Numerische Beanspruchungsanalyse von Rissen: Finite Elemente in der Bruchmechanik

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Author: Meinhard Kuna

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Meinhard Kuna Numerische Beanspruchungsanalyse von Rissen

Meinhard Kuna

Numerische

Beanspruchungsanalyse von Rissen Finite Elemente in der Bruchmechanik Mit 276 Abbildungen und zahlreichen Beispielen STUDIUM

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet (Jber abrufbar.

Professor Dr. rer. nat. habil. Meinhard Kuna studierte Physik an der TU Magdeburg und promovierte 1978 an der Universit~it Halle, wo er sich 1991 mit dem Thema ,,Numerische Methoden der Bruchmechanik" habilitierte. Er war als Gruppenleiter an der Akademie der Wissenschaften (IFE Halle), als Abteilungsleiter am FhG Institut fSr Werkstoffmechanik Freiburg/Halle und an der MPA Stuttgart t~tig. Seit 1997 ist er Universit~itsprofessor f~r FestkSrpermechanik an der TU Bergakademie Freiberg. Seine Arbeitsgebiete sind die Bruchmechanik, Sch{idigungsmechanik, Materialtheorie und die Entwicklung numerischer Berechnungsverfahren (FEM, BEM). Die Anwendungsbereiche erstrecken sich vonder Sicherheitsbewertung technischer Konstruktionen ~Jber adaptive Materialien bis zur Zuverl~ssigkeit mikroelektronischer Strukturen. Professor Kuna leitete in den vergangenen vier Jahren als Obmann den DVM Arbeitskreis Bruchmechanik und ist Mitherausgeber internationaler Fachzeitschriften.

1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten 9 Vieweg+Teubner J GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Harald Wollstadt J Ellen Klabunde Vieweg+Teubner ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschStzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzul~ssig und strafbar. Das gilt insbesondere ffJr Vervielffiltigungen, 0bersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten ww und daher von jedermann benutzt werden d{irften. Umschlaggestaltung: K(JnkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Strauss Offsetdruck, MSrlenbach Gedruckt auf s~urefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-8351-0097-8

Vorwort Bei der Entwicklung und Auslegung technischer Konstruktion, Bauteile und Anlagen spielen die Bewertung und Vermeidung von Bruch- und Schgdigungsprozessen eine wesentliche Rolle, um die technische Sicherheit, Lebensdauer und Zuverls zu gew~ihrleisten. Ingenieurtechnische Fehler auf diesem Gebiet kSnnen im Versagensfall katastrophale Folgen ffir das Leben yon Menschen, die Umwelt aber auch die Volkswirtschaft haben. Da in vielen Konstruktionen und Werkstoffen herstellungs- oder betriebsbedingte Defekte nicht immer ausgeschlossen werden kSnnen, kommt der bruchmechanischen Bewertung yon rissartigen Defekten eine grofge Bedeutung zu. Im Rahmen der technischen 0berwachung und der Aufkls yon Schadensfs ist neben der Werkstoffcharakterisierung vor allem die Analyse des mechanischen Beanspruchungszustandes an Rissen, Kerben und ~hnlichen Defekten unter betrieblichen Einsatzbedingungen von Interesse. Die Bruchmechanik hat sich in den letzten 5o Jahren als eigenst~ndiges interdisziplin~ires Wissenschaftsgebiet herausgebildet, das zwischen Technischer Mechanik (Festigkeitslehre), Werkstoffwissenschaften und Festk6rperphysik angesiedelt ist. Die Bruchmecha~ik definiert BeanspruchungskenngrS~en und Kriterien, um das Rissverhalten in Werkstoffen und Bauteilen unter statischen, dynamischen oder zyklischen Belastungen quantitativ beurteilen zu kSnnen. Fiir die bruchmechanische Beanspruchungsanalyse werden heutzutage in verst~ktem Ma~e numerische Verfahren der FestkSrpermechanik eingesetzt. Die Finite-ElementeMethode (FEM) hat sich in vielen Bereichen des Ingenieurwesens als universelles und leistungsf'dhiges Werkzeug des modernen Konstrukteurs und Berechnungsingenieurs etabliert. Es stehen zahlreiche Softwarepakete zur Verffigung, die mittlerweile neben Standardaufgaben der Strukturmechanik auch bruchmechanische Optionen anbieten. Allerdings erfordert die Beha~dlung yon Rissproblemen spezielle theoretische Vorkenntnisse und numerische Algorithmen, die bisher nicht im notwendigen Umfa~g in die ingenieurtechnische Ausbildung und Praxis eingeflossen sind, sondern meistens >>bruchmechaaischen Spezialisten~ vorbehalten blieben. Das Anliegen der vorliegenden Monografie besteht darin, diese Lficke zu schliegen. In der Einfiihrung werden die wesentlichen theoretischen Grundlagen der Bruchmechaaik vorgestellt, deren KenngrSf~en mit der FEM zu bestimmen sind. Der Schwerpunkt der Ausfiihrungen behandelt die speziellen numerischen Techniken zur Analyse von ebenen und rs Rissproblemen in elastischen und plastischen Werkstoffen unter allen technisch relevanten Belastungen. Abschliet~end werden fiir jedes Gebiet Berechnungsbeispiele zur LSsung praktischer Aufgaben gegeben. Das Lehrbuch wendet sich an Studenten ingenieurwissenschaftlicher Studieng~inge im hSheren Semester, vor allem des Maschinenbaus, Bauingenieurwesens, Fahrzeugbaus, den Werkstoffwissenschaften, der Luft- und Raumfahrt oder Computational Engineering. Es soll Absolventen und Doktoranden dieser Fachrichtungen eine Einfiihrung in das Spezialgebiet geben und bei eigenen Forschungsaxbeiten unterstfitzen. Daxiiber hinaus sehe ich

VI

als Zielgruppe Ingenieure in den Konstruktions- und Berechnungsabteilungen vieler Industriezweige und in den technischen AufsichtsbehSrden, die mit Fragen der Auslegung, Bewertung und l]berwachung von Festigkeit und Lebensdauer technischer Konstruktionen konfrontiert sind. Gleichzeitig soll das Lehrbuch Materialwissenschaftlern und Werkstofftechnikern eine Briicke zur theoretischen Bruchmechanik bauen, um numerische Techniken f/Jr die MaterialmodeUierung zu nutzen oder die Werkstoff- und Bauteilpr/ifung durch rechnerische Analysen zu begleiten. Fiir das Verst~iadnis des Buches werden vom Leser Grundkenntnisse in der Festigkeitslehre, Kontinuumsmechanik, Materialtheorie und Finite-Elemente-Methode vorausgesetzt. Im Anhang sind die wesentlichen Grundlagen der Festigkeitslehre nochmals zusam_mengestellt. An der Entstehung des Buches waren viele Personen beteiligt. Ein groges DankeschSn gebiihrt Frau M. Beer fiir die Anfertigung der vielen exzellenten Zeichnungen. Die zahlreichen numerischen Beispiele stammen u. a. aus gemeinsamen Arbeiten mit friiheren und jetzigen Mitarbeitern meines Lehrstuhls, wofiir ich reich besonders bei Dr. M. Abendroth, Dr. M. Enderlein, Dr. E. Kullig, Th. Leibelt, Ch. Ludwig, Dr. U. Miihlich, F. Rabold, Dr. B. N. Rao, Dr. A. Ricoeur, Dr. A. Rusakov und L. Sommer bedanken mSchte. Bildmaterial fiir erg~nzende Beispiele haben mir dankenswerterweise Dr. M. Fhlland (Universit~t Paderborn) und Dr. I. Scheider (GKSS Geesthacht) iiberlassen. Ebenso konnte ich bei den praktischen Anwendungsf~illen auf Forschungsergebnisse zuriickgreifen, die in langj~hriger fruchtbarer Kooperation mit den Kollegen Prof. G. Pusch und Dr. P. Hiibner (IWT TU Bergakademie Freiberg) entstanden sind. Herr Prof. Pusch hat freundlicherweise auch die fraktografischen Aufnahmen zur Verffigung gestellt. Mein aus Dank gilt Herrn Prof. W. Brocks (GKSS Geesthacht) fiir die Durchsicht des Manuskriptes und konstruktive Hinweise zur wissenschaftlichen Darstellung der Thematik. Durch sorgf~iltiges Korrekturlesen des Manuskriptes haben mich Th. Linse, Ch. Ludwig, Dr. M. Enderlein und L. Zybell unterstiitzt. Sehr herzlich mSchte ich mich bei meiner Frau, Christine Kuna, ffir das gro~e Verst~ialdnis und ihre unendliche Geduld bedanken. Nicht zuletzt gilt meine Anerkennung dem Vieweg+Teubner Verlag fiir die gute Zusammenarbeit.

Freiberg, im Mai 2008

Meinhard Kuna

Inhaltsverzeichnis Glossar

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Einleitung 1.1 1.2 1. 3

Bruchvorg~inge in Natur ~nd Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bruchmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B e r e c h n u n g s m e t h o d e n fiir R i s s e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Einteilung der Bruchvorg'dnge 2.1 M a k r o s k o p i s c h e E r s c h e i n u n g s f o r m e n d e s B r u c h s . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 M i k r o s k o p i s c h e E r s c h e i n u n g s f o r m e n d e s B r u c h s . . . . . . . . . . . . . . . . 2. 3 K l a s s i f i k a t i o n d e r B r u c h v o r g ~ g e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Grundlagen der Bruchmechanik 3.1 M o d e l l a n n a h m e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 L i n e a r ~ e l a s t i s c h e B r u c h m e c h a n i k . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Zweidimensionale l~issprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Eigcnfunktionen des Rissproblems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Dreidimensionale Rissprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Spannungsintensit/itsfaktoren -- K-Konzept ............... 3.2.5 Energiebilarz bei Rissausbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.6 Das J-Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.7 Risse in anisotropen elastischen K6rpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.8 G r e n z f l / i c h e n r i s s e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.9 Risse in Platten und Schalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. lO B r u c h m e c h a n i s c h e G e w i c h t s f u n k t i o n e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.11 T h e r m i s c h e u n d e l e k t r i s c h e F e l d e r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 E l a s t i s c h - p l a s t i s c h e B r u c h m e c h a n i k . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-3.1 Einf/ihrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 K l e i n e p l a s t i s c h e Z o n e n a m Rk, s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-3.3 Das DUGDALE-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 RissSffnungsverschiebung CTOD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5 Failure Assessment Diagramm FAD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.6 Rissspitzenfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.7 Das J-Integral-Kcnzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.8 Drktile Rissausbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 E r m f i d u n g s r i s s w a c h s t u m . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Belastung mit konstanter Amplitude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Beanspruchungssituationen an der Rissspitze ............... 3-4.3 Belastung mit variabler Amplitude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7 7 11 15 17 17 21 22

25 25 27 27 ~4 39 42 46 54 58 61 65 ~8 79 83 83 84 88 9o 92 c~4 lc4 lC9 117 117 121 1~4

viii

4

5

Inhaltsverzeichnis

3.4.4 Bruchkriterien bei M i x e d - M o d e - B e a n s p r u c h u n g . . . . . . . . . . . . . . 3-4.5 E r m i i d u n g s r i s s a u s b r e i t u n g bei M i x e d - M o d e - B e a n s p r u c h u n g . . . . . . . 3-4.6 Vorhersage des Risspfades u n d seiner Stabilit~it . . . . . . . . . . . . . . 3.5 D y n a m i s c h e Bruchvorg~inge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einffihrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Ela~todynamischc G r u n d g l c i c h u n g c n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Station~re Risse bei d y n a m i s c h e r Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . 3-5.3 D y n a m i s c h c Rissausbrcitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-5.4 Energiebilanz und J-Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-5.5 3-5.6 Bruchkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

127 131

Methode der Finiten Elemente 4.1 Ri~umliche u n d zeitliche Diskretisierung der R a n d w e r t a u f g a b e . . . . . . . . 4.2 Encrgicprinzipicn dcr K o n t i n u u m s m c c h a n i k . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Variation der VerschiebungsgrSgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Variation der KraftgrSs .......................... 4.2. 3 Gemischte u n d hybride Variationsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . 4-2.4 P r i n z i p Yon HAMILTON . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 G r u n d g l e i c h u n g e n der F E M . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4-3.1 A u f b a u der Steifigkeitsbeziehungen ffir ein E l e m e n t . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Assemblierung u n d LSsung des G e s a m t s y s t e m s . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Numerische Realisierung der F E M . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4-4.1 Wahl der Verschiebungsans~itze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Isoparametrische Elementfamilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4-4.3 Numerische I n t e g r a t i o n der E l e m e n t m a t r i z e n . . . . . . . . . . . . . . . 4-4.4 Numcrischc I n t c r p o l a t i o n dcr Ergcbnissc . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 F E M fiir nichtlineare R a n d w e r t a u f g a b e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 G r u n d g l e i c h u n g e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Materielle Nichtlinearitgten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4-5.3 Geometrische Nichtlinearit~iten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Explizitc F E M fiir d y n a m i s c h c P r o b l c m c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Arbeitsschritte bei der F E M - A n a l y s e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.1 PRE-Prozessor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.2 FEM-Proze,~sor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4-7.3 P O S T - P r o z e s s o r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

149

FEM-Techniken

z u r R i s s a n a l y s e in l i n e a r - e l a s t i s c h e n S t r u k t u r e n

5.1 A u s w e r t u n g der numerischen LSsung a n der Rissspitze . . . . . . . . . . . . 5.2 Spezielle finite E l e m e n t e a n der Ri~c~spitze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Entwicklung von Rissspitzenelementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Modifizicrtc isopara~nctrischc Vcrschicbmlgsclcmcntc . . . . . . . . . . . 5.2.3 Berechnung der Intensit~itsfaktoren aus V i e r t e l p u n k t e l e m e n t e n . . . . . 5.3 Hybride Rissspitzenelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 E n t w i c k h m g hybrider Rissspitzenelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 2D Rissspitzenelemente nach d e m gemischten h y b r i d e n Modell . . . . .

133 135 135 136 137 139 144 146

149 152 152 155 156 161

162 162 164 166 166 167 17o 172 175 175 178 181 184 186 186 186 186

187 187 191 191 192 2ol 2o5 205 207

Inhaltsverzeichnis

5.3.3 3D Rissspitzenelemente nach dem h y b r i d e n SpannungsmodeU . . . . . . 5.4 Die Methode der globalen Energiefreisetzungsrate . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 U m s e t z u n g im R a h m e n der F E M . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Die M e t h o d e der virtuellen R i s s a u s b r e i t u n g . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Die Methode des Rissschliei~integrals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.1 G r u n d g l e i c h u n g e n der lokalen Energiemethode . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2 Numerische Realisierung mit F E M 2D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5-5.3 Numerische Realisierung mit F E M 3D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.4 Beriicksichtigung von Rissufer-, Volumen- u n d thermischen B e l a s t u n g e n 5.6 F E M - B e r e c h n u n g des J - L i n i e n i n t e g r a l s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 F E M - B e r e c h n u n g bruchmechanischer G e w i c h t s f u n k t i o n e n . . . . . . . . . . 5.7.1 Einfache E r m i t t l u n g m i t Einheitskr/iften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.2 B e s t i m m u n g parametrisierter Einflussfunktionen . . . . . . . . . . . . . 5.7.3 Berechnung aus der Verschiebungsableitung . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.4 A n w e n d u n g der J - V C E - T e c h n i k . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.5 Berechnung mit der BUECKNE~t-Singularit~it . . . . . . . . . . . . . . . 5.8 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.1 Scheibe mit Innenriss u n t e r Zug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.2 Halbelliptischer Oberfl/ichenriss u n t e r Zug . . . . . . . . . . . . . . . . .

Numerische Berechnung verallgemeinerter Energiebilanzintegrale 6.1 Verallgemeinerte Energiebilanzintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Erweiterung auf allgemeinere B e l a s t u n g e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Voraussetzungen der Wegunabhgngigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Rissufer-, Volumen- u n d thermische Lasten . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Dreidimensionale Versionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Das 3D-ScheibenintegTal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Virtuelle R,issausbreitung 3D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Numerische Berechnung als/iquivalentes Gebietsintegral . . . . . . . . . . . 6.4.1 U m w a n d l u n g in ein iiquivalentes Gebietsintegral 2D . . . . . . . . . . . 6.4.2 U m w a n d l u n g in ein ~iquivalentes Gebietsintegral 3D . . . . . . . . . . . 6.4.3 Numerische Realisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Beriicksichtigung dynamischer Vorg~nge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Erweiterung auf inhomogene S t r u k t u r e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7 B e h a n d l u n g von Mixed-Mode-Rissproblemen . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7.1 A u f s p a l t u n g in RissSffnungsarten I u n d II . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7.2 Int eraction-Int egral-Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8 Berechnung der T - S p a n n u n g e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.9 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.9.1 Innenriss u n t e r Rissuferbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.9.2 K a n t e n r i s s u n t e r Thermoschock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.9.3 D y n a m i s c h belasteter Innenriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.9.4 Riss im Gradientenwerkstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1o Z u s a m m e n f a s s e n d e Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Ix

211 217 217 218 220 220 222 227 232 234 236 236 238 240 243 244 245 245 249

253 253 257 257 257 26o 26o 262 264 264 267 268 270 272 273 273 276 279 282 282 283 286 288

. . . .

289

x

7

8

Inhaltsverzeichnis

z u r R i s s a n a l y s e in e l a s t i s c h - p l a s t i s c h e n S t r u k t u r e n

291

7.z Elastisch-plastische R is s s p it z e n e le m e n te . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 A u s w e r t u n g der RissSffnungsverschiebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 B e r e c h n u n g des J - I n t e g r a l s u n d ecine B e d e u t u n g . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1 Elastisch-plastische E r w e i t e r u n g e n v on J . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2 A n w e n d u n g a u f rul~ende Riese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.3 A n w e n d u n g a u f b e w e g te Riese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.1 Kompakt-Zug-Probe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2 P l a t t e n z u g v e r s u c h e m i t Oberfl~chenriss . . . . . . . . . . . . . . . . . .

FEM-Techniken

291 293 295 295 3oo ~ol 3o3 303 ~o7

Numerische Simulation des Risswachstums 8.z Technik der K n o t e n t r e n n u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Techniken der E l e m e n t m o d i f i k a t i o n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.1 Elementteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.2 Elementausfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2. 3 A n p a s s u n g der Elementsteifigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 M i t b e w e g t e R is s s p it z e n e le m e n te . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 A d a p t i v e V e r n e t z u n g s s t r a t e g i e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.1 Fehlergesteuerte adaptive Vernetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.2 S i m u l a t i o n der Pdssausbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 K c h ~ s i v z o n e n m o d e l l e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.1 Werkstoffmechanische G r u n d l a g e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.2 Numerische U m s e t 2 u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6 S c h ~ l i g u n g s m e c h a n i s c h e Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7 Beispiele ffir E r m i i d u n g s r i s s w a c h s t u m . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7.1 Quel kraftbiege!crobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7.2 ICE-Radreifenbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8 Beispiele ffir duktiles R i s s w a c h s t u m . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8.1 Kohs fiir die C T - P r o b e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8.2 Sch~digungsmechanik ffir die S E N B - P r o b e . . . . . . . . . . . . . . . .

9

Anwendungsbelspiele

. . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . .

311 311 313 313 314 315 316 319 319 319 521 ~21 326 529 ~31 ~31 ~33 ~35 ~35 fi38

343

9.1 L e b e n s d a u e r b e w e r t u n g eincs E i s e n b a h n r a d e s bei E r m f i d u n g s r i s s w a c h s t u m . 343 9.1.1 B r u c h m e c b a n i s c h e u n d konventionelle K e n n w e r t e von A D I . . . . . . . ~43 9.1.2 F i n i t e - E l e m e n t e - B e r e c h n u n g e n des R a d cs . . . . . . . . . . . . . . . . . ~44 9.1.3 Festlegung der R i s s p o s t u l a t e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ~47 9.1.4 B r u c h m e c b a n i s c h e A n a ly s e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ~48 9.2 S p r S d b r u c h b e w e z t u n g eines Beh~ilters u n t er S t o g b e l a s t u n g . . . . . . . . . . 354 9.2.1 F E M - M o d e l l des Fallversuches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 9.2.2 B r u c h m e c b a n i s c h e Ergebnisse der S i m u l a t i o n . . . . . . . . . . . . . . . 356 9.2.3 A n w e n d u n g der S t b m o d e l l t e c h n i k . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 9.3 Z~ihbruchbewertung v o n Schweii~verbindungen in G a s r o h r l e i t u n g e n . . . . . 359 9.3.1 Einle]tung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 9.3.2 Bruchmecbanisches B e w e r t u n g s k o n z e p t F A D . . . . . . . . . . . . . . . ~59

Inhaltsverzeichnis

9.3.3 9-3.4

B a u t e i l v e r s u c h an ciner R o h r l e i t u n g m i t Schweignahtrissen F E M - A n a l y s e des Bauteilversuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

.......

Anhang A

Grundlagen der Festigkeitslehre A.1 M a t h e m a t i s c h e Daxstellung u n d N o t a t i o n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . n.2 V e r f o r m u n g s z u s t a n d . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.2.1 K i n e m a t i k der Verformungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.2.2 D e f o r m a t i o n s g r a d i e n t u n d V e r z e r r u ng st en so r en . . . . . . . . . . . . . . n.2. 3 Deformationsgeschwindigkeit en . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . t . 2 . 4 LineaxisieIung fiir kleine D e f o r m a t i o n e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. 3 S p a n n u n g s z u s t a n d . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.3.1 S p a n n u n g s v e k t o r u n d S p a n n u n g s t e n s o r . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.3.2 S p a n n u n g e n in der Ausgangskonfiguration . . . . . . . . . . . . . . . . . t.3. 3 Hauptachsentransformation ......................... t . 3 . 4 Gl ei ch g e w ic h t s b e d i n g u n g e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.4 M at eri al g e s e t z e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.4.1 Elastfsche M a t e r i a l g e s e t z e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.4.2 Elastisch-plastische M a te r ia lg e s e tz e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . n. 5 R a n d w e r t a u f g a b e n der Festigkeitslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.5.1 Definition der R a n d w e r t a u f g a b e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.5.2 E b c n e R a n d w e r t a u f g a b e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.5. 3 Metl~ode der k o m p l e x e n S p a n n u n g s f u n k t i o n e n . . . . . . . . . . . . . . n.5. 4 Der nichtebene Schubspaxmungszustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . t.5. 5 Platten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

~I

363 367

371

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

373 373 374 374 375 378 379 382 382 385 387 389 391 391 397 41o 41o 412 415 417 418

Literaturverzeichnls

421

Stichwortverzeichnis

441

Glossar Symbole acf Otd alj ~t ~ t (~j ~s ~W

~ij ill, filB F F +, F Fe ~' "~ "/II "~III

Ver fest igungskoeffizient plastischer Constraint-Faktor Dilatationswellenverhgltnis anisotrope elastische Konstanten linearer thermischer Ausdehnungskoeffizient Tensor der therinischen Ausdehnungskoeffizienten Scherwellenverh/ilt his Biaxialparameter thermische Spannungskoeffizienten interne hybride Ansatzkoeffizienten Integrationsweg oberes, unteres Rissufer Integrationsweg Rissspitze Gleitung Materialkonstante spezifische Oberfl/ichenenergie Hauptgleitungen 11

11

~'d "/D ~s ~'t Aa AK AKeff AKth

Radienverhiiltnis Dilatation dynainische Oberfl~ichenenergie Radienverh/iltnis Schub Riss6ffnungswinkel Spannungsschwingbreite zyklischer Spannungsintensit~tsfaktor effektive zyklische Spannungsintensitiit Schwellenwert Ermiidung Variationssymbol 5 Separation (Koh/isivzonenmo dell) 5c Dekoh/isionsl/inge 5n Separation (normal) 5s Separation (transversal) 5t Separation (tangential) 5t Riss6ffnungsverschiebung CTOD ~T Separation Scherung total = [[~ Separationsvektor (Koh/isivmodell) e Dielektrizit/itskonst ante e Bimaterialkonstante eij k

P e r m u t a t i o n s t e n s o r LEVI- CEVITA

e0 gI s

Referenzdehnung (~ a F / E ) Hauptdehnungen

gIII

gH evp

eP e, ~i" s D , ~D

6e, ep, et,

~iej ~P. zJ ~tj

ee ep e. ~/ ~/ ~/(Xl) ~l(a/w)

~/e 0 Oc 0d

0s

zi ~. )t # #1/ ~, ~i ~, ~ //c HCH //GH I~MH * IIv

//PH

It

I~

Kugeltensor der Verzerrungen plastische Vergleichsdehnung

/JR

//ext /~int //ext

plastische Mat rix-Vergleichsdehnung Verzerrungstensor Verzerrungsdeviator elastische Verzerrungen plastische Verzerrungen thermische Verzerrungen Verzerrungsinatrix elastische Verzerrungsmatrix plastisehe Verzerrungsmatrix Anfangsdehnungen koinplexe Variable Verh~ltniszahl Schub/Zug (Koh~isivInodell) Fehlerindikator FEM global Gradientenfunktion Geometriefunktion Jp-Integral Fehlerindikator Eleinent e EULER-ALMANSI Verzerrungstensor Polarkoordinate, Winkel Rissausbreit ungswinkel Winkel bei Dilatationswellen Winkel bei Scherwellen WKrmeiibergangszahl elastische Konstante Knotendistorsionsparameter Rissspitzenposition dynamischer 0berh6hungsfaktor plastischer LAGRANGEscher Multiplikator Exponent der komplexen Spannungsfunktion LAMEsche Elastizit/itskonstante Schubmodul Schubaufnahmefaktor Querkontraktionszahl natfirliche Elementkoordinaten Koordinaten Integrationspunkte Prinzip der Komplement/irenergie hybrides Spannungsprinzip hybrides gemischtes Prinzip vereinfachtes hybrides gemischtes Prinzip Prinzip der potenziellen Energie hybrides Verschiebungsprinzip H ELLINGER-REISSNER-Prinzip Potenzial iiugerer Lasten inneres mechanisches Potenzial komplement/i.res/iugeres Potenzial

2

/llnt p p P0 a ~rc ~o aF ~rF0 o-H cq o'ii ffIII

~c ~rM amax O'mi n

~n av or, ~ij erD, a ~ ~Tc ~-t ~'s TF TFo ~i TII TIII

~'ij Tn

q5

r X(Z) X

r Ce ~b, r C2(z) C2 w

Glossar

komplement~ires inneres Potenzial Kerbradius Dichte (Momentankonfiguration) Dichte (Ausgangskonfiguration) Normalspannung (Koh~isivzonenmodell) Kohiisionsfestigkeit Zug Referenzspannung ( ~ ~F) Fliegspannung Anfangsfliegspannung Kugeltensor der Spannungen Hauptnormalspannungen ii

II

kritische Spannungen Matrixfliegspannung Oberspannung Unterspannung Nennspannung Zug v. MISES Vergleichsspannung CAvcHvscher Spannungstensor Spannungsdeviator CAucHY-Spannungsmatrix Schubspannung Koh~isionsfestigkeit Schub Schubspannung tangential Schubspannung transversal Schubfliegspannung Anfangsschubfliegspannung Hauptschubspannungen II

Schubspannungskomponenten Nennspannung Schub Fliegbedingung, Dissipationsfunktion elektrisches Potenzial Winkelkoordinate bei elliptischen Rissen Skalares WeUenpotenzial komplexe Spannungsfunktion komplexe Spannungsfunktion PdssSffnungsfunktion Phasenwinkel elastisches Potenzial vektorielles WeUenpotenzial komplexe Spannungsfunktion Integrationsgebiet J-Integral Integrationsgebiet J-Integral Sch~idigungsvariable Ob erfl~ichenladungsdichte

AB

As A(*) a a a

d 5 a0 ac

aeff ai ath a, ai

Bruchprozesszone Koeffizienten Eigenfunktionen Zuordnungsmatrix (Inzidenzmatrix) Oberfl~iche (Momentankonfiguration) Rissl~inge Halbachse yon elliptischen Rissen l~issgeschwindigkeit Rissbeschleunigung Anfangsrissl~inge kritische Rissl~inge effektive Rissl~nge Koeffizienten Eigenfunktionen Rissl~inge aus Schwellenwert Beschleunigungsvekt or

B

B B BI B B

fi b bi bw b, bran b, bi

Probendicke komplexer Spannungskoeffizient B UECKNER-Singularitiit Verzerrungs-Verschiebungs-Matrix nichtlineare VerzerrungsVerschiebungsmatrix hybride Elementmatrix Ligamentl~nge Koeffizienten Eigenfunktionen Biaxialparameter linker CAUCHY-GREEN DeformationsTensor Volumenkraftvektor

C C C C G, CMN

geschlossener Integrationspfad komplexer Spannungskoeffizient PARIS-Koeffizient rechter CAUCHY-GREEN Deformationstensor Matrix Materialtensor C Ce Elastizits cep elastisch-plastische Materialmatrix Elastizitiitsmatrix c~a C, Cijm Elastizitiitstensor 4. Stufe Halbachse yon elliptischen PAssen C Dilat at ionswellengeschwindigkeit Cd C~ Koeffizienten Eigenfunktionen RAYLEIoH-Wellengeschwindigkeit CR Scherwellengeschwindigkeit cs spezifische W~ixmekapazit~it Cv D

A A A A AI AII AII I Aa

komplexer Spannungskoeffizient Rissfliiche Oberfl~iche (Ausgangskonfiguration) Faktoren Energiefreiset zungsr at e "

Spannungskoeffiezient

2) D D(a) D, D i D dp dA dS

Dissipationsenergie Plattensteifigkeit RAYLEIGH-Funktion elektrische Flussdichte Differenziat ionsmat rix Ausdehnung der plastischen Zone Fl~ichenelement Oberfl~ichenelement

dV ds d, dij

Volumeuelement Linienelement Deformationsgeschwindigkeitstensor

H h h

E

ha

E

h, hi h

Elastizit~itsmodul E(k) elliptisches Integral 2. Art E, EMN GREEN-LANGRANGE Verzerrungstensor F,, Ei elektrische Feldst~rke E GREEN-LAGRANGE Verzerrungsmatrix ei Basisvektoren e EuLzRsche Zahl e ~ 2,718

Matrix Ver festigungsfunktion Matrix Verschiebungsgradient Dicke (Platten, Scheiben) Mehrachsigkeitszahl Ver fest igungsvariable W~meflussvektor Matrix Ver fest igungsvariable

I

I1A, I A, I A Invariante des Tensors A I, 5ij KRONECKER-Symbol, Einheitstensor Ip, Ipi Impulsvektor i= ~ i m a g i n ~ e Einheit

F

Einzelkraft AiRYsehe Spannungsfunktion plastische Grenzlast (Traglast) FL Eigenfunktionen I F, FroM Deformationsgradient Systemlastvektor F .T Flussintegral Porenvolumenanteil f modifizierter Porenvolumenanteil f* Anfangs- Porenvolumenant ell fo kritischer Porenvoumenanteil f~ /s Porenvolumenanteil bei Versagen Porenkeimdichte Nukleation fN Winkelfunktionen Rissspitzenfeld (L = I, II, III) Elementlastvektor F F(~)

G G G GI GH GIII

G~ Gdyn

al, al 1 G

g(a,~) g, gi

Schubmodul Energiefreisetzungsrate Energiefreisetzungsrate ffir PAssmodus I, II, III 11 tl

kritische Energiefreisetzungsrate dynamische Energiefreisetzungsrate bruchmechanische Gewichtsfunktionen Eigenfunktionen Modus II hybride Elementmatrix Geometriefunktion fiir K-Faktoren Winkelfunktionen PAssspitzenfeld (L ----I, II, III) Temperaturgradient

H

H

H(T) Ha

H~ H

H5he Risselement HEAvISID~-Sprungfunktion Ver festigungsfunktion bruchmechanische Gewichtsfunktionen Im~iN-Matrix Anisotropie Eigenfunktionen Modus III hybride Elementmatrix

J-Integral Determinante des Deformationsgradienten det IFI dynamisches J-Integral (ruhender PAss) J* jdyn dynamisches J-Integral (bewegter PAss) 3 D Scheibenintegral J kritischer Werkstoffkennwert J~c JR(ha) PAsswiderstandskurve (EPBM) elastischer J-Anteil Je gp plastischer J-Anteil J, gk J-Integralvektor elastiseh-plastisches J-Integral J, Jk j t e , j~e thermoelastisches J-Integral JncosIsche Funktionalmatrix J K

K

KD

kinetische Energie Kompressionsmodul Intensit~tsfaktor der dielektrischen Verschiebung S pannungsint ensit~its fakt oren

K~ gli giii Kd dynamischer Spannungsintensitgtsfaktor Kic, Kiic statische Bruchz~ihigkeit KID dynamische Bruchz~higkeit (bewegter PAss) Kid dynamische Bruchz~ihigkeit (ruhender PAss) KIa PAssarrestz~ihigkeit Kma~ Maximum der Spannungsintensitgt Kmin Minimum der Spannungsintensitgt Kop PAssSffuungsintensit~its fakt or Kv Vergleichs-Spannungsintensit s sfaktor K1, K2 Spannungsintensit~itsfaktoren Grenzflgchenriss komplexer Spannungsint ensit iit s fakt or K Systemsteifigkeitsmatrix k Probensteifigkeit k W~rmeleitkoeffizient kl, k2 Spannungsintensit~itsfaktoren bei Platten

4

Glossar

k

Element-Steifigkeitsmatrix

L L

L~inge Risselement

L(~, a, t) L A G R A N G E - F u n k t i o n L!N Eigenfunktionen Modus III L ~a l, lij dL

dl Alk

hybride Verschiebungsmatrix Geschwindigkeit sgradient Linienelement liizage (Ausgangskonfiguration) Linienelement lgnge (Momentankonfiguration) virtuelle Verrfickung der Rissfront

M

fr~ m

N N NK Na ((i) NB

if'^ N , N~j N nD nE

nG nH ~ZK nL nf ~rg~ T~i

P P P P , Pk P , PMn P

p(=) P, Pi

Eigenfunktionen Modus I Systemmassenmatrix PARis-Exponent Biegemomente (Plattentheorie) Elementmassenmatrix

Zahl der Lastzyklen Zahl aller Knoten des FEM-Systems Formfunktionen Lastzyklen bis zum Bruch Eigenfunktionen Modus II Normalenrichtung im Spannungsraum Matrix der Formfunktionen Zahl der Dimensionen Zahl der finiten Elemente Zahl der GAvss-Punkte Zahl der Verfestigungsvariablen Zahl der Knoten je Element Zahl der Einzelkr~fte Zahl der Starrk6rperfreiheitsgrade Normalenvektor

q(xl) Rissuferlasten ql, q2, q3 Parameter GURSOs-Modell qi Querkrgfte (Plattentheorie) qk Wichtungsfunktion 3D R

SpannungsverhKlt nis Kmin/Kma x isotrope Ver festigungsvariable Risswiderstandskurve (LEBM) R, RnM Rotationstensor hybride lZandspannungsmatrix R Residuenvektor R r Polarkoordinate, Radius GrSge der Bruchprozesszone rB Radius plastische Zone rF rj Giiltigkeitsradius J-Feld Gfiltigkeitsradius K-Feld rK GrSge der plastischen Zone rp Radius bei Dilatationswellen rd Radius bei Scherwellen rs Drehtransformationsmatrix r~ T i j R

R(6p) R(A~)

S

S

S(0) S +, S S~ Send

St Su S, Sk S, Sijkz S s s, sk

Oberfl~iche Interelementrand Energiedichtefaktor obere, untere Pdssflgche Oberfl~che Rissschlauch Stirnfl~ichen Teilrand mit gegebenen Teilrand mit gegebenen Schnittkraft (Ausgangskonfiguration) elastischer Nachgiebigkeit stensor Nachgiebigkeit smat rix Bogenl~nge Schnittkraft ( Moment ankonfiguration)

T T

Temperaturfeld Spannungskomponenten 2. Ordnung verallgemeinertes Energieintegral T~ T, TMN 2. PIOLA-KIRCHHOFF Spannungstensor 2.PIOLA-KIFtCHHOFF Spannungsmatrix T Schnittspannungsvektor t, ti Randspannungsvektor t, ti Randspannungsmatrix Randspannungsvektor (Koh~isivzonenmot dell) ~c ~c Rissuferspannungen

Tq globaler Lastparameter Pdssuferkr~fte generalisierte Konfigurationskraft 1. PIOLA-KIRCHHOFF Spannungstensor hybride Spannungsmatrix Rissuferlasten Flgchenlast (Plattentheorie) materieller Volumenkraftvektor

Q

Q Q Q Q, Qq q q

thermische Energie Constraint-Faktor (EPBM) Pdssuferkrgfte Energie-Impuls-Tensor Verschiebung des Kraftangriffspunktes Wichtungsfunktion 2D

U U U

For m~inderungsenergiedichte RissSffnungsfaktor komplementgre Form~nderungsenergiedichte spezifische Form~nderungsarbeit

Ue Up ~te

elastische For m~inderungsenergiedicht e plastische Form~nderungsarbeit thermoelastische Formiinderungsenergiedichte U, UMN rechter Strecktensor Verschiebungsvektor

Elementrandverschiebung U

V V V V, V . ~ V v V

Randverschiebungsvekt or Verschiebungsmatrix

KerbSffnungsverschiebung COD Volumen (Ausgangskonfiguration) linker Strecktensor Systemknotenverschiebungen Volumen (Momentankonfiguration) Geschwindigkeit svekt or Knotenverschiebungsvektor

W ]/~ext .~nt ]/~ext

Wint Wc WB ?M

~(~) ~g

X X , XM X , X~j ~ Xln X

Eugere mechanisehe Arbeit innere mechanische Arbeit komplement~re Eugere Arbeit komplementiire innere Arbeit Arbeit zur Pdss6ffnung Arbeit Bruchprozesszone Probenbreite Durchbiegung (Plattentheorie) Cewichte Integrationsregel Drehgeschwindigkeit st ensor Koordinaten (materiell) kinematische Ver lest igangsvariable Koordinaten (r~umlich) Elementkoordinatenmatrix Knotenkoordinatenmatrix

Z z

komplexe Variable

z

allgemeine FEM Ergebnisgr6i~e

Abkllrzungen ASTM American Society Testing of Materials ARWA Anfangsrandwertaufgabe CTE Crack Tip Element (Rissspitzenelement) CTOA Crack Tip Opening Angle CTOD Crack Tip Opening Displacement DIM Displacement Interpretation Method (Verschiebungs-Auswertemethode) EDI Equivalent Domain Integral (~luivalentes Gebietsintegral) EPBM elastisch-plastische Bruchmechanik ebener Spannungszustand ESZ EVZ ebener Verzerrungszustand ESIS European Structural Integrity Society FAD Failure Assessment Diagram FEM Finite Elemente Methode LEBM linear-elastische Bruchmechanik LSY Large Scale Yielding MCCI Modified Crack Closure Integral (modifiziertes Rissschliegintegral) NES nichtebener Schubspannungszust and Plastic Collapse PC QPE Quarter-Point Elements (Viertelpunktelemente) regul~ire Standardelemente RSE RWA Randwertaufgabe SINTAP Structural Integrity Assessment Procedure SSY Small Scale Yielding SZH Stretched Zone Height Virtual Crack Extension (Virtuelle RissVCE ausbreitung) 1D eindimensional 2D zweidimensional dreidimensional 3D

1

Einleitung

1.1

Bruchvorg~inge in N a t u r u n d T e c h n i k

Das Wort >>Bruch<
Bild 1.1: Mikroriss im Geffige von duktilem Gusseisen

Bild 1.2: Makroriss (Spalte) im Frfindelgletscher / Schweiz

8

1 Einleitung

Bild 1.3: ICE Eisenbahnungliick bei Eschede 1998 als Folge eines gebrochenen Radreifens

Bild 1.4: Briickeneinsturz bei einem Erdbeben in Northridge 1994 USA Insbesondere waren und sind aber auch die technischen Produkte und Entwicklung e n d e r Menschheit mit Problemen der Bruchsicherheit und Lebensdauer konfrontiert und stellten zu allen Zeiten eine Herausforderung fiir das Ingenieurwesen dar. Spontaner Bruch ist die gef~hrlichste Versagensart einer mechanisch beanspruchten Konstruktion! Heute dokumentieren kfihne Bauwerke aus Beton und Stahl, zuverl~ssige Flugzeuge und Hochgeschwindigkeitsziige, crash-sichere Autos und festigkeitsoptimierte High-TechWerkstoffe den enormen technischen Fortschritt in diesen Bereichen. Umgekehrt zeugt eine beachtliche Zahl technischer Schadensfdlle von den schmerzhaften Erfahrungen auf dem Wege dahin. Beispiele sind die Rissbildung in Bauwerken und Maschinenteilen, der vollst~ndige Einsturz von Briicken, das Bersten von Apparaten oder das Zerbrechen von Fahrzeugkonstruktionen (siehe die Bilder 1. 3 und 1.4).

1.1 Bruchvorg~inge in Natur und Technik

9

Die Grfinde sind meistens nicht entdeckte Material- oder Bauteilfehler, unzureichende Auslegung der Konstruktion gegen/iber den wirklichen Lasten oder der Einsatz von Werkstoffen mit mangelhaften Festigkeitseigenschaften. Im modernen Industriezeitalter besitzt die Gew~hrleistung der technische Sicherheit, Lebensdauer und Zuverl~ssigkeit von technischen Konstruktionen, Bauteilen und Anlagen eine groge Bedeutung. Ingenieurtechnische Fehler auf diesem Gebiet kSnnen im Versagensfall katastrophale Folgen fiir das Leben von Menschen, ffir die Umwelt aber auch fiir die Wirtschaftlichkeit und Verfiigbaxkeit der Produkte haben. Deshalb spielen wissenschaftliche Konzepte zur Bewertung und Vermeidung von Bruch- und Sch~digungsprozessen eine erhebliche Rolle.

Bild 1.5: Bruchvorg~inge auf unterschiedlichen Skalen und Betrachtungsebenen Bruchvorg~inge und Versagensprozesse laufen auf allen GrSigenskalen ab. W~ihrend der Ingenieur haupts~ichlich die genannte makroskopische Betrachtungsweise bevorzugt, interessiert sich der Materialwissenschaftler stgrker fiir die im Werkstoffgeffige ablaufenden mesoskopischen Prozesse oder die darunter liegenden mikroskopischen Ph~inomene in einzelnen Geffigekomponenten. Den FestkSrperphysiker bewegen vorrangig die nanoskopischen Strukturen der atomaren Bindungen. Fiir das Verst~indnis der Festigkeitseigenschaften der Materialien und ihres Bruchverhaltens tragen alle in Bild 1. 5 skizzierten Betrachtungsebenen bei, die sich vereinfacht durch das Verh~iltnis der Defektgr6ige zu den Geffigeabmessungen klassifizieren lassen. Heutzutage werden Modelle auf jeder Betrachtungsebene und skaleniibergreifend mit Methoden der Molekulardynamik, Mikromechanik, Sch~digungsmechanik und Bruchmechanik umgesetzt. Die numerische Simulation von Rissen und Defekten ist auf allen ModeUierungsebenen ein unentbehrliches Werkzeug.

lo

1 Einleitung

Verschiedene ingenieurtechnische Fachgebiete befassen sich mit der Bewertung der Bruchfestigkeit und Lebensdaner von Konstruktionen. Zum besseren Verst~indnis und zur Kl~rung der Begriffe soll hier eingangs eine Einordnung gegeben werden. Die klassische Festigkeitslehre (engl. theory of strength) geht von deformierbaren KSrpern gegebener Geometrie (G) ans, die frei von jeglichen Defekten sind und ein ideales Kontinuum darstellen. Mit den Berechungsmethoden der Strukturmechanik werden die Spannungen und Verzerrungen im Banteil als Folge der Einwirkung ~iu~erer Belastungen (L) und unter Annahme des spezifischen Verformungsgesetzes (Elastizit~it, Plastizitiit usw.) des Materials (M) ermittelt. Anhand dieser Ergebnisse formuliert man Festigkeitshypothesen und berechnet Kenngriii~en - - meist in Form einer Vergleichsspannung av - - , die den Beanspruchungszustand in jedem Materialpunkt charakterisieren. Durch Versuche an einfachen ProbekSrpern mit elementaren Beanspruchungszust~nden (z.B. Zugversuch) werden kritische Grenzwerte ac der Werkstofffestigkeit ermittelt, bei deren 0berschreiten ein Versagen (z.B. Bruch) eintritt. Um die Sicherheit von Bauteilen zu g e w ~ r leisten, miissen die dort auftretenden maximalen Beanspruchungen stets unter diesen kritischen Festigkeitskennwerten bleiben, was in bekannter Form als Festigkeitskriterium dargestellt wird: O"c

av(G,n,M) <_(rzul(M) = -~Die zul~sige Beanspruchung a ~ l bestimmt sich aus dem Werkstoffkennwert ac durch Abminderung mit einem Sicherheitsbeiwert S > 1. Dabei wird voransgesetzt, dass die an Laborproben ermittelten Kennwerte tats~chlich reine (geometrieunabh~ngige) Werkstoffeigenschaften repr~sentieren und somit auf die Bauteilgeometrie fibertragen werden diirfen (Prinzip der Ubertragbarkeit). Die genannte Beziehung beschreibt eine lokale Festigkeitshypothese am Materialpunkt. Im Unterschied dazu kennt man auch globale Versagenskriterien wie z.B. die plastische Grenzlast FL, die den Verlust der Tragf~higkeit des gesamten Bauteils quantifizieren. Ein lokales Versagen muss nicht sofort zum globalen Versagen fiihren, sondern in Abh~gigkeit von Belastung und Geometrie kann die Konstruktion der Ausbreitung von Sch~digungen noch begrenzt widerstehen. Dieses Verhalten wird mit den Begriffen Sicherheitsreserven und Schadenstoleranz gekennzeichnet. Je nach ihrem zeitlichen Verlanf unterscheidet man statische, dynamische oder zyklische Belastungen. Fiir den praktisch h~ufigen Fall regelm~i~iger zyklischer oder regelloser stochastischer Belastungen hat sich die Betriebsfestigkeitslehre als Teildisziplin herausgebildet. Die traditionellen Festigkeitshypothesen und die darin verwendeten Werkstoffkennwerte ffir Festigkeit und Z~i~higkeit (Streckgrenze, Zugfestigkeit, Danerschwingfestigkeit, Bruchdehnung, Kerbschlagarbeit) versagen jedoch h~ufig, wenn es um die Vorhersage und Vermeidung von Bruchvorg~gen geht, wie die in der Praxis immer wieder auftretenden Schadensf~lle zeigen. Ursache daffir ist, dass Bruchvorg~nge vornehmlich von Stellen hoher Beanspruchungskonzentration an rissartigen Defekten ausgehen, woftir die klassische Festigkeitslehre keine verwertbaren quantitativen Zusammenh~nge zwischen Beanspruchungssituation, Bauteilgeometrie und Werkstoffeigenschaften liefert.

1.2 Die Bruchmechanik

11

Eine recht moderne Disziplin ist die Schiidigungsmechanik (engl. continuum damage mechanics). Hier arbeitet man mit den gleichen Methoden wie in der klassischen Festigkeitslehre, jedoch wird im Unterschied dazu bei der Formulierung des Materialgesetzes angenommen, dass der Werkstoff mikroskopisch kleine, kontinuierlich verteilte Defekte besitzt, z. B. Mikrorisse oder Mikroporen. Diese Defekte werden aber nicht diskret einzeln abgebildet, sondern fliet~en nur implizit als gemittelte Defektdichte pro Volumen in homogenisierter Form in das Materialgesetz ein. Die Defektdichte stellt ein Mag ffir die Sch~digung D des Werkstoffs dar und wird als interne Variable im Materialgesetz behandelt. Sie kann sich im Laufe der Belastung vergr6gern, bis ein kritischer Grenzwert Dr der Sch~ligung erreicht wird, was auf makroskopischer Ebene der Bildung eines Anrisses entspricht. Ein sch~kiigungsmechanisches Materialgesetz beschreibt demnach sowohl die Verformungs- als anch die Versagenseigenschaften des Werkstoffs in lokaler Form an jedem Materialpunkt der Struktur und enth~lt somit implizit ein lokales Festigkeitskriterium der Form:

D(G, L, M) <_Dc(M) Die Schiidigungsmechanik eignet sich deshalb besonders fiir die Modellierung mikromechanischer Versagensprozesse in einem Werkstoff, bevor sich ein Makroriss bildet oder fiir die Modellierung der Bruchprozesszone an der Spitze eines Makrorisses. 1.2

Die Bruchmechanik

Als Bruchmechanik (engl. fracture mechanics) bezeichnet man das engere Fachgebiet, welches sich mit den Bruch- und Versagensprozessen in technischen Werkstoffen und Konstruktionen befasst. Im Unterschied zu den beiden oben genannten Fachgebieten geht man in der Bruchmechanik davon aus, dass jedes Bauteil und jeder reale Werkstoff unvermeidliche Fehlstellen bzw. Defekte anfweisen. Der Grund dafiir ist, dass in vielen technischen Werkstoffen herstellungsbedingte Defekte (Anrisse, Poren, Materialinhomogenit~ten, Delaminationen, Schwachstellen u. A.) vorhanden sind oder sich derartige Fehler infolge mechanischer, thermischer oder korrosiver Betriebsbelastungen bilden. Man weit~, dass die reale Festigkeit der Werkstoffe um mehrere GrSt~enordnungen unterhalb der theoretisch mSglichen Festigkeit bei defektfreien idealen Bindungsverh~ltnissen liegt. Ebenso kSnnen durch technologische Prozesse bei der Fertigung Defekte entstehen (Gussfehler, H~rterisse, Bindefehler in Schweit~ns u. A.), die zu einer Rissbildung fiihren. Oftmals lassen sich anch aufgrund der konstruktiven Anforderungen an ein Banteil geometrische Kerben oder abrupte Werkstoffiibergs nicht vermeiden, die zu hohen 6rtliche Beanspruchungen fiihren. Hinzu kommt der wichtige Umstand, dass die Nachweismethoden der zerstSrungsfreien Priifung physikalische Aufl6sungsgrenzen haben, so dass herstellungs- oder betriebsbedingte Defekte nicht in jedem Fall zweifelsfrei ausgeschlossen werden kSnnen. Das bedeutet, man muss zumindest hypothetisch das Vorhandensein von Fehlern dieser Gr5tgenordnung annehmen! Unvermeidbare Fehler dieser Art kSnnen sich zu makroskopischen Rissen ausweiten und bilden die entscheidende Ursache ffir das Eintreten eines Bruchs.

12

1 Einleitung

Bild 1.6: Schematische Darstellung des bruchmechanischen Bewertungskonzeptes

Aus diesen Grfinden setzt man in der Bruchmechanik die Existenz derartiger Fehler voraus und bildet sie sicherheitstechnisch konservativ explizit als Risse der Gr6]~e a ab. Ein solcher diskreter Riss ist von einem defektfreien Material umgeben, welches mit den bekannten Materialgesetzen der Kontinuumsmechanik beschrieben wird. Mit den Berechnungsmethoden der Strukturmechanik untersucht man dann die Spannungsund Verformungszust~inde am Riss. Es ist klar, dass sich an der Rissspitze sehr hohe, inhomogene Spannungs- und Verformungszust~nde ausbilden. Derartige Spannungskonzentrationen kSnnen jedoch nicht mit den klassischen Konzepten der Festigkeitslehre bewertet werden, sondern es miissen geeignete bruchmechanische Kenngr6i~en B gefunden werden, die den Beanspruchungszustaad am Riss kennzeichnen. Diese werden dann mit bruchmechanischen Materialkennwerten Bc verglichen, die den spezifischen Widerstand gegeniiber Rissausbreitung charakterisieren. Dazu werden spezieUe bruchmechanische Werkstoff-pr/ifverfahren eingesetzt, bei denen einfache Probenformen mit Riss bis zum Versagen belastet werden. Auf dieser Basis kSnnen dann quantitative Aussagen fiber das Verhalten eines Risses gewonnen werden, z. B. unter welchen Bedingungen er sich weiter ausbreitet bzw. was getan werden muss, um dies zu verhindern. Eine bruchmechanische Festigkeitshypothese hat dann in Analogie zu den oben genannten Kriterien die Form:

B(G, L, M, a) <_Be(M) Diese konzeptionelle Vorgehensweise der Bruchmechanik ist in Bild 1.6 dargestellt. Eine wesentliche Erweiterung gegenfiber klassischen Festigkeitshypothesen ist die Einfiihrung einer zuss geometrischen GrS~e - - n~nlich der Rissl~inge a - - , was bereits vermutcn lgsst, dass hier GrSgeneffekte eine Rolle spielen werden. Die Bruchmechanik

1.2 Die Bruchmechanik

13

stellt festigkeitstheoretisch also einen Zusammenhang her zwischen der Geometrie des Bauteils (G), der Lage und GrSge (a) des rissartigen Defektes, der ~iugeren Belastung (L), der lokalen Rissbeanspruchung (B) und dem Werkstoffwiderstand gegen Rissausbreitung Be. Je nachdem, welche dieser GrSt~en als bekannt voransgesetzt werden diirfen und welche GrSi~en gefragt sind, bietet die Bruchmechanik entsprechende MSglichkeiten zur Bewertung der Festigkeit, Lebensdauer und Zuverl~issigkeit yon Bauteilen. Damit kSnnen in den nachfolgend genannten Phasen einer technischen Konstruktion, eines Bauteils oder einer Anlagenkomponente folgende Fragen beantwortet werden. a) I n d e r E n t w i c k l u n g s p h a s e : 9 Wie muss die Konstruktion dimensioniert und die maximale Belastung festgelegt werden, damit unvermeidbare oder nicht detektierbare Defekte im Material oder Bauteil nicht weiter wachsen und zum Bruch fiihren ? 9 Welchen Werkstoff (Bruchwiderstand Be) muss man ausw~hlen~ damit bei gegebenen Betriebsbelastungen Risse vorhandener GrSt~e nicht kritisch werden kSnnen ? 9 Wie grog ist statistisch gesehen das verbleibende Risiko gegenfiber Totalversagen ? b) W ~ i h r e n d d e s F e r t i g u n g s p r o z e s s e s : 9 Wie kSnnen technologisch PLisse und Materialschiidigungen vermieden werden ? 9 Wie kSnnen bei der Qualit~itskontrolle bruchmechanisch nicht zul~sige FehlergrSt~en durch Methoden der zerstSrungsfreien Werkstoffpriifung entdeckt werden ? c) I n d e r B e t r i e b s p h a s e : 9 Wie verringert sich die Tragf~higkeit des Bauteils, wenn ein Riss der L~inge a entdeckt wird ? 9 Wie grot~ ist die kritische R i s s l ~ g e ac~ bei der es unter den gegebenen Betriebsbelastungen zum Bruch kommt ? 9 Wie lange braucht ein Riss, um von seiner AnfangsgrSt~e a0 bis zur kritischen L~nge ac anzuwachsen ? 9 Wie muss man die InspektionsintervaUe festlegen, in denen eine Untersuchung auf Rissbildung und Rissausbreitung erforderlich ist ? d) N a c h e i n e m t e c h n i s c h e n S c h a d e n s f a l l : 9 Was waren die Ursachen? Risse, die bei der Uberwachung iibersehen wurden? Fehlender bruchmechanischer Sicherheitsnachweis ? Unzul~ssig hohe Betriebslasten ? Falscher Werkstoffeinsatz oder negative Werkstoffver~inderungen ? 9 Welche Abhilfemas

sind zukiinftig notwendig und mSglich ?

9 Wie viel Prozent einer Produktserie fielen durch Bruch aus - Zuverl~ssigkeit ?

14

1 Einleitung

In vielen Industriebranchen und Technologiefeldern geniigen die klassischen Festigkeitskriterien. Es gibt jedoch Einsatzbereiche, wo bruchmechanische Sicherheitsnachweise zus~itzlich erforderlich sind und genehmigungsrechtlich vorgeschrieben werden: 9 Konstruktionen und Anlagen mit extrem hohen sicherheitstechnisehen Anforderungen zum Schutz von Menschen und Umwelt wie z. B. bei Kraftwerksanlagen, Geb~uden und Briicken, in der Kerntechnik oder der Luft- und Raumfahrt 9 Bauteile, die eine hohe Zuverl~issigkeit und Lebensdauer erfordern wie z. B. EisenbahnN~ier, Maschinenteile, Autos, Turbinenschaufeln, Gliihwendel oder mikroelektronische Systeme Das wissenschaftliche Verst~ndnis und die Beherrschung von Bruchvorg~ngen kSnnen aber auch Vorteile bringen, so z. B. auf folgenden Gebieten: 9 Bei Prozessen und Technologien, wo der Bruchvorgang gewollt ist und gezielt vorgenommen wird, wie im Bergbau und der Geotechnik (Sprengung, Tunnelbau, Rohstoffabbau) oder in der Aufbereitungs- und Zerkleinerungstechnik (Brecher, Miihlen, Recycling), um die Maschinen, Werkzeuge und Verfahren zu optimieren und den Energieverbrauch zu minimieren. 9 Bei der Entwicklung neuer Werkstoffe mit herausragenden Festigkeits- und Bruchz~i1~igkeitseigenschaften kSnnen bruchmechanische Simulationen zur Optimierung des mikrostruktureUen Designs beitragen. Umgekehrt erfordern neuartige Werkstoffe die Bereitstellung spezifischer bruchmechanischer Festigkeitshypothesen fiir eine werkstoffgerechte Auslegung der Konstruktionen. Beispiele dafiir sind Hochleistungskeramiken (Verbesserung der Z~higkeit), Faserverbundwerkstoffe (Delaminationsrisse, Anisotropie), Turbinenschaufeln aus einkristallinen Superlegierungen u. a. m. Die Bruchmechanik hat sich in den letzten 50 Jahren als eigenst~indige wissenschaftliche Disziplin herausgebildet. Gem~t~ der Natur der Bruchvorg~nge vereint die Bruchmechanik Erkenntnisse und Modellansiitze der Technischen Mechanik, der Materialforschung und der FestkSrperphysik. Sie stellt somit ein interdisziplin~es Fachgebiet dar, an dessen Weiterentwicklung Berechnungsingenieure, Kontinuumsmechaniker, Werkstofftechniker, Materialwissenschaftler und Physiker beteiligt sind. Die Beherrschung bruchmechanischer Kenntnisse gehSrt mittlerweile in vielen Industriebranchen zum Stand der Technik. Zahlreiche technische Regelwerke, Priifvorschriften und staatliche Aufsichtsbeh5rden sorgen dafiir, dass dieses Fachwissen im Interesse der technischen Sicherheit in die Praxis umgesetzt wird. Die Bruchmechanik untergliedert sich in folgende Teilaufgaben: 9 Analyse des mechanischen Beanspruchungszustandes an Rissen auf der Basis kontinuumsmechanischer Modelle mit Hilfe analytischer oder numerischer Berechnungsverfahren der Strukturmechanik. 9 Ableitung von werkstoffphysikalisch begrfindeten KenngrSt~en und bruchmechanischen Versagenskriterien ffir den Beginn und den Verlauf der Rissausbreitung.

1.3 Berechnungsmethoden ffir Risse

15

9 Entwicklung von Priifmethoden zur experimentellen Bestimmung geeigneter Werkstoffkennwerte, die den Rissausbreitungswiderstand eines Materials kennzeichnen. 9 Anwendung der bruchmechanischen Versagenskriterien und Konzepte anf rissbehaftete Konstruktionen, um quantitative Aussagen zur Bruchsicherheit und Restlebensdauer zu gewinnen.

1.3

Berechnungsmethoden ffir Risse

Fiir alle oben genannten Teilaufgaben der Bruchmechanik spielen die Methoden zur Berechnung yon RissmodeUen eine zentrale Rolle. Historisch betrachtet, waxen Entwicklung und Anwendung der Bruchmechanik eng an die Fortschritte der analytischen und numerischen Verfahren der Strukturmechanik und Kontinuumsmechanik gekoppelt. Es ist das Anliegen dieses Lehrbuches, den Leser mit den modernen numerischen Berechnungsverfahren vertraut zu machen, die gegenw~rtig zur bruchmechanischen Analyse von Bauteilen mit Rissen eingesetzt werden. Zuvor soll jedoch ein historischer Riickblick gegeben werden. Etwa um die Wende zum 20. Jahrhundert waxen die Methoden der Elastizit~itstheorie mathematisch soweit herangereift, dass erstmals ebene Probleme in homogenen, linearelastischen Scheiben mit L6chern oder Kerben berechnet werden konnten (KIFtSCH, INGLIS). Bahnbrechend war die Entwicklung von komplexen Spannungsfunktionen durch K o LOSOV 19o9, die in den 3oer Jahren von MUSKELISHVILI, SAVIN, WESTERGAARD, FOPPL und anderen zu einem leistungsstarken Werkzeug fiir Scheibenberechnungen ausgebaut wurden. Die erste LSsung fiir einen Riss in der Ebene stammt von INGLIS 1913. Sie bildete die Grundlage fiir das erste bruchmechanische Konzept der Energiefreisetzungsrate von GR,IFFITH im Jahre 1921. WESTERGAARD setzte 1939 seine Methode der komplexen Spannungsfunktionen ffir Rissprobleme in Scheiben ein. 1946 gelang es SNEDDON, mit der Methode der Integraltransformationen die L6sung fiir kreisf'6rmige und elliptische Risse im R a u m zu finden. WILLIAMS berechnete 1957 die Eigenfunktionen fiir die Spannungsverteilung an Rissspitzen in der Ebene. IRWIN erkannte 1957, dass an allen schaxfen Rissspitzen die Spannungen eine Singularit~t vom gleichen Typ aufweisen. Darauf begriindete er dann das Konzept der Spannungsintensit~tsfaktoren, das bis heute sehr erfolgreich in der Bruchmechanik angewandt wird. Als weitere semi-analytische Verfahren fiir ebene Rissprobleme sind singulgre Integralgleichungen zu e r w ~ n e n (MUSKHELISHVILI, ERDOGAN U. a.). Die bis dahin verfiigbaren Berechnungsmethoden b e s c h r ~ k t e n sich auf zweiund dreidimensionale isotrop-elastische Randwertaufgaben fiir einfache Risskonfigurationen zumeist in unendlichen Gebieten. Erst mit der rasanten Entwicklung der elektronischen Rechentechnik ab den 6oer Jahren des vorigen Jahrhunderts konnten numerische Berechnungsverfahren der Strukturmechanik (wie die Finite Differenzen Methode, Kollokationsmethoden, FOVRIER-Transformationen) wirksam umgesetzt werden. All diese Methoden wurden anffinglich anch fiir Rissprobleme benutzt, aber bald durch die wesentlich universellere und leistungsf'~higere Methode der Finiten Elemente (FEM) (engl. Finite Element Method) abgel6st. Pioniere auf dem Gebiet der FEM-Entwicklung fiir strukturmechanische Analysen waxen 11. a. ZIENKIEWICZ, ARGYRIS, WILSON und BATHE. Bald danach kam die Methode der

16

1 Einleitung

Randelemente (BEM) (engl. Boundary Element Method) auf, die vor aUem von CRUSE und BREBBIA ffir Rissprobleme vorteilhaft umgesetzt wurde. Die erste internationale Konferenz fiber die Anwendung numerischer Methoden in der Bruchmechanik land 1978 in Swansea/GB start. Dank dieser Methoden wurden besonders in der Bruchmechanik duktiler Werkstoffe wesentliche Fortschritte erzielt. In der heutigen Zeit werden haupts~chlich die FEM und ffir Spezialaufgaben noch die BEM als unverzichtbaxe Berechnungswerkzeuge ffir kontinuumsmechanische Spannungsanalysen, werkstoffmechanische Modelle und numerische Simulationen in der Bruchforschung verwendet. Inzwischen ist es mit diesen Verfahren mSglich, komplizierte Risskonfigurationen in realen technischen Strukturen unter komplexen Belastungen bei nichtlinearem Materialverhalten zu analysieren. Eine fast uniibersehbare Anzahl yon wissenschaftlichen Publikationen ist in den letzten Jahrzehnten erschienen, die sich mit der Weiterentwicklung und Anwendung dieser numerischen Verfahren in der Bruchforschung befassen. Inzwischen entstehen bereits neue numerische Methoden wie >>netzfreie - mesh-free(( FEM oder BEM, Diskrete-ElementMethoden (DEM), Partikel-Methoden und erweiterte (extended) X-FEM, die sich das Anwendungsgebiet der Bruchmechanik erobern.

2

Einteilung der Bruchvorg nge

Bruchvorg~inge werden nach recht unterschiedlichen Gesichtspunkten eingeteilt. Die Griinde dafiir liegen in der enormen Vielfalt, mit der Bruchvorg~inge in Erscheinung treten, und in den verschiedenartigen Ursachen, die zum Versagen fiihren. In erster Linie h ~ g t der Bruch von den Eigenschaften des betrachteten Werkstoffs ab, weshalb die anf mikrostruktureUer Ebene ablaufenden ZerstSrungsprozesse im Material die charakteristische Erscheinungsform bestimmen. Diese mikroskopischen Strukturen und Versagensmechanismen variieren innerhalb der Palette technischer Werkstoffe in vielf~ltiger Weise. Genauso bedeutsam fiir das Bruchverhalten ist jedoch anch die Art der ~iugeren Belastung des Banteils. Nach dieser Kategorie kann man z.B. Briiche bei statischer, dynamischer oder zyklischer Belastung unterscheiden. Weitere wichtige EinflussgrSigen auf den Bruchvorgang sind die Temperatur, die Mehrachsigkeit der Beanspruchung, die Verformungsgeschwindigkeit und die chemischen Umgebungsbedingungen. 2.1

Makroskopische

Erscheinungsformen

des Bruchs

Die makroskopische Einteilung der Bruchvorg~nge entspringt der Sichtweise des Konstrukteurs und Berechnungsingenieurs. Der Bruch einer Struktur ist zwangsl~iufig mit der Ausbreitung eines oder mehrerer Risse verbunden, was letztendlich zur vollst~ndigen Zertrennung und zum Verlust der Tragf'~higkeit fiihren l~nn. Deshalb wird dem zeitlichen und r~umlichen Verlauf des Risswachstums besondere Bedeutung beigemessen. In der Bruchmechanik geht man yon der Existenz eines makroskopischen Risses ans. Dieser kann von Anfang an als Materialfehler oder bedingt durch die BanteilhersteUung vorhanden sein. H~iufig entsteht ein Anriss erst infolge der Betriebsbelastungen durch Werkstoffermtidung, was Gegenstand der Betriebsfestigkeitslehre ist. Schlieiglich z~hlen hierzu auch hypothetische Risse, die zum Zwecke des Sicherheitsnachweises angenommen werden. Die makroskopischen, strukturmechanischen Aspekte des Bruchs kSnnen anhand der Belastungen und des Bruchverlaufs wie folgt kategorisiert werden. a) A r t d er B e l a s t u n g Die mechanischen Belastungen werden entsprechend ihrem zeitlichen Verlanf in statische, dynamische und (periodisch-zyklisch oder stochastisch) ver~inderliche Lasten untergliedert, denen man entsprechende Brucharten zuordnen kann. Bruchvorggnge unter konstanter Last sind typisch f/ir tragende Konstruktionen z.B. im Banwesen. Stos Falloder Crashvorg~nge sind mit hochdynamischen beschleunigten Verformungen und Tr~gheitskr~ffen gekoppelt. Groige Aufmerksamkeit gilt im Maschinen- und Fahrzeugban den ver~nderlichen Lasten, die im Vergleich zur statischen Belastung bei wesentlich geringeren Amplituden zur Rissbildung und Rissausbreitung ftihren. Etwa 6o% aller technischen Schadensf~lle sind auf Schwingungsbruch bzw. Ermiidungsrisswachstum zuriickzufiihren.

18

2 Einteilung der Bruchvorgiinge

b) Lage der Bruchfl~iche zu den H a u p t s p a n n u n g e n Bereits aus der klassischen Festigkeitslehre ist bekannt, dass Versagen in den meisten Fiillen vom lokalen Spannungszustand kontrolliert wird, der eindeutig durch die Hauptnormalspannungen ai, aii und aiii und ihre Achsen festgelegt ist. Je nach Werkstoff kommen entweder die Hypothesen der maximalen Normalspannung (RANKINE),der maximalen Schubspannung (CouLOMB)oder erweiterte gemischte Kriterien (MOHa) zum Einsatz. Das makroskopische Bild des Bruchs ist daher hiiufig yon den Hauptspannungstrajektorien gepriigt. Man unterscheidet zwei Brucharten: 9 Der normalfiiichige Bruch oder Trennbruch liegt dann vor, wenn die Bruchfl~chen senkrecht zur Richtung der grSgten Hanptnormalspannung ama~ = crI liegen. 9 Von scherfl~ichigem Bruch oder Gleitbruch spricht man, wenn die Bruchfl~ichen mit den Schnittebenen der maximalen Schubspannung ~-max = (crI -- aIII)/2 zusammenfallen. Die Situation ist fiir den einfachen Zugstab in Bild 2.1 skizziert, kann aber anf den lokalen Spannungszustand an jedem Punkt des K5rpers iibertragen werden. Bei einem Torsionsstab (Welle) w6rden die Bruchfl~chen dann senkrecht oder um 45 ~ geneigt zur Achse verlanfen, je nach d e m o b man Gleit- oder Trennbruch unterstellt.

Bild 2.1: Orientierung der Bruchfliichen zu den Hauptspannungsrichtungen

c) Stabilitlit der Rissausbreitung Ein Riss besitzt in der Ausgangssituation eine bestimmte GrSfge und Gestalt. Solange sich diese nicht veriindern, spricht man yon einem ruhenden bzw. station~iren Riss. Der Moment, wo aufgrund einer kritischen Beanspruchung die Rissansbreitung beginnt, wird Risseinleitung oder Rissinitiier'ung (engl. crack initiation) genannt. Die Rissgr6ge w~chst nun und man bezeichnet den Riss als instation5r. Ein wichtiges Merkmal des Bruchs ist die Stabilit~t der Rissansbreitung. Der Bruchvorgang wird dann als instabil (engl. unstable crack growth) bezeichnet, wenn sich der Riss

2.1 Makroskopische Erscheinungsformen des Bruchs

19

schlagartig ansbreitet, ohne dass die/iut~ere Belastung erhSht werden muss. Der kritische Zustand wird erstmalig iiberschritten und bleibt ohne weitere Energiezufuhr bestehen. Ein typisches Beispiel ist der Riss in der amerikanischen Freiheitsglocke (Bild 2.2), der vermutlich ausgehend von einem Gussfehler aufgrund von Eigenspannungen urplStzlich (angeblich am Geburtstag von G. Washington) entstand. Im Gegensatz dazu spricht man von stabiler Rissausbreitung (engl. stable crack growth), wenn fiir ein weiteres Wachstum des Risses eine entsprechende Steigerung der/iufgeren Belastung notwendig ist, d.h. der kritische Zustand muss dutch weitere Energiezufuhr immer wieder herbeigeffihrt werden. Mat~gebend fiir die Stabilit/it der Rissansbreitung ist die Frage, wie sich infolge der Rissausbreitung die Beanspruchungssituation im KSrper und am Riss selbst ver/indert. Stabile Rissansbreitung ist h/iufig mit plastischen, energiezehrenden Verformungen im Bauteil verbunden, was der Schadensfall eines Beh/ilters (Bild 2.5) deutlich macht. Diese Verbindung ist aber keinesfalls zwingend, wie uns das Beispiel eines langsam wachsenden Risses in einer Autoscheibe ans sprSdem Glas lehrt! Kommt die Rissausbreitung innerhalb des KSrpers zum Stillstand, so spricht man von Rissstop oder Rissarrest (engl. crack arrest). d) A u s m a g d e r i n e l a s t i s c h e n V e r f o r m u n g e n Je nach GrSs der inelastischen Verformungen bzw. der aufgebrachten Form/inderungsarbeit im KSrper, die dem Bruch vorausgehen bzw. ihn begleiten, unterscheidet man: 9 Verformungsloser, verformungsarmer oder makroskopisch spriider Bruch (engl. brittle fracture). Die Nennspannungen liegen weit unterhalb der plastischen Flies die plastischen oder viskoplastischen Zonen sind sehr klein und die Last-VerformungsKurve verl/iuft linear bis zum Bruch. 9 Verformungsreicher, z~iher oder makroskopisch duktiler B~'uch (engl. ductile fracture) liegt dann vor, wenn der Bruchvorgang mit gros inelastischen Verformungen verbunden ist. Die Last-Verformungs-Kurve zeigt eine ausgepr/igte Nichtlinearit/it und die inelastischen Bereiche erstrecken sich meist fiber den gesamten Querschnitt (plastische Grenzlast fiberschritten). e) U n t e r k r i t i s c h e R i s s a u s b r e i t u n g Im Unterschied zu den genannten Rissansbreitungsarten findet man Bruchvorg/inge, die weir unterhalb einer kritischen Beanspruchung mit sehr geringer Wachstumsgeschwindigkeit in stabiler Form ablanfen. Dafiir wurde der Terminus unterkritische oder subkritische (engl. subcritical) Rissausbreitung eingefiihrt. Die wichtigste Erscheinungsform dieser Art ist das Ermiidungsrisswachstum (engl. fatigue crack growth), bei dem sich der Riss unter wechselnder Belastung schrittweise vergrSgert. Einen charakteristischen Schadensfall an einer dutch Umlaufbiegung wechselbelasteten Welle zeigt Bild 2.4. Bei unterkritischer konstanter Belastung kann es in Verbindung mit viskoplastischen Verformungen zum so genannten Kriechbruch (engl. creep fracture) kommen. Bei Einwirkung eines korrosiven Mediums auf den Rissspalt beobachtet man trotz subkritischer Belastung eine Rissansbreitung durch Spannungsrisskorrosion (engl. stress corrosion cracking).

2o

2 Einteilung der Bruchvorg~nge

Bild 2.2: Makroskopischer SprSdbruch der Liberty-Glocke, Philadelphia 1752

Bild 2.4: Schadensfall durch Ermiidungsbruch an einer WeUe

Bild 2.3: Schadensfall einer Gasrohrleitung mit dynamischer Rissausbreitung

Bild 2.5: Makroskopischer Z~hbruch eines Beh~ilters aus Stahl

2.2 Mikroskopische Erscheinungsformen des Bruchs

21

f) Geschwindigkeit der Rissausbreitung I m Unterschied zur dynamischeI1, stogartigen Belastullg eilleS station/iren Risses geht es hier um die Dynamik des Bruchvorganges selbst. In den meisten F~illen verl/iuft die Rissausbreitung so langsam, dass alle dynamischen Effekte in der Struktur vernachl~ssigt werden d/irfen. Dann ist eine quasistatische Analyse opportun. Erreicht die Rissgeschwindigkeit jedoch die GrSs der Schallwellengeschwindigkeiten im FestkSrper, so mfissen die Beschleunigungsterme, Massentr~igheitskr/ifte sowie die Wechselwirkung des Risses mit den SchaUweUen Ber/lcksichtigung finden. Hinzu kommt, dass die Versagensmechanismen im Werkstoff von der Dehnrate abh/ingen, was meist zu einer VersprSdung bei schnellen Rissen fiihrt. Auf diese Weise haben dynamische Rissausbreitungsvorg~inge schon katastrophale Schadensfiille verursacht, wie das Beispiel einer Gasrohrleitung (Bild 2.3) zeigt.

Bild 2.6: Transkristalliner SprSdbruch eines Stahls bei Raumtemperatur

2.2

Bild 2.7: Interkristalliner Spaltbruch von Stahl St52 bei -196~

Mikroskopische Erscheinungsformen des Bruchs

Zum Verst~indnis der werkstoffspezifischen Versagensmechanismen beim Bruch ist eine Besichtigung des >>Tatorts<<- der Bruchflgche -/ius hilfreich, wozu man sich wegen ihrer Tiefensch~irfe, der chemischen Elementanalyse und des Materialkontrastes bevorzugt der Rasterelektronenmikroskopie bedient. Ebenso ist es mSglich, aus der mikroskopischen Gestalt der Bruchfl/iche auf die Ursachen des Schadens zu schlies (Fraktografie). Die verschiedenen Versagensmechanismen fiihren zu charakteristischen Strukturen der Bruchfl/ichen und die typischen >>Gesichter<< der unterschiedlichen Brucharten sind in fraktografischen Atlanten katalogisiert, siehe z.B. [85]. Hier steht also die Sichtweise der Materialwissenschaftler und Schadensforscher im Vordergrund. Die wichtigsten mikroskopischen Erscheinungsformen des Bruchs sind:

22

2 Einteilung der Bruchvorg~ialge 9 Der spaltflSchige oder mikroskopisch sprSde Bruch (engl. cleavage fracture) wird durch ebene Spaltfliichen bei geringen Verformungen charakterisiert. Ursaehe hierfiir sind Trennbrfiche entlang bevorzugter kristallografischer Orientierungen aufgrund hoher Normalspannungen. Kubisch-raum-zentrierte Metalle bei niedrigen Temperaturen (Bild 2.7) und keramische Werkstoffe (Bild 2.8) neigen zum SprSdbruch. 9 In polykristallinen keramischen und metallischen Werkstoffen beobachtet man charakteristische Unterschiede der Bruchfl/ichen, je nachdem, ob der Bruch anf den Grenzen zwischen den einzelnen K6rnern interkristallin verlaufen ist oder die KSrner dttrch Spaltung transkristaUin getrennt hat. Den Unterschied kaan man sehr gut durch Vergleich der Bilder 2.6 und 2. 7 erkennen. 9 Beim wabenartigen oder mikroskopisch duktilen Bruch (engl. dimple fracture) geht der Versagensmechanismus mit grot~en plastischen Verformungen in der Prozesszone einher, wodurch sich mikroskopische Hohlriiume bilden, wachsen und schliet~lich vereinigen, was zu der ausgepr~gten Wabenstruktur der Bruchfl~che fiihrt. Bild 2. 9 zeigt die typische Bruchfl~che eines hSherlegierten Stahls. 9 Der Ermiidungsbruch ist wegen der geringen plastischen Verformungen recht glatt und mit feinen Schwingstreifen versetzt, wie die 0bersichtsaufnahme Bild 2. 4 zeigt. Er verliiuft in der Regel transkristallin. Die mikroskopische Detailaufnahme der Bruchfl~che Bild 2.1o liisst deutliche Spuren plastischer Wechselverformungen erkennen.

9 Kriechbruch in Metallen geschieht hiiufig durch Schi~xiigung der Korngrenzen, auf denen sich dutch Diffusionsvorg~nge Kriechporen bilden, was letztendlich zum interkristallinen Versagen fiihrt. Bild 2.11 zeigt die Bruchfliiche einer Aluminiumlegierung bei hSheren Temperaturen. Wie vielf'eiltig die Versagensmechaaismen sein kSnnen, verdeutlichen die fraktografischen Aufnahmen eines Bruchs infolge Spannungsrisskorrosion (Bild 2.12) und eines modernen faserverst~rkten Glas-Composites (Bild 2.13). Das Verst~ndnis der mikrostrukturellen Versagensmechanismen beim Bruch ist nicht nur fiir Werkstoffwissenschaftler und Schadensforscher von Interesse, sondern liefert auch dem Kontinuumsmechaniker und Berechnungsingenieur wertvoUe Informationen dariiber, welche Spannungs- oder Verformungszust~de den Mechanismus kontrollieren, um ihn dann durch makroskopische KenngrSt~en und Kriterien beschreiben zu kSnnen. 2.3

Klassifikation

der Bruchvorg~inge

Zusammenfassend soll eine Einteilung der Bruchvorg~nge angegeben werden, wie sie heute gebr~uchlich ist. Die in Bild 2.14 gegebene 0bersicht orientiert sich an den Verformungseigenschaften der Werkstoffe, auf die ausfiihrlich im Anhang A eingegangen wird. Gem~i~ dieser Einteilung werden auch die folgenden bruchmechanischen Kapitel gegliedert.

2. 3 Klassifikation der Bruchvorg~nge

23

Bild 2.8: BruchflEche einer sprSden SiCSinterkeramik (transkristallin)

Bild 2.9: Duktiler Wabenbruch des hochlegierten Stahls 27MnSiVS6

Bild 2.1o: Fraktografische Aufnahme des Ermiidungsbruchs von Stahl C15

Bild 2.11: Bruchfl~che eines Kriechbruchs in Aluminium A1SiloMg bei 3oo~

Bild 2.12: Bruchfl~iche bei Spannungsrisskorrosion in einer CuZn37-Legierung

Bild 2.x3: Bruchfl/iche des FaserverbundWerkstoffs Fortadur (SiC-Fasern in Duran-Glas)

24

2 Einteilung der Bruchvorg~age

Bild 2.14: Klassifikation der Bruchvorg~inge

3

Grundlagen der Bruchmechanik

In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen der Bruchmechanik dargelegt. Hauptanliegen ist die Beschreibung der verfiigbaren kontinuumsmechanischen LSsungen fiir Risse. Auf der Grundlage der so ermittelten Spannungs- und Verformungszustgnde werden dann geeignete KenngrSs ausgewghlt, welche die Beanspruchungssituation an Rissen eindeutig beschreiben. Diese Beanspruchungsparameter bzw. Bruchkenngr5flen bilden die Grundlage flit die Formulierung von Bruchkriterien, womit das Verhalten der Risse quantitativ bewertet werden kann. Diese meist geschlossenen mathematischen LSsungen stellen die Voraussetzung dar, um die BruchkenngrSt~en sp~ter mit numerischen Methoden berechnen zu kSnnen. Selbstverstgndlich basieren auch die experimentellen Prfifmethoden der Bruchmechanik zur Ermittlung der Werkstoffkennwerte auf dem Verst~ndnis der Beanspruchungssituation. 3.1

Modellannahmen

In der Bruchmechanik wird das Verhalten von Rissen in KSrpern aus makroskopischer Sicht im Rahmen der Kontinuumsmechanik beschrieben. Der Begriff >>KSrper<<soll technische Konstruktionen, Bauteile und Anlagen, aber auch Werkstoffstrukturen auf allen Skalen umfassen. Dabei wird der Riss geometriseh als ein mathematiseher Schnitt oder Schlitz in einem KSrper in idealisierter Form aufgefasst. Das bedeutet erstens, dass man eine rein fl/~chenhafte Auffrennung des KSrpers armimmt , die zu zwei Rissufern (2D) bzw. zu zwei RissoberflSchen (3D) fiihrt. Die Rissufer bzw. Rissoberfl/~chen laufen an der Rissspitze (~.D) bzw. Rissfront (3 D) zusarnmen. Zweitens wird eine ideal scharfe Rissspitze mit einem Kerbradius p = 0 unterstellt. Tats~chlich haben die Spitzen physikalischer Risse natfirlieh immer einen endliehen Kriimmungsradius, der jedoeh im Vergleieh zur Rissl~nge und den KSrperabmessungen Ms unendlieh klein betrachtet werden darf. Damit ist die Rissspitzenform eindeutig festgeleg% wodurch sich die Bruchmechanik von der Kerbspannungslehre abhebt. Hinsichtlich der Verformung des Risses unterscheidet mma drei voneinander unabh~ngige Bewegungen der beiden Rissufer relativ zueinander. Diese so genannten RissSffnungsarten oder Rissb'ffaungsmoden (engl. crack opening modes) sind in Bild 3.1 schematisch dargestellt und haben folgende Definition: M o d u s I:

()ffnungsmodus (engl. opening mode): Der Riss 5ffnet sich senkrecht zur R,issebene, was durch eine Zugbeanspruchung verursacht werden kann.

Modus II:

Ebener Schermodus (engl. sliding mode): Die Rissufer verschieben sich in ihrer Ebene senkrecht zur Rissfront, was einer ebenen transversalen Schubbeanspruchung entspricht.

M o d u s I I I : Nichtebener Schermodus (engl. tearing mode): Die Rissufer verschieben sich in ihrer Ebene parallel zur Rissffont, was mit einer nichtebenen longitudinalen Schubbeanspruchung verbunden ist.

26

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Bild 3.x: Definition der drei RissSffnungsarten

Jede Art von Verformung des Risses kann als tJberlagerung dieser drei grundlegenden kinematischen Moden angesehen werden. I m r~umlichen Fall ist Bild 3.1 als lokaler Ausschnitt um ein Segment der Rissfront zu verstehen, wobei sich die GrSige der Moden entlang der Rissfront ver~ndern wird.

Bild 3.2: Prozesszone der mikromechanischen Bruchvorg~inge an der Rissspitze

Die kontinuumsmechanische Modellierung von Rissen ka~n im allgemeinen nicht den physikalischen Bruehprozess der Materialtreimung wiedergeben ! Vielmehr werden - - so wie auch in der klassisehen Festigkeitslehre - - die Spannungen und Verzerrungen im KSrper unter Verwendung von Verfo~mungsgesetzen der Werkstoffe (siehe Abschnitt A.4) ausgerechnet und mit diesen Ergebnissen anschliei~end Festigkeitshypothesen formuliert. Sie beschreiben gewisserma~en die ~>Randbedingungen<<, unter denen die mikromechauischen Vorg~nge in der Bruchprozesszone an einer Rissspitze ablaufen (Bild 3.2).Wollte man die Versagensph~nomene mit in die kontinuumsmechanische Untersuchung einbeziehen, so w~re das Materialgesetz dutch Modelle des Werkstoffversagens zu erweitern. Dieser Weg wird im Rahmen der Kontinuumssch~digungsmechanik und der Koh~sivzonenmodeUe bestritten, den wir vorerst nieht weiter verfolgen wollen. Selbstverst~udlieh kann man durch einen Wechsel auf die Meso- oder Mikroskala natiirlich auch dort diskrete Risse, ihre Entstehung und Wechselwirkung in einer Bruchprozesszone kontinuumsmecha~ niseh oder bruchmechauisch simulieren.

3.2 Linear--elastische Bruchmechanik

3.2

Linear-elastische

27

Bruchmechanik

In der linear-elastischen Bruchmechanik werden Rissprobleme in KSrpern untersucht, deren Verformungsverhalten im gesamten Gebiet als linear-elastisch nach dem verallgemeinerten HOOKEschen Gesetz (Abschnitt A.4.1) angenommen werden darf. Abgesehen von sehr sprSden Werkstoffen gibt es in Wahrheit in fast allen Strukturen materielle oder geometrische Nichtlinearit~ten, besonders im Bereich von Kerben und Rissspitzen. In sehr vielen Fiillen sind die nichtlinearen Effekte auf kleine Gebiete begrenzt, die im Vergleich zur RissgrSs oder den Bauteilabmessungen vernachl~issigt werden dfirfen. Das elastische Materialverhalten kann grunds~tzlich auch anisotrop sein. Vorerst beschr~nken wir uns auf den einfacheren Fall der Isotropie. Im Begriff Linearit~t sind auch kleine Verschiebungen und infinitesimale Verzerrungen (A.3o) einbegriffen.

3.2.1

Zweidimensionale Rissprobleme

Riss unter Modus-I-Belastung Untersucht werden soll ein schlitzf6rmiger gerader Riss der L~iage 2a in einer unendlich ausgedehnten Scheibe mit isotropem linear~elastischem Material. Als Belastung wird eine konstante Zugspannung a in senkrechter Richtung zum Riss angenommen, siehe Bild 3.3. Wir legen ein kartesisches Koordinatensystem mit dem Ursprung in die Mitre des Risses, so dass die Lage der Rissufer F + und F - festgelegt ist durch --a _< xl _< +a,

x2=•

(3.1)

Zur LSsung dieser Randwertaufgabe der Elastizit~tstheorie verwenden wir die im Anhang A.5.2 dargelegte Methode der komplexen Funktionen mit der komplexen Variablen z -- Xl ~-ix2. Die Randbedingungen dieses Problems sind durch die Spannungsfreiheit ti -- 0 der unbelasteten Rissufer/~+ und F - gegeben, deren Normalenvektoren nj nur in ~x2-Richtung weisen, (nl = 0, n2 -- ~1). Nach der CAuCHY-Formel gilt: ti = a i j n j

----Ta{2 ----{i ----0

=~ T12 = 0, 0"22 = 0 a u f / ~ + und F - .

Als weitere Randbedingung muss in unendlicher Entfernung vom Riss der ungestSrte einachsige homogene Zugspannungszustand erreicht werden: a22 -- a,

a l l ----712 ----0

ffir

Izl

=

+

~.

(3.3)

Aus Platzgrfinden kann hier nicht der LSsungsweg angegeben werden (siehe [178]), sondern nur das Resultat in Form der komplexen Spannungsfunktionen r und X(z):

I'

2 V~-a

2

Mit Hilfe der K o L o s o v s c h e n Formeln (A.158) werden das Spannungs- und Verschiebungsfeld in der gesamten Scheibe hergeleitet. Man kann sich durch Einsetzen auch leicht

28

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Bild 3.3: Riss in der unendlichen Scheibe unter Zugbelastung: oben) Koordinatensystem, unten) RissSffnung und Spannungsverlauf

davon fiberzeugen, dass das Abklingverhalten nach (3.3) durch die beiden ersten Terme in (3.4) richtig wiedergegeben wird. Die zweiten Glieder in (3.4) verschwinden fiir [z[ --* c~ und beschreiben demnach die eigentliche Auswirkung des Pdsses auf die Spannungsverteilung in der Scheibe ( ~ ( ) ~ Realteil, .~( ) ~ Imagin~rteil). $1 := all + a22 = 4~r = a ~

[ 3 --" a 2 ,]

S2:=a22_all+2iT12=2[_Er 0.~ =

1

~(,-,r

- 5'2),

022 =

1

)3/21

( z2 z--~__.._a

~(,s'~ + s2),

(3.5)

n2 = ~-~(s2)

Zuerst soll die Spannungsverteilung auf dem Ligament (Ix1[ _> a, x2 = 0) analysiert werden. Wegen der Symmetrie bzgl. x2 ist bier die Schubspannung T12 ~ 0 und fiir die Normalspannungen folgt aus (3.5)

[

~i

1

]

c22

=

c

x,

2

-

(3.6)

Das Ergebnis besagt, dass an den Rissspitzen (xl --* -4-a) die Normalspannungen un-

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

29

endlich grog werden (Bild 3.3). Die Auswertung von (3.5) auf den Rissufern Ix1] < a best~tigt im Ubrigen, dass die Randbedingungen (3.2) erffillt sind. Den Verformungszustand gewinnt m a n fiber die 3. KOLOSOvsche Formel (A.158) 2#(ul + iu2) ---- ~0"[t ~ V / ~ - a 2 + ~a2--zz _ a2

21 (t~-- l ) z - - z] 9

(3.7)

Die Berechnung der Verschiebungen des oberen und unteren Rissufers (IXll < a, x2 -- -4-0) ergibt, dass der geSffnete Riss die Form einer Ellipse (Bild 3.3) a n n i m m t . = T-

i+~

-u 0-xl,

u2 :

, I+~

./-~2

(3.s)

Hierbei bezeichnet # den Schubmodul. Die elastische Konstante a betr~gt a -- 3 - 4u im ebenen Verzerrungszustand (EVZ) und a -- (3 - u)/(1 + u) im ebenen Spannungszustand(ESZ), siehe A n h a a g A.5.2. Von besonderem Interesse ist die lokale Spa~nungsverteilung in unmittelbarer N~he der Rissspitzen. Dazu ffihrt m a n das in Bild 3.3 skizzierte Polarkoordinatensystem (r, 0) direkt an einer Rissspitze (hier bei z -- z0 -- + a ) ein: z - - - - a T r e i0,

z - - z o : r e iO=a~eiO

?~

mit ~-----. a

(3.9)

Durch Einsetzen von z und ~ in die Gleichungen (3-5) erhglt m a n die Ausdrficke

S1 = 0"~ V/2(ei 0 + (2e2i0 - 1 ,

S2 = 0" 1 + (2~ ei~ -]- ~2e2i0)3/2 ] ,

(3.10)

die fiir ( = r << 1 wie folgt approximiert werden kSnnen:

~ 0"

$ 2 ---- 0"22 - - 0"11 -~-

r sin 0 2iT12 ~ o . . . . (2r

3/2

COS

,F e -i30/2. 0" i sin 0 v2r

Daraus gewiImt m a n den Spannungszustand an der Rissspitze in Polarkoordinaten (r, 0). Dabei kSnnen wir den Faktor a v f ~ -- K I abspalten.

30

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Die Spannungen rr33 in Dickenrichtung sind bei Annahme eines ESZ null und im EVZ: ~

KI e = --~--7~ 2~ cos ~.

= ~(~11 + ~ )

(3.13)

Unter Verwendung des ebenen HOOgEschen Gesetzes (A.145) bzw. (A.15o) berechnen sich daraus die Verzerrungskomponenten zu

{

0 .1 0 ]}

cos L-

g22

-

-

cos

2#~r

712

l--5--- § sin

sin

(3.14)

9 9 39 2 sin ~ cos ~ cos -~-

Die Dehnungen in Dickenrichtung g33 sind im EVZ definitionsgem~i~ null und im ESZ KI

~33 --

v

0

~ 2 v ~ 7 1 +-~ cos ~.

(3.15)

In i~lnlicher Weise kann mall das Verschiebungsfeld (3.7) mit dem Ansatz (3.9) in der NiChe der Rissspitze fiir ~ = ~ << 1 entwickeln und erhglt

Mit Hilfe der durchgefiihrten asymptotischen Analyse ist es gelungen, die VerschiebungsVerzerrungs- und Spannungsfelder in der Rissspitzenumgebung zu bestimmen. Diese L5sung nennt man Rissspitzenfeld oder asymptotisches Nahfeld. Aus den Ergebnissen (3-12), (3.14) und (3.16) erkennt man folgende Charakteristiku: 9 Die Spannungen und Verzerrungen verhalten sich bei Ann~herung an die Rissspitze r --* 0 singuliir mit 1/v~. 9 Die Verschiebungsfelder sind proportional zur Wurzel aus dem Abstand zur Rissspitze x/~, der Riss 5ffnet sich parabelfi6rmig. 9 Alle Feldgr5gen an der Rissspitze sind proportional zu KI = aVrff-a. Dieser Faktor KI wird SpannungsintensitStsfaktor genannt. Der Index I steht hier ffir den Riss5ffnungsmodus I. 9 Die Intensitiit der NahfeldlSsung steigt nicht nur (wie erwartet) linear mit der Zugbelastung a an, sondern hiingt auch yon der L/inge a des Risses ab! Mitunter ist die Darstellung der NahfeldlSsung in Zylinderkoordinaten von Vorteil, siehe Bild 3.4. Nach den iiblichen Transformationsregeln (siehe (A.54)) erh~lt man aus

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

31

Bild 3.4: Spannungen an der Rissspitze in kartesischen und Zylinderkoordinaten

Bild 3.5: Winkelverteilung der Spannungen um die Rissspitze (Modus I) (3.12), (3.14) und (3.16) die Verschiebungs-, Verzerrungs- und Spannungskomponenten im (r, 0, x3)-System:

tTrr]

KI

0"00~

0

30

/

0

30 / (3.17)

",-,.o)

I o 30 1 ( sin7 + s i n T J

-

I, "7~o)

r

E~.~-~1~o~

~ §

0 30 2 sin ~ + 2 sin -~-

f,.o(O) J

(3.~8)

32

3 Grundlagen der Bruchmechanik

11coscos } u0

= 4--fi~V 2-~

(3.19)

- [2~+ 1] sin ~ § s i n ~

Die Dehnungen ~33 und Spannungen a33 in Dickenrichtung bleiben bei dieser Transformation unver/indert. Die Winkelabh~iz~gigkeit fij(0) der Spannungen (3.17) sowie der v. MISES-Vergleichsspannung fv(0) sind in Bild 3.5 wiedergegeben.

Bild 3.6: Riss in der unendlichen Scheibe unter a) ebener und b) nicht~ebener Schubbelastung

Riss unter Modus-II-Belastung

In ~ihnlicher Weise wie im vorigen Abschnitt kann man den Riss in der unendlichen Scheibe anch unter ebener Schubbelastung 7 ~ 721 berechnen. Nur die Randbedingungen (3.3) unterscheiden sich vom Zugproblem durch die Form

Oll =~2~ = 0 ,

712 = 7

fur H = V~I~ + x ~ - ~ .

(3.2~

Anhand von Bild 3.6 (links) erkennt man anschaulich sofort, dass die L5sung jetzt antimetrisch bzgl. der x2-Koordinate sein muss. Die komplexen Spannungsfunktionen fiir diese RWA lauten

r

=l~V~-~

~, f(z)=~

~+ ~

'

(3.~)

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

33

Es bleibt dem Leser als Ubungsaufgabe fiberlassen, die entsprechenden Berechnungen der FeldgrSgen aij(z), ui(z) sowie die asymptotische Entwicklung ffir r --* • vorzunehmen. Hier soll nur das Ergebnis ffir das Rissspitzennahfeld angegeben werden. Dazu fiihren wir noch den Spannungsintensitiitsfaktor KII fiir Modus-II-Belastung ein, der fiir diese RWA folgenden Wert annimmt: KII = TV~.

(3.22)

und in Zylinderkoordinaten

/ ~ } - 5 sin ~ § 3 sin

cr~176 ~ -- 4~-r~r

(3.24)

- 3 sin ~ - 3 sin ~

O 30 cos ~ + 3 cos T

%0 )

Die Verschiebungen in Rissspitzenn~he lauten

0 -'-"

30

0 30 " [2, § 1] cos ~ + 3 cos ~ - J

(3.26)

Riss unter Modus-III-Belastung

Abschliegend soll noch der ebene Riss unter nichtebener Schubbelastung T ~ T23 untersucht werden, siehe Bild 3.6 (rechts). Die Spannungsrandbedingungen auf dem Riss und im Unendlichen lauten diesmal 7-23 ---- 0

fiir Ix1[ _< a

und

"/-13 ---- 0, T23 ---- T

fiir [Z[ --~ C~.

(3.27)

34

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Im Anhang A.5 wird zur LSsung dieser Art RWA eine komplexe Spannungsfunktion/2(z) eingef/ihrt. Das Modus-III-Rissproblem wird mit dem Ansatz ~(z) = - i T V ~ z~ - a s

(3.28)

gelSst. Die antimetrische Verschiebung u3 der Rissufer gegeneinander hat wieder elliptische Gestalt ]~U3 = ~}~'~(Z) = :::[=7V~ - x 2

fiir x2 = -4-0.

(3.29)

Die Auswertung der Schubspannungen gem/ig (A.165) auf dem Ligament vor den Rissspitzen liefert auch hier eine Singularit~it 723 =

-.~s~'(z)

-

~

7,x l

713 = ~-~t(Z) = 0 ffir IXl] > 0,

x 2 = 0.

(3.30)

Wird die LSsung in gleicher Weise wie bei Modus I um die Rissspitze z = a + r e iO entwickelt, so bekommt man

Hier bezeichnet K m = 7v/-ff-dden Spaanungsintensit/itsfaktor fiir Modus III. Qualitativ liegt also dieselbe 1/v~-Singularit/it der Spannungen und das v/-r-Verhalten der Verschiebungen an der Rissspitze vor wie bei Modus-I- und II-Beanspruchung.

3.2.2

Eigenfunktionen des Rissproblems

Im vorangegangenen Abschnitt haben wir die Spannungssingularit~it an der Rissspitze aus der vollst~ndigen LSsung der RWA fiir die Scheibe mit Riss gewonnen. Offenkundig ist das singul/ire Verhalten urs~ichlich mit der >>unendlich scharfen<< Rissspitze verbunden. Aus diesem Grunde soll die elastizit~itstheoretische LSsung an einer isolierten Pdssspitze in der unendlich ansgedehnten Ebene eingehender untersucht werden, siehe Bild 3.7. Zweckm~ia~igerweise legen wir dazu ein Polarkoordinatensystem (r, 0) in die Rissspitze. Zur L6sung dieser RWA werden die beiden komplexen Potenziale Ms einfache Potenzfunktionen angesetzt: r

= A z ~,

X(z) :

Bz ~+1,

Z :

re i0,

(3.33)

wobei die Koeffizienten A und B komplexe Zahlen sind. Der Exponent A muss positiv reell bleiben, um unendliche Verschiebungen an der Rissspitze anszuschlie/~en. Darans

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

35

berechnen sich die Spannungen in Polaxkoordinaten nach (A.161), wobei die Umfangsspannung ae0 und die Schubspannung Tr0 besonders interessieren und durch Addition der ersten beiden KoLosovschen Gleichungen (A.158) gewonnen werden. ~oo + iTro = r

+ r

+ (~r

+ X"(z))e 2i~

= A A z )~-1 -~- AA~~-1 -~- [A(A - 1)A-2z ~ - 2 + A(A + 1)Bz "~-1] e 2ie

---- Ar,~-I [Aei()~-l)o + ~e-i(,x-1)t~

(3.34)

+A(A - 1)e i(~-1)~ + (A + 1)Be I(~+1)~

Bild 3-7: Analyse des Nahfeldes an der Rissspitze Als einzige Randbedingungen miissen auf den lastfreien Rissufern 9 -- • fiir alle r die Normal- und Schubspannungen null sein, d.h. ao0 + iTro ---- 0. Deshalb fordern wir das Verschwinden des Ausdrucks in [ ]-Klammern: ---- +~r :

AAei)'~r + Ae-i~r + (~ + l)Be i;~r -- 0

(3.35)

---- --Tr :

AAe - i ~ ~- Ae i~Tr + (A + 1)Be -i)'~ -- 0

(3.36)

Diese Beziehungen bilden ein homogenes System von 2 komplexen ( - 4 reellen) Gleichungen fiir die gesuchten 2 komplexen (=4 reellen) Koeffizienten A und B. Als Bedingung fiir seine LSsbarkeit muss die Koeffizientendeterminante null gesetzt werden, woraus sich eine transzendente Gleichung fiir den Exponenten (Eigenwert) A ergibt. Ein einfacherer L6sungsweg besteht darin, Gleichung (3.36) mit e 2i;~r z u multiplizieren und mit (3-35) zu addieren, so dass man erhiilt: A(1 - e 41~) : 0.

(3.37)

Nullsetzen des Klammerausdrucks ergibt cos(4A~r) -- 1 bzw. sin(4Ar) = 0, woraus der

36

3 Grundlagen der Bruchmechanik

reelle Eigenwert A folgt: n A= ~

mit n = 1, 2, 3 ...

(3.38)

Somit wurde gezeigt, dass unendlich viele Eigenwerte A = ~ existieren, zu denen aus dem Ansatz (3.33) die dazugehSrigen Eigenfunktionen crmittelt werdcn kSnncn. Die Gcsamt15sung der RWA besteht aus der Superposition dieser Eigenfunktionen mit unbestimmten Koeffizienten A~ und B~. r = ~ A,~z-~, X ---n=l

(3.39)

B n z-~+l n=l

Die Beziehungen (3-35)oder (3-36)liefernjetztnoch den Zusammenhang

-~A 2 '~+(-1)'~A'~+ (n g + l )B,~=0,

(3.40)

so dass man B~ durch den Koeffizienten A~ = a~ + ib~ ersetzen kann. Durch Einsetzen yon (3.39) und (3.4o) in die Kogosovschen Gleichungen (A.158) erhglt man die Radius- und Winkelfunktionen fiir die n-ge Eigenfunktion in reeller Darstellung, die erstmals yon WILLIAMS [286] 1957 gefunden wurde: ~)(~,o)

= r ~~ -~ { a n M-l l (~) (8) +

~ ) (~, o) = ~ -~ { ~ ( ; ) ( o )

b~

)(o)}

+ b.~(;)(o)}

(3.41)

T~2) (r, O) = r ~ - i {a~/17/~;)(O) + b~iV~;) (O)} mit

n{[9 + ( - 1 ) ~ + ~n]cos (~n- 1) M~[)=~ -

0 -(2-1)

c o s ( 2 - 3 ) ~} n n n N~I) ----~ { [-2 + (-1)'~ - ~] sin (~ - 1) ~ + ( 2 - 1 ) s i n ( 2 - 3 ) ~} n n - ~] cos (~n - 1)~ + ( 2 - 1 ) c ~ ~} n n n n n N(2)--- ~ { [ - 2 - ( - 1 ) ~ + ~] sin (~ - 1) 8 - (~ - 1)sin (~ - 3)8}

<;,_- ~ {[~-(-1)o 2t7/~2) ----2 { ( 2 -

~,:

(3.42)

1)sin ( 2 - 3) t ? - [ 2 + (-1)'~] sin (2 - 1 ) 8 }

~ {(~ 1) cos(~ ~)0 [~ (1)o I ~o~(~ 1) 0}

und 1 ~_{an~(n)(O)q_bn~n)(O)} (3.43)

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

37

mit /~( ~)= [~ + ( - 1 ) ~ +

~n)

7n ] c o s 2 O - T nc o s

[_~ + (_l)n

/>(n)=

( n7)- 2

n n . 2] sin 70 + 7f t sm (2n

_

0 --2)

[~-(-l)n-7n sinT#+Tsin ] n n ( n )7-2

( h)_--i

O

#

(3.44)

n]cos20n + T c o s (n 7 - 2 ) /~.

~+(-1)~-

7

Die Glieder mit a,~ entsprechen dem RissSffnungsmodus I, w~hrend Modus II durch die Koeffizienten b,~ repriisentiert wird. Fiir n = I ergeben sich die bekannten singul~en LSsungen (3.12) und (3.23) mit r-1/2(Additionstheoreme anwendenl). Die und KII stehen zu den Koeffizienten al, bl der 1. Eigenfunktion in folgender Beziehung

Spannungsin-

tensit~itsfaktorenKI

KI - iKII ----V ~ ( a l ~- ibl).

(3.45)

Eine besondere Bedeutung hat auch die 2. Eigenfunktion n -- 2, die lediglich einen konstanten Spannungszusta~d parallel zum Rissufer darstellt, die so genannte (Die z u b2 geh5renden Funktionen realisieren nur eine spannungsfreie StarrkSrperdrehung des Gebiets.)

T-Spannung.

:

r ~

:

rll

:

const.,

2 , ~ ~ = a~(~ + 1)~1,

--

--

0

2 , ~ ~ = ~ 2 ( ~ - 3)z~

(3.46)

Auch fiir die Modus-III-Belastung kann man Eigenfunktionen an der Rissspitze entwickeln, indem fiir die Spa~nungsfunktion [2 wieder ein Potenzansatz mit dem Exponenten A > 0 und einem komplexen Koeffizienten C gemacht wird: ~2(Z) = C z ~ = C r ~ e i~o.

(3.47)

Als Randbedingung muss auf den Rissufern ~ = -4-~rdie Schubspannung T23 verschwinden: ~23 = - . ~ ' ( z ) -----~-Tr :

= (o,(z) - o'(~))

)~r ~-I

ICe -i(~-l)~r k

(3.4s)

Cei(~-l)~l=0 3

# = -~ : Ar~_ I r[~ei(~_l)~_ Ce_i(~_l)~jl= 0.

(3.49)

Die LSsbarkeitsbedingtmg dieses homogenen G1eichungssystems ffirO und C erfordert das Nullsetzen der Koefflzientendeterminante,woraus die Eigenwertgleichung fiirA folgt: sin(2A~r)----0

=~

n

A----7

n----1,2,3,...

(3.50)

Wir finden demnach die gleichen Eigenwerte wie bei Modus I und II vor. Die Gesamt-

38

3 Grundlagen der Bruchmechanik

15sung kann jetzt wiederum aus allen Eigenfunktionen mit den Koeffizienten C n zusammengesetzt werden. Aus (3.49) folgt die Relation C a = ( - 1 ) a C a , d.h. die Koeffizienten sind alternierend rein reell oder imagin~.

Y2(z) = ~ Caz -~, Ca = --inca

(3.51)

n:l

Letztendlich kSnnen aus (3.47) die dazugehSrigen Eigenfunktionen fiber die Beziehungen (A.165) berechnet werden.

2 sinno 2 n 2cos ~0

u(?)(r,o) = ~r2

I ~n sin(~n

_

T~3)(r'0)----Cnr~-i L~3)({~)' L~3)

= '

n

fiir

(3.52) ffir n = 2 , 4 , - . . - 1)8

n

T(n)(r23

\ ,8) ----Cnr ~ - I

L~)(O),

L(2~ ) = '

)8

~ cos(~ - 1)8 TI,

ffir n ----1,3,-..

1

cos(~ -

~

n----1,3,...

fiir

n

= 2,4,...

mr n---- 1,3,...

(3.53)

?~

-~sin(~-l)0

ffir n = 2 , 4 , . . .

Ffir n ---- 1 reproduziert man genau die asymptotische Singularit/it nach (3.31) und (3.32), wobei der Zusammenhang KIII -- Cl V/~-/2 gilt. Die n -- 2te Eigenfunktion entspricht einer konstanten Schubspannung T13 ----T13 ----c2.

Diese Eigenfunktionen bilden eine unentbehrliche Basis fiir viele numerische Verfahren zur Behandlung von Rissproblemen in endlichen KSrpern - - angefangen von den ersten Berechnungen mit der Randkollokationsmethode in den 6oer Jahren [101] bis hin zu aktuellen Sonderelementen fiir Rissspitzen [291].

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

3.2.3

39

Dreidimensionale Rissprobleme

In vielen praktischen F~illen besitzt das Rissproblem dreidimensionalen Charakter, wenn z. B. eine fl~ichenhafte Fehlstelle in einer r~iumlichen Struktur eingebettet ist, wobei i. Allg. krummlinige Rissfronten entstehen, siehe Bild 3.8 a). Ein dreidimensionales Rissproblem liegt selbst bei einer geraden Rissfront dann vor, wenn sich der Spannungszustand entlang des Risses ~indert, was bei durchgehenden Rissen in Proben endlicher Dicke h~ufig auftritt, Bild 3.8 b). Von praktischer Bedeutung sind schliet~lich noch Oberfl~chenrisse, wo die Rissfront auf die KSrperaut~enfl~iche stSt~t wie es Bild 3.8 c) zeigt. Geschlossene LSsungen ffir r~umliche Risskonfigurationen gibt es nur ffir wenige einfache F~ille, zumeist im unendlichen Gebiet.

Bild 3.8: R~iumliche Risskonfigurationen

Bild 3.9: Elliptischer Innenriss im Vollraum mit Koordinatensystem

40

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Elliptischer Innenriss unter Zugbelastung Ein wichtiges Beispiel ist der elliptische ebene Innenriss im Vollraum, siehe Bild 3.9. Fiir diese Risskonfiguration konnten LSsungen unter verschiedenen Belastungen von SNEDDON [259] mittels Integraltransformationen und von FABR.IKANT [93] durch Verwendung r~iumlicher Potenzialans~itze gewonnen werden. Exemplarisch soll bier das Ergebnis fiir Zugbelastung a senkrecht zur Rissebene angegeben werden. Der elliptische Riss hat die Halbachsen a und c. Ein Punkt P der Rissfront wird durch den Winkel ~afiber Xl -- ccos ~o und x2 -- a sin ~ festgelegt. Es handelt sich um eine reine Modus-I-Belastung mit einem ver~nderlichen Ki-Faktor entlang der Rissfront. KI -

rrx/~a (sin 2 E(k)

a2 ~ + ~-~ c~

~ ) 88

(3.56)

E ( k ) ist das vollst~indige elliptische Integral 2. Art von k = V/1 - a2/c 2 ~r

E(k) = /

X/1 - k 2 sin 2 c~dc~

1 + 1,464

fiir (a _< c).

(3.57)

0

Der Maximalwert yon KI wird am Scheitelpunkt A der kleinen Halbachse (a < c) erreicht und das Minimum bei C. gImax

----

KIA

--

E(k) '

gImin = KIC = KIA

(3.58)

Im Sonderfall des kreisf6rmigen Risses hat der Ki-Faktor iiberall den gleichen Wert KI = 2 a v / ~

ffir c - - a.

(3.59)

7[

P~umliches Rissspitzenfeld Mit Untersuchungen an elliptischen Innenrissen [259] und an durchgehenden Rissen in Scheiben mit geraden und gekrfimmten Rissfronten [109, 110] konnte nachgewiesen werden, dass auch bei dreidimensionalen Rissproblemen prinzipiell dieselben Nahfelder existieren, wie wir sie im ebenen Fall kennengelernt haben. Allerdings gelten die asymptotischen L5sungen jetzt nur lokal in Bezug auf jeden Punkt der Rissfront. Deshalb fiihrt man nach Bild 3.1o ein begleitendes kartesisches Koordinatensystem (n, v, t) entlang der Rissfront (Koordinate s) ein, bei dem n ~ Xl normal zur Rissfront liegt, t ~ x3 tangential zu ihr verl~iuft und v ~ x2 senkrecht auf der Rissebene steht. In der Normalenebene (n, v) zur Rissfront findet man beim Grenziibergang r --* 0 die NahfeldlSsungen des Rissproblems fiir den ebenen Verzerrungszustand vor, die sich im allgemeinen Fall aus den Modus-I-, II- und III-Komponenten zusammensetzen.

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

41

Bild 3.1o: Koordinatensystem entlang einer Rissfront im Raum

Man ka~n zeigen, dass asymptotisch an jedem Punkt der Rissfront im KSrperinneren ein EVZ vorherrscht. Besondere Betrachtungen sind fiir solche Punkte der Rissfront erforderlich, die zur Oberfl~che durchstotgen, da hier ein dem ESZ ~hnlicher Spannungszustand vorliegt und zumeist ein anderer Typ von Singularit~t auftritt.

42

3 Grundlagen der Bruchmechanik

3.2.4

Spannungsintensit~itsfaktoren

--

K-Konzept

Fiir isotropes linear-elastisches Materialverhalten besitzen die asymptotischen NahfeldlSsungen an Rissspitzen immer die gleiche mathematische Form (3.6o) und (3.62). Die St~rke dieses Rissspitzenfeldes wird einzig und allein durch die Spannungsintensit~itsfaktoren KI, KII und KIII festgelegt, die gewissermai~en noch >)freie Koeffizienten(< darstellen. Die GrSi~e der drei Spannungsintensit~itsfaktoren muss aus der L5sung der konkreten Randwertanfgabe fiir den KSrper mit Riss bestimmt werden. Somit h~ngen die K-Faktoren vonder Geometrie des K5rpers, der Gr5i~e und Lage des Pdsses sowie vonder Belastung und den Lagerbedingungen ab. Zu ihrer Bestimmung muss man sich i. Allg. mit Hilfe analytischer oder numerischer Berechnungsverfahren zuerst die vollst~ndige LSsung der RWA verschaffen und dann das Rissspitzennahfeld analysieren. Eine genaue Betrachtung der Spannungsfelder anf dem Ligament vor dem Riss (~ = 0) der drei Pdss5ffnungsmoden I (3.12), II (3.23) und III (3.32) zeigt, dass dort jeweils nur diejenige Spannungskomponente von null verschieden ist, die dem jeweiligen Rissmodus bzw. der Fernfeldbelastung entspricht, d. h. a22 bei Modus I, ~-21 bei Modus II und T23 bei Modus III. Durch Umstellung der Beziehungen nach den Spannungsintensit~itsfaktoren und Grenziibergang gegen die Rissspitze erh~lt man somit die Bestimmungsgleichungen

In den folgenden Kapiteln des Buches werden wir uns ausfiihrlich mit der Anwendung der Finite-Elemente-Methode zur Bestimmung der Spannungsintensit~tsfaktoren befassen. Auf analytische Berechnungsverfahren fiir elastische Rissprobleme kann nicht n~her eingegangen werden. Im Folgenden sollen nur die wichtigsten Methoden und die entsprechende Fachliteratur erw~hnt werden (einen Uberblick gibt [251]): 9 Komplexe Funktionentheorie (konforme Abbildungen, Reihenentwicklungen): MUSKHELISHVILI [178], TAMUSZ [268] 9 Integraltransformationen (LABLACE, HANKEL): SNEDDON und LOWENGRUB [259] 9 Singul~re Integralgleichungen: ERDOGAN [86], MUSKHELISHVILI[178] 9 Dreidimensionale Potenzialansiitze: KASSIR und SIH [132], FABRIKANT [93].

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

43

BAld 3.11: Dominanz der NahfeldlSsung an der Rissspitze in allen Pr/ifkSrpern und Bauteilen Anhand dieser Formel erkennt man sofort, dass in der Bruchmechanik die fiblichen Ahnlichkeitsbetrachtungen der Festigkeitslehre nicht mehr gelten. VergrSt~ert man n~mlich einen KSrper mAt Riss geometrisch um den Faktor ~ beN gleichbleibender Nennbelastung an, so steigt der K i - W e r t um den Faktor x/~ wegen der vergrSi~erten Rissl~nge! Die Spannungsintensit~tsfaktoren besitzen die etwas gewShnungsbediirftige Dimension [Spannung]. [L~nge] 1/2 und werden in den Mal~einheiten N m m -3/2 oder M P a v ~ angegeben. In den letzten Jahrzehnten wurde eine Vielzahl yon K - F a k t o r - L S s u n g e n fiir die verschiedenen Risskonfigurationen und Belastungsarten auf unterschiedliche Weise berechnet und in Handbiichern zusammengestellt, siehe MURAKAMI [176], ROOKE ~ CARTWRIGHT [228], TADA, PARIS ~ IRWIN [267] und THEILIG ~ NICKEL [269]. Die Spannungsintensit~tsfaktoren bilden eine ausgezeichnete Basis zur Formulierung yon Bruchkriterien. Diese Idee stammt yon IRWIN [127], der 1957 das Konzept der SpannungsintensitStsfaktoren vorschlug. Es beruht auf folgenden 0berlegungen, die wAr zun~chst ffir den Modus-I-Fall darstellen: 9 Die singul~re RissspitzenlSsung mAt dem Koeffizienten KI beschreibt die Beanspruchungssituation in einem endlichen Gebiet um die Rissspitze mat dem Radius rK. In grSi~erer Entfernung r > rK verliert sie ihre Dominanz, da weitere Reihenglieder yon (3.39) an Einfluss gewinnen, siehe BAld 3.11. 9 In der Realit~t (selbst beN spr5dem Material) existiert natiirlich die Ki-Singularit~it nicht bis r --* 0 zur Rissspitze, da sich hier eine Bruch-Prozesszone ausbildet und damAt die Grenzen der Elastizit~itstheorie erreicht sAnd, vgl. BAld 3.2. Wenn man jedoch voraussetzt, dass die Gr5/~e rB der Prozesszone viel kleiner als der Giiltigkeitsbereich

44

3 Grundlagen der Bruchmechanik

rK der Ki-LSsung ist, so werden alle Bruchprozesse durch die >>als Randbedingung<< anliegende Nahfeldl5sung kontrolliert. Bei gleichem KI l~iuft der gleiche Vorgang ab, egal um welche Risskonfiguration es sich handelt, siehe Bild 3.11. Umgekehrt ist mit dieser Annahme sichergestellt, dass die Prozesszone nur vernachl/issigbare Riickwirkungen auf die Nahfeldl5sung hat. 9 Mit diesem >>Autonomieprinzip der Rissspitzensingularit~it<< haben wir die gesamte KSrpergeometrie und Belastung fiber (3.64) auf den Ki-Faktor zuriickgeffihrt. 9 Die Rissausbreitung wird genau dann einsetzen, wenn in der Prozesszone ein kritischer Materialzustand erreicht ist. Dieser materialspezifische Grenzwert der Beanspruchbarkeit wird als B~'uchzfihigkeit (engl. fracture toughness) Kie bezeichnet.

Die Einfiihrung dieses Spannungsintensitfitskonzepts war ein Meilenstein in der Entwicklung der Bruchmechanik. Bis heute hat sich das Konzept vielfach bew~ihrt. Die gleichen Uberlegungen kann man auch auf die anderen RissSffnungsarten iibertragen, wenn sie jeweils fiir sich allein als reine Modus-II- bzw. Modus-III-Beanspruchungen auftreten: KII = KII c

und

K I I I = Kiiic,

(3.66)

wobei KII c und KIIIc dann die zugeordneten Bruchz~ihigkeiten darsteUen. Leider treten diese Mod selten isoliert auf. Im allgemeinen Fall liegt eine kombinierte Beanspruchung des Risses aus allen drei Mod vor, so dass der Bruchprozess durch KI, KII und Kin kontrolliert wird. Dann muss das Bruchkriterium durch eine verallgemeinerte BeanspruchungskenngrSi~e B und einen zugeordneten Werkstoffkennwert Bc formuliert werden.

B(KI,

KII, KIII) =

Be

(3.67)

Im Kapitel 3.4-4 werden entsprechende Kriterien vorgestellt. Die Bruchziihigkeit Kic eines Werkstoffs muss experimentell durch einen definierten Bruchversuch an einem PriifkSrper mit Anriss ermittelt werden. Dafiir wurden geeignete Probengeometrien entwickelt, von denen die bekanntesten im Bild 3.12 wiedergegeben sind. An der Kerbspitze wird ein Ermfidungsriss eingeschwungen, um einheitliche Ausgangsbedingungen zu erhalten. Danach wird die Probe in einer Prfifmaschine mit ansteigender Kraft F belastet und der Verformungsweg q des Lastangriffspunktes aufgezeichnet. Die Kraft-Verformungs-Kurve verl~uft bei elastischem Materialverhalten linear bis zur Initiierung des SprSdbruchs bei der Kraft Fe. Aus dieser Kraft und der Rissl~nge

3.2 Linear--elastische Bruchmechanik

45

Bild 3.12: Gebr~iuchliche Probenformen fiir die Ermittlung bruchmechanischer Kenngr5gen: Kompakt-Zug-Probe (CT), Dreipunkt-Biege-Probe (SENB), Zugprobe mit zentra~ lem Innenriss (CCT) und Zugprobe mit halbeUiptischem Oberft~ichenriss M(T) a berechnet man mit Hilfe der bekannten Geometriefunktionen g(a, w) der Proben den K-Faktor beim Bruch, der bei Einhaltung bestimmter Giiltigkeitskriterien die Bruchz~higkeit Kic darstellt.

g i c = Fc g(a,

(3.68)

Die ProbenprKparation, Versuchsdurchfiihrung und Ergebnisauswertung von Versuchen zur Ermittlung von Werkstoffkennwerten der linear~lastischen Bruchmechanik wurde in technischen Priifstandards genormt. Verbindliche Dokumente sind die internationale Norm ISO 12135 [130], die ESIS-P2 Norm [92] in Europa und die ASTM 182o Vorschriften [12] in den USA. Ausftihrliche Informationen zur bruchmechanischen Werkstoffpriifung findet man z.B. in BLUMENAUER ~ PUSCH [41].

46

3 G r u n d l a g e n der B r u c h m e c h a n i k

3.2.5

Energiebilanz bei Rissausbreitung

G l o b a l e Energiefreisetzungsrate Es wird die Energiebilanz in einem KSrper mit Riss w~hrend der Rissausbreitung untersucht. Dazu betrachten wir die in Bild 3.13 dargestellte Randwertaufgabe. Auf dem Teil St des Randes wirken ~iugere Fl~chenlasten t, im Volumen V etwaige Volumenkr~fte b und auf dem Teilraad S~, sind die Verschiebungen ~2 vorgeschrieben. Die Anwendung des 1. Hauptsatzes der Thermodynamik auf einen deformierbaren K5rper liefert die Bilanz der Energie~inderung pro Zeit (3.69) Auf der linken Seite steht die Energiezufuhr in den KSrper pro Zeit infolge der Leistung der ~ui~eren mechanischen Belastung

]~ext = / tiizi dS + / biiti dV S,

(3.70)

V

und der Austausch thermischer Energie ~ durch W~mefluss oder innere W~mequellen. Auf der rechten Seite der Bilanzgleichung stehen die vom KSrper pro Zeit aufgenommenen Energiearten, d. h. die innere Energie, welche im rein mechanischen Fall der Form~nderungsenergie entspricht gkl

v

o

und die kinetische Energie ]C (mit der Dichte p)

1/

/C -- ~

p ~i/tr dV.

(3.72)

V

Dazu kommt die bei Rissausbreitung in der Bruchprozesszone gr6i~tenteils dissipativ verbrauchte Energie :D. Da sie unmittelbar mit der Erzeugung neuer Oberfl~chen verbunden ist, wird dieser Term proportional zur Rissfl~che A mit der Materialkonstanten ~/angesetzt. Der Faktor 2 beriicksichtigt dabei, dass beim Bruch zwei Oberfl~chen entstehen. D = 2')'A

(3.73)

In diesem Abschnitt b e s c h r ~ k e n wir uns auf statische Aufgaben, so dass tg -- 0 ist. Bei rein elastischen F o r m ~ d e r u n g e n U = U ~ hat die innere Energie den Charakter eines inneren Potenzials Hint ----)4]int. Des Weiteren soll der KSrper ein adiabatisch abgeschlossenes System ohne innere W~rmequellen sein, womit auch Q -- 0 wird. Schliet~lich sei vorausgesetzt, dass die s Lasten konservative Kr~fte (Schwerkraft, Federn) sind

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

47

Bild 3.13: Energiebilanz bei Rissausbreitung um AA und somit ein Potenzial//ext besitzen, das mit der geleisteten s //ext = -)~ext- Damit vereinfacht sich die Leistungsbilanz (3.69) zu

Woxt = ~int + 9 ,

--//oxt = /I~nt + 9.

Arbeit abnimmt

(3"74)

Mit diesen Annahmen untersuchen wir jetzt die Ausbreitung eines Risses, der zum Zeitpunkt t (1) die AusgangsgrS~e A(1) = A besitzt und sich in einem quasistatischen Prozess bis zum Zeitpunkt t (2) ---- t (1) + At auf die Fls A(2) = A + AA vergr6t~ert hat, siehe Bild 3.13. Damit besteht zwischen End- und Anfangszustand die folgende Energiedifferenz, die man auf das Zeitinkrement At oder gleichwertig auf die .~nderung der Rissfls AA beziehen kann: )4;e(2) - ~m(1) VV[n 2) Xt 9v e x t ~ iWex

W(J) + 2~/AA

t ---- i ] / ~ i n t - { - A~D

~

A~)ex t A ~)in t A9 - -- - -{- - -

AA

AA

(3.75)

AA

Mit Einfiihrung der inneren und ~ugeren Potenziale, die zum Gesamtpotenzial H -Hint + Hext zusammengefasst werden kSnnen, erhs man daraus

A(Wext--Win0 AA

A / / , AO AA

- - - 27. AA

(3.76)

Physikalisch kann dieses Ergebnis wie folgt interpretiert werden: Die linke Seite beschreibt das verfiigbare Angebot an potenzieller Energie - A H , welches durch die ~ut~ere Belastung und die elastisch gespeicherte innere Energie bei einem Rissfortschritt um AA zur Verfiigung gestellt wird (das Minuszeichen bezeichnet die Abnahme der potenziellen Energie). Diese Gr6i~e wird deshalb als Energiefreisetzungsrate (engl. energy release rate)

48

3 Grundlagen der Bruchmechanik

bezeichnet und ist fiir eine endliche oder infinitesimale Rissausbreitung definiert: AH AA

G-

lim

G=-

'

AA---*0

AH AA -

dH dA

(3.77)

Die rechte Seite spiegelt die zur Materialtrennung und zur Bildung neuer Oberfl~chen 2AA benStigte Bruchenergie wieder. Ihre GrSs h~ingt vom Werkstoffverhalten ab und stellt einen kritischen Werkstoffkennwert G~ -- 2V dar. Diese Energiebilanz bei Rissausbreitung wurde 1921 yon A. A. GI~IFFITH [100] aufgestellt und nach ihm benannt.

GRIFFITH bestimmte ffir einen Riss der L~inge 2a in der Scheibe unter Zug (Bild 3.3) die Energiefreisetzungsrate G -- 2~ro'2a/E ~ -- 4% woraus man bei gegebener RisslKnge die kritische bruchauslSsende Spannung gewinnt: ac = 2 / 2 E ~ _ V ~ra

Kic ~

(3"79)

Umgestellt nach a, liefert das Kriterium die kritische Rissl~nge ar die bei einer gegebenen Belastung a ffir den Bruch notwendig ist:

ac

--

2E'v T'O" 2

mit

E ' = E (ESZ)

und

E' = El(l-

v) 2 (EVZ).

(3.80)

Das GRIFFITH-Kriterium ist auch fiir eine beliebig groge endliche Rissausbreitung A A giiltig und im Extremfall sogar fiir die Bildung eines Risses vom Ausgangszustand A(D = 0 zum Endzustand A (2) : A. Zum Abschluss soU der Zusammenhang zwischen der Energiefreisetzungsrate und der Kraft-Verformungs-Kurve eines PriifkSrpers mit Riss hergestellt werden. Man betrachte dazu Bild 3.14. In diesem Fall greift als ~iut~ere Last nur eine Einzelkraft F an, die eine Verschiebung q = F / k ( a ) des Kraftangriffspunktes bewirkt, wenn k(a) die rissl~ngenabh~ngige Steifigkeit der Probe bedeutet. Die Form~inderungsenergie in diesem elastischen KSrper ist gleich der Fl~che unter der linearen Kraft-Verformungs-Kurve: 1 1 1F2 ]/Vint = -~F q = -~kq 2 -2k"

(3.81)

Vergr5gern wir nun die Rissl~nge um Aa, so sinkt die Steifigkeit der Probe wie in Bild 3.14 gezeigt. In Abh~ngigkeit davon, wie sich w~ihrend des Risswachstums das ~iui~ere

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

49

Bild 3.14: Zusammenhang zwischen Kraft-Verformungs-Kurve und Energiefreisetzungsrate Belastungssystem verb/lit, unterscheidet man zwei Extremf'dlle: a) F e s t g e h a l t e n e R a n d v e r s c h i e b u n g q = c o n s t (engl. fixed grips) Das entspricht einer sehr steifen Lastvorrichtung. Die ~ugere Arbeit ist d]/Vext = F dq = 0 und die potenzielle Energie fiir Rissausbreitung muss allein aus der gespeicherten FormSnderungsenergie kommen, so dass (3.76) ergibt: G_

dU_ d]4;int_ d [ l k(a)q2] _ d--A d-----AB--da [2 J 1 F 2 dk(a) 1 2B k 2 da -- 2Bda q d F

q2 dk(a) 2B da

(3.82)

b) F e s t g e h a l t e n e K r a f t F = c o n s t (Totlast (engl. dead load)) Dieser Fall wird durch ein Gewicht oder eine sehr weiche Lastvorrichtung realisiert, welche bei Risswachstum die s Arbeit d~]ext -- F dq(a) > 0 verrichtet. Bei Verwendung des letzten Terms von (3.81) ffir ]4;int lautet die Energiefreisetzungsrate: G-

d dA - Bda

~

F

-

1 IF2 d ( 1 ) 1 2d ( 1 )] = - B [ da ~(a) - - ~ f -~a ~(a) =

F2 1 F2dk(a) 2 B k 2 da -

1 2Bda fdq"

(3.83)

Der Vergleich der Ergebnisse (3.82) und (3.83) ftihrt zu dem erstaunlichen Schluss, dass in beiden F/illen die Energiefreisetzungsrate G identisch ist und natiirlich positiv (da d k / d a < 0). W~hrend im Fall (a) die risstreibende Energie nur aus der Abnahme von Hint herriihrt, so wird sie bei (b) v o n d e r ~iui~eren Arbeit gespeist, die zus~tzlich die Form~iaderungsenergie Hint um den gleichen Betrag erh5ht, vgl. Klammer [] in (3.83). Diese Aussage gilt generell ffir elastische Systeme mit Riss, weil nach dem Satz von C L A P E Y R O N ]/~ext = 2Wint ist. Aus Bild 3.14 ist ersichtlich, dass die freigesetzte Energie

50

3 Grundlagen der Bruchmechanik

- d H = GBda der Dreiecksfl~iche zwischen den zwei Kraft-Verformungs-Kurven yon a und a § A a entspricht, wobei die Fl~iche OAD dem Fall (a) und die Fl~iche OAC dem Fall (b) zuzuordnen ist. Beide Fl~ichen unterscheiden sich nur um das Dreieck ACD 89 was fiir Aa --. 0 von h6herer Ordnung verschwindet. Lokale Energiefreisetzungsrate Wir setzen die Uberlegungen anhand von Bild 3.13 fort. Bei Rissausbreitung erfahren alle mechanischen FeldgrSt~en eine Anderung vom Ausgangszustand (1) zum Endzustand (2). Diesen Ubergang ffihren wir in Gedanken wie folgt durch: Bei (1) wirken auf dem Ligament AA vor dem Riss Schnittspannungen t c = t c(1), die definitionsgem~it~ auf beiden Ufern entgegengesetzt gleich sind: tc v~ ~ v~ t.~+ -- t ic- . Wir schneiden den Riss entlang A A auf und ersetzen die Schnittspannungen durch gleich grot~e ~iut~ere Randspannungen, so dass der Riss wie bei (1) geschlossen bleibt. Anschlies werden diese Randspannungen quasistatisch auf null abgesenkt, womit sich der Riss erweitert und auf AA den lastfreien Endzustand (2) erreicht. Die Relativverschiebungen Aui = u + -- u~- der l~issufer gehen dabei yore geschlossenen Riss (Au~ 1) ----0) in den ge6ffneten Zustand Au~ 2) fiber. Bei diesem Vorga~g verrichten die Spannungen Arbeit a~ den Rissuferverschiebungen: t~+du+ + t~-du~ = t~(du+ -du~-) = t~dAui, so dass die Gesamtarbeit zur Erweiterung des Risses um AA aus dem Intgral (2)

AWr

/ / t~dAuidA

-*

AA (1)

/

ltT

)dA2 < 0

(3.84)

AA

gebildet wird. Da das System hierbei Energie abgibt, muss sie negativ sein. Bei linearelastischem Materialverhalten l ~ s t sich das innere Integral sofort zu t~Au~2)/2 auswerten und man erh~ilt die rechte Formel. Dieser Arbeitsterm AWe muss zur Gesamtbilanz der Energie pro Rissfortschritt hinzugeffigt werden. A~ext

A ~/~int

AA

AA

- -

A~} c

+ --

AA

= 0

(3.85)

Mit der Definition (3.76) der potenziellen Energie H --//ext § Hint -- --]4;ext + )/Vint folgt schlie~lich die Energiefreisetzungsrate G-

AH AWext AWi,t A---A- A-----AA~-

AWe AA

(3"86)

Hiermit wurde gezeigt, dass die .~nderung der potenzieUen Energie des Systems (KSrper plus Belastung) gleich der Arbeit ist, die zum >>Freimachen<< der neuen Rissfl~iche A A lokal erforderlich ist. Man beachte, dass es sich um einen virtueUen elastischen Entlastungsvorgang handelt, der nichts mit der Energiedissipation T) beim Bruchprozess zu tun hat! Das Ergebnis (3.86)stellt demzufolge eine alternative Berechnungsm6glichkeit der Energiefreisetzungsrate - - also der rissantreibenden Beanspruchung - - dar. Auch

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

51

dieses Verfahren ist prinzipiell auf eine endliche Rissausbreitung AA anwendbar.

Bild 3.15: Entlastungsarbeit bei Rissausbreitung

Das Rissschliegintegral I m Folgenden wird diese Berechnungsmethode anf die asymptotische RissspitzenlSsung fiir isotrop-elastisches Material (Abschnitt 3.2.2) angewendet. Dies soll zuerst am Riss5ffnungsmodus I erlgutert werden. Dazu betrachten wir die Spitze eines Risses der Ausgangslgnge a,die sich wie im Bild 3.15 dargesteUt, bei Rissausbreitung um Aa verschiebt. Wit setzen vorans, dass der Vorgang im Giiltigkeitsbereich der von Ki-dominierten RissspitzenlSsung (3.12), (3.16) abls was immer erreicht werden kann, wenn man mit r --* 0 und A a --* 0 nahe genug an die Rissspitze heran geht. Beim Modus I liegt ein symmetrischer Spannungs- und Verformungszustand bzgl. der Rissebene vor. Die Schnittspannungen auf dem Ligament A a entsprechen den a22-Spannungen der NahfeldlSsung (3.12) ffir die Ausgangsrissl~nge a:

- t ~ ( . ) = .22(r = . , 0 = 0, a) - g~(a) ,

t c1 = t 3 = 0.

(3.8r)

Nach der Rissausbreitung um Aa ergeben sich die RissSffnungsverschiebungen aus (3.16) fiir die Endrisslgnge a + A a zu:

u~(r=Aa

-

s, 0=-I-rr, a + A a )

~ +1 ~A/~ = +-57-U g i ( ~ + LXa) ~ ~;- *

(3.88)

52

3 G r u n d l a g e n der Bruchmechanik

Die Arbeit der Schnittspaanungen t~ (8) beim virtuellen Entlastungsprozess mit den Verschiebungen u2 (s) der Rissufer ergibt nach (3-84) bei linear-elastischem Verhalten: Aa

Aw

Aa

1

=-

+

Ki(a) ~ 2. + 1Ki(a + A a ) ~ 2 - - - @ d s

o

o

(3.89)

Aa

_

~ +___~lKi(a)Ki(a+ A a ) / v ~ S d s . 4~r# o

Daraus kann die Energiefreisetzungsrate G (die wir im ebenen Problem jetzt pro Einheitsdicke B = 1 m auffassen) gemgg (3.86) berechnet werden. Zusgtzlich fiihren wir noch den Grenzfibergang zu einem differenziellen Rissfortschritt Aa --. 0 durch. Aa

G = lira (

AWe ~ ---- -~- +K i1 Aa-+0 \ - B-A--aa,] 4~r#

2-(a)- lim 1 Aa---+o~ a

/V/ Aas - 8ds

(3.90)

o

Der hier abgeleitete Zusammenhang geht auf IRWIN [128] zuriick, der die Arbeit bei einer virtuellen Rissschliegung yon a + Aa zu a berechnete und dies Rissschlieflinte9ral nannte. Im RahmeI1 der Elastizitgtstheorie sind Rissschliegen und Risserweiterung aber gleichwertige reversible Prozesse, die zum selben Ergebnis fiihren. Bei nichtlinearem Materialverhalten gilt das jedoch nicht mehr, so dass man i. Allg. richtiger von einem Riss6ffnungsintegral sprechen sollte. Abschliegend soll noch die Verallgemeinerung anf Modus II und III erfolgen. Beim Modus II haben die Schnittspannungen und Rissuferverschiebungen ansschlieglich Komponenten in Xl-Richtung (bea~hte (3.23) und (3.25)) t~ ~ 7"12, U~ ~ 0, die proportional ZU gII sind. Analoger Weise treten bei Modus III nur Komponenten in x3-Richtung gem~is (3.31) und (3.32) mit dem Kni-Faktor anf, so dass man fiir die Energiefreisetzungsrate erhglt: Modus II: GII = K2I/E ' ,

Modus III: Gin = K2II/2# =/(211(1 + v)/E.

(3.9 2)

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

53

Stabilit~it d e r Rissausbreitung Das Bruchkriterium von GRIFFITH (3-78) legt die energetischen Voraussetzungen fest, damit sich ein Riss fiberhaupt ausbreiten kann. Fiir die Beurteilung des weiteren Verlanfs des Risswachstums - - insbesondere die Frage der Stabilit~t - - ist ansschlaggebend, wie sich dabei die Bruchbedingung selbst ver~ndert. Die Energiefreisetzungsrate G ist sowohl eine Funktion der Belastung, die kraft- (F) oder verschiebungs- (q) -kontrolliert sein kann, als auch der Rissl~inge a. Andererseits beobachtet man in einigen sprSden Werkstoffen, dass der Rissausbreitungswiderstand Gc beim Risswachstum Aa von einem Initialwert G~0 bis zu einem S~ittigungswert ansteigt. Ursache dafiir ist die Ausbildung der Prozesszone bis zu ihrer endgiiltigen Gestalt. Dieses materialspezifische Verhalten wird durch die Risswiderstandskurve R(Aa) (engl. crack resistance curve) beschrieben (siehe Bild 3.16)

Gc = R(Aa)

(R-Kurve),

(3.94)

die experimentell an Bruchversuchen mit stabil wachsenden Rissen gemessen wird.

Bild 3.16: Zur Stabilit~t der Pdssausbreitung

54

3 Grundlagen der Bruchmechanik Beim Risswachstum muss nun das modifizierte Bruchkriterium erf/illt sein

C(F, q, a) =

(3.95)

welches gewissermat~en einen Gleichgewichtszustand zwischen der Rissausbreitungskraft und dem Risswiderstand darstellt. Um die Stabilit/it des Bruchvorgangs beurteilen zu kSnnen, mfissen wir nun die Ver~nderung beider Gr6gen bei Rissausbreitung als Funktion der Rissl~nge gegeniiberstellen, d. h.

O_z_G < OR Oa F,q > Oa

' stabil indifferent

(3.96)

( instabil

wobei die Belastung ( F oder q) festgehalten wird. Das Rissverhalten ist darm stabil, wenn der Risswiderstand R st/irker als die antreibende Energiefreisetzungsrate G ansteigt. Man muss in diesem Fall die Belastung erhShen, damit der Riss weiter w/ichst. Im Bild 3.16 ist neben der Risswiderstandskurve das Energieangebot fiir Rissausbreitung G als Funktion der Rissl/inge f/ir eine Schar von/iu~eren Belastungen als Strichlinie abgebildet. Bei vorgegebener Kraft F besitzen diese Kurven einen monoton steigenden Verlauf m i t a . Bei festgehaltenen Verschiebungen q zeigen die G(a)-Kurven eine fallende Tendenz, weil der Riss sich durch sein Wachstum selbst entlastet. Das Rissverhalten wird in dem Moment instabil, sobald das Energieangebot st/irker zunimmt als der Risswiderstand. Darm wird der Anstieg des G-Verlaufs im Bild 3.16 gleich oder grSger als derjenige der R-Kurve (mit * markierte GrSgen). Die iiberschiissige Energie fiihrt zu einem beschleunigten, dynamischen Risswachstum. Betrachtet man im Bild 3.16 dagegen die G-Kurven fiir festgehaltene Verschiebungen, so wird klar, dass nach der Rissinitiierung bei q2 trotz ansteigender Belastung der Riss nie instabil werden kann. Vom Holzspalten mit einem Keil kennt jeder dieses Verhalten, das aber ebenso bei dehnungskontrollierten thermischen Spazmungen in einem Bauteil mit Riss vorkommen kann. Zum Abschluss soll noch darauf hingewiesen werden, dass alle vorgestellten Uberlegungen anhand von G und R in analoger Weise auf den Spannungsintensit/itsfaktor KI und eine rissl/ingenabhKngige Bruchz~higkeit Kc(Aa) iibertragen werden kSnnen, da beide Kriterien in der LEBM gleichwertig sind.

3.2.6

Das J - I n t e g r a l

Unabh/ingig voneinander haben CHEREPANOV [64] 1967 und RICE [223] 1968 eine weitere bruchmechanische BeanspruchungskenngrSl~e eingeffihrt - - das J-Integral. Diese Kenngr6ge hat sich nicht nur in der LEBM augerordentlich bew/ihrt, sondern konnte vor allem in der Bruchmechanik bei inelastischem Materialverhalten sehr erfolgreich eingesetzt werden. In der Folgezeit wurden vielf/iltige Erweiterungen des klassischen J-Integrals in Bezug auf Belastungsarten, Materialgesetze und Feldprobleme vorgenommen, woranf noch ausfiihrlicher in Kapitel 6 eingegangen wird. Besondere Bedeutung kommt dem J-Integral gerade auch in Verbindung mit der numerischen Beanspruchungsanalyse von Rissen zu.

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

55

In diesem Abschnitt konzentrieren wir uns auf die Anwendung des J-Integrals auf elastisehe Materialien, die auch nichtlinear sein diirfen. Zum einfacheren V e r s t ~ d n i s beschr~nken sich die Ausfiihrungen auf infinitesimale Deformationen.

Bild 3.17: Definition von J als Linienintegral um die Rissspitze

Herleitung des J-Integrals I m Folgenden soll bewiesen werden, dass die Anderung der potenziellen Energie bei infinitesimaler Rissansbreitung - - also die Energiefreisetzungsrate G = - d I I / d A - - mit Hilfe eines wegunabh~ingigen Linienintegrals ansgedrfickt werden kann. Die Abbildung 3.17 zeigt ein ebenes Rissproblem (Einheitsdicke B). Wir w~hlen ein beliebiges Gebiet A um die Rissspitze aus, das v o n d e r Kurve F berandet wird, die vom unteren zum oberen Rissufer in mathematisch positiver Richtung verl~iuft, mit dem nach aui~en gerichteten Normaleneinheitsvektor nj. Zur Berechnung der potenziellen Energie des Systems miisste eigentlich der GesamtkSrper betrachtet werden, aber wir werden sehen, dass das Ergebnis v o n d e r Wahl des Gebietes u n a b h ~ g i g ist. Von Augen wirken auf F die Schnittspannungen ti = a i j n j , die bei Risswachstum da unver~nderlich bleiben sollen. Die Volumenkr~ifte seien null. Der Riss vergr6t~ert sich in seiner Ursprungsrichtung um da und das Gebiet A verschiebt sich mit ibm. Dabei veHindern sich alle Feldgr5i~en direkt und implizit mit der Rissl~inge. Deshalb wird neben den kSrperfesten Koordinaten (X1,)(2) ein an der Rissspitze mitbewegtes System (xl = X1 - a, x2 = )(2) eingefiihrt, (siehe Bild 3.17), so dass fiir die totale Ableitung gilt:

__ 0Xl0(.) d(.) _ 0(-) + . . . da

Oa

Oa cox1

.

0(.)

0(.)

Oa

Oxl

.

(3.97)

56

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Damit differenzieren wir die potenzielle Energie, die eine Funktion des Verschiebungsfeldes ui ist, nach der Rissl~nge:

dH(Ui)da

dad {Wext (u/) - ~JVint(Ui)} = ~aa

tiuids -

J} U dA

A =A

/ iOx-~dS-~ -

OXl

Oa

/

Oa

(3.98)

J"

~ ----aij ~Oa ' der Umwandlung des Linienintegrals in Unter Verwendung yon ou Oa - 0ou ~ oOa ein Gebietsintegral nach dem GAvssschen Satz und mit den Gleichgewichtsbedingungen a~j,j = 0 verschwindet der Ausdruck in [ ] Klammern yon (3.98). Das 1. Integral yon (3.98) k_ann ebenfalls mit dem GAvSSschen Satz umgeformt werden (ds ist die Bogenl~inge entlang F). / U,j ~lj dA = / Unl ds = / U dx2 A F F

(3.99)

W e g u n a b h ~ i n g i g k e i t des J - I n t e g r a l s Um zu beweisen, dass J unabh&ngig von der Wahl des Gebiets A und dem Integrationspfad F i s t , vergleichen wir zwei Pfade F1 und /"2 um die Rissspitze (Bild 3.18). Die Pfade werden durch die Strecken F + und F - entlang des oberen und unteren Rissufers erg/inzt, womit man eine geschlossene Kurve C = /"2 + F + - F1 + F - erh/ilt. C umschliegt vollst/indig die Differenzfl/iche A -- A2 - A1, die Rissspitze wurde dabei umgangen! Die Integrale fiber F + und F - sind null, weil auf den Rissflanken ti -- 0 gilt und dx2 = 0 ist. Bei der Auswertung von J entlang C wird nun das Linienintegral wieder in ein Gebietsintegral fiber A zurfick verwandelt und das CAUCHY Theorem t~ = ~ j n j benutzt:

/ [UnlC

Oui]j ds ~ / IU~lj aijnJ-~xl C =

/o[ ~

Oui] nj

U,fij - ,z~ Ozl J dA.

(3.101)

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

57

Die Formgnderungsenergie U ist eine Funktion der Verzerrungen eij= (ui,j + uj,i)/2. Ihre Ableitung ergibt bei einem (nieht)linear-elastischen Material gemgg (A.74) gerade die Spannungen aij. Damit liefert die Differenziation des Integranden von (3.1ol):

OU Oeij

o

Oaij Oui

Oeij OXl

<,

o 1 (Ou, Ou,

~ o%-7 \ & ~ ] = "~j Ox---;- o - o~j ~ - ~

OXj OX 1

\ & ~ + o.~ ] = o (3.1o2)

Bild 3.18: Zur Wegunabhgngigkeit des J-Integrals Wegen der Gleichgewichtsbedingungen (A.71) verschwindet der 2. Term, da Trggheitsund Volumenkrgfte hier nicht beriicksichtigt werden. Bei der E r g ~ z u n g im 3. Term wurde die Symmetrie aji = aij benutzt, womit er gerade den 1. Term kompensiert. Als Ergebnis stellt sich heraus

/(.)ds=f()ds-f()ds+ C

rl

112

f (-)ds--0.

(3-1o3)

F+TF-

Da die Rissuferintegrale fiber F + § F - null sind, ist die Wegunabhgngigkeit bewiesen

JFl = / ( ' ) d s = Jr2 = / ( ' ) d s . rl

(3.1o4)

F2

Rfickblickend stellen wir die Voraussetzungen zusammen, die ffir die Herleitung notwendig waren: 9 9 9 9

Es gibt keine Volumenlasten bi = 0 und Trggheitskrgfte piii = 0. Die Rissufer F + und F - sind spannungsfrei ti -- 0. Die elastische Formgnderungsenergie U ist eine Potenzialfunktion: OU/Oeij = aij. U hgngt nicht explizit von xl ab, nur implizit fiber eij(xl) (homogenes Material).

58

3 Grundlagen der Bruchmechanik

3.2.7

Risse in anisotropen elastischen KSrpern

Viele moderne Werkstoffe im Leichtbau besitzen anisotrope elastische Eigenschaften. Dazu z/ihlt die groge Gruppe der faserverst/irkten Kunststoffe und Metalle, bei denen hochfeste Fasern (Glas, Kohlenstoff, Wisker) entweder unidirektional orientiert oder als Fasermatten in mehreren Schichten unterschiedlicher Orientierung in einen Matrixwerkstoff zur ErhShung der Festigkeit und Steifigkeit eingebettet werden. Neben diesen Compositen und Laminaten sind insbesondere metallische und keramische Werkstoffe mit anisotroper Kristallstruktur von Interesse, wie Nickelbasis-Einkristalle fiir Turbinenschaufeln oder Siliziumkomponenten in der Mikrosystemtechnik. Schlieglich gehSren auch rippen- und stringerverst/irkte Bauteile des Stahlbaus, der Luftfahrt oder bewehrter Beton im Bauwesen zur Klasse der anisotropen K5rper. Bei der Behandlung bruchmechanischer Probleme muss demzufolge die Anisotropie beriicksichtigt werden. Wir untersuchen einen Riss in der unendlichen Ebene unter Modus-I-, II-, und III-Belastung, siehe Bild 3.19. Die Hauptachsen der Anisotropie werden durch das Materialkoordinatensystem (21,22, 23) festgelegt, wobei wir uns auf Orthotropie beschrfiaken und die 23-Achse parallel zur x3-Koordinate verlaufen soll. Im Fall des ESZ ergibt sich aus (A.82) die anisotrope Nachgiebigkeitsmatrix in Ingenieurkonstanten in Materialkoordinaten

oI 111 L~,~j

o

o

~

(3.~o5)

L~j

Die Transformation dieser Beziehung in das globale Koordinatensystem mit der vom Winkel cr abhKngigen Drehmatrix r liefert nach den Regeln der Tensorrechnung eine voll besetzte Nachgiebigkeitsmatrix [a~] ~ [S~] mit c~, ~ = {1,2,6}

[.111

r, 11

~""/-- / ~

3'12J

,:,,,01 r -111

~"" o,2,fl /o.-.N.

La16 a26

(3.1o6)

a66J LT12J

Im EVZ lautet die Spannungs Dehnungs Relation mit modifizierten Konstanten b ~

[ .111 r,,11

b,~ bl~l

pill

~""/--/b'~ b.,., b.,,fl /o-.N, ~1~3 Lb~ b26 b66J L'r12j

b~ = a~

a~3a~3

(3.107)

a33

Die Spaanung in Dickenrichtung betr/igt daan a33 = -(al3rrll q- a23rY22 q- a26"r12)/a33 9 Ausfiihrlichere Hinweise zur Materialmodellierung in Laminaten findet man in [6]. Fiir die LSsung anisotroper elastischer ebener RWA wurden von LEKHNITSKII [159] und STROH [262] verallgemeinerte komplexe Spannungsfunktionen entwickelt. Auf dieser Grundlage haben SIH, PARIS und IRWIN [254] erstmals Rissl5sungen gefunden, die hier wiedergegeben werden sollen. Die Spannungen und Verschiebungen ergeben sich jetzt aus

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

59

Bild 3.19: Riss in einer Scheibe aus anisotropem elastischem Material zwei komplexen holomorphen Funktionen Ck(Zk) (k = {1,2}) der komplexen Variablen zk X 1 Jr- SkX 2. Die komplexen Konstanten sk gewinnt m a n aus den Nullstellen der charakteristischen Gleichung in Abh~ngigkeit von den elastischen Konstanten a~z =

(3.1os)

a l l s 4 -- 2a16s 3 -[- (2a12 -[- a66)s 2 -- 2a26s + a22 ----O, was zwei konjugiert komplexe LSsungen liefert Sl = 71 + i51,

s2 -- "/2 ~- i52,

s3 -- ~1,

s4 -- ~2 9

(3.109)

Mit der gleichen Vorgehensweise, die bei isotropem Materialverhalten in Abschnitt 3.2.7 angewandt wurde, kann m a n nun die Rissspitzenfelder berechnen [254]. Das Ergebnis lautet in Polarkoordinaten (r, 8) u m die Rissspitze: Modus I

KId[SIS2( a11--~

0"22 -- ~

82

LSl-S2

1 (

~

KId[SIS2( r12--~

LSl-S2

si

x / c o s O + s 2 s i n O - ~/cos O + s l sin 0 X/cos 0 + s2 sin 0 - v/cos 0 -t- Sl sinO

1 x/cosO+slsinO

~/cos ~ + s2 sin 0

)I (3"11~

60

3 Grundlagen der Bruchmechanik

~tl=KIV~--~}~IsI-~8~(81p2v/c~176 V~r

[

1

]

(3.111)

(slq2v/cosO+s2sinO-s2qlv/cosO+slsinO)]

Modus II gII~[ all -- ~

~

1

82 82 )] x/cos 0 + s2 sin 0 - x/cos 0 + sl sin 0

o22 -- ~

~

x/cos 0 + s2 sin 0 - x/cos 0 + sl sin 0

glI~[ v12 -- ~

1 ~

(

(

el

82

)]

x/cos 0 + sl sin 0 - x/cos ~ + s2 sin 0

~tl : KII V ~ ~ [ ~ 1

(p 2 V/cos 0 + s2 sin 0 - Pl V/c0s 0 --~81 sin )1

u2=Kii V ~ ~ [ ~ 1

( q2V/cosO+s2sinO-qlV/cosO+slsinO )]

(3.113) mit den materialabh~ngigen Zonstanten (k = {1,2}):

Pk . all 82. -~-a12 . a168k. und .qk a128k-~- a22

8k

a26

(3.114)

Das Modus-III-Problem bei nichtebenem Schub ~-~ bleibt bei Orthotropie von der ebenen Aufgabe entkoppelt, d.h. es stellen sich lediglich die Schubspannungen T13 und 7-23sowie eine u3-Verschiebung als Funktionen von (xl, x2) ein:

"7"13 _

_

[ 83 ~KIII ~}~kx/cos 0 § s3 sin Ol '

T23__ ~KIII ~

IX/cos01 s3 sin0]

u3 : K i i i V ~ ~ [V/cosO-~-s3sinO/(c45-~- s3c44)] ,

(3"115)

(3.116)

wobei s3,~3 die Wurzeln von

c44s2 + 2c45s + c55 = 0

(3.117)

sind mit den materialabh~ngigen Konstanten (c~,~ -- {4,5})

=

f ac-A

und

c = a44a55 - a25 9

(3.118)

a,~a c

Die Definition der Spannungsintensits KI, KII und KIII ~ndert sich gegenfiber dem isotropen Fall nicht. Sie werden durch Extrapolation des singuls Spannungsver-

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

61

laufs auf dem Ligament vor dem Riss mit (3.63) bestimmt. Fiir die unendliche Scheibe besteht der gleiche Zusammenhang mit den Fernfeldbelastungen wie im Isotropen: g I _- o-~2vf~,

KII -- T~I y/-~,

KIII = ~-~3Vf~.

(3.119)

Das radiale Verhalten des anisotropen Rissspitzenfeldes wird somit durch dieselbe 1 / v ~ Singularit~t in den Spannungen und Verzerrungen sowie der vrr-Abh~ngigkeit der Verschiebungen gekennzeichnet wie beim isotropen elastischen Fall. Der Unterschied besteht ausschliei~lich in den Winkelfunktionen yon (3.11o) - (3.116). Die Auswertung der Realteile fiihrt zu recht komplizierten mathematischen Ausdriicken, ist aber prinzipiell mSglich. Abschliegend soll noch die Beziehung zwischen der Energieffeisetzungsrate (bei selbst~hnlicher Rissausbreitung) und den Spannungsintensit~tsfaktoren angegeben werden, die man mit Hilfe des IRWiNschen Rissschliei~integrals aus der asymptotischen LSsung erzielt: GI = -

KI-~ KI(Sl

GII = ~ g i i ~

~_818282___) ~- KII

, Gill = KI2II -~ [

2c44e55

J

(3.120)

[KII(81 + 82) + Ki8182].

Im Spezialfall, wenn der Riss mit einer Symmetrieebene der Orthotropie zusammenf/illt (c~ = 0 in Bild 3.19), erh~ilt man die reellen Ausdriicke: a = GI -~- GII -I- GIII, GII ---- ~ I I ~

3.2.8

[ V all

-t-

GI=K 2

[t/-~-~ -IkV an

§ 2all

J

'

2 a ~ ~- a66.] 1/2 2all

J

(3.121)

GIII -- KI2II 1 2 ~

Grenzfl[ichenrisse

H/iufig liegen Risse in der Grenzfl/iche zwischen zwei Materialien mit unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften. Solche Risse bezeichnet man als Grenzfl~chenrisse (engl. interface cracks), siehe [65]. Grenzfl/ichenrisse sind insbesondere in Ffigeverbindungen (Kleben, Schweigen, L5ten, Bonden) anzutreffen, weil die Festigkeit der Materialverbindung oft geringer ist als diejenige der beiden Fiigepartner. Gros Bedeutung besitzen Grenzfl~ichenrisse auch fiir Verbundwerkstoffe (z. B. faserverstiirkte Laminatwerkstoffe), Schichtsysteme oder Beschichtungen aller Art, wo Rissausbreitung zur Delamination der Schichten fiihrt. Schlieglich wird auch die Festigkeit vieler Konstruktionswerkstoffe durch Versagensmechanismen an inneren Grenzflgchen (Korngrenzen, Phasengrenzen u. ~.) maggeblich beeinflusst. Im Weiteren soll auf die Beanspruchungssituation an einem Grenzfi/ichenriss zwischen zwei isotropen elastischen Materialien und die bruchmechanischen Parameter eingegangen werden. Untersucht wird die NahfeldlSsung an der Spitze eines Risses in einer unendlichen Scheibe, der sich in der Grenzfl~che zwischen den Materialien (1) und (2) mit den elastischen Konstanten El, /21 und E2, v2 befindet, siehe Bild 3.20. Der Unterschied zwischen den elastischen Eigenschaften beider Materialien wird durch den Parameter e

62

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Bild 3.20: Riss in der Grenzfl~che zwischen zwei verschiedenen Materialien

(Bi-Materialkonst ant e) ausgedrfickt: ]

= ~ in L7~

~ 2 ~ i + #i

0 < i~i < 0,175, -

#1~2 + #2 '

(3.122)

der fiir den Grenzfall gleicher Materialien (1)=(2) null wird (#m = Era/2(1 + vm) und tr = 3 - 4~,~ fiir m = 1, 2). In Analogie zum Riss im homogenen Material (Abschnitt 3.3.2) wenden wir die Methode der komplexen Funktionen an. Zur Berechnung der Eigenfunktionen an der Rissspitze wird wie in (3.33) ein Reihenansatz f'dr r und X('~) (z) gemacht, der sich jedoch fiir die beiden Materialien m -- 1, 2 in der oberen und unteren Halbebene unterscheiden muss. r

----A ( m ) z ~,

z = re i~

(3.123)

a~2 ) + b - ( 2 ) = 0

(3.124)

x ( m ) ( z ) = B ( m ) z A+I ,

Auf den Rissufern sind die Randspannungen null 0=~r:

a ~ )+i~-(~ ) = 0 ,

0=-~r:

und auf der Grenzfl~iche vor dem Riss miissen die Verschiebungen und die Schnittspannungen beider Regionen stetig sein ---- 0 :

Ul 1) -[- i u (1) ----U~2) -[- i u (2) ,

a ~ ) + ir(~ ) ----a ~ ) § iT(2) .

(3.125)

Drfickt man diese vier Rand- und 0berga~gsbedingungen durch die komplexen Funktionen aus (siehe (3.34) und (A.161)), so erh~lt man ein homogenes Gleichungssystem f6r die 4 komplexen (8 reellen) Ansatzkoeffizienten A (m), B (m). Das charakteristische Polynom dieses Eigenwertsystems liefert die Bestimmungsgleichung fiir den Exponenten A, der folgende Eigenwerte annehmen kann 1 A=--~+n+ie

mit

n=1,2,3,...

(3.126)

3.2 Linear--elastische Bruchmechanik

63

Im Unterschied zum homogenen Fall sind die Eigenwerte A(n) komplexe Zahlen mit positivem Realteil. Zur Beschreibung des Nahfeldes r --* 0 interessiert nur der dominierende L5sungsterm, welcher mit dem kleinsten Eigenwert 1 A(n = 1) = ~ + ie

(3.127)

verkniipft ist. Setzt man (3.123) mit (3.127) in die KOLOSOVschen Formeln (A.161) ein, so erh/ilt man die kompletten Verschiebungs- und Sparmungsfelder in Polarkoordinaten an der Rissspitze (siehe [222]). Die Intensit/it dieser Felder wird durch den Koeffizienten der n = lten Eigenfunktion bestimmt, der von RICE [219] als komplexer Spannungsintensit/itsfaktor eingefiihrt wurde: = K1 + ig2 = [~[[eir ic ,

[K[ = ~ - ~ + K 2 ,

r = arctan(K2/gl).

(3.128)

Hier bedeutet l eine Referenzliinge (z. B. Rissl/inge a) und der Phasenwinkel r gibt das Verh/iltnis der Riss5ffnungsmoden an. Damit lassen sich die Spannungen vor dem Riss und die Verschiebungsspriinge Aui = u}l)(r, r ) - u}2)(r,--lr) fiber die Rissufer in folgender Form schreiben (Winkelfunktionen werden bei 0 = 0 auf i normiert.): a22(r, 0) +i~l~(r, 0) =

~

i~

2v~r

8

/Ti

(3.1~9)

Au2(r) + iAul(r) = 1 + 2ie E* c~-sh(~re)V ~--~r . E* ist der gemittelte Elastizit/itsmodul 1/E* = (1/E~ § 1/E~)/2 im EVZ. Wit finden also wie bei homogenen Werkstoffen radiale Abhkngigkeiten vom Typ 1/x/~ bzw. x/7 vor, die jedoch aufgrund des Imagin/irteils von (3.127) eine Erweiterung mit rie = e ielnr = cos(elnr) + isin(elnr)

(3.13o)

erfahren, was zwei Konsequenzen zur Folge hat: Erstens treten die RissSffnungsmoden I und II immer gekoppelt auf. Aufgrund des komplexen Produktes K r i~ lassen sich die Rissspitzenfelder nicht mehr wie im homogenen Fall (3.45) in separate Funktionen mit eigenen Koeffizienten KI und KII zerlegen, weshalb bier die neuen Bezeichnungen K1 und /(2 verwendet werden. So kann man z. B. die Rissuferverschiebungen u2 und Ul oder die Spannungen t722 und T12 vor dem Riss nicht mehr eindeutig den Moden I oder II zuordnen, ja ihr Verh/iltnis/indert sich sogar mit dem Abstand r! Das erkennt man sehr schSn, wenn die Riss5ffnungsverschiebungen von (3.129) in reeller Darstellung aufgeschrieben werden: { Aul(r) } ~2~ 8 {Klsin(elnr)+K2eos(elnr)} Au2(r) = (1 + 2ie)E* cosh(lre) K1 eos(elnr) +/<2 sin(elnr)

9 (3.131)

64

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Im homogenen Fall (e = 0) gehen diese Beziehungen in die entsprechenden Gleichungen (3.16) (3.25) fiber mit der Identit/it K1 = KI und K2 = KII. Zweitens erkennt man aus (3.129) und (3.13o), dass die Spannungen und Versehiebungen aufgrund der Winkelfunktionen zwischen [-1, +1] oszillieren und zwar bei Ann~iherung an die Rissspitze immer schneller, da ln r --~ - c ~ geht. Diese Oszillationen ffihren zu dem physikalisch unsinnigen Ergebnis einer gegenseitigen Durchdringung der Rissufer. Um diese osziUierende Singularit/it zu vermeiden, wurden KontaktzonemModelle [65] vorgesehlagen. In der Ingenieurpraxis hat sich jedoch der RICEsche Ansatz durchgesetzt und bew~i~hrt. Der Grund dafiir ist, dass bei den praktisch relevanten Materialpmurungen die Bi-Materialkonstanten (e < 0,05) reeht klein sind. Eine Absch~itzung des grSgten Radius r~, wo erstmalig Rissuferkontakt auftritt, ffihrt auf die Beziehung rc/l -- e x p ( - ( r + lr/2)/e) [219]. Bei einem Mixed-Mode-Verh~ltnis von K2/K1 = 1 (r -- -~r/4) u n d e = 0,05 ergibt sieh damit r~ ~ 2 . 1 0 - 9 / . W~ihlt man als Referenzl~ge l -- 2a die Rissl~zlge, so ist das O~illationsgebiet also vernachl/issigbar klein und wird angerhalb der Kontaktzone durch K quantifiziert. Der komplexe Spannungsintensit/itsfaktor K muss als Funktion der Geometrie, Rissl~inge und Belastung bestimmt werden. F/Jr den Grenzfl~ichenriss der L~nge l -- 2a in der unendliehen Seheibe unter kombinierter Zug- und Sehubbelastung dureh die Normalspannung a und Schubspannung T ist die LSsung bekannt = K1 + iK2 = (a + iT)vr~-a(2a)-ie(1 + 2ie).

(3.13 )

Generell besitzt _K fiir Grenzfl/ichenrisse diese generische Form = (O"n -[-

i'rn)X/~-d(2a)-ieg(a,

w, e).

(3. 33)

wobei an und Tn Nennspannungen bedeuten und die Ftmktion g die Abh~ngigkeit von der Geometrie und Materialpaarung wiedergibt. Aus der Beziehung (3.132) ersieht man, dass eine globale Zugbelastung a auch eine Schubbeanspruehung Ks ~ 2eK1 bewirkt und umgekehrt! Auf~erdem ver~ndert sich das Mixed-Mode-Verh~ltnis K2/K1 ----t a n r mit der Rissl~inge aufgrund des komplexen Terms (2a)-iL Die Formulierung eines Bruchkriteriums ffir Grenzfl~chenrisse auf der Basis yon - - Ehnlich dem Ki-Konzept ffir homogene Risskonfigurationen - - bereitet allerdings versehiedene prinzipielle Schwierigkeiten. Als erstes besitzt K naeh (3.128) eine schwer verst~ndliehe komplexe Dimension MPa 9 m-iL Zum zweiten h~ingt der kritisehe Wert von K nieht nur vom Betrag [K[ sondern aueh yore Phasenwinkel r der im PriifkSrper vorliegt, d. h. wir benStigen ein zweiparametriges Kriterium Kc = Kce ice oder KIt(C). Drittens mfissten bei der Ubertragung yon der Probe (Fall 1) auf ein Bauteil (Fall 2) nieht nur die Betr~ge der Intensit/itsfaktoren fibereinstimmen, sondern auch ihre Phasenwinkel umgerechnet werden

K1 = l-~11eir (2al) -ie = Ig21 eir (2a2) -ie = K2 I- 11 = I =1

und

r

= r

-

(In(alia2),

damit die gleiche Rissspitzenbeanspruchung vorliegt.

(3.134)

3.2 Linear--elastische Bruchmechanik

65

Ein pragmatischer Ausweg ans diesen Komplikationen wurde von RICE [219] vorgeschlagen: Die Beziehungen (3.129) kSnnen in die klassische (homogene) Form iiberffihrt werden, wenn man die Beanspruchung auf einen bestimmten Abstand ~ fixiert KI -F iKII = ~pic = (K1 + iK2)P i~ ,

(3.135)

d. h. man fibernimmt genau dasjenige ModenverhKltnis, was in der Grenzfl~chenlSsung bei ~ mit dem Phasenwinkel r -- r + e ln(~/a) existiert. Aus physikalischen Griinden ist es verniinftig, fiir ~ gerade die materialspezifische GrSge der Bruchprozesszone zu wKhlen, die viel kleiner als die Rissl~ge a und grSger als der Oszillationsbereich rc sein soUte rc<~<
G=-

lim A / / _ z~--+0 Aa

K2+K 2 E* cosh2(~re)

(3.13 6 )

Erfreulicherweise verschwinden bei der energetischen Betrachtung die Oszillationen und die Abh~ngigkeit v o n d e r Referenzl~inge I. Es bleiben der Einfluss der Bi-Materialkonstanten e und des Modenverh~ltnisses K2/K1. Ohne Kenntnis des Phasenwinkels r kann aus (3.136) nicht auf beide Intensit~itsfaktoren zuriickgeschlossen werden. Clber energetische Bruchkriterien fiir Grenzfi~ichen und deren experimentelle Best~itigung informiert [20]. Theoretische Untersuchungen fiir Grenzfl~chenrisse zwischen anisotropen elastischen Materialien wurden von Qu & BASSANI [208], SUO [265] und BEOM ~; ATLURI [37] auf der Basis des STROH-LEKHNITSKI-Formalismus durchgefiihrt. Die mathematische Struktur der LSsungen ist n a t u r g e m ~ komplizierter als im isotropen Fall und weist meistens oszillierende Singularit~ten auf. Fiir zahlreiche Anwendungen anf kristallografische Grenzfl~ichen, faserverst~kte Laminate und mikroelektronische Schichtsysteme spielt die Anisotropie jedoch eine wichtige Rolle.

3.2.9

Risse in Platten und Schalen

Diinnwandige Platten- und Schalenstrukturen treten insbesondere bei Luft- und Raumfahrt-Konstruktionen auf, wo aufgrund der Betriebsbelastungen Ermiidungsrisse eine besondere Rolle spielen. Neben den Membranspannungen, die einen Spannungszustand an der Rissspitze wie bei Scheiben erzeugen, verursachen die Biege- und Torsionsmomente ein zus~tzliches, andersartiges Nahfeld an der Rissspitze. Auf der Grundlage der KIRCHHOFFschen Theorie diinner schubstarrer Platten, die im Anhang A.5. 5 erl~utert ist, konnte WILLIAMS [287] die Eigenfunktionen um die Rissspitze in der unendlich ausgedehnten Platte durch Reihenansatz fiir die Durchbiegungsfunktion w(xl, x2) berechnen. Von SIH u. a. [253] wurden dann die Spannungsintensit~tsfaktoren kl und k2 ffir Plattenbiegung bzw. Plattentorsion in einer Form eingefiihrt, die mit der Rissbeanspruchung durch KI und KII bei Scheibenanfgaben insofern konsistent ist, dass sie ebenfalls den Normal- und Schubspannungen 0"22 b z w . 7-12 vor dem Riss zuzuordnen sind. Bild 3.21 veranschaulicht alle vier RissSffnungsarten, die bei Schalen gleichzeitig

66

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Bild 3.21: RissSffnungsarten bei Scheiben, Platten und Schalen aufgrund der Membranspannungen, Biege- und Torsionsmomente

auftreten kSnnen. Bezeichnet man mit z ~ x3 die Koordinate in Richtung der Plattendicke h, siehe Bild 3.22, so hat die asymptotische LSsung am Riss in Zylinderkoordinaten folgende Form:

(r, O,z)

(3 + 5~) cos ~ - (7 + ~) cos

~0 [ - (3 + klu ) v ~

~

(5 + 3~,) cos ~-

2h

(7 + ~,) cos - -

+

- ( 1 - u)sin ~ + (7 + u)sin

-(3 + 5~,) sin ~o + +

k2 z (3 + u ) v ~ 2h

3o / (5 + 3~,) sin -~-

(3.137)

0 -2(5 + 3~,) cos ~ sin 0

{

o}

-(1 - ~,) cos ~ + (5 + 3~,) cos

{ %b~ __ [l _ (2z/h):] h -klCOS~ + k2sin ~o

"

(3.138)

-klsin -k2cos Die Biege- und Schubspannungen in der Plattenebene

(Xl, X2) bzw.

(r, 0) verhalten sich

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

67

Bild 3.22: Koordinatensystem an der Rissfront bei Platten und Schalen

wiederum singular mit 1/x/~. Die r-3/2-Singularit~it der Schubspannungen senkrecht zur Plattenebene ist eine Folge des schubstarren PlattenmodeUs, das die Spannungsfreiheit auf den Rissufern nur approximativ durch eine Ersatzquerkraft erffillt. Die Biegespannungen verlaufen nach der Plattentheorie linear mit z fiber die Dicke h. Entlang der Rissfront wechseln die Spannungen somit von Zug anf Druck und nehmen an der Ober- und Unterseite (z = • Maxima mit entgegengesetzten Vorzeichen an. In der neutralen Ebene (z = 0) wird der Riss gar nicht belastet. Ein etwaiger Kontakt der Rissufer kann jedoch im Rahmen der Plattentheorie nicht berficksichtigt werden. Der Dominanzbereich des k-kontrollierten Nahfeldes betr~gt etwa a/lO. Die Durchbiegungsfunktion w(r, 8) der Plattenmittelfl~che besitzt an der Rissspitze (Bild 3.22) folgende Asymptotik:

W

m

(2r) ~ (1 - 122) 2Eh(3 ~ 12) kl

7 + 12 38 ~ ~ cos ~ - - cos ~ + k2

5 + 312 38 _ sin 5 ~ - - - ~ sin ~ -

(3.139) Weil die Spannungen und SchnittgrSs mij, q~ aus w durch zweifache Ableitung gebildet werden (siehe (A.167)), muss r in der Potenz 3/2 stehen. Die DGL der KIRCHHOFFschen Platte besitzt grof~e Verwandschaft mit der Bipotenzialgleichung der Scheibe, so dass sich die komplexen LSsungsmethoden ans Abschnitt 3.2.2 h~ufig fibertragen lassen [253]. So erh~lt man die Spannungsintensit~tsfaktoren aus der komplexen Spannungsfunktion r von Gleichung (A.171) als Grenzfibergang fiir z --~ z0 an die Rissspitze kl - ik2 =

v~Eh(3 + 12) lim zv~Z~-z0r 1 122 z---*zo

(3.14o)

-

Ffir die unendliche Platte unter allseitiger konstanter Biegung m0 ergibt sich z. B. 6m0 i-kl = - ~ - v a ,

k2 = 0.

(3.141)

68

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Benutzt man die REISSNERsche Theorie ffir dicke Platten mit Schubverformung [108], so erh~ilt man erwartungsgem~ dieselbe Asymptotik wie im EVZ, wobei die KI-, KIIFaktoren linear mit z entlang der Rissfront verlaufen. Da dieses Rissspitzenfeld nur im Gebiet r < h/lO Giiltigkeit hat, liegt es somit innerhalb der KIRCHHOFF-Asymptotik und wird von ihr eindeutig bestimmt [117]. Deshalb geniigt bei bruchmechanischen Plattenund Schalenberechnungen i. AUg. die KmCnHOFF-Theorie, die anch wegen des geringeren Diskretisierungsaufwandes bevorzugt wird. Von HUI & ZEHNDER [117] wurde der Zusammenhang zwischen den Energiefreisetzungsraten und den KIRCHHOFFSChenSpannungsintensit~tsfaktoren hergestellt G1-

3.2.1o

k27c(1 + u) 3E(3+u) '

G2-

k227r(1 + u) 3E(3+u) "

(3"142)

Bruchmechanische Gewichtsfunktionen

In diesem Abschnitt soll eine recht niitzliche halbanalytische Methode zur Berechnung von SpannungsintensitKtsfaktoren fiir linear-elastische, statische Rissprobleme vorgestellt werden. Ausgehend von gewissen BasislSsungen fiir die betreffende geometrische Risskonfiguration lassen sich damit K-Faktoren ffir weitere, beliebig geartete Belastungssituationen derselben Risskonfiguration gewinnen. Dahinter verbirgt sich die faszinierende Tatsache, dass in der LSsung einer spezieUen RWA die Mannigfaltigkeit aUer mSglichen LSsungen desselben Rissproblems steckt. Den Schliissel dazu bilden die bruchmechanischen Gewiehtsfunktionen (engl. crack weight functions).

Bild 3.23: Beispiel f/Jr die Anwendung des Superpositionsprinzips

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

69

Das Superpositionsprinzip Fiir die Elastostatik gilt wie fiir alle RWA yon linearen partiellen DGL das Superpositionsprinzip. Es besagt~ dass L5sungen fiir unterschiedliche Randwerte additiv zu einer GesamtlSsung zusammengesetzt werden diirfen, die dann genau die LSsung der RWA fiir die Summe der Randbedingungen darstellt. Voranssetzung ist hierbei, dass die Geometrie des KSrpers sowie die Aufteilung des Randes in DIRICHLETSChe ~qu und NEUMANNsche St Randbedingungen stets dieselben sind, siehe Bild A.16. Damit ist es mSglich, komplexe Belastungen einer Risskonfiguration auf die Kombination einer Reihe bekannter LSsungen mit einfacheren Teilbelastungen zurfickzufiihren. Als Beispiel betrachten wir die in Bild 3.23 skizzierte gelochte Scheibe mit Anriss, die am unteren Rand durch eine Fl/ichenlast a und im Loch durch Innendruck p belastet ist. Den resultierenden Spannungsintensit/itsfaktor erh/ilt man ans der 0berlagerung der beiden Teilaufgaben K~ a) -- K~ b) + K~ c) . Das Superpositionsprinzip beh/ilt auch fiir thermische Belastungen und Volumenkr/ifte seine Giiltigkeit.

Bild 3.24: Umwandlung/iugerer Belastungen in/iquivalente Rissuferlasten Sehr vorteilhaft ist auch folgende Technik, bei der das Schnittprinzip gemeinsam mit dem Superpositionsprinzip genutzt wird. Gegeben sei eine Risskonfiguration unter /ius Belastung wie die im Bild 3.24 gezeigte zugbeanspruchte Scheibe mit Kantenriss. Die RWA kSnnen wir in ein Teilproblem (b) ohne Riss und ein Teilproblem (c) mit reiher Rissuferbelastung zerlegen. Dazu berechnen wir die Schnittspannungen am Ort des Risses Sc in der ungerissenen Konfiguration (b) aus den dort herrschenden Spannungen t~ -- • Dann schneiden wir gedanklich den Riss anf, lassen an seinen Ufern aber die Schnittspannungen angreifen, so dass der Riss geschlossen bleibt wie vorher. Nun werden im Lastfall (c) diese Schnittspannungen t~ genan mit entgegengesetztem Vorzeichen angetragen. Wie man sich am Bild 3.24 iiberzeugen kann, addieren sich die Randbedingungen von (b) und (e) genau zum Ausgangsproblem (a). Da das Teilproblem (b) defaeto keinen Riss enthglt ( g (b) -- 0), ist der Spannungsintensit/itsfaktor des betrachteten Problems (a) demjenigen der RWA (c) identisch

K}

K} 9

(3. 43)

70

3 Grundlagender Bruchmechanik

Bild 3.25: Anwendungsbeispiel ffir die Superposition von Rissuferbelastungen

Gewichtsfunktion ffir Rissuferbelastungen Die Anwendung des Superpositionsprinzips soll am einfachen Beispiel eines GRIFFITHRisses der Ls 2c demonstriert werden, siehe Bild 3.25. Ausgangspunkt ist die bekannte LSsung (z. B. Handbuch [267]) fiir die K-Faktoren infolge der Wirkung der Krs P und Q (pro Dicke), die am oberen und unteren Rissufer angreifen: {K • } 1 i/-~--~c ~"P'[ KII~I = ~ V ~ [ Q J

(3"144)

Aus Bild 3.25 ist ersichtlich, dass P aufgrund der Symmetrie eine Modus-I-Belastung erzeugt und die Antimetrie von Q zum Modus II fiihrt. Die K-Faktoren und Vorzeichen beziehen sich auf die positive (xl = +c) und negative (xl = - c ) Rissspitze. Diese LSstmg wird auch als GREENsche Funktion fiir die Rissufer bezeictmet, denn aus ihr kaan man die Spannungsintensits fiir beliebig verteilte Linienlasten p(xl) bzw. q(xl) entlang der mssufer berechnen. Zu diesem Zweck modellieren wir die Linienlasten als kontinuierliche infinitesimale Einzelkr~iffe d P = p ( x l ) d x l bzw. dQ = q(xl) dxl, deren Uberlagerung auf folgendes Integral fiir die K Faktoren fiihrt:

{K 4-} 1 [ ci/~p(xl)} KiI~I -- V~ V ~ [q(xl) dxx.

(3.145)

--C

Soll zum Beispiel der Ki-Faktor ffir eine konstante Druckbelastung p(xl) = --aF im Bereich der Rissenden a < Ixll < a + d -- c ermittelt werden, was in Abschnitt 3.3.3

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

71

benStigt wird (siehe dazu Bild 3-34), dann ergibt die Anwendung von (3.145):

Kt

= K{

--

--aF

Ir~ V_o V

xi

j

+ ~

l~ V

dXl

] (3.146)

V/~

~

dXl ------2aF

axccos

.

a

Allgemeine Gewichtsfunktionen Die Verallgemeinerung der soeben erki4rten Berechnungsmethode auf beliebige Belastungen einer Risskonfiguration mit F1Kchenlasten t auf dem Rand St und Volumenlasten im KSrper V fiihrt zu den eigentlichen bruchmechanischen Gewichtsfunktionen.

Im Folgenden wird die auf RICE [216] zuriick gehende Methode zur Berechnung bruchmechanischer Gewichtsfunktionen erl~iutert. Dazu betrachten wir eine Risskonfiguration unter zwei verschiedenen BelastungszustKnden (1) und (2), was in Bild 3.26 ffir einen Kantenriss der Gr6ge a demonstriert wird. Der Lastfall (1) soll diejenige Rissbeanspruchung bezeichnen, fiir die wir die K-Faktoren suchen, w ~ r e n d Lastfall (2) eine bereits bekannte L6sung reprKsentiert. Die zugeh6rigen Verschiebungsfelder u~"~), Randspannungen t~m) (0berstrich wird im Weiteren weggelassen) und K - F a k t o r e n K~ m) , K~? ) beider LastF~lle m = 1, 2 werden durch hochgestellte Indizes markiert. Nun fiihren wir eine virtuelle Risserweiterung um den Betrag Aa aus, bei der die Randlasten t~m) konstant gehalten werden. Der Verschiebungszustand im K6rper ~indert sich jedoch wie folgt:

u! m)(w a + Aa) = u~m)(w, a) + Au~ m) ~

'

'

Au~ m) -- Ouim) ( Aa. Oa

(3.148)

Nach Abschnitt 3.2.5 entspricht die bei diesem Vorgang freigesetzte potenzieUe Energie gerade der halben Arbeit der ~u~eren Lasten t~"~) an den Verschiebungs~derungen Au~m) und ist somit gleich der Energiefreisetzungsrate G -- A~Vext/Aa. Andererseits ist

72

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Bild 3.26: Zur Herleitung allgemeiner bruchmechauischer Gewichtsfunktionen

die Energiefreisetzungsrate G fiber die Beziehung (3.93) mit den Intensit~itsfaktoren K1 und KII verkniipft. Damit erh~ilt man fiir beide Lastf'dlle:

AVi)(1) _If.!l)Au,!l)jc~ 9"ext = 2 J r ' ao=G(1)Aa=

I I(K}I))2+ (K~I1))2JAa

~-7

S~

,,.~,(')j/t}')A.}').S--G(').,o--II(K}') )' (K~)'] 9 "ext =

~

+

)

(3.149) Aa.

s~

Bei der Superposition beider Lastfdlle (1) und (2) addieren sich die K-Faktoren KL ---K(L1) +K(L2) (L = I, II). Bei den Randintegralen ist die Arbeit am jeweils anderen Lastfall zu berficksichtigen. Somit betr~igt die Energiefreisetzung ffir den Gesamtzustand:

1[(K~I).-~-K~2))2.-~-(K~I)-.~K~(I2))2JA a

G(l+2)Aa _-- ~-7

: 1, ,~1~(~o~1)+ ~u~.)),, + ~ S,

(~u~.)+

~<))~,

(3.~5o)

S~

Die Differenz der Gleichungen (3.15o) und (3.149) beschreibt die Wechselwirkungsenergie zwischen beiden Lastfiillen

~ L~ ~

.~.

~.

j A ~ _-

5

t~ S~

~')as+ 5

t~ S~

~i)as.

(3.~50

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

73

Nach dem Satz von BETTI (siehe z. B. [260]) sind die Arbeiten der Randspannungen des einen Lastfalls an den Verschiebungen des anderen Lastfalls miteinander identisch:

/ t~l)u~2)dS=/t~2)u~l)dS, (ReziprozitStstheorem) St

(3.15 )

St

was ebenso auf die Situation nach Risserweiterung a + Aa angewandt werden kann: (3-153) St

St

Subtraktion von (3.152) und (3.153) ergibt

(3.154)

/ t~1)Au~2)dS = f t~2)Au~ 1)dS. St

St

Damit kann in (3.151) das 2. Integral durch das 1. ersetzt werden. Schliei~lich ziehen wir den Differenzenquotienten Au~2)/Aa unter das Integral (t~1) ist von Aa nieht abhs und bilden mit (3.148) den Grenzfibergang Aa --* 0:

Diese allgemein giiltige Beziehung k5nnen wir in verschiedener Hinsicht spezialisieren. a) R e i n e M o d u s - I - B e l a s t u n g In diesem Spezialfall syinmetrischer Geometrie und Belastung sind K~1) -- K~2) -- 0. Man kann (3.155) nach dem gesuchten Spannungsintensits fiir Lastfall (1) auflSsen:

E'

t (1) x Ou 2)(x' a)

g}l)(a) -- 2re.(2--~ra~--/ i ( ) l'-I k ) S~

~

dS.

(3.156)

74

3 Grundlagen der Bruchmechanik

b) Reine R i s s u f e r - B e l a s t u n g Da jede/ius Belastung ti in eine/iquivalente Rissuferbelastung t~ umgewandelt werden kann, darf in Gleichung (3.156) anstelle von St auch der gesamte Riss Sc eingesetzt werden, auf dessen Rand gerade diese Schnittspannungen t~ angreifen. Damit wird der Ort m E Sc zur Bestimmung und Anwendung der Gewichtsfunktionen auf den Riss selbst begrenzt --+ Rissufe~Gewichtsfunktionen (engl. crackface weightfunctions).

c) Mixed-Mode-Belastung In diesem Fall benStigt man zwei ReferenzlSsungen (2), die mit (2a) und (25) bezeichnet werden sollen. Die Anwendung von (3.155) liefert dann ein lineares Gleichungssystem Ki(1) i((2a i((1)/((2a ) E' f (1) Ou~2a) *'I -{-*'II *'II = T j ti gaa St

dS (3.158)

Ki0) w(2b). W0)~-(2b) 2b) *'I "*qI*qI = TE' j f ti(1) Ou~ -&a dS, St dessen Aufl6sung die gewfinschten K-Faktoren des betrachteten Lastfalls (1) ergibt: K~I) = 2-K 2E' /[/((2a)II i f t(1)i Ou~2b)oad S - ~'IIf((2b)j f t (1)i__~Ou~2a)dSl L

&

&

(3.159) St

mit

K2

St

f'(2b) r((2a) /c(2a) g'(2b) ~I ~II -- ~ I "~II "

Die beiden ReferenzlSsungen dfirfen nicht ausschlieglich Modus I oder Modus II sein, weil sonst das Gleichungssystem indefinit wird (K = 0!). Idealerweise verwendet man ffir (2a) eine reine Modus-I-L6sung r~(2a) t*qI = 0) und fiir (2b) einen Modus-II-Fall (K~ 2b) = 0), wodurch sich (3.158) entkoppelt.

3.2 Linear--elastische Bruchmechanik

75

Die Anwendung dieser vier Funktionen H L (i = 1, 2; L = I, II) sieht dann wie folgt aus:

K~l)(a) =

K/I~)(~) = St

ft~l)(.)H~I(.,a)dS.

(3.161)

St

Selbstverst~ndlich kSnnen auch diese Gewichtsfunktionen auf den Rissort x E Sc beschr~nkt werden. Anstelle der Randlasten t (m) (oder zus~tzlich) h~tte die obige Herleitung aueh fiir beliebig verteilte Volumenlasten b (m) durchgefiihrt werden kSnnen, woraus sich die Gewichtsfunktionen H~'II(x, a) fiir innere Punkte x E V ergeben, siehe Gleichung (3.147). Bisher wurden identische Verschiebungsrandbedingungen ~ der Lastf'dlle (1) und (2) auf dem Randbereich S~ unterstellt. Es treten aber auch Situationen auf, wo der KSrper nur durch aufgezwungene Randverschiebungen ~(m) auf S~ belastet wird, deren Auswirkungen auf die K-Faktoren man gerne wissen mSchte. Auch dafiir lassen sich in komplementiirer Weise bruchmechanische Gewichtsfunktionen ableiten [63]. Anstelle von (3.148) mfissen jetzt die Anderungen der Reaktionsspannungen At~m) auf dem Verschiebungsrand S~ bei virtueller Rissausbreitung betrachtet werden, deren Arbeit mit den aufgepriigten Verschiebungen u~m) die Energiefreisetzungsrate G = - A W i n t / A a darstellt, die bei festgehaltenen Verschiebungen dem inneren Energieverlust entspricht. Damit lautet das Pendant zu (3.149) fiir m -- 1, 2:

-Aw[2 -

1f

"~)At

G('~)Aa.

(3.162)

S~,

Analoge (3berlegungen wie oben fiihren dann auf die Gewichtsfunktionen G L (L -- I, II) fiir Verschiebungsrandbedingungen, woraus die gesuchten Spannungsintensitiitsfaktoren des Lastfalls (1) durch einfache Integration mit den Randverschiebungen fi~l) ~ fi~ berechnet werden kSnnen. Angegeben werden nur die zu (3.147) und (3.157) gquivalenten Beziehungen f'dr Modus I: Ki(a) =

f ~t~(x)G~(x,a)dS,

G~(x,a) =

E'

2K~2)(a)

Ot~2)Oa (x, a)

(3"163)

S~

Die Verallgemeinerung auf Mixed-Mode-Belastung gemgt~ (3.16o) und (3.161) bleibt dem Leser zur Ubung iiberlassen. Im allgemeinsten Fall liegen gemischte Randbedingungen t (m) und u (m) auf den Randbereichen St und S~ vor (bereits in Bild 3.26 angedeutet). Hierfiir soll nur das Ergebnis angegeben werden, welches eine Erweiterung der Beziehungen (3.155) darstellt:

~I

~II

~II

= --2

ti

O---a- a s -

~ s~

j

9

(3-164)

76

3 Grundlagen der Bruchmechanik

B UECKNER--Singularit~t Von BUECKNER [52] stammt ein gaaz aaderer Zugang zu den Gewichtsfunktionen, der von >>fundamentalen Feldl5sungen<< eines Rissproblems Gebrauch macht, die sich aus der speziellen Belastung der Rissspitze durch Krs ergeben. Ausgangspunkt sind wiederum zwei Lastfs ein und derselben (zweidimensionalen) Risskonfiguration: Lastfall (1) ist wieder eine beliebige Randbelastung t}1), fiir die die K-Faktoren gesucht werden, siehe Bild 3.27 (a). Das dazugeh5rige Verschiebungsfeld u~l)(x) im K5rper ist nicht bekannt, aber wir wissen, dass das Nahfeld an der Rissspitze existieren muss und durch die noch unbekannten Spannungsintensits K~ 1) und K~I1) bestimmt wird. Anhand der Gleichungen (3.16) fiir Modus I und (3.25) fiir Modus II findet man die Rissuferverschiebungen (8 = •

u~l)(r) ----

• ~ + 1 /-~-__r/~(1 )

2# V 2--~ II ,

, ~ + 1 /-r--K(1) "(21)(r) = -~---~--~ V 2--~ I "

(3.165)

Bild 3.27: Zur Herleitung der Gewichtsfunktion nach BUECKNER Lastfall (2) stellt die LSsung filr die Wirkung eines Krs • = • • auf den Rissufern dar. Im Gegensatz zu Bild 3.25 betrachten wir hier jedoch einen Riss im endlichen K5rper gem~g Bild 3.27 (b). Diese Punktkrfi~te (pro Dicke) im Abstand r -- d zur Rissspitze kSnnen mit Hilfe der DIRACschen Deltafunktion als Randspannungsvektor des Lastfalls (2) umgeschrieben werden t (2) = t~2)ei: t(2)(m) = 6 ( r - d)F,

t~2) = 6 ( r - d)Q,

t~2) = 6 ( r - d)P.

(3.166)

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

77

Das dazugehSrige Verschiebungsfeld lautet u}2) (x). Jetzt wenden wir wieder den Satz yon BETTI auf diese beiden Lastf'~le an, womit die reziproken Wechselwirkungsenergien gleichgesetzt werden:

----

S

~i

?~i

GD

(3.167)

.

S

Das Integral auf der linken Seite enth~ilt belmnnte Funktionen (3.165) und (3.166) und kann fiber die Randkontur S einschlie~lich der beiden Rissufer ausgeffihrt werden:

2#

S

V 2~r

(3-168)

Gleichsetzen mit der rechten Seite von (3.167) ergibt

- eU + 1 if

% 2)as.

(3.169)

S Zum leichteren Verst~dnis beschdinken wir uns im Weiteren auf Modus I, d. h. Q -- 0 und K[ 1) -- 0 verschwinden. Jetzt verschieben wir das Kdiftepaar =kP direkt in die Rissspitze, d. h. Grenzfibergang d --* 0, was eine besondere Singularit~it erzeugt. Ihre Intensitiit soll dabei unvedindert bleiben, weshalb die Gr5t~e coast

eingeffihrt wird. Damit kann (3.169) nach dem gesuchten Spannungsintensit~itsfaktor K[ 1) umgestellt werden.

K~I)

--

2#

1

1 /.(1) ~i

a + 1vf~Bi

ui

(2)1~

a~.

(3.171)

s

Ein Vergleich mit (3.147) offenbart die Struktur der Gewichtsfunktion

H1(x,a)--

2# 1 u~2)(x) n+lv/~ BI '

(3.172)

die sich aus dem Verschiebungsfeld u~2) (x) berechnet, das durch die Wirkung des Kr~ftepaars an der Rissspitze entsteht. Derartige Verschiebungsfelder wurden von BUECKNER als Fundamentalfelder (engl. fundamental fields) bezeichnet (Nicht mit der FundamentaUSsung einer DGL zu verwechseln!). Wie sieht nun dieses fundamentale Verschiebungsfeld aus ? Aus Gleichung (3.144) und Bild 3.25 crkennt man, dass die Spannungsintensitgtsfaktorcn uncndlich grog wcrden,

78

3 Grundlagen der Bruchmechanik

wenn das Krifftepaar P bzw. Q direkt in die Rissspitze verschoben wird, d. h. d = c - Xl --~ 0 geht. Es entsteht also eine noch st~rkere Spannungssingularit~it Ms 1/x/7! Fundamentalfelder konnten ffir einfache zweidimensionale [52,198] und dreidimensionale [53, 54] Risskonfigurationen analytisch berechnet werden. Fiir den halbunendlichen Riss in einer unendlich ausgedehnten Scheibe (siehe Bild 3.7 rechts) wurden in Abschnitt 3.2.2 Eigenfunktionen (3.38) - (3.41) hergeleitet. Die BUECKNER-Singulaxit~t entspricht gerade der Eigenfunktion fiir den Eigenwert A = - 1 / 2 bzw. n = - 1 . Die Verschiebungen an der Pdssspitze werden dabei singul~ m i t r -1/2 und die Spannungen mit I " - 3 / 2 . Auch die Form~nderungsenergie wiirde wegen u = 89 ~ r - 3 in einem endlichen Gebiet singuls (vgl. Abschnitt 3-3.6)- Aus diesen Grfinden daft die BVECKNEa-Singularitiit nicht als reale physikalische LSsung zugelassen und verstanden werden. Sie stellt aber eine mathematisch korrekte LSsung der RWA dar und hat als Gewichtsfunktion vollanf ihre Berechtigung. Der Koeffizient der (-1)ten Eigenfunktion h ~ g t direkt mit der Intensit~t der BUECKNEa-Singularit~t zusammen ~A(-1) -----4BI. Damit ergeben sich aus (3.41) mit n -- - 1 die Verschiebungs- und Spannungsfelder fiir Modus I im EVZ zu: {Ul}

BI

{0

0 }

cos ~ [(2u - 1) + sin ~ sin ~ ]

0[

sm~

(2-2u)+cos~cos

fill/

COS--~-

O'22~ : BIr-~

COS~

-

+

~ sin0sin 3

sin0sin--

9

(3.174)

T12 ) sin 0 cos Durch Einsetzen yon (3.173) als u~2) in (3.172) bekommt man direkt die Gewichtsfunktionen auf den Rissufern (0 = + r ) :

H~(r,•

H~(r,+Tr)= 2 4-1 ff 7"

(3.175)

Da eine ta~gentiale Kraft Q keinen Intensitgtsfaktor KI erzeugt, muss H I null sein. H I entspricht genau der Wirkung einer vertikalen Einzelkraft P im Abstand r anf KI. Gewichtsfunktionen nach BUECKNER kSnnen auch auf Mixed-Mode-Probleme und gemischte Randwertprobleme erweitert werden.

Vergleicht man die Ausdrficke fiir die Gewichtsfunktionen nach BUECKNER (3.172) mit denjenigen nach RICE (3.157), so wird der Unterschied klar: Hier benutzen wir ein fundamentales singuliires Verschiebungsfeld, wohingegen dort eine regul~re VerschiebungslSsung differenziert wird. Fiir den oben betrachteten halbunendlichen Riss kSnnte man das Nahfeld (3.16) fiir die RICEsche Methode benutzen. In der Tat ergibt die Ableitung von sin0 ~ gerade das Fundamentalfeld (3.173). (3.16) mit Oa~__ o~~ _ _ - c o s 0 ~

3.2 Linear-elastische Bruchmechanik

79

Als weiterffihrende Literatur zu Gewichtsfunktionen werden das Buch yon FETT ~ MUNZ [95] und die Artikel zu Mixed-Mode-Belastungen [42, 63, 198] und dreidimensionalen Risskonfigurationen [53, 54, 99, 218] empfohlen. 3.2.11

Thermische und elektrische Felder

In wachsendem Mage gewinnen technische Probleme an Interesse, bei denen die Wechselwirkung von Rissen mit anderen physikalischen Feldern als nur mechanischen GrS~en von Bedeutung ist. Relativ bekannt ist die Problematik thermisch induzierter Spannungen in Bauteilen mit Rissen, die als Folge inhomogener Temperaturfelder entstehen und vor allem bei Anlagen und Komponenten von Kraftwerken sowie bei Gussteilen eine Rolle spielen. Neuerdings tauchen Fragestellungen auf, wie ein Riss das elektrische Feld (z. B. in einem Kondensator, elektrischen Leiter oder mikroelektronischen Bauelement) beeinflusst oder welche magnetischen Feldkonzentrationen (in Motoren, Transformatoren) durch Materialfehler verursacht werden kSnnen. Insbesondere wirft der Einsatz neuer multifunktionaler Werkstoffe mit piezoelektrischen, magnetostriktiven u. a. Eigenschaften in der Mechatronik, Adaptronik und Mikrosystemtechnik Probleme der Festigkeit und Zuverl~ssigkeit auf, zu deren LSsung Risse unter gekoppelten thermischen, elektrischen, magnetischen und mechanischen Feldern beurteilt werden miissen. Im Rahmen dieses Buches sollen zum Verst~indnis zwei einfache Feldprobleme mit Rissen behandelt werden: R i s s in e i n e m s t a t i o n ~ i r e n T e m p e r a t u r f e l d

Das Temperaturfeld T(xl, x2) in einem ebenen isotropen KSrper mit Riss erh~ilt man aus der LSsung des station~ren W~rmeleitungsproblems. Der W~mefluss h im KSrper ist proportional zum negativen Temperaturgradienten (von hei~ nach kalt) g = - V T und wird durch das FOURIERsche Gesetz mit dem W~rmeleitkoeffizienten k beschrieben: h=-kVT

bzw.

hi = -

k OT Oxi"

(3.176)

Nach dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik muss die Divergenz des W~rmeflussvektors h null sein, wenn keine inneren W~irmequellen vorliegen:

V.h=-kAT(xl,z2)

=O

bzw.

- k \ ox 2 § Ox2] = 0 .

(3.177)

Das gesuchte Temperaturfeld T(xl, x2) in der Rissebene muss demzufolge der LAPLACEGleichung geniigen (Potenzialfunktion). Ist auf dem Rand (Normalenvektor ni) ein be-

80

3 Grundlagen der Bruchmechanik

stimmter W~irmefluss h in die Umgebung vorgeschrieben, so fordert die W~rmebilanz

hini = - h .

(3.178)

I m konkreten Fall nehmen wir an, dass der KSrper einem konstanten W~irmefluss in Richtung der x2-Achse infolge eines Temperaturgefdlles ausgesetzt ist, d. h. h2=h2=h,

hi=0

bei

Izl--*oo.

(3.179)

Bild 3.28: Konzentration yon thermischen und elektrischen Feldern am Riss Die Oberfl~che des Risses sei w~rmeundurchl~issig, so dass die Flusslinien wie in Bild den Riss umgehen miissen, was zu einer Konzentration der Feldlinien an der Rissspitze fiihrt. Die thermische Raadbedingung auf den Rissufern lautet mit ni -- =Fe2

3.28 gezeigt

hini = ~h2 = 0.

(3.18o)

Diese RWA ffir das Temperaturfeld T ist mathematisch vollkommen identisch mit derjenigen fiir das Verschiebungsfeld u3 bei nichtebener Schubbeanspruchung, man vergleiche Anhang A.5. 4 und Abschnitt 3.3.1. In beiden Fs muss die LAPLACE-Gleichung erfiillt werden, dem W ~ m e f l u s s entspricht dort die Schubspannungskomponente hi ~ ~'i3, und auch die Randbedingungen (3.20) sind analog. Somit kann die LSsung mit denselben komplexen Funktionen wie in (A.z65) formuliert werden:

T(xl,x2) = -~S2(z)/k,

hi - ih2 -- ag'(z).

(3.181)

3.2 Linear--elastische Bruchmechanik

81

Wir erhalten in Analogie zu (3.28)-(3.32) folgende thermische LSsung an der Rissspitze:

:

T(r,O)

hvZ~

(

r

0

_ {-sini .

(3.18 )

Man sieht, dass sich das Temperaturfeld (wie die Verschiebungen in der Mechanik) mit v ~ verh~lt und der W~rmefluss (analog zu den Spannungen) mit 1/v/-r an der Rissspitze singulgr wird! Der Koeffizient ans thermischer Belastung und Rissls spielt die glcichc RoUe wie KIII und w ~ e als >>W~rmefluss-Intensit~tsfaktor<< Kh zu bezeichnen. h v ' ~ -- Kh

[W m -3/~'1

(3.183)

R i s s in e i n e m e l e k t r o s t a t i s c h e n

Feld

Gesucht ist das elektrische Feld E(Xl, x2) in einem rissbehafteten KSrper aus dielektrischem isotropen Material. Der LSsungsweg ist de facto identisch mit dem vorangegangenen thermischen Beispiel. Die prim~re FeldgrSt~e in der Elektrostatik ist das elektrische Potenzial ~O(Xl,x2), woraus sich der Vektor der elektrischen Feldst~rke als negativer Gradient berechnet E -- -V~o. (Jber das Materialgesetz ist E mit dem dielektrischen Verschiebungsvektor D verkniipft: D = eE

bzw.

Di = e E i

(~-Dielektrizit~tskonstante).

(3.184)

Das GAcSSsche Gesetz fordert die Bilanz der elektrischen Ladungsdichte im Volumen

_ V-D

= -eA~o = 0

bzw.

(02~ ~ 02~o'~ e \~-Xm 2 + ~x22] = 0

(3.185)

und auf dem Rand bei vorgegebener Oberflgchenladungsdichte Dini = - ~ .

(3.186)

Damit bietet sich derselbe L5sungsansatz fiir die elektrostatische RWA an: ~O(Xl,X2) = - ~ ( z ) / e ,

Dl - iD2 = ~2'(z).

(3.187)

Betrachten wir jetzt einen Riss in der unendlichen Ebene (Bild 3.28), an die ein externes vertikales elektrisches Feld durch Vorgabe der Ladungsdichte D2 = w

(3.188)

angelegt wird. Der Riss soll ffir das elektrische Feld undurchdringbar (impermeabel) sein, was durch eine verschwindende elektrische Ladung D~ni = Tw = 0 anf den Rissufern

82

3 Grundlagen der Bruchmechanik

ausgedrfickt wird. Die mathematische LSsung erfolgt vSllig analog zum vorherigen thermischen Beispiel und wir erhalten das elektrische Rissspitzenfeld: r

I De } - D2

. 0

I El }----KD(--I) e

E2

I --sin~

~

"

(3"189)

+ cos

Es enststeht also eine Singularit~t der elektrischen Felder D und E an der Rissspitze, die durch einen )>Intensit~tsfaktor der dielektrischen Verschiebung~ KD quantifiziert wird. KD = w v ~ a

[C m -3/~]

(3.19o)

Die Parallelen zwischen mechanischem (nichtebener Schub), thermischem und elektrischem Feldproblem sind in Tabelle 3.1 nochmals zusammengestellt. Daraus folgt, dass alle bisher verfiigbaren mechanischen LSsungen fiir Risse unter Modus-III-Belastung mit den entsprechenden Zuordnungen auf RWA der station~ren W~rmeleitung oder der Elektrostatik iibertragen werden diirfen.

Tabelle 3.1: Analogie mechanischer, thermischer und elektrischer FeldgrSgen fiir bruchmechanische Aufgaben

prim~ire FeldgrSs

Mechanik

W~rmeleitung

Elektrostatik

Verschiebung u3

Temperatur T

el. Potenzial

abgeleitete FeldgrSi~e Verzerrungen

Temperaturgradient

el. Feldst~rke

~13 : u3,1

gi = T,,

El : -~,i

Spannungen ~-~3= #%3

W~rmefluss hi = -kg~

Di = cE~

Bilanzgleichung in V

Gleichgewicht

W~rmeenergie

Ladungsdichte

Bilanzgleichung auf S

Ti3,1 0 Ti3n~----t3

h~,, = 0 hin~ ----- h

D~,i = 0 Dini ----- ~

duale FeldgrSgen Materialgesetz

:

el. Verschiebung

In den genannten Beispielen waxen die jeweiligen Feldprobleme fiir sich isoliert. Noch interessanter wird die Aufgabe, wenn durch die Materialgesetze eine direkte Kopplung zwischen verschiedenen physikalischen Feldern zustande kommt. So verursacht z. B. bei piezoelektrischen Werkstoffen eine mechanische Belastung elektrische Feldsingularit/iten an der Rissspitze und umgekehrt. Abhandlungen zur Bruchmechanik yon Piezoelektrika und ihrer numerischen Analyse finder man z.B. bei QIN [207] und KUNA [148].

3.3 Elastisch-plastische Bruchmechanik

3.3

Elastisch-plastische Bruchmechanik

3.3.1

Einfiihrung

83

Viele Konstruktionswerkstoffe (Metalle, Kunststoffe u.a.) verformen sich elastisch-plastisch. Deshalb sind der Anwendung der linear-elastischen Bruchmechanik (LEBM) Grenzen gesetzt. In der Realit~t wird schon bei geringen ~ugeren Belastungen aufgrund der Spannungskonzentration an der Rissspitze die Flieggrenze des Werkstoffs iiberschritten, so dass sich dort eine kleine plastische Zone ausbildet. Mit steigender Belastung w~ichst die plastische Zone und dehnt sich weiter in den KSrper aus. Sie hat eine Umlagerung der Spannungs- und Verzerrungsfelder zur Folge und bedingt eine Abstumpfung der Rissspitze. Zun~chst sind die plastifizierten Bereiche noch von elastischem Gebiet umgeben. In der Plastizit~itstheorie nennt man diesen Zustand >>eingeschr~inktes plastisches Fliet~en<(. Im weiteren Verlauf kSnnen die plastischen Gebiete die Grenzen des KSrpers erreichen und man gelangt zum >>vollplastischen Zustand<<. Bei einem ideal-plastischen Werkstoff w~re in der Struktur die plastische Grenzlast FL (engl. limit load) erreicht, d.h. es k~me bei diesem Lastniveau zu unbegrenzten plastischen Verformungen. Reale Werkstoffe verffigen noch fiber Sicherheitsreserven aufgrund ihrer Verfestigung.

Bild 3.29: Stadien der plastischen Verformung in KSrpern mit Riss

84

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Diese Stadien der Plastifizierung eines KSrpers mit Riss sind schematisch im Bild 3.29 dargestellt. Mit zunehmender Plastifizierung verst~rkt sich die Nichtlinearit~it der globalen Kraft-Verformungs-Kurven. Es h~ngt jetzt von den Werkstoffeigenschaften und der Belastungssituation ab, wie grog eine plastische Zone werden kann, bevor es zur Initiierung des Risses - dem Beginn des Bruchvorgangs kommt. Je grSger das Verh~iltnis von Bruchz~ihigkeit und Flies des Materials ist, desto grSSere Ausmage hat die Plastifizierung vor dem Bruch. AuSerdem ist zu beachten, dass mit der plastischen Verformung eine erhebliche Energiedissipation im KSrper verbunden ist, die im Vergleich zum Energieverbrauch beim Risswachstum recht grog werden kann und von diesem deutlich zu unterscheiden ist. Es ist ganz offensichtlich, dass die plastischen Verformungen die Situation am Riss und im KSrper erheblich ver~indern. Deshalb miissen fiir Bruchvorg~nge mit vorangehenden oder begleitenden elastisch-plastischen Verformungen besondere Versagenskriterien und Bewertungskonzepte aufgestellt werden. Dieser Aufgabe widmet sich die elastischplastische Bruchmechanik (EPBM) (engl. elastic-plastic fracture mechanics), die auch als Zdhbruchmechanik bezeichnet wird. Aufgrund des nichtlinearen, lastpfadabh~ngigen Materialverhaltens wird die LSsung von RWA der Plastizit~itstheorie f'dr rissbehaftete KSrper recht schwierig. Von daher sind die analytischen LSsungsmethoden der EPBM sehr begrenzt und beschr~nken sich auf einfache Materialmodelle, ebene Risskonfigurationen und zumeist monotone Belastung. Erst durch die Verf/igbarkeit leistungsf~ihigerer numerischer LSsungsverfahren erSffneten sich neue MSglichkeiten in der EPBM. Im Folgenden sollen die wichtigsten bruchmechanischen Kenngr5i~en und Konzepte der Z~ihbruchmechanik vorgestellt werden, die sich bisher bew~hrt haben. Die Anwendung auf reale Pdsskonfigurationen in Bauteilen verlangt jedoch in den meisten F/illen entsprechende numerische Berechnungen der KenngrSs 3.3.a

Kleine plastische Zonen am Riss

A b s c h l l t z u n g d e r GrSf~e u n d F o r m d e r p l a s t i s c h e n Z o n e n

Wenn die GrSs der plastischen Zone klein ist im Vergleich zur L~inge des Risses und allen anderen Abmessungen der Struktur, so spricht man von Kleinbereichsflieflen (engl. small scale yielding), was iiblicher Weise mit SSY abgekiirzt wird. Diesem Modell liegt die Vorstellung zugrunde, dass sich die plastische Zone innerhalb der elastischen RissspitzenlSsung befindet, die wir im Abschnitt 3.2.2 bereits keImengelernt haben. Das bedeutet, die Plastifizierung an der Rissspitze wird durch die Spannungen und Verzerrungen der sie umgebenden elastischen Felder kontrolliert, die wiederum eindeutig durch die Spannungsintensit~tsfaktoren festgelegt sind. Voraussetzung dafiir ist, dass der Radius der plastischen Zone rp wesentlich kleiner als der Radius rK der Giiltigkeitsgrenzen der NahfeldlSsung bleibt, was in Bild 3.30 skizziert ist. Da der Giiltigkeitsbereich r g ~ 0,02 -- 0,10 a selbst nur einen Bruchteil der Rissl~nge betr~igt, verlangt die SSY-Annahme somit sehr kleine plastische Zonen. Trotzdem fiihrt das Modell des Kleinbereichsfliegens zu ersten interessanten Erkenntnissen. Die Darlegungen dieses Abschnittes beschr~inken sich auf Modus-I-Belastung, kSnnten aber sinngem~g auf die beiden anderen RissSffnungsarten /ibertragen werden (siehe S.~HN ~ GOLDNER [232]).

3.3 Elastisch-plastische Bruchmechanik

Bild 3.30: Modell des Kleinbereichsfliegens SSY

85

Bild 3.31: Gestalt der plastischen Zone beim Kleinbereichsfliegen

Als einfachster Fall wird ideal-plastisches Materialverhalten mit der Anfangsfliegspannung OF angenommen. Um die plastischen Zonen in erster Approximation zu berechnen, werden die Spannungen der elastischen RissspitzenlSsung (3.12) in die Fliegbedingung nach v. MISES (A.102) eingesetzt. Dazu bestimmen wir aus (3.12) gem~ig Anhang A.3.3 die maximalen Hauptnormalspannungen in der (xl, x2)-Ebene und die entsprechenden Hauptrichtungswinkel 00:

O'II

~

COS ~

{0}1 sin 0

4

(3.191)

~0.

Die dritte Hauptspannung wird durch 0-33 gebildet, siehe Abschnitt A.5.2: O'III = 0

(ESZ),

o-ii I = b'(o I -]- oii ) = 2 / 2 ~KI

COS 20 (EVZ).

(3.192)

Einsetzen in die Fliegbedingung (A.lO2) liefert den Radius rp(0) der plastischen Zone als Funktion des Polarwinkels 0. Dabei wird zwischen den Modellen f/ir den EVZ und den ESZ differenziert. 1 (KI) 2 rp(O)----~

~FF

0 c~

0 3sin2~ + 1 0 3sin 2 ~ + ( 1 - 2 v )

ESZ 2

EVZ.

(3"193)

Bild 3.31 gibt die daraus resultierenden Formen der plastischen Zonen fiir v -- 1/3 wieder.

86

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Die plastische Zone ist beim EVZ deutlich kleiner als beim ESZ. Ihre Gestalt erstreckt sich seitlich zur Rissrichtung, wohingegen sie im ESZ stiirker nach vorne orientiert ist.

Bild 3.32: Gleitebenen maximaler Schubspannungen im ebenen Spannungs- (a) und ebenen Verzerrungszustand (b)

Plastische Verformung in MetaUen l~uft in G l e i t b ~ d e r n ab, die sich in Ebenen der maximalen Schubspa~nung formieren. Um die Orientierungen der Gleitprozesse an der Rissspitze zu bestimmen, berechnen wir anhand der NahfeldlSsung (3.191), (3.192) die Hauptschubspannungen ~-m~ = (am~x - O ' m i n ) / 2 gem~tg der Beziehung (A.64) fOr den Winkelbereich ~ ~ =t=45" vor der Rissspitze. Hierbei gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Modellen des ESZ und EVZ: ESZ: EVZ:

rma~ -Tmax--

O-I - - O-ii I

O"I

2

2

G I - - O'll

2

KI

0

-- 2x/'J-~7

/~

(3.194)

cos ~ sin ~.

Im ESZ liegt Tma~ in Schnittebenen vor, die um 45" gegeniiber der (Xl, x2)-Ebene geneigt sind. Die Annahme ESZ gilt for diinnwandige Strukturen, so dass bier die G l e i t b ~ d e r schr~ig zur Dickenrichtung nach Bild 3.32 (a) verlaufen. Das fohrt zu einer Einschniirung des Querschnittes entlang eines schmalen Streifens vor der Rissspitze. Beim EVZ werden die gr6gten Schubspannungen durch die Hauptspannungen in der (xl, x2)-Ebene verursacht, weshalb die Gleitprozesse in Ebenen auftreten, die parallel zur x3-Achse liegen, wie es Bild 3.32 (b) darstellt. Diese scharnierartige plastische Verformung fiihrt zu einer Abstumpfung der ursprfinglich scharfen Rissspitze. Die qualitativen Unterschiede in der plastischen Verformungskinematik werden durch experimentelle Befunde an diinnen (ESZ) bzw. dicken (EVZ) Strukturen best~itigt, wobei das Ausmag der Dehnungsbehinderung in x3-Richtung maggeblich von der GrSs der plastischen Zone rp relativ zur Dicke B abh~ingt: ESZ:

rp >> B

EVZ:

rp << B.

(3.195)

3.3 Elastisch-plastische Bruchmechanik

87

I~WINsche Rissl~ingenkorrektur ffir kleine plastische Zonen Grundlage der Betrachtungen sind die Spannungen in der Pdssebene (r, 0 = 0), deren Werte sich aus der RissspitzenlSsung (3.12) wie folgt errechnen: KI 0-11 =

0"22 - -

2%/2%/2%/2%/2%/2%/2' ~'

{0 7-12 =

0,

0"33 ----

21/(722

ESZ EVZ.

(3"196)

Den Verlauf der rissSffnenden Spannung 0-22(r) zeigt Bild 3.33. Die Form der plastischen Zone bei ideal-plastischem Material wurde mit Hilfe der v. MISESschen Fliei~bedingung bereits in (3.193) berechnet. Ihre Ausdehnung r f entlang der xl-Achse betr/igt demnach

rE = rp(O = O) = ~

( ~ i ~ ~ {1 \o---F~ (1 -- 2~,)2

ESZ EVZ"

(3"197)

Im ESZ wird rF gerade durch den Schnittpunkt der 0-22-Kurve mit der Flies 0"F festgelegt, da 0"v = 0"22(rF, 0) ----0"F gilt. Fiir den EVZ verringert sich die Fliei~bedingung wegen der Spannungskomponente a33 auf av -- ( 1 - 2 ~)0"22( r f , 0) ----O"F,d. h. die wirkende Normalspannung 0"22 muss um den Faktor 1/(1 - 2 y) (etwa 3 bei ~, = 1/3) grSs sein. Diese SpazmungserhShung infolge der Dehnungsbehinderung (Mehrachsigkeit) wird durch den plastischen Constraintfaktor (engl. plastic constraint factor) quantifiziert: 0"22 __

c~cf - 0"F

~1 ~ 1/(1 -- 2v) ~ 3 bei v ----1/3

ESZ EVZ"

(3.19S)

Bild 3-33: Absch/itzung der plastischen Zone an der Rissspitze nach IRWIN Durch das Abschneiden des Spannungsverlaufs bei a ---- 0-F (schraffierte F1/iche in Bild 3.33) wird jedoch die resultierende Kraft in x2-Richtung verf~lscht. Um das Kr~ftegleichgewicht wieder herzustellen, miissen diese Spannungen auf das Ligament umverteilt

88

3 Grundlagen der Bruchmechanik

werden, indem die plastische Zone eine grSgere Ausdehnung dp erh~ilt. Aus der Bedingung, dass der Fl~icheninhalt unter der elastischen Kurve (Strichlinie) mit demjenigen unter der elastisch-plastischen (Volllinie) ~luivalent ist, kann man die Ls dp -- 2rF ausrechnen. Die GrSge der schraffierten Fl~iche betr~igt unter Benutzung von (3.197) rF

dr - aF rE = qFrF -- rrF (dp - rF).

(3.199)

0

Nach IRWIN [126] wird diese Fls genau dadurch kompensiert, indem man den Riss effektiv um rE vergrSt~ert (gestrichelte Risskontur), wodurch die H~ilfte der Fl~iche O"F dp entlastet wird. Das fiihrt zur Korrektur der plastischen ZonengrSge auf den doppelten Wert (groger Kreis im Bild 3.33): d p = -lrl \OF/(KI~2- {1(1 -- 2u) 2

dp~--2rp=2rF,

Die effektive Rissls dann:

EvzESZ

(3.200)

und der zugehSrige Spannungsintensit~tsfaktor (3.64) betragen

aefr = a + rp ,

aeff)

KIe~ = a

rvrffa~gg ~ w "J

(3.2ol)

Anhand der GrSge der plastischen Zonen kSnnen die Giiltigkeitsgrenzen fiir eine linearelastische Bewertung von Rissen festgelegt werden. So wird in bruchmechanischen Prfifvorschriften ([12, 49]) gefordert, dass dp wesentlich kleiner als alle relevanten Proben- oder Bauteilabmessungen sein muss. Danach miissen die Probendicke B, die Rissl~inge a und das Restligament (w - a) im EVZ die folgende Bedingung erfiillen: B,a,(w-a)

> 2,5 (KI----s 2 --

\0- F /

(3.202) "

Der Ausdruck auf der rechten Seite ist proportional zur GrSge der plastischen Zone beim Bruch. Ist eines dieser Giiltigkeitskriterien verletzt, so ist die Anwendbarkeit der LEBM in Frage gestellt. Bei Bruchmechanikversuchen bedeutet dies, die ermittelte BruchzKhigkeit Kic entspricht nicht dem unteren, konservativen Grenzwert Kic des EVZ. 3.3-3

D a s DUGDALE-Modell

DUGDALE [79] wurde zu diesem Modell durch die Beobachtung streifenf6rmiger plastischer Zonen vor der Rissspitze in diinnen Metallproben im Zugversuch angeregt. Wie bereits erls kommt es unter den Bedingungen des ESZ zu einer Einschniirung durch plastisches Fliet~en auf 45~ (Bild 3.32 (a)), was die HShe der plastischen Zone etwa auf die Dicke B begrenzt. Dem Modell liegen folgende Annahmen zugrunde. 9 Die gesamte plastische Verformung konzentriert sich auf einen Streifen (mathematisch Linie) der Ls d, woher der Name (engl. strip yield model) stammt.

3.3 Elastisch-plastische Bruchmechanik

89

Bild 3.34: DUGDALE-Modell fiir streifenf6rmige plastische Zone 9 Das Material im Fliegstreifen verh/ilt sich ideal-plastisch. Es gelte der ESZ, so dass Fliegen bei 0-22 = 0-F einsetzt. Bei Anwendung auf den EVZ w~ire die Spannungserh5hung bei Fliegbeginn durch den Constraintfaktor (3.198) zu modifizieren

0-22 = O~cf0-F. 9 Das Problem wird auf eine RWA f/Jr einen hypothetischen Riss der LEnge 2(a + d) -- 2c in einem elastischen K5rper zur/ickgeffihrt. Das Rissmodell kann man sich entsprechend Bild 3.34 dann als Uberlagerung der folgenden zwei Lastfiille vorstellen: (1) Riss in der unendlichen Ebene unter konstantem Zug 0-. (2) Die Sttitzwirkung des plastifizierten Materials im Fliegbereich a < Ix1[ _< a + d wird durch Randspannungen t~ = 0-F simuliert, die den Pdss zusammendrticken. F/ir das Problem (1) ist der Spannungsintensit/itsfaktor aus Abschnitt 3.2.2 bekannt:

K~ 1) = 0 - ~ .

(3.203)

Ftir die Belastung (2) wurde der K - F a k t o r im Abschnitt (3.2.1o) berechnet: =

-Ir

arccos

.

(3.=04)

Es wird gefordert, dass an den Enden des hypothetischen Pdsses Ix1[ = -t-c keine Spannungssingularit/iten auftreten. Deshalb miissen sich die Spannungsintensit/itsfaktoren beider Teilprobleme (x) und (2) gerade aufheben:

KI ----K} 1) + K} 2)-- O.

(3.205)

90

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Aus dieser Beziehung folgt fiir die Ausdehnung d der plastischen Zone:

()

a a+d-eos

7to 2-~F ,

d=a

[(

cos ~--~F)

--1

.

(3.206)

Wie erwartet, tritt nach dieser Beziehung ohne Belastung (o = 0) auch keine plastische Zone auf, d = 0. Interessant ist jedoch, dass d unendlich grog werden kann, wenn sich die Spannung der Flietggrenze nil.herr o --* O F . In diesem Fall wird n~imlich die plastische Grenzlast der Scheibe erreicht, so dass der gesamte Nettoquerschnitt plastisch flietgt. F/Jr Kleinbereichsflies o << OF kann die Kosinusfunktion als Reihe ( cos ~~aF~O - - ) - 1 2 1~ 1 +

\( ~22OF ~rO ]

(3.2o7)

approximiert werden und fiber die Beziehung o V ~ ----KI ergibt sich:

a7120"2 d

71 / g i / 2 -

8

(3.208)

Vergleicht man das Ergebnis des DUGDALE-Modells (3.208) mit der plastischen Zonenkorrektur nach IRWIN, G1. (3.2oo), so zeigt sich, dass beide Modelle ~hnliche Beziehungen liefern und sich nur durch die Vorfaktoren 1/~r -- 0,318 bzw. ~r/8 -- 0,392 unterscheiden. 3.3-4

RissSffnungsverschiebung CTOD

Belastet man Bruchmechanikproben aus Werkstoffen mit hoher Duktilit~it, so ist zu beobachten, dass sich die Spitze des urspriinglich scharfen Anrisses aufgrund plastischer Verformung stark aufweitet und abstumpft, noch bevor die Rissinitiierung einsetzt, Bild 3.35. Diese irreversible Offnungsverschiebung der Rissflanken gegeneinander iibersteigt bei weitem die Riss6ffnung infolge rein elastischer Verformungen und kann als ein lokales Matg fiir die plastischen Verzerrungen in der Umgebung der Rissspitze betrachtet werden. Sie wird als RissSffnungsverschiebung 5t (engl. crack tip opening displacement) CTOD bezeichnet. Yon WELLS [282] und BURDEKIN ~5 STONE [55] wurde deshalb ein Bruchkonzept vorgeschlagen, das die Riss6ffnungsverschiebung (it als charakteristische Beanspruchungskenngr6s verwendet.

Zur Umsetzung des Konzeptes ist ein quantitativer Zusammenhang zwischen (it und den ~uf~eren Belastungen notwendig. Eine Berechnungsm6glichkeit ist mit Hilfe des DUGDiin-Modells gegeben. Hierbei wird die Riss6ffnungsverschiebung an der Spitze des physi-

3.3 Elastisch-plastische Bruchmechanik

91

Bild 3.35: Definition der RissSffnungsverschiebung 5t (CTOD) am ruhenden Riss and des RissspitzenSffnungswinkels ~'t (CTOA) am bewegten Riss

kalischen Risses bei Ixll = a definiert, vgl. Bild 3.34, und betr~gt an dieser Stelle ~t = ( ~

- ~ - ) = 2~2(a) = s~ in ~-E

(

cos

7to"

(3.21o)

Fiir sehr ldeine Belastungen darf wieder die Reihenentwicklung womit sieh im SSY-Fall die Verbindung zu KI ergibg: KI 2 5t - aF E"

(3.2o7)

benutzt werden,

(3.211)

Auch die plastische Zonenkorrektur naeh IRWIN fiihrt zu einer Bewertung der RissSffnungsversehiebung. Dabei wird ~t an der SteUe ausgewertet, wo die plastische Zone auf den Flanken des effektiven Pdsses endet, d.h. bei xl = - r p im Bild 3.33. Einsetzen in das Verschiebungsfeld (3.16) der linear-elasgisehen LSsung (0 = ~r) liefert u2(rp) = ~4 K i g~ ~

(ebener Spannungszustand ESZ),

(3.212)

woraus mit dem bekannten Wert yon rp aus (3.2o0) folgt: 4 ./ K~ (~t -- 2u2 -- 2 ~ K I v (. 2 7 r ) 2. f f 2 .

4K 2 . 7r E r F

4G 7r o"F

"

(3.213)

Bei kleinen plastischen Zonen (SSY) besteht somit eine Beziehung zwischen der Riss5ffnungsverschiebung ~t und der Energiefreisetzungsrate G. In Abh~ngigkeit v o n d e r Dehnungsbehinderung in der realen Struktur und der Werkstoffverfestigung kann der empirische Ansatz 5t -

K2 moF E

im ESZ und

~t - K2(1 - v2) mOF E

im EVZ

(3.214)

92

3 Grundlagen der Bruchmechanik

gemacht werden, wobei der Faktor m ~ 1 ffir den ebenen Spannungszustand (ESZ) gilt und im ebenen Verzerrungszustand (EVZ) m ~ 2 betr~igt. Eine allgemein anerkannte Definition der RissSffnungsverschiebung St, die unabh~ngig von einem speziellen Modell ist, wird in Bild 3.35 gezeigt. Hierbei werden zwei Sekanten im Winkel von • ~ in die abgestumpfte Rissspitze gelegt und 5t aus den Schnittpunkten mit der Rissfront bestimmt. Diese Definition ist sehr geeignet ffir die Auswertung numerischer Analysen. Die experimentelle Ermittlung der Riss6ffnungsverschiebung (it an einer Probe oder einem Bauteil gestaltet sich schwieriger, da der unmittelbare Rissspitzenbereich einer direkten Messung nur schwer zug~nglich ist. Deshalb wird meist die Rissb'ffnung V (engl. crack opening displacement) COD an der Probenoberfl~iche gemessen und mit Hilfe geometrischer Annahmen (z. B. Strahlensatz bei Drehung um ein plastisches Flieiggelenk) auf die Rissspitze extrapoliert. Eine physikalisch begrfindete Bestimmung von (it ist fiber die stereoskopische Vermessung der >>StretchzonenhShe<( (engl. stretched zone height) SZH mSglich, allerdings erst nach dem Versagen. Hier soll der Hinweis auf die Literatur [41,239] und einschls Prfifstandards [11, 50] geniigen.

3.3-5

Failure A s s e s s m e n t D i a g r a m m FAD

Auf der Grundlage des Rissmodells von DUGDALE wurde von HARRISON [107] 1976 eine Methode zur ingenieurm~tgigen Bewertung der Bauteilsicherheit entwickelt. Sie trs die englische Bezeichnung Failure Assessment Diagram (FAD)- Versagensbewertungsdiagramm oder auch >>Zwei-Kriterien-Methode<<. Dieses Konzept verbindet die beiden Grenzf~ille des Versagens durch Spr6dbruch auf der einen Seite und plastischen KoUaps beim Erreichen der plastischen Grenzlast andererseits. Ffir den dazwischen liegenden Ubergangsbereich elastisch-plastischen Versagens rissbehafteter Bauteile wird aus beiden Konzepten eine geometrieunabh~ngige Versagensgrenzkurve abgeleitet. Im Folgenden soll die Grundidee vermittelt werden. Ffir grotge Plastifizierungen bis hin zur plastischen Grenzlast bietet das DUGDALEModell (3.21o) in Verbindung mit dem CTOD-Kriterium (3.2o9) eine geeignete Basis: a~-

(

in cos

----5t s 5tc.

(3.215)

Umgestellt nach a, bestimmt diese Gleichung die kritische Spannung bei einer gegebenen Rissl~inge a: ac = --aF arccos exp

7r

8aFa ] J

.

(3.216)

Ffir verschwindend kleine Risse a --* 0 ergibt sich ac = OF, d. h. die Festigkeit wird durch den plastischen Kollaps limitiert - wir haben den Fall sehr groiger plastischer Zonen LSY (engl. large scale yielding). Im entgegengesetzten Extremfall der LEBM bzw. bei SSY verfiigen wir durch das

3.3 Elastisch-plastische Bruchmechanik

93

DUGDALE-ModeU (3.211) fiber eine R e l a t i o n zu K I KI~ - ~

EaF

- ~ "~,

ECrF

(3.~7)

worans m a n m i t K I ----a x / ~ d die kritische S p a n n u n g o"LEBM der L E B M b e k o m m t

O"CLEBM=

E ~ / '--- ~ u

(3.218)

,

7Ta

die ffir kleine Risse a -~ 0 unendlich hohe Festigkeit aF -~ c~ vomussagt. Durch Gleich-

setzen von (3.217) m i t (3.215) wird die Rissl~nge eliminiert

(O'cLEBM'~2 = ~2 in r \

am

7ro-1-1

(3-219)

j

Abschliegend ffihren wir noch a u f dr ^ KI . . . . 0"~EBM Kic

Kr

Lastparameter Kr und Srein:

fiir S p r S d b r u c h L E B M (3.22o)

o- ^ F -- Sr aF EL 8

[0,1] n o r m i e r t e

ffir plastisches Versagen i

~

~-iI-i/2

gr----Sr ~--~In ~cos ~Sr)

J

.

Bild 3.36: Versagensgrenzkurve des Fehlerbewertungsdiagramms FAD

(3.221)

94

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Im FAD-Diagramm wird Kr auf der Ordinate und S~ auf der Abszisse aufgetragen, siehe Bild 3-36- Gleichung (3.221) bildet dann eine Versagensgrenzkurve, die zwischen sprSdem und duktilem Versagen interpoliert. F/Jr ein Bauteil mit Riss a unter der Last a erhglt man im FAD einen Punkt P(Kr, Sr). Liegt der Punkt innerhalb der Grenzkurve, so ist die Sicherheit gegeben. Eine steigende Belastung a bewirkt eine proportionale Zunahme yon Kr und Sr, so dass sieh der Punkt entlang eines Radiusstrahls nach aus verschiebt. Bei Erreichen der Grenzkurve tritt Versagen ein. Fiir die Anwendung ben5tigt man neben den Werkstoffkennwerten Kic und aF analytische oder numerische LSsungen Ftir den Spannungsintensitiitsfaktor KI und die plastische Grenzlast FL des Bauteils mit Riss. Obwohl das FAD-Konzept am DUGDALE-Modell ffir den Riss in einer Scheibe hergeleitet wurde, hat sich seine Verallgemeinerung auf beliebige Risskonfigurationen bewiihrt. Die Grenzkurve ist allerdings werkstoffspezifisch. Inzwischen wurde das Konzept in fiberarbeiteten Fassungen auf Werkstoffe mit Verfestigung [172], Sekundgrspannungen, Risswachstum u. a. m. erweitert. Einen aktuellen Llberblick bieten die Europgischen Regelwerke SINTAP [298] und F I T N E T [141] zur bruchmechanischen Fehlerbewertung.

3.3.6

Rissspitzenfelder

Im Rahmen der plastischen Flies konnten bisher keine analytisehen LSsungen f/Jr Rissprobleme gefunden werden, selbst nicht fiir den einfachen Fall eines Risses in der unendlichen Ebene. Geschlossene LSsungen sind nur ffir den asymptotischen Grenzfall r --+ 0 an der Rissspitze unter vereinfachten Annahmen fiber das plastische Materialverhalten bekannt. Das bedeutet, wir untersuchen die Beanspruchung im Inneren der plastischen Zone an einer Rissspitze in der unendlichen Scheibe. Angaben fiber die GrSf~e und Form der plastischen Zone sind damit nicht mSglich. Die wichtigsten plastischen Rissspitzenfelder sollen im Weiteren f'dr den RissSffnungsmodus I dargelegt werden.

Ideal-plastisches Material Unter der Voraussetzung eines starr-ideal-plastischen Materials kann das Rissspitzenfeld mit Hilfe der so genannten Gleitlinientheorie gefunden werden. Dabei wird ein hyperbolisches DGL-System anhand der Gleichgewichtsbedingungen und der Flie~bedingung in der Ebene aufgestellt, dessen Charakteristiken die Gleitlinien sind. Das orthogonale Netz von Gleitlinien repr/isentiert in jedem Punkt die Richtungen der Hauptschubspannungen und plastischen Gleitungen. Das Material ist inkompressibel plastisch, d.h. Querkontraktionszahl u = 1/2 und a33 = (all +a22)/2 im EVZ. F/Jr den EVZ besteht die GleitlinienlSsung an der Rissspitze aus den drei in Bild 3.37 gezeigten Bereichen A, B und C, in denen der folgende Spannungszustand vorliegt, siehe z.B. [102,232]: A :

oii = TF ff,

B:

arr=~oo=rF

C :

O"11 =

2rE,

o"22 = TF(2 ~- ff),

1+~-20

)

"/'12= 0

,

r~o=rF

a22 = rl= = 0 (Riss-R~mdbedingung).

(3.222)

3.3 Elastisch-plastische Bruchmechanik

95

Bild 3.38 gibt die Spannungsverteilung nochmals grafisch wieder. AUe Spanungen sind proportional der Schubfliegspannung ~-F = aF/V~. In A und C herrschen konstante Spannungszust~inde. Vor dem Riss (A) betr~igt die Normalspannung a22 ~ 3aF und die Mehrachsigkeit h -- an/ov = (1 + 7r)/v~ ~ 2,4! Im Bereich B verlaufen die Gleitlinien f'dcherfSrmig in die Rissspitze hinein, weshalb hier die plastischen Gleitungen ere singul~ir werden miissen 1 ~o ~ -f(o). T

(3-~3)

Weitere GleitlinienlSsungen f/Jr den ESZ und den Rissmodus II findet man in [247].

Bild 3.37: Gleitlinienfeld an der Rissspitze bei starr-ideal-plastischem Material (EVZ)

Bild 3.38: Spannungsverteilung an der Rissspitze bei starr-ideal-plastischem Material (EVZ)

Bild 3-39: RAMBERG-OSGOOD Potenzgesetz-Verfestigung

96

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Potenzgesetz-Verfestigung Die Spannungs-Dehnungs-Kurve elastisch-plastischer Materialien kann oft in guter N~iherung durch das Potenzgesetz nach RAMBERG-OSGOOD (A.118) wiedergegeben werden o

-E0

-[gO

-gO

-[- O~

,

(3.224)

0"0

mit dem Materialparameter c~, dem Verfestigungsexponenten n, der Bezugsspannung cr0 (~ Anfangsfliegspannung O'F0) und der NormierungsgrSs go = a o / E . Durch Wahl von n kann das Materialverhalten im gesamten Bereich yon linear-elastisch (n ---- 1) bis zu ideal-plastisch (n --* c~) variiert werden, siehe Bild 3.39. Unter Voraussetzung der plastischen Deformationstheorie und Annahme dieses Potenzgesetzes konnte yon HUTCHINSON [120, 121] und RICE ~ ROSENGREEN [221] das Rissspitzenfeld hergeleitet werden. Diese LSsung wird in der Bruchmechanik nach den Autoren als HRR-Feld bezeichnet, siehe auch [102,232]. Die Deformationstheorie und ihre Einschr~nkungen werden ausfiihrlich im Anhang A.4.2 erkl~rt. Der LSsungsweg kann im Folgenden nur skizziert werden. Er offenbart aber wichtige Zusammenh~nge und Erkenntnisse. Wir legen, wie bei NahfeldlSsungen tiblich, ein Polarkoordinatensystem (r, 0) an die Rissspitze in der unendlichen Ebene, siehe Bild 3.7. Laut Beziehung (A.135) hat der plastische Anteil des Materialgesetzes im mehrachsigen Beanspruchungsfall die Gestalt

(:0)

QJ -- c~3 av

--aD ~ - - .

(3.225)

gO

0"0

Im Hinblick auf das asymptotische L5sungsverhalten f i i r r --* 0 an der Rissspitze kann man mit guter Berechtigung aanehmen, dass die nichtlinearen plastischen Verzerrungen g iPj weitaus grStger als die elastischen Anteile e~j sind, womit letztere vernachl~issigt werden diirfen. Die v. MISES-Vergleichsspannung berechnet sich aus den Spannungskomponenten in Polarkoordinaten im EVZ (a33 = (art + aeo)/2) zu av :

•/3

~(arr - ao0) 2 § 3T~0.

(3.226)

Der Spannungszustand muss augerdem die Gleichgewichtsbedingungen erfiillen, was man am einfachsten durch Einfiihrung der AIaYschen Spannungsfunktion (A.153) F i r , 0) realisiert. Daraus leiten sich die Spannungen in Polarkoordinaten wie folgt ab: ~r~ = ~ F ~ + 7 ~ F ~ ,

~

= F,~,

~

= -

\r

/ ,~

(3.227)

(Es gilt (.),r ---- ~~ , ('),0 ---- ~~ . ) Auigerdem muss der rein plastische inkompressible Verzerrungszustand an der Pdssspitze den Kompatibilit~tsbedingungen (A.14o) gehorchen,

3.3 Elastisch-plastische Bruchmechanik

97

die in Polarkoordinaten beim EVZ lauten:

(reoo),~ + -~e~,oo - re,-,,. -

(re~o,o),~ = O.

(3-228)

Aufgrund der asymptotischen Analyse lgsst sich das Nahfeld multiplikativ in eine radiale und eine winkelabhgngige Funktion zerlegen, so dass die Selbstfihnlichkeit bei r --~ 0 gewfihrleistet ist. Deshalb machen wir fiir die AIBYsche Spannungsfunktion den Separationsansatz

F(r, O) = Ar'F(O)

(3.229)

mit unbekanntem Faktor A, Exponenten s und der Winkelfunktion/~(0). Daraus ergeben sich ffir die Spannungen nach (3.227) Ausdriicke der Form o'i/(r, O) = A~r*-25ij (O),

(3.230)

mit dem Spannungskoeffizienten A~ sowie ghnliche Terme fiir die Deviatoren O-D und die Vergleichsspannung o-v (3-226) 9 Anhand des Materialgesetzes (3.225) findet man die Struktur des Verzerrungsfeldes mit den dazugehSrigen Winkelverteilungen eij(O) und Vorfaktoren: ei`/(8) = aeo

(Ao ~r ( S - 2 ) n g i ` / ( O )

.

\a0 /

(3.231)

Den Zusammenhang zwischen dem Exponenten s a n s (3.229) und dem Verfestigungsexponenten n kann man durch folgende 0berlegungen herstellen. Wir werten das J-Integral (3.1oo) auf einem kreisfSrmigen Integrationspfad mit dem Radius r = const, der Bogenl~nge ds = rdO und dx2 = COSOdO aus: q-rf

-}-Tr

J= f

f ,(%e>dO

(3.232)

Die Formgnderungsenergiedichte U (A.136) und der Ausdruck aijui,1 haben die Dimension von aijei`/, d.h. der Integralkern I(r, O) besitzt die radiale Abhgngigkeit An+l

I(r, O) ,~ aijei`/ ~ a c 0 ~ - - ~ r(8-2)(~+1)i(0, n).

(3.233)

Im Rahmen der Deformationstheorie, die im Prinzip einer nichtlinearen Elastizitgtstheorie gquivalent ist, muss das J-Integral aber vom Integrationsweg/" unabhs sein. Das Ergebnis darf also nicht vom gew~hlten Radius r abhs Damit dies gewEhrleistet ist, muss sich I(r, O) genau wie r -1 verhalten, woraus (s - 2)(n + 1) -- - 1 folgt und s --

2n+ 1 n+l

(3.234)

98

3 Grundlagen der Bruchmechanik

gilt. Aus diesem Ergebnis folgen die radialen Abh~ingigkeiten der einzelnen FeldgrSfgen in der Form

aij,.~r ~1,

r

~,

U ~ r -1.

(3.235)

Um die unbekannten Winkelfunktionen/~(t?), #~j (8) und gij(O) der Ans~itze (3.229), (3.23o) und (3.231) zu bestimmen, werden mit (3.227) die Spannungen in das Materialgesetz (3.225) eingesetzt und darauf die Kompatibilit~tsbedingungen (3.228) angewandt, womit sich eine nichtlineare gewShnliche Differenzialgleichung fiir P(~) ergibt (siehe [120,221]). Diese muss numerisch gelSst werden, wobei als Randbedingungen die Spannungsfreiheit auf den Rissufern ~0e(• = ~r0(• = 0 und bei Modus I die Symmetrie von a00, a t , und die Antimetrie yon 7,0 beziiglich t~ genutzt werden. Aus P(O) gewinnt man durch Einsetzen in (3.227) und (3.225) schlieiglich auch die Winkelfunktionen #~j(~) und gij(~). Das Ergebnis ist fiir die Spannungen in Polarkoordinaten in Bild 3.4o dargestellt. Als Beispiel wurden die Verfestigungsexponenten n = 3 und n = 10 ausgewghlt. Ein Vergleich mit Bild 3.5 und Bild 3-38 l~isst recht gut den Ubergang vom linear-elastischen zum ideal-plastischen Rissspitzenfeld im Charakter der Winkelfunktionen erkennen.

Bild 3.40: Spannungsverteilung an der Rissspitze nach der HRR-LSsung f/ir die Verfestigungsexponenten n = 3 (links) und n = 10 (rechts)

Zu guter Letzt verbleibt die Frage nach den unbekannten Koeffizienten A und A,. Hierfiir kann man vorteilhaft die Wegunabh~ngigkeit des J-Integrals nutzen. Zur Berechnung von J w~ihlen wir als erstes einen Integrationsweg F, der weit entfernt v o n d e r Rissspitze und autgerhalb der plastischen Zone liegt. Einen zweiten kreisfSrmigen Integrationsweg Fe legen wir in den Geltungsbereich der Rissspitzenl5sung r << rp, siehe Bild 3.18. Somit

3.3 Elastisch-plastische Bruchmechanik

99

gilt unter Ber/icksichtigung von (3.232), (3.233) und (3.234)

(Ao) f n+l

J(r)

= J(F~) = ~eoao

+r

~oo

i(O,n)dO

9

(3.236)

s

L . Das Integral setzt sich nur aus Beitr~igen der Winkelfunktionen aij, eij und des Exponenten n zusammen und ergibt eine Konstante I,,(n)

In(n) = 5,188 § 0,611n - 0,240n 2 + 0,027n 3

(EVZ).

(3.237)

Die Umstellung von (3.236) liefert den gesuchten Spannungskoeffizienten A~, so dass mit Hilfe des J-Wertes die Spannungen (3.230) und Verzerrungen (3.231) wie folgt angeschrieben werden kSnnen:

Die Form des geSffneten Risses u2(r) entspricht einer Wurzelfunktion (n + 1)-ten Grades und wird mit wachsendem n immer abgestumpfter. Die Auswertung der RissSffnungsverschiebung ~t aus der HRR-LSsung (3.238c) gem~g der Definition von Bild 3.35 liefert eine lineare Beziehung zum J-Integral, wobei Dn(n) Werte zwischen 1,72 und o,79 im (EVZ) annimmt

~0

(3.239)

Die Winkelfunktionen 5ij, gij und fi~ aus (3.238) wurden in [279] als FOURIER-Reihen approximiert und somit in einfach handhabbarer Form zur Verffigung gestellt.

loo

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Erg~inzungsterme h6herer Ordnung Die HRR-LSsung entspricht der st~ksten Singularit~t der elastisch-plastischen Nahfeld15sung und stellt somit eine Theorie 1. Ordnung dar. Aufgrund der Nichtlinearit/it ist es weitaus schwieriger als in der LEBM, sich die n/ichsten Glieder einer Reihenentwicklung zu beschaffen (vgl. Abschnitt 3.3.2). Andererseits hat sich gerade in der EPBM gezeigt, dass das Bruchverhalten unterschiedlicher Risskonfigurationen erheblich voneinander abweichen k_azm, obwohl bei allen die gleiche Intensit/it der HRR-L5sung besteht. Der Grund liegt in unterschiedlichen plastischen Zonen, deren GrSs und Form empfindlich v o n d e r Mehrachsigkeit (engl. triaxiality) des Spannungszustandes abh/ingen, siehe Bild 3.41.

Bild 3.41: Einfluss der Mehrachsigkeit auf die Form der plastischen Zonen an der Pdssspitze in verschiedenen Proben [157]. Biaxialparameter ~w ----TllVr~/KI

Bereits aus der klassischen Festigkeitslehre ist bekannt, dass mit zunehmender Mehrachsigkeit die Tendenz eines Werkstoffes zum SprSdbruch w~ichst (HENCKY-Diagramm) [131]. W/ihrend bei sprSden Werkstoffen allein das Maximum der rissSffnenden Spannung a22 entscheidend ist, hat auf das Versagensverhalten duktiler Werkstoffe die hydrostatische Spannung erheblichen Einfluss. Aus diesem Grunde ist es erforderlich, die Mehrachsigkeit des Spannungszustandes am Riss durch zus~tzliche Terme gegeniiber der HRR-L5sung zu quantifizieren.

3.3 Elastisch-plastische Bruchmechanik

lol

Des Weiteren ist zu beachten, dass die HRR-LSsung unter der Voraussetzung infinitesimaler Deformationen hergeleitet wurde. FEM-Rechnungen von MCMEEKING ~; PARKS [167] haben erstmals gezeigt, dass bei Annahme finiter Deformationen die Spannungen an der Rissspitze endlich bleiben, weil sich die Singularit~it infolge der realistisch modellierten Rissabstumpfung abbaut, wohingegen die Verzerrungen nach wie vor unendlich grog werden. Durch zahlreiche FEM-Analysen anderer Autoren wurde dieses Ergebnis best~tigt und das Nahfeld welter untersucht. In Bild 3.42 sind die Spannungen crrr und ae0 auf der xl-Achse vor dem Riss fiber dem normierten Abstand r/(J/ao) nach YUAN [296] dargestellt. Die FEM-LSsung fiir kleine Deformationen stimmt mit dem HRR-Feld (Symbole) fiir r --* 0 gut fiberein. Bei gros Deformationen fallen die Spannungen unterhalb r < 2J/~ro stark ab, ~rrr muss an der KerbSffnung sogar null werden. Die GrSi~e dieses Bereichs, wo groge Deformationen merklichen Einfluss haben, entspricht verst~ndlicher Weise etwa dem CTOD-Wert ~ft ~ 2J/ao nach (3.239). Ab r > 2~t ~ 4J/cro unterscheiden sich die Resultate ffir grof~e und kleine Deformationen kaum noch.

Bild 3.42: Verglcich der numerischen Rissspitzen-LSsungen bei kleinen und grogen Deformationen mit dem analytischen HRR-Feld, EVZ, n ----10 [296] Zur Erg~nzung der HRR-LSsung und zur Berficksichtigung der Mehrachsigkeit wurden verschiedene Ans~tze gemacht. I m Bereich des Kleinbereichsfliei~ens SSY wird die plastisehe Zone durch die g - F a k t o r e n und die T-Spannungen nach (3.60) und (3.61) kontrolliert. Bei ebenen Rissproblemen existiert nur die T11-Komponente parallel zum Riss. Ihre GrSi~e h~ngt v o n d e r Risskonfiguration und Belastung ab und steht in Handbfichern [94,246] zur Verfiigung. Ftir den GRIFFITH-Riss unter Zugbelastung a ~ entspricht a l l ----Tll ---- - a ~ < 0 (siehe (3.6)) einer gleichgroi~en Druckspannung. Im Vnterschied dazu herrschen bei Biegeproben Tll > 0 Zugspannungen parallel zum Riss. Die Auswirkungen der Tll-Spannung auf die plastischen Zonen in unterschiedlichen PrfifkSrpern trotz gleicher Ki-Werte zeigen die in Bild 3.41 wiedergegebenen FEM-Ergebnisse von [157, 217].

lo2

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Die hydrostatische Spannung am Riss wird durch Tll gegenfiber dem singul~ren KINahfeld (3.~2) (3.60) wie folgt ver~indert: 1

a H ---- ~akk --

KI

1

1

2X,,,~3fIk(o) -[- gTll.

(3.241)

Betrachten wir den Spannungszustand (3.~2) vor dem Riss (0 -- O), so gilt

lft (o) = {2 2(1 + u)

ESZ EVZ

(3.242)

und am Rand rp der plastischen Zone (3.200) (mit o-F ~ frO) nimmt die Mehrachsigkeit folgende Werte an: h(rp,O)

a H _ 1 Tll -~- 2 [ 1 a0 3 a--o 3 I, (1 + u)/(1 - 2u)

_

ESZ EVZ:

(3.243)

Aufgrund der Dehnungsbehinderung im EVZ (e33 = 0, a33 > 0) steigt die Mehrachsigkeit beachtlich, was auch als ~Out-of-plane(< constraint-Effekt bezeichnet wird. Mit Tll wird hingegen der >>in-plane<
if0

_

j

) .~1

o-~Ao),

(3.244)

wobei der Exponent q (> 0) und die Winkelfunktionen 5~j(0) vom Verfestigungsexponenten n abh~ngen. Der Faktor Q ist neben J ein zweiter geometrieabh~ngiger Belastungsparameter! Eine Entwicklung bis zum 3. Term [294, 186] gab keine merkliche Verbesserung und konnte auf einen zus~tzlichen Parameter A2 ~hnlich Q reduziert werden. In Bild 3-43 sind die Winkelverteilungen aij(0) der Spannungen der verschiedenen Ans~itze untereinander und mit FEM-Rechnungen verglichen [186]. Alle LSsungen stimmen in einem Winkelbereich ]0] < ~r/2 gut fiberein, w~ihrend das HRR-Feld um einen nahezu konstanten Betrag davon abweicht. Dieser durch detaillierte FEM-Analysen erh~rtete Befund hat O'DOWD ~ SHIH [192,193] dazu veranlasst, eine Vereinfachung des 2. Terms einzuffihren. Dabei wurde die schwache r-Abh~ngigkeit in (3.244) mit q ~ 0 konstant gesetzt und die Winkelfunktionen &ij(0) durch den Einheitstensor 5ij approximiert: aij (r, 0) ---- [aij (r, 0)] HRR + QaoSij

bei

IOl

< =/2.

(3.245)

3.3 Elastisch-plastische Bruchmechanik

lo3

Der feste Abstand r0 -- 2J/cr0 wurde bewusst so gew~ihlt, um den Einflussbereich der Rissabstumpfung zu verlassen. Somit wiirden auch FEM-Rechnungen mit infinitesimalen Deformationen zur Ermittlung von Q genfigen, man vergleiche Bild 3.42. Gem~i~ dieser vereinfachten Definition beschreibt der Q - P a r a m e t e r eine mittlere hydrostatische Spanhung (bezogen auf die Flie~spannung ao) vor der Rissspitze, um die sich der Spannungszustand in einer realen Risskonfiguration vom HRR-Feld in 1. N~herung unterscheidet. Q charakterisiert damit die geometrie- und lastabh~ngige Mehrachsigkeit des Spannungszustandes in bruchmechanischen PriifkSrpern und Bauteilen unter gro~en plastischen Zonen. Einsetzen von ro -- 2 J / a o in die HRR-LSsung macht nochmals deutlich, dass der dimensionslose Parameter Q unmittelbar die V e r ~ d e r u n g von h nach (3.24o) angibt: h(r~

- alia0 -- 31(2~0I~/"~+--~Skk(O)+Q"

(3"247)

Basierend auf diesen Analysen wurde in den USA ein z~hbruchmechanisches Bewertungskonzept unter Anwendung der zwei Beanspruchungsparameter J und Q von SHIH, O'DowD, DODDS und ANDERSON [74, 75,138, 193] entwickelt. Weiterfiihrende Literatur zu dieser Thematik findet man in [46, 296].

Bild 3.43: Vergleich der Erg~zungsterme h6herer Ordnung mit dem a~alytischen HRR-Feld, EVZ, n = 10, h = -0,5 [186]

lo4

3 Grundlagen der Bruchmechanik

3.3.7

Das J-Integral-Konzept

J als B r u c h k e n n g r S g e Das J-Integral bietet geeignete Voraussetzungen zur Formulierung eines Bruchkriteriums im Rahmen der elastisch-plastischen Bruchmechanik (EPBM). Nach Abschnitt 3.3.6 beschreibt die GrSt~e J die Intensitiit des Rissspitzenfeldes in einem (mit variablen Exponenten) verfestigenden elastisch-plastischen Material im Inneren der plastischen Zone. Alle Spannungen, Verzerrungen und Verschiebungen sind nach (3.238) durch die HRRLSsung festgelegt und proportional zum J-Wert. Damit wird durch den Parameter J der mechanische Beanspruchungszustand an der Rissspitze kontrolliert, unter dem die mikromechanischen Versagensvorg~nge in der Bruchprozesszone ablaufen. Die KenngrSge J spielt somit in der EPBM eine vergleichbare RoUe wie der Spannungsintensitiitsfaktor KI in der LEBM. Eine notwendige Bedingung dafiir ist wiederum, dass das HRR-Feld in einem ausreichend groigen Bereich mit dem Radius r j um die Rissspitze dominiert. Damit kSnnen alle Erscheinungen, die v o n d e r plastischen Deformationstheorie nicht wiedergegeben werden, wie groge Verzerrungen, lokale Entlastungen oder physikalische Bruchmechanismen, in eine kleine >>Prozesszone<< der GrSge r s << r j verbannt werden. Augerhalb des Radius r j gewinnen hShere Terme der plastischen Pdssfelder an Bedeutung und in noch grSt~erer Entfernung werden die Einfliisse der KSrperbegrenzungen und Randbedingungen auf das plastische Verhalten wirksam. Von daher besteht die obere Schranke r j << a, B, (w - a). Weitaus gravierendere Einschr~nkungen ffir die Verwendbarkeit von J als Bruchkriterium entspringen seiner werkstoffmechanischen Grundlage - der plastischen Deformationstheorie. Auf die Anwendungsgrenzen der Deformationstheorie zur Beschreibung realer plastischer Fliegprozesse wird im Anhang A.4.2 hingewiesen. Demnach verliert das J-Integral streng genommen seine Giiltigkeit, wenn die Belastung nicht monoton auf proportionalen Belastungspfaden ansteigt. Eine Umlagerung des Spannungszustandes oder erst recht eine Entlastung fiihren zum Verlust der Wegunabhiingigkeit und Eindeutigkeit von J. Zumindest lokale Entlastungsvorg~nge treten an der Rissspitze bei Risswachsttun oder wechselnder Belastung immer auf, weshalb die Anwendung des J-Konzeptes anf station~re Risse unter monotoner Belastung begrenzt werden muss. Unter diesen Voraussetzungen wirkt sich eine Abweichung zur strengen Lastproportionalitiit kaum auf die Wegunabh~ngigkeit von J aus, was durch zahlreiche FEM-Analysen von Risskonfigurationen mit der plastischen Fliegtheorie nachgewiesen wurde.

3.3 Elastisch-plastische Bruchmechanik

lo5

Bei (nichtlinearem) elastischem Materialverhalten ist dass das J-Integral mit der potenziellen Energiefreisetzungsrate identisch, vgl. Abschnitt 3.2.6. Theoretisch trifft das fiir die plastische Deformationstheorie zwar auch zu, praktisch ist jedoch der Anteil der plastischen Form~nderungsarbeit dissipiert und steht nicht mehr als risstreibende Energie zur Verffigung. Damit verliert J seine energetische Interpretation und Bedeutung in der EPBM. Wie kommt man nun zum Wert des Beanspruchungsparameters J fiir eine gegebene Risskonfiguration als Funktion des Belastungsverlanfs und des speziellen elastischplastischen Materialgesetzes? Abgesehen von einfachsten Geometrien und Absch~tzungen auf der Basis ideal-plastischer Traglastl5sungen ist dafiir der Einsatz numerischer Berechnungsverfahren, vor allem der FEM, unverzichtbar, woranf ansfiihrlich in Kapitel 7 eingegangen wird. Teilweise stehen auch schon tabellierte Handbiicher [144] zur Verfiigung. Der wesentliche Vorteil der numerischen Berechnungsmethoden besteht darin, dass die eigentliche Definition von J als Linienintegral (3.1oo) verwendet werden kann, siehe Kapitel 6.

Bild 3-44: Zur experimentellen Ermittlung von JIr nach der Ein- und Mehrprobenmethode

E x p e r i m e n t e l l e E r m i t t l u n g d e r Bruchz~ihigkeit Jxc Zur Bestimmung des kritischen Werkstoffkennwertes JIr bei duktilem Bruch benutzt man die gleichen bruchmechanischen PriifkSrper wie fiir die Ermittlung yon Kic in der LEBM, siehe Bild 3.12. Die Prfifmethodik und Auswertung unterliegt standardisierten Vorschriften [12, 92,130]. Bei monotoner Belastung wird die Kraft-Verschiebungs-Kurve F-q des Kraftangriffspunktes der Probe aufgenommen, die aufgrund der grot~en Plastifizierung stark nichtlinear ist. Bild 3.44 zeigt dies schematisch am Beispiel einer CT-Probe. Am Punkt (Fc, q~), wo die Rissinitiierung einsetzt, ist an der Rissspitze J = JIr erreicht. Weil dieser Punkt experimentell nicht so einfach feststellbar ist, erlaubt man noch einen gewissen Bereich stabilen duktilen Risswachstums und nimmt dabei eine duktile Risswiderstandskurve JR(Aa) auf.

lo6

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Zur Auswertung des Versuchs benStigt man den Zusammenhang zwischen der KraftVerschiebungs-Kurve und dem Wert von J. Dazu machen wir v o n d e r energetischen Bedeutung des J-Integrals im Rahmen der Deformationsplastizitgt Gebrauch. Die Flgche unter der F-q-Kurve entspricht der gugeren Arbeit )4;ext an der Probe, die in F o r m ~ d e rungsarbeit )4)int umgesetzt wurde und im Modell potenzielle Energie Hint darstellt: q

Hi,t (q, a) -- ]4]int(q, a) ----/ F(q, a)dq.

(3.249)

0

Diese Energie ist eine Funktion der Risslgnge a und unter Voraussetzung festgehaltener Verschiebungen (q -- const.) leistet die Kraft F keine Arbeit bei einer Ver~aderung der Rissliinge um da (dHext = 0). Dann fiihrt die Energiefreisetzungsrate auf q

j_

dH

d---a- -

OHint

f OF((t,a)

~aa

q

-- - J 0

~

q

dq.

(3.250)

Dieses Integral beschreibt die freigesetzte innere Energie bei Rissverl~iagerung und entspricht dem in Bild 3.44c gezeigten Fl~icheninhalt zwischen zwei Kraft-VerschiebungsKurven fiir die Rissl~iagen a und a + Aa. Es ist das nichtlineare Pendant zur Dreiecksfl~iche in Bild 3.14. Bei einem realen elastisch-plastischen Material kommt es erstens bei Rissausbreitung zu Entlastungen und zweitens enth~ilt die Form~nderungsarbeit dissipative plastische Anteile - die also nicht als >>potenzielle rissantreibende Energie<< zur Verfiigung stehen (142int ~ Hint)- Deshalb darf die Beziehung (3.249) nur als Differenz der Form~inderungsenergien AWint zweier identischer Proben interpretiert werden, die mit unterschiedlichen Ausgangsrissl~ingen a und a + Aa monoton belastet werden. Auf dieser Idee beruht das urspriingliche Verfahren [33] zur Ermittlung von JIc. Anhand einer Versuchsreihe mit Proben unterschiedlicher Rissl~iagen aj miissen die Differenzfl~chen der Kraft-Verformungs-Kurven F(q, aj) als Funktion der Verformungen q ermittelt werden. Aus der Funktion J(q, aj) gewinnt man die Bruchz~ihigkeit JIc durch Einsetzen der kritischen Werte bei Rissinitiierung. Diese so genannte >>Mehrprobenmethode<< hat sich aufgrund des hohen experimentellen Aufwandes nicht durchgesetzt. Statt desse wurden alternative Methoden entwickelt, bei denen die Versuchsergebnisse an einer einzigen Probe zur Jir ausreichen [220]. Dem liegt die Idee zugrunde, eine Korrelation zwischen J und der Form~inderungsarbeit )/Vim selbst (Flgche unter der F-q-Kurve in Bild 3.44 b) herzustellen. Mit Hilfe umfangreicher analytischer und numerischer Berechnungen ist es gelungen, Auswerteformeln fiir den elastischen Je und plastischen Jp Anteil des J-Integrals auszuarbeiten: qp

g2(F,a) • / J = Je + JP - ---------7~ E + B(w-a) F(qp,a) dqp.

(3.251)

0 Die beiden Terme entsprechen der elastischen bzw. plastischen Formgnderungsarbeit W~nt

3.3 Elastisch-plastische Bruchmechanik

lo7

und WPt, bezogen anf die Querschnittsfl~iche B ( w - a) des Ligamentes, siehe Bild 3.44 b. Sie werden aus den reversiblen qe und irreversiblen qp Verformungswegen des Lastangriffspunktes bestimmt. Damit kann JI~ in einfacher Weise aus einem Versuch gewonnen werden, indem man (3.251) am Initiierungspunkt (Fc, a) auswertet. Beziehungen der Form (3.251) lassen sich prinzipiell fiir die meisten PrfifkSrper und Banteile finden. Neben der K-Faktor-LSsung benStigt man zus~itzlich die geometrie- und verfestigungsabh~ngige Korrekturfunktion 71(a/w, n). Die Funktionen r/wurden inzwischen durch umfangreiche elastisch-plastische FEM-Rechnungen ffir die wichtigsten Probengeometrien berechnet und bilden die Grundlage fiir standardisierte Jic-Auswertungen [12, 92, 130]. _~hnlich wie in der LEBM mfissen bei der Jic-Ermittlung bestimmte GrSgenrelatiohen eingehalten werden, damit das J-kontrollierte Nahfeld (ausgedrfickt in cite ~ Jic/OF) klein gegentiber allen Abmessungen der PrfifkSrper bleibt und die Versuche geometrieunabh~ngige Materialkennwerte liefern:

(3.252)

B, (w - a) _> 25Jic/CrF.

In der Praxis bedeutet das eine Reduzierung der ProbengrSf~en um 1-2 GrSf~enordnungen gegenfiber den Vorgaben (3.202) beim Kic-Versuch. Zum Abschluss muss nochmals deutlich darauf hingewiesen werden, dass die Berechtigung von J in der EPBM einzig und allein anf seiner Bedeutung als Intensit~tsparameter beruht und nicht anf einer energetischen Aussage, obwohl die experimentellen Bestimmtmgsmethoden diesen Anschein erwecken!

Engineering Approach nach EPRI Beim Engineering Approach handelt es sich um ein ingenieurm~igiges Konzept zur praktischen Anwendung der EPBM anf rissbehaftete Bauteile, dass am Electric Power Research Institute in den USA entwickelt wurde [144]. Das Konzept beruht auf dem J-Integral als BruchkenngrSge. Die Werkstoffkennwerte werden aus den Jic-Priifstandards wie im vorangegangenen Abschnitt dargelegt iibernommen. Der wesentliche Fortschritt besteht in der Bereitstellung yon J als BeanspruchungskenngrSs in einer vereinfachten, ffir alle Anwender verfiigbaren Form und eilleS daranf anfbauenden Bewertullgskonzeptes. Hintergrund ist, dass numerische FEM-Analysen erstens nicht ftir jederman durchffihrbar sind und zweitens nach wie vor einen erheblichen Zeit- und Kostenaufwand bedeuten. Deshalb wurde ein Katalog von LSsungen fiir zahlreiche wichtige Risskonfigurationen unter vollplastischen Bedingungen zusammengestellt. Diese Handbuch-LSsungen wurden durch systematische FEM-Rechnungen unter der vereinfachenden Annahme der Deformationsplastizit~t mit Potenzgesetz-Verfestigung na~h (3.224) erzeugt. Das bietet den Vorteil, dass sich die (nichtlinear-elastischen) LSsungen beziiglich der Belastung parametrisieren lassen, also nur eine vollplastische LSsung anstatt der gesamten Lastgeschichte notwendig ist. Wenn P einen globalen Lastparameter (Kraft, Moment, Fl~Lchenlasten, ...) bei monotoner Belastung bezeichnet, so ergeben sich die dazugehSrigen Spannungs- und Verzerrungsfelder durch folgende Skalierung:

aij(P) = ~LCrij(PL),

r

= PL

Q3(PL)"

(3.253)

lo8

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Dabei sind ai*d und Q*j die ReferenzlSsungen bei Erreichen der plastischen Grenzlast PL. Unter Verwendung von (3.238a) skaliert sich das J-Integral demnach zu:

.o+,

.

J(P) = ~oaoInr (a,y~ \ ao ]

(__~~~

~j.q-i(tg;n)

=

\PL]

J* (PL).

(3.254)

Bild 3.45: J-Absch~tzung nach dem Engineering Approach Auf diese Weise wurden fiir einschl~igige Risskonfigurationen der plastische J-IntegralAnteil Jp und die globale VerformungsgrSi~e qp berechnet und katalogisiert [144], wobei die Funktionen hi das geometrie- und verfestigungsabh~ingige Ergebnis darstellen:

Der elastische Anteil Je wird wie in (3.251) aus dem Ki-Faktor der Risskonfiguration KI (P, a) ~ v / ~ P g ( a l w ) mit der tabellierten Geometriefunktion g berechnet

~o--~o~oo

g2

(~).

(~.~/

Unter Benutzung der ImNINschen plastisehen Risslgngenkorrektur a~ff (3.2o0) gewinnt man das J-Integral aus der Llberlagerung yon elastischem und plastischem Anteil J

(-o) -P-LL'W' n

= Je(aeff) + Jp

,n

.

(3.257)

Bild 3.45 veranschaulicht noch einmal grafisch, dass die Superposition von elastischer und vollplastischer LSsung nach dem Engineering Approach J-Werte liefert, die sehr gut mit vollwertigen elastisch-plastischen FEM-Rechnungen tibereinstimmen.

3.3 Elastisch-plastische Bruchmechanik

3.3.8

lo9

Duktile Rissausbreitung

Risswiderstandskurven Die meisten duktilen Werkstoffe versagen aufgrund ihrer hohen Z~ihigkeit nicht spontan beim kritischen Ji~-Wert, sondern entwickeln nach der Risseinleitung einen betr~ichtlichen Widerstand gegen Rissausbreitung, d. h. das anschlietgende stabile duktile Risswachstum kann nur durch Steigerung der Belastung erreicht werden. Im Experiment beobachtet man dann eine typische duktile Risswiderstandskurve J = JR(Aa),

(3.258)

siehe Bild 3.46. In der Anfangsphase verlguft die Ja-Kurve recht steil und nahezu linear. Mit der Rissabstumpfung ist ein geringfiigiges Risswachstum verbunden, welches durch die so genannte >>blunting line<< (Abstumpfungsgerade) beschrieben wird. UntersteUt man eine kreisf'6rmige Ausrundung durch plastische Deformationen (Bild 3.35), so betr~igt Aa ~ ~t/2, woraus mit (3.239) eine lineare Beziehung zum J-Integral folgt:

J(Aa) ~ 2aFAa

blunting line.

(3.259)

Mit steigender Belastung kommt es bei Ji zur eigentlichen physikalischen Rissinitiierung, d.h. dem Aufreiigen vor dem abgestumpften Riss. Dieser Punkt l~isst sich messtechnisch nur schwer erfassen. Deshalb benStigt man zur Definition der Rissinitiierung ein Mindestmalg an Risswachstum (z. B. Aa = 0,2 mm) und legt den technischen Wert JIc durch den Schnittpunkt der JR(Aa)-Kurve mit der parallel verschobenen blunting line, siehe Bild 3.46. Dicsc pragmatische Festlegung hat Ahnlichkeit mit der Rp02-Definition der Streckgrenze. Oberhalb J > JIc stellt sich dann eine ansgepr~igte Risswiderstandskurve ein. Sie wird nach ASTM-Standaxd [12] einfach als Potenzgesetz J = C1 (Aa) C2 gefittet und mit der versetzten blunting line zum Schnitt gebracht. Um im laufenden Versuch die momentane Rissl~inge a -- ao § Aa in der Probe zu bestimmen, wurden verschiedene Messtechniken entwickelt (Teilentlastungsverfahren, Gleichstrom-Potenzialsonde). Die J-Auswertung geschieht nach (3.251) aus der Form~inderungsarbeit bis zum aktuellen Lastniveau, bezogen anf die Ligamentfl~che. Da w~hrend der stabilen Rissausbreitung immer das Bruchkriterium erfiillt wird, sollte die duktile Risswiderstandskurve J -- JR(Aa) eigentlich eine materialspezifische Kennlinie sein. Leider gilt diese Aussage nur mit Einschr~kungen: Erstens wissen wir, dass bei Risswachstum Bereiche der plastischen Zone hinter der Rissspitze entlastet werden und das Gebiet vor der Rissspitze eine nichtproportionale Belastung durchwandert, womit das J-Integral seine Berechtigung als BruchkenngrStge einbiitgt. Damit das Risswachstum dennoch J-kontrolliert bleibt, m/issen die Bereiche elastischer Entlastung und nichtproportionaler plastischer Belastung - also das Rissinkrement Aa selbst - in die Zone der J-Dominaaz Aa <: r < r j eingebettet sein. Unter SSY-Bedingungen wird die plastische Zone von KI und gleichwertig dazu auch von J kontrolliert, so dass in diesem Fall die Ja(Aa)-Kurve eine geometrieunabh~ingige Materialkennlinie darstellt. Allerdings ist die SSY-Voranssetzung nur selten bei iiblichen ProbengrStgen und duktilen Wcrkstoffen err/lilt. Im LSY-Bcrcich hat man versucht, aus

11o

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Bild 3.46: Darstellung der duktilen Risswiderstandskurve der HRR-LSsung die Bedingungen fiir J-kontrolliertes Risswachstum abzusch/itzen [122]. Damit ein Punkt in der Rissspitzenumgebung eine proportionale SpannungserhShung erf'dhrt, muss der Einfluss des Zuwachses von d J gegeniiber dem entlastenden Term infolge Rissausbreitung da vorherrschen. Das fiihrt auf die Bedingung dJ/J >> da/r, woraus sich fiir vollplastifizierte Proben r ~ w - a die eingrenzende Relation

w-adJ J

da

-

-

w >> 1

(3.260)

ergibt. Durch FEM-Analysen [248] wurde herausgefunden, dass in Proben mit vorwiegend Biegebeanspruchung ein J-kontrolliertes Risswachstum Aa bis zu 6 % des Ligamentes (w - a) erlaubt ist (w = 10). In den Priifvorschriffen fiir Ja-Kurven wird aus diesen Griinden der zul/issige Auswertebereich auf eine maximale Rissausbreitung von Aamax _< 0,10(w - a) begrenzt, siehe Bild 3.46. Zweitens hat sich herausgestellt, dass die Risswiderstandskurven stark v o n d e r Geometrie (Form, Dicke, Risstiefe) der Proben abh~ngen, womit sie ihren Sinn als Materialkennlinien verlieren. Gleichzeitig ist damit auch die Ubertragbarkeit auf Risse in Bauteilen in Frage gestellt. Bild 3-47 repr~entiert Ja(Aa)-Kurven desselben Werkstoffs. Der Rissinitiierungswert Ji ist bei allen Proben gleich, danach unterscheiden sich die Anstiege dJ/da der Kurven erheblich. Deshalb wurde vorgeschlagen, den physikalischen Initiierungswert Ji als verbindlichen Werkstoffkennwert zu verwenden, was jedoch eine sehr konservative Sicherheitsbewertung zur Folge h~itte, welche die Reserven des ansteigenden Risswiderstandes unberiicksichtigt l~st. Die Ursachen fiir die Geometrieabh~ingigkeit der Risswiderstandskurven liegen im Einfluss der Mehrachsigkeit h des Spannungszustandes

3.3 Elastisch-plastische Bruchmechanik

111

Bild 3.47: Risswiderstandskurven und Pdssinitiierungswerte fiir unterschiedliche Probengeometrien des Stahls 22NiMoCr37 [156]

begrfindet. Je grSf~er die Mehrachsigkeit ist, desto flacher verlaufen die Ja-Kurven, d.h. der duktile Bruch wird unterstfitzt. Bei hoher Mehrachsigkeit steht vom Zufluss der ~ui~eren Arbeit (J-Wert) in die Struktur mehr potenzielle elastische Energie )4;~nt zur Verfiigung als bei geringer Mehrachsigkeit, wo ein relativ gros Anteil durch plastische Form~inderungsarbeit • P t verbraucht wird. Hinzu kommt auf der Werkstoffseite, dass der Mechauismus des duktilen Wabenbruchs durch hohe Mehrachsigkeit begfinstigt wird, was den Bruchwiderstand reduziert. Im Grunde benStigte man ffir jeden Werkstoff eine gauze Schar von Risswiderstaudskurven J a ( A a , h), die als Funktion von h aufzunehmen w~ren. Daun kann das duktile Risswachstum in einer auderen Struktur vorausberechnet werden, wenn man neben der Beanspruchung J noch den dort auftretenden Wert h der Mehrachsigkeit kennt und die zugehSrige Ja-Kurve auswiihlt. Da sich aufgrund unterschiedlicher Dehnungsbehinderung die Mehrachsigkeit entlaug der Rissfront v e r ~ d e r t , muss diese Methodik der augepassten Risswiderstaudskurve somit lokal eingesetzt werden. Auf diese Weise konnten durch FEM-Rechnungen sehr gute Prognosen fiber den Verlauf der VergrSfgerung eines halbelliptischen Oberfl~chenrisses in einer Zugprobe aus duktilem Stahl erzielt werden [143]. Im Abschnitt 3.3-6 wurden die T- und Q-Spaunungen als Ergfialzungsterme zu den elastisch-plastischen Rissspitzenfeldern vorgestellt. Sie beeinflussen maggeblich die Mehrachsigkeit des lokalen Spannungszustandes fiber die Beziehungen (3.243) (3.247) und besitzen somit ~hnliche Bedeutung ffir die Risswiderstaudskurven wie h selbst. Es ist deshalb eine vordringliche Aufgabe der numerischen Analysen, diese beiden Parameter in effizienter Weise ffir eine gegebene Risskonfiguration zu bestimmen.

112

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Nahfeldl6sungen bei station~irer Rissausbreitung F/Jr einen Riss, der sich mit konstanter Geschwindigkeit /~ quasistatisch in einem idealplastischen Material ausbreitet, wurden die asymptotischen Spannungs- und Verzerrungsfelder von SLEPYAN [257] (T~tESCAsche Flie~bedingung, EVZ), DRUGAN, RICE &=SHAM [77], sowie von CASTANEDA [59] (v.-MIsEssche Fliegbedingung, ESZ) gefunden. Die mit der Gleitlinientheorie erhaltenen LSsungen f/Jr Modus I u n d II unterteilen sich ~ihnlich wie beim ruhenden Riss (Bilder 3.37 und 3.38) in verschiedene Sektoren. W/ihrend die Spannungen fiberall beschr~inkt bleiben, weisen die Gleitungen im zentralen Sektor B eine logarithmische Singularit/it ffir r --~ 0 anf (Normierungsl~zlge R ~ plastische Zone): r

O) -- 2(1 -- u2)aF v~E in Rgr~

(3.261)

Unter SSY-Bedingungen folgt aus der L6sung eine Ratenbeziehung zwischen der Riss6ffnungsverschiebung ~t, der Fernfeldbelastung J und der Rissgeschwindigkeit ~ mit den Konstanten Cl und c2 J aF R 5t ----e l - - + e2-~-h l n ( r ) 9 O"F

(3.262)

Die Integration liefert bei station/iren Verh/iltnissen am bewegten Riss eine Riss5ffnungsverschiebung, die proportional dem Abstand r zur Rissspitze ist. Die Rissufer verlaufen somit geradlinig unter dem Rissspitzenb'ffnungswinkel % = CTOA (engl. crack tip opening angle), wie es Bild 3.35 zeigt: (~t

Cl d J

r

aF da

R C2CrF +-Wln(e =:) = tanq't. r

(3.263)

In Experimenten mit gr6$erem duktilen Risswachstum stellt sich ein konstanter Winkel CTOA~ ein, weshalb folgendes Rissausbreitungskriterium vorgeschlagen wurde arctan 5to _- CTOAc -- const. rt

(3.264)

Energetische Betrachtungen Die Energiebilanz bei duktiler Rissausbreitung a(t) soll am zweidimensionalen Rissproblem untersucht werden. Wir nehmen an, dass sich an der Rissspitze eine Bruchprozesszone AB ansgebildet hat und mit ihr bewegt. Die Prozesszone besitzt eine werkstofftypische Form und Struktur. Wext bezeichnet die Leistung der/iu~eren Lasten t~ auf dem K6rperrand St (zur Vereinfachung sei bi -- 0), die in innere Energie Wint umgewandelt wird und den Energieverbrauch :D in der Prozesszone speist, siehe Bild 3.48 links. l~ext ----J [iu~ ds St

(3.265)

3.3 Elastisch-plastische Bruchmechanik

113

Bild 3.48: Zur Energiebilanz bei duktilem Risswachstum Im Unterschied zur LEBM (Abschnitt 3.2.5) setzt sich die innere Energie (3.71) aus elastischer und plastischer Formgnderungsarbeit W ~ und W~Pt zusammen:

Wilt

=

~

P

/

~/V~nt -~- ~ / ~ i n t =

( ge

p

g~l

gkl

0

0

+ U p) dV,

V

Da die plastische Arbeit WIPt als Wgrme oder Strukturbildung dissipiert wird, steht fiir Rissausbreitung nur die potenzielle Energie des elastischen Anteils WI~t zur Verfiigung. Somit lautet die globale Energiebila~z bei Rissausbreitung pro Zeit t bzw. Rissfortschritt da =/~ dt: " e " p + W1.t ]/Vext = W~nt +~.

(3.267)

Bringt maa aUe potenziellen Energieanteile Hext -- -)4;ext und -f/int -- ]~nt auf die linke Seite, so erhglt man die Erweiterung der GalFFITHschen Energiefreisetzungsrate (3.76) auf duktilen Bruch: G-

//

d _ dWext__ da da

dW~n te _ dW1Pt __ + dO da da da

(3.268)

Die freigesetzte potenzielle Energie G steht also nicht allein ffir die Materialtrennung als spezifische Bruchenergie dI)/da = 2~/oder Risswiderstaadskurve dT~/da = Ja(Aa) zur Verfiigung, sondern wird zum iiberwiegenden Teil als plastische Verformung verbraucht. Die grof~e Schwierigkeit in der EPBM besteht gerade darin, dass man experimentell diese beiden Anteile nur schwer trennen kann. Als Folge davon wird die gesamte rechte Seite

114

3 Grundlagen der Bruchmechanik

von (3.268), die Dissipationsrate bei Rissausbreitung, als Bruchwiderstand interpretiert. Deshalb beinhalten die Risswiderstandskurven die geometrieabh~ngige plastische Arbeit in der Probe:

j_

dHd____-a dW~Ptd-a-+ ~dV = jR(Aa)

(3.269)

Auf diesen Konflikt haben insbesondere TURNER [275], BROCKS [168] und COTTERELL ATKINS [66] anfmerksam gemacht. Zum besseren theoretischen Verst~ndnis ist es niitzlich, die Energiebetrachtungen in einen >>kontinuumsmechanischen<< Anteil ffir den KSrper A und einen >>werkstoffspezifischen<( Anteil fiir die Prozesszoae AB aufzuspalten. Damit lantea die Energiebilanzen: gSrper

A: AB:

--"

"e

"p

~ext + W B ---- )4)~nt + )4)~nt

(3.270)

WB = --~/VB = 2 .

(3.271)

)4;B beschreibt den Energiezufluss vom KSrper in die Prozesszone fiber den Rand FB, was der Leistung der Sctmittspannungen t s -- crijnj mit den Verschiebungsgeschwindigkeitea entspricht.

WB = / t f izids

(3.272)

/~B Wie diese Energie innerhalb von AB zur Materialtrennung umgesetzt wird, bleibt eine >>black box~. Denselben Energiebetrag entzieht die Prozesszone dem KSrper, weshalb er mit entgegengesetztem Vorzeichen als zus~itzliche ~iugere Arbeit )4;B am Rand FB aufgefasst werden kann. Die Summe der Bilanzen (3.27o) und (3.271) ergibt natfirlich wieder (3.267). Der Energiefluss d)4;n pro Rissfortschritt da in die Prozesszone soll im Weiteren mit ~ bezeichnet werden. Mit (3.27o) erh~lt man:

~--

da

-- ~t~'VB= it

tiitds-

-~

UdA

"

(3.273)

LSt

Nun ffihren wir ein Koordinatensystem (xl, x2) ein, das sich im Sinne der EULERschen Betrachtuagsweise mit der Rissspitze bewegt. Mit (X1, X2) bezeichnen wir dagegen das LAGRANGEsche Koordinatensystem, das mit den Teilchen verbunden ist, siehe Bild 3.48. X1 = X 1 - a(t),

x2 = X 2

(3.274)

Die materielle Zeitableitung einer beliebigen Feldgr5ge f i x ( X , t), t] am Teilchen bei X ergibt sich bekanntermagen zu

] = d f x = ~Of- ~ + ~Ox Of -~

Ox

mit ~ = v = - ~ e l .

(3.275)

3.3 Elastisch-plastische Bruchmechanik

115

Im Spezialfall eines station~iren Zustandes im mitbewegten Koordinatensystem wird die partielle Zeitableitung null, d. h. jede zeitliche Anderung ist proportional zum Gradienten . of

] -----a~--xx1 .

(3.276)

Die Geschwindigkeit/~i auf T'B w ~ e mit (3.276) in das mitbewegte Koordinatensystem x zu transformieren. Wenn das Verschiebungsfeld ui(:c, t) an der Rissspitze stetig und beschr~nkt ist und nur seine Gradienten (Verzerrungen) singul~ werden, was man voraussetzen daxf, so fiberwiegt in (3.275) der konvektive 2. Term auf der rechten Seite: dud (x, t)

dt

Oui - Ot

Oui . (~Oxl ~ -aui,1.

(3.277)

Bei der materiellen Zeitableitung des 2. Integrals yon (3.273) muss berficksichtigt werden, dass sich das Gebiet A(t) zwischen ~iugerem Rand S und der mitbewegten Prozesszone FB zeitlich ver~i~dert. Im EULERschen Koordinatensystem x ist deshalb das REYNOLDsChe Transporttheorem anzuwenden (siehe [35,174]) mit v-----5e1:

d / udA = / O udA - a / Unlds. A

A

(3.278)

FB

Das Fl~ichenintegral auf der rechten Seite kann ~ihnlich wie in Abschnitt 3.2.6 in ein Linienintegral fiber die geschlossene Kontur C = S + F + + F - - Fs umgewandelt werden. Da.zu formen wir OU/Ot : a~j~j : a~ji~,j in OU/Ot : (a~j~),j-a~j,j/t~ urn, wobei wegen der Gleichgewichtsbedingungen aij,j = 0 der 2. Term entffillt. Auf den 1. Term wird der GAusssche Integralsatz angewandt: d

~ / U dA = f (aiSzi),j dA - d / USljnj ds A

A

S

(3.279) I"B

FB

Die spannungsfreien Rissufer/7 + und F - liefern wegen a~jnj = ti = 0 keinen Beitrag. Auf T'B benutzen wit fiir die Geschwindigkeit (3.277). Beim Einsetzen in die Beziehung (3.273) hebt sich das Integral fiber S auf, so dass wir fiir den Energieituss in die Prozesszone schlie~lich den Ausdruck erhalten:

Die _~hnlichkeit dieses Energieflussintegrals mit dem J-Integral (3.1oo) ist auff~llig, es bestehen jedoch zwei wesentliche Unterschiede: Erstens beschreibt U jetzt die Form~nderungsarbeit ffir ein beliebiges elastisch-plastisches Materialgesetz. Zweitens ist das In-

116

3 Grundlagen der Bruchmechanik

tegral auf die Berandung der Prozesszone festgelegt, fiber die noch keine konkreten Annahmen getroffen wurden. Um (zumindest formal) die Wegunabhiingigkeit des Integrals zu erreichen, ffihren wir aut~erhalb der Prozesszone AB eine beliebige geschlossene Kontur F um die Rissspitze ein, siehe Bild 3.48 rechts. Das reguls Gebiet A zwischen F u n d FB wird durch die zusammenh~gende Berandung C -- F + F + § F - -/'B umschlossen. Die Anwendung des GAussschen Satzes in entgegengesetzte Richtung liefert dann (Rissuferterme F +, F verschwinden), wenn [] den Integranden von (3.28o) bezeichnet: 0 FB

r

F--FB

r

(3.281)

A

Das Ergebnis bedeutet: Bei elastisch-plastischem Materialverhalten k_ann der Energiefluss in die Prozesszone nicht durch ein wegunabh~ngiges Linienintegral allein ausgedrfickt werden (1. Term), sondern es ist zus~tzlich ein Gebietsintegral erforderlich. Die Beziehung (3.282) stellt somit eine modifizierte BerechnungsmSglichkeit ffir das eigentliche Energieflussintegral fiber FB dar, die v o n d e r Wahl der Kontur F u n d des eingeschlossenen Gebiets .4 u n a b h ~ g i g ist. Das ist zumindest fiir die numerische Berechnung ein Vorteil. Selbstverst~dlich geht sie bei F --~ FB in (3.280) fiber, da das Gebietsintegral verschwindet. Unter Benutzung von (3.275) kann man leicht zeigen, dass unter stationiiren Verhiiltnissen an der sich ausbreitenden Rissspitze das Gebietsintegral null wird. Zum Schluss wollen wir uns der Modellierung der Prozesszone zuwenden: Als einfachste Variante kann man sich AB auf einen Punkt an der Rissspitze zusammen gezogen vorstellen, der v o n d e r Kontinuumsl5sung umgeben ist, was der im vorangegangenen Abschnitt behandelten NahfeldlSsung (3.261) entspricht. Hierbei stellt sich ffir die Verzerrungen die schw~ichere logarithmische Singularits (eij ~ 1/In r) im Vergleich zum ruhenden Riss (e~j ~ 1/r) ein, wodurch bei beschr~nkten Spannungen a~j ~ O F das Energieflussintegral (3.280) null wird! Das fiihrt zu dem widersprfichlichen Resultat, dass bei ideal-plastischem Material keine Energie in die Rissspitze transportiert wird [185]. Der eigentliche Grund ist jedoch in einer zu sehr vereinfachten punktfSrmigen Prozesszone zu suchen. Die richtige Schlussfolgerung lautet: Ohne bessere und realistischere Modelle der Bruchprozesszone k5nnen in der EPBM keine Aussagen iiber das duktile Risswachstum gemacht werden. Diese Erkenntnis bildete den Ausgangspunkt ffir die Entwicklung von Koh~ivzonenmodellen und schiidigungsmechanischen Modellen der Prozesszone. Weiterffihrende Informationen finder man bei [66, 102, 174,297].

3.4 Ermfidungsrisswachst um 3.4

Ermiidungsrisswachst

117

um

Unter wechselnder Belastung kSnnen sich l~isse stabil ausbreiten, obwohl der Spannungsintensit/itsfaktor weit unterhalb der statischen Bruchz/ihigkeit liegt. Dieses Ph/inomen unterkritischer Rissausbreitung wird als Ermiidungsrisswachstum (engl. fatigue crack growth) oder als Schwingbruch bezeichnet. Ermiidungsbruch ist die h/iufigste Schadensursache bei Maschinen, Fahrzeugen, Flugzeugen u.a. Konstruktionen, die zeitlich ver/inderlichen Betriebsbelastungen ausgesetzt sind. Je nach ihrem Verlauf karm man periodische (zyklische) oder stochastische Belastungen mit konstanter oder ver/inderlicher Amplitude unterscheiden. Bei der Ermiidung von Werkstoffen 1/isst sich folgender Sch/idigungsablauf beobachten. Als Folge mikroplastischer Wechselverformungen (Versetzungen, Gleitb/inder) bilden sich zuerst Mikrorisse an der Oberfls oder an Gefiigeinhomogenits (Einschliisse, Korngrenzen) im Inneren. Die so entstandenen ~mikrostrukturell kurzen Risse<< werden in ihrem Ausbreitungsverhalten sehr stark vom umgebenden Gefiige beeinflusst und unterliegen eigenen Gesetzm/is Erst ab einer Rissls von ca. lo Korndurchmessern spricht man von einem technischen Anriss bzw. Makroriss, dessen Verhalten mit den Methoden der klassischen Bruchmechanik beschrieben werden kann. Makroskopisch gesehen treten nur geringe, vernachl~ssigbaxe plastische Verformungen auf und der Ermiidungsbruch 1/iuft im K-kontrollierten Nahfeld ab, so dass die LEBM anwendbar ist.

Bild 3.49: Zusammenhang zwischen Wechselbelastung und Spannungsintensit~itsfaktor

3.4.1

B e l a s t u n g m i t k o n s t a n t e r Amplitude

Bei schwingender Belastung sind sowohl die ~ut~eren Lasten, die Spannungsverteilung am Riss als auch der Spannungsintensits zeitabh~gig. Aufgrund des linearen

118

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Zusammenhangs verlaufen sie synchron mit der gleichen Zeitfunktion: Ki(t) =

a(t)v/~g(a,w),

a~j(t)

= Ki(t) -z,~,

2vr2-~J~j({~).

(3.283)

Eine zyklische Bea~spruchung (r(t) des Bauteils mit konstanter Frequenz wird durch ihre Schwingbreite A a (doppelte Amplitude), die Mittelspannung am und das Spannungsverh~ltnis R charakterisiert: i o - = O'max -- O'min,

o"m = (O'max -}- O'min)/2 ,

R = O'min/O'max.

(3.284)

Daraus ergibt sich die Schwingbreite A K I , die auch als zyklischer Spannungsintensit~itsbezeichnet wird (um allgemein zu bleiben, wird der Index fiir den RissSffnungsmodus weggelassen):

faktor

Dieser Zusammenhang ist in Bild 3-49 dargestellt. Mit der Definition des Spannungsverh~iltnisses R folgt fiir A K : A K = (1 -

R)Kmax,

R = Kmin/Kmax.

Bild 3.50: Verlauf der Spannungsintensit~it mit zunehmender Rissl~age a als b-hnktion der Zeit t bzw. der Lastwechsel N

(3.286)

Bild 3.51: Risswachstumsgeschwindigkeit als Funktion der Schwingbreite des Spannungsintensit~it sfaktors

3.4 Ermiidungsrisswachst um

119

Selbst wenn sich die ~iu~ere Belastung mit der Schwingbreite A a und der Mittelspaahung am nicht ~indert, so steigt der Spannungsintensitiitsfaktor i. Allg. dennoch anfgrund der wachsenden Rissl~inge wegen v/~-ag(a,w) in (3.285), SO dass sich der in Bild 3.50 dargestellte Verlauf ergibt. Hat Km~x den kritischen Kennwert K~ erreicht, so kommt es zum instabilen SprSdbruch. Das Ermiidungsrisswachstum wird durch den Rissfortschritt da pro Lastwechsel quantifiziert. Die Risswachstumsgeschwindigkeit bzw. Risswachstumsrate (engl. crack growth rate) ist als das Verh~iltnis da/dN definiert, wobei N die Lastspielzahl bedeutet. Tr~igt man die experimentell ermittelte Rissgeschwindigkeit da/dN doppeltlogarithmisch als Funktion des zyklischen Spannungsintensit~itsfaktors A K anf, so erh/~lt man die Risswachstumskurve. Sie hat qualitativ den in Bild 3.51 gezeigten Verlauf. Die untere Grenze der Kurve wird durch den Schwellenwert der Spannungsintensit~it (engl. threshold value) AKth festgelegt. Befindet sich die zyklische Spannungsintensitiit A K unterhalb dieses Schwellenwertes~ so ist der Ermiidungsriss nicht ausbreitungsfdhig. Kth beschreibt gewisserma~en die >>bruchmechaaische Dauerfestigkeit<< und betr~igt fiir Metalle etwa K J 1 0 . W~hrend der Anfangsbereich SI empfindlich auf mikrostrukturelle Effekte reagiert, dominiert im anschlief~enden Bereich ~II der Einfluss der Belastung. In diesem Bereich ist ein linearer Verlanf der l~sswachstumskurve zu beobachten. Er kann durch das Gesetz von PARIS-ERDOGAN [199] approximiert werden:

Der Exponent m und der Faktor C sind werkstoffabh~ingige GrS~en. C hat eine relativ unanschanliche Dimension, die vom Exponenten m des Risswachstumsgesetzes abhiingt. Fiir Metalle betr~igt der Exponent m ~ 2 - 7, wiihrend sich fiir keramische Werkstoffe sehr viel hShere Werte (m ~ 20 - 100) ergeben. Bereich SIII kennzeichnet den Ubergaag zum sprSden Gewaltbruch. Die obere Grenze AKc gibt die Beanspruchung an, ab der die Rissansbreitung instabil wird. Als Bedingung gilt Km~x = Kc bzw. Km~x = AK~/(1 - R ) . Der Verlauf der Risswachstumskurve h~ingt vom Werkstoff ab und wird durch zahlreiche Faktoren wie z.B. die Mikrostruktur, die Temperatur, die umgebenden Medien oder das R-Verh~ltnis beeinflusst. Mit zunehmendem R-Verh~ltnis steigt i. Allg. die Rissgeschwindigkeit da/dN und der Schwellenwert Kth wird geringer. Ein Ansatz zur Beschreibung aller drei Bereiche des Kurvenverlaufs wurde erstmals von ERDOGAN und RATWANI [8'7] vorgeschlagen:

da = C ( A K - AKth) m dN

(1 -

R)K

-

AK

(3.288) "

Mittlerweile gibt es viele Varianten von Risswachstumsgesetzen. Als Beispiel wird die sehr ansgereifte Version des Programms ESACRACK [89] angefiihrt, die auf einer erweiterten PAaIs-Gleichung beruht, mit der die gesamte Risswachstumskurve in Abh~ingigkeit vom

12o

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Spannungsverh~ltnis R bei konstanter Lastamplitude beschrieben werden kann:

da c,E(1 ) ] dN

~

m*

AK

(1

Kop __ / m a x ( R , Ao X - Kmax [ A 0 + AIR

--

Kmax/Kc) q

+ A1R + A2R 2 + A3R 3) f/ir 0 < R fiir - 1 _< R < 0 (3.289)

Ao = (0,825 - 0,34acf + 0,05ac2f) cos \ A1 = (0,415 -

2CrF ] j

O,0710Lcf)amax/O'F

A2 = 1 - A0 - Aa - A3,

A3 = 2A0 + A1 - 1

Hierbei sind p und q Fitkonstanten, die den 0 b e r g a n g in den Bereich I bzw. III anpassen und X die R - a b h ~ g i g e RissSffnungsfunktion nach NEWMAN [183]. C* und m* sind modifizierte Konstanten der PARIS-Gleichung (3.287), die fiir p = 0 und q = 0 sowie fiir X = R aus Gleichung (3.289) folgt. Die Abh/ingigkeit der Risswachstumskurve vom Spannungsverh/iltnis R wird zus/itzlich fiber die RissSffnungsfunktion X beschrieben, die das Verh~tnis zwischen RissSffnungsspannungsintensit/it g o p und der maximalen Spannungsintensit~t Kmax w/ihrend eines Schwingspiels darstellt, vgl. (3.294). Die Konstanten A0 bis A 3 h~ngen erstens v o n d e r GrSi~e der plastischen Zone ab, die nach dem DUGDALEModell aus dem Verh~iltnis der maximMen nominellen Zugspannung ama~ zur Flieggrenze 6F abgesch/itzt wird. Zweitens werden sie v o n d e r Dehnungsbehinderung beeinflusst, die man durch den Constraintfaktor C~cfberficksichtigt. Nach (3.198) nimmt Otcf Werte zwischen 1 (ESZ) und 3 (EVZ) an und ist eine Funktion der Bauteildicke. Bei St~ihlen fiihren die Werte acf = 2,5 und amax/aF = 0,3 zu einer guten Anpassung experimenteller Daten. Mit Hilfe derartiger Risswachstumsgesetze ist es mSglich, das Wachstum eines Risses der Ausgangsl~nge ao bei einer gegebenen Lastspielzahl N durch Integration zu ermitteln. Fiir das einfache PARIS-ERDOGAN-Gesetz erh/ilt man bei konstanter Lastamplitude: N

N

(3.290) 0

0

Durch Umstellung des Risswachstumsgesetzes nach d N und Integration bzgl. da karm man umgekehrt die Lastspielzahl N berechnen, die bis zum Erreichen der Rissl~nge a erforderlich ist:

N(a) -

1 C

Ao.

} m

d~ _

ao

.oo

_

m

[ ( o-11

C ( m - 2)[x/-#-~g(ao)Ac~] m 1 -

(3.291) fiir m ~ 2.

3.4 Ermiidungsrisswachst um

121

Vernachliissigt man die Rissliingenabh~i~gigkeit der Geometriefunktion, so ergibt sich die (nicht konservative!) N~herungsformel. Setzt man ffir a die aus einem Bruchkriterium folgende kritische Rissl~i~ge ac ein, so ergibt (3.291) die Anzahl der Lastwechsel NB bis zum Bruch. Auf diese Weise kann man die restliche Lebensdauer eines Bauteils mit Riss unter Betriebsbedingungen vorhersagen bzw. die nutzbaren Lastwechsel, bis der Riss auf seine kritische GrSSe ac angewachsen ist. Dies ist Bestandteil einer schadenstoleranten Auslegung, bei der man unvermeidbare rissartige Fehler in einem Bauteil zul~st, jedoch mit Hilfe zerst5rungsfreier Prfifmethoden detektiert und in ansreichenden Abst~nden iiberwacht. Durch entsprechende bruchmechanische (~berlegungen wird sicherstellt, dass diese Risse nicht kritisch werden bzw. ab welcher Gr5t~e sie unbedingt beseitigt werden miissen.

3.4.2

Beanspruchungssituationen an der Rissspitze

Im Folgenden sollen einige Besonderheiten der Rissbeanspruchung bei Ermiidung dargestellt werden, die sich vom Fall monotoner Belastung grunds~tzlich unterscheiden und als Ursache fiir Reihenfolgeeffekte nach einem Wechsel der Belastungsamplitude gelten.

Wechsel-Plastifizierung Bei zyklischer Belastung treten in der kleinen plastischen Zone an der Spitze des Ermiidungsrisses wechselnde plastische Verformungen auf. Jeder materielle Punkt durchl~uft eine a-e-Hysterese, wie sie in Bild A.lo schematisch dargestellt ist. Die zu einer vorgegebenen Spannungsschwingbreite Act gehSrende Dehnungsschwingbreite Ae h~ngt mat~geblich vom Verfestigungsverhalten und v o n d e r Belastungsgeschichte ab. Bei Ermiidungsrisswachstum unterscheidet man die prim~re, die sekund~ire und die zyklische plastische Zone. Die primiire plastische Zone entsteht beim ersten Erreichen der maximalen Last, die sekund~e oder >~Umkehrzone<~ bei minimaler Last und die zyklische Zone stellt sich nach einer Reihe von Lastwechseln ein. Abschiitzungen fiir die primiire plastische Zone haben wir fiir SSY in Abschnitt 3.3 kennengelernt. Ausgehend vom DUGDALE-ModeU entwickelte RICE [215] eine Abschgtzung der plastischen Zonen unter Ermiidungsbelastung. Dabei wird elastisch-idealplastisches Materialverhalten angenommen, d.h. die Fliet~grenzen sind im Zug- und Druckbereich betragsmggig gleich grog • Durch die erstmalige Belastung auf Km~x (Bild 3.52 Kurve 1) wird eine primgre plastische Zone der GrSge rpmax gemgt~ Formel (3.193) bzw. (3.197) erzeugt. Die anschliegende Entlastung um A K anf Kmin (Bild 3.52 Kurve 2) wird als Belastung in negative Richtung angesehen. Aufgrund der Belastungsumkehr muss zum Erreichen der Druck-Fliegbedingung hierfiir die doppelte Flieggrenze (von +aF anf --aF) angesetzt werden, um mit (3.193) die Gr5ge der sekund~ren plastischen Zone rpmin ZU bestimmen. rpmax ---- ~ \

6F /

'

rpmin ----~ \ 20.F ,]

~:~

rpmin __ rp max

(1 - - R ) 2

(3.292)

Durch Superposition der statischen L5sungen fiir K m ~ und - A K entsteht der in Bild 3.52 (Kurve 1+2) gezeigte Spannungsverlauf bei Kmin. Wie man sieht, wird die sekunds

122

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Bild 3.52: Entstehung der plastischen Zonen am Ermiidungsriss plastische Zone durch Druckspannungen formiert, die aufgrund der negativen Riickverformung (Stauchung) der positiven plastischen Verzerrungen aus der Erstbelastung/(max entstehen. Dazu muss gmin nicht notwendigerweise im Druckbereich liegen! Mit (3.292) erh~ilt man das GrSgenverh/iltnis der plastischen Zonen bei gmin und K m ~ unter Berticksichtigung des R-Verh~iltnisses. In diesem einfachen idealplastischen Modell ~ndert sich der Spannungszustand bei weiteren Lastwechseln nicht mehr, so dass das Ergebnis von Bild 3.52 auch der zyklischen plastischen Zone entspricht. Bei Annahme isotroper Verfestigung wiirde sich der elastische Bereich w~hrend der ersten Lastwechsel so weit vergrSgern, bis keine plastischen Wechselverformungen mehr auftreten. Nach dem kinematischen Verfestigungsmodell stellt sich bald eine stabilisierte Hysterese ein, die bei jedem Zyklus durchfahren wird und periodische plastische Verzerrungen 4-A~ p mit einer Akkumulation der plastischen Vergleichsdehnung ~P zur Folge h~itte. Die realen Verh~iltnisse sind weitaus komplizierter, da kombinierte Verfestigung und ein mehra~hsiger Beanspruchungszustand in der plastischen Zone vorliegen. Augerdem bewegt sich die plastische Zone mit dem Riss in st~i~ndig neue Materialbereiche.

Eigenspannungen Wie die Uberlegungen des vorigen Abschnitts gezeigt haben, entstehen bei Ermiidungsbruch infolge der plastischen Wechselverformungen unmittelbar vor der Rissspitze Druckeigenspannungen (Bild 3.52). Mit einem gewissen Abstand zur Rissspitze erfolgt im Ligament ein Wechsel von Druckeigenspannungen zu Zugeigenspannungen. Anhand von (3.292) sieht man, dass rpmax quadratisch mit dem maximalen Km~xFaktor wiichst. Tritt z.B. eine einmalige 0berlast der HShe Kol -- ~ K m ~ auf, so bildet sich eine um ~2 grSgere plastische Zone rp ol mit einem entsprechenden Druckeigenspannungsgebiet aus. Das fiihrt bei den anschliegenden normalen Lastamplituden so lange zu einer Behinderung der Ermiidungsrissausbreitung, bis dieses Druckgebiet durchschritten wurde [285].

3.4 Ermfidungsrisswachst um

123

Bild 3.53: Rissschlief~effekt (links) als Folge plastischer Verformungen der Rissufer (rechts) Druckeigenspannungen treten jedoch nicht nur vor der Rissspitze auf, sondern auch entlang der Pdssflanken in Rissspitzenn~he, was durch experimentelle und numerische Untersuchungen nachgewiesen wurde. Rissschliet~effekt Der Rissschliefleffekt (engl. crack closure effect) wurde zuerst von ELBER [82] entdeckt. Er konnte zeigen, dass bei einer zyklischen Zug-Schwell-Belastung (R -- 0) mit konstanter Amplitude der Ermiidungsriss sich beim Entlasten schon vor Erreichen der Minimallast schlie~t bzw. dass der Riss in der Belastungsphase noch bis zu einem gewissen Lastniveau - der Rissb'ffnungsintensitSt K o p - geschlossen bleibt (Bild 3.53 links). Der Mechanismus des Rissschliei~ens ffihrt dazu, dass nicht die komplette Belastung A K zur Ausbreitung des Risses beitr~igt, sondern nur eine effektive zyklische Spannungsintensit~it AKeff w~lrend der tats~ichlichen PdssSffnungsphase wirksam wird.

Der Quotient aus wirksamer und scheinbarer/iui~erer Schwingbreite der K-Faktoren wird durch den empirischen RissSffnungsfaktor U oder die Verh/iltniszahl X beschrieben: U -

Ai~i~eff AK '

i~i'op X - Kma----~ - 1 - (1 -

R)U.

(3.294)

Die Ursachen f/ir Pdssschliegen kSnnen sehr unterschiedlich sein [266]. Als der wichtigste Mechanismus wird das plastizit/itsinduzierte Rissschlies angesehen, der im Bereich II der Risswachstumskurve vorherrscht. Das vorzeitige Rissschliegen wird durch plastisch verformte Materialbereiche an den Rissflanken hervorgerufen, die dadurch entstehen, dass sich am Ermfidungsriss s t ~ d i g plastische Zonen ausbilden, die dann bei Rissausbreitung durchtrennt werden, siehe Bild 3.53 (rechts). Diese plastisch aufgeweiteten R/inder f/ihren dazu, dass die beiden Rissflanken nicht mehr kompatibel zueinander sind und so eine vollst/indige Riickverformung bei der Entlastung behindert wird. Versch/irft wird das plastizit/itsinduzierte Rissschlie~en noch durch eine Belastung mit variabler Amplitude. Sie fiihrt zu einer grSgeren plastischen Zone und zu einem hSheren

124

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Plastifizierungsgrad, was wiederum das Rissschliei~en und somit auch AKeff beeinflusst. Vorzeitiges Rissschliet~en wird auch durch kleine Partikel oder Fluide im Pdssspalt, dutch die Rauhigkeit der Bruchfl~chen oder durch Phasenumwandlungen induziert.

3.4-3

Belastung mit variabler Amplitude

Der Fall des Ermiidungsrisswachstums mit konstanter Belastungsamplitude ist in der technischen Praxis nur selten vorzufinden. H~ufig sind Maschinen, Anlagen und Fahrzeuge im betrieblichen Einsatz einer zeitlich ver~derlichen Belastung ausgesetzt. Die Belastungen mit vaxiabler Amplitude kann man in drei Kategorien einteilen: 9 einzelne Uber- oder Unterlasten 9 stufenartige Ver~nderungen der Amplitude: Blocklasten (z. B. Motoren, Turbinen) 9 regeUoser Belastungsverlauf: Betriebslastspektren (z. B. Fahrzeuge, Windkraftanlagen) Zus~itzlich zur zeitlich ver~inderlichen BelastungshShe ka~n sich w~ihrend des Einsatzes eines Bauteils auch die Belastungsart ver~indern (Zug, Schub, Biegung, Torsion). Fiir einen Riss hat dies einen Weehsel der Beanspruehungsaxten Modus I, II und III zur Folge, weshalb der Untersuehung yon Mixed Mod~Belastungen besondere Bedeutung zukommt. Im Gegensatz zum Ermfidungsrisswachstum bei konstanter Amplitude ist der Rissfortschritt bei variable Amplitude nicht allein v o n d e r aktuellen Belastung A K und R abh~ix~gig, sondern wird von der zeitliehen Abfolge der Belastungen bestimmt. Dieses Ph~nomen wird als Reihenfolgeeffekt bezeiehnet. Aufgrund dieser Tatsache kSnnen Belastungen mit variabler Amplitude sowohl zu beschleunig~em als aueh zu verzSgertem Risswaehstum f/ihren (Bild 3.54), d.h. sie wirken sich auf die Lebensdauer entweder mindernd oder verl~ngernd aus. W~ihrend man bei konstanten BeanspruchungskenngrS/gen die Lebensdauer dutch Integration der Risswachstumskurve ermitteln kann, miissen im Fall einer variablen Belastung die Reihenfolgeeinflfisse unbedingt berfieksichtigt werden, was erhebliehe Sehwierigkeiten mit sieh bringt. Eine wichtige Voraussetzung ist die Kenntnis der Betriebsbelastungen fiberhaupt. Fiir die quantitative Analyse ffihrt man sogenannte Betriebslastmesstmgen dutch, bei denen am Bauteil unter realen Belastungssituationen in Abhgngigkeit vom Einsatzprofil Lastdaten aufgezeiehnet werden. Inzwischen gibt es flit viele Bauteile (insbesondere in der Automobil- und Lufffahrtindustrie) standardisierte, bew~hrte Belastungsspektren. Auf ihrer Basis k6nnen anstelle des Feldversuehes die Konstruktionen oder Komponenten auch auf Pr/ifst~nden im Labor oder dureh numerische Spannungsanalysen untersucht werden. Diese Betriebslastmessungen bilden aueh fiir die bruehmeehanisehe Bewertung des Rissausbreitungsverhaltens eine wichtige Eingangsinformation. Zur Reduktion der umfangreichen Daten werden sie nach gebr~iuchliehen Z~ihlverfahren (z. B. Rainflow-Methode) der Betriebsfestigkeitslehre klassiert [284]. Die einfaehste Methode zur Erm/idungsbruchbeurteilung bei variablen Amplituden besteht darin, die statistischen Daten eines Lastspektrums auf einen einzigen gemittelten

3.4 Ermiidungsrisswachst um

125

Bild 3.54: Reihenfolgeeffekt nach a) einer einzelnen Uberlast, b) einer low-high Blocklast und c) einer high-low Blocklast

Wert des zyklischen Spannungsintensit~itsfaktors zu reduzieren. Von BARSOM (siehe [76]) stammt der Vorschlag, einen integralen Effektivwert AKrms als quadratisches Mittel aus den Schwingbreiten AKn aller N erfassten Lastwechsel zu berechnen:

Agrm

s ----

(3.295)

(AK~) 2 .

Der Effektivwert wird in ein Risswachstumsgesetz f/Jr konstante Amplituden eingesetzt, woraus man eine gemittelte Risswachstumsrate ffir dieses Lastspektrum absch~tzen kann. Diese sogenannte globale Analyse liefert also lediglich integrale Werte (ohne zeitliche AuflSsung) und vernachl~sigt jegliche Reihenfolgeeffekte auf die Rissausbreitung. Ein verbesserter Ansatz beriicksichtigt die zeitliche Abfolge der Lastwechsel. Vorausgesetzt, man verffigt fiber die Risswachstumskurven eines Werkstoffs bei allen Amplituden A K und Spannungsverh~ltnissen R, so kann das Ermiidungsrisswachstum Lastwechsel fiir Lastwechsel (engl. cycle by cycle) berechnet und summiert werden: da

dN = f ( A K ' R )

N

~

a=ao+ ~

Aan,

Aa,~ = f(AK,~, P ~ ) . 1.

(3.296)

n=l

Fiir ein Blockprogramm, das aus einer Folge von i ---- 1,2,..., I Lastintervallen mit ANi Zyklen bei den Beanspruchungen AKi und R4 besteht, liege sich das Risswachstum

126

3 Grundlagen der Bruchmechanik

aus den Anteilen Aai jedes Intervalls folgendermatgen akkumulieren: I

a = ao + ~

Aai,

Aa, ~ f ( A g i ~i, R~)ANi.

(3.297)

i=l

Die Approximation besteht darin, dass in jedem Intervall eine mittlere unvergnderliche Rissl~inge ~i angesetzt wird. Diese Vorgehensweise hat Ahnlichkeit mit den Schadensakkumulationshypothesen der Betriebsfestigkeit. Sie beriicksichtigt immerhin die zeitliche Folge der Belastungen, jedoch nicht ihren Einfluss untereinander und stellt insofern noch eine Vereinfachung dar. Um den Reihenfolgeeffekt bei Ermfidungsrisswachstum mit variabler Amplitude prgziser zu quantifizieren, wurden verschiedene Modelle vorgeschlagen. Dabei wird haupts~chlich die verzSgernde Wirkung einer l)berlast oder Stufenlastfolge simuliert, die entweder auf Eigenspannungen in der plastischen Zone (WHEELER [285], WILLENBORG, GALLAGHER [180]), plastizit~itsindiziertes Rissschlietgen (ONERA [142], CoRPus [197]), Rissabstumpfung oder mehrere Faktoren zurfickgeffihrt wird. Am weitesten fortgeschritten scheint das Flietgstreifenmodell (engl. strip yield model) von FOHI~ING • SEEGER [98], DEKONING [89] und NEWMAN [180, 183] zu sein. Es handelt sich um eine Erweiterung des DUGDALE-Modells (Abschnitt 3.3.3), bei dem durch eine Zahl von Stabelementen zum einen die plastischen Verformungen des geSffneten Risses und zum anderen die Kontaktspaanungen beim Rissschlietgen beriicksichtigt werden. Mit diesem Modell kann die Riss5ffnungsspannung O-op berechnet werden, bei der die Rissuferkontakte gerade verschwinden und sich der Riss komplett 5ffnet. Nach (3.293) wird damit ein effektiver Spannungsintensit~itsfaktor gebildet

Ageff ---- (ffmax -- aop)V'-~g(a, w),

(3.298)

der in das von NEWMAN [183] vorgeschlagene Risswachstumsgesetz wie folgt eingeht:

wobei AK0 ----AKth (1 - ~maxr176 ) /(1 -- R) bedeutet und die Koeffizienten C1, C2, C5 aus Versuchsergebnissen angepasst werden mfissen. Die RissSffnungsspannung aop wird fiber die gesamte Belastungsgeschichte durch das Flietgstreifenmodell simuliert, so dass alle Reihenfolgeeffekte bei Amplitudenver~inderungen Berficksichtigung finden. Die bier beschriebenen Modelle zur Vorhersage des Ermfidungswachstums bei konstanter und variabler Amplitude wurden in verschiedenen Simulationsprogrammen implementiert wie z.B. NASGRO [180] und ESACRACK [89], die eine Lebensdauerbewertung von Bauteilen (insbesondere der Luft- und Raumfahrt) gestatten. Weiterffihrende Literatur zum Ermfidungsbruch findet man bei SCHIJVE [236,235] und den Tagungsb~nden [171,213]. %

3.4 Ermiidungsrisswachst um

3.4.4

127

Bruchkriterien bei Mixed-Mode-Beanspruchung

Bisher wurden haupts/ichlich Pdssprobleme ffir die RissSffnungsart I bei symmetrischer Belastung behaadelt. Die entsprechenden Bruchkriterien wurden unter der Annahme abgeleitet, dass der Riss sich weiter auf seiner Ausgangslinie (2D) bzw. in der Ausgangsebene (3D) gradlinig in das Ligament ausbreitet. Bei 0berlagerung von Modus I mit Modus II oder III wird die Symmetrie verletzt und man spricht von gemischter oder iiberlagerter Rissbeanspruchung (engl. mixed mode loading). Mixed-Mode-Beanspruchung tritt immer dann auf, wenn in der Schnittebene im KSrper, auf der sich der Riss befindet, die Schnittspannungen t c sowohl Normal- als auch Schubkomponenten aufweisen, siehe Bild 3.55 (links). In der ingenieurtechnischen Praxis gibt es eine Vielzahl von Beispielen und Ursachen, die zu gemischten Rissbeanspruchungen fiihren: 9 fiberlagerte Bauteilbelastung aus Zug, Schub, Torsion oder komplexen Lastf'dllen 9 schrKge, gekriimmte, verzweigte oder abgeknickte Risse 9 zeitlich ver/i~derliche dynamische oder thermische Betriebsbea~spruchungen 9 erzwungene Rissausbreitungsrichtung schr/ig zur Hauptbeanspruchung aufgrund geometrischer oder werkstofftechnischer Vorzugsorientierungen (Grenzfl/ichen, Ffigeverbindungen, Anisotropie) Im Weiteren wollen wir uns auf die linear-elastische Bruchmechanik bei statischer und zyklischer Belastung beschr/~nken. Dann wird der Beanspruchungszustand an der Rissspitze eindeutig durch die drei Intensit/itsfaktoren bestimmt, so dass ein verallgemeinertes Bruchkriterium fiir Mixed-Mode-Beanspruchung in folgender Form aufzustellen w/ire: (3-300)

B ( K I , KII, KIII) = B c.

Die linke Seite definiert mit der KenngrSs B die Rissbeanspruchung, w/ihrend rechts B~ den kritischen Materialkennwert bei Rissinitiierung chaxakterisiert. Zus~itzlich muss jetzt noch eine Aussage fiber die Richtung der Rissausbreitung gemacht werden, die wie in Bild 3.55 (links) gezeigt v o n d e r Ursprungsrichtung um einen Winkel 0c abweicht. Die Ausbreitung verl/iuft meist in diejenige Richtung, bei der die Kenngr6ge B einen Extremwert annimmt: max{B(0)} =

B(Oc)

oder

min{B(0)} =

B(Oc).

(3.3ox)

Im Fall des sprSden instabilen Gewaltbruchs genfigen fiir die Festigkeitsbewertung die kritische Gr6fge und Richtung der Rissbeaaspruchung. Bei unterkritischem oder stabilem Risswachstum benStigt man allerdings noch ein kinematisches Gesetz, das die GrSfge des Rissfortschritts bei dieser Beanspruchung quantifiziert in der Art: da d-t = f l (B)

oder

da d N - f2 (AB).

(3.302)

Gerade beim Ermiidungsbruch reagiert der Riss empfindlich auf jede Ver~nderung des gemischten Beanspruchungszustandes und/indert seine Richtung entsprechend, was oft

128

3 Grundlagen der Bruchmechanik

zu originell gekriimmten Risspfaden und subtilen Bruchfl~chen fiihrt. Fiir die Beurteilung der Restlebensdaner ist es in diesem Zusammenhang besonders wichtig, dass man auch die geometrische Bahn des Risses vorhersagen kann.

Bild 3-55: Gemischte Rissbeanspruchung aus Modus I und II fiir ebene Aufgaben Im Folgenden werden aus der Vielzahl der vorgeschlagenen Bruchkriterien fiir MixedMode-Rissprobleme (siehe z.B. [224]) die anerkannten, bew~hrten Varianten vorgesteUt. Kriterium der maximalen

Umfangsspannung

Das Kriterium der maximalen Umfangsspannung (engl. m a x i m u m tangential stress criterion) wurde von ERDOGAN ~: SIH [88] entwickelt. Es basiert auf folgenden Annahmen: 9 Der Riss breitet sich radial v o n d e r Spitze unter einem Winkel 0c in der Richtung aus, die senkrecht zur maximalen Umfangsspannung aoo max liegt. 9 Rissansbreitung setzt dann ein, wenn aOOma~ (in einem festgelegten Abstand re) einen Materialkennwert a~ erreicht, der genau demjenigen bei reinem Modus I auf dem Ligament entspricht, wenn KI -- KI~ effiillt ist. Aus den Nahfeldl6sungen (3.17) und (3.24) erh~ilt man

1[(

aoo-- 4 2vr~-~c KI

0

3cos~ +cos--

-KII

(3 s i n ~0+ 3 s i n

(3.303)

und mit der Extremalbedingung 0 0aoo 0 oo ----0,

000-------5-<0 2 coo ~

KisinOc+Kii(3cosOc-1)=O

(3.304)

folgt der Rissablenkwinkel 0c

II[1KI L ] v / llj

O~ ----2arctan ,~ ~-7-- -4-

+8

.

(3.305)

3.4 Ermiidungsrisswachst um

129

Bei 0 = 0c ist aoo eine Hauptnormalspannung und die Schubspannung rrO verschwindet demzufolge. Die zweite Bedingung verlangt Kic aoo(oc) = a~ - 2 v ~ - ~ '

(3.306)

woraus sieh mit (3.3o3) das Versagenskriterium ergibt, das man aueh dureh einen >>Vergleiehsspannungsintensitgtsfaktor<< Kv auf dem Radiusstrahl 0~ ansdrfieken kann: /iv = r--*01imaoo(0~)2v/~7 = cos 2 -~- KI cos

- 3KII sin

= Kic

(3-307)

Ftir reine Modus-II-Belastung betrggt der Ablenkwinkel 0~ = -70,5 ~ und die kritisehe Belastung liegt bei K n = v/3/2Ki~.

Kriterium der maximalen Energiefreisetzungsrate Aus physikalischen Griinden bieten sich energetische Betrachtungen an, um ein geeignetes Kriterium fiir gemischte Rissbeanspruchung abzuleiten. Die in Abschnitt 3.2.4 angegebene Formel (3.93) ffir die Energiefreisetzungsrate G gilt allerdings nur ffir selbstghnliche Rissausbreitung entlang der Ursprungsrichtung und ist somit nicht nutzbar. Es sind deshalb Modelle und LSsungen entwickelt worden [119, 124, 163, 191], die einen kleinen abgeknickten Zusatzriss an der eigentlichen Rissspitze unterstellen, der die Lgnge a* << a und die Richtung 0 hat, siehe Bild 3-55 (rechts). HUSSAIN, PC &; UNDERWOOD [119] formulierten das Kriterium der maximalen Energiefreisetzungsrate (engl. m a x i m u m energy release rate) folgendermagen: 9 Der Zusatzriss bildet sich unter dem Winkel 0~ ans, fiir den die Energiefreisetzungsrate G* -- (K~ 2 + K~I2)/E ' ein Maximum annimmt. 0 G* (0) O0

0c

= 0,

02 G 0~

0c

< 0

(3.308)

9 Rissausbreitung setzt dann ein, wenn G* einen Materialgrenzwert Gc erreicht. Die Belastung des Zusatzrisses a* wird durch das Nahfeld des Hauptrisses mit den Intensitgtsfaktoren KI und KII festgelegt. Aus den berechneten KI*- und K~i-Faktoren ergibt sich fiir den Grenzwert a* --+ 0 die Energiefreisetzungsrate [119]

G*(0)=~-; ~

1

[

(3+cos=0)=(l+3cos20)Ki2+ (3.309)

"3

q- (4 sin 2O)KIKII q- (9 - 5 cos 2 O)K2J = Oc = glc/E.2

,

Auf die Ableitung OG*/O0 wird hier verzichtet und statt dessen die Ergebnisse fiir die Versagensgrenzkurve und den dazugeh5rigen Abknickwinkel 0c in den Bildern 3.56 und Bild 3.57 dargestdlt.

13o

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Bild 3.56: Versagensgrenzkurven nach verschiedenen Hypothesen bei gemischter Beanspruchung aus Modus I und Modus II

Bild 3.57: Rissablenkungswinkel nach verschiedenen Hypothesen bei gemischter Beanspruchung aus Modus I und Modus II

3.4 Ermfidungsrisswachst um

131

Kriterium der Formiinderungsenergiedichte Das von SIH [252] propagierte Kriterium der Formiinderungsenergiedichte (engl. strain energy density criterion) basiert auf der Winkelabh~ngigkeit der singul~iren Energiedichte U des ebenen Nahfeldes U = ~aij~,jl _ S(0)r - rl ( a l l K i 2 + 2al2gigii + a22K 2) ,

(3.31o)

die als Form~derungsenergiedichtefaktor S(O) mit den K-Faktoren ausgedrfickt werden kann: all =

[(1 + cos 0)(~; - cos 0)]/16~r#

sin 0[2 cos ~ - ,~ + 1 ] / 1 6 ~ a22 = [(~ + 1)(1 - cos0) + (1 + costg)(3 cos 0 - 1)]/16Ir#.

a12

=

(3.311)

Dem Kriterium liegen folgende Annahmen zugrunde: 9 Der Riss breitet sich radial in diejenige Richtung 0, aus, fiir die der Faktor S(0) ein Minimum annimmt dS(O) d~ 0o = 0,

d2S(O) o~ dl92 > 0

(3.312)

9 Pdssinitiierung erfolgt dann, wenn S(Oc) einen Materialgrenzwert Sc erreicht, der am Modus I Fall (EVZ) kalibriert ist s(oo) =

a a11(oo = 0)K

-

1 - 2v/.( 2

G;

(3.313)

Der a u s ( 3 . 3 1 2 ) abgeleitete Ablenkungswinkel 0c und die entsprechende Versagensgrenzkurve ffir u = 0,3 im EVZ finder man in den Bildern 3.56 und 3.57. Physilmlisch begrfindet wird das S-Kriterium damit, dass in der Richtung 0c der Anteil der Volumen~inderungsarbeit Uv gegeniiber dem gestalt~indernden Anteil UG = U - Uv dominiert, wodurch sprSdes Versagen favorisiert wird. Dieses Argument wird im Kriterium von RADAJ & HEm [209] weiter verfolgt, dem das Maximum der Funktion S* (0) = Uv(O)/UG(O) zugrunde liegt. Einen umfassenden Uberblick fiber weitere Mixed-Mode-Bruchkriterien findet man bei RICHARD [224,225] und POOK [206]. Die Untersuchungen fiir dreidimensionale Pdsskonfigurationen bei fJberlagerung yon allen drei RissSffnungsmoden I, II und III sind noch Gegenstand aktueller Forschung, siehe z.B. [238,226].

3.4.5

Ermfidungsrissausbreitung bei Mixed-Mode-Beanspruchung

Wie man Bild 3.56 entnehmen kann, unterscheiden sich die Mixed-Mode-Bruchkriterien in ihren Aussagen erheblich, insbesondere bei hohem Schubanteil KII. Experimentelle

132

3 Grundlagen der Bruchmechanik

0berpriifungen erfordern aufw/indige, komplizierte Versuche. Aufgrund vielf'~tiger Materialeinflfisse, Nebeneffekte und Streuungen konnte bisher kein allgemein gfiltiges Kriterium verifiziert werden. Besonders schwierig gestalten sich Messungen der Bruchzfi~higkeit Kiic bei reiner Schubbeanspruchung. Zu beachten ist auch, dass alle genannten Kriterien nur anwendbar sind, wenn ein Mindestmag an RissSffnung (KI > 0) vorhanden ist. Andernfalls kommt es zum Kontakt beider Rissufer, der bei der Analyse beriicksichtigt werden muss (KI < 0 gibt es praktisch nicht!) und die tangentiale Relativbewegung der Rissufer bzgl. Modus II wird durch Reibung beeintr~chtigt. Fiir geringen Modus II Anteil (KH << KI) liefern erfreulicherweise alle Hypothesen in erster N/iherung dasselbe Resultat fiir den Ablenkungswinkel (vgl. Bild 3.57 (links))

Oc~ -2KII/KI.

(3.314)

Ein pragmatischer Ansatz wurde u. a. von RICHARD [225] vorgeschlagen, der/ihnlich wie bei iiberlagerten Belastungen in der Festigkeitslehre einen Vergleichsspannungsintensit~tsfaktor Kv einfiihrt. Er wird aus KI und KH (evtl. KIII) gebildet und repr~entiert ein Matg der Rissbeanspruchung, das einer Modus I Beanspruchung/iquivalent ist Kv(KI' gII) = V -~-

0~ = T [155,5 o

-[- 4(alKII) 2 = K I c ,

]KII] Ifi[ + IfiiI

(,KII, 83'4~

c~1 = 1,155

(3.315)

~2]

IKI]TIKII[ ] J '

(3"316)

wobei die Vorzeichen fiir KII <> 0 gelten. Diese Formeln sind in den Bildern 3.56 und 3.57 mit enthalten. Die Aussagen kommen dem Hauptspannungskriterium recht nahe und wurden experimentell untermauert. Andere empirische Ans~itze beschreiben die Versagensgrenzkurve durch eine verallgemeinerte elliptische Gestalt der Art ~Ic]

+ \K~Hc]

= 1,

(3.317)

deren Parameter KI~, KII~, a und/~ ffir jeden Werkstoff dutch Mixed-Mode Experimente angepasst werden mfissen. Obwohl die vorgestellten Bruchkriterien fiir monotone statische Belastung bis zum Gewaltbruch hergeleitet wurden, dfirfen sie mit ausreichender Berechtigung im Gfiltigkeitsbereich der LEBM auch auf zyklische Belastungen aagewendet werden. Zur 0bertragung auf Ermfidungsrisse werden ansteUe der absoluten Werte die Schwingbreiten AKI und AKII der Spannungsintensit~tsfaktoren eingesetzt. Die Mixed-Mode-Hypothesen werden jetzt dahingehend interpretiert, dass sie die Wachstumsgeschwindigkeit der unterkritischen Rissausbreitung in Abh~ngigkeit vom Modenverh~ltnis KI zu KII quantifizieren. Daffir eignet sich am besten die Schwingbreite des Vergleichsintensit~itsfaktors AKv z.B. nach (3.307) oder (3.3z5)

AKv(AKI AKII ) __TAKI + Iv/AK} _~_4(O~1AK2)" -

-

(3"318)

3.4 Ermfidungsrisswachst um

133

AKv karm somit in allen Risswachstumsgesetzen fiir konstante und variable Amplituden der Abschnitte 3.4.1 und 3-4.3 anstelle von A K benutzt werden da

dN - f ( A K , , R)

im Bereich AKth _~ /kKv ~ (1 -- R)Kc.

(3.319)

Vorausgesetzt werden muss allerdings, dass KI (t) und K n (t) zeitlich synchron schwingen und sich ihr Verh~iltnis nicht v e r ~ d e r t .

3.4.6

Vorhersage des Risspfades und seiner Stabilit~it

Fiir die praktische Lebensdauerabsch~tzung beim Ermiidungsbruch erhebt sich die entscheidende Frage: Welchen geometrischen Pfad schl~gt der Riss unter den gegebenen komplexen Belastungen im Bauteil ein? Nehmen wir an, die Spaanungsintensit~itsfaktoren KI und KII seien ffir die momentane Position eines Ermiidungsrisses im lokalen Rissspitzen-Koordinatensystem bekannt. Dann sagen aUe Mixed-Mode-Kriterien n~herungsweise die gleiche Anderung A0 ---- -2KII/KI der Rissausbreitungsrichtung vorher. Im Weiteren sind zwei F~ille zu unterscheiden: 9 Ausrichtung auf KI und KII ----0 Ermfidungsrisse wachsen in einem inhomogenen Spannungsfeld immer so, dass sie sich senkrecht zur maximalen lokalen Hauptspannung ausrichten, d.h. dass KI dominiert und KII -~ 0 auf null absinkt. Demzufolge stellt sich an der momentanen Rissspitze ein symmetrischer (Modus I) Beanspruchungszustand ein. Die Richtung des Risses dreht sich stetig und alle Kriterien implizieren, dass dabei KII = 0 sein muss. Andernfalls w ~ e die Richtungs~nderung A0 falsch berechnetl Das bedeutet im Rahmen einer Theorie 1. Ordnung (nur singul~e Terme des Nahfeldes), dass die Richtungs~nderung durch die Bedingung KII -- 0 festgelegt ist. Voraussetzung ist aber, dass die Rissausbreitung allein durch das Spannungsfeld gesteuert wird und das Material isotrop ist. Diese Theorie wird durch unzfiahlige Schadensf'eille und praktische Erfahrungen best~tigt. 9 Echte Mixed-Mode-Situation KII ~ 0 Unter den eingangs in Abschnitt 3-4.4 anfgez~hlten Bedingungen kommt es dazu, dass zu Beginn des Risswachstums echte Modus-II Anteile auftreten oder sich sp~iter spontan wieder einsteUen. Dann erfolgt tats~ichlich ein abruptes Abknicken des Risses nach (3.314). Bei der numerischen Simulation der Rissausbreitung mit FEM ist man zu endlichen Rissinkrementen gezwungen, so dass sich ein polygonfSrmiger Pfad mit unstetigen Richtungs~derungen ergibt. Dabei wendet man meistens ein explizites Schema zur Integration des Rissausbreitungspfades an: Die Richtungs~nderung A0 wird aus den K-Faktoren bei a0 abgeleitet und nicht aus der Bedingung Kii(a0 + Aa) ----0 am Intervallende. Dazu w~ire ein iteratives implizites Schema notwendig. Somit entsteht ein Kii(a0 + Aa) r 0, was im Grunde ein Approximationsfehler ist, von dem man annimmt, dass er sich beim n~chsten Rissinkrement korrigiert. Voraussetzung dafiir ist eine ausreichend feine Inkrementierung Aa der Rissausbreitung. Erw~hnt werden sollen erweiterte Richtungskriterien fiir krummliniges Risswachstum (siehe [61,264]), wobei in der Nahfeldl6sung die

134

3 Grundlagen der Bruchmechanik

T11-Spannungen 2. Ordnung Beriicksichtigung finden und das Kriterium der maximalen Umfangsspannung genutzt wird. Zum Abschluss soll die Frage der Richtungsstabilitiit der

Bild 3.58: Zur Richtungsstabilit/it bei Rissausbreitung Rissausbreitung diskutiert werden. Gemeint ist damit, wie der Riss auf kleine St5rungen des Risspfades infolge von Materialinhomogenit~iten, Lastschwankungen o. s reagiert. COTTERELL • RICE [67] haben auf der Basis der LSsung fiir einen abgeknickten Riss (Bild 3-55) im K-Feld des Hauptrisses die folgende Theorie abgeleitet. Ausgangssituation ist eine Mixed-Mode-Belastung Ki(a), Kii(a), die nach (3.314) einen Abknickwinkel 00 bedingt, siehe Bild 3.58. Die weitere Ausbreitung des Ar~risses y(x) konnte n~iherungsweise integriert werden unter der Voraussetzung, dass dabei K~i(a* ) = 0 bleibt, was auch dem Maximum von G* (a*) entspricht. Auf die Form des Risspfades hat die Tm-Spannung am Hauptriss groi~en Einfluss. So ergaben sich zwei LSsungszweige, siehe Bild 3.58:

00g 2

y(x) --* ~

OoKi y(x) --* - ~

/" 8T21

exp ~ - ~ 2 x )

ffir Tll > 0

(3.320)

ffir Tll ( O.

(3.321)

Das Ergebnis besagt: F/Jr positive Spannungen Tm parallel zum Hauptriss biegt der Anriss v o n d e r Ursprungsrichtung 00 nach oben weg y~ --~ c~ - die Richtung wird instabil. Bei Druckspannungen Tll < 0 hingegen wird der Riss auf seine Ursprungsrichtung 0 -- 0 gedr/ingt y~ --~ 0 - stabil. (Das kann man sich auch mit den Hauptspannungen veranschaulichen.) Die Vorhersagen dieses Modells wurden durch Experimente verifiziert. Die Untersuchungen unterstreichen die Bedeutung der T11-Spannungen bzw. ihrer normierten Form, dem Biaxialparameter, in der Bruchmechanik:

/~T- TllX/~ KI

(3"322)

3.5 Dynamische Bruchvorg~hlge 3.5

Dynamische

3.5.1

Einfiihrung

135

Bruchvorg~inge

Von dynamischen Vorg~ingen spricht man in der Bruchmechanik immer dann, wenn die Verformungen im rissbehafteten K5rper mit hoher Geschwindigkeit ablaufen und als Folge beschleunigter Masseteilchen grot~e Tr~gheitskr~fte auftreten. Beide Effekte bestimmen die Beanspruchung und die Beanspruchbarkeit matggeblich. Hohe, unerwfinschte dynamische Belastungen von Bauteilen mit Rissen treten in der Technik bei Stotg- und Schlagprozessen, Fall- und Crashvorg~gen sowie Explosionen auf. Auch Erdbeben sind Wellenausbreitungen, die durch dynamische Bruchvorg~ge in der Erdkruste hervorgerufen werden. Bewusst eingesetzt werden dagegen dynamische Bruchvorg~nge im Bergban (Sprengungen), in der Geotechnik (Hydrocracking) und bei Zerkleinerungsprozessen. Grunds~tzlich muss man in der dynamischen Bruchmechanik zwei Fragestellungen unterscheiden: 9 Den ruhenden (station~iren) Riss unter dynamischer Belastung. Die Wirkung der ~iui~eren Belastung wird fiber Spannungswellen durch das Material anf den Riss fibertragen. 9 Den schneU laufenden (instationSren) Riss. Hierbei werden dutch die hochdynamischen Trennvorg~nge vom Riss selbst elastodynamische Wellen emittiert. Dynamische Bruchvorg~nge sind aus folgenden Grfinden meist gef~hrlicher als statische: Erstens verlaufen sie nach Rissinitiierung fast immer instabil, was insbesondere bei sprSden Werkstoffen zum unkontrollierten Versagen des gesamten Bauteils fiihren kann. Nach einer kurzen Beschleunigungsphase erreichen dynamische Risse sehr groge Ausbreitungsgeschwindigkeiten, die in der Gr5s der SchallweUengeschwindigkeiten liegen. Bei einem Uberangebot von Energie treten anch noch Rissverzweigungen auf. Zweitens verursachen die hohen Verzerrungsgeschwindigkeiten an der Rissspitze in vielen Werkstoffen eine Verspr5dung, d.h. anfgrund viskoelastischer oder viskoplastischer Effekte verringert sich das EnergieabsorptionsvermSgen der Bruchprozesszone und die Bruchziihigkeit sinkt. Aufgrund der komplizierten elastodynamischen Wellenerscheinungen wie Reflexion, (~berlagerung, Dispersion und D~mpfung existiert bei dynamischen Bruchvorg~ngen kein proportionaler Zusammenhang mehr zwischen dem zeitlichen Verlauf von Belastung a(t) und Rissbeanspruchung KI (t). Grunds~tzlich kann man bei Stot~belastung folgende Tendenzen feststellen: Die Wellenph~nomene dominieren zu Anfang in einem kurzen Zeitbereich, solange hohe kinetische Energie im System ist. Mit wachsender Zeit wird diese Energie dissipiert, die Wellen werden ged~mpft, zerstreut und klingen schlieglich ab. Je grSiger der Pdss im Verh~iltnis zur Probe ist, desto ausgepr~igter ist der Kurzzeiteffekt, d.h. es treten intensive Oszillationen von Kz(t) auf wie z.B. beim Kerbschlagversuch. Ein kleiner Riss in grotgen Banteilen wird hingegen nur einmal von einer einlanfenden Wellenfront erfasst, die sich dann verflfichtigt. Die folgenden Ausffihrungen zu den theoretischen Grundlagen der dynamischen Bruchmechanik beschr~nken sich auf spr5de Werkstoffe und zweidimensionale Probleme. Die zeitabh~ngigen Spannungs- und Verformungsfelder im KSrper mit Riss werden deshalb

136

3 Grundlagen der Bruchmechanik

als LSsung entsprechender Anfangs-Randwertaufgaben (ARWA) der linearen Elastizit~itstheorie (Anhang n.5) berechnet.

3.5.2

Elastodynamische Grundgleichungen

Ausgangspunkt sind die NAVIER-LAM~schenGleichungen, die das DGL-System der linearen Elastodynamik in Form der Verschiebungsfelder beschreiben und mit entsprechenden Anfangs- und Randbedingungen zu komplettieren sind. ()~ + #)uj,ji + #ui,jj = p i l i

(3.323)

Diese Gleichung gewinnt man durch Einsetzen des HOOKEschen Gesetzes (A.88) in die Bewegungsgleichungen (A.7o) (ohne Volumenkr/ifte bi = 0) und anschliegende Substitution der Verzerrungen fiber die kinematischen Beziehungen (A.29). Zur L5sung der DGL (3.323) wird das Verschiebungsfeld mit einem SkalarPotenzial T(x, t) und einem Vektorpotenzial r (x, t) angesetzt bzw.

u(x,t)=V~+Vx~p

ui=~,i+eijkCj,k,

(3.324)

woraus sich fiir beide Potenziale HELMHOLTZscheWellengleichungen ergeben. c2A~o = ~,

c2Ar = ~

(3.325)

Das Skalarpotenzial ~ verkSrpert eine Volumen~nderung, wohingegen das Vektorpotenzia l r eine reine Gestalt~nderung beschreibt. Deshalb entsprechen die Konstanten Cd bzw. c~ den Ausbreitungsgeschwindigkeiten von DilatationsweUen (LongitudinalweUen) bzw. von ScherweUen (Transversalwellen).

C d = ~ 2~,

Cs=~p

(3"326)

Ebene elastische Wellen, die sich im unbegrenzten 3D-KSrper in Richtung des Normalenvektors n ausbreiten, kSnnen wie folgt dargestellt werden =

n-

cdt)

=

cst).

(3.327)

Die Dilatationswelle bewegt die Teilchen in Richtung der Wellenausbreitung, wohingegen die Scherwelle Verschiebungen in beide transversale Richtungen der Wellenebene bewirkt. Fiir dynamische Rissprobleme haben augerdem Oberfl~ichenwellen (RAYLEIGH-Wellen) eine grotge Bedeutung, da sie sich haupts~ichlich entlang lastfreier Oberfi/ichen (Rissufer) ausbreiten und ins Volumen hinein rasch abklingen. Ihre Ausbreitungsgeschwindigkeit ca ergibt sich aus der NuUstelle der so genannten RAYLEIGH-Funktion D(c). D(c) = 4adas -- (1 + a2) 2

--* D(CR) = 0

(3.328)

3.5 Dynamische Bruchvorg~Lnge

C2

1

~ 1 V2

137

(3.3 9)

Die Wellengeschwindigkeiten in Konstruktionswerkstoffen variieren von minimal 900 m/s (Kunststoffe) bis maximal 11000m/s (Keramiken). Ffir Stahl- und Aluminiumlegierungen betragen sie etwa: Cd ~ 5 900 m/s, c~ ~ 3 100 m/s und cR ~ 2 900 m/s. Es gilt die Relation cR < cs < Cd.

3.5.3

Station~ire Risse bei dynamischer Belastung

An der Spitze eines dynamisch belasteten, station~iren Risses stellen sich exakt dieselben Nahfelder ein wie im statischen Fall. Es existieren die gleichen Singularit~ten und die Aufspaltung in die drei RissSffnungsmoden I, II und III mit den Spannungsintensit~itsfaktoren als BeanspruchungskenngrSs Damit kSnnen alle in Abschnitt 3.2 hergeleiteten asymptotischen Beziehungen fiir die Spannungen, Verzerrungen und Verschiebungen bei (3.16)), Modus II ((3.23) - (3.26)) und Modus I I I ( (3.31) - (3.32)) Modus I ((3.12) iibernommen werden. Der wesentliche und einzige Unterschied zum statischen Lastfall besteht darin, dass die K-Faktoren in der Dynamik von der Zeit t abh~ngen. -

Diese LTbereinstimmung kann man sich mathematisch anhand der DGL (3.323) herleiten. Macht man ffir das Verschiebungsfeld an der Rissspitze einen nichtsingul~ren Ansatz ui = r~9(~,t) (0 < A < 1), so verhalten sich die Spannungen wie r ~-1 und die 2. Ortsableitungen auf der linken Seite von (3.323) wie r ~-2. In der Asymptotik r --* 0 verschwinden die Tr~igheitskr~ifte p ~ ,,~ r ~ somit von hSherer Ordnung und diirfen vernachl~issigt werden. Die Berechnung der K-Faktoren als Funktion der transienten Belastung, der Banteilgeometrie, der Rissl~nge und der Zeit erfordert die L6sung der elastodynamischen ARWA. Die wenigen verfiigbaren analytischen LSsungen fiir unendlich ausgedehnte Gebiete beruhen zumeist auf der LAPLACE-Integraltransformation, siehe FREUND [97]. Einige grundlegende Phs der dynamischen Rissbelastung sollen am Beispiel des 2D Problems (Bild 3.59) diskutiert werden. Untersucht wird ein Riss der L~nge l = 2a in der Ebene (Annahme EVZ), dessen Ufer bei t -- 0 sprungartig mit der Spannung p(t) = a* belastet und nach einer Zeit t* wieder vollst~ndig entlastet werden. Die Sprungbelastung generiert an jedem Punkt der Rissufer nach dem HUYGENschen Prinzip Elementarwellen, deren EinhfiUende die aktuellen WeUenfronten bilden. Fernab von den Rissspitzen werden ebene Wellen parallel zu den Rissufern abgestrahlt. Um jede Rissspitze entstehen jedoch zwei konzentrische kreisfSrmige Wellenfronten, die einer Dilatations- und Scherwelle entsprechen, deren Radien mit Cdt bzw. cst anwachsen. Solange diese Wellenfronten noch nicht

138

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Bild 3.59: Zeitlicher Verlauf des Spannungsintensit~tsfaktors bei Belastung eines Risses mit einem Rechteckimpuls

die jeweils andere Pdssspitze erreicht haben, d.h. die Laufzeit t < 2a/cd ist, verh/ilt sich jede Rissspitze autonom wie bei einem halbunendlichen Riss. Aus Griinden der Selbst/ihnlichkeit des Spannungsfeldes a~j (r, t)x/-~ ~ a * v / ~ steigt der Spannungsintensit~itsfaktor mit der Zeit an (Bild 3.59, rechts oben):

g

(t) =

VT

ffir 0 < t <

2a/cd.

(3.332)

Erreichen die Dilatationswellen die andere Rissspitze, so erzeugen sie dort eine zus~tzliche Zugbelastung, die erst nach dem sp~iteren Eintreffen der RAYLEIGH-Welle bei T ----2a/ca wieder absinkt. Das hierbei auftretende Maximum des dynamischen Spannungsintensit/itsfaktors KIm~x iibersteigt die statische LSsung K [ ta = ( r * v / ~ fiir diesen Riss um etwa 3o % (bei ~ = 0,3)! Dieses Ph~nomen wird dynamisehes ~)berschwingen (engl. dynamic overshoot) genannt. Der UberhShungsfaktor x > 1 zur statischen L5sung h~ngt von der Risskonfiguration und der Flankensteilheit des Impulses p(t) ab. m a x K i ( t ) ~ KI(tma~ = 2a/ca) = xK~ ta t

(3.333)

Nach dem Maximum pendelt sich der KI (t)-Verlauf in mehreren Schwingungen auf seinen statischen Wert ein, siehe Bild 3.59 rechts unten. Die Amplituden klingen ab, da vom Riss fortlaufend Wellen ins Unendliche abgestrahlt werden. Das Verhalten von KI (t) nach Entlastung bei t* ist fiir beide F/ille in Bild 3.59 illustriert. Man erkennt, dass die Charakteristik der LSsung wesentlich vom VerhEltnis der Impulsdauer t* zur Laufzeit einer RAYLEIGH-Welle ~- ----2a/cR fiber die Rissl~inge abh~ngt. Durch

3.5 Dynamische Bruchvorg~Lrlge

139

Anwendung des K-Konzeptes Ki(t) = Kid kann fiir beide Fiille aus (3.332) und (3.333) die kritische GrSge a~ des rechteckfSrmigen Spannungsimpulses ausgerechnet werden (EVZ, ~ = 0,3):

....

Kid /

bei t* << 2a/cR (3-334)

1 Kid a* -- 1,3 ~ -- const.

bei t* >> 2a/cR

Bei langen Impulsen verh~lt sich die kritische Belastung qualitativ wie im statischen Fall (3-79)- Bei sehr kurzen BelastungsstSf~en steigt jedoch die ertragbare Spannung (bei konstanter Rissliinge) mit 1 / v / ~ -, da sich der K-Faktor erst aufbauen muss. Tats~chlich sind diese Zeiten extrem kurz. Fiir einen 10 m m gro~en Riss in Aluminium betr~gt T ~-. 3,4 #s.

3.5-4

Dynamische Rissausbreitung

Wie sieht das Nahfeld an der Spitze eines Risses aus, der sich mit der Geschwindigkeit & ausbreitet? Zur LSsung fiihren wir an der Rissspitze ein wieder mitbewegtes Koordinatensystem (xl -- X1 - ~t, x2 -- X2) ein (Bild 3.60). Zun~chst soll der Modus-III-Fall betra~htet werden, worauf die Belastungen Modus I + II in der Rissebene folgen.

Nichtebener Schub Modus I I I In diesem Fall vereinfachen sich die NAVIER-LAMt~schen Gleichungen (3.323) wegen ul -u2 -- 0, 0x3 o o _ 0 auf eine WeUengleichung fiir das longitudinale Verschiebungsfeld u3

C2U3,jj(Xl, X2) = die aufgrund von ~~

"~3(Xl, X2),

(3"335)

----- 6 ~0Xl folgende Form annimmt:

02U3 1 02U3 Ox 2 + a 2 0 x 2 -- 0

/

mit as ----V1

~2

c2 9

(3.336)

Um diese DGL in eine Potenzialgleichung umzuwandeln, wird eine modifizierte (gestauchte) x2-Koordinate x2 :-- a~x2 eingeffihrt, was in komplexer Schreibweise lautet: Zs ----X 1 -]- iOLs X2 ~ r s e i0s

mit rs =

a s x 2,

0s = arctan

OsX 9)

k Xl

(3-337)

Damit gilt Au3(rs, 0s) -- 0,

(3.338)

14o

3 Grundlagen der Bruchmechanik

zu deren LSsung wir wie im statischen Fall (Abschnitt 3.2.2) die Methode der komplexen Funktionen anwenden kSnnen: ~u 3

=

~'-~(Zs) ,

7-13 -- i ~-2---~3= S2'(Zs).

(3"339)

Ods

Derselbe Reihenansatz (3.51) ffir die Spannungsfunktion ~ befriedigt die Rissufer- Rand1/2 bedingungen. Wir werten nur den singul~iren Term n = 1 aus, ~2(zs) = ClZs , wobei Cl = - K I I I V/2-/~r gilt. Mit (3.339) findet man letztendlich die Spannungen und Verschiebungen des Nahfeldes:

Die LSsung ist Khnlich wie im statischen Fall als P r o d u k t von Radius- und Winkelfunktionen aufgebaut. Die Spannungen sind singul~ir mit r - 1 / 2 und das Verschiebungsfeld ist proportional zu r 1/2. Allerdings h~ingen die Winkelfunktionen der Felder nun fiber as und rs von der Pdssgeschwindigkeit h ab. Dieser Unterschied zum statischen Problem verschwindet bei & = 0 (as = 1, rs = r, 0s = 0), vgl. (3.3z) und (3.32). Zur Abk/irzung wurde das Verh~iltnis zwischen dem skalierten und dem wahren Radius eingefiihrt: 7s(O) = r~- = ~ 1 - (f~sinO~ 2 r \ cs /

"rd(0) = rdr = ~ 1 -

\(asin~2Cd /

(3.341)

Bild 3.60: Mitgefiihrte Koordinatensysteme und Integrationspfade am schnell bewegten Riss

3.5 Dynamische Bruchvorg~uge

14x

Ebener Zug (Modus I) und Schub (Modus II) Fiir ebene Aufgaben (EVZ: u3 - 0, ~-~ -~ 0) reduziert sich die LSsungsdarstellung (3.324) auf zwei WeUengleichungen, denen das SkalarPotenzial und die r = r des VektorPotenzials (r - r - 0) gehorchen miissen:

cd ~,~ = ~,

e. r

= r

(3.342)

~hnlich wie im Modus-III-Problem liefert jetzt die Transformation anf das mitbewegte Koordinatensystem (Xl, x2) zwei zeitunabhgngige DGL mit den Parametern:

02~

1 02~

Ox~ + 02r

~-

---0, ad Ox~ 1 02r

&2

ad = V ,

o ~ + ~ o~--~ - 0,

,/

-c~ &2

~ = vl

-~.

(3.343)

Die Einfiihrung der skalierten Koordinaten (3.337) in die 2. Gleichung und entsprechender Ausdrficke Zd = xl + i a d X2 = rd e 10d

mit

rd =

Xl2 + a d X2 ,

0d = arctan

\

xl

}

(3-344)

in die 1. Gleichung ergibt die Potenzialgleichungen A~(rd, Od) = O,

Ar

Os) = O.

(3.345)

Zur L6sung werden beide ~ n k t i o n e n entweder als Real- oder I m a g i n ~ t e i l einer komplexen analytisehen Funktion angesetzt, ffir die wir nur den dominanten Term einer Reihenentwicklung verwenden: = .A. . SI~'* . . d3/2

,

= A,~z~/2,

r = B . ~ z 3/2

ffir Symmetrie (Modus I)

r

ffir Antimetrie (Modus I I ) .

B ~ z 3/2

(3.346)

Aus den Randbedingungen spannungsfreier Rissufer (T21 = 0"22 = 0 bei 0 = • bestim_mt man die reellen Konstanten A und B = A 2ad/(1 + 32). Nach umfangreichen Rechnungen gewinnt man daraus die Spannungs- und Verschiebungsfelder an der Rissspitze, siehe [212], fiber die Beziehungen:

0~

0r

0~

?-tl = ~ X 1 ~- ~XX2,

U2 - - 0 X 2

[02~ 0 " 1 1 ----

0"12 = ,

0r 0X 1

+

[02~

02r ]

A A ~ + 2 # / ~ x 1 2 + OxlOx2J '

[2 L~

(3"347)

32, 02r ox~ ox~ J

322 =

AA~ +

02r ]

2# L~x~x22 0x10x2

(3.34s)

142

3 Grundlagen der Bruchmechanik

Die Spannungsintensit~itsfaktoren sind wie im statischen Fall definiert: Ki(t) = lira 2x/2x/2x/2x/2x/2x/2~a22(r, 0 = 0, t) r---*0

K I I ( t ) = lira 2%/2%/2%/2%/2%/2%/~rT21(/ 0 =,' 0 , t ) r----~o

(3.349)

KIII(t) = lim 2%/2~T23(r, 0 ----0, t). r---*0

Die dynamischen Rissspitzenfelder besitzen grunds~itzlich die gleiche Struktur wie in der Statik, vgl. (3.12), (3.16) und (3.23), (3.25). Jedoch h~ingen ihre GrSge und die Winkelverteilung von der Rissgeschwindigkeit 5 ab, die in die RAYLEIGH-Funktion (3.328)

3.5 Dynamische Bruchvorg~nge

143

sowie die Konstanten ad, as (3.343) und 3'd, % (3.341) einflieJgt. Ffir a --* 0 gehen (3.350) und (3.351) in die genannten Beziehungen der Statik fiber. Man kann zeigen, dass die Beschleunigung/i des Risses keinen Einfluss auf die singul~ire NahfeldlSsung besitzt, sondern sich nur anf hShere Terme der Reihenentwicklung auswirkt [212]. Das bedeutet, die hier abgeleiteten Beziehungen (3-340), (3.350) und (3.351) gelten anch f/ir beschleunigte (beliebige) Rissausbreitung. Die K-Faktoren und die Geschwindigkeit ~ bestimmen somit eindeutig die Beanspruchungssituation am bewegten Pdss in einem isotropen elastischen Medium. Das 2. Glied der Reihenentwicklung beschreibt die dynamischen T-Spannungen: / 2 11_ 1 ~,OLd T d y nt'~sta

__ . 2 )

,

t-pdyn = ~22

T dyn =

0

(3.352 )

Bild 3.61: Winkelverteilung der normierten Umfangsspannung als Funktion der relativen Rissgeschwindigkeit &/c~ f/ir Stahl Abschliegend soll noch das Spannungsfeld (3.350) am schnell laufenden Riss ffir Modus I diskutiert werden. Aus bruchmechanischer Sicht interessieren vor allem die maximalen Umfangsspannungen aoe(r, 8). Ihre Winkelverteilung ist in Bild 3.61 f/Jr unterschiedliche Pdssgeschwindigkeiten aufgetragen. Bis zu einer Geschwindigkeit yon/~ < O,6cs der Scherwellengeschwindigkeit befindet sich das Maximum von aee bei ~ = 0, d.h. in der Richtung der Rissausbreitung. Bei grSJgeren Rissgeschwindigkeiten verschiebt sich die Lage des Maximums zum Winkel ~ -- 60 ~ Unterstellt man die Gfiltigkeit des Kriteriums der maximalen Umfangsspannung (Abschnitt 3.4.4), so m/isste der Riss bei grStgeren Geschwindigkeiten ~ > 0,6c~ in diese Orientierung abknicken oder sich symmetrisch verzweigen. Wenngleich Rissverzweigungen bei derartigen Geschwindigkeiten ein h/~ufig beobachtetes Ph~inomen darstellen, folgt aus dem Spannungszustand allein keine ausreichende Erkl~rung. Ein wichtiger Grund fiir den Verlust der Richtungsstabilit~t bei

144

3 Grundlagen der Bruchmechanik

schneller Rissansbreitung liegt im (~berangebot an kinetischer Energie, die der Riss nur durch Verzweigungen abbauen kann. Untersucht man das Verh~tnis der Spannungen a22/0.11 auf dem Ligament ~ ----0 in Abh~ingigkeit v o n d e r Rissgeschwindigkeit & ('Yd ----% ----1) a22 -----(1 -F as2)2 -F 4OZdOls all (1 + a2)(1 + 2a 2 -- a 2) -- 4ad a s '

(3.353)

SO ergibt sich ein abfallender Verlanf vom Wert 1 (d = 0) bis auf null (~ = ca), da im Z~hler die RAYLEIGH-Funktion D(& = ca) = 0 steht. Bei hohen Rissgeschwindigkeiten ist somit 0.11 > 0"22, wodurch eine Materialtrennung senkrecht zur Rissrichtung begfinstigt wird. Augerdem verringert sich die Mehrachsigkeit h beachtlich, was die plastische Verformung bzw. ErhShung des Bruchwiderstands mit & erkl~irt.

3.5-5

Energiebilanz

und J-Integrale

Im Fall dynamischer Bruchvorg~nge muss die kinetische Energie/C (3.72) in die Energiebilanz bei Rissausbreitung einbezogen werden. Wir betrachten einen elastischen, thermisch abgeschlossenen KSrper (Q = 0) und nutzen die Ergebnisse aus Abschnitt 3.2.4, (3.69). Die ~ugere Arbeit ]4;ext (3.7o) wird in Form~inderungsenergie Wint (3.71) und kinetische Energie K: (3.72) umgesetzt, der verbleibende Energiebetrag steht fiir Rissausbreitung zur Verfiigung, d.h. dWext - d(Wint + K:) - d ( / / + K:) d/) --- G --- 2"7. dA dA dA

(3.354)

Die globale Energiefreisetzungsrate G beschreibt die angebotene mechanische Gesamtenergie des Systems bei einem infinitesimalen Rissfortschritt. Fiir einen ruhenden, dynamisch beanspruchten Riss besteht der gleiche Zusammenhang zu den Spannungsintensit~itsfaktoren wie in der Statik (3.93), da identische Rissspitzenfelder vorliegen, allerdings zeitabh~iagig: 1( ) 1+~, G(t) = -~7 K 2 ( t ) -F Ki2i(t) -F T KI2II(t)"

(3.355)

Um die Energiebilanz am schnell bewegten Riss zu berechnen, kniipfen wir an die Uberlegungen zum duktilen Risswachstum in Abschnitt 3.3.7 an, siehe Bild 3.48. Wir beschr~inken die Herleitung auf elastodynamisches Materialverhalten und ziehen die Prozesszone A B auf einen Punkt um die Rissspitze mit der dominanten Singularit~it zusammen, FB = F~ ---* O. Der Energiefluss (3.273) wird um die kinetische Energie des K5rpers erweitert, )'~B ---- ]~ext -- )'Vint --/~, und hat die Bedeutung einer eehten Energiefreisetzungsrate, da dissipative plastische Terme in Wint entfallen: --

--

--

ti/ti ds LS~

U + -P4iT/i~ dA 2 / A

(3.356)

3.5 Dynamische Bruchvorg~ge

145

Wir wechseln wieder auf das mitbewegte r~iumliche Koordinatensystem (Xl, X2) fiber (Bild 3.6o, Bild 3.48), weshalb die materielle Zeitableitung in (3.356) mit dem REYNOLDschen Transporttheorem zu behandeln ist: d--t

2

J

~

A

~'As'A,i] nl ds

}

+ pai/ii dA - h

A

(3.357)

F~

Unter Berficksichtigung der Bewegungsgleichungen aij,j = p/is und O U / O t = a i j i t i , j kann der Ausdruck im 1. Integral in (crij/ts),j umgeformt werden. Die Anwendung des GAvssschen Satzes ergibt dann ein Randintegral fiber C -- S + F + + F - - _re, von dem bei last@eien Rissufern und us -- 0 auf S~ nur die Anteile S t und F~ verbleiben (Bild 3.48). Einsetzen in (3.356) liefert schlies

J: =

a

tsi~s

+ A

+ ;uiui

ni

9

(3.358)

Fiir die Verschiebungsgeschwindigkeit auf Fe --* 0 gilt aufgrund der lokalen Stationaritiit nach (3.277) its = - - C t U i , 1 .

Zur numerischen Auswertung v o n G d y n ist es zweckm~giger, das Nahfeldintegral (3.360) auf F~ --~ 0 durch ein Linienintegral entlang eines beliebigen ~iut~eren Pfades F zu ersetzen, was ein Integral fiber die darin eingeschlossene Fl~iche .4 erforderlich macht (Bild 3.6o). Analog zu (3.279) ergibt die Umwandlung von (3.36o) ein wegunabh~ingiges Linien-Fl~chen-Int egral:

F

Im SpezialfaU einer konstanten Rissausbreitungsgeschwindigkeit A und station~rer Verh~ltnisse in J gilt /ti = -Aus,1, ~i,1 = -AUi,ll und/is = --a2ui,1, womit das Fl~chenintegral verschwindet. Dann wird die Energiefreisetzungsrate allein durch das wegunabhfiaagige Linienintegral fiber F repr~sentiert. Bei Rissausbreitung in endlichen Strukturen treten diese Bedingungen jedoch selten ein. Fiir den ruhenden Riss (A -- 0) vereinfacht sich der Ausdruck fiir die Energiefreiset-

146

3 Grundlagen der Bruchmechanik

zungsrate auf: (3.362)

Im rein statischen Fall entfallen auch noch die Tr~gheitskr/ifte p/ii in A, so dass man folgerichtig beim klassischen J-Integral (3.1oo) angelangt. Der Zusammenhang zwischen Energiefreisetzungsrate G dyn und den Spannungsintensit/itsfaktoren kann wie in der Statik entweder fiber das Energieflussintegral (3.359) oder das dynamische Analogon zum Rissschliegintegral (3.89) hergestellt werden, indem man dort die dynamischen Rissspitzenfelder aus Abschnitt 3.5.4 einsetzt [97[.

Diese Relation gilt nur bei selbst~nlicher Rissausbreitung (auf xl-Achse), aber fiir jeden transienten Verlauf ~(t). Ffir d = 0 geht (3.363) in die statische Beziehung (3.93) fiber. Die Funktionen AI und AII werden singular bei 5 --* cR (D(cR) ----0) und die Funktion AIII bei 5 --* c~. Wenn Gdyn(-- 2"/D) beschr~nkt bleiben soll, miissen die K-Faktoren gegen null tendieren. Das bedeutet, die RAYLEIGH-Geschwindigkeit ist die obere Grenze der Ausbreitungsgeschwindigkeit hm~x = cR ~ 0 , 5 7 X / ~ fiir Risse unter Modus I oder II, was durch experimentelle Beobachtungen erwiesen ist [170,212]. Ffir Modus III bildet hingegen die Scherwellengeschwindigkeit die Grenze.

3.5.6

Bruchkriterien

Weil die elastodynamischen Spannungsintensit~itsfaktoren die Beanspruchung an der Rissspitze kontrollieren, gilt mit denselben Argumenten wie in der Statik das K-Konzept. Wir beschr~inken uns auf den wichtigsten Fall Modus I. Ffir die Phase der Rissinitiierung kann folgendes Kriterium postuliert werden:

Ki(t) = Km(/~i, t*)

(3.364)

Die rechte Seite Kid repr~isentiert die dynamische BruchzShigkeit (engl. dynamic initiation toughness), die v o n d e r Geschwindigkeit /~I der Rissbeanspruchung a b h ~ g t und ffir metallische Werkstoffe unterhalb der statischen Bruchz~higkeit liegt, Kid
3.5 Dynamische Bruchvorgfi~nge

147

Bild 3.62: Initiierung, Beschleunigung und Auffang bei dynamischer Rissausbreitung Nachdem ein dynamischer Bruchvorgaag gestartet ist, h/ingt der weitere Verlauf der Rissausbreitung vom Energieangebot und dem Energieverbrauch ab. Das Spannungsfeld am bewegten Riss und die Energiefreisetzungsrate werden durch den dynamischen Spannungsintensit/itsfaktor KI und die Rissgeschwindigkeit h bestimmt. Andererseits ist die vom Werkstoff dissipierte Bruchenergie 2V ebenfaUs geschwindigkeitsabh~gig. Das Bruchkriterium eines laufenden Risses hat deshalb die Form: Ki(t, a) -- KID(d,/~i, T)

bzw.

Gdyn(t, a) ----2VD(a,/~I, T) 9

(3-365)

Mit dem Index D wird die BruchlaufzShigkeit (engl. dynamic crack growth toughness) gekennzeichnet, die sich von Kid grunds~itzlich unterscheidet. Aufw~ndige Experimente sind notwendig, u m KID als Funktion der Rissgeschwindigkeit ~ zu ermitteln. Fast alle Werkstoffe zeigen aufgrund unterschiedlicher Mechanismen (Rissverzweigung, Dehnratenabh/ingigkeit, adiabatische Erw/irmung) einen enormen Anstieg der Bruchz/ihigkeit KID mit~. Geniigt das Energieangebot nicht mehr, so verlangsamt sich die Rissgeschwindigkeit und es kommt schlieglich zum Rissstopp oder Rissauffang (engl. crack arrest), wenn folgende Bedingung erfiillt ist:

Ki(t, d) <_KIa.

(3.366)

Die RissstoppzShigkeit (engl. crack arrest toughness) KIa charakterisiert die F~ihigkeit des Werkstoffs, einen laufenden Riss aufzufangen. Der Rissauffang ist nicht die Umkehrung der Rissinitiierung! Deshalb gilt KIa < KID(5 --+ 0) < Kid. Mit dem Rissauffangkonzept wird in der bruchmechanischen Auslegung sichergestellt, dass ein Riss in z~iheren Werkstoffbereichen KIa > KI zum Stillstaad kommt. Zum Schluss soll das typische Szenario eines dynamischen Bruchvorgangs beschrieben werden. In Bild 3.62 ist ffir ein angerissenes Bauteil der angenommene Verlauf der Spannungsintensitiit KI als Funktion der Rissl~inge a daxgestellt. Bei einer statischen Belastung w~ire eine Rissl~inge aos notwendig, um den Bruch bei KI ---- Kic einzuleiten. Bringt man den gleichen Ki-Faktor dutch dynamische Belastung auf, so ist bereits eine Rissl~nge a0d < a0s kritisch. Nach dem Start gewinnt der Riss weitere Energie (schraffierte Fl~iche), well Ki(a) noch ansteigt, so dass sich seine Geschwindigkeit erhSht. Die

148

3 Grundlagen der Bruchmechanik

dynamische Bruchz~ihigkeit KID wird zur Vereinfachung als konstant angesetzt. F~illt die antreibende Belastung Ki(t) unter den KiD-Wert , so bewirkt die noch verfiigbare kinetische Energie eine Fortsetzung des Bruchvorgangs, so dass der Riss erst sp~iter bei KI (a~) < KI~ aufgefangen wird.

4

Methode

der Finiten Elemente

Die Finite Elemente Methode (FEM) (engl. finite element method) z~ihlt gegenw~rtig zu den leistungsf~ihigsten und universellsten numerischen Berechnungsverfahren flit die LSsung partieller Differentialgleichungen aus Technik und Naturwissenschaften. Die grundlegenden mathematischen Ideen gehen auf die Arbeiten von RITZ, GALERKIN, TREFFTZ U.a. am Anfang des 2o. Jahrhunderts zurfick. Mit der Entstehung der modernen Rechentechnik in den 6oer Jahren konnten die numerischen LSsungsans~tze mit der FEM erfolgreich umgesetzt werden. Die Entwicklung wurde enorm dutch strukturmeehanische Berechnungsaufgaben in der Luftfahrt, dem Bauwesen und Maschinenbau motiviert. Den Pionierleistungen von ARGYRIS, ZIENKIEWICZ, TURNER, WILSON U.a. verdanken wir die eigentliche und bis heute iibliche Formulierung der Finite Elemente Methode. Dabei wird das Differenzialgleichungssystem in ein ~iquivalentes Variationsproblem (schwache Formulierung) fiberffihrt, wozu meist Prinzipien der Mechanik oder die Methode der gewichteten Residuen genutzt werden. Zur LSsung der RWA werden Ansatzfunktionen ffir begrenzte Teilgebiete >)Finite Elemente<( gemacht, deren Freiwerte schliet~lich durch numerisehe LSsung eines algebraischen Gleichungssystems bestimmt werden kSnnen. In diesem Kapitel sollen zuerst einige Prinzipien der Kontinuumsmechanik dargelegt werden, um die theoretischen Grundlagen der FEM zu erliiutern. Danach erfolgt eine knappe Darstellung der Diskretisierungstechniken und der numerischen Realisierung der FEM. Diese Ausffihrungen soUen die Basis ffir das Verstiindnis der folgenden Kapitel bereiten, in denen dann die Anwendung der FEM in der Bruchmechanik ausffihrlich behandelt wird. Dem Leser werden zur Erg~nzung weiterffihrende Lehrbficher fiber FEM empfohlen, von denen es eine grot~e Auswahl gibt.

4.1

R~iumliche und zeitliche Diskretisierung der Randwertaufgabe

Im Abschnitt A.5 sind die grundlegenden Beziehungen der FestkSrpermechanik zusammengestellt, die zur Formulierung einer (Anfangs-)Randwertaufgabe ARWA notwendig sind, vgl. Bild A.16 und (A.139). Die Methode der finiten Elemente ist ein Approximationsverfahren zur LSsung von ARWA. Sie basiert auf der numerischen Umsetzung von Energieprinzipien der Mechanik, die zu diesem Zweck in Raum und Zeit diskretisiert werden. Dazu wird das Gebiet V des betrachteten KSrpers in eine Anzahl nE endlicher Teilge. biete V~, die Finiten Elemente (engl. finite elements), zerlegt, ffir die man vereinfachte Ans~itze formuliert. Die finiten Elemente werden mit dem Laufindex e = 1 , . . . , nE nummeriert. Als Beispiel ist in Bild 4.1 die r~umliche Diskretisierung der Randwertaufgabe einer Zuglasche dargestellt. Bei Anfangsrandwertaufgaben oder nichtlinearen Problemen wird der transiente zeitliche Ablauf [to _< t < tend] i.A. durch eine Folge von Zeitschritten bzw. Lastinkrementen Ati diskretisiert.

15o

4 Methode der Finiten Elemente

Bild 4.1: Finite-Element-Diskretisierung am Beispiel einer Zuglasche Bild 4.2 a zeigt einen Ausschnitt von Bild 4.1, bei dem das Element e hervorgehoben wurde. Zum Element e gehSren sein Volumen V~ und sein Rand S~ = S ~ U St~ U S~. Dabei kennzeichnen S**~und St~ die Schnittmengen von S~ mit den Verschiebungs- bzw. Spannungsr~indern S~ bzw. St der ARWA. Aut~erdem grenzt jedes Element mit dem Teil Se seines Randes an Nachbarelemente. Die Gesamtheit dieser Interelementgrenzen wird mit S bezeichnet. Alle ~iui~eren, vorgegebenen GrSgen werden iiberstrichen dargestellt. Nur auf dem Rande definierte GrSi~en werden durch eine Tilde kenntlich gemacht.

Bild 4.2: a) Detailansicht eines finiten Elementes, b) tJbergangsbedingungen zum Nachbarelement

4.1 l~umliche und zeitliche Diskretisierung der Randwertaufgabe

151

Zur LSsung einer RWA miissen die FeldgrSt~en in den finitea Elementen folgende Grundbeziehungen befriedigen: 1. Das Verschiebungsfeld ui ist eine stetige Funktion des Ortes. Durch Gradientenbildung leiten sich daraus die Verzerrungen eij im Inneren jedes Elementes ab: 1

eij = ~ (ui, j § uj, i)

in Ve

(Kompatibilit ~tsbedingungen).

(4.1)

2. Das Verschiebungsfeld fii muss vorgegebene Werte ~i auf dem Teil S ~ des Randes annehmen: ui = fii

auf S ~

(wesentliche Randbedingungen).

(4.2)

3- Gleichgewicht des Spannungszustandes mit den Volumenkr~iften bi im Elementinneren: aij,j + bi -- 0

in V~

(Gleichgewichtsbedingungen).

(4.3)

4. Die Randspannungen auf dem Randteil St~ entsprechen den ~iut~eren vorgegebenen Werten ti: aij n j = ti = ti

auf St~

(natiirliche Randbedingungen).

(4.4)

5- Kontinuits der Verschiebungen an den Interelementgrenzen Se, d.h. die Ann~ilaerung von beiden Elementen (symbolisiert durch + und - ) muss stetig sein: u + -- u~-

auf S~.

(4.5)

6. Reziprozit~t der Randspannungsvektoren auf den Interelementgrenzen (actio -- reactio): t~ = - t 7

aufS~.

(4.6)

7. Spannungs-Verzerrungs-Gesetz. Im Weiteren wird zun~chst linear-elastisches Materialverhalten uaterstellt: aij = Cijklekt ,

cij = Sijkicrkl ,

1 U = U = -~aijeij .

(4.7)

Jedes Verschiebungsfeld, das die Gleichungen (4.1) und (4.2) erfiiUt, wird als k i n e m a t i s c h zuliissiges Verschiebungsfeld uikin bezeichnet. Jedes Spannungsfeld, das (4.3) und (4.4) gehorcht, nennt man statisch zuliissiges Spannungsfeld a~) a. Die beiden letztgenannten Bedingungen auf den Interelementrs sind in Bild 4.2 b veranschaulicht. Die wahre L5sung der RWA muss alle statischen und kinematischen Bedingungen (4.1) bis (4.6) sowie das Materialgcsetz (4.7) im gesamten Gebiet V exakt befriedigen, siehe

152

4 Methode der Finiten Elemente

Abschnitt A.5.2. Bei der FEM wird jedoch ffir die p r i m ~ e n FeldgrSs in den finiten Elementen ein N~iherungsansatz gemacht, d e r n u r einen Tell der aufgeffihrten Grundgleichungen im Elementinneren und der Stetigkeitsanforderungen anf dem Rand a priori erfiillen muss. Die verbleibenden, nicht von vornherein befriedigten Grundgleichungen zumeist ffir die abgeleitete duale FeldgrSt~e - ergeben sich als die EVLERschen Gleichungen eines Variationsprinzips und werden nur approximativ im Sinne gewichteter Residuen realisiert. 4.2

Energieprinzipien

der Kontinuumsmechanik

Den Ausgangspunkt der Betrachtungen bildet der verallgemeinerte Arbeitssatz, der besagt, dass die inhere Arbeit )4;int eines statisch zul/issigen Spannungsfeldes a~'ta mit einem kinematisch zul/issigen Verzerrungsfeld Ekjn gleich der Arbeit )4;ext der ~ut~eren Belastungen _~s.taund ~s.ta_~mit dem zugehSrigen Verschiebungsfeld u kin i ist. f sta kin.TT Wint -~ J ( T i j gij GV =

v

f~Tsta k i n l r ~ -

o

,ov.j f . s t a - k i n l oo -~ ~ e x t .

.jo/~-sta

st

kin . . . .

v

(4 .8 )

s~

Wendet man (4.8) auf die wahren Spannungen asta := a~j der RWA und die wahren kin := d~ij an, so ergibt die Inkremente der kinematischen GrSt~en u~kin := dud und Qj Integration fiber alle Lastschritte einer nichtlinearen Analyse vom undeformierten Ausgangszustand bis zum Endzustand anch fiir ein beliebiges Materialgesetz die Identit~t von innerer Arbeit (Form~nderungsarbeit) und Arbeit der ~ut~eren Kr~fte

~j

Ui

~/~int-~//GijdcijdY=/f V 0

4.2.1

Ui ~iduid~-//biduidY-~]/Vext

S 0

9

(4"9)

V 0

Variation der VerschiebungsgrSften

Man geht yon einem Spannungszustand im KSrper aus, der sich im Gleichgewicht mit dem /~ut~eren Kraftsystemen befindet, d.h. (4.3) und (4.4) sind erffillt. Zus/itzlich zu den aktuellen Verschiebungen ui wird nun eine virtuelle Verschiebung 5ui vorgenommen. Darunter versteht man eine stetige Funktion von x, die folgende Eigenschaften besitzt: a) infinitesimal (klein gegenfiber ui), b) gedacht, also nicht wirklich vorhanden, c) kinematisch zul/issig, d.h. 5ui = 0 auf S~, damit die Randbedingung ui -- ui nicht verletzt wird. Die virtuellen Verschiebungen fiihren zu den virtuellen Verzerrungen: 1 1 5~j = ~5(uj,~) = ~ [(Su~),j +(Suj)#] 9

(4.~o)

Jetzt wird der Arbeitssatz (4.8) angewandt, wobei cry)~ := crij dem Gleichgewichtszustand entspricht und fiir u ki" := 5ui die virtuellen Verschiebungen eingesetzt werden

4.2 Energieprinzipien der Kontinuumsmechanik

153

(das Integral fiber S~ muss laut Voraussetzung (c) verschwinden):

6Wint~-/ryid~iddV--/~i6~idSq-/bi6uidVq-/ti~dS~Wext. V

S,

V

(4.11)

S~

Gleichung (4.11) stellt die integrale Form der Gleichgewichtsbedingungen (4.3) und (4.4) dar. Sie wird auch schwache Formulierung genannt, weil die Ordnung der Differenziation von a~j um eins geringer ist als in der DGL (4.3)- Die Funktion 6u~ kann in (4.11) mathematisch als Testfunktion oder Wichtungsfunktion aufgefasst werden, was dem Verfahren der gewichteten Residuen (GALERKIN)entspricht. Beim Prinzip der virtueUen Verschiebungen ist nur der momentane Spannungszustand maggebend, auch wenn er wie bei nichtlinearem Materialverhalten ein Funktional der gesamten Verformungsgeschichte ist. Deshalb daft das Prinzip auch auf jeden Lastschritt At einer nichtlinearen Analyse angewandt werden, um die Gleichgewichtsbedingungen zu befriedigen. Dazu werden in (4.11) anstelle der totalen kinematischen GrSgen ihre Inkremente Aui = ~iAt bzw. A~ij = &jAr eingesetzt und variiert:

/ ~ij~,'k~ij dV = / {i~Aui dS + / bi~Aui dV . V S, V Dividiert man durch At, so erh/ilt man die Beziehung in Ratenform, was auch als der virtuellen Geschwindigkeiten bezeichnet wird:

(4.x3)

Prinzip

(4.14) V

S,

V

Dieses Prinzip l ~ s t sich ebenso auf groge Deformationen (siehe Abschnitt A.2) fibertragen. In der Momentankonfiguration wird die innere Arbeit mit dem CAUCHYschen Spannungstensor aij nach (A.42) und dem EVLER-ALMANSI-Verzerrungstensor qij (A.18) gebildet, der nichtlinear mit den Verschiebungen z u s a m m e n h ~ g t (A.2o). Die Integration erstreckt sich fiber das aktuelle Volumen v und die Oberfl/iche a

~3

V

a

154

4 Methode der Finiten Elemente

Die DarsteUung in der Ausgangskonfiguration verwendet den 2. PIOLA-KIRCHHOFFschen Spannungstensor TIj (A.51) und den GrtEEN-LAGrtANGEschen Verzerrungstensor E I J (A.19) mit der kinematischen Relation (A.20). Entsprechend miissen der Randspannungsvektor ~" nach (A.5o) sowie die Integrationsbereiche V und A auf den Ausgangszustand bezogen werden

dA- 'Wex . v

v

(4.16)

J

Die Volumenkriifte bi wurden unter Ber/icksichtigung der unterschiedlichen Dichten P0 und p in beiden Konfigurationen aus dem Massenkraftvektor j~ gebildet P0fi dV -- pf~ dv.

Unter zwei Voraussetzungen kann das Prinzip der virtueUen Verschiebungen in eine Variationsformulierung umgewandelt werden. Erstens wird hyperelastisches Materialverhalten verlangt, so dass die Form~nderungsarbeit eine innere potenzielle Energie bildet (siehe Absehnitt A.4.1 ). 1

OU aiJ -- Oeij

U d V = ]/~int

Hint =

U(ei~) = ~ % e i j

linear-elastisch) (4.17)

V

Zweitens miissen die iiugeren Kr~fte konservativ (wegunabh~ngig) sein, d.h. sich aus einem Potenzial H~xt ableiten lassen (Schwerkraft, Federkraft, ... ). (4.18)

IIext=-Wext=-/DiuidV-/tiuidS V

St

Aus (4.12) folgt damit 5Wint - 5Wext = 5IIint + 5Hext = 5 / / p • 0 die Stationaritiit des Gesamtpotentials

np(O= nin+lZox= f U( AdV- f V

f

St

(4.19)

V

Die Variation von 5Hp beziiglich 5ui, die kinematisch zul/issig sein muss, liefert: 5IIp =

--Seij Oe~j V

dV -

/ St

tiSui d S -

/

biSui d V = O .

(4.20)

V

Mit (4.17) und aijSeij = crijSui,j = (crijSui),j - a i j , j S u i folgt (4.21) V

V

St

4.2 Energieprinzipien der Kontinuumsmechanik

155

und die Anwendung des GAussschen Satzes und der CAUCHY-Formel fiihren zu

(4.22)

611p = / [aijnd - ti] 6ui dS - / [aijj + biJ Sui dV = O . s,

v

Aufgrund des Fundamentalsatzes der Variationsrechnung (6ui ist beliebige Testfunktion) mfissen die Klammerausdriicke verschwinden. Man erh~lt als EULERSChe Gleichungen genau (4.3) und (4.4), d. h. die DGL und die Randbedingungen fiir den Spannungstensor ai d 9

4.2.2

Variation der KraftgrSgen

Das Prinzip der virtuellen Krfifte (engl. principle of virtual forces) 1Ksst sich ebenfalls aus dem allgemeinen Arbeitssatz (4.8) gewinnen. Allerdings geht man jetzt von einem kinematisch zul~issigen Verschiebungs- ui(x) und Verzerrungszustand eij (x) im KSrper kin in (4.8) entsprechen soil aus, der (4.1) und (4.2) erffillt und den GrSf~en u kin i und Qj Zus~itzlich zu den sich einstellenden Spannungen wird nun eine virtuelle _~nderung der inneren und ~iut~eren Kr~fte aufgepr~igt, die mit den Spannungen a~"~a := &r~j(x), Randspannungen ~s.ta :__ 5t~ und Volumenkr~iften ~sta :__ 6b~ des Arbeitssatzes identifiziert werden. Diese virtuellen Kriifte bilden ein Gleiehgewichtssystem mit den Eigenschaften: v~

v$

a) infinitesimal klein, b) gedacht, also nicht wirklich vorhanden, c) statisch zul~issig, d.h. 6aij,j + 6bi = 0 und 5ti = 0 auf St. Das Einsetzen dieser FeldgrSf~en in den Arbeitssatz (4.8) ergibt

V

St

S~

V

(4"23)

5Wint = 6W~xt . A

A

Die linke Seite nennt man komplementfire innere Arbeit ~'~int und )'Ve~t bezeichnet die komplementfire fiuflere Arbeit (auch Ergfinzungsarbeit genannt). Verbal ausgedriickt bedeutet das Prinzip der virtuellen Kr~fte:

156

4 Methode der Finiten Elemente

Das Prinzip vom Minimum der komplementfiren Energie (engl. principle of minimum complementary energy) kann auf analoge Weise aus dem Prinzip der virtuellen Kriifte hergeleitet werden wie die Ableitung vom Minimum der potenziellen Energie in Abschaitt 4.2.1. Vorausgesetzt werden muss anch hier hyperelastisches Materialverhalten und ein konservatives ~iutgeres Belastungssystem. Dann stellt die komplement~e Form~inderungsarbeit cri,i

V

0

ein inneres komplement[ires Potenzial Lri~t dar und die ~iuJgere komplement~re Arbeit ~e~t wird durch ein entsprechendes Potenzial -/~rext verrichtet. Beide GrSgen bilden zusammen das komplement~re Gesamtpotenzial

IZc( r = int + Doxt= f V

f u,t dS- /u,b, dV, S~

(4.26)

V

welches als Funktion des statisch zuls Spannungsfeldes a~j (x) aufzufassen ist. Das Variationsprinzip 5IIc -- ~Hi~t + ~/~ext : 0 f/ihrt dann genau auf die Beziehung (4.23) und als EVLERsche Gleichungen ergeben sich die kinematischen Beziehungen (4.1).

4.2. 3

Gemischte und hybride Variationsprinzipien

Grundlagen Das Prinzip vom Minimum der potenziellen Energie, bei dem man von kinematisch vertr~glichen Verschiebungsans~tzen ausgeht, stellt die Grundlage der am meisten angewandten FEM-Variante - dem VerschiebungsgrSflenmethode - dar. Demgegen/iber arbeitet man beim Prinzip der komplement~en Energie mit der Variation im Gleichgewicht befindlicher Spannungsans~tze, was zum Kraftgr6flenmethode der FEM fiihrt. Wenn man die Befriedigung aller Grundgleichungen im Innern (Kompatibilits Spannungsgleichgewicht) und aller Randbedingungen ausschlieglich fiber das Variationsprinzip realisieren will, so gelangt man zu veraUgemeinerten Energieprinzipien. Die zus~itz-

4.2 Energieprinzipien der Kontinuumsmechanik

157

lichen Anforderungen werden dabei mit Hilfe yon LAGRANGEschen Multiplikatoren als Nebenbedingungen in das ~ n k t i o n a l einbezogen. MSchte man z.B. beim Variationsprinzip der komplement~ren Energie (4.26) fiir den Spannungszustand einen beliebigen Ansatz zulassen, so miissen die Gleichgewichtsbedingungen (4.3) in V und (4-4) auf St durch die Forderungen

f (aij,j - bi)Ai dV = 0 V

f

(o'ijuj - {i)Ai dS = 0

(4.27)

St

erfiillt werden. Der LAGRANGEsche Multiplikator erweist sich hierbei als Variation eines unabhs anzusehenden Verschiebungsfeldes ui(x). Auf diese Weise kommt man zum HELLINGER-REISSNER-Prinzip HR (ui, aij) - einem 2-Feld-Funktional, das die Grundlage der gemischten Finite-Elemente-Formulierungen bildet. Konventionelle Variationsprinzipen

Modifizierte h y b r i d e Variationsprinzipien

Prinzip vom Minimum der potenziellen Energie

Modifiziertes Prinzip der potenziellen Energie

//PH(Ui,Ui, ti) KOMPATIBLE VERSCHIEBUNGSELEMENTE

HYBRIDE VERSCHIEBUNGSELEMENTE

HELLINGER-REISSNER-Prinzip

Modifiziertes Prinzip nach HELLINGER-REISSNER

17R (Ui, ff ij )

]-IGH(Ui, ffij, ~i)

GEMISCHTE ELEMENTE

GEMISCHTE HYBRIDELEMENTE

Prinzip vom Minimum der komplement~ren Energie

Modifiziertes Prinzip der komplement~ren Energien

r~c(~)

~CH (O"ij,~i)

KOMPATIBLE SPANNUNGSELEMENTE

HYBRIDE SPANNUNGSELEMENTE

Bild 4-3: Schema der konventionellen und hybriden Variationsprinzipien der Elastizit~itstheorie

Hybride Elementformulierungen unterscheiden sich von normalen Verschiebungs-, Spannungs- oder gemischten Elementans~itzen dadurch, dass man auf die Einhaltung der Stetigkeitsforderung an den Elementgrenzen fiir die Verschiebungen (4-5) oder Randspannungen (4.6) a priori verzichtet, d.h. Elemente mit abgeschws Kompatibilit~it zuls Das bringt den Vorteil einer hSheren Flexibilit~t bei der Elementgestaltung, da

158

4 Methode der Finiten Elemente

somit im Inneren jedes Elementes unterschiedliche, zum Nachbarelement nicht konforme Verschiebungs- und Spannungsans~itze gew~ihlt werden diirfen. Die Erffillung der Interelement-Stetigkeitsbedingungen wird beim Hybridmodell durch die Einfiihrung separater Verschiebungen ui und Randspannungen ti auf den Interelementgrenzen :7r erreicht, deren Wahl unabhSngig von den inneren Formfunktionen ist. Die Randverschiebungen fii gelten fiir zwei angrenzende Elemente gleichermas und werden vorteilhafterweise durch Knotenvariable festgelegt. Im Gegensatz dazu werden die Randspannungen ti in jedem Element getrennt angesetzt. Die Stetigkeitsforderung beim 0bergang von einem Element zum anderen wird als zus~tzliche Nebenbedingung mit in das Variationsprinzip aufgenommen, wobei als LAGRANGEscher Parameter meist die duale FeldgrSt~e auf dem Rand dient. Erst durch das in dieser Weise zum Hybridfunktional erweiterte Variationsprinzip wird somit die Stetigkeit der FeldgrSgen im integralen Mag approximativ gew~hrleistet. Eine umfassende DarsteUung aller konventionellen Variationsprinzipien der FestkSrpermechanik und ihrer hybriden Modifikationen findet man im Buch von WASHIZU [280], wo gleichfalls die Verbindung zu den verschiedenen Finite-Elemente-Formulierungen hergestellt wird. In Bild 4.3 sind die wichtigsten Prinzipien und ihre Korrelationen in einer schematischen Ubersicht zusammengestellt. Als Gegenpole kSnnen die beiden klassischen Minimalprinzipien der potenziellen bzw. komplement~iren Energie betrachtet werden. Da fiir die Entwicklung spezieller Rissspitzenelemente hybride Elementformulierungen besonders leistungsf~ihig sind, werden nachfolgend die drei wichtigsten hybriden Variationsprinzipien ausfiihrlich beschrieben.

Das h y b r i d e S p a n n u n g s m o d e l l Das hybride Spannungsmodell (engl. hybrid stress model) beruht auf dem Prinzip vom Minimum der Komplement~energie Hc (4.26), das dutch einen zuss Verschiebungsansatz ~i auf dem gesamten Elementraad Se modifiziert wird (PIAN & TONG [204]):

/-/CH(Crij, ~ti) = y ~ e=l

O'ij Sijklakl

I s dV-

tiftidS +

se

s

s~e

ti~tidS

} .

(4.28)

Vorausgesetzt wird vom Spannungsansatz a priori nur die 9 Erfiillung der Gleichgewichtsbedingungen (4.3) in lie, aber im Unterschied zu konventionellen Spannungselementen kein Spannungsgleichgewieht (4-4), weder auf dem Lastrand Ste noch auf den Interelementgrenzen S~ (4.6). Von den Randverschiebungen wird (4.2) gefordert: 9 Annahme der vorgegebenen Randwerte ui -- ui auf Sue.

4.2 Energieprinzipien der Kontinuumsmechanik

159

Das Funktional //CH wird bzgl. beider Feldgr6t~en 6aij (davon abh~ngig 6ti = 6aijnj) und 6fi~ variiert und muss einen Station~rwert annehmen 5//CH = 0. (~//CH = ~

dV -

j

6tifti dS

Se

e=l

(4-29)

S~

St~

S~

Die Nullerg~nzung im letzten Term wird zum einen vom 1. Term subtrahiert und mit dem Divergenzsatz in ein Integral fiber V~ umgeformt und zum anderen mit dem 2. Term addiert:

Nullsetzen der Ausdrficke in eckigen Klammern liefert die fehlenden Grundbeziehungen: 9 Kompatibilit~it (4.1) der sich aus aij ergebenden Verzerrungen in V~:

9 Befriedigung der Spannungsrandbedingungen (4.4) auf Ste 9 Stetigkeit der Verschiebungen u + = fii = u~- anf den Interelementgrenzen (4.5) 9 Spannungsreziprozitiit (4.6) auf den Interelementgrenzen S~. Bei der Summation des 3. Terms erscheint jede Interelementgrenze zweimal (von beiden angrenzenden Elementen), was die Bedingung t + -- -t~- gewKhrleistet. Das hybride Verschiebungsmodell Im Unterschied zu konventioneUen Verschiebungselementen geht man beim hybriden Verschiebungsmodell (engl. hybrid displacement model) von Verschiebungsans~tzen aus, die nur im Element, nicht beim 0bergang zu Nachbarelementen stetig sein mfissen. Durch Erweiterung des Prinzips vom Minimum der potentiellen Energie I / P ( U i ) mit unabh~ingigen Anss fiir die Verschiebungen ui und Spannungen t~ auf dem Rand wird das hybride Variationsprinzip fiir Verschiebungselemente gebildet:

16o

4 Methode der Finiten Elemente

Voransgesetzt wird a priori nur: 9 Kompatibilitiitsbedingungen (4.1) in V~ Die Stationarit/~tsbedingung (~//PH • 0 bei Variation beziiglich der drei Variablen ~ui, 5ui und 5ti liefert als EVLERsche Gleichungen: 9 Gleichgewichtsbedingungen (4.3) in V~ 9 Erfiillung der Verschiebungsrandbedingungen (4.2) auf S~r 9 Erfiillung der Spannungsrandbedingungen (4.4) auf Ste 9 Verschiebungskompatibilit~it (4.5) zwischen den Elementen anf S~ 9 Spannungsreziprozit~it (4.6) auf den Interelementgrenzen :~ Man finder verschiedene Varianten hybrider Verschiebungsmodelle in der Literatur, oft anch ohne separate Randverschiebungen ~i. Ihre explizite Einbeziehung besitzt den entscheidenden Vorteil, dass durch entsprechende Wahl von ui Sonderelemente konstruiert werden kSnnen, deren Randverschiebungen vSllig kompatibel mit denjenigen herkSmmlicher isoparametrischer Elementtypen sind, siehe [17, 16].

Das vereinfachte gemischte Hybridmodell Bei der Entwicklung hybrider Sonderelemente in der Bruchmechanik kann man h/iufig von geschlossenen elastizit/itstheoretischen LSsungen ffir den Riss oder das Rissspitzennahfeld ausgehen, die im Inneren der Elemente angesetzt werden. Derartige Ans/itze erfiillen von vornherein beide Grundgleichungen (4.1) und (4.3) im Gebiet. Mit Hilfe des HOOgEschen Gesetzes, den Kompatibilit~tsbedingungen (4.1) und dem GAussschen Satz kann im hybriden Spannungsmodell (4.28) das Volumenintegral in ein Randintegral fiber S~ umgewandelt werden:

lo'ii•ijklO'kl d V = V~

-~aiir V~

dV =

[aijui,j d V = V~

-~t~ui d S .

(4.3 2 )

S~

Damit erh~lt man das erstmals von TONG U.a. [272] eingefiihrte Funktional //MH* fiir das vereinfachte gemischte Hybridmodell (engl. mixed hybrid model):

4.2 Energieprinzipien der Kontinuumsmechanik

16x

Vorausgesetzt wird nur noch: 9 Verschiebungsrandbedingungen durch Wahl von ui = ui (4.2) auf S ~ Uber das Variationsprinzip werden folgende Beziehungen befriedigt: 9 Kompatibilit/it der inneren Verschiebungen ui mit den Randans/itzen ui, d.h. (4.5) auf S~ 9 Spannungsrandbedingungen (4.4) auf St~ 9 Reziprozit/it der Randspannungen (4.6) auf Se. Bei dieser vereinfachten Variante wird demnach nur noch die Kompatibilit/it vollst~indiger analytischer LSsungen mit FEM-typischen Randverschiebungen fii bewirkt, d.h. sie ist ideal geeignet ffir die Einbettung bekannter L6sungen in ein finites Sonderelement. Dabei ist hervorzuheben, dass (4.33) im Unterschied zu allen bisher dargestellten Variationsprinzipien nur Randintegrale enth~lt. 4.2.4

P r i n z i p y o n HAMILTON

Bei der Behandlung dynamischer Aufgabenstellungen verwendet man fiblicherweise das HAMILTONsche Variationsprinzip zur Ableitung der schwachen Formulierung des Feldproblems. Den Ausgangspunkt bildet die LAGRANGEsche Funktion s die vom Verschiebungsfeld ui, den Geschwindigkeiten /ti sowie der Zeit t abh~ngt. Mit der kinetischen Energie/E und dem Gesamtpotential Hp ist sie definiert durch: (4.34) Betrachtet man das so genannte Wirkungsintegral von s fiber eine Zeitspanne von to bis t, so nimmt es nach dem HAMILTONsChen Prinzip ein Extremum an, weshalb die erste Variation 5 0 des Integrals verschwinden muss: t

t

dt -- 0. to

(4.35)

to

Die Variation der kinetischen Energie bzgl. 5ui ergibt nach der Produktregel:

(4.36)

162

4 Methode der Finiten Elemente

Bildet man das Zeitintegral und vertanscht die Reihenfolge von r~iumlieher und zeitlicher Integration, l~isst sich mit partieller Integration folgende Umformung vornehmen: t

dV=-//p i6 ,dVdt. V to

to

to

(4.37)

V

Der erste Integrand wird null, da voraussetzungsgem~it~ die Variationen Jui = 0 an den Bereichsgrenzen to und t verschwinden miissen. Die Variation des Gesamtpotentials (~/-/p wurde bereits in (4.2o) ansgefiihrt. Zusammengefasst lautet das HAMILTONsche Prinzip (4.35) dann:

Eine analoge Umformung von (4-38) wie in Abschnitt 4.2.1 fiihrt auf t

t

//[-PUi+aid,d+bi]6uidVdt+//[ti-a~dnd]6uidSdt to V

-- O.

(4.39)

to S~

Damit diese Beziehung fiir alle Zeiten und alle 5ui erfiillt ist, miissen die Klammerausdriicke identisch zu null werden, d.h. als EVLERsche Gleichungen erh~ilt man die Bewegungsgleichungen (A.7o) und die natiirlichen Randbedingungen (4-4) auf St. Somit beschreibt diese Variationsformulierung vollst~indig das Anfangsrandwertproblem der Elastodynamik bei konservativen Kraftsystemen. 4.3

Grundgleichungen

der FEM

Im Folgenden werden die Grundgleichungen der FEM fiir die Verschiebungsgr6flenmethode kurz dargelegt, die als die erfolgreichste und am meisten verbreitete FEM-Variante angesehen werden daft. Sie beruht auf dem Prinzip der virtuellen Arbeit bzw. fiir hyperelastische konservative Systeme anf dem Minimalprinzip des Gesamtpotentials. Die Beziehungen sollen beispielhaft zuerst fiir die ebene RWA der Elastostatik (Scheiben Kapitel A.5) hergeleitet werden, um dann sp~iter anf nichtlineare und zeitabh~ingige RWA fiberzuleiten. Die weitere Darstellung verwendet Matrizen, die als aufrechte fette Buchstaben geschrieben werden, um sie von Vektoren und Tensoren zu unterscheiden. 4.3.1

A u f b a u d e r S t e i f i g k e i t s b e z i e h u n g e n flir ein E l e m e n t

In der FEM wird der KSrper zuerst in eine Vielzahl von einfachen geometrischen Teilgebieten unterteilt, was in Bild 4.1 und Bild 4.2 mit Viereckelementen dargestellt ist.

4.3 Grundgleichungen der FEM

-

163

In jedem dieser finiten Elemente wird fiir das Verschiebungsfeld ein separater mathematischer Ansatz gewKhlt, der im Element und auf dem Rand zu den Nachbarelementen stetig sein muss. Das realisiert man am besten durch Einfiihrung geeigneter Stiitzstellen den nK Knoten - die meist auf dem Elementrand liegen.

Die Verschiebungen u ( x ) im Element werden mit Hilfe der zugehSrigen GrSt~en u (~) an den Knoten a = 1 , 2 , . . . , n g durch Interpolationsfunktionen Na ausgedrtickt. Na(~) sind die so genannten Ansatzfunktionen bzw. Formfunktionen (engl. shape functions). Die Variablen ~ bilden die natiirlichen Koordinaten des Elements in einem einheitlichen Parameterraum, worauf ausfiihrlich in Abschnitt 4.4 eingegangen wird. Fiir ein Viereckelement ist dies in Bild 4.5 veranschaulicht. Dementsprechend ergibt sich f'dr die elementbezogenen VerschiebungsgrSt~en die Approximation:

[

]

Itl(X)

oK

= U(X) = E Na(~)u(a) = N v . a=l

(4.4o)

I m Spaltenvektor v sind die Komponenten der Verschiebungsvektoren u (~) aller Knoten des Elementes zusammengefasst:

V = [U(1)

...

U (a)

...

U(ng)] T,

(4.41)

Die Matrix N hat demzufolge den Aufban: N_

[ N1

[

0

0 N1

Na 0

0 Na

... ...

0]

Nn~ 0

N~ K

9

(4.42)

Nach (4.1) ergeben sich die Verzerrungen aus den Ortsableitungen des Verschiebungsansatzes (4.4o), wofiir die Differenziationsmatrix D angewendet wird:

0 OXl

Ell ] g22 = r

mitD=

"712

0 0 OX2

0 0 Ox2 0 OXl

(4.43)

Die Verzerrungs-Verschiebungs-Matrix B verkniipft mit Hilfe der Formfunktionen (4.40) schlief~lich die Verschiebungen an den Knoten mit den Verzerrungen im Element: E=DNv=Bv B----[B1

...

mitB=DN, Ba

...

Bnx],

Ba=

1 Na201 9 [Na,2

(4.44)

Na:l]

Die Spannungsverteilung im Element erh~ilt man daraus mit dem Materialgesetz, das hier der Ubersichtlichkeit wegen als isotrop elastisch (ESZ) angesetzt wird mit thermischen

164

4 Methode

der Finiten Elemente

oder anderen Anfangsdehnungen s*:

0"111

~ ( ~ ) = c (~(.)

'~/=

-

~*(~)) = c (By

-

r

(4.45)

TI2J

.E 1- o 1

C - - -1- - - 5u -

u

1

0

0

0 ~-~

.

(4.46)

Nun wird fiir die virtuellen Verschiebungen und die dazugehSrigen Verzerrungen der gleiche Ansatz nach (4.4o) verwendet wie f/Jr die Verschiebungsfelder selbst Verfahren der gewichteten Residuen):

(GALERKIN

5u = N(iv,

5r = B S v .

(4.47)

Die Beziehungen (4.43)-(4.47) werden in das Prinzip der virtuellen Arbeit (4.11) eingesetzt, was mit den Randspannungen t = It1 t2] w und Volumenlasten ]~ = [bl b2] w in Matrixform lautet:

V

---- (~V T

St

BTC(Bv - r

V

-

-

-- 0

s, Der Ausdruck in geschweiften Klammern muss fiir jede Variation woraus sich das FEM-Gleichungssystem auf Elementniveau ergibt:

5V T

verschwinden,

Alle knotenbezogenen GrSs v kSnnen vor die Integrale gezogen werden, so dass sich die folgenden Matrizen und Vektoren aufstellen lassen:

4.3.2

Assemblierung und LSsung des Gesamtsystems

Bei der Ableitung der Steifigkeitsbeziehungen wurde bisher nur ein einzelnes finites Element (Index e) betrachtet. Die Anwendung des Prinzips der virtuellen Arbeit erfordert

4.3 Grundgleichungen der FEM

165

die Summation der Beitr~ge aller finiten Elemente e = 1 , 2 , . . . , n E d e r Gesamtstruktur.

~ ur

rex t

(4.52)

e~l

Der Zusammenbau der Systemmatrizen geschieht durch Addition der einzelnen Elementmatrizen in die entsprechenden Positionen der Systemmatrizen, wobei die Zuordnung durch die jeweiligen Knotenvariablen erfolgen muss. Der topologische Zusammenhang der finiten Elemente in der Gesamtstruktur wird mit Hilfe einer so genannten Zuordnungsoder Inzidenzmatrix Ae beschrieben. Diese BOOLEsche Matrix (nur Elemente {o,1}) legt lest, an welcher SteUe die Knotenvariablen des Elements e im Vektor V aller Knotenfreiheitsgrade des Systems eingeordnet werden. =

(4.53)

A~ hat die Dimension InK 9 riD, N K 9 riD], w e n n N K die Anzahl aller Knoten im System ist und nD die Zahl der Freiheitsgrade pro Knoten (bei Verschiebungsans~tzen die geometrische Dimension nD = 1,2,3) bedeutet. In der Praxis wird dies h~iufig durch globale Durchnummerierung aller NK Knoten und einen Zeigervektor auf die lokalen Elementknoten geregelt.

Dies ist ein System von INK. nD] Gleichungen zur Bestimmung des Vektors V, der die Verschiebungsfreiheitsgrade aller Knoten der Struktur enth~ilt. Auf der rechten Seite werden die BeitrEge aller Elemente (4.51) zu den entsprechenden Knotenkr~ften der Gesamtstruktur im Gesamtlastvektor (engl. external load vector) F zusammengefasst. Auf gleiche Weise wird die Steifigkeitsmatrix (engl. stiffness matrix) K des Gesamtsystems zusammengebaut. Dieser Prozess wird als Assemblierung des Gesamtsystems bezeichnet und soll im Weiteren durch das Mengensymbol abgekiirzt werden:

Die Assemblierung ist selbstverst~dlich nur gestattet, wenn alle lokalen und globalen Knotenfreiheitsgrade im gleichen (globalen) Koordinatensystem definiert sind. Anderenfalls ist vorher eine Transformation von ke, ve und fe erforderlich. Wie (4.50) erkennen l~st, sind die Steifigkeitsmatrizen von finiten Elementen mit Verschiebungsformulierung symmetrisch. Aufgrund ihrer energetischen Bedeutung sind sie auch positiv definit, d.h. die Multiplikation mit einem beliebigen Verschiebungszustand v~ ergibt eine positive

166

4 Methode der Finiten Elemente

1 T Form~nderungsenergie ld;int = 5v~ k~v~ > 0. Voraussetzung ist natiirlich, dass mSgliche StarrkSrperverschiebungen durch eine statisch bestimmte Stiitzung verhindert werden. Dieselben Eigenschaften iibertragen sich auf die Systemsteifigkeitsmatrix K. Sie ist nur schwach besetzt und besitzt bei optimaler Knotennummerierung eine Bandstruktur. Somit stellt das FEM-System bei linearem Materialverhalten ein lineares algebraisches Gleichungssystem ffir die Knotenvariablen dar, das eine eindeutige L6sung besitzt. Die Systemsteifigkeitsmatrix verkSrpert somit die gesamten mechanischen Eigenschaften einer Struktur, in die das gew~ihlte Strukturmodell (z. B. Scheibe), die Geometrie und die Mat erialeigenschaft en einfliet~en. Fiir die numerische LSsung des FEM-Gleichungssystems existiert eine Vielzahl mathematischer Verfahren mit direkten oder iterativen Methoden. Wegen der Symmetrie der Steifigkeitsmatrix bietet sich - neben dem klassischen GAvssschen Eliminationsverfahren - d a s CHOLESKY-Verfahren an, aber auch iterative konjugierte Gradientenverfahren mit Vorkonditionierung sind sehr leistungsi~dhig. Aufgrund der sehr gros Gleichungssysteme haben schnelle Algorithmen der rechentechnischen Speicherung, Verarbeitung und Strukturierung der Matrizen eine erhebliche Bedeutung, um die Effizienz zu steigern. In diese Kategorie fallen Techniken der Bandbreitenminimierung, die FrontlSsungsmethode oder Parallelverarbeitung auf mehreren Prozessoren. F fir Einzelheiten sei auf die umfangreiche Fachliteratur [278] verwiesen.

4.4

Numerische

Realisierung

der FEM

4.4.1

Wahl der Verschiebungsans~itze

Ffir die Formfunktionen N~ (4.40) werden in der Regel einfache mathematische Ans~tze gew~ihlt, die aber bestimmten Anforderungen genfigen mfissen, damit die numerische NgherungslSsung bei zunehmender Netzverfeinerung gegen die exakte LSsung konvergiert: 9 Erstens dfirfen die Verschiebungsansgtze bei einer StarrkSrperbewegung des Elementes nicht zu Verzerrungen e ~ 0 ffihren. 9 Zweitens mfissen sie in der Lage sein, einen konstanten Verzerrungszustand e -- const im gesamten Element zu realisieren. 9 Drittens sollten die Formfunktionen i. A. fiber die Elementgrenzen hinweg stetig verlaufen, so dass bei Belastung keine Diskontinuitgten (Klaffungen, 0berlappungen) auftreten (C~ der Verschiebungsans~itze bei den hier betrachteten Kontinuumselementen). 9 Aut~erdem sollten die Formfunktionen einen konstanten Funktionswert (z. B. die Elementfl~che) richtig wiedergeben ~K

= 1

(4.56)

a:l

und den Funktionswert am eigenen Knoten ~ exakt und allein abbilden

obab

/407/

4.4 Numerische Realisierung der FEM 4.4.2

167

I s o p a r a m e t r i s c h e E l e m e n t familie

In Abh~gigkeit v o n d e r Elementgeometrie, dem Strukturmodell und den Genauigkeitsanforderungen gibt es eine Vielzahl von MSglichkeiten zur Gestaltung der Formfunktionen. Ffir eine detaillierte Daxstellung Finiter-Elemente~Typen sei auf die einschl~gige FEMLiteratur verwiesen, z.B. [30,241,300]. Fiir die meisten Problemstellungen hat sich die Verwendung der isoparametrischen Elementformulierung (engl. isoparametric elements) als vorteilhaft erwiesen. Bei diesem Konzept werden sowohl die Geometrie als auch alle primgren FeldgrSgen im Element durch die gleichen Funktionen Na(~) interpoliert. Der Zusammenhang zwischen natiirlichem und lokalem Koordinatensystem wird durch die Formfunktionen hergestellt. Auf diese Weise wird ffir jedes Element eine Transformation erzeugt, mit der die lokalen geometrischen Koordinaten x = Ix1 x2 X3]T auf die natfirlichen parametrischen Koordinaten ~ ---- [~1 ~2 ~3]w abgebildet werden: nK Xi : ~ Na(~)x~ a) , bzw. a:l

P

x(~):

N(~)x,

x :

--

/x~1) x(1) ... x~nK)

xP)/T

(45~)

L

Mit dieser universellen Abbildung ist es mSglieh, die beliebig geformten, untersehiedliehen Geometrien aller Elemente in ein einheitliches Koordinatensystem r zu fiberffihren. Die Bilder 4.4-4.6 veransehauliehen diesen Zusammenhang fiir versehiedene Elementtypen. Ein weiterer Vorteil dieser DarsteUungsweise besteht darin, dass man ffir aUe mathematischen Operationen auf Elementniveau immer die gleiehen Algorithmen nutzen kann. Zur Aufstellung der B-Matrizen aus (4.43) und (4.44) benStigt man die partiellen Ableitungen der Funktionen N~ nach den Koordinaten xj, die fiber die Kettenregel gebildet werden

ONe

ONa 0~1 ON~ 0~2 ON~ 0r ONa __ j-10Na (~) -- 0~--~Ox--~+ 0r Ox--j + 0r Ox--j => 0 x 0~ "

(4.59)

J stellt die JACOBIsche Funktionalmatrix dar, die die Linienelemente der natiirlichen Koordinaten dr mit denjenigen der lokalen Koordinaten dxj verkniipft:

J =

Oxl

Ox2

C~r OXl o~ OXl

0r OX2 0r OX2

0~3

0r

Ox3 0r OX3

(4.60)

0r OX3

o~3

Damit die Inverse der JAOOBI-Matrix j - 1 existiert, muss die Transformation von ~ zu x umkehrbar eindeutig sein. Die Elemente der JACOBI-Matrix berechnen sich aus den lokalen Koordinaten x~a) der einzelnen Elementknoten mit den Ableitungen der Formfunktionen

Oxj

~x ON~ (~)

Jij -- cO{~ -- ~ ~ i a=l

xj

"

(4"61)

168

4 Methode der Finiten Elemente

Bild 4.4: Isoparametrisches Dreieckelement mit quadratischen Formfunktionen, nK

=

6 Knoten

Isoparametrische Dreieckelemente Zur geometrischen Beschreibung eines Dreiecks bieten sich seine Fl~ichenkoordinaten ~ (L1, L2, L3) an. Die kartesischen Koordinaten x eines Punktes P im Dreieck erh~ilt man aus Li durch lineare Interpolation mit den Eckpunkten _(a) (a ----1,2,3)

X 1 = Llx~ 1) --}-i 2 x l 2) -{- L3x~ 3) X2 = L1 x(1) "~- L2x~ 2) "~ L3 x(3)

(4"62)

1 = L1 + L 2 + L a .

An einem Eckpunkt a gilt gerade La ----I u n d L b = O (b # a). Ein Seitenmittenpunkt (z. B. 1 0 ) usw. Linien L~ -- const, verlaufen parallel zur geKnoten 4) hat die Koordinaten (1, 5, geniiber liegenden Seite des Eckpunktes i, wobei die Werte linear von Li = 1 (Eckpunkt) auf Li ---- 0 (Gegenseite) abfallen, siehe Bild 4.4. Die Summe der Dreieckskoordinaten entspricht genau dem normierten Fl~icheninhalt, letzte Gleichung (4.62). a) linearer Ansatz ffir nK = 3 Eckknoten:

N1 : L1,

N2 -- L2,

N3 -- L3

(4.63)

4.4 Numerische Realisierung der FEM

169

b) quadratischer Ansatz ffir 3 Eck- und 3 Mittenknoten (nK = 6, siehe Bild 4.4): N1 = Ll(2L1 - 1), N4 -- 4LIL2,

N2 = L2(2L2 - 1),

N5 -- 4L2L3,

N6 --

Na = L3(2L3 - 1)

4L3L1

(4.64)

Bild 4.5: Isoparametrisches Viereckelement mit quadratischen Ansatzfunktionen, nK ----8 Knoten

Isoparametrische

Viereckelemente

Diese finiten Elemente bilden im natiirlichen K o o r d i n a t e n s y s t e m ~i ein Q u a d r a t im Intervall [-1, +1]. a) linearer Ansatz fiir n g =

Na(~l, ~2)

4 Eckknoten:

= 1 (1 + ~1~)(1 + ~ 2 ~ )

(4.65)

b) quadratischer Ansatz fiir 4 Eckknoten und 4 Seitenmittenknoten (nK = 8, Bild 4.5): 9 Eckknoten: 9 Seitenmittenknoten:

Na(~l, ~2)

= 1(1 + ~1~)(1 -}- ~ 2 ~ ) ( ~ 1 ~ -}- ~ 2 ~ -- 1)

~ ----0 : N~(~I, ~2) ---- 1(1 - ~2)(1 + ~ 2 ~ ) ~ = 0 : ga(~l,~2) = 1(1 + ~1~)(1 - ~22). L

(4.66)

17o

4 Methode der Finiten Elemente

Bild 4.6: Isoparametrisches Hexaederelement mit quadratischen Ansatzfunktionen, nK Knoten

~

20

Isoparametrische Hexaederelemente Jedes 3D-Element wird auf einen Einheitswiirfel [-1 _< ~i _< +1] abgebildet, wobei wiederum lineare oder quadratische Ans~itze iiblich sind. a) linearer Ansatz fiir nK ----8 Eckknoten: Na(~l, ~2, ~3) = 1 (1 § ~1~)(1 § ~2~)(1 + ~3~)

(4.67)

b) quadratischer Ansatz fiir 8 Eckknoten und 12 Seitenmittenknoten (ng -- 20, Bild 4.6): 9 Eckknoten: 2) 9 Seitenmittenknoten: ~ -- 0, ~ -- •

~ -- •

(4.68) a 1+

und analog dureh Vertauschung yon (1, (2 und ~3 fiir Knoten auf den Plgehen (~ = 0 u_nd (~ = 0.

4.4-3

Numerische Integration der Elementmatrizen

Zur Aufstellung der Elementmatrizen und Lastvektoren mtissen die Volumen- bzw. Oberfl~chenintegrale in den Gleichungen (4.5o) und (4.51) ausgewertet werden. Da i. A. eine analytische Integration nicht durchfiihrbar ist, werden numerische Integrationstechniken

4.4 Numerische Realisierung der FEM

17x

eingesetzt, die auf speziellen Quadraturformeln fiir die verschiedenen Elementformen und -ansiitze beruhen. Damit kann das bestimmte Integral fiber eine beliebige Funktion f(~) n~herungsweise durch die Quadraturformel Q ( f ) berechnet werden: 3-1

nG

(4.69)

f f(~)d~ ~ Q(f) = ~ w g f(~"), --i

9=1

wobei als unabhKngige Variable eine natiirliche Koordinate ~ E [-1, +1] dient. ~g bezeichnet die Stfitzstellen im Intervall [-1, +1] und die Koeffizienten wg sind die dazugehSrigen Gewichte der Quadraturformel. Ffir die in der FEM zumeist verwendete GAvSSsche Quadratur sind die Stiitzstellen und Gewichte ffir eine beliebige Anzahl von Integrationspunkten nG tabellarisch verffigbar [263]. Tabelle 4.1 enth~ilt die Daten der wichtigsten Integrationsordnungen nG ---- 1,2,3. Es l ~ s t sich zeigen, dass die Summation (4-69) ffir Polynome bis (2nG - 1)-ten Grades exakt ist.

nG

~9

1 2

o

1

Wg

1

0 +./3

2 1

5 9

8 9

Tabelle 4.1: Stfitzstellen und Gewichte der GAuss-Integration (g = 1,..., no) im eindimensionalen Element [-1, +1]

Bei der Berechnung eines Gebietsintegrals fiber ein finites Element muss je nach Dimension nD des Elementtyps ein Mehrfachintegral ausgewertet werden. Dazu wird die Quadraturformel (4.69) auf alle nD Raumrichtungen im natfirlichen Koordinatensystem angewandt. Zun~ichst kann in der zu integrierenden Funktion F ( x ) die unabh~ngige Variable x fiber die Formfunktion (4.59) durch die natfirlichen Koordinaten ersetzt werden:

F[X(~)] ----/?[Xl(~I , ~2, ~3), X2(~1, ~2, ~3), X3(~l, ~2, ~3)] ---- f(~l, ~2, ~3)"

(4.70)

Zweitens muss das Volumenelement dV in natfirlichen Koordinaten ausgedrfickt werden, was mit Hilfe der Determinante Jy -- IJI der JnCOBI-Matrix geschieht: 3-1 +1 +1

I= f

f f(i)dV

(4.71) --i --i --i

Durch Anwendung der Integrationsformel (4.69) auf jedes der Integrale von (4.71) ergibt sich eine (riD ---- 3)-fache Summation, bei der die natfirlichen Koordinaten in jeder Dimension i = 1,2,3 alle Stfitzstellen ~ (l = 1,2,..., no) durchlaufen (l ~ m, n, k) und die

172

4 Methode der Finiten Elemente

Gewichte sich multiplizieren. nG nG

z

'n,G

mG

Ji, ql ,q2,q3)

=

m n k [J(~l ,~2,~3)[ =

k=l n=l m=l

= = = EI(~I,~2,~a)Wg

[J(~ g)[ (4"7 2)

g=l

Praktisch realisiert m a n dies als eine S u m m e fiber alle m o = nGnD Stfitzstellen ~ = [~1g ~2g ~g] mit den Gewichten @g = wrnwnwk. In Bild 4.7 sind die Integrationsordnungen nG ----2 und nG ----3 ffir ein nD ----2-dimensionales Element veranschaulicht. Des weiteren sind Oberfl/ichenintegrale fiber eine Teilfl/iche S von 3D-Elementen auszuwerten, u m z.B. F1/ichenlasten nach (4.51) zu berficksichtigen. Eine Elementfl/iche (z. B. ~1 -- 1 in Bild 4.6) wird durch die natiirlichen Koordinaten (~2, ~3) dargestellt, worans sich mit den Regeln ffir Parameterintegrale der Oberfl/ichen-Normalenvektor n ans den Richtungsableitungen nach ~2 und ~3 ergibt und der F1/icheninhalt d S fiber die JACOBIsche D e t e r m i n a n t e ,Is umzurechnen ist.

n---dS =

~,IS

x

(4.73)

0x 0x ~2 x ~3

d~2d~a =

Js(~2,~a) d~2d~a

D a m i t schreibt sich das Oberfl/ichenintegral wie folgt und kann durch 2D GAUSS-Integration berechnet werden. +1 +1

I= /f(x)dS= / /f[x(~2,~3)]Jsd~2d~3 S

(4.74)

--i --i

Analog erhiilt m a n ffirdas Linienintegral entlang einer Elementkante L (z.B. ~I = 1 in Bild 4.5) mit dem Parameter ~2 die Berechnungsvorschriften: /0X2

n: ~ei--

69Xl

"~

~ e 2 ) /JL

(4.75)

V\O~2] + \0~2]

ds = Jn(~2)d~2 =

+1

(4.76) L

4.4-4

Numerische

--1

Interpolation

der Ergebnisse

Das prim/ire Ergebnis einer F E M - R e c h n u n g ist der LSsungsvektor V (4.54), der die Verschiebungsvektoren u (a) aller K n o t e n p u n k t e x (a) des Netzes enth/ilt. Aus den Knotenverschiebungen v jedes Elementes kann m a n sich die Gesamtverzerrungen 6 durch

4.4 Numerische Realisierung der FEM

173

Ableitung fiber die kinematische Relation (4.44) berechnen. Bei linearen Materialgesetzen folgen daraus fiber (4-45) auch problemlos die Spannungen in jedem Punkt ~ des Elementes. Schwieriger wird es bei inelastischen Materialgesetzen, wo die Spannungen a , plastischen Verzerrungen r und Verfestigungsvariablen h nur fiber die komplexe LSsung der gesamten ARWA als eigenst~indige Ergebnisvariablen erhalten werden. Diese sekund~en FeldgrSs werden zumeist nur in den Integrationspunkten (IP) berechnet, gespeichert und ausgegeben. Allein die VerschiebungslSsung ist fiber die Elementgrenzen hinweg stetig, wohingegen alle anderen ~>abgeleiteten~< FeldgrS~en dort eine Unstetigkeit (Sprung) besitzen. F fir die bruchmechanische Auswertung benStigen wir diese FeldgrSs und ihre Ortsableitungen an einem beliebigen Punkt x des Bauteils, wofiir einige nfitzliche Techniken am Beispiel von Viereckelementen skizziert werden sollen.

Bild 4.7: Interpolation und Extrapolation von FEM-Resultaten im Element Zur Vereinfachung soll die folgende Darstellung anhand einer skalaren FeldgrSi~e z(x) exerziert werden, die stellvertretend ffir jede Komponente von u, er, e u.a. steht. Zuerst muss man fiir einen Punkt x das dazugehSrige finite Element und darin noch seine natfirlichen Koordinaten ~ -- [~1 ~2]w finden. Da die isoparametrische Abbildung x -- ~ Na(~)~(a) nicht analytisch nach ~ umgestellt werden kann, ist ein geeigneter Suchalgorithmus (Intervallschachtelung oder NEWTON-Verfahren) erforderlich. Hat man die natiirlichen Koordinaten ~ gefunden und kennt man die Funktionswerte z (~) an den Knoten a -- 1,2,..., nK des Elementes, so ergibt sich z(x(~)) einfach aus den isoparametrischen Ansatzfunktionen: nK

z = ~

Na (~)z (~)

Interpolationsregel.

(4.77)

a~l

Um den Gradienten bzgl. der globalen Koordinaten (xl, x2) zu bestimmen, benStigt man

174

4 Methode der Finiten Elemente

wiederum die inverse j - l ( ~ ) der Transformationsmatrix (4.6o)- (4.61) als Verbindung zu den natfirlichen Koordinaten ('1, '2):

[s

1

=lax1 aXl[ ~1 =[.]--1] ~1 , /0'1 0'2/ [~2J kOx2 0x2 J

(4.78)

[~J

Die natfirlichen Ableitungen gewinnt man direkt fiber (4.77):

Oz __ ~', ONaz(a)

(4.79)

Stehen die Knotenwerte wie bei den sekund~ren FeldgrSgen nicht zur Verfiigung, so muss man die IP-Werte in geeigneter Weise interpolieren bzw. extrapolieren. Bei den in Bild 4.7 dargestellten isoparametrischen Viereckelementen wird entweder die vollsts (3 x 3 IP) oder die reduzierte (2 x 2 IF) Integrationsregel verwendet. Die Funktion z ('1, '2) 1/s sich sehr gut durch ein Produkt zweier Polynome 1. (2x2 IP) bzw. 2. Grades (3x3 IP) bzgl. '1 und '2 approximieren. z(,1,,2) =c1+c2,1+c3,2+c4,1,2

(2 x 2)

Z('l,'2) :C1-~C2~1~-C3~2 -[-C4'l'2-~C5'~-[-C6'g-[-CT'~'2-}-C8'l'g~-C9qlq2~2t2

(4.8o)

(3 X 3)

Zur Bestimmung der unbekannten Koeffizienten ci stehen gerade 4 (2x2) bzw. 9 (3x3) Funktionswerte z(,~, ,2a) ---- z (g) an den IP bereit. Durch Einsetzen der Stfitzstellen (,1g, ,g) (siehe Tabelle 4.1) und Werte z (g) in (4.8o) baut man sich ein lineares Gleichungssystem auf, dessen LSsung die gesuchten ci ergibt. Damit kann die Funktion z(,1,,2) interpoliert (4.8o) und durch Einsetzen der zugehSrigen isoparametrischen Koordinaten ,~ mit (4.66) auf die Knoten des Elementes extrapoliert werden. Da die Extrapolation anf einen Randknoten von jedem Element aus betrachtet ein anderes Resultat liefert (Bild 4.7, links unten), ffihrt man i.A. eine (gewichtete) Mittelung der unerschiedlichen Elementbeitrs durch, was den Wert ~(a) am Knoten a ergibt. Nun kann zur Interpolation und Differenziation ffir diese Variablen auch gems (4.77) und (4.79) vorgegangen werden. H~iufig sind nur die Ableitungen der sekund~en Variablen an den IP gefragt. Hier empfiehlt sich die in Bild 4.7 (rechts) dargestellte Methode. Die 2 bzw. 3 Funktionswerte an den IP entlang einer K o o r d i n a t e , 6 {'1,'2} werden als Gerade bzw. Parabel approximiert:

Z(')-- Z2--Zl 2d

1

,+~(zl+z2)

z(,)- zl-2za+z2 2d 2

,2+

(2 IP)

Z2--Zl 2-d

,q-z3

(3 IP),

(4.81)

4.5 FEM fiir nichtlineare Randwertaufgaben

175

deren Ableitungen lauten

C~Z 0--~ = (z2 - zl)/(2d)

(2 IP)

OZ Zl -- 2Z3 -[- Z2 Z2 -- Zl 0~ -d2 ~§ 2-------d-- (3 IP).

(4.82)

Mit Hilfe dieser Ableitungen nach ~1 und ~2 bei einer Stfitzstelle (~1, ~2) geht man direkt in (4.78), um die globalen Ableitungen zu erhalten. Dieses Verfahren eignet sich besonders zur Differenziation von er, Ep oder U p an den IP, wenn die Resultate anschlies fiber das Element integriert werden sollen. 4.5

FEM

ffir nichtlineare

4.5-1

Grundgleichungen

Randwertaufgaben

Bei RWA der FestkSrpermechanik fiihren im Wesentlichen zwei Ursachen zu einem nichtlinearen Verhalten: a) Materielle Nichtlinearitiiten (engl. material non-linearity) Der sich bei nichtlinear-elastischen, elastisch-plastischen u. a. Werkstoffen einstellende Spannungszustand im Element h~ngt nichtlinear von den Verzerrungen und somit den Verschiebungen ab: ~r(v) -- f ( ~ ( v ) , h(v)) Bei irreversiblen Verformungsprozessen ist cr eine Funktion der Belastungsgeschichte, weshalb der aktuelle Werkstoffzustand durch interne Variable h beschrieben wird, was in Abschnitt A.4.2 am Beispiel der Verfestigungsgesetze erl~iutert wurde. b) Geometrische Nichtlinearit~ten (engl. geometrical non-linearity ) Bei grot~en, endlichen Verformungen (engl. finite deformations) treten zwei nichtlineare Ph/inomene auf. Wenn die Verschiebungen grofl gegeniiber der Ausgangsgeometrie sind (engl. large displacements), muss als Erstes die Umverteilung des Kr~ftegleichgewichts und der Lastrandbedingungen auf die verformte Struktur beriicksichtigt werden. Zweitens besteht bei groflen Verzerrungen (engl. large strain) ein nichtlinearer Zusam_menhang (A.20) zwischen den " Verzerrungstensoren und den Verschiebungsgradienten. Wendet man das Prinzip der virtuellen Verschiebungen (4.12)-(4.13) auf nichtlineare RWA an, so erh~ilt man in der FEM-Formulierung gegenfiber den linearen Beziehungen aus Abschnitt 4.4 folgende Erweiterungen: 5Wext - 5Wint ---- [FeXt(t) -- Fi't (V(t))] 5V ----0 FeXt = U e=l

NTtdSe +

NTfd~

(4.83) (4.84)

V~

F i n t ( v ( t ) ) = U f BT(v)ff(v)dVe 9 e=l Ve

(4.85)

z76

4 Methode der Finiten Elemente

Der externe Lastvektor Fext(t) beschreibt den Gesamtlastvektor F nach (4.55) infolge der zeitlich vorgegebenen F1/~chen- und Volumenlasten. Der entsprechende Knotenkraftvektor F int der inneren Krgfte wird ans dem nichtlinearen Verhalten des Materials ~r(v) und der Kinematik B ( v ) gebildet. Bei nichtlinearen Problemen ist es erforderlich, die Belastungsgeschichte in eine Anzahl nt endlicher Zeitschritte At~ zu unterteilen. (F fir skleronomes Materialverhalten darf man anstelle der Zeit auch einen monoton steigenden Belastungsparameter verwenden --~ Lastschritte.) tn+l = tn + At,~+l,

n = 0,1,2,...~nt - 1

(4.86)

Die •ugere Belastung wird somit als zeitliche Folge von Lastschritten aufgepriigt, ffir die jedes Mal der Gleichgewichtszustand (4.83) mit den inneren Kr~iften am Ende des Inkrementes durch Iteration gefunden werden muss. Man bezeichnet dies anch als inkrementelliterativen Algorithmus . nt

F ext (t

~-~ AFext

~

nl~ext .L-n+l

~ Fext t\ t n + l }

--

Fext(tn)

(4.87)

n=l

In entsprechender Weise entstehen dabei die Inkremente aller anderen GrSgen wie der Knotenverschiebungen n~ V(tn,) = E AVn, rt~l

A V n + l = V ( t n + l ) -- V ( t n ) ,

(4.88)

der Spannungen A~r~, Verzerrungen Ae~ u. s. w., wobei der tiefgestellte Index n immer den Zeitschritt markiert. Die inkrementelle Vorgehensweise ist unbedingt notwendig, um die in Ratenform gegebenen plastischen Materialgesetze fiber den Lastpfad integrieren zu kSnnen. Fiir die numerische LSsung des nichtlinearen Problems ist der inkrementelle Algorithmus darfiber hinaus/iugerst zweckmggig. Bild 4.8 zeigt in vereinfachter Form (1 F~eiheitsgrad) die LSsungsstrategie. Die wahre LSsung des nichtlinearen Problems F ext (V) ist als durchgehende Linie eingezeichnet. Auf der Ordinate ist exemplarisch ein Lastinkrement A~ext .~-L,.- n + l anfgetragen, zu dem das dazugeh5rige Verschiebungsinkrement A V n + I gesucht wird. Dazu muss das nichtlineare Gleichungssystem (4.83) im ( n + l ) - t e n Lastschritt gel5st werden.

Fext n+l

wint --

"- n+l

= R(V)

~

0

(4.89)

Der Vektor R ( V ) erfasst die nicht ausbalancierten >>residuellen<< Knotenkrgfte und muss zum Erreichen des wahren Gleichgewichtszustandes auf null gebracht werden. Zur Berechnung dieser Nullstellen setzt man sehr hgufig das NEWTON-RAPHSON-Verfahren ein. Um dieses iterative Verfahren anwenden zu kSnnen, wird zuerst eine Linearisierung der nichtlinearen Funktionen F int bzgl. der Knotenverschiebungen V (im Sinne einer mehr-

4.5 FEM ffir nichtlineare Randwertaufgaben

177

Bild 4.8: LSsung des nichtlinearen FEM-Systems mit dem Iterationsverfahren nach NEWTONRAPHSON

dimensionalen TAYLOR-Entwicklung) am Punkt V,~ durchgefiihrt: O F int

F i n t ( V n 3 - A V n + l ) ----Fint(Vn) 3 - ~

V AV3-...

0Fint v~ 0V = K(Vn).

(4.90)

Die Ableitung in der letzten Gleichung entspricht der Tangente K,~ in Bild 4.8, weshalb dieser Ausdruck auch tangentiale Steifigkeitsmatrix (engl. tangential stiffness matrix) genannt wird. Das NEWTON-RAPHSON-Verfahren wird im Folgenden ffir den (n 3- 1)-ten Lastschritt beschrieben. Der hochgestellte Index i bezeichnet dabei die Nummer der Iteration. (i) Lastschritt n 3- 1: ~xt ~ n+l

l ~ enx+tl = F~xt - - n -F A .~.-~

Startwerte(i=O):V(~

AV(n0.~)1 = 0,

K ~ ) I = Kn,

(2) Iterationsschleife (i): (i-- 1) ( V 9 Berechnung der Tangentialsteifigkeit: -J~n3-1

(n/~11))

9 LSsung von (4.89): d A V ~ ) I = [K / i-1 ,~+lj] -1~(i-1) ~,~+1 9 Verschiebungsinkrement: ~--,,+lAV(i)----~--,~+IAV(i-1)3- dAV,,+ 1(i) 9 Gesamtverschiebung: -v(i) -~ ~hV(i) - n + l -- V,~ ~ --n+l 9 innere Krg~e: F i~t = F

V~+ 1

R(n0)1 = A ~ n~+"~ext l

178

4 Methode der Finiten Elemente

9

Berechnung Residuenvektor:

R " ~( ni )+ l

=

"l~eXtn+l - -

(i)) F i n t (V,~+l

9 Konvergenztest: Falls ~(i) l~,~+lll > Toleranz, dann i := i + 1 und weiter mit (2). v(0 ngchster Lastschritt n := Andernfalls VerschiebungslSsung V~+I := --n+l, n + 1 und weiter mit (1). Der Algorithmus ist in Bild 4.8 fiir i = 3 Iterationen veranschaulicht. Weil der numerische Aufwand fiir die Berechnung und Invertierung der Tangentialsteifigkeitsmatrix w(i) in jeder Iterationsschleife sehr hoch ist, wird h~iufig das NEWTON-RAPHSON-Verfahren so modifiziert, dass K,~+I erst nach einer gewissen Anzahl von Iterationen aktualisiert wird oder man unver~iadert die 1. Approximation ~(1) benutzt. Dadurch wird lediglich

die Konvergenzgeschwindigkeit verringert,jedoch nicht die Genauigkeit der LSsung. 4.5.2

Materielle

Nichtlinearit/iten

Die Darlegungen beschr~inken sich auf nichtlineares elastisch-plastisches Materialverhalten bei kleinen Verzerrungen, das in Abschnitt A.4.2 erl~iutert ist. Die wesentlichen Beziehungen werden nochmals in Matrizenschreibweise zusammengefasst. Die SpannungsVerzerrungs-Relation lautet mit der Elastizit~itsmatrix C : ~r ---- C (r - 6 p) .

(4.91)

Die Fliegbedingung wird mit Hilfe des aktuellen Spannungszustandes rr und den Verfestigungsvariablen h = [hl h2 ... h,~.] w definiert, deren Anzahl nH und Typ durch das gew~hlte Verfestigungsmodell festgelegt sind. F fir isotrope und kinematische Verfestigung gilth--[R Xll X12 . . . X33]w.

(~r, h)

: 0 elastisch 0 plastisch

(4"92)

Die plastischen Verzerrungsgeschwindigkeiten berechnen sich aus der Normalenrichtung zur Flietgfl~iche, wobei A den plastischen Multiplikator bedeutet. ~P = A cg~I' = A ~q(o', h)

0~

(4.93)

In der Regel sind die Evolutionsgleichungen fiir die Verfestigungsvariablen in folgender Form gegeben: 11 -- A H ( a , h).

(4.94)

Die Gleichungen (4.93) und (4.94) beschreiben die Entwicklung der plastischen Verzerrungen und Verfestigungsparameter als Funktion des momentanen Zustandes. Sie stellen gewShnliche DGL dar, die fiber die Belastungsgeschichte zu integrieren sind. Beide hKngen vom plastischen Multiplikator A ab, dessen Wert aus der Forderung zu bestimmen

4.5 FEM fiir nichtlineare Randwertaufgaben

179

ist, dass die Fliegbedingung q~(cr, h) = 0 bei weiterer Verfestigung eingehalten werden muss. Fiir die nichtlineare FEM-Analyse bedeutet dies, dass in jedem Integrationspunkt IP neben den Spannungen ~r und totalen Verzerrungen g aueh die plastischen Verzerrungen 6 p und die Verfestigungsparameter h bereehnet, gespeichert und aufdatiert werden mfissen. Da die Lastschritte endliche Inkremente darstellen, sind geeignete Integrationsalgorithmen erforderlich, um die Materialgleichungen zu befriedigen. Prinzipiell sind dafiir alle expliziten und impliziten LSsungsverfahren fiir gewShnliche DGL verwendbar. Im Folgenden soll das wichtigste und bew~ihrteste Verfahren, die Projektionsmethode (engl. radial return), erl~utert werden. Wir betrachten den (n + 1)-ten Lastschritt in einem IP. Am Ausgangspunkt (n) sind die Materialgleichungen erfiillt und alle GrSgen er,~, r cP und h,~ bekannt. Als Ergebnis der globalen FEM-Analyse erh~lt man jetzt die Gesamtverzerrungen r = cn + ACn+l am IP. Ihr Inkrement besteht aus den elastischen und plastischen Anteilen Aen+l -e A~n+

P 1 -I- A E n +

1.

Der Spannungszustand am Ende des Inkrementes berechnet sich ans (4.91): an+l

C(r

- - ~ nP+ l )

~

O'n

+ C(Ar

--

A e nP+ 0 =

O ' t, n+l

--

CAeP+I

(4.95)

P wobei bisher weder A6,~+1 noch Ah,~+l bekannt sind. Aus diesem Grunde wird das Verfahren in einen elastischen Pr~ktiktorschritt a) und einen plastischen Korrektorschritt b) zerlegt (Operator-Split).

a) Pr~idiktorschritt Die plastischen Variablen werden zungchst anf dem Zustand (n) eingefroren und das Verzerrungsinkrement als rein elastisch anfgefasst: p

A~n+l = Ahn+l = 0,

tr

hn+ 1 =

h,~.

(4.96)

Die Gleichung (4.95) liefert damit einen >>elastischen Testwert
tr mit ern+ 1 = er,~ + CAe,,+I.

(4.97)

Durch Einsetzen in die Fliegbedingung findet man herans, ob der Lastschritt elastisch oder plastisch ist: qS(er,~+l, h,~+l) tr tr ~< 0 (> 0

elastisch plastisch.

(4.98)

Verbleibt der Spannungszustand innerhalb der bisherigen Fliet~flgche ~,~ (gran markiert), was in Bild 4.9 als Strichlinie dargestellt ist, so liegt eine rein elastische Spannungs~iaderung vor. Der Testwert er,~+ltr ist bereits die richtige L5sung, so dass der Algorithmus ffir diesen Lastschritt beendet ist. b) Korrektorschritt Im Fall einer plastischen Zustandsgnderung (Volllinie in Bild 4.9) befindet sich der

18o

4 Methode der Finiten Elemente

Bild 4.9: Integration elastisch-plastischer Materialgesetze mit der Projektionsmethode

Spannungszustand O'n+ l t r nach (4.97) autgerhalb der Fliefgfl~iche und muss auf diese korrigiert werden. Infolge der Verfestigung Ah,~+l # 0 ver~ndert sich zugleich die Fliegfl~iche auf #n+l. Augerdem mfissen jetzt die Evolutionsgesetze der plastischen Vaxiablen fiber den Lastschritt integriert werden. Ffir das plastische Verzerrungsinkrement erh~ilt man mit (4.93): n+l

P 1= A~:n+

f N ( a , h) dA ~ AA,~+IN(Cr,~+I, h~+l), d

(4.99)

wobei Ms Approximation die Variablen an der Stfitzstelle (n + 1) am Intervallende benutzt werden. Da ihre Werte selbst noch unbekmlnt sind, handelt es sich um ein implizites (EVLER-Riickw~irts-)Verfahren, was sehr genan und unbedingt stabil ist. Auf gleiche Weise verfiihrt man mit dem Evolutionsgesetz (4.94) fiir die Verfestigungsvariablen: n+l

Ahn+l

=

hn+l

-

hn = /

H(o', h) dA ~

AAn+]H(o'n+l,hn+l)

9

(4.1oo)

n

Schlieglich verbleibt Iloch die Forderung, dass der wahre Spannungszustand anf der Fliegfl~iche liegen muss, d.h. ~n+l(an+l,

hn+l)

Dazu ist nach (4.95) die ~Testspannung<< ~r,~+ltr um den Term o'n+ lc~ reduzieren, d.h. mit (4-99) gilt tr 1 O'n+ 1 = O'n_l_

(4.1Ol)

= O.

-- AA,~+lCN(a~+l,hn+l),

=

C

AsP+I ZU

(4. lO2)

was der Pfeil O'Ic~ n+ in Bild 4.9 veranschanlicht. Da diese Korrekturspannung die Rich-

4.5 FEM ffir nichtlineare Randwertaufgaben

181

tung der Normalen N auf der Fliegfl/iche besitzt, spricht man von >>radial return<<. Die Seziehungen (4.1o2), (4.1oo) und (4.1ol) bilden ein niehtlineares System von (6 + n H + 1) Gleichungen zur Bestimmung der unbekannten GrSgen tr,~+l, Ahn+l und AAn+I. Dies kann wiederum mit dem NEWTON-Verfahren iterativ gelSst werden, wozu man die Gleichungen als Residuen formuliert, deren Nullstellen zu finden sind: r~ = a n + I - rh =

/%An+lC~'q(~n+l

'

hn+l ) __ ar~q_ltr --+ 0

Ahn+l - AAn+lH(trn+l, hn+l)

--* 0

r# = ~ ( a n + l , hn+l)

(4.1o3)

~ 0.

Zur Behandlung grof~er Deformationen und auderer nichtlinearer Materialgesetze wird auf die weiterfiihrende Literatur [290,255] verwiesen.

4.5.3

Geometrische Nichtlinearit~iten

Um die Auswirkungen grof~er Verschiebungen und grof~er Verzerrungen auf die nichtlinearen FEM-Beziehungen zu verdeutlichen, greifen wir auf die kontinuumsmechanischen Grundgleichungen in der Ausgangskonfiguration zuriick, siehe Abschnitte A.2 und A.3. Ausgangspunkt ist das Prinzip der virtuellen Verschiebungen in LAGRANGEscher Darstellung (4.16), was in symbolischer Notation lautet (: ~ doppeltes Skalarprodukt):

~Wint ~- / W : v

EdV = /

.

,,dV + /

v

6,,dA

Woxt .

(4.104)

A

Die Variation 6 E des GREEN-LAGRANGEschen Verzerrungstensors 1/isst sich nach (A.20) und (A.17) durch die Variationen des Verschiebungsvektors und des Deformationsgradienten ausdrficken: ~E = 1 { V J u + ( V J u ) T + ( V J u ) 9 ( V u ) + ( V u ) . ( V J u ) } (4.1o5)

1 {v~ ~ E = -~

+ ( v ~ u ) T + ( v ~ u ) 9( w ) + ( w ) .

(v~)}

> 1 J F -- J ( V u + I ) -- V (6u)

,01o0 bzw.

O~u~ JF~N -- OXN

(4-1o7)

Da die innere ]4;int(U) und/ius Arbeit ]4;ext(U) jetzt nichtlineare Fhnktionen der Verschiebungen u in einem finiten Element sind, ffi_hren wir eine Linearisierung des Systems am bisher erreichten, bereits im Gleichgewicht befindlichen Zustand (Index 0) durch, d.h. wir untersuchen die _~nderungen aller Gr6gen im Funktional (4.1o4) bei einem Verschiebungsinkrement Au. Dafiir wird die Linearisierung einer tensorwertigen Funktion

182

4 Methode der Finiten Elemente

A(a) an der Stelle a0 bzgl. der vektoriellen Variablen A a (Richtungsableitung) benutzt. A(ao + Aa) = A(ao) + A A

mit AA = ~dA a0 9A a

(4.1o8)

Zur Vereinfachung soll angenommen werden, dass die ~iut~eren Kr/ifte nicht vonder Verformung abh/ingen (konservativ, keine Kontakt-, Reibungs- oder mitbewegten Kr~ifte), d.h. die/iut~ere Arbeit 6l/Vext bleibt in (4.1o4) linear bzgl. 6u. Deshalb ist nur die Linearisierung von 6Wint vorzunehmen: A((~gVint)

:

/ ( A T : 6E + T : A6E) dV. v

(4.1o9)

Im 1. Integralterm ist der 2. PIOLA-KIRCHHOFFsche Spannungstensor (A.51) bzgl. A u zu linearisieren, was mit der Kettenregel fiber den Verzerrungstensor A E und (4.1o5) geschieht. Der vierstufige Tensor C ep bezeichnet die Materialtangente an diesem Punkt.

A T = 0---E OT : A E = C ep : A E ,

OT To CeP = OE

(4"110)

Die Linearisierung von (4.1o6) ergibt A~E---- ~1 { A F T . ~F q-6F T. A F } bzw. A6EMN----I(AFiM~FiN-[-6FiMAFiN} (4.111) Aufgrund der Symmetrie des Spannungstensors T folgt damit der 2. Term des Integranden in (4.1o9) zu

TMNAt~EMN : 6FiMTMNAFiN,

(4.112)

womit wir die Linearisierung der inneren virtuellen Arbeit erhalten:

A((~Wint)= /

(6E: cep : A E + 6 F T . T 9A F ) dV.

(4.113)

v

Die FEM-Realisierung soll wieder exemplarisch fiir ein zweidimensionales Element im ebenen Sparmungszustand skizziert werden. Dazu wechseln wir anf Matrizendarstellung fiber. Im Unterschied zum Abschnitt 4.3.1 werden jetzt die Ortsvektoren in r~iumlicher x und materieller X Darstellung mit Hilfe der isoparametrischen Variablen ~ im Element interpoliert, wobei K, X und fi - v die jeweiligen Knotenwerte bezeichnen: x(~) = N(~) K,

X(~) = N(~) X .

(4.114)

Aus den kinematischen Zusammenh~ngen ergeben sich die Ans~tze ffir die Verschiebun-

4.5 FEM ffir nichtlineare Randwertaufgaben

183

gen u im Element sowie deren Variation (iu und Inkrement Au: = R + fi = X + v u(~) = N ( ~ ) v ,

(4.115)

(iu(~) = N(~) (iv,

Au(~) = N(~) Av

(4.116)

Die drei Komponenten des Verzerrungstensors werden g e m ~ (4.1o5) variiert, wobei der lineare Term die bekannte B-Matrix (4.44) bildet und die quadratischen Terme zu einer nichtlinearen Relation Bnlin(v) fiihren: [(iE11] (iS ---- [(iS221 -- D(u)(iu -- l](v)(iv

analog

A E ----] ] ( v ) A v ,

(4.117)

[SE12J t3 = B + Bnlin(v),

B~

= [B1

(4.118)

Bo

BoK],

[ Ul,lNa,1 u2,1Na,1 ] Bo = | nl,~Na,~ ~2,2Na,: I LUl,lNa,2 + Ul,2Na,1 u2,1Na,2+ u2,2Na,l J

(4"119)

Auf ~hnliche Weise wie in (4.59) gezeigt finder man die Ableitungen der isoparametrischen Verschiebungsans~itze nach den materiellen Koordinaten, um aus (4.1o7) die Variation (iF und die Linearisierung A F des Deformationsgradienten zu ermitteln: nK

5F = E ONa(~)(iu(a) = I:I(iv a=l

OX

analog

A F = I=IAv.

(4.12o)

Einsetzen der Beziehungen (4.116)-(4.12o) in (4.113) ergibt die virtuelle innere Arbeit fiir ein Inkrement A v d e r Knotenverschiebungen eines Elementes V~: (4.121) "Ve

Ve

k~li~

k:p

Der Ausdruck in geschweiffer Klammer stellt die tangentiale Steifigkeitsmatrix (engl. tangential stiffness matrix) k(v) am Punkt 0 dar, die aus zwei Beitr~gen besteht. Der erste Term k nlin wird aus der nichtlinearen Verschiebungs-Verzerrungsrelation t3 und dem Materialtensor C ep gebildet, der im Fall nichtlinearer Stoffgesetze ebenfalls von v abh~ingt (siehe vorheriger Abschnitt 4.5.2). Hinzu kommt die so genannte geometrisehe Steifigkeitsmatrix oder Anfangsspannungsmatrix (engl. initial stress matrix) k sp, die den Einfluss des aktuellen Spannungszustandes T auf die ver~inderte Geometrie I=I widerspiegelt. k(v) = knlin(v) + kSp(T)

(4.122)

184

4 Methode der Finiten Elemente

Nach der Assemblierung aller Elementbeitr/ige (4.122) erh/ilt man die tangentiale Systemsteifigkeitsmatrix K fiir das linearisierte FEM-Gleichungssystem. K(V0) A V = - R := F ext - F int

(4.123)

Seine iterative LSsung erfolgt am besten mit dem NEWTON-RAPHSON-Verfahren, siehe Abschnitt 4.5.1. Der bier erl/iuterte Algorithmus wird in der FEM-Literatur als total LAGRANGEsche Methode bezeichnet. Weitere Ausf'dhrungen zur FEM bei physikalischen und geometrischen Nichtlinearit~ten finder man in [290,255, 35]. 4.6

Explizite

FEM

f/Jr d y n a m i s c h e

Probleme

Fiir die Analyse stoi~artiger Rissbelastungen und hochdynamischer Rissausbreitungsvorg/~nge, die meist auch mit Kontaktproblemen verbunden sind, hat sich in der FEM das Verfahren der expliziten Zeitintegration am besten bew/ihrt. Im Unterschied zu impliziten Zeitintegrationsverfahren (z. B. NEWMARK) ist das explizite Verfahren numerisch sehr effektiv und robust. Von Nachteil ist seine bedingte Stabilit/it, was zur Einhaltung sehr kleiner Zeitschritte At~ < Atc zwingt. Mit der ersten und zweiten Zeitableitung der Verschiebungsansiitze (4.42) erh~lt man die Geschwindigkeiten und Beschleunigungen aus den Knotenwerten v: fl = N~r,

fi = N~.

(4.124)

Fiir d/impfungsfreie Systeme folgen aus dem HAMILTONschen Prinzip die Bewegungsgleichungen, woraus nach der FEM-Diskretisierung gem~s Abschnitt 4.4 die Steifigkeitsbeziehung (4.49) um den Triigheitsterm m ~ zu erweitern ist:

Mit den in Abschnitt 4-3 dargestellten Algorithmen kann prinzipiell auch die Elementmassenmatrix (4.126) integriert und zur Gesamtmassenmatrix M assembliert werden. Bei Verwendung der Formfunktionen erh~lt dann die so genannte konsistente Massenmatrix, die Symmetrie und Bandstruktur besitzt. Daraus resultiert ein relativ hoher Rechenaufwand bei der LSsung von (4.125) , da M invertiert werden muss. Dieser liisst sich jedoch um ein Vielfaches verringern, wenn eine kondensierte Massenmatrix (engl. lumped mass matrix) in Diagonalform verwendet wird. In diesem Fall ist die Invertierung von M trivial, so dass (4.125) direkt nach den gesuchten Knotenbeschleunigungen ~ aufgelSst werden kann. Ffir die Bestimmung der diagonalisierten Massenmatrix existieren verschiedene Interpolations- und Integrationstechniken [116, 34].

4.6 Explizite FEM fiir dynamische Probleme

185

Zur LSsung der DGL 2. Ordnung (4.125) bzgl. der Zeit wird in der Regel das explizite zentrale Differenzenschema angewandt. Dabei werden die dynamischen GrSi~en am Ende des (n + 1)-ten Zeitschritts t~+l = tn + At,~+l aus dem Impulssatz (4.125) zum Intervallanfang t~ berechnet. Die Geschwindigkeiten in der Intervallmitte t,~+89= t,~ + 1Atn+l ergeben sich aus dem Differenzenquotient ~"n+ 89 = ( Y n + l -- v,~)/At,~+l,

f,~_89= (v,~ - v,~_l)/At,~,

(4.127)

woraus die Beschleunigung bei t,~ folgt: an = v n = (*n+ 89 - * n - 8 9

[1

~(Atn+l + A t n )

1

.

(4.128)

Daraus leitet sich der nachstehende Algorithmus ab: (o) Festlegung der Anfangsbedingungen v0 und ~r0 (1) Inkrementieren der Zeit und ~iugeren Belastung f(t) (2) Berechnung der Beschleunigung im Zeitschritt

Atn+l aus (4.125):

a~ = m - l ( f - kv=) (3) Bestimmung der Geschwindigkeit fiber (4.128): A t n + l q- A t n r

89= r162 89+

2

a,~

(4) Aktualisierung der Verschiebungen mit (4.127): Vn+ 1 = Vn q- Atn+lr189 (5) N~chster Zeitschritt n :----n + 1, gehe zu (2) Der explizite Algorithmus erfordert weder Iterationen noch die Invertierung der Steifigkeitsmatrix, selbst die Assemblierung der Elementmatrizen kann entfallen. Materielle und geometrische Nichtlinearit~iten werden einfach durch k(v~) berficksichtigt. Die maximal zul~issige Zeitschrittweite Ate ist umgekehrt proportional zur h5chsten Eigenkreisfrequenz Wm~x des Systems. In der Praxis wird Ate durch die Zeit abgesch~itzt, die eine DilatationsweUe mit der materialabh~ingigen Ausbreitungsgeschwindigkeit Cd ben5tigt, um das kleinste finite Element der L~iage Lmin zu durchlaufen, wobei b noch ein empirischer Faktor ist: At < A t c = b Lmin 9 Cd

(4.19-9)

186

4 Methode der Finiten Elemente

4.7

Arbeitsschritte

bei der FEM-Analyse

Nachfolgend sind die wesentlichen Arbeitsschritte kurz zusammengestellt, die fiir die FEM-Berechnung eines Bauteils erforderlich sind. Die besonderen Aufgaben zur Behandlung von Rissen sind kursiv hervorgehoben. 4.7.1

PRE-Prozessor

- Erstellung des FEM-Netzwerkes (Knotenkoordinaten, Elemente, Topologie)

- Spezielle Netzgeneratoren fiir Risse (Spezialelemente, geometrische Besonderheiten) - Vorgabe der Belastungen und Lagerbedingungen - Eingabe der Materialeigenschaften - Vorgabe des zeitlichen Belastungsprogramms - Kontrolle und Visualisierung des Eingabemodells 4.7.2

FEM-Prozessor

- Aufbau und Speicherung der Steifigkeits- K(t) und Massenmatrix M Berechnung der rechten Seite F(t) aus allen Belastungen

- Rissspitzenelemente und spezielle Algorithmen fiir Risse -

4.7-3

Einarbeitung der kinematischen Randbedingungen LSsung des (nicht-)linearen FEM-Gleichungssystems Speicherung der Resultate (LSsungsvektor V(t) u.a.) Inkrementelle ErhShung der Belastungen fiir den n~ichsten Zeitschritt bei nichtlinea~ ren oder dynamischen Analysen; ggf. Wiederholung dieser Schleife POST-Prozessor

- Berechnung interessierender FeldgrSt~en (ui, sij, c~ij, T) ffir gewfinschte Orte und Zeitpunkte aus dem LSsungsvektor V(t) - Knotendaten: v (a), § ~(~), f, T, hn - Elementdaten (Integrationspunkte): E~j, aij, r am~x, Ev, av, U - GrMische Darstellung: Isolinien-Faxbbilder, zeitlicher Verlauf, verformte Struktur, Animation von Bewegungen u. ~. m.

- Spezifische Auswertungen (EDI-Integral, MCCI-Schlieflintegral, DIM u. a.) fiir die Bestimmung bruchmechanischer Beanspruchungsparameter (K-Faktoren, G, J)

5

F E M - T e c h n i k e n zur R i s s a n a l y s e in linear-elastischen Strukturen

Ziel der FEM-Analyse ist die Berechnung der bruchmechanischen Beanspruchungsparameter ffir einen Riss in einer Struktur (PrfifkSrper, Banteil, Werkstoffgeffige) bei linearelastischem (isotropen oder anisotropen) Materialverhalten. Im Abschnitt 3.2 wurden die relevanten Beanspruchungsparameter der LEBM vorgestellt: Die Spannungsintensit~itsfaktoren KI, KII, KIII und die Energiefreisetzungsrate G --- J. Ihre Werte h~ngen von der Geometrie der Struktur, ihrer Belastung, der L~nge und Form des Risses sowie von den elastischen Materialeigenschaften ab. Obwohl die FEM zur L6sung der RWA geradewegs eingesetzt werden kann, besteht bei der Anwendung auf Rissprobleme doch eine grundlegende Schwierigkeit. Diese liegt in der exakten Erfassung der Singularit~t an der Rissspitze mit Hilfe eines numerischen N~erungsverfahrens wie der FEM. Die iiblichen Finite-Elemente-Typen besitzen nur reguNire Polynomans~tze ffir ui, ~ij und aij. Sie kSnnen deshalb die Risssingularit~it nur schlecht wiedergeben. Aus diesem Grunde sind spezielle Elementans~itze, numerische Algorithmen oder Auswertetechniken erforderlich, um aus einer FEM-LSsung die BeanspruchungskenngrSt~en effizient und genau zu gewinnen. Im folgenden Kapitel sollen die dafiir entwickelten Methoden vorgestellt werden, wobei wir uns hanpts~chlich auf station ~ e Risse konzentrieren. Die Besonderheiten der FEM-Techniken und Vernetzungen zur Analyse instation~rer Risse werden in Kapitel 8 erl~iutert. 5.1

Auswertung

der numerischen

LSsung

an der Rissspitze

Wenn man nur regul~re finite Elemente (engl. regular standard elements) (RSE) zur Verfiigung hat, so ist eine sehr feine Vernetzung an der Rissspitze notwendig. Man sollte sich nochmals bewusst machen, dass mit dem Spannungsintensit~tsfaktor KI der KoeO~zient einer Singularitdt gesucht wird! Das bedeutet erstens: Je feiner wir vernetzen, desto h6her (--* c~) wachsen die Spannungen an. Zweitens muss die Diskretisierung so fein sein, dass damit die Feldgr6~en innerhalb der NahfeldlSsung ausreichend genan anfgel6st werden. Eine typische Vernetzung fiir Rissprobleme wird am Beispiel des GRIFFITH-Risses in der zugbelasteten endlichen Scheibe von Bild 5.1 demonstriert. Aus Griinden der Symmetrie des Problems bzgl. der xl- und x2-Achse geniigt es, nur einen Quadranten (grau hinterlegt) zu modellieren. Dabei mfissen auf den Symmetrieachsen (xl -- 0 bzw. x2 -- 0) die Normalverschiebungen (u2 -- 0 bzw. ul -- 0) verhindert werden. Am oberen Rand werden die Zugspannungen mit ~quivalenten Knotenkr~ften angelegt und die Rissufer bleiben lastfrei. Bild 5.2 zeigt das FEM-Modell bei Verwendung viereckiger Elemente. Fiir station~re Risse bietet sich ein polares FEM-Netz mit einer starken konzentrischen Verfeinerung um die Rissspitze an, siehe Detailbild rechts. Die kleinsten Elemente an der Rissspitze miissen eine Gr6i~e L haben, die noch erheblich unter dem Giiltigkeitsbe-

188

5 F E M - T e c h n i k e n z u r Rissanalyse in linear-elastischen S t r u k t u r e n

Bild 5.1: Griffith-Riss in einer endlichen Scheibe u n t e r Zug

Bild 5.2: F E M - N e t z w e r k m i t A u s s c h n i t t v e r g r S ~ e r u n g a m Riss

5.1 Auswertung der numerischen Lfsung an der Pdssspitze

Bild 5.3: Auswertung der FEM-L5sung an einem Knotenpunkt (r*, 0")

189

B i l d 5.4: G / i l t i g k e i t s b e r e i c h d e r F E M - A u s wertung

r e i c h r K des Ki-dominierten Nahfeldes liegt. Um die Winkelverteilung ansreichend gut zu reproduzieren, mfissen auch genfigend Elemente fiber den Kreisbogen verteilt werden. Mit der Absch~tzung r g ~ a / 5 0 . . , a/lO sollte deshalb folgende Relation eingehalten werden:

9 ElementgrSs an der Rissspitze: L < a / 1 0 0 . . , a/20 9 Zahl der Elemente / Halbkreis: n > 6 bzw. A0 < 30 ~ Das einfachste Verfahren zur Ermittlung des Spannungsintensit~itsfaktors KI besteht im direkten Vergleich der FEM-LSsung mit der NahfeldlSsung ( 3 . 1 2 ) und (3.16) ffir Modus I:

(5.1) Ffir einen ausgew~ihlten Punkt (r*,/9*) kann man so entweder aus den Verschiebungen uFEM oder den Spannungen oij _FEM durch Umstel]en von (5.1) einen Wert KI* errechnen: i ,

=

FEM

fit(o*)

*

,o

*

)

(5.2)

F/ir die Verschiebungen bieten sich die Werte an den Knoten an, w~hrend die Spannungen in der Regel an den Integrationspunkten ansgegeben werden und dort auch die grSf~te Genauigkeit besitzen, siehe Bild 5-3. Bild 5.4 zeigt ein typisches Resultat ffir K~(r*) entlang eines Ra~ius-Strahls 0* = const. Hierbei kann man drei Bereiche unterscheiden: Sehr nahe an der Rissspitze kSnnen die Elemente die Singularit~t nur ungenan abbilden, weshalb KI* im Vergleich zum exakten Ki-Wert zu klein ausf/illt. Im mittleren Abstand ist die Gfite der FEM-LSsung ansreichend. Aus des Dominanzbereiches r* > rg verliert (5.2) ihre Berechtigung, da auf~er der Singularit/it noch weitere LSsungsanteile auftreten. Als pragmatische Technik wird deshalb eine lineare Extrapolation der Funktion K~ (r*) vom mittleren Bereich aus gegen die Rissspitze r* --* 0 vorgeschlagen. Die besten Erfahrungen mit dieser Auswertung gibt es an folgenden Positionen:

19o

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

a) Werte der rissSffnenden Verschiebungen auf dem Rissufer (relativ zu einer evtl. Verschiebung u FEM (0) des Rissspitzenknotens) KI = lim uFEM(r*,t9 .E' r*~0 = 7r)-~- v ~ - . E' = E

(ESZ)

und

(5.3)

E ' = E / ( 1 - v 2)

(EVZ)

b) Werte der Normalspannungen anf dem Ligament vor dem Riss g i = l i m a FEM(r*, 0 = 0) 2 ~ * .

(5.4)

r*--*0

Mitunter wird auch eine doppelt logarithmische Auftragung von (5.4) empfohlen 1 . ln[2~ra22 (r*)] - in KI = - ~ in r ,

(5.5)

wobei die Wiedergabegiite der Risssingularit~it dureh die Einhaltung des Anstiegs (Faktor - 1 / 2 ) kontrolliert werden kann und sieh KI aus dem Schnittpunkt mit der Ordinate ergibt. Die bisherige Auswertung galt fiir reine Modus-I-Belastung. Sie kann sinngem/ig auf zweidimensionale Rissgeometrien iibertragen werden, die ausschlieglich im Modus-II oder Modus-III beansprucht sind, vgl. Abschnitt 3.:2.1 und Bild 3.6. In diesen FKllen liegt der Riss auf einer Symmetrieebene des KSrpers (xl-Achse), so dass fiir die FEM ein Halb-Modell geniigt. Wegen der Symmetrie- und Antimetrieeigenschaften sind auf dem Ligament (Ixll > 0, x2 = 0) folgende Randbedingungen zu beachten: Modus-II: Ul = a22 = 0, Modus-III: u3 = 0. Anhand der asymptotischen L5sungen (3.25) und (3.23) ffir Modus II bzw. (3.31) und (3.32) bei Modus III erh/ilt man Formeln zur Bestimmung der K-Faktoren aus den Rissuferverschiebungen oder Ligamentspannungen: KII = r*--.0 lim u FEM (r*, ~r) E4' Kill = rlim .-o

u F3 E M t'r * ' 7r~

2~2-~'

E

KII = r*--*0 lira TF?M(r*,0) 2X/'~-r *

7'

Km=

r-lim40*

M(r*'0)

(5.6)

(5.7)

Im allgemeinen Beanspruchungsfall des Risses tiberlagern sich alle drei Modi I, II und III und es gehen sgmtliche Symmetrieeigenschaften verloren. Auf den Rissufern separieren sich aUerdings die PdssSffnungsarten, so dass die K-Faktoren aus den Relatiwerschiebungen Au~(r*) = ui(r*, 0 = + ~ r ) - ui(r*, 0 = --~r) zweier gegentiberliegender Knoten auf den Rissufern ermittelt werden kSnnen

KII

(KIII J

= r*--*0 lim ~V r* /

-s Aul(r*)

~ E

iu3(r, )

(5.8)

5.2 Speziellefinite Elementean der Rissspitze

191

Diese Auswerteformel gilt auch ffir r~umliche Risskonfigurationen, wobei sich ui(r*, 0") dann auf ein lokales Koordinatensystem senkrecht zum betrachteten Punkt der Rissfront bezieht (siehe Bild 3.1o), was eine entsprechende Transformation aus dem globalen System erfordert. Alle bisher angegebenen Beziehungen gelten fiir isotropes Material, bei dem jeder Spannungsintensit~tsfaktor genan mit der Verschiebungskomponente des jeweiligen Riss5ffnungsmodus verknfipft ist. Bei anisotropem Material sind jedoch die Verschiebungskomponenten anf den Rissufern mit allen K-Faktoren gekoppelt, so dass ein lineares Gleichungssystem entsteht. Ffir den in Abschnitt 3.2.7 behandelten Spezialfall der Orthotropie findet man:

/ KI } KII = (gIII

1 [/~2/~2 FHll H12 ~ 1 2

0 ] ~ 21r 0 lira //33 r*~0

~A~l(r') ~ Au2(r*) , ~AU3(r*)~

(5.9)

wobei die Komponenten der Matrix Hij yon den elastischen Konstanten abh~ngen:

[H11

H121 =

1

\81--82/

[H21 H22] HllH22-H12H21 ,,~(siq2-s2ql)

81 82

(~1 -~2 ,~(82P1 81P2~l (5.10) 81 82 ]J

H33 -----~(C45-[-83C44)

5.2

Spezielle finite Elemente an der Rissspitze

5.2.1

Entwicklung yon Rissspitzenelementen

Die unbefriedigende LSsungsqualit~t regul~er Elemente wurde schon in den 7oer Jahren erkannt, was zur Entwicklung spezieller Elementformulierungen ffihrte, bei denen die Formfunktionen singul/ire rissspezifische Ans~itze enthalten, deren Freiwerte mit den K-Faktoren in Beziehung stehen. Sonderelemente dieser Art werden Rissspitzenelemente (engl. crack tip elements) (CTE) genannt. Sie werden zur Diskretisierung der unmittelbaren Rissspitzenumgebung eingesetzt, woran sich regul/ire Elemente zur Modellierung der restlichen Struktur anschlieSen. Diese CTE k6nnen eine Rissspitze vollst/indig einbetten, wenn ihre Ans~tze komplette Rissspitzenfelder in (r, 0)-Koordinaten beschreiben, siehe [57,288]. Meist beschr~nkt man sich jedoch auf die Nachbildung der radialen r-U2_ Singularit~t, weshalb die Winkelabh~izlgigkeit 0 durch fficherfSrmige Elementanordnungen um die Rissspitze modelliert werden muss. Erw~hnt werden sollen die wesentlichen

192

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

Bild 5.5: Eindimensionales Viertelpunktelement: a) natiirliche Koordinaten, b) lokale kartesische Koordinaten

Entwicklungen von ebenen [5, 36, 39,273] und riiumlichen Rissspitzenelementen [40,274]. Das gr5s Problem bei derartigen Elementformulierungen besteht darin, dass die singul~iren Rissans~itze nicht mit den regul~ren Formfunktionen auf den R ~ d e r n zu den Nachbarelementen kompatibel sind. H~ufig erlauben ihre Formfunktionen auch keine StarrkSrperbewegungen oder konstanten Verzerrungszust~inde, was Voraussetzung fiir die Konvergenz der LSsung ist. Ein weiterer Nachteil vieler Rissspitzenelemente bestand darin, dass sie wegen ihrer algorithmischen Besonderheiten nicht in kommerzielle FEMProgramme aufgenommen wurden und somit nur fiir wenige Spezialisten nutzbar waren.

5.2.2

Modifizierte isoparametrische Verschiebungselemente

Ein entscheidender Fortschritt in dieser Hinsicht wurde durch die Entdeckung der sogenannten Viertelpunktelemente(engl. quarterpoint elements) (QPE) erzielt, welche unabh~ngig voneinaader HENSHELL ~ SHAW [113] und BARSOUM [26] gelang. Die Grundidee besteht in einer Modifikation isoparametrischer Elemente mit quadratischem Ansatz dadurch, dass die Position der Seitenmittenknoten ver~ndert wird. Verschiebt man n~mlich die Koordinaten dieser Knoten v o n d e r Mitte in Richtung Rissspitze auf die Viertelposition bei allen Elementk,unten, die auf die Rissspitze zulaufen, so bewirkt dies eine Ver~inderung der Verschiebungs-, Verzerrungs- und Spannungsfelder im Element, die genau der radialen Funktion des Rissspitzenfeldes entspricht. Ursache ffir die Entstehung eines singul~ren 1/vrr-Verlaufs ist die nichtlineare Abbildung zwischen den natiirlichen (parametrischen) und den lokalen (geometrischen) Koordinaten ~ --* ~. Man spricht deshalb auch von >>knotendistordierten~ Ansatzfunktionen. Bevor auf die verschiedenen Arten von Viertelpunktelementen n~iher eingegangen wird, soll das Prinzip am eindimensionalen Element 1D bzw. an einer Kante dargestellt werden.

a) Eindimensionales Viertelpunktelement Bild 5.5 b stellt das 1D-Viertelpunktelement mit den drei Knoten 1, 3 und 2 im geometrischen ILuum an der Rissspitze dar, deren Abstand durch die Koordinate r gegeben ist. Die Position des Mittelknotens 3 wird durch den Parameter x gesteuert. Im Bild 5.5 a ist der Parameterraum ~ ( ~ 1 ) wiedergegeben. Der quadratische 1D-Verschiebungsansatz

5.2 Spezielle finite Elemente an der Rissspitze

193

dieses Elementes lautet:

3 a=l

(5.11)

= u(3) ~- ~ l ( u ( 2 ) - - u ( 1 ) ) ~ - [ l ( u ( 1 )

~- u (2))

-- U(3)] ~2

In der letzten Gleichung wurde nach ~-Potenzen geordnet. Aufgrund der isoparametrischen Elementformulierung gilt dieselbe Interpolationsfunktion auch fiir die Koordinaten, d.h. auch den Radius r mit den Knotenwerten r (1) -- 0, r (3) -- ~L, r (2) -- L:

3 a=l

Bei einem regul~ren 1D-Element wiirde ~r = 1/2 gelten und aus (5.x2) folgte dann ~ = 2 r / L - 1. Einsetzen dieser linearen Beziehung in (5.11) liefert ebenfalls ein Polynom 2. Grades fiir den Verschiebungsverlauf u ( r ) . Verschiebt man jedoch Knoten (3) auf die Viertelposition x = 1/4, so ergibt (5.12) hingegen den Zusammenhang r=L(l+~)2

=~

(5.13)

~ = 2 V ~ - 1,

woraus mit (5.11) folgende radiale Abh~gigkeit der Verschiebung und Dehnung entsteht:

tt(r) : U (1) -~- (--3U (1) --~t (2) ~-4u (3)) _

r + 2 (u (1) + u (~) - 2u (3)) 1

(5.14) 1

Wie man sieht, enthtilt der Verschiebungsansatz jetzt neben einer konstanten (StarrkSrperverschiebung) und linearen Funktion nun einen v~-Verlauf, der somit genau das Verschiebungsfeld an der Rissspitze nachbildet. Die Dehnung im Viertelpunktelement weist die gewfinschte 1/x/?-Singularit~t auf und verfiigt noch fiber den notwendigen konstanten Term (Patch-Test).

b) Viereckige und dreieckige Viertelpunktelemente 2D Zur Berechnung ebener Rissprobleme werden Viertelpunktelemente aus isoparametrisehen Reehteek- [113] oder Viereekelementen [26] generiert, indem man die Mittelknoten entlang zweier Kanten versetzt, wie es die Bilder 5.6a und 5.6b zeigen. Die 1D-Betrachtung des vorigen Abschnitts kann man direkt auf die Kanten 1-5-2 und 18-4 anwenden, so dass hier die gewfinschten risstypischen Funktionen (5.14) und (5.15) vorliegen. Auf Radiusstrahlen im Element existiert dieser Verlauf nur in einem engen (grauen) Bereich [21]. Vorausgesetzt werden muss augerdem, dass alle Elementkanten Geraden sind. Da die Winkelabh~ngigkeit der Nahfeldl6sung mit diesen Risselementen

194

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

Bild 5.6: Knotendistordiertes isoparametrisches 8-Knoten-Viereckelement (a) und 6-KnotenDreieckelement (b)

(9 o~ Winkel) nur relativ schlecht nachzubilden ist, werden sie eher selten eingesetzt. Bessere Eigenschaften haben in dieser Hinsicht Viertelpunktelemente, die aus natiirlichen 6-Knoten-Dreieckelementen mit quadratischen Ansatzfunktionen erzeugt werden, siehe Bild 5.6 b. Erstens kann man viele derartige Elemente sektorfSrmig um die Rissspitze legen. Zweitens wurde nachgewiesen [96], dass die r-1/2-Singularit/it in allen Richtungen innerhalb des Elementes reproduziert wird. Somit kSnnen die knotendistordierten Dreieckelemente die Winkelverteilung um die Pdssspitze weitaus besser auflSsen, weshalb ihnen generell der Vorzug gebiihrt. Die der Pdssspitze gegeniiber liegende Kante 2-5-3 daft anch gekriimmt sein. c) K o l l a b i e r t e V i e r e c k e l e m e n t e Das wohl am h/iufigsten verwendete Rissspitzenelement ist das isoparametrische 8-Knotenelement, bei dem eine Seite (z. B. ~1 = - 1 ) zu einem Punkt kollabiert wird, so dass die Knoten 1, 4 und 8 identische Koordinaten erhalten wie in Bild 5.7 dargestellt. Dieses zum Dreieck degenerierte Viereckelement verfiigt nach BARSOUM [27] fiber einige spezielle Eigenschaften, die vorteilhaft in der LEBM und E P B M genutzt werden kSnnen. Eine Gruppe dieser Elemente wird fgcherfSrmig um die Rissspitze angeordnet, wobei die kollabierten Knoten alle an der Rissspitze (xl = 0, x2 = 0) liegen. Auf~erdem sehen wir durch den Parameter ~ noch eine variable Positionierung der Mittelknoten 5 und 7 vor. Dann lauten die Knotenkoordinaten nach Bild 5.7:

x~l~ = x~4~ = x~8~ = 0, x~ 2~ = ~~ x~ 1~ = %'~ = ~?~ = 0, ~ ?

= -~,

= ~?~ = L, x?~ = ~7~ = ~ L ~?~ = 0, ~?~ = H,

x?~ = - ~ M ,

x~7) = x H .

(5.16)

5.2 Spezielle finite Elemente an der Rissspitze

195

Bild 5.7: Kollabiertes und distordiertes isoparametrisches 8-Knoten-Viereckelement Mit Hilfe der Formfunktionen (4.66) dieses Viereckelements ergeben sich die Koordinaten

X l = ~L [(1 + ~1)2(1 - 2x) - (1 + ~1)(1 - 4x)] H x2 ---- -~-{2 [(1 + ~1)2(1

(5.17) -

-

2~)

-

(1 + ~1)(1

-

-

4~)]

und daraus der Abstand r zur Rissspitze

r= ~l+X

2 = 1 J L 2 + H 2 ~ 2 [(1 +{1)2(1 - 2~) - (1 + { 1 ) ( 1 - 4~)] . 2v

(5.18)

Fiir den Fall der Viertelpunktposition x = 1/4 gilt: L 2 xl = ~ ( 1 + ~1) ,

H x2 = ~ 2 ( 1

r = l (l + ~l)2~/L2 + H2~ 2

~1)2

+

(5.19)

v~

==>

(1 + ~1) = ! ~/L 2 + H2~2

2

Die Elemente der JACOBIschen Matrix berechnen sich aus (5.17) zu:

X l ~- L [(1 + ~1)(1 _ 2x) _ 1(1 _ 4x)] Jll _ O0~"' cox1 J21

--

- -

--

0

[

(5.20)

J12-- ~10X2--H~2 ( l + ~ l ) ( 1 - 2 x ) - 1 ( 1 - 4 x ) ~X2

J22 -- 0~--~

m

H

(1-4- ~1) [(1 + ~1)(1

-

-

2X)

---- ~-~2Jll -

-

(1

-

4x)]

rH -

-

v/L 2 + H2~ 2

196

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

Aus (5.20) ergibt sich bei x = 1/4 folgende Abh~gigkeit vom Radius: J l l = L(1 + r

~ x/7,

J21 = 0

J12 = H~2(1 + {1) ~ V~, J = det IJI =

JllJ2u

Juu = H ( 1 + {1) 2 ~ r

= -L~-(1 + {1) 3 ~

(5.21)

r 3/2 9

Daraus errechnet sich die Inverse der JACOBI-Matrix fiber

j-1

1 [J~2 =J

_1]

-J121 [~ JllJ ~

(5 2)

! '

woraus ersichtlich wird, dass allein durch die Vorgabe der Knotenpositionen in der Transformation (~ +-+ x) Singulaxit/iten vom Typ r - 1 / 2 und r -1 bzgl. des Radius zur Rissspitze entstehen. Der Verschiebungsansatz des Elements gehorcht unabh~ngig von der Knotendistorsion den isoparametrischen Formfunktionen (4.66). Zur Berechnung der Verzerrungen sind die Verschiebungsgradienten zu bilden: ou

= j-1

~o~

mit

J i-j 1

=

(5.23)

Oxi "

Hier steht u stellvertretend fiir jede Komponente des Verschiebungsvektors ui, z.B. ul. Die Ableitungen nach den natfirlichen Koordinaten ~j finder man mit etwas Rechenaufwand sortiert nach ~j-Potenzen: Ou

= N~s 0Na(~l, ~2) u(~) a=l

-- i1 §

+

§

-}- ~(1 -- ~2) [(~2 -- 2) u(1) -- (~2 -}- 2) ~t(2) -}- 4u (5)]

+ 1 ( 1 - ~2) [u(6' - u(S)] = a o + al(1 + ~1)

ffir ~2 = const.

5.2 Spezielle finite Elemente an der Rissspitze

197

OU__~(1_[_~1)2[U(3)_~_U(4)__2,tt(7)__U(1)__U(2)_[_2U(5)]

0~2

+ 88 + ~1) [(2~2 - 1)u (3) - (3 + 2~2)u (4) + (3 - 2~2)u (1)

(5.25)

+ (2~2 + 1)u (2) + 4u (7) + 4~2u (s) - 4u (5) - 4~2u (s)] 1

[(2~2 + 1)u (4) + ( 2 ~ 2 - 1)u O) - 4~2u(S)] *

--bo +b1(1 +~1) +b2(1 +~1) 2 ffir ~2 -- const. Zur besseren 0bersicht wttrden die Konstanten ai und bi eingefiihrt, so dass die Funktion von (1+~1) ~ x/~ sichtbar wird. Auf aaaloge Weise erh~ilt man die Ableitungen ffir u2 -~ u aus (5.24) und (5.25) m i t a n d e r e n K o n s t a n t e n :

Ou2

0~1 Ou2

0~2

--C0-~-Cl(I-~-~I )

(5.26)

-do-~-dl(l-~-~l)+d2(l-~-~l) 2

(5.27)

0 b e r die Beziehung (5.23) b e k o m m e n w i r m i t (5.22): gll

-

-

0Ul ~Xl-

-

y _ l O?-tl T--10Ul ~'11 0~ 1 -~- '12 0~2

a0+al(l+~l) x/7

boTb](l+~l)--t-b2(l+~l) 2 +

r

1 [OUl

Ou2"~

bo+do + fl r

~

+ f2

(5.28)

el

= --r + ~

c9u2 ._./Ou2 T-1 c3u2 do dl s= -- ~ -- ~/~l- ~ + J= ~ -- -; + ~ + d2 ~12 ---- ~ ~0X2 ~- 0X 1 ] --

bo

+e2

(5.29)

(5.30)

Mit den Gleichungen (5.28)-(5.30) ist die radiale Abh~ingigkeit der Verzerrungen im Element bestimmt. Die Konstanten ai - fi (i -- {0, 1, 2}) hs von den tatsgchlichen Knotenverschiebungen und dem zweiten Parameter ~2 ab, der auf einem Radiusstrahl konstant ist. Anhand von (5.25) erkennt man, dass der Ausdruck in der markierten Klammer []* ~- b0 = 0 verschwindet, falls die Knoten 1, 4 und 8 identische Verschiebungen besitzen, also kinematisch gekoppelt sind, woraus folgt: bo -- do -- 0

bei u~ 1) = ~4) = ~ s ) .

(5.31)

Damit entfallen in (5.28) - (5.30) die stark singuliiren Terme mit 1/r und das Rissspitzenelement verffigt fiber die erforderliche 1/x/7-Singulaxitgt der elastischen NahfeldlSsung plus einem konstanten Verzerrungsansatz, der ffir das Konvergenzverhalten und die Berficksichtigung thermischer Dehnungen unverzichtbar ist. Des Weiteren sind die Stetigkeitsanforderungen zu den benachbarten Viertelpunktelementen entlang der Kan-

198

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

ten 1-5-2 und 4-7-3 sowie zu den regul~iren Elementen des n~ichsten Ringes entlang 2-6-3 erf/illt. Auch die drei Freiheitsgrade der StarrkSrperbewegungen werden durch die Modifikation des Elementes nicht behindert.

d) D r e i d i m e n s i o n a l e V i e r t e l p u n k t e l e m e n t e Das Konzept der Viertelpunktelemente l ~ s t sich problemlos anf rfiumliche Rissprobleme erweitern, indem man die vorgestellten 2D-Elemente prismatisch entlang der Rissfront in die dritte Dimension ausdehnt. Somit entstehen knotendistordierte Hexaederelemente und Pentaederelemente, die so wie in Bild 5.8 dargestellt um jedes Segment der Rissfront gruppiert werden. Die Singularit/itseigenschaften gelten dann in jeder Elementebene senkrecht zur Rissfront (~3 : const.). Bild 5.9 a zeigt ein Pentaederelement mit 15 Knoten, das mit seiner Kante 1 13 4 anf der Rissfront liegt. Die Knoten 7, 9, lo und 12 werden in die Viertelposition verschoben, d.h. ihre Koordinaten x(i) : ix r 1(~), x 2(i) , x 3(~)1j berechnen sich zu: x (7) = (3x (1) + x(2))/4,

x(10 ) = (3x(4) + x(~))/4,

x (9) = (3x (1) + x(3))/4

x(12 ) = (3x(4) + x(6))/4.

(5.32)

Damit die gewiinschten Singularit/itseigenschaften in jeder Elementkante senkrecht zur Rissfront (~3 = const.) erfiillt sind, miissen noch folgende geometrische Bedingungen eingehalten werden: Die rissfernen Kanten miissen eine Gerade bilden:

x(8) = (x(~ + x(3~)/2,

x (11~ = (x ~ + x(6~)/2.

(5.33)

und die Mittelknoten der Aut~enfl~iche sind genau so zu platzieren, dass ihr Abstand zur Rissfront dem arithmetischen Mittelwert der Abst~inde auf den beiden Stirnfl/ichen entspricht, d.h. bei gegebener Position yon Knoten 13 folgt:

X (14) = [(X (2) --X(1))+ (X (5) --X(4)) § X (15) : [(X (3) --X(1))+ (X (6) --X(4)) +2X(13)]/2.

(5.34)

I m SpezialfaU einer geraden Rissfront x (13) -- (x (1) § x(4))/2 ergeben sich die ebenfl/ichigen prismatischen Pentaeder yon Bild 5.8. In Analogie zu den koUabierten Viereckelementen kSnnen isoparametrische Hexaederelemente zu Pentaederelementen degeneriert werden, wobei die koUabierte F1/iche mit der Rissfront zusammenf/illt, siehe Bild 5.9 b:

X(1) = X(4) = X(12),

X(17) = X(20),

X(5) = X(8) = X(16) "

(5"35)

5.2 Spezielle finite Elemente an der Rissspitze

199

Bild 5.8: Anordnung verschiedener 2D- und 3D-Viertelpunktelemente am Riss

Bild 5.9: 3D-Viertelpunktelemente an der Rissfront: a) Pentaederelement, b) kollabiertes Hexaederelement

200

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

Die Viertelpunktknoten liegen bei x (9) = (3x (1) ~ - x ( 2 ) ) / 4 ,

x(11)

= (3x (1) ~ - x ( 3 ) ) / 4

x (13) = (3x (5) + X(6))/4,

X(15)

= (3X (5) + x(7))/4

(5"36)

und die Knoten auf der rissfernen Fl~iche erhalten die Positionen X (10) -- (X (2) ~-X(3))/2, X(18) :

X (14) -- (X (6) ~-X(7))/2

[ (x(2) -- X(1)) ~- ( X ( 6 ) - X(5)) ~- 2X(17)]/2

(5"37)

X (19) -- [(X (3) -- X(1)) -[- (X (7) -- X(5)) -[- 2X(17)]/2 Zus~tzlich mfissen alle aufeinander fallenden Knoten dieser Elementfliiche kinematisch miteinander gekoppelt werden. U (1) -- U (4) -- U(12),

U (17) -- U(20),

U (5) -- U (8) -- U (16)

(5.38)

Detaillierte Ausfiihrungen zu dreidimensionalen Viertelpunktelementen findet man bei HUSSAIN u . a . [118], MANU [165] sowie BANKS-SILLS u . a . [22][23]. Besondere Beachtung ist der Modellierung gekriimmter Rissfronten zu schenken. Solange diese stiickweise geradlinig als Polygonzug approximiert werden und die Rissspitzenelemente ebene Fliichen behalten, treffen die diskutierten Eigenschaften ausnahmslos zu. Will man jedoch die Vorteile der quadratischen Elementans~tze nutzen, um krummlinige Rissfronten mit geometrisch angepassten, gebogenen 3D-Elementen nachzubilden, so sollten die aufgefiihrten geometrischen Restriktionen beachtet werden, um den Elementen die bestmSgliche Qualit~it zu verleihen. e) V i e r t e l p u n k t e l e m e n t e ffir P l a t t e n u n d S c h a l e n Auf Finite-Element-Modelle fiir diinnwandige KIRCHHOFFsche Platten l~sst sich die Viertelpunktmethode leider nicht anwenden, weil dann gem~it~ (5.3o) ffir die Durchbiegungsfunktion w(r, O) wiederum eine rl/2-Abhfi.ngigkeit entstfinde, jedoch nach (3.139) ein asymptotisches Verhalten r 3/2 benStigt wird, vgl. Abschnitt 3.2.9. Man muss sich deshalb mit regul~ren Plattenelementen begniigen und zur Auswertung die Verschiebungen (DIM) oder das Rissschliet~integral (MCCI) verwenden. Alternativ dazu kann die anspruchsvollere aber anfw~indigere REISSNERsche Theorie 6. Ordung [108] ffir schubverformbare dicke Platten und Schalen herangezogen werden. Dafiir existieren reguls dickwandige gekriimmte Schalenelemente (siehe z. B. [299]), die sich als Sonderfall dreidimensionaler 2o-Knoten-Elemente ableiten lassen, indem man sie geometrisch auf die Schalenmittelfl~che degeneriert, einen linearen Verschiebungsverlauf fiber die Dicke ansetzt und alle Verzerrungskomponenten senkrecht zur Fliiche vernachl~sigt. Das so gebildete 8-Knoten Schalenelement hat pro Knoten drei Verschiebungsund zwei Verdrehungsfreiheitsgrade. BARSOUM [25, 28] konnte wiederum zeigen, dass eine Viertelpunkt-Modifikation dieser Elemente die geforderte Rissasymptotik im Rahmen

5.2 Spezielle finite Elemente an der Rissspitze

2ox

der REISSNER-Theorie liefert, so dass sehr gute Genauigkeiten bei der Analyse von Rissen in dickwandigen Platten und Schalen erzielt wurden. Schlieglich sei noch auf die MSglichkeit hingewiesen, die Rissspitzenumgebung in Platten und Schalen vollstgndig mit 3D-Viertelpunktelementen in mehreren Lagen fiber die Dicke entlang der Pdssfront zu vernetzen und dies an die umliegenden Schalenelemente anzukoppeln, was durch Substrukturtechnik oder als SubmodeU erfolgen kann [7,301]. Der Aufwand bzgl. Diskretisierung und Rechenzeit ist hierbei jedoch am hSchsten.

5.2.3

Berechnung der I n t e n s i t ~ i t s f a k t o r e n aus Viertelpunktelementen

a) A u s w e r t e f o r m e l n ffir ebene Viertelpunktelemente Fiir zweidimensionale Rissprobleme existiert eine einfa~he Formel zur Berechnung der Spannungsintensitgtsfaktoren aus den Ergebnissen der Viertelpunktelemente. Dazu werden die Verschiebungen auf den Rissufern ausgewertet, siehe Bild 5.1o- Gleich welcher Typ von Viertelpunktelementen verwendet wurde, gilt auf diesen Kanten der Verschiebungsverlauf nach (5.14), wobei wir die allgemeinen Bezeichnungen ffir den Knoten an der Rissspitze A ( r = 0), die Viertelpunktknoten B ( r = n / 4 , 0 = ~r) und B ' ( r = L / 4 , 0 = -Tr) sowie die Eckknoten C ( r = L, 0 = ~r) u n d C ' ( r = L / 4 , 0 = -~r) einfiihren. Ein Vergleich des Terms mit v ~ aus (5.14) und der NahfeldlSsung f/ir Modus I (5.3) auf dem oberen Rissufer C - B - A ergibt: 4K/-r--'iV~-~r

[

]

E'

2 / ~K [4~2(~ = L/4) - ~2(~ = L) - 3 ~ ( , = 0)] K~ = -i-V-

(5.39)

= ~-V-Z-

Bei reinen Modus II bzw. III-Beanspruchungen verhalten sich die Verschiebungen auf den Rissufern ebenfalls antimetrisch und man gewinnt durch ghnliche Uberlegungen die entsprechenden K-Faktoren:

Kii= ~-V-F

K m - 4(1 +

[4 f-

- 3~]

(5.41/

Im allgemeinen Fall einer Mixed-Mode-Beanspruchung des Risses mfissen gem~g (5.8) die Relativverschiebungen der Rissufer zueinander ausgewertet werden. Die Intensit~tsfaktoren KI, KIT und K m hgngen jeweils nur mit den Verschiebungsrichtungen u2, ul

202

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

und ua zusammen, so dass sich die folgenden entkoppelten Gleichungen ergeben: KI = ~-

[4U2 ( n / 4 , ~) - u2 (L,

w)] - [4u2 (L/4, - ~ ) - u2 (n, - r ) ] } (5.42)

E'V~ = -8-

{ (4u2B --4u2B , ) -- (u2C --U2C') } = --8-V E' 2/-~-[4AuB -L'[ 2 _ Au2C}

E' 2/~-(4Au B AulC } KII = -~- V -L- ~. 1 KIII

--

(5.43)

8(1 y-------~ + V

Zur Abkfirzung der Schreibweise wurde der Verschiebungssprung fiber die Rissufer am 0 r t eines Knotenpaares (z. B. BB') wie folgt bezeichnet Au/B = uB -- uiB' 9

(5.44)

Entsprechend erh~lt man ffir orthotropes Material mit (5.9) die Bestimmungsgleichung ffir die Spannungsintensits

(5.45)

Bild 5.1o: Verschiebungsauswertung bei 2DViertelpunktelementen

Bild 5.11: Verschiebungsauswertung fiir r~umliche Viertelpunktelemente auf der Rissfliiche

5.2 Spezielle finite Elemente an der Rissspitze

203

b) A u s w e r t e f o r m e l n fiir r~iumliche V i e r t e l p u n k t e l e m e n t e Auch bei r~umlichen Viertelpunktelementen werden die Knotenverschiebungen bevorzugt auf den Rissfl~ichen ausgewertet, weil sich hier (fiir Isotropie) die Rissmodi entkoppeln. Dabei liegen immer knotendistordierte 8-Knoten-Elementfliichen auf dem Riss (Bild 5.11), egal ob man Hexaeder- oder Pentaederelemente einsetzt. Bezeichnet man diese Knoten wieder mit Buchstaben A - H und ihre Partner auf dem gegeniiber liegenden Rissufer mit A' - H', so erh~ilt man folgende Auswerteformeln fiir die K-Faktoren [125][165]: Symmetrie/Antimetrie Wenn der Riss anf einer Symmetrieebene der betrachteten Struktur liegt, so kann das FEM-ModeU auf die Hiilfte reduziert werden. Bei symmetrischer Belastung entsteht nur Modus I am Riss und auf dem Ligament verschwinden die Normalverschiebungen us - 0, auch in den Rissuferknoten A, H, G. K I ( ~ 3 ) = - ~E-IV ~ 2f~f2uB - 7 1 s - u 2 C + 2 u 2 ~ _ uF +u2D +~a(--4UB2 +UC2 +4U~ + ~1.~2, 3 ( U sF + U~

-

uF)+

2uY)}

(5.46) Eine antimetrische Belastung fiihrt zu Rissbeanspruchungen Modus II und/oder III, die i. Allg. miteinander gekoppelt sind. Dann sind auf dem Ligament die Tangentialverschiebungen Ul - u3 - 0 zu setzen und auch die entsprechenden Verschiebungskomponenten der Rissffontknoten A, H, G sind null. Aus (5.46) erh~ilt man entsprechende Bestimmungsgleichungen fiir KII(~3) und KIII(~3), wenn man anstelle von us die zugeordneten Verschiebungskomponenten Ul bzw. u3 auswertet. Die Spannungsintensit~itsfaktoren besitzen so wie die Verschiebungsans~itze einen quadratischen Verlauf entlang der Rissfront (~3-Koordinate) und sind stetig beim 0bergang von einem Risselement zum niichsten.

Allgemeiner

Fall

Bei beliebiger Geometrie und Belastung des 3D-Risses erhiilt man alle drei Intensitiitsfaktoren aus den Verschiebungsdifferenzen gegeniiberliegender Knoten auf den Pdssufern gemiig (5.44), wozu natiirlich die Risselemente spiegelsymmetrisch angeordnet sein milssen (siehe Bild 5.11).

E'

KI(~3) = -8-V -L--7r

2 - Au2C q- 2,'~uf -- ,'~u~ q- Au D q+ ~ 3 ( - - 4 A u B + Au C + 4Au2E - Au F) +

1 s

2au2)}

(5.47)

204

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

E' ~ffI KII(~3) • -~-

{ 2AuB -- Au~ + 2AuE-- AuF + AuD + 1 B + ~ 3 ( - 4 A u 1 + A u ~ + 4AUlE - A u ~ ) +

+

+

_

(5.48)

}

glII(~3) -- 8(1 -t- y) + lf3(-4Au~ + Auf + 4Auf

-

Auf) +

(5.49)

l"~'a ~ a ~ - 2a~y)}

+ ~r

u3 +

Die in die obigen Gleichungen einzusetzende ElementgrSt~e L ~ muss genauer erkl~irt werden, vgl. Bild 5.12. Fiir rechteckige Elementfl~ichen ACFG entspricht L ~ genau den Kantenl~ngen L = AC = GF. Bei gekriimmten Viertelpunktelementen mit unterschiedlichen Kanten L1 = AC ~ L2 = GF, die iiberdies noch schiefe Winkel zur Rissfront bilden, die um ~q und ~'2 v o n d e r Normalen abweichen, ist die interpolierte senkrechte L~inge anzusetzen [165] L 1(~3) -

~3 2- 1 L1 cos "Yl q- ~~3 q- 1 L 2 cos~2.

(5.50)

5.3 Hybride Rissspitzenelemente

2o5

Bild 5.12: Ermittlung der lokalen Elementbreite L' bei krummlinigen Risselementen

5.3

Hybride

Rissspitzenelemente

5.3.1

Entwicklung h y b r i d e r Rissspitzenelemente

Ein besonders niitzliches Anwendungsfeld der in Abschnitt 4.2.3 vorgestellten hybriden Elementformulierungen bietet sich bei der Konstruktion spezieUer Rissspitzenelemente. Die Vorgehensweise ist schematisch in Bild 5.13 dargestellt. Die Hybridtechnik erm6glicht es, die bekannten analytischen Rissl6sungen im Inneren des Elementes mit noch freien Parametern anzusetzen und gleichzeitig solche Randverschiebungsfunktionen zu w~hlen, die mit denjenigen der normalen (z. B. isoparametrischen) Nachbarelemente kompatibel sind. Somit kann man die singul~en asymptotischen Nahfeldl6sungen fiir die Rissspitzenumgebung vollst~ndig in ein Sonderelement >>einbetten<<, das verschiebungskompatibel zu Standardelementen ist. Die Steifigkeitsmatrix des hybriden Rissspitzenelementes wird wie bei normalen Verschiebungselementen durch die Randknotenvariablen des Elementes ausgedrfickt. Daher kann seine Assemblierung in das FEM-Gesamtsystem in der iiblichen Weise durchgeffihrt werden, d.h. sein Einbau in ein FEM-Programmsystem erfordert lediglich die spezielle Integrationsroutine fiir die Steifigkeitsmatrix. Die als innere Ansatzvariablen verwendeten Bruchkenngr6~en wie Spannungsintensit~tsfaktoren u.a. werden direkt mit der LSsung des FEM-Systems gewonnen, so dass keinerlei Interpretations-

2o6

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

Bild 5.13: Zur Formulierung hybrider finiter Elemente oder Extrapolationstechniken zu ihrer Bestimmung nStig sind. Die aufgez~ihlten Vorteile zeichnen alle hybriden Rissspitzenelemente aus, weshalb sie im Vergleich zu anderen Rissspitzenelementen wesentlich leistungsf~ihiger sind. Der Preis daffir ist eine recht anspruchsvolle Theorie sowie ein hSherer Implementierungsaufwand. Die ersten hybriden Rissspitzenelemente wurden f/Jr ebene elastische Rissprobleme auf der Grundlage hybrider Spannungsmodelle HCH von PIAN, SCHNACK U. a.[205,237] entwickelt. ATLURI u.a.[17] wandten erstmals das hybride Verschiebungsmodell //PH mit dem in Abschnitt 4.2.3 beschriebenen Drei-Variablen-Ansatz ffir 2D Rissprobleme an. Bei den genannten Elementen wird die singul/ire elastische RissspitzenlSsung vom Typ r - 1 / 2 mit den Spannungsintenssit~itsfaktoren KI und KII als freien Parametern in die Ansatzfunktionen ffir das Innere und teilweise ffir den Rand einbezogen. Eine Gruppe von Hybridelementen umschlies die Rissspitze. Einen erheblichen Fortschritt stellte das von TONG, PIAN ~ LASRY [272] entworfene >>Superelement<< anf der Basis des vereinfachten gemischten Hybridmodells //MH* (Abschnitt 4.2.3) dar. Dieses Element umgibt vollst/indig die Rissspitze (wie in Bild 5.13) und macht von den Eigenfunktionen fiir den Riss in der Ebene Gebrauch. Somit enth~ilt es auf~er der r-1/2-Singularit/it noch hShere Glieder der Reihenentwicklung. Dieses Konstruktionsprinzip ist besonders vorteilhaft in Kombination mit quadratischen isoparametrischen Elementen [149] und wird ausfiihrlich im n/ichsten Kapitel beschrieben. Das vereinfachte gemischte HybridmodeU wurde mittlerweile f/ir die Rissberechnung in ebenen anisotropen Materialien [270], fiir 2D-Interface-aisse [161] und fiir ebene Kerbprobleme [78] eingesetzt. Bei der Entwicklung dreidimensionaler (3D) hybrider Rissspitzenelemente ging man haupts~ichlich von den reinen hybriden Verschiebungs- oder Spannungsmodellen aus, da die fehlende Kenntnis von allgemeingiiltigen Eigenfunktionen f/ir r/iumliche Rissprobleme die Anwendung des vereinfachten gemischten Prinzips nicht erlaubt, siehe die Arbeiten yon MORIYA & PIAN [203], KUNA [145] (Kapitel 5.3.3) und ATLUI~I [16]. In allen genannten Elementen wurde die bekannte asymptotische NahfeldlSsung fiir einen Punkt auf der 3D-Rissfront entweder im Spannungs- oder Verschiebungsansatz fiir das Element-

5.3 Hybride Rissspitzenelemente

2o7

volumen benutzt. Das hybride SpannungsmodeU besitzt den Vorzug, dass man mit zwei FeldgrSt~en (a~j, ~ ) start mit drei Variablen (u~, fi~, T~) wie beim hybriden Verschiebungsmodell auskommt. Daffir erlaubt das Verschiebungsmodell eine Ver~nderlichkeit der Spannungsintensit~tsfaktoren entlang der Rissfront innerhalb des Elements, wohingegen beim Spannungsmodell nur ein konstanter Ansatz mSglich ist. Da die Approximationen nur ffir Teilbereiche um die Rissspitze gfiltig sind, muss die Rissfront wiederum durch eine Gruppe hybrider Rissspitzenelemente umgeben werden, was zwangsl~ufig zu Volumenintegralen mit hebbaren Singularit~ten ffihrt. Um die Vorteile der vereinfachten gemischten Methode /-/MH* auch fiir r~umliche Pdssprobleme nutzen zu kSnnen, wurden von KUNA ~ ZWICKE [155] Eigenfunktionen fiir den Spezialfall des geraden 3D-Risses abgeleitet und damit ein hybrides 3D-Rissspitzenelement konstruiert, das die Rissfront segmentweise einbettet. Auch ffir die Behandlung von durchgehenden Rissen in Platten konnten erfolgreich hybride Elementformulierungen eingesetzt werden, wie die Arbeiten von RHEE & ATLURI [214] (hybrides Spa~nungsmodell //CH) und MORIYA [175] (vereinfachtes gemischtes ModeU //MH*) belegen. Die Anwendung hybrider Elementkonzepte auf elastischplastische Rissprobleme wird vor allem durch die mangelhafte Kenntnis entsprechender analytischer RisslSsungen erschwert. Ffir die Problemkreise >>Dynamik bewegter Risse<< oder >>dynamisch beanspruchter Riss<< sind bislaug keine hybriden Rissspitzenelemente bekannt. Ubersichtsbeitr~ige zur Theorie und Anwendung hybrider Rissspitzenelemente kann man in [13], [271] und [147] nachlesen.

5.3.2

2D R i s s s p i t z e n e l e m e n t e n a c h d e m gemischten hybriden Modell

Geometrie und Konstruktion der Rissspitzenelemente Prinzipiell kSnnte das Rissspitzenelement eine beliebige polygonfSrmige Gestalt wie in Bild 5.13 haben, von der die Rissspitze umschlossen wird. Aus Grfinden der Einfachheit wurde jedoch eine quadratische bzw. halbquadratische Form gew~hlt, die Bild 5.14 veranschaulicht. Die Varianten b) und c) gelten fiir den Spezialfall rein symmetrischer Modus I Rissbelastung bei links- bzw. rechtsseitigem Riss. Entlang der Randsegmente Se grenzen die Rissspitzenelemente an die benachbarten Standardelemente, wo sie fiber nK = 17 (Variante a)) bzw. n z = 9 (Varia~te b) und c)) Knoten verbunden sind. Auf dem Riss selbst liegen keine Knoten. Die Position der Rissspitze im Element kann durch die Vorgabe des Parameters ~ ( - 1 < x < +1) variiert werden. In Kapitel 3.2.2 wurden die Eigenfunktionen ffir einen halbunendlichen Riss in der unendlichen Ebene bei linear-elastischem Materialverhalten abgeleitet. Sie erffillen die Kompatibilit~ts- und Gleichgewichtsbedingungen sowie die Spannungsfreiheit auf beiden Rissufern. Damit genfigen sie den Voraussetzungen zur Konstruktion eines vereinfemhten gemischten Hybridmodells (Abschnitt 4.2.3). Die Eigenfunktionen bilden eine unendliche Reihe n C [1, c~] mit den komplexen Koeffizienten A,~ = a,~ § ib,~ in der Form r ~-1. Die dazugehSrigen Winkelfunktionen der Spannungen/~/!~)~3 , N(~) (3.41) und Versehiebungen F('~), ~ n ) (3.43) wurden bereits dort angeschrieben. Das erste Glied n -- 1 entspricht der bekannten singul~ren

2o8

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

Bild 5.14: Hybride Rissspitzenelemente fiir zweidimensionale Aufgaben

RissspitzenlSsung vom Typ r -1/2, vgl. (3.45). KI - iKii ----~

(al + ibl)

(5.51)

Die reellen Terme a,~ sind dem symmetrischen LSsungsanteil Modus I zuzuordnen, w ~ rend die Imagin~iranteile b~ die Riss5ffnungsart Modus II repr~entieren. Die zweite Eigenfunktion (3.46) stellt lediglich eine konstante a11-Spannung dar: Tll ----all ----4 a2,

/3T -- T l l V ~ a

(5.52)

KI

Ffir die Spannungen und die Verschiebungen im hybriden Element werden N Glieder der o.g. Eigenfunktionen angesetzt mit den zugehSrigen 2N freien Ansatzkoeffizienten, die im Spaltenvektor (5.53)

-- [al a2 ... aN bl b2 . . . bN] w

zusammengefasst sind. In Matrizenschreibweise lauten die Verschiebungen (3.43) dann [Ul u2]T = u(r, e) = V(r, e, n)~.

(5.54)

Die Randspannungen ti -- aij n j auf Se erh~lt man fiber (3.41) und den Normalenvektor nj auf dem Rand [tl

t2] T ----

t(r, 0) ----R(r, 0, n)~.

(5.55)

Die Verschiebungen ui auf dem Elementrand werden durch die Werte v der nK Randknoten ausgedrfickt:

E I-

[

] ,

(5.56/

5.3 Hybride Rissspitzenelemente

2o9

wobei L die Matrix der Interpolationsfunktionen daxstellt. L wird nun so gewghlt, dass die Randverschiebungen anf jedem Randsegment identisch mit denjenigen der angrenzenden isoparametrischen Elemente sind. Die Kombination des Risselementes mit quadratischen isoparametrischen Elementen ergab fiberzeugende Vorteile gegenfiber linearen Ansgtzen. Demzufolge besitzt jedes Randsegment drei Knoten (Bild 5.14). Dutch Einsetzen der gew~ihlten Verschiebungs- und Spannungsans~tze (5.54)-(5.56) in das vereinfachte gemischte hybride Variationsprinzip (4.33) ergibt sich ffir das Rissspitzenelement: / / M H . ( ~ , V) ---- ~TGv -- I ~ T H ~ -- vTf

1/

H -- ~

(R w C + CWR)ds,

s~

G--/RTLds, S~

f - - / LT{ds.

(5.57)

St~

Der zweite Term von (5.57) ist die Verformungsenergie des Elementes. Der erste Term repr~entiert die Wechselwirkung des inneren Spannungsansatzes mit den unabh~ingigen Randverschiebungen. Die Variation beziiglich 56 liefert eine Relation zwischen den inneren Ansatzkoeffizienten 13 und den Randverschiebungen v: = H -1 Gv = By.

(5.58)

Damit kann ~ aus (5.57) eliminiert werden und (~//MH* = 0 bzgl. 5v ergibt die Steifigkeitsbeziehung kv -- f,

(5.59)

wobei k die gesuchte Steifigkeitsmatrix des Hybridelementes ist und f den Lastvektor infolge der Randlasten ti bezeichnet. k = GTH-1G

(5.60)

Numerische Implementierung Der groge Vorzug des vereinfachten gemischten Hybridmodells besteht darin, dass zur Berechnung der Elementmatrizen (5.57)-(5.59) nur fiber den Elementrand Se integriert werden muss. Augerdem wird die Auswertung risstypischer singul~rer Integralterme vermieden. Daher kann mit gewShnlichen GAVSS-Integrationsformeln (6. Ordung) und einer Subintervallbildung gearbeitet werden, um die starker oszillierenden hiiheren Eigenfunktionen genau zu integrieren. Die symmetrische, positiv definite Matrix H kann problemlos invertiert werden. Die ebenfalls symmetrische Steifigkeitsmatrix k ist bei hybriden Elementen nur positiv semidefinit, was eine Folge der abgeschw~chten Steifigkeitsforderungen der hybriden Variationsprinzipien ist. Die Matrix k wird in gleicher Weise wie die Steifigkeitsmatrizen der umgebenden Verschiebungselemente in das FEM-Gesamtsystem eingebaut. Nach der LSsung des FEM-Gleichungssystems bekommt man aus den Knotenverschiebungen des Risselementes fiber (5.58) die Werte der inneren Ansatzkoeffizienten (5.53). Uber (5.51) und (5.52) erhglt man somit unmittelbar die interessierenden Spannungsintensits KI und KII sowie die Tll-Spannung.

21o

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

Bild 5.15: FEM-Netz der CT-Probe bei Verwendung des hybriden Rissspitzenelementes Typ b)

Bild 5.16: Geometriefunktion g(a/w) f/ir die CTProbe als Funktion der Rissl~inge

Die Anzahl 2N der zu verwendenden Ansatzkoeffizienten soUte etwa der Zahl der Knotenfreiheitsgrade 2nK minus Starrk5rperbewegungen des Risselementes entsprechen. Fiir die Hybridelemente von Bild 5.14 bedeutet dies Eigenfunktionen bis zur Ordnung N -- 9 (Elemente b) und c)) bzw. N -- 17 im vollen Element a).

Beispiele Als Beispiel wird die CT-Probe (Bild 3.12) herangezogen. Bild 5.15 zeigt die benutzte grobmaschige Vernetzung der oberen H~ilfte (gen/igt wegen Symmetrie). An die Rissspitze wurde das Hybridelement Typ b) fiir Modus I gelegt und die restliche Geometrie von sechs isoparametrischen Standardelementen ausgefiillt. Innerhalb des sehr gros Rissspitzenelementes (40 % der Rissl~izlge) wurde durch ~nderung des x-Parameters die Pdssl~inge von a = 0,35w bis a = 0,65w variiert. Anstelle aufw/indiger Netzver/inderungen ist hierbei nur die Modifikation eines Eingabewertes nStig! Bei diesen hybriden Rissspitzenelementen er/ibrigt sich die sonst/ibliche starke Netzverfeinerung an der Rissspitze, weil durch die Benutzung zahlreicher hSherer Eigenfunktionen die L5sung auch in weiterer Entfernung zur Singularit~t richtig nachgebildet werden kann. Dementsprechend gut ist auch die Genauigkeit der berechneten Ki-Faktoren. In Bild 5.16 ist die Geometriefunktion g(a/w) = KI (a)Bw/(Fv"-~ ) im Vergleich zur Handbuchl5sung [267] dargestellt. Im Rissl~genbereich 0,35 < a/w < 0,55 ist die Ubereinstimmung besser als 0,5 %. Erst bei sehr tiefen Rissen wachsen die Abweichungen auf 3 %. Ebenso einfach erh~lt man mit (5.52) auch die normierte T11-Spannung /~T = 0,564, die auf 3,5 % mit der Referenzl5sung [94]/ibereinstimmt. Zur experimenteUen Untersuchung des Rissverhaltens unter Mixed-Mode-Belastung wird u.a. eine kreisscheibenf5rmige CT-Probe benutzt, so dass die Zugkraft je nach Wahl der Bohrungen in einem Winkel a schr~g zum Riss eingeleitet werden kann. Die Probengeometrie und die FEM-Modellierung sind in Bild 5.17 wiedergegeben. Zur Diskre-

5.3 Hybride Rissspitzenelemente

211

Bild 5.17: KreisscheibenfSrmige Bruchprobe ffir gemischte Rissbelastung (links) und FEMDiskretisierung (rechts) mit 32 Viereckelementen, 1 Hybridelement und 121 Knoten Winkel a g~ gn

90 ~ 1,403 0,006

67,5 ~ 1,322 0,321

45 ~ 1,063 0,552

22,5 ~ 0,714 0,632

0~ 0,041 1,152

KL=--~RV/'~gL(a/R), L = I ,

II

Tabelle 5.1: Normierte Spannungsintensit~itsfaktoren gI und gII fiir die kreisscheibenfSrmige Mixed-Mode-Probe mit a = R/2 und R = 8 cm

tisierung des Risses wurde das vollstiindige hybride Risselement Typ a) eingesetzt. Durch Variation der Richtung des angreifenden Kr~iftepaares kann die Rissbeanspruchung von reinem Modus I (~ = 90 ~ fiber verschiedene Ki/Kxi-Kombinationen bis hin zum ModusII-Fall (~ = 0 ~ eingestellt werden. Dies wurde in der FEM-Analyse nachvollzogen. Die Auswertung des Hybridelementes mit (5.51) liefert sofort beide K-Faktoren, die normiert in Tabelle 5.1 zusammengestellt sind.

5.3-3

3D Rissspitzenelemente nach dem hybriden Spannungsmodell

Geometrie und Konstruktionsprinzip Die dreidimensionalen Rissspitzenelemente besitzen die Form eines Hexaeders mit ebenen Elementfl~chen und n g -- 20 Knoten. Der Verlauf der Rissfront im KSrper wird durch ein Polygon approximiert, wobei um jedes Geradenstiick eine Gruppe von vier Rissspitzenelementen na~h Bild 5.18 angeordnet wird. Der restliche Teil des KSrpers wird mit isoparametrischen Standardelementen vernetzt. Jedes der qualitativ unterschiedlichen Hybrid-Elemente (Typ A, A', B, B') hat eine K a a t e mit der Rissfront gemeinsam. Zur Formulierung der Ansatzfunktionen und zum Zwecke der numerischen Integration wird das Element mit Hilfe der quadratischen isoparametrischen Formfunktionen (4.68) auf den Einheitswiirfel ( - 1 < ~1, ~2, ~3 < 1) transformiert, siehe Bild 5.19. An der Rissfront fiihren wir wieder ein lokales System von Zylinderkoordinaten (r, 0, z -- x3) und

212

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

Bild 5.18: Anordnung der hybriden Rissspitzenelemente um die Rissfront

Bild 5.19: Koordinatensysteme fiir die Rissspitzenelemente kartesischen Koordinaten (Xl, x2, x3) ein. Aus analytischen Untersuchungen (siehe Abschnitt 3.2.3) sind die asymptotischen LSsungen f'dr die Spannungen (3.6o) und Verschiebungen (3.62) bekannt. Zur Konstruktion der Risselemente wird das hybride Spannungsmodell (4.28) aus Abschnitt 4.2. 3 benutzt. Die Anwendung dieses Prinzips HCH erfordert einen Spannungsansatz im Elementvolumen, der die Gleichgewichtsbedingungen und Spannungsrandbedingungen a priori erfiillt: cr=[a11

a22

a33

T12 T23 T 3 1 ] T = P ~ + P B ~ B ,

(5.61)

woraus sich die Randspannungen mit dem Normalenvektor darstellen lassen:

t=[tl t2 t3]T=R +RB B.

(5.62)

Der Spannungsansatz enth~lt die nA unbekannten Koeffizienten [3. Das zweite Glied PB~B beriicksichtigt partikuls LSsungen infolge von Volumenkr~ften oder Randspan-

5.3 Hybride Rissspitzenelemente

2x3

nungen. Bei den Risselementen wurde vorerst auf die Terme PB verzichtet. Der gewfihlte Spannungsansatz P besteht aus n~t regul~ren Polynomtermen Pa(x~,x2,x3) mit den unbestimmten Koeffizienten b,~ und dem rissspezifischen Teil Ps, der die RissspitzenlSsung (3.60) mit den Spannungsintensit~tsfaktoren als Koeffizienten enth~ilt: P~--[Pa

Ps] [b~ b2

...

b,~a KI

KII

KIII] w

(5.63)

Zur AufsteUung von P a wurde fiir jede Spannungskomponente ein unvollst~ndiges Polynom 3. Ordnung in (x~, x2, x3) angesetzt, das sich durch die Gleichgewichtsforderung auf n a -- 54 (fiir die Elementtyen A und A ~) Koeffizienten reduziert [145]. Ffir die Elementarten B und B ~ wurden nur solche Spannungszust~nde ausgew~hlt, die keine Rissuferbelastungen verursachen (ha -- 60). Auf die Angabe der umfangreichen Matrix P a muss in diesem Rahmen verzichtet werden. Der Spannungsansatz (5.63) erf/illt neben den Gleichgewichtsbedingungen auch die Spannungsfreiheit auf den Rissfl~chen. Er gen6gt augerdem der Forderung, dass die Koeffizientenzahl nA ----n a + 3 grSger als die Zahl der Knotenfreiheitsgrade 3rig ----60 minus der StarrkSrper-Freiheitsgrade nF ----6 ist. Die Verschiebungen fi auf der Elementoberfl~che werden mittels der Interpolationsfunktion L durch die Knotenverschiebungen v ausgedriickt.

= [~1

~

~3]T = Lv

auf 8o

(5.64)

Bei der Festlegung der Ansgtze unterscheiden wir drei Fl~ichenarten, die im folgenden durch die Richtung ihrer Fl~ichennormalen in Bild 5.19 gekennzeichnet werden: a) Fl~ichen ~1 = 1 u n d ~3 = 1: Auf diesen Fl~ichen grenzen die Rissspitzenelemente an Standardelemente an, weshalb ffir L die iiblichen quadratischen isoparametrischen Formfunktionen in (~1, ~2, ~3) fiir eine 8-Knoten-Fl~che benutzt werden. 0 b e r die vier anderen Fl~chen sind nur die Rissspitzenelemente untereinander verbunden. Ihre Interpolationsfunktionen werden an das Verschiebungsfeld (3.62) der RissspitzenlSsung angepasst. b) Fl~ichen ~2 = 1 u n d ~2 = - 1 : Diese Fl~chen schneiden die Rissfront in einem Punkt, so dass hier neben sechs Polynomtermen die gesamte (r, ~)-Abh~r~gigkeit nach (3.62) Verwendung finder: ul = al ~- a2~l ~- a3~3 ~- a4~1~3 ~- a s ~ § a6~32 ~-

+ aTv7 g](O) + ~8v7 g~(e) ~2 = a9 + alo~1 + a11~3 + a12~1~3 + a13~ + a14~ + + ~I~V7 g~(e) + ~ V 7 g~(e)

(5.65) (5.66)

~3 = a17 + a18~1 + a19~3 + a20~1~3 + a21~ + a22~ + + a23 v ~ sin ~ + a24x/r sin ~3 0

(5.67)

214

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

c) Fl~ichen E1 = --1 u n d ~3 = - 1 : Diese Fltichen haben eine Kante mit der Rissfront gemeinsam, weshalb hier nur die vrr-Abh~ngigkeit von (3.62) einfliet~t:

ul=al+a2v/r+a3~2+a4v~2+a5r+a6~+aTr~2+asv~

(5.68)

und analog u2 und u3. In den F/illen b) und c) mfissen die 24 Ansatzkoeffizienten ai dutch die 24 Knotenvariablen v der F1/iche substituiert werden. Dazu berechnet man aus dem Ansatz fi = A a die Verschiebungen an den Knotenkoordinaten v = M a und invertiert dieses lineare Gleichungssystem, woraus sich die Interpolationsformel ffir die F1/iche ergibt: = AM-iv.

(5.69)

Gleichung (5.64) setzt sich somit aus derartigen Beitrs der sechs Fl~chen zusammen. Die Ans~tze ffir die Spannungen a, Randspannungen t und Randverschiebungen werden in das Variationsprinzip IIcH (4.28) eingesetzt: //ell ----E

~ T H ~ + ~THB~B -- ~ T ( ~ v -- ~ T ( ~ B V + vT

e=l

L T t dS Bte

]

,

(5.70)

wobei die Integration fiber das Element folgende Matrizen ergibt (S - elastischer Nachgiebigkeitstensor):

H = f P T S P d V = H T,

HB=fPTSPBdV

v~ G - - - - / P C L aS, S.

v.

(5.71 )

GB ----f P C L dS. S.

Die Variation von HCH bezfiglich 13 liefert ffir jedes Element eine Relation zwischen den Koeffizienten 13 des Spannungsansatzes und den Knotenverschiebungen v

(5.72)

13 = H -1 ( G v -- HB~B) = fly.

Hiermit kann 13 aus (5.70) eliminiert werden und die anschliet~ende Variation nach 5v ergibt die gesuchte Steifigkeitsbeziehung fiir ein hybrides Element:

kv = f

(5.73)

mit der Steifigkeitsmatrix k und dem Lastvektor f k = GTI-I-1G,

f = GTII-1HB~B

-- G T ~ B -I- f S,e

L i t dS.

(5.74)

5.3 Hybride Rissspitzenelemente

215

Da (5-73) nu_r Knotenvariablen enth/~lt, kann der Einbau der Hybridelemente in das Gesamtsystem problemlos erfolgen. Es ist eine beliebige Kombination von Verschiebungsund Hybridelementen erlaubt, vorausgesetzt die Verschiebungsfunktionen auf den Kontaktfl~chen sind identisch. Aus den Knotenverschiebungen der LSsung gewinnt man fiber (5.7 2) direkt und getrennt voneinander die in ~ enthaltenen Spannungsintensit~tsfaktoren KI, KII und KIII fiir jedes Rissspitzenelement. Da die RisslSsung in jedem Element als konstant angesetzt wurde, erh~ilt man gemittelte K-Faktoren ffir das vom Element erfasste Segment der Rissfront. Die Mittelung und der Vergleich der K-Faktoren aller zu einem Rissfrontsegment gehSrenden vier Hybridelemente liefert genauere Werte und ein Maf~ffir die Genauigkeit.

Numerische Implementierung Die wesentliche Schwierigkeit bei der Erstellung der Matrizen H und G nach (5.71) besteht in der numerischen Integration der singul~ren Terme, die aus der tfisslSsung Ps herrfihren, d.h. Singularit~ten vom Typ r -1 im Volumenintegral (durch Verformungsenergiedichte O'ijSijklO'kl ) und vom Typ r - 1 / 2 (Randspannungen t~) in allen Oberfl~chenintegralen, die die Rissfront beriihren (Fl~ichenarten b) und c)). Diese Singularit~iten sind durch 0berwechseln auf Polarkoordinaten f dxldx2dx3 = f rdrdOdz behebbar. Bei komplizierteren Integrationsgebieten fiir beliebig geformte Elemente und wegen der Vielzahl verschiedener Integranden (etwa 4oo bei H) ist eine analytische Aufarbeitung aussichtslos, weshalb mit normalen GAvss-Produktformeln in Verbindung mit einer Subelementschachtelung in Richtung Rissfront gearbeitet wurde. Die Invertierung der symmetrischen positiv-definiten Matrix H bereitet kein Problem, vorausgesetzt im Spannungsansatz PR wurden alle Null-Energieterme sorgf~ltig ausgesondert. Die Matrizen k und B der Hybridelemente werden zuerst in den lokalen Koordinaten yon Bild 5.19 aufbereitet und danach entsprechend ihrer realen Lage im Raum in das globale kartesische System transformiert.

Beispiel Die vorgesteUten 3D hybriden Rissspitzenelemente wurden in ein universelles FEM-Programmsystem FRACTURE [81] integriert und mit isoparametrischen Hexaeder- und Pentaederelementen (2o bzw. 15 Knoten) kompatibler Formfunktionen kombiniert. Als Testbeispiel wird die CT-Probe dreidimensional analysiert, siehe Bild 5.2o. Aufgrund der doppelten Symmetrie ist die FEM-Diskretisierung des grau gef'~rbten Viertels ausreichend. Bild 5.21 zeigt das verwendete Netzwerk (6x4x 5 Elemente) f'fir die Risstiefe a = w/2. Im markierten Bereich entlang der Rissfront wurden zehn Hybridelemente angeordnet bzw. alternativ dafiir Viertelpunkt-Hexemderelemente. Die berechneten Verteilungen des Spannungsintensitgtsfaktors KI entlang der Rissfront sind in Bild 5.22 zusammengestellt. Zum Vergleich wurden ebenfaUs die 2D-LSsung [267] und die als am genauesten angesehene numerische 3D-LSsung von YAMAMOTO ~= SUMI [293] eingezeichnet. Die mit den Hybridelementen erhaltenen Ki-LSsungen sind in guter Ubereinstimmung mit der 3DReferenzlSsung. Bei Einsatz der Viertelpunktelemente und Ki-Auswertung durch Verschiebungsextrapolation ergab sich qualitativ derselbe Verlauf, aber mit einem Genauig-

216

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

Bild 5.20: CT-Probe: Weite w, Pdssls a, Dicke B, H5he H, Kraft F

Bild 5.21: FEM-Modell ffir ein Viertel der CT-Probe CT645 (12o Elemente, 733 Knoten)

Bild 5.22: Normierter Spannungsintensit/itsfaktor KI fiber die halbe Dicke der CT-Probe anhand verschiedener FEM-Varianten ( a = w / 2 , u = 0,3) Netzwerk CT645

5.4 Die Methode der globalen Energiefreisetzungsrate

217

keitsabfall von etwa 20 %. Ermittelt man hingegen KI fiber die Methode des/~luivalenten Gebietsintegrals unter Verwendung der Viertelpunktelemente (siehe Abschnitt 6.4), so kSnnen erheblich genauere Werte erhalten werden. Zu bemerken ist ferner, dass die 3D-L5sung in der Probenmitte um etwa 9 % fiber der 2D-Approximation liegt, und dass an der Probenoberfl~iche KI streng genommen auf null fallen mfisste, gerade hier aber die numerischen L5sungen am st~ksten differieren. Weitere Anwendungsbeispiele sind in den Arbeiten [145] und [146] publiziert.

5.4

Die Methode

der globalen

Energiefreisetzungsrate

5.4.x

U m s e t z u n g im R a h m e n d e r F E M

Im Abschnitt 3.2.4 wurde G als die freigesetzte potenzieUe Energie - d H eines belasteten KSrpers bei einer infinitesimalen Pdssverl~ingerung da hergeleitet. Im Rahmen der FEM kann die potenzielle Energie H = Wint - )4;~xt nach Gleichung (4-54) mit Hilfe der Knotenvariablen V, der Systemsteifigkeitsmatrix K und des Systemlastvektors F ausgedriickt werden, die sich durch Assemblierung der entsprechenden Elementbeitr~ge v, k und f ergeben: H(v) = '~=~-~1\l 21 vWk~v _ vWf~) = 21 v W g v - VTF"

(5.75)

Es liegt also nahe, die Energiefreisetzungsrate bei einer vorgegebenen Rissausbreitung um Aa direkt mit der FEM als Differenzenquotient zweier Modelle mit den Rissl~ngen a und a + Aa zu berechnen _

AYI

Aa

_

(5.76)

II(a+Aa)-II(a)

Aa

'

was den Aufbau, die LSsung und die Auswertung zweier kompletter FEM-ModeUe verlangt. Das Verfahren eignet sich ffir jede beliebige endliche Rissausbreitung auf einem geraden, abgeknickten oder gekrfimmten Pfad C (siehe Bild 5.23). Es liefert die totale Energiedifferenz G zwischen End- und Ausgangszustand pro Risserweiterung Aa. Der Zusammenhang mit der Energiefreisetzungsrate G = - d H / d a bei infinitesimalem Riss-

218

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

Bild 5.23: FEM-Modelle ffir eine endliche Rissausbreitung im Ausgangs- und Endzustand fortschritt da ist durch das Integral entlang des Risspfades C gegeben

= / G(a) da.

(5.77)

c

Will man die infinitesimale Energiefreisetzungsrate gem~g Gleichung (3.78) bestimmen, so muss numerisch ein sehr kleines Rissinkrement Aa ~ 0,001 << a realisiert werden, das aber auch nicht zu klein sein daft, damit sich keine numerischen (Rundungs-)Fehler akkumulieren.

Bild 5.24: Virtuelle Rissausbreitung bei der globalen Energiemethode

5.4.2

Die M e t h o d e der virtuellen R i s s a u s b r e i t u n g

Eleganter ist jedoch die von PARKS [200], HELLEN [112] und DELORENZI [71] vorgeschlagene Methode der virtueUen Rissausbreitung (engl. virtual crack extension, VCE). Dazu wird (5.75) nach der Rissl~inge abgeleitet: G-

dH

d---a-

0V T

Oa ( K V ~ ) =0

1 WOK ~V ~aV+

vW OF

~aa

(5.78)

5.4 Die Methode der globalen Energiefreisetzungsrate

2i 9

Der Klammerausdruck stellt das FEM-Gleichungssystem dar und muss daher verschwinden. Unterstellt man, dabs sich die iiut~eren Belastungen F mit der Rissl~inge nicht ver~ndern, so folgt

----lvW 0 g v

G---- 2

Oa

~-~ - ~ V w (a) K ( a + Aa) -_ _lvW A K v ~aa K(a)v(a)---- 2 Aa "

(5.79)

Somit berechnet sich die Energiefreisetzungsrate G aus der Ableitung der Steifigkeitsmatrix nach der Rissl~iz~ge und beidseitiger Multiplikation mit der VerschiebungslSsung V(a), die nur fiir die Ausgangsrissl~nge a bekannt sein muss. Die Technik wird anch Methode der Steifigkeitsableitung (engl. stiffness derivative method) genannt. Wie wird nun die virtueUe Rissausbreitung Aa im FEM-Kontext festgelegt? In den urspriinglichen Arbeiten [112,200] verschob man gem~t~ Bild 5.24 den Rissspitzenknoten oder ein begrenztes Gebiet von Elementen um die Rissspitze um Aa, so dass sich die Steifigkeitsmatrix de facto nur geringffigig in der Rissumgebung V0 ver~ndert (relevante Elemente sind grau hinterlegt). Die Differenz A K kann somit leicht ans den wenigen Elementbeitr~gen berechnet werden, was sich rechentechnisch einfach realisieren l~st, wenn man direkt in die FEM-Routinen zum Aufban der Steifigkeitsmatrizen eingreifen kann. Bei kommerziellen FEM-Programmen ist dies kanm mSglich und die Berechnung von A K / A a erfordert einen speziellen Post-Prozessor. Dennoch wird der Berechnungsaufwand im Wesentlichen auf die FEM-Analyse fiir eine Rissl~nge reduziert. Anstelle des Differenzenquotienten A K / A a haben LIN 8z ABEL [162] die Steifigkeitsmatrix im Sinne einer StSrungsrechnung analytisch exakt differenziert OK/Oa (5-79)Dazu wurde die Ableitung auf alle Terme unter dem Bestimmungsintegral f'0r K (4.50) angewandt. Damit werden numerische Ungenauigkeiten infolge von Rundungsfehlern und des Wechsels der FEM-Diskretisierung bei der virtuellen Rissausbreitung vermieden. A1lerdings ist bei dieser Methode ein Mehraufwand fiir die Bestimmung der Steifigkeitsableitung nStig, wozu man ant~erdem Zugriff auf den FEM-Code haben muss [281]. Wfi~hrend sich die bisher vorgesteUten Techniken der VCE vordergrfindig am FEMAlgorithmus orientieren, wurde von DELORENZI [71, 72] ein allgemeinerer kontinuumsmechanischer Zugang verfolgt. Dabei wird die virtuelle Rissausbreitung als eine Abbildung v o n d e r Ausgangskonfiguration xk (a) in die verschobene Konfiguration ~k (a + Aa) betrachtet, wobei die Fhnktion Alk(x) die virtuelle Verrfickung der Rissspitze und einer begrenzten Umgebung V0 beschreibt (siehe Bild 5.24): xk = xk + Alk(x)

in V0

(5.80)

Damit wird die Anderung der potenziellen Energie bei der virtuellen Rissansbreitung untersucht (siehe Abschnitt 3.2.4), woraus die folgende Gleichung ffir die globale Energiefreisetzungsrate G* entsteht: c*

c

=

-

f[ v0

-

Ou~l o ~ k

dW+

f r Vo

0~

-

Ou~

1J

dV

(5.81/

22o

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

Dieses Volumenintegral erstreckt sich nur fiber das durch die VCE ver~nderte Gebiet V0, da augerhalb Alk -- 0 ist. Es berficksichtigt Volumenkr~ifte bi und thermische Dehnungen c~j [29]. Die Beziehung (5.81) stellt eine Auswerteformel ffir die FEM-Analyse bei der Ausgangskonfiguration a dar, d. h. sie kann im Post-Prozessor fiir die betrachtete Risserweiterung Alk (aber auch jede weitere gewfinschte Variante) berechnet werden. Dieses Verfahren der VCE ist im Prinzip identisch mit der Formulierung des J-Integrals als ein ~quivalentes Gebietsintegral, worauf ausffihrlich in Abschnitt 6.4 eingegangen wird.

5.5

Die Methode

des Rissschliegintegrals

5.5.1

Grundgleichungen der l o k a l e n E n e r g i e m e t h o d e

Als gleichwertiger Zugang zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate G wurde in 3.2.4 die lokale E n e r g i e m e t h o d e vorgestellt. Sie basiert auf der Arbeit Al/rc, die zur lokalen ()ffnung bzw. Schliegung des Risses um A a von den Schnittspannungen t~ mit den Rissuferverschiebungen Au~ verrichtet werden muss, siehe (3-9o). Die Grundgleichungen werden anhand von Bild 5.25 fiir Modus-I-Belastung erl~Lutert. Im oberen Bild ist die Situation ffir die Ausgangsrissl~nge a mit dem Spaanungsverlauf tC~o'22(r, 0 : 0; a) vor dem Riss dargesteUt. Das untere Bild beschreibt die Situation nach einer Risserweiterung um Aa, wodurch es zu einer Offnungsverschiebung der Rissufer um Au2 : u + ( A a -- s, +Tr; a + A a ) -- u 2 ( A a -- s, --~; a + A a ) kommt, die von der Rissspitze aus im Abstand ~ -- A a - s gez~hlt wird. Die dabei verrichtete Arbeit der Spannungen a22

5.5 Die Methode des Rissschlief~integrals

221

an den Verschiebungen Au2 wird entlang A a integriert: Aa

Gi(a) =

lim ~ 1 z~a-,0

/ cr22(r = s, 0 = 0; a) Au2(~ = A a - s, 0 = •

a + Aa) d s .

0

(5.83)

Bild 5.25: Lokale Energiemethode in Form des Rissschliegintegrals

Entsprechende Beziehungen ergeben sich ffir reinen Modus I I m i t sowie t3--T23 c_~ und Au3 bei Modus III:

1/

t~-~T21 und

Aul

ta

Gii(a) =

lim - ~a--*o 2 A a

T21(8, 0; a) A u l ( A a - s, •

a + Aa) ds

o Aa

(5.84)

1 / a m ( a ) = lim - T23(s, 0; a) A u a ( A a - s, -t-Tr; a • Aa) ds Aa--*0 2 A a o

Fiir den allgemeinen Fall gemischter Rissbelastung aus allen Moden lassen sich diese

222

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

drei Gleichungen zusammenfassen:

a ( a ) : Gi(a ) -~- a i i ( a ) -~- Giii(a ) Aa 3 = ~lira 1 [ o-.o~ ~ [t~(s, 0; a ) - t ; ( s , 0 i=1

0; a + A a ) ] A u ~ ( A a - - s , •

a+~Xa)ds

(5.85) Zus~tzlich wurden mit t* noch residuelle Belastungen eingefiihrt, die auch nach Rissverl~Lugerung anf den Rissufern wirken wie z. B. Innendruck im Riss oder Koh~isivkr~ifte zwischen den Rissufern. Das Vorzeichen von t* ist positiv anzusetzen, wenn die Spannungen die Rissufer zusammenziehen, d.h. in -xi-Richtung.

Bild 5.26: Einfaches Rissschliegintegral im FEM-Kontext: a) Kr~ifte vor und b) Verschiebungen nach Risserweiterung

5.5.2

N u m e r i s c h e R e a l i s i e r u n g m i t F E M 2D

a) E i n f a c h e s Rissschlietgintegral Die einfachste numerische Umsetzung der lokalen Energiemethode besteht in der Durchfiihrung von zwei FEM-Berechnungen, bei denen der Riss anf einem gegebenen Pfad um das Inkrement Aa dadurch verl~ngert wird, dass man das Netz entlang einer Elementkante L trennt. Dies ist in Bild 5.26 f/ir ebene 4-Knoten-Elemente dargestellt. Im Rahmen der FEM berechnet sich die zu (5.83) und (5.84) s Rissschliegarbeit gerade aus der Knotenkraft des Rissspitzenknotens j im Ausgangsmodell (Bild 5.26 a) und

F](a)

5.5 Die Methode des RissschlieI~integrals

Au~(a+Aa) nach Rissausbreitung (Bild 5.26b): GI ( a + _ ~ ) = ~ 1 [FJ(a)AuJ2(a+Aa)]} GII(a-I-~ ) ---- 1 [FJl(a)Au{(a+Aa) ] ESZ, EVZ

223

der Offnungsverschiebung

( ~ )

GIII a +

= ~

1[

(5.86)

FJ3(a)AuJ3(a+Aa )] } NES

Bei 2D-Strukturen tritt Modus III nut bei nichtebener Schubbelastung (NES) auf. Das Ergebnis dieses Differenzenquotienten w~re der mittleren Rissl~nge a + -~ zuzuordnen. bzw. Es leuchtet unmittelbar ein, dass dieses Verfahren sehr gut geeignet ist, um (N = I, II, III) schrittweise fiir eine ganze Folge von Risserdie K-Faktoren weiterungen um je eine Elementl~ge L = Aa zu bestimmen. Mit Hilfe eines einzigen FEM-Netzes, bei dem der Risspfad dutch gleich groi~e Elemente diskretisiert wird, kann man somit durch sukszessives Knotentrennen die BruchkenngrSt~en im interessierenden Rissl~ngenbereich berechnen und ben6tigt n + 1 Rechnungen fiir n Differenzenquotienten (5.86).

KN(a)

GN(a)

Bild 5.27: Modifiziertes Rissschliet~integral ffir a) lineare (oben) und b) quadratische Verschiebungsans/itze (unten)

224

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

b) M o d i f i z i e r t e s R i s s s c h l i e i M n t e g r a l M C C I MSchte man die Energiefreisetzungsrate bzw. daraus die K-Faktoren lediglich fiir eine Rissliinge bestimmen, so lgsst sich nach dem Vorschlag von RYBICKI ~ KANNINEN [231] und BUCHHOLZ [51] der Aufwand auf eine FEM-Rechnung reduzieren. Dabei wird angenommen, dass die Rissverl~gerung um Aa den Beanspruchungszustand an der Rissspitze nicht wesentlich ~ndert. Deshalb darf man die RissSffnungsverschiebung Au{ (a + Aa) in guter Ngherung durch ihren Wert A u { - l ( a ) am Knoten (j - 1) anf dem Rissufer bei der Ausgangsrissl/inge a approximieren. Diese Technik wird als modifiziertes Rissschlieflintegral (engl. modified crack closure integral, MCCI) oder virtuelle Rissschlieflmethode bezeichnet und hat sich genereU durchgesetzt. Das Verfahren ist in Bild 5.27 fiir Elemente mit lineaxem (a) oder quadratischem (b) Verschiebungsansatz skizziert. Dabei bezeichnet der Index j den Pdssspitzenknoten, so dass die Knoten j, j + 1, j + 2 anf dem Ligament liegen und die Knoten j - 2 , j - 1, j den Rissufern entsprechen. Fiir die linearen Elemente ergibt sich das modifizierte Rissschlietgintegral aus der Arbeit der Kr/ifte am Rissspitzenknoten j mit der 0ffnungsverschiebung am Knoten j - 1: 1

9

Gii(a) ~

.

/

[F~(a)Au32-1(a)] 1 [F~(a)Au;1-1(a)] 9 . ~aa

Gi(a) ~ ~

GIII(a) ~,~ ~

1

ESZ, EVZ (5"87)

~ . 9 1 IF~(a)Au~3-1(a)l ~ NES L 3 r

Fiir Elemente mit quadratischen Ansatzfunktionen, die meist bevorzugt werden, miissen beim Rissfortschritt immer zwei Knoten getrennt werden, siehe Bild 5.27 b und Bild 5.25. Das Rissschlietgintegral setzt sich aus den Arbeitstermen der Knotenkr/ifte j mit den Verschiebungen am Rissuferknoten j - 2 (nach gedachtem Rissfortschritt Aa ----L) und den Kr~ften am Seitenmittenknoten j + 1 mit den Verschiebungen bei j - 1 zusammen:

1

eii(a) ~ ~ Gill(a) ~ ~

1 [FJl(a)AuJl_2(a)~- FJl+l(a)AuJ_l(a)]

}

ESZ, EVZ

1 [F~(a)AuJa_2(a)+Fj+l(a)Au~_l(a) ] } NES

(5"89)

5.5 Die Methode des Rissschliet~integrals

225

Die Formeln (5.88) und (5.90) gelten allgemein fiir zweidimensionale Rissprobleme (Dicke B = 1, A A = A a B ) bei beliebigem anisotropem elastischem Materialverhalten. Ab Monotropie und hSheren Symmetrieklassen entkoppeln sich die L5sungen in der Ebene und longitudinal dazu. Daun wird bei Belastungen in der Ebene (ESZ, EVZ) Modus III nicht auftreten, Gin - 0 und der Fall nichtebener Schubbelastung (NES) wird separat behandelt, d.h. GIII ~ 0, GI = GII = 0.

Bild 5.28: Modifiziertes Rissschliegintegral ffir 2D-Viertelpunktelemente

c) K o m b i n a t i o n M C C I m i t V i e r t e l p u n k t e l e m e n t e n Die Anwendung des modifizierten Rissschliet~integrals ergibt in Kombination mit reguNiren Elementen am Riss bereits eine zufriedenstellende Genauigkeit der berechneten BruchkenngrSt~en GN und K N ( N = I, II, III). Deshalb wird die Methode meist in den F~llen eingesetzt, wo keine Rissspitzenelemente verfiigbar oder anwendbar sind. Trotzdem kann diese Technik auch auf die in Abschnitt 5.2.2 vorgestellten Viertelpunktelemente iibertragen werden. Ausgehend von den Grundgleichungen (5.83) bis (5.85) der lokalen Energiemethode wurde die Rissschliet~arbeit mit den spezifischen Ans~itzen der 2D-Viertelpunktelemente integriert [210,211,256], woraus sich entsprechende Arbeitsterme der Knotenkr~ifte F ~ (n = j , j + 1,j + 2) mit den RissSffnungsverschiebungen Au~ (n = j -- 2 , j -- 1) und den Wichtungsfaktoren cl (l = 1,2,... ,6) ergeben, siehc Bild 5.28.

226

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

Variante 1) G-

e1 =

1 2Aa

(Die Rissuferlasten F*" wurden der 0bersichtlichkeit halber weggelassen.) +

33~ 14 - ~ - , 33~

ca - - - ~ -

+

+

7 2'

21r c3 = 8 - ~ -

i=l

52,

c2 -

21r 16

21~

21r

c5 = 1 7 - 7 ,

e6 --

2

- 32

Variante 2) Durch einen reduzierten Spannungsansatz auf dem Ligament kann die Knotenkraft F/j+2 eliminiert werden, was zu einer einfacheren Formel fiihrt [210].

1 ~[F/j (c 1/~u~_2 _~_c2iu{_l) _~- FJ+I (c3ilt{_2 _~_c4A~_l) ]

G - 2Aa i=1

C1 :

3 6 - z~r'

(5.92) c2 = 6 ~ - 20,

1 c3 = 2'

ca = 1

d) B e r e c h n u n g d e r K n o t e n k r ~ i f t e Die Berechnung der Knotenkr~fte F~ (n = j , j + 1,j + 2) soll ausfiihrlicher erl~iutert werden: Es handelt sich ja um Schnittkrfifte, da im Rahmen des FEM-Modells an jedem Knoten Gleichgewicht herrscht (resultierende Kraft -- Null). Untersucht man Rissprobleme rein symmetrischer (Modus I) oder rein antimetrischer (Modi II und III) Art, so werden auf dem Ligament entsprechende kinematische Randbedingungen vorgeschrieben. Die Kr~fte F~ sind dann genau die dazugehSrigen Reaktionskr~fte, die von den meisten FEM-Codes bereitgestellt werden. Im allgemeinen Mixed-Mode-Fall besteht das Ligament aus inneren Knoten, deren ausbalancierte KHifte nicht verfiigbar sind. Um sie sich zu beschaffen, muss man das FEM-Modell geda~klich in zwei Teile oberhalb und unterhalb des Ligamentes zerlegen, deren Steifigkeitsmatrizen K + bzw. K - in geeigneter Weise zu bestimmen sind. Daraus berechnen sich mit der bekannten VerschiebungslSsung V die gesuchten Knotenkdifte F + bzw. F - der Teilmodelle auf dem Ligament: F +=K+V=-F-=-K-V,

da

KV=F=0

(5.93)

In einigen kommerziellen FEM-Codes kSnnen auch die Knotenkr~ifte jedes Elementes optional ausgegeben werden, die dann fiir die Ligamentknoten im oberen oder unteren Teil aus den Beitr~gen der zugeh6rigen Elemente aufzusummieren sind, was de facto (5.93) entspricht. Einfacher und eleganter ist folgender Trick: Die Ligamentknoten j, j + 1, j § 2 werden formal als doppelte Knoten (gleiche Koordinaten) behandelt, aber ihre Verschiebungen aneinander gefesselt (>>multi-point-constraint<<). Bei den meisten FEM-Codes kann man dann die Kopplungskr~fte (forces on constraint) ausgeben lassen, die genau den gesuchten

5.5 Die Methode des Rissschliei~integrals

227

F~ entsprechen. Alternativ f/ihren kleine, sehr steife Stabelemente zwischen den Doppelknoten in alle drei Pdchtungen zum gleichen Ergebnis.

Bild 5.29: 3D-Pdssschlies

5.5.3

f/Jr 8-Knoten Hexaeder bei gerader Rissfront

Numerische Realisierung mit FEM 3D

Die Technik des Rissschlief~integrals kann relativ problemlos auf dreidimensionale Risskonfigurationen verallgemeinert werden, solange die Rissfront gerade verl/iuft. Im Grunde stellt sie eine lokale Ausf~hrung des Pdssschliegintegrals entlang eines Segmentes As der Rissfront dar, wobei eine Teilfl/iche des Risses AA geschlossen bzw. erweitert wird. Im Weiteren wird nur das modifizierte Rissschliegintegral MCCI wegen seiner grSgeren Bedeutung behandelt. Die Koordinate s bezeichnet wieder die Bogenl~nge entlang der

228

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

Rissfront. Bei den Knotenkr~ften F~ auf dem Ligament vor dem Riss kennzeichnet der tiefgestellte Index i die Koordinatenrichtung im lokalen begleitenden System, was den Riss6ffnungsarten I, II und III ~ i = 2,1,3 entsprieht. Der hochgestellte Index j nummeriert die ffir das Arbeitsintegral herangezogenen Knotenpaare, so dass jede Kraft F ] mit der RissSffnungsversehiebung Au~ am entspreehenden zugeordneten Rissfl~ichenknoten multipliziert wird.

a) 8-Knoten Hexaeder bei gerader Rissfront Die geometrischen Verh~ltnisse sind in Bild 5.29 skizziert. Die Elemente vor und hinter der Rissfront mfissen stets die gleiche L~inge L = Aa und Breite b besitzen, damit die Fl~icheninhalte AA beim gedachten Pdssschliet~en kongruent sind. Die Position der Knoten entlang der Rissfront wird mit sk fortlaufend nummeriert. Die Breite der Elemente ergibt sich zu bk = S k + l - sk usw. Bei diesen Elementen kann das Rissschliei~integral nur entlang der Elementkante zwischen dem Pdssfrontknoten F~ und dem ersten Rissfl~ichenknoten mit den Relativverschiebungen Aul ausgefiihrt werden. Beachtet werden muss, dass die zugehSrige Fl~che AA dieses Rissschliei~vorgangs jeweils zur Hiilfte aus den Beitr~igen der beteiligten Elemente besteht, siehe Bild 5.29. 1 bk-1 -~- bk)Aa A A = ~(

G(Sk)

(~.aff~ k u ,:7"~/

----GI + GII -[- GIII 3

1 - 2AA1 ( F 1Au21 + F 1Au I + F~ Au 1) - 2AA E

F/1Au/1

i=1

Das Ergebnis wird der Position Sk des Eekknotens zugeordnet. Entsprechend verf'~ihrt man fiir alle Knoten entlang der Rissfront und erh/~lt somit den Verlauf GN(S) bzw. gN(s) (N = I, II, III).

b) 2o-Knoten Hexaeder bei gerader Rissfront Bei r~umlichen Elementen mit quadratischen Ansatzfunktionen (2o-Knoten Hexaeder oder 15-Knoten Pentaeder) liegen acht Knoten auf der Elementfl~iche. Das Rissschliegintegral kann sowohl fiir einen Eckknoten als auch einen Seitenmittenknoten ausgewertet werden, was Bild 5.30 illustriert. Es gelten die gleichen geometrischen Restriktionen und Bezeichnungen wie im vorigen Abschnitt. Nun sind fiir das jeweilige MCCI die relevanten Knotenpaare und die repr~isentative Fl~che AA festzulegen. Bei einem Eckknoten (Bild 5.3o a) wird wieder die halbe Fl~che der angrenzenden Elemente verwendet. Im Unterschied zum 2D-Fall sind noch die Arbeitsterme der Seitenmittenknoten j -- 3 und j = 4 zu beriicksichtigen, wobei die

5.5 Die Methode des Rissschliet~integrals

Bild 5.30: 3D-Pdssschlie$integral f/Jr quadratische Elementans~tze an a) Eckknoten und b) Seitenmittenknoten

229

23o

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

Knotenkr~fte nur zur H~fte angerechnet werden diirfen. 1 bk - 1 + b k ) A a A A = -~( Gi(sk)

c(~k)

1 F 2A----~ LF~A~I + F ~

1 +I

- 2AA

~'Li=lFilA~tl

+ ~1F3Ao3 ~ ~ + ~1Fa~ A ~a] j

~- Fi2Azt2 ~- ~ i

~ti ~- 2 i

(5.95) uiJ

Zur Berechnung des MCCI for Seitenmittenknoten sind die fiinf Knotenkr~fte auf dem Ligament mit den zugeordneten Knotenverschiebungen auf der Rissfl~che zu verknfipfen, wie es Bild 5.3ob zeigt. Bei den Kriiften F [ diirfen nur die Beitr~ige dieses Elementes eingesetzt werden. Da meist mtr die summaxischen Schnittkr~fte zur Verfogung stehen, wurde eine einfache Wichtung Bj eingefohrt [250], mit der die Kr~ifte entsprechend den Fliicheninhalten (Breiten) der beteiligten Elemente aufgeteilt werden. ~ = sk + ~i bk

AA = bkAa,

B1 = B2 = b k / ( b k - 1 3- bk),

1

G I ( ~ ) - 2AA

Ba = 1,

B4 -- B5 -- bk/(bk + bk+l)

5

BjFjA

(5.96)

j=l

5 3 1 e(,~) = e i -t--eii -t--eiii -- 2/~A E E BjF~J A u Ji j = l i=l

c) 2 o - K n o t e n Hexaeder bei gekrfimmter Rissfront Im Fall einer gekrfimmten Rissfront l~sst sich das Rissschliegintegral nur n~herungsweise realisieren, da die Fliiche AA vor der Rissfront, von der die Knotenkr~fte genommen werden, nicht exakt deckungsgleich mit dem Rissfl~ichenelement AA sein kann, wie Bild 5.31 veraaschaulicht. Um diese Fehlpassung zu minimieren, sollten folgende geometrische Bedingungen eingehalten werden: 9 Die Kanten der Elemente stehen immer senkrecht zur aktueUen Rissfront. 9 Die beiden Elemente vor und hinter der Rissfront besitzen die gleiche Tiefe L, die der Risserweiterung Aa entspricht. 9 L sollte klein im Vergleich zur Rissl~inge bzw. dem Kriimmungsradius der Rissfront sein. 9 Dann berechnet sich die Risserweiterungsfl~che am Rissfrontsegment bk zu AA A i i = b k A a , siehe Bild 5.31. Unter diesen Voraussetzungen kSnnen die Formeln (5.95) und (5.96) fOr Eck- bzw. Seitenmittenknoten auch auf gekrfimmte Rissfronten angewandt werden und liefern brauchbare Genauigkeiten [258,250].

5.5 Die Methode des Rissschliei~integrals

231

Bild 5.31: 3D-Pdssschliegintegral f/Jr 2o-Knoten Hexaeder bei gekr/immter Rissfront

d) MCCI mit 3D Viertelpunktelementen Unter Berficksichtigung der spezifischen Verschiebungsans~itze und des singul~ren Spannungsverlaufs bei dreidimensionalen Viertelpunktelementen (siehe Abschnitt 5.2.3) wurden angepasste Auswerteformeln fiir das MCCI entwickelt [2,133]. Hier sollen zwei Varianten wiedergegeben werden, die sich sowohl bei geraden als auch gekr/immten Rissfronten bew/ihrt haben und gleichermai~en ffir distordierte 2o-Knoten Hexaederelemente, 15-Knoten Pentaeder- oder kollabierte distordierte Hexaederelemente einsetzbar sind. Die geometrische Zuordnung der Kr/ifte- und Verschiebungspaare ist Bild 5.32 zu entnehmen.

Bild 5.32: MCCI f/Jr 3D Viertelpunktelemente

232

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

Variante

1)

[133] 1

G_

___3 r

~ L(2c7F2

d-09

2Aab ~=1

F5 + 2csF6 + cTF3 + c s F ( ) A u 5 +

+ (c~F:+ ~F: + 2~F~ + ~F: + 2~F:) t,~ + + (c~S: +~F: +c~F: +c~F: +~3F: +~F:-c~F~/2 +~F:)/,~ + d - ( C l F 4 - c l F f / 2 d - C l F 6 d- c2F3 d- c3F[ d- c4F2 d- c5F1 d- c6FiS) A u 2 -4l

l

Cl ---- ( 8 0 -- 2 5 ~ r ) / 2 4 ,

c2 = ( 5 4 4 - 173~r)/48,

c4 = (104 - 31~r)/6,

c5 = (1Dr

c~ = (33~r - 104)/4,

c8 = (2Dr - 6 4 ) / 4 ,

Cl0

----

(37~r - 104)/12,

all

=

-

31)/6,

c3 = (304 - l O D r ) / 4 8 ,

c6 = (34

-

11~r)/3,

c9 = (68 - 21~r)/4,

(19~r - 5 6 ) / 1 2

(5.97) Variante 2) [69] 1 ~[(F~+clF~+2F3) G - 2Aab i=1

+(

Au~+

§

)

+

+ (c~F: + c3F: + ~Ft)/,u~ +

Cl =

5.5-4

6~r - 20,

c2 = 7r - 4,

Berticksichtigung

c3 = 7r - 2,

yon Rissufer-,

(5.98)

c4 = (16 - 57r)/4 Volumen-

und thermischen

Belastungen W e n n a u f die Rissufer a u c h n a c h d e r R i s s a u s b r e i t u n g R a n d l a s t e n t* wirken, m i i s s e n diese wie i n der F E M fiblich m i t d e n F o r m f u n k t i o n e n (4.51) i n i i q u i v a l e n t e K n o t e n k r s F *j u m g e r e c h n e t werden. E i n e s y m m e t r i s c h e B e l a s t u n g b e i d e r Rissufer sei v o r a u s g e s e t z t , d. h. t~ + = - t ~ - . Bei einer k o n s t a n t e n D r u c k b e l a s t u n g p u n d rechteckigen E l e m e n t f l ~ c h e n A A verteilt sich die r e s u l t i e r e n d e K r a f t F* -- p A A wie folgt a u f die nK K n o t e n : 9 2D u n d 3D E l e m e n t e m i t l i n e a r e n Ans~itzen: F*J -- F * / n K 9 2D q u a d r a t i s c h c Ans~itzc: 2 E c k k n o t c n F*i

IF*, 1 M i t t e n k n o t c n F*J

~

~2 F

*

5.5 Die Methode des Rissschlieigintegrals

233

9 3D quadratische Ans~itze: 4 Eckknoten F*J = - ~ 2 F*, 4 Mittenknoten F*J = 89 9 2D Viertelpunktelemente: Rissknoten F .1 = 0, Viertelpunkt/;,.3 = g2 F 9, Eckpunkt F.2 1 9

9 3D Viertelpunktelemente: (siehe Bild 5.3 2) {~

12

1 1

14

1}

j = 1,2,...,8

Bei Koh~sivzonenmodellen (Abschnitt 8.5) sind die Pdssuferlasten t~ abh~ingig von den momentanen Rissuferverschiebungen Aui (r, 0 -----t-Tr), d.h. die konsistenten Knotenkr/iften miissen nach jedem Lastschritt neu mit (4.51) integriert werden. Treten Volumenlasten (z. B. Gewichtskr~fte) oder Tr~gheitskr~fte bei dynamischen Problemen auf, so kann das modifizierte Rissschlietgintegral in unver/inderter Form angewendet werden, da diese Belastungen indirekt in den Schnittkr/iften der Ligamentknoten enthalten sind (siehe Abschnitt 5.5.2). Gleiches gilt bei thermischen Belastungen infolge inhomogener Temperaturfelder.

234

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

5.6

FEM-Berechnung des J-Linienintegrals

An dieser Stelle soll die numerische Berechnung des klassischen J-Integrals aus Abschnitt 3.2.6 im Rahmen der FEM ffir ebene Probleme erl~iutert werden. In der LEBM ist J (3.1oo) mit der elastischen Energiefreisetzungsrate G identisch, wodurch der Zusam_menhang zu KI und KII nach (3.93) gegeben ist.

J=/(Unl-

nj) ds

(5.99)

Der Integrationsweg wird in Teilstficke F~ pro Element aufgeteilt, d. h. F = E en=E l Fe, siehe Bild 5-33. Die gebr~iuchlichste Methode besteht darin, den Integrationsweg durch die Integrationspunkte (IP) des Elementes zu legen. Das hat den Vorteil, dass dort die Spannungen aus der FEM-Analyse meist beka~nt sind und die hSchste Genauigkeit aufweisen. Die Integration fiber/'~ soll wie in Bild 5.33 gezeigt entlang der natfirlichen Koordinate ~1 = eonst, mit ~2 E [-1, +1] als Kurvenparameter verlaufen.

Bild 5.33: Integrationspfad fiir die J-Integral Berechnung im Finite-Element-Netz Die Berechnungsvorschrift ffir parametrisierte Linienintegrale (4.76) liefert den Nor-

5.6 FEM-Berechnung des J-Linienintegrals

235

malenein_heitsvektor n auf F~ (siehe Bild 5.33)

Fox~ l

io, ,

1

n~

(5.1oo)

Lsin~j d~-- L-dxiJ = l_ax~ I d~ L 0~2 J

und die Transformation (4-76) des Linienelementes ds -- JLd~2. Der 1. Term des Integranden (5.99) ist die Form/inderungsenergiedichte U nach (3.71). Ffir ebene elastische Aufgaben betr/igt sie 1

U = ~ ( O l l E l l -~- 2T12~12 + O22~22) 9

(5.101)

Im 2. Term erscheinen die Schnittspannungen

ti = (Tijnj,

t2

LT12n1 + (722n2J

und die Ableitungen des Verschiebungsvektors ui nach Xl:

Oui _ ~nK Oga(~l, ~2) u~a).

a=l

0X 1

~

(5.1o3)

0X 1

Diese werden durch Differenziation der Formfunktionen Na(~l, ~2) und die Verschiebungen u~a) der Elementknoten a ausgedrfickt. Dabei muss zur Ableitung die inverse JACOBI-Matrix benutzt werden, siehe Abschnitt 4.4.2:

ONa Fo~ oe~]FON~I

ONo/ -~-7~J

= I

/o~ La~

o~. ~

FONal (5.1o4)

/aNo / = [J-~] /aNo / 9 L-~-~-~J L--b-~-~J

Somit lautet das J-Integral fiber ein Element F~:

+1.1

J(e) :~1 n 12(allEll-[-2T12E12~-Cr22E22) l - - _ Oul

- (ammn1 + ~-12n2) ~

Ou2 }

- 0-12nl + a22n2) ~

JLd~2

(5.105)

+1 :

f

--1

P((1, (2)d(2 ~ ~

~~F((1

:

eonst., (g)wg .

g=l

was mit der letzten Beziehung als 1D-GAUSS-Quadratur ausgewertet wird. Hierffir w~ihlt

236

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

man am besten genau die Integrationsordnung nG (= 3 im Bild 5.33), die bereits im finiten Element verwendet wurde, so dass gleich die aij, Eij und auch die Energiedichte U (in vielen Codes verfiigbax) aus der FEM-Ergebnisdatei an den IP iibernommen werden kSnnen. Schliei~lich erh~lt man den Gesamtwert von J durch Summation der Beitrtige aller Elemente im Integrationspfad F ?'t E

J =

J(~

(5.1o6)

Da sich die Kontur F aus Pfaden ~1 -- const, durch benachbarte Elemente zusammensetzt, folgen daraus Einschrtinkungen bzgl. der FEM-Netzgestaltung, damit ein fortlaufender, geschlossener Integrationsweg gebildet werden kann. Die Knotennummerierung im Element muss so aagepasst werden, dass Fe immer auf ~1 -- const, liegt. Eine alternative Berechnungsvariante ist m5glich, wenn die Ergebnisse der FEM-Rechnung an jedem Ort x -- Ix1 X2]w unabh~ngig v o n d e r Vernetzung verfiigbar sind. Einige FEM-Codes bieten im Post-Prozessor interpolierte und gegltittete Feldverl~ufe an. Dann kann man eine geometrisch einfache Kontur fiir das J-Integral w~hlen wie z.B. den in Bild 5.33 schraffiert gezeichneten Halbkreis F ~. Als Preis ffir diesen Komfort handelt man sich u. U. jedoch numerische Ungenauigkeiten und einen grSs Aufwand ein, was klar wird, wenn man sich die Beschaffung aller notwendigen FeldgrS~en fiir (5.1o5) an einer Stfitzstelle x vergegenw~tigt (siehe Abschnitt 4.4.4). Diese Variante zur J-Berechnung ist nur zu empfehlen, wenn alle genannten Approximationsschritte bekannt sind. Inzwischen gibt es viele Erweiterungen und Verallgemeinerungen des klassischen J Integrals, weshalb dieser Thematik ein eigenes Kapitel 6 gewidmet ist. 5.7

FEM-Berechnung

bruchmechanischer

5.7.1

Einfache E r m i t t l u n g mit Einheitskr~iften

Gewichtsfunktionen

Im Abschnitt 3.2.1o wurde der Vorteil bruchmechanischer Gewichtsfunktionen erl~utert, mit deren Hilfe die Spannungsintensittitsfaktoren fiir eine Risskonfiguration bei jeder gewiinschten Belastung auf einfache Weise ermittelt werden kSnnen. Im Folgenden sollen einige FEM-Techniken vorgestellt werden, um die Gewichtsfunktionen fiir 2D Rissprobleme numerisch zu berechnen. Als Demonstrationsbeispiel dient der in Bild 5.34 daxgestellte Zylinder (Rohr) mit Innenriss. Eine einfache, aber recht praktische Variante besteht darin, direkt die Auswirkung einer Einzelkraft F ( x ) = Fie1 ~-F2e2 am Ort x auf die g - F a k t o r e n Ki(a) und Kii(a) an der Spitze eines Risses mit der Lfiage a zu bestimmen. Dazu l ~ s t man der Reihe nach an allen Knoten x(0 der Risskonfiguration (Oberfltiche St, Volumen V oder Rissufer So), wo sptiter reale Belastungen auftreten kSnnen, Einzelkrtifte F (0 angreifen und berechnet die dazugehSrigen K-Faktoren K ~ ) mit einer der oben vorgestellten FEM-Techniken. Das wird in Bild 5.35 am Netzwerk des Zylinders mit Innenriss veranschaulicht. Die Richtung jeder Kraft F (0 entspricht i.A. einer Koordinate el oder e2. Sie kann sich auch an den zu erwartenden Belastungen (z. B. normal zur Oberfl~che bei Druck) orientieren. Ihren

5.7 FEM-Berechnung bruchmechanischer Gewichtsfunktionen

237

Bild 5.35: Berechnung von Gewichtsfunktionen mit Hilfe von Einheitslasten. FEM-Netz fiir Zylinder mit Innenriss

Betrag w~ihlt m a n zweckm~i]~ig zu eins, F ( 0 -- ]F (0 ] -- 1. Die F E M - A n a l y s e mit diesen 2nL >>Einheitslasten (( F (0 fiber alle l -- 1,2,... ,nL Knoten mit i ---- 1,2 K o m p o n e n ten fiihrt m a n a m besten simultan mit 2 nL rechten Seiten aus. Die daraus ermittelten K ~ ) - F a k t o r e n (L -- I, II) entsprechen bereits den bruchmechanischen Gewichtsfunktionen (3.147) ffir den K n o t e n l mit der K r a f t k o m p o n e n t e i:

U m die ermittelten und gespeicherten Gewichtsfunktionen ffir einen spezifischen Belastungsfall dieser Risskonfiguration anzuwenden, muss m a n die gegebenen Randlasten ~, Rissuferlasten ~c oder Volumenlasten b in ~kluivalente Knotenkr~fte umrechnen. Daffir werden die FEM-Beziehungen (4.51) und (4-76) bcnutzt, was z. B. fiir eine Elcmcntkantc

238

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

s auf dem Lastrand

St~ ergibt:

+1

f, & f, = / NT(~) t(~)

JLd~

(5.108)

--1

Diese Knotenkrs werden ffir alle belasteten Elementrs integriert und assembliert, woraus gerade die iiquivalenten globalen Knotenkr~fte ~(0 = [.Je=l nE fe folgen. Setzt man ihre Werte in (5.1o7) ein, so ergeben sich die beiden Spannungsintensits KI und KII aus der gewichteten Summe n L

2

KL(a) ----E E H'L/~(0.

(5.1o9)

/=1 i=1

Die Anwendung der Gewichtsfunktionen erfordert lediglich die Auswertung der einfachen Beziehungen (5.1o8) und (5.1o9), aber keine FEM-Rechnung mehr. Bei sehr feinem FEM-Netz darf t ~ const, entlang der Elementkante L angenommen werden, so dass (5.1o8) zum vereinfachten Schema fiihrt, wonach sich die resultierende Kraft F a -- L t anf die Kantenknoten wie [89 89 bei linearen and [1 2 I] bei quadratischen Formfunktionen anfteilt. Allerdings sind diese Gewichtsfunktionen immer an die Geometrie des verwendeten FEM-Netzes gebunden! Fiir den Zylinder mit Innenradius ri = 40ram, Wandst~rke w = 30mm, Rissl~inge a -- 20 mm unter Innendruck p -- 100 MPa betNigt der Spannungsintensit~itsfaktor lant Handbuch [176] [8]: K~ e~ = 67,27 M P a v ~ . Die Anwendung der Einheitslast-Methode mit dem FEM-Netz von Bild 5-35 und anschlie$ender Aufsummation der Gewichtsfunktionen mit der Druckbelastung auf ri ergab den Wert KI -- 67,01 MPax/~.

5.7.a

Bestimmung parametrisierter Einflussfunktionen

Eine sehr niitzliche und verbreitete Methode sind die so genannten Einflussfunktionen (engl. influence functions). Im Unterschied zu den Gewichtsfunktionen fiir Einheitslasten quantifizieren sie den Einfluss einer paxametrisierten Verteilung der Randspannungsbelastung auf den Ki-Faktor. Da man mit dem Superpositionsprinzip (Abschnitt 3 . 2 . 1 0 ) jede Belastung der Risskonfiguration anf eine gleichwertige Rissuferbelastung to(x) umrechnen kann, werden diese Einflussfunktionen bevorzugt fiir die Rissufer entwickelt. Als idealisierte Belastungen verwendet man h~ufig Potenzanss der Ordnung m:

r

) =~rm(~ ) =,~m

( m = 0 , 1 , 2 , . . . ,nm)

(5.11o)

Bild 5.36 zeigt die Verh~ltnisse f'fir den Wandquerschnitt des Beispiels >>Zylinder mit Innenriss<<. Jetzt werden ffir jede Belastungsfunktion a~(~) die Spannungsintensit~itsfaktoren fiir eine gegebene Risslfi~ge a mit FEM berechnet und normiert dargestellt:

(5.111) Die Funktionen r

heii~en

Einflussfunktionen.

5.7 FEM-Berechnung bruchmechanischer Gewichtsfunktionen

239

Bild 5.36: Approximation der Rissbelastungen mit Potenzfunktionen

Den Spannungsintensit~itsfaktor fiir eine wirkliche Belastung der Struktur mit Riss erh~ilt man daraus auf folgende Weise: Man berechnet sich mit der FEM oder analytisch die Schnittspannungen auf der Risslinie in der rissfreien Struktur, welche den Rissuferspaanungen tO(x1) entspricht. Diese Spannungsverteilung wird nun mit einer Regressionsanalyse in Polynome gemii~ (5.11o) entwickelt, woraus die Koeffizienten Dm folgen: nm

nm

tO(x1) -- ~-~Dmam(2)---- ~'~Dm2 m m~0

(5.112)

rgt~0

Der Ki-Faktor ergibt sich aus der gewichteten Summation aller Einflussfunktionen zu ~m

Ki(a)= ~D,~r

vr~.

(5.113)

m~0

Das Verfahren ist besonders effektiv, wenn man dasselbe Bauteil mit gleichem Riss unter ver~nderlichen Lastf~llen viele Male (z. B. Thermoschock-Transiente) analysieren muss. Fiir das betrachtete Beispiel (Bild 5.34) wurden die Einflusszahlen yon ANDRASIC PARKER [8] mit Hilfe GREENScher Funktionen sehr genau berechnet und dienen als Referenzl5sung "~ref -- 0,1,. " " ,4 sind in Tabelle 5.2 r m 9 Ihre Werte fiir die Potenzen m zusammengestellt (a ---- 20 mm). In der 2. Spalte stehen die mit der FEM ermittelten Einflussfunktionen. Dazu wurden die entsprechenden Spannungsverl~ufe a,~(2) auf die Rissufer des Netzes (Bild 5.35) aufgepr~gt. Die Rissspitze war mit Viertelpunktelementen CTE vernetzt, siehe die Detailbilder 5.37. Zur Berechnung der Ki-Faktoren wurde die Verschiebungsauswertung (DIM) benutzt. Die relativen Fehler der r gegeniiber der Referenzl5sung sind gering, wachsen aber mit der Potenz m. Um diese Einflussfunktionen

240

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

Bild 5'37: Vernetzung der Rissspitzenumgebung von Bild 5.35 mit Viertelpunkt-ViereckElementen (Detail) Ordnung m 0 1 2 3 4

r 1,8400 0,6477 0,3090 0,1663 0,0953

r 1,8321 0,6452 0,3069 0,1640 0,0930

Ar

[%]

-0,4270 -0,3774 -0,6733 -1,3930 -2,4465

cH 1,8341 0,6399 0,3023 0,1599 0,0883

AcH [%] -0,3186 -1,1986 -2,1652 -3,8102 -7,3241

Tabelle 5.2: Vergleich der Einflusszahlen ffir Zylinder mit Innenriss nach verschiedenen Berechnungsmethoden

auf den Lastfall >>Zylinder unter Innendruck<< anzuwenden, gehen wir v o n d e r bekannten LSsung fiir die Umfangsspannungen aus (ra - Augenradius):

a~e(r)- r a2---2 -- r i

1+ r 2]

Der Spannungsverlauf in der Wand 0 < ri ~- Xl <~ ra kann recht genau als Polynom 4. Grades approximiert werden, woraus man die konkreten Koeffizienten D m von (5.112) bestimmt (bei p = 100 MPa): t c ~ aoo(~) = 196,88 - 218,92~ + 218,07~ 2 - 140,40~ 3 + 40,50~ a

Einsetzen in (5.11o) liefert den Spannungsintensit~itsfaktor KI = 66,96 MPa mit einem Fehler von - 0 , 4 6 %!

5.7-3

Berechnung aus der Verschiebungsableitung

Die eigentlichen bruchmechanischen Gewichtsfunktionen kSnnen ans der Ableitung des Verschiebungsfeldes u~2) (x, a) nach der Rissl~inge a gewonnen werden. Dazu ben6tigt

5.7 FEM-Berechnung bruchmechanischer Gewichtsfunktionen

241

man gem~t~ Abschnitt 3.2.1o irgend eine (im Mixed-Mode-Fall zwei) bekannte LSsungen (index (2)) der betrachteten Risskonfiguration. Der Zusammenhang wird durch die Gleichungen (3.157) und (3.16o) ffir Modus-I- bzw. Mixed-Mode-Belastung wiedergegeben. Es ist naheliegend, diese Berechnungsmethode auch numerisch umzusetzen. Dazu bestimmt man sich die erforderliche(n) ReferenzlSsung(en) (2) mit Hilfe von FEM-Reehnungen bei der interessierenden Pdssl~nge a und ermittelt mit einer der beschriebenen FEMTechniken die Spannungsintensit~tsfaktoren K~ 2) (a) mid ggf. K~I2) (a). Die Ableitung der Verschiebungsfelder nach der Rissl~inge muss als Differenzenquotient Au}2)/Aa ausgefiihrt werden. Dafiir bietet sich das zentrale Differenzenschema wegen der hohen Genauigkeit von O(Aa) 2 an. Das bedeutet allerdings, dass die Verschiebungsfelder fiir zwei benachbarte Rissl~algen a - Aa und a + Aa zu berechnen sind. Die Formeln (3.157) und (3.16o) schreiben sich damit bei der Risslgnge a fiir Modus I:

HI(x, a) --

E'

2gi(a)

( ui(a + Aa)2 ~--aui(a-- Aa) )

und fiir gemischte Belastung I u n d II mit K 2 = HI(x, a) = ~ E ' [K~I(2a)u}2b)(a+

(5.116)

K~2b)K(I2a)- K~2a)K~2b):

Aa)--u~2b)(a -2Aa

Aa)

I. _K(2b) u~2a)(a + II

Aa) -- u~(2a)(a -- Aa) 2Aa

(5.117)

[K}2b) u}2a)(a + Aa) ---"a,(2a)(a -- Aa)

Et II n~ (~, a) = ~

2~a

k _

+

-

-

]

Dieses Verfahren erfordert FEM-Analysen mit drei verschiedenen Risslgngen, was Bild 5.38 verdeutlicht. In der numerisehen Umsetzung kann man diese drei Varianten auf einfache und effektive Weise wie folgt realisieren. Da um die Rissspitze ohnehin in den meisten Fis ein F~cher von Viertelpunktelementen gelegt wird (genaue K-Berechnung) wie in Bild 5.37, variiert man die Pdssliinge durch geringfiigige Verschiebung des Rissspitzenknotens um 4-Aa < L. Dabei werden nur die Koordinaten der Viertelpunkte leicht vergndert, alle anderen Knoten des Netzes bleiben unver~indert, so dass man die Verschiebungsdifferenz auswerten kann. Bild 5.39 veranschaulicht diese Technik. Diese Methode wurde wiederum am Modus-I Beispiel >>Zylindermit Innenriss<< ffir unterschiedliche Rissl~ngen a getestet. Als ReferenzlSsung (2) zur Berechnung der Gewichtsfunktionen wurde eine konstante Rissuferbelastung tC(xl) = 40 MPa auf (0 < xl _< a) allgenolmnen. Sie ergab zungchst den K~2) (a)-Wert mit Hilfe der DIM-Technik. Die Ergebnisse sind in Tabelle 5.3 mit KICTE bezeichnet und stimmen gut mit der Vergleichsl5sung K~~f [8] iiberein. ~lber die Risslgngenvariation wurde dann die Verschiebungsableitung anf den Rissufern und mit (5.116) die Gewichtsfunktion HI(x, a) berechnet. Abschliet~end

242

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

Bild 5.38: Ben6tigte Rissl~ingen ffir das zentrale Differenzenschema

Bild 5.39: Variation der Rissl~nge durch Verlagerung des Rissspitzenknotens wurde diese Gewichtsfunktion benutzt, um den Ki-Faktor des Referenzlastfalls durch numerische Integration von (3.147) zu gewinnen. Diese KH-Werte miissen natfirlich die KiCwn-werte der direkten FEM-Berechnung reproduzieren und weichen nur geringffigig v o n d e r K~ef-LSsung ab, siehe Tabelle 5-3Des Weiteren wurden die Gewichtsfunktionen von a -- 20 m_m dazu angewandt, um die Einflussfunktionen des vorigen Abschnitts zu errechnen, d. h. Integration der Potenzfunktionen O'm(2.) mit (3.147). Die so erhaltenen Einflusszahlen cH sind auch in Wabelle 5.2 aufgeffihrt, wobei ihr Fehler mit hSheren Potenzen m steigt. Abschliei~end wird noch der Lastfall >>Zylinder mit Innendruck(( betrachtet. Die Integration der Schnittspannungen (5.114) mit diesen Gewichtsfunktionen lieferte einen Intensit~itsfaktor KI -- 67,19 MPa v ~ mit - 0 , 1 % Fehler. a [mini

K{ef [MPav'-m-]

KIcTE

KH

6 i0 14 18 20

6,59 9,52 12,73 16,34 18,45

6,60 9,52 12,72 16,34 18,37

6,50 9,44 12,66 16,30 18,35

AKH [%1

-1,43 -0,83 -0,56 -0,25 -0,54

Tabelle 5.3: Vergleich der aus den Gewichtsfunktionen berechneten Ki-Faktoren mit anderen Berechnungsmethoden (~r = 40 Mpa) in M P a v ~

5.7 FEM-Berechnung bruchmechanischer Gewichtsfunktionen 5.7.4

243

A n w e n d u n g der J - V C E - T e c h n i k

Die Idee dieses Verfahrens beruht darauf, die VCE-Technik zu benutzen, u m die ben5tigte Ableitung des Verschiebungsfeldes nach der Rissl~nge zu bestimmen. Die Differenziation der Steifigkeitsbeziehung K V = F nach da bei F = const, ergibt dK V + KdV dF dV d--ada - da - 0--* da -

K _ 1 ~__~KaV"

(5.118)

Wfi~hrend urspriinglich von PARKS ~ KAMENETZKY [201] mittels F E M der Differenzenquotient A K / A a gebildet wurde, soll die elegantere und genauere Methode der V C E nach DELORENZI [72] benutzt werden. W i t gehen von (5.81) ffir die Berechnung der Energiefreisetzungsrate im ebenen Fall (Vo --~ A0) ans, wobei A/k(x) = Al~ ~ A1 gilt:

f[VOAl

C = --

[

o., aAl] O X j J dA

OX 1 -- f f i J ~ X l

(5.119)

Ao

Die V C E A / ( x ) wird mit den F E M - A n s a t z f u n k t i o n e n im Gebiet A0 interpoliert nK

(5.12o) a=l

Wendet m a n die Ansatzfunktionen auf die Integralterme je Element an

1

1 ~

ON~ (~)

V = ~ ( 7 i j u i , j = 2(TiJ a = l OX---~Ui OU i

nK _ON,~ _

(~)

OAf

(5.121)

nK b=l OXj

a=l

so ergibt sich

0"

.0"o

T<j '.' -

d..

(5.122)

Ao

Die Knotenvariablen u~a) E V kSnnen hinter das Integral gezogen werden, dessen Auswertung ffir alle Elemente in A0 einen K r a f t v e k t o r O (~) ergibt

G = -lo!a)u!a)2 -~* ~ = -

1 W QTv = -~QoV0

fiir i = 1,2 und a = 1,2,. 99 ,NK 9 (5.123)

Setzt m a n (5.123) mit (5.79) gleich, so folgt 1 T G = -~QoVo

1 Tdgv0 = - ~ v o da

=~

dV ~ = K-1Q~

(5.~4)

244

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

5.7.5

B e r e c h n u n g m i t d e r BUECKNER-Singularit~it

In Abschnitt 3.2.1o wurde gezeigt, dass die Gewichtsfunktionen (3.172) proportional zu einem fundamentalen Verschiebungsfeld sind der BVECKNER-Singularittit , d a s sich als Folge der Wirkung eines Kr~iftepaaxes BI an der Rissspitze in der gesamten Risskonfiguration einstellt. Die direkte numerische Realisierung dieses Zugangs scheitert an der Schwierigkeit, mit der FEM die hypersingul~re LSsung fiir Einzelkrtifte unmittelbar an der Rissspitze ausreichend genau modellieren zu kSnnen. Um dieses Problem zu umgehen, wurde von PARIS, MCMEEKING ~ TADA [198] ein kleines Loch um die Rissspitze ausgespart, anf dessen Rand das Yhndamentalfeld (3.173) anfgeprs wird. SHAM [243,244] definierte um den Risspunkt ein ausreichend kleines Netzgebiet, in dem das hypersingul ~ e Feld sepaxat behandelt wurde.

Bild 5.40: Superpositionsprinzip zur Bestimmung der BUECKNER-FundamentallSsung fiir ein endliches Gebiet

Ein alternativer L5sungsweg von BUSCH, MASCHKE ~ KUNA [56,150] nutzt das Superpositionsprinzip, um das fundamentale Verschiebungsfeld ffir eine endliche Risskonfiguration zu bestimmen. Dazu wird die ffir das unendliche Gebiet bekannte BUECKNEa-Singularit~it (3.173) (3.174) yon der Randwertanfgabe subtrahiert, so dass nur ein gewShnliches Rissproblem mit der Spannungssingularit~it 1/x/r mittels FEM zu 15sen ist, wof/ir wir ja bew~_rte Techniken kennengelernt haben. Wie man aus Bild 5.4o ersieht, mfissen zu diesem Zweck die Schnittspannungen (5.125)

auf dem Rand S der endlichen Risskonfiguration aus dem hypersingul~iren BUECKNERSpannungsfeld (3.174) berechnet und dann mit entgegengesetztem Vorzeichen aufgebracht werden. Die FEM-LSsung liefert somit ein Verschiebungsfeld u~2)f(x), das die Korrektur der FundamentallSsung ffir das endliche Gebiet darstellt. Die Summe mit der BUECKNER-LSsung (3.173) ergibt somit die gesuchte YhandamentallSsung fiir die betrachtete endliche Risskonfiguration =

+

(5.126)

5.8 Beispiele

245

woraus mit (3.172) die Gewichtsfunktionen ffir Modus I folgen:

a)-

(5.127)

t~ + 1 ~/2~BI

5.8

Beispiele

5.8.1

Scheibe mit Innenriss unter Zug

Berechnet werden soll der in Bild 5.1 daxgestellte Riss der L~nge 2a (a = 10 mm) in einer quadratischen Scheibe (Dicke B = l mm, Breite d = 100mm), die einer Zugbelastung von a = 100 M P a ausgesetzt ist. Der Werkstoff ist isotrop elastisch mit E = 210000 M P a und u = 0,3. Es gelte der EVZ. Fiir dieses simple zweidimensionale Modus-I-Rissproblem ist der Spannungsintensit/itsfaktor bekannt [176], S. 68: Ki(a)

=ox/'-~ag(d)

g = 1,0

g( :1):101

unendliche Scheibe d -+ c~ =:>

Bild 5.41: Modelliertes oberes Viertel der Scheibe mit Innenriss

GRIFFITH-Riss

KI = 568,35 M P a mv/-m--~

Bild 5.42: FEM-Diskretisierung mit 8-Knoten Viereckelementen

Wie bereits in Abschnitt 5.1 erl/iutert, gen/igt aus Symmetriegr/inden die Modellierung eines Viertels der Scheibe mit entsprechenden Verschiebungsrandbedingungen,

246

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

die in Bild 5.41 beschrieben sind. Das verwendete Finite-Element-Netz besteht aus 8Knoten Viereckelementen mit quadratischen Ans~itzen, siehe Bild 5.42. An der Rissspitze werden diese Elemente zu 6-Knoten Dreiecken kollabiert, wahlweise so belassen oder weiter zu Viertelpunktelementen entsprechend Bild 5.7 distordiert. Bild 5-43 zeigt die Details der Vernetzung an der Rissspitze. Die GrSge der Rissspitzenelemente betr~igt L = a / 4 0 = 0,25 ram. Alternativ wurde die Rissspitze mit einem F~icher von 14 (links) bzw. 7 (rechts) Elementen umgeben.

Bild 5.43: Ausschnitte der FEM-Diskretisierung an der Rissspitze

Bild 5-44: Isoliniendarstellung der v. MISES-Vergleichsspannung am Riss Einen Eindruck v o n d e r Spannungskonzentration an der Rissspitze und der (iiberhSht dargestellten) Verformung der Rissufer vermittelt Bild 5.44. Ein Vergleich der rissSffnenden Verschiebungen u2(r, ~ = 7r) und der Normalspannungen r , 0 = 0) aus der FEM-LSsung mit der analytischen NahfeldlSsung (siehe Abschnitt 3.2.1) ist in den Bildern 5.45 und 5.46 dargestellt. Bei dieser feinen Vernetzung zeigt sich eine recht gute Ubereinstimmung. Die Berechnung des Spannungsintensit~itsfaktors Ki(r*) nach der Verschiebungs-Auswertemethode gem~iI~ (5.3) ergibt den in Bild 5.47 abgebildeten Verlauf. Man erkennt

5.8 Beispiele

Bild 5.45: Verschiebungsverlauf u2 auf dem Rissufer

247

Bild 5.46: Normalspannungen a22 auf dem Ligament vor dem Riss

Bild 5.47: Spannungsintensitgtsfaktoren mit der DIM berechnet

248

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

sehr deutlich, dass der lokal berechnete Ki-Faktor bei regul~ren Elementen zur Rissspitze hin stark abf'dllt, wohingegen die Viertelpunkt-Pdssspitzenelemente keinerlei Defizite aufweisen. Der auf die Rissspitze extrapolierte Intensit~tsfaktor weist einen Fehler von +0,08 % auf.

Bild 5.48: Einfluss der Risselementgr6f~e L auf den Ki-Faktor

Bild 5.49: J-Integral-Werte fiir verschiedene Integrationspfade

Bei Viertelpunktelementen l~sst sich KI anch direkt fiber (5.39) durch DIM bestimmen. Aufschlussreich ist folgende Parameterstudie zur Netzverfeinerung am Riss, deren Ergebnis in Bild 5-48 wiedergegeben ist. Dargestellt sind die mit der DIM extrapolierten Ki-Faktoren ffir unterschiedliche Netze, wobei die GrSge L der Rissspitzenelemente von a/3,3 bis a/40 variiert wurde. Erst mit L = a/20 erreicht man eine Genanigkeit unter 1%. Eine Verdopplung der Elemente in Umfangsrichtung bewirkt dagegen keine Verbesserung. Schliei~lich kann zur KI- bzw. G-Ermittlung anch das modifizierte Rissschlief~integral MCCI herangezogen werden. Bei regul~ren Elementen ist (5.9o) zu verwenden und bei Viertelpunktelementen die Vaxianten (5.91) bzw. (5.92). Mit Ausnahme von Variante 2) werden Genauigkeiten besser als 0,1% in KI erzielt. Die Berechnungsergebnisse zum J-Integral sind in Bild 5.49 dargestellt. Angewandt wurde das ~quivalente Gebietsintegral EDI (siehe Kapitel 6.4) mit unterschiedlichen Integrationsgebieten, d.h. vom 0. bis 6. Elementring um die Rissspitze mit den Radien r. Die J-Werte sind nahezu unabh~ingig yon der Wahl des Integrationsgebietes wie es die Theorie verlangt. Lediglich bei regul~ren Elementen am Riss liefert die Auswertung des 0. Elementrings (d. h. nur Verrfickung des Rissspitzenknotens) unzureichende Genanigkeit. Diese Erscheinung ist generell zu verzeichnen, weshalb der innerste Ring nicht verwendet werden sollte. Grunds~itzlich sollte man beim J-Integral mehrere Pfade (bzw. Elementringe beim EDI) auswerten und pr/ifen, ob die Werte wegunabh~ingig sind bzw. nach au]~en hin konvergieren. In der LEBM gilt J ----G, so dass mit der Beziehung (3.93) ans dem J-Integralwert der jeweilige K-Faktor berechnet werden kann, wenn eine reine Modus I, II oder III Belastung

5.8 Beispiele

Methode

Risselemente

K~ [MPav'-~

Fehler %

ReferenzlSsung K~Extrapolation KI-DIM

[176] R.SE CTE CTE P~SE CTE (Var. 1) CTE (Var. 2) RSE CTE

568,35 ~ 555,0 567,9 572,5 567,8 568,7 560,4 567,9 568,1

-2,4 +0,08 +0,7 -0,1 +0,07 -1,4 -0,06 -0,04

MCCI

J-Integral EDI

GI [N/mini

249

Fehler %

1,3997

1,3970 1,4016 1,3611 1,3979 1,3985

-0,2 +0,14 -2,7 -0,13 -0,09

Tabelle 5.4: Vergleich der Genauigkeit verschiedener Methoden zur Bestimmung von KI und GI fiir die Zugscheibe mit Innenriss (Bild 5.41)

vorliegt. Im obigen Beispiel erh~lt m a n K I = X . / J E / ( 1 - v2). Ab dem 3. Integrationsweg betr~gt die Genanigkeit ~ 0,05 % ffir Viertelpunktelemente CTE und ~ 0,1% bei Verwendung regul~er Standardelemente RSE an der Rissspitze. Die Ergebnisse aller Methoden und ihre relativen Fehler bzgl. der ReferenzlSsung sind zur 0bersicht nochmals in Tabelle 5.4 zusammengestellt.

5.8.2

Halbelliptischer Oberfl~ichenriss unter Zug

Untersucht wird die in Bild 5.50 dargestellte quaderfSrmige Struktur mit einem halbelliptischen Oberfl~chenriss. Die Abmessungen betragen: h -- 20 mm, d -- 20 mm, b -- 30 mm, c -- 15 mm und a -- 5 mm. Das Achsenverh~iltnis des Risses a : c -- 1 : 3 entspricht typischen MaVen von Oberfi~ichenfehlern. Die Zugbelastung a -- 30 MPa verl~iuft senkrecht zur Rissebene, so dass nur eine Modus I Beanspruchung mit ver~nderlichem Ki-Faktor entlang der Rissfront auftritt. Vorausgesetzt wird wieder isotrop-elastisches Material mit E ----210 000 MPa und L, -- 0,3. Aufgrund der doppelten Symmetrie des Problems brancht nur ein Viertel mit entsprechenden Verschiebungsrandbedingungen auf der Symmetrieebene modelliert zu werden, siehe Bild 5.50. Die gewfi~hlte FEM-Vernetzung dieses Viertels zeigt Bild 5.51. Bei der Generierung der Netze um 3D Risse ist es von Vorteil, an der Rissfront zu beginnen und sie durch einen ~Schlauch<~ von konzentrischen Elementringen zu umgeben. Dadurch hat man alle Rissspitzenelemente in einer Gruppe gesammelt und kaan sie bzgl. GrSs und Form optimal entlang der gekriimmten Rissfront anordnen, so dass die Stirnfl~ichen mSglichst senkrecht dazu stehen, siehe Bild 5.52. An der Rissfront wurden die in Abschnitt 5.2.2 vorgestellten 3D Viertelpunkt-Hexaederelemente CTE verwendet. Die Kantenl~inge der Risselemente wurde einheitlich auf L ----0,08 mm festgelegt. Ausgehend von diesem Schlauch vervollst~ndigt und vergrSbert man das FEM-Netz bis zu den Aut~enr~indern der Struktur. In Bild 5.53 ist das geSffnete deformierte Rissprofil wiedergegeben. Fiir die Berechhung des Spannungsintensit~itsfaktors KI wurden alle erl~uterten Techniken eingesetzt.

25o

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

Bild 5.50: QuaderfSrmige S t r u k t u r mit halbelliptischem Oberfl~ichenriss (a : c -- 1 : 3) unter Zugbelastung

Bild 5.52: Schlauchf6rmige Vernetzung der Rissfront Bild 5.51: F E M - N e t z fiir den halbelliptischen Oberfl~chenriss (1/4-Modell) mit 26672 K n o t e n und 5620 Hexaederelementen

5.8 Beispiele

251

Bild 5.53: Verformtes FEM-Modell mit halbelliptischem Oberfl~ichenriss

Bild 5.54: Verlauf des Ki-Faktors entlang der Pdssfront. Vergleich unterschiedlicher FEMAuswertemethoden fiir Viertelpunktelemente CTE Am einfachsten ist die Auswertung der Rissuferverschiebungen nach der Beziehung (5.46), siehe Bild 5.11. Das Ergebnis ist fiir alle Rissfrontknoten in Bild 5.53 als Fhnktion des E1lipsenwinkels ~ = arcsin(x2/a) (siehe Bild 3.9) gezeichnet (DIM-CTE). Man erkennt eine leichte Oszillation der Ki-Werte zwischen Eck- und Seitenmittenknoten. Zum Vergleich ist die ReferenzlSsung von RAJU ~ NEWMAN [176] im Diagramm dargesteUt. )i,hnlich genaue Resultate ffir KI (~) liefert die Auswertung des 3D J-Integrals (vgl. Abschnitt 6.3.2). Schlies wurden noch beide Formeln zur Berechnung des Rissschlieflintegrals MCCI ffir die 3D Viertelpunktelemente erprobt. Die Ergebnisse der aufw~ndigeren Variante 1 nach Gleichung (5.97) liegen ca. 5 % fiber der ReferenzlSsung, wohingegen die einfachere Formcl (5.98) dcr Variantc 2 besser fibercinstimmt und zu bcvorzugen ist.

252

5 FEM-Techniken zur Rissanalyse in linear-elastischen Strukturen

Bild 5.55: Verlauf des Km-Faktors entlang der Pdssfront. Vergleich unterschiedlicher FEMAuswertemethoden fiir regul~re Standardelemente RSE Zum Vergleich wurde dasselbe Problem mit regul/iren Standardelementen RSE berechnet, d.h. die 3D Viertelpunktelemente im >>Schlauch<< um die Rissfront wurden durch kollabierte Hexaederelemente mit Seitenmittenknoten ersetzt. Die Resultate sind in Bild 5.55 fiir verschiedene Auswertevarianten zusammengestellt. A m genauesten wird der KI(T)Verlauf entlang der Rissfront mit Hilfe des 3D J-Integrals bestimmt, der sich bei dieser hohen Netzverfeinerung am Riss fast nicht vom Ergebnis mit Rissspitzenelementen unterscheidet, vgl. Bild 5-54- Wesentlich ungenauer (etwa - 8 %) fallen dagegen die mit dem Rissschliei~integral MCCI-RSE nach den Auswerteformeln (5.95) (5.96) ermittelten KIFaktoren aus. Aut~erdem wurde die einfache Auswertemethode DIM fiir die Rissuferverschiebungen nach der Beziehung (5-3) auf die Seitenmittenknoten angewandt (Strichlinie in Bild 5.55), was ebenfalls nut unzureichende Genauigkeit liefert.

6

Numerische

Berechnung

verallgemeinerter

Energiebilanzintegrale 6.x

Verallgemeinerte Energiebilanzint egrale

Ausgehend von den Pionierarbeiten ESHELBYs [90, 91], der die thermodynamischen Kr~fte auf Defekte in FestkSrpern durch Einf'ti_hrung des Energie-Impuls-Tensors untersuchte, hat sich in den vergangenen 15 Jahren eine neue Theorie der verallgemeinerten >>materiellen<< oder auch ~Konfigurationskr~fte<< herausgebildet, siehe MAUGIN [166], KIENZLER, HERRMANN [135], [136] und GURTIN [105]. Im Rahmen dieser Theorie werden die Invarianzeigenschaften von mechanischen oder thermodynamischen Erhaltungss~tzen beziiglich einer Transformation des materiellen Gebietes erforscht, um generalisierte Kraftwirkungen von Feldern auf StSrungen im homogenen Material, d. h. Defekte verschiedener Formen (wie z.B. Risse), zu berechnen. Diese Arbeiten ffihren weit fiber das klassische J-Integral hinaus und erlauben sein physikalisches Verst~ndnis aus fibergeordneter Sicht. Die Gedankeng~nge soUen am Beispiel eines volumenhaften Defektes (inhomogener Einschluss, Hohlraum o. ~.) in einem isotropen elastischen K6rper vorgestellt werden, der ansonsten aus homogenem, defektfreiem Material besteht. Der KSrper ist einer bestimmten Belastung unterworfen und die LSsung der RWA sei bekannt. Betrachtet wird ein beliebiger Ausschnitt V des KSrpers, der den Defekt vollst~indig umschlie]~t, Bild 6.1.

Bild 6.1: Materielle Kraft auf einen Defekt Jetzt stellen wir die Frage nach der _~nderung der potenziellen Gesamtenergie des Systems, wenn der Defekt in eine infinitesimal benachbarte Lage verschoben wird. Diese virtuelle Verriickung des materiellen Defektes und seiner Umgebung V relativ zum physikalischen Raum der FeldlSsung wird durch eine Variation der Koordinaten (fXk -- (ilk des materiellen Bezugssystems beschrieben. (Dieser Vorgang darf nicht mit dem Prinzip der virtuellen Verschiebungen verwechselt werden, wo ja die Liisungsfunktion (iui variiert wird!) Die Energiedifferenz, die infolge der Verrfickung des Defektes dem ~uf~eren System entzogen und dem Volumen V zugeffihrt wird, kann man sich als Arbeit einer generalisierten Kraft Pk mit (ilk vorsteUen:

(i/I = / I (zk + (ilk) - / I (Xk) = --Pk (ilk.

(6.1)

254

6 Numerische Berechnung verallgemeinerter Energiebilanzintegrale

Fiir ihre Berechnung wird das folgende Gedankenexperiment durchgefiihrt: Zuerst schneiden wir das Gebiet V aus und lassen auf seinem Rand S die Schnittspannungen ti = crijnj angreifen, so dass keine Verformung durch Entlastung auftritt. Als zweites wird das Gebiet V' definiert, welches im undeformierten Zustand durch eine StarrkSrperverschiebung 6Xk -- --Slk aus V hervorgeht (Strichlinie in Bild 6.1), aber den Defekt in unveriinderter Lage enthiilt. Auch V' wird ausgeschnitten und durch entsprechende Schnittspannungen am Rand S' arretiert. Die Formiinderungsenergie von V ~ unterscheidet sich von derjenigen des Originalgebiets V durch die Addition bzw. Subtraktion der Energiebeitriige der grau gef'~rbten Bereiche (1) und (2). Bei der Verrfickung um --Slk entspricht das genau dem Randintegral von U(x) fiber S, wobei der Fliichenanteil durch Projektion mit dem Normalenvektor nk entsteht. 6Wint = wi.Yt - Wi~ V = --~lk / U(x)nk dS

(6.2)

s Im dritten Schritt versuchen wir, das verschobene Gebiet V' in den Ausschnitt S einzupassen, dessen Verformung ui(Xi + 6Xi) auf S' sich jedoch vom Originalausschnitt um den Betrag

6ui = -Oui - 6 -X k = ui,k(--61k) OXk

(6.3)

unterscheidet. Diese Verschiebungsdifferenz wird jetzt zuriick verformt, wobei die bestehenden Schnittspannungen ti die iiutgere Arbeit leisten (Ihre Ver~nderung 6ti infolge von 5Xk darf als Term hSherer Ordnung vernachliissigt werden.):

~)ext : - / Suiti dS : (~Ik/ Ui,k(Tijnj d~. S

(6.4)

S

Schlietglich kSnnen wir gedanklich das verschobene Gebiet V' entlang des Randes S mit dem GesamtkSrper zusammenfiigen, so dass der Defekt gegenfiber dem homogenen Material bzw. der elastostatischen FeldlSsung um 51k verriickt wurde. Die Differenz der potenziellen Gesamtenergie bei diesem Prozess berechnet sich aus (6.2) und (6.4) zu:

(6.5) s

s

6.1 Verallgemeinerte Energiebilanzintegrale

255

Bei Annahme hyperelastischen Materialverhaltens gilt cOU/Or = a,,,~ und der Tensor Qkj ist eine eindeutige Funktion der Verzerrungen e~j (bzw. ui,j). Falls das Material inhomogen ist, h~ingt U zus~itzlich explizit yon den Ortskoordinaten x ab. Untersucht man die Divergenz Qkj,j des Energie-Impuls-Tensors (6.6), wobei die Gleichgewichtsbedingungen aij,j = - b i vorausgesetzt werden, so ergibt die Kettenregel

OU Oe,,~ ~ Oxj

- 0~

~

Oai_____Au.

jk - oxj

Ou~,k

''k - ~'j 0%-7 + ~j~

O~x~ ex, (6.8)

= a,,,~em,~,j,fik + biu~,k -- aijui,kj + U,k I~xp Da sich der 1. und 3. Term aufheben, verbleibt ein Vektor Pk, der die >>materiellen Kraftquellen<( im Volumen repr~entiert:

Qkj,j = pk = biui,k + U,k lexp 9

(6.9)

256

6 Numerische Berechnung verallgemeinerter Energiebilanzintegrale

Bild 6.2: Integrationspfade um die Rissspitze und Wichtungsfunktion q

Bild 6.3: Linien-Fl~chen-Integral bei allgemeineren Belastungen

Das vorgestellte Energiebilanzintegral wird nun auf den Defekt >>Pdssspitze(( in der Ebene angewandt, die hierbei um 51k virtuell verriickt wird. Das betrachtete Gebiet V ziehen wir auf die Rissspitze r --~ 0 zusammen, womit aus S die in Bild 6.2 gezeigte Kreiskontur F~ wird. Die Anwendung von (6.7) ergibt:

Pk -- Jk ----limo / Qkjnj ds, F~

P1 -- J -- G.

(6.11)

Ein Vergleich des Pk-Integrals (6.11) mit dem J-Integral (3.1oo) l~sst erkennen, dass die xl-Komponente von Pk genau mit J identisch ist. Das verwundert nicht, denn (ill = da bezeichnet genau die selbst~i~nliche Rissausbreitung und ergibt die Energiefreisetzungsrate G. Analog beschreibt die J2-Komponente eine parallele Verriickung des Risses in x2-Richtung und J3 eine Translation in x3 (die selbstverst~ndlich beim ebenen Problem nichts ~ndert und verschwindet). Damit haben wir eine veraUgemeinerte vektorielle Form Jk des J-Integrals gefunden. Im Rahmen der LEBM (Kapitel 3.2) herrscht an der Rissspitze das K - F a k t o r kontrollierte Nahfeld. Die Integrale (6.11) kSnnen entlang infinitesimaler Kreiskonturen r -const mit den NahfeldlSsungen ausgewertet werden, Bild 6.2.

6.2 Erweiterung auf allgemeinere Belastungen

6.2

Erweiterung auf allgemeinere Belastungen

6.2.x

Voraussetzungen der Wegunabh~ingigkeit

257

Um die Wegunabh~i~gigkeit von Jk ffir ebene RJssprobleme zu diskutieren, konstruieren wir uns einen geschlossenen Integrationsweg C = F - F~ + F + + F - , der die Rissspitze umgeht und den homogenen, defektfreien Materialbereich A einschlie~t (Bild 6.2). Da im Gebiet A keine materiellen Kraftquellen (6.9) wirken, mfissen nach (6.1o) das Gebietsintegral fiber A und das Konturintegral fiber C null sein. Von dieser Identit/it bringen wir den Anteil entlang Fr auf die linke Seite:

Jk = limr--.0yfQkjnjds=fQkjn~ds+limr--.0 F~

F

f

0 lim Qkjnj ds - ~-~o

"~

(6"13)

F+ + F-

Hieraus erkennt man, dass die Berechnung des Jk-Integrals auf jedem beliebigen Weg F genau dann die gleichen Werte liefert, wenn der 2. Term fiber die Rissufer null w~re:

If

lim r--~0

j

F++F-

(Unk -- (:rijnj Ui,k) ds I" O.

(6.14)

t~

Hierffir muss als erstes gefordert werden, dass keine Randspannungen ti = ti auf den Rissufern F + und F - wirken:

t~ = o.

(6.15)

Unterstellt man gerade Rissflanken senkrecht zur x2-Achse, darm gilt nk = ~52~ auf F + und F - , womit sich der erste Term von (6.14) auf (V- - V+)52k reduziert. Mit (6.13) folgt:

Jk=

f F

r~olimJf (U--U+)52kds.

(6.16)

1"+

Demzufolge ist nur die Komponente k = 1 des Jk-Integralvektors unabh~ngig vom Integrationsweg F! Bei der Komponente k = 2 muss die Differenz der Form~inderungsenergiedichten auf den Rissufern berficksichtigt werden, die nur im Fall reiner Symmetrie oder Antimetrie (Modus I bzw. II) verschwindet. Erschwerend kommt hinzu, dass beim Grenzfibergang r --* 0 die Energiedichte U meistens singul/ir wird. Bei gekrfimmten Rissflanken ist in (6.14) der Term Unk ds immer vorhanden und erzeugt eine Wegabh~gigkeit.

6.2.2

Rissufer-, V o l u m e n - u n d thermische Lasten

Bei vielen praktischen Berechnungsaufgaben spielen Randlasten auf den Rissufern (z. B. Innendruck) oder Volumenlasten (z. B. Schwerkraft) eine nicht zu vernachl/issigende Rolle, Bild 6.3. Des Weiteren mSchte man die Leistungsffi~higkeit des Jk-Integrals auch gern

258

6 Numerische Berechnung verallgemeinerter Energiebilanzintegrale

zur Analyse von Rissen einsetzen, die durch inhomogene Temperaturfelder (z. B. Thermoschock) belastet sind. Augerdem w ~ e es ffir die Berechnung des Jk-Integrals anhand von FEM-L6sungen recht hilfreich, wenn die Integration entlang eines frei w~hlbaren Weges F in einem gr6geren Abstand v o n d e r Rissspitze ausgefiihrt werden kSnnte, weil dort die numerischen L6sungsfehler geringer sind. Aus diesen Grfinden soll nach notwendigen Erweiterungen des Jk-Integrals gesucht werden. Zu diesem Zweck wiederholen wir die Divergenzanalyse v o n Qkj des vorigen Abschnitts nach (6.13), lassen dabei aber alle gemachten Einschr~nkungen fallen. Ffir ein elastisches Material mit thermischen Dehnungen Qtj (siehe Anhang A.4.1 ) gilt gem~t~ (A.85) ffir ein gegebenes Temperaturfeld T(x): ~j(T(x)

(6.17)

) = oL~j(T(x) -- To) = o L ~ j A T ( x ) .

Das HOOKEsche Gesetz lautet ausgedrfickt mit den thermischen Spannungskoeffizienten

a i j = Cijkl (ekZ -- etkl) = C i j k l e k l -- ~ i j A T ( x )

(6.18)

.

Im isotropen Fall gilt (A.91) mit f~j ---- (3A § 2#)c~tS~j. Die elastische Form~nderungsenergie wird allein aus den elastischen Verzerrungen gebildet U ~ ( e ~) = -~QjCijkzekl ,

V ~ ( e ~) = #Q~Q~ + -~ (e~k) 2

(isotrop),

(6.19)

so dass O U e / O e ~ n = a~,~ ergibt. Die Divergenz des Energie-Impuls-Tensors berechnet sich mit der Kettenregel OQk~ _ OU ~ Oe~,~ 5 OXj OE~nn OXj 3k -- (Tij,jUi,k =

+

-

-

ffijUi,kj

(6.20)

-

Uber die Gleichgewichtsbedingungen a i j , j + bi = 0 kommen die Volumenkr~ifte ins Spiel. Um den 4. Term ~ (TijCij,k mit dem 1. Term kompensieren zu kSnnen, wird eine Nullerso dass mit g~izlzung mit den thermischen Verzerrungen eingeffihrt (em~ + et, ~ -- r (6.17) folgt: Qkj,j = --a,~,~E~,~,k + b~u~,k = - - a m n a mtn T , k + biui,k : Pk .

(6.2~)

Dieser >>Quellterm<< ist in das Fl~ichenintegral fiber A von (6.13) einzusetzen. Die vorgegebenen Belastungen ti der Rissufer mfissen zus~itzlich dutch das Integral (6.14) fiber F + + F - berficksichtigt werden.

6.2 Erweiterung auf allgemeinere Belastungen

259

Neben diesem Zugang yon NAKAMURA [249] und AOKI [10] (o$-Integral) wurde noch eine andere Version des erweiterten J-Integrals ffir Temperaturspannungen von WILSON ~5 YU [289] (g*) und ATLURI [15] (G*) hergeleitet, die yon einer anderen thermodynamischen Definition ~rte der inneren Energiedichte im thermoelastischen Fall ausgeht: ek!

(Ire(e, T) =

aij(e, T) deij = -~eijCijkzr

-- t3ijATeij

0 ~rt~(r T) ----#eijeij

(6.23) ~ 2 + -~Ekk --

(3A + 2/z)atATekk

(isotrop).

Ore entspricht einer Form~derungsarbeit (engl. stress work density), die keinen Potenzialcharakter mehr besitzt, was im Weiteren immer durch ein H/ikchen symbolisiert werden soll. Trotzdem liefert die Ableitung von (6.23) die Spannungen. Die Divergenz Qkj,j ergibt jetzt bei Beriicksichtigung beider Variablen ~ij und T:

Qkj,r = LOe,~,~ Oxj + OT Oxj] = --fl~je~3Tk + biui,k

(6.24)

Damit unterscheidet sich das Ergebnis gegen/iber (6.21) im 2. Term, so dass J~ke in Verbindung mit ~rt~ die Gestalt annimmt:

Physikalisch haben die Ausdrficke (6.22) und (6.25) identische Bedeutung und lassen sich natfirlich auch rechnerisch ineinander iiberfiihren. Weitere Varianten findet man bei ATLURI [15] ffir den Fall gradierter Werkstoffe, bei denen die thermoelastischen Konstanten ortsabh~gig sind. Ffir station/ire Temperaturfelder Tkk = O konnte GURTIN [104] das F1/ichenintegral wieder in ein Linienintegral mit Zusatztermen iiberfiihren. Die hier abgeleiteten Beziehungen (6.22) und (6.25) gelten auch ffir Temperaturfelder einer transienten W/irmeleitanalyse. Sie eignen sich fiir die numerische Berechnung

260

6 Numerische Berechnung verallgemeinerter Energiebilanzintegrale

deshalb recht gut, weil die Temperaturfelder T ( x ) in den Knoten vorliegen, so dass ihre Gradienten Tk in den Integrationspunkten mit gleicher Gfite wie die benStigten Verzerrungen c , , , bestimmt werden k6nnen. 6.3

Dreidimensionale

Versionen

Nach Abschnitt 6.1 gelten der Energie-Impuls-Tensor Q k j und die thermodynamische Kraft Pk uneingeschr~akt fiir virtuelle Verr/ickungen eines dreidimensionalen Defekts im Raum. Um den Defekt legen wir jetzt eine beliebig geformte, geschlossene Fl~iche S, die das Volumen V umgibt. Die Anwendung auf Rissprobleme kann geradlinig iibernommen werden, wenn der gesamte Riss oder die gesamte Rissfront als Defekt angesehen und als Ganzes verr/ickt werden. Meistens interessiert man sich aber f/ir die lokale Energiefreisetzungsrate G oder die K-Faktoren an jedem Punkt der Rissfront. Dann muss man eine virtuelle Verriickung eines einzelnen Punktes oder eines Rissfrontsegmentes vornehmen. Wir fiihren ein lokales Koordinatensystem x(s) ein, das entlang einer beliebig geformten Rissfront Lc im tLuum mitgefiihrt wird, wobei s die Bogenl~nge bedeutet, siehe Bild 6.4. Die Rissfl~che soll eben sein und in der (xl,x3)-Ebene liegen, so dass x2 immer senkrecht zur Pdssfl~che zeigt.

Bild 6.4: 3D-Scheibenintegral mit a) Geschlossener Oberfl~iche S, b) FNichenanteil A und Linienanteil F, c) Numerischer Integration

6.3.x

Das 3D-Scheibenintegral

Von Aoki u.a. [10] wurde das Volumen V um einen Punkt der Rissfront in Form einer Scheibe mit infinitesimaler Dicke b = Ax3 festgelegt, die beliebige Gestalt in der (xl, x2)-Ebene haben darf. Die dazugehSrige Oberfl~che S = A + + A - + bF setzt sich aus der vorderen und hinteren Stirnfl~che A +, A - sowie dem Auf~enrand bF zusammen, siehe Bild 6.4. Ausgewertet wird jetzt die xl-Komponente yon Jk, wobei inelastische Verzerrungen Q*j beliebiger Herkunft (thermisch oder plastisch) zugelassen sind, wegen

6.3 Dreidimensionale Versionen

261

der 0bersichtlichkeit aber Rissuferlasten weggelassen werden. Die r~iumliche Erweiterung von (6.13) ffir -/1 lautet somit:

b~OAa--,obAa

~J1 = ~im ~

QljnjdS-

Qlj,jdV

(6.26)

V

Qkj wird aus der rein elastischen Form~i~derungsenergiedichte ue($ e) mit r = r _ r nach (6.19) gebildet. Den Divergenzterm im Volumenintegral behandelt man genauso wie in (6.2o), so dass sich analog zu (6.21) Q l j , j = - - a m n e * n , 1 • biui,1 =

Pl

(6.27)

ergibt. Bei b --* 0 entartet das Volumenintegral zu f ( . ) d V --*

bf(.)dA. Beim Oberfl~

v

A

chenintegral fiber A + und A - zeigen die Normalvektoren nj in •

f

A++A-

[Ue~lj ffij~i,1]nj dA = -

-

/

ai3ui,1dA,

(6.28)

A+TA-

so dass der Term ue~13 ----0 entf~illt und im zweiten Term die Differenz zwischen A + und A - entsteht, die mit einer TAvLOR-Entwicklung bzgl. x3 in b(ai3ui,1),3 umgewandelt werden kann.

Die numerische Berechnung ffir 2o-Knoten Hexaederelemente ist in Bild 6.4 c skizziert. Vorteilhafferweise ordnet man die Elemente so entlang der Rissfront an, dass das Scheibenintegral genau mit einer Ebene von Integrationspunkten zusammenffillt. Ffir das Linienintegral fiber F mfissen die Werte von U e, ui,1 und aij zwischen benaehbarten Integrationspunkten (. Punkte) interpoliert werden. Beim Flgchenintegral fiber A benStigt man die Ableitungen e~nn,1, a~3,3 und ui,13 in den Integrationspunkten! In der FEM sind diese Ableitungen zweiter Ordnung bereits sehr ungenau und liegen meist nieht als Ergebnisse vor. Geeignete Berechnungsmethoden daffir werden in Abschnitt 4.4.4 angeboten.

262

6 Numerische Berechnung verallgemeinerter Energiebilanzintegrale

Wegen der betr~iehtlichen Ungenauigkeit, den geometrischen Anforderungen an das FENetz und der Notwendigkeit, Linien- und Fl~ichenintegrale durch die FE-Diskretisierung zu legen, hat sich das J-Integral nicht durchgesetzt, obwohl es theoretisch sehr plausibel und einfemh erscheint.

Bild 6.5: Beliebige dreidimensionale Risskonfiguration mit virtueller Rissfronterweiterung

6.3.2

Virtuelle Rissausbreitung 3D

Mit uk wird der Normaleneinheitsvektor senkrecht zur Rissfront an der Position s bezeichnet, der wie in Bild 6.5 daxgestellt in der Rissebene liegt. Jetzt nehmen wir in einem begrenzten Segment As der Rissfront eine virtuelle Verriickung Alk(s) in der Rissebene an, die genau die Normalenrichtung uk haben soll: Alk(s) = l ( s ) A a u k ,

Al(s) = IAlk(s)l = l ( s ) A a .

(6.30)

Im Hinblick auf die numerische Realisierung wird anstelle yon 51k ab jetzt die Bezeichnung Alk verwendet. In der Schnittebene (xl,x2) _l_ x3 kann man das zweidimensionale JkIntegral als Linien- oder Linien-Fl~chen-Integral entsprechend Bild 6.2 bzw. Bild 6.3 auswerten. In dem bier gewiihlten Koordinatensystem hat beim Riss nur die J1-Komponente Bedeutung fiir die Energiebilanz bei Risserweiterung: J(s) = Jl(s) = gk(s)uk(s)

r

(6.3~)

6.3 D r e i d i m e n s i o n a l e Versionen

263

Die Energiefreisetzung pro Sehnittebene betr~igt J(s)Al(s), so dass ffir die Gesamtbilanz - A H fiber das Rissfrontsegment As aufsummiert werden muss

--AII= f d(s)Al(s)ds = f dk(s)Alk(s)ds = :AA. As

(6.3=)

AS

Dabei bedeutet J einen integralen Wert fiir die gesamte virtuelle Verrfickung des Segmentes, bezogen auf die Flgche

AA = f Al(s)ds As

= Aa f / ( s ) ds

(6.33)

As

der Risserweiterung. Einsetzen von (6.31) in (6.32) ffihrt auf:

Aus der letzten Gleichung von (6-34) sieht man, dass sich die absolute GrSt~e Aa der Risserweiterung herauskfirztl Es soll betont werden, dass die Beziehung (6.34) fiir jede Art Energie-Impuls-Tensor Gfiltigkeit besitzt, wobei J daun die Bedeutung von

p AAi f

Pk(s)Alk(s) ds

(6.35)

As

annimmt. J wurde fiir den Grenzfibergang S~ --* 0 definiert, weil viele Energiebilanzintegrale nur so ihre physikalische Bedeutung besitzen. Die Frage der Wegunabh~ngigkeit stellt sich im Raum als Unabh~ngigkeit von einer beliebig gew~ihlten Fl~iche S, die um den gleichen Ausschnitt der Rissfront zu legen ist. Hier kSnnen die (Jberlegungen und Divergenzuntersuchungen vom zweidimensionalen Fall vollst~ndig fibernommen werden. So wie es Bild 6.6 zeigt, kann aus dem Rissschlauch S~, der frei gew~ihlten ~ugeren Fl~che S, den Rissfl~ichen S +, S - und den Stirnfl~ichen Sen d eine geschlossene Fl~che S = S + S + + S - + Sen d -- ~ gebildet werden, in derem Inneren ~" kein Defekt vorliegt. In Analogie zu (6.13) kSnnen wir jetzt mit dem GAvssschen Satz

264

6 Numerische Berechnung verallgemeinerter Energiebilanzintegrale

Bild 6.6: Integrationsgebiet fiir das dreidimensionale J-Integral folgende Umstellung der Integrale vornehmen: f

J A A = tim I r~o J

S~

f dS = I

dS

J

S

/ QkJnjAlkdS-limf S++S- +Send

(6.36)

+limr__,0

6.4

Numerische

Berechnung

als iiquivalentes Gebietsintegral

Zur numerisehen Berechnung der versehiedenen Energiebilanzintegrale sind in der Ebene ein Linienintegral oder sogar ein kombiniertes Linien-Flgehen-Integral zu bereehnen und im Raum Linien-, Fliiehen- und evtl. Volumenintegrale. Im Kontext der FEM erweist sich die geometrische und topologische Festlegung von Integralen niedrigerer Ordnung als die Dimension der RWA recht umstgndlich und ihre Berechnung ist aufwgndig. Reine Gebietsintegrale (2D oder 3D) fiber eine Gruppe von Elementen gehSren hingegen zu den Standardprozeduren in der FEM, woffir es einfache Algorithmen gibt (Absehnitt 4-4-3). Aus diesen Grfinden wird eine Methode vorgestellt, mit der jede Art yon Energiebilanzintegral in ein gquivalentes Gebietsintegral umgewandelt werden kann.

6.4.1

Umwandlung in ein [iquivalentes Gebietsintegral 2D

Zur Umwandlung in ein ~iquivalentes Gebietsintegral (engl. equivalent domain integral) EDI konstruieren wir wieder einen geschlossenen Integrationspfad C = / " + F + + F - -/'~ mit der Au]~ennormalen nj, siehe Bild 6.2. Entsprechend der Definition (6.13) von Jk diirfen wir schreiben:

Jk = -- / Qkjnj ds + limr--m / Qkjnj ds. c r+r++r-

(6.37)

6.4 Numerische Berechnung als ~iquivalentes Gebietsintegral

265

Jetzt wird eine Wichtungsfunktion q(x) eingeffihrt, die stetig und differenzierbar sein muss und die Bedingungen erfiillt q=

0 auf 1 auf

F Fr

'

(6.38)

wie es Bild 6.2 veranschaulicht. Nach Einsetzen in (6.37) entf~llt das Integral fiber F Jk = - d[ Q k j n j q d s c

+~_.olim /

Qkdndqds.

(6.39)

F+TF-

Durch Anwendung des GAussschen Integralsatzes erhffit man somit das 2D Jk-Integral als gewichtetes, reines Gebietsintegral fiber die yon F eingeschlossene Fls A plus unvermeidbare Rissuferintegrale (Zur Vereinfachung der Darstellung wird im Weiteren der Grenzfibergang lim r --* 0 nicht mehr mitgeschrieben.): Jk = - f (Qkjq)J d A = - f ( Q k d 6 q + Q k j q , j ) d A + A

A

/

Qkjnjqds.

(6.40)

1"+ + P -

0ber die Divergenz Qkj,j werden alle bisher diskutierten Zusatzterme wie Volumenkr~ifte bi, thermische und inelastische Verzerrungen am,~AT bzw. e*n oder explizite Ortsabhs gigkeit von U(x) beriicksichtigt: Qkj,j = Pk = biui,k -- amnC~mnT, k -- (rmnE~nn, k + U,klexp 9

(6.41)

Verschwindet Qkj,j = 0, so liegt eigentlich ein wegunabh~ingiges Linienintegral vor, und der zweite Integrand in (6.42) entfs Werden auch noch die Rissuferbelastungen vernachl~issigt, so gelangen wir zum einfachen Jk-Integral nach (6.16), womit sich (6.42) reduziert auf:

Jk=-f A

f F++F-

(Unk) qds.

(6.43)

266

6 Numerische Berechnung verallgemeinerter Energiebilanzintegrale

Bild 6.7: )i.quivalentes Gebietsintegral und Wichtungsfunktion q fiir ebene Rissprobleme Wie sollte die Wichtungsfunktion q(xl, x2) in der numerischen Umsetzung gew~ihlt werden? Mathematisch unterliegt sie den bei (6.38) genannten Bedingungen, ist aber ansonsten frei w ~ l b a r . Ffir q(xl, x2) wurden die verschiedensten Varianten ausprobiert, unter denen sich der folgende Ansatz am besten bew~hrt hat: Die Funktion q(xl, x2) wird anhand der FEM-Vernetzung gemfig Bild 6.7 in drei Bereiche unterteilt: Bereich h q(xl,x2) - 0 Bereich II: linearer Ubergang von q -- 1 nach q -- 0 Bereich III: q(xl, x2) - 1 -- const. Die Funktion q(xl, x2) wird im FEM-Modell durch Knotenpunktvariable q(a) dargestellt und mit den Formfunktionen der verwendeten Elemente interpoliert nK

q(xl, x2) ----E

Na(~l, ~2)q (a) 9

(6.44)

a=l

Bereich II besteht meist nur aus einem Elementring, ffir den nacheinander unterschiedliche Ringe um die Rissspitze festgelegt werden. Well in den Bereichen I und III cOq/cOxj -- 0 ist, liefert nur der Bereich II mit Oq/Oxj ~ const einen Beitrag zum 1. Gebietsintegral von (6.42). Dagegen tragen zum 2. Gebietsintegral, das nur bei bestimmten Verallgemeinerungen vorkommt, nur die Bereiche II und III mit q ~ 0 bei. Auch das Rissuferintegral erstreckt sich nur fiber II und III. Die Wichtungsfunktion q(xl, x2) besitzt aber auch eine geometrische Interpretation als virtuelle Verrfickung Al = Alkek der Rissspitzenumgebung A. Direkt an der Rissspitze bei F~ beschreibt q -- 1 die Verriickung um qAlk, die mit q --* 0 zur Kontur F hin auf null abf'dllt. Normalerweise erfolgt sie in Richtung des Risses (k -- 1), da J1 die Energiebilanz

6.4 Numerische Berechnung als ~iquivalentes Gebietsintegral

267

bei Rissansbreitung All = Aa beschreibt. Zur Ermittlung von J2 kann aber anch eine parallele Verriickung Al = Ale2 des Bereichs III angenommen werden.

6.4.2

Umwandlung in ein ~iquivalentes Gebietsintegral 3D

Die Transformation des J-Integrals (6.34) fiir dreidimensionale Pdsskonfigurationen in ein ~kluivalentes Gebietsintegral kann anf vSllig analoge Weise vollzogen werden. AnsteUe von C betrachten wir jetzt die geschlossene Hiillfl~iche S -- S + S + + S - - S~ § Send um das Segment As der Rissfront, siehe Bild 6.6, welche das Volumen V umgibt. Nun wird wieder eine stetige differenzierbare Wichtungsfunktion qk(w) eingefiihrt, die auf der Aus S und den Stirnfl~chen Sen d null wird, auf der >>Schlauchfl~che<< S~ hingegen der virtuellen Rissansbreitung Alk(s) entspricht:

qk =

0 auf S, Send Alk auf S~, Seend.

(6.45)

Im Unterschied zum 2D-Fall ist qk jetzt eine Vektorfunktion. Das 3D J-Integral stellt jedoch nur eine skalare GrSige, die Energierate bei Rissausbreitung, dar. Mit denselben Uberlegungen wie im 2D-Fall kann die eigentliche Definition (6.34) von J -- J(~) jetzt umgewandelt werden (lim r --* 0 wieder weggelassen):

lj

J(~) = - - ~

Qkjnj Alk d S = ~

S~

-- A A

l[f -

Qkjnjqk d S +

(Qkj,jqk + Qkjqk,j) d V +

]

S+S++S-

-

-

Qkjnjqk dS

j

s++s-

Qkjnjqk d S

]

(6.46)

Fiir das klassische J-Integral (Qkj,j = 0, ti = 0) vereinfacht sich die Beziehung zu:

J($) -

AA1 f (USkj - aijUi,k) qk,j d V . v

(6.48)

268

6 Numerische Berechnung verallgemeinerter Energiebilanzintegrale

Bild 6.8: Festlegung der Wichtungsfunktion qk entlang der Rissfrontelemente

M6gliche Varianten der virtuellen Verrfickung VCE eines Knotenpunktes der Rissfront sind in Bild 6.8 aufgezeigt. Bei 8-Knoten Hexaederelementen wird nur der Eckknoten um Aa verschoben und q(s) linear interpoliert, Bild 6.8 d. Bei 2o-Knoten Hexaederelementen kann entweder ein Seitenmittelknoten (Bild 6.8 a) oder ein Eckknoten (Bild 6.8 b) um Aa versetzt werden, jeweils mit quadratischer Interpolation q(s) der Rissfront. Variante b) sollte man wegen ihrer geringen Genauigkeit nicht verwenden, sondern besser die Variante c) bevorzugen, bei der die Seitenmittelknoten zu 5o % mit verschoben werden. Die VCE betrifft bei b), c) und d) immer zwei benachbarte Elementschichten. Bild 6.9 illustriert ffir die Variante d), wie die Ebenen der Seitenmittelknoten und Eckknoten versetzt werden. Dabei bezeichnen die Ringe gerade das Gebiet V zwischen Se und S aus Bild 6.6, in dem qk gemii~ (6.45) von Alk auf null abgesenkt wird. Diese r~umlichen Elementringe entsprechen dem Bereich II der VCE in der Ebene, vgl. Bild 6.7. In der Praxis verrfickt man sukszessive die Ringe 1, 2, 3 usw. von Elementen um die Rissfrontknoten (siehe Bild 6.9), so dass mehrere iiquivalente Gebietsintegrale ffir eine Position ~ der Rissfront berechnet werden.

6.4.3

Numerische Realisierung

Die numerische Berechnung von J fiber das EDI erfolgt als Postprozessor zur FEMAnalyse. Die numerische Integration eines beliebigen physikalischen Feldes f ( x ) fiber ein Gebiet V geschieht in der FEM durch Summation fiber alle zu V gehSrigen finiten Elemente V~. Die Integration wird elementweise mit Hilfe der GAcSSschen Integrationsformeln aus Abschnitt 4.4.3 ausgeffihrt, d.h. die Funktionswerte f(g)(~(g)) an ausgewfiahlten Integrationspunkten IP ~ g werden mit den Gewichten ~(g) multipliziert und summiert. J(g) bedeutet die JACOBIsche Matrix (4.71). mG

J=um = ~

~ e

f(a)~a j(a)

(6.49)

g=l

Im Fall des EDI besteht die zu integrierende Funktion nach (6.42) bzw. (6.47) aus Stfitzwerten der Art f(g)

=

Q(g) kjj q(g) k +

Q(g) q(g) kj k j "

(6.5o)

6.4 Numerische Berechnung als ~iquivalentes Gebietsintegral

269

Bild 6.9: Definition von q auf unterschiedlichen Positionen entlang der Rissfront Der Tensor ~ r)(g) k j ---- U(g)SkJ - a i(g) (g) lgsst sich relativ einfach berechnen, da die Spanj Ui,k nungen an den Integrationspunkten ausgegeben werden. Die F o r m ~ d e r u n g s a r b e i t U (g) wird meistens auch durch die FEM-Programme bereitgestellt, kann abet im elastischen Fall direkt aus ai(]) oder/und ~ij -(g) berechnet werden. Bei nichtlinearen Materialgesetzen ist das Integral U (g) = f Gij (g)" (g) fiber die Belastungsgeschichte auszuwerten, d.h. inG~ij T~ u~, (g) krementell zu addieren. Die Ableitung der Verschiebungen am It" k is"~ nach der in Abschnitt 4.4.4 dargestellten Weise zu voUziehen. Die gleiche Technik (4.78) wird ffir die Ableitung der Wichtungsfunktion qk,j -(a) angewandt: _Oqk _ __ O~l Oqk

Oqk _ j - 1 n~ ONa(~),~(a)

270

6 Numerische Berechnung verallgemeinerter Energiebilanzintegrale

Schliei~lich benStigt man ffir (6.50) noch die Divergenz Q(g)4 mit den in (6.4z) aufgezeigten Termen. Den Gradienten des (an den Knoten bekannten) Temperaturfeldes bestimmt man nach der o. g. Technik. Schwieriger ist die Ableitung inelastischer Verzerrungen ~Tn, :*(g) n~k, well diese nur an den IP in ausreichender Genauigkeit vorliegen. Hier muss die in Abschnitt 4.4-4 vorgestellte Interpolations-Differenziations-Methode eingesetzt werden.

6.5

Beriicksichtigung dynamischer Vorg~inge

Im Abschnitt 3-5.5 wurden bereits Energiebilanzintegrale ffir stationgre und instation ~ e Risse unter dynamischer Belastung vorgestellt. Ffir den Fall stationiirer Risse beschreibt (3.362) die xl-Komponente G(t) = J1 eines dynamischen J-Integralvektors J~, der virtuellen Verrfickungen Alk in allen drei Richtungen entspricht.

Zur besseren numerischen Berechnung ist es vorteilhafter, J~ gem~t~ Abschnitt 6.4 wieder in ein ~iquivalentes Gebietsintegral fiber die Fl~iche A umzuwandeln, was mit der Wichtungsfunktion q(x) (6.37) ergibt: (6.53) A

Genauso erh~lt man im 3D-FaU den lokalen J(~)-Wert an der Stelle $ der Rissfront bei Verwendung der virtuellen Verrfickung Alk ~- qk (6.43) als Volumenintegral fiber das schlanchfSrmige Gebiet V (Bilder 6.6, 6.9):

J*(~) = ~ / [ (aijui,k - USkj)qk,j + P ~i ui,k qk] d V .

(6.54)

V

Die dynamischen J-Integrale J~' (6-53) und (6.54) entsprechen der dynamischen Energiefreisetzungsrate G(t) ffir ruhende Risse. Ihre Verknfipfung mit den Spannungsintensit/itsfaktoren ist durch (3.355) gegeben. Zu diesem Ergebnis k~ne man auch, wenn im J~e-Integral aus Abschnitt 6.2.2 anstelle der Volumenkr/ifte -bi die vollst~dige Divergenz des Spannungstensors ans den Bewegungsgleichungen crij,j -- -bi H- P/~i eingesetzt wfirde. Die Quellterme pk = Qki,i des ESHELBY-Tensors in (6.21) brauchen also nur um den Tr/igheitsterm - p ui ui,k erweitert werden. Damit wfirden die Ausdrficke (6.22) und (6.34) das 2D bzw. 3D J-Integral ffir aUe erdenklichen thermischen, Rissufer-, Volumen- und Tr~gheitsbelastungen eines ruhenden Risses in einem thermoelastischen Material umfassen. In entsprechender Weise kSnnen die/~quivalenten Gebietsintegrale 2D (6.42) und 3D (6.47) auf die Kombination aller Belastungsarten verallgemeinert werden.

6.5 Berficksichtigung dynamischer Vorgi~lge

27x

Aufw~ldiger gestaltet sich das dynamische J~dyn -Integral nach (3.361) fiir den schnell laufenden instationtiren Riss (Index dyn): d~kYn=

f [(U+ P-it~]2 ] ~Skj-aijU~,k]njds + / F

(p~iui,k- piti it,,k)dA.

(6.55)

A

Der Zusammenhang zwischen den J~dyn -Komponenten und den K-Faktoren wurde im dynalnisch instation~iren Fall von NISHIOKA& ATLURI [188] fiir ihr J~-Integral (= J~dyn ) entwiekelt:

dldYn=Gdyn--+[AI(&)K2+AII(iZ)K2I+AIII(&)K2III J2dY n -

AIv(a)KIKI I

(6.56)

#

Die Funktionen

AM (M = I, II, III) wurden bereits in (3.363) angegeben, hinzu kommt:

Aiv(a) = (ad--as)(1--as2)b(d) [ 2+as+ad 2[D(&)]2 [ X/(I- -~-~ss)-~ T O~d) mit

D(h) = 4adas + (1+ a~) 2 und

4(1+_~s2)] D(/z) J

(6.57)

D(&) nach (3.328).

Mit (6.56) stehen zwei Gleichungen zur Bestimmung von KI und KII im ebenen MixedMode-Fall zur Verfiigung. Sie sind das Pendant zur Statik (6.12). Die Erweiterung des dynamischen J~dyn -Integrals auf die dritte Dimension und seine Umwandlung in ~iquivalente Gebietsintegrale ist in bekannter Weise mSglich und ergibt:

Die numerische Umsetzung dieser gebietsunabhgngigen Integrale als FEM-Postprozessor erfolgt na~h Abschnitt 4.5.3, wobei die Techniken sinngem~Lt~auf die Geschwindigkeiten /ti und Besehleunigungen /ii zu erweitern sind. Ein v611ig neuer Aspekt ist jedoch die Simulation der Rissausbreitung im FEM-Netz. Versehiedene Techniken daffir werden in Kapitel 8 vorgestellt. Man kann das Integrationsgebiet fiir "k 7dYn entweder so grog wiitllen, dass es die Rissspitze in allen Phasen der Rissausbreitung umschliet~t, oder aber mit der laufenden Rissspitze mitbewegen. Aufgrund der Weg- bzw. Gebietsunabhgngigkeit fiihren beide MSgliehkeiten zum gleichen Ergebnis.

272

6 Numerische Berechnung verallgemeinerter Energiebilanzintegrale

6.6

Erweiterung auf inhomogene Strukturen

H~ufig befinden sich Risse in KSrpern bzw. Werkstoffen, die aus unterschiedlichen Materialien zusammengesetzt sind (VerbundkSrper, Fiigeverbindungen, Composite u.a.). Zuerst soll der Fall betrachtet werden, dass jeder Materialbereich unterschiedliche, aber fiir sich konstante mechanische Eigenschaften besitzt und die Rissspitze in einem dieser Materialbereiche endet. Bild 6.1o veranschaulicht die Situation exemplarisch fiir zwei Materialbereiche (a) und (/~), zwischen denen sich eine Grenzfl~iche (engl. interface) I ~ befindet. Solange der Integrationsweg F ffir ein J-Integral im homogenen Bereich des Materials (a) bleibt, diirfen die bisherigen Gleichungen angewandt werden. Sobald aber F bzw. das ~iquivalente Gebiet V Teile der Grenzfl~iche I ~ umfassen, miissen Zusatzterme erg~nzt werden, um die Wegunabh~ingigkeit von J sicherzusteUen.

Bild 6.xo: Integrationsbereich fiir einen Riss in einer heterogenen Struktur Nghert man sich der Grenzfl/~che von beiden Seiten, so sind die Verschiebungen stetig und die Schnittspannungen miissen entgegengesetzt gleich grog sein u(~)__u~/~) i

(~) + t~/~)= ~a~j { (~) - a ~ ] ))-(~) = 0 auf I,Z

(6.60)

Zerlegt man jetzt gem~i$ Bild 6.zo den Integrationsweg /7 = F~ + F~ in zwei Teilpfade, die sich jeweils auf ihren Materialbereich beschr~nken, so wird die Grenzfl~che mit entgegengesetztem Richtungssinn n (~) = - n (~) durchlaufen. Daraus folgt

I~

I~

wobei die Doppelklammern [ f ~ = f ( ~ ) - f(~) den Sprung einer Variablen f an der Grenzfl~che I ~ bezeichnen. Dieser Ausdruck kann auch als thermodynamische Kraft bei der

6.7 Behandlung yon Mixed-Mode-Rissproblemen

273

virtueUen Verriickung 5Xk der Grenzfiiiche interpretiert werden. Ihr Betrag muss vom Gesamtwert des Jk-Integrals fiber F abgezogen werden, um ausschlieglich die Kraftwirkung auf die Rissspitze zu erhalten:

Als zweiten Fall untersuchen wir den Riss in einem Materialbereich, dessert Eigenschaften jedoch eine stetige Funktion der (materiellen) Koordinaten sein sollen. Derartige Ver/inderungen sind typisch ffir so genannte Gradientenwerkstoffe. Sie ergeben sich aber auch dann, wenn die mechanischen Werkstoffparameter (E-Modul, Flieggrenze CrF, thermischer Ausdehnungskoeffizient at) indirekt, z.B. fiber ein inhomogenes Temperaturfeld T(~), vom Ort abh~ngig sind. In diesen F~llen h~ngt der Tensor Qkj auch explizit von der Koordinate x ab. Das betrifft speziell die Form~nderungsarbeit U, deren thermoelastische Variante (6.23) eingehender betrachtet werden soll:

1 Ute(e, T, =) = -~eijCijm~,(x)em~ - flij (=)A Teij

1 OC~jm,~ P k - O(]te Oxk ~xp =2eiJ Oxk e,,n

k00~AT~ij.

(6.63)

Physikalisch bedeutet dies, dass zur virtuellen Verrfickung eines Gradientenwerkstoffs eine >>Konfigurationskraft<< benStigt wird. Diese Beziehungen ffir die explizite Ortsableitung sind in (6.62) einzusetzen.

Bemerkenswert ist, dass im wichtigen Spezialfall (k -- 1) Pl - 0 wird, wenn sich die Materialeigenschaften bzgl. der Rissrichtung xl nicht ver~indern. Das bedeutet, Werkstoffgradienten senkrecht zum Riss und Grenzfi/ichen parallel zum Riss (da~n ist I ~ -- 0) haben keinen Einfluss auf die Energiebila~z (J1 -- G (LEBM) bzw. J1 -- J (EPBM))!

6.7

Behandlung yon Mixed-Mode-Rissproblemen

6.7.1

Aufspaltung in RissSffnungsarten I und I I

Wir gehen vom reinen J-Linienintegral ffir hyperelastisches Material nach (6.16) aus. Wie bereits in Kapitel 5 erliiutert, wird zur numerischen Integration der Integrationspfad F

274

6 Numerische Berechnung verallgemeinerter Energiebilanzintegrale

in N einzelne Segmente zerlegt: N

r

= ~ r,.

(6.64)

i=l Zur besseren 0bersicht beschr~nken wir uns auf den ESZ. Die xl-Komponente des JIntegrals kann dann wiefolgt in kartesischen Komponenten geschrieben werden:

J1 ~- J = E

Unl - a~;n;~x 1

ds

i=l F~

=

2 [Gll G22 0"12] / 822 / '/7'1 -- [Gll G22 G12]

L2~]2j

T/'2

Lou2/Oxlj

Ln2 n]

(6.6s) wobei die Spannungen aij und Verzerrungen ~ij in Spaltenmatrizen eingeordnet sind. Fiir die Behandlung yon Mixed-Mode-Problemen wurde y o n ISHIKAWA, K ITA G A WA OKAMURA [129] vorgeschlagen, das J-Integral in einen Modus-I- und einen Modus-IIAnteil zu zerlegen. Fiir eine beliebige gemischte Belastung ist es mSglich, die Spannungs-, Verzerrungs-, Verschiebungs- und Schnittspannungsfelder in reine Modus-I- und ModusII-Komponenten aufzuspalten, vorausgesetzt es liegt eine symmetrische FEM-Vernetzung in der Umgebung der Rissspitze vor. Dann betrachtet man zwei spiegelsymmetrisch zur Risslinie angeordnete Punkte P(xl, x2) und P'(xl, - x 2 ) , siehe Bild 6.11. Wenn der Punkt P(Xl, x2) die FeldgrSgen aij, ~j, uj und tj besitzt und am Punkt P ' ( x l , - x 2 ) die Feldi , uj~ und tj~ vorliegen, so kann eine Aufteilung in symmetrische und ang r S i ~ e n aiji , Eij tisymmetrische Anteile vorgenommen werden, wobei die charakteristischen Symmetrien und Antimetrien der einzelnen GrSgen in beiden Moden beriicksichtigt werden:

~u = ~ + d; ~

/4d

1

/~ + ~ /

Ld~J = ~ / ~L~l~ + ~ <~J /

r411 1 [ ~ + ~ 1

r41

/4~/=

/ ~ + 4~/

Ld~J ~ L ~ - ~ J It i ~

tj =

II ~- U i

tjI -l- tjII

~11

1

Ld~J = ~ Lal~- ~ J ' -

I ~ti

/4U

L~J --

1[ 1+<1

~ ~ - ~J'

/4'2/=

/ ~ - 4~/ Ld~J ~ LE~2+ Ei2J F~I1 1[~1-<1 L~IJ -- ~ ~ + u~j

1

[tti] =

~ t2--t~J t

(6.66)

(6.67)

(6.6s)

1

LtIIJ =

2 Lt2-l-t~]

(6.69)

6,7 Behandlung yon Mixed-Mode-Pdssproblemen

275

Bild 6.1z: Zerlegung des J-Integrals bei Mixed-Mode-Belastung auf einem symmetrischen Integrationspfad Einsetzen der obigen Beziehungen in (6.65) ergibt:

J----

~/{1 9=

rgI11 [01 ~ roui/ox11 [aI1 aI2 0"]2] /gI2 / nl -- [o'I1 cI2 aI2] n2 LOu~/Oxij L2e~2j

.

Ln2

1

~-2 [O'I1 0"I2 O'I2] F41 / gII / nl -- [OIll 0"I2 0"I2] L2E~J

+5 [d~ ~_~1 [0.]] J

r~'~l I o-~

II o-]~] r4~11 / ~ii /

G22

"

a]~2]

L2~]2j

nl

[ol o] ro~,ii/,gXll

n2 Ln2 nl

LOu~i/Oxlj

Io ~ [01n~O]ro~I'/oz11} n2

Ln2 nl

,~ - [d_ I

L24~J

= JI ~- JI,II -t- JII,I -t- JII

II gII] o-~2

Ln~. nl

LOu~i/oxl]

(6.70)

Da der Integrationspfad symmetrisch beziiglich des Risses (xl-Achse) gew~ihlt wurde, stehen die Komponenten des Normaleneinheitsvektors (nl, n2) an den Punkten P(Xl, x2) und P ' ( X l , - x 2 ) in folgender Relation zueinander (siehe Bild 6.11):

(6.71)

(nl,nD=(nl,-n2).

Mit Hilfe dieses Zusammenhanges und der CAUCHY-Formel kSnnen die Schnittspannungen von (6.69) am Punkt P'(xl,-x2) aus denjenigen bei P(xl, x2) errechnet werden:

Lt~J = L-t2J

Ft~"l F-t~q Lt~IIj

L tII J "

ds

276

6 Numerische Berechnung verallgemeinerter Energiebilanzintegrale

Die anderen Feldgr5t~en bei P und P ' sind auf iilanliche Weise miteinander verkniipft:

[

41 ~]gJ

[4-11

r o-~ 1

t.-o-l=j /

I-, 1

/ ,

eilJ L-Q2J [,4'1 r,~i 1 u~U = L-@'

ro-~.~l L4Ij ~i~l 4~I = 4_~J

[

nl

r-d~l L o.1i j F-4~I 1-41, L4 J

(6.73)

r-uli1

u~iU = t~ii j .

Unter Verwendung der Gleichungen (6.71), (6.72), (6.73) und (6.70) ergibt sich ffir die einzelnen vier Terme des J-Integrals: J{ = J I,

J!II,I = - J I i , i ,

J!i,ii = - J I , i i

trod

J{I = JII 9

(6.74)

Damit heben sieh fiber den gesamten Integrationsweg der 2. und 3. Term auf und (6.7o) vereinfacht sieh zu: J -- JI + JII.

(6.75)

Mit Hilfe der abgeleiteten Beziehungen ka~n das Integral somit in zwei separate Energiebeitrgge eines reinen Modus I und eines reinen Modus II entkoppelt werden. Aus diesen Energiefreisetzungsraten GI -- JI und GII -- JII kSnnen dann mittels (3.93) die beiden Spannungsintensitgtsfaktoren KI und KII separat berechnet werden: K I = Ev/-E-~I,

KII = V~Jii

.

(6.76)

Diese Zerlegung in symmetrische und antimetrische Anteile lgsst sich im FEM-PostProzess relativ einfach bewerkstelligen. Voranssetzung ist allerdings, dass von Anfang an ein symmetrisches Netz um die Pdssspitze generiert wird, was bei allgemeinen MixedMode-Situationen oft nicht m5glich ist.

6.7.2

Interaction-Integral-Technik

Ein Nachteil der Energiebilanzintegrale vom J - T y p ist, dass damit im Fall gemischter Rissbelastung die Spannungsintensitgtsfaktoren nicht getrennt berechnet werden kSnnen, sondern nur gemeinsam in der berechneten Energiefreisetzungsrate J1 -- G enthalten sind. Zwar kSnnte man ffir elastische Probleme gemgg (6.16) auch die x2-Komponente von Jk berechnen und hgtte mit (6.12) zwei Gleichungen zur Bestimmung von KI und KII (J3 ---KIII = 0). Praktisch ffihrt dieser L5sungsweg jedoch aufgrund der r-l-Singularitgt von U und des Sprungterms (U + - U - ) bei den Rissuferintegralen zu grot~en Ungenauigkeiten und ist somit nicht nutzbar. Um diese Einschrgnkungen zu fiberwinden, wurde das so genannte Wechselwirkungsintegral (engl. interaction integral) entwickelt, das auf STERN U.a. [261] sowie YAU u. a.

6.7 Behandlung yon Mixed-Mode-Pdssproblemen

277

[295] fiir zweidimensionale statische elastische Probleme zuriick geht. Die I n t e r a c t i o n Integral-Technik beruht auf der Superposition von zwei Lastf~illen, wobei mit Hilfe des BETTI-Theorems die Reziprozit~t der Wechselwirkungsenergie beider Zust~nde benutzt wird. Lastfall (1) repr~isentiert die tats~chliche Belastung der Risskonfiguration, wohingegen eine (beliebige) L5sung mit bekannten Spannungsintensit~tsfaktoren als Lastfall (2) angenommen wird. Zur Erl~uterung des Verfahrens betrachten wir vorerst ein ebenes Rissproblem. Bei der Superposition beider Lastfiille addieren sich alle FeldgrSgen:

Ui ----U~I)~ - U~2) ,

O'ij----O'~1) ~- (T~2) ,

Cij----E~3"l') ~- E~2)

USW.

(6.77)

Damit ergibt sich der Energie-Impuls-Tensor (6.6) zu: z

__ !s

s

!s

s

/,k

1s

s

!s

s

-- 2 pq pqm,~ .m + 2 pq Pq'~'~ '~'~ + 2 pq Pq'~'~ "~'~+ 2 pq pqm~ mn (6.78)

(1) (1)

(2) (2)

(1) (2)

(2) (1)

- - 6rij U i , k - - (Tij U i , k - - ~rij ~ti, k - - ~rij U i , k

f}(1)

~(2) + Q(1,2)

---- ~ k j + ~ k j

wobei in ~(0 ~kj die Betr~ige des jeweiligen Lastfalls l = (1,2} zusammengefasst sind und Q(1,2) die verbleibenden Wechselwirkungsterme enth~lt. Der 3. und 4. Term der zweiten kj Zeile sind nach dem BETTIschen Satz identisch und ergeben s p q

Q(1,2) :O.(m2)ns kj

(1) (2)

(2) (1)

pqmn

s ran

~

6 r (2) mns

(1) 9 (6.79)

- aij ui, k - aij ui, k

Das J-Integral (6.11) spaltet sich somit in drei Teile auf: Jk

=

l i m o / Q ( l j ) n j d s + l i m / ~ ' ( 2 ) d s('~kj + nj r---*O p~ p~

Falls Rissuferlasten, Volumenkrs log zu (6.22) in ein wegunabhs

lim / ~'~kj "-'(1'2)n j a~s .

r---*O

(6.80)

p~

und Tr~gheitskr~fte existieren, wird das Integral anaIntegral fiber eine beliebige Kontur F und die

278

6 NumerischeBerechnungverallgemeinerterEnergiebilanzintegrale

eingeschlossene Fl~che A umgeformt, wobei

nur

j~l,2) interessiert:

j~i,2) = / [a(2)e (1) 6l j - aiY(1)Ui,l(2)+ffij(2)Ui,I] (i)] njds [mn mn 1" -0) (2) + / ~i Ui,l

-F++F-

(6.82)

(p~i,- b~l)) zt(2)i,1dA.

A

Es ist ffir die numerische Auswertung von Vorteil, dieses Integral gemgg Abschnitt 6.4.1 wieder in ein EDI umzuwandeln:

j~l,2)

=

/{[(_0.(2)~(1)~51 j _-*-~(1)(2)_ (2)(1)l l\ .... / U~,l -*-~ Ui,l]

qd dA

A

+ / [(fl~i~l)_ ~1)) ~t~:)l]qdA + A

(6.83)

/

(-t(1)u(2)~ i ~,1,1 q d s .

F++F-

Die Energiefreisetzungsrate G i s t gleich dem Jl-Integral (6.80) und steht nach (3.92) mit den Spannungsintensit~itsfaktoren fiir den zusammengesetzten Lastfall KN = K(N1) "+ K(~ ) (N ----{I, II}) in folgender Beziehung:

G=~71 [(K}l))2 + (K}I))21 +~E~1 [(K}2)) 2 + (K}I)] ) 2 + ~1[ [/((1)/~(2)i i +/~(1)/~(2)]ii iij d 1)

d 2)

1 [~(1) g.(2) • ~(1)~(2)] ==. j~l,2)= G~l,2)_ E' [='I ::I " ='II ='II]

a d'2) (6"84)

Ulli aus dieser Beziehung die zwei gesuchten GrSgen K~ x) und K~i) berechnen zu kSnnen, benStigt man zwei bekannte Hilfslastfiille, die mit (2a) und (2b) bezeichnet werden sollen. Die beiden Interaction-Integrale j~l,2~) und j~l,2b) liefern ein lineares Gleichungssystem mit der Aufl6sung:

Ahnlich wie bei den Gewichtsfunktionen (Abschnitt 3.2.1o) w~ihlt man geschickterweise tn'(2~) = 0) und umgekehrt fiir Fall (2b) nur ftir Lastfall (28) einen reinen Modus I k~II

6.8 Berechnung der T-Spannungen

279

Modus II (K~2b) = 0), womit sich (6.85) vereinfacht zu: g~l)

E' j(1,2a) -- K~ 2a) '

E' j(1,2b) K~I)-- ~'IIk"(2b) "

(6.86)

Die Hilfslastf~ille (2a) und (2b) sind frei w~hlbar, solange sie vollwertige LSsungen eiIler RWA dieser Risskonfiguration darstellen (Gleichgewicht, Kompatibilitiit, identisches Materialgesetz). So dfirfen auch bei allgemeinen Belastungen (1) einfache statische LSsungen ohne Rissuferlasten verwendet werden. Fiir geradlinige Risse ist es sogar mSglich, dem ganzen KSrper die elastischen Rissspitzenfelder nach (3.12) und (3.23) mit vorgegebenen KI- und Kii-Faktoren aufzupriigen. Da sie in geschlossener Form vorliegen, wird die Berechnung der Interaction-Integrale hiermit besonders einfach und effizient, weshalb man diesen L5sungsweg bevorzugen sollte. Achtung bei anisotropen Materialien! Die Rissorientierung zu den Materialachsen muss im Fall (2) gleich derjenigen des untersuchten Lastfalls (1) sein. Bei der numerischen Implementierung des Interaction-Integrals als ~quivalentes Gebietsintegral nach (6.83) ist wie folgt vorzugehen: Wenn man fiber einen EDI-Postprozessor fiir das gewShnliche 2D J-Integral der betrachteten Problemklasse gem~i~ (6.42) verffigt (was vorausgesetzt wird), so bleibt der Integrationsalgorithmus unver~indert. Lediglich in den Integranden von (6.42) sind die Eigenencrgieterme aus (6.83) zwischen der numerischen L5sung des Lastfalls (1) und der analytischen L5sung der Hilfslastfdlle (2a, 2b) zu ersetzen. Die benStigten Spannungen cr(2) und Verschiebungsableitungen u~2) berechnet man leicht an den IP des FEM-Netzes, wo auch die numerischen Resultate (1) vorliegen und bindet sie somit in die vorhandene numerische Integrationsroutine ein. Geschickte Programmierer werten j~l,2) gleich ffir beide Hilfslastf~lle (2a) und (25) in einem Rechenlauf aus.

6.8

Berechnung

der T-Spannungen

Die Reihenentwicklung der 2D-linear-elastischen LSsung an einer Rissspitze enth~ilt nach dem ersten singuliiren Glied der K-Faktoren als zweiten Term eine konstante, in Riss1s wirkende Normalspannung all -- Tll, siehe Abschnitt 3.2.2. Die Tll-Spannungen beeinflussen die Mehrachsigkeit des Spannungszustandes am Riss, was in der EPBM Auswirkungen auf den kritischen Rissinitiierungswert und den Anstieg der Risswiderstandskurve hat (siehe Abschnitt 3.3.6). Andererseits ist die Tll-Spannung ffir die Richtungsstabilit~it bei Ermiidungsrissausbreitung verantwortlich (Abschnitt 3.4.5). Es sind daher effiziente Methoden gesucht, um Tll fiir beliebige ebene Risskonfigurationen als Funktion der Geometrie, Rissl~nge und Belastung zu berechnen. Die T11-Spannung

280

6 Numerische Berechnung verallgemeinerter Energiebilanzintegrale

steigt ebenso wie der Spannungsintensit~tsfaktor KI = anv/~dg(a, w) proportional mit der BelastungshShe einer Nennspannung a,~. Da Tn eine reine GeometriekenngrSge darstellt, wurde ein normierter, dimensionsloser Biaxialparameter (engl. stress biaxiality ratio) t3 eingefiihrt: f~W.

Tllv .

. KI

.

Tll a,~

(6.87)

Aus der LSsung der linear elastischen RWA gewinnt man die T11-Spannung entweder durch Auswertung der Spannungsverteilung im Ligament (0 = 0) vor der Rissspitze

(6.88) oder fiber den Koeffizienten a2 des zweiten P~eihengliedes nach (3.46) Tll = 4a2.

(6.89)

Die Anwendung dieser Beziehungen erfordert eine feine FEM-Diskretisierung an der Rissspitze, die etwa mit der Netzqualit~t ffir die K-Faktor-Bestimmung vergleichbar ist und wegen der Extrapolation oder Mittelung eine gewisse Unsch~rfe besitzt [157]. Werden im numerischen Verfahren die hSheren Eigenfunktionen im Ansatz beriicksichtigt wie in [158], bei der Randkollokationsmethode [94] oder bei hybriden Rissspitzenelementen (Abschnitt 5.3), so erh~ilt man Tll direkt ans dem Koeffizienten a2 der LSsung. Eine weitere MSglichkeit ist die Superposition mit einer horizontalen Einzelkraft an der Rissspitze, deren energetische Wechselwirkung mit Tll nach ESHELBY genutzt wird [134, 179]. Eine besonders elegante und effektive Berechnungsmethode beruht auf einem wegunabhgngigen Integral I t , das von CHEN [62] entwickelt wurde und mit dem J-Integral verwandt ist. Das Integral basiert auf dem Reziprozitiitssatz von BETTI und verknfipft die Spannungen c~1), a~2) und Versehiebungsfelder u~1), u~2) zweier Lastf~ille (1) und (2) derselben linear-elastischen Risskonfiguration miteinander [ (1) (2) (2) (1)~ kaij u i - a i j u i ) n j d s .

It=

(6.90)

F

Beide Lastf~lle mfissen die Gleichgewichtsbedingungen erfiillen. Wir nehmen als Lastfall (1) wieder das zu untersuchende reale Rissproblem an. Der Lastfall (2) ist ein Hilfszustand, der speziell zur Ermittlung von Tll ausgew~hlt wird. Unter der Voranssetzung unbelasteter Rissufer kann wieder die Wegunabhs von IF gezeigt werden. Dies ermSglicht die Auswertung der FEM-Ergebnisse auf Integrationswegen, die man aus der numerisch problematischen und ungenaueren Pdssspitzenumgebung w~hlen kann. Im Gegensatz zur Extrapolationsmethode geht das gesamte Spannungs- und Verschiebungsfeld in die Berechnung von Tll ein. CHEN [62] hat bewiesen, dass mit Hilfe von I r alle unbekannten Koeffizienten A,~ der WILLIAMS-Eigenfunktionen ermittelt werden kSnnen. Hierffir setzt man die LSsungen beider Lastzust~nde als Reihenentwicklung gem~i~ (3.41)

6.8 Berechnung der T-Spannungen

281

und (3.43) mit den komplexen Koeffizienten A,~ und C,~ an: Lastfall (1):

0-~1) = A..,V~A,r"/2-15 ("),j( 0 ) ,

U~1) ----

n=l

Lastfall (2):

0-}2) _-- Z

A,r"/2~")(O)

(6.91)

n=l

fT~m/2-17~(m)(A~vm, vii ,~,,

U~2)

m=l

----

Cmrm/2u~m)(o) 9 (6.92)

m=l

Die Eigenfunktionen besitzen die Eigenschaft der Orthogonalit~t in Bezug anf das I t Integral, d.h. es gilt:

It(n) =

{ O ~r(a+ 1)(-1)'~+ln~(A,~C,~) #

fiir

n+m = 0

fiir n + m

(6.93)

r 0

Damit ist es mSglich, aus der numerischen LSsung von Lastfall (1) die gewiinschten Anteile der n-ten Eigenfunktion herauszufiltern, indem man als Hilfszustand (2) genan die (m = - n ) t e Eigenfunktion wfihlt. Beschrfiaakt man sich auf Modus-I Belastungen, so sind beide Koeffizienten A,~ ----a,~ und C,~ -- am reell, vgl. (3.41). Setzt man Cm -- 1, so liefert (6-93) den gesuchten Koefllzienten

An--

#

1

+ 1 ~rn(-1) '~+l I t ( n ) 9

(6.94)

Zur Bestimmung der T11-Spannung wird der Koeffizient des (n -- 2)ten Terms A2 -- a2 gesucht, weshalb als Hilfszustand (2) die (m -- - 2 ) r e Eigenfunktion anzusetzen ist. Die dazugehSrenden FeldgrSgen berechnen sich aus (3.41) und (3.43) zu: 9. ~ (cos 20 + cos40)

0-[1 -- a ~ n=-2) -,

0-22 -- a22 ,

(m=-2)

O"12 ---~O"12 .

--

cos 20 - cos 40)

_

2

r2 s i n 4 0

u l = u~ " ~ = - 2 ) = - -

1

2#r

.

(6.95)

(~ cos 0 + cos 30)

1

u s -- u~m=-2) = - - ( - a s i n 0 2#r

+ sin 30)

Aus (6.94) folgt dann die Beziehung zwischen Tll und d e m / r - I n t e g r a l : Tll = 4A2 - ~r(a2# + 1~ Ir(n

=

2) =

~E 'I r ( n = 2).

(6.96)

Somit ergibt sich die folgende Vorgehensweise: Man berechnet das interessierende Rissproblem mit der FEM Ms Lastfall (1) und erh~lt die LSsungen a zFEM UFEM. Im Postprozess 3

282

6 Numerische Berechnung verallgemeinerter Energiebilanzintegrale

werden ein oder mehrere Integrationswege F festgelegt. Mit (6.95) wird der Hilfszustand (2) auf F berechnet und dann das wegunabh~ngige/r-Integral numerisch ausgewertet:

IF(n ----2) ----f l~aijFEM ui9 _

a,juFEM) nj

ds

(6.97)

F

Schlief~lich liefert (6.96) die gesuchte Tn-Spannung bzw. bei bekanntem Ki-Faktor fiber (6.87) den Biaxialparameter ~. Falls der Nutzer zur Berechnung des J-Integrals ohnehin die gfi_nstigere EDI-Technik implementiert hat, kann das Linienintegral (6.97) ffir I r in gleicher Weise wie in Abschnitt 6.4.1 in ein gquivalentes Gebietsintegral umgeformt werden (aij,j" F E M = aij,j* -- 0) [60]. I F ( n = 2) = /

[~a~j FEM u~9 _ (7*~jU FEM~ ~ ]

q,idA .

(6.98)

A

Angemerkt werden soll, dass mit dem/F-Integral ebenso der Intensit~tsfaktor KI -v~-~A1 der (n = 1)ten Eigenfunktion bestimmt werden kann, wenn man als Hilfszustand (2) die entsprechende orthogonale Eigenfunktion m = - n = - 1 verwendet [202].

6. 9

Beispiele

6.9.1

Innenriss

unter Rissuferbelastung

Als Beispiel ffir das J-Integral bei Belastung der Rissufer wird der zentrale Riss in einer Scheibe b -- 0,1 m unter konstantem Innendruck a0 -- 100 MPa analysiert, Bild 6.12. Ffir das markiertc Viertel der Geometric wurde das recht grobe FEM-Netz yon Bild 6.13 unter Berficksichtigung der Symmetrien verwendet. Es besteht aus 8-Knoten Viereckelementen, die um die Rissspitze zu dreieckigen Viertelpunktelementen kollabiert wurden. Schraffiert gezeichnet sind die zur Berechnung des ~quivalenten Gebietsintegrals (6.42) benutzten Elementringe um die Rissspitze. Zur Bestimmung yon ,/1 ~ G muss neben dem Fl~chenintegral fiber die Elementringe A (1. Zeile yon (6.42)) zus~itzlich das Rissuferintegral mit den Randspannungen t2 -- -cro ausgewertet wcrden (3. Zeile von (6.42)). In Bild 6.14 sind beide Anteile als >>J-Kontur<< und >>J-Rissufer<< sowie ihre Summe >>JGesamt<< ffir alle vier Integrationsringe dargestellt. Obwohl sich beide Anteile stark ver~indern, wenn die einbezogenen Pdssufer gr6ger werden, ergibt ihre Summe einen konstanten Betrag. Zwischen den Integrationsringen betragen die Abweichungen vom Mittelwert J = 15,279 M N / m weniger als 0,8 %. Die Umrechnung auf den Spannungsintensit~itsfaktor fiber KI = ~ (ESZ) ergibt K FEM -- 39,088 M P a v ~

~-~

K{ ef -- 39,327 -- 1,109aov~-a,

was von der ReferenzlSsung [267] um - 0 , 6 % abweicht. Nach dem Superpositionsprinzip von Bild 3.24 ist dieses Ergebnis v511ig identisch mit dem Fall lastfreier Rissufer, aber ~u~erer Zugspannung ao.

6.9 Beispiele

Bild 6.12: Riss mit Zugspannung ao auf den Ufern, a : b : l = 0,4 : 1 : 2,5

283

Bild 6.13: Vernetzung mit 22 Elementen und 81 Knoten

Bild 6.14: Anteile des J-Integrals bei Rissuferbelastung

6.9.2

Kantenriss unter T h e r m o s c h o c k

Der Thermoschock stellt fiir ein Banteil mit Riss einen extremen Belastungsfall dar, da die Temperaturgradienten in der Regel zu hohen lokalen Spannungen ffihren. Zur Berechhung bruchmechanischer Kenngr6gen muss zuerst die instation~re W~rmeleitungsaufgabe gelSst werden, die als Ergebnis ffir jeden Zeitpunkt die Temperaturverteilung im Bauteil liefert. Daran schliegt sich die thermomechanische RWA an, um den transienten Verlanf der Bruchkenngr6s zu bestimmen. I m konkreten Beispiel wird eine Scheibe mit Augenriss (Bild 6.15) der L ~ g e a/b durch eine sprunghafte Abkiihlung A T (Thermoschock) des Mediums anf der Rissseite belastet. Die dadurch verursachten zeitlich ver~derlichen thermischen Eigenspannungen bewirken

284

6 Numerische Berechnung verallgemeinerter Energiebilanzintegrale

eine 0ffnung des Risses unter Modus I. Bei Annahme linear-elastischen Materialvertmltens ist der Verlanf Ki(t) gesucht. Es wird der EVZ angenommen, d.h. E ' = E/(1 - u 2) und der W~irmeausdehnungskoeffizient a ~ = a(1 + u). Fiir die instation~ire W~irmeleitung werden eine W~meiibergangszahl ~ am Rand und ein W~meleitkoeffizient k im Volumen angesetzt. Unter der Voraussetzung, dass auf allen anderen R~indern und den Rissufern kein W~irmefluss erfolgt (Isolation), liegt der Fall einer eindimensionalen WKrmeleitung bzgl. xl vor. Zur besseren Daxstellung der Resultate werden normierte Gr5igen eingef/ihrt (Cv - spezifische W~rmekapazit~it):

x/b,

Koordinate

~ =

W~irmeiibergangszahl

~ = v~b/k ,

Temperatur Zeit

A T = T(~,t~/AT t=~-~t/b

(6.99)

Die Qualit~it des Thermoschocks wird durch das Verh~iltnis zwischen W~irmeiibergang und W ~ m e l e i t u n g charakterisiert, also durch die Gr5ige ~, ffir die ein recht harter Wert 10 festgelegt wurde.

Bild 6.15: Thermoschock einer Scheibe mit Kantenriss

Bild 6.16: FEM-Netz mit 148 Elementen und 475 Knoten

Bild 6.16 zeigt die verwendete FEM-Vernetzung der oberen Hglfte mit 8-Knoten Viereckelementen und lZ Viertelpunktelementen C T E am Riss. Diese sehr feine Vernetzung ist notwendig, um den steilen Temperaturgradienten genau erfassen zu kSnnen. Die Ergebnisse der W~irmeleitungsanalyse sind in Bild 6.17 als normierter Temperaturverlauf fiber der Probenbreite als Funktion der Zeit t veranschaulicht. Ausgehend von einer gleichm~gigen Ausgangstemperatur wird die Probe mit zunehmender Zeit um den Temperatursprung heruntergek/ihlt. I m Anschluss an die W~rmeleitungsbereehnung wurde mit demselben Netz das Rissproblem fiir ausgew~hlte Zeitpunkte gelSst. Fiir die Bestim-

6.9 Beispiele

285

Bild 6.17: Zeitlicher Temperaturverlauf bei Thermoschock fiber die Probenbreite mung der Ki(t)-Faktoren wurde das erweiterte J-Integral in der EDI-Form nach (6.42) eingesetzt und zum Vergleich die Verschiebungsauswertung DIM nach (5.39). Bei J1 -- G kommt der thermische Anteil im 2. Integral von (6.42) mit amnOLmnT, k = a m m o L T , k zum Tragen. Aus den erhaltenen Ergebnissen (siehe [19]) wird exemplarisch der Spannungsintensit~tsfaktor KI, normiert mit der >>thermischen Spannung~ EI cd IATI, als Funktion der Zeit t w~hrend des Abkfihlprozesses in Bild 6.18 wiedergegeben. Der Ki-Faktor steigt infolge der thermisch induzierten Spannungen rasch an, erreicht bei t -- 0,26 das Maximum, um mit fortschreitender Durchkfihlung der Scheibe ffir t --~ c~ auf null abzuklingen. Die Ergebnisse aus dem J-Integral stimmen sehr gut mit der LSsung fiber Gewichtsfunktionen [19] iiberein. Wie das Beispiel zeigt, erzielt man mit der DIM auch bei thermischen Beanspruchungen brauchbare Ki-Werte.

Bild 6.18: Zeitlicher Verlauf des Ki-Faktors bei Thermoschock ffir die Risstiefe a / b ----0,4

286

6 Numerische Berechnung verallgemeinerter Energiebilanzintegrale

Bild 6.19: Scheibe mit Innenriss a = 0,24bl unter Sprungbelastung

6.9.3

Bild 6.20: FEM-Netz des rechten unteren Viertels der Scheibe mit Innenriss

Dynamisch belasteter Innenriss

Dieses Beispiel behandelt das ebene dynamische Problem (EVZ) eines zentralen Innenrisses in der Scheibe (Bild 6.19). Am oberen und unteren Rand wird schlagartig eine Zugbelastung der GrSt~e ao zum Zeitpunkt t = 0 aufgebracht, was durch die HEhVISIDE-Sprungfunktion H(t) ausgedriickt wird. Die Materialkonstanten betragen: u = 0,3, E -- 200 GPa, Dichte p -- 5 000 k g / m 3, worans sich eine Longitudinalwellengeschwindigkeit yon Cd ---- 7 338 m / s errechnet. Unter Ausnutzung der Symmetrien wurde ein Viertel der Risskonfiguration mit isoparametrischen 4-Knoten-Elementen diskretisiert, siehe Bild 6.2o. Bei transienten dynamischen FEM-Analysen mit expliziter Zeitintegration (Abschnitt 4.6) werden bevorzugt diese linearen Elemente verwendet, siehe ABAQUSManual [1]. Dadurch entfdllt jedoch die M5glichkeit, spezielle Viertelpunktelemente an der Rissspitze einzusetzen, weshalb das dynamische J*-Integral in dieser Situation besonders vorteilhaft ist. Bild 6.2o zeigt eine grobe und feine Vernetzungsvariante der Rissumgebung, wobei die kleinsten Elemente L an der Rissspitze etwa 1/12 bzw. 1/6o der Rissl~nge a betragen. Fiir dieses Modus-I-Problem wurde J~(t) = G(t) als EDI nach Gleichung (6.53) im Post-Prozessor ffir jeden Zeitpunkt t ausgewertet. Daraus folgt mit (3-355) der Spannungsintensit~tsfaktor KI (t) = Ex/-E-~ . Sein zeitlicher Verlauf ist in Bild 6.21 dargestellt, normiert auf den statischen Wert K0 = a 0 v / - ~ ffir die unendliche Scheibe. Die an den R~ndern ausgelSste ebene Welle benStigt die Laufzeit T -- h/cd ----2,73 #s, bis sie die Rissflanken erreicht, worauf der Ki-Faktor steil ansteigt und im Maximum fast den dreifachen Referenzwert annimmt. Danach werden die Spannungswellen ohne Energieabsorption in

6.9 Beispiele

287

Bild 6.21: Transienter Verlauf des Spannungsintensit~itsfaktors. Vergleich verschiedener Methoden und Netze

Bild 6.22: Abh~ingigkeit des dynamischen J-Integrals vonder GrSfge des Integrationsgebietes der Scheibe reflektiert und gestreut, so dass die weitere Rissbelastung osziUierend verl~iuft. Zur Kontrolle wurde Ki(t) zus~itzlich mit zwei alternativen Berechnungsverfahren aus der FEM-L5sung bestimmt. Zum einen wurde die Verschiebungsauswertemethode DIM (Abschnitt 5.1) nach Formel (5.3) benutzt. Die Auswertung der RissSffnungsvers c h i e b u n g u FEM direkt am Rissspitzenelement als auch die Extrapolation mehrerer Knotenwerte auf dem Rissufer gem~fg Bild 5.3 ergab iibereinstimmende Ki-Faktoren. Zum anderen wurde die Technik des modifizierten Rissschliegintegrals MCCI (Abschnitt 5.5) mit Formel (5.87) fiir lineare Elemente angewandt (Bild 5.27). Alle in Abschnitt 5.5 angegebenen Auswerteformeln des MCCI sind auch fiir station~e Risse unter transienter Belastung giikig, da der Zusammenhang zwischen der Energiefreisetzungsrate G(t) und den K-Faktoren unver~indert wie im statischen Fall bestehen bleibt! G(t) wird zu jedem Zeitpunkt anhand der dynaxnischen FeldlSsungen durch virtuelles Rissschliegen berechnet. Die Ergebnisse der beiden alternativen Verfahren DIM und MCCI sind ebenfalls in

288

6 Numerische Berechnung verallgemeinerter Energiebilanzintegrale

Bild 6.21 eingetragen und weisen eine 0bereinstimmung von • % mit den J*-Resultaten anf. Das grobe Netz weicht aus einleuchtenden Grfinden im Peak-Bereich am st~irksten ab. Bild 6.22 best~tigt, dass die EDI-Form (6.58) des 2D dynamischen J-Integrals tats~ichlich v o n d e r Wahl des Integrationsgebietes A unabh~ingig ist. Bereits ab dem 3. Elementring um die Rissspitze (Bild 6.20) konvergieren die Werte mit einer Genauigkeit < 1%. Weitere Informationen und 3D dynamische Benchmark-Probleme e n t h ~ t [84]. 6.9.4

Riss im Gradientenwerkstoff

Als Gradientenwerkstoffe (FGM) (engl. functionally graded materials) bezeichnet man Materialien mit gezielt eingestellten ortsabhiingigen mechanischen Eigenschaften. Durch gleitende Uberg~nge des Elastizitiitsmoduls oder des thermischen Ausdehnungskoeffizienten kbnnen z. B. Sprfinge in den Steifigkeiten oder Spannungen zwischen unterschiedlichen Materialbereichen vermieden werden. Wir betrachten das einfache Beispiel eines GRIFFITH-Risses der L~nge 2a in einer Scheibe der Breite 2b unter Zugspannung a ~ , wobei der Elastizit~tsmodul exponentiell mit der Koordinate Xl variieren soll:

(6.1oo)

0ex,

Der Parameter ~? definiert die >>St~rke<< des Materialgradienten, was in Bild 6.23 fiir die Werte 77 = 0 (homogen), 0,125 und 0,5 abgebildet ist. Es konnte nachgewiesen werden [80, 137], dass ffir Risse in elastischen, stetig ver~nderlichen Gradientenwerkstoffen dieselbe Nahfeldlbsung wie in homogenen Materialien existiert (Abschnitt 3.2.1). Die Rissbeanspruchung wird somit durch die Spannungsintensit~tsfaktoren KI und KII charakterisiert, allerdings berechnen sich die Verzerrungs- und Verschiebungsfelder aus den lokalen elastischen Konstanten am Ort der Rissspitze, z.B. E ( x l = a). Die Werte der K-Faktoren h~ngen jedoch von dem globalen Werkstoffgradienten ab und unterscheiden sich bei gleicher RWA vom homogenen Fall! Die FEM-Analyse wurde mit dem in Bild 6.24 gezeigten Netz in der iiblichen Weise vorgenommen. Die Berechnung des Spannungsintensit~tsfaktors KI erfolgte fiber das 2D J-Integral nach Gleichung (6.42). Die Gradienteneigenschaft muss im 2. Integral fiber die explizite Ortsableitung der Form~nderungsenergiedichte berficksichtigt werden, was im vorliegenden isotropen Fall mit (A.76) und (A.91)

OU

1

OCijkz

1

v

e~k

) 0E(Xl)

(6.1Ol)

bedeutet, wozu noch die konkrete Ableitung von (6.1oo) einzusetzen wgre. Das J-Integral wurde als EDI fiber Integrationsgebiete mit den Radien {0,4 0,8 1,2 1,6 2,0} a ausgeffihrt. Den Spannungsintensit~itsfaktor erh~ilt man daraus fiber KI -- ~/E(a)J/(1 - v 2) mit ~, = 0,3 = const im EVZ. Die Ergebnisse an der rechten Rissspitze sind in Bild 6.25 fiir drei verschiedene Gradienten y zusammengesteUt und auf den klassischen GRIFFITH-Riss Ki0 ---- a~x/~-a normiert. Man sieht erstens, dass das einfache J-Integral wegabh~ingig wfirde (offene Symbole) und erst durch das 2. Integral von (6.42) mit (6.1Ol) die notwendige Korrektur erfolgt (volle Symbole). Zweitens bewirkt der Werkstoffgradient ~? bei

6.1o Zusammenfassende Bewertung

289

gleicher Belastung a ~ eine beachtliche ErhShung von KI (und an der linken Rissspitze eine Absenkung).

Bild 6.23: Ortsabh~ingigkeit des Elastizit~itsmoduls im Gradientenwerkstoff

Bild 6.24: FEM-Netz mit 736 Elementen (8-Knoten Vierecke) und 64 Viertelpunktelementen an den Pdssspitzen

6.10

Zusammenfassende

Bewertung

Die Ausffihrungen dieses Kapitels (6) haben gezeigt, dass Energiebilanzintegrale vom Typ des J-Integrals fiir nahezu alle Aufgaben der Bruchmechanik entwickelt und angewandt werden kSnnen. Das wurde fiir Risse in heterogenen, gradierten und anisotropen elastischen Strukturen unter thermischen, Rissufer-, Gewichts- und Tr~gheitsbelastungen ausffihrlich dargelegt. Die Verifikationsbeispiele in Abschnitt 5.8 demonstrieren die

29o

6 Numerische Berechnung verallgemeinerter Energiebilanzintegrale

Bild 6.25: Abh~ingigkeit des J-Integrals vom Gebiet und den Korrekturtermen Leistungsf'dhigkeit der J-Integrale im Vergleich zu anderen FEM-Techniken. Darfiber hinaus gilt als erwiesen und anerkannt, dass die Verallgemeinerungen des J-Integrals sehr universelle und aussagekr~iftige BeanspruchungskenngrSIgen ffir Risse darstellen, wofiir in den Kapiteln 7 und 8 noch weitere Anwendungen folgen. Der wesentliche Grund daftir ist in der einheitlichen physikalischen Interpretation als Energiefreisetzungsrate in elastischen konservativen Systemen bzw. als Energiefluss in die Prozesszone bei dissipativen nichtkonservativen Systemen zu finden. Auch im Hinblick auf die numerische Berechnung besitzen die Energiebilanzintegrale gegenfiber anderen Verfahren zur Bestimmung der Bruchkenngr6fgen wie den Spannungsintensit~tsfaktoren u.a. erhebliche Vorteile. Da sie immer als wegunabh~ngige oder zumindest als gebietsunabh~ngige Integrale formuliert werden kSnnen, kann man bei der Auswertung das direkte Nahfeld des Risses, wo die numerische LSsung am ungenauesten ist, vermeiden. Weiter entfernt v o n d e r Rissspitze sind die FeldgrS]gen zwar geringer, daftir aber genauer, so dass der integrale Wert aus Form~nderungsenergiedichte multipliziert mit dem Integrationsweg genauso grog ist. Ein weiterer Vorteil des J-Integrals besteht darin, dass seine Berechnung der FEMAnalyse einfach als Post-Prozessor nachgeschaltet werden kann, also keinen Eingriff in das FEM-Programm erforderlich macht wie andere Techniken. Hinzu kommt, dass unter Verwendung verschiedenener Integrationswege die Genauigkeit der numerischen LSsung exakt beurteilt werden kann, da theoretisch die ermittelten J-Werte alle gleich sein m/issten. Eine Abweichung resultiert also entweder aus der Ungenauigkeit der zugrunde liegenden FEM-LSsung oder aus einem ungenauen Integrationsverfahren f/Jr J. Durch zahlreiche Verifil~tions- und Vergleichsrechnungen wurden die Vorz/ige der Energiebilanzintegrale bestgtigt. Dies hat dazu geffihrt, dass in einigen kommerziellen FEM-Codes (ABAQUS, ANSYS u. a.) J-Integrale unterschiedlicher Auspr~gungen angeboten werden.

FEM-Techniken zur Rissanalyse in elastisch-plastischen Strukturen

7

Fiir die Beanspruchungsanalyse von Risskonfigurationen in elastisch-plastischen Materialien ist die FEM ein unverzichtbares Instrument geworden, da die physikalisch und evtl. geometrisch nichtlinearen ARWA in endlichen Strukturen mit analytischen Methoden nicht 15sbar sind. Als Materialmodelle kommen/iberwiegend die in Abschnitt A.4.2 vorgestellten inkrementellen Plastizitgtsgesetze mit verschiedenen Verfestigungsarten in Betracht. Ziel der Berechnungen ist auch hier die Bestimmung der bruchmechanischen Beanspruchungsparazneter ffir duktile Rissinitiierung und Rissausbreitung. Dafiir haben wir im Kapitel 3-3 die Riss6ffnungsverschiebung St, den Riss6ffnungswinkel %, das J-Integral sowie die Mehrachsigkeitsparameter T und Q kennengelernt. In der EPBM beeinflussen eine Vielzahl yon Modellparaznetern (Geometrie, Belastungsh6he, Materialverhalten) das Ergebnis auf unterschiedliche, komplexe Weise, so dass man mit Sorgfalt arbeiten muss. Insbesondere ist auch die bruchmechanische Interpretation genau zu beachten. Trotz der enormen rechentechnischen Fortschritte sind nichtlineare FEM-Analysen ffir Risse wegen des hohen Vernetzungsaufwandes und des inkrementellen LSsungsalgorithmus sehr rechen- und speicherintensiv. Deshalb gilt auch hier der Grundsatz >~Soeinfach wie m6glich, so kompliziert wie n6tig! <(, d.h. man beginne n i t 2D-Modellen, geometrisch linear und einfachen Verfestigungsgesetzen, um zuerst die wesentlichen Effekte zu verstehen, bevor die notwendigen Modellerweiterungen vorgenommen werden.

7.1

Elastisch-plastische Rissspitzenelemente

An station~en (ruhenden) Rissspitzen in elastisch-plastischen Materialien kennt man bei monotoner Belastung das asymptotische Nahfeld, siehe Abschnitt 3.3.6: 9

ideal-plastisch (3.223):

er ~ l / r ,

9 Potenzgesetz-Verfestigung (3.238):

eij ~ r

~1,

ar ~ const.,

(7.1)

aij ~ r

(7.2)

~1

Auch fiir diese Asymptotik hat man versucht, elastisch-plastische Rissspitzenelemente zu entwickeln. Erfolgreich bewfiahrt hat sich wiederum eine Modifikation isoparametrischer Elemente. In Abschnitt 5.2.2 wurde bereits das kollabierte isoparametrische Viereckelement mit quadratischen Ansatzfunktionen vorgestellt, vgl. Bild 5-7. Durch das Zusammenlegen der Knotenkoordinaten (1), (4) und (8) und die Viertelpunktverschiebung der Knoten (5) und (7) stellen sich die Verzerrungssingulaxit~ten (5.28)-(5.30) bzgl. des Abstands r zur Rissspitze ein: eij (r, O) -- Aoij (~) + r

Alij (0)

+ A2ij (~).

(7.3)

292

7 FEM-Techniken zur Rissanalyse in elastisch-plastischen Strukturen

Fiir die Anwendung in der LEBM ist das 1/r-Verhalten unerwiinscht und wurde dadurch eliminiert, dass man mit (5.31) die Verschiebungen dieser drei Knoten aneinander fesselt. Fiir die EPBM macht man sich diese Eigenschaft jedoch zunutze, d.h. die drei Knoten diirfen sich nun unabh~i~ngig voneinander verschieben, womit zus~tzlich die idealplastische 1/r-Singularit~t (7.1) aktiviert wird. Bild 7.1 zeigt die Vorgehensweise. Durch die Kombination von Viertelpunktverschiebung und freien Rissspitzenknoten kann somit anf'dnglich elastisches und sp~iter ideal-plastisches Verhalten nachgebildet werden.

Bild 7.1: Kollabierte 8-Knoten-Viereckelemente an der Rissspitze bei elastisch-plastischem Materialverhalten Um die Eigenschaften der kollabierten Elemente mit unver~nderten Seitenmittenknoten zu analysieren, greifen wir auf die Ausfiihrungen in Abschnitt 5.2.2 zurfiek. Wertet man die Gleichungen (5.17)-(5.18) fiir den Wert z = 1/2 aus, so erh~ilt man anstelle von (5.19): xl =

L

(1 + r

H x2 = --~-{2(1 + r

(7.4) Die Abbildung yon (1 + ~1) auf r i s t jetzt linear. Fiir die JACOBI-Matrix (5.20) (5.21) und ihre Inverse (5.22) folgt daraus: ~1 = L,

~1 = 0,

~2 = H~2,

j - 1 = J 1 [J~2-J121511] '~ [10 ~ ]

J22 =

--~-(I + ~1) ~ r, (7.5)

mit J = J l l J 2 2 -- 2HLr

In (7.4) und (7.5) sind im Vergleich zu g = 1/4 die v~-Terme verschwunden. Die Ableitungen der Formfunktionen (5.24)-(5.27) bleiben unver~ndert, so dass sich fiir die

7.2 Auswertung der Riss6ffnungsverschiebungen

293

Verzerrungen nach (5.28)-(5.3o) nun die Funktionen em ----a0 + al(1 +~1) +

bo + b1(1 +

+ b2(1 + r

= bo + e'l + e12r und ebenso r

(7.6)

do g22

=

-r

§

dl + d2r

bo + do

e12 -- - -

§ fl § f~r

mit modifizierten Konstanten e~ und f~ ergeben. Die kollabierten Viereckelemente mit Seitenmittenknoten besitzen somit keine 1/vT-Singularit~t , daffir aber einen linearen Term ,,~ r. Sie werden i. A. fiir elastisch-plastische Rissprobleme empfohlen und gegenfiber der Viertelpunktvariante (7-3) bevorzugt.

Mit diesen Elementen wird ein F~cher um die Rissspitze gelegt. Bei Belastung kSnnen sich alle Rissspitzenknoten individuell bewegen, so dass die Abstumpfung wie durch eine Perlenkette nachgebildet wird, siehe Bild 7.1. Die ideal-plastischen Rissspitzenelemente sind untereinander und an den Autgenkanten mit Standardelementen kompatibel. Zur Verallgemeinerung auf den 3D-Fall fibertr~gt man diese Technik auf kollabierte 2o-KnotenHexaederelemente, die in einem >>Schlauch~ um die Rissfront angeordnet werden. Spezielle Rissspitzenelemente zur Modellierung der HRR-Singularitiit (7.2) haben sich nicht durchgesetzt. Ffir Verfestigungsexponenten n > 10 n~ihert sich das asymptotische Verhalten ohnehin Gleichung (7.1). AuJgerdem erreichen reale Flietgkurven meist eine S~ittigung o-F ---* const. Deshalb werden in der Mehrzahl der elastisch-plastischen Rissanalysen diese kollabierten Elemente mit Erfolg eingesetzt. Bei elastisch-plastischen Rissproblemen ist die Nachbildung der NahfeldlSsung schwieriger als in der LEBM, da sie 1.) tief im Inneren der plastischen Zone anftritt, 2.) sich ihr Existenzbereich mit wachsender Plastifizierung vergrSgert und 3.) sich ihr Charakter mit der Lastgeschichte u.U. ver~i~dern kann. Fiir das globale Verhalten der Strukturen mit Riss spielt in der EPBM hingegen die richtige Modellierung des asymptotischen Nahfeldes eine geringere Rolle, da BruchkenngrSfgen wie das J-Integral auch in grS~erem Abstand v o n d e r Rissspitze genau genug berechnet werden kSnnen. Rissspitzenelemente sind aber dann unverzichtbar, wenn man die Details der plastischen Verformung und des Spannungszustandes unmittelbar am Riss untersuchen will. 7.2

Auswertung

der RissSffnungsverschiebungen

Die bleibenden plastischen Verformungen der Rissufer werden von verschiedenen Konzepten der EPBM als Beanspruchungsparameter verwendet. Fiir station~ire R i s s e ist

294

7 FEM-Techniken zur Rissanalyse in elastisch-plastischen Strukturen

nach dem CTOD-Konzept die C)ffnungsverschiebung der abgestumpften Rissspitze 5t eine KenngrS~e, siehe Abschnitt 3.3-4. Um die Rissb'ff~nungsverschiebung 5t mit der FEM genau bestimmen zu kSnnen, ist eine konzentrische f~icherfSrmige Vernetzung um die Rissspitze erforderlich, wobei der innerste Ring aus den oben beschriebenen kollabierten Elementen bestehen sollte, siehe Bild 7.1. Die Simulation muss als geometrisch nichtlinear durchgefiihrt werden, damit die grogen Deformationen an der Rissspitze richtig wiedergegeben werden. Man e r h ~ t dann eine schSn auseinander gezogene Knotenkette am abstumpfenden Riss, wie es Bild 7.2 exemplarisch zeigt. Zur Ermittlung von 5t verwendet man am besten die • ~ Sekantenmethode nach Bild 3.35a). Dazu muss der Schnittpunkt mit den Elementkanten auf den Rissufern gefunden werden. Eine einfachere MSglichkeit besteht darin, die u2-Verschiebung eines repr~sentativen FEM-Knotens anf dem Rissufer nahe hinter der Abstumpfung zu w~hlen, z.B. die Knoten des letzten Rissspitzenelementes (8 = 180 ~ in Bild 7.1. Diese Variante h~ugt jedoch stark von der benutzten FEM-Diskretisierung der Rissspitze ab. In Anlehnung an experimentelle Methoden zur CTOD-Ermittlung wird mitunter auch eine lineare Extrapolation der ()ffnungsverschiebungen u2(xl) aus v o n d e r Rissspitze weiter entfernten Bereichen, wo die Rissflanken fast geradlinig verlaufen, angewendet. Bei dieser Definition darf ein relativ grobes Netz mit geometrisch linearer Option benutzt werden, da die auszuwertenden Fernfeldverschiebungen davon weitgehend u n a b h ~ g i g sind. Zum Vergleich mit Versuchsergebnissen ist h~ufig auch die Offnungsverschiebung der Risskerbe an der Probenvorderkante - die Kerbaufweitung V (engl. crack opening displacement COD) - gefragt.

Bild 7.2: Ermittlung der RissspitzenSffnung CTOD aus der FEM-Analyse am ruhenden Riss [44]

Bild 7-3: Ermittlung des RissspitzenSffnungswinkels CTOA aus der FEMAnalyse am bewegten Riss [44]

7.3 B e r e c h n u n g des J - I n t e g r a l s u n d seine B e d e u t u n g

295

Bei wachsenden Rissen bildet sich gem~iI~ Abschnitt 3.3.8 ein lineaxes Offnungsprofil an der Rissspitze heraus, das recht gut durch einen Rissb'ffnungswinkel~t ~- CTOA charakterisiert wird, siehe Bild 3.35- Das CTOA-Konzept wird erfolgreich als Kriterium fiir duktiles Risswachstum in diinnwandigen Strukturen unter ESZ (Bleche, Flugzeughaut) verwendet [184]. Zur Simulation der Rissausbreitung ist ein regelm~i~iges FEM-Netz aus gleich grogen Elementen entlang des Risspfades erforderlich, wofiir Bild 7.3) ein Beispiel gibt. Geeignete FEM-Techniken zur Simulation der Rissausbreitung werden in Kapitel 8 behandelt. Aus den numerischen Ergebnissen der verformten Rissufer kann ein Rissspitzen6ffnungswinkel z.B. so ermittelt werden, wie es Bild 7.3 zeigt [234]. Leider existiert auch ffir den CTOA keine verbindliche Definition. Die Auswertung h ~ g t empfindlich v o n d e r gewfilalten Vernetzung und Interpolationstechnik ab. Ffir r~iumliche Risskonfigurationen sind die vorgestellten Techniken sinngem~i~ auf jede Position der Rissfront und die dazu senkrechte Ebene zu fibertragen. Bew~hrt hat sich auch die pragmatische technische Definition 55 der Verformung in Rissspitzenn~he nach SCHWALBE [240]. des J-Integrals

und seine Bedeutung

7.3

Berechnung

7.3.x

Elastisch-plastische Erweiterungen yon J

Da die Giiltigkeit des klassischen J-Integrals auf die (nicht)lineare Elastizits bzw. die plastische Deformationstheorie beschr~kt ist, siehe Abschnitt 3-3.6, wurden verschiedene Erweiterungen fiir die inkrementelle Plastizit~itstheorie und groge Deformationen vorgeschlagen. Zur Erl~iuterung knfipfen wir direkt an Kapitel 6 an.

a) Elastisch-plastisches Linienintegral Fiir ebene Rissprobleme liegt es nahe, das RICEsche Linienintegral (3.1oo) einfach mit den Ergebnissen der elastisch-plastischen FEM-Analyse auszuwerten.

J(r) : / [~feP51i-a~ju~,ll njds-- / O,ljnj ds F

(7.7)

F

Im Unterschied zur Elastizit~itstheorie ist anstelle der elastischen spezifischen Form~inderungsenergie U ( ~ j ) j e t z t die gesamte elastisch-plastische Form~nderungsarbeit (engl. stress work density) U ep pro Volumen einzusetzen: eij

Xk) =

/akl(gmn)dgkz = Ve(e~j)+ LrP(xk)

(7.8)

0

Sie wird mit den elastischen und den irreversiblen plastischen Verzerrungen dEkl ---d ~ + de~ gebildet, d. h. der Potenzialcharakter geht verloren, weshalb die Gr6f~e durch ein H~ikchen ~ markiert wird. Das wird verst~ndlich, wenn man einen Be- und Entlastungsvorgang von • am Materialpunkt betrachtet, wie ihn Bild 7.4 a)-b) zeigt. Weder

296

7 FEM-Techniken zur Rissanalyse in elastisch-plastischen Strukturen

Bild 7.4: Unterschied zwischen totaler und inkrementeller Plastizit~tstheorie bei Be- und Entlastung die Spannungen noch die Form/~nderungsarbeit ~ e p sind eine eineindeutige Funktion der Verzerrungen! Insbesondere h/ingt der plastische Anteil UP(xk) v o n d e r gesamten Belastungsgeschichte im Materialpunkt ab und muss deshalb als eine explizite Funktion der Koordinate xk verstanden werden. Viele numerische Ergebnisse haben erwiesen, dass J nach (7.7) bei monoton steigender Belastung ffir ruhende Risse und infinitesimale Deformationen in sehr guter N/~herung unabh/ingig vom Integrationspfad F i s t . (Der strenge Beweis gilt nur bei proportionaler Beanspruchung.) Man kann somit den Pfad F anch um die Rissspitze F~ --* 0 zusammenziehen, wo (bei ausreichender Netzfeinheit) die HRR-L5sung vorherrscht. Damit bleibt die Bedeutung von J als KenngrStge des HRR-Feldes erhalten. Im Falle von Entlastung oder Risswachstum verliert J diese Eigenschaften und ist wertlos. b) W e g u n a b h [ i n g i g e F o r m u l i e r u n g Um die Wegabh/ingigkeit grunds/itzlich zu beseitigen, muss das Linienintegral entlang F um ein Integral fiber die eingeschlossene F1/iche A erg~nzt werden. Wir wenden den gleichen Formalismus wie in Abschnitt 6.2 auf die Integranden yon (7.7) an, vgl. Bild 6.2:

J(F~)-~ / (~ljndds= f (~dnjds- / O,ld,jdA-~ J G

y

(7.9)

A

Zerlegt man die Verzerrungen und die Form~nderungsarbeit in ihre elastischen und plastischen Anteile, so ffihrt die Divergenz auf:

0(]ep .

ove e ~fp O~ej . . C,3,1 . . -t- ,1

OU~

OfYP

p (fp O'ij(~ej,1 "~ cij,1) ~ ,1 -- (TiJ~Pj,1

(7.*0)

Hierbei wurde OUe/Oe~j = aid benutzt und homogene Gleichgewichtsbedingungen aij,j -0 vorausgesetzt. Einsetzen in (7.9) ergibt die/iquivalente Berechnungsvorschrift ffir den

7.3 Berechnung des J-Integrals und seine Bedeutung

297

interessierenden Nahfeldwert J(/'~):

y= f

[ op lj-

1]n ds- f

F

dA

/711/

A

Das Fls quantifiziert somit gerade die Differenz zwischen den Linienintegralen um die Rissspitze F~ und entlang eines beliebigen iiugeren Pfades F durch das Fernfeld. Dieser Korrekturterm bewirkt die Wegunabh~gigkeit des erweiterten if-Integrals ffir beliebige Lastpfade im Rahmen der plastischen Flies Die formal mathematische Umwandlung von J(F~) in ein Linien-Fliichen-Integral iindert nichts an seiner physikalischen Eigenschaftt Was ist jedoch die bruchmechanische Bedeutung von if? Die Interpretation als potenzielle Energiefreisetzungsrate muss aufgrund des Dissipationsanteils in ~rep aufgegeben werden. Man kann J aber als eine elastisch-plastische Arbeitsrate bei virtueller Rissansbreitung bzw. als einen Energiefluss auffassen, der fiber die Kontur F~ der Rissspitze von angen zugeffihrt wird. Im Sinne von ESHELBY ist J(F~) die Konfigurationskraft bei Verrfickung der Rissspitze, w~ihrend im Linienintegral fiber F noch die Verrfickung der eingeschlossenen plastischen Zone ( ~ Defekte) enthalten ist. Ob das Integral J f i i r F~ --+ 0 gegen einen endlichen Wert konvergiert, h~ngt von der Asymptotik der RissspitzenlSsung ab. Wie bereits in Abschnitt 3.3.6 bewiesen, ist daffir eine 1/r-Singularit~t in der Form~derungsarbeit U~P notwendig. Diese Bedingung ist anch im Rahmen der inkrementellen Plastizit~itstheorie bei ruhenden Rissen unter Annahme infinitesimaler Deformationen erffillt. Bei Berficksichtigung finiter Deformationen nehmen die Spannungsfelder an der abgestumpften Rissspitze - die sich nun de facto wie eine Kerbe verh~ilt - endliche Werte an, d.h. im Nahbereich von etwa r < 4 ~t fiillt J auf null ab und wird wegabh~ingig, siehe Beispiel in Abschnitt 7.4.1. Die elastisch-plastische Formulierung (7.11) lmnn ohne weiteres auf den J-IntegralVektor Jk fibertragen werden, was mit xl :-- xk ergibt:

s

ds

ro F

(7.12) A

Ebenso ist die Umwandlung in ein ~iquivalentes Gebietsintegral gem~ig Abschnitt 6.4.1 (6.42) mSglich. Im 2D Fall ffihrt das mit der Wichtungsfunktion q(x) anf

Bei 3 D Risskonfigurationen folgt in Analogie zu (6.47) bei einer virtuellen Rissausbreitung qk ~ Alk der Ausdruck:

298

7 FEM-Techniken zur Rissanalyse in elastisch-plastischen Strukturen

Sollten Volumen-, Rissufer- oder thermische Belastungen auftreten, so sind die Beziehungen (7.13) und (7.14) durch die entsprechenden Zusatzterme ans (6.42) bzw. (6-47) zu erg~nzen. Diese Erweiterungen von J gehen auf MORAN ~; SHIH [174] sowie CAI%PENTER, READ ~; DODDS [58] zurfick. In der numerischen Realisierung bevorzugt man die Gleichungen (7.13) und (7.14), siehe Abschnitt 6.4.

c) Das inkrementelle AT*-Integral Yon ATLUm, NISHIOKA U.a. [18, 14] wurde ein wegunabh~ngiges Integral T* entwickelt, das ffir statische und dynamische Rissprobleme bei jedem inelastischen Materialgesetz Gfiltigkeit haben soll. Das vektorieUe Integral stellt sich als Summe der Inkremente AT~ fiber die Belastungsgeschichte dar: T~ = ~

ATe,

AT~ = S AQkjnj ds

(7.15)

Das Inkrement des Energie-Impuls-Tensors AQkj = Qkj(t + At) - Qkj(t) nimmt die konkrete Form an: AQkjnj -- [AUePSjk - (aij + Aaij)Aui,k - Aaijui,k] nj = AUePnk - (ti + AtOAui,k - Atiui,k

1

(7.16)

A

Es folgt derselbe Gedankengang wie in Gleichung (7-9) zur Korrektur der Wegabh~ngigkeit fiber das Gebietsintegral A, allerdings anf das Inkrement AQkj (7.16) angewandt:

i F-F~

AQ, kjnj ds = i A Q k j ' j dA A

(7.17) A

1Aeij,k)Aaij A

wobei im letzten Schritt AU ep aus (7.16) und (aij + Aaij),j = 0 verwendet wurden. Nax~h Einsetzen des HOOKEschen Gesetzes aij = CijklC~l bleiben nur die plastischen P = e i j - Qj e fibrig. Verzerrungen Qj

7.3 Berechnung des J-Integrals und seine Bedeutung

299

Das AT~ Integral ist de facto nichts anderes als die inkrementelle Form des 07-Integrals (7.11), was man leicht durch Integration fiber die Belastungsgeschichte beweisen kann. Umgekehrt wird man bei der numerischen Realisierung von 07 (7.12) p r o Lastschritt gerade die Operationen (7.18) ausfiihren und aufaddieren. Damit unterscheidet sich AT~ anch in Bezug auf die energetische Interpretation nicht von 07. Entsprechende dreidimensionale Verallgemeinerungen mit Volumen- und Tr~gheitskr~ften findet man in [18]. d) Energieflussintegral J n a c h KISHIMOTO KISHIMOTO, AOKI ~ SAKATA [139, 9] haben so gena~nte J-Integrale vorgeschlagen, die anf dem Modell einer fiktiven Bruchprozesszone AB basieren, wie sie bereits in Abschnitt 3-3.8, Bild 3.48, diskutiert wurde. Die Energiezufuhr in die Prozesszone AB wird durch das Flussintegral E nach (3.28o) fiber den Rand FB ~- F~ der Prozesszone bzw. durch das ~quivalente Linien-Fl~chenintegral (3.282) auf einer ~iugeren Kontur F berechnet. Von den Autoren [139] wurde fiir die Form~derungsenergie bewusst nur der elastische Anteil U e angesetzt, um die potenziell verffigbare Energiefreisetzungsrate zu quantifizieren. Das E-Integral (3.282) ffihrt mit ~ ---und Abspaltung der plastischen Verzerrung Qj P direkt auf das elastisch-plastische J-Integral

aijcej,1

J = / [Uenl - a~jUi,lnj] ds + / aij~P,l dA. F

(7.19)

A

Im Unterschied zu 07 (7.11) fehlt UP sowohl im Linien- als auch im F1Kchenintegral. Die 3D-Erweiterung ist gerade das in Abschnitt 6.3.1 angegebene Scheibenintegral (Bild 6.4), wobei jetzt anstelle der thermischen Verzerrungen e*n die plastischen Verzerrungen CPn einzusetzen bzw. zusKtzlich aufzunehmen wKren. Mit den Volumenkr~ten bi erhKlt man aus (6.29) an der Position s der Rissfront:

g(8) =/[Ue~lj-(Tijui,1]?~jds~-/[~mn~Pn,l-biui,1-((Ti3Ui,l),3] P

HA

(7.20)

A

Ffir die numerische Implementierung ist der Term (ai3ui,1),3 aus den genannten Grfinden aufw~indig und yon Nachteil gegenfiber 07 und T*. Bei allen elastisch-plastischen Veredlgemeinerungen 07, AT* und J treten in den FI~chen- oder Volumenintegralen Terme auf, wo die Form~nderungsarbeiten ~ep, ~p, die P oder die Spannungen aij nach der Koordinate xk abgeleitet plastischen Verzerrungen eij werden mfissen. Da diese Gr6gen in der FEM selbst nur aus Ableitungen der prim~ren

300

7 FEM-Techniken zur Rissanalyse in elastisch-plastischen Strukturen

Verschiebungsvariablen hervorgehen und i. AUg. nur an den Integrationspunkten zur Verfiigung stehen, sind ihre Ableitungen mit grSgerer Ungenauigkeit behaftet. Geeignete Interpolations- und Differenziationstechniken wurden in Abschnitt 4.4-4 beschrieben. Erschwerend kommt hinzu, dass die genannten Felder in der plastischen Zone am Riss bereits hohe Gradienten aufweisen, die nochmals zu differenzieren sind! Man muss deshalb fiir diese Integralterme iiugerste numerische Sorgfalt waken lassen. Eine Verlegung der Integrationspfade F in w e r e Entfernung vom Riss hilft nicht, da die Gebietsintegrale dennoch den gesamten eingeschlossenen Bereich - also auch die ungenaue Rissumgebung - erfassen. Erw~Lhnt werden sollte noch, dass die vorgestellten Erweiterungen von J bisher in keinem kommerziellen F E M - P r o g r a m m implementiert sind. 7.3.2

Anwendung

auf ruhende

Risse

Die elastisch-plastischen Varianten von J sollen am einfachen 2D Beispiel einer Zugscheibe mit Innenriss untersucht werden. Insbesondere wird auf die bruchmechanische Interpretation eingegangen. Bild 7.5 zeigt das FEM-Netz und die Randbedingungen fiir ein Viertel der Probe aus Bild 5.1 mit der Rissl~nge a = 0,4d. Fiir das Materialverhalten wurde inkrementelle Plastizit~t mit isotroper Verfestigung angenommen. Das FEM-Netz besteht aus 8-Knoten-Viereckelementen mit je 3 • Integrationspunkten. Die Rissspitze ist von den in Abschnitt 7.1 beschriebenen kollabierten Sonderelementen mit 1/r-Singularit~it umgeben. Die ~ugere Zugspannung a wird als Folge von vier Be- und Entlastungsstufen angelegt, die in Bild 7.5 dargestellt sind. Im Bild sind gleichfalls die plastischen Zonen in der Rissumgebung bei den Lastniveaus 1-4 enthalten. Man erkennt deutlich, dass die Rissabstumpfung C T O D auf plastischen Verformungen beruht, da sie sich bei den Entlastungsschritten 1--~2 und 3--~4 kaum ~ndert.

Bild 7.5: a) FEM-Modell der Scheibe mit Innenriss und b) Stufenfolge der Zugbelastung

7.3 Berechnung des J-Integrals und seine Bedeutung

3ol

Bild 7.6: a) J-Integral und b) J-Integral fiber der Belastung ffir die Integrationspfade C2-C15 Anhand der FEM-Resultate wurde das RICEsche Linienintegral J (7.7) und seine wegunabh/ingige Erweiterung 07 bzw. T* nach (7.11) berechnet, wobei fiir beide Integrale das /iquivalente Gebietsintegral in der Form (7.13) genutzt wurde. Als Integrationsgebiete A wurden 15 Halbkreise um die Rissspitze gew/ihlt, deren Augenradien den Integrationspfaden F entsprechen. Bild 7.6 a) beweist recht eindeutig, dass J nur in der 1. Laststufe, die monoton ansteigt, wegunabh/ingig ist. Im weiteren Verlauf steUen sich besonders bei Entlastung drastische Unterschiede zwischen den J-Werten der verschiedenen Pfade ein. Im Gegensatz dazu ergibt das 07-Integral anf allen Pfaden selbst bei Entlastung nahezu identische Werte, vgl. Bild 7.6 b). Die Differenz zwischen J und J besteht genau im zweiten Integral von (7.13), womit die Wegunabh/ingigkeit yon 07 bzw. T* erzielt wurde. Abweichungen zwischen den Pfaden sind bei J also prinzipieller Art, wohingegen die geringen Diskrepanzen bei 07 auf numerische Ungenauigkeiten zurfickzufiihren sind!

7.3.3

Anwendung auf bewegte Risse

Formal kSnnen alle vorgestellten elastisch-plastischen Integrale J, 07, T* und J auch auf Risse angewandt werden, die sich in duktilen Werkstoffen quasistatisch ausbreiten. Dabei ist allerdings ihre physikalische Bedeutung genau zu hinterfragen. Zur Erl~iuterung greifen wit auf das in Abschnitt 3.3.8 diskutierte Modell einer Bruchprozesszone AB zurfick, die sich mit der Rissspitze mitbewegt, Bild 3.48. Ein festgehaltener Materialpunkt, fiber den sich der Riss mit der Prozesszone >>hinweg bewegt<<, erf~hrt zwangsl~ufig eine nichtproportionale plastische Belastungs- und anschlie~ende elastische Entlastungsphase. Aus diesem Grund ist das klassische J-Integral unbrauchbar. Die erweiterten LinienFliichenintegrale 07, T* und J" sind zwar wegunabh~xlgig, aber ihr tats~ichlicher Weft muss im Rahmen der kontinuumsmechanischen Modellierung zu null werden, denn mit asymptotischer Ann~herung F~ --* 0 an die Rissspitze stS~t man anf die schwache logarithmische Singularits (3.261) am bewegten Riss. Somit sind diese Integrale als >>bruchmechanische Intensit~tsparameter<< bei Rissausbreitung wertlos. Deshalb untersuchen wit die energetische Interpretation. Der Prozesszone AB wird vom umliegenden Kontinuum fiber ihren Rand FB Energie zugeffihrt. Dieser fiberwiegend irreversible Energiefluss wird durch das Flussintegral 9r (3.28o) fiber FB charakterisiert, das anch in das wegunabh/~ngige Integral (3.282) fiber eine/iugere Kontur F u n d die ein-

3o2

7 FEM-Techniken zur Rissanalyse in elastisch-plastischen Strukturen

Bild 7.7: Fiktive Prozesszonen als a) mitbewegte oder b) streifenfSrmige Kontur FB, c) echtes physikalisches Modell einer Prozesszone geschlossene Fl~iche A umgewandelt werden kann. MORAN ,~ SHIH [174] haben gezeigt, dass J, T* und J mehr oder weniger Sonderf'dlle des von ihnen abgeleiteten Flussintegrals 5~ bei Rissansbreitung sind. Entscheidend ist jetzt die Wahl des Modells ffir die Prozesszone. Bleibt man bei der Kontinuumsmechanik / Plastizit~itstheorie, so wird der Energiefluss ~- -- J - T* -- J" unvermeidlich zu null, weil die Prozesszone FB = F~ --* 0 nur ein singul~rer Punkt - die Rissspitze - ist. Verschiedene Autoren [189, 48] haben versucht, im Rahmen der FEM-Modellierung eine Prozesszone A s endlicher GrSige einzufiihren, die sich entweder als gauzes unver~indert mit der Rissspitze fortbewegt oder als Streifen mit dem Riss verl~ngert, siehe Bild 7.7. Entlang ihrer fixierten Berandung FB ~ F~ ~ 0 wird dann das T*- oder J-Integral ausgewertet, was tats~ichlich einen endlichen, wegunabhgngigen J-Integralwert wfi~hrend der duktilen Rissansbreitung ergibt. Allerdings h~ngt dieser Wert v o n d e r willkiirlich festgesetzten KonturgrSt~e FB ab und ist somit keine wirkliche BruchkenngrStge, sondern nur ein Artefakt des Modells. Folgerichtig wurde in [47] nachgewiesen, dass mit schrumpfender ProzesszonengrSs FB --+ 0 das T*-Integral (wie auch J, ] und o7) gegen null verschwindet. Die wahre Ursache fiir diese Kalamit~it liegt unver~ndert am KontinuumsmodeU, d.h. die Prozesszone AB darf nicht nur fiktiv als Integrationskontur definiert werden, sondern muss mit anderen werkstoffmechanischen Modellen diskret abgebildet werdenI Eine einfache linienhafte Form der Prozesszone ist z.B. das Koh~sivzonenmodell, auf das ns in Kapitel 8 eingegangen wird. Werkstoffphysikalisch besser begriindet sind sch~digungsmechanische Modelle, die die Versagensmechanismen in einer tats~ichlich endlich ausgedehnten Prozesszone A s beschreiben. Dann hat FB auch eine echte physikalische Bedeutung und das Flussintegral bzw. J, T* und J erhalten einen Sinn.

7.4 Beispiele

7.4

Beispiele

7.4.1

Kompakt-Zug-Probe

303

Die vorgestellten FEM-Techniken sollen zuerst am 2D-Beispiel der Kompakt-Zug-Probe verdeutlicht werden, siehe Bild 3.12. Der PrfifkSrper wird mit folgenden Abmessungen untersucht: Weite w = 50, HShe h = 60, Dicke B = 25, Rissl~i~ge a = 30 (alles in ram). Es wird der EVZ angenommen. Aufgrund der Symmetrie wird nur die obere H~ilfte vernetzt und auf dem Ligament vor dem Riss die Verschiebung u2 -- 0 gesetzt. Bild 7.8 zeigt das verwendete FEM-Netz, das nach den empfohlenen Regeln ffir elastisch-plastische Analysen yon ruhenden Rissen konstruiert wurde. Um die Rissspitze wurden deshalb 16 kollabierte Viereckelemente gelegt, siehe Bild 7.9, deren Gr6ge L = 0,05 mm = 0,00167 a betrug. Daran schliegt sich eine sehr feine Diskretisierung der gesamten Probe an.

Bild 7.8: FEM-Netz der CT-Probe (561 8-Knoten-Viereckelemente, 1821 Knoten)

Bild 7.9: Vernetzung der Rissspitze mit 16 kollabierten Rissspitzenelementen

Bild 7.1o: Fliegkurven ffir die CT-Probe und den Plattenzugversuch

304

7 FEM-Techniken zur Rissanalyse in elastisch-plastischen Strukturen

Die CT-Probe wird fiber Bolzen in den ZuglSchern mit der Kraft F belastet, was ein Kontaktproblem darstellt. Zttr Vereinfachung modelliert man den Bolzen als fest angebundenen Viertelkreis, an dessen Spitze die Belastung angreift. Um unrealistische, fiberhShte plastische Verformungen an der Krafteinleitungsstelle zu vermeiden, werden dem Viertelkreis rein elastische Materialeigenschaften mit hohem E-Modul zugewiesen.

Im Beispiel der CT-Probe wird eine x2-Verschiebung q von 0 bis 1 mm vorgegeben. Der Werkstoff ist ein duktiler Stahl mit der in Bild 7.1o abgebildeten Flief~kurve (wahre Spannung - plastische Dehnung) sowie E -- 210 000 MPa und ~ -- 0,3. Die Ausbildung der plastischen Zonen mit steigender Belastung ist am deformierten Gesamtmodell in Bild 7.11 a) dargestellt. Zuerst bildet sich eine begrenzte plastische Zone an der l~issspitze, die sich dann vollst~ndig fiber das Ligament zu einem Flieggelenk ansbreitet. Damit ist die plastische Grenzlast FL erreicht, was zu einem Abflachen der Kraft-Verschiebungs-Kurve (Bild 7.13) ffihrt. Die Bildsequenz 7.11b) verdeutlicht die Auspr~igung der plastischen Kernzone (r > 0,5 % -~ schwarz) direkt am Riss. Die Verformungen an der Rissspitze sind in den Bildern 7.12 a) und 7.12 b) dargestellt, wobei zwischen einer geometrisch linearen und nichtlinearen Analyse unterschieden wird. Bei Berficksichtigung groger Deformationen wird die Abstumpfung der Rissspitze infolge der hochgradig plastisch verzerrten Elemente wesentlich besser nachgebildet als mit infinitesimalen Verzerrungen. Deshalb ist ffir die pr~zise Ermittlung der RissspitzenSffnung unbedingt eine geometrisch nichtlineare Analyse notwendig, wohingegen das globale Verformungsverhalten kanm beeinflusst wird, wie Bild 7.13 belegt. Der numerische Aufwand steigt bei gro]~en Deformationen wegen der erforderlichen feineren LastschrittInkrementierung erheblich (ira Beispiel anf das 4-fache). Das J-Integral wird nach Formel (7.13) (ohne Korrekturterme) anf 15 Elementringen um die Rissspitze ausgewertet, die einen Abstand von R = 0,0016 - 0,2 a hatten. Die Ergebnisse sind wieder ffir eine geometrisch lineare bzw. nichtlineare Analyse in den Bildern 7.15 a) bzw. 7.15b) dargestellt. Im SSY-Bereich w~ichst J quadratisch mit der Belastung F (oder q), im LSY-Bereich stellt sich eine lineare Beziehung ein. Bei Annahme kleiner Deformationen ist J unabh~ngig vom Integrationsweg. Werden gro~e Deformationen beriicksichtigt, so beobachtet man hingegen eine starke Wegabh~gigkeit. Insbesondere fallen die Werte der sehr dicht um die Rissspitze gelegten Pfade deutlich

7.4 Beispiele

305

Bild 7.11: Form der plastischen Zonen in der CT-Probe bei den Belastungsstufen q ----0,1, 0,22 und 1,0 mm. a) Gesamtansicht (links), b) Rissumgebung (rechts)

Bild 7.12: Abstumpfung der Rissspitze im FEM-Modell bei Annahme a) kleiner und b) grof~er Verzerrungen (Magstab 1 : 1)

306

7 FEM-Techniken zur Rissanalyse in elastisch-plastischen Strukturen

Bild 7.13: Kraft-Verschiebungs-Diagramm der CT-Probe

Bild 7.14: Rissspitzen5ffnung CTOD als Funktion der Kraftangriffspunktverschiebung q

Bild 7.15: J-Integral als Funktion der Belastung bei a) kleinen und b) grogen Deformationen

7.4 Beispiele

3o7

ab, weil aufgrund der Rissabstumpfung die 1/r-Singularitiit in der spezifischen Form~nderungsarbeit U verloren geht. Wie im Abschnitt 7-3 begriindet, liefert unter diesen Bedingungen nur das aus dem Fernfeld berechnete Jff eine im Rahmen der E P B M sinnvolle bruchmechanische Kenngr6ge. Man muss also die J-Werte ans m6glichst weit von der Rissspitze entfernten Konturen bzw. sie umschliei~enden Gebietsintegralen ermitteln. Dort konvergieren die Integrale auch gegen einen gemeinsamen Wert (Bild 7.15 b) Jff, der mit J aus der geometrisch linearen Analyse (Bild 7.15 a) iibereinstimmt. 7.4.2

Plattenzugversuche

m i t Oberfl[ichenriss

Im Rahmen eines Untersuchungsprogramms [154] wurden aus einer Rohrleitung DN8oo streifenfSrmige Segmente herausgetrennt und im Zugversuch getestet, siehe Bild 7.16. Auf der Innenseite dieser Plattenzugproben wurden in der Mitte halbeUiptische Oberfl~chenrisse mit dem Achsenverh~iltnis a : c -- 1 : 3 eingebracht. Es wurden drei verschiedene RissgrSgen a : c -- 3 : 9, 6 : 18 und 9 : 2 7 m m vorgegeben, die 0,25, 0,5 und 0,75 der W a n d s t ~ k e h betragen.

Bild 7.16: Plattenzugprobe mit halbelliptischem Oberfl~chenriss (Mage in mm) Da die Zugprobe, ihre Belastung und Lagerbedingungen zwei Symmetrieebenen besitzen - die Mittelebene und die L~ingsebene - braucht nur das in Bild 7.16 schraffierte Viertel modelliert zu werden. Dieser Bereich wurde mit 2o-Knoten-Hexaderelementen vernetzt, wobei eine extreme Verfeinerung in der Rissumgebung erfolgte, um den dort auftretenden inhomogenen Spannungs- und Verformungszustand mit ausreichender Genauigkeit berechnen zu kSnnen. Insgesamt bestand das FEM-Modell aus 6 585 Hexaderelementen und 31954 Knotenpunkten. Die Gesamtansicht des FEM-Modells ist der Abbildung 7.17b) zu entnehmen. Die Randbedingungen der Zugprobe entsprechen den iiblichen Lager- und Symmetriebedingungen. Die gekriimmten Rohrsegmente wurden mit speziellen Spannbacken geklammert und gezogen. Deshalb wird im FEM-ModeU angenommen, dass sich die Kontaktfl~chen zwischen Probe und Spannbacken (graue Felder in Bild 7.16) starr in L~ngsrichtung bewegen, d.h. hier werden monoton wachsende, identische Knotenverschiebungen U3 angelegt. In der FEM-Rechnung ergeben sich die Zugkr~fte fiir alle Lastinkremente aus den

3o8

7 FEM-Techniken zur Rissanalyse in elastisch-plastischen Strukturen

Reaktionskr~ften an den Einspannbacken. Das isotrope elastisch-plastische Materialverhalten des Stahls StE 52 wurde mit Hilfe von Standard-Zugproben ermittelt, die man diesem Rohrabschnitt entnahm. Die erhaltenen Flietgkurven (wahre Spannung - plastische Dehnung) zeigt Bild 7.1o. Weitere Werkstoffkennwerte sind: Rp0,2 -- 472MPa, P ~ -- 610MPa, E -- 210000MPa und u -- 0,3. In der FEM-Berechnung wurde der Einfluss gros Deformationen auf die Geometrie und Belastung beriicksichtigt. Einen Detailansschnitt der (halben) Rissvernetzung ffir die Risstiefe a:c = 6:18 zeigt Bild 7.17 a). Ahnliche Diskretisierungen wurden f/ir die beiden anderen Risstiefen a:c = 3:9 bzw. a:c -- 9:27 erstellt. Entlang der Rissfront wurden die Elemente fdcherf'drmig in einem Schlauch von 2o Segmenten konzentriert. Die kleinsten Elemente unmittelbar an der Rissspitze haben eine L~nge von L -- a / 5 0 . Entlang der gesamten Rissfront sind spezielle Rissspitzenelemente mit 1/r-Dehnungssingularit~it angeordnet, woffir die zu Pentaederelementen kollabierten 2o-Knoten Hexaederelemente benutzt werden. Zur Berechnung des J-Integrals wurden um jedes Segment der Rissfront vier Integrationspfade festgelegt. Damit kann J ( s ) entlang der Rissfront s fiir den gesamten Belastungsverlauf bestimmt werden. Die Berechnungsergebnisse zeigen, dass die J-Werte nahezu unabh~ingig vom Integrationspfad sind. Nur der engste Pfad f'dllt aus bekannten numerischen Griinden etwas ab, weshalb als Ergebnis fiir J der Mittelwert der drei ~iuigeren Pfade genommen wurde.

Bild 7.17: a) FEM-Netz an der Rissspitze 6:18, b) Gesamtansicht des vernetzten Modells Bild 7.18b) gibt die Gesamtansicht der verformten Zugprobe mit Riss a:c -- 6:18 wieder und Bild 7.18 a) cinch Ausschnitt um die Rissfront. Die Farben entsprechen Isofl~ichen der v. MISES-Vergleichsspannung. Alle Spannungen oberhalb der Streckgrenze Rpo,2 zeigen plastifizierte Gebiete an. Insgesamt lassen die Berechnungsergebnisse folgendes erkennen: 9 Alle Proben erreichen den vollplastischen Zustand. Ausgehend von den Rissen entstehen deutlich ausgepr~gte plastische Zonen, die sich wie in Bild 7.18b) sichtbar schr~g fiber den gesamten Querschnitt erstrecken. 9 Das 0berschreiten der plastischen Grenzlast E L wird durch ein markantes Abknicken aller Kraft-Weg-Kurven der Zugproben charakterisiert. Solange die Plastifizierung noch durch das umliegende elastische Gebiet e i n g e s c h r ~ k t wird, verlaufen die Kurven nahezu linear. Dies ist besonders gut bei den berechneten KerbSffnungen

7.4 Beispiele

309

Bild 7.18: Elastisch-plastische Verformung und v. M1sEs-Spannung der Zugprobe mit Riss 6:18. a) Detailausschnitt am Riss b) Gesamtansicht COD der Risse an der Probenoberfl~che festzustellen, siehe Bild 7.19. Die Kerbaufweitung (Nachgiebigkeit) steigt verst~dlicherweise mit der Rissgr6f~e. Zugleich wird der elastisch-vollplastische 0bergang weicher. Die Kerb6ffnung COD ist eine wichtige MessgrS~e, aus der oft auf die Rissspitzen6ffnung CTOD extrapoliert wird. 9 Die Risse stumpfen durch plastische Verformungen stark ab, wie Bild 7.18 a) erkennen l~sst. Die RissspitzenSffnung 5t wurde nach der Sekantenmethode (-4-45~ an allen Positionen s der Rissfront auf senkrechten Schnittebenen des FEM-Netzes ausgewertet. Die Maxima lagen am Scheitelpunkt der halbeUiptischen Risse und sind in Bild 7.2o fiber der Belastung aufgetragen. Eingeffigt ist auch die Bruchz~higkeit CTODi = 6szH = 142 #m, bei der nach dem CTOD-Kriterium duktiles Pdsswachsturn einsetzen sollte. Nach dem J-Integral-Konzept der Z~ihbruchmechanik wird das duktile stabile Risswachstum dann eingeleitet, wenn der Wert von J den physikalischen Initiierungskennwert Ji iiberschreitet ( J > Ji). In Bild 7.21 sind die berechneten J-Integral-Werte entlang der Rissfront als Funktion der Belastung (steps) dargestellt. Die maximalen J-Werte treten in allen Fs im Scheitelpunkt der halbelliptischen Rissfront auf. Bild 7.22 fasst die Maximalwerte Jmax fiir alle drei Risskonfigurationen zusammen. Man beobachtet einen geringen Anstieg von J i m Bereich eingeschr~kter plastischer Verformung (SSY). Sobald die Zugkraft die entsprechende plastische Grenzlast iiberschreitet, steigen die J-Werte in allen drei Berechnungsf~dllen steil an. Zum Vergleich ist der Bruchz~i~higkeitskennwert Ji -- 143 k J / m 2 im Diagramm 7.22 eingetragen. Somit liefert das Bruchkriterium die kritischen Kr~fte Fi bzw. Verformungswege U3 der Proben fiir eine Rissinitiierung: Riss 3:9: Fi -- 814kN, U3 -- 6,8 mm, Riss 6:18: Fi -- 779 kN, U3 -- 1,53 mm, Riss 9:27: Fi -- 686 kN, U3 -- 1,31 mm. Mit zunehmender Rissl~nge ist eine geringere Kraft Fi bzw. ein gr6t~erer Verformungsweg U3 ffir die Initiierung des Risswachstums notwendig. Die Vorhersagen der elastisch-plastischen FEM-Analysen zur Rissinitiierung wurden durch die experimentellen Ergebnisse der Plattenzugversuche best~tigt [154].

3 lo

7 FEM-Techniken zur Rissanalyse in elastisch-plastischen Strukturen

Bild 7.19: Diagramm: Zugkraft - max. Kerb5ffnung COD am Probenrand (Rissmitte)

Bild 7.20: Max. RissSffnungsverschiebungen C T O D als Funktion der Belastung ffir alle drei Risstiefen

Bild 7.21: Verlauf des J-Integrals entlang der Rissfront mit steigender Belastung fiir Riss 6:18

Bild 7.22: Max. Werte des J-Integrals als Yhnktion der Belastung ftir alle drei Risstiefen

N u m e r i s c h e S i m u l a t i o n des R i s s w a c h s t u m s

8

Die Vorhersage des Ausbreitungsvorgangs von Rissen ist fiir viele bruchmechanische Fragestellungen von Bedeutung. Die numerische Simulation bietet zur LSsung dieser Aufgaben hervorragende MSglichkeiten und hat sich zu einem unentbehrlichen Werkzeug entwickelt. Ein besonders hohes technisches Interesse besteht an der Modellierung des unterkritischen Wachstums von Ermiidungsrissen, der stabilen Rissausbreitung in duktilen Werkstoffen und von instabilen dynamischen Bruchvorggngen. Die Bruchmechanik stellt fiir diese F~lle Kriterien und Gesetzm~igkeiten bereit, siehe die Abschnitte 3.2, 3.3, 3.4 und 3.5, die festlegen: 9 bei welcher Belastung die Rissausbreitung beginnt, 9 in welcher Richtung 0r die Rissausbreitung erfolgt, 9 wie groig der Betrag Aa des Risswachstums ist. Die Aufgabe der numerischen Simulation besteht somit darin, diese Gesetze im Rahmen des Finite-Elemente-LSsungsalgorithmus umzusetzen. Aus kontinuumsmechanischer Sicht bedeutet Risswachstum die ~.nderung der RWA, weil hierdurch neue Pd4nder (Rissufer) mit ver~nderten Randbedingungen entstehen. Daraus ergibt sich auch fiir die FEMAnalyse das Problem, die Miumliche Diskretisierung beim Risswachstum fortlaufend zertrennen oder anpassen zu miissen. Ffir diesen Zweck wurden verschiedene Techniken entwickelt, die im Folgenden dargestellt und diskutiert werden. Bei dieser Vorgehensweise wird die Rissausbreitung zumeist als zeitliche Abfolge von RWA mit diskreten, wachsenden Rissl~ingen ai modelliert und die Materialtrennung entlang des Rissinkrementes Aai als diskontinuierlich (scharfe Trennung) angenommen. In Wahrheit verl~iuft die Rissausbreitung natiirlich stetig und auch das Materialversagen in der Prozesszone ist ein kontinuierlicher Vorgang. Bei einigen numerischen Simulationen wird versucht, auch diese Phgnomene nachzubilden. Um Fehlinterpretationen zu vermeiden, sollte man jedoch klar zwischen werkstoffmechanischem Modell und numerischer Technik unterscheiden, wenngleich sie in der Simulation eng verzahnt sind. 8.1

Technik

der Knotentrennung

Die einfachste Methode, um Risswachstum in einem FEM-Netz zu simulieren, besteht in der Auftrennung eines Knotens, so dass der Riss um ein Inkrement Aa entlang der Elementkante bis zum n~chsten Knoten vergrSigert wird. In Bild 8.1 wird dies fiir den symmetrischen Modus-I-Fall und eine aUgemeine Mixed-Mode-Beanspruchung gezeigt. Beim Modus I (Bild 8.1 a) geschieht die Rissausbreitung immer entlang einer Symmetrielinie, so dass lediglich die Bindung der Normalverschiebung des Rissspitzenknotens gelSst werden muss. Im allgemeinen Fall (Bild 8.1 b) mfissen der Rissspitzenknoten und

312

8 Numerische Simulation des l~isswachstums

Bild 8.1: Schematische Daxstellung der Knotentrennung bei a) symmetrischer und b) allgemeiner Belastung

Bild 8.2: Kontinuierliche Entlastung der Schnittkraft am Rissspitzenknoten die Elementkanten auf Aa zuerst verdoppelt und dann separiert werden, d. h. es entsteht ein zus~tzlicher Knoten im FEM-Modell und die Knotenzuordnung der Risselemente A bzw. A' ist zu modifizieren. Am hoch belasteten Rissspitzenknoten herrscht im Sinne der FEM-LSsung ein Gleichgewicht des Kraftsystems, das nach der Trennung in ein Paar entgegengesetzt gerichteter Kr~ifte F (Fall b) bzw. eine Reaktionskraft (Fall a) aufgespaltet wird. Ein abruptes Weglassen dieser Bindungskr~fte wiirde zu einer spontanen Entlastung im Rissspitzenbereich ffihren, was physikalisch nicht korrekt ist und numerische Probleme verursachen kann. Deshalb ist es zweckm~igig, diesen Entlastungsvorgang allm~hlich auszufiihren. In Bild 8.2 sind bew~hrte Funktionen dargestellt, nach denen die Kraft F yon ihrem maximalen Anfangswert F0 auf null abgesenkt wird, was mit einer ver~xlderlichen Position x/d der wahren Rissspitze korreliert. Nehmen wir an, im Verlaufe der FEM-Analyse wird an der momentanen Rissspitze das Bruchkriterium erreicht. Fiir die geforderte Richtung 8r wird im FEM-Netz die beste Orientierung gesucht. Der Betrag Aa der Rissausbreitung ist an die Elementgr6ge L

8.2 Techniken der Elementmodifikation gebunden. Dann folgt der Algorithmus der

313

Knotentrennung:

1. Einfrieren (konstant halten) der ~iut~eren Belastung 2. Bestimmung der Schnittkraft F0 ans der Lagerreaktion (Fall a) bzw. mit den in Abschnitt 5.5.2 d) beschriebenen Methoden (Fall b) 3. LSsen der Lagerbindung (Modus-I-Fall a) bzw. Einfiihrung eines Doppelknotens (Mixed-Mode-Fall b) an der Pdssspitze 4. Ersetzen der kinematischen Bindungen am Pdssspitzenknoten durch die ~quivalente Schnittkraft F0 5. Schrittweise Entlastung der Schnittkraft yon Fo auf null, womit die neu entstandenen Rissufer lastfrei sind 6. Kontrolle, ob Bruchkriterium bei neuer Rissl~ge ebenfalls efffillt wird: ja -~ instabiles Risswachstum, gehe zu Punkt 2 nein --~ Fortsetzung der FEM-Analyse mit neuem Lastschritt Die Technik der Knotentrennung ist im Grunde nur dann anwendbar, wenn man den Pfad der Rissausbreitung im Bauteil bereits kennt, damit die Elemente des Netzes hinsichtlich Orientierung und Gr6ge entsprechend angeordnet werden kSnnen. Anderenfalls wird die L6sung stark netzabh~ingig. Das Verfahren eignet sich vornehmlich in Kombination mit Standardelementen, weshalb die BruchkenngrSgen mit robusten Methoden wie den J-Integralen ermittelt werden mfissen. Trotzdem ist die Technik nfitzlich, u m b e i bekanntem Bruchverlauf die Kinematik der Rissausbreitung in der Simulation nachzuvollziehen und daxaus die Rissbeanspruchungen zu berechnen. Diese Vorgehensweise wird h~ufig zur Analyse bruchmechanischer PrfifkSrper angewandt, so dass aus der gemessenen Beziehung zwischen der Rissl~nge a (Modus-I-Fall) und der Probenbelastung (Kraft, Weg) mittels Simulation die zugeh6rigen bruchmechanischen Kenngr6i~en (J-Integral, KFaktoren, CTOD u.a.) bestimmt werden kSnnen. Wichtig ist der Hinweis, dass bei der hier vorgestellten Technik der Knotentrennung die Energiedissipation durch den Bruchvorgang selbst nicht berficksichtigt wird!

8.2

Techniken der Elementmodifikation

8.2.1

Elementteilung

Eine leistungsfghigere aber aufw~ndigere Technik zur FEM-Simulation der Rissausbreitung ist die Teilung yon finiten Elementen. Hier existieren je nach Elementtyp und Problemstellung vielf~ltige Varianten. Die Methodik soil am Beispiel zweidimensionaler Vernetzungen mit 6-Knoten-Dreieckelementen veranschanlicht werden. Ausgangspunkt ist wiederum ein kritischer Riss der L~nge a an der Position P im momentanen FEM-Netz, ffir den die Richtung Pc und der Betrag Aa des Risswachstums bruchmechanisch vorgegeben seien. Die neue Position Pneu der Rissspitze im FEM-Netz ist also bekannt und soil dutch Elementteilungen genau angesteuert werden. Dieses Ziel kann durch verschiedene Teilungsalgorithmenerreicht werden, die in Bild 8.3 veranschaulicht sind. Aus einem ~>Vater-Element(< entstehen dabei zwei oder vier >>Kinder-Elemente<< des gleichen Typs, wohingegen man die umliegenden Elemente unver~ndert bel~st. Die Kombination der

3i4

8 Numerische Simulation des P~isswachstums

Algorithmen wird am Beispiel einer typischen Vernetzung in Bild 8.4 iUustriert. Die neu hinzugekommenen Elemente sind als Strichlinien gezeichnet.

Bild 8.3: Verschiedene Algorithmen zur Teilung von Dreieckelementen

Bild 8.4: Anwendungsbeispiel fiir die Technik der Elementteilung Die Element-Teilungstechnik gestattet die exakte numerische Simulation bruchmechanisch begriindeter Risspfade, was ein groger Vorteil ist. Als Nachteil muss der unvermeidbare Eingriff in die Datenstruktur des FEM-Modells genannt werden, der relativ kompliziert ist und die Verfiigbarkeit des Quellcodes erfordert. Bei inelastischem Materialverhalten miissen aui~erdem die Spannungen und Zustandsvariablen aus der LSsung der >>Vater-Elemente(< auf die neu generierten >>Kinder-Elemente<( iibertragen werden. Ffir 3DRisskonfigurationen gestaltet sich diese Technik als recht schwierig wegen der r~iumlichen Geometrie und Topologie [73]. 8.a.a

Elementausfall

Bei dieser Technik wird die Ausbreitung eines Risses einfach dadurch realisiert, dass man das am hSchsten beanspruchte finite Element an der Rissspitze aus dem FEM-Modell entfernt. Viele kommerzielle FEM-Programme bieten eine so genaunte ElementausfallTechnik (engl. element elimination technique) an. Als Ausfallkriterium kann jede Versagenshypothese der klassischen Festigkeitslehre (v. MISES-Spannung, maximale Haupt-

8.2 Techniken der Elementmodifikation

315

Bild 8.5: Simulation der Rissausbrei- Bild 8.6: Simulation des Bruchvorgangs mit Hilfe angepasster orthotroper Materialsteifigkeiten tung in einem Werkzeugstahl mit Hilfe der ElementausfallTechnik [173]

s p a n n u n g , . . . ), der Bruchmechanik (K, J, 5, ... ) oder der Sch/~iigungsmechanik (Mikrorissdichte, Porosit~t, ... ) gew~hlt werden. Der bestechenden Einfachheit dieser Technik stehen verschiedene Nachteile entgegen. Ganz offensichtlich h~ingt das Simulationsergebhis yon der GrSs der finiten Elemente und der Gestalt des Netzes ab. Je kleiner die Elemente an der Spitze des Hauptrisses sind, umso hSher ist ihre Beanspruchung und um so friiher ihr Versagen. Es wird nicht nur die Bilanzgleichung der Energie (keine Dissipation) sondern anch der Massenerhaltung verletzt. Das Verfahren eignet sich deshalb weniger ffir die Simulation der Ausbreitung von Makrorissen, wo dominante Singularit~iten auftreten, sondern ist besser ffir die Modellierung diverser Sch~digungsmechanismen in einem Werkstoffgef/ige nutzbar wie z. B. der Bildung von Mikrorissen oder dem Wachstum von Mikroporen. Bild 8.5 zeigt eine typische Anwendung der Elementansfall-Technik anf einen Werkzeugstahl mit sprSden Karbidpartikeln [173]. Der Gefiigeausschnitt von 100 x 100 # m wurde detailgetreu mit FEM nachgebildet. Mit steigender Belastung entstehen Mikrorisse an den Karbiden, die sich dann zu einem Makroriss vereinigen.

8.2.3

Anpassung der Elementsteifigkeit

Diese Technik wurde zur Modellierung der Bruchvorg~inge in sprSden Werkstoffen wie Beton, Gestein oder Keramik entwickelt und hat die englische Bezeictmung smeared crack model, was am besten als homogenisiertes Mikrorissmodell zu iibersetzen ist. Uberschreitet in diesen Werkstoffen die maximale Hauptnormalspannung eine kritische Zugfestigkeit, so bildet sich senkrecht zur Hanptspannungsrichtung ein schmales Band von Mikrorissen ans, was in Bild 8.6 skizziert ist. Da der Werkstoff in Normalenrichtung nur noch

316

8 Numerische Simulation des R.isswachstums

geringffigige Spannungen ann iibertragen kann, entsteht eine orthotrope Anisotropie der elastischen Eigenschaften, wobei die Basisvektoren (n, t) die Richtungen normal und tangential zum Mikrorissband verkSrpern. Die reduzierten Materialsteifigkeiten werden in diesem Koordinatensystem mit Hilfe einer modifizierten Elastizit~itsmatrix beschrieben, was fiir den ESZ (siehe (4.46)) folgende Form ergibt:

----

/

LTnt j

-

1

0

E

00

0

p (A~- E

(8.1) LO'n~J

E und y bezeichnen die elastischen Konstanten des intakten Werkstoffs. Die Dichte der Mikrorisse wird durch eine SchSdigungsvariable w(e) beschrieben, welche sich mit der Verformung e vom Wert w = 0 (ungesch~digter Ausgangszustand) bis zum Endwert w = 1 (totale Sch~kiigung) entwickelt. Somit f~illt der Elastizit~tsmodul in Normalenrichtung mit zunehmender Entfestigung vom Anfangswert E auf den Wert null ab, wohingegen in Tangentialrichtung zum Mikrorissband die Steifigkeit unvermindert besteht, siehe (8.1). Aufgrund von Oberfl~ichenrauhigkeiten und Briicken zwischen den Rissufern verschwindet die Schubsteifigkeit des Mikrorissbandes unter Modus-II-Beanspruchung nicht vollst~dig, sondern wird in (8.1) durch einen Schubaufnahmefaktor # ~ 0,2 reduziert. Weitere Details finder man in [32, 70]. Zur Implementierung dieser Technik in den FEM-Algorithmus braucht man lediglich die Elastizit~itsmatrix C in den Integrationspunkten der betroffenen Elemente durch die modifizierte Matrix C(er, w) auszutauschen und in das globale x-Koordinatensystem zu transformieren. Das FEM-Netz muss also nicht ver~ndert werden, worin der groJ~e Vorteil des Verfahrens liegt. Von Nachteil ist eine gewisse Netzabh~ngigkeit, insbesondere wird mit der ElementgrS~e L in etwa die Breite d des Mikrorissbandes willkfirlich festgelegt. Im Gegensatz zur Technik der Elementteilung, wo der Riss als scharfe geometrische Diskontinuit~it w~ichst, wird bei diesem Verfahren die Materialtrennung als ein geometrisch kontinuierlicher Ubergang innerhalb des Mikrorissbandes modelliert, dem makroskopisch eine extreme Lokalisierung der Dehnung e,~,~ entspricht. Die Technik der angepassten Elementsteifigkeiten wurde vor allem in der Beton-Bruchmechanik erfolgreich angewandt [115]. 8.3

Mitbewegte

Rissspitzenelemente

Ein Nachteil der bisher beschriebenen Techniken besteht darin, dass mit regul~ren Finiten Elementen gearbeitet wird. Weitans vorteilhafter und genaner w~re natiirlich die Verwendung spezieller Rissspitzenelemente (siehe Kapitel 5). Das erfordert allerdings eine andere Technik, weil diese Sonderelemente stets die Rissspitze umgeben und deshalb mit ihr mitbewegt werden miissen. Man kennt verschiedene Vaxianten der lokalen Mitf'dhrung von Rissspitzenelementen in einem FEM-Netz (engl. moving local mesh procedure), die insbesondere von NISHIOKA [187] fiir dynamische Rissprobleme entwickelt wurden. Bild 8.7 illustriert die Vorgehensweise am ebenen Beispiel der Modus-I Rissausbreitung entlang einer Symmetrielinie. Das mitbewegte Gebiet der Rissspitzenelemente wird mit A bezeichnet, mit B sind die zu modifizierenden angrenzenden regul~ren Elemente gekennzeichnet

8.3 Mitbewegte Rissspitzenelemente

317

Bild 8.7: Simulation der Rissausbreitung unter Modus-I durch Verschiebung von Sonderelementen mit der Rissspitze

Bild 8.8: Simulation der Rissausbreitung unter gemischter Mixed-Mode-Belastung durch mitbewegte Viertelpunktelemente im kreisf'6rmigen Nahbereich [177, 190] und C beschreibt das weiter au]gen liegende unver/inderte Netz. Wie die Bildsequenz zeigt, erfolgt die lokale Netzanpassung ausschlie~lich im Bereich B und springt dann um ein >>Elementraster<< weiter. Als Rissspitzenelemente kSnnen entweder hybride Elemente (Abschnitt 5.3) oder Viertelpunktelemente (Abschnitt 5.2.2) eingesetzt werden, die anfgrund der eingebanten Risssingularit~ten trotz einer groben Vernetzung eine sehr genane Berechnung der Spannungsintensit~itsfaktoren ermSglichen. Neben diesem wesentlichen Vorteil zeichnet sich die Technik der mitbewegten Rissspitzenelemente gegeniiber anderen Verfahren anch dadurch aus, dass die L~inge des Rissinkrementes Aa nicht an die FEM-Diskretisierung gebunden ist, sondern kontinuierlich auf den gew/inschten Betrag einstellbar ist. Bei einigen Hybridelementen kann Aa sogar im Element selbst vaxiiert werden, siehe Bild 5.15. Diese Vorz/ige erkauft man sich durch den erhShten Aufwand einer st~ndigen Neuvernetzung, d. h. zumindest im Bereich B m/issen die Elementsteifigkeitsmatrizen neu anfgebant und assembliert werden. Einsch~nkungen ergeben sich aus dem Umstand, dass leistungsfdhige Rissspitzenelemente nur f'tir statische und dynaxnische

3x8

8 Numerische Simulation des Pdsswachstums

Rissprobleme der LEBM zur Verffigung stehen. In anderen F~llen (z. B. EPBM) kann der Bereich A auch mit Standardelementen vernetzt werden. Mit geringfiigigem Mehraufwand l~sst sich diese Teehnik ebenso auf krummlinige Rissausbreitung unter Mixed-Mode-Beanspruehung erweitern. Bild 8.8 zeigt ein Beispiel mit kreisf'6rmigem Kerngebiet A aus Viertelpunktelementen [177, 190], das die bewegte Rissspitze umsehliet~t und dureh ein Ubergangsgebiet (B) aus konzentrischen Elementringen an das ~us Netz angesehlossen wird. Fiir die Netzanpassung bieten sieh automatisehe Netzgeneratoren wie z. B. der DELAUNAY-Algorithmus [300] fiir Dreieeke an. Eine interessante gemisehte Teehnik aus Standard- und Rissspitzenelementen wurde in [242] fiir ebene und r~umliche l~issausbreitung vorgeschlagen. Sie kombiniert eine einfache Vernetzungsstrategie fiir regul~e Elemente mit der besseren Genauigkeit von Rissspitzenelementen durch folgenden Algorithmus, der anhand von Bild 8.9 erl~utert wird: 1. Neuvernetzung der Rissumgebung mit Standardelementen (2D Dreiecke bzw. 3D Tetraeder) fiir das aktuelle Rissinkrement 2. Durchfiihrung einer FEM-Analyse mit diesem globalen Netz 3. Festlegung eines Submodells um die Rissspitze, das ans optimal angeordneten Elementen (regul~re 2D Vierecke oder 3D Hexaeder bzw. entsprechenden Viertelpunktelementen) besteht 4. Ubertragung der VerschiebungslSsung der globalen Analyse auf die Randknoten des Submodells 5. FEM-Analyse mit dem lokalen Submodell und Bestimmung der BruchkenngrS~en, wozu entweder das Rissschliei~integral (Abschnitt 5.5) oder die Viertelpunktauswertung (Abschnitt 5.2.3) genutzt wird.

Bild 8.9: Kombinierte Technik aus globaler Rissvernetzung und lokalem Submodell mit spezifischer Elementanordnung zur Rissanalyse [242]

8.4 Adaptive Vernetzungsstrategien

8.4

Adaptive Vernetzungsstrategien

8.4.1

Fehlergesteuerte adaptive Vernetzung

319

Im Unterschied zu einer automatischen Vernetzung von Risskonfigurationen bzw. ausgew~hlten Teilbereichen (z. B. im vorigen Abschnitt 8.3), die mit herkSmmlichen Netzgeneratoren erfolgt, spricht man von einer adaptiven Vernetzung dann, wenn der Algorithmus auf der Basis der FEM-LSsung selbst eine Anpassung der Diskretisierung an das behandelte Problem vornimmt. Als Kriterium fiir eine lokale Verfeinerung oder VergrSberung der Vernetzung dienen Ma~e ffir den numerischen Fehler an dieser Stelle. Daffir existieren verschiedene a posteriori Fehlersch~itzer, siehe z.B. [300,290], die entweder auf einer energetischen Fehlernorm zwischen dem lokalen FEM-Wert und einer global verbesserten FEM-Approximation basieren oder die Residuen von Feldgr5i~en anf den Elementr~ndern Se answerten. Da bei der Verschiebungsgr5f~en-FEM die Schnittspannungen anf den Kanten zwischen benachbarten Elementen nicht exakt reziprok sind (4.6), sondern eine Unstetigkeit aufweisen (siehe Bild 4.2), wird die quadratische Norm des Spannungssprungs A t i = t + + tT, = (a + - a ~ ) n j als Fehlerindikator fiir jedes Element e benutzt: NK

7~ = ~ 411Atoll2.

(8.2)

k=l

Hierbei wird fiber alle NK Kanten Se des Elementes summiert und mit ihrer L~nge lk gewichtet. Eine Absch~itzung ffir den Gesamtfehler der numerischen L5sung mit der

gegebenen Diskretisierung erh~lt man ans dem Mittelwert

7=

I oo

(s.3)

Der Vergleich des lokalen Elementfehlers mit dem Mittelwert steuert die adaptive VerKnderung der Vernetzung. Uberdurchschnittlich fehlerbehaftete Elemente mit 72 > O/fein72 werden verfeinert (OZfein ~,~ 0,8), wKhrend man Elemente mit geringem Fehler 72 < O~grob72 (OLgrob ~,~ 0,001) wieder vergrSbern kann. Auf diese Weise wird in einer Folge von FEMAnalysen eine schrittweise fehlergesteuerte Verbesserung der Diskretisierung erzielt, bis der Gesamtfehlerindikator 7 eine Toleranzschranke unterschreitet. Die adaptive Vernetzung l~sst sich besonders effektiv durch Verknfipfung mit einem iterativen FEM-Gleichungsl5ser (z. B. konjugierte Gradientenmethode) gestalten, wenn zur Vorkonditionierung die Datenstrukturen und Ergebnisse des vorherigen Verfeinerungsschrittes genutzt werden [169].

8.4.2

Simulation der Rissausbreitung

Wendet man den adaptiven Vernetzungsalgorithmus auf Rissprobleme an, so wird auf sehr komfortable Weise automatisch das FEM-Netz in der Rissspitzenumgebung verfeinert, da bier der lokale Fehler der numerischen L5sung aufgrund der Spannungssingularit~t am h5chsten ist. Fiir die Berechnung der Spannungsintensit~tsfaktoren kSnnen prinzipiell

320

8 Numerische Simulation des l~isswachstums

alle im Kapitel 5 erl~iuterten FEM-Techniken eingesetzt werden. Da das automatisch generierte Netz zumeist aus Dreieckelementen mit einer recht unregelm~igigen Anordnung um die Rissspitze besteht, ist die Auswertung von J als ~quivalentes Gebietsintegral am besten geeignet. Im Falle von Mixed-Mode-Beanspruchung empfiehlt es sich dann, das in Kapitel 6.7.2 vorgestellte Interaction-Integral zu benutzen, um KI und KII zu separieren. Wann daft die sukzessive adaptive Verfeinerung am Riss beendet werden? Die Erfahrungen haben gezeigt, dass eine Uberwachung des Konvergenzverhaltens des J-Integrals bzw. der K-Faktoren angezeigt ist, um die Qualit~t des Netzes in Bezug auf die BruchkenngrSgen zu kontrollieren. Wenn die relative Verbesserung der Ergebnisse eine festgesetzte Schranke unterschreitet, ist die L6sung genau genug. Ffir die Simulation des Risswachstums bildet die so erhaltene FEM-L6sung die Grundlage, um fiber Gr5ge und Richtung des Rissfortschritts zu entscheiden. Daraufhin erfolgt eine Netzanpassung, wofiir sich die Elementteilung nach Abschnitt 8.2.1 anbietet. Mit dem modifizierten Netz des v e r l ~ g e r t e n Risses wird danach eine neue FEM-LSsung unter Verwendung der adaptiven Vernetzung berechnet. Der vollstiindige Algorithmus zur Analyse der Rissausbreitung in Verbindung mit einer adaptiven Verfeinerungstechnik ist in Bild 8.1o zusammengestellt.

Bild 8.1o: Ablaufplan einer Rissausbreitungssimulation in Kombination mit einer adaptiven, fehlergesteuerten Vernetzungsstrategie Als Beispiel wird das Risswachstum in einer symmetrischen Zugprobe untersucht, die durch eine vorgegebene Verschiebung an der linken Modellseite im Modus I belastet

8.5 Koh~isivzonenmodelle

321

ist, siehe Bild 8.11. Gestartet wird mit dem sehr groben Ausgangsnetz Bild a). Der fehlerkontrollierte Algorithmus erzeugt daraus eine extreme Netzverfeinerung am Riss, so dass eine ausreichend genaue Berechnung des Ki-Faktors gegeben ist, verfeinert aber anch an den belasteten Ecken links oben und unten, Bild b). Die Bilder c) und d) stellen das Netz in verschiedenen Stadien der Rissansbreitung dar. Man erkennt sehr deutlich die Netzverfeinerung w~hrend des Risswachstums. Nachdem der Riss von seiner friiheren Position um Aa fortgeschritten ist, wird die Vernetzung an der alten Rissspitze sogar wieder vergr5bert.

Bild 8.11: Beispiel fiir eine adaptive FEM-Simulation der Rissausbreitung in einer Zugprobe: a) Ausgangsnetz, b) Verfeinerung bei Anfangsrissl~inge, c)-d) Ausbreitung

8.5

Koh~isivzonenmodelle

8.5.1

Werkstoffmechanische Grundlagen

Die Idee des Koh~sivzonenmodells (engl. cohesive zone model) beruht auf der Annahme, dass die Materialtrennung beim Bruchvorgang ausschlieglich in einer schmalen streifenfSrmigen Zone vor dem Pdss stattfindet. Nach dieser Vorstellung vollzieht sich die Sch~digung des Materials bis bin zu seiner endgfiltigen Separation im Wesentlichen in diesem begrenzten Bereich, wohingegen der restliche KSrper normalen Verformungsgesetzen unterliegt und sch~digungsfrei bleibt. Das erste Modell dazu stammt von BARENBLATT [24], der die atomaren Wechselwirkungskr~ifte zwischen den Ufern eines sich 5ffnenden Risses beriicksichtigte und diesen

322

8 Numerische Simulation des l~isswachstums

Bereich als KohSsivzone bezeichnete. Das Versagen wird bei diesem physikalisch motivierten Zugang kontinuierlich modelliert. Als Folge davon verschwinden die unrealistischen Spannungssingularit~ten an der Rissspitze - eine wesentliche Eigenschaft aller Kohgsivzonenmodelle. Ein ghnliches Modell wurde von DUGDALE [79] entwickelt, um eine streifenfSrmige plastische Zone vor dem Riss nachzubilden, siehe Abschnitt 3.3.3-

Bild 8.12: Anwendungsbeispiele fiir Kohgsivzonenmodelle: SprSde heterogene Werkstoffe, duktiler Wabenbruch, Faserverbundwerkstoffe (lc~ - L~inge der Koh~isivzone) Inzwischen hat das Koh~isivzonenmodell viele Anwendungen gefunden, die vor allem dutch werkstofftypische Phs des Versagens in einem schmalen Band angeregt wurden. So beobachtet man in keramischen Werkstoffen oder Betonen [115] Materialbrficken zwischen den Rissufern, die begrenzte Kr~ifte fibertragen kSnnen (Bild 8.12). Charakteristische Erscheinungen dieser Art finder man auch bei faserverst~kten Werkstoffen oder in Polymeren, wo sich durch Faseranszug bzw. gestreckte Molekiilketten (crazes) eine Stiitzwirkung ansbildet. Auch die Prozesszone beim duktilen Bruch, in der infolge von Bildung, Wachstum und Vereinigung yon Mikroporen eine geometrische Entfestigung der verbleibenden Zwischenbereiche ablguft, kann nfi~herungsweise anf ein schmales Band reduziert werden, siehe Bild 8.12. Weitere AnwendungsmSglichkeiten des Kohgsivzonenmodells findet man bei Klebeverbindungen oder engspaltigen Schweignfihten. In Verbindung mit numerischen FEM-Berechnungen haben Kohgsivzonenmodelle vor allem deshalb an Bedeutung gewonnen, weil sich damit das Risswachstum recht leicht simulieren l ~ s t . Erstmalig hat NEEDLEMAN [181] auf diese Weise das Risswachstum in duktilen Werkstoffen mit FEM modelliert. Die Grundlage aller Kohgsivmodelle ist das Gesetz, welches die Kraftwechselwirkung zwischen den beiden Grenzfl~chen (Rissufern) beschreibt. Hierbei handelt es sich um ein echtes lokales Materialgesetz, das yon der ~ius Belastung u n a b h ~ g i g ist. Das so ge-

8.5 Koh~isivzonenmodelle

323

nannte KoMisivgesetz oder Separationsgesetz wird fiblicherweise als Funktion zwischen den Randspannungen a und der Separation 5~ = u + - u~ der Grenzfl~ichen dargestellt, d.h. dem Abstand der Rissufer. Es existieren in der Literatur inzwischen viele Vorschl~ge fiir Koh~ivgesetze, die sich je nach Werkstoff und Versagensmechanismus unterscheiden, siehe z.B. die Ubersichten von BROCKS und CORNEC [43, 44]. Bild 8.13 zeigt einige typische Formen. Mit wachsendem Abstand steigt zuniichst die Spannung an bis zu einem Maximum, der KohSsionsfestigkeit ac des Materials. Wenn die Separation eine kritische DekoMisionsliinge 5~ erreicht hat, so ist das Material zertrennt und es kann keine Spannung mehr iibertragen werden. Die Integration des Separationsgesetzes bis zum Versagen 5~, also die Fl~iche unter der Kurve, liefert die bei der Materialtrennung dissipierte Arbeit - die spezifische Bruchenergie pro Oberfl~iche Gr -- 2-f nach GR.IFFITH.

5c Gc ----/ o'(Sn)dSn 0

Separationsenergie

(8.4)

q /

Die Separationsenergie muss nach Abschnitt 3.2.5 v o n d e r lokalen Energiefreisetzungsrate A~Vc des Systems gem~itg der Beziehung (3-84) bereitgestellt werden. Andererseits kann man mit (3.1oo) das J-Integral ~ Jtip direkt in der Koh~ivzone des Risses auswerten, wofiir der Integrationspfad genau entlang ihrer Berandung F~z in Bild 8.12 gefiihrt wird. Damit entf'~llt der 1. Term mit U aus (3.100). Bei reiner Modus-I-Belastung besteht der 2. Term nur aus dem Produkt der Normalspaanungen - a 2 2 = a(Sn) mit den Verschiebungen u + des oberen Rissufers, was sich mit entgegengesetzten Vorzeichen (u 2 = - u +, +a22) am unteren Rissufer wiederholt, so dass mit 5n ----U+ -- U2 gilt:

grip= /'cz

~--ffij-~~xl)njds----

~--0"22~-~Xl) d8

/~cz

(8.5)

=f a(dn)ldXl= f a(Sn)dSn=Gc. 0

0

Rissinitiierung setzt ein, wenn 5 = 5c an der eigentlichen Rissspitze (Xl = 0) erreicht wird, was dem CTOD-Wert 5t entspricht (Bild 8.12). Im Rahmen der LEBM ist sofort die Verbindung mit den Bruchzghigkeitskennwerten Gr ~- GI~ = K 2 J E ~ gegeben. In der E P B M korreliert die Separationsenergie bei hinreichender Wegunabh~ingigkeit von J mit dem physikalischen Initiierungswert Gc ~ Ji. Damit ist der Zusammenhang zwischen Koh~ivzonenmodell und klassischer Bruchmechanik hergestellt. Fiir spr5de Metalle eignet sich das Exponentialgesetz (8.6) nach Bild 8.13 a, das auf Energiepotentialen der atomaren Bindungen von ROSE u.a. [229] beruht und yon NEEDLEMAN [182] in modifizierter Form fiir Kohgsivzonenmodelle eingefiihrt wurde.

dr(5n) __ Vc 50 5n 50 exp

--~00 ,

Gc -- e ac 50,

(e ~ 2,718)

(8.6)

324

8 Numerische Simulation des Risswachstums

der Am Anfang iiberwiegt der lineare Anteil, biN bei 50 daN Maximum ac = Gr Funktion erreicht wird, wonach sie exponentiell abklingt. Eine trapezfSrmige Form des Separationsgesetzes (Bild 8.13b ) haben TVERGAARD HUTCHINSON [276] und SCHEIDER [233] ffir duktiles Risswachstum vorgeschlagen. Die Anfangssteifigkeit, der Bereich konstanter Maximalspannungen und die Entfestigungskurve kSnnen je nach Bedarf frei gew~hlt werden. Die differenzierbaren Kurvenfiberg/inge sind ffir die Numerik vorteilhaft.

=/~162 \5~)

ffir 5n <~ 51

J

a(Sn)

ac = ~c

~ [ 2 )( Q5~-\ - 52

(~

151

~

- ~. / ' ~5 ~-5~ - - -~ )52"~ 2

ffir 51 ~ 5n _< 52 +

11

(8.7)

ffir 52 < 5n < 5c

152~

+ ~)

(8.8)

Bild 8.13: Typische Ans~tze ffir Separationsgesetze Ffir sprSde Werkstoffe Tie Beton wurden Yhnktion mit unendlicher Anfangssteifigkeit, aber linear HILLERBORG [114] oder bilinear BAZANT [31] abnehmendem Gesetz angenommen (Bild 8.13 c).

dr(5n)=Vc (1- ~)

(8.9)

Die drei wesentlichen Parameter ac, Gc und 5~ jedes Koh/isivgesetzes kann man experimentell relativ gut bestimmen: 1. a~ aus der Hruchspannung yon glatten oder gekerbten Zugproben, 2. G~ aus Bruchmechanikversuchen fiber KI~ oder Ji und 3. 5c aus der Vermessung der Bruchprozesszone. Im allgemeinen Fall ffihren die Grenzfl~chen nicht nur Verschiebungen 5~ senkrecht zueinander (Modus I) aus, sondern bewegen sich in der Ebene tangential 5t (Modus II)

8.5 Koh/isivzonenmodelle

325

und transversal 5s (Modus III) zueinander. Der Separationsvektor ~ ---- [Sn (~t 5s] T wird in einem lokalen Koordinatensystem (en, et, es) angegeben (Bild 8.14). Im ebenen Fall benStigt man zwei Koh/isivgesetze fiir das Verhalten bei Normal- und Scherseparation, die u.U. miteinander gekoppelt sein kSnnen [292,233, 195]. Sie verkniipfen den Separationsvektor 3 mit dem Vektor der Koh~ivspannungen t: t ---- aen + Tet,

~ ----5hen + dtet

t = f(~)

~r = fn((Sn,St)

bzw.

(8.10) und

T = ft(Sn, St)

(8.11)

Bild 8.15 zeigt typische Koh/isivgesetze fiir beide Separationsmoden. Die Schubspannungen bei Scherung fizldern ihr Vorzeichen, wenn die Separationsrichtung 5t wechselt. Das Gesetz ffir die Normalspannungen a ist anf 5n _> 0 beschrgnkt, da anderenfalls ein Kontakt der Rissufer anftritt, der Reaktionskr~ifte zur Folge hat. Im Fall von Druckbelastungen miissen Annahmen ffir die Reibung zwischen beiden Grenzfl/ichen getroffen werden.

Bild 8.14: Finite Elemente Realisierung des Koh~ivzonenmodells

Im Weiteren wird eine Methode zur Erweiterung der Koh~isivgesetze anf lokale MixedMode-Verh~iltnisse vorgesteUt, die auf ORTIZ & PANDOLFI [195] zuriickgeht. Es wird eine effektive Separation r5 eingefiihrt, wobei der Faktor 0 s ~/ < 1 das Verh~iltnis zwischen Schubsteifigkeit und Dehnsteifigkeit des Koh~sivgesetzes charakterisiert.

Jedes Koh/isivgesetz kann ans dem zugeh5rigen Potential der inneren Energie r leitet werden. Ffir das Exponentialgesetz (8.6) erh~Llt man die Funktion

r

/

a(5) d S = G e

woraus sich a = 0 r

E (') 1-

1+~00

exp

( o)1 5

herge-

(8.13)

ergibt. Mit (8.12) und der Kettenregel findet man die beiden

326

8 Numerische Simulation des Risswachstums

Koh~ivgesetze

0r

0r

06

t

6"

0r

und

0r

06 _ tn26t ' 6

(8.14)

wobei aus (8.12) und (8.14) folgt: t = ~/a 2 + ~/__~-21

(8.15)

Das ModeU l ~ s t sich auch auf den 3D-Fall verallgemeinern, wenn man die beiden (bei Isotropie) gleichberechtigten Scherseparationen in der Grenzfliiche vektoriell addiert und die Beziehung (8.14) als Kohiisivgesetz in dieser T-Richtung versteht: 8T

= 6tet -{- 6ses'

6T

~

TT

= Ttet -~- Tses,

TT

~

~ TT =

T]26T 9

(8.16)

Abschliegend soll noch auf die Unterschiede bei Be- und Entlastung in den Kohiisivgesetzen im Bild 8.z 5 hingewiesen werden. Bis zum Erreichen der Koh~sionsfestigkeit ar wird i. Allg. angenommen, dass die Entlastung auf derselben Kurve zum Ursprung zuriick verliiuft. Nach ~)berschreiten des Maximums ist das nicht mehr m6glich. Vom bisher erreichten Kurvenpunkt A (Crmax , 6max) au8 erfolgt eine Entlastung und eine Wiederbelastung, ab der das Koh~ivgesetz fortgesetzt wird. Somit hat 6m~x die Funktion einer inneren Variablen. Die Entlastung verliiuft entweder parallel zum Anstieg Co im Ursprung, wenn das Kohiisivgesetz plastische Verformungen beschreibt, oder sie geht linear in den Ursprung zuriick, wenn das Versagen elastischer Natur ist und lediglich die Steifigkeit abnimmt. Belastung: Entlastung:

6 -- 6max 6 < 5max

- elastisch:

t = Co 6 ,

und oder

6> 0 (~ < 0 0t(0)

-

plastisch:

Co -

06

02r176 -

062

(8.17)

tm~ 6 t -- 6m~x

Ausfiihrlichere Darstellungen der Koh~sivgesetze findet man in [43, 44]. 8.5.2

Numerische

Umsetzung

Das FEM-Modell besteht aus sch~kiigungsfreien Kontinuumselementen mit einem beliebigen Materialgesetz und Grenzfliichen-Elementen, in denen die Materialseparation mit dem Koh~ivzonenmodell erfolgt, siehe Bild 8.14. Diese Grenzfliichen- bzw. K o h S s i v E l e m e n t e 5ffnen sich g e m ~ dem Separationsgesetz und verlieren ihre Steifigkeit, wenn die Normal- bzw. Tangentialseparationen ihre kritischen Werte 6nc bzw. 6tc erreichen. Dann sind die urspriinglich miteinander in Kontakt stehenden Kontinuumselemente getrennt, d.h. das Material hat an dieser Stelle versagt. Der Riss kann nur innerhalb der

8.5 Koh~isivzonenmodelle

327

Bild 8.15: Koh~isivgesetze ffir die Separation in a) Normalen- b) und Tangentialrichtung Koh~iv-Elemente verlaufen. Wenn der Risspfad nicht yon vornherein bekannt ist, muss das FEM-Netz verschiedene Pfade vorsehen und im Extremfall sogar Koh~isiv-Elemente zwischen allen Kontinuumselementen bereithalten. Koh~siv-Elemente stellen die mechanische Wechselwirkung zwischen zwei Grenzfl~chen her und benStigen daffir keine Ausdehnung in senkrechter Richtung (en-Koordinate). Sie verbinden paarweise gegenfiberliegende Knoten auf den Fl~chen der angrenzenden Kontinuumselemente. Bild 8.16 zeigt typische linien- und ft~ichenfSrmige Koh~isiv-Elemente, wie sie bei zwei- und dreidimensionalen Rissproblemen verwendet werden. Im undeformierten Zustand liegen die Knotenpaare aufeinander. Die Separation der koh~iven Grenzfl~ichen wird aus dem Verschiebungssprung 6 = [ul = u + - u - = [6n 6t 6s] W berechnet. Die Versehiebungen auf den Grenzfl~ichen der Koh~iv-Elemente und damit auch ihre Differenz [[u] werden mit denselben Formfunktionen wie bei den Kontinuumselementen angesetzt, siehe Abschnitt 4.3.1. Die Koh~isivElemente in Bild 8.16 besitzen z.B. lineare AnsEtze, nur Eckknoten und zwei Integrationspunkte je Koordinate. Analog zu Gleichung (4.40) werden die Separationen ~u~ durch ihre Knotenvariablen ~v~ interpoliert: nK

[[u(x)~ = ~

Na(~)[[u(a)]] = N[[v]]

(8.18)

a=l

Das Materialverhalten wird in allen Integrationspunkten der Koh~iv-Elemente bei jedem Lastinkrement bereehnet, d.h. die Koh~isivspannungen t([[u]) = [an Tt %] W zwisehen den Grenzfl~ichen ergeben sich aus den Separationen ~ul fiber das Koh~isivgesetz. Zur Ableitung der Steifigkeitsbeziehung wird das Prinzip der virtuellen Arbeit benutzt. Die innere Arbeit eines Koh~siv-Elementes betr~gt:

6Wi (~) = / 6[[u~ . t dS

(8.19)

sr Da es sich um eine nichtlineare Analyse handelt, ist eine Linearisierung des Inkrementes

328

8 Numerische Simulation des l~isswachstums

bei der aktueUen Belastung notwendig: 6z

Ot . A[[u~ d S

wi (o) =

(8.20)

S~ Ersetzt man mit (8.z8) die Separation und ihre Variationen 6~u]] durch die Knotenvariablen [[v]], so folgt die Matrizengleichung:

(~AWi(e)= (~[v]T/ N T 0 -0~- - ~ N d S

A~v~

(s.21) = 6~v] T

K(~u~)

A~v~

K ist die gesuchte Steifigkeitsmatrix des Koh~iv-Elementes, die yon der aktueUen Materialtangente Ot/O[[u~ des Separationsgesetzes abh~ingt. Die numerische Integration fiber die Grenzfl~che Se wird nach FEM-Standardprozedur (Abschnitt 4.4.3) durchgeffihrt.

Bild 8.16: Koh/isiv-Elemente f/ir Grenzfls

in ebenen und r/iumlichen Strukturmodellen

Im Falle groger Verformungen und StaxrkSrperdrehungen der Koh~siv-Elemente ist es notwendig, die Separationen in einem mitbewegten LAGRANGEschen Koordinatensystem (en, et) zu bestimmen, siehe Bild 8.16. Wcnn x (a) die Koordinaten eines Doppelknotens a i m Ausgangszustand bezeichnen, so berechnen sich die verformten Positionen aus den Verschiebungen der oberen u + (x (~ und unteren u - ( x (~ Grenzfl/iche des Koh~sivElementes. Die Koordinaten eines gemittelten Bezugspunktes ~(~ betragen somit ~(o) = x (o) +

1 (u§

u-(x(o))),

(s.2=)

woraus man das Bezugssystem (Strichlinie in Bild 8.16) des Elementes ermittelt. In senkrechter und tangentialer Richtung en bzw. et bestimmt man wie dargestellt die Separationen 6n und (it.

8.6 Sch~idigungsmechanischeModelle

329

Aufgrund ihrer vielseitigen GestaltungsmSglichkeitenwerden Koh~isivzonenmodelle augerdem ffir die Simulation der Rissausbreitung bei Ermfidung, bei dynamischen Bruchvorg~x~genund bei viskoplastischem Materialverhalten eingesetzt, sowie auf Grenzfl~chenrisse, Delaminationen und Schweigverbindungen angewandt. Beispiele und weiterfiihrende Literatur sind den Ubersichtsartikeln [43, 44] zu entnehmen.

8.6

Schfidigungsmechanische

Modelle

An dieser Stelle mfissen sch~digungsmechanische Modelle erw~hnt werden, weil sie in den letzten zwei Jahrzehnten sehr intensiv und erfolgreich ffir die Simulation der duktilen Rissausbreitung in metallischen Werkstoffen eingesetzt wurden. Wie bereits in Kapitel 2 erl~iutert, beruht das duktile Versagen anf mikromechanischen Sch/~tigungsprozessen im Werkstoff. Am Anfang der Beanspruchung entstehen Mikroporen, die sich bei nachfolgender plastischer Verformung vergrSgern und schliei~lich zusammenwachsen, womit das Material lokal auf der Mikroebene versagt. Zur kontinuumsmechanischen Beschreibung dieser Vorg~nge wurden so genannte schSdigungsmechanische Modelle (engl. damage mechanics models) entwickelt. Die Formulierung der Materialgesetze geschieht ~ihnlichwie in der Plastizit~tstheorie mit ph~nomenologischen Ans~tzen und thermodynamischen Prinzipien. Einige Modelle orientieren sich an den konkreten mikromechanischen Prozessen und versuchen, diese in homogenisierter Form abzubilden. Zur Quantifizierung der Materialsch~digung werden interne Zustandsvariablen - Schiidigungsvariablen - in die Materialgesetze eingeffihrt. Die Ver~nderung der Sch~digung als Folge der lokalen Beanspruchung im Werkstoff wie Spannungen oder plastische Verzerrungen wird fiber ein Evolutionsgesetz ausgedr/ickt, das die Entwicklung der Sch~digungsvariablen beschreibt. Duktile Sch~digungsmodelle gestatten es somit, neben der plastischen Verformung und Verfestigung zugleich die Zerriittung und Entfestigung des Werkstoffs in konstitutiven Gesetzen nachzubilden. Der wesentliche Vorteil gegeniiber klassischen oder bruchmechanischen Festigkeitshypothesen besteht darin, dass die Sch/~digungsmechanik das Verformungs- und Versagensverhalten auf lokaler Ebene verkniipft, d.h. ein Kriterium liefert, welches von der Beanspruchung und ihrer Vorgeschichte abh~ngt. Lokales Versagen wird dann postuliert, wenn die Sch~idigungsvariable einen kritischen Wert erreicht. Sch~digungsmechanische ModeUe eignen sich deshalb hervorragend, um das duktile Versagen in der Prozesszone an der Spitze eines Makrorisses zu simulieren, weil damit u.a. die lokale Beanspruchung (z. B. Mehrachsigkeit h) berficksichtigt werden kann. Der Preis dafiir ist eine komplizierte Struktur der Materialgesetze, eine erh6hte Anzahl von Parametern und eine Empfindlichkeit gegeniiber numerischen Instabilit~iten. Die bekanntesten duktilen Sch~idigungsmodelle stammen von ROUSSELIER [230] und GURSON [103]. Hier soll exemplarisch das GTN-Modell vorgestellt und angewandt werden, welches eine Weiterentwicklung der Arbeit von GURSON durch TVERGAARD ~ NEEDLEMAN [277] darstellt. Es wird ein elastisch-plastisches Kontinuum modelliert, in dem kugelfSrmige Hohlr~iume (Mikroporen) entstehen und wachsen kSnnen. Der Porenvolumenanteil f wird als Ma/~ ffir die Werkstoffsch~idigung angesehen und als Sch~digungsvariable benutzt (bzw. die modifizierte GrSs f*). Bild 8.17 zeigt die zugrunde liegende Modellvorstellung eines

330

8 Numerische Simulation des Risswachstums

Bild 8.17: Repr~isentatives Volumenelement und Flies

des GuRsoN-Modells

repr~entativen Volumenelementes, dessen Eigenschaften bei einem gegebenen makroskopischen Spannungszustand aij festzulegen sind. Das duktile Matrixmaterial verformt sich nach den Gesetzen d e r v . MISES-Plastizit~it. aM = R(E~) beschreibt die Fliegspannung des Matrixmaterieds bei isotroper Verfestigung als Funktion der plastischen Vergleichsdehnung e p . Das Kernstfick dieses Modells ist die Fliefgbedingung =

rLaMJ~l -+-2qlf* COSh r3[~q2y~j --

-

(1 + q ~ f

.2 )

= o

(8.~3)

mit der v. MISES Vergleichsspannung av = ~ / ~ a ~ a ~ und der hydrostatischen Spanhung ffH __ f f k k / 3 , ausgedrfickt durch den makroskopischen Spannungstensor ffij. Die Flieggrenzfl~che hat im Hauptspannungsraum die in Bild 8.17 gezeigte ellipsoid~ihnliche Form. Ohne SchBdigung (f* ---- 0) entspricht (8.23) dem v. MISES-Zylinder. Mit wachsender Sch~digung schrumpft die Grenzfl~che, so dass die ertragbare Spannung des Materials abnimmt, qi, q2, q3 sind Parameter, mit denen die einzelnen Terme der Fliegbedingung (8.23) gewichtet werden kSnnen. Die modifizierte Sch~digungsvariable f* in Gleichung (8.23) ist eine Funktion des Porenvolumenanteils f:

s*=

s

sT-so.

fiir f < f~

A+~(.t-A)

fiir f~ < f < fy

s7

fiir/_> h

(8.24)

In Gleichung (8.24) bezeichnet fc den kritischen Porenvolumenanteil, ab dem eine beschleunigte Materialsch~idigung infolge der Koaleszenz von Poren einsetzt und als bilineare Kurve modelliert wird. f j bzw. f~ = l/q1 sind der kritische Porenvolumenanteil, bei dem lokales Versagen des Werkstoffs angenommen wird.

8.7 Beispiele ffir Ermfidungsrisswachstum

33x

Die makroskopische plastische Dehnrate r"P liegt normal zur Fliegflgche, wobei A den plastischen Multiplikator bezeichnet 9

0~

"P = A ocqj 9 %4

(8.=5)

Die Evolutionsgleichung fiir die plastische Vergleichsdehnrate des Matrixmaterials ~P wird durch die tkquivalenz zwischen den plastischen makroskopischen und mikroskopischen Formgnderungsarbeiten im geschgdigten Volumenelement hergeleitet: (1 - f)o" M g~vl ---- (riJ ~p "'

g ~ -_ epM 0 ~- J

( 1~i~ = ~4'j M"

(8.26)

Die _~nderung des Porenvolumenanteils setzt sich additiv aus zwei Termen zusammen

/ ---- /grow -~- Lucl,

(8"=7)

wobei ]grow die Vergr5i~erung durch Porenwachstum und ]nucl den Zuwachs aufgrund einer Neubildung yon Poren beschreibt. Der Wachstumsterm basiert auf dem Gesetz der Massenerhaltung im reprgsentativen Volumenelement fgrow = (1 - f ) ~kk" p

(8.=8)

Fiir die Porenneubildung wird ein statistischer, dehnungskontrollierter Prozess angenommen, der einer GAcssschen Normalverteilung mit dem Mittelwert gN und der Standardabweichung s g gehorcht:

9

fnucl =

A i p,

A-

s/-~r

I

exp _ 1 \

8N

2/ J"

(8"=9)

Die Entstehung neuer Poren ist proportional zur plastischen Vergleichsdehnung ~ der Matrix und der insgesamt zur Verfiigung stehenden Keimdichte f N 9 8.7

B e i s p i e l e fiir E r m i i d u n g s r i s s w a c h s t u m

8.7.1

Querkraftbiegeprobe

in

Als Beispiel fiir Ermiidungsrisswachstum unter Mixed-Mode-Beanspruchung wird die in Bild 8.18 dargestellte Querkraftbiegeprobe mit Bohrung gewghlt, da hierfiir entsprechende experimentelle Ergebnisse vorlagen. In der Probe befindet sich auf der Oberseite ein Startriss der Lgnge 6 mm in einem Abstand b -- 30 mm vonder Bohrung. Die einseitig eingespannte Probe wurde durch eine Kraft am Loch einer zyklischen Zug-Schwell-Belastung unterworfen, die oberhalb des Ermiidungsschwellwertes AKth liegt, so dass es zum Pdsswachstum kam. Die Simulation wurde mit der adaptiven Technik (Abschnitt 8.4) ausgefiihrt. Bild 8.19 zeigt das grobe Ausgangsmodell fiir die FEM-Simulation und drei Stadien der Rissausbreitung mit automatischer adaptiver Netzverfeinerung. Die Rissverlgngerung

332

8 Numerische Simulation des Risswachstums

Bild 8.18: Querkraftbiegeprobe mit Anriss unter zyklischer Belastung

Bild 8.x9: Adaptive Simulation der Rissausbreitung in der Querkraftbiegeprobe

Bild 8.2o: Vergleich der FEM-Simulation mit dem experimentellen Rissverlauf

8.7 Beispiele ffir Ermfidungsrisswachstum

333

wurde in diesem Beispiel in konstanten Inkrementen von Aa = 3 mm vorgegeben. Das Ergebnis der FEM-Simulation zeigt eine sehr gute tJbereinstimmung mit dem experimentell beobachteten Pfad des Ermiidungsrisses (Bild 8.2o). Die geringen Abweichungen sind dadurch zu erkl~iren, dass in der numerischen Simulation die Rissausbreitung stiickweise geradlinig erfolgte und somit der gekriimmte Risspfad nur n~iherungsweise abgebildet werden kann. Das kSnnte mit kleineren Inkrementen Aa noch verbessert werden.

8.7.2

ICE-Radreifenbruch

Im Jahr 1998 verungliickteder ICE-Hochgeschwindigkeitszug >>W.-C. RSntgen<< bei Eschede. Der schwere Unfa]l forderte ioi Menschenleben und hatte l~tastropha]e Sachsch~iden (Bild 1.3) zur Folge. Als Ursache der Zugentgleisung wurde der Bruch eines Radreifens der gummigefederten P~der des ICE festgestellt.Bei dieser Bauaxt von Eisenbahnr~idern wird zur Ger~iuschd~impfung ein ringf6rmiger, mehrteiliger Gummik6rper zwischen den Radreifen und die Radfelge eingespannt, siehe Bild 8.21. Die Belastung des Rades besteht bei Geradeausfahrt im Wesentlichen in einer vertikalen Radaufstandskraft Q -- 98 kN, die an der Kontaktstelle zwischen Rad und Schiene angreift. Sie verursacht eine Druck- und Biegebeanspruchung des Radreifens, die zyklisch mit jeder Radumdrehung wiederkehrt und so einen Ermfidungsriss vorantreiben k_ann. Die Schadensanalyse des gebrochenen Radreifens ergab, dass der Bruch auf der innen liegenden Seite des Radreifens in der N~he des >>Dachfirsts<( begann, sich durch Ermiidungsrisswachstum ausbreitete und schlie~lich zum Gewaltbruch des Restquerschnitts fiihrte, siehe Bilder 8.21 und 8.2 4.

Bild 8.21: Aufbau eines gummigefederten ICE-Eisenbahnrades

Bild 8.22: Verteilung der maximalen Hauptspannungen im Radaufstandsbereich [227]

Im Rahmen der Auswertung dieses Schadensfalls wurden von RICHARD u.a. [227] bruchmechanische Analysen der Beanspruchung und des Risswachstums mit Hilfe der automatischen Vernetzungstechnik (Abschnitt 8.3, Bild 8.9) durchgefiihrt.

334

8 Numerische Simulation des Risswachstums

Bild 8.23: FEM-Diskretisierung des gummigefederten Eisenbahnrades (Durchmesser 862 mm) mit ca. 13o ooo Hexaederelementen [227]

Bild 8.24: Bruchfl~iche des ICE-Radreifens mit Ergebnissen der FEM-Simulation des Risswachstums [227]

8.8 Beispiele fiir duktiles Risswachstum

335

I m ersten Schritt wurde der Spannungszustand im ungerissenen Rad berechnet, der sich infolge der Montagevorspannung und des Lastfalls Geradeausfahrt einstellt. Bild 8.2 3 zeigt die aufw~ndige 3D-Vernetzung des halben Rades. Bild 8.22 gibt die Situation im Radaufstandsbereich anhand eines FEM-Submodell des Radreifens wieder. Als Ergebnis stellte sich heraus, dass die hSchsten Umfangsspannungen im Radreifen an dessen Innenseite am >>Dachfirst<< anftreten. Sie wechseln im Verlanf einer Radumdrehung zwischen a m ~ = 220 M P a und O-min = 6 MPa. Somit tritt die grSt~te Zug-Schwell-Belastung in der Niihe des beobachteten Rissursprungs auf. I m zweiten Schritt wurde deshaib zur Simulation des Risswachstums ein Segment des ungerissenen Radreifens mit 52 ooo Finite-Elementen diskretisiert. Da das Ermiidungsrisswachstum beim realen Radreifen nicht direkt am >>Dachfirst~< sondern 13 m m versetzt begann, wurde an dieser Stelle in der Simulation ein halbkreisfSrmiger 1,5 m m tiefer Anriss angeordnet, bei dem entlang der gesamten Rissfront die Spannungsintensit~ten den Schwellenwert A g t h = 8,2 MPa m 1/2 des Radstahls iiberschreiten. Aus der FEM-Anaiyse ergibt sich je Radumdrehung die Schwingbreite des K-Faktors A K entlang der momentanen Rissfront, woraus mit der PAaIS-Beziehung (3.287) der lokale Rissfortschritt berechnet wurde. Die sich je Simulationsschritt ergebenden Rissfronten sind in Bild 8.2 4 dargestellt. Der Riss wiichst zuniichst etwa haibkreisfSrmig, um sich spiiter deutlich schneller in die Breite auszubreiten. Die gesamte Rissfortschrittsanalyse umfasste 26 Simulationsschritte und endete erst, als die Bruchziihigkeit von Kic = 8 6 , 8 M P a m 1/2 erreicht war. Der kritische Riss beim Eintritt des Gewaltbruchs besat~ eine Tiefe von 31,7 m m und eine maximale L~nge an der Radreifeninnenseite von 71,1 mm. Bild 8.2 4 zeigt zum Vergleich des simulierten Risswachstums die Bruchfliiche des Radreifens mit dem tats~chlichen Risswachstum. Unterstellt man eine gleichbleibende Wechselbelastung des Rades, so errechnet sich anf der Basis der da/dN-Rissgeschwindigkeitskurvedes Radstahls in erster Niiherung die kritische Lastspielzahl zu NB ~ 1,4 Mio, d. h. etwa 3 791 km Fahrstrecke. Dieser Abschiitzung liegt eine lineare Schadensakkumulationshypothese zugrunde, die keinerlei Reihenfolgeeffekte beriicksichtigt. Tatsiichlich weist das Bruchbild Rastlinien infolge von 0berlasten u. ~. auf. Weitere Details sind [227] zu entnehmen. 8.8

Beispiele

fiir duktiles

Risswachstum

8.8.1

K o h i i s i v z o n e n m o d e l l fiir die C T - P r o b e

Von SCHEIDER U.a. [233, 44] wurde das Koh~sivzonenmodell anf die Simulation der duktilen Rissausbreitung in Bruchmechanikproben angewandt. Als Beispiel soU hier die 3D Analyse einer CT-Probe (Bild 3.12) (Weite w = 100mm, Dicke B = 10mm, a0 = 6 0 m m ) mit 20 % Seitenkerben wiedergegeben werden. Die Untersuchungen wurden am ferritischen Reaktordruckbeh~Llterstahl 2oMnMoNi55 durchgeffihrt, der sich durch hohe Duktilit~t und grot~e Bruchz~higkeit auszeichnet. Zuerst mussten die notwendigen InputParameter fiir das ModeU bestimmt werden. Die wahre Spannungs-Dehnungs-Kurve des Stahls wurde aus Versuchen an Rundzugproben ermittelt und durch ein Potenzgesetz a -- 925 e ~ approximiert. Als Koh~isivgesetz wurde der trapezfSrmige Ansatz (8.7) mit 51 -- 0,01 5c und 52 -- 0,75 5c benutzt, so dass noch die drei Parameter Go, ~ und 5~

336

8 Numerische Simulation des Risswachstums

Bild 8.25: Dreidimensionales FEM-Modell der CT-Probe mit 6 732 Hexaederelementen (8Knoten) und 91o Koh~isiv-Elementen [233]

Bild 8.26: Kraft-Weg-Kurve der CT-Probe. Vergleich der FEM-Simulation mit dem Experiment fiir Stahl 2oMnMoNi55

Bild 8.27: Vergleich der experimentellen Risswiderstandskurve einer CT-Probe aus Stahl 2oMnMoNi55 mit der numerischen Simulation

8.8 Beispiele ffir duktiles Pdsswachstum

337

Bild 8.28: Elektronenmikroskopische Aufnahme der Bruchfl~che der CT-Probe. Vergleich der Rissfront mit der FEM-Simulation [233] zu bestimmen waxen. Die Sepaxationsenergie Gc wurde mit dem physikalischen Initiierungswert der Bruchz~ihigkeit Ji -- 120 N / m m gleichgesetzt und nicht dem technischen Wert J0,2, weil daxin bereits Energieanteile der plastischen Probenverformung enthalten sind. Ffir die Bestimmung der maximalen Koh~ivspannung ~rc haben sich gekerbte Zugproben bew~ihrt. Dazu werden Kerbzugproben mit unterschiedlichen Kerbradien geprfift und anschliegend mit axialsymmetrischen FEM-Modellen und der bekannten Fliegkurve nachgerechnet. Den Wert ac erh/ilt man aus der maximalen Normalspannung im engsten Probenquerschnitt bei der Kraft, wo im Experiment die Probe versagt (zumeist instabiler Bruch). Im vorliegenden Fall ergab sich ffir alle Kerbrm:lien ein etwa gleicher Wert ffir die Koh/isivspannung von ac ---- 1460 MPa. Der noch fehlende Parameter ~ wurde fiber die Beziehung (8.8) aus Gc und ac berechnet. Nach diesen Voruntersuehungen wurde die CT-Probe mit dem Koh/isivzonenmodell und den ermittelten Materialpaxametern simuliert. Bild 8.25 zeigt das hierffir verwendete FEM-Modell eines Viertels (doppelte Symmetrie) der dreidimensionalen Probe. Die Seitenkerben werden deshalb eingebracht, um die Mehrachsigkeit im Rissbereich zu erhShen. Im Detailbild ist der Bereich des Ligamentes vor dem Erm/idungsriss abgebildet, der zur Bereehnung der Rissausbreitung sehr rein vernetzt ist (Element-Kantenl~nge L -- 0,075 mm). Dieser hoehaufgel6ste Bereich in der Symmetrieebene ist gleiehermaIgen mit 8-Knoten Koh/isiv-Elementen (Bild 8.16) beschichtet, um den Rissfortsehritt simulieren zu kSnnen. Aus mehreren Bruchmechanikversuchen der CT-Probe lagen die Kraft-Weg-Kurven des Lastangriffspunktes F-VLL vor, die Messungen des Rissfortschritts mit der Potentialmethode sowie die dazugehSrigen J-Integralwerte, die naeh dem ESIS-Standaxd [92] ermittelt wurden. In Bild 8.26 sind die experimentellen Kraft-Weg-Kurven zweier Proben den Ergebnissen der numerisehen Simulation gegenfibergestellt. Eine FEM-Berechnung ohne Rissausbreitung ergibt ein zu steifes Verhalten, wohingegen die Simulation mit dem Koh~ivzonenmodell eine sehr gute Ubereinstimmung zeigt. Ebenso wird der Punkt der Risseinleitung, der weir vor dem Lastmaximum auffritt, dureh die Simulation riehtig wie-

338

8 Numerische Simulation des Risswachstums

dergegeben. Der Vergleich von experimentellen und numerischen J - A a Risswiderstandskurven (Bild 8.27) verifiziert die Richtigkeit des Koh~ivzonenmodells und beweist seine F~Lhigkeit zur Vorausberechnung bruchmechanischer Werkstoffkennwerte. Eine weitere Best~itigung der numerischen Rissausbreitungssimulation liefert der Vergleich der erreichten Rissfront in der CT-Probe bei einem Verformungsweg von VLL 5,35 mm. Bild 8.28 zeigt die REM-Aufnahme der Bruchfl~iche. Der duktile Wabenbereich hebt sich deutlich von den feinen vorangegangenen und nachfolgenden Ermiidungsbruchfl~ichen ab. Auch die Form der Rissfront wird durch die Simulation gut nachgebildet. Sie nimmt v o n d e r Mitte aus etwas ab, eilt aber zum Rand hin aufgrund der Seitenkerben stark voraus. ----

8.8.2

S c h ~ i d i g u n g s m e c h a n i k fiir die S E N B - P r o b e

AIs Beispiel fiir die Anwendbaxkeit schiidigungsmechanischer Modelle zur Simulation der duktilen Rissausbreitung werden Untersuchungen von ABENDR.OTH ~ KUNA [3, 4] vorgestellt. Versuchswerkstoff ist der Baustahl StE69o, fiir den die Flie~kurve und alle Parameter des GTN-Sch~digungsmodells anhand miniaturisierter Tiefziehversuche (Small Punch Test) bestimmt wurden [3]. Hier sollen nur die Ergebnisse wiedergegeben werden. Die Verfestigung des Matrixwerkstoffs konnte am besten durch folgendes Potenzgesetz approximiert werden \( ~ - -

=

e~ + 1

(8.30)

das die Anfangsflie~spannung ffF0 ---- 690 MPa, den Verfestigungsexponenten n -- 11, eine Referenzdehnung 6" -- 0,589 % und die LODERS-Dehnung e~ ----1% als Parameter enth~lt. Die genaue Ermittlung der insgesamt neun Parameter des GTN-Sch~idigungsmodells (Abschnitt 8.7) gestaltet sich i. Allg. recht aufw~adig. ~lblicherweise werden die wichtigsten Parameter an gekerbten Zugproben und Bruchmechanikversuchen identifiziert und fiir die anderen plausible Annahmen oder Literaturdaten iibernommen. Im vorliegenden Fall wurde der in Tabelle 8.1 zusammengestellte Parametersatz festgelegt und an Kerbzugproben validiert. Zur bruchmechanischen Charakterisierung des Stahls StE69o wurden an der BAM Berlin [140] Versuche an Dreipunkt-Biegeproben (SENB-Proben, Bild 3.12) zur Ermittlung von Risswiderstandskurven J - A a durchgeffihrt. Die Proben besagen die Abmessungen: Weite w -- 26mm, Dicke B -- 13mm, Anfangsrissl~inge ao -- 0,51w und waxen mit 2o % Seitenkerben versehen. fo

fc

fI

ql

q2

q3

fN

EN

8N

0,002

0,1357

0,2

1,419

1,213

ql2

0,0273

0,5352

0,1

Tabelle 8.1: GTN-Sch~idigungsparameter fiir Stahl StE69o bei Raumtemperatur Diese Bruchexperimente wurden mit dem GTN-Sch~digungsmodell numerisch nachgerechnet. Bild 8 . 2 9 zeigt die FEM-Diskretisierung der halben Probe als ebenes Modell unter der Annahme eines ebenen Verzerrungszustandes (EVZ). Fiir die Simulation des duktilen Risswachstums mit Hilfe der Sch~ligungsmechanik ist ein sehr feines, gleichfSrmiges Elementnetz (hier 0,1 x 0,1 mm) im gesamten Bereich des Ligamentes erforderlich,

8.8 Beispiele ffir duktiles Risswachstum

339

in das sich der Riss hinein bewegt. Das Risswachstum geschieht in der Simulation dadurch, dass in den extrem beanspruchten Elementen vor der Rissspitze die Sch/idigung den kritischen Wert f f erreicht, womit die Tragf/ihigkeit des Materials (Spannungsantwort und Fliegbedingung (8.23)) auf null abf/illt. Die Rissausbreitung vollzieht sich somit als sukzessive Folge des Ausfalls von Integrationspunkten in den Elementen auf dem Ligament. Die Elemente bleiben zwar formal noch im FEM-System enthalten, besitzen aber keine Steifigkeit mehr. Ihre extreme Verformung entspricht der Riss6ffnung. Das Detail in Bild 8.3o (links) zeigt die Werte der Sch/idigungsvariablen f* und die bereits versagten Elemente.

Bild 8.29: FEM-Netz der SENB-Probe, Detail der Rissspitzenumgebung (links), gesamte Probe mit Randbedingungen (rechts)

Bild 8.30: Schgdigung (Risswaehstum) und v. MISES-Vergleichsspannung in der SENB-Probe Im Bild 8.31 sind die gemessenen Kraft-Durchbiegungs-Kurven F(u) der SENB-Probe verschiedenen Varianten der FEM-Analyse gegeniibergestellt. Im elastischen Bereich stimmen die Ergebnisse aller 2D (EVZ) und 3D FEM-Rechnungen gut mit dem Experiment iiberein. Nach vollst/indiger Plastifizierung des Probenquerschnitts (Bild 8.30) liegen die FEM-Resultate ohne Sch~digungsmechanik deutlich oberhalb der experimentellen Kurven. Die Verwendung des GTN-Sch~digungsmodells bewirkt eine starke Absenkung der F-u-Kurven, weil hierbei das Risswachstum beriicksichtigt wird. Die 2D (EVZ)-Analyse

34o

8 Numerische Simulation des Pdsswachstums

weist ein zu steifes Probenverhalten auf, da mit zunehmender Plastifizierung der Seitenkerb seine globale Wirkung verliert und die Spannungen in Dickenrichtung abgebaut werden. Dieser Effekt kann durch Einfiihrung einer wirksamen Probendicke Beff beriicksichtigt werden, die im Verlaufe der Verformung u von B auf den Wert 0,8B abnimmt. Die Korrekturfunktion wurde aus dem Verh~iltnis der 2D zu 3D-Kurven ohne Sch~hiigung kalibriert und daraus die modifizierte 2D (EVZ) F-u-Kurve abgeleitet, die sehr gut mit den Experimenten iibereinstimmt (Bild 8.31). Aus den FEM-Resultaten wurde das elastisch-plastische J-Integral (Abschnitt 7.3) als Funktion der Kraft F ausgewertet. Da J bei Risswachstum im Bereich lokaler Entlastungen wegabh~i~ngig wird, diirfen nur die weit v o n d e r Rissspitze entfernten Pfade verwendet werden, wo J einen stabilen Wert erreicht, der zugleich der Auswerteformel nach Priifstandard [12] ~quivalent ist. Aut~erdem kann das Risswachstum Aa anhand der ausgefallenen finiten Elemente bestimmt werden, woraus sich die numerisch simulierte Risswiderstandskurve in Bild 8.32 ergibt. Ihr treppenfSrmiger Verlauf folgt aus dem sukzessiven Versagen der Integrationspunkte der Elemente. Das Simulationsergebniss zeigt eine gute Ubereinstimmung mit dem Experiment. Wertet man die technischen Initiierungswerte JIc bei einem Offset von Aa ---- 0,2 mm nach ASTM-Standard [140] aus, so ergeben Simulation jFEM = 145,5 N / m m und Experiment jExp = 140,3 N / m m nahezu identische Resultate. Dieses Beispiel und ~hnliche Erfahrungen aus der Literatur zeigen, dass mit Hilfe der Sch~digungsmechanik eine recht gute Vorhersage des duktilen Risswachstums in Proben und Bauteilen mSglich ist. Im Gegensatz zu den Kriterien der EPBM wird hierbei problemlos der Einfluss der lokalen Beanspruchungssituation (Mehrachsigkeit h) und ihrer Entwicklung (Be- und Entlastung) an jedem Punkt der Rissfront berficksichtigt. Ein wesentlicher Vorteil folgt aus der Tatsache, dass es sich um echte Werkstoffparameter handelt, so dass die Ubertragbarkeit zwischen unterschiedlichen Probengeometrien (auch ohne Riss) und von Kleinproben auf grot~e Bauteile gew~ihrleistet ist. Eine Voraussetzung dafiir ist allerdings die Kenntnis der sch~digungsmecha~ischen Parameter des Werkstoffs, deren Beschaffung aufw~ndig und nicht immer eindeutig ist. Hierdurch wird die Anwendung in der Praxis erschwert. Ein anderer Nachteil ist die Abh~ngigkeit der LSsung v o n d e r GrSt~e (insbesondere der HShe) der finiten Elemente im Rissspitzenbereich, weil Sch~digung und Versagen (bei gleicher ~ut~erer Belastung) umso eher erfolgen, je kleiner man den Abstand zur Rissspitze macht. Die Ursache daffir ist eine Vermischung von werkstoffmechanischem Entfestigungsmodell und numerischem LSsungsalgorithmus. Solange das sch~idigungsmechanische Gesetz keinen eigenen materialspezifischen L~ngenparameter enth~ilt, wird dutch die GrSt~e der FEM-Diskretisierung quasi eine >mumerische Homogenisierunga vorgenommen. Gegenw~rtig werden verschiedene Methoden zur Regularisierung dieser numerischen Schwierigkeiten erforscht. Sehr h~iufig wird als pragmatischer Ausweg die GrSt~e der Elemente am Riss empirisch angepasst und als cha~ rakteristische Lgnge (z. B. Porenabstand) des Werkstoffs interpretiert, die dann in allen Simulationsrechnungen konstant anzusetzen ist.

8.8 Beispiele fiir duktiles Pdsswachstum

341

Bild 8.31: Kraft-Durchbiegungs-Kurven der SENB-Probe aus Stahl StE69o. Vergleich F E M und Experiment

Bild 8.32: Vergleich der simulierten mit der experimentellen J-Aa-Kurve der SENB-Probe fiir Stahl StE69o

9

Anwendungsb eispiele

9.1

Lebensdauerbewertung Ermiidungsrisswachst

eines Eisenbahnrades

bei

um

Bainitisches Gusseisen mit Kugelgraphit (ADI) weist einen gute Duktilit~t, einen grogen Verschleis und eine hohe Danerfestigkeit auf, weshalb es ffir Eisenbahnr~ider eine interessante Werkstoffalternative gegenfiber Stahl sein k5nnte. AUerdings besitzt ADI eine geringere Bruchz~higkeit und ist aufgrund der giei~technischen Herstellung fehleranf'dlliger. Da ein Eisenbahnrad hohen statischen und zyklischen Belastungen ausgesetzt ist, miissen neben dem klassischen Betriebsfestigkeitsnachweis anch bruchmechanische Konzepte herangezogen werden, um eine ausreichende Sicherheit gegen Ermfidungs- und Spr5dbruch nachzuweisen. Damit man die Bruchsicherheit und Lebensdauer bewerten kann, ist es erforderlich, den Beanspruchungszustand in einem ADI-Rad mit hypothetischen Rissen bei statischen und zyklischen Belastungen numerisch zu berechnen [151,152]. Ziel der Untersuchungen ist es, bereits in der Entwicklungsphase des Rades kritische Rissgr5gen oder zul~ssiger Grenzmage der Belastung abzuleiten, sowie geeignete 0berwachungskonzepte festzulegen.

9.1.1

Bruchmechanische und konventionelle Kennwerte von ADI

Die konventionellen mechanischen Eigenschaften und die bruchmechanischen Kennwerte des Werkstoffes ADI sind in Tabelle 9.1 zusammengestellt. Der ADI-Werkstoff versagt in Laborproben durch duktilen Bruch. Die Bruchz~higkeit JBL wird daher aus der Risswiderstandskurve (siehe Bild 3.46) im Moment der physikalischen Rissinitiierung bestimmt. Ffir die bruchmechanische Beanspruchungsanalyse des Rades wird linearelastisches Werkstoffverhalten (SSY am Pdss) angenommen und sprSdes Versagen unterstellt. Man kann davon ausgehen, dass die Ubertragbarkeit Probe-Bauteil gegeben ist. Die Umrechnung der Bruchzfi~higkeit jBL in den entsprechenden K-Wert geschieht nach

E•BL

KJi: v ~-~" Damit liegt die bruchmechanische Bewertung mit Kji auf der konservativen Seite und die Duktilit~it des ADI bedeutet eine zus~tzliche Sicherheitsreserve. Die Berechnung der Ermiidungsfestigkeit und der Restlebensdauer bei zyklischer Beanspruchung erfolgt fiber die Schwellenwerte AKth und die Parameter C und m der PARIS-ERDOGAN-Gleichung (3.287) von Abschnitt 3.4.1, die aus der zyklischen Risswachstumskurve (Bild 9.1) ffir die Spannungsverh~ltnisse R = 0,1 und 0,5 bestimmt wurden, siehe Tabelle 9.1.

344

9 Anwendungsbeispiele KenngrSi~e Elastizitgtsmodul E Querkontrationszahl v 0,2 ~0-Dehngrenze Rpo,2 Zugfestigkeit/~ Bruchzghigkeit jBL bzw. Kji

Kennwert 170 GPa 0,3 637 MPa 893 MPa 11,0 k J / m 2 bzw. 45,3 MPa

Ermiidungsrisswachstum bei R = 0,1: Schwellenwert AKth C m

5,4 MPa V ~ 0,94.10 -~ 2,9

Ermiidungsrisswachstum bei R ----0,5: Schwellenwert AKth C m

4,3 MPa 1~0.10 -~ 3,2

Tabelle 9.1: Konventionelle und bruchmechanische Kennwerte von ADI

Bild 9.1: Zyklische Risswachstumskurven von ADI bei R ----0,1 und 0,5 9.1.2

Finite-Elemente-Berechnungen

des Rades

Geometrie Untersucht wird ein Eisenbahn-Vollrad vom Durchmesser ~ -- 920 m m mit gekriimmter Radscheibe und genormtem Profil des Radkranzes, siehe Bild 9.2. Lastf'dlle Als Grundlage fiir die L a s t a n n a h m e n wird eine Radsatzlast von 180 kN angenommen. Gem~i~ Regelwerk fiir den experimenteUen Betriebsfestigkeitsnachweis von EisenbahnVoUr~kiern werden daraus die Belastungen des Rades wie folgt festgelegt: In radialer Richtung wirkt die Radaufstandskraft Q, w~ihrend quer zum R a d Lateralkr~fte infolge Kurvenfahrt (Spurkranzstellung + Y ) oder Weicheneinfahrt (Radlenkerstellung - Y ) angrcifen. Die Kr~fte sind in Bild 9.2 vcranschaulicht. Im Weiteren werdcn nut noch die

9.1 Lebensdauerbewertung eines Eisenbahnrades bei Ermfidungsrisswachstum Lastfall 1 2

Radaufstandskraft Q in kN Grenzlast -159 Grenzlast -159

Lateralkr~ifte Y in kN Spurkranzstellung +62 Radlenkerstellung - 6 2

345

Bremskrs T in kN Tangentialkraft 31,8 Tangentialkraft 31,8

Tabelle 9.2: KrMte ffir verschiedene Lastfldlle

Bild 9.2: Geometrie, Belastung und FEM-Vernetzung des Eisenbahnrades (Die Kr[ifte Y > 0 und T sind zur besseren ~)bersicht oben angetragen.) beiden maximalen Lastf'dlle betrachtet, die mit einem Sicherheitsbeiwert f -- 1,8 zur Berficksichtigung dynamischer Radbelastungen (St6tge, Schwingungen) beaufschlagt sind, siehe Tabelle 9.2. Bei Bremsvorg~ingen tritt als zus~itzliche Belastung die Reibung T zwischen Rad und Schiene auf, die in tangentialer Richtung an der Lauffl~che angreift. Die GrS]ge der Bremskraft wurde mit T ---- 0,2 Q vorgegeben und als gleichmfis verteilte Fl~ichenlast fiber der Kontaktfl~iche angesetzt.

Modellierung Aufgrund der Symmetriebedingungen in Verbindung mit der La~teinleitung wird das Rad nur zur H ~ f t e modelliert (Bild 9.2). Es kann angenommen werden, dass die Radnabe fest und unverformbar auf der Achse aufsitzt. Der Berechnung wird linear-elastisches Materialverhalten zugrunde gelegt. Die Kennwerte sind Tabelle 9.1 zu entnehmen. Die Lasteinleitung der Radaufstandskraft erfolgt mit einer Drucklast auf eine Fl~iche von insgesamt 1,58 cm 2. Die positive Lateralkraft + Y wird horizontal auf der Innenseite des Spurkranzes angesetzt. Die negative Lateralkraft - Y greift in HShe der Lauffigche von autgen am Spurkranz an. Diese Annahmen entsprechen der Einleitung der Prfifkr~fte bei

346

9 Anwendungsbeispiele

Bild 9.3: Max. Hauptspannungen bei Lastfall 1

Bild 9.4: Postulierte Risskonfigurationen

den experimentellen Festigkeitsuntersuchungen.

Spannungen Bei einer Umdrehung des Rades bewegt sich der Lastangriffspunkt auf einer Kreisbahn um 360 Grad. Da die Geometrie des Rades rotationssymmetrisch ist, gentigt die Berechnung fiir einen feststehenden Angriffspunkt. Jeder kSrperfeste Punkt im Abstand r von der Achse durchl~uft bei einem Umlauf dann alle Beanspruchungszust~inde, die sich auf derselben Kreislinie des Rades befinden. Dabei ver~ndern sich die Hauptspannungsrichtungen im betrachteten Punkt des Rades. Die Rissfortschrittsrichtung verl~iuft senkrecht zur grSf~ten Hauptspannungsrichtung. Das unterkritische Risswachstum wird durch die Schwingbreite der Spannungen bei einem Umlauf des Rades bestimmt. Um die maximale Schwingbreite zu erhalten, wird jeweils die grS~te Hauptspannung auf der betreffenden Kreislinie ermittelt und mit den anderen Spannungen, die auf der gleichen Linie liegen und in die Pdchtung der grS~ten Hauptspannung transformiert werden, verglichen.

Extremale Spannungen in der Radscheibe Erfahrungsgem/~ treten bei Eisenbahnr/idern die grSSten Spannungen am Ubergangsbereich Nabe-Scheibe auf. Auch die FEM-Rechnungen f/Jr das betrachtete ADI-Rad zeigen in diesem Bereich (Abstand r von ca. 162 mm v o n d e r Ra~lmitte) sehr hohe Spannungen in radialer Richtung (Bild 9.3). Die extremalen Zug- und Druckspannungen in der Radscheibe befinden sich fiir den betrachteten Fall jedoch nicht nur an dieser Stelle, sondern

9.1 Lebensdauerbewertung eines Eisenbahnrades bei Ermiidungsrisswachstum

347

bei grSfgeren Radien r, die man Tabelle 9.3 gemeinsam mit den Spannungen entnehmen kann. Sie werden hauptsiichlich durch die Biegebeanspruchung der Radscheibe infolge der Lateralkriifte verursacht. Last fall 1 2

Radinnenseite -241MPa, r = 1 6 0 m m 196MPa, r = 1 5 7 m m

Radaugenseite 198MPa, r----264mm -189MPa, r = 3 5 5 m m

Tabelle 9-3: Maximale und minimale Hauptspannungen

9.1.3

Festlegung der Risspostulate

Bei der Festlegung der zu betrachtenden Risse im ADI-Rad werden sowohl die Ergebnisse der Festigkeitsanalyse in Bezug auf die maximal auftretenden Spannungen als auch m6gliche Fehlerlagen resultierend aus der gietgtechnischen Herstellung des Rades beriicksichtigt. Die Lagen der Risse sind in Bild 9.4 dargestellt.

Risskonfiguration (a): Halbelliptischer Oberfl~ichenriss in der LaufH~iche Aufgrund des W~ilzkontaktes Rad-Schiene kSnnen sich infolge von Reib- und Schlupfvorgfingen Anrisse in der Laufttiiche des Radkranzes bilden, die quer zur Umfangsrichtung verlaufen. Sie erfahren bei jedem l]berrollvorgang eine Zug-Druck-Zug Beanspruchung, so dass gekl~rt werden muss, ab welcher GrStge ath diese Risse bei Ermiidung wachstumsfiihig sind und nach welcher Zyklenzahl sie die kritische Rissliinge ac f/Jr einen SprSdbruch erreichen. Als versch~fende Lastannahme wurden Bremsbelastungen T beriicksichtigt, die zu rissSffnenden Tangentialspannungen fiihren.

Risskonfiguration (b): Gussfehler im Radkranz Aufgrund der giegtechnischen Fertigung der Pd4der besteht besonders im Bereich des Querschnittiibergangs Radkranz-Radscheibe die MSglichkeit der Bildung von Gussfehlern wie z. B. Lunkern oder Poren. Diese Gussfehler werden konservativ als kreisfSrmiger Riss senkrecht zur maximalen Normalspannung abgedeckt. Gesucht ist die kritische RissgrSfge als Vorgabe fiir die Nachweisempfindlichkeit beim Einsatz zerstSrungsfreier Priifverfahren.

Risskonfiguration (c): Oberfl~ichenriss am 0 b e r g a n g Radscheibe - N a b e Weil der 0bergangsbereich Nabe-Scheibe meist den hSchsten Beanspruchungen ausgesetzt ist, muss mit Hilfe einer (zyklischen) Betriebsfestigkeitsprfifung der experimentelle Nachweis gefiihrt werden, dass sich an dieser Stelle kein Anriss infolge Ermiidung bildet. Der bruchmechanische Sicherheitsnachweis ist darin bereits eingeschlossen, weshalb ffir diesen Bereich keine weiteren Betrachtungen notwendig sind.

348

9 Anwendungsbeispiele

Risskonfiguration (d): Oberfl~ichenriss in der Radscheibenkriimmung I m Bereich der Radscheibenkriimmung ergibt die FEM-Rechnung Biegespannungen in fast vergleichbarer HShe wie am t3bergang Nabe-Radscheibe. Da die Betriebsfestigkeitsprfifung diesen Bereich nicht abdeckt, wurde an dieser Stelle ein Oberflgchenriss in Umfangsrichtung postuliert und beurteilt.

9.1.4

Bruchmechanische Analyse

Bei der bruchmechanischen Beanspruchungsanalyse zur Berechnung der Spannungsintensitgtsfaktoren versucht man in der Regel zuerst die Anwendung der so genannten entkoppelten Methode. Dazu wird fiir den Bereich des Bauteils, in dem sich der postulierte Riss befindet, ein vereinfa~htes Ersatzmodell ausgew~ihlt, ffir das K-Faktor-LSsungen und Geometriefunktionen g(a) aus Handbfichern wie [176] vorliegen. Ki(a) ----g(a) a(x)v/~-a

(9.2)

Durch Einsetzen der Spannungsverteilung a(x), die sich aus der FEM-Rechnung am Ort des Risses ergibt, kSnnen damit die Spannungsintensitiitsfaktoren berechnet werden. Auf diese Weise kann die bruchmechanische Bewertung einer normalen Festigkeitsberechnung ohne Modellierung des Risses nachgeschaltet werden. Diese entkoppelte Methode stellt eine gute N~herung dar, solange die angenommenen Risse ausreichend klein gegenfiber dem tragenden Querschnitt sind, so dass ihre Rfickwirkung auf den globalen Spannungszustand im Bauteil vernachl~issigt werden darf. Diese Voraussetzung ist bei den aisskonfigurationen (a) und (b) des a a d e s gegeben. Ffir die msskonfiguration (d) trifft sie bei groi~en Risstiefen nicht mehr zu, weshalb hierffir die K-Faktoren durch eine direkte FEM-Modellierung des Risses berechnet werden miissen.

Risskonfiguration (a) Der halbelliptische Oberfl/ichenriss wird in der Mitte der Laufil/iche quer zttr Laufrichtung angenommen. Das Verh/iltnis yon Risstiefe a zu halber Rissl/inge c wird mit a : c = 1 : 3 gewghlt, was ffir Oberfl/ichenrisse typisch ist. Als geeignetes Ersatzmodell ffir diese Risskonfiguration wird ein entsprechender Oberfl/~,chenriss in einem Quader verwendet, dessen Abmessungen 2W -- 135 m m und t -- 17 m m der Breite und HShe des Radkranzes entsprechen, siehe Bild 9.5. Zur Kontrolle des Einflusses der Rissform wird als Extremfall (c ----co) ein fiber die gesamte Breite des Radkranzes verlaufender Kantenriss der Tiefe a untersucht. Lage und Orientierung des Risses entspreehen dem Ort und der Riehtung der maximalen Normalspannungen azz in Umfangsriehtung im Radkranz, die aufgrund der Kontaktpressung Rad-Sehiene unmittelbar an der Oberfl~che ihre HSchstwerte kurz vor und hinter der Kontaktstelle erreiehen. Wie Bild 9.6 zeigt, klingen die hohen Zugspannungen an der Oberfl~che sehr schnell mit der Tiefe ab, wo dann infolge der Kontaktpressung Druckspannungen vorliegen. Die Umfangsspannungen an der Oberfl~iche erhShen sich etwa auf das Dreifaehe, wenn man die Bremsbelastung T berficksiehtigt. Sowohl ffir die

9.1 Lebensdauerbewertung eines Eisenbahnrades bei Ermfidungsrisswachstum

Bild 9.5: Ersatzmodell Quader mit halbelliptischem Oberfls nungsverteilung a(x)

349

unter gegebener Span-

Bild 9.6: FEM-Ergebnis der rissSffnenden Spannungen bei Risskonfiguration (a)

Spr5dbruchbewertung als auch fiir das Ermiidungsrisswachstum muss yon diesen maximalen Belastungen ausgegangen werden. Aus dieser Spannungsverteilung azz(x) werden mit Hilfe des Ersatzmodells die Spannungsintensit~itsfaktoren KA am tiefsten Punkt A (Scheitelpunkt) der Rissfront und Kc an den beiden Punkten C, wo die Rissfront anf die Lauffi~iche stSigt, berechnet. Bild 9.7 zeigt KA und Kc in A b h ~ g i g k e i t von der Risstiefe bei gleichbleibendem Achsenverhs a : c. Man erkennt, dass beide K-Faktoren mit wachsender Risstiefe zun~ichst ein Maximum erreichen, dann aber fast auf null abfallen, wenn der Riss das Druckspannungsgebiet erreicht. Aufgrund des hohen Spannungsgradienten ist der K c - F a k t o r an der Oberfls grSfger als der Scheitelwert KA, d. h. der Riss wiirde sich zuns seitlich und dann erst in die Ticfe ansbreitcn. Das Ersatzmodell Kantenriss 2D crgab cincn etwas

35o

9 Anwendungsbeispiele

Bild 9.7: Spannungsintensit~tsfaktoren als Funktion der Risstiefe (3D Oberfliichenriss)

grSt~eren KA-Faktor.

KAm,x =

8,53 MPa v ~

KVm,x = 12,49 MPa x / ~

bei am~x = 0,5 ram,

ath =

bei ama~ ----3,0 mm,

C t h ---- 0,38

0,05 mm mm

(9.3)

Die maximalen Spannungsintensitiitsfaktoren liegen alle weit unterhalb der Bruchz~higkeit v o n g j i = 45,3 MPa v/'m, so dass SprSdbruch fiir einen Oberfl~chenriss in der Lauffl~iche unter Betriebsbelastungen ausgeschlossen werden kann. Als n~ichstes ist die Frage nach einer Rissentwicklung durch Ermiidung zu kl~iren. Dazu wird, folgend aus der zyklischen Spannungsanalyse, angenommen, dass bei jedem Radumlauf (Lastzyklus) die Spannungsverteilung am Oberfl~ichenriss Aa(s) yon null auf den Maximalwert schwingt. Um festzustellen, ab welcher GrSs ath ein Riss bei dieser Spannungsschwingbreite iiberhaupt wachstumsfiihig ist, setzt man in ( 9 . 2 ) den Schwellenwert AKth ----4,3 MPa ~ ein und erh~ilt nach Umstellung =

1~ \

Agth

~2 (9.4)

Mit den Geometriefunktionen dieser Risskonfiguration berechnen sich die in (9.3) angegebenen Schwellenwerte der Rissabmessungen ath und Cth. Nach dieser Voruntersuchung kSnnen bereits recht kleine Risse bei Wechselbelastung wachsen. Durch Integration der PARIS-ERDOGAN-Gleichung (3.291) (Abschnitt 3.4.1) erh~ilt man die Zahl N der Lastzyklen, um einen Riss der Anfangsl~inge a0 auf die L~inge a anwachsen zu lassen. Als Anfangsrissliinge wird a0 -- 0,1 mm gew~ihlt, was etwa der Tiefe der Oberfliichenfehler entspricht, die sich aufgrund des Roll-Gleit-Kontaktes mit der Schiene bilden. Mit den in Tabelle 9.1 genannten Parametern C und m berechnet sich das Risswachstum fiir R -- 0,5 wie in Bild 9.8 dargestellt. Danach w~ichst der Riss in seitliche Richtung (Punkte C, L~inge c) wegen des h5heren AK-Wertes schneller als in die Tiefe (Punkt A, Risstiefe a), was aber als unkritisch zu bewerten ist. Nach ca. 5oo ooo

9.1 Lebensdauerbewertung eines Eisenbahnrades bei Ermiidungsrisswachstum

351

Bild 9.8: Risswachstum infolge zyklischer Belastung Zyklen stagniert das Risswachstum in die Tiefe bei einem Wert von a = 1,5 mm, da der Riss in das Druckspa~nungsgebiet einl~iuft. Somit ist sichergestellt, dass im Falle eines Erm/idungsrisswachstums der Riss zum Stillstand kommt.

Risskonfiguration (b) Die FEM-Rechnungen ergeben im Inneren des Radkranzes maximale Hauptnormalspannungen von 60 MPa beim ungfinstigsten Lastfall. Die Risskonfiguration launn n~herungsweise durch das ErsatzmodeU eines kreisfSrmigen Risses im unendlichen Gebiet nach Gleichung (3.59) behandelt werden. Nimmt man zus~itzlich zur Lastspannung noch Zugeigenspannungen von Rp 0,2//2 an, so erh~ilt man K-Faktoren, die alle unterhalb von g j i liegen, so dass selbst f/ir derartig extreme Lastannahmen ein Spr5dbruch ausgeschlossen werden kann. Damit ein Anriss iiberhaupt die Schwellenbelastung fiir Ermiidungsrisswachstum erreicht, m6sste er nach (9.4) die GrSJge von a t h = 4 m m besitzen.

Risskonfiguration (d) I m Kr/immungsbereich der Radscheibe wird ein halbelliptischer Oberfl~ichenriss in Umfangsrichtung unterstellt. In Anlehnung an experimentelle Befunde und die Ausdehnung des Spannungsmaximums in Umfangsrichtung wird ein Achsenverh~ltnis a : c = 1 : 5 gew~ihlt. Das Ersatzmodell, Bild 9.5, geht yon einer ebenen Platte mit Riss unter 6berlagerter Biege- und Zugspannungsverteilung aus. Um die Anwendbarkeit und Genauigkeit des Ersatzmodells zu pr/ifen, wird fiir diese Risskonfiguration eine detaillierte dreidimensionale FEM-Analyse des in Bild 9-9 (links) dargestellten Radausschnittes mit einem Oberfl~ichenriss a -- 12 m m durchgef/ihrt. Aufgrund der Symmetrie in Umfangsrichtung ist das Modell auf die H~lfte reduziert. Bild 9.9 (rechts) zeigt das verwendete FEM-Netz ffir dieses SubmodeU mit Riss, auf dessen Oberfl~che die Verschiebungsfelder der vorangegangenen Globalanalyse aufgepr~igt werden. Die berechnete Spannungsverteilung illustriert Bild 9.1o. Mit Hilfe der J-Integral-Technik wird ffir das 3 D elastische Problem der Verlauf des K-Faktors bestimmt, siehe Bild 9.11.

352

9 Anwendungsbeispiele

Bild 9.9: Ausschnitt der Radscheibe mit Oberfl~chenriss und diskretisiertes FEM-Submodell

Bild 9.1o: v. MISES Spannungsverteilung im Submodell f'dr die Risskonfiguration (d)

9.1 Lebensdauerbewertung eines Eisenbahnrades bei Ermfidungsrisswachstum

353

Bild 9.x1: Verlauf des Spannungsintensitgtsfaktors entlang der halbelliptischen Rissfront (d)

Bild 9.12: FEM-korrigierte Geometriefunktion fiir den Spannungsintensit~itsfaktor KA Die FEM-Ergebnisse zeigen, dass das ErsatzmodeU die wahren Spannungsintensit~itsfaktoren etwa um den Faktor 5 fibersch~itzt. Die haupts~ichlichen Grfinde daffir werden in der Rotationssymmetrie und hSheren Biegesteifigkeit des ADI-Rades gesehen. Zur vollst~ndigen Bestimmung der Funktion mfissten weitere FEM-Rechnungen mit variierten Rissl~ngen durchgefiihrt werden. Um dennoch eine verbesserte Geometriefunktion ffir KA zu gewinnen, wird die nach dem Ersatzmodell >>halbelliptischer Oberfl~ichenriss<< erhaltene F~nktion KA(a) durch eine Potenzfunktion angepasst und fiber den gesamten Bereich 0 < a < 1 ram5 so herunterskaliert, dass sie bei a -- 12 mm mit der FEM-LSsung fibereinstimmt, siehe Bild 9.12. Die korrigierte K-Faktor-Funktion KAneu(a) = 2,079. a ~ ist ebenfalls in Bild 9.12 wiedergegeben. Auf der Basis des erheblich zu konservativen Ersatzmodells wfirde die Bruchz~ihigkeit bei der kritischen Risstiefe yon ac -- 15 mm erreicht. Das genauere FEM-Ergebnis ffihrt zur Aussage, dass SprSdbruch ffir Risse bis zu dieser GrSs nicht eintreten wird. Auch in Bezug auf die Risstiefe ath, ab der Ermfidungsrisswachstum einsetzt, liegt die korrigierte K-LSsung KAneu mit 4,6 mm wesentlich gfinstiger als das Ersatzmodell KA ...... mit 0,14mm. Bild 9.13 gibt die Risstiefe als Funktion der Lastzyklen an, be-

354

9 Anwendungsbeispiele

Bild 9.13: Simulation des Ermfidungsrisswachstum ginnend am jeweiligen Schwellwert a t h . Bei dem sehr konservativen Ersatzmodell fiihren etwa 5,3.105 Zyklen zur Risstiefe ac = 15 mm, d.h. zum SprSdbruch, wfi~hrend mit der korrigierten L5sung dieser Wert erst nach 3,7.106 Zyklen erreicht wird, ohne dass er zum SprSdbruch fiihrt. Der groi~e Unterschied beider Modelle wirkt sich besonders in der Lebensdauervorhersage aus.

9.2

SprSdbruchbewertung Stoi~belastung

eines Beh~ilters

unter

Bei der Entwicklung von Transport- und Lagerbehgltern fiir nukleare Brennelemente ist der dichte Einschluss des Inventars auch unter extremen Unfallbedingungen wghrend der Bef'6rderung zu gewfi~hrleisten. Da ein Versagen der Struktur unbedingt auszuschlie~en ist, muss die Sicherheit gegen Bruch und unzulgssige plastische Verformung unter verschiedenen Belastungsbedingungen nachgewiesen werden. Entsprechend den Pdchtlinien der Internationalen AtomenergiebehSrde IAEA [123] zfihlen zu den nachweispflichtigen Belastungssituationen vor allem stogartige, dynamische Lastf~lle, wie z. B. der Fall eines Behs aus 9 m HShe auf ein unnachgiebiges Fundarnent. Dabei sind untere Grenzwerte fiir die Werkstoffeigenschaften (Bruchz~higkeit), niedrige Temperaturen sowie die ung/instigste Kombination aller Unfallszenarien anzunehmen. Die Bestimmung der Sicherheitsreserven gegen SprSdbruch verlangt den Einsatz bruchmechanischer Berechnungsmethoden. Bei dynamischer Belastung eines station~iren Risses wird die Beanspruchungssituation mit Hilfe der dynamischen Spannungsintensit~tsfaktoren K d, K d, Kdi charakterisiert, die eine Funktion der Zeit t sind. Zur LSsung derartig komplizierter dreidimensionaler Anfangs-Randwertanfgaben mit Riss ist die FEM unverzichtbar. Im folgenden Beispiel wird die praktische Anwendung des dynamischen J*-Integrals (Abschnitt 6.5) zur Berechnung der K-Faktoren anhand der Simulation eines Beh~lterfallversuches demonstriert.

9.2 SprSdbruchbewertung eines Behs

Bild 9.14: Geometrische Abmessungen von Behs

9.2.x

FEM-Modell

unter Stogbelastung

355

mit Stogd~mpfern und Riss

des Fallversuches

Den numerischen Analysen liegt ein realer 9 m Fallversuch an einem Transportbeh~lter der CI~IEPI Studie [68] zugrunde, der speziell fiir bruchmechanische Untersuchungen ausgelegt war. Der Testbeh~ter bestand aus duktilem Gusseisen. Er wurde an den Stirnseiten mit Stos versehen und vor dem Versuchsbeginn auf - 4 0 ~ abgekiihlt. Aus wurde an der Unterseite des Beh~ilters, wo infolge der Durchbiegung die grSs ten Zugspannungen zu erwarten sind, kfinstlich ein halbelliptischer Aut~enriss eingebracht. In Bild 9.14 sind die Hauptabmessungen yon BehKlter und Pdss dargestellt. Zur Simulation des Fallversuches wurde das FEM-Programm ABAQUS/Explicit [1] verwendet, das mit einem expliziten Zeitintegrationsschema arbeitet. Ffir die bruchmechanische Auswertung wurde ein Postprozessor zur numerischen Auswertung des dynamischen J-Integrals in Form des ~quivalenten Gebietsintegrals nach (6.54) entwickelt [83]. In Bild 9.15 ist das verwendete FEM-Modell des Beh~lterfallversuchs dargestellt [83]. Es besteht aus den folgenden Komponenten: Beh~terk6rper, Sekund~rdeckel, Tragkorbersatzmasse und Stot~dKmpfer. Aufgrund der Syinmetrie des BehKlters beziiglich der axialen Schnittebene ist f'dr die Berechnung ein Halbmodell ausreichend. Sowohl die Geometrie- als auch die Materialdaten der einzelnen Komponenten wurden dem CRIEPIBericht [68] entnommen. Stellvertretend fiir die fehlende Beladung durch Tragkorb und Brennelemente befand sich iIn Inneren des Beh~lters wKhrend des Versuches eine Ersatzkonstruktion. Dieser Dummy wird durch eine zusEtzliche Elementschicht entsprechender Masse ohne Steifigkeit realisiert. An beiden Enden des Beh~lters waxen Stos angebracht, die aus einem Stahlmantel mit SperrholzffiUung bestehen. Das komplizierte Materialverhalten dieser D~npfer wird in homogenisierter Form Init einem elastischplastischen Materialmodell beschrieben, dessen Materialparameter vorgegeben waren [68]. Um ein gegenseitiges Durchdringen verschiedener Komponenten des Beh~lters zu verhindern, werden die entsprechenden F1Kchen des Beh~lters und der Stot~d~pfer als Kontaktpaare ausgefiihrt.

356

9 Anwendungsbeispiele

Bild 9.15: Finite-Elemente-Modell des Beh~ilters

9.2.2

B r u c h m e c h a n i s c h e Ergebnisse der Simulation

Ffir den halbelliptischen Oberfl~chenriss (a : c ~ 1 : 3) liefern die FEM-Berechnungen den dynamischen Spannungsintensit~tsfaktor K d als Funktion der Zeit t und der Position entlang der Rissfront, die durch den Winkel ~ angegeben wird, siehe Bild 9.17. Bei = 84 ~ trifft der Riss auf die Beh~lterant~enfl~iche. In Bild 9.16 ist Kd(t) ffir drei ausgew~ihlte Winkel ~ fiber der Zeit aufgetragen. Alle drei Kurven haben bei t* -- 16 ms ein Maximum. Die grSi~ten Werte von KId werden im Scheitelpunkt A des halbelliptischen Risses bei ~ -- 0 ~ erreicht. Dies wird nochmals in Bild 9.17 deutlich, was den Kd-Verlauf ffir t* entlang der Rissfront zeigt. Wie man erkennt, besitzt KId am Scheitelpunkt ein Maximum von 5 3 M P a m 1/2 und nimmt in Richtung Behglteraut~enseite auf ein Minimum von 33 M P a m 1/2 ab (der leichte Anstieg am Rand ist ein numerischer Artefakt). Vergleicht man den ermittelten Maximalwert von KId mit der im CRIEPI-Bericht fiir T = - 4 0 ~ angegebenen dynamischen Bruchzii~igkeit K i d : 6 9 M P a m 1/2, so liegt die Beanspruchung des Risses um ca. 30 % niedriger. Damit w~re die bruchmechanische Sicherheit des Beh~lters gegenfiber dieser Stot~belastung erwiesen. Dieses Ergebnis stimmt auch mit den experimentellen Beobachtungen nach dem Fallversuch fiberein, wonach keinerlei Rissinitiierung festgestellt wurde.

9.2 Spr6dbruchbewertung eines Beh/ilters unter Stogbelastung

357

Bild 9.16: Dynamischer Spannungsintensit~tsfaktor als Funktion der Zeit

Bild 9.17: Dynamischer Spannungsintensitgtsfaktor entlang der Rissfront

9.2.3

Anwendung der Submodelltechnik

Zur Verringerung des Modellierungs- und Rechenaufwandes wird die Anwendbarkeit der SubmodeUtechnik bei dynamischen Lastf'dllen untersucht. Dabei werden die aus der Globalanalyse des Beh/ilters ohne Riss ermittelten Verschiebungs-Zeit-Verl/iufe den Razadknoten des Submodells aufgepr/igt. In Bild 9.18 ist ein Ausschnitt des FEM-Modells mit Risssubmodellen unterschiedlicher radialer Ausdehnung dargestellt. Die damit erzielten Berechnungsergebnisse zeigt Bild 9.19. Mit zunehmender SubmodellgrSfge n~ihern sich die Ergebnisse der ReferenzlSsung von Bild 9.16 des vorigen Abschnitts an, der ein FEM-

358

9 Anwendungsbeispiele

Bild 9.18: GrSige der drei untersuchten Submodelle

Bild 9.19: Einfluss der Submodellgr6Ige auf die Verl/iufe von K d

9.3 Z~hbruchbewertung von SchweiSverbindungen in Gasrohrleitungen

359

Model1 des gesamten Beh~ilter mit Riss zugrunde lag. Eine weitere VergrSi~erung des Submodells in Umfangsrichtung fiihrt ann~ihernd zu einer 0bereinstimmung mit der ReferenzlSsung. Die Resultate belegen, dass die J-Integral-Methode auch bei Anwendung der Submodelltechnik ein sehr brauchbares Verfahren zur Bestimmung von Spannungsintensit~itsfaktoren bei dynamischer Beanspruchung ist.

9.3

Z~ihbruchbewertung von Schweiigverbindungen in Gasrohrleitungen

9.3.1

Einleitung

Ferngasleitungsnetze unterliegen regelms 0berwachungs- und Instandhaltungsmat~nahmen. Die Rohrleitungen werden durch moderne Molchsysteme zerstSrungsfrei geprfift (Magnetflussmessungen, UltraschaU, RSntgenpriifung, u. a.), wobei vor allem die Montagen~hte (Rundn~iahte) im Blickpunkt stehen, die aufgrund ihrer Fertigungsbedingungen auf BausteUen am h~ufigsten Schweis aufweisen. An der TU Bergakademie Freiberg [153] wurde ein Konzept zur bruchmechanischen Sicherheitsanalyse von Schweiign~ihten erarbeitet und als ein rechnergestiitztes Bewertungssystem implementiert. Dieses System soll den Priifingenieur w~ihrend betrieblicher zerstSrungsfreier 0berwachungsmat~nahmen an Ferngasleitungen dabei unterstfitzen, detektierte Schweis unter den gegebenen Betriebsdrficken und eventuellen Zusatzbelastungen (Verlegung, Erdbewegungen, Setzungserscheinungen, Eigenspannungen u. ~.) bruchmechanisch zu beurteilen. Daraus kSnnen Schlussfolgerungen im Hinblick auf die technische Sicherheit und weitere Inspektions- oder Instandsetzungsmatgnahmen abgeleitet werden. Zur Verifikation des Bewertungskonzeptes war es erforderlich, seine (Tbertragbarkeit auf reale Verh~iltnisse an einem Bauteilversuch zu fiberprfifen. Gleichzeitig war die Gfiltigkeit der im Konzept enthaltenen vereinfachenden Annahmen nachzuweisen. Es musste sichergesteUt werden, dass vom Bewertungssystem immer konservative, d.h. sichere Aussagen getroffen werden. Aus diesen Griinden wurde der Bauteilversuch mit FEM-Rechnungen analysiert, wobei im Detail die konkrete Fehlergeometrie, das elastisch-plastische Werkstoffverhalten und der reale Belastungsverlanf beriicksichtigt wurden [153, 154]. 9.3.2

Bruchmechanisches Bewertungskonzept FAD

Fehlerannahmen Die Schweignahtfehler in den Rundn~hten werden sicherheitstechnisch konservativ als Risse angenommen und in Innen- und Oberfl~ichenfehler klassifiziert, siehe Bild 9.20. Die Bewertung der Fehler erfolgt nach dem bruchmechanischen Konzept des FAD (Failure Assessment Diagram), siehe Abschnitt 3.3.5. Eine Beriicksichtigung Schweit~naht-typischer Fehlergeometrien und Belastungen erfolgt in Anlehnung an die 0STV-Richtlinie [196[, die CEGB-R6-Routine [172] und an SINTAP [298]. Das FAD-Verfahren bewertet den Beanspruchungszustand am Pdss nach zwei Kriterien:

36o

9 Anwendungsbeispiele

1. Der Parameter Kr = KI/KIc bezieht die Rissspitzenbelastung auf den kritischen Materialwert (Bruchz~ihigkeit) und ist ein Mag ffir die Gefahr des SprSdbruchs. 2. Der Parameter Lr -- an Rohr/O'F bezieht eine repHisentative Spannung im Ligament auf die Flieggrenze des Materials. Er charakterisiert die Plastifizierung im Ligament und stellt ein Ma~ ffir die Gefahr des Versagens durch plastischen Kollaps dar.

Bild 9.2o: Behandelte Fehler- und Schweignahtgeometrien in Rohrleitungen I m FAD wird das Bauteilversagen durch eine Grenzkurve beschrieben, die zwischen den beiden E x t r e m z u s t ~ d e n Spr6dbruch und plastischer Kollaps liegt. Das Gebiet innerhalb der Grenzkurve kennzeichnet den sicheren Bereich. Der zum konkreten fehlerbehafteten Bauteil gehSrende Punkt P(Kr, Lr) wird in das Diagramm eingetragen und sein Abstand zur Grenzkurve als Matg fiir die Sicherheit bewertet. Bild 9.21 zeigt die nach [153] im Bewertungssystem zum Einsatz kommende, sehr dicht am tats~ichlichen Materialverhalten orientierte Grenzkurve der Form:

K,. = f(L,.) -- (1 - 0,14 L2)[0,3 -t- 0,7exp(-0,65 L6)].

Bild 9.21: Fehlerbewertungsdiagraxnm (FAD) mit Versagensgrenzkurve

(9.5)

9.3 Z~ihbruchbewertung von Schwei~verbindungen in Gasrohrleitungen

361

Der Beanspruchungszustand P(K~, L~) eines Bauteils mit Fehler muss ffir die konkrete Fehlerkonfiguration und den eingesetzten Werkstoff aus den prim~ren und sekund~ren Belastungen berechnet werden. Die Vorgehensweise soll ffir den Fall eines die Wand teilweise durchtrennenden Oberfl~ichenfehlers im Schweiignahtbereich dargestellt werden.

Berechnung

v o n Kr =

KI/KI~

Der Wert Kr wird ans der Bruchz~ihigkeit Kic und dem Spannungsintensit~itsfaktor KI des Risses berechnet. F fir die Bewertung sollte immer der niedrigste Materialkennwert Kic ans Grundwerkstoff, W~rmeeinflusszone und Schweiiggut verwendet werden, da der Riss in jeden dieser Materialbereiche hineinlaufen kSnnte. Der Beanspruchungswert KI ergibt sich ffir einen Oberfl~chenriss nach [176] zu:

gi= 1

(amMmMKm + aEMm + O'bMbMKb)gK

(9.6)

mit 9 -- !~/1,464 "--'(~)1'65 + 1 und dem Faktor gK ----1,2 fiir den Krfimmungseinfluss. In Gleichung (9.6) ist or,, die im fehlerfreien Bauteil anstehende Membranspannung, a s die Eigenspannung, O'b der reine Biegespannungsanteil fiber die Wandst~irke h und a die Risstiefe des Oberfl~ichenfehlers. Die Faktoren Mm und Mb beschreiben den Einfluss yon geometrischen Parametern der Fehlerkonfiguration auf den Spannungsintensit~tsfaktor infolge der wirkenden Spannungsanteile. Die Spannungskonzentration an den Kerben der Schweifgns wird durch die Faktoren Mgm und MKb (> 1) berficksichtigt [154]. Sie h ~ g e n vom Verh~iltnis Schweflgnahtbreite L zu Schweis h ab sowie von der relativen Tiefen-Koordinate s/h, siehe Bild 9.20. Da bei einem Oberfl~ichenriss entweder der tiefste Punkt A oder die oberfl~ichennahen Punkte C kritisch werden k6nnen, muss die Bewertung ffir beide Punkte durchgeffihrt werden. Ffir andere Riss- und Schweis werden entsprechende Berechnungsformeln und Geometriefaktoren angewandt [153].

Berechnung

v o n Lr =

an Rohr/aF

Der Wert Lr kennzeichnet den Beanspruchungszustand der zu bewertenden Fehlerkonfiguration in Bezug anf die plastische Grenzlast. Dabei muss zwischen einem globalen plastischen Kollaps und einem lokalen plastischen Versagen unterschieden werden. Ffir die Bewertung von Ferngasleitungen mit relativ kleinen Fehlern (im Verh~ltnis zum Gesamtquerschnitt) und bei gro~en Fehlertiefen muss man immer von einem lokalen plastischen Versagen ausgehen. Die nachfolgende GrenzlastlSsung [196] wurde speziell fiir Oberfl~chenfehler in druckfiihrenden Bauteilen mit gekriimmten W~inden angegeben. Dabei stellt O'nRohr eine effektive Nettospannung dar, bei der im Restquerschnitt rund um den Fehler lokaJ die Traglast erreicht wird. Diese Nettospannung l~sst sich aus den Membran- und Biegespannungen

362

9 Anwendungsbeispiele

sowie dem Innendruck p wie folgt berechnen: + O'n R o h r ---- g s ~ -~- P ,

+

(1 -

~ =

3 (1 -

1 g8

=

,

1 - [f~(1 - ~) + 2 arcsin ((1 - ~) sin ~)]/~r

h-a ~ - - -

(9.7)

h

F i i r OF wird je nach Bewertungsmodus entweder die Streckgrenze Rp0,2 eingesetzt oder mit teilweiser Verfestigung gerechnet a F ---- 1 (Rp0,2 + Rm). Fiir die exakte Berechnung der unterschiedlichen Risskonfigurationen wurden die Beziehungen (9-7) durch entsprechende lokale TraglastlSsungen erg~inzt [153].

Das computergestiitzte B e w e r t u n g s s y s t e m Auf der Basis des oben beschriebenen FAD-Konzeptes wurde ein PC-Programm zur bruchmechanischen Bewertung von Schweit~nahtfehlern entwickelt. In einem interaktiven Dialogfenster gestattet es die Eingabe aller Geometrieparameter der Risskonfiguration, die Bereitstellung der erforderlichen Werkstoffkennwerte und die Angaben zum Belastungszustand (Druck, Biegung, Eigenspannungen). Im Bewertungsmodul werden danach die Parameter (Kr, Lr) aus den Beziehungen (9.6)-(9.7) berechnet und schlieglich gemeinsam mit der Versagensgrenzkurve (9-5) im Bewertungsdiagramm grafisch dargestellt, Bild 9.21. Liegt der Punkt P innerhalb der Grenzkurve, so gilt der Belastungszustand als zul~issig und der relative Abstand zur Grenzkurve wird als >>Sicherheit gegen Versagen(< S ausgegeben. Augerdem kann der Anwender die Auswirkungen der verschiedenen Eingabedaten und ihrer Toleranzbreite (bei mangelhafter Kenntnis oder Messungenauigkeit) auf die Sicherheit durch Variantenrechnungen absch~tzen. Diese Option erlaubt die sicherheitstechnische Beurteilung in Abh~ingigkeit von der konkret an einer Rohrleitung vorliegenden Situation und gew~hrleistet die Forderung nach strenger Konservativit~it. Werkstoffdaten der Rohrleitung und Schweigverbindung Zur Ermittlung der konventionellen und bruchmechanischen Werkstoffkennwerte der Rohrleitung wurde Probenmaterial des Grundwerkstoffs (GW) St52-3, des Schweii~guts (SG) und der W~meeinflusszone (WEZ) entnommen und gepriift. Die Spannungs-DehnungsKurven des Zugversuchs wurden mit dem RAMBERG-OSGOOD-Potenzgesetz beschrieben. ---- ee +ep---- ~ +

(9.8)

In Tabelle 9.4 sind die Streckgrenze Rpo,2, die Zugfestigkeit Rm, der Verfestigungsexponent N ~- 1/n und der Koeffizient D ffir alle drei Werkstoffe zusammengestellt. Die bruchmechanischen Kennwerte wurden ffir alle drei Werkstoffbereiche GW, SG und WEZ mit Hilfe von Dreipunkt-Biege-Proben SENB (lo • 20 • ioo ram) mit 20 % Seitenkerben ermittelt. Alle Werkstoffbereiche zeigen bei Raumtemperatur ein duktiles, stabiles Risswachstum. Die Bruchzs bei Beginn des Risswachstums (Initiierung) kann durch

9.3 Z~ihbruchbewertung von Schweigverbindungen in Gasrohrleitungen

Grundwerkstoff Schweiggut W~irmeeinflusszone

Rp0,2 [MPa] 403 432 477

Rm [MPa] 575 583 620

N

D

0,15 0,13 0,12

801 773 779

jBL [kJ/m 2] 63 143 56

363

~SZW Kji [~um] [MPam89

69 142 58

119,4 179,9 112,6

Tabelle 9.4: Kennwerte des Zugversuches und mittlere Rissinitiierungswerte des J-Integrals und CTOD-Konzeptes

das J-Integral und die RissSffnungsverschiebung 5= CTOD chaxakterisiert werden. Ji = 25~aF,

(rF = 0,5(Rpo,2 + Rm),

/

EJi Kji = V l - - u 2

(9.9)

Die Kennwerte f/ir alle drei Werkstoffbereiche sind in der Tabelle 9.4 zusammengefasst. Das Schweiggut weist deutlich hShere Initiierungsbruchz~higkeiten als der Grundwerkstoff und die Ws auf.

9.3.3

Bauteilversuch an einer Rohrleitung mit Schweignahtrissen

Versuchsdurchfiihrung In Zusammenarbeit mit der Schweigtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt Halle wurde ein Bauteilversuch an einer Ferngasleitung DN 920 durchgefiihrt, siehe [153]. Der PriifkSrper und der Versuchsaufbau sind schematisch in Bild 9.22 dargestellt. Der PriifkSrper wurde so aus zwei vorhandenen Original-Rohrleitungen gefertigt, dass im zentralen Bereich der h6chsten Belastungen im Abstand von 2 m zwei Original-Rundschweign~ihte (1 und 2) eingebaut sind. Ziel des Bauteilversuches war die Festigkeitspriifung der Schweign~ihte mit kiinstlich eingebrachten rissartigen Fehlern. Da technologische Fehler in Schweiign~ihten typischerweise in Umfangsrichtung ausgerichtet sind, wurde in beide Schweitgn~ihte je ein etwa halbelliptischer Oberfl~ichenkerb von der Auigenseite bei der 6-Uhr Position mechanisch mit Hilfe einer Testfehlerss eingebracht und durch zyklische Innendruckbelastung ein Ermiidungsanriss angeschwungen. Die Abmessungen des PriifkSrpers und der Risse betrugen: Augenradius

ra =

460 mm

Innenradius

ri =

447 mm

Wandst~irke

h =

13mm

Abstand zwischen den Krafteinleitungspunkten

2ll --

4 000 mm

Abstand zwischen den Auflagern

2/2 =

8 800 mm

Riss 1 in Rundnaht 1: Langer Oberfl~chenriss Tiefe a = 8,5 mm, L~nge c = 160 mm Riss 2 in Rundnaht 2: Kurzer Oberfls Tiefe a = 8,5 ram, L~nge c = 16 mm

364

9 Anwendungsbeispiele

Bild 9.22: Bauteilversuch: R,ohrleitung mit zwei Schweignghten unter Innendruck und VierPunkt-Biegung

Bild 9.23: Versuchsaufbau zur Druck- und Biegebelastung des PrfifkSrpers

9.3 Z~hbruchbewertung von Schweigverbindungen in Gasrohrleitungen

365

Der Versuchsaufbau war so konzipiert, dass der PriifkSrper sowohl durch Innendruck p (Wasser) als auch zus~tzlich fiber zwei Hydraulik-Aktoren mit Kr~iften F von je maximal 1000 kN durch eine Vier-Punkt-Biegung belastet werden konnte (9.23). Durch die Biegebelastung, die am Ort der PLisse die hSchsten Spannungen verursacht, sollten die in der Praxis auftretenden Zusatzspannungen in L~ingsrichtung der Rohrleitungen simuliert werden. Diese L~gsspannungen sind bei Schweignahtrissen in Umfangsrichtung wesentlich bedeutsamer fiir das Bruchverhalten und die Plastifizierung der Restwandst~rke als die vom Druck erzeugten Umfangsspannungen. Ziel war die Belastung des PriifkSrpers bis zum Bruch bzw. Bersten (Leck). Das Belastungsprogramm setzte sich aus fiinf Stufen zusammen: 1. keine Biegebelastung, Aufbringen des Drucks bis p -- 5,5 MPa (Betriebsdruck) 2. Biegelast aufbringen bis Zylinderkraft F = 600 kN, Druck p = 5,5 MPa = konstant 3. Biegelast halten bei F -- 600 kN, Steigerung des Drucks auf p -- 7,0 MPa 4. Biegelast auf technisches Maximum F -- 1000 kN anheben, Druck p -- 7,0 MPa = konstant. Da bis zu dieser Belastung noch kein Versagen des PriifkSrpers eintrat, folgte 5. Biegelast F = 1000 kN = konstant, Steigerung des Drucks bis zum Bersten Der zeitliche Verlauf des Innendrucks p im PriifkSrper und der Aktorkr~fte F i s t in Bild 9.24 dargestellt.

Bild 9.24: Belastungsprogramm des PriifkSrpers

366

9 Anwendungsbeispiele

Versuchsergebnisse Der PriifkSrper versagte durch stabiles Risswachstum des kiinstlich eingebrachten langen Oberfl~chenrisses 1 in der Rundnaht 1, was zu einem etwa 50 m m groi~en Leck und dem vollst~ndigen Druckabfall fiihrte, d.h. die vorteilhafte Situation >>Leck vor Bruch<< war gegeben. Die Belastungen beim Versagen betrugen: 9 Druck Pc = 11 M P a (Berstdruck) 9 Biegebelastung Fc -- 1000 kN (d. h. Biegespannung von

fib ---- 289MPa),

Das Versagen erfolgte deutlich vor Erreichen des theoretischen Berstdrucks Pth ---16,7MPa fiir ein fehlerfreies Rohr. Die durchbrochene Rohrwand wies eine klare Unterteilung in Kerbbereich, Ermiidungsanriss und Leckfl~iche auf, siehe Bild 9.25. Die fraktografischen Untersuchungen im REM lassen deutlich den Ubergangsbereich vom Ermiidungsanriss zum duktilen Restbruch erkennen. Der Ermiidungsanriss im Schweii~gut diente somit als Pdssstarter und das Leck wurde beim Berstversuch durch duktiles Risswachstum ausgel6st, weshalb eine z~hbruchmechanische Bewertung angezeigt ist.

Bild 9.25: Ubersichtsaufnahme der Bruchfl~che von Riss 1

Anwendung des Bewertungssystems Ein wesentliches Ziel des Bauteilversuchs war die Verifizierung des entwickelten Bewertungssystems bei der Anwendung auf fehlerbehaftete Original-Schweign~ihte in Rohrleitungen. Zu diesem Zweck wurde das Bewertungssystem auf die Parameter des Bauteilversuchs angewandt, die beim tats~ichlichen Versagen vorlagen, d. h. Berstdruck p -- 11 MPa, zus~itzliche Bicgcspannungcn v o n 2 8 9 M P a sowie die Geometric des kritischcn Risscs 1.

9.3 Z~hbruchbewertung von Schwei~verbindungen in Gasrohrleitungen

367

Hinsichtlich des Werkstoffverhaltens wurde nicht nur mit den Eigenschaften des Schweis gutes SG gerechnet, in dem ja der Riss initiierte, sondern auch mit den wesentlich ungiinstigeren Kennwerten der W~irmeeinflusszone WEZ, da man im technischen Anwendungsfall einen Fehler in der WEZ nicht vollst~ndig ausschlie~en kann. Dariiber hinaus wurden mit dem System Variantenrechnungen bei versch~rften bruchbegiinstigenden Annahmen getroffen. In allen F~illen betrug die vom Bewertungssystem berechnete >>Sicherheit gegen Versagen<< S < 1, d.h. ein Versagen musste eintreten und der Bewertungspunkt P lag auf~erhalb der Versagensgrenzkurve im Diagramm 9.21. Auf~erdem wurde untersucht, bei welcher Risstiefe a das Bewertungsprogramm eine Initiierung prognostiziert h~tte. Das ergab je nach Werkstoff a -- 4 mm (WEZ) bzw. a -- 5 mm (SG). Somit hat der Bauteilversuch gezeigt, dass mit Hilfe des computergestiitzten Bewertungssystems in allen F~illen ein konservativer sicherheitstechnischer Nachweis der Integrit~it von Ferngasleitungsrohren mit fehlerbehafteten Rundschweif~niihten geffihrt werden kann. Das Bewertungssystem beurteilt nur die Rissinitiierung, d.h. Risswachstum oder Materialverfestigung sind als weitere Sicherheitsreserven zu betrachten.

9.3-4

FEM-Analyse des BauteUversuchs

F E M - M o d e l l des PriifkSrpers Bild 9.26 zeigt die FEM-Diskretisierung eines Viertels des PrfifkSrpers, wobei die doppelte Symmetrie ausgenutzt wurde (ca. 14 ooo Hexaederelemente und 7o ooo Knoten). Die Druck- und Lagerschalen wurden durch Volumenelemente entsprechender Steifigkeit modelliert. Die Form des bruchausl6senden Risses 1 nach dem Anschwingen wurde auf der Bruchfl~iche vermessen (Tiefe a -- 8,5 mm und L ~ g e 2c -- 160 mm) und im FEM-Modell als sehr lang gestreckte halbe Ellipse approximiert. Fiir die Vernetzung der Rissumgebung ist ein sehr feines FEM-Netz erforderlich, um die Verformungs- und Spannungskonzentration richtig erfassen zu kSnnen, siehe Bild 9.27. Entlang der Rissfront wurden die Elemente f~cherfSrmig in einem Schlauch yon 2o Segmenten konzentriert. Die kleinsten Elemente anmittelbar an der Rissspitze haben eine Abmessung yon etwa a/50. Direkt um die Rissspitze, entlang der gesamten Rissfront, wurden spezielle elastisch-plastische Rissspitzenelemente angeordnet. Dabei handelt es sich um kollabierte 2o-Knoten Hexaederelemente, siehe Kapitel 7- Zur Berechnung des J-Integrals wurden um jedes Segment der Rissfront vier Integrationspfade festgelegt. Die Berechnungsergebnisse zeigen, dass die J-Werte nahezu unabhKngig yore Integrationspfad sind. Nur der engste Pfad f'~llt aas bekannten numerischen Griinden etwas ab und wurde deshalb nicht benutzt. In der FEM-Analyse wurde der gesamte Belastungsverlauf des Berstversuches mit den beschriebenen 5 Laststufen simuliert. Die Aktorkraft wurde als entsprechende Fl~chenlast auf der Oberseite des Druckstempels aufgebracht und die Innendruckbelastung als Fls auf der gesamten Innenwand vorgegeben. Das Werkstoffverhalten wurde als elastisch-plastisch mit der Flies nach (9.8) modelliert und der Einfluss groi~er Deformationen beriicksichtigt. Die Berechnungsergebnisse zeigten gute 0bereinstimmung mit DMS-Messungen am PriifkSrper. Der Spannungs- und Verformungszustand ist wie folgt charakterisiert:

368

9 Anwendungsbeispiele

Bild 9.26: Finite-Element-Vernetzung eines Viertels des PrfifkSrpers

Bild 9.27: Details der Vernetzung in der Rissumgebung

9 Ab der Laststufe 4 ist das gesamte Ligament der Rohrwand vor dem Riss durchplastifiziert, d.h. hier wird die plastische Grenzlast lokal iiberschritten. 9 In der Laststufe 5 plastifiziert der PrfifkSrper vollstiindig im unteren Bereich (Zugseite), siehe Bild 9.28. 9 Am Pdss entwickelt sich eine deutlich ausgepr~igte plastische Zone und die Rissspitze stumpft infolge der plastischen Verformung stark ab (CTOD), siehe Bild 9.29.

9.3 Z~hbruchbewertung von Schwei~verbindungen in Gasrohrleitungen

Bild 9.28: Verformung und Vergleichsspannungen des Pr/ifkSrpers bei Laststufe 5

Bild 9.29: Detail der FEM-LSsung am Riss x des PriifkSrpers bei Laststufe 5

369

37o

9 Anwendungsbeispiele

Bild 9.30: Verlauf des J-Integrals entlang der halbelliptischen Rissfront bei den Belastungsstufen 1-4

Bild 9.31: J-Integral am Scheitelpunkt A und den Oberfl~ichenpunkten C des Risses fiber der Versuchszeit

Bruchmechanische Auswertung Aus der FEM-Analyse des PrtifkSrpers wurden entlang der Rissfront die beiden bruchmechanischen Parameter J-Integral und Riss6ffnungsverschiebung C T O D berechnet. Bild 9.3o veranschaulicht das Verhalten von J am Ende der jeweiligen Belastungsstufen. Die Berechnungen ergaben, dass die J-Werte am Scheitelpunkt A immer wesentlich grSi~er sind als an den Oberfl~chenpunkten C. Dieser Verlauf erkl~irt, warum das Risswachsturn im Bereich des Scheitelpunktes begonnen hat und zum wanddurchdringenden Bruch fiihrte. Auf der Bruchfiiiche war auch keinerlei Risswachstum in lateraler Richtung (bei C) zu beobachten. Der zeitliche Verlauf der berechneten J-Werte an beiden Punkten A und C w~i~hrend des Versuchs ist in Bild 9.31 wiedergegeben. Man beobachtet einen monotonen Anstieg der J-Werte w~hrend des Versuchs bis zum Versagen. Nach dem J Integral-Konzept wird das duktile, stabile Risswachstum dann eingeleitet, wenn J den physikalischen Initiierungskennwert Ji tiberschreitet. Da der Riss im Schweii~gut gestartet ist, wird zttr Bewertung der Kennwert des SG aus Tabelle 9.4 herangezogen (Ji = 143 k J/m2). Er ist in Bild 9.31 als horizontale Linie eingezeichnet. Somit liefert das Bruchkriterium die Aussage, dass es am Ende von Laststufe 4 (P -- 7MPa, F -- 1 000 kN) zur Rissinitiierung im PriifkSrper gekommen sein miisste. Im Verlauf der Laststufe 5 hat sich demnach der Riss duktil durch die Wand bis zur Leckage ausgebreitet, was in der FEM-Simulation nicht modelliert wurde. Die Bewertung nach dem CTOD-Konzept fiihrte zu vergleichbaren Resultaten. Damit wurde gezeigt, dass bei detaillierter Kenntnis der Werkstoffkennwerte, der Fehlergeometrie und der Belastungen auf der Grundlage numerischer Beanspruchungsanalysen mit FEM das duktile Bruchverhalten in den Ferngasleitungsrohren nach dem J-Integral-Konzept recht genau vorhergesagt werden kann. Diese weitaus aufw~ndigeren z~i~hbruchmechanischen Analysen best~tigen wiederum die Aussagen des Fehlerbewertungssystems.

Anhang

A

Grundlagen der Festigkeitslehre

In diesem Kapitel werden einige Grundlagen der HSheren Festigkeitslehre dargelegt. Es handelt sich um eine komprimierte Zusammenstellung der wesentlichen Begriffe und Beziehungen, die fiir das Verst~indnis des Buches notwendig sind, otme Herleitungen anzugeben. Dem interessierten Leser seien zum detaillierten Studium weiterfiihrende Lehrbiicher der Festigkeitslehre, Kontinuumsmechanik und Materialtheorie empfohlen.

A.x

Mathematische

Darstellung

und Notation

Die mathematische Darstellung von Vektoren und Tensoren sowie der algebraisehen und analytischen Rechenregeln erfolgt sowohl in symbolischer Form (fett kursiv) als auch in Indexschreibweise nach den allgemein anerkannten Notationsvorschriften und der EINSTEINschen Summenkonvention. Bei der Indexschreibweise wird sich grundsgtzlich auf ein kartesisches, raumfestes Koordinatensystem beschriinkt. Groge Buchstaben bei Variablen und Indizes weisen in der Regel auf die Ausgangskonfiguration hin, Kleinbuchstaben markieren die Momentankonfiguration. Matrizen werden fett aber aufrecht geschrieben. Vektor:

-a

~

a = ale1 -t- a 2 • 2

3

+

a3e3 ---- ~ aiei

----

i=1

Tensor 2. Stufe:

3

3

A ~-A = ~

~

i=1

A~jeiej = A~jeiej

j=l

Tensor 4. Stufe: Invarianten des Tensors A: Einheitstensor 2. Stufe: Skalarprodukt: doppeltes Skalarprodukt:

I = tfijeiej mit KRONECKER-Symbol:~ij

Spaltenmatrix ( m x 1):

a

Matrix (m x n):

A=

transponierte/inverse Matrix: Variationssymbol: partielle Ableitung:

AT

C~Cijkleiejekel IA, IA, I A a . b = aibi A : B = AijB~j

[ala2""am] T

=

Am

A22 "A2~

Aiml Am2 !'Amn A-I

,

,

(A-l)

w =

A-T

02 .

= (.),,,

5 =

NABLA-Operator: LAPLACE-Operator:

,',(.)

=

02 .

02 .

aiei

374

A Grundlagen der Festigkeitslehre

A.2

Verformungszustand

A.2.1

Kinematik der Verformungen

Als Folge der Belastung erffihrt jeder deformierbare KSrper eine Bewegung in R a u m und Zeit, siehe Bild A.1. Die Kinematik der Kontinua beschreibt die geometrischen Aspekte der Bewegung. Die gesamte Bewegung setzt sich aus Translation und Rotation des GesamtkSrpers (StarrkSrperbewegungen) sowie seinen Verformungen bzw. Deformationen zusammen. Dafiir ist es erforderlich, zu jedem Zeitpunkt jedem Teilchen (materiellen Punkt) des K5rpers seinen entsprechenden Ort im physikalischen R a u m (Raumpunkt) zuzuordnen. Eine solche umkehrbar eindeutige Zuordnung definiert eine Konfiguration des KSrpers. Als Ausgangskonfiguration des KSrpers bezeichnet man den undeformierten Ausgangskonfigurationt = 0

Momentankonfiguration t > 0

Bild A.I: Kinematik des deformierbaren KSrpers Zustand zum Zeitpunkt t -- 0 mit dem Volumen V und der Oberfls A. Die Lage jedes Teilchens P wird durch den Ortsvektor X = X M aM in einem kartesischen Koordinatensystem mit den Basisvektoren aM gekennzeichnet. Diese materiellen Koordinaten ~ndern sich w~hrend der Bewegung nicht, sondern markieren eindeutig jedes Teilchen und werden auch LAGRANGEsche Koordinaten genannt. Zu einem beliebigen sps Zeitpunkt t > 0 der Bewegung nimmt der deformierte K6rper die aktuelle Momentankonfiguration mit dem ver~inderten Volumen v und der Oberfl~che a ein. Das Teilchen P durchl~uft die Bahnkurve nach Pr, sein momenta~er Ortsvektor ~ = xm em wird mit den r~iumlichen Koordinaten xm (EVLERschen Koordinaten) festgelegt. Die Bewegung eines KSrpers ist somit die zeitliche Abfolge derartiger Konfigurationen. Die Funktion

= .(x,

t)

beschreibt die Lage der Teilchen p r i m Raum, wobei die Zeit t den Kurvenparameter und die Ausgangslage X den Scharparameter bilden.

A.2 Verformungszustand

375

Bei der Verformung erf'dhrt jeder materielle Punkt P eine Verschiebung um den Vektor u zum Ort P~. Dieser Verschiebungsvektor beschreibt demnach die Differenz zwischen der momentanen Lage x eines Teilchens und seiner Ausgangslage X .

u(X,t)=x-X x(X,t)=X+u

bzw. bzw.

um(X,t)=xm--Xm xm(X,t)=Xm+u,~

(A.2)

Der Verformungszustand eines KSrpers ist also eindeutig durch das Verschiebungsfeld u( X , t) charakterisiert. Die physikalischen Eigenschaften der Teilchen (Dichte, Temperatur, Materialzustand) und die noch zu bestimmenden FeldgrSgen des Anfangsrandwertproblems (Verschiebungen, Verzerrungen, Spannungen) ~ d e r n sich wfi~hrend der Bewegung. Ffir die Beschreibung der zeitlichen Verfiaderungen dieser FeldgrSs X unterscheidet man zwei grundverschiedene Betrachtungsweisen. Bei der LAGRANGEschen (materieUen) Betrachtungsweise wird die VeNinderung von X fiir jedes Teilchen verfolgt, was durch die funktionelle Abh~gigkeit von den materiellen Koordinaten X gekennzeichnet ist. x = x(x,

(A.3)

t)

Der Beobachter ist gewissermagen fest mit den Teilchen verbunden und misst die Vedinderungen der FeldgrSgen. In der EULERschen (rSumlichen) Betrachtungsweise beobachtet man die Verfizaderung der FeldgrSge X an einem festgehaltenen Ranmpunkt, welche deshalb als Funktion ~ der r~umlichen Koordinaten x ansgedriickt wird. X = ~(X, t)

(A.4)

Ein am Ort x fest stehender Beobachter misst die Vergnderungen, die sich dadurch ergeben, dass sich unterschiedliche Teilchen mit ver~nderlichen Eigenschaften vorbei bewegen. Prinzipiell sind beide Betrachtungsweisen gleichwertig und lassen sich ineinander umrechnen, wenn der Bewegungsablauf bekannt ist. Die EULERsche Betrachtungsweise wird bevorzugt in der StrSmungsmechanik angewandt, weil dort meist l~nderungen von FeldgrSgen (Druck, Geschwindigkeit) an fixierten Orten von Interesse sind. Die LAGRANGEsche Darstellung hat Vorteile in der FestkSrpermechanik, denn bier ist der Ausgangszustand meist bekannt und es interessieren die individuellen Eigenschaften der Teilchen (Verzerrungen, Spannungen oder ZustandsgrSgen) wfiahrend der Belastungsgeschichte. A.2.2

Deformationsgradient und Verzerrungstensoren

Zur Charakterisierung der Beanspruchung im Inneren eines festen KSrpers sind vor allem die relativen Verschiebungen zwischen zwei infinitesimal benachbarten Teilchen P und Q von Bedeutung. In Bild A.1 wird ein materielles Linienelement PQ = d X = dXM eM des Ausgangszustandes betrachtet, das sich bei der Bewegung in die Momentankonfiguration zu P'Q~ = dx = dxm e,~ verformt.

dxm

--

Oxm(X' t) dXM : F m M d X M OXM

bzw.

dx= F.dX

(A.5)

376

A Grundlagen der Festigkeitslehre

Die paxtieUen Ableitungen von x,~ nach X M bilden einen Tensor 2. Stufe, den man als Defo~mationsgradient F bezeichnet. /,]ber (A.2) wird er durch die Verschiebungen und den Einheitstensor 2. Stufe I ausgedrfickt. OXm F m M -- O X ~

O~m

-- 5raM -}-

OX~'

I

= r

M

(A.6)

Die mathematische Umkehrung von (A.6) beschreibt die Deformation der Ausgangskonfiguration aus Sicht der Momentankonfiguration.

dXM--OXM(X't)dxm=FMlmdxm OXm --1

FMm

_

O X M

Ox~

__

(~Mm

--

bzw.

dX=F-l'dm

~UM

-

(A.7)

(A.8)

-

Ox.~

Der Deformationsgradient stellt somit die Beziehung zwischen der Lage des Linienelemerits in der Ausgangs- und der Momentankonfiguration her. Er ist deshalb auf den Basisvektoren beider Konfigurationen definiert (Zweipunkttensor) und im allgemeinen unsymmetrisch. Damit die lineare Abbildung X ~ x eindeutig umkehrbar ist, muss die (JAcoBIsche) Funktionaldeterminante J definit sein: J = det

[ Oxm ]

[OXM] =

det[FmMl r 0

(A.9)

Der Deformationsgradient verkSrpert sowohl die L~gengnderungen als auch die lokale Starrk6rperdrehung in der Umgebung eines Teilehens X . Mit PQ = d X wird eine beliebige Pdehtung in der Naehbarsehaft yon P festgelegL Die L~ingengnderung und die lokale Drehung des Linienelementes k6nnen mit Hilfe der polaren Zerlegung voneinander getrennt werden. F = R. U = V- R

bzw.

FkN = RkM UMN = Ykm RanN

(A.IO)

Die Drehung wird mit dem orthogonalen Tensor R beschrieben R T = R -1

bzw.

RLk=Rk 1 und

det[RkL]=l,

(A.11)

wohingegen die beiden Strecktensoren U und V ausschlieglich die Streckung (Endl~inge / Ausgangsl~ge) des Linienelements wiedergeben. Man darf sich die Abbildung F also als Abfolge einer Drehung R und einer Streckung V oder erst als Streckung U mit nachfolgender Drehung R vorstellen. U und V sind symmetrisch und positiv definit. V = UMN e M e N

rechter Strecktensor (Ausgangskonfiguration)

V = V,~,~e,~ en

linker Strecktensor (Momentankonfiguartion)

V=R.U.R

w

und

u=RT.v.R

(A.12)

A.2 Verformungszustand

377

Um den weniger interessanten Drehanteil abzuspalten, fiihrt man die so genannten rechten und linken CAUCHY-GFtEENschen Deformationstensoren ein, die sich wie folgt aus den Strecktensoren oder direkt aus dem Deformationsgradienten F ergeben: C = F T. .~ :

b

= F.

bzw.

V w. V

F w = V" V w

bzw.

CMN = FkM FkN = ULM ULN

bran =

FmL FnL : Yml Ynl

(rechter) (linker)

(A.13)

Alle Deformationsmage U, V, b und C gehen in den Einheitstensor I fiber, wenn keine Verzerrung stattfindet. Die Quadrate der Bogenl~ngen der materiellen Linienelemente berechnen sich in der Ausgangskonfiguration mit (an) 2 = d X . d X = ( F - 1 . d x ) - ( f - 1 . dx) =

dx.

(F -w.

f -1)

9

(A'14)

d x = d x . b -1 9d x = dxk b-~1 dxt

und in der Momentankonfiguration mit (d/) 2 = d x . d x = ( F - d X ) . = dX

9 (F w 9F) 9d X

(F. dX)

(A.15)

= d X . C - d X = d X g CKL d X L .

Die L~gengnderung des Linienelementes betr/igt somit (d/) 2 - (dL) 2 = 2 d X - E . d X

= 2dx.~/-dx.

(A.16)

Beide Verzerrungstensoren liefern eine Aussage fiber die relativen _Anderungen der L~ngen und Winkel materieller Linienelemente in der Umgebung des Punktes P infolge der Verformung. Sie sind symmetrisch und werden im unverzerrten Zustand zu null. Mit Hilfe des Deformationsgradienten lassen sich die Verzerrungstensoren beider Konfigurationen ineinander umrechnen. E=FT.7/.F

und

T/=F-T.E.F

-1

(A.19)

Durch Anwendung der Beziehung (A.6) erhKlt man den nichtlinearen Zusammenhang

378

A Grundlagen der Festigkeitslehre

zwischen Verschiebungen und Verzerrungen in folgender Form 1 ( OUK OUL O~ M O?AM E E L = ~ ~ O X L -~- ~ -~- O X g O X L ]

und

(A.2o)

i(Ouk Ou~ Ou.~Oum~ ~kz = ~ \ Oxl + Ox---~k Oxk Oxl } A.2. 3

Deformationsgeschwindigkeiten

I m folgenden soll die zeitliche Anderung der Bewegung eines materiellen Teilchens und der Verformung in seiner Umgebung genauer untersucht werden. Die Geschwindigkeit v und Beschleunigung a eines Teilchens ergeben sich mit (A.2) aUS der ersten und zweiten materiellen Zeitableitung des Verschiebuagsvektors u . v=~

bzw.

vi(X,t)=

Oui(X,t)

=it~

(A.2~)

0t a----O----ii

bzw.

ai(X,t)-

Ovi(X,t) Ot

-- i~ ---- ii~

Die Geschwindigkeit des Deformationsprozesses ist bedeutsam fiir die Behandlung inelastischer Materialgesetze, die als konstitutive Verkn/ipfung von Spannungs- und Deformationsgeschwindigkeiten formuliert werden. Dazu untersuchen wir die relative Geschwindigkeit dv zweier benachbarter Teilchen eines materiellen Linienelements d x = P ' Q ' in der Momentankonfiguration zum Zeitpunkt t > 0, siehe Bild A.2. Eine TAYLOmEntwicklung

Bild A.2: Geschwindigkeitsfeld benachbarter materieller Teilchen der Geschwindigkeit im Punkt P ( x ) darstellt. dv -- d& -- l 9dw l--

OV

bzw.

Ox - V "v = lijeiej

liefert d r , wobei l den G e s c h w i n d i g k e i t s g r a d i e n t e n

(A.22)

dvi -- lij dxj mit

OVi

lij = O x j = vi'Y

(A.23)

A.2 Verformungszustand l = F . F -1

l,j = FiMFM 1

bzw.

379 (A.24)

Der Geschwindigkeitsgradient kann in einen symmetrischen und antimetrischen Anteil zerlegt werden:

l=d+w d = 1(1 + l T) w = l(l -/T)

bzw. bzw.

1 dij = -~(vi,j + vj#)

(A 5)

1

wij = -~(vi,j - vj#)

Der Tensor der Defo~mationsgeschwindigkeit d beschreibt die .~nderungsgeschwindigkeiten der L~ngen und Winkel materieller Linienelemente, w~ihrend der Drehgeschwindigkeitstensor (Spintensor) w ihre lokalen StarrkSrperrotationen wiedergibt. Dazu bestehen folgende Zusammenh~inge mit den Zeitableitungen der Verzerrungstensoren: In der Momentankonfiguration: d -- ~/+

l T

9

?1 -{- ~ " I

bzw.

dij = iIij + vk# ZIkj + ~ik Vk,j

(A.26)

und in der Ausgangskonfiguration:

D=F.d.F=E,

1

mit E = ~ ( v + v T + v T ' ? . t ~ - u T ' v )

DMN ----Xm,M d,,~ x m n = EMN 1

mit

(A.27)

F_IMN = -~(VM, N -{- VN, M ~- VK, M UK,N ~- UK, M V K , N ) .

A.2. 4

L i n e a r i s i e r u n g fiir k l e i n e D e f o r m a t i o n e n

Fiir viele Aufgaben der Festigkeitslehre kSnnen die Verzerrungen als infinitesimal klein angesehen werden. In diesem Fall vereinfacht sich die zuvor dargestellte Theorie gros endlicher Deformationen erheblich, weil die nichtlinearen quadratischen Terme der Verschiebungsgradienten beim GREEN-LAGRANGEsChen (A.17) und EULER-ALMANSIschen Verzerrungstensor (A.18) dann in (A.20) vernachl~ssigt werden diirfen. Ebenso l~sst sich zeigen, dass die Ableitung des Verschiebungsvektors nach der materiellen Koordinate mit derjenigen nach der r~iumlichen zusammenf'dllt

OUM OXN

-

-

aura OXn

~,~ --.

(A.28)

380

A Grundlagen der Festigkeitslehre

g12

r163162

T

bzw.

g13]

[~id]= [:1211 ~22 ~23| =[~ij] T Le31 e32 e33J

(A.30)

Ebenso reduziert sich die Deformationsgeschwindigkeit auf ~,~-,E=~I(vvq-(Vv)T)

bzw.

1 gij~--,~ij~--~Eij=~(vi,jq-vj,i) .

(A.31)

Die geometrische Bedeutung der einzelnen Komponenten des Verzerrungstensors soll in der (xl, x2)-Ebene veranschaulicht werden, siehe Bild A.3. Wir betrachten drei Punkte P (Xl, x2), Q (xl + dxl, x2) und R (xl, x2 + dx2), deren Lage auf dem unverformten K5rper markiert wird. Infolge der Verformung verschieben sie sich in die Lagen P~, Q~ und R ~. Die im Verzerrungstensor (A.29) enthaltenen Verschiebungsgradienten entsprechen der in Bild A.3 angegebenen TAYLOR-Entwicklung von u(x) am Punkt P. Die relativen Liingeniinderungen der Linienelemente PQ und PR in ihre Achsenrichtungen Xl und x2 bezeichnet man als Dehnungen (analog f/ir die x3-Koordinate):

ell --

p~Q, _ PQ pQ

O~tl Oxl

OU2

OU3

g22 - Ox 2

g33 = Ox 3

(A.32)

Unter Gleitungen versteht man die Ver~nderungen des Winkels am verformten Volumenelement gegenfiber dem rechtwinkligen Ausgangszustaad, siehe Bild A.3: 0U2 "}/12 = OLq- fl ~,~ taan_ol q- t a n fl = ~ + 0Ul Ox-2

(A.33)

Die entsprechende Komponente e12 des Verzerrungstensors hat den halben Wert des technischen Gleitwinkels 712. Ubertr~gt man diese Betrachtungen auf die beiden anderen Koordinatenebenen, so lassen sich die Gleitungen folgendermagen ausdriicken:

1 (Ou2

Olt1 ~

1

1 lOu3

Ou2~

1

~23 = ~ k0x2 q- C9x3] =S32 = ~ 2 3

1 {Oul

Ou~

1

e31 : ~ ~0X3 -~- OXl] = el3 = ~ 7 3 1 "

(A.34)

A.2 Verformungszustand

381

Bild A.3: Verschiebungen und Verzerrungen in der (xl, x2)-Ebene Ftir den Verzerrungstensor kann man so genannte Hauptachsen finden, d. h. Koordinatenrichtungen, fiir die alle Gleitungen null werden und die Dehnungen Extremwerte (Hauptdehnungen) annehmen. Die dazugeh6rige Koordinatentransformation in ein Hauptachsensystem wird in Kapitel A.3. 3 ausffihrlich am Beispiel des Spannungstensors erliiutert. Die drei Hauptdehnungen e~ (mit a = {I, II, III}) gehSren zu senkrecht anfeinander stehenden Ranmrichtungen und werden der Gr6ge nach geordnet.

Vereinbarung: eI

(A.35)

___~gII ---~ gIII

In den zu den Hauptachsen jeweils um 45 Grad gedrehten Koordinatensystemen nehmen die Gleitungen Extremwerte an, deren GrSgen Hauptgleitungengenannt werden. Sie berechnen sich folgenderma~en: 7I = (eli -- elII) ,

7II = (eI -- elII) ,

7Ill = (eI -- eli)

(A.36)

Wichtig ist ftir die Materialtheorie noch die folgende Zerlegung des Verzerrungstensors. Eij kann anfgespalten werden in einen Anteil e D z3 der eine reine Gestaltgnderung des Volumenelementes darstellt und einen Anteil e H, der ausschliet~lich die Volumen~iaderung beschreibt. sij = s D q- e H 6ij

(A.37)

Die relative Volumengnderung entspricht der Summe der Dehnungen und wird als allseitige mittlere Dehnung im so genannten Kugeltensor ausgedrfickt. Der verbleibende gestalt~indernde Anteil wird als Deviator bezeichnet.

382

A Grundlagen der Festigkeitslehre

Volumendehnung:

AV - - ~ 1 1 -[- ~ 2 2 -~- ~ 3 3 =

ekk = 3 GH

V0 Kugeltensor:

EH ~ij ,

(A.38) ~n = ~k___k_k 3 '

Deviator:

A. 3

Spannungszustand

A.3.1

Spannungsvektor und Spannungstensor

ED = Eij -- EH ~ij

Auf einen deformierbaren K6rper wirken yon angen Kr/ifte, die je nach ihrer physikalischen Ursache an der Oberfl/iche a oder im Volumen v angreifen. Das soll zun/ichst fiir die aktueUe Belastung in der Momentankonfiguration erl~iutert werden, Bild A.4. FlSchenkrSfte t sind Kr/ifte ds pro Fliicheneinheit, die bestimmte Bereiche der KSrperoberfl~iche belasten wie z. B. der iiugere Druck. Unter Volumenkr~'ften b versteht man ~ugere Kr~fte pro Volumeneinheit, die an den Teilchen im Inneren des KSrpers angreifen wie z.B. die Schwerkraft oder elektromagnetische Felder. Die aus der Technischen Mechanik bekannten Linien- und Einzelkr/ifte stellen Spezialf~lle der Fl~chen- und Volumenkr~ifte dar.

Bild A.4: KSrper mit F1/ichen- und Volumenkr/iften F1/izhenkr~fte:

ds t-----~aa '

Volumenkr/ifte:

ds b - - d-~

(A'39)

Aufgrund der /iu~eren Belastung entstehen im KSrper innere Kr/ifte, die mit Hilfe des Schnittprinzips auf gedachten inneren Fls sichtbar gemacht werden kSnnen. Sie haben den Charakter von Fliichenkr~iften bzw. Spannungen und werden durch die Begriffe Schnittspannungsvektor und Spannungstensor gekennzeichnet. An einem beliebigen Punkt P legen wir eine differentiell kleine Schnittfl/iche da mit einer beliebigen Orientierung fest, die durch ihren Normaleneinheitsvektor n definiert ist, siehe Bild A. 5. Aus der wirkenden differenziellen Schnittkraft ds pro Schnittfl~che da erh~lt man durch Grenzwertbildung den Schnittspannungsvektor t ds aktuelle Schnittkraff t( x, n, t) -- da - aktuelle Schnittfl~iche "

(A.4o)

A.3 Spannungszustand

383

Bild A.5: Spannungsvektor t an einer Schnittfl~iche da mit der Orientierung r~ Da es sich um die aktuelle Schnittkraft auf dem deformierten Flgchenelement in der Momentankonfiguration handelt, spricht man auch vom wahren oder CAVCHYschen Spannungsvektor. Der CAUCHYsche Spannungsvektor kann in eine Komponente senkrecht zur Flgche, die Normalspannung cr, und eine tangential in der Fliiche wirkende Schubspannung T zerlegt werden. Der Spannungsvektor t h~ingt vom Ort P ( x ) , der Orientierung n d e r Schnittflgche und evth von der Zeit t a b . Das bedeutet, eine Schnittorientierung n allein reicht nicht aus, um den Beanspruchungszustand bei P bzgh jeder beliebigen Schnittttgche eindeutig zu beschreiben. Wir untersuchen deshalb den Spannungszustand in P bzgh der drei Schnittebenen senkrecht zu den Koordinatenachsen n l = el, n2 e2 und n 3 e3, was jeweils einen Schnittspannungsvektor tl (nl), t2(n2) und ta(n3) ergibt. =

=

Bild A.6: Zur Definition des Spannungstensors Die Spannungsvektoren ti an jeder Fl~Lche werden nun in ihre drei kartesischen Komponenten aij zerlegt, was in Bild A.6 dargestellt ist. ti = a i l e l + ai2e2 + ai3e3 = o'ijej

(A.41)

Dabei bedeutet der 1. Index i die Orientierung der Schnittflgche, wghrend der 2. Index j auf die Richtung der Spannungskomponente aij hinweist. Demnach stellen Spannungs-

384

A Grundlagen der Festigkeitslehre

komponenten mit gleichen Indizes i = j Normalspannungen 0.11, 0.22, 0.33 dar, die auf den jeweiligen Schnittfl~ichen senkrecht wirken. Besitzen die Spannungskomponenten verschiedenen Indizes i ~ j, so handelt es sich u m die 6 Schubspannungen 0.12, 0.21, 0.23, a32 , a31 , o-13, die wir gleichbedeutend auch mit ~-ij bezeichnen. Fiir die Vorzeichen der Spannungen gelten dieselben Vereinbarungen wie sie bei SchnittgrSs iiblich sind, d.h. Spannungskomponenten werden als positiv definiert, wenn sie a m positiven (bzw. negativen) Schnittufer in positive (bzw. negative) Koordinatenrichtung zeigen. Ordnet m a n die K o m p o n e n t e n der drei Schnittspannungen ti zeilenweise in einer 3 x 3 Matrix an, so bilden sie in dieser Form die neun K o m p o n e n t e n eines Tensors 2. Stufe.

A n h a n d des Momentengleichgewichts a m Volumenelement kann m a n beweisen, dass einander zugeordnete Schubspannungen auf senkrecht zueinander stehenden Fl~chenelementen gleich sind, d. h. T21 = T12, T32 = ~-2~ und 71~ = T31. Damit wird der Spannungstensor symmetrisch a

:

a T

bzw.

0.ij

(A.43)

---- 0.ji

und reduziert sich auf 6 unabhs

skalare K o m p o n e n t e n 0.11, 0"22, 0.33, 7"12, T23, T31.

U m dies zu beweisen, muss der Z u s a m m e n h a n g zwischen ~r und t hergestellt werden. Zu diesem Zweck untersuchen wir einen differenziell kleinen Tetraeder bei P in der Momentankonfiguration, der durch die bereits bekannte Schnittfi~iche da mit dem Normalenvektor n sowie drei weitere Dreiecksfl~ichen dai begrenzt wird, die jeweils senkrecht zu den Koordinatenachsen ei liegen, siehe Bild h. 7. Die Fl~icheninhalte dieser Dreiecke berechnen sich durch Projektion der Schnittfl~iche da auf die jeweilige Koordinatenachse mit dem Kosinus des eingeschlossenen Winkels: dai = n . ei da = cos(n, e~) da = ni d a . Wertet m a n jetzt das Kr~ftegleichgewicht a m Tetraederelement unter Verwendung von (A.41) aus, so ergibt sich t d a - ti dai -- 0 t j e j d a - 0.~j n~ e j d a = ( t j - 0.~jni) e j d a = O.

A.3 Spannungszustand

385

Bild A.7: Spannungszustand am Tetraederelement

Das Verschwinden des Klammerausdrucks liefert die gesuchte Relation zwischen Spannungsvektor und Spannungstensor (unter Beachtung der Symmetrie von a ) : tj ----aij ni ----aji ni

bzw.

t(x,

n, t) ----~rT(x, t ) . n ----er. n .

(A.44)

Oder in Matrizenschreibweise:

Sie gilt auch f/ir den Grenzfall, dass der Punkt P a u f der KSrperoberfi/iche liegt und das Fl~ichenelement da selbst ein Oberfl~ichenelement mit nach autgen gerichtetem Normalenvektor n i s t . Dann muss der lokale Beanspruchungszustand (Spannungstensor) so beschaffen sein, dass der entstehende Spannungsvektor t = ~r. n genau der Oberfl~chenkraft E entspricht. A.3.2

S p a n n u n g e n in d e r

Ausgangskonfiguration

Der CAUCHYsche Spannungstensor beschreibt die wahren Spannungen in der EULERschen Betrachtungsweise der Momentankonfiguration. Will man SpannungsgrSfgen in LAGRANGEscher Betrachtung definieren, so miissen die Kraft- und Fl~ichengrStgen am Ort x auf die Ausgangskonfiguration bei X umgerechnet werden, siehe Bild A.8. Bezieht man die Oberfl~ichenkraft d~ bzw. die Schnittkraft ds auf die Ausgangsfl~iche dA, so erh~ilt man

386

A Grundlagen der Festigkeitslehre

Bild A.8: Zur Definition der Spannungstensoren in der Ausgangskonfiguration

den Vektor der nominalen oder Nennspannung. P-

ds aktuelle Schnittkraft dA - Ausgangs-Schnittfl/iche

(A.46)

Der zugehSrige Spannungstensor P wird 1 .PIOLA-KIRCHHOFFscher Spannungstensor genannt. F/ir ihn gilt die CAUCHYsche Formel (A.44) in analoger Form, wobei jetzt der Normalenvektor N auf dA in der Ausgangskonfiguration verwendet wird. p(X,N,t)

= N. P

bzw.

Pl

= NM PMI

(A.47)

Die Umrechnung in den ChUCHYschen Spannungstensor lautet wie folgt: P---- d e t ( F ) F - 1 . er

bzw.

PMI

= gF~llkcrkl 9

(A.48)

Der 1. PIOLA-KIRCHHOFFsche Spannungstensor ist nicht symmetrisch, was f/Jr die Formulierung von Materialgleichungen sehr ungiinstig ist. Aus diesem Grunde wurde der r Spannungstensor dergestalt eingeffihrt (Pseudo-Spannungstensor), dass er Symmetrieeigenschaft bekommt. Hierzu definiert man einen >>fiktiven<<Schnittkraftvektor dS, der sich formal durch Riicktransformation von ds in die Ausgangskonfiguration berechnet: dS--F -1.ds

analogzu

dX--F

-1.dx

(A.49)

Damit ergibt sich der Spannungsvektor _ dS >>Ausgazlgs<(-Schnittkraft _- F _ 1 dA - Ausgangs-Schnittfl/iche "p

(A'5~

und der dazugehSrige 2. PIOLA-KIRCHHOFFsche Spannungstensor T = N. T(X,t)

bzw.

TL = N M T M L .

(A.51)

Mit Hilfe des Deformationsgradienten F bestehen folgende Relationen zu den beiden

A.3 Spannungszustand

387

anderen Spannungsdefinitionen: T -- P - F - T

bzw.

T M L ---- P M I F L I 1

T . d e t ( F.) F -1 0" . F -w .

bzw.

TML

Aus der Symmetrie von amt folgt die Symmetrie

A.3. 3

J F M--1 m a m l F L t--1 von

TML = TLM.

Hauptachsentransformation

Bei allen bisherigen Definitionen und Betrachtungen yon mechanischen FeldgrSgen wurde ein einheitliches globales kartesisches Koordinatensystem ( x x , x 2 , x 3 ) mit den Basisvektoren ei zugrunde gelegt. H/iufig erweist es sick jedock als notwendig oder sinnvoll, das Bezugskoordinatensystem zu weckseln. Bei einer Parallelversckiebung des Koordinatensystems/indern sick die Verzerrungs- und Spannungsmage nickt, da sie bereits differenzierte GrSgen darstellen. Deshalb ist vor allem die Untersuchung eines Bezugskoordinatensystem (x~, x ~ , x ~ ) mit der Basis e~ interessant, die gegeniiber dem bisherigen System ej gedreht liegt. Diese Drehung kann durck eine orthogonale Transformationsmatrix r = [r~j] dargestellt werden, welche die Basisvektoren beider Bezugssysteme zueinander in Beziehung setzt: = r je .

(x.53)

Die Elemente dieser Drehtransformationsmatrix ergeben sich einfach als die Komponenten der neuen Basis ausgedrfickt durch diejenigen der alten r~j = e~. ej = cos(e~, ej). Nach den Gesetzen der Tensoralgebra kSnnen ein beliebiger Vektor a oder Tensor =.Stufe A des alten Bezugssystems ej in das gedrehte Bezugssystem e~ umgerechnet werden, indem man auf die Komponenten die folgenden Transformationsregeln anwendet: t

al

ai = rijaj, A~j = r i k A k l r j l ,

t

t

= ale i

i. a z

aiei

(A'54)

A t = A i j e i te t _~ A = A i j e i e j .

Mit dieser >>Umrechnungsvorschrift~( kSnnten alle bisher eingefiihrten GrSgen wie Verschiebungsvektor, Kraftvektoren, Strecktensoren, Verzerrungstensoren und Spannungstensoren in ein gedrehtes Koordinatensystem iiberfiihrt werden, wobei ihre physikalische Bedeutung selbstverst~indlich unver~indert bleibt. Bei symmetrischen Tensoren 2. Stufe gibt es noch besondere Eigenschaften, auf die wir am Beispiel des CAUCHYschen Spannungstensors ausf'fi_hrlich eingehen wollen. Von allen mSglicken gedrehten Bezugssystemen zeichnet sick das so genaante H a u p t a c h s e n s y s t e m dadurck aus, dass die tra~sformierte Komponentenmatrix Diagonalform annimmt. Beim Spannungstensor ert bedeutet dies, in den neuen Koordinatenrichtungen existieren nur die drei Normalspannungen und alle Schubspannungen verschwinden.

0

~

388

A Grundlagen der Festigkeitslehre

Das so ausgezeichnete Bezugssystem e~ wird Hauptachsensystem genannt und die entsprechenden Richtungen heigen Hauptachsenrichtungen. Die drei zum Hanptachsensystem gehSrenden Normalspannungen stellen Extremwerte fiir alle Bezugssysteme dar und haben die Bezeichnung Hauptnormalspannungen.

Anschaulich bedeutet die Hauptachsenrichtung, dass der Schnittspannungsvektor t die gleiche Richtung wie der Normalenvektor n = e~ besitzt mit der noch unbekannten Normalspannung 0-. Bei Verwendung der CAUCHY-Formel (A-45) und dem Einheitstensor 5ij erhKlt man: I

(A.56)

ti = 0-ij nj -- 0"ni

oder in Matrixschreibweise:

T21

0"22 - - 0-

"1-23

n2

7-31

"/-32

0-33 - - 0-

n3

----

(A.57)

Mathematisch gesehen stellt die Bestimmung der Hauptachsen eine Eigenwertaufgabe dar. Dabei ist 0- der gesuchte Eigenwert und die dazugehSrige EigenlSsung n bildet die Hauptachsenrichtung. Das homogene lineare Gleichungssystem fiir die gesuchten Hauptachsenrichtungen hat nut dann nichttriviale LSsungen, wenn die Koeffizientendeterminante verschwindet. det(0-ij - 0- 5ij) =

0-11 -- ff

~'12

T21

0"22 - - 0-

T13

7"23

T31

T32

0"33 - - 0-

= o

(A.58)

Die Aufl6sung der Determinante fiihrt anf eine Gleichung 3- Grades, 0-3 - I~ 0-2 -~- I~ 0- -1Y~

=0,

(A.59)

deren drei reelle L6sungen die Hanptspannungen 0-~ ( m i t a -- {I, II, III}) sind, die man der Gr6ge nach ordnet. Vereinbarung:

ai _> aII _> aIII

(A.60)

Die L6sung des homogenen Gleichungssystems fiir jede Hanptspannung a s ergibt die drei senkrecht zueinander stehenden Hanptachsenrichtungen, die noch anf Einheitsl/inge zu normieren sind. n~ = n~l el + n~2 e2 + n~3 e3 ----n~i e i ,

c~ ----{I, II, III}

(..61)

In Gleichung (A.59) bedeuten I~(0-ij) (mit k = {1,2,3}) die drei Invarianten des Spannungstensors. Wie der Name bereits aussagt, handelt es sich um Kennzahlen eines Tensors

A.3 Spannungszustand

389

2. Stufe, die vom Koordinatensystem unabh/~ngig sind. I ~ (0-i~) = 0-11 + 0-22 + 0-33 = 0-kk

I~(0-ij) =

0"11 7-12

7-12 0"11 0-22 "4- Y13

7-13 .~_ 0"22 0-33 T23

7-23 0-33

= 0"11 O"22 ~- O"11 O"33 ~- O"22 O"33 -- 7-22 -- 7-223 -- T123

(A.62)

1 Ig (aij) = det [akt] =

+ 2 7-12 7-23 7-13 -

117- 3 -

7-5 -

Besonders einfach lassen sich die Invarianten im Hanptachsensystem selbst darstellen: I ~ = a I + 0-II + a I I I

I~ = 0-I crII ~- a I I a I I I + 0-III 0-I

(A.63)

I ~ = 0-I 0-II 0-III

In einem jeweils um 45 ~ gedrehten Koordinatensystem nehmen die Schubspannungen Extremwerte an, die Hauptsehubspannungen heit~en: 1

TI = ~ (0-II -- 0-III) ,

1

7-II = ~ (0-I -- 0-III) :

1

7-III = ~ (0-I -- 0-II)

(A.64)

In analoger Weise wie der Verzerrungstensor kann auch der Spannungstensor in Deviator und Kugeltensor (hydrostatische Spannung) zerlegt werden: a~j = a D + 0-a ~ j Kugeltensor:

A.3.4

0-H 5ij,

(A.65)

1 0-H = ~0-kk,

Deviator:

0-D =

0-ij -- 0-H ~ij

(A.66)

Gleichgewichtsbedingungen

Wendet man die Grundgesetze der Mechanik auf einen deformierbaren KSrper an, so bedeutet dies im Bereich der Statik, dass die resultierenden Kraft- und Drehmomentenwirkungen aller auftretenden Kr/ifte null sein mfissen. Bei dynamischen VorgKngen hat man zus/itzlich die Tr/igheitskr/ifte der beschleunigten Teilchen in die Gleichgewichtsbetrachtungen einzubeziehen. Auf der Grundlage des Impulssatzes nach NEWTON sowie des Drehimpulssatzes nach EULER werden die entsprechenden Bewegungsgleichungen ffir den deformierbaren KSrper abgeleitet. Diese Betrachtungen sollen im folgenden am Beispiel der Momentankonfiguration erl/iutert werden, wozu anf Bild A.4 Bezug genommen wird. Sie kSnnen in analoger Weise anch ffir die Ausgangskonfiguration hergeleitet werden. Die resultierende Kraft F R der eingeprKgten ~ugeren Belastungen auf den KSrper berechnet sich aus dem Integral fiber alle VolumenkrKfte b im Volumen v und dem Integral aller anf der Oberfl~che a wirkenden Fl~chenlasten t. Der Gesamtimpuls I p des KSrpers setzt sich aus den Massen aller bewegten Teilchen d m = p dv multipliziert mit ihren

390

A Grundlagen der Festigkeitslehre

Ceschwindigkeiten v(x,t) = ~ ( x , t ) = Momentankonfiguration bedeutet.

V

a

iz(x,t)

V

zusammen, wobei p die Dichte in der

V

Nach dem NEWTONschen Bewegungsgesetz ist die Zeitableitung des Impulses gleich der resultierenden Kraft. Unter Berficksichtigung der Massenkonstanz d m = const, jedes Teilchens wirkt sich die Zeitableitung v o n I p nut auf ~ = a = ii aus. Mit den Gleichungen (A.67) lautet der globale Impulssatz ffir den GesamtkSrper somit

FR:Ip

::~

(A.68)

/bdv§ V

a

v

Die lokale Form des Impulssatzes fiir ein materielles Volumenelement Av gewinnt man aus (A.68) mit Hilfe der CAvcnY-Formel (A-44) t ---- ~ 9n und Anwendung des GAVSSschen Integralsatzes, womit das Oberfl~ichenintegral von (A.68) in ein Volumenintegral fiberfiihrt werden ka~n. Daraus erh~ilt man schlies folgende Beziehung

[v.

+

dv = 0,

(A.69)

Av

die fiir ein beliebiges Teilgebiet Av zutreffen muss, weshalb das Verschwinden des Klammerausdrucks gefordert wird:

A.4 Materialgesetze A.4

391

Materialgesetze

Der Zusammenhang zwischen dem Spannungszustand und den sich einstellenden Verzerrungen h~ngt von den mechanischen Eigenschaften der Werkstoffe ab - genauer von ihrem Verformungsverhalten. Dieser Zusammenhang wird in der Kontinuumsmechanik meist ph~nomenologisch modelliert und durch so genannte Materialgesetze mathema~ tisch formuliert. Das Verformungs- und Versagensverhalten der Werkstoffe kann man recht fibersichtlich danach klassifizieren, welchen Einfluss Ort, Richtung und Zeit haben: a) O r t s a b h ~ i n g i g k e i t Ist das Werkstoffverhalten vom Ort (Koordinaten x) der Untersuchung abhs so spricht man von Inhomogenit~t (z. B. Schmiedestfick, SchweiJgverbindung). ~Homogen~ bedeutet dagegen fiberall gleiche Eigenschaften. b) R i c h t ungsabh~ingigkeit Unterscheidet sich das Werkstoffverhalten am selben Ort in verschiedenen Richtungen der Beanspruchung, so nennt man diese Eigenschaft Anisotropie (z. B. Elastizit~itsmodul von Kompositen). Andernfalls (keine Richtungsabh~ingigkeit) liegt Isotropie vor. c) Zeitabh~ingigkeit Spielt der zeitliche Verlauf der Beanspruchung f/Jr das Materialverhalten keine Rolle, so spricht man von einem skleronomen Verformungsverhalten. Die Materialgesetze sind dann unabh~i~gig v o n d e r Zeit t u n d der Geschwindigkeit des Verformungsprozesses. Bei vielen technischen Werkstoffen h~ngt die Reaktion auf eine Beanspruchung jedoch wesentlich von der Geschwindigkeit des Vorgangs ab, so dass die Zeit als Variable in das Materialgesetz einfliegt. Diese Art Verformungsverhalten nennt man rheonom. Die zeitliche Abh~ngigkeit ~ugert sich in viskoelastischen oder viskoplastischen Eigenschaften. Vergndern sich die Werkstoffeigenschaften ohne Beanspruchung ausschlieglich als Funktion der Zeit, spricht man von Alterung. Zus~tzlich zu den genannten GrSgen h~ngen die Materialgesetze und ihre Parameter noch indirekt von anderen physikalischen Einflfissen ab wie z. B. der Temperatur, dem Feuchtegehalt, chemischen Reaktionen oder radioaktiver Bestrahlung.

A.4.1

Elastische Materialgesetze

Das elastische Materialverhalten wird durch zwei wesentliche Merkmale charakterisiert: 9 Die Verformungen sind reversibel, d.h. bei Entlastung geht der KSrper wieder in seine urspr/ingliche Ausgangsform zur/ick, was in Bild A.9 anhand der einachsigen Spannungs-Dehnungs-Kurve a-~ veranschanlicht wird. Es besteht ein eineindeutiger Zusammenhang zwischen der momentanen Spannung a und der momentanen elastischen Verzerrung ~. Der erreichte Spannungszustand ist unabh~ingig yon der Ver formungsgeschicht e. 9 Die Verformungen sind weder v o n d e r Zeit noch v o n d e r Belastungsgeschwindigkeit abh~ngig (skleronom).

392

A Grundlagen der Festigkeitslehre

Bild A.9: Lineares und nichtlineares elastisches Materialverhalten bei einachsiger Beanspruchung Das elastische Verformungsverhalten fast aller Werkstoffe ist ffir kleine Verzerrungen linear und wird durch das bekannte HoogEsche Gesetz a = Ee wiedergegeben. Der Elastizitdtsmodul E ist durch den Anstieg der Spannungs-Dehnungs-Kurve E(e) = d a / d e definiert. Es gibt aber auch Materialien, die groge, rein elastische Deformationen aufnehmen kSnnen und dabei erhebliche Nichtlineaxit~iten zeigen, wie z.B. Gummi oder Kunststoffe.

Hyperelastische Materialgesetze Fiir den allgemeinen Fall mehrachsiger Beanspruchung und gro~er Deformationen muss das elastische Materialgesetz als eine Funktion des Spannungstensors vom Verzerrungstensor beschrieben werden, wobei die entsprechenden Spannungs- und Verzerrungsma~e der Momentankonfiguration oder der Ausgangskonfiguration zu verwenden sind, siehe Abschnitte A.2 und A.3.

er ----~r(~/) bzw.

T---- T ( E )

(A.72)

Dazu betrachten wir die Arbeit in einem Volumenelement, die w~ihrend der Verformung von den wahren Spannungen crkl azl den Verzerrungen ~/kl vom undeformierten Ausgangszustand bis zum Endzustand ~ij verrichtet wird, in ECLERscher Darstellung:

dU

ak~ d~kz

~

U(~ij) = / akl d~]kl.

(A.73)

0

Hier bezeichnet U die FormSnderungsenergiedichte pro Volumen f/ir den allgemeinen mehrachsigen Beanspruchungsfall. Da bei elastischem Materialverhalten ein eindeutiger Zusammenhang zwischen den aktuellen Spannungen aij und den elastischen Verzerrungen 7?ij besteht, ist U vom Verformungsweg unabh~ngig. Dies bedeutet physikalisch, dass die Form~nderungsenergiedichte Ms spezifische potentielle Energie im Volumen gespeichert wird, was mit der Dichte p in eine freie Energie pro Masse Ce = U/p umgerechnet werden kann. Mathematisch ausgedr/ickt, stellen U bzw. Ce ein wegunabh~ngiges Integral der Zustandsvariablen ~ij dar. Daraus folgt umgekehrt:

A.4 Materialgesetze

393

Ihre konkrete Ausgestaltung h/ingt v o n d e r Wahl des elastischen Potentials U(~/) ab. Eine ausffihrlichere DarsteUung hyperelastischer Materialmodelle fiir groi~e Deformationen findet man bei OGDEN [194] und HAUPT [111]. Verallgemeinertes HooKEsches Gesetz F fir die meisten technischen Anwendungsf~lle kann man sich auf kleine Deformationen beschr~nken, so dass wir das Elastizit~tsgesetz mit dem wahren Spannungstensor ~ij und dem infinitesimalen Verzerrungstensor cij formulieren diirfen:

Bei isothermen Zust~nden besitzt die Funktion U(cij) _> 0 eine quadratische Form in cij 1 u C i3k,ckl, U(ci~) = ~c

(A.76)

woraus der lineare Zusammenhang folgt aij -

OU Ocij - Cijkl Ckl

und

02U OcijOckz -- Cijkl 9

(A.77)

Das ist das HOOKEsche Gesetz in seiner allgemeinsten Form mit dem E l a s t i z i t ~ i t s t e n s o r 4. Stufe Cijk~. Wegen der Symmetrie von a i j , Ckl und der Vertauschbarkeit der partiellen Ableitungen besitzt er die Symmetrieeigenschaften Cij~l -- Cklij = Cjikl = Cijzk = Cjilk, so dass 21 yon null verschiedene elastische Konstanten fibrig bleiben. Zur besseren Veranschaulichung wird das HOOKEsche Gesetz von der Tensornotation in Matrizenschreibweise fiberffihrt. Entsprechend der VOIGTschen Regel wird jedes Indexpaar (i j ) -- ( j i ) --~ ( a ) auf einen einfachen griechischen Index (a) reduziert: (11) --~ (1), (22) --+ (2), (33) --~ (3), (23) --~ (4), (31) --* (5) und (12) --~ (6). Die Summation griechischer Indizes erstreckt sich fiber a , / 3 , . . . -- {1, 2 , . . . , 6} . (A.78)

ix] ,11, [cll c1 c13c14c15c161r111 [1] o-~ F=/ o-~ ~ / ~ / = ~, /~=~/

cr6Cr5 LT12J/~-~/

c=

sym

[aa] = [Carl] [ c r ] ,

c~

c~

c~

c~

c~4 c~ q , c,,

c~ / V=/

~

C~ / F~I/

c~

c~ / / c ~ / ~ c~ qo/ F=fl [Car] c,

055 c66J L712J Symmetrie: [Crla] = [Carl]

co

(*.79)

394

A Grundlagen der Festigkeitslehre

Im allgemeinen anisotropen Fall ruft also jede einzelne vorgegebene Verzerrungskomponente einen vollstii~digen mehrachsigen Spannungszustand hervor! Die Umstellung des HOOKEschen Gesetzes nach den Verzerrungen geschieht durch Invertierung der Elastizit~tsmatrix [C~], woraus sich die Nachgiebigkeitsmatrix [S~ ~] ergibt.

[~d = [c:J] [o-,d = [so,~] [o-,] ~~ // = ~/

l s=

(A.80)

s~, s~, s~ s.~ s~o s.o// // ~~ // s~ s~ s . s~5 s~/ / ~ / s~/ sym s6~j /'31 u-~2j/

S55

LT'~2J/'r~q

Viele Werkstoffe und Kristallstrukturen besitzen Symmetrieeigenschaften, wodurch die Zahl der elastischen Konstanten reduziert wird. Die wichtigsten Klassen werden im Folgenden aufgefiihrt.

a) Orthotropes Materialverhalten Besitzt das Material drei senkrecht aufeinander stehende Vorzugsrichtungen xl, x2 und x3 mit unterschiedlichen elastischen Eigenschaften, so spricht man von Orthotropie. Beispiele hierfiir sind orthorhombische Kristalle oder Faserverbundwerkstoffe. Die Gleit- und Dehnungsanteile entkoppeln sich. Es verbleiben nut 9 unabhs elastische Konstanten.

[Cll C12 C13 0 C12 C22 C23 0 [Cc~/7]= C13 C23 C33 0 i

0 0

0 0

o

o

0 0

0

i] (A.81)

C44 0 0 Cs5

o

o

666j

Anschaulicher ist die Darstellung des anisotropen HOOKEschen Gesetzes in den Ingenieurkonstanten Ei (Elastizits in xi-Richtung), Gij (Schubmodul in der (xi, xj)Ebene) und den Querkontraktionszahlen vii (Einschniirung in xi-Richtung bei Zug in xj). Die Anwendung auf orthotropes Material (A.81) lautet:

~1

I-~'~IE~

lIE2

-~'321E3

0

0

/<,~/

IlG~lI/G12J o~176 U-12JF-~I~-~/<~/

lL7' ')'31l1J2/~/c~|-vl=3[ 0~lE-v2301E~ 1 o~ lOo~E3 11G23 000

Wegen der Symmetrieeigenschaften bestehen zus~tzlich folgende Abh~gigkeiten:

v21E1=v12E2,

u2~E3=vs2E2 und v31E1=u13Es.

(,<.8~)

A.4 Materialgesetze

395

b) Transversal isotropes Materialverhalten Hierbei wird angenommen, dass sich das Material in einer Ebene (xl, x2) in allen Richtungen gleich verh~t (isotrop), aber in der dritten Koordinate (x3) andere Eigenschaften besitzt, was auf 5 unabh~ngige elastische Konstanten ffihrt. Beispiele sind unidirektional faserverst~rkte Verbundwerkstoffe, Holz oder hexagonale Kristalle.

[C~] =

Cll C12 C13 0 C12 Cll C13 0

0 0

C13 C13 C33

0

[i

0

0

00C 4 4 0

0

0

0

i

]

C44

(A'83)

0 1 (Cll -- Cl2)J

c) Isotropes Materialverhalten Isotropie ist die hSchste Symmetriestufe, bei der das elastische Verhalten in allen Raumrichtungen identisch wird.

Cll C12 C12 0 C12 Cll C12 0 [C~]=

C12 C12 Cn ! 0 0 0 0 0 0

0 0

0] 0

0 0 0 C44 0 0 0 C44 0 0 0 C44

mit

C 4 4 = ~1 (Cn - C12)

(A.84)

Damit vereinfacht sich die Elastizit~itsmatrix auf 2 unabh~ugige elastische Konstanten. Amorphe Materialien (Glas, Polymere, ... ) und polykristaUine metallische oder keramische Werkstoffe verhalten sich makroskopisch isotrop elastisch.

Thermische Dehnungen Bekanntlich stellt sich bei vielen Materialien als Folge einer Temperatur~nderung von der Ausgangstemperatur To auf den aktuellen Wert T eine Verformung ein, deren Gestalt durch den thermischen Verzerrungstensor ~j repr~entiert wird. Diese auch als Temperatur- oder W~medehnungen bezeichneten Verzerrungen sind in erster N~herung proportional zur Temperaturdifferenz AT(x) = T(x) - To. Im aUgemeinen haben sie anisotropen Charakter, der durch den symmetrischen Materialtensor 2. Stufe der thermischen Ausdehnungskoej~izienten a~j bestimmt wird. Im Spezialfall der Isotropie entstehen nur thermische Dehnungen, die in alle Richtungen gleich grot~ sind. Da~n vereinfacht sich der Materialtensor a~j zu einem Kugeltensor at 5ij und es verbleibt als einziger Materialparameter der lineare thermische Ausdehnungskoeffizient at. anisotrop:

s~j (x) = a~j AT(x),

isotrop:

E~j = at 5ij AT

(A.85)

Die thermisch indizierten Verzerrungen bilden sich unabh~i~gig vom Spannungszustand und zus~tzlich zu den elastischen Verzerrungen ~ j aus. Im HOOKEschen Elastizit~tsgesetz

396

A Grundlagen der Festigkeitslehre

m/issen sie deshalb von den Gesamtverzerrungen subtrahiert werden. g i j = gi~ -~- git

==~

0-ij = C i j k l (~kl -- g~/)

(A.86)

Die unbehinderte freie E r w ~ m u n g eines KSrpers mit konstanter Temperatur fii_hrt zu keinen Spannungen, wohingegen kinematische Behinderungen oder ortsver~derliche Temperaturfelder grofge thermische Spannungen bzw. Eigenspannungen hervorrufen kSnnen. Isotropes

Elastizit~itsgesetz

mit Temperaturdehnungen

Wegen seiner vielfachen Anwendung soll das isotrope elastische Material mit thermischen Dehnungen im Detail behandelt werden. Wenn der Elastizit5tsmodul E, die PoISSONsche Querkontraktionszahl 0 < u < 1/2 und der Schubmodul G in alle Richtungen gleich sind, ergeben die Beziehungen (A.82) und (A.85) ausgeschrieben: 1

[0-11 - / 1 (0-22 -~-0-33) ] -[-ozt A T

Ell

1

[0-22 - u (a33 + 0-11)] + at A T

g22 1

(A'87)

g33 T12

G '

T23

~23 -

G '

T31

~31 = -~-

E

mit G -

2(1 + u-------~

Dies lautet in verallgemeinerter Schreibweise:

Die Umstellung yon (A.87) nach den Spannungen liefert: E l+u

0.11 - - - -

-

E 0-22 - - - -

l+u E 0 - 3 3 --- - T12 = G V12,

g l l -~- ~

[

622 -~- ~

u

( g l l -~- E22 -~- E33) ]

1 -E 2~ at A T

u

( E l l -~- E22 -~- 633) ]

1 -E 2-------~c~tA T

(en + e22 + eaa)

1 - 2--------~

eaa + ~ 7-23 = G 7 2 3 ,

(A.89)

9-31 = G 7 3 1 9

Dieser Zusammenhang kann mit dem isotropen HoogEschen Tensor C~jkl ----2 # 6ik ~jz + A 6~j ~kl kompakt geschrieben werden:

(A.90)

A.4 Materialgesetze

397

Hier wurden die LAMEschen Konstaaten # und A eingefiihrt, die mit den anderen elastischen Konstanten E, u und G sowie C n , C22 und C44 in folgender Relation stehen. E # -- -)-------(1 ------x u2 +

Eu -- G = C44,

)~ =

(1 + u) (1 - 2 u) = C12,

2# + A = C n

(A.92)

Aus werkstoffmechanischer Sicht ist es zweckms das isotrope HOOKEsche Gesetz in den Anteil der reinen VolumenSnderung und denjenigen der Gestalt~inderung zu zerlegen. Mit den Definitionen der Kugeltensoren O"H b z w . g H und der Deviatoren a D bzw. 6D findet man die Aufspaltung von (A.91): ~rD ----2 # r

E K-- 3(1-2u)--

A.4.2

aH

---- (3 A + 2 #)(r

1 (2, + 3 3

_

atAT)

-- 3 K ( e H

-

atAT)

= 1 (Cll + 2C12) - Kompressionsmodul.

(A.93) (A.94)

Elastisch-plastische Materialgesetze

Ph~inomen der plastischen Verformung Plastisches Materialverhalten ist dadurch gekennzeichnet, dass der Werkstoff nach Uberschreiten einer bestimmten Grenze der Beanspruchung - der Elastizit~itsgrenze - zu >>fliet~en<< beginnt, d.h. es treten inelastische, bleibende Verformungen auf. Diese plastischen Form~nderungen sind eine typische Eigenschaft der meisten Metalle und iibersteigen von der GrS/~e oft die elastischen Verformungen. Plastische Form~nderungen sind irreversible dissipative Prozesse, die in einem (quasistatischen) Gleichgewicht zwischen s163 Beanspruchung und Verformungswiderstand des Werkstoffs ablaufen. Sie sind deshalb nicht v o n d e r Zeit oder Verformungsgeschwindigkeit abh~ingig (skleronom). Nach Entlastung bleiben die plastischen Deformationen bestehen. Die plastische Forms belt wird zum iiberwiegenden Anteil in Ws umgewandelt. Abbildung A.lo zeigt anhand der einachsigen Spannungs-Dehnungs-Kurve die charakteristischen Merkmale bei elastisch-plastischem Verformungsverhalten. Der Werkstoff verhs sich bis zum Erreichen eines bestimmten Spannungswertes fiFO - der Fliei~grenze (F) - elastisch. Ubersteigt die Belastung den Punkt (F), so bilden sich plastische Dehnungen gP > 0 aus. Bei dem Modell eines ideal-plastischen Materials (Punktlinie in Bild A.lo) kommt es zu unbeschrgnkten plastischen Verformungen gP ----+ OO und die Tragfiihigkeit des Werkstoffs ist erschSpft. In realen Werkstoffen erhSht sich als Folge der plastischen Deformation die aktuelle Flies ffF, man spricht von Verfestigung des Werkstoffs und bezeichnet diesen Verlauf (F)-(A) als monotone Flie/~kurve. Wird die angelegte Spannung auf Null (E) zuriickgenommen, so entlastet sich der Werkstoff durch rein elastische Verformung c e und es verbleibt c p. Eine Wiederbelastung auf den Ausgangswert (A) erfolgt ebenfalls elastisch und erst danach plastifiziert und verfestigt sich der Werkstoff weiter. Ffihrt man eine Belastung in die entgegengesetzte Richtung (Zug --* Druck) durch, so setzt das plastische Fliegen meist frfiher ein (Punkt (B)). Diese Verschiebung der Flietggrenze bei Lastumkehr heflgt BAUSGHINGEI%-Effekt. Pdigt man dem Werkstoff periodische Be- und Entlastungsvorgs auf, dann entstehen plastische

398

A Grundlagen der Festigkeitslehre

Wechselverformungen -{-~P und die Spannungs-Dehnungs-Kurve nimmt die Form einer Hysterese an, deren Gestalt sich mit den Lastzyklen noch v e r ~ d e r n kann.

Bild A . 1 0 : Elastisch-plastisches Materialverhalten

Annahmen

der Fliegtheorie

Die Plastizit~tstheorie beschreibt das elastisch-plastische Verformungsverhalten im mehrachsigen Beanspruchungsfall, wobei eine Reihe von Annahmen getroffen werden, die im Folgenden fiir die EinschrfizLkung auf kleine Verzerrungen wiedergegeben werden: 9 Die Verzerrungen eij und ihre zeitlichen ~nderungen dij ~ ~ij (A.31) setzen sich .p aus einem elastischen ii~ und plastischen Anteil Qj zusammen. r

§

~,j----~i~ §

bzw.

de,j =dQ~ + d e p

(A.95)

H~ufig formuliert man (A.95) nicht mit den Geschwindigkeiten ())Ratenform<<), sondern in >>inkrementeller<< Form des Verzerrungszuwachses deij -- ~ijdt pro Zeitinkrement, well in der Plastizit~tstheorie die Zeit ja nur die Bedeutung eines Lastparameters besitzt. Diese additive Zerlegung ist nut im Rahmen infinitesimaler Verzerrungen exakt richtig, darf abet auch bei gro~en finiten Verzerrungen n~herungsweise 9e "P verwendet werden, wenn der elastische Verzerrungsanteil klein ist, Qj << Qj. 9 Plastisches Flie~en setzt erst dann ein, wenn der Spannungszustand akl einen bestimmten Grenzwert fiberschreitet, der durch die Flieflbedingung (engl. yield criterion) beschrieben wird:

4~(akl, ha) ~ < 0 elastischer Bereich

t ----0 ha

plastischer Bereich und Verfestigung

(a ----1, 2, . . . , nil)

- - Verfestigungsvaxiable

(A.96)

A.4 Materialgesetze

399

Diese Flies stellt eine konvexe Grenzfl~iche im Spannungsraum (der 6 Komponenten aij oder der 3 Hauptspannungen as) dar, die den elastischen Bereich von plastischen Zust~nden trennt. Sie h~ingt von einer Anzahl nH spannungs~ihnlicher Variablen ha ab, die den aktuellen Zustand der Verfestigung beschreiben. Mit zunehmender Verfestigung ~indert sich die Flies ~(akl, ha) und wird dann auch Verfestigungsfliiehe (engl. yield surface) genannt. 9 Die plastischen Verzerrungen sind abh~ngig vonder Belastungsgeschichte (Lastpfad). Die momentane ,~nderung (Inkrement) der plastischen Verzerrung dr ist eine unmittelbare Reaktion auf die .~nderung daij des Spannungszustandes, sie h ~ g t aber auch vom absoluten Spannungszustand ai3 und dem erreichten Verfestigungsniveau ha ab. Deshalb muss das Materialgesetz in ~finkrementeller Form~( oder ~Ratenform~( formuliert werden. Von daher rfihrt auch die Bezeichnung inkrementelle Plastizit~itstheorie oder Fliefltheorie.

Qj'P = fijkl(ak~, ha) &k~ bzw.

dePj = fijkz(akl, ha) dak~

(A.97)

9 Fiir metallische Werkstoffe ist experimentell erwiesen, dass plastische Verzerrungen keine Volumen~inderung bewirken und dass plastisches Fliei~en nicht vom hydrostatischen Spannungsanteil o-n abh~iagt (plastische Inkompressibilit~t). Die plastische Verzerrung hat somit ausschliei~lich gestalt~ndernden Charakter und kann allein durch den Deviator beschrieben werden. 9

.p

9

9 Die irreversible Ver~nderung des Werkstoffzustandes bei plastischer Verformung wird durch so genannte Zustandsvariable oder innere Variable (engl. internal state variable) z~ (a -- 1,2,... , nil) beschrieben. Daf/ir w~hlt man meist dehnungs~hnliche GrSf~en, die thermodynamisch arbeitskonjugiert zu den Verfestigungsvariablen ha sind. Die z~ legen den Verfestigungszustand und seine )i.nderung fest. ha -- ha (z~)

(A.99)

Fliei~bedingungen Zur Formulierung der Fliei~bedingung qa(akl, ha) bieten sich bei isotropem Materialverhalten die drei Invarianten des Spannungstensors an. Noch besser eignen sich die Invarianten des Spannungsdeviators, da wegen der Inkompressibilit~it dessen 1. Invariante Ir[ D = o'Dk = 0 herausf~illt. Aus der Vielzahl von existierenden Ans~itzen sollen zwei bew~hrte Flief~bedingungen genauer angegeben werden.

a) Flief~bedingung nach v. MISES Die auf v. MISES, HUBER und HENCKY zuriickgehende Flief~bedingung bzw. GestaltSnde,ungshypothese h~ngt nur yon der 2. Invarianten des Spannungsdeviators I~ D ab.

q~

,iaDxJ =

_I~D

1 0.20

1

1 0.20 = 0

(A.:OO)

400

A Grundlagen der Festigkeitslehre

00,, ist so gew~hlt, dass im einachsigen Fall (00I ----00, 00II ---- O'III ---- 0 ) die Bedingung 00v -00 ---- 00F0 erfiillt wird. Somit bildet die v. MISES Vergleichsspannung einen mehrachsigen Spannungszustand auf einen ~iquivalenten einachsigen Wert aus dem Zugversuch ab. I m Spezialfall des ebenen Spannungszustandes (00III = 0) vereinfacht sich (A.lol) zu O'v = ~]/00121 -~- 0022 --0011 0022 + 3 T22 = V/00I2 -~- 0012i-- 00I 00II

(A.103)

und ~ M I s E S ---- 0~ - - 002 0 ---- 0 ist die Gleichung einer Ellipse im Koordinatensystem der Hauptspannungen (00I, 00II), siehe dazu Bild A.11.

Bild A.11: Fliegbedingungen nach v. MISES und TRESCA fiir den ebenen Spannungszustand Fiir den allgemeinen dreiachsigen Spannungszustand wird die Fliegbedingung im Koordinatensystem aller drei Hauptspannungen dargestellt, was Bild A. 12 veranschaulicht. Der hydrostatische Anteil o "H eines beliebigen Spannungszustandes P ~ er -- ai ei -b 00IIeii -b a m e m ergibt sich als Projektion auf die Raumdiagonale e H (hydrostatische Achse). Well

A.4 Materialgesetze

4ol

die Fliegbedingung v o n o "H unabhgngig ist, muss sie eine prismatische Grenzfliiche paxallel zu e n bilden. In den sogenannten deviatorischen ~r-Ebenen senkrecht zu e H beschreibt ~SM~sEs = 0 den geometrischen Ort eines Kreises mit dem Radius RF ----V ~ CrF0"

Bild A.12: Flietgbedingungen nach v. MISES und TRESCA im 3D Hauptspannungsraum

b) Flietgbedingung nach TRESCA Plastisches Fliegen tritt nach dieser Hypothese dann ein, wenn die maximale Schubspanhung (A.64) einen Grenzwert TF0 erreicht. ~TRESCA(ak/)

= Tmax -- TF0 = 0 = ms~x{~

1

1

Io'i -- O'iiI, ~lo'ii

-- O'iiiI,

1

~lo'iii

(A.104) -- CTII} --

TF0 = 0

Fiir den einachsigen Spannungszustand (ai = a, 6rII = O'II I = 0 ) ergibt sich daraus ~-max = lal/2, womit zwischen Schubflie/gspannung und Zugfliefgspannung die Relation ~-FO = aF0/2 entsteht. Fiir den ebenen Spannungszustaud wird die TRESCAsche Fliegbedingung durch ein Sechseck in der (aI, crii)-Ebene veranschaulicht, wie es Bild A.11 zeigt. I m dreidimensionalen Spannungszustand entspricht ~ST~scA ----0 dem in Bild A.12 angedeuteten Zylinder mit gleichmiigiger sechseckiger Form in der Deviatorebene.

Flieggesetz und Normalenregel Gesucht sind die Komponenten der plastischen Verzerrungsinkremente dQp, d. h. die Richtung und der Betrag des plastischen Fliegens. Sie kSrmen aus dem Prinzip yore Maximum der plastischen Dissipationsleistung ermittelt werden, das von HILL und DRUGKER 195o eingeffihrt wurde, siehe LUBLINER [164]. Wir betrachten dazu einen Spannungszustand oijo auf oder innerhalb der Fliegfl~che und geben ein plastisches Verzerrungsinkrement

4o2

A Grundlagen der Festigkeitslehre

dePj vor, siehe dazu Bild A.13. Nach dem Prinzip der maximalen plastischen Dissipation stellt sich von allen denkbaren Spannungszust~den 5ij der tatsKchliche Spanungszustand a~j genau so ein, dass die dissipierte Energiedichte (pro Zeit dr) T)p = (5~jdePj - h~dz~) ein Maximum annimmt. Da dieser Spannungszustand 5ij auf der Fliegfl~iche liegen muss, bedeutet dies eine Extremwertaufgabe mit der Fliegbedingung als Nebenbedingung. Mit Hilfe der Methode des LAGRANGEschen Multiplikators dA kann man schreiben

~)P (aij, ha, dA) =[Skt de~ - h~dz~ - ~(~kt, ha) dA] --* max.

(A.105)

Durch Ableitung nach bij erh~t man hieraus die assoziierte Flieflregel: dePj = dA ~0# = dA/Vij

bei

a,j - = a,j

bzw.

Qj "P = ii 0# =

ANij.

(A.106)

Diese Berechnungsvorschrift wird auch Normalenregel genannt, weil die Richtung /~/ij im Spannungsraum genau senkrecht zur Fliegfl~iche liegt. Aus diesem Grunde wird die Funktion ~ auch plastisches Dissipationspotential genannt. Die Ableitung von (A.lo5) nach den Verfestigungsvariablen ha liefert das Gesetz fiir die zeitliche Entwicklung (Evolution) der inneren Variablen z~: dz~ = - dA ~0~

0~ " bzw. ~ = - A Oh~

(A.lo7)

Der auch als plastischer Multiplikator bezeichnete, nicht negative Parameter A -- dA/dt nimmt folgende Werte an: A] >0 0

t

=

bei

~5=0

bei 9< 0

mad ~ = 0 plastischesFlie~en ~ < 0 elastischerBereich bzw. Entlastung

und

(A.Io8)

Das wird h~ufig in der KUHN-TUCKER-Bedingung A ~ = 0 zusammengefasst. Im Zusammenhang mit der Normalenregel und der Konvexit~itsforderung soll das Postulat von DRUCKER. (1950) erw~hnt werden, das eine energetische Bedingung ffir die Stabilit~t plastischen Materialverhaltens darstellt. Betrachtet wird ein virtueller Belastungszyklus vom Ausgaugszustand a~ zu einem beliebigen Endzustand aij und zuriick. Dabei stellt sich ein Verzerrungsinkrement deij -- dQ~j + dePj ein. Bei diesem geschlossenen Belastungszyklus leistet das Spannungsinkrement daij mit dem plastischen Verzerrungsinkrement dePj (elastischer Anteil de~j ist reversibel) die plastische Zusatzarbeit d U p ---- daij dePj. 1D: 3D

(a-a ~ p i >0 (aij - a ~ deij = daij de p-~ 0 3 3 ( <0

Verfestigung ~ ideal plastisch Entfestigung ~

stabil (A.Io9)

instabil

Damit das Material stabil bleibt, darf das Skalarprodukt dU p nicht negativ werden,

A.4 Materialgesetze

4o3

Bild A.13: Fliei~gesetz und Normalenregel, Postulat von DRUCKER

weshalb dePj genau die Normalenrichtung auf der Flies ~ -- 0 annehmen muss, da ja daij eine beliebige Richtung haben daft. Aus diesem Grunde muss die Fliegfl~iche konvex sein! Dieser Sachverhalt ist unmittelbar aus der grafischen Darstellung in Bild A.13 zu erkennen. Die Anwendung der Normalenregel (A.lo6) auf die v. MISES Flief~bedingung liefert: ~MisEs

:

O'ij ffij -- O'F0 = 0 (

_

Oaij

1

)

_

OakD

Oaij

3 o "D

(A.110)

-

\ 2 ov /

-3

2 av

Verfestigungsarten Die Verfestigung wird mit Hilfe der Verfestigungsvariablen ha quantifiziert, die skalaxe oder tensorielle GrSf~en sein kSnnen. Ffir ihre Entwicklung im Laufe der Beaaspruchung werden Evolutionsgesetze aufgestellt, die dem plastischen Multiplikator proportional sind, wobei die Funktionen Ha entweder empirisch angesetzt werden oder sich direkt fiber (A.99) und (A.lo7) aus dem Dissipationspotential ~5 ergeben: ha -- H~(aij, h~) A

z.B.

"" Oh~

O#

Ha -- - ~ Oz~ Ohm" fl=l

(A.Ii2)

404

A Grundlagen der Festigkeitslehre

Es sollen die beiden wesentlichen Verfestigungsarten erl~iutert werden, die sich vor allem bei Belastungsumkehr unterscheiden.

Bild A.14: a) Isotrope und b) kinematische Verfestigung bei einachsiger Belastung a) I s o t r o p e V e r f e s t i g u n g Nach Belastungsumkehr kommt es erst dann wieder zum plastischen Flies wenn die bereits erreichte Flies laFI betragsm/it~ig erneut iiberschritten wird, d.h. der verfestigte (elastische) Bereich vergrSgert sich, wie in Bild A.14 dargestellt. Die SpannungsDehnungs-Kurve wird bzgl. des Nulldurchgangs (Punkt O) gespiegelt. Das Ma~ ffir die isotrope Verfestigung ist die Gr6ge R = R(~P), um die sich die Flieggrenze gegenfiber ihrem Anfangswert erhSht hat: =

+

Es handelt sich um eine skalare Verfestigungsvariable hi = R, die eine Funktion der plastischen Dehnung ist. Die Verallgemeinerung auf den dreidimensionalen Beanspruchungszustand geschieht durch Einfiihrung der akkumulierten plastischen Vergleichsdehnung Ep -~ zl, der zugeordneten inneren Variablen: t

~ :/~dt,

~= ~

SijCij "p z/i.

(A.II4)

0 Im SpezialfaU des einachsigen Zugs ( a n = a) mit iPl = iP, iP2 = ~P3 = - i P / 2 ergibt sich gerade wieder iP ~ iP. Diese Festlegung entspringt der Gestaltiinderungshypothese, nach der jeder mehrachsige Beanspruchungszustand mit Hilfe der v. MISES Vergleichsspannung av und der Vergleichsdehnung ~P auf einen einachsigen Zustand (zf und CP abgebildet werden kann, der

A.4 Materialgesetze

405

"P = Crv~P besitzt. Auf diese Weise l~isst sich eine ~ktuivalente Dissipationsleistung aij Qj jede im Zugversuch gemessene Verfestigungskurve O"F : f ( E p) auf den dreiachsigen Fall av ----f(eP) iibertragen. Man kann zeigen, dass die plastische Vergleichsdehnungsrate mit dem plastischen Multiplikator iibereinstimmt (A.ll4) und dass die zu R gehSrige Entwicklungsfunktion Hi dem plastischen Tangentenmodul Ep nach (A.116) entspricht.

Geometrisch entspricht dies der Fl~che eines Zylinders mit dem Radius aFV/-2/3, der sich mit Ep in alle Richtungen (isotrop) vergrSgert, siehe Bild A.15. Fiir das einachsige isotrope Verfestigungsgesetz R(~ p) existieren viele empirische Beschreibungen z. B.: 9 lineare Verfestigung mit einem konsta~ten plastischen Tangentenmodul Ep - dn. R ----Epe p,

1 e p : ~ p (O'F -- O'F0)

(A.117)

9 Potenzgesetz-Verfestigung nach RAMBERG-OsGoOD (Exponent n _> 1, Parameter a, Bezugsspannung a0 und -dehnung eo = ao/E):

R=(TO ( eP ~ 1In

(O'F~ n -- O'F0 ~

\ aeo /

~P

~

OL ~ 0

--

\ ao /

(A.118)

9 Exponentialansatz mit S~ttigungswert R ~ und Anstieg b: R -- n ~ [1 - exp (-beP)]

(A-If9)

Die isotrope Verfestigungsregel erkl~irt jedoch nicht den BAUSCHINGER-Ef~ekt! b) K i n e m a t i s c h e V e r f e s t i g u n g Unter kinematischer Verfestigung versteht man eine Verschiebung der Fliefgbedingung in Richtung der aktuellen Belastung, wobei die GrStge des elastischen Bereichs ( A A ' -- 2CrF0) unveriindert bleibt. Wie man aus Bild A.14 b) erkennen kann, wird damit der BAUSCHINGER-Effekt nachgebildet. Die Verschiebung des Bezugspunktes der Fliegbedingung wird im 1D-Fall durch die kinematische Verfestigungsvariable X ausgedriickt, die die Dimension einer Spannung hat. Fiir die Ver~nderung von X mit der plastischen Verformung gibt es verschiedene Anss

406

A Grundlagen der Festigkeitslehre

Die einfachste Evolutionsgleichung (PRAGER1959) [164] ist eine lineare Verschiebung proportional zum Multiplikator A = Ep mit einer Materialkonstanten c. Somit lauten die Flie~bedingung und die Evolutionsgleichung im 1D-Fall:

X=X@P)=c~P. Im 3D-Fall stellt X einen Tensor 2. Stufe dar, der Riickspannungstensor (engl. back stress tensor) genannt wird. Er ist ein symmetrischer Deviator, so dass seine Komponenten Xij weitere 6 Verfestigungsvariable definieren, denen Ms innere Variable die plastischen Verzerrungen zugeordnet sind. Xij ~- ha,

P -~ z~ Qj

(c~ = 2, 3 , . . .

7)

(A.12x)

Wie Bild A.15 zeigt, beschreiben die Riickspannungen die Verschiebung der Flie~grenzfl~che in der Deviatorebene in Richtung der plastischen Verzerrungen (3D-BAUSCHINGEREffekt). Die Flie~bedingung wird mit der 2. Invarianten von (crD - X~j) formuliert, so dass sich eine Vergleichsspannung ~v = -312(a D - X i j ) relativ zum Mittelpunkt der Fliegfl~che ergibt.

Erwfiahnt werden sollen auch nichtlineare kinematische Verfestigungsregeln (siehe z. B. CHABOCHE [160]), die fiir die Modellierung bestimmter zyklischer plastiscber Erscheinungen (Ratchetting, Mittelspannungsrelaxation) wichtig sind. Dafiir wird die Evolutionsgleichung (A.122) um einen 2. >>recall(<-Term -~/Xij~ p erweitert, der eine S~ittigung der kinematischen Verfestigung (dynamische Erholung) bewirkt.

c) Kombinierte Verfestigung In der Realit~t beobachtet man bei metallischen Werkstoffen h~ufig eine (Sberlagerung von isotroper und kinematischer Verfestigung. Das hat sowohl eine VergrSgerung als auch eine Verschiebung der Flie~grenzfl~iche zur Folge, was in Bild A.15 fiir den mehrachsigen Fall veranschaulicht wird. Die Gleichungen fiir eine kombinierte isotrope und nichtlinearkinematische Verfestigung haben dann folgende Gestalt: Fliegbedingung: Evolutionsgleichungen:

9 (a~j, x ~ ,

= EpA,

R ) = ~v - aF0 - R ( c ~ ) = 0

Jc~ = c--Or A, Offij

A = ~$.

(A.123)

A.4 Materialgesetze

4o7

Bild A.15: Darstellung verschiedener Verfestigungsarten in der Deviatorebene

Konstitutive Gleichungen Im voran gegangenen Abschnitt wurde bereits das Flieflgesetz hergeleitet, welches die plastischen Verzerrungsinkremente als Funktion des aktuellen Sparmungs- und Verfestigungszustaads liefert. Es gilt fiir den plastischen Bereich, d.h. wenn die Fliegbedingung erfiillt ist und weiter plastifiziert wird (4~ = 0, A > 0). Bei Entlastung aus dem Plastischen (~5 = 0, ~ < 0, A = 0) sowie im Elastischen (4i < 0, ii = 0) gilt das HOOKEsche Gesetz. Es fehlt jedoch noch eine Bestimmungsgleichung fiir den plastischen Multiplikator A. Sie gewinnt man mit Hilfe der so genannten Konsistenzbedingung, die besagt, dass die Flies bei weiterer Verfestigung immer den W e r t 9 = 0 beibehalten muss, d.h. das totale Differenzial verschwindet: 04~

04~

0O

9

(A.124)

= o--~j~ + 8-~R+ o-2-~ x~ = o.

Fiir kombinierte isotrop-kinematische Verfestigung berechnen sich die einzelnen Terme

0o_s Oaij

oo s OXi---~--

und mit den Evolutionsgesetzen

s163163

s

oo 2

~v

'

0---R= - 1

(A'125)

(A.123) folgt: ~

A-s

(A.l~6)

3/2 Die elastischen Verzerrungsraten ergeben sich nach (A.95) aus den Gesamtraten minus dem plastischen Anteil, so dass mit dem HOOKEschen Gesetz (A.77) die Spannungsraten

408

A Grundlagen der Festigkeitslehre

ermittelt werden kSnnen: a~ "p = C~jkl (~kl 9 = Ci~kl ~ l = Ci~kl (~kl -- ~kl)

A~kl).

(A.1~7)

Einsetzen von A aus (A.126) ergibt den Zusammenhang zur Gesamtverzerrungsrate Ek~

A=

9~j c~sk~

~k~,

(A.128)

woraus schlieglich die gesuchte Beziehung folgt.

Den Tensor C~Pkl(aij, Xij, R) bezeichnet man als elastisch-plastische Kontinuumstangente. Er h/ingt vom aktuellen Spannungszustand und fiber die Verfestigungsvariablen von der Verformungsgeschichte ab.

D e f o r m a t i o n s t h e o r i e der Plastizit~it Im Unterschied zu den inkrementellen Verformungsgesetzen der plastischen Fliegtheofie, die im vorangegangenen Abschnitt vorgestellt wurden, hat HENCKY (1924) [164] ein finites Verformungsgesetz fiir nichtlineares Materialverhalten aufgestellt, das als so

A.4 Materialgesetze

4o9

genannte Deformationstheorie der Plastizitdt (engl. deformation theory of plasticity) bezeichnet wird (was allerdings etwas irrefiihrend ist). Dieses Materialmodell besitzt auch heute noch Bedeutung fiir die Bruchmechanik, weshalb n/iher darauf eingegangen werden soll. In der Deformationstheorie werden die grundlegenden Annahmen der isotropen Plastizit~itstheorie insoweit fibernommen, als dass die plastischen Verzerrungen proportional zum Spannungsdeviator sind und somit die Inkompressibilit~t gew~hrleistet ist. Ebenso werden die Gestaltfinderungshypothese und v. MIssssche Fliet~funktion verwendet. A1lerdings wird abweichend v o n d e r Fliet~theorie anstelle der Flief~regel ein proportionaler Zusammenhang zwischen den totalen plastischen Verzerrungen und den aktuellen Spannungen vorausgesetzt.

gijP : A a D

(A.132)

Der Proportionalit/itsfaktor A ergibt sich aus der Ubertragung der einachsigen Fliegkurve auf den mehrachsigen Fall mit Hilfe der v. MISES Vergleichsspannung av = und der plastischen Vergleichsdehnung sP -o~ = f(g')

~

P gPij, womit Qj

V~ aij aij

mail erh~lt:

~v = / ( g ~ ) .

(A.133)

Durch Erg~inzung der elastischen Verzerrungsanteile erh~lt man das finite HENCKYSChe Materialgesetz, aufgespalten in hydrostatischen und deviatorischen Anteil

g~ = g~ + g~ _ okk3g~ + V,1 ~J~ + ~3 ~-7 gv~ ~ "

(A.134)

Dieses Gesetz wird oft in Verbindung mit dem Verfestigungspotenzgesetz nach RAMBER.G-OsGOOD (A.118) angewandt. Die Verallgemeinerung auf den mehrachsigen Fall geschieht mit den VergleichsgrSgen av und sP, so dass sich folgende Beziehung zwischen den plastischen Verzerrungen und den Spannungen ergibt:

( (7v ~n g vp

=(~

go

--

\ao/

(gp~ ~

O~gO ( O'v~n--1 = - -

\av/

__

~o \ a o /

gijP ~ - -

(

3 =

go

(~

2

av --

\ao/

~n--I

aD __

(A.135)

ao

Dieses Materialgesetz wird in der Deformationstheorie auch als dreidimensionale Form des RAMBERG-OSGOOD-Gesetzes bezeichnet. Wie man durch Vergleich mit dem PRANDTL-REUss-Gesetz (A.111) der inkrementellen Plastizit~itstheorie leicht erkennen kann, stellt die Deformationstheorie der Plastizit~t tats~chlich gar kein plastisches, sondern lediglich ein nichtlinear-elastisches (hyperelastisches) Materialgesetz dar, dessen elastisches Potenzial durch Integration der Form~nderungsenergie leicht zu berechnen ist. u(g~)

n 1 [g(4k) ~ +2,g~Sg~5] + n + l

= u ~+ up = ~

fro

~+i

(,g0)~/~ (gv') ~

(A.~36)

Dafiir hat es aber den Vorteil, mathematisch einfacher handhabbar zu sein, wodurch in

4xo

A Grundlagen der Festigkeitslehre

einigen F/illen sogar geschlossene LSsungen von Randwertproblemen mSglich werden. Durch die >>finite<(Formulierung geht jedoch jeglicher Einfluss der inkrementellen Belastungsgesehichte verloren. Deshalb ist die Deformationstheorie nut unter sehr einschr~nkenden Voraussetzungen richtig, derer man sich bewusst sein sollte: 9 Die Beanspruchungen mfissen in jedem Punkt des KSrpers monoton steigen. Eine Entlastung wiirde nieht auf der HooKEschen Geraden wie in Bild A. lo erfolgen, sondern entlang der nichtlinearen Verfestigungskurve wie in Bild A.9 zurfiek verlaufen, was dem wahren elastisch-plastisehen Verhalten widerspricht. 9 Der Spannungszustand darf sich ws des Belastungsvorgangs qualitativ nicht ~ndern, d.h. die Verh~ltnisse der Spannungskomponenten zueinander (Hauptspannungsrichtungen) mfissen konstant bleiben. Einen solchen Lastpfad, der im Spannungsraum vom Nullpunkt aus proportional zu einem festen Endwert (rE verl~uft, nennt man >>radial<(. Alle Spannungen und damit aueh die Verzerrungen und Verschiebungen w/irden in diesem Fall mit dem Lastparameter 0 < t < T ansteigen

aij(x,t) -- t a E ( x , T ) ,

ePj(x,t) = t'~ ePE(x,t),

ui(x,t) = t~uE(x,t) (A.137)

Bei radialer Belastung kann das finite HENCKY-Gesetz direkt aus dem inkrementellen PRANDTL-REUSS-Gesetz durch Integration hergeleitet werden. Sind diese Bedingungen jedoch im Anwendungsfall erffillt, so liefert die Deformationstheorie richtige L5sungen, die mit denjenigen der inkrementellen Theorie identisch sind. Anderenfalls ffihren jegliche Spannungsumlagerungen und Teilentlastungen in irgendeinem Punkt der Struktur zu abweichenden Resultaten. A.5

Randwertaufgaben

der Festigkeitslehre

A.5.x

Definition der Randwertaufgabe

Zur besseren Ubersicht soll der gesamte Satz yon partiellen Differentialgleichungen und Beziehungen der Festigkeitslehre (ffir infinitesimale Verzerrungen) nochmals zusammengesteUt werden. In diesem Zusammenhang werden aUe Merkmale einer Randwertaufgabe (RWA) oder - bei zeitlich ver~inderlichen Problemen - einer Anfangsrandwertaufgabe (ARWA) erl~utert. Dazu betrachten wir den in Bild A.16 dargestellten KSrper, der sich fiber das Gebiet V erstreckt und die Oberfi~che A besitzt. Er soll bereits einen Riss haben, dessen Oberfl~iche Sc Tell von A ist. Die s Belastung des KSrpers wird gem~ig Abschnitt h. 3 durch Volumenkrs b und Fls t vorgegeben. Letztere greifen auf einem bestimmten Teil St der Oberfl~che an. Auf dem komplements Teil der Oberfl~che S~, = A - St werden Lagerbedingungen in Form von unterdrfickten oder anfgeprs Verschiebungen vorgeschrieben, die wir mit ~ bezeichnen. Die Eindeutigkeit der LSsung der Randwertaufgabe erfordert, dass auf jedem Teil der Oberfl~iche in jeder Koordinatenrichtung entweder eine Verschiebung oder eine Randspanhung vorgegeben werden. Bei zeitabh~ngigen V o r g ~ g e n sind die Randbedingungen ~(t) und t(t) sowie die entsprechenden Angriffsfl~chen S~(t) und St (t) selbst Funktionen der Zeit t.

A.5 Randwertaufgaben der Festigkeitslehre

411

Auf der Rissoberfl~iche m/issen ebenfalls Randbedingungen definiert sein. Diese werden meistens als lastfrei angenommen, d.h. auf Sc ist tc = 0. Es kSnnten aber beispielsweise auch Belastungen aufgrund von Innendruck auftreten. Oder als Folge eines Rissuferkontaktes sind gewisse Randverschiebungen verhindert.

Bild A.x6: Formulierung der Randwertaufgabe Die Verformung wird nach Abschnitt A.2 durch ein stetiges Verschiebungsfeld u ( x ) dargestellt, aus dem sich als symmetrischer Vektorgradient der Verzerrungstensor e gem~is (A.29) ableiten l~st. In dieser kinematischen Beziehung ist ~ nut eine abh~ngige FeldgrSfge. Will man jedoch die Grundgleichungen ausschlieglich mit den Verzerrungen formulieren und daxaus die Verschiebungsfelder durch Integration gewinnen, so ffihrt diese Berechnung nicht ohne weiteres zu stetigen und eindeutigen Resultaten. Deshalb mfissen zus~tzliche Bedingungen an die Komponenten von e gestellt werden, die mathematisch die Integrabilit~it sicherstellen und physikalisch bedeuten, dass die erzielten Verschiebungsfelder stetig sind, d.h. der verformte KSrper bleibt ein zusammenh~gendes Kontinuum ohne Klaffungen oder fJberlappungen. Diese notwendigen Beziehungen heigen KompatibilitStsbedinungenoder Vertr~iglichkeitsbedingungen. Im allgemeinen dreidimensionalen Fall werden sie durch folgende sechs Differenzialgleichungen ausgedrfickt: Sij,kl +ekl,ij -- Sik,jt -- Ejl,ik ----0

mit

i,j,k,1 ----1, 2, 3.

(A.138)

Zum Satz der Grundgleichungen gehSren des weiteren die in Abschnitt A.3 daxgelegten statischen bzw. dynamischen Gleichgewichtsbedingungen fiir den Spannungstensor er im gesamten Gebiet V. Augerdem muss auf dem Rand des Gebietes das Spannungsgleichgewicht zwischen innerem Spannungszustand und den iiugeren Fl~chenlasten gem~is der CAVCHY-Formel (A.44) erf/illt sein. Die Grundgleichungen werden schlieglich durch die Materialgesetze komplettiert, welche die Verbindung zwischen Spannungstensor und Verzerrungen oder deren Raten herstellen, was symbolisch mit dem Materialtensor 4. Stufe Mijkz (6, ~, h) ausgedriickt werden

4x2

A Grundlagen der Festigkeitslehre

soU, der stellvertretend f/ir alle in Abschnitt A.4 beschriebenen Verformungsgesetze steht.

Die mathematische LSsung dieser ARWA gestaltet sich h/iufig recht kompliziert und ist insbesondere f/ir endliche Gebiete V, dreidimensionale Strukturen und nichtlineares Materialverhalten nicht mehr mit analytischen Berechnungsmethoden 16sbar. In diesen praktisch wichtigen F~illen ist man also unbedingt anf numerische Berechnungsverfahren angewiesen.

A.5.2

Ebene Randwertaufgaben

Grunds~tzlich ist man bestrebt, die Berechnungsaufgaben der Festigkeitslehre und Bruchmechanik auf einfache handhabbare Modelle zu reduzieren. So kSnnen in einer Reihe von technischen Anwendungen die Geometrie der Struktur, ihre Belastung und ihre Lagerbedingungen in guter N~iherung auf zwei Dimensionen vereinfacht werden, so dass man sie als ebene Randwertaufgaben behandeln kann. Typische Beispiele sind Fl~chentragwerke wie Scheiben und Platten oder prismatische Banteile wie WeUen, Rohre u./i. Auf diese Weise reduziert sich das System der zugrunde liegenden partiellen Differenzialgleichungen und die Anzahl der unbekannten Feldgr6t~en erheblich. Demzufolge ist der mathematische oder numerische Aufwand zur LSsung wesentlich geringer. H~iufig existieren dafiir auch geeignete mathematische Methoden, die eine geschlossene analytische L6sung der Randwertaufgaben ermSglichen. Aus diesem Grunde soll im folgenden Abschnitt auf ebene Randwertaufgaben (haupts~ichlich der Elastizit~itstheorie) und ihre L6sungsverfahren ausfiihrlicher eingegangen werden. Bei ebenen Problemen sind alle Feldgr6t~en ~rij, eij und ui nur Funktionen von (xl, x2) und jede Ableitung nach cq(.)/Ox3 = 0 verschwindet. Die Relation zwischen den Verzerrungen und Verschiebungen in der Ebene lautet dann:

GOUl ell

-

Oxl

,

OU2 ~22 -

0x2 ,

OUl "h2 = ~

(A.140)

OU2 + ~

.

A.5 Randwertaufgaben der Festigkeitslehre

413

Die Kompatibilitiitsbedingungen (A.138) vereinfachen sich zu einer einzigen Gleichung zwischen diesen Verzerrungskomponenten 02~11

02~22

OX~ + OX~

c02712

OXlOX2

-

-

0

(A.141)

"

Die ~iugeren Belastungen wirken in allen Bauteilebenen x 3 = const, in gleicher Form und verursachen Spannungen in der (Xl, x2)-Ebene:

o11(xl,x ),

(A.142)

Die Bewegungsgleichungen (A.7o) reduzieren sich in diesem Fall auf: 00"11

0T12

OT12 00"22

In Bezug anf das Verhalten der Feldgr6s die folgenden zwei Approximationen.

in der Dickenrichtung x3 unterscheidet man

Bild A.17: ESZ in d/innen Scheiben (links) oder Beh~iltern (rechts)

a) Ebener Spannungszustand (ESZ) Als Scheiben werden ebene F1/ichentragwerke bezeichnet, die nur durch Kr/ifte in ihrer Ebene (xl,x2) belastet werden, siehe Bild A.17 (links). Bei d/innwandigen Beh/iltern wie in Bild A.17 (rechts) treten ebenfalls nur Membranspannungen o11,o22 auf. Ffir Scheiben und Beh~lter geringer Wandst~rke (Dicke h << andere Abmessungen) kann das Modell des ebenen Spannungszustands (ESZ) angewandt werden. Da an der Oberund Uaterseite x3 = -4-h/2 keine Belastungen angreifen, mfissen dort alle Spannungen mit x~-Komponente null sein. Auch im Inneren gilt dana in guter N~herung, dass diese Spannungskomponenten gegea/iber denjenigen in der Ebene vernachl/issbar klein bleiben. O'33(Xl, X2) = T13(Xl, X2) = T23(Xl, X2) ~ 0

(A.144)

4x4

A Grundlagen der Festigkeitslehre

Damit vereinfacht sich das HOOKEsche Gesetz (A.87) und (A.89) auf die Form: 1 gll

---- ~

[ G l l - - /2 0"22 ] -~- a t

AT

1 g22 =

~

(A.145)

[0"22 - - /20"11 ] -~- O~t A T

2 (1 +/2) 712 --

#

-- -

-

E

T12,

723 = ~31 = 0

oder aufgelSst nach den Spannungen: E 011 - 1 -/22 [gll -{-/2922 - ( 1 § 0"22 - -

E 1 - u2

r12

2 (1 +/2-------~712 = #~12.

[ e 2 2 "~ / 2 9 1 1 - -

c~t AT]

(1 +/2) at AT]

(A.146)

E -

Die Dehnung e33 in Dickenrichtung kann sich frei ausbilden. ~33--

1 1-~[/2(~11+~22)--(l+/2)~tZ~T]

(A.147)

Bild A.18: Beispiel f/Jr den EVZ in der Querschnittsebene eines Rohres

b) Ebener Verzerrungszustand

(EVZ)

Das Modell eines ebenen Verzerrungszustands liegt vor, wenn die Verschiebungskomponente u3 iiberall null (oder konstant) ist. Dann verschwinden alle Verzerrungskomponenten bzgl. der x3-Richtung. ~33(Xl, x2) = "ha(xl, x2) ----"/23(xl, x2) -- 0

(A.148)

Der EVZ trifft auf prismatische Bauteile zu, deren Geometrie und Belastung sich mit der x3-Koordinate nicht ~ d e r t und wo die u3-Verschiebung durch die Lagerbedingungen verhindert wird, wie es Bild A.18 skizziert. Die Spannungcn ergeben sich durch Einsetzcn

A.5 Randwertaufgaben der Festigkeitslehre

415

von (A.148)in das aUgemeine Elastizitgtsgesetz (A.89): E 0"11 = (1 + v ) ( 1 - 2v) [Sll (1 - v) + v s~.~. - at A T ] E 0"22 = (1 + v) (1 - 2v) [t22 (1 - v) + v s l l - s t A T ]

(A.149)

E 7-12 = ~ ? 1 2 - - 2(1 + v) T12,

7-23 = "/-31 = 0 .

Die Umstellung nach den Verzerrungen liefert:

e~.2 712

-

-

~ n2 #

0"~~ - 1 ~

-

-

] ]

0"11 + (1 + v) c~t A T

(A.15o)

2(1 + v) 7-12 E -

-

Die Lgngsspannung 0"33 ist jetzt aufgrund der Dehnungsbehinderung s33 -- 0 verschieden yon Null, wird aber durch die Spannungen 0"11, 0"22 in der Ebene festgelegt.

0"33:v(0"11+0"22) - E ~ t A T

(A-151)

F/ihrt m a n die Substitution E

/,I

E --+ E ' -- 1- - v- 2 '

v - - * u ' -- 1 - v '

at --* at' = ( l + v )

at

(A.152)

ein, so lassen sich die Gleichungen (A-149) (A.150) ffir den EVZ exakt auf dieselbe Form bringen wie die Beziehungen (A.145) (A.146) fiir den ESZ. Somit unterscheiden sich beide F/file nut u m die elastischen Koeffizienten, haben aber mathematisch die gleiche Struktur.

A.5. 3

M e t h o d e der komplexen Spannungsfunktionen

Fiir die L5sung ebener R a n d w e r t a u f g a b e n der Elastizit~tstheorie wurden verschiedene mathematische Verfahren entwickelt. Zu den wichtigsten Methoden gehSrt die Verwendung reeller und komplexer Spannungsfunktionen, die ausfiihrlich in Standardwerken der Elastizitgtstheorie beschrieben sind. I m Folgenden soUen diese Ansgtze nur in knapper Form erlgutert werden, u m ihre Anwendung in der Bruchmechanik zu verstehen. Das Differenzialgleichungssystem der ebenen Elastizit~tstheorie kann auf die Bestimm u n g einer skalaren Funktion zurfickgeffihrt werden. Dazu wurde yon AIaY die Spazlnungsfunktion F ( x l , x 2 ) eingeffihrt, aus der sich die ebenen Spannungen in der Weise errechnen, dass automatisch die Gleichgewichtsbedingungen (A.143) im Fall ~ -- b - 0 erfiillt werden:

c92F O'11--0X22 :

02F 0"22--0X12,

02F T12--

OqXlOX2

(A.153)

4x6

A Grundlagen der Festigkeitslehre

Substituiert man die Spannungen durch die Verzerrungen nach dem Elastizit/itsgesetz und setzt dann in die noch zu befriedigende Kompatibilit~tsbedingung (A.138) ein, so kommt man zu einer Differenzialgleichung 4. Ordnung fiir die Spannungsfunktion F:

02 .

02 .

Dabei ist A(.) : ~ + ~ der ebene LAPLACE-Operator in kartesisehen Koordine~ ten. Auf der rechten Seite dieser auch Bipotenzialgleichung genannten DGL steht die thermische Belastung, fiir die eine partikul~e LSsung gefunden werden muss. Die homogene DGL A A F : 0 kann durch geeignete Ansatzfunktionen erfiillt werden, deren freie Parameter mit Hilfe der Randbedingungen festzulegen sind. Weitaus eleganter und leistungsf'~higer ist die Verwendung der komplexen Funktionentheorie. Hierbei werden die Ortskoordinaten (Xl, x2) durch die komplexe Variable z : Xl q- ix2 und ihre konjungiert komplexe GrS~e -5 : Xl - ix2 ersetzt, wobei i : ~ die imagin/ire Einheit bedeutet. Z :

X 1 -[- i x 2 ,

-5 ---- X l

-- ix2

~

X1 :

(Z

-[- -5) ,

X2 :

1 (z ~11

- -5)

(A.155)

Die homogene Form der Bipotentialgleichung (A. 154 ) nimmt in komplexen Variablen die einfache Gestalt (A.156) an. Man kann zeigen (siehe z.B. MUSKHELISHVILI[178]), dass sie automatisch durch den Ansatz (A.157) mit zwei komplexen holomorphen Funktionen r und X(z) befriedigt wird. (Holomorphe/analytische Funktionen sind stetig komplex differenzierbar und gen/igen den CHAUCHY-RIEMANNschen Beziehungen) ~(-) und ~(.) bezeichnen den Real- bzw. Imagin~irteil eines Ausdrucks (.).

4 04F(z'-5) Oz2/)52 -- 0 F(z,-5) = ~ [-5r

(A.156) + X(Z)]

(A.'57)

A.5 Randwertaufgaben der Festigkeitslehre

417

Durch jede beliebige Wahl der komplexen Potenziale r und X werden alle Grundgleichung e n d e r ebenen elastischen RWA im Gebiet V erfiillt, d.h. Gleichgewichtsbedingungen, Kinematik und HOOKEsches Gesetz. Um jetzt noch die vorgeschriebenen Randbedingungen erfiillen zu kSnnen, ben6tigt man den Zusammenhang zwischen r und X mit den geforderten Randwerten u -- ~ -- ~1 + iu2 anf S~ und t -- ~ -- 31 + it2 auf St. Die Beziehung zu ~ ist mit der 3. Gleichung von (A.z58) gegeben. Der Randspannungsvektor an einem Randsegment der L~inge ds mit dem Normalenvektor nj betr~igt nach der CAVCHY-Formel (A.44) ti = aijnj, was mit den komplexen Potenzialen in den Ausdruck umgewandelt werden kann: t=tz+it2=--

i ~ss d [r

+ zr

+ X'(Z)]

(A.16o)

Ein groger Vorteil der komplexen Methode beruht darauf, dass bew~hrte Techniken der komplexen Funktionentheorie wie konforme Abbildungen, CAUCHYsche Integrale und LAURENT-Reihen zur LSsung der RWA fiir zweidimensionale begrenzte Strukturen eingesetzt werden kSnnen. Als Beispiel sei an dieser Stelle nur die Umwandlung der KOLOsovschen Formeln in Polarkoordinaten (r, 0) erw~ihnt. Mit der EULERschen Darstellung der komplexen Variablen z -- r e i0 und ~ = r e -i0 gelangt man zur Form:

art + aoo = 2 [r croo - art + 2iT~o ----2 [~r

+ i 0)=

+r + X"(z)] e 2i~

(A.161)

z , , ( z ) - x'(z)] e -i~

Die von WESTERGAARD (1939) [283] in der Bruchmechanik verwendete komplexe Spannungsfunktion Z(z) stellt einen Spezialfall der o.g. Funktionen von MUSKHELISHVILI [178] dar (r = 89 und X" = -!zZ'~2j, sie kann aber nur unter eingesehr/inkten Symmetriebedingungen der RWA genutzt werden.

A.5. 4

Der n i c h t e b e n e S c h u b s p a n n u n g s z u s t a n d

Als nichtebenen oder longitudinalen Schubspannungszustand (NES) bezeichnet man eine reine Schubbeanspruchung senkrecht zur (xl, x2)-Ebene in einer prismatischen Struktur, die parallel zur x3-Achse verl/iuft, siehe Bild A.19. Unter der Voraussetzung orthotroper oder hSherer Materialsymmetrie bzgl. der Koordinatenachsen entkoppeln sich die Verformungen in der Ebene und senkrecht dazu. Deshalb bilden sich nur Verschiebungen uu(xz, x2) in x3-Pdchtung aus, welche die Gleitungen 713 und 723 sowie die zugehSrigen Schubspannungen ~-13 und T23 als Funktion von (Xl, x2) zur Folge haben. Die Belastung kann so wie in Bild A.19 gezeigt durch Schubkrfis oder Verformungen '~3 vorgegeben sein. In diesem/iu~erst trivialen Fall verbleiben die kinematischen Beziehungen

Ou3 713 -- 0Xl

'

723-

Ou3

0713

0X2 '

0X2

0723 --

0Xl

(A.162) '

4x8

A Grundlagen der Festigkeitslehre

Bild A.19: Nichtebene Schubbeanspruchung (NES) das HOOKEsche Gesetz f/ir Schub und die Gleichgewichtsbedingungen (ohne Volumenkr/ffte)

'~13 : T13/IA '

~23 : T23/# '

0T13 Ox~ q- ~0T23 = 0.

(A.163)

Durch Einsetzen von (A.162) in (A.163) bekommt man f/Jr die Verschiebungsfunktion u3 eine LAPLACE-Gleichung

(02U3

02U3~

, \ Ox 2 + Ox 2 ,] = I ~ A u 3 ( x l , x 2 ) = 0.

(A.164)

Bekanntlich erf/illen sowohl der Real- als auch der Imagin/irteil einer holomorphen Funktion automatisch die LnPLACE-Gleichung [178] [106].

A.5.5

Platten

Um sp~iter auf Risse in Platten eingehen zu kSnnen, soU an dieser SteUe kurz die KmCHHOFFsche Theorie diinner Platten in Erinnerung gerufen werden. Ausffihrliche Darstellungen findet der Leser in jedem Lehrbuch der H5heren Festigkeitslehre. Eine Platte ist ein ebenes Fl~chentragwerk (Dicke h << Abmessungen in der Ebene), dessen Geometrie

A.5 Randwertaufgaben der Festigkeitslehre

419

Bild A.20: KIRCHHOFFsEhePlattentheorie

durch die Mittelebene x3 -- 0 mit den (Xl, x2)-Koordinaten beschrieben wird. Die Belastungen wirken senkrecht zur Fl~che in Form von Fl~chenlasten p(xl, x2) oder am Rand eingeleiteten Momenten. Auch hier gilt der ebene Spannungszustand. Die Verformung einer Platte besteht aus einer reinen Verschiebung der Mittelebene in x3-Richtung, die Durchbiegung u3 -- w(xl, x2) genannt wird. Die 1. Ableitungen von w bedeuten die lokalen Verdrehungen der Querschnitte und die 2. Ableitungen entsprechen den Kriimmungen. Alle FeldgrSt~en der ebenen RWA sind nur Funktionen von (xl, x2). Wie in der Festigkeitslehre iiblich, ersetzt man die Wirkungen der Spaanungen anf einer Schnittfl~iche durch statisch gleichwertige SchittgrSt~en (resultierende Kr~ifte und Momente), die bei der Platte an jedem Punkt eines Randes Xl -- const, bzw. x2 -- const. definiert sind, siehe Bild A.20.

Querkr~fte:

Biegemomente:

Torsionsmomente:

+hi2 qx = / T13dx3 , -hi2 +hi2 mx=/axxx3dx3, -h/2 +hl~ I" m12----m21---- /

+h/2 q2 = J T23dx3 -h/2 +h/2 m2=/o'22x3dx3 --h/2

(A.166)

T12X3dx3

J

-h/2 Unter Beriicksichtigung der Verformungskinematik und des HOOKEschen Gesetzes folgt

420

A Grundlagen der Festigkeitslehre

der Zusammenhang mit der Durchbiegungsfunktion w:

m l = - D k ox 2 + ~,--~x~ ) ' m12

=

m2 = - D k ox 2 + ~--~x~ )

02w m21 = -D(1 - v)OXlOX2

(A.167)

"

Die GrSge D wird Plattensteifigkeit genannt. D-

Eh 3 12(1 _~2)

(A.x68)

Nach Aufstellung der Gleichgewichtsbedingungen zwischen diesen SchnittgrSgen erh~lt man schlieglich die bekannte KmCHHOFFsche Plattengleichung : p(xl, x2) 04w 04w 04w Ox~ + 20x20x-------~2+ ~ = A A w -D

(A. 169)

Diese D GL stellt eine Bipotenzialgleichung fiir die Durchbiegungsfunktion w(xl, x2) der Platte dar, die noch durch entsprechende Randbedingungen fiir w, w' oder der SchnittgrSgen erg/iazt wird. Somit kann man den mathematischen Apparat der komplexen Fhnktionentheorie auch fiir die LSsung dieses Festigkeitsproblems vorteilhaft einsetzen. Dazu wird w(xl, x2) in komplexen Variablen z, ~ mit zwei komplexen Potenzialen r und X angesetzt.

W(Xl, x2) =

+ x(z)]

(A. 70)

Die J~hnlichkeit mit der komplexen Methode ffir ebene Scheibenprobleme in Abschnitt A.5.2 ist deutlich erkennbar, entsprechend analog sind die LSsungsmethoden.

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Stichwortverzeichnis A adaptive Vernetzung, 319 ~iquivalentes Gebietsintegral, 264 Alterung, 391 Anfangsrandwertaufgabe, 41o Anfangsspannungsmatrix, 183 Anisotropie, 391 Ansatzfunktionen, 163 Assemblierung, 165 assoziierte Fliel~regel, 4o2 asymptotisches Nahfeld, 3o Ausgangskonfiguration, 374 automatische Vernetzung, 319

crack face weight functions, 74 crack growth rate, 119 crack initiation, 18 crack opening displacement, 92 crack opening displacement COD, 294 crack opening modes, 25 crack resistance curve, 53 crack tip elements, 191 crack tip opening angle, 112 crack tip opening displacement, 9o crack weight functions, 68 creep fracture, 19 CTOD-Konzept, 294 cycle by cycle, 125

B

back stress tensor, 4o6 BAUSCHINGER-Effekt, 397 Beanspruchungsparameter, 25 Betriebsfestigkeit slehre, lO Bewegnngsgleichungen, 39o Bewertungssystem, 359 Biaxialparameter, 28o Bipotenzialgleichung, 416, 420 blunting line, lO9 Boundary Element Method, 16 brittle fracture, 19 Bruchkenngr6s 25 Bruchkriterien, 25 Bruchlaufz~ihigkeit, 147 Bruchmechanik, 11 bruchmechanische Gewichtsfunktionen, 68, 237 Sruchprozesszone, 26, 114 Bruchz~ihigkeit, 44, lo6 BuECKSER--Singularit~t, 78 C CAUCHYsche Spannungsformel, 385 CAucHYsche Spannungsvektor, 383 CAUCHYscher Spannungstensor, 384 CAUCHY-GREENsche Deformationstensoren, 377 cleavage fracture, 22 cohesive zone model, 321 constraint-Effekt, lo2 continuum damage mechanics, 11 crack arrest, 19, 147 crack arrest toughness, 147 crack closure effect, 123

D damage mechanics models, 329 dead load, 49 deformation theory of plasticity, 4o9 Deformationen, 374 Defor mationsgeschwindigkeit, 379 Deformationsgradient, 376 Dehnungen, 38o Dehnungsbehinderung, lo2 Dekoh~isionslgnge, 323 Deviator, 381, 389 dimple fracture, 22 displacement interpretation method, 191 Drehgeschwindigkeitstensor, 379 ductile fracture, 19 duktile Risswiderstandskurve, lO5 duktiler Bruch, 19 dynamic crack growth toughness, 147 dynamic initiation toughness, 146 dynamic overshoot, 138 dynamische Bruchzfi~higkeit, 146 dynamische Lasten, 17 dynamischer Spannnngsintensitgtsfaktor, 356 dynamisches Uberschwingen, 138 E

ebene Randwertaufgaben, 412 ebener Spannungszustand, 29, 85, 413 ebener Verzerrungszustand, 29, 85, 414 effektive Separation, 325 Eigenfunktionen, 207 Einflussfunktionen, 238

442

Stichwortverzeichnis

Einheitslasten, 237 EINSTEINschen Summenkonvention, 373 elastic-plastic fracture mechanics, 84 elastisch-plastische Bruchmechanik (EPBM), 84 elastisch-plastische Kontinuumstangente, 408 Elastizit~tsmatrix, 394 Elastizit~tsmodul, 392, 396 Elastizit~tstensor~ 393 elektrisches Feld, 81 element elimination technique, 314 Element -Teilungst echnik, 314 Element ausfall-Technik, 314 Elementteilung, 313 endliche Verformungen, 175 Energiefluss, 114 Energieflussintegral, 115 Energiefreisetzungsrate, 47 energy release rate, 47 Engineering Approach, lo 7 entkoppelten Methode, 348 equivalent domain integral, 264 Erg/inzungsarbeit, 155 Ermfidungsbruch, 22 Ermfidungsfestigkeit, 343 Ermfidungsrisswachstum, 19, 117 Ersatzmodell, 348 EULERsche Betrachtungsweise, 375 EULER-ALMANSIscher Verzerrungstensor, 377 external load vector, 165 F Failure Assessment Diagram, 92, 359 fatigue crack growth, 19, 117 FEM-Gleichungssystem, 166 finite deformations, 175 finite element method, 149 Finite Element Method, 15 finite Elemente, 149 Finite Elemente Methode, 15, 149 finite elements, 149 fixed grips, 49 F1/ichenkr~ifte, 382 Flie~bedingung, 398 Flieggesetz, 407 Fliegtheorie, 399 Form~inderungsenergiedichte, 392 Formfunktionen, 163, 166 fracture mechanics, 11 fracture toughness, 44 functionally graded materials, 288 fundamental fields, 77 Fundamentalfelder, 77 G gemischte Finite-Elemente-Formulierungen, 157 geometrical non-linearity, 175

geometrische Nichtlinearit/iten, 175 geometrische Steifigkeitsmatrix, 183 Gesamtlastvektor, 165 Geschwindigkeit sgr adient, 378 Gestalt~indernng, 397 Gestalt~indernngshypothese, 399, 4o4, 4o9 Gewichtsfunktion, bruchmechanische, 71 Gleichgewichtsbedingungen, 390 Gleitbruch, 18 Gleitungen, 38o Globalanalyse, 351, 357 globale Analyse, 125 globale Energiefreisetzungsmethode, 220 globaler Impulssatz, 39o Gradientenwerkstoffe, 288 Grenzfl~che, 272 groge Verschiebungen, 175 groge Verzerrungen, 175 H

HAMILTONsches Variationsprinzip, 161 Hauptachsen, 381 Haupt achsenricht ungen, 388 Hauptachsensystem, 387, 388 Hauptdehnungen, 381 Hauptgleitungen, 381 Haupt normalspannungen, 388 Hauptschubspannungen, 389 homogenisiertes Mikrorissmodell, 315 Homogenit~it, 391 HOOKESChe Gesetz, 393 HooKEscher Tensor, 396 HooKEsches Gesetz, 392, 393, 396 hybrid displacement model, 159 hybrid stress model, 158 hybride Elementformulierungen, 157 hybrides Spannungsmodell, 158 hybrides Verschiebungsmodell, 159 Hyperelastizit~t, 393 I

Impulssatz, 390 infinitesimale Deformationen, 296 influence functions, 238 Inhomogenit~it, 391 initial stress matrix, 183 inkrementell-iterativer Algorithmus, 176 inkrementelle Plastizit~tstheorie, 399 inhere Variable, 399 instabile Rissausbreitung, 18 instabiles Rissverhalten, 54 instation~rer Riss, 18, 135 , 271 interaction integral, 276 Interaction-Integral, 277 Int eraction-Integral-Technik, 277 interface, 272

Stichwortverzeichnis

interface cracks, 61 interkristallin, 22 internal state variable, 399 Invarianten, 388 Inzidenzmatrix, 165 isoparametric elements, 167 isoparametrische Elementformulierung, 167 isotrope Verfestigung, 404 Isotropie, 391 J

J-Integral, lO4 J-Integral-Konzept, lo4 K

Kerbaufweitung, 294 kinematisch zul~ssiges Verschiebungsfeld, 151 kinematische Verfestigung, 405 kinematische Verfestigungsvariable, 405 KIRCHHOFFsche Plattengleichung, 42o klassische Festigkeitslehre, lO Kleinbereichsflies 84 Knotentrennung, 311, 313 Koh~isionsfestigkeit, 323 Koh~isiv-Elemente, 326 Koh~isivgesetz, 323 Koh~isivzone, 322 Koh~isivzonenmodell, 321 KOLOSOVschen Formeln, 416 Kompatibilit~tsbedinungen, 411 komplementfire ~iui~ere Arbeit, 155 komplementfire innere Arbeit, 155 komplexe Funktionentheorie, 416 komplexe Methode, 417 kondensierte Massenmatrix, 184 konsistente Massenmatrix, 184 Konzept der Spannungsintensits 43 KraftgrSt~enmethode, 156 Kriechbruch, 19, 22 Kriterium der Formiinderungsenergiedichte, 131 Kriterium der maximalen Energiefreisetzungsrate, 129 Kriterium der maximalen Umfangsspannung, 128 Kugeltensor, 381,389 KvHN-TvcgER-Bedingung, 4o2 L LAGRANGEsche Betrachtungsweise, 375 LAGRANGEscher Multiplikator, 157 LAGRANGE-GREENscher Verzerrungstensor, 377 large displacements, 175 large scale yielding, 92 large strain, 175 Lastwechsel ffir Lastwechsel, 125 laufender Riss, 135

443

LEKHNITSKII--Formalismus, 58 limit load, 83 lokale Energiemethode, 22o lumped mass matrix, 184 M Makroriss, 117 material non-linearity, 175 Materialgesetze, 391 materielle Koordinaten, 374 materielle Nichtlinearit~ten, 175 maximum energy release rate, 129 maximum tangential stress criterion, 128 Mehrachsigkeit, lOO, 11o Methode der Randelemente (BEM), 16 Methode der Steifigkeitsableitung, 219 Methode der virtuellen Rissausbreitung, 218 Mikrorisse, 117 mixed hybrid model, 16o mixed mode loading, 127 Mixed-Mode-Belast ung, 74 Mixed-Mode-Beanspruchung, 127, 311,318 modified crack closure integral, MCCI, 224 modifiziertes Rissschlie~integral, 224 Moment ankonfiguration, 374 moving local mesh procedure, 316 N Nachgiebigkeit smat rix, 394 Nennspannung, 386 nichtebener Sehubspannungszustand, 417 Normalenregel, 402 Normalspannung, 383 O opening mode, 2 5 P 1.PIOLA-KIRCHHOFFsche Spannungstensor, 386 2.PIOLA-KIRCHHOFFschen Spannungstensor, 386 plastic constraint factor, 87 plastische Grenzlast, 83, 361 plastische Vergleichsdehnung, 404 plastische Zone, 83 plastischer Constraintfaktor, 87 plastischer Multiplikator, 4o2 plastisches Dissipationspotential, 402 Platte, 418 principle of minimum complementary energy, 156 principle of minimum potential energy, 155 principle of virtual displacements, 153 principle of virtual forces, 155 Prinzip der 0bertragbarkeit, lo Prinzip der virtuellen Geschwindigkeiten, 153 Prinzip der virtuellen Kriifte, 155

444

Stichwortverzeichnis

Prinzip der virtueUen Verschiebungen, 153 Prinzip vom Maximum der plastischen Dissipationsleistung, 4ol Prinzip vom Minimum der komplementEren Energie, 156 Prinzip vom Minimum der potenziellen Energie, 155 Projektionsmethode, 179

Q O-Parameter, lo3 quarter point elements, 192 quasistatische Analyse, 21 Querkont raktionszahl, 396 tt R-Kurve, 53 radial return, 179 r/iumliche Koordinaten, 374 Randwertaufgabe, 41o regular standard elements, 187 Reihenfolgeeffekt, 124 Restlebensdauer, 343 reversibel, 391 Reziprozit~itstheorem, 73 rheonom, 391 Richt ungsst abilit/it, 134 Rissarrest, 19 Rissauffang, 147 Rissauffangkonzept, 147 Rissfront, 25 Rissinitiierung, 18, 146 Rissoberfl~che, 25 RissSffnung, 92 RissSffnungsart, 25 RissSffnungsintegrai, 52 RissSffnungsintensit/it, 123 RissSffnungsmodus, 25 RissSffnungsverschiebung, 90, 294 RissSffnungswinkel, 295 Rissschliegeffekt, 123 Rissschliegintegrai, 52 Rissspitze, 25 Rissspitzenelemente, 191 , 316 Rissspitzenelemente, mitbewegte, 317 Rissspitzenfeld, 3 o Rissspit zenSffnungswinkel, zx2 Rissstopp, 147 Rissstoppz~higkeit, 147 Rissufer, 25 Rissufer-Gewicht sfunktionen, 74 Risswachst umsgeschwindigkeit, 119 Risswachst umsgesetze, zl 9 Risswachstumskurve, zz 9 Risswachstumsrate, 119 Risswiderstandskurve, 53, lo9

Rfickspannungstensor, 406 ruhender Riss, z35, 296 S S chiidigungsmechanik, 11 sch/idigungsmechanische Modelle, 329 Sch~idigungsvariable, 316, 329 3D-Scheibenintegral, 26z Scheiben, 413 Schnittspannungsvektor, 382 Schubmodul, 396 Schubspannung, 383 schwache Formulierung, z53 Schwellenwert, zz9 Schwingbruch, zx 7 Separationsenergie, 323 Separationsgesetz, 323 shape functions, 163 skalare Verfestigungsvariable, 404 skleronom, 391 sliding mode, 25 small scale yielding, 84 smeared crack model, 315 spaltfl/~chiger Bruch, 22 Spannungsauswertemethode, 191 Spannungsintensit~it, effektive zyklische, 123 Spannungsintensit~tsfaktor, 3 o, 33, 37 Spannungsintensit~itsfaktoren, 42 Spannungsintensit~itskonzept, 44 Spannungsrisskorrosion, z9 Spannungstensor, 382 sprSder Bruch, 19 stabile Rissausbreitung, 19 stabiles l~issverhalten, 54 stable crack growth, 19 StarrkSrperbewegungen, 374 station~Lrer Riss~ 18, 135 , 270 , 293 statisch zuls Spannungsfeld, 151 statische Lasten, 17 Steifigkeitsbeziehung, 165 Steifigkeitsmatrix, 165 stiffness derivative method, 219 stiffness matrix, 165 strain energy density criterion, 131 Strecktensoren, 376 stress biaxiaiity ratio, 28o stress corrosion cracking, 19 stress interpretation method, 191 stress work density, 259 , 295 stretched zone height, 92 strip yield model, 88, 126 SwRoH--Formalismus, 58 subcritical, 19 subkritische Rissausbreitung, 19 Submodell, 351 Submodelltechnik, 357

Stichwortverzeichnis

Superpositionsprinzip, 69 Systemsteifigkeitsmatrix, 166 T T-Spannung, 37 T-Spannungen, lOl tangential stiffness matrix, 177 , 183 tangentiale Steifigkeitsmatrix, 1 7 7 , 183 tearing mode, 25 technischer Anriss, 117 Teilungsalgorithmen, 313 Temperaturfeld, 79 Testfunktion, 153 theory of strength, lo thermische Ausdehnungskoeffizienten, 395 thermischer Verzerrungstensor, 395 threshold value, 119 total LAGRANGEsche Methode, 184 transkristallin, 22 Trennbruch, 18 trial value, 179 triaxiality~ loo U unstable crack growth, 18 V v. MISES Vergleichsspannung, 400 Vergleichsspannungsintensit ~its fakt or, 132 vergnderliche Lasten, 17 verallgemeinerte Energieprinzipien, 156 verallgemeinerter Arbeitssatz, 152 vereinfachtes gemischtes Hybridmodell, 16o Verfestigung, 397 Verfestigungsfl~iche, 399 Versagensbewertungsdiagramm, 92 Verschiebungsauswertemethode, 191 VerschiebungsgrSgenmethode, 156 , 162 Verschiebungsvektor, 375 Verzerrungs-Verschiebungs-Matrix, 163 Viertelpunktelemente, 192 virtual crack extension, VCE, 218 virtuelle Kr~ifte, 155 virtuelle Rissschliegmethode, 224 Volumen~inderung, 397 Volumenkr~ifte, 382 W wabenartiger Bruch, 22 wachsende Risse, 295 Wechselwirkungsintegr al, 276 Wichtungsfunktion, 153 Y yield criterion, 398 yield surface, 399

Z

Z~hbruchmechanik, 84 Zustandsvariable, 399 zyklischer Spannungsintensit~tsfaktor, 118

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