlagen abgeschieden und dem Produktionsprozess wieder zugeführt. Aus den Filtern werden ca. 110 000 m3/h Abluft mit einem lufthygienisch zulässigen Reststaubgehalt von maximal 50 mg/m3
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen 493
und tatsächlich nur etwa 4 bis 7 mg/m3 durch einen Radialventilator ins Freie geblasen. Durch den Schalldämpfer gehen somit ca. 2.6 t Staub pro Jahr. Auch in diesem Schalldämpfer wurden wieder die Membran-Absorber (MA), diesmal aus Aluminium, für die Dämpfung der tieffrequenten Schallanteile eingebaut [287]. Die in Abb. 13.43 genannten akustischen Anforderungen erfordern aber ebenfalls nicht nur MA für die tiefen Frequenzen, sondern auch poröse Absorber für die Dämpfung oberhalb 250 Hz. Dazu wurden in dieser Anlage mit Erfolg verhautete offenzellige Schaumstoffe eingebaut. Es handelt sich um einen PU-Schaum mit ca. 30 kg/m3 Raumgewicht, der eine akustisch transparente dünne Verhautung hat. Auf der verhauteten Oberfläche setzt sich zwar auch Staub ab, der aber ebenso wie an den Aluminium-Blechen der MA nicht in den Absorber eindringen kann und bei Inspektionen leicht mittels Luftstrahl oder mit einem Besen entfernt werden kann. Die Anlage ist in Abb. 13.43 (b) schematisch dargestellt. In Abb. 13.43 (a) ist der Umlenk-Schalldämpfer bei der Montage zu sehen. Die Öffnung zeigt in die der Wohnbebauung entgegengesetzte Richtung. Die zwei Umlenkungen bewirken, dass die hohen geforderten Dämpfungen mit geringem Druckverlust (relativ große Spalte zwischen den Kulissen) erreicht werden [288, 289]. Zunächst waren im Schalldämpfer 2 (Abb. 13.43 (b)) 100 mm dicke mit Mineralwolle gefüllte und mit Glasvlies abgedeckte Kulissen eingebaut. Weil diese aber nach etwas mehr als einjährigem Betrieb eine dicke Staubschicht aufwiesen (Abb. 13.44) und bei der Reinigung beschädigt wurden, sind sie gegen gleich dicke Schaumstoff-Kulissen mit beidseitig verhautetem PU-Schaum ausgetauscht worden. Diese von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderte Maßnahme ist seit 1994 störungsfrei in Betrieb.
494 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.43. Prinzipskizze (a), Montage (b) und Anforderung (c) für den UmlenkSchalldämpfer der Entstaubungsanlage eines Akustikdecken-Herstellers (Odenwald Faserplattenwerk [284]
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen 495
Abb. 13.44. Bogen 2 des Umlenk-Schalldämpfers in Abb. 13.43 im Neuzustand (a) und nach 2-jährigem Betrieb (b) im Vergleich zu faseriger Auskleidung nach 1-jährigem Betrieb (c) [284]
d) Schornstein mit integriertem Schalldämpfer für die Abluft einer Mineralwolle-Produktionsanlage Die Mineralwolle wird nach dem Düsenblasverfahren hergestellt. Aus der Schmelze werden mit Druckluft feine Fasern in den so genannten Fallschacht geblasen. Dort werden sie mit einem öligen Bindemittel versehen und auf einem Förderband zur weiteren Verarbeitung aus der Anlage transportiert. Die Abluft des Fallschachtes (ca. 120 000 m3/h) wird in einem
496 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Wäscher entstaubt und mit einem zulässigen Reststaubgehalt über ein Saugzug-Gebläse mit Schalldämpfer in einen Stahlschornstein gefördert. Zwei solcher Anlagen werden parallel betrieben. Nachdem beide Anlagen nach etwa 20-jährigem Betrieb verschlissen waren und rekonstruiert werden mussten, sollten die bisher eingesetzten Dämpfer herkömmlicher Bauart mit Mineralwolle hinter Lochblech durch ein gegen Verschmutzung unempfindlicheres System, das leicht reinigbar ist, ersetzt werden. Die konventionellen Kulissen setzten sich nämlich regelmäßig so mit dem klebrigen Staub zu, wie Abb. 13.45 (a) zeigt. Das Auswechseln der Kulissen gegen neue war zudem durch Platzprobleme behindert, zeit- und kostenaufwendig. Es wurde daher ein Eckiger Innenzug nach Abschn. 10.3 in die Schornsteine eingebaut [290]. Die Dämpfer haben die in Abb. 13.45 (d) angegebenen Dämpfungen zu bringen. Diese Dämpfung wurde nach Vorversuchen an einem Schornsteinrohr von 1,8 m Durchmesser und 5 m Länge mit einem achteckigen Innenzug aus Plattenabsorbern (Abb. 13.46 (a)) erreicht, indem die beiden 37 m hohen Schornsteinanlagen mit einem Durchmesser von 1.6 m auf 20 m Länge mit solchen 8-eckig angeordneten Resonatoren zur Dämpfung der tiefen Frequenzen und mit 11 m langem Schornstein integrierten Schalldämpfers ist so gering, dass sich eine Energiekosten-Ersparnis von ca. 15 000 € pro Jahr für jede der beiden Anlagen ergibt. Auch die Investitionskosten konnten mit diesem neuen Konzept für beide Anlagen um ca. 40 T€ unter den veranschlagten Betrag für einen Schornstein mit separatem Schalldämpfer gesenkt werden. Dazu haben auch geringere Montagekosten beigetragen. Wie Abb. 13.46 (c) zeigt, wurde die Schornstein-Schalldämpfer-Einheit einfach durchs Dach eingelassen. Auch an noch größeren Anlagen für die Mineralwolle-Herstellung im großen Maßstab wurde diese Problemlösung mit gutem Erfolg eingesetzt: Abb. 13.47 zeigt z. B. den 34 m hohen Schalldämpfer-Schornstein für 600 000 m3/h feuchte Abluft mit 10 m Eckigem Innenzug und 6 m porösen Absorber-Kulissen bei ISOVER.
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen 497
Abb. 13.45. Alte faserige Kulissen im Fallschacht der Abluftanlage (a) und alter verschmutzter Schornstein (b); neuer Schornstein mit 8-eckigem Innenzug nach 3-jährigem Betrieb und Reinigung mit Wasserstrahl (c) und Anforderungsspektrum (d) [284]
498 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.46. Schornsteinelement mit 8-eckigem Innenzug (a, b) gemäß Teil 3 in Skizze (c); Montage in einem Stück (d) [284]
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen 499
Abb. 13.47. Schall dämpfender Schornstein mit 3.1 m Innendurchmesser und hermetisch abgeschlossener Auskleidung mit Kulissen-Kreuz beim Hersteller (a) und vor Ort (b) sowie fertig montiert (c, d)
13.6.5 Schalldämpfer für die Nassentstaubung in einer Düngemittel-Fabrik In einer hier einmal neu zu errichtenden Anlage zur Herstellung von Harnstoff-Ammonsulfat-Mischgranulat wird deren Abluft mit 163 000 m3/h in einem Nasswäscher gereinigt und über einen 20 m langen Schornstein mit 2 m Durchmesser ins Freie geleitet. Die Schall dämpfenden Einbauten
500 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
sollen wiederum aus Edelstahl bestehen, die für die mittleren und hohen Frequenzen zusätzlich benötigten porösen Absorber sollen unempfindlich gegenüber Wasser, Reststaub und das saure Fluid (ph-Wert ca. 4) sein. Der Druckverlust aller Einbauten soll unter 100 Pa bleiben. Da zwischen Wäscher und Schornstein, der die gereinigte Abluft in ca. 40 m Höhe emittiert, kein Platz für einen Schalldämpfer vorgesehen war, musste dieser in den Schornstein integriert werden. Für die Schall dämpfenden Einbauten stand von der Mündung nach unten eine Länge von nur 12.5 m zur Verfügung. Darunter befinden sich die lufthygienischen Messeinrichtungen, deren Funktion keinesfalls durch die Gleichmäßigkeit der Strömung beeinflussende Einbauten gestört werden darf. Damit aber durch die schalltechnischen Einbauten die Strömungsgeschwindigkeit und mit ihr der Druckverlust nicht unzulässig steigen, wurde der Schornstein im Bereich der Absorber im Durchmesser von 2 auf 2.3 m erweitert. Die für den Eckigen Innenzug zur Verfügung stehenden 8 m Länge reichten jedoch für die nötige Dämpfung noch nicht aus. Deshalb wurde zusätzlich ein ebenfalls 8 m langes Kulissen-Kreuz aus Platten-Resonatoren nach Abschn. 5.3 und [282] eingebaut. Für die Oktavbänder 250 bis 4 000 Hz wurde schließlich noch auf 4 m Länge Mineralwolle hinter Glasseidengewebe, Edelstahlwolle und Lochblech als Randverkleidung und KulissenKreuz zusätzlich eingebaut. In Abb. 13.48 erkennt man hinter den Ganzmetall-Dämpfern die zylindrische Lochblech-Abdeckung des mit dem Rechenprogramm nach [264] ausgelegten passiven Absorbers.
Abb. 13.48. Blick vom Schalldämpfer zur Mündung eines Schalldämpfer-Schornsteins für die Nassentstaubung bei der Düngemittelherstellung [292]
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen 501
Abb. 13.49. Ausbreitungsdämpfung Da (a) im Schalldämpfer von Abb. 13.48, gemessen in 1m-Schritten mit einem am Seil geführten Mikrofon (b)[292]
Zur Messung der Ausbreitungsdämpfung wurde durch einen der 4 Teilkanäle des ganzen Schalldämpfers ein Drahtseil gespannt, mit dem ein Mikrofon durchgezogen werden konnte. Bei Anregung mit rosa Rauschen wurde der Schallpegel vom Anfang des Schalldämpfers her in 1m-Schritten gemessen. Abbildung 13.49 (b) zeigt das Mikrofon kurz vor der Mündung
502 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.50. Wäscher und absorbierender Schornstein nach Abb. 13.48
des Schornsteins. Ganz hinten sind der schwarze Dodekaeder-Lautsprecher und der Drehtopf des Kontrollmikrofons zu erkennen. Die Ausbreitungsdämpfung ist in Abb. 13.49 (a) dargestellt. Der 8 m lange untere Teil des Dämpfers hat sein Wirkungsmaximum, wie geplant, bei 80 bis 160 Hz. Der 4 m lange obere Teil ergänzt die Dämpfung deutlich zu höheren Frequenzen. Die fertig installierte Anlage in Abb. 13.50 ist seit 1998 in Betrieb. 13.6.6 Reinigbare Rohr-Schalldämpfer für mit Staub beladene Abluft Der in Abschn. 7.3 beschriebene Resonator-Schalldämpfer mit 6 Hohlkammern (Abb. 7.6) fand zunächst Einsatz an einem Heizkraftwerk mit Kohlestaubverbrennung. Über einen 40 m hohen Kamin mit 0.45 m werden die Abgase, die nach Filterstufen noch mit Reststäuben versehen sind, mit einer Temperatur von 180°C und 10 m/s mit Hilfe eines Ventilators abgeleitet. Dank einer vorhandenen Kanalauskleidung mit faserigem Absorber dominieren tieffrequente tonale Geräusche, die den Grenzwert am Immissionsort weit überschreiten. Die akustischen Anforderungen (bis zu 25 dB Dämpfung zwischen 63 und 250 Hz) konnten mit dem
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen 503
Abb. 13.51. Rohr-Schalldämpfer nach Abb. 7.6 während der Fertigung (a) und an einer Abgasleitung von einer Blähgestein-Verarbeitung (b)
6-Kammer-Dämpfer, der am oberen Kaminende nachgerüstet wurde, erfüllt werden, wie Abb. 7.6 belegt. Um der Verschmutzung vorzubeugen, wurden Lochbleche mit 10 mm an Stelle der sonst üblichen 3 mm gewählt. So kann der Betreiber im Rahmen der jährlichen Wartungsarbeiten Lochbleche und Kammern mit einem Hochdruck-Dampfreiniger säubern. Abbildung 13.51 (a) zeigt den Dämpfer noch ohne Außenmantel, so dass
504 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
die Trennbleche und Lochbleche sichtbar sind, bei der Vorfertigung beim Hersteller (Niessing Stahlschornsteinbau) und Abb. 13.51 (b) den Einbau eines solchen Schalldämpfers in die Abgasleitung einer Anlage zur Herstellung von Blähgestein (Blähperlite) als beliebtem Zuschlagstoff für die Faserplatten z. B. in Unterdeckensystemen. 13.6.7 Schalldämpfer in Heizungsanlagen In dezentralen Heizungsanlagen und kleineren Blockheizkraftwerken BHKW für Wohn- und Bürogebäude liegen die Lärmerzeuger in unmittelbarer Nachbarschaft zu ihren Nutzern. Die hier dominanten Brenner- und Gebläsegeräusche gehen auf explosionsartige Volumenänderungen und turbulente Vermischungsvorgänge im Brennraum zurück. Für Wärmeleistungen zwischen 100 und 500 kW zeigt Abb. 13.52 (a) ein typisches Spektrum der Druckschwankungen im Verbindungsrohr zwischen dem Heizkessel und dem Kamin, das zu tiefen Frequenzen hin stark ansteigt. Insbesondere die tieffrequenten Pulsationen können in der Abgasleitung Hohlraum-Resonanzen nach Kap. 7, Gl. (7.6) und (7.8), anregen, die in den heute verbreitet eingebauten zylindrischen metallischen Innenzügen kaum gedämpft über die offene Kaminmündung abgestrahlt werden (Abb. 13.52 (b)). Man kann zwar, wie in Abschn. 13.5.4, Tabelle 13.3 beschrieben, davon ausgehen, dass diese Abstrahlung, wenigstens bei hohen Frequenzen, stark gerichtet erfolgt, s. Abb. 13.53. Aber anders als bei Industrie-Schornsteinen kann hier durch extreme Hanglagen und Mündungshauben dieser RichtwirkungsBonus ganz oder teilweise entfallen. Bei den besonders störenden tiefen Frequenzen ist er jedenfalls kaum vorhanden.
Abb. 13.52. Typischer Schallpegel im Verbindungsstück zwischen Wärmeerzeuger und Abgasleitung bei 100 bis 500 kW Heizleistung (a), Ausbreitungswege (rot) sowie Einflussparameter (blau) (b) [87]
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen 505
Abb. 13.53. Richtwirkung DI der Schallabstrahlung von der Schornsteinmündung bei einer Nennweite von 340 mm [87]
Die neuen Brenner-Technologien (so genannte Blau- oder Raketen-Brenner) konnten zwar die wärmetechnische Ausbeute von Öl und Gas wesentlich steigern. Sie haben aber ein inzwischen weit verbreitetes Geräuschproblem deutlich weiter verschärft. Abgas-Schalldämpfer sind daher auch bei kleinen Heizanlagen heute – wohl auch wegen eines allgemein gestiegenen Umweltbewusstseins und Anspruchsdenkens – heute fast regelmäßig erforderlich. Sie können hier aber nur selten an der Schornsteinmündung oder in der Abgasleitung selbst installiert werden. Sie müssen entweder auf konventionelle Weise zwischen Kessel und Leitung eingebaut oder, wie vom IBP zusammen mit seinem Lizenzpartner auf diesem Anwendungsgebiet (Kutzner + Weber) seit einigen Jahren propagiert, auch gleich in den Heizkessel integriert werden. Abbildung 13.54 (a) zeigt einen passiven Rohr-Schalldämpfer im Edelstahl-Gehäuse sowie (b) eine platzsparende und den Umlenk-Bonus für hohe Frequenzen nach Abschn. 13.2.7 nutzende Variante. a) Reaktive Rohr-Schalldämpfer In größeren BHKW hat sich der in Abschn. 7.3 beschriebene Resonator als Schallschutz-Maßnahme insbesondere gegen die tieffrequenten Brummtöne in der Praxis schon hier und da als nicht ganz billiger Problemlöser bestens bewährt. Seinem Einsatz muss am besten eine Analyse des jeweiligen Immissions-Spektrums vorausgehen, um seine Hohlkammern möglichst gut auf die störenden Frequenzanteile abstimmen zu können. Als
506 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Abb. 13.54. Passiver Rohr-Schalldämpfer (a), Umlenk-Schalldämpfer (b), SchlitzSchalldämpfer (c) sowie aktive und reaktive Schalldämpfer in Edelstahl-Gehäusen zum Einbau zwischen Heizkessel und Abgasleitung (d) (Fotos: Kutzner + Weber)
Serien-Produkt, das man sozusagen ab Lager bestellen kann, eignet er sich dagegen weniger. b) Aktive Resonanz-Schalldämpfer Die marktgängigen Rohr-Schalldämpfer, üblicherweise mit einer Mineralwolle-Füllung mit Auskleidungstiefen von kaum mehr als 5 cm, wirken nach Abschn. 4.2, Abb. 4.2, vor allem bei mittleren und hohen Frequenzen. Auch der in Abschn. 13.2.7 angesprochene Umlenk-Bonus kommt bei tiefen Frequenzen nicht recht zum Tragen. Da aber die fast immer sehr engen räumlichen Randbedingungen zwischen Kessel und Abgasleitung voluminösere oder längere Schalldämpfer meistens nicht zulassen, wurde ein Absorber entwickelt, der einen passiven Rohr-Schalldämpfer für hohe mit einem aktiven Abzweig-Resonator nach Abschn. 8.2 sowie zusätzlich bedarfsweise mit einem O/4-Resonator nach Abschn. 7.1 für tiefe Frequenzen kombiniert. Einen typischen Einbau eines solchen Kombi-Schalldämpfers zeigt Abb. 13.54 (d). Es versteht sich, dass das Aktiv-Modul durch ein mit einer temperatur- und kondensatbeständige Folie abgeschlossenes Kanalstück vom eigentlichen Abgasstrang getrennt bleibt. Dadurch ergibt sich eine Platz sparende Möglichkeit, die Dämpfung zu fast beliebig tiefen Frequenzen
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen 507
auszudehnen, indem man dieses komplexe Resonanzsystem mit seinen geometrischen, mechanischen und elektronischen Einstellparametern sehr breitbandig wirksam macht. c) Schlitz-Schalldämpfer in Heizkesseln In Abschn. 6.2 wurde ein Schlitz- oder Streifen-Absorber beschrieben, der allein mit den geometrischen Daten des Dämpfervolumens und dessen schallharter Teilabdeckung besonders gut auf mittlere Frequenzen (etwa 125 bis 500 Hz) abstimmbar ist. Eine Ausführungsvariante für Heizungsanlagen (Kutzner + Weber) ist in Abb. 13.54 (c) abgebildet. Bei entsprechend sorgfältiger akustischer Anpassung an die Quelle lässt sich damit ein sehr kompakter Schalldämpfer auch serienmäßig vollständig in den Heizkessel integrieren. Abbildung 13.55 zeigt in einem Schnitt-Modell, wie solche Schlitz-Absorber vor dem Auslassstutzen eines Kessels Platz sparend hinter der Brennkammer eingebaut werden und von dort eine Pegelminderung von immerhin ca. 8 dB(A) erzielen können.
Abb. 13.55. Schlitz-Absorber im Abgasweg (rot) des Brennraumes (a) und die mit diesem erzielbare Pegelminderung [292] (Foto: Viessmann)
508 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
13.6.8 Aktive Schalldämpfer in Raumklimageräten Eine ähnlich kompakte Integration des Schallschutzes wie in Abschn. 13.6.7 (c) wünscht sich natürlich auch der Hersteller von Lüftungs- und Klima-Aggregaten für den Einsatz in hochwertig ausgestatteten Arbeits-, Freizeit- und Wohnbereichen. Mit vielfältigen konstruktiven und strömungstechnischen Maßnahmen lässt sich deren Lärmemission schon unmittelbar an der Quelle und während der Entwicklung reduzieren. Trotz erfolgreicher Lärmminderung am Ventilator und der Luftführung bleibt aber gerade bei leistungsstarken Geräten ein Geräusch-Niveau, das für anspruchsvolle Kunden durch Schalldämpfer weiter verringert werden muss. Dabei geht es, wie so oft, um die tiefen Frequenzen, ein geringes Platzangebot und möglichst kleinen Druckverlust. Gleichzeitig dürfen weder die äußeren Abmessungen oder das Design der Geräte verändert noch die Kosten wesentlich erhöht werden. Zur Lösung dieses schwierigen, aber auch in anderen Geräten häufig anzutreffenden Konflikts wurde für eine Gruppe innovativer Klimageräte, z. B. für EDV-Räume, Telefonzentralen oder Museumssäle ein aktiver Absorber nach Abschn. 8.1 bis zur Serienreife entwickelt [82]. Wie Abb. 13.56 andeutet, wird in den Klimageräten die von oben aus dem Raum angesaugte Luft konditioniert und nach unten in einen doppelten Boden ausgeblasen. Wegen der akustisch abgekoppelten Ausblasseite ist also nur für die Ansaugseite ein kleiner Schalldämpfer-Aufsatz vorzusehen, allerdings mit vorgegebener Breite und Tiefe sowie minimaler Höhe. Das
Abb. 13.56. Schema eines Klimagerätes, das aus dem Raum ansaugt und in einen Zwischenboden ausbläst [82]
13.6 Ausführungsbeispiele innovativer Kanal-Auskleidungen 509
an einem repräsentativen Messpunkt vor dem Gerät gemessene Spektrum ohne Dämpfer (Abb. 13.57 (a)) veranschaulicht das tieffrequente Problem. Die Pegelspitze bei 200 Hz wird durch den Drehklang des Ventilators verursacht und als tonale Komponente besonders störend wahrgenommen. Den entsprechend ausgelegten Schalldämpfer mit einer Höhe von 300 mm zeigt Abb. 13.57 (b). Alle 9 gleich aufgebauten Kassetten arbeiten gegenüber einer dünnen porösen Schicht. Ihr Zusammenwirken mit diesen passiven Absorbern führt insgesamt zu einem breitbandig wirksamen Schalldämpfer, der auch das tonale Problem löst, s. Abb. 13.57 (a). Bei einer Luftleistung von nominal 9 000 m3/h verursacht dieser Dämpfer eine Drosselung von nur 3%. Die resultierende Geschwindigkeit von ca. 10 m/s zeigt, dass die aktiven Kassetten auch bei dieser Durchströmung gut funktionieren.
Abb. 13.57. Schalldruckpegel am Messpunkt von Abb. 13.56 (a) ohne (dünne) und mit (dicke Linie) den aktiven Schalldämpfern (b) [82]
510 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
13.7 Rück- und Ausblick auf Schall dämpfende Maßnahmen Die Belastung des Menschen durch Lärm steigt in fast allen Lebensbereichen – am Arbeitsplatz, – im öffentlichen und Freizeitsektor, – im Wohnbereich langsam aber stetig weiter an. In Zeiten knapper Ressourcen genügt es aber nicht mehr, diese bedauerliche Entwicklung nur zu beklagen, wie dies z. B. der Deutsche Arbeitsring für Lärmbekämpfung DAL (www.dalaerm.de) regelmäßig tut. Man muss vielmehr das Problem selbst ebenso wie praktikable Abhilfemaßnahmen quantitativ – und das heißt auch: finanziell – bewerten, damit sich ein entsprechendes Lärm-Bewusstsein entwickeln kann und wenigstens langfristig eine Trendwende möglich wird. Bisher erscheint Lärmschutz in der Öffentlichkeit ja eher als ein vernachlässigbarer Teil des Umweltschutzes, der hinter den stärker diskutierten Anstrengungen zur Reinhaltung von Wasser, Boden und Luft fast verschwindet. Dabei ließen sich die gesamtwirtschaftlichen Kosten des Lärms allein in Deutschland nach [293] auf über 15 Mia. €/a beziffern. Diese berücksichtigen neben den Kosten der Lärm-Schwerhörigkeit und lärmbedingten HerzKreislauf-Erkrankungen auch die „Zahlungsbereitschaft“ der Bevölkerung für Ruhe, aber nicht die anderen durch Lärm bedingten Gesundheitsschäden sowie Produktivitätsverluste am Arbeitsplatz. Die Zahlen verdeutlichen aber schon, dass es beim Schallschutz um einen Wirtschafts- und Umweltfaktor ersten Ranges geht. Allein der Gewerbelärm schlägt in seiner Nachbarschaft nach [293] mit rund 2.5 Mia. €/a zu Buche, obgleich sich nach Erhebungen des Umwelt-Bundesamtes nur 14% der Bevölkerung dadurch belästigt fühlt. (vgl. Abb. 1.1). Den Kosten der Lärmbelastungen werden in [293] Aufwendungen zur Vermeidung von Lärm der öffentlichen Hand von 0.15, des produzierenden Gewerbes von 0.3 und der privaten Haushalte von 1.4 Mia. €/a gegenübergestellt. Einschließlich Planungs- und Überwachungskosten würden demnach für Lärmbekämpfung nur knapp 2 Mia. €/a ausgegeben. Diese Zahlen sind aber viel zu niedrig geschätzt aus 3 Gründen: Verdeckte Lärmschutz-Kosten Für den Fabrikanten, der Prozessluft über Filter und Wäscher gereinigt in die Atmosphäre entlässt oder die Hallenluft in Entstaubungsanlagen zum Schutz der Menschen an den Arbeitsplätzen oder in der Nachbarschaft reinigt, dienen diese lufttechnischen Anlagen primär natürlich der Luftreinhaltung,
13.7 Rück- und Ausblick auf Schall dämpfende Maßnahmen 511
auch wenn diese wie alle anderen Anlagen strengen Lärmschutz-Auflagen genügen müssen. Wenn aber 10 bis 20% der notwendigen Investitionen für eine dem Umweltschutz dienende Anlage und ein wesentlicher Teil der laufenden Betriebskosten eigentlich dem damit verbundenen Lärmschutz zuzurechnen sind, dann wird klar, dass wohl erheblich mehr als 10% der UmweltKosten verdeckt letzterem gelten, vgl. Abb. 13.39. Kosten für Maßnahmen an den Lärmquellen Primär an lauten Maschinen und Anlagen durchgeführte Maßnahmen zur Geräuschreduktion sind sekundären (Kapselungen, Schirmungen) immer vorzuziehen, weil sie am nachhaltigsten wirken. Die oft sehr hohen Entwicklungskosten für lärmarme Produkte, die dann u. U. mit einem entsprechenden Gütesiegel (Abb. 13.58) als zusätzlichem Verkaufargument auf den Markt gebracht werden, erscheinen aber in keiner Statistik als Lärmschutz-Kosten, weil sie nicht so sichtbar werden wie andere auf dem Ausbreitungsweg zwischen Sender und Empfänger.
Abb. 13.58. Vom Umweltbundesamt vergebenes „Umweltzeichen“ für lärmarme Produkte und Verfahren
Energiekosten durch Schalldämpfer Es gibt viele Geräte, z. B. Ventilatoren, Pumpen und Kompressoren, die sich primär – z. B. durch konstruktive Maßnahmen an den Laufrädern oder Wahl der Drehzahl – nur um vielleicht 3 bis 6 dB lärmmindern lassen. Trotz ihrer extrem niedrigen akustischen Wirkungsgrade emittieren sie bei Nennleistungen von z. B. 10 MW Schallleistungen entsprechend 130 dB(A) (Abb. 13.28), so dass häufig Schalldämpfer mit De > 40 dB in die angeschlossenen Kanäle oder an die Ansaug- oder/und Ausblasöffnungen gebracht werden müssen, um bestimmte Immissions-Richtwerte einhalten zu können. Deren Energie- und Wartungskosten können – über die ganze Lebensdauer der Anlage betrachtet – die zunächst immer im Vordergrund stehenden Investitionskosten für diesen zusätzlichen Schallschutz oft um ein Vielfaches übersteigen.
512 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Dies soll hier am Beispiel des Kühlturms des Atomkraftwerkes AKW Neckarwestheim (Abb. 13.59) einmal explizit vorgerechnet werden: Das dem Neckar in großen Mengen entnommene Kühlwasser muss nach seiner grob mechanischen Vorreinigung und dem Durchlaufen des Kühlkreislaufes im Kraftwerk vor seiner Rückführung rückgekühlt werden, damit die Abwärme des AKW (ca. 2 500 MW) nicht den Fluss umweltschädlich aufheizt, sondern einigermaßen umweltverträglich an die Luft abgegeben wird. Dies geschah in älteren Anlagen in einem hoch aufragenden NaturzugKühlturm, der hier an einer Neckarschleife zwischen lieblichen Weinbergen aber die Landschaft arg verschandelt hätte. Deswegen wurde Mitte der 80er-Jahre mit schalltechnischer Beratung, Messung und Prüfung durch das Fraunhofer IBP ein so genannter Hybrid-Kühlturm errichtet, der mit einer
Abb. 13.59. Schnittzeichnung (a) und Ansicht (b) des Hybrid-Kühlturmes des Kernkraftwerkes Neckarwestheim [294]
13.7 Rück- und Ausblick auf Schall dämpfende Maßnahmen 513
Höhe von nur 51 m und einem Durchmesser von unten 160 und an seiner Mündung von 37 m flach in die Landschaft eingebettet ist, s. Abb. 13.59 (b). In einem „Tropfenabscheider“ ca. 17 m über dem Boden wird das Wasser gleichmäßig versprüht. Jeweils 44 auf einem Ring mit 120 m Durchmesser radial angeordnete Axialgebläse sorgen im unteren Nassteil mit einer Antriebsleistung von 44 u 190 kW und im oberen Trockenteil mit 44 u 255 kW für die Zufuhr von maximal 56 000 m3/s kalter Luft aus der Umgebung und für den nötigen Auftrieb der aufgeheizten Luft im Kühlturm. Mit insgesamt 20 MW nimmt diese Maßnahme zur optischen Schonung der Umwelt also bis zu 1.6% der gesamten Kraftwerks-Nettoleistung von 1 225 MW in Anspruch. Die Gebläse emittieren bei einem angenommenen akustischen Wirkungsgrad
KA
PA Pel
2 10 6
(13.35)
einen A-bewerteten Leistungspegel LWA | 136 dB(A). Eine grobe Abschätzung nach Gl. (3.19) führt an einem vorgegebenen Immissionsort in 800 m Entfernung unter Berücksichtigung einer Ausbreitungsdämpfung von insgesamt Di | 7 dB zu einem Druckpegel Li | 60 dB(A). Damit der in dem reinen Wohngebiet einzuhaltende Teil-Immissionspegel von 30 dB(A) eingehalten werden kann, müssen Schall dämpfende Maßnahmen also einen Wert De | 30 dB erbringen, natürlich abhängig von ihrer Lage zum Immissionsort und unter Berücksichtigung der Abschattung durch den großen Diffusor, so wie dies durch DI in Gl. (13.19) zum Ausdruck kommt und detailliert in [294, 295] untersucht wurde. Die entsprechend ausgelegten Kulissen-Schalldämpfer mit Mineralwollefüllung spannen eine Querschnittsfläche von insgesamt fast 20 000 m2 in den 4 in der Schnittzeichnung von Abb. 13.59 (b) schraffierten Bereichen auf. Mit den Angaben des Herstellers für 9, U, qV und vs sowie der Annahme für K = 0.85 nach Tabelle 13.2 lassen sich auch die energetischen Kenndaten der einzelnen Schalldämpfer-Komplexe abschätzen: – Nassteil-Zuluft Saugseite (44 Felder mit B = 9.5 m, H = 8.75 m) ] = 0.38, U = 1.24 kg m3, qV = 22 200 m3 s1, vs = 12 m s1, Nel = 887 kW – Trockenteil-Zuluft Saugseite (44 Felder mit B = 9.5 m, H = 8.75 m) ] = 0.29, U = 1.24 kg m3, qV = 24 000 m3 s1, vs = 13 m s1, Nel = 866 kW – Trockenteil-Abluft Druckseite (44 Felder mit B = 7.6 m, H = 10 m) ] = 0.34, U = 1.17 kg m3, qV = 24 000 m3 s1, vs = 13.3 m s1, Nel = 994 kW – Nassteil-Abluft Druckseite (Fläche mit 9 500 m2 über Tropfenabscheider) ] = 0.28, U = 1.14 kg m3, qV = 24 100 m3 s1, vs = 6.3 m s1, Nel = 180 kW
514 13 Innovative Kanal-Auskleidungen
Mit insgesamt fast 3 MW sind also etwa 15% der Ventilatorleistung und damit 0.24% der Kraftwerksleistung zur Überwindung der Druckverluste in den Schalldämpfern notwendig geworden. Bei einer Verfügbarkeit der Anlage von angenommen P | 0.75 verbrauchen diese nach Gl. (13.26) fast 20 Mio. kWh/a. Wenn man die damit verbundenen Energiekosten, sozusagen an der Quelle, mit nur 0.08 €/kWh veranschlagen würde, schlügen diese nur der akustischen Schonung der Umwelt dienenden Betriebskosten mit ca. 1.5 Mio. €/a zu Buche. In nur wenigen Jahren dürften damit die laufenden Energiekosten die einmaligen Investitionskosten schon erheblich übertroffen haben. Wenn die Anlage, im Rahmen des politisch vereinbarten Atom-Ausstiegs, in Kürze abgeschaltet wird, haben die Schalldämpfer überschlägig 400 Mio. kWh verbraucht und die Stromkunden 32 Mio. € (ohne Investitionen und Wartung) gekostet. Dafür hätte man etliche Anlieger auch anders entschädigen können. Man kann auch ganz grundsätzlich fragen: Wie aufwändig – und wiederum umweltbelastend – darf eine Schallschutz-Maßnahme sein, wenn, wie in diesem Beispiel, nur eine kleine Zahl von Betroffenen entlastet, sehr viele aber wegen der damit verbundenen hohen Investitions-, Betriebs- und Umweltkosten direkt oder indirekt belastet werden? Wenn eine solche oder ähnliche Anlage aber neu mit Schalldämpfern auszustatten wäre, würde man wohl nicht mehr 700 to Mineralwolle, 540 to Aluminium und 40 to Stahl zum Einsatz bringen wie in dem obigen Beispiel. Grundsätzlich sind bei der Auslegung von Kulissen-Dämpfern folgende Regeln zu beachten: a) Zur Erzielung hoher akustischer Wirksamkeit Kulissen nicht eng zusammenstellen, sondern mit größerem Abstand lieber etwas länger bauen! b) Auch für tiefe Frequenzen Kulissen möglichst schlank bauen! (Diesem Prinzip kommen die Resonanz-Absorber nach Abschn. 5.3 und 6.3 entgegen) c) Bereits in der Planungsphase ausreichend Raum für Schalldämpfer vorsehen! (Später irgendwo eingezwängte Dämpfer führen regelmäßig zu überhöhten Druckverlusten.) d) Kulissen in die Wartungsarbeiten einbeziehen! (Wenn sie leicht zugänglich oder gar herausnehmbar sind, lassen sie sich regelmäßig reinigen.) Hier liegt eine Herausforderung an beratende Ingenieure: Sie sollten nicht nur Pegelminderungen an den relevanten Immissionsorten fordern und Einfügungsdämpfungen für Schalldämpfer an den Anlagen festschreiben. Sie könnten dem Betreiber und der Umwelt darüber hinaus helfen, wenn sie in ihren Gutachten auch Angaben über die zu erwartenden Druckverluste machen würden. Nur wenn man dem Betreiber die jeweiligen Betriebskosten
13.7 Rück- und Ausblick auf Schall dämpfende Maßnahmen 515
deutlich gegenüberstellen kann, lässt er sich vielleicht von der Notwendigkeit einer erforderlichen Baugröße der Schalldämpfer überzeugen. Mit ihrer eigenen Arbeit haben Autor und Fraunhofer IBP zusammen mit den jeweiligen Industriepartnern bereits einiges zur Einführung innovativer Kanal-Auskleidungen (Kap. 13) und Akustik-Prüfstände (Kap. 12) beizutragen versucht. In beiden Anwendungsfeldern hat geholfen, dass die Neuerungen nicht mehr sondern weniger kosten, wenn man nur alle Kosten in die Kalkulation einbezieht. Dasselbe Prinzip wird zwar auch bei den innovativen Auskleidungen von Aufenthaltsräumen (Kap. 11) verfolgt; die finanziellen Vorteile sind aber dort nicht so leicht zu beziffern, weil sich akustische Behaglichkeit und ihre Auswirkungen auf Produktivität und Gesundheit nicht so einfach quantifizieren lassen wie Energiekosten und Raumbedarf. Wenn man aber den globalen Markt für Schallabsorber und -dämpfer insgesamt betrachtet, dann stehen alle an diesem Innovationsprozess Interessierten doch erst am Anfang eines Weges voller Widerstände von den lieber im Konventionellen Verharrenden.
Nachwort
Das Buch „Schallabsorber und Schalldämpfer“ gibt einen aktuellen Überblick über Akustik-Bauteile, die heute zur zeitgemäßen Gestaltung des Lärmschutzes und der akustischen Behaglichkeit zur Verfügung stehen. Nicht jeder Leser ist wohl in der Lage, daraus seine individuelle Problemlösung abzuleiten und selbst schalltechnische Maßnahmen zu ergreifen. Wenn es nur um die Anwendung konventioneller Materialien und Bauteile nach den „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ geht, so kann er sich von bewährten Beratungsbüros vor Ort, z. B. unter www.vbi.de unter planerdatenbank zu finden, fachlich helfen lassen. Werden alternative Lösungen mit innovativen Produkten notwendig oder angestrebt, die noch nicht überall ihren Niederschlag in den einschlägigen Normen und Richtlinien gefunden haben, so kann der Leser sich direkt an die jeweiligen Hersteller, Lizenznehmer und Umsetzer auf den hier behandelten Anwendungsfeldern wenden, die sich mit Ihrem individuellen Firmen-Profil und Lieferprogramm im Anhang des Buches vorstellen: Renz System-Komplett-Ausbau GmbH, Aidlingen
Deutsche Telekom Immobilien und Service GmbH, Stuttgart Akustik & Raum AG, Wangen b. Olten Nimbus Design GmbH, Stuttgart Odenwald Faserplattenwerk GmbH, Amorbach <[email protected]> FAIST Anlagenbau GmbH, Krumbach Kutzner + Weber GmbH, Maisach Nießing Anlagenbau GmbH, Borken-Marbeck SCHAKO Klima-Luft Ferdinand Schad KG, Messkirch
518 Nachwort
HEAD acoustics GmbH, Herzogenrath DataKustik GmbH, Greifenberg Das Fraunhofer IBP, aus dem viele der hier beschriebenen neuen Konzepte und Prototypen hervorgegangen sind, bietet sich zur Erforschung noch ungelöster Probleme als Partner an. Da der Autor selbst, seit seinem Ausscheiden im Jahre 2005, im Institut nicht mehr erreichbar ist, kann der interessierte Leser sich auch unmittelbar über an ihn wenden. Über zukünftige Innovationen werden in bewährter Weise u. A. die Zeitschriften „Bauphysik“ und „Lärmbekämpfung“ berichten. Forscher, Entwickler und Anwender können so die im Vorwort angesprochene Plattform Innovative Akustik PIA ständig erweitern und dem vorliegenden Buch den Charakter als „work in progress“ auch für seine dritte Auflage erhalten. Die große, bisher allgemein unterschätzte, Bedeutung der tiefen Frequenzen zieht sich wie ein roter Faden durch dieses Buch. Besonders im Kap. 11 führt dieser zur Entwicklung neuer Konzepte und Problemlösungen. Mit der Umsetzung seiner alternativen Ansätze in die Praxis des Lärmschutzes und der akustischen Behaglichkeit fühlt sich der Autor zwar erst am Anfang. Er möchte aber auch das noch Unfertige den fachkundigeren Kollegen zur Diskussion vorlegen, getreu einem Leitspruch seines verehrten Lehrers L. Cremer in den Vorbemerkungen zu [51]: „Obschon wir zur Zeit noch keineswegs den erstrebten Gipfel, der eine Übersicht bieten würde, erreicht haben, lohnt es, einmal auf dem Weg zu ihm den heutigen Stand der Erkenntnis festzuhalten.“ Im gleichen Sinne können auch Korrekturen und Anregungen zum bisher vorgelegten Text wirken, zu denen Autor und Verlag deshalb jeden Leser ausdrücklich ermuntern möchten.
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Sachverzeichnis
O O/2-Resonator 81 O/4-Resonator 78
1 1-Achs-Prüfstand 366, 370
A A-Bewertung 6 Abgasgeräusch 95 Abgas-Schalldämpfer 505 Abhörraum 294, 395 Abklingzeit 312 Ablagerung 37, 80, 195, 435, 448, 478, 486 Abrieb 36, 325, 342, 351, 388, 448 Abriebfestigkeit 409 Abrollgeräusch 380 Abschirmung 5, 27, 39 Absorber 15–28, 35, 29–38, 130, 324 Absorbervolumen 353 Absorbierende Möbel 130 Absorptionsfläche 5, 17, 18, 20, 23, 26, 184 Absorptionsgrad 12, 16, 22, 29, 32, 34, 43, 44, 111, 149, 151, 200, 332, 347 Absorptionsklasse 181 Absorptionskoeffizient 19 Abstandsmaß 5 Abstrahlwinkel 470 Abzweig-Resonator 79, 95, 506 acoustic monitoring 320 Aeroakustik-Windkanal 322, 416, 431
Aerodynamik-Windkanal 431 Aggregate-Prüfstand 372, 386, 400, 428 Akademie der Künste 204 Aktiver Resonator 100 Akustik-Decke 114, 181, 191, 220 Akustik-Prüfstand 126, 320, 321 Akustik-Putz 104, 196, 201, 202 Akustik-Verkleidung 205 Akustik-Windkanal 36, 321, 326 Akustische Grenzschicht 38, 107, 124 Akustische Transparenz 21, 185 ALFA 3, 322, 473, 488 Allrad-Prüfstand 366 Allrad-Rolle 372 Allrad-Rollen-Prüfstand 368, 381, 400 Alternativer Faserfreier Absorber 3, 322, 473, 488 Analyserolle 383 Anlagengeräusch 329, 459 Anpassung 30, 441 Anpassungsgesetz 16 Anpassungsverhältnis 30, 441, 445 Antidröhn 52 Antischall 87 Antriebsgeräusch 380 Antriebskonzept 388 Arbeitsbedingung 236, 257, 259, 266 Artikulation 152, 239 ASA 134 Asymmetrisch Strukturierter Absorber 134, 322, 346 Auditorium 146, 152, 258, 279
538 Sachverzeichnis
Auffänger 321, 326, 362, 410 Ausbreitungsdämpfung 467, 502 Ausbreitungskonstante 67 Ausbreitungs-Korrektur 335 Ausbreitungsweg 2, 5, 25, 504 Außengeräusch-Messhalle 366, 372, 375, 379, 400, 429 Außenlärm 23 Ausstellungsverhältnis 438, 449 Autopilot 375 Axial-Mode 57
B Baffel-Absorber 196 Balance 21, 154, 247, 275 Bauteil-Resonanz 24 Bearbeitungsraum 294 Behaglichkeit 185, 238, 270, 299, 515 Belastungsmaschine 388 Berührungsschutz 33, 63 Beschallung 199, 204, 233 Beschallungsanlage 201 Besprechungsraum 217 Betriebskosten 453, 491, 511, 514 Beurteilungs-Pegel 235, 242 Bewetterungsanlage 474 Bezugskurve 150, 182 Biegesteife 49 Biegewelle 54 BKA 128, 389 Blähton 38 Blockheizkraftwerk 504 Boden-Einfluss 321, 404, 407 Brandschutz 36, 72, 213, 365, 367 Breitband-Absorber 230, 341 Breitband-Kompaktabsorber 131, 134, 187, 220, 226, 322, 345, 365, 410, 428 Brillanz 239, 254 Brummton 471, 491 Brüstung 195, 256, 271, 273 Bühnen-Dekoration 144 Bühnenraum 280 Bühnenturm 269, 281
Bündelungsmaß 20 Büro-Immobilie 238 Büroraum 218
C Cocktailparty-Effekt 165 Computersimulation 273, 276 cut-on-Frequenz 83, 450
D Dämmung 6, 79, 150, 391 Dämmungseinbruch 23 Dämpfende Schornstein-Innenzüge 134 Dämpfungskonstante 19 Decken-Reflektor 275, 277 Deckmembran 73, 344, 477, 481 Denkmalschutz 201, 203, 229, 244 Deutlichkeit 154, 158, 278 Deutlichkeits-Maß 156, 164 Deutsches Historisches Museum 199 Dienstleistungszentrum 176, 235 Diffusfeld 20 Diffusität 38, 312 Diffusor 59, 258, 307 Direktschall 20, 154, 156, 183 Dodekaeder-Lautsprecher 405 Drehklang 491, 509 Drehkolben-Gebläse 489 Drehmikrofon 314, 462, 472 Dröhnen 3, 21, 219, 243, 244, 252, 254, 291 Druckfestigkeit 39 Druckkammer 8 Druckkammer-Lautsprecher 405 Druckschwankungen 328 Druckverlust 77, 452, 491, 514 Druckverlust-Koeffizient 453 Durchgangsdämpfung 415, 467 Durchhörbarkeit 156, 186 Durchstrahlung 25, 451, 453 Durchzugsmessung 467, 468 Dynamik 150, 186, 240, 263, 278
Sachverzeichnis 539
E Early Decay Time 149 Echo 17, 154, 199, 227, 275 Echobildung 231 Echowirkung 145 Eckiger Innenzug 135, 484, 500 Edelstahlwolle 37, 500 Eichensaal 203 Eigenfrequenz 7, 9–12, 49, 52, 54, 56, 246, 313 Eigengeräusch 324, 340, 364, 417, 431, 451 Eigenresonanz 6, 11, 19, 52, 131, 187, 289, 334, 344 Einbauvolumen 438, 475 Einfügungsdämpfung 25, 84, 438, 465 Eingehülltsein 157 Einzahl-Angabe 6, 23, 150 EIZ 135 Elastizitätsmodul 49, 52 Emissions-Grenzwerte 2 Emissionskontrolle 2 Emissionsmessung 333 Emissions-Spektrum 5, 470 E-Modul 135 Empfangsraum 23, 316, 391, 400 Energiekosten 137, 146, 436, 456, 491, 496, 511, 514 Engineering Method 342 Ensemble-Musizieren 21, 239 Entstaubungsanlage 492 Erlebnisbad 211 Ersatzschaltbild 89 Erschütterung 75, 77, 435, 474, 483 Expansionskammer 79
F Fabrikhalle 129, 229, 232 Fahrtwindgebläse 375, 383 Fahrtwind-Simulation 369 Fahrzeugbefestigung 383 Fahrzeug-Bodengruppe 391 Fahrzeug-Geräusche 324 Fahrzeugkühlung 375, 383
Faser-Durchmesser 107 faserfreie Technik 103, 351 Faserfreiheit 213 faserige Technik 104 Faser-Keile 338 Faserplatten-Herstellung 491 Faserstärke 37 Faservlies 33, 63, 428 Fehlanpassung 16 Fehllenkung 145 Feinstruktur 146, 174 Fenster-Prüfstand 372, 391, 400 Fernfeld 331 Flachabsorber 432 Flächenbezogene Masse 42 flacher Raum 187 Flatterecho 204 Fluglärm 1 Fokussierung 276 Folien-Absorber 42, 47, 50, 213, 217, 304, 336 Freifeld 5, 8, 14, 153, 327, 352, 432 Freifeld-Bedingung 320, 428 Freifeld-Raum 19, 23, 31, 311, 324, 426 Freizeithalle 208 Fremdgeräusch 240, 294, 335 Fremdgeräusch-Korrektur 335 Frequenzbegrenzung 166, 244 Frequenzparameter 441 Frequenz-Verstimmung 43
G Gaststätte 176 Gaze-Strumpf 325 Geblähter Baustoff 38 Gehörschutz 21, 239, 242 Genauigkeitsklasse 327, 352, 359, 428 Geschwindigkeitsbereich 324 Gestühl 204, 278 Gewerbelärm 510 Gitterrost 356 Glasfassade 192, 194, 196, 207 Glasfenster 231
540 Sachverzeichnis
Glaskabine 221 Glasschaum 27, 38, 435 Grenzfrequenz 9, 10, 330, 353, 355 Grenzkurve 294 Grenzschichtdicke 19, 106, 124 Grobplanung 270 Grobstruktur 145, 264, 274 Großraumbüro 128, 151, 176 Grunddämpfung 12, 60, 282, 314, 395 Grundgeräusch-Pegel 179, 286 Grundton-Bereich 158 Gütegemeinschaft Schalldämpfer 456, 465
Hör-Studio 395, 400 Hüllfläche 328, 335, 427, 481 Hüllflächen-Verfahren 389
I Immissions-Pegel 25 Immissions-Richtwert 470, 511 Impedanz 10, 16, 48, 94, 96, 122, 136 Impedanz-Kanal 55 Impulsantwort 154–156, 263, 307 Innengeräusch 320, 383 Interferenz 334, 377, 403, 406 Interferenz-Dämpfer 77
H
K
Halbfreifeld 327 Halbfreifeldraum 320, 427 Halbwertsbreite 291 Hallfeld 9 Hallkammer 11 Hallradius 20, 21, 184, 215 Hallraum 12, 59, 149, 312, 313, 395, 457, 465 Hauptvorhang 269 headset 236 Heizkraftwerk 502 Heizstab 461 Heizungsanlage 95, 504 Helmholtz-Resonator 45, 63, 66, 68, 83, 106, 345, 474 Hohlkammer 73, 80, 81, 95, 502, 505 Hohlkammer-Resonator 77, 109, 474 Hohlraum-Resonanz 64 Holzschnitzel 37 Holzvertäfelung 204 Hörfläche 158 Hörgerät 170 Hörposition 307 Hörsaal 176, 229 Hörsamkeit 126, 141, 174 Hörschwelle 158, 170, 242 Hörschwellen-Verschiebung 179
Kammfilter 349 Kammfilter-Effekt 306, 349 Kantine 191, 220 Kapselung 5, 26, 39 Kassettierung 52, 72, 135 Keil-Absorber 134, 324, 361 Kellergewölbe 243 Kennwiderstand 108, 110 Kfz-Typprüfung 380 Kirche 143, 146, 205 Klangbild 156, 246, 253, 319 Klangverfärbung 249, 254, 292 Klarheit 17, 21, 154, 226, 278 Klarheits-Maß 156, 252, 259, 261, 262, 265, 285 Klassenzimmer 176, 185, 217 Kleinaggregate-Prüfstand 366 Kleinprüfstand 462, 463 Klimaanlage 234, 259, 294 Klimagerät 91, 508 Kloster Bronnbach 225 Kohlenstaub 475 Kokosfaser 37 Kollektor 411, 413, 419 Kombinationston 167 Kommunikation 2, 21, 162, 174, 183, 186, 204, 208, 218, 230, 235, 258 Kommunikative Nutzung 176 Kompakt-Absorber 10, 128, 201, 237
Sachverzeichnis 541
Kompakt-Schalldämpfer 322 Konferenzraum 176, 179, 201, 217, 235 Konsonant 158 Konzert 272, 282 Konzertzimmer 271, 281, 282 Körperschall 15, 293, 442, 449, 483 Körperschall-Isolierung 75, 339 Körperschall-Prüfstand 366 Kreisform 269 Kühlturm 512 Kulissendicke 444 Kulissen-Kreuz 499, 500 Kulissenspalt 467 Kunstkopf 157, 287 Kunstkopf-Stereophonie 287 Künstlicher Mund 157 Kunststoff-Folie 45, 49, 123, 473
L Lärmarmes Produkt 511 Lärm-Dosis 240 Lärmemission 319 Lärmkosten 510 Lärmminderung 511 Lärmminderung an der Quelle 5 Lärmpegel 213 Lärmzulage 233 Laufband 420 Lautheits-Spirale 185 Lautstärke 151, 236, 239, 258, 263 Lavagestein 39 Lichthof 204 Licht-Reflexion 342 Lochblech 33, 84, 105, 341, 448 Lochblech-Käfig 325 Lochflächen-Absorber 63, 106, 107 Lochflächen-Verhältnis 33, 64, 124 Loch-Membran 73 Lochplattenabdeckung 33 Logatom 170 Lombard-Effekt 20, 173, 236, 242 Lüftungsdecke 380 Lüftungszentrale 436
M Marktdurchdringung 433 Maskierung 21, 252 Masse-Feder-Resonanz 49, 50, 54 Masse-Feder-System 43, 70, 88 Massegesetz 24 Mehrkanal-Wiedergabe 289, 291, 293 Mehrpersonen-Büro 20, 129, 176, 231, 237 Mehrzweckraum 204, 225 Membran-Absorber 36, 72, 127, 243, 245, 290, 295, 322, 341, 343, 345, 474, 475, 478, 490 Messbahn 215, 376 Messfläche 334, 358 Messkabine 337, 428 Messpfad 390, 465 Messquader 376 Messraum 22, 310, 324, 333, 432 Messvolumen 328, 336, 422 Messwarte 342, 362, 377, 419, 421 Metall-Membran 45 Mikrofon-array 391 Mikrofon-Messwagen 405 Mikroperforierte Absorber 103 Mikroperforierte Folie 198, 309 Mikroperforierter Folien-Absorber 223 Mineralfaser 32, 37 Mineralfaser-Keile 321, 325, 347 Mineralfaser-Produktionsanlage 486 Mineralwolle-Produktionsanlage 495 Mittelkulisse 438 mittlere freie Weglänge 145 Modalfeld 10 Modell-Untersuchung 155, 282, 321, 328, 340 Moden-Dämpfer 98 Moden-Felder 149 Modul-Bauweise 360 Motoren-Prüfstand 322, 351, 372, 386, 400
542 Sachverzeichnis
Oberton 168 Oblique-Mode 57 Offene Bürolandschaft 188, 221, 231 Offenporiger Schaumstoff 35 Office Innovation Center 197, 220 Oper 272, 284 Orchesteraufstellung 266 Orchestergraben 21, 185, 239, 246, 251, 278
Pegelabnahme 19, 357, 378, 401, 469, 473 Pegelabnahme-Prüfung 389, 390 Pegelsenkung 19, 213 Pegelverteilung 8, 152, 283 Perforationsgrad 68 Piening’sche Formel 25, 137, 440, 444 Pilz-Schalldämpfer 326, 459 Platten-Absorber 50, 136 Platten-Resonanz 54 Platten-Resonator 41, 48–50, 54, 73, 206, 344, 345, 484, 500 Platten-Schwingung 53 Plattform Innovative Akustik 425 Platz-Faktor 162 Plenarsaal 17, 193, 194, 196, 205 Plenum 193, 325, 326, 351, 409, 411, 416, 419 Pneumatikschiene 462, 467 Poisson-Zahl 49 Porenbeton 38 Porengröße 37, 107 Porenradius 108 Poröser Putz 35 Porosität 29, 38, 478 Portal-Reflektor 274 Präzisionsmessung 320, 427 Precision Method 327, 342 Primär-Struktur 145 Probenraum 125, 258 Produktionsstudio 294, 305 Produktivität 235, 238, 266, 510, 515 Projektionsfläche 61, 129, 220, 228, 231, 302 Proszenium 270, 274 Prüföffnung 391 Puffervolumen 81
P
Q
Papiermaschine 480 Passiver Absorber 29 Pegelabfall 148, 232
Qualitätssicherung 457 Quellenanalyse 375 Quellenanordnung 334
MPA-Flächengebilde 119 MPA-Folien 115, 207 MPA-Platten 108, 228 MPA-Rollo 231 MPA-Unterdecke 114, 221 Mündungs-Korrektur 33, 73, 79, 109, 124 Musikaufnahme 244 Musikdarbietung 176, 308
N Naben-Schalldämpfer 364, 409, 414, 415, 468 Nachbarschaftslärm 2 Nachhall 125, 126, 147, 149, 162, 244, 263, 270 Nachhall-Faktor 162 Nachhallzeit 12, 22, 129, 146, 148, 177, 188, 226, 259, 283 Nachklingzeit 11, 131 Nahfeld 183, 331 Nahfeldholografie 391 Nassentstaubung 500 Nebenweg 442, 449 Noise-Rating 293 Nutz-Energie 167 Nutzenergie-Faktor 162
O
Sachverzeichnis 543
R Randeinspannung 52 Randfeld 331, 343 Randkulisse 438 Rauchgas-Reinigungsanlage 475 Raum-Akustik 139, 190, 253, 371 Raumakustische Anforderung 173 Raumakustische Gestaltung 18, 242, 258 Raumbedarf 2, 61, 128, 348, 435 Raumbelüftung 375, 420 Raum-Eigenresonanz 24 Raumeignungsprüfung 314 Raumeindruck 154, 157, 215, 258, 276 Raumeinfluss 305, 310 Raum-in-Raum-Bauweise 293, 329, 371, 380 Raumklang 18 Räumlichkeit 157 Raum-Mode 10, 13, 20, 23, 57, 59, 132, 183, 187, 219, 222, 290, 331, 333, 347 Raum-Nutzungsgrad 353, 380, 428 Raumresonanz 99 Raum-Rückwirkung 19, 189, 337 Raumrückwirkungs-Korrektur 335 Referenzraum 9, 295 Reflektor 262, 266 Reflexionsarme Raumauskleidungen 132 Reflexionsarme Unterdecke 343 reflexionsarmer Abschluss 462 Reflexionsdämpfer 78 Reflexionsdämpfung 447, 450 Reflexionsfaktor 16, 17, 332, 348, 463 Reflexionsfreiheit 432 Reflexionsgrad 15, 78, 326 Regiefenster 17, 294, 306 Reibung 42, 108, 124 Reinigbarer Rohr-Schalldämpfer 82, 502 Reinigung 137, 352, 492 Reinigungsmöglichkeit 196
Reinraum-Bedingung 72 Reproduzierbarkeit 12, 22, 314, 320, 330 Resonanz-Absorber 49 Resonanz-Frequenz 42, 43, 52, 64, 109, 290 Resonanz-Überhöhung 75 Resonator-Kennwiderstand 42 Restaurant 188, 218 Richtungsfaktor 5 Richtungshören 246 Richtungswahrnehmung 158 Richtwirkung 25, 154, 471, 505 Rieselschutz 33 Ringdehnfrequenz 134 Rohbaukosten 361 Rohr-Schalldämpfer 74, 81, 452, 460, 505 Rohrschalldämpfer-Prüfstand 135 Rollen-Prüfstand 380 Rollgeräusch 372, 380 Rollgeräusch-Prüfstand 382, 400 Rückführbarkeit 39 Ruhepegel 240, 395
S Satz-Verständlichkeit 161 Schädliche Reflexion 17, 270 Schafswolle 37 Schalldämm-Maß 6, 23, 24, 78, 293, 315, 316 Schalldämpfer 2, 5, 25, 39, 66, 72, 80, 81, 92, 121, 131, 295, 338, 435 Schalldämpfer-Aufsatz 508 Schalldämpfer-Prüfstand 449, 457 Schallfeld 13, 314 Schallfeldverteilung 146, 400 Schallgeschwindigkeit 15 Schallkapsel 26, 76, 429 Schall-Konzentration 145, 146 Schallleistung 13, 311, 335, 470 Schalllenkung 262, 273 Schallschirm 27, 233, 237, 336 Schallschutz-Kabine 370
544 Sachverzeichnis
Schallschutztor 419 Schalterhalle 176, 229 Schaumstoff 37, 127, 131, 249, 300 Schauspiel 272 Schienenverkehr 2 Schirmhöhe 28 Schlagzeug-Konzert 244 Schlitz-Absorber 66, 68, 106, 507 Schlitzmembran 477, 481 Schluckgrad-Tabelle 17, 149 Schlüterhof 199, 310 Schmerzgrenze 158 Schneiden-Effekt 76 Schornsteinmündung 470, 505 Schuhkarton 146 Schulbau 185 Schule 218 Schulungsraum 217 Schulungszentrum 129, 229 Schwerpunkts-Zeit 157, 162 Seegras 37 Segel 196, 199, 241 Seiten-Reflektor 275 Seitenschall-Maß 158, 286 Seitenverhältnis 334 Seminarraum 176, 235 Senderaum 316, 391 Sichtverhältnis 269 Silben-Verständlichkeit 161, 163 Simulationsprogramm 125, 155 Sinus-Messung 408 Skelettschwingung 67 Sonden-Mikrofon 467 Sound Design 364 Sound Quality 320 Spaltgeschwindigkeit 452 Spandicke 37 Späte Reflexion 161 Speech Interference Level 150 Speisesaal 190 Spektrum-Anpassungswert 151 Spezifische Dämpfung 441 Spiegel-Quelle 331, 333 Sporthalle 118, 176, 208 Sprachdarbietung 152, 161, 176
Sprachkommunikation 176 Sprachrohr 269 Sprachverständlichkeit 3, 18, 105, 157, 158, 160, 174, 236, 301 Sprinkleranlage 356 Sprühbeschichtung 196 Spurweite 388 Standardabweichung 313 Staubfigur 53 Stehende Welle 16, 17, 125, 185 Stehwellenfeld 332 Stellwand 2, 196, 203, 226, 245, 249, 291, 309 Stichleitung 79 Stoffverkleidung 202, 203 Stopfdichte 34 Störabstand 164, 329 Störgeräusch-Pegel 148 Störpegel 150 Straßenmessung 376 Strömungsführung 131, 361 Strömungskanal 25, 72 Strömungswiderstand 29, 34, 52, 63, 104, 122, 135, 431, 445, 453 Struktur-Analyse 383 Strukturanalyse-Prüfstand 366 Strukturfaktor 29 Strukturierte reflexionsarme Auskleidung 345, 374 Substitutionsverfahren 465 Subwoofer 11, 291, 395 Systemwand 128, 237
T Tagungsraum 176, 201 Talkshow 308 Tangential-Mode 57 Telefonie-Schalldämpfer 462 Temperaturbeständigkeit 39 Temperatur-Modul 460 Teppich 243, 249, 267 Test-Belag 385 Test-Schallquelle 153, 215, 402, 420, 421
Sachverzeichnis 545
Tiefen-Absorber 11, 22, 24, 43, 61, 254, 337 T-Labor 171 Tonbearbeitungsraum 304 Tonnengewölbe 243 Tonstudio 218, 287 Transferimpedanz 99, 137 Transmissionsgrad 33, 231 Transparenz 128, 205, 235, 252, 258, 263, 278, 303 Trapez-Diagramm 440 Traversiergerät 340, 343, 411, 421
U Übergangsstück 460 Überhang 252, 255–257 Übertragung 6, 154, 247, 258, 274 Übertragungsfunktion 7, 93, 287, 299, 301, 313, 397 Übertragungskette 288 Übertragungstechnik 287 Übertragungswagen 291 Übungsraum 21, 241 Umgebungs-Korrektur 338 Umlenk-Bonus 127, 466, 506 Umlenkecke 36, 127, 338–340 Umlenk-Schalldämpfer 127, 341, 363, 466, 492, 506 Umströmung 329, 435 Umströmungsgeräusch 329, 409 Umwegleitung 81 Umweltmarkt 488 Unterboden 129 Unterrichtsbetrieb 210 Unterrichtsraum 179, 185
V Vakuumanlage 480 Ventilator 436, 455, 509, 511 Ventilatoren-Labor 336 Ventilator-Prüfstand 474 Verbundplatten-Resonator 50, 130, 134, 187, 201, 206, 210, 220, 222, 225, 296, 322
Verdeckung 167, 178, 241, 278 Vergleichsschallquelle 335 Verhautung 435 Verkehrsaufkommen 1 Verkehrsdichte 5 Verkehrslärm 1, 319, 431 Verlustfaktor 49, 75 Versammlungsstätte 175, 190 Verschmutzung 77, 104, 137, 195, 351, 388, 448, 474 Vertäfelung 45 Vertraulichkeit 187, 303 Verwaltungsbau 238 Verwischungs-Schwelle 162 Vlies 104, 120, 251, 448 Vokal 158 Volumen-Kennzahl 144, 267 Vorbeifahrtgeräusch 375 Vorbeifahrt-Messhalle 322, 429 Vorbeifahrt-Pegel 319, 378 Vorbeifahrt-Prüfstand 429 Vorbeifahrt-Simulation 375, 378 Vorhang 204 Vorsatzschale 24, 195, 196, 227, 231 Vortragsraum 198, 226 VPR 51, 262, 280, 301
W Waage 409 Wabenstruktur 72, 344, 481 Waldorfschule 208 Wand-Impedanz 42, 108 Wärmeableitung 108, 124 Wasserschall-Dämpfer 79 Wellenleiter 81, 84, 88, 95 Wellenwiderstand 15, 30, 67, 78 Werkhalle 125, 151, 196, 229, 233 Widerstandsbeiwert 36 Wiedergabequalität 289 Wiederholgenauigkeit 12, 22, 316 Wirkungsgrad 455, 513 Wort-Verständlichkeit 161
546 Sachverzeichnis
Z Zentralkörper 414, 452 Zonierung 237
Zusammenspiel 246, 271 Zuschauerraum 153, 247, 255, 268, 271, 274, 279 Zylinderform 269, 271