Berthold Kaib (Hrsg.)
Outsourcing in Banken Mit zahlreichen aktuellen Beispielen 2. Auflage 2., erweiterte Auflage
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Berthold Kaib (Hrsg.)
Outsourcing in Banken Mit zahlreichen aktuellen Beispielen 2. Auflage 2., erweiterte Auflage
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2003 2. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Guido Notthoff Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Nina Faber de.sign, Wiesbaden Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-0796-7
Vorwort
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Vorwort
Die Industrialisierung der Wertschöpfungsketten von Banken geht weiter; der darunterliegende Trend ist ungebrochen. Margen- und Kostendruck bestehen, wie schon in der Vorauflage beschrieben, fort. Die Bereitschaft, Kernkompetenzen neu und enger zu definieren, öffnet einerseits die Möglichkeit, bisher selbst erbrachte Wertschöpfungsteile nach außen zu verlagern. Andererseits basiert der aktuell verfolgte Smart-Sourcing-Ansatz auch auf der Erkenntnis, dass Outsourcing an den Schnittstellen zu den Lieferanten hin neue, unbekannte Komplexitäten und Verwerfungen mit sich bringen kann. In Konsequenz hiervon ist die Reduzierung der Anbieter sinnvoll um die Komplexität des Vendoren Management zu reduzieren. Die genaue Schnittstellen- und Aufgabenbeschreibung zwischen Insourcer und Outsourcer muss im Rahmen des Initialprojekts erfolgen, um betriebswirtschaftliche Überraschungen beim Insourcer und nicht erfüllte Erwartungen auf Seiten des Outsourcers zu vermeiden. Die Kreativität der eingeschlagenen Lösungswege macht mittlerweile auch vor Verbund- und Landesgrenzen nicht mehr Halt, wie am Beispiel dwpbank bzw. equens (s. Beitrag in dieser Auflage) zu sehen ist. Im Zahlungsverkehr findet aktuell eine Konsolidierung zwischen den Großbanken in Richtung Postbank statt (vgl. Beitrag in dieser Auflage); die DZ BANK wagt mit dem Merger ihres Transaktionsinstituts (TAI) zu equens einen Schritt über die deutschen Landsgrenzen hinaus. Neben Kosten- und Ertragsdruck sind die in Abbildung 1 dargestellten Faktoren für die Aufspaltung der Wertschöpfungskette von Bedeutung.
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Vorwort
Trends im Bankenmarkt. Aktuelle Entwicklungen
Technologie Legacy Systeme Reduzierung von ITEinheiten Auslagerung von Abwicklungsprozessen BPO zur Variabilisierung der Kosten
Wettbewerb Neue, spezialisierte Anbieter Konsolidierung (Säulenübergreifend?) Reduzierung des C/IRatios auf < 60% Steigerung RoE
Konsolidierung Strategische Neuorientierung Reduktion der Fertigungstiefe
Kostendruck
BankenSituation
Ertragsdruck Verlust von Kunden Teure, ineffiziente Vertriebswege
Kunden Steigende Anforderungen in Bezug auf Betreuung und Service Cherry Picking Flexibles Pricing von Produktbündeln
Abbildung 1:
Konsolidierung
Gesetze Basel II Wegfall Gewährträgerhaftung Sarbanes/Oxley Geldwäsche
Aufspaltung der Wertschöpfungskette
Erfreulicherweise stieß das Thema Outsourcing auf so viel Interesse, dass mit Hilfe der Gabler Verlages eine Neuauflage in Angriff genommen werden konnte. Der Autor hofft selbstverständlich, dass diese eine ähnlich gute Aufnahme erfährt, wie die Vorauflage.
Blick über Deutschlands Grenzen hinaus Mit der hier vorliegenden Neuauflage soll auch begonnen werden, eine Brücke in das deutschsprachige Ausland – Österreich und Schweiz – zu schlagen und dortige Strömungen und Überlegungen aufzunehmen und wiederzugeben. Österreich wird sicherlich aufgrund seiner Sonderstellung für CEE und der frühen Expansion österreichischer Banken in diesen aufstrebenden Wirtschaftsraum eine führende Rolle bei der Konzeption und dem Management von Outsourcingpools für Banken, die in CEE operieren, darstellen können. Schreder beleuchtet in seinem Beitrag die aktuelle Situation im Sourcing bei Österreichs Banken und bietet einen interessanten, historischen Überblick über den Weg bis heute. Zu erwarten und teilweise auch schon zu beobachten ist, dass Services von Einheiten in der Slowakei, Ungarn oder Tschechien erbracht werden. Burtscher/Jergitsch beleuchten die juristischen Aspekte ausgehend vom Outsourcing in Österreich bis hin zu Praktiken und Strate-
Vorwort
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gien der grenzüberschreitenden Streitvermeidung und -beilegung. Thomayer schließlich gibt einen Überblick über das Dienstleistungsportfolio eines österreichischen Insourcers. In Österreich hat noch keine gruppenübergreifende Gründung einer Transaktionsbank stattgefunden, lediglich GEOS als Software für die Wertpapierabwicklung genießt eine fast marktbeherrschende Stellung. Die Schweiz erlebt infolge der nach dem 11.9.2001 in den USA erlassenen strengeren Wirtschaftsgesetze einen Sonderboom im Private Banking und Asset Management. Dieser wird weiter verstärkt durch den Wirtschaftserfolg der ost-europäischen Staaten, vor allem solcher Staaten, die ihren Bürgern nur eingeschränkte Rechtssicherheit bieten. In der Schweiz ist nun zu beobachten, dass Banken nicht nur – wie lange in Deutschland praktiziert – outsourcen, um vornehmlich ihr Personal zu reduzieren und die Aufwandsseite zu entlasten. Vielmehr sind im Schweizer Markt – wie zum Beispiel beim Bankhaus Vontobel – Überlegungen erkennbar, Back-Office-Bereiche durch neue Wertschöpfungsmodelle stärker auszulasten, Einnahmequellen zu generieren, die dann dazu verwendet werden in die weitere Marktexpansion zu investieren, zum Beispiel zur Finanzierung neuer Niederlassungen in Dubai oder Singapur. Die Professoren Alt und Zerndt, aktiv an den Hochschulen St. Gallen und Leipzig, haben sich der Aufgabe gewidmet, die Sourcingstrategien Schweizer Banken in einem Überblick darzustellen. Zwar zeigt das Beispiel Unicredit/HVB, dass die Konsolidierung der europäischen Banken weder vor Länder- noch Sprachbarrieren Halt macht. Die Standardisierung und Harmonisierung der Bankprozesse stellt aber nach wie vor alle Beteiligten vor große Herausforderungen angesichts der lang gepflegten Eigenfertigung und der auch im EU-Raum fortbestehenden, unterschiedlichen gesetzlichen, steuerlichen und regulatorischen Anforderungen. Grenzüberschreitende Fusionen – wie das Beispiel Unicredit/HVB, im Zeitpunkt der Erstauflage kaum denkbar – und eine Flut an EU-Regularien wie MiFID und SEPA lassen aber ein stärkeres Zusammenwachsen der IT-Systeme und Prozesse über Ländergrenzen hinaus erwarten. Equens ist hier die erste Transaktionsbank, die grenzüberschreitend aktiv ist, ein Trend, der im Cardprocessing ebenfalls zu beobachten ist. Slumbers beschreibt den Weg, den die Deutsche Bank innerhalb ihrer IT und Prozessumgebung beschreitet. Dies kann als eine Revolution der Prozesslandschaft der Bank betrachtet werden. Anlass hierfür war die hohe Komplexität des Vendormanagements und das Bestreben der Bank sich die Stärken ihrer globalen Position über die jeweiligen Silos hinweg zu Nutzen zu machen. Schü beleuchtet die zu beachtenden Feinheiten bei der Durchführung von Off- und NearShore-Projekten und der länderübergreifenden Projektarbeit. Moormann/Hilgert zeigen einen Ansatz auf, wie Banken bei Outsourcingentscheidungen Prozessschnittmöglichkeiten finanziell bewerten können.
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Vorwort
Aufbrechen der Wertschöpfungskette und Spezialinstitute Zu beobachten ist die weitere Spezialisierung der Banken: Der Erfolg der Norisbank aus ihrer Spezialistenstellung auf der Seite der Produkterstellung und Marketing (s. Vorauflage, S. 55 ff.) neben einer schnellen Abwicklung führte im Jahr 2003 zu ihrer Akquisition durch die DZ BANK und der zügigen Integration insbesondere als Produktlieferant für den deutschen genossenschaftlichen Verbund. Hierdurch wurde das bis dahin darbende Konsumentenkreditgeschäft für die V + R Banken erfolgreich entwickelt. Der Erfolg der Marke veranlasste die Deutsche Bank im Jahr 2006 wiederum, die Norisbank zu erwerben; die verbleibenden Einheiten firmieren neu als Teambank und dienen dem genossenschaftlichen Verbund weiterhin als Produktlieferant und Abwicklungsspezialist für das „kleinteilige“, aber (noch) margenstarke, Retailkreditgeschäft. Ein gutes Beispiel, wie aus einer Spezialisierung und Fokussierung Marktvorteile entstehen können, die dann einem Verbund wieder zugänglich gemacht werden. Hiermit wird effektiv der Trend der abnehmenden Loyalität zur Hausbank gebrochen. Abbildung 2 verdeutlicht die Situation.
Trends im Bankenmarkt. Aktuelle Entwicklungen Parallel zur Konsolidierung brechen die Wertschöpfungsketten auf. ¾ ¾
Banken konzentrieren sich auf Kernkompetenzen. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Dritten ist stark gestiegen. Spezialisierte Anbieter
Vertrieb
Produktentwicklung
Abwicklung Fokus auf Kernkompetenzen
Kundenbeziehung Vertriebsunterstützung
Differenzierung Time to market
Kosteneffizienz TX-Bank Kernbank-Prozesse
BPO als nächster, logischer Schritt zur Kostensenkung und Ertragssteigerung.
Abbildung 2:
Aufbrechen der Wertschöpfungsketten
Im Bereich der Transaktionsbanken/-services beschäftigen sich die Artikel von Daberkow/Radtke sowie Steinbach mit der Spezialisierung in der Zahlungsverkehrsabwicklung in Deutschland und Europa. SEPA, die Aktivitäten von Visa und Mastercard, der aus Brüssel getriebene Verbraucherschutz sowie neue Zahlungswege werden auch in diesem Bereich den Veränderungsdruck hoch halten.
Vorwort
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König/Beimborn präsentieren mit ihrem Beitrag einen auf einer wissenschaftlichen Untersuchung basierenden Überblick über die Outsourcingtendenzen in der KMU-Kreditabwicklung in deutschen Banken und die Anforderungen ihrer Kunden. Meier behandelt das Thema Kreditabwicklung im Immobiliengeschäft in Deutschland aus Sicht eines bedeutenden Anbieters. Schmidt berichtet über die neue Spielart der Aufsplittung von Kreditteilen, um diese dann über eine Börse handeln zu können. Bongartz behandelt die Möglichkeiten von Kreditinstituten, operative Exzellenz im Kapitalmarktgeschäft prozessorientiert zu messen und zu verbessern. Die Bestimmung des Exzellenzgrades ist wiederum eine maßgebliche Hilfestellung bei der Bewertung von Make-or-Buy-Optionen im Outsourcing/Insourcing-Kontext.
Outsourcingspektrum Im Bereich der Transaktionsbanken/-services beschäftigen sich die Artikel von Daberkow/Radtke sowie Steinbach mit der Spezialisierung in der Zahlungsverkehrsabwicklung in Deutschland und Europa. SEPA, die Aktivitäten von Visa und Mastercard, der aus Brüssel getriebene Verbraucherschutz sowie neue Zahlungswege werden auch in diesem Bereich den Veränderungsdruck hoch halten. König/Beimborn präsentieren mit ihrem Beitrag einen auf einer wissenschaftlichen Untersuchung basierenden Überblick über die Outsourcingtendenzen in der KMU-Kreditabwicklung in deutschen Banken und die Anforderungen ihrer Kunden. Meier behandelt das Thema Kreditabwicklung im Immobiliengeschäft in Deutschland aus Sicht eines bedeutenden Anbieters. Schmidt berichtet über die neue Spielart der Aufsplittung von Kreditteilen, um diese dann über eine Börse handeln zu können. Bongartz behandelt die Möglichkeiten von Kreditinstituten, operative Exzellenz im Kapitalmarktgeschäft prozessorientiert zu messen und zu verbessern. Die Bestimmung des Exzellenzgrades ist wiederum eine maßgebliche Hilfestellung bei der Bewertung von Make-or-Buy-Optionen im Outsourcing/Insourcing-Kontext. Dieses Modell ist insbesondere für neu in den Markt eintretende Banken von hohem Interesse, die sich nur auf die Marktbearbeitung und -eroberung konzentrieren wollen und für das Back-Office inklusive seiner Applikationen einen Komplettanbieter suchen. Auch etliche der in der Vorauflage dargestellten Anbieter im Wertpapierbereich haben sich grundlegend verändert. In das Schwergewicht dwpbank sind die Transaktionsbanken der deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken aufgegangen; auch die Dresdner Bank wickelt dort Teile ihres Kundenwertpapiergeschäfts ab. Die etb ist mittlerweile von Xchanging übernommen worden und konnte als Neukunden nach den Sparda-Banken das Geschäft der deutschen Citibank und im Bereich der Fondservices der Allianz gewinnen.
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Vorwort
BankingPlatform: Leistungsportfolio. GeschäftsGeschäftsfelder felder
ZahlungsZahlungsverkehr verkehr
PassivPassivgeschäft geschäft
AktivAktivgeschäft geschäft
HandelsHandelsprodukte produkte
Beratung Vertrieb
M U L T I C H A N N E L
C R M
Internet Portal SB POS Filiale
Smart Branch Übergreifende Übergreifende Systeme Systeme
Auftragserfassung
Geschäftsabwicklung
Int. Berichtswesen/ Unt.Steuerung
Buchung & Überwachung
Inlands-, Auslands Zahlungsverkehr
Geldbuchung
Kontokorrent
Kontenabschluss
R E P O R T I N G
Spar, Termineinlagen Kredite und Darlehen
Nostro
D W H
Rechnungs & Meldewesen
R W F I B U
B M S
Wertpapiere &Derivate
Partnersysteme Meldewesen -SAMBA,CS/4,PMS SWIFT Ausland -MBS-Ausland /DOKA eCommerce -FITAX Wertpapier -BSV, EWS, PROSEC, MERIAN Front Office -Kasse, KAD Workflow -C5, Rating
BMS: Berichts-und Melde-System
Finanzinstrumente/Gattungsstammdaten Kunden &Produktmanagement
Projektlösung für den Kunden Modul wird durch Softwarelösung abgedeckt
Gesamtbanksteuerung
Abbildung 3:
BankingPlatform Leistungsportfolio
Fazit Die voranschreitende Konsolidierung mit grenzüberschreitenden Fusionen wird nach Ansicht des Verfassers zu einer weiteren Spezialisierung der Banken führen. Transaktionsinstitute werden auf europäischer Ebene einerseits zu Kostensenkung und andererseits verbesserten Services führen. Komplette Back-Office-Angebote von bankneutralen Serviceprovidern werden diese Entwicklung begleiten. Der europäische Gesetzgeber wird mit seinem starken Verbraucherschutzansatz diese Tendenz mit einer Vielzahl von Vorschriften noch beschleunigen. Primär kostengetriebene Outsourcingansätze in Richtung Indien werden sich aufgrund der dortigen Kostenentwicklung nach neuen Standorten zum Beispiel in Ost-Europa umorientieren. Frankfurt am Main, im Januar 2008
Dr. Berthold Kaib
Inhaltsverzeichnis
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort .......................................................................................................................................5 Der Deutsche Bank Ansatz – Aufbau des Structured Operating Model (SOM) durch Prozessoptimierung und globale Vernetzung .................................................................13 Martin Slumbers Industrialisierung der Banken aktiv steuern mit neuen Sourcing-Architekturen.....................27 Andrea Marlière Operative Exzellenz im Kapitalmarktgeschäft.........................................................................37 Ulrich Bongartz Der Zahlungsverkehr der Postbank als Beispiel für die Industrialisierung im Finanzdienstleistungssektor....................................51 Mario Daberkow / Inga Radtke SEPA – Herausforderungen und Chancen der Konsolidierung des europäischen Zahlungsverkehrs.........................................................69 Michael Steinbach / Benjamin Syrbe Automatisierung erobert die Marktbearbeitung .......................................................................93 Hans-Christian Boos Verbesserung des Unternehmensertrags durch Sourcing .......................................................119 Bernhard Schüller / Arno Simon Backoffice – Abwicklung für Banken über Verbundgrenzen.................................................137 Stefan Haemmerling Kreditprozesse professionell managen...................................................................................157 Bernd Meier Kredite via Börse handeln ......................................................................................................169 Christoph Schmidt
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Inhaltsverzeichnis
Sourcing-Trends im KMU-Kreditgeschäft der deutschen Banken........................................ 183 Wolfgang König / Daniel Beimborn Modellierung und Bewertung von Schnitten in unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen..................................... 211 Matthias Hilgert / Jürgen Moormann Erfolgreiches Managen internationaler Outsourcing Projekte .............................................. 235 Joachim Schü Flexible ICT-Ressourcen – Dynamic Services ...................................................................... 249 Marcus Hacke Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) bei Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten .................................................................... 261 Klaus Lackhoff Finanznetzwerke durch Outsourcing – das Beispiel der Schweiz......................................... 315 Rainer Alt / Thomas Zerndt Outsourcing in Österreichs Banken ....................................................................................... 345 Friedrich Schreder Insourcing als Teil des Sorglospaketes für Banken am Beispiel der CPB SOFTWARE AG ................................................................................. 365 Peter Thomayer Ausgewählte Aspekte zum Outsourcing von Bankund Finanzdienstleistungen in Österreich.............................................................................. 379 Bertram Burtscher / Friedrich Jergitsch
Der Herausgeber .................................................................................................................... 445 Die Autoren............................................................................................................................ 447
Der Deutsche Bank Ansatz – Aufbau des Structured Operating Model (SOM)
Der Deutsche Bank Ansatz – Aufbau des Structured Operating Model (SOM) durch Prozessoptimierung und globale Vernetzung Martin Slumbers
1. Einleitung 2. Gründe für die Veränderung des Betriebsmodells 3. Das neue Betriebsmodell: Structured Operating Model (SOM) 4. Die neue Unternehmenstochter DBOI: Standort Indien 5. Zielarchitektur – sechs weltweit vernetzte Abwicklungszentren 6. Programmorganisation und -kommunikation 7. Aufbau einer leistungsstarken kundenorientierten Dienstleistungsorganisation 8. Harmonisierung von Unternehmenskulturen 9. Die Deutsche Bank heute – eine überzeugende Reise 10.Zusammenfassung
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1.
Martin Slumbers
Einleitung
Die Deutsche Bank ist eine weltweit führende Investmentbank mit einem starken und erfolgreichen Privatkundengeschäft. Sie bietet Firmen- und institutionellen Kunden das umfassende Produktangebot einer international aufgestellten Corporate und Investmentbank. Das Leistungsspektrum reicht von Zahlungsabwicklung und Unternehmensfinanzierung bis hin zu Beratungsleistungen im Rahmen von Börseneinführungen sowie bei M&A-Mandaten. Darüber hinaus belegt die Deutsche Bank eine führende Stellung im internationalen Geschäft mit Devisen, festverzinslichen Wertpapieren und Aktien. Privatkunden bietet sie ein umfassendes Dienstleistungsangebot, das von der Kontoführung und Beratungen in Geld- und Wertpapieranlagen bis hin zum Vermögensmanagement reicht. Die Deutsche Bank wurde 1870 in Berlin gegründet. Zweck der Gründung war „der Betrieb von Bankgeschäften aller Art, insbesondere Förderung und Erleichterung der Handelsbeziehungen zwischen Deutschland, den übrigen europäischen Ländern und überseeischen Märkten.” Im Jahr 1989 erwarb sie die Morgan Grenfell Group und zehn Jahre später die USamerikanische Investmentbank Bankers Trust. Mit diesem Schritt stärkte die Deutsche Bank ihre Position im internationalen Wertpapiergeschäft und entwickelte sich zu einem bedeutenden „Global Player“. Heute ist die Deutsche Bank eine weltweit führende Investmentbank mit einem starken und erfolgreichen Privatkundengeschäft sowie sich gegenseitig verstärkenden Geschäftsfeldern. Führend in Deutschland und Europa wächst die Bank verstärkt in Nordamerika, Asien und anderen Wachstumsmärkten. Sie beschäftigt 77.920 Mitarbeiter, die Kunden in 76 Ländern der Welt betreuen. Mehr als die Hälfte der Mitarbeiter arbeitet außerhalb Deutschlands.
2.
Gründe für die Veränderung des Betriebsmodells
Zwischen 2001 und 2005 hatte die Deutsche Bank ein umfassendes Effizienzsteigerungsprogramm durchgeführt und erhebliche Kosteneinsparungen erzielt. Im Bereich Global Technology and Operations (GTO) wurden einschneidende Maßnahmen ergriffen, die zur signifikanten Reduzierung der Gesamtkosten beitrugen. Dazu gehörte auch eine Reihe von Initiativen, bei denen spezielle Prozesse entweder an externe Anbieter übertragen oder in Joint Ventures mit Dritten eingebracht wurden.
Der Deutsche Bank Ansatz – Aufbau des Structured Operating Model (SOM)
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Im Laufe des Jahres 2005 verschärfte sich die Situation in den weltweiten Finanzmärkten. Die zunehmende Standardisierung und Kommoditisierung der „reifen“ Finanzprodukte führten zu ständig steigenden Geschäftsvolumina bei gleichzeitig sinkenden Margen. Durch ein effizient und effektiv aufgestelltes Betriebsmodell konnte nun ein entscheidender Wettbewerbsvorteil realisiert werden. Diese veränderten Marktanforderungen veranlassten die COO (Chief Operating Officer)– Organisation, unter anderem verantwortlich für den Aufbau der Infrastruktur, eine strategische Lösung zu entwickeln. Zum einen mussten aufgrund der steigenden Volumina zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden, und zum anderen aufgrund der sinkenden Margen die Transaktionskosten pro Geschäft nachhaltig gesenkt werden. In Anbetracht dieser Entwicklungen wurde klar, dass auch eine Anpassung der Sourcing Strategie erforderlich war. Bis zu diesem Zeitpunkt lag die Verantwortung für den Abschluss von Outsourcing-Verträgen dezentral bei den einzelnen Unternehmensbereichen. Primäres Entscheidungskriterium bei der Verlagerung von Prozessen waren kurzfristige Kosteneinsparungen. Vorwiegend handelte es sich somit um taktische, auf einzelne Geschäftsbereiche isolierte Maßnahmen, die zwar für sich betrachtet erfolgreich waren, aber gruppenweite Synergien bzw. Kostensenkungspotenziale (vor allem das Ausnutzen von Economies of Scale) vermissen ließen. Somit konnten kurzfristig zwar Kosteneinsparungen erzielt werden, jedoch wurden die strategischen Anforderungen an künftig notwendige Kapazitätserweiterungen sowie eine nachhaltige Effizienzsteigerung durch Prozess Re-engineering und -optimierung nicht erfüllt.
3.
Das neue Betriebsmodell: Structured Operating Model (SOM)
Die COO-Organisation definierte ein neues Betriebsmodell, das sowohl Veränderungen im geografischen und organisatorischen Aufbau beinhaltete als auch die Ablauforganisation und das Sourcing vollkommen neu aufstellte. Zielsetzung war die kontrollierte, innovative, effiziente und kostengünstige Bereitstellung standardisierter, zentralisierter und auf die Geschäftsbereiche der Bank ausgerichtete Dienstleistungen. Im Wesentlichen ist das „Structured Operating Model“ (SOM) ein konzernweites Programm zum Umbau der bisherigen Infrastrukturbereiche hin zu einem industrialisierten Modell. Die strategische Lösung beinhaltete den Aufbau eines globalen Netzwerkes von sechs weltweit integrierten Abwicklungszentren in Frankfurt, London, New York, Mumbai, Bangalore und Manila. In diesem Rahmen sollten das bestehende komplexe Netzwerk vereinfacht und die Standorte weltweit miteinander verknüpft werden. Das klassische vertikale und auf die einzelnen Geschäftsbereiche orientierte Betriebsmodell wurde um eine horizontale gruppen-
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Martin Slumbers
orientierte Struktur ergänzt. Diese bereichsübergreifende Arbeitsweise ist neben der Koordination eine große Herausforderung an die Denkweise und Kultur innerhalb einer Matrixorganisation, deren Ergebnis sich jedoch auszahlt. Die neue Strategie stellte einen kompletten Paradigmenwechsel dar und war in ihrem Aufbau und Anspruch äußerst visionär. Sie erforderte zunächst eine sehr detaillierte Analyse sowie eine gezielte Kommunikation innerhalb der Deutschen Bank, bevor mit der Implementierung begonnen werden konnte. Zunächst stand die fundierte Analyse der zukünftigen Geschäftsentwicklung im Mittelpunkt, um so auch die zukünftige Skalierbarkeit des neuen Betriebsmodells zu gewährleisten. Weiterhin musste die Deutsche Bank festlegen, welche Prozesse an Onshore-, welche an Nearshore-Standorten und welche in direkter Nähe zu den Kunden durchgeführt werden sollten. Das frühere Betriebsmodell sah keine Verteilung der Prozesse auf verschiedene Standorte vor, sondern war fast vollständig auf die kurzfristige Kostensenkung ausgerichtet. Es war also dieser im Wesentlichen taktische Ansatz, der geändert werden musste. Dementsprechend wurde eine Methode entwickelt, die zunächst definierte, welche Funktionen in der Bank als Kernprozesse anzusehen waren und welche davon in Kundennähe bzw. an OnshoreStandorten angeboten werden sollten. Dabei waren auch insbesondere aufsichtsrechtliche Anforderungen zu berücksichtigen. Im Anschluss wurden die Prozesse auf die sechs geplanten Abwicklungszentren aufgeteilt. Im Rahmen der Zuordnung wurden die einzelnen Prozessschritte in standardisierte bzw. prozessorientierte und komplexe Tätigkeiten untergliedert. Hierbei sind die komplexen Aufgaben im Wesentlichen durch das notwendige Produkt Knowhow bzw. die direkte Interaktion mit dem Kunden gekennzeichnet. Mit der logischen und konsistenten Verteilung von Prozessen und Prozessschritten auf die Standorte sollte ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil generiert werden. Ziel der Deutschen Bank war es, im ersten Schritt mindestens 50 Prozent der standardisierten Prozesse in Offshore-Standorten zu etablieren. Die übrigen standardisierten Prozesse wie auch die komplexen Prozesse sollten weiterhin in Onshore-Abwicklungszentren verbleiben bzw. auch dort gebündelt werden. Da sich erfahrungsgemäß komplexe Prozesse im Zeitablauf auch standardisieren lassen, findet ein permanenter Fluss von Aufgaben hin zu Offshore-Abwicklungszentren statt. Des Weiteren musste die Bank entscheiden, welche existierenden Outsourcing-Verträge weitergeführt und welche in eine konzerninterne Lösung überführt werden sollten. Im Rahmen dieser Entscheidungen war es sehr hilfreich, dass die Deutsche Bank auf bereits bestehende Erfahrungen in beiden Bereichen, Outsourcing bzw. Interner Offshore-Dienstleister, zurückgreifen konnte, wie zum Beispiel Erfahrungen mit dem Aufbau von Geschäftsbeziehungen mit Lieferanten die Zusammenarbeit mit von Dritten geführten Outsourcing-Unternehmen der Nutzung von Leistungsindikatoren (Key Performance Indicators, KPI) im Rahmen von Service Level Agreements Management von Prozessen in Offshore-Standorten die Zusammenarbeit mit den zuständigen Aufsichtsbehörden
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der Messbarkeit des finanziellen Erfolgs von Outsourcing/Offshoring der Aufbau eines Business/Vendor Managements Aus diesen Punkten kristallisierten sich drei heraus, die das Structured Operating Model wesentlich prägten: Zunächst war das Aufsetzen und Festlegen konsistenter KPIs besonders wichtig. Die Bank benötigte ein Instrument zur Leistungsmessung, das hinreichend flexibel ist, um einerseits den verschiedenen Prozessen gerecht zu werden und andererseits die Leistung im Detail zu messen. Ebenso war es wichtig, dass alle Abwicklungszentren die zu erfüllenden KPIs sehr genau kannten und auch tatsächlich an ihrer Einhaltung oder dem Erfüllungsgrad gemessen wurden. Zudem unterlagen Outsourcing und Offshoring Aktivitäten in der Finanzindustrie strenger Beobachtung und Überprüfung von Aufsichtbehörden. Eine Expansion der Outsourcing und Offshoring Aktivitäten konnte aufgrund der strengen regulatorischen Auflagen nur durch eine Vereinfachung, Konsolidierung und genaue Dokumentation der Prozesse im Rahmen des Structured Operating Model ermöglicht werden. Schließlich war zu beachten, dass die Steuerung von Prozessen in einem ausländischen Arbeitsumfeld eine herausfordernde Führungsaufgabe war. Eine einfache Übertragung des Führungsstils der Onshore-Abwicklungszentren auf die Offshore-Abwicklungszentren war nahezu unmöglich. Der Führungsstil musste den lokalen Besonderheiten Rechnung tragen und auf einer lokalen Governance Struktur und Kultur aufbauen. Neben diesen Aspekten stand für die Deutsche Bank auch die Flexibilität hinsichtlich der Verarbeitungsmenge und der Vielfältigkeit des Produktangebots im Vordergrund. Dies hatte in der Vergangenheit zu multiplen Prozessen und häufig auch zu multiplen IT-Anwendungen geführt. Um gleiche oder ähnliche Produkte von verschiedenen Geschäftsbereichen auf der gleichen „Plattform“ abwickeln zu können, sollten gerade diese Prozesse in die OffshoringStandorte transferiert werden und anschließend in sogenannte „Utilities“ gebündelt werden, wobei unter Utilities die weltweite Zusammenfassung von horizontalen Prozessen mit ähnlichen Abläufen in einer Einheit verstanden werden kann. Diese Prozessintegration sollte zur technologischen Rationalisierung der Arbeitsabläufe, zum konsistenten und einheitlichen Reporting einhergehend mit einer Reduzierung der Transaktionskosten pro Geschäft führen. Darüber hinaus sollte die kontinuierliche Verbesserung dieser Prozesse die Verminderung des operativen Risikos und die Verbesserung der Dienstleistung per se erzielen. Das Ergebnis all dieser Überlegungen im Rahmen der Implementierung der SOM-Strategie kann wie folgt zusammengefasst werden: Prozesse bzw. Aufgaben sollten ungeachtet von Produkt- oder Handelsort entsprechend einem einheitlichen Betriebsmodell bearbeitet werden. Die Schaffung von konzernweiten Utilities und kontinuierliches Prozess-Reengineering sollten eine Front-to-Back-Dienstleistung gewährleisten. Hierzu wurde die konzerneigene Tochtergesellschaft DB Operations International (DBOI) gegründet, die damit zum Center of Excellence für Prozess–Reengineering wurde.
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Mit dem Aufbau der DBOI hatte sich die Bank für eine kommerzielle Inhouse-Lösung entschieden. Strategische Geschäftsbeziehungen zu Dritten sollten beibehalten, aber zunehmend von der neuen konzerneigenen Einheiten gesteuert werden. Durch die Schaffung der oben genannten Rahmenbedingungen wurde ein konsolidierter organisatorischer Ansatz geschaffen, der nachhaltige Effizienzsteigerungen ermöglicht und somit Mehrwert für Kunden und Aktionäre generiert. Da das „geistige Eigentum“ hinsichtlich der Betriebsabläufe der Deutschen Bank innerhalb des Unternehmens verbleibt, stellte die konzerneigene Lösung außerdem einen strategischen Vorteil sicher. Darüber hinaus wurden auch noch die Leistungsfähigkeit gesteigert und weitere Kapazitäten aufgebaut.
4.
Die neue Unternehmenstochter DBOI: Standort Indien
Bei der Standortentscheidung für die DB Operations International (DBOI) spielten sowohl ökonomische und landesspezifische Faktoren als auch die bankinternen infrastrukturellen Gegebenheiten eine große Rolle. Im Jahr 2005 hatte die Bank in Indien bereits ein gut aufgestelltes Corporate and Investmentbanking Geschäft und plante den Aufbau eines Privatkundengeschäfts. Die Ankündigung des Eintritts in den indischen Privatkundenmarkt fiel zeitlich mit dem Start des Abwicklungszentrums zusammen und erhöhte signifikant den Bekanntheitsgrad der Marke „Deutsche Bank“ auf dem indischen Markt. Dies führte unter anderem zu Vorteilen bei der Rekrutierung von Mitarbeitern. Die generellen kulturellen Rahmenbedingungen in Indien waren geprägt durch ein überwiegend auf mathematische, technische und naturwissenschaftliche Fähigkeiten fokussiertes Bildungssystem, aus dem jedes Jahr nahezu zwei Millionen gut ausgebildete Hochschulabsolventen hervorgingen (Quelle: Nasscom). In einer Studie der Economic Times aus dem Jahr 2005 über die Attraktivität von Auslandsinvestitionen belegte Indien den zweiten Platz hinter China. Die arbeitende Bevölkerung Indiens war in den Bereichen Informationstechnologie und neuerdings Prozessmanagement und -entwicklung gut ausgebildet. Andererseits ist sich das moderne Indien seiner Stärken bewusst, was sich insbesondere in den Bereichen IT und Operations durch einen wettbewerbsintensiven Arbeitsmarkt mit Fluktuationsraten zwischen 20 und 40 Prozent (im Jahr 2006) ausdrückt. Die hohe Dynamik des boomenden indischen Marktes spiegelt sich in dem großen Angebot von Arbeitsplätzen wider, das der ständig wachsenden Zahl von Arbeitskräften gegenüber steht. Auch wenn in manchen Onshore-Standorten ebenfalls eine hohe Fluktuationsrate zu beobachten war, stellte sie in Indien im Vergleich eine besondere Herausforderung dar, weil die Motivation für den Arbeitgeberwechsel durchaus unterschiedlich war. Es war von daher wichtig
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für den Arbeitgeber, die Erreichung einer niedrigen Fluktuationsrate als Bestandteil der regionalen Unternehmensstrategie aufzunehmen. Ein positiver Aspekt der indischen Kultur war das starke Interesse an Weiterbildung und Karriereentwicklung trotz der vergleichsweise niedrigen Gehälter. Dies konnte durch entsprechende Planung der Ausbildungsmaßnahmen gezielt genutzt werden, um der hohen Fluktuation entgegenzuwirken. Darüber hinaus sollte man sich immer bewusst sein, dass das Engagement in Indien eine langfristige soziale und kulturelle Investition darstellt. Indien erfüllte die an die möglichen Offshore-Standorte gestellten Anforderungen am besten. Das Land verfügte über eine große Zahl an vielseitigen, gut ausgebildeten Arbeitskräften und eine bereits gut entwickelte Infrastruktur. Des Weiteren hat Indien ein weltweit angesehenes, intaktes Rechtssystem sowie ein für Banken reguliertes Marktumfeld. Ebenso stand eine beachtliche Zahl von lokalen Führungskräften mit internationaler Erfahrung zur Verfügung. Als zusätzliche Rahmenbedingung war noch zu beachten, dass aufgrund des sehr dynamischen und sich stets verändernden Marktes die Wertschöpfung aus der Auslagerung von Aktivitäten nach Indien täglich neu unter Beweis gestellt werden musste.
5.
Zielarchitektur – sechs weltweit vernetzte Abwicklungszentren
Die Zielarchitektur umfasste zwei wesentliche Aspekte, die geografische Ausrichtung und das Prozess-Reengineering. Bei der geografischen Ausrichtung lag der zentrale Fokus auf einer strategischen Marktabdeckung und der weltweiten Vernetzung der Standorte. Das neue Modell sah New York, London und Frankfurt als die primären Onshore-Abwicklungszentren vor, während Mumbai, Bangalore und Manila die wichtigsten Offshore-Abwicklungszentren darstellen. Dabei war der Standort Manila eher für „Business-Continuity“-Zwecke aufgebaut worden, um die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs zu gewährleisten. Um jedoch ein zentrales, weltweites Business Continuity Management zu ermöglichen, müssten alle Abwicklungszentren ein Netzwerk bilden. So könnte die Bank dank ihrer sechs weltweiten Backup-Zentren (Mirror Hubs) ihren Geschäftsbetrieb selbst dann fortsetzen, wenn der Betrieb eines oder zwei ihrer Abwicklungszentren beeinträchtigt wäre. Durch die standardisierten Prozesse und die gemeinsame IT-Plattform könnte die gesamte Arbeitslast auch in anderen Standorten bewältigt werden. Ein weiterer strategischer Vorteil dieser weltweiten Vernetzung der Architektur war die 24-stündige Serviceverfügbarkeit. Die operative Abwicklung von „High-Value-Payments“ hatte bereits im Vorfeld gezeigt, dass ein 24-stündiger Geschäftsbetrieb unerlässlich ist, um den Bedürfnissen der globalen Kunden gerecht zu werden. Für die Umsetzung war sowohl
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eine vollständige Abdeckung der Zeitzonen als auch die Standardisierung von Prozessen maßgeblich. Dies erfolgte unter Berücksichtigung des Utility-Ansatzes und des Aufbaus von einheitlichen IT-Anwendungen. Bezüglich des zweiten wichtigen Aspektes der Zielarchitektur, das Prozess-Reengineering, lag der kritische Erfolgsfaktor in einer Front-to-Back-Vorgehensweise. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, entwickelten sich die Offshore-Zentren in Indien zu einem Center of Excellence für Prozess-Reengineering. Die vollständige Dokumentation der Prozesse und die Entwicklung von KPIs waren Grundvoraussetzung für die Etablierung eines einheitlichen „Journey Management“. Ein erfolgreiches „Journey Management“ zeichnet sich durch eine lückenlose Dokumentation der Prozesskette aus und garantiert eine reibungslose Überleitung von einem Prozessschritt zum nächsten. Darüber hinaus war die Dokumentation der Prozesse Grundlage für die Erstellung eines internen Service Level Agreements (SLA), in dem die zu erbringenden Leistungen und künftigen KPIs festgelegt werden. Die Dokumentation war so gestaltet, dass eine Six-Sigma-Prozessprüfung unmittelbar durchgeführt werden konnte. Damit war die Organisation bereits am Anfang der Neuausrichtung angehalten, Prozesse in einzelne Schritte zu zerlegen, sowie Lücken und Mängel zu identifizieren und zu beseitigen. Neben dem Prozess-Reengineering wurde auch die „Prozesstransformation“ als wesentlicher Erfolgsfaktor erkannt und implementiert. Hierbei handelte es sich um ständige Prozessverbesserungen einhergehend mit Standardisierung und Vereinfachung, um die Gesamtkosten eines Prozesses zu reduzieren. Dieses Ziel war nicht nur Aufgabe des Managements, sondern auch jedes einzelnen Mitarbeiters. Somit war die Erreichung von Prozessverbesserungen und Standardisierungen auch ein fester Bestandteil der jährlichen Leistungsbeurteilungen.
6.
Programmorganisation und -kommunikation
Bereits zu Beginn des Projekts hatte die Deutsche Bank erkannt, dass die Implementierung des neuen Operating Models eine gezielte Strategie erfordert. Trotz umfangreicher Änderungen musste während des Umbaus die Bereitstellung von Serviceleistungen für die Geschäftsbereiche und Kunden weiterhin gewährleistet sein. Für das Management ergab sich daraus die Herausforderung, eine Balance zwischen den für den Umbau erforderlichen Aktivitäten und der Fortführung der Leistungserbringung ohne Unterbrechung zu finden. In Anbetracht der bereits existierenden globalen Struktur der Bank war die Geschäftsleitung der Ansicht, dass eine möglichst einfache Programmstruktur vorteilhaft wäre. Der Umfang des Projekts und das Umsetzungsrisiko verlangten strukturierte und kontinuierliche Kommunikationsprozesse. Die Programmorganisation musste darüber hinaus sicherstellen, dass auf bereits bestehendes Know-how bzw. Experten zurückgegriffen wurde und die Standards der
Der Deutsche Bank Ansatz – Aufbau des Structured Operating Model (SOM)
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Deutschen Bank in Bezug auf Compliance-Regelungen sowie Risikosteuerung eingehalten wurden. Des Weiteren mussten die Geschäfts- und auch die Infrastrukturbereiche, wie zum Bereich die Personalabteilung, Risikomanagement, IT-Abteilung, in das Projekt mit eingebunden werden. Die Programmorganisation umfasste eine Reihe Gremien, die für klar abgegrenzte Aufgaben verantwortlich waren: Programmsteuerung, Programmmanagement, Projekt Management Office und Transition. Programmsteuerung – Aufgabe dieses Gremiums war in erster Linie die Entwicklung einer zur Konzernstrategie konsistenten Programmstrategie. Für den Gesamterfolg des Projekts war ein konsequentes Kostenmanagement, sowohl in Bezug auf direkte als auch indirekte Kosten, sowie die kontinuierliche Überprüfung des Wertbeitrags für die Organisation von hoher Relevanz. Darüber hinaus oblag dem Gremium das strategische Risikomanagement einschließlich der Sicherstellung des positiven Markenimages, der Marktpositionierung und der Kundenbindung. Programmmanagement – dieses Gremium befasste sich mit der Umsetzung der Strategie in operative Strukturen und Prozesse, deren Implementierung und Kontrolle. Das Gremium war verantwortlich für die Implementierung des Programmplans, die operativen Ergebnisse, die einzelnen Budgets und die personelle Besetzung des Projektteams (Projekt Management Office). Projekt Management Office – Dieses Team befasste sich mit den zentralen Projekt Management Aufgaben, wie zum Beispiel die interne Kommunikation, Bereitstellung notwendiger Resourcen wie Immobilien/Arbeitsplätze, IT, Steuern sowie das Erfüllen von regulatorischen Anforderungen. Transition – Dieses Team war für den Aufbau der Offshore-Einheiten und die Überführung der ausgewählten Prozesse in die neu gegründeten Offshore-Abteilungen verantwortlich. Es bestand aus jeweils einem Manager aus der sendenden und der empfangenden Abteilung, einem Projektmanager, Businessanalysten und Fachexperten. Es bestand die zwingende Verpflichtung, das standardisierte und mehrfach bewährte Vorgehensmodell zum Transfer von Prozessen anzuwenden. Für die Umsetzung der Strategie war eine enge Zusammenarbeit mit den Expertengruppen innerhalb der Bank notwendig. Formalisierte Schnittstellen zwischen den Projektgremien und den Experten stellten sicher, dass die verschiedenen Lösungen einheitlich und gemäß den Standards der Deutschen Bank umgesetzt wurden. Es bestanden formelle Regeln für die Zusammenarbeit, inklusive eines eigenen Kontroll- und Eskalationsprozesses, wobei es Aufgabe des Projekt Management Offices war, den Informationsfluss gegenüber der Führungsebene sicherzustellen. Die Erfahrung zeigte, dass die enge Zusammenarbeit mit den jeweiligen Fachabteilungen sehr hilfreich war und die Qualität der Leistungen dadurch deutlich verbessert wurde. Insbesondere führte die bereichsübergreifende Arbeit zu einem Wissensaufbau der Mitarbeiter und wirkte sich dabei sehr positiv auf die Motivation und Zufriedenheit aus.
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Martin Slumbers
Um alle Bereiche der Bank über die anstehenden Änderungen zu informieren, wurde für das Programm ein umfassender, strukturierter Kommunikationsplan erstellt. Dieser Kommunikationsplan enthielt nicht nur formale Botschaften über die strategischen Änderungen und Auswirkungen, sondern definierte auch die Kommunikationsstrategie im Rahmen des Change Managements, die darauf ausgerichtet war, durch fortlaufende Berichterstattung die Mitarbeiter aktiv auf dem Weg der Veränderung zu begleiten. Hierbei war es wichtig, konsistente Kernbotschaften zu erarbeiten, die in allen Präsentationen unabhängig von der entsprechenden Zielgruppe kommuniziert wurden. Dadurch wurde sichergestellt, dass das Programm und seine Ziele einheitlich präsentiert und wahrgenommen wurden. Großer Wert wurde darauf gelegt, dass das SOM-Programm sowohl einen Wettbewerbsvorteil als auch einen positiven Ergebnisbeitrag für die Deutsche Bank generierte. Seit dem Jahr 2006 werden zusätzlich Kundezufriedenheits-Umfragen durchgeführt. Dieser aktive Dialog stellt auch sicher, dass die im Rahmen eines solch großen und weitreichenden Programms notwendige Bereitschaft zur Anpassung an Veränderungen geweckt wird. Aus den allgemeinen Umfragen und dem Feedback aus dem Management lässt sich schließen, dass das Programm erfolgreich ist und die neue Strategie von allen Unternehmensbereichen anerkannt und aktiv gelebt wird. Das SOM-Programm ist zu einem wesentlich Bestandteil der Deutschen Bank geworden.
7.
Aufbau einer leistungsstarken kundenorientierten Dienstleistungsorganisation
Der Aufbau des Offshore-Abwicklungszentrums als bankeigene, kommerziell operierende Einheit gehörte zu den wichtigsten Rahmenbedingen für die erfolgreiche Umsetzung der SOM-Strategie. Hiermit wurden die Voraussetzungen für die angestrebte Kundenorientierung geschaffen. Der Abschluss von Service Level Agreements (SLA) zwischen der Offshore-Einheit und den sendenden Abteilungen spielte eine wichtige Rolle beim standardisierten Transfer von Prozessen. Der SLA legte KPIs für die verschiedenen Teilschritte der Prozesse fest. Mit Hilfe dieser Messgrößen konnten zum einen Leistungen objektiv gemessen und bewertet und zum anderen die Einholung von Kundenmeinungen auf Basis der KPIs institutionalisiert werden. Die Festlegung dieser „gemeinsamen Sprache“ war ebenfalls ein wesentlicher Faktor für die signifikante Leistungssteigerung. Dabei wurde der mit dem internen Kunden vereinbarte Servicelevel im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses ständig kontrolliert und angehoben.
Der Deutsche Bank Ansatz – Aufbau des Structured Operating Model (SOM)
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Im Rahmen der Governance-Struktur wurde ein sogenanntes „Performance Review Board“ etabliert. Dieses Board besteht aus Repräsentanten der leistungserbringenden und leistungsempfangenden Einheiten. Das Board trifft sich monatlich und vergleicht den erreichten Leistungslevel mit den Vereinbarungen aus dem SLA. Falls notwendig, werden Änderungen der Zielgrößen und künftige Änderungen von Prozessabläufen in diesem Gremium vereinbart. Dies war insbesondere notwendig, wenn das originäre Onshore-Geschäftsmodell weiterentwickelt wurde. Die Festlegung eines standardisierten Vorgehensmodells und die Einrichtung des „Performance Review Board“ galten als entscheidend für den Aufbau eines großen, auf Kundenservice ausgerichteten, internen Dienstleisters. Für den internen Kunden war es nicht länger notwendig, die operativen Offshore-Einheiten zu steuern oder den Prozess der Leistungserstellung im Detail zu kennen. Die Definition von SLAs sowie die Kontrolle der Einhaltung hatte somit einen besonderen Stellenwert beim Offshoring von Prozessen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Deutsche Bank immer stärker zu einer auf Leistungsindikatoren ausgerichteten Kultur entwickelte, und das Structured Operating Model zu einem wesentlichen Treiber dieser Veränderung wurde.
8.
Harmonisierung von Unternehmenskulturen
Im Rahmen der Einrichtung des groß angelegten und weltweit vernetzten Abwicklungszentrums ergab sich für die Deutsche Bank eine Reihe von interessanten Aufgaben, wie zum Beispiel die Harmonisierung der verschiedenen Unternehmenskulturen. Die Deutsche Bank strebte hierbei nicht eine „One Culture Bank“, sondern vielmehr eine „One Bank Culture“ an. Sie toleriert, unterstützt und nutzt die Vielfalt der verschiedenen Kulturen, die ihre globale Präsenz mit sich bringt. Die Deutsche Bank ist ein weltweit operierendes Unternehmen, das sich durch eine Vielfalt an Nationalitäten an den diversen Standorten auszeichnet. Innerhalb eines derart stark differenzierten und multikulturellen Umfelds erfordert eine erfolgreiche Umsetzung neuer strategischer Programme ständige Kommunikation, einheitliche und klare Botschaften sowie das notwendige Feingespür des Managements. Die Begeisterung und Tatkraft der neuen Mitarbeiter in Indien musste auf die übergeordneten Ziele der Strategie kanalisiert und für deren Umsetzung genutzt werden. Darüber hinaus war zu beachten, dass vor dem Hintergrund der Entwicklung des Arbeitsmarktes in Indien das Durchschnittsalter der Mitarbeiter recht gering war. Insbesondere zog gerade das relativ neue Segment Business Process Outsourcing (BPO) junge Mitarbeiter an. Teams mit sehr jungen Mitarbeitern brachten wesentliche Vorteile wie auch Herausforderungen mit sich, die in die
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Martin Slumbers
richtige Richtung gesteuert werden mussten, um einen Mehrwert daraus generieren zu können. Wie die meisten global aufgestellten Organisationen begrüßte auch die Deutsche Bank diesen Aspekt, musste aber dennoch sicherstellen, dass mit den daraus resultierenden Chancen und Risiken gezielt umgegangen wird. Um Mitarbeiter für das neue Programm zu begeistern, wurden die neuen Teams, bestehend aus Mitarbeitern der Onshore- und Offshore-Abteilungen, zu Trainingszwecken an einem Standort zusammen gebracht. Dabei wurde unter anderem den Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben, ein globales Netzwerk aufzubauen. Um so die Motivation der Mitarbeiter – Onshore wie auch Offshore – zu steigern, sollten sie sich als Teil eines global vernetzten Teams fühlen. Als besonders positiver Aspekt ist zu nennen, dass sich die vor allen Dingen in Indien herrschende Begeisterung und Motivation auch auf die anderen Mitarbeiter der Bank übertrug. Auf der anderen Seite nahmen die indischen Mitarbeiter im Rahmen ihrer Ausbildung in den weltweiten Repräsentanzen der Deutschen Bank auch Kenntnisse über die dort gängigen Arbeitsweisen und Kultur mit nach Indien zurück.
9.
Die Deutsche Bank heute – eine überzeugende Reise
Nach etwas mehr als einem Jahr stellt sich die Frage: Hat das SOM-Programm Vorteile gebracht? Die Antwort lautet: Ja, in vielerlei Hinsicht. Besonders hervorzuheben neben den kurzfristig erzielten Synergien sind auch die nachhaltigen Effizienzsteigerungen. Bei den kurzfristigen Synergien sind primär die Vorteile aus dem Vorhandensein von dokumentierten und standardisierten Prozessen sowie aus der Prozesstransformation zu nennen. Des Weiteren wurde eine umfassende und konzernweit genutzte Methodik zur Überleitung von Prozessen von Onshore nach Offshore entwickelt sowie ein globales Governance-Modell und unterstützende Prozesse implementiert. Auch führte das Programm zu einer weltweiten Vernetzung von regionalen Funktionen, zu Konsistenz bei der Umsetzung von organisatorischen Änderungen, zu einer Verbesserung von bereichsübergreifender Zusammenarbeit und letztendlich zu einer Steigerung der Produktivität. Was den Primärnutzen anbelangt, so ist die „Reise“ noch nicht abgeschlossen. Abgesehen von den erzielten Effizienzsteigerungen aus „regional geführten“ Abwicklungszentren eröffnet das Programm weitere Wettbewerbsvorteile in Bezug auf die Erzielung von Skaleneffekten und der damit einhergehenden Senkung der Transaktionskosten. Darüber hinaus führte das Prozess-Reengineering und die kontinuierliche Prozessverbesserung für die Bank und ihre Kunden zu nicht direkt quantifizierbaren Vorteilen wie verbesserter Service und kürzere Abwicklungszyklen.
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Das SOM-Programm nahm bereits Einfluss auf das Geschäftsmodell in der Deutschen Bank und den Ansatz der Kundenbetreuung und -bindung. Es liefert einen signifikanten Wertbeitrag und einen Wettbewerbsvorteil für die Deutsche Bank. Es erforderte zunächst viel Mut und Entschlossenheit, doch die bisher erzielten Erfolge, die gewonnene Dynamik und die erkannte eigene Stärke haben neue Möglichkeiten für das Programm eröffnet.
10.
Zusammenfassung
Die Deutsche Bank musste ihre Betriebsabläufe neu strukturieren – nicht nur, um den Marktentwicklungen standzuhalten, sondern auch, um ihre Strategie erfolgreich umzusetzen. Sie startete deshalb ein ehrgeiziges und umfangreiches „Change-Programm“, das große Herausforderungen mit sich brachte und die Arbeitsweisen grundlegend veränderte. Im Rahmen des Programms wurden Prozesse in eine neu gegründete Tochtergesellschaft ausgelagert, optimiert und ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess etabliert. Neben strukturellen Optimierungsansätzen wurde auch der erfolgreiche Umgang mit kulturellen Unterschieden als kritischer Erfolgsfaktor zum Aufbau eines Wettbewerbsvorteils erkannt. Dabei standen neben kurzfristigen Kostenvorteilen auch die nachhaltige Effizienzsteigerung im Vordergrund. Das Programm wird laufend weiterentwickelt, solange es seinen messbaren und wesentlichen Beitrag zum Gesamtergebnis des Konzerns leistet und der Deutschen Bank Wettbewerbsvorteile sichert.
Industrialisierung der Banken aktiv steuern mit neuen Sourcing-Architekturen
Industrialisierung der Banken aktiv steuern mit neuen SourcingArchitekturen Andrea Marlière
1. Industrialisierung heute 2. Industrialisierung von Bankprozessen 3. Modell der arbeitsteiligen Bank 4. Die „Patchwork“-Kultur der Umbauphase 5. Aufgaben einer neuen Governance-Kultur 6. Eine neue Sourcing-Architektur steuert die industrialisierte Bank 7. Die neue Rolle der IT 8. Zusammenfassung
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1.
Andrea Marlière
Industrialisierung heute
Die Arbeitsteilung war und ist eine der folgenreichsten Innovationen der neueren Wirtschaftsgeschichte. In den Zeiten der Industrialisierung des Handwerks ging es in der Regel noch um die Teilung eines aufwendigen Prozesses in möglichst einfache, von Einzelnen schnell, in hoher Stückzahl und auf Dauer zu erbringende manuelle Tätigkeiten. Heutzutage kommen insbesondere dienstleistungsorientierte Branchen wie die Finanzdienstleistungsindustrie aufgrund der Schnittstellendichte und der IT-Abhängigkeit ihrer Prozesse nicht umhin, ebenfalls neue Formen der Zerlegung und vor allem der Steuerung von Prozesseinheiten einzuführen. Es ist also nicht mehr allein die größere Geschwindigkeit der Produktion, sondern die Kumulation von Komplexität in den unterschiedlichen Leistungsbereichen, die eine Industrialisierung der Dienstleistungsbranchen gegenwärtig bewegt. Neben der Bewältigung hochkomplexer Schnittstellen stehen dabei auch neue Modelle der Wertschöpfungsteilung innerhalb der Bankenlandschaft zur Diskussion
2.
Industrialisierung von Bankprozessen
Mittlerweile ist die Industrialisierung der Bankprozesse schon weit vorangeschritten. Zum einen werden standardisierbare Abwicklungs- bzw. Marktfolgeprozesse zunehmend ITgestützt, gebündelt und in zentralisierten Transaktionseinheiten zusammengeführt. Hier kommen interne Bereiche oder externe „Transaktionsbanken“ – wie Xchanging, dwpbank, NRS AG oder die Betriebscenter für Banken Deutschland GmbH & CO. KG der Postbank – zum Zuge. Auch die Vertriebsprozesse werden zusehends gestrafft, mit verbesserten ITPlattformen unterlegt und strukturierter als je zuvor überwacht. CRM Systeme – bislang in den Banken eher stiefmütterlich behandelt – haben Hochkonjunktur: Zahlungsverkehrstransaktionen von Kunden werden ausgewertet, weil Rückschlüsse auf das Konsumverhalten und dadurch gegebenenfalls auch auf Kreditbedarfe gezogen werden sollen. Mikromarktdaten werden mit Kundendaten zusammengespielt, um spezifischere Kundenprofile und damit Ansatzpunkte für Vertriebsaktivitäten zu generieren. „Warnhinweise“ wie die Kündigung von Kreditkarten etc. werden aufbereitet und sollen abwanderungswillige Kunden rechtzeitig „auffangen“.
Industrialisierung der Banken aktiv steuern mit neuen Sourcing-Architekturen
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Die auf dieser Basis gewonnenen Erkenntnisse werden strukturiert und erscheinen beim Vertrieb morgens als Telefon- und Aufgabenlisten, die quasi „im Akkord“ abgearbeitet werden müssen. Doch nicht nur an den für die Kunden gleichsam sichtbaren Bereichen von Banken macht sich die Industrialisierung bemerkbar. Auch im Produkt- und Risikomanagement, dem „Herzstück“ der Banken, werden zunehmend neue Wege beschritten: Selbstentwickelte Produkte werden fremden Vertriebsorganisationen zugänglich gemacht und fremde Produkte auf die eigenen Vertriebsplattformen genommen. Ein weiteres wichtiges Beispiel für diesen Kernbereich der Banken ist das Risikomanagement. So werden – zum Beispiel durch das Instrument der Securitization – auch Risiken aus Produktportfolios herausgelöst und im B2B-Markt der Finanzdienstleister untereinander bewegt. Schon dieser kurze Blick auf das alltägliche Geschäft der Banken zeigt, wie viele Bereiche tatsächlich in Bewegung geraten sind. Diese Bewegung hat aber bislang nur sporadisch zu einer neuen, effizienten „Ordnung“ geführt. Hier stehen den Instituten schon in naher Zukunft erhebliche Probleme ins Haus. Es lohnt sich daher, schon heute über neue Sourcing-Modelle und innovative Verantwortungs- und Governance-Modelle nachzudenken.
3.
Modell der arbeitsteiligen Bank
Die organisatorische Wirklichkeit ist also bunt und teilweise nur damit zu erklären, dass der Prozess der Industrialisierung eben nicht geordnet und übergreifend gesteuert abläuft. Eine Neuigkeit kommt zur nächsten als bloße Addition, ohne dass der Zusammenhang der Banksteuerung insgesamt beachtet wird. Um zu einer rationalen Steuerung der Industrialisierung innerhalb der Banken zu kommen, ist es sinnvoll, zunächst einen Schritt zurückzugehen und nach den Grundlagen der beschriebenen Industrialisierung der Banken zu fragen. Analytisch und modellhaft betrachtet wird die Wertschöpfungskette von Banken gegenwärtig in drei voneinander unabhängige Organisationen zerlegt, denen sich jeweils eigene Verantwortungen und Erfolgskriterien zuweisen lassen: 1. Die Portfoliobank bewirtschaftet ihre Zielmärkte mit eigen- und fremdentwickelten Produkten. Sie „kauft“ die notwendigen Abwicklungsprozesse von den „Transaktionsbanken“ ein. Ihr Erfolg bemisst sich am Produkt- und Kundendeckungsbeitrag sowie der dazugehörigen Risikoposition. 2. Die Transaktionsbank stellt Abwicklungskapazitäten in marktkonformer Qualität bei optimierter Risikostruktur (operative Risiken) kostengünstig bereit. Ihr Erfolg orientiert sich an adäquaten Stückkosten pro Transaktion unter Berücksichtung der Servicequalität (Service Level).
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Andrea Marlière
3. Die Vertriebsbank versorgt effizient einen definierten Zielmarkt mit den durch sie vertriebenen Finanzprodukten. Ihr Erfolg ist an der Ausschöpfung des Markt- und Kundenpotenzials ablesbar. Soweit die Theorie, die hier ein idealtypisches Ziel definiert. Praktisch alle Banken sind auf dem Weg dahin: Das Investment Banking und das Firmenkundengeschäft hinken hinterher, das Retailbanking geht hier voran. So kann zum Beispiel die Postbank als „Model Piece“ in der deutschen Bankenlandschaft dienen: Im Retailgeschäft gibt es ein starkes Produkt- und Markenmanagement. Die „Vertriebsleistung“ für Retailprodukte wird über die Post und andere Provisionsmodelle ebenso vom Produktmanagement „eingekauft“ wie die „Abwicklungsprozesse“ im Zahlungsverkehr, der Kredit- und der Wertpapierabwicklung. Dabei spielt es mit Blick auf die Governance zunächst keine Rolle, ob die Abwicklungseinheiten zum Postbankkonzern bzw. zur AG gehören oder externe Dienstleister sind. Aber auch eine kleinere Volks- und Raiffeisenbank funktioniert bereits nach ähnlichen Prinzipien: Vertrieben werden die Produkte des genossenschaftlichen Verbunds (insofern sind die Aufgaben des aktiven Produktmanagements eingeschränkt); der Zahlungsverkehr wird über Equens abgewickelt (ehemals TAI, Transaktionsinstitut für Zahlungsverkehrsdienstleistungen AG), Förderkredite über das VR Kreditwerk, Wertpapierabwicklung über die dwpbank etc. Besonders offensichtlich wird das Prinzip der Trennung von Portfolio-, Abwicklungs- und Vertriebsbanken bei den Auslandsbanken, die auf den deutschen Markt drängen. So entstehen Online-Portale von Benelux-Banken, die lediglich dem Vertrieb von Konsumentenkrediten dienen, die Abwicklung erledigen deutsche Banken, die dadurch ihre eigenen Überkapazitäten im Backoffice-Bereich auslasten und in das eigentliche Obligo tritt die Mutterbank als Portfoliobank im Ausland ein.
4.
Die „Patchwork“-Kultur der Umbauphase
Der Status quo entspricht trotz der Dynamik des Wandels allerdings noch lange nicht dem idealtypischen Modell. Das allein ließe sich in der Praxis freilich verschmerzen. Gravierend ist aber, dass die Gegenwart eben nicht nur dem Modell, sondern auch allen Regeln einer effizienten und wohlgeordneten Unternehmenssteuerung („Governance“) widerspricht. Bei den Abwicklungs- und Marktfolgeprozessen herrscht überall eine Art „Patchwork“Kultur: Einige Prozesse oder Prozessteile werden ausgelagert, andere bleiben im Haus. Die zur Hebung großer Effizienzgewinne dringend notwendige Trennung von Vertriebs- und Portfoliobank ist bislang kaum anzutreffen. Dieser Mangel enttäuscht auch die steigenden Erwartungen der Kundschaft, die immer weniger gewillt ist, sich bei der Auswahl der Produkte nur aus einem Hause zu bedienen. Der Berater muss professionell auftreten, aber auch der Zuschnitt der Lösungen und Produkte entscheidet über die Kundenzufriedenheit.
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Ein weiteres Thema von entscheidender Bedeutung ist die Rolle der IT(-Abteilung). Ihre Einbindung in den Gesamtprozess ist gegenwärtig in aller Regel unklar. Ein weiteres Manko: Die externe Abwicklung von Bankprozessen wird auf operativer Ebene durch ein zumeist dezentral agierendes Providermanagement gesteuert; eine gleichwertige Steuerung der verbliebenen internen Abwicklungsbereiche findet hingegen selten statt. In dieser völlig uneinheitlichen „Patchwork“-Organisation sind vor allem zwei zentrale Fragen ungelöst, auf die sich die organisatorische Herausforderung zuspitzen lässt: Wer entscheidet nach welchen Kriterien über die Auslagerung von Prozessen? Und: Wer übernimmt bei bestehenden oder neuen Finanzprodukten die technische „Konstruktion“ der Prozesse und der dazugehörigen IT? Potenziell durchaus erfolgreiche Finanzprodukte werden durch die fehlende Lösung dieser Fragen häufig zu spät und im laufenden Geschäft zu teuer erstellt. Die Produktmanager agieren wie ein Designteam der Autoindustrie, das ein alltagstaugliches Modell für eine breite Zielgruppe entwirft, dessen Produktionskosten den erzielbaren Marktpreis aber schließlich übersteigen. Ein gutes Auto – aber unverkäuflich; ein gutes Finanzprodukt – leider ein Verlustgeschäft.
5.
Aufgaben einer neuen Governance-Kultur
Die neue Governance-Kultur, die eine Antwort auf diese ungelösten Probleme bieten kann, sei hier am Beispiel der Einführung eines Neuproduktes erläutert. Dabei werden die sinnvolle organisatorische Trennung und die rationale Verteilung der Verantwortung berücksichtigt. Wie sieht die erfolgreiche Einführung eines neuen Finanzproduktes in Zukunft also aus? Das Produktmanagement beobachtet zunächst die Zielmärkte, definiert die optimalen Vertriebswege und entwirft die Produkte der Portfoliobank. Mit dem Produktdesign (zum Beispiel einem Verbraucherkredit mit bestimmten Zinsstaffeln und Konditionen) wendet es sich an das Sourcing-Management, das die „Blaupause“ und damit die Kostenschätzung für alle Abwicklungskomponenten inklusive der zugehörigen IT entwirft. Sofern die geschätzten Gesamtkosten von Abwicklung und Vertrieb die geschätzten Erträge nicht übersteigen, beauftragt das Produktmanagement das Sourcing Team mit der laufenden Erstellung dieser Prozesse und den Vertrieb mit der Markteinführung und der laufenden Erbringung der Vertriebsleistung. Das Sourcing-Management-Team wählt die Transaktionsdienstleister (intern oder extern, zum Beispiel die eigene Kreditabwicklung für Konsumentenkredite, eine „Bad-LoanFabrik“ für notleidende Kredite, eine Kreditfabrik für Hypothekenkreditabwicklung etc.) und IT-Dienstleister aus und überwacht sie im operativen Geschäft nach einheitlichen GovernancePrinzipien.
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Andrea Marlière
Die Trennung von „Design“ (Produktmanagement), „Konstruktion“ (Sourcing-Management) und „Produktion“ (interne/externe Provider) schafft neben einer klaren Aufgabenabgrenzung auch eindeutige Verantwortlichkeiten. Das Produktmanagement verantwortet unter anderem den Produkt- und Kundendeckungsbeitrag, das Sourcing-Management muss die geplanten Gesamtkosten und die Provider die geplanten Stückkosten einhalten, und zwar in der vereinbarten Servicequalität. Keine Abteilung und keiner der nunmehr unabhängig agierenden Dienstleister kann sich hinter dem jeweils anderen verstecken. Die Fehlleistungen jedes einzelnen Gliedes in diesem Prozess lassen sich genau zuordnen. Mit dem geeigneten Managementsystem lassen sich darüber hinaus die „Lernerfolge“ auswerten und für die Zukunft sichern.
Kunde Endkunden
PM Spar
PM Kredit
…
Design & Zielmarktbewirtschaftung
Strategisches Sourcing Management
Konstruktion & Auswahl der Sourcingarchitektur
Operatives Sourcing Management
Providersteuerung
Provider intern
Provider extern
… Produktion
Provider intern
Abbildung 1:
Provider extern
Sourcing-Management
…
Industrialisierung der Banken aktiv steuern mit neuen Sourcing-Architekturen
6.
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Eine neue Sourcing-Architektur steuert die industrialisierte Bank
Im hart umkämpften deutschen Bankenmarkt sollten die Finanzinstitute ihre zumeist unorganisiert gewachsene Struktur rasch überwinden. Die Antwort auf die entstandenen organisatorischen Herausforderungen ist ein industrialisiertes Governance-Modell und eine neue Verteilung der Verantwortlichkeiten. Was würde sich dadurch ändern? Interne und externe Abwicklungseinheiten verantworten in einem industrialisierten Governance-Modell die Einhaltung der vereinbarten Stückkosten und Service Level. An einer einheitlichen Kontrolle und Steuerung hapert es jedoch häufig noch. Mit Ausnahme unterschiedlicher Sanktionsmöglichkeiten (Malusmodelle bei externen Einheiten, hierarchischer Druck bei internen Einheiten) unterliegen sie in Zukunft der gleichen operativen Überwachung durch das übergeordnete Sourcing-Management. In der neuen Architektur verantwortet immer die Portfoliobank und damit das Produktmanagement den Gesamterfolg der Finanzprodukte: durch die Ausgestaltung des Produktportfolios, die Definition des geeigneten Vertriebsweges und die verbindliche Vereinbarung aller Abwicklungskosten mit dem Sourcing-Management-Team. Die Vertriebsorganisation verantwortet ausschließlich die Marktausschöpfung, das Sourcing-Management die Kosteneinhaltung. Kurz: Jede Abteilung kann sich voll und ganz auf die Optimierung ihres Verantwortungsbereiches konzentrieren – und sich dadurch im Gesamtkonzern auch profilieren. Die gewohnten Vorstandsressorts entsprechen häufig nicht den neuen Anforderungen: Eine Aufgabentrennung in Produktmanagement, Sourcing-Management, die Transaktionsbereiche und den Vertrieb schafft auch im gehobenen Management klare Verantwortlichkeiten. Das Sourcing-Management und ein nachgelagertes operatives Providermanagement sind in den Banken bislang selten institutionalisiert; der Aufbau des entsprechenden Know-hows ist jedoch zeitkritisch und nicht einfach, da derartige Expertise auf dem Arbeitsmarkt nur schwer zu finden ist. Hier muss auf externes Know-how zurückgegriffen werden, denn es geht darum, die intern gewachsenen Strukturen zu überwinden bzw. diese grundlegend fortzuentwickeln. Das ist nicht nur eine komplexe Aufgabe, sondern zudem eine, die nur schwer „von innen heraus“ anzupacken ist. Die unternehmerische Eigenständigkeit und Kontrahierungsfreiheit sowohl des Produkt- als auch des Sourcing-Managements stellen auch eine Herausforderung an die Souveränität des Vorstandes einer Bank dar: Darf ein Sourcing-Management-Team seine Leistungen auch anderen Banken, zum Beispiel den auf den deutschen Markt drängenden Auslandsbanken, anbieten? Darf ein Produktmanagement auch die Sourcing-Plattform anderer Banken nutzen, wenn diese kostengünstigere Abwicklungsmöglichkeiten bieten?
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7.
Andrea Marlière
Die neue Rolle der IT
Aufgrund der organisatorischen Herausforderungen wird ein hoher Anteil der bestehenden Komplexität im Bankgeschäft häufig den IT-Abteilungen oder zentralen Rechenzentren der Banken zugeschoben. Dabei ist die IT selbst einem fundamentalen Bedeutungswandel ausgesetzt und kann schon deswegen die hier beschriebenen vielfältigen Herausforderungen kaum lösen. Erst wenn die IT ihre Funktion genau kennt und sie von den ad hoc an sie herangetragenen Anfragen abgrenzt, kann sie zu einem wirksamen Teil der Lösung werden. IT kann die Bankprozesse nur unterstützen, wenn ein klares Anforderungsmanagement – ausgehend vom allein hierfür verantwortlichen Produktmanagement und gelenkt durch das beauftragende Sourcing-Management – existiert und eindeutige Abnahmeregeln aufgestellt sind. Die zentralen IT-Dienstleister der Banken (zum Beispiel Sparkassen Informatik GmbH & Co. KG, FinanzIT GmbH, FIDUCIA IT AG, IBM etc.) respektive die interne IT sind aus der neuen Perspektive industrialisierter Banken für zwei völlig verschiedene Kunden tätig. Einerseits verantworten sie als Provider die IT-Unterstützung von bankspezifischen Prozessen der Abwicklungsdienstleister. Andererseits beliefern sie sowohl das Produkt- als auch das SourcingManagement und die Abwicklungseinheiten mit IT-Commodities wie zum Beispiel die Arbeitsplatzausstattung. Beide Bereiche müssen aber in Zukunft getrennt betrachtet werden. Nur die entsprechenden Transaktionsprovider können die bankspezifischen IT-Dienstleistungen effizient steuern und gemeinsam die Idee des „Business Alignment“ – die gleiche Taktung aller beteiligten Einheiten – realisieren. Man kann es noch weiter zuspitzen: „Business Alignment“ kann nicht aus der IT kommen, sondern kann nur durch die Einhaltung einer klaren Beauftragungskette vom Produktmanagement über das Sourcing-Management hin zu den Prozessspezialisten in den Abwicklungseinheiten erzielt werden. Die aktuelle Diskussion um die neue Generation moderner „CIOs“ zeigt, dass dieses Defizit schon in Teilen erkannt wurde. Der Einkauf der IT-Hardware sollte dagegen in Zukunft über einen zentralen Einkauf erfolgen. In diesem Bereich ist nicht das gleiche Maß an spezialisiertem Fachwissen notwendig wie in den Serviceeinheiten, die beispielsweise der Produkterstellung zuarbeiten.
Industrialisierung der Banken aktiv steuern mit neuen Sourcing-Architekturen
8.
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Zusammenfassung
Angesichts des globalen Wettbewerbs ist eine weitergehende Fokussierung der Banken in Form getrennter Vertriebs-, Portfoliomanagement- und Transaktionsverantwortung unvermeidlich. Dabei spielt die gesellschaftsrechtliche Auslagerung nur noch eine untergeordnete Rolle. Nur die ‚Bank der Zukunft’ wird nachhaltig gewinnbringend und effizient arbeiten können, die es versteht, die Anforderungen der Portfoliobank an die Abwicklung und den Vertrieb präzise zu formulieren und mittels geeigneter Controlling-Instrumente durch ein entsprechendes Sourcing-Management zu steuern. Der Weg der Banken von derzeit monolithischen Universalbankstrukturen mit vereinzelten, patchworkartigen Sourcing-Architekturen hin zu einer industrialisierten Sourcing-Architektur mit effizienten Verantwortungsund Governance-Modellen wird noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Und der Weg hin zu dieser modernen, das heißt modularisierten, „industrialisierten“ Bank ist gepflastert mit massiven organisatorischen Herausforderungen. Nur eine professionell gestaltete und gesteuerte Sourcing-Architektur sichert langfristig das Überleben. Noch lassen sich – durch eine rasche Einstellung auf das unvermeidliche Zielfoto und die notwendigen Weichenstellungen dahin – möglicherweise entscheidende Wettbewerbsvorteile erzielen.
Operative Exzellenz im Kapitalmarktgeschäft
Operative Exzellenz im Kapitalmarktgeschäft Ulrich Bongartz
1. Einleitung 2. Marktgegebenheiten und Effizienzdruck 3. Gängige Maß- und Performancezahlen 4. Operative Herausforderungen im Benchmarkvergleich 5. Ansatzpunkte zur Optimierung 6. Zusammenfassung
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1.
Ulrich Bongartz
Einleitung
Der vorliegende Beitrag behandelt die Möglichkeiten von Kreditinstituten, operative Exzellenz im Kapitalmarktgeschäft prozessorientiert zu messen und zu verbessern. Die Bestimmung des Exzellenzgrades ist wiederum eine maßgebliche Hilfestellung bei der Bewertung von Make-or-Buy-Optionen im Outsourcing/Insourcing Kontext. Dieser Beitrag gliedert sich in sechs Abschnitte. Nach einer kurzen Einleitung im ersten Abschnitt behandelt der zweite Abschnitt überblickartig das aktuelle Marktumfeld und den operativen Effizienzdruck. Der dritte Abschnitt stellt gängige Maß- und Performancezahlen im Kapitalmarktgeschäft vor, während der vierte Abschnitt beispielhaft die operativen Herausforderungen mit Beobachtungen aus dem Benchmarking vergleicht. Im fünften Abschnitt werden die im Markt gängigen Optimierungsmaßnahmen für das Kapitalmarktgeschäft betrachtet. Der sechste Abschnitt fasst schließlich die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Zur Veranschaulichung der Aussagen werden im Folgenden auch empirische Beobachtungen eingesetzt. Bei den hier verwendeten empirischen Beispielen wurde aus Gründen der vereinfachenden Darstellung jeweils das am höchsten aggregierte Niveau bemüht. Wenn nachfolgend Beispiele aus dem Kapitalmarktgeschäft vorgestellt werden, so berücksichtigen diese in der Regel sowohl die Fixed Income, Forex und Geldmarktseite samt aller derivativen Produkte auf diese Underlyings als auch die Aktienseite inklusive von Derivaten. Durch die vereinfachende Darstellungsweise wird das Kapitalmarktgeschäft stark verdichtet. Realiter können Einzelausprägungen von Ertrags-/Kosten- und Produktivitätszahlen der einzelnen Banken deutlich von den hier verwendeten Durchschnittswerten abweichen. Wesentliche Determinante hierfür sind die Geschäfts-, Produkt- und Kundenschwerpunkte der jeweiligen Banken.
2.
Marktgegebenheiten und Effizienzdruck
Das Kapitalmarktgeschäft der Investmentbanken boomt derzeit. 2006 war ein Rekordjahr für Investmentbanken. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Erträge um 27 Prozent. Das RWAWachstum lag bei durchschnittlich 17 Prozent, sodass in der Konsequenz die Bruttomargen deutlich erhöht werden konnten. Anhaltendes Wachstum der operativen Erträge, Kontrolle der Verwaltungsaufwendungen und eine niedrige Risikovorsorge haben sich sehr positiv in den Ergebnissen der Finanzbranche niedergeschlagen. Die Kapitalmärkte waren bestimmt durch eine Traumkombination von niedrigen Zinsen, positiven Kursverläufen an den Aktienmärkten und anhaltender M&A-Aktivität.
Operative Exzellenz im Kapitalmarktgeschäft
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Dabei geht es um große Summen: Der weltweite Ertragspool im Investmentbanking-Geschäft (Kapitalmarktgeschäft und Advisory) betrug im Jahr 2006 etwa 170 Milliarden Euro. In der regionalen Verteilung des Investmentbanking-Ertragspools liegen die Vereinigten Staaten mit etwa 41 Prozent vor den wesentlichen europäischen Märkten, auf die etwa 25 Prozent der Erträge entfielen. Die wesentlichen Antriebskräfte des Investmentbanking-Marktes waren in den vergangenen drei Jahren Produktinnovationen und das Auftreten neuer Nachfragegruppen. Produktinnovationen, wie etwa strukturierte Kreditprodukte, haben in der jüngeren Vergangenheit die Marktentwicklung geprägt. Künftige Wachstumsquellen des Kapitalmarktgeschäftes werden voraussichtlich innovative Produkte wie Wetter- und Immobilienderivate, Katastrophenversicherungsschutz, die Absicherung von Langlebigkeitsrisiken, CO2-Derivate, Aktien/Fixed Income Cross Over Produkte und gepoolte Derivate (zum Beispiel syndizierte CDOs) sein. Neben den Innovationen hat auch das Auftreten von Hedge Fonds als einer neuen Nachfragegruppe zum nachhaltigen Wachstum des Kapitalmarktgeschäftes beigetragen. Allein im Jahr 2006 haben Hedge Fonds Provisions- und Zinszahlungen von fast 25 Milliarden Euro an die Kapitalmarktbanken abgeführt. Daneben spielen Finanzinstitutionen weiterhin eine sehr bedeutende Rolle als Kunden der Investmentbanken. Derivateexperten können in diesem Zusammenhang insbesondere von Solvency II und der Aktiv-Passiv-Lücke vieler Finanzinstitutionen profitieren. Diese Entwicklung wird wiederum das Thema „Produktinnovationen“ nähren, sodass derivative Produkte auch in Zukunft die Wachstumsgaranten für die Kapitalmarktbanken darstellen werden. Insofern ist ein Wachstum sowohl in der Breite als auch in der Tiefe des Derivatemarktes zu erwarten. Dennoch haben die Kapitalmarktbanken auch in den Boomzeiten die Effizienzsituation nicht aus den Augen verloren. Neben hausinternen Anstrengungen zur Reduzierung der Stückkosten forderten sie insbesondere Börsen und Abwicklungs-Infrastrukturanbieter im Euro-Raum auf, die Transaktions- bzw. Abwicklungskosten zu reduzieren. Mit 0,45 bis 2,80 Euro liegen die Transaktionskosten im Euro-Raum deutlich über vergleichbaren Werten in den Vereinigten Staaten, wo beispielsweise die Abwicklung eines Aktiengeschäftes 0,14 und eines Rentengeschäftes 0,28 Euro kostet. Schon sind Initiativen großer Investmentbanken im Gespräch, die alternative Handelsplattformen aufbauen wollen, um die Kosten des Wertpapierhandels durch Internalisierung zu senken. Der wachsende Effizienzdruck führt dazu, dass die Kapitalmarktbanken kontinuierlich ihre nachhaltige Performance beobachten und analysieren. Aus strategischer Sicht bieten sich dabei vielfache Ansatzpunkte zur Hinterfragung der Wertschöpfungstiefe.
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3.
Ulrich Bongartz
Gängige Maß- und Performancezahlen
Wie bestimmen Kapitalmarktbanken ihre operative Performance? Gängige Rentabilitätsbetrachtungen im Kapitalmarktgeschäft orientieren sich an der Verzinsung des eingesetzten ökonomischen, regulatorischen oder bilanziellen Kapitals. Insbesondere der Vergleich mit dem ökonomischen Kapital ermöglicht auch sinnvolle Aussagen zur Risiko-Rendite-Struktur des Kapitalmarktgeschäfts. In der Regel wird hierbei der Ein- vom Mehrperiodenfall unterschieden. Während im Einperiodenfall operative Erträge und Bewertungsergebnisse der aktuellen Rechnungslegungsperiode berücksichtigt werden, stellt der Mehrperiodenfall auf eine barwertige Sicht ab. Auch wenn man im Interbankenvergleich häufig die Verzinsung des ökonomischen Kapitals betrachtet, ist die Aussagekraft aufgrund unterschiedlicher Ermittlungsmethoden oftmals stark eingeschränkt, sodass divergierende Ergebnisse keinen unmittelbaren Rückschluss auf Positionierungsvor- und -nachteile zulassen. Darüber hinaus deckt dieser Wert in der Regel eher die Eigenhandelsaktivitäten und weniger die Sales-Brokerage-Aktivitäten einer Kapitalmarktbank ab. Aus diesem Grund werden üblicherweise wesentlich einfacher zu ermittelnde Maße für den Interbankenvergleich verwendet. Besonders gängige Kennzahlen sind die Bruttoertragsgenerierung oder die Vollkosten je produktiver Vollzeitkraft. Diese Maße sind als Beobachtungspunkte von zentraler Bedeutung bei der Analyse von Prozessproduktivitäten (und bei Make-or-Buy-Entscheidungen), die im vorliegenden Beitrag schwerpunktmäßig behandelt werden. Insbesondere die großen angelsächsischen Investmentbanken nutzen diese Beobachtungspunkte zur kontinuierlichen Prozesssteuerung und -optimierung. Um dieses Ziel zu erreichen, sind zunächst die relevanten Prozesse zu definieren und abzugrenzen. Als Abgrenzungskriterium kommen üblicherweise Produkte oder Produktfamilien in Frage. Dabei existiert für jedes Produkt ein eigenes Prozessmodell. Die Grundstruktur der verschiedenen Prozessmodelle ist hingegen identisch. Zudem ist die Abfolge und Logik der Prozessmodelle lebenszyklusorientiert. Auswertungsmöglichkeiten können so üblicherweise auf verschiedenen Detaillierungsebenen, zum Beispiel je Geschäftsprozess, Kernaktivität oder Aktivität angestellt werden. Der Begriff der „produktiven Vollzeitkräfte (VZK)“ umfasst im Kontext des Kapitalmarktgeschäftes in der Regel Händler, Salesmitarbeiter und Produktspezialisten. Gängige Bruttoertragserwartungen je produktiver Vollzeitkraft liegen im Aktiengeschäft bei 1,5 Million Euro und im Fixed-Income-Bereich bei 2,0 Millionen Euro. Im Vergleich dazu liegen die Vollkosten je produktiver Vollzeitkraft im Durchschnitt bei 0,7 Millionen Euro im Aktiengeschäft und 0,6 Millionen Euro im Fixed-Income-Bereich (siehe Abbildung 1).
Operative Exzellenz im Kapitalmarktgeschäft
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Abbildung 1: Bruttoerträge und Vollkosten je produktiver Vollzeitkraft Quelle: Eigene Analysen, D&C Welche weiteren Metriken sind für eine Standortbestimmung des Kapitalmarktgeschäfts von Bedeutung? Stark vereinfacht lässt sich die Mechanik des Kapitalmarktgeschäfts über die Indikatoren Kosten, Bruttoerträge, gebundene Vollzeitkräfte und Transaktionsvolumina näherungsweise abbilden. Ein Analyseschema, das sich auch für einen Benchmarking-Vergleich eignet, kann dann beispielsweise sehr einfach strukturiert werden: direkte Kosten per VZK indirekte Kosten per VZK Bruttoerträge je VZK Anzahl Tickets per VZK direkte Kosten per Ticket indirekte Kosten per Ticket Bruttoerträge je Ticket Profit before taxes (pbt) in bp der Bruttoerträge Weil über diese Kennzahlen eine Gewinn- und Verlust-Rechnungssicht (Gesamterträge sowie Vollkosten) mit einer Sicht auf die Mengengerüste (Vollzeitkräfte und Anzahl Tickets) kombiniert wird, sind konkrete Beobachtungen zu Rentabilitäten und Produktivitäten möglich. Zur besseren Vergleichbarkeit der so gewonnenen Beobachtungen sollte das Analysebild weiter differenziert werden. Im Markt hat sich eine Unterscheidung von Größenunterschieden zwischen Banken als sehr sinnvoll erwiesen. Eine gängige Unterscheidung trennt „globale
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Ulrich Bongartz
Kapitalmarktbanken“ mit einer Frontoffice-Mitarbeiterzahl von über 1.000 Mitarbeitern im Handelsgeschäft und Gesamtkosten im Kapitalmarktgeschäft von über 800 Millionen Euro sowie einer Präsenz auf mindestens drei Kontinenten von „regionalen Kapitalmarktbanken“ (Frontoffice-Mitarbeiter zwischen 200 und 1.000, Gesamtkosten zwischen 150 und 800 Millionen Euro und einer Präsenz auf ein bis zwei Kontinenten) und „lokalen Kapitalmarktbanken“ (Frontoffice-Mitarbeiter unter 200, Gesamtkosten unter 150 Millionen Euro und einer Präsenz auf einem Kontinent).
4.
Operative Herausforderungen im Benchmarkvergleich
Betrachtet man die aktuelle Situation im Kapitalmarktgeschäft vieler Banken vor dem Hintergrund des eingeführten Analyseschemas, so sieht sich die typische Kapitalmarktbank mehreren operativen Herausforderungen gegenüber: Supportkosten: hoher Supportkostenanteil bei gleichzeitig wettbewerbsfähigen direkten Kosten im Frontoffice. Ticketvolumina: niedrige Ticket-Produktivität aufgrund relativ unterkritischer Transaktionsvolumina. Ticketkosten: hoher Supportkostenanteil und niedrige Ticket-Produktivität resultieren in überdurchschnittlich hohen Ticketkosten. Ticketbruttomarge: Bruttoerträge pro Ticket entscheiden über Positionierung in der Gruppe der schlechtesten Banken oder im Mittelfeld. Organisationsform: Business Alignment als Möglichkeit zur Anpassung des Effizienzniveaus. Jede dieser Herausforderungen hat Einfluss auf anstehende Make-or-Buy-Entscheidungen. Welche Detailbeobachtungen verbergen sich jedoch hinter diesen operativen Herausforderungen?
Supportkosten Unter Supportkosten werden üblicherweise sowohl direkte als auch indirekte Kosten zusammengefasst, die unterstützende Leistungen für das Kapitalmarktgeschäft erbringen. Das inhaltliche Spektrum reicht hierbei von IT, Immobilien, Backoffice-Funktionen wie Abwicklung, Verwaltung, Verwahrung bis zu Corporate-Center-Funktionen wie Personal, Revision,
Operative Exzellenz im Kapitalmarktgeschäft
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Compliance, Rechtsabteilung. Abbildung 2 veranschaulicht beispielhaft das Verhältnis von Supportkosten zu Gesamtkosten für zwei Bankengruppen. Auffallend ist, dass die Banken der Gruppe 1 deutlich höhere Supportkosten pro VZK aufweisen als die Banken der Gruppe 2. Es zeigt sich aber auch schon aus der rein quantitativen Verteilung, dass die Organisationsform der Unterstützungsfunktionen eine Rolle spielt. Die Unterstützungsfunktionen der ersten Bankengruppe sind im Vergleich zur zweiten Bankengruppe deutlich kostenintensiver. Die Ursachen lassen sich im nächsten Schritt relativ einfach aufdecken. Üblicherweise nutzt man hierzu die bereits oben erwähnten Filterkriterien wie Größenklasse, Geschäftsfelder und Produktausrichtung. Bleibt die beobachtete Effizienzlücke auch nach Anwendung der Filter bestehen, wird damit der Handlungsbedarf bestätigt.
Abbildung 2: Supportkosten im Gesamtkostenkontext Quelle: Eigene Analysen, PR
Ticketvolumina Für eine weitergehende Ursachenforschung sollten auch die Ticketvolumina in die Analyse einbezogen werden. Ticketvolumina sind interessant, weil sich der Markt deutlich in einige wenige Häuser mit großen Ticketvolumina und viele Häuser mit mittleren bzw. geringen Ticketzahlen teilt. Abbildung 3 veranschaulicht diese Situation. Die Anzahl der Banken mit externen Tickets in der Größenordnung über zehn Millionen Tickets pro Jahr ist deutlich geringer als die Anzahl der Banken mit weniger als zwei Millionen Tickets pro Jahr. Wie nicht anders zu erwarten zeigt sich hier eine deutliche Skalenkurve. Die durchschnittlichen Ticketkosten sinken dabei signifikant mit steigender Anzahl von Tickets pro Jahr. Während das Gros der hier abgebildeten Banken mit durchschnittlichen Ticketkosten von circa 200 bis 300 Euro operiert, liegen die Ticketkosten der großen Banken deutlich unter 100 Euro.
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Abbildung 3: Ticketvolumina und Ticketkosten Quelle: Eigene Analysen, PR, zyen, D&C
Ticketkosten Wie setzen sich die Ticketkosten strukturell zusammen? Die wesentlichen Treiber der Ticketkosten auf Vollkostenbasis liegen auf der Hand: Laufende Personalkosten, IT-Aufwand und Bonus erklären bereits etwa 60 Prozent der Ticketkosten, Operations, Risikomanagement und Research erklären weitere 22 Prozent.
Abbildung 4: Ticketkosten nach Kostenarten (in Prozent) Quelle: Eigene Analysen, PR, zyen, D&C
Operative Exzellenz im Kapitalmarktgeschäft
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Ticketbruttomarge Wirklich sinnvolle Analyseergebnisse und Aussagen zu den Kosten- bzw. Ertragsstrukturen lassen sich erst bei Berücksichtigung von Bruttomargen ableiten. Aussagen zur Bruttomarge sind jedoch tendenziell noch schwerer zu tätigen als Aussagen zu Support- und Ticketkosten. Wie bei den Support- und Ticketkosten spielen auch bei der Bruttomarge Geschäftsfeld, Geschäftsart, Produktart usw. eine bedeutende Rolle. Abbildung 5 zeigt, wiederum stark vereinfachend, Ticketbruttomarge und Ticketvolumen. Die hier dargestellten Bruttomargen sind aggregiert über alle Produktgruppen ermittelt worden und sind insofern als reine Durchschnittsgrößen zu verstehen. Es scheint vieles dafür zu sprechen, dass im Kapitalmarktgeschäft lukrative Nischen auch für kleinere Banken existieren, denn Banken mit kleinem wie mit großem Ticketvolumen erreichen hohe Bruttomargen pro Ticket. In der Darstellung ist sogar zu erkennen, dass die großen Häuser niedrigere durchschnittliche Bruttoerträge pro Ticket haben. Dies lässt sich möglicherweise durch den höheren Anteil von standardisierten Produkten mit niedrigen Margen erklären.
Abbildung 5: Ertrag/Ticket versus Ticketvolumen Quelle: Eigene Analysen, PR, D&C
Organisationsform Der Grad des Business Alignment wird von vielen Banken als Möglichkeit genutzt, das Effizienzniveau weiter zu optimieren. Hinter diesem Begriff verbirgt sich auch, jedoch nicht nur, die traditionelle Frage nach dem optimalen Zusammenspiel von Zentralität und Dezentralität. Eine Möglichkeit zum Vergleich dieser Aufstellung ist die Berechnung der „Business
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Ulrich Bongartz
Alignment Ratio“. Hierfür werden die direkten Kosten der divisionalen Supportfunktionen im Frontoffice-Bereich mit der Summe aus direkten Kosten der divisionalen Supportfunktionen im Frontoffice-Bereich und indirekten Kosten zentraler Supportbereiche und Funktionen verglichen (siehe Abbildung 6).
Abbildung 6: Business Alignment Ratio versus Gesamtkosten je VZK Quelle: Eigene Analysen, PR, D&C Wie begegnet eine typische Kapitalmarktbank den bislang geschilderten Herausforderungen und den dahinterliegenden Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen? Der folgende Abschnitt betrachtet mögliche Ansatzpunkte zur Optimierung des Kapitalmarktgeschäftes.
5.
Ansatzpunkte zur Optimierung
Optimierungsmaßnahmen im Kapitalmarktbereich stellen üblicherweise auf die Verbesserung von Effizienz und Effektivität des Kapitalmarktgeschäftes ab. Im Einzelnen berührt dies die Handlungsebenen Strategie, Prozesse, Strukturen und IT-Systeme. Viele Banken vertrauen dabei auf einen bunten Strauß von Einzelmaßnahmen und Ansatzpunkten, beispielsweise:
Operative Exzellenz im Kapitalmarktgeschäft
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Strategie: Anpassung und Kalibrierung des Portfolio- und Produktmix und damit Reduzierung der Produkt- und Dienstleistungsvielfalt und konsequenter Leistungsverzicht. Prozesse: Prozessoptimierung/Verbesserung der Ablauforganisation unter Berücksichtigung notwendiger Kontrollfunktionen und Qualitätssicherungsfunktionen im Kapitalmarktprozess. In dieser Optimierungskategorie finden sich üblicherweise die Elimierung von funktionalen Überlappungen zwischen Frontoffice-, Middleoffice und Backoffice-Bereichen, die generelle Verkürzung von Durchlaufzeiten sowie die Reduzierung der organisatorischen Komplexität durch Optimierung von Führungsspannen und Bildung von Kompetenzzentren und Einsatzpools. Daneben wird hierunter auch die Reduzierung von Fails und Breaks an den Schnittstellen zu dritten Dienstleistern zusammengefasst. Strukturen I: Synchronisierung der vorgenommenen Prozessverbesserungen mit entsprechenden Anpassungen der Aufbauorganisation, Ausnutzung von Faktorpreisdifferenzen durch regionale Verlagerung der Arbeitsschwerpunkte bzw. Anpassung der Sourcing-Strategie (Effizienzgewinne durch Veränderung des Outsourcing-Grades). Strukturen II: Verbesserung der Abbildungseffizienz durch kontinuierliche Effizienzanalyse von Portfolien und Bücher als Komplexitätstreiber im Kapitalmarktgeschäft. Ableitung eindeutiger Eröffnungs- und Schließungsregeln für Portfolien und Bücher. Entkopplung von Informationen zum Grundgeschäft von Büchern und Portfolien, Abschaffung der Nutzung von Büchern und Portfolien als Sortier-Analyse-Kriterium. Systeme: Automatisierung und IT-Konsolidierung: Reduzierung manueller Tätigkeiten, Beseitigung von Medienbrüchen und funktionalen Redundanzen. Leitlinie ist die Erhöhung der End-toEnd STP-Fähigkeit in der Geschäftsabwicklung, die redundanzfreie Datenerfassung und die automatisierte Verifizierung von Dateneingaben im Front- und Middle Office sowie die systemtechnische Unterstützung von Bestands- und Pricing-Abstimmungen durch Matching-Tools. Weitere Ansatzpunkte sind die Automatisierung der Schnittstellen mit externen Stellen (Marktdaten oder auch Depotstellenabstimmung). Typische Beispiele sind der automatisierte Versand und Empfang von Lieferinstruktionen oder der Versand automatisierter Kontrahentenbestätigungen aus dem Lieferauftrag für Non-Trades. Wesentliche Voraussetzung für die Optimierung der Prozesse ist eine entsprechende Transparenz bei der strategischen Ausgangssituation sowie bei den Input- und Outputfaktoren des Kapitalmarktprozesses. Dies erfordert als Grundlage einheitliche Definitionen für die relevanten Produkte und Dienstleistungen, ein klar definiertes Prozessmodell sowie klare Definitionen der zu verwendenden Kosten- und Produktivitätskennzahlen sowie ihrer Herkunft und Ermittlungsmethoden.
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Ulrich Bongartz
Die strategische Ausgangssituation wird regelmäßig über Aussagen zu den Märkten, Produkten, Kunden, Verantwortlichkeiten und Abhängigkeiten manifestiert. Dies wird ergänzt um wesentliche Steuerungsinformationen, die komprimiert zusammengestellt werden können. Vollkosten: Kombination von direkten und indirekten Kosten Indirekte Kosten: nach Kostenarten und Kostenstellen VZK-Verteilung: VZK-Bindung nach Produktgruppen und Kernprozessen Kernprozessmetriken: GuV und Mengengerüste nach Kernprozessen Auslastungsgrad VZK: Plan versus Ist Produktivitätskennzahlen: Domestic Trades/VZK, Non Domestic Trades/VZK, Corporate Actions Overall/VZK etc. Qualitätszahlen: Anzahl Fails, Breaks, Reversals in Prozent der Gesamttransaktionen Stückkosten: Was kostet ein Produkt? Was kostet ein Prozess? Was kostet eine Produktvariante? Was kostet ein Kunde? Struktureffizienz: Verhältnis der Anzahl von Business Units zu Limit Positions zu Portfolien/Limit Units zu Kostenstellen zu Büchern zu Einzelgeschäften Diese Informationen lassen sich im Sinne eines ganzheitlichen Prozessmodells verdichten. Das Kapazitätsmanagement erfolgt in der Regel in zwei Schritten: Im ersten Schritt werden im Rahmen der Ressourcenplanung die Auslastungsgrade für jede Kostenstelle geplant. Dies erfolgt unter Hinzuziehung der Standardbearbeitungszeiten für die identifizierten Produkte. Im zweiten Schritt werden im Sinne einer Ressourcensteuerung die Ist-Auslastungsgrade jeder Kostenstelle mit den Planwerten abgeglichen. Auf diese Weise können Auswertungen zur Kapazitätsauslastung auch für Zeitreihenvergleiche herangezogen werden. Der Nutzen der grob skizzierten Optimierungsmaßnahmen ist sehr stark geprägt durch die jeweiligen spezifischen Umstände des Einzelfalls. Ein Blick auf die durchschnittlichen Effizienzunterschiede unterstreicht jedoch, wie bedeutsam die Optimierungsmaßnahmen für eine durchschnittliche Kapitalmarktbank sein können. So betragen im Mittel die Ticketkosten der besten zehn Banken nur 20 bis 25 Prozent der Ticketkosten einer durchschnittlichen Kapitalmarktbank. Die Praxiserfahrung zeigt, dass solche drastischen Effizienzlücken sich durch hausinterne Optimierungsmaßnahmen nur verringern, aber niemals vollständig schließen lassen. Deshalb stellt sich insbesondere dann die Frage nach der Auslagerbarkeit der betroffenen Funktionen. Bei gleichen Faktorpreisentwicklungen, Volumina und Wachstumsszenarien wird sich die Outsourcing-Option aus Sicht einer durchschnittlichen Kapitalmarktbank immer rechnen.
Operative Exzellenz im Kapitalmarktgeschäft
6.
49
Zusammenfassung
Das vorgestellte Analyseschema und einige der Beobachtungen mögen technokratisch wirken. Konzeptionell sollte das Analyseschema als Heuristik verstanden werden, aus der sich Beobachtungen ableiten lassen. Der sehr einfache Aufbau der Kennzahlensystematik und die Kombination von GuV-Zahlen mit Mengengerüsten erlaubt eine simple, nachvollziehbare Beobachtung der operativen Performance im Kapitalmarktgeschäft und die Unterstützung von Make-or-Buy-Entscheidungen. Damit bieten sich Möglichkeiten für ein internes aber auch für ein externes Benchmarking der operativen Exzellenz. Die Ableitung von Handlungsempfehlungen bzw. Aktionen aus diesen Beobachtungen ist hingegen stark abhängig von der Einschätzung einer Situation durch die jeweils verantwortlichen Manager. Der Zeitpunkt bzw. die Toleranzschwelle, bei deren Überschreiten Maßnahmen eingeleitet werden, mag dabei von Haus zu Haus stark variieren. Das Maßnahmenbündel wird jedoch aller Voraussicht nach das beschriebene Spektrum Strategie, Prozesse, Struktur und Systeme umfassen.
Der Zahlungsverkehr der Postbank …
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Der Zahlungsverkehr der Postbank als Beispiel für die Industrialisierung im Finanzdienstleistungssektor Mario Daberkow / Inga Radtke
1. Die Herausforderungen für Banken 2. Die Postbank und ihre Positionierung im Backoffice 2.1 Überlegungen zur Industrialisierung im Bankensektor 2.2 Konzentration auf Kernkompetenzen 2.3 Gründe für Outsourcing im Zahlungsverkehr 2.4 Gründung des Betriebs-Centers für Banken (BCB) 2.5 Angebotene Zahlungsverkehrsprodukte 3. Aufbau einer Bankfabrik im Zahlungsverkehr 3.1 Industrielle Methoden zur Beherrschung von Skaleneffekten und Komplexitätskosten 3.1.1 Standortkonsolidierung 3.1.2 Prozesssteuerung und –überwachung 3.1.3 Operationelles Risikomanagement 3.1.4 Absicherung der Produktionskapazitäten 3.2 Die Integration eines Mandanten 3.2.1 Phase 1: Organisation und Prozessbereinigung 3.2.2 Phase 2: personalintensive Prozesse 3.2.3 Phase 3: IT-intensive Prozesse 4. Zusammenfassung Literaturverzeichnis
52
1.
Mario Daberkow / Inga Radtke
Die Herausforderungen für Banken
Der Bankensektor hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt und wird weiterhin starken Veränderungen unterworfen sein. Sie sind teilweise bedingt, zumindest aber angeregt durch die Veränderungen der äußeren Rahmenbedingungen wie BASEL II, SEPA (Single Euro Payments Area) und andere regulatorische Anforderungen, aber auch getrieben durch interne Überlegungen zu den Fragen: Wie kann die eigene Marktstellung ausgebaut werden und welches Potenzial ist vorhanden? Insbesondere die deutschen Banken stehen vor den Herausforderungen steigender IT-Kosten, zunehmender Personalkosten bei gleichzeitig zurückgehender Belegverarbeitung und einem anhaltenden Preis- und Margendruck, auch bedingt durch den inzwischen internationalen Wettbewerb. Die Banken müssen daher an vier Fronten reagieren: 1. Zunehmende Marktkonsolidierung und weitergehende Spezialisierung erhöht den Kostendruck. 2. Produktanforderungen steigen: vertriebswegeübergreifende Massenabwicklung und „Quasi“-kundenindividuelle Produkte.
Lösungen,
Real-Time-
3. Servicebewusstere Kunden: sinkende Loyalität bei gleichzeitig steigenden Qualitätsanforderungen. 4. Regulatorische Anforderungen sind zu erfüllen, unter anderem Basel II, EUHarmonisierung, SEPA, MIFID (Markets in Financial Investments Directive). Einigkeit besteht über die Notwendigkeit von Bankdiensten und des Strukturwandels in Banken. Hierdurch eröffnen sich gleichzeitig Chancen für Spezialisten. Die notwendige Neuausrichtung der Geschäftsprozesse in der Finanzdienstleistungsbranche ist die große Herausforderung. Die Reduzierung der Wertschöpfungstiefe, die Generierung von Abwicklungs- und Kostenvorteilen durch Konzentration und Aufgliederung der Abwicklungsprozesse und die schnellere und bessere Anpassung an den technologischen und strategischen Wandel sind notwendig. Dies kann jeder Finanzdienstleister für sich betrachtet nur bedingt allein tun: Wirkliche Kostenvorteile werden allerdings nur durch die Zusammenlegung von Volumina und der damit einhergehenden Realisierung von Skaleneffekten erreicht. Die hohen Redundanzen von Produkten, Prozessen, IT-Infrastruktur und IT-Anwendungen implizieren weitere hohe Synergiepotenziale durch Outsourcing. Zudem erfordert der Eintritt in neue Märkte hohe Investitionskosten. Der Fokus liegt bei den Retailbanken daher derzeit auf einer zunehmenden Industrialisierung, die effiziente Vertriebswege und eine schlanke Produktion ermöglicht.1
1
Siehe hierzu auch Berensmann (2005).
Der Zahlungsverkehr der Postbank …
53
Am Beispiel der Postbank wird aufgezeigt, wie sich die Abwicklung von Finanzdienstleistungen industrialisieren lässt und welche Überlegungen dem von der Postbank gewählten Vorgehen zugrunde liegen.
2.
Die Postbank und ihre Positionierung im Backoffice
2.1
Überlegungen zur Industrialisierung im Bankensektor2
Bei der Industrialisierung im Bankensektor lassen sich drei wesentliche Entwicklungsstufen unterscheiden, die auch in anderen Industrien zu finden sind: 1. Automation durch den Einsatz von Maschinen: Substitution von Arbeitskräften und Etablierung von Prozessen. 2. Standardisierung und Elimination von Komplexitätskosten, sodass Prozesse möglichst produktunabhängig gemacht werden und die einzelnen Komponenten wieder verwendet werden können. Die Abwicklung erfolgt „white-labeled“ und kann so jeder Bank als Dienstleistung angeboten werden. 3. Skaleneffekte, unter anderem durch einmalige IT-Entwicklungskosten oder den Ausgleich von Leistungsspitzen. Im Bereich der Automatisierung sind Banken weit vorangeschritten und haben durch den frühen Einsatz von IT einen äußerst hohen Automatisierungsgrad erreicht. Im Vergleich zu anderen Industrien ist die Wertschöpfungstiefe mit circa 75 Prozent hingegen extrem hoch. Die beiden folgenden Ansätze sind in der Disaggregation der Wertschöpfungskette einer Bank bisher noch weitgehend ungenutzt – die Standardisierung von Prozessen und die Nutzung von Skaleneffekten. Beide Ansatzpunkte sind in anderen, stärker produktionsorientierten Industrien wesentliche Parameter. Genau in der bislang geringen Nutzung dieser beiden Ansatzpunkte liegt die Herausforderung, aber auch die Chance für die Industrialisierung der Banken. Auf der Suche nach wirtschaftlichen Strukturen und den Möglichkeiten zur Industrialisierung müssen die Aufgaben einer Bank zunächst klar differenziert werden. In einem ersten Schritt lassen sich Banken grob in drei Aufgabenbereiche unterteilen, die jeweils verschiedene Kernkompetenzen verlangen: 2
Die folgenden Überlegungen werden unter anderem auch in Daberkow (2007) behandelt.
54
Mario Daberkow / Inga Radtke
1. Die Produktbank oder der Wille zur Steuerung Hier lassen sich die wesentlichen Kernfunktionen einer Bank zusammenfassen: Produktentwicklung, Marketing und Steuerung (inkl. Rechnungswesen, Treasury etc.). Diese Kernaufgabe wird letztlich um die beiden Aufgaben Vertrieb und Abwicklung ergänzt. 2. Die Vertriebsbank oder die Suche nach Erträgen und Kunden Dieser Teil der Bank beschäftigt sich ausschließlich mit dem Vertrieb der Produkte und dem direkten Kundenkontakt. Es werden keine Abwicklungsaufgaben wahrgenommen. 3. Die Abwicklungsbank oder die Kontrolle der Kosten und Qualität Hier sind alle Aufgaben und Produktionsgüter zusammengefasst, die zur Abwicklung einer Bank notwendig sind. Entsprechend werden hier die Aufgaben der IT und der operativen Abwicklung (Operations) zusammengefasst. Im Folgenden wird der Bereich der Abwicklung intensiver behandelt. Das Leistungsspektrum der Abwicklung einer Bank ist im Wesentlichen kaum unterscheidbar von Wettbewerbern und kann sich langfristig auch nicht durch Kosten oder Qualität von Wettbewerbern differenzieren. Daher muss die Abwicklung einer einzelnen Bank die Unterstützung von Zulieferern suchen und sich auf die Integration von Leistungen konzentrieren.
2.2
Konzentration auf Kernkompetenzen
Die Postbank verfolgt seit 1999 die Industrialisierung ihres Geschäftsmodells mit dem Ziel, Kostensenkungen durch Skaleneffekte zu realisieren. Zum einen ersetzt sie ihre Systemlandschaft konsequent durch Standardsoftware, zum anderen konzentriert, optimiert und standardisiert sie ihre Geschäftsprozesse soweit wie möglich. Beide Maßnahmen führen zu Stückkostendegressionen und zu einer industriellen Fertigung von Bankdienstleistungen. So wurden in der Zeit von 1999 bis 2004 die Voraussetzungen geschaffen, um das Geschäftsfeld Transaction Banking aufzubauen. Dabei lassen sich drei wesentliche Bereiche in den Backoffice-Tätigkeiten unterscheiden, die aufgrund ihrer spezifischen Ausrichtung aber nur bedingt übergreifende Synergien bieten: 1. Abwicklungsvorgänge rund um das Konto Die Abwicklung von Konto- und Zahlungsverkehrsservices erfordert ein schnelles und zuverlässiges Kapazitätsmanagement, um die hohen Volumina in der Regel taggleich abwickeln zu können. Für die Leistungen in Bezug auf Bankprodukte wie Girokonten und Sparkonten war 2002 ein entsprechendes Angebot im Markt nur in Ansätzen vorhanden. Ausgehend von ihrer Erfahrung, allein für sich oft mehr als zehn Millionen Zahlungsver-
Der Zahlungsverkehr der Postbank …
55
kehrstransaktionen täglich abzuwickeln, wurde in der Postbank die Entscheidung getroffen, im Bereich des Zahlungsverkehrs die Prozesskette der Abwicklung offensiv am Markt auch anderen Banken anzubieten. 2. Abwicklungsvorgänge rund um den Kredit In der Kreditabwicklung sind einerseits die zeitlichen Anforderungen besonders hoch. Andererseits zeichnet sich das Kreditgeschäft trotz aller Automatisierung und entsprechender Unterstützung der Mitarbeiter im Entscheidungsprozess durch eine hohe Abhängigkeit von der Erfahrung der Mitarbeiter aus. Optimale Ausbildung und laufende Weiterbildung der Mitarbeiter sind hier die Herausforderungen. 3. Abwicklungsvorgänge rund um das Wertpapier Für die Abwicklung von Wertpapiergeschäften und Depotführungen hat sich in Deutschland ein transparenter Markt gebildet, dessen Konsolidierung bereits eingesetzt hat. Da die Postbank auf diesem Markt einen nur verhältnismäßig kleinen Spieler darstellt, hat sie die entsprechenden Aktivitäten schon früh an einen externen Partner abgegeben. Ausgehend von der Erfahrung in der Abwicklung des eigenen Zahlungsverkehrs und von den oben beschriebenen Herausforderungen einer notwendigen Differenzierung gegenüber Dritten wurde entschieden, sich zunächst auf die Abwicklungsvorgänge rund um das Konto und hier vor allem auf den Zahlungsverkehr zu konzentrieren.
2.3
Gründe für Outsourcing im Zahlungsverkehr
In Deutschland werden jährlich rund 32 Milliarden Transaktionen (15,8 Milliarden Lastbuchungen nach Bundesbank-Statistik)3 im bargeldlosen Zahlungsverkehr abgewickelt. Dabei durchläuft jede Zahlungsverkehrstransaktion verschiedene Prozessschritte, entsprechend lässt sich die Wertschöpfungskette im Zahlungsverkehr in die nachfolgend dargestellten Stufen untergliedern. Die verschiedenen Insourcing-Anbieter (Banken und Nicht-Banken) bieten dabei ihre Dienstleistungen in den Bereichen IT und Operations in unterschiedlicher Wertschöpfungstiefe an. Betrachtet man die Kosten der verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette, so fällt auf, dass insbesondere die Stufen der Auftragsannahme und der Nachbearbeitung sehr kostenintensiv sind und ein entsprechendes Outsourcingpotenzial bieten.
3
Deutsche Bundesbank (2006).
56
Mario Daberkow / Inga Radtke
Insourcer
Auftrags Proannahme cessing
9
Privatbanken
Anteil Ausgaben an Gesamtausgaben in Prozent
45%
9
3%
Disposition
Clearing Buchung
Archivierung
Nachforschung
Umfang Angebot 90% -100%
9
9
9
9
9
7%
10%
5%
5%
25%
9 Leistung wird angeboten
Abbildung 1:
Wertschöpfungskette im Zahlungsverkehr und Leistungsangebot des Betriebs-Centers für Banken (BCB)
Der Zahlungsverkehr bindet einen großen Kostenblock in einem Bereich, der zwar zum Kernangebot einer Bank gehört, der aber auch aufgrund seiner hohen Standardisierung nur geringes Differenzierungspotenzial bietet. Außerdem ist er in den meisten Instituten technisch und organisatorisch weitgehend separiert, was eine Auslagerung an Dritte verhältnismäßig einfach ermöglicht. Zusätzlich können durch Outsourcing eine hohe Verarbeitungsqualität im Zahlungsverkehr (ZV) gesichert und das Risiko von Großprojekten gemindert werden. Die Anpassung an neue regulatorische Anforderungen, insbesondere durch Einführung von SEPA oder Änderungen in der Zahlungsverkehrslandschaft, bedürfen jeweils hoher Investitionen zur Anpassung der Zahlungsverkehrssysteme. Diese sind mit einem operativen Risiko verbunden, das durch Outsourcing zumindest teilweise an den ZV-Dienstleister (sogenannte Insourcer) abgegeben werden kann. Die Vorteile für beide Seiten ergeben sich aus den Synergien im Bereich des Personaleinsatzes, der Prozesssteuerung und der notwendigen IT-Investitionen. Dabei ergeben sich für den Endkunden in der Beziehung zu seiner Bank keine Veränderungen, sie bleibt weiterhin sein ausschließlicher Bezugspunkt.
Der Zahlungsverkehr der Postbank …
Kernprodukte Operations mit über 80% Kostenabdeckung sind Commodities im Retail - Markt
11
57
22
Banken wollen signifikante Kostenpositionen outsourcen
Anteil der Services am Operations-Budget (Marktdurchschnitt) in Prozent
Wachstum Hoch Mittel Niedrig
50
30
Kontoführung (Giro, Spar)
20
Kreditabwicklung (Privatkredit, Baufinanzierung) WP-Abwicklung (Depotführung, Transaktionen)
Operations
Hoch Wertschöpfung
40
ZV-Abwicklung (IZV, AZV)
Dieses Outsourcing ist machbar und bietet eine Wertschöpfung für alle Beteiligten
• Kontoführung • ZahlungsverkehrAbwicklung • WP-Abwicklung
10
ZVAbwicklung
Grad der Automation Faktorkosten Personal Verfügbare Funktionalität
Kontoführung
KreditAbwicklung (2008/2009)
WP-Abwicklung
• Kredit-Abwicklung Niedrig
• Druck und Versand
0 0
20
40
60
80
100
Bereitschaft Banken zum Outsourcing des Services in Prozent
KreditAbwicklung
Niedrig IT-Plattform Machbarkeit zu entwickeln/imple Angebote im Markt mentieren
Hoch
Vorhandene Industriestandards Grad der Systemabhängigkeit zu Bank-IT-Anwendungen Machbarkeit Personalverlagerungen
Abbildung 2: Das Wertschöpfungspotenzial für Outsourcing Quelle: Survey (CIO/COO interviews), IDC, Gartner, Benchmarks, McKinsey Bewertet man die Attraktivität potenzieller Insourcing-Kunden, so treten insbesondere Großbanken und große Marktteilnehmer der Verbünde hervor, die mit ihren hohen Transaktionsvolumina für einen ZV-Dienstleister interessant sind.
2.4
Gründung des Betriebs-Centers für Banken (BCB)
Um die notwendigen Skaleneffekte zu erreichen und gleichzeitig die Abwicklung des Zahlungsverkehrs anderen Banken „white-labeled“ anbieten zu können sowie die gegenüber Mandanten notwendige Vertraulichkeit zu wahren, wurde die Betriebs-Center für Banken AG (BCB) gegründet. Mit der BCB existiert in Deutschland praktisch der einzige Komplettanbieter rund um den Zahlungsverkehr. Beginnend bei der Vorverarbeitung, über das Clearing für den elektronischen und beleggebundenen in- und ausländischen Zahlungsverkehr bis hin zu den nachgelagerten Aufgaben, wie zum Beispiel Nachforschung, bietet die BCB die komplette Prozesskette im Zahlungsverkehr an. Damit wird dem Mandanten die Möglichkeit geboten, sich aus diesem Geschäftsprozess zurückzuziehen und sich auf die eigenen Kernkompetenzen zu konzentrieren.
58
Mario Daberkow / Inga Radtke
Zu den Mandanten4 gehören derzeit die Deutsche Bank, die Dresdner Bank und die HypoVereinsbank. Im Bereich der Abwicklung des inländischen Zahlungsverkehrs kann die BCB inklusive der Postbank damit über 20 Prozent des deutschen Abwicklungsmarktes auf sich vereinen. Mit diesem Ansatz ist die BCB ein sehr gutes Beispiel, wie die Wertschöpfungskette einer Bank in standardisier- und skalierbare Teilleistungen gegliedert werden kann. Die BCB bietet alle Dienstleistungen rund um den Zahlungsverkehr an und differenziert sich damit eindeutig von Wettbewerbern, die sich auf einzelne Bereiche der Wertschöpfungskette beschränken. Die Alternative für outsourcende Banken, die Aufgaben weiter auszudifferenzieren und durch einzelne Dienstleister abwickeln zu lassen, erfordert ein intensives Schnittstellenmanagement zwischen diesen Anbietern und den internen Einheiten.
2.5
Angebotene Zahlungsverkehrsprodukte
Das Produktangebot der BCB im Zahlungsverkehr umfasst mit der Abwicklung von inländischen und grenzüberschreitenden, beleghaften und beleglosen Überweisungen, Lastschriften, Schecks, Wechsel, Retouren etc. das gesamte Spektrum des Zahlungsverkehrs. Zusätzlich werden im Rahmen von Mehrwertdiensten Recherchen, Kontoabstimmungen, Korrekturbuchungen und Archivierung angeboten. Die Produktbetrachtung belegt den ganzheitlichen Ansatz der BCB. Im Zahlungsverkehr reicht dies von der Organisation der Belegtransporte über das Scannen und die Erfassung der Belege, die Korrektur und die Buchung bis hin zur physischen oder elektronischen Archivierung der Aufträge einschließlich der Nachforschung. Darüber hinaus werden aber auch einzelne Prozesse wie Scanning, Datenerfassung oder Archivierung als Dienstleistung angeboten. So deckt die BCB mit ihrer Produktpalette alle Wertschöpfungsstufen im Inlands- und Auslandszahlungsverkehr ab.
4
Je Mandant sind unterschiedliche Leistungsspektren (IZV, AZV, Nachforschung, oder Komplettabwicklung) vereinbart.
Der Zahlungsverkehr der Postbank …
3.
59
Aufbau einer Bankfabrik im Zahlungsverkehr
Das Betriebs-Center für Banken der Postbank kann als eine Bankfabrik im Zahlungsverkehr bezeichnet werden und ist somit ein Beispiel für die Industrialisierung in der Finanzdienstleistungsbranche. Eine Bankfabrik zeichnet sich durch zwei wesentliche Fähigkeiten aus: 1. Beherrschung von Skaleneffekten – also die Fähigkeit, hohe Volumina abzuwickeln 2. Beherrschung von Komplexitätskosten – also die Fähigkeit, diese hohen Volumina auch über einheitliche Prozesse und Systeme zu bedienen Die Fähigkeit zur Abwicklung hoher Volumina hat die Postbank bereits beim eigenen Zahlungsverkehr unter Beweis gestellt und immer weiter perfektioniert. Täglich müssen zwischen 850.000 und 1.200.000 beleghafte Zahlungsaufträge verarbeitet werden. Insgesamt werden pro Jahr rund 7,2 Milliarden Transaktionen für die Postbank und die anderen Mandanten abgewickelt.
3.1
Industrielle Methoden zur Beherrschung von Skaleneffekten und Komplexitätskosten
Die Industrialisierung in der Finanzdienstleistungsbranche erfolgt durch Adaption von Standards und Methoden aus der Fertigungsindustrie. Offensichtlich sind Maßnahmen wie die Konzentration auf wenige Abwicklungsstandorte oder der Einsatz leistungsfähiger DV-Systeme. Durch die Zusammenfassung hoher Volumina werden aber weitere Methoden notwendig, um die Komplexität beherrschbar zu machen und Synergien zu schöpfen. So ist die Einführung einer Prozesskostenrechnung unerlässlich, um die dem Kunden (Mandanten) in entsprechenden Service Level Agreements anzubietenden Produktpreise kalkulieren zu können. Gleichzeitig muss die hier vereinbarte und zu Recht geforderte Qualitätssicherung gewährleistet werden. Dies geschieht durch Einrichtung von Qualitäts- und Risikomanagementprozessen und entsprechenden Reportings, aber auch durch die Zertifizierung von Prozessen nach DIN ISO 9001.
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Mario Daberkow / Inga Radtke
Ausgewählte Instrumente der Industrialisierung Prozessorientierung
Qualitätsorientierung
Kostenorientierung
Wertschöpfungskettenorientierung
Modellierung/ Simulation
Vereinfachung/ Standardisierung/Automatisierung
Process Perform. Management (PPM)
Qualitäts/Beschwerdemanag ement
Total Quality Management (TQM)
ISO Zertifizierung DIN ISO 9000
Fehlermanagement
Reduktion nicht wertschöpfender Tätigkeiten (MUDA)
Kostentreiberanalysen
Prozesskostenrechnung
Konsolidierung
Zentralisierung
Spezialisierung
Kapazitätsmanagement
Service LevelManagement (SLM)
Prozessorientierte Produktkalkulation
Just-in-Time (JIT)
Target Costing
Supply Chain Management (SCM)
Benchmarking
Insourcing, Outsourcing & Kooperation
Process Maturity Model (PMM)
Abbildung 3:
Ausgewählte Instrumente der Industrialisierung
Für die effiziente Abwicklung, Steuerung und Absicherung der Prozesse wurden in der BCB ein Leitstand etabliert, eine kontinuierliche Schadensfallanalyse entwickelt und ein Business Recovery Center aufgebaut. Auf diese Weise konnte schrittweise ein Industrialisierungsgrad erreicht werden, der sich in einer guten Relation von Aufwand und Ertrag niederschlägt.
3.1.1
Standortkonsolidierung
Seit 2004 wurde die Abwicklung des Zahlungsverkehrs und der nachgelagerten Aufgaben an fünf Standorten gebündelt. Hinzu kommen zwei kleinere, auf den Auslandszahlungsverkehr und auf Nachforschungstätigkeiten spezialisierte Standorte. Dadurch konnte die Effizienz in den Prozessen gesteigert werden. Die Verteilung der Standorte deckt die gesamte Fläche der Bundesrepublik ab und dient der logistischen Optimierung. Ziel ist es, bei der Gewinnung weiterer Mandanten deren Zahlungsverkehrsaktivitäten ohne Aufstockung der Standortzahl übernehmen zu können.
Der Zahlungsverkehr der Postbank …
61
Hamburg
Berlin
Dortmund Leipzig
Frankfurt Saarbrücken
München
= Abwicklungszentren = spezialisierter Standort
Abbildung 4:
3.1.2
Die BCB-Standorte
Prozesssteuerung und -überwachung
Zu den adaptierten Verfahren aus der Fertigungsindustrie gehört auch der Aufbau eines zentralen Leitstandes. Der Leitstand überwacht und koordiniert alle Abwicklungsprozesse des Zahlungsverkehrs von Anfang bis Ende und unterhält Verbindungslinien zu allen sensiblen Punkten der Abwicklung: In der Tourenlogistik müssen täglich mehr als 100 Touren aus dem gesamten Bundesgebiet koordiniert werden. Ankunftszeiten bzw. Verspätungen laufen im Leitstand zusammen und sind Einflussfaktoren für die Tagessteuerung. Bei der Aufbereitung und im Scanning werden die eingelesenen Mengen in den Verarbeitungssystemen in Echtzeit verfolgt. In der Nachbearbeitung (Korrektur, Prüfen, Abstimmen) können mit Hilfe von speziellen Softwaretools die abgearbeiteten Mengen überwacht werden. Aufgrund strikt festgelegter Toleranzgrenzen und Risikostufen werden betriebliche Störungen durch den Leitstand überwacht und eskaliert. Je nach betroffenem Betriebsprozess und Standort werden die Entscheidungsträger nach festgelegten Eskalations- und Informationsketten und entsprechend automatisierter Verteilerlisten informiert. Der entscheidende Erfolgsfaktor für eine Bank im Zahlungsverkehr – und somit für die Mandanten der BCB – ist die rechtzeitige Bereitstellung der Buchungsdaten für deren Systeme. Die zeitgerechte Bereitstellung wird im Leitstand überwacht. Somit laufen hier alle wesentlichen Informationen der Produktion des Zahlungsverkehrs zusammen, werden verdichtet, ausgewertet und als Steuerungsimpulse in die Produktion zurückgegeben. Der Leitstand
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Mario Daberkow / Inga Radtke
koordiniert so die Bearbeitung der Verkehrsmengen für mehrere Mandanten und Standorte im Bundesgebiet und löst im Bedarfsfall Eskalationsverfahren aus, um die Produktionsziele und die vereinbarten Service Level Agreements täglich sicherzustellen. Der Leitstand ist damit auch zentrale Anlaufstelle des Managements für aktuelle Produktionsinformationen. Da Sicherheit und Stabilität im Zahlungsverkehr für den Leitstand bestimmende Faktoren sind, muss auch im Falle des Ausfalls eines Leitstandes die Funktionalität sichergestellt werden. Zu diesem Zweck wurden zwei funktionsgleiche Leitstände an verschiedenen Standorten, in München und Frankfurt, aufgebaut. Beide Leitstände sind in der Lage, im Krisenfall das Geschäft des anderen Leitstandes sofort zu übernehmen. Dabei sichern einheitliche Tools, regelmäßige Wechsel der Leitstandsmitarbeiter zwischen den Standorten, temporärer Tausch von Aufgaben und Notfalltests in den Leitständen die Betriebsstabilität. Die Leitstandbüros stellen somit die bestmögliche, flexible und kosteneffiziente Ressourcensteuerung in allen Prozessen der Zahlungsverkehrsabwicklung sicher und sind in ihrer jetzigen Form bislang einzigartig für Finanzdienstleister in Deutschland.
3.1.3
Operationelles Risikomanagement
Aufgrund der potenziell hohen Ausfallrisiken bei der Zahlungsverkehrsabwicklung wird dem Management operationeller Risiken eine hohe Bedeutung beigemessen. Die industrielle Abwicklung von Zahlungsverkehrsdienstleistungen ist durch standardisierte Prozesse, mit denen sehr hohe Stückzahlen abgewickelt werden, gekennzeichnet. Dies bedeutet mit Blick auf die operationellen Risiken, dass insbesondere bei systemischen oder Frequenz-Schäden auch Schadensfälle sehr schnell in hohen Stückzahlen auftreten können. Als Beispiel hierfür kann eine Serie gefälschter Überweisungsaufträge dienen: Die Betrüger werden solange weiter Überweisungen zur Abwicklung in den Prozessablauf einschleusen, wie diese ausgeführt werden. Hieraus lässt sich ableiten, dass die Reaktionsgeschwindigkeit des Anbieters von Zahlungsverkehrsdienstleistungen direkten Einfluss auf die entstehenden Schäden hat. Die Reaktionsgeschwindigkeit hängt von folgenden Determinanten ab: 1. Verfügbarkeit der Schadensdaten Auftretende Schäden und deren materielle Auswirkung müssen auswertbar vorliegen. Hierfür ist es erforderlich, eine zentrale Schadensfalldatenbank vorzuhalten. 2. Granularität der Schadensdaten Die Schadensdaten müssen mit den Status der Geschäftssteuerungsdaten korrespondieren. Es reicht im oben beschriebenen Beispiel nicht aus, Schadenshäufungen bei Überweisungen zu erkennen, wenn „Überweisungen“ aus einem Bündel von Prozessabläufen bestehen. Jede Analyse, in welchem konkreten Abwicklungsprozess effizient gegengesteuert
Der Zahlungsverkehr der Postbank …
63
werden muss, kostet Reaktionszeit. Gleichzeitig ist es wichtig, zu erkennen, ob prozessimmanente Kontrollsysteme zu Schadensminimierungen beigetragen haben. Es bietet sich daher an, sowohl den potenziellen Bruttoschaden, die eingetretene Schadensminderung als auch den aufwandsrelevanten Nettoschaden zu erfassen. 3. Zeitnähe der Schadensanalyse Wie im Beispiel angeführt, ist es essenziell, zeitnah über die Schadensgründe zu verfügen. Dies stellt hohe Anforderungen an den Datenhaushalt und die Analysefähigkeit der Organisation, da die Zeitnähe in der Regel durch dezentrale Eingabe am Bearbeitungsstandort, an dem der Schaden erstmals bemerkt wurde, erreicht wird. Trotz dezentraler Erfassung muss auch die Datenqualität sichergestellt sein, um korrekte Steuerungsimpulse ableiten zu können. Gleichzeitig ist es wichtig, bereits potenzielle Schäden zu analysieren und nicht erst bei GuV-Wirksamkeit mit der Analyse zu beginnen. Im Rahmen des Risikomanagements wurde in der BCB eine entsprechende Schadensfalldatenbank eingeführt. Sie ermöglicht es, die Schadenshäufigkeiten und -höhen sowie Maßnahmen zu protokollieren. Die Erkenntnisse hieraus werden unter anderem bei der Qualitätssicherung und in der Geschäftsjahresplanung der BCB-Gruppe berücksichtigt.
3.1.4
Absicherung der Produktionskapazitäten
Die Verwundbarkeit der technischen und betrieblichen Infrastruktur der Finanzsysteme hat in den vergangenen Jahren aufgrund steigender Abhängigkeit von Automation ebenso zugenommen wie die entsprechenden operationellen Risken. Der Schutz kritischer Infrastrukturen durch hochwertige und effiziente Notfallkonzepte muss daher mit zunehmender Komplexität der Geschäftsprozesse und der Informationssysteme als elementares Tool etabliert werden. Adäquate Maßnahmen im Bereich der Krisenvorsorge und -bewältigung müssen sicherstellen, dass für die Übernahme ausgefallener Geschäftsprozesse eines Standortes ein autarkes Business Recovery Center (BRC) zur Verfügung steht, in dem innerhalb definierter Fristen der Geschäftsbetrieb wieder aufgenommen werden kann. In der „alten Welt“ werden an einem operativen Standort A exklusive Notfallarbeitsplätze für den möglichen Ausfall eines Standorts B vorgehalten sowie umgekehrt (cross-over-backup). Bei Existenz mehrerer operativer Standorte erfolgt die Notfallversorgung untereinander (circulation backup). In der „neuen Welt“ liegt der Fokus auf dem Schutz der operativen Geschäftsprozesse aus einem infrastrukturell und technisch gesicherten, separat eingerichteten Business Recovery Centers (BRC). Die Einrichtung eines Business Recovery Centers optimiert so die gesamte Konzeption des Business Continuity Planning (BCP) durch: Konzentration der Notfallversorgung auf einen Standort, Sicherung der „flexible response“ im Notfall,
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Mario Daberkow / Inga Radtke
Verringerung der Komplexität der BCP-Logistik, vereinfachte Teststrukturen, vereinfachtes BCP-Training, Erhöhung der Kosten-Nutzen-Effizienz.
Berücksichtigte Faktoren bei der Einrichtung eines BRC Bei der Einrichtung des Business Recovery Centers der BCB wurden verschiedene Faktoren berücksichtigt: Schnelle Erreichbarkeit versus risikobehafteter Standort: Ein BRC muss einerseits schnell erreichbar sein, sollte andererseits nicht unbedingt in einer potenziell gefährdeten Region liegen. Der Standort des BRC liegt in einem überregionalen Zentrum, infrastrukturell geschützt in einer Bürogebäudeumgebung in unmittelbarer Nähe zu den Knotenpunkten öffentlicher Verkehrsmittel und den Bundesautobahnen. Es wurde bewusst auf einen Standort in einem der großen Zentren (beispielsweise Berlin, Hamburg, Frankfurt) verzichtet, da hier das potenzielle Ausfallrisiko höher gewertet wird. Ausreichend technische Infrastruktur: Das BRC ist durch WAN-Verbindungen optimal an die Netzinfrastruktur angebunden. Die Notfallrechner sind über drei exklusive Stockwerke verteilt und mit ausreichend PeripherieKomponenten (PC, Telefone etc.) ausgestattet. Die Konfiguration der Notfall-Rechner erfolgt im Verhältnis der operativen Standorte. Hierdurch wird erreicht, dass für jeden operativen Standort immer eine bestimmte Anzahl Rechner betriebsbereit ist. Bei Ausfall eines größeren Standorts können aber auch alle Kapazitäten für das Back-up dieses Standorts zur Verfügung gestellt werden. Das Business Recovery Center wurde entwickelt, um die risikobehafteten Prozesse des operativen Geschäfts im Notfall zu schützen und innerhalb definierter Anlaufzeiten wieder aufnehmen zu können. Durch die infrastrukturellen und räumlichen Gegebenheiten im Verbund mit der technischen Flexibilität können mit dem Business Recovery Center die individuellen Anforderungen einzelner Mandanten zum Schutz des jeweiligen Geschäftsauftrages erfüllt werden. Dabei liegen die jährlichen Kosten pro Notfall-Arbeitsplatz deutlich unter dem marktüblichen Schnitt.
Der Zahlungsverkehr der Postbank …
3.2
65
Die Integration eines Mandanten
Die BCB hat ein spezielles Vorgehen bei der Integration von Mandanten im Zahlungsverkehr entwickelt und basierend auf den bisherigen Erfahrungen schrittweise weiterentwickelt.5 So können über eine vereinheitlichte Abwicklung Kostensynergien realisiert werden. Insgesamt werden bei der Integration eines Mandanten drei Phasen durchlaufen. Dabei sind die ersten beiden Phasen entscheidend für den kurz- und mittelfristigen Erfolg, die letzte Phase entscheidet über den langfristigen Erfolg des Geschäftsmodells.
3.2.1
Phase 1: Organisation und Prozessbereinigung
Mit der Übernahme der operativen Verantwortung für die Abwicklung des Zahlungsverkehrs eines Mandanten wird die bislang hierfür verantwortliche Organisationseinheit des Mandanten in die bestehende Organisation der BCB integriert. Bereits durch die Anpassung von Führungsstrukturen und Aufgabenbereiche werden mögliche Komplexitäten durch unterschiedliche Prozesse erkannt und können teilweise kurzfristig behoben werden. Prozessbereinigungen, die Integration der Mandantenprozesse in das bestehende Operational Risk Management sowie die Vereinheitlichung auf die bereits etablierten Finanz- und QualitätsControlling-Verfahren werden schrittweise durchgeführt. Abschließend werden die mit den Mandanten vereinbarten Sonderkonditionen und Sonderleistungen im Detail erfasst und in das bestehende Prozessmodell so ergänzt, dass diese Sonderleistungen auch im Rahmen allgemeingültiger Prozesse und Systeme erbracht werden können. Diese Phase nimmt erfahrungsgemäß – einige Aufgaben können schon im Rahmen der Due Diligence erledigt werden – drei bis vier Monate in Anspruch.
3.2.2
Phase 2: personalintensive Prozesse
In der zweiten Phase werden die vorhandenen einheitlichen Prozesse für den Mandanten in den personalintensiven Bereichen etabliert. So können die geplanten Skaleneffekte realisiert und gleichzeitig die Komplexität in der Abwicklung beherrschbar gehalten werden. Die Einführung einheitlicher Prozesse erfordert die Einführung von Standardsystemen und eine Überprüfung der vorhandenen Standortstruktur. Kritisch sind Standortstrukturen, die sich aus vielen kleinen Standorten zusammensetzen. Die Postbank verfolgt die Strategie, die Anzahl von Mitarbeitern und Prozessen auf wenige Standorte zu konzentrieren. Die Prozesse können dadurch für alle Mandaten und Einheiten besser überwacht und wenn nötig, schneller angepasst werden. Gleichzeitig reduziert sich damit die Komplexität der Abwicklung. Im 5
Ebenfalls beschrieben in (Daberkow 2007).
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Mario Daberkow / Inga Radtke
Bereich der Systeme werden vor allem die Systeme mit hoher Mitarbeiterinteraktion angepasst. Dies sind im Zahlungsverkehr insbesondere die Zugangs- und Freigabesysteme für elektronische und papierhafte Transaktionen sowie die damit verbundenen Archivsysteme. Auch hier werden für alle Mandanten Standardlösungen der Postbank eingeführt. Inklusive der Stabilisierung des Betriebs dauert diese Phase bis zu zwölf Monate. In der Regel ist die Dauer von der Anzahl der Standortveränderungen und der Anzahl der abzubildenden Sonderleistungen abhängig.
3.2.3
Phase 3: IT-intensive Prozesse
Der Integrationsweg schließt mit der Integration der IT-Systeme im Bereich Clearing und Settlement ab. Bedingt durch die Vielzahl von Schnittstellen und Systemen ist das der komplexeste Schritt der Integration. Er wirkt sich nicht in einer unmittelbaren Kostensenkung aus, da in der Regel bereits abgeschriebene Altsysteme durch moderne Systeme ausgetauscht werden. Die Entscheidung für SEPA und die Zielsetzung eines dauerhaft stabilen Betriebes sowie die Eröffnung neuer Marktchancen erfordern diese Investitionen, auch unabhängig von einer Outsourcingentscheidung. Die Postbank entwickelt auch hier eine Lösung auf Basis einer SAP Standardsoftware und wird den eigenen Zahlungsverkehr ab 2007 auf diese Plattform migrieren. Die BCB kann mit der Durchführung der beschriebenen drei Phasen die mögliche Skaleneffekte aus einer integrierten Bearbeitung realisieren und gleichzeitig die Komplexitätskosten der Bearbeitung beherrschbar halten. Die gewählte Prozessorganisation gewährt dabei die strikte Qualitätskontrolle der Abwicklung.
4.
Zusammenfassung
Das Outsourcing der Zahlungsverkehrsabwicklung bietet für die outsourcende Bank sowie für den die Abwicklung übernehmenden ZV-Dienstleister positive Effekte, die insbesondere auf die Möglichkeiten zur Standardisierung und zur Hebung von Skaleneffekten zurückzuführen sind. Die Beherrschung der mit den hohen Volumina verbundenen Komplexität kann dabei nur durch die Etablierung einheitlicher Prozesse und entsprechender Steuerungsmethoden erreicht werden, die letztlich zu einer Kostensenkung führen. Die Postbank konzentriert sich mit ihrem Geschäftsfeld Transaction Banking bewusst auf eine ihrer Kernkompetenzen, die Abwicklung des Massenzahlungsverkehrs. Durch die Zusammenfassung der entsprechenden Abwicklungseinheiten der bisherigen Mandanten konnten bereits Synergiepotenziale realisiert werden, die jede Großbank für sich nicht in diesem Umfang hätte umsetzen können.
Der Zahlungsverkehr der Postbank …
67
Die Anwendung industrieller Methoden aus der Fertigungsindustrie und die Fokussierung auf eine zunehmende Standardisierung und Nutzung von Skaleneffekten erweist sich dabei als Möglichkeit zur weiteren dauerhaften Kostensenkung.
Literaturverzeichnis BERENSMANN, D. (2005): Die Rolle der IT bei der Industrialisierung von Banken. In. Sokolovsky, Zbynek/Löschenkohl, Sven (Hrsg.): Handbuch Industrialisierung der Finanzwirtschaft, Wiesbaden 2005, S. 83-93. DABERKOW, M. (2007): Die Disaggregation der Wertschöpfungskette in Banken am Beispiel des Zahlungsverkehrs. In: Burger, Ch./Hagen, J. (Hrsg.): Strukturumbruch in der Finanzdienstleistungsindustrie, Wiesbaden 2007. DEUTSCHE BUNDESBANK (2006): Statistiken über den Zahlungsverkehr in Deutschland 2001-2005, Frankfurt 2006. KÖNIG, W. (2002): Industrialisierung des Bankgeschäfts. In: Wirtschaftsinformatik 44 (2002) 6, S. 517-518. LAMBERTI, H.-J. (2004): Industrialisierung des Bankgeschäfts. In: Die Bank, 06/2004. SPATH, D. u. a. (2007): Trendstudie Bank & Zukunft 2007.
SEPA – Herausforderungen und Chancen …
SEPA – Herausforderungen und Chancen der Konsolidierung des europäischen Zahlungsverkehrs Michael Steinbach / Benjamin Syrbe
1. Einleitung 2. Ein Überblick über den europäischen Zahlungsverkehrsmarkt 2.1 Der Markt in Zahlen 2.2 Der europäische Zahlungsverkehrsmarkt – stark fragmentiert 2.3 Kosten und Ertragssituation der europäischen Banken im ZV 3. Die Single Euro Payments Area (SEPA) 3.1 Vision und Ziele 3.2 SEPA Stakeholder 3.2.1 EU Kommission 3.2.2 Europäische Zentralbank 3.2.3 European Payments Council 3.2.4 Bankenverbände 3.2.5 Banken 3.2.6 Payments Service Provider 3.2.7 Unternehmen 3.2.8 Händler 3.2.9 Konsumenten 3.3 Roadmap 3.4 Bisherige Ergebnisse 4. Argumente für und gegen Outsourcing 4.1 Wirtschaftliche Vorteile, Variabilisierung der Kosten, Kostentransparenz 4.2 Einmalaufwand aus Restrukturierungen/Personalabbau 4.3 Systemanpassungen und Sonderabschreibungen auf Systeme 4.4 Qualitäts- und Kontrollverlust
69
70
Michael Steinbach / Benjamin Syrbe
5. Mehrwerte generieren durch SEPA 5.1 E-Payment 5.2 E-Invoicing 6. Equens – ein Beispiel für die gelungene Umsetzung der SEPA-Vision 6.1 Entstehung eines „Truly European Players“ 6.2 Warum ist diese Strategie sinnvoll? 6.3 Vision 2010+
SEPA – Herausforderungen und Chancen …
1.
71
Einleitung
Nach Prognosen des Internationalen Währungsfonds ist die Weltwirtschaft 2006 um 5,1 Prozent gewachsen. Sieht man vom Jahr 2004 ab, ist dies das stärkste Wachstum seit Anfang der Achtzigerjahre. Die Vereinigten Staaten von Amerika wuchsen um 3,4 Prozent, Europa um 2,4 Prozent (Deutschland 2,0 Prozent), Indien um 8,3 Prozent und China wieder einmal um beeindruckende 10,0 Prozent. Kurz gesagt: Die Wirtschaft brummt und der Konjunkturmotor läuft wieder rund. Diese Zahlen offenbaren zwei grundlegende Gegebenheiten. Die Weltwirtschaft insgesamt wächst und gedeiht derzeit, Europa hinkt jedoch traditionell hinterher. Um diesen Rückstand aufzuholen, haben die Staats- und Regierungschefs Europas auf einem Sondergipfel im Jahr 2000 die sogenannte Lissabon-Agenda verabschiedet. Deren Ziel ist es: „die Union (Europäische Union) zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen – einen Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen.“ Um dieses hohe Ziel zu erreichen, sind Anstrengungen in allen Bereichen der Europäischen Wirtschaft notwendig. Davon ist auch der Zahlungsverkehrsmarkt in Europa betroffen. Nach der Einführung einer einzigen physischen Währung, dem Euro, soll nun auch der elektronische Euro-Währungsraum vereinheitlicht werden, mit gleichen Rahmenbedingungen, gleichen Regeln und gleichen Zahlungsverkehrsformaten. Das Ziel ist die Schaffung eines einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsmarktes – der Single Euro Payments Area (SEPA). Der vorliegende Beitrag soll als ein möglicher Wegweiser durch die sich verändernden Rahmenbedingungen und die daraus resultierenden Chancen und Herausforderungen, die die Schaffung der SEPA mit sich bringt, für Banken und andere interessierte Parteien dienen.
72
Michael Steinbach / Benjamin Syrbe
2.
Ein Überblick über den europäischen Zahlungsverkehrsmarkt
2.1
Der Markt in Zahlen
Warum loht es sich eigentlich, sich mit Europa als einheitlichem Wirtschaftsraum zu beschäftigen? Ein paar Fakten über den europäischen Zahlungsverkehrsmarkt: In den fünfzehn EuroLändern leben gegenwärtig 320 Millionen Menschen, die gemeinsam mit 17 Millionen Unternehmen ein Bruttoinlandsprodukt von rund 8,5 Billionen Euro erwirtschaften. Die über 6.200 Banken der Euro-Zone verarbeiten täglich mehr als 205 Millionen Zahlungsverkehrstransaktionen (das entspricht 52,2 Milliarden pro Jahr) mit einem jährlichen Wert von etwa 98 Billionen Euro an fast 200.000 Standorten innerhalb der Euro-Zone. Mit den 470 Millionen ausgegebenen Kredit- und Debitkarten wird an rund 5,4 Millionen POS-Terminals bezahlt und an den 262.340 Geldautomaten heben die Bürger 7,2 Milliarden Mal im Jahr Geld ab. Beeindruckende Zahlen, die umso beeindruckender erscheinen, wenn man sich vor Augen hält, dass die Euro-Zone heute damit die zweitgrößte Wirtschaftsregion der Welt ist. Mit der möglichen zukünftigen Erweiterung der Euro-Zone auf 29 Länder wird der Wirtschaftsraum nochmals um circa 50 Prozent größer.
Heute
Zukunft Euro 15
Euro 29
Bevölkerung (in Mio.)
320
500
Anzahl Unternehmen (in Mio.)
17
25
Anzahl Banken
6.200
9.000
BIP (in Mrd. EUR)
8.500
11.600
Elektronische Zahlungstransaktionen (in Mrd.)
52,2
72,3
Anzahl Karten (in Mio.)
470
716
Eurozone
Abbildung 1: Der Markt in Zahlen Quelle: Equens Research
EU 27
EWR Staaten
SEPA – Herausforderungen und Chancen …
2.2
73
Der europäische Zahlungsverkehrsmarkt – stark fragmentiert
Im Wesentlichen haben sich drei verschiedene Abwicklungsmodelle in den Nationalstaaten in Europa herauskristallisiert: die Abwicklung eines wesentlichen Anteils der Zahlungsverkehrstransaktionen über einen nationalen Zahlungsverkehrsdienstleister, die vollständig bilaterale Abwicklung der Banken untereinander sowie eine Mischform, die sowohl den bilateralen Austausch als auch die Abwicklung über Zahlungsverkehrsdienstleister kennt. In den meisten europäischen Ländern hat sich die Abwicklung eines wesentlichen Anteils des inländischen Interbanken-Zahlungsverkehrs über einen Zahlungsverkehrsdienstleister (oftmals ist dieser ein Automated Clearing House), welcher ein Quasi-Monopol auf dem nationalen Markt innehat und an welches der Großteil der Banken direkt oder indirekt angeschlossen ist, durchgesetzt. Als Umkehrschluss ergibt sich hier allerdings nicht, dass alle Transaktionen über diesen monopolistischen Zahlungsverkehrsdienstleister abgewickelt werden. In unterschiedlich starker Ausprägung wird auch in Ländern mit diesem Modell das Clearing und Settlement der Zahlungen noch bilateral zwischen den Banken vorgenommen. Zu den bekannten Vertretern dieses Modells zählen unter anderem das französische Clearing House GSIT/STET (12,3 Milliarden Transaktionen in 2006), die britische Voca (5,4 Milliarden Transaktionen in 2006), die niederländische Equens Nederland (ehemals Interpay; 3,5 Milliarden Transaktionen in 2006) sowie die spanische Iberpay (1,4 Milliarden Transaktionen in 2006). Auch kleinere Anbieter wie beispielsweise die belgische CEC, die portugiesische SIBS sowie die schweizerische SIC verfolgen dieses Modell. Neben diesem reinen Modell der Abwicklung über einen Anbieter gibt es in einigen Ländern Europas auch noch eine Vorstufe. In diesen Ländern existieren zwar mehrere, aber wenige (zumeist zwei) nationale Zahlungsverkehrsdienstleister, die sich den Großteil des Marktes teilen. Zu den Vertretern dieses Modells können unter anderem Griechenland, Schweden und Norwegen gezählt werden. Ein vollkommen konträres Modell zur Abwicklung über einen Anbieter hat sich in Ländern wie beispielsweise Finnland und Österreich entwickelt. In diesen Ländern werden alle Zahlungsverkehrstransaktionen zwischen den einzelnen Banken bilateral ausgetauscht und verbucht. In wenigen Ländern, wie beispielsweise Italien und Deutschland, hat sich eine Mischform etabliert. In Italien wird im Wesentlichen über die italienische Nationalbank, die Banca d’Italia, das Clearing und Settlement durchgeführt. Allerdings übernimmt die Banca d’Italia dabei nur einen kleinen Teil der gesamten Wertschöpfungskette. Die weiteren Prozessschritte, wie beispielsweise das Einlesen von Disketten, die Entgegennahme von elektronischen Zahlungsaufträgen, die Erstellung der Clearingdateien, die Archivierung und die Nachforschung, werden von den Dienstleistern SECETI, ICCREA und SIA/SSB erbracht. In Deutschland findet man die Besonderheit vor, dass die Nationalbank – die Deutsche Bundesbank – als aktiver Marktteilnehmer in der Zahlungsverkehrsabwicklung agiert und somit im Wettbewerb zu den Banken steht. Grundsätzlich wird in Deutschland das sogenannte „Garagenclearing“
74
Michael Steinbach / Benjamin Syrbe
praktiziert, das heißt, dass der Austausch/das Clearing der Zahlungsverkehrstransaktionen bilateral zwischen den Banken direkt erfolgt und die Verbuchung/das Settlement der Gesamtsummen dieser Zahlungsverkehrstransaktionen über die Deutsche Bundesbank erfolgt. Seit circa vier Jahren agieren in Deutschland zudem hauptsächlich zwei Unternehmen als Zahlungsverkehrsdienstleister für Drittbanken – die Postbank AG und die Equens Deutschland AG (ehemals Transaktionsinstitut für Zahlungsverkehrsdienstleistungen AG). Beide Dienstleister versuchen – jedoch mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen – durch Bündelung von Volumen Skalen- und Synergievorteile gegenüber der Eigenabwicklung zu generieren. Im Sparkassensektor wird diese Aggregationsfunktion sektorintern von den Landesbanken sowie den Rechenzentren wahrgenommen. Im Wesentlichen sind hier die LBBW, die BayernLB, die WestLB, die Helaba, die NordLB sowie die FinanzIT und die Sparkassen Informatik zu nennen.
Bgc, Nordea (Plusgirot) Modell 1 (ein Dienstleister)
BBS, DnB NOR
Vorstufe zu Modell 1 (wenige Dienstleister) Modell 2 (bilateral)
PBS Equens Deutschland, Postbank
Modell 3 (Mischform) KIR Voca Equens Nederland CEC STET/GSIT
Giro FINA
SIC / EuroSIC SIBS Iberpay
SIA / SBB, ICCREA, SECETI
ACO, DIAS
Abbildung 2: Die Fragmentierung des Zahlungsverkehrsmarktes in Europa Quelle: Equens Research Die Fragmentierung des Zahlungsverkehrsmarktes in Europa (siehe Abbildung 2) wird nicht nur durch die verschiedenen Modelle und die zahlreichen nationalen Akteure mit ihren mehr als 25 unterschiedlichen nationalen Zahlungsverkehrssystemen widergespiegelt, sondern auch durch die über 50 unterschiedlichen nationalen Zahlungsverkehrsformate sowie ERP- und kundenspezifische Formate.
SEPA – Herausforderungen und Chancen …
2.3
75
Kosten und Ertragssituation der europäischen Banken im ZV
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Trotz der weitreichenden Restrukturierungs- und Kostensenkungswellen, die nach dem Crash der New Economy und der damit einhergehenden Wirtschaftsflaute den Bankensektor nach der Jahrtausendwende erfasst hatten, ist der Unterschied zwischen den führenden Banken und den Schlusslichtern der Branche mit 40,7 Prozent absolutem Unterschied immer noch signifikant (siehe Abbildung 3).
Cost-Income Ratio 2006
Abbildung 3: Die Cost-Income-Ratio 2006 Quelle: Equens Research Der Kostendruck bleibt also für viele Banken weiterhin bestehen. Hinzu kommt, dass die Produkte, Preismodelle und Geschäftsmodelle im Zahlungsverkehr in jedem europäischen Land unterschiedlich sind. So liegt beispielsweise der durchschnittliche Ertrag je Lastschrift in Italien bei 65 Euro-Cent, in Belgien jedoch nur bei 2 Euro-Cent; außerdem subventionieren viele Banken ihre unprofitablen Zahlungsverkehrsprodukte. Der Gewinn aus dem Geschäftsfeld Zahlungsverkehr liegt in Großbritannien bei rund 3 Milliarden Euro. Rechnet man allerdings den Gewinnanteil, der durch das Zinsgeschäft mit Kreditkarten entsteht, heraus, liegt der Verlust im Zahlungsverkehr bei einer Milliarde Euro. Untersucht man die wesentlichen Ertragsquellen der Banken aus dem Zahlungsverkehrsgeschäft genauer, stellt man fest, dass diese bereits unter erheblichem Druck stehen oder zumindest mittelfristig unter Druck geraten werden. Banken erwirtschaften die Erträge im Zahlungsverkehr im Wesentlichen durch Zinsmargen; Zinsgewinne durch den sogenannten Float sowie durch Produkt- und Transaktionsgebühren.
76
Michael Steinbach / Benjamin Syrbe
Die Zinsmargen, die durch Karten (Credit-, Debit- und Prepaid Card) und Konten (Girokonten, Sparkonten etc.) erwirtschaftet werden, sind in einigen europäischen Ländern bereits erheblich unter Druck geraten. Insbesondere in Deutschland ist dieser Margenverfall gut zu beobachten. Kunden ziehen ihr Guthaben von den niedrig oder gar nicht verzinsten Giro- und Sparkonten (0 bis 1,5 Prozent Zins) ab und legen es bei Spezialanbietern – wie der ING DiBa oder der Santander Bank – auf deren höher verzinsten Online-Tagesgeldkonten (oft 3 Prozent oder mehr) an. Auf der Kreditseite werden immer mehr hoch verzinste Dispokredite und Kreditkartensalden (10 bis 15 Prozent) über zinsgünstigere Konsumentenkredite abgelöst. Beispielhaft sei hier die Deutsche Kreditbank genannt, die Konsumentenkredite zu einem effektiven Festzinssatz von maximal 6,45 Prozent vergibt (Stand 09.07.2007). Die hieraus entstehenden Margensenkungen werden durch die ab dem 01.01.2008 beginnende Realisierung der SEPA noch zusätzlich verschärft. Der aus nationaler Sicht deutlich größere europäische Markt wird unter den dann vorherrschenden gleichen Rahmenbedingungen zu signifikant höherer Transparenz der Kosten- und Preisstrukturen im Zahlungsverkehr führen und den Wettbewerb in Europa verschärfen. Die Zinsgewinne durch den sogenannten Float, die durch die Zeitspanne zwischen Belastung und Gutschrift einer Zahlung entstehen, stehen ebenfalls unter Druck. Derzeit ist für eine nationale Überweisung eine Laufzeit von maximal drei Geschäftstagen und für eine grenzüberschreitende EUR-Zahlung in der EU von maximal fünf Geschäftstagen gesetzlich vorgeschrieben. Die von der EU-Kommission erarbeitete und vom EU-Parlament verabschiedete „Richtlinie über Zahlungsdienste im Binnenmarkt“ (Payment Services Directive) sieht nunmehr vor, diese Fristen ab 2012 auf einen Geschäftstag zu reduzieren. Die Transaktions- und Produktpreise im Zahlungsverkehr stehen ebenfalls bereits seit einiger Zeit unter Druck. Durch Non- bzw. Near-Banks wie zum Beispiel PayPal, die mit attraktiven und innovativen neuen Produkten und Services die Kunden immer stärker dazu bewegen auf die traditionellen Zahlungsverkehrsinstrumente zu verzichten sowie durch eine „Null-PreisPolitik“ in einigen Ländern Europas, sind bereits in der Vergangenheit erhebliche Ertragsquellen verloren gegangen. Durch die Einführung der SEPA und die schon beschriebene resultierende höhere Transparenz, die zu einem noch stärkeren Wettbewerb führen wird, werden sich die ertragschwächenden Tendenzen noch weiter verstärken.
3.
Die Single Euro Payments Area (SEPA)
3.1
Vision und Ziele
Die Einführung eines einheitlichen Zahlungsverkehrsraumes für elektronische Zahlungen, in dem nationale Grenzen innerhalb Europas verschwinden und ein einheitlicher Binnenmarkt entsteht, ist die logische Folge der europäischen Währungsunion und der Einführung des
SEPA – Herausforderungen und Chancen …
77
Euro. Den Grundstein für die SEPA hat die EU Kommission vor einigen Jahren mit der Verordnung über grenzüberschreitende Zahlungen in Euro (EU Direktive 2560/2001) gelegt. Diese Verordnung schreibt vor, dass für grenzüberschreitende elektronische Zahlungen in Euro, welche IBAN und BIC enthalten, die gleichen Gebühren zu erheben sind wie für vergleichbare inländische Zahlungen. Mit der Schaffung der SEPA verfolgt die EU Kommission – mit Unterstützung des Eurosystems, also der EZB und der Nationalbanken sowie die europäische Kreditwirtschaft – ein viel größeres Ziel. Die gemeinschaftliche Vision für die Single Euro Payments Area ist es einen Zahlungsverkehrsraum in Europa zu schaffen, in welchem die Bürger und Unternehmen Zahlungen innerhalb der SEPA so einfach, kostengünstig und sicher durchführen können wie heute bereits in ihrem Heimatland. Ein einziges Bankkonto wird ausreichen, um innerhalb der SEPA jeden Zahlungspflichtigen oder –begünstigten per Lastschrift oder Überweisung zu erreichen, an jedem Geldautomaten Geld abzuheben und in jedem Geschäft, welches Kredit- oder Debitkarten akzeptiert, mit Karte zu bezahlen.
3.2
SEPA Stakeholder
Die SEPA ist ein europäisches Großprojekt, welches nicht nur im Bankensektor für erhebliche Veränderungen sorgen wird. Im Prinzip sind davon alle Wirtschaftsbereiche und Wirtschaftsteilnehmer innerhalb sowie außerhalb Europas betroffen. Im Folgenden sollen die Implikationen für die wesentlichen Stakeholder der SEPA sowie deren Funktionen aufgeführt werden, um ein umfassenderes Bild zu gewährleisten.
3.2.1
EU Kommission
Die Europäische Kommission ist der politische „Treiber" des SEPA-Gedankens. Schon 1990 veröffentlichte die Kommission in dem Report „Making Payments in the Internal Market“ eine erste Vorläufervision eines integrierten europäischen Zahlungsverkehrsmarktes. Obwohl diese Vision ursprünglich hauptsächlich auf Retail Auslandszahlungen abzielte, bildet sie doch den Grundstein für den heutigen umfassenden Ansatz eines integrierten Zahlungsverkehrsmarktes. Die Hauptfunktion der EU Kommission besteht darin die rechtliche Basis für die SEPA zu schaffen, indem sie sicherstellt, dass die vom Europäischen Parlament und vom Europäischen Rat im April 2007 verabschiedete Payment Services Directive (PSD) zeitnah in nationales Recht umgesetzt wird, um somit einen einheitlichen, EU-weiten Rechtsrahmen für die Zahlungsverkehrsabwicklung zu gewährleisten. Eine zusätzliche Erwartungshaltung an die EU Kommission ist, dass sie die Einführung der SEPA in politischer und kommunikativer Hinsicht als Vorbild vorantreibt und die Marktteilnehmer zur aktiven Mitgestaltung ermutigt.
78
3.2.2
Michael Steinbach / Benjamin Syrbe
Europäische Zentralbank
Die Hauptaufgabe der Europäischen Zentralbank besteht darin die Inflation bei circa 2 Prozent pro Jahr und damit die Kaufkraft des Euros stabil zu halten. Jedoch ist die EZB auch die Zentralbank für Europas Währung, den Euro, und in dieser Funktion mitverantwortlich für dessen erfolgreiche Gestaltung und Einführung in physischer und elektronischer Form. Das Eurosystem, welches aus den Nationalbanken der Euro-Staaten und der EZB besteht, sowie die EZB, als Koordinator des Eurosystems, haben – um dieser Verantwortung gerecht zu werden – gemeinsam eine Reihe übergeordneter Ziele und Anforderungen für die SEPA formuliert. Die Formulierung dieser Ziele und Anforderungen ist nur ein Baustein in der schon seit langem andauernden Argumentation der EZB, dass die Euro-Einführung erst vollendet sein wird, wenn über alle Zahlungsformen hinweg ein einheitlicher elektronischer Euro, das heißt einheitliche Formate, Abwicklung, Regeln, Zahlungsinstrumente, etc. etabliert ist. Die EZB überwacht den Vorschritt der Anstrengungen des von der europäischen Kreditwirtschaft im Jahre 2002 gegründeten European Payment Councils (EPC) die SEPA im Zeitplan einzuführen und nimmt an den Treffen des EPC teil. Die Erkenntnisse hieraus werden durch die EZB genutzt und im offiziellen Fortschrittsbericht zur SEPA veröffentlicht. Die EZB unterstützt die SEPA, indem sie mit Wirtschaftsverbänden und anderen Stakeholdern den aktiven Dialog sucht und versucht die Standardisierung voranzutreiben.
3.2.3
European Payments Council
Das European Payments Council ist das zentrale Entscheidungs- und Koordinationsorgan der europäischen Banken für den Zahlungsverkehr. Es ist eine Initiative der Europäischen Kreditwirtschaft, die versucht mit einem selbst-regulatorischen Ansatz die Vision eines einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraumes zu verwirklichen. Dies wird von der EU Kommission und der Europäischen Zentralbank begrüßt. Das EPC wurde 2002 gegründet und besteht aktuell aus 67 Mitgliedern (Banken und Bankenverbände) aus 29 europäischen Ländern, die die gesamte europäische Kreditwirtschaft repräsentieren. Über 250 Experten erarbeiten hier in unterschiedlichen Arbeitsgruppen die Zukunft des Europäischen Zahlungsverkehrs. Die Hauptverantwortung des EPC lag bisher im Design und der Spezifikation der einheitlichen Zahlungsinstrumente der SEPA (Überweisungen und Lastschriften). Nachdem diese nun zwischenzeitlich definiert und verabschiedet sind, steht nunmehr die Implementierung und Gewährleistung der einheitlichen Umsetzung der Standards und Rulebooks im Fokus der Arbeiten. Parallel hierzu wird mit Nachdruck an einer Vereinheitlichung des in den einzelnen europäischen Ländern existierenden Debit-Karten-Verfahrens, auf Basis des bereits verabschiedeten SEPA Card Frameworks, gearbeitet.
SEPA – Herausforderungen und Chancen …
3.2.4
79
Bankenverbände
Die nationalen Bankenverbände haben eine wichtige Rolle bei der Einführung der SEPA. Sie koordinieren die Planung und Einführung der nationalen SEPA-Projekte ihrer Mitgliedsbanken. In Deutschland hat diese Rolle beispielsweise der Zentrale Kreditausschuss (ZKA) inne, in dem die Bankenverbände der Genossenschaftsbanken, der Sparkassen sowie der Geschäfts- und Privatbanken vertreten sind. Natürlich kommt auch den Bankenverbänden die wichtige Rolle zu, die SEPA aktiv bei Industrie-, Wirtschafts- und Verbraucherverbänden sowie in politischen Kreisen zu promoten und zu unterstützen.
3.2.5
Banken
Für Banken ergeben sich mit der Einführung der SEPA große Herausforderungen und Chancen. Gleichzeitig tragen die Banken im Wesentlichen auch dazu bei, eine reibungslose Abwicklung des SEPA-Zahlungsverkehrs zu gewährleisten. So gilt es die bestehenden Zahlungsverkehrssysteme auf die neuen prozessualen und technischen Anforderungen, die mit der Einführung der SEPA einhergehen, anzupassen bzw., wegen der damit verbundenen grundlegenden Veränderungen, durch neue Abwicklungssysteme zu ersetzen. Im Weiteren beschränkt sich die Veränderung nicht nur auf die Zahlungsverkehrssysteme, sondern macht mit der vollumfänglichen Realisierung der SEPA, auch die Anpassung bzw. Erneuerung der General Ledger Systeme erforderlich. Die damit verbundenen, teilweise sehr hohen Investitionen, bei gleichzeitiger Erhöhung des Preisdrucks für Zahlungsverkehrsdienstleistungen, hervorgerufen durch den erhöhten Wettbewerb und die geforderte Preistransparenz, macht es notwendig alternative bzw. angepasste Geschäftsmodelle zu entwickeln. Hierzu zählen bezüglich der durchzuführenden Investments für die Abwicklungssysteme „Make-or buy-Entscheidungen" bzw. der Zukauf von Backoffice-Abwicklungsleistungen bei spezialisierten Abwicklungsdienstleistern. Gleichzeitig werden die Banken jedoch auch von dem durch die SEPA entstehenden „Eurodomestic-market" profitieren, indem sie nun ihre Zahlungsverkehrsdienstleistungen, Produkte und Services europaweit anbieten können und sich ein Markt mit einem Kundenpotenzial von – allein in den EUR-Staaten – circa 320 Millionen Privat- und 17 Millionen Unternehmenskunden erschließt.
3.2.6
Payments Service Provider
Zahlungsverkehrsdienstleister werden wahrscheinlich dem härtesten Konkurrenz- und Preisdruck ausgesetzt sein. Durch die neuen europaweit einheitlichen Zahlungsverkehrsformate, Standards und Abwicklungsregeln wird es mittel- bis langfristig zu einer Konsolidierung des
80
Michael Steinbach / Benjamin Syrbe
Marktes kommen müssen. Je stärker die nationalen Zahlungsinstrumente in den Hintergrund gedrängt werden, desto größer wird der Konsolidierungsdruck werden. Die Dienstleister müssen sich dieser Herausforderung stellen und sich dafür rüsten, um langfristig im Markt zu bestehen. Moderne State-of-the-Art IT-Infrastrukturen, die hoch performant alle Transaktionen abwickeln können sowie die effiziente Anbindung neuer Mandanten ermöglichen, sind eine Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Bestehen im Wettbewerb. Sind diese und weitere Voraussetzungen, wie beispielsweise das Vorhandensein von qualifiziertem Personal, umfassendes Zahlungsverkehrs-Know-how, hohe Volumina, effiziente Prozesse etc. erfüllt, stellt die SEPA eine einmalige Möglichkeit zur Ausweitung des Geschäftsfeldes für alle Zahlungsverkehrsdienstleister dar.
3.2.7
Unternehmen
Für Unternehmen insbesondere diejenigen, die in mehreren europäischen Ländern tätig sind, stellt die SEPA die große Chance dar, ihre derzeitig fragmentierte Zahlungsverkehrs- und Konteninfrastruktur erheblich zu vereinfachen. Für Großunternehmen, die derzeit in vielen europäischen Ländern Bank- und Kontoverbindungen sowie Cash Management-Abteilungen unterhalten, wird es möglich sein, die gesamten auf Zahlungsverkehr basierenden Finanzprozesse umfassend zu konsolidieren. Durch die europaweit einheitlichen Standards und Regeln und die damit einhergehende erhöhte Effizienz werden sich die Backoffice-Kosten für Unternehmen erheblich reduzieren.
3.2.8
Händler
Für Händler wird die SEPA vor allen Dingen aufgrund der deutlich erweiterten Möglichkeiten der Kartenakzeptanz von Bedeutung sein. Händler werden in der Lage sein mit einem Terminal alle SEPA-fähigen Karten (Debit Card und Credit Card) zu akzeptieren. Die einheitlichen Standards der SEPA werden den Markt für Acquiring Dienstleistungen öffnen und somit Händlern eine größere – und nicht aufgrund nationaler Gegebenheiten beschränkte – Wahlmöglichkeit geben, unter den besten Dienstleistern zu wählen. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass die Terminalkosten ebenfalls erheblich sinken werden. Händler werden ebenfalls durch die sogenannte „Cash repositioning campaign“ profitieren, deren Ziel es ist, die Nutzung von Zahlkarten für Konsumenten und Händler attraktiver zu machen und somit die Bargeldnutzung und die damit einhergehenden Risiken und Kosten zu reduzieren. Diese Kampagne wird auch durch die Ausweitung der Kartenakzeptanz innerhalb der SEPA gefördert werden. So wird es beispielsweise möglich sein, eine deutsche EC-Karte überall in Europa zu nutzen.
SEPA – Herausforderungen und Chancen …
3.2.9
81
Konsumenten
Für Konsumenten werden die für die Händler genannten Vorteile ebenfalls eintreten, nur aus einer anderen Sichtweise. Nicht die leichtere und günstigere Akzeptanz von Debit- und Credit-Karten, sondern die deutlich steigenden Einsatzmöglichkeiten sind für Konsumenten interessant. So müssen Urlauber zum Beispiel nur noch wenig Bargeld im Urlaubsland abheben und benötigen keine Reiseschecks, da auch ihre nationalen Zahlkarten akzeptiert werden. Außerdem werden die Konsumenten in Europa, die außerhalb ihres Heimatlandes leben, arbeiten oder studieren, nur noch ein Konto benötigen, um ihre Miete, Telefon- oder Stromrechnung zu zahlen oder ihr Gehalt zu erhalten. Stolze Eigner eines Ferienheims benötigen ebenfalls nur ein Konto in ihrem Heimatland, von welchem aus alle Zahlungen zu den gleichen günstigen Bedingungen wie im Inland ausgeführt oder eingezogen werden können. Die SEPA Zahlungsinstrumente werden auch einer Reihe von neuen innovativen Zusatzleistungen die Möglichkeit geben sich zu etablieren. Elektronische Rechnungen (E-invoicing), die im Online Banking einsehbar und archivierbar sind und anschließend per Überweisung oder Lastschrift sofort bezahlt werden können, sind nur ein solches Beispiel. Mobile Payment, also das Bezahlen mit mobilen Endgeräten wie z.B. einem Handy, die Initiierung einer Zahlung im Internet wie beispielsweise mit Giropay oder der Erwerb elektronischer Tickets inklusive deren Bezahlung sind weitere mögliche Zusatzleistungen, die durch die SEPA begünstigt werden.
3.3
Roadmap
Das EPC hat in enger Abstimmung mit der Europäischen Zentralbank einen Zeitrahmen erstellt, in welchem die SEPA realisiert werden soll (siehe Abbildung 4). Hierzu wurden im Wesentlichen die drei Phasen Design, Implementierung und Migration definiert, in welchen die SEPA eingeführt wird. Besonders hervorzuheben sind zwei Eckzeitpunkte – der 28.01.2008 und der 31.12.2010. Seit dem 28.01.2008 stehen die SEPA Instrumente den Kunden zur Verfügung. In den darauf folgenden drei Jahren bis zum 31.12.2010 soll nach dem Willen der EU-Kommission, der EZB und des EPC durch Marktkräfte eine kritische Masse an Transaktionen auf die SEPA-Instrumente migrieren, um eine Umkehrbarkeit der Integration der europäischen Zahlungsverkehrsmärkte auszuschließen.
82
Michael Steinbach / Benjamin Syrbe
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
Design Spezifizierung
Implementierung Pilotierung Einführung
Frühstarter Nationale Migration
Design Phase
Implementierungs-Phase
MigrationsPhase
Abbildung 4: Phasen der Realisierung Quelle: Equens Research
3.4
Bisherige Ergebnisse
Um den in der Roadmap des EPC formulierten Zeitplan und die jeweiligen Meilensteine einzuhalten, hat die europäische Bankengemeinschaft bereits Fakten geschaffen. Die Einführung des CredEuro Schemas 2003, welches die derzeit gültigen Regeln für die europäische Standardüberweisung festlegt. Diese Regeln gelten für Überweisungen mit BIC und IBAN in Euro mit einem Betrag, der unter 50.000 Euro liegt und garantieren eine Ausführung innerhalb von drei Bankarbeitstagen. Die Interbank Charging Practice (ICP), die ebenfalls 2003 verabschiedet wurde, regelt die Verrechnung der Kosten der an einer CredEuro Überweisung beteiligten Banken. Die Verabschiedung des SEPA Credit Transfer Scheme Rulebooks (SCT) und des SEPA Direct Debit Rulebooks (SDD) 2006 bzw. im Juni 2007, welche die vollständigen Interbanken Regelungen wie Rollen und Verantwortlichkeiten der im Prozess Beteiligten, Service Level, Settlement Zeiten, usw. beinhalten. Das SEPA Datenmodell und die Implementierungsrichtlinien (UNIFI (ISO 20022) XML Standards) bilden den harten Kern der technischen Umsetzung und wurde ebenfalls 2006 verabschiedet. Das Datenmodell beinhaltet die XML Standards, welche die Anforderungen der Rulebooks in technischer Hinsicht umsetzten.
SEPA – Herausforderungen und Chancen …
83
Das CSM Framework, welches 2007 verabschiedet wurde, für Clearing und Settlement der SEPA Zahlungen regelt die Anforderungen an Clearing and Settlement Mechanisms, wie PEACHs (Pan European Automated Clearing House), ACHs (Automated Clearing House) und andere, um SEPA kompatibel zu werden und untereinander Interoperabilität zu gewährleisten. Das SEPA Cards Framework (SCF) wurde 2006 freigegeben und schafft den Rahmen, in welchem alle technischen, kommerziellen und rechtlichen Hürden, die die freie Wahl von Händlern, Banken und Konsumenten für SCF konforme Karten beeinträchtigt, beseitigt werden. Innerhalb der SEPA wird auch der Umgang mit Bargeld und dessen Distribution und Wiederverwendung in Angriff genommen. Hierfür wurde 2006 das SECA Framework verabschiedet. SECA steht für Single Euro Cash Area. Das SECA Framework hat zum Ziel, gemeinsame Regelungen für die Bargelddistribution und Wiederverwendung im Einzelund Großhandel zu schaffen und hierfür die optimalen Verfahren zu identifizieren.
4.
Argumente für und gegen Outsourcing
Seit Jahren hält die Diskussion um die Sinnhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit von Outsourcing im Allgemeinen und Outsourcing im Zahlungsverkehr im Speziellen an. Dabei haben Gegner und Befürworter viele Argumente gegen und für das Outsourcing gefunden. Für das Outsourcing des Zahlungsverkehrs hat sich ein harter Kern an Argumenten herauskristallisiert. Im Folgenden soll allerdings weniger auf die generelle Stichhaltigkeit dieser eingegangen werden, sondern vielmehr auf die Veränderung ihrer Gewichtigkeit unter dem Einfluss der SEPA. Grundsätzlich sorgen die mit SEPA gleichzeitig einhergehenden Entwicklungen, wie bedeutende Investitionen für Hard- und Software einerseits sowie erhöhter Preis- und Wettbewerbsdruck andererseits, dafür, dass Banken sich verstärkt dem Zukauf von BackofficeAbwicklungsdienstleistungen zuwenden. Die Bündelung großer Transaktionsvolumen bei spezialisierten ZV-Dienstleistern ermöglicht die nachhaltige Generierung von Economies of Scale and Economies of Scope.
84
4.1
Michael Steinbach / Benjamin Syrbe
Wirtschaftliche Vorteile, Variabilisierung der Kosten, Kostentransparenz
Die wirtschaftlichen Vorteile des Outsourcings des Zahlungsverkehrs sind seit längerer Zeit bekannt. Neben den sicherlich anerkannten Standardargumenten, dass Zahlungsverkehrsdienstleister durch die Verlagerung der Abwicklung an günstigere Standorte, durch die Unabhängigkeit vom Lohntarifvertrag der Banken und durch die Reduzierung von Komplexitätskosten aufgrund der Fokussierung auf ein standardisiertes Produktangebot signifikante Kostensenkungen realisieren können, zentriert sich die Debatte um wirtschaftliche Vorteile des Outsourcings im Wesentlichen auf folgende Kernargumente: Das erste dieser Argumente ist die Umwandlung fixer in variable Kosten. Bekanntlich wird Outsourcing in der Finanzdienstleistungsbranche fast schon als Synonym für die Industrialisierung der Branche verwandt – und das aus gutem Grund. Die Industrie hat die Probleme als erstes erkannt und damit begonnen die Produktionstiefe zu verringern und damit fixe in variable Kosten umzuwandeln. Fixe Kosten stellen nämlich ein umso größeres Problem dar, je höher der Anteil der fixen Kosten am Produktpreis und je größer die Volatilität der Produktionsauslastung ist. Beide Bedingungen sind im Zahlungsverkehr sehr stark ausgeprägt. Typischerweise liegen die fixen Kosten hier bei circa 60 bis 80 Prozent des Produktpreises. Die Volatilität der Auslastung ist ebenfalls enorm (siehe Abbildungen 5 und 6). Zwischen den Tagen mit der geringsten und den Tagen mit der höchsten Auslastung liegen im Extremfall bis zu 90 Prozent Unterschied.
Au gu Se st pt em be r O kt ob er N ov em be D r ez em be r
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Ja nu ar Fe br ua r
Anzahl Transaktionen
Transaktionen pro Monat
Abbildung 5: Zahlungsverkehr – Transaktionen pro Monat Quelle: Equens Research
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85
Anzahl Transaktionen
Transaktionen pro Arbeitstag
1
3
5
7
9
11
13
15
17
19
21
23
Arbeitstag im Monat
Abbildung 6: Zahlungsverkehr – Transaktionen pro Arbeitstag Quelle: Equens Research Die Problempunkte fixer Kosten werden durch die SEPA zusätzlich verschärft. Zwar wird die SEPA die Volatilität im Zahlungsverkehr voraussichtlich nicht so stark beeinflussen, aber durch die enormen Investitionen in die Infrastruktur, die notwendig sind, um SEPA-fähig zu werden, wird sich der Fixkostenanteil nochmals erhöhen und daher die Variabilisierung noch attraktiver machen. Die Fixkosten stellen auch den Kern des zweiten wesentlichen Arguments dar. Der hohe Fixkostenanteil im Gesamtprozess entsteht im Wesentlichen durch zwei Faktoren – IT und Personal. Die IT-Kosten entstehen durch Hardware und Software, Projektkosten, Wartungsaufwendungen und sonstige Kosten wie Energiekosten, etc. Die Personalkosten entstehen durch die Notwendigkeit der laufenden Weiterentwicklung und laufenden Support des Systems sowie durch Mitarbeiter, die die tägliche Abwicklung des Zahlungsverkehrs steuern und nicht STP-fähige Zahlungen manuell nachbearbeiten. Beide Kostenblöcke eignen sich hervorragend, um Economies of Scale zu schaffen. Sowohl die Fixkosten für IT als auch für Personal lassen sich gut auf mehrere Banken verteilen, da diese bei steigendem Transaktionsvolumen deutlich geringer mitwachsen. Die SEPA wird auch hier einen starken Einfluss ausüben. Um die Anforderungen an die Abwicklung von SEPA Zahlungen zu erfüllen, sind – wie bereits erwähnt –erhebliche Investitionen in die Infrastruktur notwendig. Die teilweise schon Jahrzehnte alten, zumeist Hostbasierten Großrechnersysteme, die im Zahlungsverkehr bei vielen Banken in Europa im Einsatz sind, erfordern nicht nur einen hohen Anpassungsaufwand, sondern werden durch ihre fehlende Flexibilität mittelfristig durch Neuentwicklungen abgelöst werden müssen. Eine solche Neuentwicklung kann leicht eine zweistellige Millioneninvestition bedeuten. Nicht jede Bank wird sich eine solche Investition leisten wollen, insbesondere vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Entwicklungen, dass
86
Michael Steinbach / Benjamin Syrbe
sich durch die SEPA europaweite Abwickler bilden werden, die enorme Volumen auf einer Plattform bündeln werden und dadurch äußerst attraktive Preise für die Zahlungsverkehrsabwicklung anbieten können und bedingt durch die zu erwartende Preiskonvergenz und den stärkeren Wettbewerb innerhalb des mit SEPA entstehenden „Euro-domestic Marktes“, die Institute neue Geschäftsmodelle entwickeln müssen, um mögliche Ertragsreduktionen im Zahlungsverkehr zu vermeiden bzw. zu minimieren. Das letzte wichtige Argument ist die Kostentransparenz und die damit einhergehende einfachere Planbarkeit der Kosten. Durch die Auslagerung der Zahlungsverkehrsabwicklung in eine eigenständige Gesellschaft oder die Verlagerung an einen unabhängigen spezialisierten Dienstleister können die Banken im Voraus genau kalkulieren, welche Kosten durch eine Transaktion entstehen. Viele Banken haben zwar selbst einen Überblick über die Kosten schon allein, um gegenüber ihren Kunden vernünftige Preise stellen zu können – aber oft ist es mit enormen Aufwänden verbunden die eindeutigen Kosten der unterstützenden Unternehmensbereiche, d.h. Controlling, Revision, Personal, Facility Management, etc., zu quantifizieren. Durch die Verlagerung wird dieser Prozess indirekt ebenfalls mit an den Dienstleister übergeben und erleichtert somit die Planbarkeit der Kosten für die Banken.
4.2
Einmalaufwand aus Restrukturierungen/Personalabbau
Ein oft genanntes Argument gegen das Outsourcing ist der Aufwand, der aus den notwendigen Restrukturierungen und dem damit auch verbundenen Personalabbau entsteht. Mit Einführung der SEPA und den daraus sich ergebenden Entwicklungen, wie erhöhte Preistransparenz und zunehmend stärkerer Wettbewerb der europäischen Banken über Ländergrenzen hinweg, verliert dieses Argument immer mehr an Bedeutung. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sind Banken ohnehin aufgefordert im Zuge der SEPAEinführung eine Überprüfung ihrer Kostenstrukturen und Geschäftsmodelle vorzunehmen. Insbesondere europäische Länder, deren Preise für den Zahlungsverkehr vergleichsweise noch sehr hoch sind, werden unter enormen Druck geraten ihre Kosten im Zahlungsverkehr zu senken. Zusätzlich wird das Angebot von Outplacementberatungen, Übergangsregelungen für oder Übernahme des Personals durch den Oursourcingpartner eine immer größere Rolle spielen.
SEPA – Herausforderungen und Chancen …
4.3
87
Systemanpassungen und Sonderabschreibungen auf Systeme
Die Anpassungsaufwände und eventuelle Sonderabschreibungen auf die bestehenden ITSysteme sind ein beliebtes und oft genutztes Argument gegen ein Outsourcing. Dabei müssen die Kosten, die hier tatsächlich entstehen können, sehr differenziert betrachtet werden. Die Anpassungsaufwände sind einerseits abhängig vom System und dem Dienstleistungsangebot des Outsourcingpartners, andererseits aber auch von den Anforderungen und dem System der outsourcenden Bank. Der erste Punkt sollte derzeit keinen größeren Kostenblock mehr darstellen, da markt- und wettbewerbsorientierte Dienstleister heute über äußerst flexible Systeme verfügen, die modular und Workflow-orientiert aufgebaut sind und so eine Anbindung neuer Mandanten deutlich vereinfachen und beschleunigen. Die Anforderungen der auslagernden Bank sollten, sofern sie dem Standarddienstleistungsportfolio der Anbieter auf dem Markt in hohem Maße entsprechen, ebenfalls keine größere Hürde darstellen. Lediglich etwaige Sonderanforderungen der auslagernden Bank können unter Umständen einen erheblichen Mehraufwand und damit höhere Kosten verursachen. Es ist im Übrigen auch eine Tatsache, dass in einer Marktwirtschaft Standardprodukte zu günstigen Standardkonditionen und individuelle Produkte zu etwas teureren Konditionen angeboten werden. Die Zahlungsverkehrsabwicklung stellt hier keine Ausnahme dar. Das gewichtigste Argument bleibt auf jeden Fall der Integrationsgrad des Systems der auslagernden Bank. Hochintegrierte Systeme können die Realisierung eines Outsourcingvorhabens deutlich erschweren, da die Anpassungsaufwände hier beachtliche Ausmaße annehmen können. Zusätzlich kann eine eventuell notwendige Sonderabschreibung auf das Altsystem die Wirtschaftlichkeit des Outsourcings für die auslagernde Bank verschlechtern. Beide letztgenannten Punkte erfahren allerdings durch die Einführung des einheitlichen Zahlungsverkehrsraumes einen zunehmenden Verlust ihrer Bedeutung. Studien, die die Kosten der SEPA-Implementierung in Europa schätzen oder bei den Banken erfragen, belegen dies. So geht die Studie der TowerGroup von Gesamtkosten für alle Banken in Europa in Höhe von über acht Milliarden Euro aus, die der Boston Consulting Group kommt auf fünf Milliarden Euro und Accenture wiederum geht von über drei Milliarden Euro für die 100 größten Banken in Europa aus. Die Studie von Accenture macht zusätzlich deutlich, dass die Extrapolation dieses Ergebnisses auf alle europäischen Banken sogar die Schätzung der TowerGroup übertreffen könnte. Welche dieser Prognosen letztendlich zutreffend sein wird, lässt sich nur schwer vorhersagen. Die Ergebnisse geben aber auf jeden Fall einen Eindruck der enormen Investitionen, die notwendig sind. Vor diesem Hintergrund ist es sehr wahrscheinlich, dass viele Banken ohnehin ihre Zahlungsverkehrssysteme und General Ledger Systeme mittelfristig erneuern müssen. Oftmals wird sich dann eine vollständige Neuentwicklung eher rechnen als die Altsysteme SEPA-fähig zu machen.
88
4.4
Michael Steinbach / Benjamin Syrbe
Qualitäts- und Kontrollverlust
Die nationalen rechtlichen Rahmenbedingungen, wie beispielsweise die Bestimmung des § 25a Absatz (2) KWG, die Rundschreiben 11/2001 und 18/2005 der BaFin sowie klar geregelte vertragliche Abreden (beinhaltend unter anderem Service Level Agreements), stellen schon seit geraumer Zeit einen verlässlichen Rahmen dar, um Qualität und Kontrolle auch nach der Auslagerung garantieren zu können. In Großteilen Europas existieren dem bundesdeutschen Recht vergleichbare Regelungen bzw. erfolgt eine Harmonisierung auf nationaler Ebene, soweit ein einheitlicher Standard noch nicht gegeben ist.
5.
Mehrwerte generieren durch SEPA
Die Vereinheitlichung des Zahlungsverkehrs schafft nicht nur Veränderungen für die Standardinstrumente wie Überweisungen, Lastschriften und Kartenzahlungen, sondern bietet gleichzeitig auch die einmalige Chance innerhalb Europas Mehrwertdienste zu etablieren, die auf dieser pan-europäischen Infrastruktur aufsetzen können und diese wiederverwenden.
5.1
E-Payments
E-Payments sind beispielsweise schon seit einiger Zeit in aller Munde. PayPal ist mit über 100 Millionen Anwendern weltweit, auch dank der eBay Gemeinde, eines der erfolgreichsten E-Payment Verfahren. Auch Google könnte zukünftig mit seinem Service Googlecheckout eine bedeutende Rolle spielen. Ebenso hat Microsoft vor einiger Zeit angekündigt ein Verfahren für Kleinstbeträge etablieren zu wollen, welches aufgrund der breiten Basis von Windows und Xbox Nutzern durchaus gute Chancen hätte ein Erfolg zu werden. Allen diesen Verfahren ist jedoch gemein, dass sie nicht durch Banken initiiert und verbreitet werden. Was aber tun Banken auf diesem Sektor und wie kann die Einführung der SEPA diese unterstützten? Als Antwort auf die Herausforderer im E-Payment Markt haben Banken in den vergangenen Jahren auf nationaler Ebene die sogenannten „Online-Banking-basierten EPayment-Verfahren“ eingeführt. Die Funktionsweise dieser Verfahren ist dabei genauso einfach wie effektiv. Ein Käufer, der sich gerade auf dem Portal eines Online Shops an der virtuellen Kasse befindet, findet dort wie gewohnt die verschiedenen Zahlungsarten –wie beispielsweise Kreditkarte, Zahlung per Nachname oder Rechnung, usw. – vor. Zusätzlich besteht jedoch die Möglichkeit des Online Banking basierten Zahlens. Der Käufer wählt
SEPA – Herausforderungen und Chancen …
89
diese Option als Zahlart und anschließend seine Bank aus und gelangt per Rerouting auf die Seite seiner Bank. Dort muss sich der Käufer wie gewohnt authentifizieren und findet eine vorausgefüllte Überweisungsvorlage vor, welche nur noch per TAN (oder mittels einer anderen Authentifizierung) bestätigt werden muss. Der Vorteil dieser Verfahren liegt darin, dass die Nutzer keine neue Registrierung, Karten, Authentifizierung oder ähnliches beantragen müssen, um teilnehmen zu können. Der Vorteil für den Händler ist eine sofortige Zahlungsgarantie. Für die Banken liegt der Vorteil vor allem in der Wiederbenutzung der bestehenden Infrastruktur, denn die Online Banking-Systeme und die Zahlungsverkehrsinfrastruktur, über die die Zahlungen abgewickelt werden, bestehen ja bereits. In einigen europäischen Ländern, wie beispielsweise den Niederlanden (Verfahren: iDEAL), sind diese Verfahren bereits überaus erfolgreich. Derzeit gibt es in vielen weiteren europäischen Ländern ähnliche Verfahren wie iDEAL in den Niederlanden (giropay in Deutschland, solo in Finnland, eps in Österreich, eDankort in Dänemark …), die alle eine Erfolgsgeschichte sind oder zu werden scheinen. Diesen Trend hat die EPC E-Payment Working Group als strategische Richtung für Europa ausgemacht und bemüht sich um einen Europäischen Standard hierzu, damit auch im Internet die Ländergrenzen fallen. Aber nicht nur die Online-Banking-basierten E-Payment Lösungen der Banken haben hohes Entwicklungspotenzial. Es ist vielmehr ein genereller Trend beobachtbar, dass E-Payment Lösungen ihre Anwendungsgebiete und damit natürlich auch ihr Potenzial ausweiten. So ist beispielsweise die Oyster Card, welche ursprünglich eingeführt wurde, um für die Nutzung Londons öffentlicher Verkehrsmittel kontaktlos bezahlen zu können, mittlerweile zu einer viel breiteren Lösung herangewachsen. Die Zeitung am Kiosk soll man mit der Oyster Card heute schon bezahlen und bis Ende des Jahres wird die Oyster Card in Kooperation mit Barclays und Visa auch mit Kreditkartenfunktion erhältlich sein. Das Online Banking basierte EPayment Verfahren wird nach dem Willen des EPC in einer Variante das sogenannte elektronische Mandat für die SEPA Lastschrift in dematerialisierter Form darstellen. Auch E-Purses (elektronische Geldbörsen), wie Proton in Belgien oder die Geldkarte in Deutschland, erweitern ihre Anwendungsgebiete. Bereits heute werden sie als Altersverifikationsinstrumente z.B. an Zigarettenautomaten genutzt und könnten zukünftig auch als Single-sign-on oder ETicketing Lösungen dienen. E-Payments sind aber nicht nur erwähnenswert, weil sie ihre Anwendungsgebiete und somit ihr Potenzial ausweiten, sondern auch, weil sie immer stärker mit klassischen Zahlungsinstrumenten wie Kredit- und Debitkarten oder Lastschriften verschmelzen und in andere Geschäftsbereiche (z. B. E-Invoicing) hineinwachsen bzw. diese sogar erstmals erschließen.
90
5.2
Michael Steinbach / Benjamin Syrbe
E-Invoicing
Ein weiteres derzeit heiß diskutiertes Thema ist das sogenannte E-Invoicing – die elektronische Rechnung. Das Prinzip ist auch hier denkbar einfach. Anstatt Rechnungen per Papier in den Briefkasten geliefert zu bekommen, kann man diese auch einfach elektronisch erhalten. Von vielen Telekommunikations- und Internetunternehmen wird dies heute bereits praktiziert, indem E-Mail Rechnungen versandt werden oder die Rechnung auf einem Portal herunter geladen werden kann. Der Vorteil für die Unternehmen liegt auf der Hand. Einerseits brauchen die ohnehin elektronisch bereits vorliegenden Rechungen nicht mehr aufwändig gedruckt, kuvertiert und versandt zu werden, andererseits muss auf der Empfängerseite niemand die Rechnungsdaten manuell wieder erfassen. Enorme Einsparpotenziale – die EU Kommission geht von circa 50 bis 100 Milliarden Euro jährlich innerhalb Europas aus –bleiben jedoch bisher weitgehend unerschlossen, denn noch immer werden circa 97,5 Prozent aller Rechnungen weltweit per Post versandt. Im Bereich der Rechnungen zwischen Unternehmen verhindern national (und nicht europäisch) ausgerichtete gesetzliche Regelungen und die geringe Verbreitung von Standards die weitere Verbreitung der elektronischen Rechnung. Im Bereich der Rechnungen zwischen Unternehmen und Konsumenten verbreitet sich die elektronische Rechnung ebenfalls noch zögerlich. Die vielen verschiedenen Zugangsdaten und Registrierungsprozesse bei den Internetportalen der Rechnungssteller und die fehlende Möglichkeit den Bezahlvorgang sofort anzustoßen, stellen derzeit die größten Hürden dar. Insbesondere in den skandinavischen Staaten ist das E-Invoicing schon deutlich stärker verbreitet. Hier haben die Banken frühzeitig die Chancen für das Online Banking gesehen und bieten den Unternehmen die Möglichkeit Rechnungen direkt ins Online Banking zu versenden. Der Nutzer kann dann sofort die Zahlung autorisieren, ohne nochmals die Daten manuell eingeben zu müssen. Auch hier liegt der große Vorteil für die Banken, der durch die Einführung moderner XML-fähiger SEPA Systeme noch verstärkt wird, in der Wiederverwendung der bereits bestehenden Infrastruktur. Auch weitere Mehrwertdienste, die durch die SEPA initiiert werden oder einen Schub erfahren könnten, sind denkbar. So wäre es beispielsweise möglich die Online Banking Authentifikation auch für andere Anbieter nutzbar zu machen. Der Vorteil für die Nutzer bestünde darin sich mit ihren bekannten Authentifikationsdaten ohne weitere Registrierungsprozesse bei andern Anbietern wie Online Shops, Ticketverkäufern, etc. anmelden zu können. Die Bank gibt die Authentifikationsdaten natürlich nicht weiter, sondern liefert lediglich die angefragten und vom Nutzer freigegebenen Daten an den Anbieter.
SEPA – Herausforderungen und Chancen …
6.
91
Equens – ein Beispiel für die gelungene Umsetzung der SEPA Vision
Auf den vorangegangenen Seiten wurde ausführlich über den europäischen Markt und dessen Struktur, die Argumente für und gegen das Outsourcing sowie über die anstehende Konsolidierung berichtet. Wie sehen aber in diesem Umfeld eine erfolgreiche Strategie und deren Umsetzung genau aus? Die Entstehung von Equens soll dies an einem Beispiel verdeutlichen.
6.1
Entstehung eines „Truly European Players“
Equens entstand aus der ersten länderübergreifenden Fusion innerhalb des europäischen Zahlungsverkehrsmarktes zwischen der niederländischen Interpay und dem deutschen Transaktionsinstitut. Diese Fusion, welche im Februar 2006 öffentlich bekannt gemacht und formal am 30.11.2006 erfolgreich abgeschlossen wurde, markierte zugleich den Beginn der europäischen Konsolidierung im Zahlungsverkehrsmarkt. Entstanden ist hierdurch der erste wirklich europäische Zahlungsverkehrsdienstleister. Equens hat Standorte in Deutschland und den Niederlanden und zählt etliche internationale Banken – wie ABN AMRO, DZ BANK, Citigroup, OP Bank Group, ING, KBC, Rabobank und viele weitere – zu seinen Kunden. Durch die strategische Partnerschaft mit der belgischen Fin-Force können beide Partner ihr Serviceportfolio abrunden. Die Fin-Force, ein Tochterunternehmen der belgischen Großbank KBC, wickelt innerhalb dieser Partnerschaft alle nicht auf Euro lautenden Zahlungen ab. Equens wiederum wickelt alle nationalen und europäischen auf Euro lautenden Massenzahlungen ab. Eine gegenseitige Beteiligung der Anteilseigner beider Unternehmen demonstriert zusätzlich die langfristige Absicht dieser Partnerschaft.
6.2
Warum ist diese Strategie sinnvoll?
Die bereits beschriebenen Veränderungen durch den einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraum lassen diese Strategie nicht nur sinnvoll erscheinen, sondern machen sie geradezu zu einer Notwendigkeit. Die durch SEPA entstehende europäische Transparenz der Kosten und Preise im Zahlungsverkehr wird mittelfristig stärkeren Wettbewerb, sinkende Margen für Banken und Transaktionsdienstleister und einen dadurch verstärkten Konsolidierungsdruck bedeuten. In diesem Umfeld werden Banken umso stärker profitieren können, je mehr Volumen sie selbst oder der Dienstleister, an welchen sie angeschlossen sind, bündeln kann.
92
Michael Steinbach / Benjamin Syrbe
Equens und seine Mandanten sind mit den jährlich sieben Milliarden verarbeiteten Transaktionen heute schon sehr gut aufgestellt, um von den hieraus entstehenden Skaleneffekten und den Synergien der Konsolidierung profitieren zu können. Equens ist als Profit Center aufgestellt, hat aber nicht die Maximierung des Shareholder Value zum Ziel. Vielmehr gilt es, die durch Bündelung der Transaktionsvolumen auf einer Abwicklungsplattform und Realisierung höchst effizienter Abwicklungsprozesse entstehenden Synergien in maximal günstige Abwicklungspreise für die Banken umzusetzen. Durch das komplette und zugleich modulare Produkt- und Serviceportfolio von Equens können Banken entweder alle Zahlungsverkehrsdienstleistungen von Equens beziehen oder sich die benötigten Leistungen einzeln zusammenstellen. Die aktuelle Ausgangslage von Equens bietet eine optimale Wettbewerbsposition zur weiteren aktiven Gestaltung des zukünftigen europäischen Marktes. Zudem erlaubt das Geschäftsmodell und die Governance Struktur, die sich durch eine hohe Flexibilität und die Bereitschaft neue Anteilseigener aufzunehmen auszeichnen, dass Equens aktiv am Markt agieren und seine Aktivitäten ausweiten kann. Die laufenden Verhandlungen zwischen Equens und der italienischen Seceti zur Gründung eines gemeinsamen Unternehmens – Equens Italia – untersteichen dies.
6.3
Vision 2010+
Es ist davon auszugehen, dass für den Zahlungsverkehrsmarkt in Europa nach dem Jahr 2010 nur noch eine wesentliche pan-europäische Infrastruktur bestehen wird. Alle nationalen Infrastrukturen, die derzeit noch separat und parallel nebeneinander betrieben werden, werden zu diesem Zeitpunkt deutlich an Bedeutung verloren haben. Es ist derzeit allerdings nicht mehr davon auszugehen, dass die nationalen Zahlungsverkehrsformate und -systeme bis Ende 2010 vollkommen ersetzt sein werden. Vielmehr ist es das gemeinsame Ziel der EU Kommission, der Europäischen Zentralbank und des EPC, dass bis dahin eine kritische Masse an Zahlungen über die SEPA-Infrastruktur abgewickelt wird und somit die Unumkehrbarkeit des einheitlichen Zahlungsverkehrsraumes sichergestellt wird. In diesem Szenario wird nach 2010 die Konsolidierung schon deutlich vorangeschritten sein und drei bis fünf konkurrierende Zahlungsverkehrsdienstleister in Europa, die jeweils mindestens zehn Milliarden Transaktionen jährlich abwickeln, werden sich deutlich über die Hälfte des gesamten europäischen ZVTransaktionsvolumens teilen. Der Zeitpunkt, um sich im Markt als einer dieser Anbieter zu positionieren, ist jetzt. Für Banken gilt es ebenfalls jetzt zu handeln, Geschäftsmodelle im Hinblick auf SEPA anzupassen, eine Strategie festzulegen und sich dann entsprechend selbst als Insourcer zu positionieren oder (Teil-)Leistungen aus der Backoffice-Prozesskette des Zahlungsverkehrs zuzukaufen.
Automatisierung erobert die Marktbearbeitung
93
Automatisierung erobert die Marktbearbeitung Hans-Christian Boos
1. Überblick 2. Klassische Outsourcingpotenziale 2.1 Grenzen des klassischen Outsourcings – Vertrieb und Marketing 2.2 Umgang mit diesen Grenzen auf der IT-Seite 2.3 Was lässt sich im Vertriebs- und Marketingunterstützungsumfeld auslagern, und wie? 3. IT-Strategen und die Geschichte des Wirtschaftens 3.1 IT Produktion heute 3.2 Optimierungsansätze 3.3 Der Vergleich zur Warenproduktion 3.4 Änderung der Produktionsstrategie 4. Realität der Automatisierung 4.1 Marketing- und Vertriebsunterstützung als „First Mover“ 4.2 Skaleneffekte und Automatisierung: Kundenvorteile am Beispiel der Marktbearbeitung in der Fondsindustrie 5. Automatisierung im Detail 5.1 Status Quo der Automatisierung 5.2 Der Wunschprozess in der IT-Betreuung 5.3 M–A-R-S: von technisch abgeschlossenen Welten zur prozessualen Gesamtbetrachtung 5.4 Messen und Zusammenhänge abbilden 5.5 Regeln – einleuchtend und leicht wiederverwertbar 6. Positive Nebenwirkungen der Automatisierung – industrielle Arbeitsprozesse, proaktives Reporting und Skill Management 7. ITIL-Prozesse und Automatisierung
94
Hans-Christian Boos
7.1 ITIL als Basis für die Automatisierung 7.2 Reaktive und proaktive Prozesse nach ITIL 7.3 Die Grenzen von ITIL 7.4 Datenerfassung und Monitoring als Grundlage für eine Automatisierung 8. Zusammenfassung
Automatisierung erobert die Marktbearbeitung
1.
95
Überblick
Die IT gestützten Marketing-, Sales- und generell Frontofficeaktivitäten im Finanzsektor werden meist beim Abschluss von Outsourcingverträgen ausgeklammert. Die Finanzdienstleister fürchten bei der Auslagerung dieser Dienste um ihre Alleinstellungsmerkmale, die sich häufig in diesen Frontoffice- Prozessen finden. Im gleichen Maße fürchten die ITDienstleister um ihre Margen, die sich nur mit Standardisierung und Konsolidierung – der Nutzung von Skaleneffekten – erwirtschaften lassen. Genau diese Skaleneffekte sind aber nicht zu erzielen, wenn die Alleinstellungsmerkmale der Kunden nicht verloren gehen sollen, weil eben nicht über mehrere Kunden hinweg ein Standard geschaffen oder mehr als nur die technische Basisinfrastruktur gemeinsam genutzt werden kann. Sowohl Finanz- als auch IT-Dienstleister haben ein Interesse daran, das Outsourcing nicht nur in der Prozesstiefe, sondern auch in der Prozessabdeckung zu erweitern. Nachdem für die Abwicklung die Auslagerung des Gesamtprozesses realistisch verfügbar ist und die anderen Back- und Middleoffice-Prozesse zumindest mit entsprechender Fachunterstützung von der IT-Seite her einkaufbar sind, ist die Erschließung der Frontofficeprozesse der nächste logische Schritt auf diesem Weg. Die IT-Dienstleister müssen genügend fachlich qualifizierte Ressourcen bereitstellen, um die individuellen Prozesse und IT-Dienste ihrer Kunden betreuen zu können. Gleichzeitig muss diese Betreuung aber günstiger sein, als dies beim Finanzdienstleister selbst möglich wäre. Die üblichen Maßnahmen scheiden, wie bereits dargelegt, aus. Der Weg aus dem Dilemma ist die Automatisierung des Betriebes hinter der fachlichen Betreuung. So können Ressourcen eingespart werden und dennoch die Individualität der Anwendungen und der Betreuung erhalten bleiben.
2.
Klassische Outsourcingpotenziale
Abgesehen von der Intention, seine Kräfte auf das eigene Kerngeschäft zu fokussieren, ist das Ziel der Auslagerung von Tätigkeiten immer eine Kombination aus Senkung der operativen Kosten sowie Steigerung der Qualität. Was sich zunächst anhört wie die Quadratur des Kreises, ist bei näherer Betrachtung gut zu erreichen. Bei einem Dienstleister, der sich auf ein bestimmtes Feld spezialisiert, verbessert sich die Qualität nicht nur durch die wachsenden Erfahrungen in der Produktion, sondern auch durch die Anforderungen einer Massenproduktion. Gleichzeitig sinken aber durch die Produktion großer Chargen die Stückkosten. Modern
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Kosten pro Stück (Durchschnittskosten)
wird dieses scheinbare Phänomen mit dem Begriff „Economies of Scale“ oder dem altbackenerem deutschen Skaleneffekt bezeichnet. Schaut man hinter diese Begriffe, so ist es sinnig, dass bei der Produktion einer einzigen Einheit die Kosten für das ganze Umfeld der einen Einheit zugeschrieben werden und bei der Produktion von vielen Einheiten die Kosten des Umfeldes eben auf viele verteilt werden können, was jede Einheit entsprechend verbilligt. Das funktioniert solange, wie die Kosten des Umfeldes geteilt durch die produzierten Einheiten mit wachsender Zahl der Einheiten langsamer steigen als die Anzahl der produzierten Einheiten. Da in den Umfeldkosten Sprünge (zum Beispiel beim Bau einer neuen Fabrik) enthalten sind oder steigende Organisationskosten die Umfeldkosten kontinuierlich ansteigen lassen, lässt sich eine Kostensenkung durch Skaleneffekte nicht bis ins Unendliche fortführen. Dort wo sie greifen, bringen sie allerdings eine Senkung der Produktionskosten pro Stück mit sich. Damit ist das vorrangige Ziel der Kostensenkung durch Auslagerung einer Leistung an einen Spezialisten erfüllt.
Diseconomies of Scale
Economies of Scale
Abbildung 1:
Optimum
Output
Produktionskostenentwicklung unter Skaleneffekten
Gleichzeitig hat ein solcher Spezialist auch ein großes Interesse an der Qualität seiner Leistung. Denn stimmt die Produktionsqualität einer Einheit nicht, dann entspricht sie wahrscheinlich – siehe Skaleneffekte – auch bei den anderen produzierten Einheiten nicht den Anforderungen. Damit würde der Hersteller seine Kunden en Block verärgern und schließlich verlieren. Dass sich ein Hersteller einen solchen Exodus nicht leisten will und darum ein wachsames Auge auf die Produktionsqualität hat, ist offensichtlich. Es ist aber auch klar, dass durch die Massenherstellung und die zentrale Problembetreuung Fehler leichter gefunden werden bzw. statistisch häufiger auftreten. Mithin lassen sie sich eben auch schneller beheben als bei der Herstellung von Einzelstücken. Dieses Phänomen ist aus der Herstellung von Einzelstücken in der Automobilindustrie bekannt. Die handgefertigten Karosserien einer englischen Nobelmarke sind zwar mit einem unschlagbaren Image und unzweifelhafter Eleganz ausgestattet. Vergleicht man jedoch ihre Fehleranfälligkeit mit der Karosse eines normalen Mittelklassewagens, so muss sich jeder, der auf sein Auto und seine Sicherheit angewiesen ist, aus Qualitätsgesichtspunkten für letzteren entscheiden.
Automatisierung erobert die Marktbearbeitung
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Diese beschriebenen Potenziale der Auslagerung können in allen Wirtschaftsbereichen genutzt werden, also auch im Finanzsektor. Dort gibt es Auslagerungsansätze an den unterschiedlichsten Stellen. Sei es im Bereich der Produktherstellung, wo bestimmte Investmentansätze von Spezialisten für das eigene Haus eingekauft werden oder in der Abwicklung, wo ganze Geschäftsprozesse, wie die Ausführung des Handels oder die Betreuung von Kundendepots ausgelagert werden. Bei der tatsächlichen Strukturierung von Auslagerungen werden aber oft nur die generell erkennbaren Möglichkeiten und nicht die detaillierten Konsequenzen einer Auslagerung – sowohl von den Kunden als auch den Dienstleistern – betrachtet. Dies kann Diskrepanzen in der Geschäftsbeziehung zur Folge haben.
2.1
Grenzen des klassischen Outsourcings – Vertrieb und Marketing
Die Auslagerung von Prozessen oder Infrastrukturleistungen hat natürlich ihre Grenzen. Diese lassen sich an Hand des Modells der Wertschöpfung von Porter1 leicht beschreiben. Es ist nicht möglich, eine Tätigkeit gänzlich auszulagern, von der man sich eine Differenzierung im Markt verspricht oder die in die Kernkompetenz des eigenen Unternehmens eingreift. Damit ist ein weites Diskussionsfeld eröffnet, denn es stellt sich die Frage, was gehört eigentlich zur Kernkompetenz und was ist marktdifferenzierend? Diese Frage kann jedes Unternehmen nur für sich selbst beantworten. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die reine IT (Infrastruktur, Bürokommunikation) bei der Betrachtung der Wertschöpfung generell nicht im Bereich der marktdifferenzierenden oder Kernkompetenzleistungen liegt und damit auf jeden Fall als Kandidat zur Auslagerung bereit steht. Grundsätzlich gilt dies auch für die Abwicklung des Wertpapiergeschäfts und die dazugehörige Konten- und Depotführung. Handelt es sich bei dem Institut, das eine Auslagerung ins Auge fasst, nicht um einen Abwicklungsanbieter, ist die Bereitstellung dieser Funktionen sicher kein wesentlicher Unterschied zur Konkurrenz und kann – mit gut berechenbaren und großen Skaleneffekten – ausgelagert werden. Strittiger ist bei den Finanzinstituten die Frage nach der Auslagerung des Produktdesigns oder sogar die Auslagerung der Produktproduktion selbst. Hier scheiden sich die Geister der Konzernpolitik. Betrachtet man den Finanzmarkt aber mit großer Distanz, wird ein Anbieter nicht umhin können, einem guten Kunden auch ein fremdes Produkt zu verkaufen. Institute wie die Credit Suisse haben bewiesen, dass der proaktive Umgang mit fremden Produkten wirtschaftlich sehr positive Auswirkungen hat. Die Credit Suisse schuf eine offene Plattform, über die nun verschiedene konzerneigene und konzernfremde Produkte an den Kunden verkauft wer1
Vgl. Porter, M. E.: Competitive Advantage, Auflage 1998.
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den. Dabei stehen die Qualität der Produkte und deren Zweckmäßigkeit für den Kunden im Vordergrund. Die Credit Suisse hat mit diesem Ansatz gutes Wachstum erzielt. Zum einen konnte sie ihren Kunden bessere Produkte verkaufen und zum anderen haben die internen Produkteinheiten durch die Konkurrenz einen Schub an Innovation und Qualität erfahren. Was die Credit Suisse dagegen nicht aus der Hand gegeben hat, ist die Vertriebsbetreuung beziehungsweise die Steuerung des Vertriebes. Damit sind wir an einer Grenze des Outsourcings angelangt, auf die man sich besonders in der Finanzindustrie getrost einigen kann: Die Kontrolle über den Vertrieb und das dazugehörige Begleitkonzert aus Marketing und PR darf nie aus der Hand gegeben werden. Das bedeutet nicht, dass Finanzinstitute nicht mit nur beschränkt kontrollierbaren externen Vertriebsorganisationen oder Partnern den Verkauf der eigenen Leistungen durchführen können. Verliert man aber die Kontrolle über die Art dieses Verkaufes, läuft man nicht nur in Haftungsprobleme, sondern wird ganz und gar austauschbar, da sich die im Finanzsektor vertriebenen Produkte in ihren technischen Parametern so wenig unterscheiden.
2.2
Umgang mit diesen Grenzen auf der IT-Seite
Diese Grenze – also die Kontrolle über die Art und Begleitung des Vertriebes zu bestimmen – erscheint vielen so einleuchtend, dass sie oft alle umliegenden Prozesse mit zur Kernkompetenz zählen. Das führt dazu, dass eine effektiv mit Auslagerung arbeitende Bank für die Erstellung eines Vertriebsunterstützungssystems mehrstellige Millionenbeträge investiert, um anschließend für deren technischen Betreuung ein Team aufzubauen, welches zum ausgelagerten IT-Betrieb eine vergleichbare Personalstärke aufweist. Ein ähnliches Vorgehen ist bei einem großen Fondsanbieter zu beobachten, der sich von einem Beratungshaus eine Vertriebsplattform entwickeln ließ. Diese muss er heute von einer großen Programmiertruppe im Hause betreuen und pflegen lassen, obwohl Baukastensysteme die Erstellung der gleichen Plattform wesentlich günstiger ermöglichen würden. Es ist festzustellen, dass gerade bei diesem Thema das Kind gelegentlich mit dem Bade ausgeschüttet wird. Die IT rund um den Vertrieb kann nicht standardisiert werden, da sie einen sehr individuellen und marktdifferenzierenden Ansatz unterstützen muss. Aber selbst wirkt die IT nicht marktdifferenzierend, zumindest nicht zwischen den modernen Anbietern, für die Straight-Through-Processing kein Wunsch, sondern Realität ist. Beschäftigt sich nun ein Institut mit der Erkenntnis, dass die IT, die für den Vertrieb benötigt wird, ausgelagert werden kann, ohne die Kontrolle über den eigentlichen Vertriebsprozess zu verlieren, liegt der „schwarze Peter“ oft beim IT-Dienstleister.
Automatisierung erobert die Marktbearbeitung
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Dort erkennt man schnell, dass die hoch individuellen Anwendungen des Vertriebes nicht standardisiert und nur schlecht konsolidiert werden können. Außerdem wissen die Experten der IT-Dienstleister auch, dass die Change- und Releasezyklen bei Vertriebs- und Marketingunterstützungssystemen sich nicht den Gesetzmäßigkeiten einer ordnungsgemäß betriebenen IT unterordnen lassen. Der Markt selbst ordnet sich schlicht nicht den Produktionszyklen der IT unter und damit auch nicht die marktnahen Systeme. Außerdem weiß man bei den ITExperten auch, dass das Risiko des Betriebes – in der Finanzwirtschaft würde man vom Value at Risk sprechen – bei Vertriebsunterstützungssystemen ob der hohen Visibilität und des direkten Einflusses auf das Kerngeschäft des Kunden erheblich ist. Darum werden, wenn Auslagerungsvorhaben anstehen, derartige Systeme im besten Falle zu sehr hohen Preisen mit in einen IT-Outsourcingdeal gepackt. Oftmals werden sie unter dem Aspekt „nur das Komplettpaket kann übernommen werden“ in den Deal ohne detaillierte Risikobetrachtung aufgenommen und „verhageln“ den Business Case für den IT-Dienstleister dann im laufenden Betrieb. Offensichtlich sind die beschriebenen realen Fälle extrem. Das Gebiet der Vertriebs- und Marketingunterstützungssysteme bietet sich aber für neue Ansätze bei der Durchführung von Auslagerungen an.
2.3
Was und wie lässt sich im Vertriebs- und Marketingunterstützungsumfeld auslagern?
Nähern wir uns der Antwort auf diese Frage von den leichten zu den schweren Themen. Natürlich ist es einfach, die IT-Infrastruktur im Bereich der Vertriebs- und Marketingunterstützung auszulagern. Das „Wie“ muss für diesen Fall nicht näher beleuchtet werden, da es bereits gängige Praxis ist. Ebenso kann man sagen, dass sich Zulieferprozesse, wie ein Callcenter oder ein Lettershop leicht auslagern lassen. Schwieriger wird es bei der Vertriebsunterstützungsplattform selbst. Deren Entwicklung lässt sich nur dann auslagern bzw. zur Kostensenkung mit den Entwicklungen anderer Institute kombinieren, wenn die Individualität des Vertriebsprozesses zu jeder Zeit erhalten bleibt. Einige IT-Anbieter (zum Beispiel die Firma Advisor Tech) haben hier exzellente Vertriebsprozesse angeboten, konnten aber im Markt nicht reüssieren, da es sich die Finanzinstitute nicht leisten können, die gleichen Prozesse wie ihre Konkurrenten im Vertrieb einzusetzen. Das bedeutet, die Plattform an sich kann nur dann aus ausgelagerten Leistungen erstellt werden, wenn diese im Sinne eines Baukastens den eigenen Prozess abbilden.
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n win Ge
Unternehmensinfrastruktur Personalwirtschaft
ne an sp
unterstützende Aktivitäten
Technologieentwicklung Beschaffung
Abbildung 2:
Eingangslogistik
Operationen
Marketing & Vertrieb
Ausgangslogistik
Kundendienst
Ge wi n n sp an ne
wertsteigernde (primäre) Aktivitäten
Die Wertschöpfungskette nach Porter
Aus Sicht der Finanzdienstleister kann die Betreuung einer solchen IT Vertriebsunterstützungsplattform aber sehr gut ausgelagert werden. Denn der Betrieb des marktdifferenzierenden Werkzeuges schaffe selbst keine Marktdifferenzierung – auch wenn seine Verfügbarkeit natürlich geschäftskritisch ist. Aber gerade letzteres sollte Motivation genug sein, die Betreuung eines solchen Werkzeuges in die Hände eines Unternehmens zu legen, das gerade die Betreuung von Plattformen zu seiner Kernkompetenz zählt. Damit liegt der „schwarze Peter“ bei den IT-Dienstleistern, die die ausgelagerte Betreuung solcher Plattformen nun anbieten müssen. Bei diesem Angebot muss berücksichtigt werden, dass die Skaleneffekte nicht greifen, da eine Standardisierung und damit eine Konsolidierung über mehrere Kunden hinweg nicht möglich ist. Außerdem sind die Änderungszyklen in der Umgebung so hoch, dass auch die Abschreibung einer Initialinvestition, also die Verteilung der Investitionskosten auf die gesamte Vertragslaufzeit, sich nicht mit der gewünschten Marge erzeugen lässt. Guter Rat scheint hier mit den klassischen Methoden teuer. In der Industrie reagierte man auf gleiche Anforderungen mit der massiven Senkung der Produktionskosten durch Automatisierung und dadurch entstehende Rationalisierung. Diese Entwicklung steht dem IT-Betrieb noch bevor. Sollen Frontendsysteme wie Vertriebs- und Marketingunterstützungs-plattformen erfolgreich – sowohl für den In- als auch für den Outsourcer – ausgelagert werden, dann ist ein rationalisierender Ansatz für die Auslagerung dieser Bereiche erforderlich. Die Automatisierung kann also die Auslagerung der IT-Systeme, die das Frontoffice unterstützen, überhaupt erst als gewinnbringend erschließen. Wo diese Systeme bisher als bittere Pillen an ITDienstleister vergeben wurden, bietet die Automatisierung zum ersten Mal die Möglichkeit, mit dem Betrieb solcher Umgebungen die gewünschte Marge zu erzielen und dabei die Qualitäts- und Kostenziele der Finanzdienstleister zu erreichen.
Automatisierung erobert die Marktbearbeitung
3.
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IT-Strategen und die Geschichte des Wirtschaftens
Der angesprochene Ansatz zur Lösung der Herausforderungen, die sich ergeben, wenn die erzielbaren Skaleneffekte nicht ausreichen, um die gewünschte Kostenreduktion abzubilden oder wenn – wie im Falle der vertriebsunterstützenden Systeme erst gar keine Skaleneffekte erzielt werden können, ist die Automatisierung. Automatisierung als Ansatz ist kein neues Gedankengut. Sie wurde in der industriellen Revolution zum ersten Male großflächig eingeführt und vergrößert ihren Einfluss auf heutige Produktionsprozesse immer noch stetig. In der IT ist sie aufgrund sozialer und technischer Herausforderungen noch am Anfang. Darum war es für uns bei arago eine besondere Herausforderung, die erste vollkommen automatisierte Betriebsumgebung aufzusetzen, die nicht nur von den verarbeiteten Mengen, sondern vor allem vom Prozess des Arbeitens wie eine Fabrik funktioniert. Um diese Automatisierung in der IT zu beginnen, lohnt es sich den Status Quo der Betreuung mit der industriellen Entwicklung zu vergleichen. Dabei zeigt sich, dass neben den durchaus gegebenen technischen Herausforderungen, vor allem soziale und prozesstechnische Änderungen angestoßen werden.
3.1
IT Produktion heute
Das Personal, das sich heute mit der Betreuung von IT-Systemen beschäftigt, ist in der Wahrnehmung anderer Kollegen ein vollkommen eigener Menschenschlag. Das zeigt sich nicht nur in der eigenen Sprache, die in der Kommunikation zwischen Bankern und "ITlern" oft genug für Verwirrung sorgt. Offensichtlicher zeigt es sich in der öffentlichen Wahrnehmung, die durch Filme wie „Office Space“ oder die BBC Fernsehserie „The IT Crowd“ gut gespiegelt wird. Dabei wird die IT-Betreuung als auf ihrem Gebiet höheres Wesen dargestellt, dessen Willkür ein Benutzer auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Dem ist auch auf anderen Gebieten so, denn wenn zum Beispiel ein Auto stehen bleibt, ist der durchschnittliche Benutzer dieses Autos auch auf die Hilfe eines Experten angewiesen. Die Leistungen von Automobilexperten sind allerdings so gut definiert, dass sich ein solcher nicht wie der Herrscher über das Auto seines Kunden aufführen kann, ohne eben jeden Kunden zu verlieren. In der IT ist das heute noch anders. IT-Betrieb wird heute meist nach einem besonderen Schema durchgeführt. Dabei werden alle eintreffenden Anfragen und Aufgaben im IT-Betrieb in einem großen Sack gesammelt und die möglicherweise zuständigen Administratoren picken sich an Hand eigener Prioritäten eine Aufgabe zur Erledigung heraus. Die eigenen Prioritäten reichen dabei von der Lautstärke des Kunden am Telefon bis hin zum technischen Interessantheitsgrad des zu lösenden Problems.
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Diese Arbeitsweise, die dem Administrator seinen olympischen Status garantiert, ist überholt und kann mit dem Umgang der Zünfte mit neuen Technologien im Mittelalter verglichen werden. Dabei sollten die IT-Leute bereits gelernt haben, dass sich ein solcher Status nicht lange erhalten lässt. Zu Beginn der Großrechnerära waren die Operatoren der Großrechner mit einer vergleichbaren Machtfülle ausgestattet. Mit der zunehmenden Technisierung der rechnerinternen Prozesse wurden die Aufgaben der Operatoren immer unwichtiger, bis sie schließlich zu reinen „Bandwechslern“ wurden. Ähnlich wird es auch dem derzeitigen Status der Administratoren ergehen, denn es ist von den Benutzern – den Kunden – sicher nicht langfristig zu erwarten, dass sie ihr Kerngeschäft der Willkür des technischen Pflegepersonals unterstellen.
3.2
Optimierungsansätze
Um den Status Quo zu verbessern, haben sich die IT-Strategen bisher einige gute Ansätze einfallen lassen. Diese zielen aber zum größten Teil nicht auf die eigentliche Arbeitsweise der Techniker ab. Man geht davon aus, dass ein guter IT-Techniker – ähnlich wie eine Werbediva – in Watte gebettet seinen Traum vom Gottsein auf der Maschine träumt und dabei die beste Arbeitsleistung erbringt. Optimierungsansätze fokussieren sich darum darauf, die Schnittstelle zwischen Kunden – Benutzern – und Administratoren und die Schnittstelle zwischen Administratoren mit unterschiedlichen Kompetenzen zu verbessern. Dabei werden verbesserte Kommunikationsprozesse, eine Verbesserung der Dokumentation, die Protokollierung aller Tätigkeiten und so weiter zum Bestandteil des Arbeitsprozesses. Meist geschieht dies, um die Arbeit besser auf verschiedene Teams verteilen zu können und um Nicht-Technikern zu ermöglichen, den Stand der technischen Bearbeitung zu verfolgen und dann ihrerseits – als Service Manager in Richtung der Kunden – eine menschenverständliche Kommunikation zu pflegen. Alle diese Optimierungsansätze, wie sie sich formal in ISO Standards und pragmatischer in der ITIL (Information Technology Infostructure Library) finden, sind gut und effektiv. Sie erreichen eine Verbesserung der Qualität und eine bessere Arbeitsauslastung bzw. bessere Arbeitsleitung bei den Administratoren. Sie erkaufen dies aber mit Overhead in anderen Bereichen. Zum Beispiel im Bereich der Kundenkommunikation, bei der ein Incident Manager vor den eigentlichen Administratoren mit den Kunden so lange über ein Problem spricht, bis der Administrator im Hintergrund eine Lösung gefunden hat oder bei dem ein Service Manager so lange über lange andauernde Probleme mit dem Kunden konferiert, bis die Incident Manager mit ihren Technikern ein Problem lösen konnten, was nicht auf eine isolierte Ursache zurückzuführen ist.
Automatisierung erobert die Marktbearbeitung
3.3
103
Der Vergleich zur Warenproduktion
In der klassischen Industrie werden solche Optimierungsrunden, in denen die Schnittstellen zwischen einzelnen Produktionsschritten, zwischen Kundenservice und Kunden, zwischen Vertrieb und Lagerverwaltung usw., überprüft werden inzwischen regelmäßig gefahren, weil die Margen einfach zu gering sind, als dass man sich unnötigen Overhead erlauben wollte. Der eigentliche große Schritt in der produzierenden Industrie war die Automatisierung. Sie war die treibende Kraft hinter der industriellen Revolution. Eine Dampfmaschine erledigte auf einmal die Arbeit von vielen Webern – bei gleichbleibender Qualität und mit wesentlich niedrigeren laufenden Kosten. Über die soziale Komponente dieses Geschehens kann lange spekuliert werden. Im Rückblick ist aber zu sagen, dass es den Mitgliedern einer Gesellschaft, die mit derart automatisierten Prozessen ihre Waren erzeugt, besser geht, als zu einem Zeitpunkt, zu dem dies nicht der Fall war. Es ist aber auch zu konzedieren, dass diejenigen, die für den Erhalt der Handweberei plädiert haben, sich nur noch einem sehr kleinen Liebhabermarkt gegenüber sahen und dementsprechend geringes Auskommen hatten. Man kann also feststellen, dass sich mit der Automatisierung die Art der Arbeit massiv verändert bzw. die Art zu Arbeiten der einzelnen sich massiv verändert. Der gleiche Prozess ist auch in der IT nicht zu vermeiden. Die Automatisierung ist die logische Weiterentwicklung der momentan vorherrschenden Handarbeit. Diese Handarbeit kann nicht aus nostalgischen Gründen erhalten werden. Dazu sind Abhängigkeiten von den ITSystemen und die Erhaltungskosten der IT einfach zu groß.
3.4
Änderung der Produktionsstrategie
Es geht um eine radikale Änderung der Produktionsstrategie. Das bedeutet, die meiste technische Arbeit zur Erhaltung der IT-Funktionalität automatisch erledigen zu lassen und echte ITExperten dort einzusetzen, wo diese Automatisierung definiert wird oder dort wo die Automatisierung nicht mehr greift. Es wäre außergewöhnlich, wenn die Finanzindustrie der IT-Industrie diese Innovation abnehmen würde. Denn derartige Innovationen können am effizientesten von den Experten auf ihrem Gebiet erdacht und umgesetzt werden. Es wäre auch ein Armutszeugnis für die ITIndustrie, wenn keine Schritte in diese Richtung unternommen würden. Vergleichbar wäre, wenn die Textilhändler die Dampfmaschine für das Weben eingeführt hätten, weil sie einfach mehr Absatz tätigen konnten als die Hersteller produzieren konnten.
104
4.
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Realität der Automatisierung
Um aber Automatisierung nicht als Laborexperiment zu betrachten, ist ein konkreter Anwendungsfall von Nöten. In diesem Fall die Betreuung von Vertriebs- und marketingunterstützenden Systemen. Diese bot sich im Hause arago nicht nur an, weil wir uns ohnehin mit der Erstellung derartiger Systeme beschäftigten, sondern auch weil diese Systeme besonderen Anforderungen unterliegen, die eine Innovation in ihrer Betreuung quasi unumgänglich machten. Das Ergebnis ist ein Automatisierungssystem, das sich nicht nur auf Marketing- und Vertriebssysteme anwenden lässt.
4.1
Marketing- und Vertriebsunterstützung als „First Mover“
Im eigenen Hause haben wir die Automatisierungstechnologie vor allem in diese Richtung bestückt, tragen sie aber inzwischen auch in andere Bereiche, in denen ähnlich hohe Anforderungen an Umsetzungsgeschwindigkeit und Betreuungsqualität herrschen wie in der Vertriebsunterstützung. Die Funktionsweise dieser Automatisierung wird in den folgenden Absätzen genauer beleuchtet. Sie erschließt aber das Segment der Vertriebs- und Marketingunterstützungssysteme für das Outsourcing. Ein IT-Dienstleister muss sich nicht mehr um den Betrieb solcher Systeme „drücken“, um nicht den berechneten Business Case zu ruinieren. Und ein Kunde kann die Systeme guten Gewissens auslagern, weil diese nicht nur preiswerter betrieben werden, sondern auch die für den geschäftskritischen Vertrieb notwendige Stabilität und Performance bieten können.
4.2
Skaleneffekte und Automatisierung: Kundenvorteile am Beispiel der Marktbearbeitung in der Fondsindustrie
Es ist offensichtlich, dass man nicht auf die Hebung von Skaleneffekten verzichten kann. Im Hause arago war dies allerdings nie möglich, da wir nicht über die für die Hebung nennenswerter Skaleneffekte notwendige Chargengrößen verfügen. Auf der anderen Seite ist für die
Automatisierung erobert die Marktbearbeitung
105
Automatisierung – wie erwähnt – ein vollkommen eigener Prozess notwendig und vor allem detailliertes, technisches und fachliches Wissen über die zu betreuenden Systeme. Diese Erweiterung im IT-Betrieb – von der Infrastruktur hin zur fachlichen Applikations- und Prozessbetreuung – öffnet vollkommen neue Potenziale für profitable Auslagerungsgeschäfte. Dabei bedeutet profitabel in diesem Falle sowohl für den Kunden als auch für die ITDienstleister. Vor die Herausforderung gestellt, das Maximum an Kostenersparnis und Qualitätsgewinn für einen Kunden zu erwirtschaften, hat sich der große IT-Dienstleister T-Systems des Fachwissens und der Automatisierungstechnik der arago AG bedient. Für die Union Investment werden in einem Generalvertrag zur Auslagerung der IT für alle Markt- und Depotsysteme die entsprechenden Potentiale gemeinsam erwirtschaftet. Den größten Teil des Auftrages kann die T-Systems mit dem bewähren Skaleneffektmodell gut abwickeln. Dort wo es auf Depotbuchhaltung, Host- und Infrastrukturbetrieb ankommt, greifen die eingeführten Mechanismen des großen Dienstleisters. Bei den Systemen zur Markt- und Vertriebsunterstützung sieht das anders aus. Vollkommen andere – viel kürzere – Änderungszyklen, direkte Kundenkommunikation, eingeforderte fachliche Kenntnisse und eine starke Abhängigkeit der Fähigkeit des Kunden überhaupt Geschäft zu machen, sind hier Risikofaktoren. Zur Bewältigung dieser Herausforderung wurde der skaleneffektgetriebene Betrieb der TSystems mit dem automatisierten Anwendungsbetrieb und dem Fachwissen der arago ergänzt. Durch die Einführung der Automatisierung können die Preise für den Anwendungsbetrieb im Rahmen der Infrastrukturbetreuung angesiedelt werden und auch die NichtReplizierbarkeit der Anwendung des einen Kunden ist dem Business Case dank der Automatisierung nicht abträglich. Es wird so möglich, das Feld der Vertriebs- und Marketingunterstützungssysteme innerhalb der Auslagerung der technischen Unterstützung ganzer Geschäftsprozesse nicht als Wermutstropfen, sondern als eigenes Profitcenter zu betrachten und das als Win-Win-Situation für beide IT-Dienstleister und den Kunden Union Investment.
5.
Automatisierung im Detail
Obwohl Computer einer der Haupttreiber für die Automatisierung und Beschleunigung fast aller Geschäftsprozesse sind, ist die Betreuung solcher Rechenanlagen fast immer noch ein Handwerk. Es ist wichtig, dass Ansätze vorangetrieben werden, um Betreuungsaufgaben von den Maschinen selbst – also automatisch – erledigen zu lassen. Automatisierung bedeutet, dass unter definierten Bedingungen vorhab festgelegt Aktionen selbstständig durchgeführt werden. Da die Ausführung von niedergeschriebenen Aktionen (nichts anderes sind Pro-
106
Hans-Christian Boos
gramme) Kernaufgabe der meisten Rechensysteme ist, liegt die Herausforderung offensichtlich in der Definition dieser Bedingungen. Solche Voraussetzungen lassen sich mit Messdaten über die IT beschreiben. Welche Messwerte allerdings zu erheben sind, welche Zusammenhänge sie abbilden müssen, und wie daraus eine automatisch betreute und dokumentierte ITLandschaft wird, ist die für die Automatisierung entscheidende Frage.
5.1
Status Quo der Automatisierung
Wer einen mit der Betreuung von Rechnersystemen zuständigen Techniker oder einen entsprechenden Teamleiter darauf anspricht, ob er seine tägliche Administrationsarbeit automatisiert habe, wird meist eine bejahende Antwort erhalten. Da heißt es dann „doch, wir haben sehr viele Jobs, die für uns arbeiten – wenn wir das alles von Hand machen müssten….“. Aber genau hier liegt das Problem. Heute ist die Automatisierung einem für ein bestimmtes System zuständigen Techniker überlassen, der diese nur durchführt, um sich selbst lästige Kleinarbeiten vom Hals zu schaffen. Wer also auf technischer Ebene 22-mal die gleiche Kleinigkeit auf einem Rechner repariert hat, geht selbst ans Werk und schreibt ein entsprechendes Skript. Dass es sich hierbei um eine schöne Arbeitserleichterung handelt, ist unumstritten. Meist lässt sich diese Erleichterung jedoch nur schwer planen, nicht auf andere Systeme und Umgebungen anwenden und nur selten dokumentieren. Damit ist dieses Vorgehen nicht als Automatisierung im herkömmlichen Sinne zu verstehen. Auch wenn solche Skripten viel leisten können – es wird mit Sicherheit nicht gelingen eine IT-Strategie daraus zu entwickeln.
5.2
Der Wunschprozess in der IT-Betreuung
Um also einen wünschenswerten Grad an Automatisierung zu erhalten, müssen zunächst die Begriffe einer automatisierten Umgebung, die Resultate der Automatisierung und die verbleibende manuelle Arbeit definiert werden. Die Abläufe in einer automatisierten Umgebung lassen sich prägnant wie folgt beschreiben: 1. Ein Messverfahren überwacht kontinuierlich die korrekte Funktionalität der IT. 2. Tritt ein Problem auf, wird ein Regelwerk aktiviert, das das Problem klassifiziert. 3. Dieses Regelwerk löst so lange Aktionen aus und analysiert deren Ergebnisse in Kombination mit den Messdaten erneut bis entweder a) Das Problem behoben ist.
Automatisierung erobert die Marktbearbeitung
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b) Das Regelwerk keine weiteren Aktionen mehr auslösen kann und die Ergebnisse der bisherigen „Arbeit“ an einen intelligenten Menschen weitergibt, der seinerseits versucht das Problem zu beheben. Die letztgenannten Schritte bergen viele Herausforderungen, die aber erst zu betrachten sind, wenn 1. und 2. gelöst sind, wenn es möglich ist die „korrekte Funktionalität“ der IT durch Messung zu bestimmen.
5.3
M–A-R-S: Von technisch abgeschlossenen Welten zur prozessualen Gesamtbetrachtung
Herkömmliche Messverfahren beschäftigen sich fast ausschließlich mit den technischen Komponenten. Nicht umsonst kommen Werkzeuge dieser Couleur aus den Ecken „Netzwerkmanagement“ oder „Systemmanagement“. Doch die Funktionsfähigkeit der IT darauf zu reduzieren, dass viele technische Komponenten für sich alleine betrachtet funktionieren, ist zu kurz gedacht. Viel wichtiger ist es, dass eine Gesamtumgebung das gewünschte Ergebnis für die Benutzer beziehungsweise den Geschäftsprozess liefert. Der erste Schritt in Richtung einer Gesamtbetrachtung der IT-Landschaft beginnt bei der Inventarisierung derselbigen. Ist dieser Verwaltungsakt vollbracht – und mit einem Prozess versehen, der diese Stammdaten auch mit der Realität in Einklang hält – ist es Zeit, sich dem Darstellen der Zusammenhänge und Abhängigkeiten zu widmen. Aus der gesammelten Erfahrung haben wir bei arago ein sehr einfaches und praxisnahes Modell für die Abbildung der Zusammenhänge entwickelt: das M—A-R-S Modell.
Abbildung 3:
Das arago M—A-R-S Modell
108
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Grundlage des M—A-R-S Modells ist die Annahme, dass Geschäftsprozesse auf der Funktionsfähigkeit von Applikationen beruhen und dass am Ende der „IT-Nahrungskette“ weit hinter den Applikationen die Hardware steht. Mit der Erfassung der vorhandenen Maschinen und der benutzen Applikationen (M—A) beginnt also die Erstellung des Modells. Im nächsten Schritt gilt es, die Zusammenhänge und Abhängigkeiten zwischen Maschinen und Applikationen darzustellen. Dazu wird ermittelt, welche Dienste (Services) eine jede Maschine – bei ausfallsicheren Systemen oder sogenannten Clustern auch mehrere Maschinen – für die Außenwelt anbietet. Es kann sich dabei um eine Datenbank handeln, einen Web-Server, einen Virenfilter oder auch einen SAP-Dienst. Diese Dienste haben untereinander wiederum starke Abhängigkeiten. Beispielsweise wird ein SAP-System niemals ohne seine Datenbank funktionieren. Um diese starken Bindungen darzustellen, fassen wir diese voneinander abhängigen Dienste zu Ressourcen zusammengefasst. Damit wären die vorhandenen Maschinen, die benutzen Applikationen, die von den Maschinen angebotenen technischen Dienste (Services) und die Abhängigkeit der Dienste untereinander bekannt. Jetzt muss nur noch der Kreis zu den Applikationen hin geschlossen werden. Dazu wird für jede Applikation festgestellt, welche Ressourcen diese Applikation in welcher Reihenfolge nutzt. Damit existiert ein – in unterschiedlichen Abstraktionsebenen dargestellt – sowohl für Techniker als auch für Benutzer und Manager verständliches Bild der IT-Landschaft. Von jedem Punkt dieses Modells aus können nun Aussagen getroffen werden: Welche Applikation ist vom Ausfall einer bestimmten Komponenten betroffen? Welche Dienste lassen sich durch andere Komponenten ersetzen oder welche Ressourcenknappheiten können zu welchen Auswirkungen auf Benutzer- oder Technikerebene führen?
5.4
Messen und Zusammenhänge abbilden
Das M—A-R-S Modell ist aber nur Mittel zum Zweck. Unser Ziel war es, ein Messverfahren zu etablieren, das die Funktionalität einer gesamten IT-Umgebung überwacht. Das Modell dient nur dazu, Anhängigkeiten verfolgen zu können und Rückschlüsse aus der Kombination bestimmter Messergebnisse ziehen zu können. Was muss aber gemessen werden, um die Möglichkeiten der erfassten Abhängigkeiten auch auszunutzen? Die klassische technische Messung ist nicht ausreichend, das heißt sie erzeugt nur einen Teil der Datenmenge, die notwendig ist, um automatisch auf Funktionsstörungen reagieren zu können. Mit den Daten, die eine Netzwerk- oder Systemmanagementplattform erhebt, lässt sich lediglich die Funktionalität auf der Maschinenebene nachweisen und mit den durch das M—A-R-S Modell bekannten Abhängigkeiten der Ursprung von sich kaskadierenden Problemen in der Infrastruktur finden. Um die Funktionalität der IT an sich festzuhalten, sind drei weitere Gruppen von Messpunkten notwendig (siehe Abbildung 4).
Automatisierung erobert die Marktbearbeitung
Abbildung 4:
109
Messung der IT Funktion, nicht nur der Technologie
End-to-End Applikationsverfügbarkeit Durch die Simulation eines Benutzers auf einer realen Anwendung kann in Bezug auf die Auswertung der Ergebnisse (richtig/falsch, Antwortzeit) eine Aussage darüber getroffen werden, ob ein Benutzer auf das System überhaupt bzw. in angemessener Zeit zugreifen kann. Richtige Datenverarbeitung Durch die Beobachtung der Datenströme, die durch produktive und simulierte Benutzung der Applikationen entstehen, kann kontrolliert werden, ob die Daten innerhalb der ITLandschaft überhaupt, und wenn ja, richtig weiterverarbeitet werden. Denn nicht immer ist die Funktionsfähigkeit einer Anwendung damit nachgewiesen, dass ein Benutzer die Anwendung nutzen kann. Es gilt nachzuweisen, dass die Daten richtig verarbeitet und anschließend weitergeleitet (als Eingabe zu anderen Anwendungen und Prozessen) verwendet werden. Zeitgerechte Datenverarbeitung Ist die Benutzbarkeit einer Anwendung und die richtige Verarbeitung der generierten Daten gewährleistet, gilt es noch, den Faktor Zeit zu berücksichtigen. Manche Verarbeitungen müssen zu einem eng definierten Zeitpunkt fertig sein, um überhaupt von geschäftlichem Nutzen zu sein. Aber auch für fast alle anderen Anwendungen gilt, dass sie nur dann funktional sind, wenn die notwendigen Verarbeitungsschritte über mehrere Applikationen hinweg innerhalb einer bestimmten Zeit abgeschlossen sind. Diese Zeitspannen gilt es ebenfalls zu messen.
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5.5
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Regeln – einleuchtend und leicht wiederverwertbar
Die vier beschriebenen Gruppen von Messpunkten können also die Funktionalität der IT an sich erfassen. Ein Regelwerk – das ständig erweitert wird – kann nun Fehlfunktionalitäten im Gesamtprozess erkennen. Durch die Verwendung des M—A-R-S Modells kann es diese auf bestimmte Applikationen, Ressourcen, Dienste oder Maschinen einkreisen. Bei diesem Prozess des Einkreisens werden die Messdaten wieder und wieder durch immer feinmaschigere Bedingungsnetze des Regelwerks geleitet. Dazu löst das Regelwerk Aktionen aus, die ihrerseits wieder zu neuen Messdaten führen, die dann im nächsten Schritt der Regeln – der Neuauswertung der Bedingungen bzw. das Auswerten zusätzlicher Bedingungen – ihren Eingang finden. Derartige Regeln sind leicht wiederverwendbar, weil sie sich an abstrahierten Messwerten orientieren und nicht auf spezifische technische Umgebungen angepasst werden. Sie richten sich an den Eingabedaten des M—A-R-S Modells, den Stammdaten (Maschinentyp, Applikationstyp, Softwareversion, …) und den dazu aufgenommenen Messdaten der vier Messgruppen aus. Damit werden Aktionen für alle ähnlichen Umgebungen wiederverwendet. Durch die modellierten Abhängigkeiten ist eine Regel nicht auf die Auswertung einer technischen Komponente beschränkt, sondern kann den Baum der Abhängigkeiten und Zusammenhänge herauf- und herunterlaufen. So wird die Ursache des Problems eingekreist und schließlich – soweit möglich – automatisiert behoben. Regeln haben aber noch einen anderen Vorteil. Die Formulierung von Wenn-DannBedingungen erfordert keine Programmierkenntnisse. Sie sind als Regelwerk auch für „normale“ Menschen verständlich, anwendbar und sogar erweiterbar.
6.
Positive Nebenwirkungen der Automatisierung – industrielle Arbeitsprozesse, proaktives Reporting und Skill Management
Im Systembetrieb der arago AG nutzen wir aber nicht nur die Automatisierung, sondern sind noch zwei Schritte weitergegangen. Einerseits erzeugen wir durch die transparente Darstellung der Messergebnisse, der Inventardaten, der Abhängigkeiten aus dem Modell und die automatische Dokumentation der Aktionen ein Echtzeitreporting und bieten damit eine effektive und transparente Betreuung der IT-Landschaft an. Zusätzlich nutzen wir die Messdaten, um festzulegen, welche Qualifikation ein Mitarbeiter haben muss, damit er ein bestimmtes
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vom Regelwerk nicht automatisch zu behebendes Problem weiter bearbeiten kann. Dadurch kann vermieden werden, dass Aufgaben unnötig im Kreis gereicht werden oder sich einzelne Mitarbeiter ihre Aufgaben „herauspicken“. Vielmehr werden die Aufgaben – wie das in einer automatisierten Fabrik üblich ist – den Mitarbeitern zugewiesen. Das Regelwerk leistet dabei durch die Informationssammlung während des Einkreisens des Problems wichtige Vorarbeiten. Ein Administrator muss sich nicht mehr mit profanen Tätigkeiten abgeben, sondern kann seine Zeit endlich mit der Behebung des eigentlichen Problems verbringen.
7.
ITIL-Prozesse und Automatisierung
Abbildung 5:
Incident Management
Grundsätzlich unterscheiden Applikationsbetreuer zwei Möglichkeiten, Störfälle zu beheben. Einerseits können sie Vorkommnisse reaktiv behandeln. Das setzt voraus, dass die Administratoren Kenntnis über einen Vorfall erlangen, was zum Beispiel über einen Anruf beim Help Desk oder durch einen Alarm eines entsprechenden Monitoringsystems geschehen kann. Andererseits kann der IT-Betrieb proaktiv versuchen, auftretende Probleme bereits im Vorfeld – also vor ihrer Entstehung – zu vermeiden. Die ITIL-Prozesse zur reaktiven Behandlung von
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Hans-Christian Boos
Vorkommnissen sind das Incident und Problem Management. Ihre proaktiven Pendants nennen sich Availability und Capacity Management. Das Change Management sei an dieser Stelle ausgeklammert, weil sowohl aus reaktiven als auch proaktiven Maßnahmen Veränderungen an der Umgebung wachsen können, die dann durch den ITIL Change ManagementProzess zur Durchführung gebracht werden (siehe Abbildung 5).
7.1
ITIL als Basis für die Automatisierung
Alle Tätigkeiten, die im Rahmen dieser ITIL-Prozesse vorgenommen werden, sind in allen Formen des gängigen IT-Betriebs auszuführen. Der ITIL-Standard liefert lediglich ein Prozessframework, um diese Tätigkeiten mit möglichst großer Effizienz und Effektivität für auftretende neue und bekannte Herausforderungen ausführen zu können. Damit liefert der ITIL-Standard aber auch die Möglichkeit, den gesamten IT-Betrieb als in sich verbundene und schlüssig zusammenhängende Einheit zu betrachten. Dies ist die Voraussetzung für eine Weiterentwicklung der Betriebskonzepte, wie sie in diesem Beitrag skizziert werden. Aus diesem Grunde betrachten wir zunächst die ITIL-Prozesse für Incident-, Problem-, Capacity-, und Availability Management.
Abbildung 6:
Problem Management
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7.2
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Reaktive und proaktive Prozesse nach ITIL
Der Prozess zur Behandlung von Störungen, die die Funktionalität für die Benutzer in einer IT-Landschaft einschränken, ist in der ITIL-Bibliothek das Incident Management. Dabei nimmt ein Helpdesk eine Störmeldung entgegen oder ein Überwachungssystem generiert eine entsprechende Meldung. Diese Störung wird an die entsprechenden IT-Experten – Incident Manager – weitergeleitet, die eine kurzfristige Lösung initiieren. Wichtig ist dabei – im Gegensatz zum Problem Management –, dass ein Incident Manager möglichst keine umfangreiche Ursachenforschung betreibt, sondern möglichst schnell eine Lösung, einen so genannten Work Around, findet. Dabei gilt zu beachten, dass das Incident Management zu einem großen Teil ein Kommunikationsprozess ist. Für jede gemeldete Störung erhält der meldende Kunde des IT-Betriebs eine Rückmeldung, selbst wenn viele der Störungsmeldungen auf das gleiche Problem in der IT-Landschaft zurückzuführen sind (siehe Abbildung 6).. Der dem Incident Management nachgelagerte Prozess ist das Problem Management. Hier werden eingehende Alarme aus dem Überwachungssystem oder vom Incident Management gesammelte Störungen klassifiziert und deren Ursache in der IT-Landschaft erforscht. Ist die Ursache bekannt, beseitigt der Problem Manager diese durch eine Änderung an der Umgebung – via Change-Prozess –und löst damit das Problem mit allen daraus resultierenden Störungsmeldungen dauerhaft (siehe Abbildungen 7 und 8).
Abbildung 7:
Capacity Management
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Bei den proaktiven Prozessen des Capacity und Availability Managements werden die Anforderungen der Benutzer und der Anwendungen im Hinblick auf Verfügbarkeit und benötigter IT-Ressourcen untersucht und mit den vom Überwachungssystem gemeldeten Realdaten verglichen. Zeigt die Auslastungsprognose über die Ressourcen, dass diese bei der unterstellten Weiterentwicklung bald zur Neige gehen, greifen Experten ein, um Lösungen zu finden, mit denen sie entweder Ressourcen einsparen oder neue Ressourcen in die Landschaft integrieren. Noch deutlicher wird der proaktive Charakter dieser Prozessklassen beim Availability Management (siehe Abbildung 8). Hier wird die tatsächliche Verfügbarkeit einer Applikation mit den Anforderungen der Benutzer im Sinne des Qualitätsmanagement verglichen. Zeichnet sich eine Unterschreitung der geforderten Qualitäten ab, so werden die IT-Experten benachrichtigt. Ehe gravierende Qualitätsprobleme eingetreten sind, erhalten sie so die Chance, deren Entstehung technisch schon im Vorfeld entgegenzuwirken.
Abbildung 8:
Availability Management
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7.3
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Die Grenzen von ITIL
Für zahlreiche IT-Betreuer stellt es bereits einen großen Schritt dar, wenn sie diese Prozesse eingeführt haben und auch leben. Die Implementierung der ITIL-Prozesse bewirkt eine Eindämmung des „Wildwuchses“, vermeidet Herrschaftswissen, bringt Transparenz in die Betriebsdienstleistung und sorgt vor allem für eine gute Dokumentation des Betriebsablaufs – was auch die Wiederverwendung von einmal gefundenen Problemlösungen beinhaltet. Der nächste logische Schritt geht nun einen Schritt über die optimierte Verwaltung der anfallenden IT-Betriebsarbeiten gemäß den ITIL-Vorgaben hinaus. Denn ab einem bestimmten Zeitpunkt haben die Betriebsverantwortlichen mit der Verbesserung der bekannten Vorgehensmodelle auch den letzten Tropfen an möglicher Effektivitätssteigerung aus einem System gepresst. Die Frage, die sich dann stellt, ist: Wie lässt sich der Umgang mit der IT-Umgebung grundsätzlich so verändern, dass der anfallende Arbeitsaufwand sinkt. Bei der Beantwortung dieser Fragestellung kann die IT, wie bereits beschrieben, von den klassischen Industrien lernen. Dort wurde die manuelle Arbeit durch die Arbeit von Maschinen ersetzt.
7.4
Datenerfassung und Monitoring als Grundlage für eine Automatisierung
Damit ist das Schlagwort der Automatisierung auf dem Tisch. Was aber bedeutet Automatisierung in einer Umgebung, die genutzt wird, um die Arbeit anderer Bereiche zu automatisieren (soweit möglich technisch zu vereinfachen)? Das bedeutet zunächst einmal, dass überall dort, wo „IT-Experten“ in die Prozesse eingebunden sind, geprüft werden muss, ob nicht eine „Maschine“ die gleiche Funktion übernehmen kann. Doch nicht für jeden Prozess oder jeden Kontakt mit den IT-Experten muss ein eigenes Beratungsprojekt angestoßen werden. Viel einfacher ist es, nach Gemeinsamkeiten oder Überschneidungen in den Prozessabläufen zu suchen. Diese können dann als Ansatzpunkt für eine Automatisierung herangezogen werden. Eine solche Überschneidung ist schnell im Überwachungssystem selbst gefunden. Denn jeder der beschriebenen ITIL-Prozesse hängt zu einem gravierenden Teil von der Funktion des Überwachungssystems ab, das meist auch über verschiedene Prozesse wacht. Auf der Grundlage dieser abhängigen und vernetzten Gesamtüberwachung bietet sich ein Automatisierungsansatz mit dem bereits beschriebenen Überwachungssystem als treibende Kraft geradezu an. Die in diesem Artikel beschriebene nächste Generation des IT-Betriebes – die Automatisierung – setzt um das Überwachungssystem herum einen Gürtel aus Regeln und daraus resultierenden Aktionen. Dieser Gürtel befindet sich zwischen den erfassten Überwachungsdaten und den manuellen ITIL-Prozessen, sodass diese Prozesse entweder durch das Regelwerk automatisch durchgeführt oder vom Regelwerk manuell ausgelöst werden. Es ergibt sich also
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eine logische Weiterführung der ITIL Bibliothek, die eben nicht nur bereits bekannte Tätigkeiten im IT-Betrieb besser koordiniert und deren Qualitätsmessung standardisiert, sondern die auf Basis des definierten Prozessframeworks tatsächlich Tätigkeiten zu automatisieren hilft.
Abbildung 9:
8.
Automatisierung im Zentrum der ITIL Prozesse
Zusammenfassung
Der Drang sich von Unterstützungsleistungen zu trennen, um sich voll und ganz auf das Kerngeschäft konsolidieren zu können besteht gerade in Banken und wird nicht zuletzt von der Konsolidierung im Markt weiter verstärkt. Diesem Drang folgend, werden auch Geschäftsbereiche einer Bank aktiv, die bisher auf dem Spielfeld des Outsourcing-Marktes nicht als Zielkundschaft auftraten. Es handelt sich dabei um die Bereiche, die im homogenen Finanzmarkt eine Differenzierung zur Konkurrenz ermöglichen. An erster Stelle stehen hier alle marktbearbeitenden Abteilungen. Es ist natürlich, dass nicht die Fachkompetenz ausgelagert
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werden soll, die schließlich die Differenzierung ermöglicht, vielmehr will man die sehr teuren Unterstützungsleistungen in diesem Bereich mit günstigeren Betriebskosten dazukaufen ohne auf Individualität zu verzichten. Dies kann ein herkömmliches IT-Outsourcing nicht bieten. Eine Prozessauslagerung kommt aufgrund der marktdifferenzierenden Eigenschaften der betroffenen Bereiche nicht in Frage. Die Insourcer müssen also, wenn sie sich nicht mit einem unprofitablen Teilgeschäft belasten wollen, neue Wege bei der Betreuung solcher Unterstützungsleistungen einfallen lassen. Dieser Druck, der auf den IT-Dienstleistern lastet, sorgt dafür, dass reine Skaleneffekte nicht mehr ausreichen und eine Änderung der Betreuungsprozesse angestrebt wird. Man orientiert sich an der industriellen Entwicklung. Demnach ist die heutige Produktion der Unterstützungsleistungen im besten Falle wie eine Manufaktur organisiert. Der große Schritt für die Industrie kam aber mit der Automatisierung. Diesem Beispiel entsprechend ist man heute mehr und mehr bereit gewohnte manuelle Prozesse auch in der Betreuung von IT-Lösungen abzulegen und durch automatisierte Prozesse, bei denen das Wissen der IT-Experten multipliziert wird, die Experten selbst aber nicht mehr die Prozesskontrolle haben, zu ersetzen. Der Beitrag zeigt, wie sich der Ansatz zur Automatisierung in der heutigen Realität des Betriebes bei IT-Dienstleistern und der individuellen Anforderungen von marktbearbeitenden Abteilungen implementieren lässt und welche Herausforderungen dabei zu bewältigen sind.
Verbesserung des Unternehmensertrags durch Sourcing
Verbesserung des Unternehmensertrags durch Sourcing Bernhard Schüller / Arno Simon
1. Zahlen des Kreditgewerbes sprechen eine deutliche Sprache 2. Diverse Modelle des Sourcings sind im Angebot 3. Sourcing erfordert bestimmte Voraussetzungen 3.1 Rechtliche Bestimmungen 3.2 Organisatorische Maßnahmen 3.3 Interne Sponsorship 3.4 Erkennbare Erfolgsaussichten 3.5 Suche nach der richtigen Sourcing-Strategie 4. Lessons learned 5. Zusammenfassung und Ausblick
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1.
Bernhard Schüller / Arno Simon
Zahlen des Kreditgewerbes sprechen eine deutliche Sprache
Auf der Global 2000 Liste von Forbes werden jährlich die größten Unternehmen der Welt dargestellt. Im Jahre 2006 standen drei Banken auf den ersten Plätzen: Citigroup, Bank of America und HSBC Holdings. Gemeinsam kamen sie auf einen Marktwert von rund 500 Milliarden Euro, die Institute erwirtschafteten einen Gewinn von 45 Milliarden Euro und hatten 3.900 Milliarden Euro Vermögenswerte in ihren Büchern. Erst an vierter Stelle liegt der Mischkonzern General Electric, der allerdings ebenfalls mit einem Tochterunternehmen im Bankenbereich tätig ist. Unter den Top 20 Unternehmen befanden sich zudem weitere acht aus der Finanzbranche, sodass dadurch nach dem Einbruch im Jahre 2001 die wieder gewachsene Bedeutung dieser Industrie deutlich wird. Von den rund 2.400 deutschen Instituten haben selbst die großen Häuser nur nachrangige Plätze in der Liste belegen können; allerdings sähe es positiver aus, wenn die beiden deutschen Verbünde „Sparkassen und Kreditgenossenschaften“ als jeweils ein Institut in die Liste eingeordnet würden, zumal mit den ihnen zuzurechnenden Landesbanken, genossenschaftlichen Spitzeninstituten, Transaktionsbanken, Versicherungen, Bausparkassen und Kapitalanlagegesellschaften. Dennoch ist das bekannte „Overbanking“ in Deutschland mit über 46.000 Bankstellen und rund 700.000 Beschäftigten, von denen der überwiegende Teil aus den Verbünden stammt, ein wesentlicher Kostentreiber, der dazu beiträgt, dass sich weder die Eigenkapitalrendite noch der Gewinn im Rahmen der internationalen Spitzeninstitute bewegen, obwohl sich der Jahresüberschuss seit 2003 wieder gesteigert hat. Im Jahre 2004 betrugen die Einnahmen im Retailgeschäft circa acht Milliarden Euro, von denen 4,8 Milliarden Euro für die direkten Kosten aufgebracht wurden; davon entfielen allein 25 Prozent auf die Abwicklung von Wertpapiergeschäften. Schätzungen einer Studie von Clearstream Banking Frankfurt besagen, dass das Einsparpotenzial bei der Abwicklung in Deutschland 600 Millionen Euro beträgt, von denen 360 die Information Technology und 240 die Prozesse betreffen. Von den deutschen Kreditinstituten wartet lediglich die Deutsche Bank seit zwei Jahren wieder mit glänzenden Zahlen auf. Im ersten Quartal 2007 entfielen bei ihr vom Gesamtertrag von 9,6 Milliarden Euro, was einer Steigerung zum Vorjahresquartal von 20 Prozent entspricht, auf den Bereich „Corporate and Investment Bank“ 6,7 Milliarden Euro, was die Bank mit einer sich daraus ableitenden Eigenkapitalrendite von 45 Prozent vor Steuern wieder an die weltweiten Spitzeninstitute heranführte. Einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung ihrer Bilanzpositionen leistete hierbei sicherlich auch die Reduzierung der laufenden Personalkosten und das Auslagern von Bereichen wie Custody-Services, Backoffices für Wertpapiergeschäfte, Hypotheken und Zahlungsverkehr sowie der Rechenzentren an Dritte.
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Bei den Auslagerungen handelt es sich ja keineswegs um eine neue Form der Organisation. Bereits in den Sechzigerjahren ließen beispielsweise die Sparkassen und Kreditgenossenschaften ihre EDV in Buchungsgemeinschaften sowie die Abwicklung von Wertpapiergeschäften bei ihren Landesbanken bzw. Zentralinstituten durchführen.
2.
Diverse Modelle des Sourcings sind im Angebot
Neben den allgemein steigenden Kosten ist es auch die Fülle immer wieder neuer Herausforderungen im regulatorischen und technologischen Bereich, die die Finanzindustrie zwingt, ihre strategischen Geschäftsfelder und Kernkompetenzen laufend zu überprüfen und dem Wandel anzupassen. In den Jahren 2006 und 2007 waren und sind es insbesondere Themen wie Basel II, IFRS, Sepa, MaRisk und MiFID, die umfangreiche Maßnahmen von allen Instituten erfordern, jeweils mit deutlichen Auswirkungen auf die vorhandenen IT- Landschaften. Um zu verhindern, dass sich die erforderlichen Aktivitäten zur Umsetzung negativ auf die Cost-Income-Ratio der Institute auswirken, kann das Sourcing, das Nutzen neuer Energiequellen, ein geeignetes Mittel darstellen. Das „Outside Resource Using (Outsourcing)“ bedeutet, dass für das Erstellen und Verarbeiten von Produkten und/oder Prozessen die Angebote von Dritten genutzt werden. Die damit in der Regel verbundene Verringerung der eigenen Wertschöpfungstiefe hat als Ziel, eine nachhaltige Verbesserung der Ertragssituation herbeizuführen. Während die Industrie inzwischen nur noch eine Fertigungstiefe von circa 25 Prozent aufweist, beträgt sie in der Finanzindustrie noch 60 bis 70 Prozent. Wobei anzumerken ist, dass die Fertigung vieler standardisierbarer Industrieprodukte und die damit verbundenen Prozesse wesentlich einfacher „irgendwo global“ erfolgen kann, als die häufig individuell vor Ort zu erbringenden Dienstleistungen der Finanzindustrie. Dennoch ergeben sich auch für die Finanzdienstleister (wie Kreditinstituten, Sparkassen und Wertpapierhandelsbanken) vielfältige Möglichkeiten des Sourcens. Bei der Auswahl sollte aber berücksichtigt werden: Do what you can do best, (out-) source the rest! Marktdifferenzierende Produkte und/oder Prozesse dürfen nicht ausgelagert werden. Die Partner eines Sourcing-Vertrages können zum Beispiel sein: Produktlieferanten, Teilnehmer an Wertschöpfungsnetzwerken,
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Infrastrukturanbieter, Rechenzentrumsbetreiber, öffentlich-private Partnerschaften. Bei den Sourcing-Möglichkeiten haben sich im Verlaufe der Zeit verschiedene Begriffe und Arten mit englischem Sprachgebrauch herausgebildet. Die Begriffe sind zwar nicht immer eindeutig definiert, doch findet sich bei den wichtigsten und etabliertesten Sourcingarten eine hohe Übereinstimmung. Unterschieden werden muss auch zwischen Insourcen und Outsourcen: Insourcen bedeutet einerseits die Übernahme von Aufgaben, Prozessen und/oder Mitarbeitern bzw. Vermögensgegenstände von einem Dritten, andererseits die Ergänzung der eigenen Fertigungstiefe durch Bezug von dritter Seite wie Kurse, Wertpapierstammdaten oder Research-Ergebnisse. Outsourcing dient häufig als Oberbegriff für verschiedene Arten des Sourcings, die nachfolgend erläutert werden. Beim Out-Tasking werden die Aufgaben des Unternehmens an einen Dritten übertragen. Das Personal und die Vermögensgegenstände verbleiben im Unternehmen. Typische Beispiele für diese Form sind: Transitional Outsourcing, bei dem von einem Unternehmen vorübergehend ein Anbieter genutzt wird, um eine bestimmte Aufgabe durchführen zu lassen wie zum Beispiel die Erneuerung einer IT-Plattform oder das Optimieren von veralterten Prozessen. Nach Erledigung der Maßnahme erfolgt die Rückübertragung der Funktion an das Unternehmen. Das Personal und die Vermögensgegenstände verbleiben während des Outsourcing-Prozesses bei dem Unternehmen. Webhosting dient dazu, die Webseiten eines Unternehmens über den Server eines Internet Service Providers (ISP) gegen Kostenerstattung anzubieten. Application Service Providing (ASP) betreibt die Anwendungen eines Unternehmens und stellt sie dessen Kunden im Batch- oder Online-Betrieb zur Verfügung. Managed Services dient einem Unternehmen dazu, Kapazitäten wie Server und Speichereinheiten variabel (on-demand) abzurufen und die Kosten nach Nutzungsumfang zu erstatten. Während bei dem Transitional Outsourcing die Laufzeiten kurz sind, werden bei den übrigen Arten des Out-Taskings längerfristige Generalunternehmerverträge abgeschlossen. Das IT-Outsourcing dient der Übergabe von Infrastrukturen wie Rechenzentren, Netzwerken, Desktop-Management, User Help Desks oder dezentralen Serverlandschaften an einen Dritten. Das Personal wird in der Regel ebenfalls zum Insourcer wechseln wie die Vermögensgegenstände und sonstigen Verträge, die zur Erbringung der Leistungen erforderlich sind; auch das Bereitstellen von IT- Leistungen auf Anforderung (on demand) ist inzwischen ein Bestandteil dieser Services. Der Vertrag sieht in der Regel eine jährliche Senkung des Kostenniveaus vor, kombiniert mit verbrauchsorientierten Preismodellen, die inzwischen den entscheidenden Faktor im Wettbewerb der Dienstleister darstellen.
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Daneben ist insbesondere bei global agierenden Kunden von wesentlicher Bedeutung, ob der Anbieter weltweit vertreten ist, die Prozesse auf globaler Ebene vergleichbar sind und Implementierungen als Referenz vorgezeigt werden können. Application Management Services (AMS) umfassen die Anwendungen und in der Regel auch die Entwickler sowie erforderlichen Software-Lizenzen eines auslagernden Unternehmens. AMS kann sowohl Standardlösungen von Software-Herstellern als auch selbst erstellte Kundenanwendungen umfassen. Oft erfolgt der Einstieg in diesen Service über die Wartung von Altsystemen durch Mitarbeiter des Insourcers. Die eigenen Mitarbeiter des Unternehmens können dadurch für die Entwicklung von neuen Anwendungen eingesetzt werden. In einem weiteren Schritt kann dann später auch die Neuentwicklung ausgelagert werden. In der Regel wird auch im ersten und zweiten Schritt bereits ein Teil der Mitarbeiter zum Insourcer wechseln. Laut einer Studie von GARTNER aus dem Jahre 2005 werden im Retail Banking 73 Prozent der Ressourcen für den Betrieb und die Wartung der Anwendungen, aber nur 27 Prozent für Neuentwicklungen eingesetzt. Eine mögliche Wertschöpfungskette für AMS könnte wie in Abbildung 1 dargestellt aussehen.
Leadership
Managen der Dienstleister Fachliche, technische Architekturen
AMS
Geschäftserweiterungen
Technische Erweiterungen Entwicklung und Wartung ITO
Operations
Auslagernder Kunde, Outsourcer
Abbildung 1:
Dienstleister, Insourcer
Mögliche Wertschöpfungskette für Application Management Services (AMS)
Demnach ist der auslagernde Kunde verantwortlich für die Leadership, das Managen der Dienstleister und für Teile der fachlichen, technischen Architekturen sowie der Geschäftserweiterungen.
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Jedoch ist der Dienstleister häufig eingebunden in Architekturen und Geschäftserweiterungen. In diesem Beispiel werden die technischen Erweiterungen, die Entwicklung und Wartung von Anwendungen vollständig durch den Insourcer ausgeführt. Unter Off-shore AMS versteht man die Durchführung von Wartung und Entwicklung in Ländern außerhalb der eigenen Zeitzone wie in den BRICS-Staaten, zu denen Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika zählen. Der Kunde wird hierbei in seinem Heimatland durch ein Team des Insourcers betreut, der die Kundenanforderungen entgegennimmt und meistens auch das Fachkonzept erstellt. Die Umsetzung durch Programmierung erfolgt dann in dem jeweiligen Off-shore-Land. Mit zunehmendem Know-how wird erfahrungsgemäß auch die Konzeptphase und das Architektur-Design in diese Länder verlagert. Die großen Anbieter haben inzwischen „Global Delivery Centres” gegründet, um die Nachfrage nach Sourcing-Leistungen weltweit bedienen zu können, sei es zum Beispiel durch eine Niederlassung in einem europäischen Staat oder durch eine in Indien. Beim Full-Outsourcing verlagert das Unternehmen die Tätigkeiten für das Betreiben der IT Infrastruktur (ITO) und das Erstellen und/oder Warten der Anwendungen (AMS) auf einen Dienstleister. Business Process Outsourcing (BPO) überführt die Fachprozesse, das Personal und die Vermögensgegenstände an einen Dritten. Hierbei unterscheidet man zwei Arten: horizontale Prozesse wie Einkauf, Beschaffungswesen und Personalverwaltung, die selektiv ausgelagert werden, sowie vertikale Prozesse wie die zum Hauptprozess Handel oder Vertrieb zählende Marktfolge für Kredite, Wertpapiergeschäfte und Zahlungsverkehr. Die Anbieter solcher Dienstleistungen kommen in der Regel aus dem Bereich der Finanzindustrie und sind Tochterunternehmen von Banken, die anderen Instituten ihre Infrastruktur und das Personal für die Abwicklung von Transaktionen anbieten. Business Transformation Outsourcing (BTO) stellt eine weitergehende Form des Transitional Outsourcings dar. Bestimmte Fachprozesse wie die Personalverwaltung werden vom Outsourcer zum Insourcer übertragen und dort in der Regel dann völlig neu strukturiert. Stichwort ist hierbei „Best Practice”, also Prozess-Exzellenz, die durch die Transformation geschaffen wird, aber auch die Einsparung von Kosten zum Ziel hat. Multi-Sourcing teilt die Prozesskette auf und lagert Teile der Kette an den jeweils günstigsten Anbieter aus oder führt Teile davon weiterhin selbst aus, um einen optimalen Kostenmix zu erreichen. Allerdings bedeutet dies einen wesentlich höheren Integrationsaufwand durch die Vervielfachung der Schnittstellen gegenüber der Auslagerung der gesamten Kette an nur einen Insourcer; ein stringentes Management der Schnittstellen ist hierbei unabdingbar. Joint-Venture, bei dem eine gemeinsame Gesellschaft von Out- und Insourcer gegründet wird, bei dem der Insourcer in der Regel Anteile von mehr als 50 Prozent hält und der Outsourcer über seinen (geringeren) Anteil ein stärkeres Mitspracherecht beansprucht, als dies bei einer nur vertragsrechtlichen Regelung möglich wäre.
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Mergers & Acquisitions ist nicht scharf abgrenzbar zu Outsourcing, da auch hierbei Personal, Prozesse und Vermögensstände übergehen, insbesondere wenn der zu übernehmende Unternehmsteil eine eigene Rechtspersönlichkeit darstellt. Captive sind Umsätze, die aus der Nutzung von Infrastrukturen und Dienstleistungen innerhalb des eigenen Unternehmens bzw. Konzerns stammen. Werden diese Einrichtungen und Prozesse auch für Auslagerungen von Dritten verwendet, so spricht man von „non-captive“Umsätzen. Mischformen von den oben erwähnten Arten treten in der Praxis in vielfältiger Form auf. Bei allen Varianten gilt, dass eine genaue vertragsrechtliche Vereinbarung und Beschreibung des von Out- und Insourcer Gewollten unerlässlich ist. Public Private Partnership (PPP) ist ergänzend zu erwähnen als eine Form, bei der eine staatliche Organisation mit einem oder mehreren privatrechtlichen Unternehmen eine gemeinsame Einheit bildet. Häufig werden hierbei Steuereinnahmen oder Gebühren der öffentlichen Hand zur Finanzierung verwendet, während der private Sektor sein Know-how oder seine Technologie einbringt und für den laufenden Betrieb die Verantwortung gegen Kostenerstattung übernimmt. In Deutschland sind hierfür Beispiele die PPP zur Erhebung von Autobahngebühren und der Vertrag „HERKULES” zwischen der Bundeswehr, Siemens und IBM zur Restrukturierung der Informationstechnologie der Bundeswehr. Das Angebot von professionellen Insourcern zeigt in der Regel eine dreistufige Struktur, bei der die verschiedenen Arten aufeinander aufbauen können, wie zum Beispiel: IT-Outsourcing als Beginn einer Serviceleistung, Application Management Services als nächste Stufe und Business Process-/Business Transformation-Outsourcing als weitere Dienstleistung. Zusammenfassend soll Abbildung 2 aufzeigen, welche diversen Optionen ein auslagerndes Unternehmen zu einem Insourcer mit Personalübergabe hat.
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Abbildung 2:
Optionen auslagernder Unternehmen
3.
Sourcing erfordert bestimmte Voraussetzungen
3.1
Rechtliche Bestimmungen
Um zu verhindern, dass Unternehmensteile beliebig verschoben oder auch zusammengefügt werden, ohne Berücksichtigung etwaiger Nachteile für die Eigner und das Personal, hat der Gesetzgeber in Deutschland verschiedene Bestimmungen erlassen. Im Bürgerlichen Gesetzbuch, Teil Schuldrecht, § 613a sind die Rechte und Pflichten bei einem Betriebsübergang im Sinne Business Process Outsourcing beschrieben. Danach tritt der Insourcer, also das übernehmende Unternehmen, in alle Rechte und Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Ist dies in Tarifverträgen oder Betriebsbvereinbarungen verankert, so werden sie Bestandteil des neuen Arbeitsverhältnisses und dürfen frühstens nach einem Jahr geändert werden. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn diese Rechte und Pflichten im übernehmenden Unternehmen durch einen anderen Tarifvertrag oder eine andere Betriebsvereinbarung geregelt sind.
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Beide Unternehmen haften gesamtschuldnerisch für Verpflichtungen, die sich aus dem Übergang ergeben. Schließlich kann Mitarbeitern aufgrund dieser Maßnahme nicht gekündigt werden. Im Betriebsverfassungsgesetz ist die Mitbestimmung von Wirtschaftausschuss und Betriebsrat des auslagernden Unternehmens verankert. In der Regel führt dies vor Umsetzung, bei denen das Personal betroffen ist, zu einem Sozialplan, um die Rechte und Pflichten der beteiligten Parteien zu konkretisieren. Im Kreditwesengesetz § 25a, Absatz 2, sind die besonderen Pflichten von Kreditinstituten hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation dargestellt. Bei der Auslagerung von Bereichen, die für die Durchführung von Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen wesentlich sind, darf weder die Ordnungsmäßigkeit noch die Steuerungs- und Kontrollmöglichkeit des auslagernden Unternehmens beeinträchtigt werden. Auch hat sich das Unternehmen die erforderliche Weisungsbefugnis gegenüber dem Insourcer zu sichern und den ausgelagerten Bereich in sein internes Kontrollsystem einzubeziehen. Schließlich haben Kreditinstitute die Absicht einer Auslagerung wesentlicher Teile und danach deren Vollzug der Bundesanstalt für die Finanzdienstleistungaufsicht (BaFin) anzuzeigen. Die BaFin hat in ihrem Rundschreiben vom Dezember 2005, in dem Marktrisikoaspekte behandelt werden, auch das Thema Auslagerungen im allgemeinen Teil (AT9) und im speziellen Teil (BT 2.4 und 2.5) aufgegriffen, und analoge Verhaltensweisen für die Kreditinstitute erlassen. Zudem werden auch bei den Ausführungen zu Basel II Risikoaspekte für Kreditinstitute bei Auslagerungen behandelt. Das Unternehmen kann bei Auslagerungen nicht das gesamte damit verbundene Risiko eigenkapitalschonend an einen Dritten übertragen, sondern muss im Hinblick auf die erforderliche Kontrolle des Insourcers einen Prozentsatz von zum Beispiel fünf Prozent als mögliches Risiko vorsehen, das dann auch mit Eigenkapital zu unterlegen ist. Neben den übergreifenden rechtlichen Bestimmungen erfordert jede Art des Sourcens einen Vertrag, in dem detailliert Übergang und anschließende Nutzung zu beschreiben sind. Ergänzt werden muss dies durch Festlegung konkreter Werte, die bei der Dienstleistung zu erbingen sind (Service Level Agreement). Hierzu zählen Qualitätsstandards und Quantitätsfestlegungen wie quasi Null-Fehlerraten und eine hohe prozentuale Verfügbarkeit von IT-Systemen. Zu vereinbaren ist aber auch die Weiterentwicklung bei Anwendungen, die Häufigkeit von Änderungen, die Problembehebung und der Nachweis von allen für das auslagernde Unternehmen durchgeführte Maßnahmen. Schließlich sind eindeutige Schnittstellen zwischen Inund Outsourcer festzulegen und die jeweils zuständige Abteilung und deren Personen zu benennen.
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3.2
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Organisatorische Maßnahmen
Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen sind auch organisatorische Notwendigkeiten zu beachten. Sowohl bei dem Einkaufen von Produkten, Prozessen oder Services als auch bei der Auslagerung sind die Schnittstellen zum bestehenden bzw. verbleibendem Umfeld des Unternehmens eindeutig zu beschreiben oder herzustellen. Da in der Regel nicht nur eine, sondern bei großen Unternehmen ins hundertfache gehende Schnittstellen zu Neben- und Randsystemen zu beachten sind, ist ein organisatorischer Vorlauf erforderlich, um die Prozesse vor und nach dem Sourcen zu beschreiben. Geschieht dies nicht oder unvollkommen, so wird die Zeit nach der Umsetzung von Problemen gekennzeichnet sein oder das Projekt sogar abgebrochen werden. Mithin ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor, ob die Organisation des Unternehmens einen ausreichenden Reifegrad hat, um Sourcing (inside out oder outside in) durchführen zu können. Je eindeutiger die im Unternehmen vorhandene Organisation dokumentiert ist, umso leichter kann das Eingliedern oder Auslagern erfolgen. Pauschale Forderungen eines Outsourcers wie „Run my mess for less” sind hierbei wenig hilfreich. Der Klarheit des Projektes dient in diesem Zusammenhang auch die Betriebswirtschaft. Idealerweise existiert eine Prozesskostenrechnung, um erkennen zu können, ob es sich lohnt, die Wertschöpfungskette durch Zukauf anzureichern oder aber durch Abgabe schlanker zu gestalten und welche Auswirkungen dies jeweils im Betrieb haben wird.
3.3
Interne Sponsorship
Der Treiber für Sourcing-Projekte (und in den meisten Fällen ist hierbei das Outsourcing gemeint) ist der Handlungsdruck im Unternehmen, der durch Marktveränderungen, Wettbewerb, geringe Margen und zu hohe Kosten entsteht. Dies zu erkennen und daraus die strategischen und operativen Entscheidungen abzuleiten, ist Aufgabe der Geschäftsleitung. Eine der Maßnahmen, die Probleme in den Griff zu bekommen, kann dann sein, alle Möglichkeiten des Outsourcens zu prüfen. Ist eine Grundsatzentscheidung in dieser Richtung gefallen, sind zeitnah die Gremien des Unternehmens wie Aufsichtsrat, Beirat und Betriebsrat zu unterrichten, um zu versuchen, Einigkeit über Notwendigkeit und Vorgehensweise insbesondere bei Auslagerungen herzustellen. Durch eine offensive Kommunikationspolitik gegenüber dem betroffenen Personal muss versucht werden, negative Emotionen einzudämmen und eine sozialverträgliche Umsetzung zu suchen.
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Hemmschuhe für das Auslagern sind häufig Angst vor Veränderung der Besitzstände, Sorge die eigene Unternehmenskultur oder Identität zu verlieren und bereits im Vorfeld erkennbare Defizite bei Produkten oder Prozessen. Eine Beschleunigung kann erzielt werden, wenn das eigene Unternehmen als weniger positiv beurteilt wird als das aufnehmende oder eine berufliche Weiterentwicklung der Mitarbeiter erkennbar ist. Vorteilhaft bei diesen Prozessen ist, wenn ein Mitglied der Geschäftsleitung als „Sponsor“ für das Projekt von Beginn an zur Verfügung steht und er den Projektleiter und sein Team für alle sichtbar unterstützt und aktiv in das Governance-Modell eingebunden ist. Bei größeren Outsourcing-Verträgen ist es sogar unabdingbar, dass ein Mitglied der Geschäftsführung für diese Rolle verantwortlich ist.
3.4
Erkennbare Erfolgsaussichten
Jede Sourcing-Maßnahme setzt voraus, dass die betriebswirtschaftliche und strategische Analyse positiv ausfällt. Dazu kommt zudem die notwendige Fähigkeit zur Umsetzung. Konkret bedeutet dies, die zu erwartenden Kosten bei Eigenbetrieb auf einer Zeitachse von zum Beispiel fünf oder zehn Jahren müssen den Kosten bei Fremdbetrieb gegenüber gestellt werden, um dadurch die möglichen Einsparungen ermitteln zu können. Bei den Berechnungen sind Besonderheiten der jeweiligen Branche zu beachten wie im Kreditgewerbe das Problem, dass nicht für alle Leistungen einer Bank die Umsatzsteuer zu berechnen ist bzw. für bestimmte Bereiche geringere Sätze anfallen, während bei Auslagerungen jedoch für alle Dienstleistungen des Insourcers die Umsatzsteuer anfällt. Strategische Überlegungen zielen auf größere Freiheitsgrade bei den verbleibenden Kernprozessen sowie auf höhere Transparenz und Kontrolle bei den ausgelagerten Bereichen. Weiterhin ist es Ziel dieser Überlegungen, einen Ausgleich von fehlendem eigenem Know-how und die Steigerung von Performance und Qualität, verbunden mit einer optimalen Skalierbarkeit der erforderlichen Produktions- und Personalressourcen, zu erreichen. Beim Insourcing stehen in der Regel Qualität und Kosten externer Anbieter gegenüber dem Resultat der eigenen Fertigung im Vordergrund. Im Rahmen der Entscheidungsvorbereitung müssen messbare Standards festgelegt werden, mit denen die vorhandene Ist-Situation zu bewerten ist und nach der Auslagerung ein monatlicher Vergleich angestellt werden kann, um den erwarteten Erfolg nachweisen zu können. Bei dem seit Jahrzehnten erprobtem Auslagern von Rechenzentren sind ausreichende Bewertungsfaktoren, sogenannte Service Level Agreements (SLA), in der Praxis erarbeitet und immer weiter verfeinert worden, sodass die Vergleiche vor und nach der Auslagerung zu aussagefähigen Zahlen führen.
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Problematischer sind Vergleiche von Prozessen, da die meisten Unternehmen der Finanzindustrie allenfalls über eine Deckungsbeitragsrechnung, nicht aber über eine Prozesskostenrechnung verfügen, bei der jeder Teilprozess mit seinen Kosten dargestellt wird und sich dadurch eine gute Vergleichsbasis gegenüber den angebotenen Prozesse des Insourcers ergibt. Alle relevanten Themen der Organisation, der Prozesse, der Rollen und Verantwortlichkeiten müssen partnerschaftlich in einem Governance-Modell zusammengefügt werden und bilden die Basis für alle auftretenden Fragen und Probleme. Die Entscheidungsgremien im Governance-Modell werden meistens in drei hierarchische Ebenen eingeteilt: 1. Das Strategische Entscheidungsgremium, bei dem grundsätzlich ein Mitglied der Geschäftsleitung des ausgelagerten Unternehmens und ein Mitglied der Geschäftsleitung des Anbieters teilnehmen, um grundsätzliche und langfristige Entscheidungen abzustimmen und zu beschließen. 2. Das Funktionale Entscheidungsgremium, dem in der Regel der Leiter des ausgelagerten Bereichs sowie der Projektleiter des Anbieters angehören. Aufgabe ist das SchnittstellenManagement zwischen Out- und Insourcer sowie daraus entstehende Aufgaben- oder Problemfelder zu behandeln oder, falls dies nicht möglich ist, diese an das übergeordnete Gremium zur Klärung weiterzuleiten. 3. Das Operationale Entscheidungsgremium, das tagesaktuelle Themen intern oder gemeinsam mit dem Dienstleister zu lösen hat, um den laufenden Betrieb sicherzustellen, aber auch neue Anforderungen der Fachabteilungen aufnimmt und dafür sorgen muss, dass diese durch den Insourcer erfüllt werden. Hierzu sind die jeweiligen SLA anzupassen und gegebenenfalls neue Preise zu vereinbaren. Auch hier gilt, dass in diesem Gremium nicht lösbare Sachverhalte an das übergeordnete Gremium weiterzuleiten sind. Wenn die Zusammenarbeit in diesen Gremien nicht zufriedenstellend funktioniert, besteht die latente Gefahr, dass das Vertrauen schwindet, die Motive bei Handlungen von beiden Seiten schon im Voraus negativ beurteilt werden und sich ein Gefühl mangelnden gegenseitigen Respekts einstellt. Ein wesentliches Risiko entsteht, wenn der Insourcer eine marktbeherrschende Stellung erreicht, die dazu verführen kann, als Monopolist aufzutreten und die Wünsche der Kunden als nachrangig zu betrachten. Die ursprünglichen Ziele wie Reduzieren von Kosten und Verbessern der Qualität werden dann in der Regel nicht mehr erreicht und können sogar zu gegenläufigen Effekten führen. Nachteile können auch entstehen, durch eine Erodierung des Know-hows im abgebenden Unternehmen, Furcht des verbliebenen Personals ebenfalls ausgelagert zu werden, Verschärfung von Konflikten mit der Personalvertretung oder den Gewerkschaften. Dem kann von Beginn an entgegen gewirkt werden, wenn die Organisation des auslagernden Unternehmens bereits die Möglichkeit eines „Re-Sourcings“ einplant, wie es zum Beispiel im Bereich der Finanzindustrie durch die neuen Bestimmungen der „Markets in Financial Instruments Direc-
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tive (MiFID)” ab dem 1. November 2007 sogar von den Banken gefordert wird. Dadurch ist zwangsläufig eine „stabile Schatten-Organisation” im auslagernden Unternehmen aufzubauen, sodass dadurch auch die Chance eines Re-Sourcings verbessert wird. Schließlich ist bei dem Übergang von Mitarbeitern von Bedeutung, ob diese bei ihrem zukünftigen Arbeitgeber weiter motiviert tätig und für sie berufliche Zukunftsperspektiven zu erkennen sind. Die inzwischen zunehmende Zahl von Auslagerungen in Auffanggesellschaften, bei denen das Personal Arbeitszeiterhöhung und Lohnkürzungen hinnehmen muss, führt zwar zu einer direkt spürbaren Kostenentlastung, während die Qualität in der Regel aber spürbar abnimmt.
3.5
Suche nach der richtigen Sourcing-Strategie
Bis Mitte der Neunzigerjahre konnten die für die IT zuständigen Vorstände in der Regel im Unternehmen die Höhe ihrer IT-Budgets und die Prioritäten der Anwendungsentwicklung stark beeinflussen oder sogar selbstständig entscheiden. Diese Situation hat sich inzwischen dahin gehend verändert, dass Fachbereiche inzwischen IT-Entwicklungen selbst realisieren oder die bisher zuständige IT-Abteilung in den Fachbereich integriert wurde. Im IT-Bereich verbleiben dann nur die Methoden und Verfahren sowie die Systeme und systemnahen Verfahren. Zahlen einer Studie von IBM Research untermauern diese Entwicklung: Im Jahr 1997 verantwortete der IT-Bereich 68 Prozent des IT-Budgets, die Fachabteilungen hingegen nur 32 Prozent. Im Jahr 2004 ist das IT-Budget nur noch zu 40 Prozent in der Obliegenheit des IT-Bereichs, während 60 Prozent direkt durch Fachbereiche verantwortet wird und diese Budgetverschiebungen setzen sich fort. Beide Unternehmensbereiche sind aber weiterhin in der Verantwortung Prozesse unternehmensweit mit einheitlichen Standards und Technologien einzusetzen, eine Fokussierung auf die Kerngeschäftsfelder zu befolgen und diese gemeinsam weiter zu entwickeln sowie die Kosten für den laufenden Betrieb permanent auf Möglichkeiten der Verbesserung zu überprüfen. Um diese Ziele zu erreichen, ist durch die Geschäftsleitung mit den Bereichen eine langfristige „Business-Blaupause” zu entwickeln. Im Bankenbereich ist inzwischen unstrittig, dass hierbei das Thema „Industrialisierung” ein wesentlicher Aspekt ist, um Kosten einzusparen und Ergebnisse zu verbessern. Hierfür bieten sich insbesondere die mengenorientierten Geschäftsbereiche wie Zahlungsverkehr, Wertpapiergeschäfte und Kreditabwicklungen an, sofern sie nicht ausdrücklich als ein Kerngeschäft des Unternehmens definiert werden, wie dies bei Transaktionsbanken der Fall ist.
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Bernhard Schüller / Arno Simon
In einem nächsten Schritt ist festzulegen, ob eine komplette Eigenfertigung (Make) oder ein Fremdbezug (Buy) sinnvoller ist. Aber auch bei der Entscheidung für eine weitere Eigenfertigung ist entlang der gesamten Prozesskette zu prüfen, ob alle Teile im Unternehmen bleiben oder aber Teile der Kette durch Dritte beigesteuert werden können. Dieser systematisierte Entscheidungsprozess gilt auch für die IT-Bereiche wie das Rechenzentrum mit seinen Installationen sowie die Anwendungsentwicklung. Insofern sind Fach- und IT-Bereiche immer zwei Seiten derselben Medaille, sodass eine synchrone Betrachtung der Prozesse unbedingt erforderlich ist. Bei dem Auftrennen von Prozessketten ist zu beachten, dass jeder Teil der Kette selbstständig handlungsfähig bleibt und die Anzahl der Schnittstellen überschaubar ist. Nach Identifizierung der Bereiche und Prozesse, die nicht unter Kerngeschäft subsumiert werden, gilt es, die oben definierten Sourcing-Möglichkeiten im Detail auf ihre Verwendbarkeit für das Unternehmen zu überprüfen, da nicht jede Option für jedes Unternehmen gleichermaßen passend ist.
4.
Lessons learned
Ausgehend von den Sparkassen und Kreditgenossenschaften sind inzwischen unterschiedlichste Formen bei dem Sourcing von Dienstleistungen zu erkennen wie die nachfolgenden Beispiele am Finanzplatz Deutschland zeigen: Informationsdienste sammeln die Preise und Indizes von allen Märkten und bieten diese Produkte gegen Kostenerstattung den Banken an, die lediglich noch qualitätssichernde Maßnahmen durchführen, indem sie die Produkte verschiedener Anbieter per IT gegenüberstellen und vergleichen. Marktführer in diesem Segment sind Reuters-Thomson und Bloomberg. Die Kosten für eine eigene Sammlung wären für die Institute deutlich höher als der Fremdbezug, obwohl inzwischen eine Realisierung durch die Internettechnologie einfacher geworden ist. Transaction Aggregators bieten Orderrouting-Verfahren an, um Orders an vorgegebene Marktplätze weiterzuleiten. Damit sparen die Wertpapierdienstleister eigene technische Anbindungen zu Börsen sowie Multilateral Trading Facilities (MTF) und sichern sich zudem für ihre Kunden eine “beste Ausführungsqualität” durch den Insourcer. Typische Anbieter sind die Baader Wertpapierhandelsbank und ICF Systems. Ebenso bietet IBM eine komplette Lösung „OROM“ für Ordererfassung, -routing, -ausführung und Aufbereitung der Daten für die nachfolgende Backoffice-Verarbeitung. General Clearer Dienstleistungen gestatten es, das Kreditinstitute zwar Mitglied von Börsen und sonstigen Marktplätzen sein müssen, um dort Orders ausführen zu können ohne jedoch Kunde bei einem Clearinghouse sein zu müssen. Diese Funktion bieten die Dienstleister, in der Regel die großen Kreditinstitute, dem Non-Clearing Member an.
Verbesserung des Unternehmensertrags durch Sourcing
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Marktfolge Services: Transaction Banken bedienen im Wertpapierbereich über 80 Prozent der Institute mit allen Prozessen der Abstimmung, Disposition, Buchung, Geldverrechnung und der Kapitaldienste, also der Verwahrung und Verwaltung, sodass hierfür keine eigene Abteilung vorzuhalten ist. Der Markt ist inzwischen mehrheitlich aufgeteilt zwischen dwp bank, Xchanging und ITS. Zahlungsverkehrfabriken wickeln inzwischen ebenfalls hohe Volumina von In- und Auslandsverrechnungen ab und entlasten die Institute von weitgehend standardisierten und dadurch automatisierbaren Prozessen. Hierbei ist wesentlich, dass die Prozesse des auslagernden Unternehmens auf das Prozessmodell beim Insourcer transformiert werden können. Dadurch kann sich für den Insourcer der Aufwand deutlich verringern. Durch ein einheitliches Prozessmodell verringern sich die Kosten bei den Outsourcern. Für das private Kreditgewerbe dient die Postbank als wesentlicher Insourcer, während es für die Kreditgenossenschaften Equens, eine Tochter der DZ BANK, ist. Kreditfabriken sind vor einigen Jahren im Umfeld der Bausparkassen, hier zunächst bei der Bausparkasse Schwäbisch-Hall, durch Ausgliederung entstanden und sorgen für die Abwicklung der Hypotheken und Grundschulden. Aber auch Anschaffungskredite werden inzwischen industrialisiert bearbeitet, sodass die Bank vor Ort sich auf die Beratung und den Verkauf konzentrieren kann. Rechenzentrums Services Finanzservice-Dienstleister wie die Deutsche Börse Systems oder Wertpapierhandelsbanken bzw. deren Töchter haben die für eigene Belange erforderliche IT-Infrastruktur für Dritte geöffnet. Dies gilt sowohl für die Nutzung von Netzwerken, Systemen oder auch nur der RZ-Flächen. Tochtergesellschaften von Sparkassen und Kreditgenossenschaften bzw. deren Verbände bieten seit Jahrzehnten Hardware, Software und Anwendungsdienstleistungen sowie die dazu erforderlichen Räumlichkeiten an, sodass die Einzelinstitute sich von ihren eigenen Installationen trennen konnten. Die meisten bieten alle Dienste und Produkte inzwischen auch Drittunternehmen und Branchenfremden an. Als Anbieter zu nennen sind die beiden Rechenzentralen der Sparkassen-Organisation „Sparkassen Informatik“ und FinanzIT und die Rechenzentren der Kreditgenossenschaften Fiducia und GAD, über deren Fusion ebenfalls mehrfach diskutiert wurde. IT-Industrie Anbieter wie IBM, T-Systems und EDS haben seit langem den SourcingMarkt als eines ihrer Kerngeschäftsfelder definiert und ihre Rechenzentrumskapazitäten für die Aufnahme von Kunden erweitert oder deren Rechenzentrum komplett übernommen. Ein Beispiel für das IT-Outsourcing (ITO) sind die Rechenzentren der Deutschen Bank in Europa, die von IBM betrieben werden. Auch die HVB hat Teile der Anwendungsentwicklung und der Geschäftsprozesse verlagert. Wesentliches Ziel ist es, die HVBKreditanwendungen zu modernisieren, standardisieren und weiter zu entwickeln – ein gu-
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Bernhard Schüller / Arno Simon
tes Beispiel für Application Management Services (AMS) gekoppelt mit BPO/BTO (Business Process-/Business Transformation- Outsourcing). Neue Services wie „on-demand“ führen zu der Möglichkeit einer flexiblen Nutzung der Ressourcen durch die Kunden. Auch außerhalb von Deutschland haben fast alle Kreditinstitute und Wertpapierdienstleister Outsourcing-Projekte durchgeführt bzw. nutzen durch Insourcing die Produkte von diversen Anbietern. Die Vorreiterrolle spielten die Vereinigten Staaten von Amerika.
5.
Zusammenfassung und Ausblick
Lange bevor professionelle IT Diensteister ihre Outsourcing Dienstleistungen dem Markt anboten, stellten die Buchungszentralen für die Sparkassen und genossenschaftlichen Institute Rechenzentrumsleistungen und Bankanwendungen bereits Ende der Fünfzigerjahre zur Verfügung. Die Fiducia führte das „Fiducia Online System“ für den Dialogverkehr in den Siebzigerjahren ein. Außerdem gründete die Fiducia Tochtergesellschaften und Beteiligungen an Unternehmen, um den Kundenkreis mit branchenspezifischen Lösungen und Services bedienen zu können. In den Achtzigerjahren wurde durch Ausgründung seitens General Motors (GM) ein großer IT-Auslagerungsvertrag zwischen dem neuen Tochterunternehmen EDS und GM geschlossen. Hier handelte es sich um ein „captive“ Outsourcing, das heißt, EDS erbrachte die ITDienstleistungen nur innerhalb des GM Konzerns. Das klassische „non-captive“ Outsourcing von IT Leistungen wird seit circa 17 Jahren betrieben; Start war hierbei ein erster Mega-Deal mit Eastman Kodak. Danach hat sich IT-Outsourcing auch in Europa verbreitet. Das Outsourcing setzte sich hierbei zuerst in der Fertigungsindustrie durch. Es darf nicht verhehlt werden, dass insbesondere in Deutschland Outsourcing immer wieder in der Kritik steht. So wurde bereits 1996 Outsourcing zwar als Unwort nominiert und dadurch versucht der Auslagerung, verbunden mit der Vernichtung von Arbeitsplätzen, einen unseriösen Anstrich zu geben. Dennoch setzte sich das Outsourcing im folgenden Jahrzehnt weiter durch. Für das Image ist es von fundamentaler Bedeutung, dass tragfähige Personalkonzepte und -lösungen für die Mitarbeiter durch den Outsourcer und Insourcer gefunden werden. Die Mitarbeiter sollten sich weiterentwickeln können und auch in anderen Geschäftsbereichen eines Insourcers arbeiten können. Dies ist eher möglich bei einem Global Player mit vielfältigen Geschäftsfeldern, die nicht nur aus Outsourcing-Dienstleistungen bestehen. Die IT-Anbieter konnten in den vergangenen Jahren im deutschen Kreditsektor wichtige Erfolge erzielen, wobei der Megadeal mit der Deutsche Bank besonders ins Gewicht fällt. Es
Verbesserung des Unternehmensertrags durch Sourcing
135
wurden meistens allerdings Projekte abgeschlossen, die sich nur auf einen Teilsektor beziehen. Der Schwerpunkt der vereinbarten Verträge lag auf IT-Outsourcing (ITO). Für AMS wird es in Zukunft einen sehr hohen Bedarf geben, da der Handlungsdruck in der Anwendungsentwicklung ständig zunimmt. Der Handlungsdruck wird getrieben durch die Fachabteilungen, die neue Anwendungen in immer kürzeren Zyklen benötigen. Und der Aufwand für die Wartung und Implementierung von gesetzlichen Anforderungen steigt kontinuierlich. Insourcer mit ihren On- und Off-Shore Ressourcen können die Entwicklung und Wartung effizient und wirtschaftlich realisieren. Auf der vertikalen Seite (BPO/BTO) sind bereits die oben genannten Anbieter für Transaction Banking, Zahlungsverkehr, Kreditbearbeitung und Finanzservice am Markt gut vertreten. Bei den horizontalen Anwendungen und Prozessen kann noch ein weiteres großes Potenzial gehoben werden. Marktforscher gehen davon aus, dass sich im deutschen Kreditsektor der komplette Outsourcing-Markt von 2007 bis 2010 mit einer Compound Annual Growth Rate zwischen zehn und zwölf Prozent entwickeln wird. Das Wachstum in AMS und BPO/BTO wird voraussichtlich in Relation zum IT-Outsourcing erheblich schneller wachsen, wobei die Umsatzbasis im ITO Geschäft zurzeit erheblich höher ist.
IT- ektu hi t
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Unveränderter Service-Level bei realisierten Kosteneinsparungen
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Sourcing ist in keinem Fall eine Wunderwaffe. Drei Hauptgründe treiben die SourcingEntscheidungen von Kreditunternehmen, wobei (fast) immer Elemente aus allen Bereichen vertreten sind.
BusinessStrategie
Überregionales Wachstum, Fusionen, regulatorische Eingriffe
Abbildung 3:
Hauptgründe für Sourcing-Entscheidungen
Veränderungen der IT-Architekturen sowohl Infrastruktur als auch Anwendungen
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Bernhard Schüller / Arno Simon
Zusätzlich legen die Kreditinstitute vermehrt Wert auf Innovationen in einer OutsourcingVereinbarung. In einem gemeinsamen Innovationsteam zwischen Out- und Insourcer werden auf Basis von Forschungsergebnissen des Anbieters und gemeinsam erarbeiteten Konzepten quantitative und qualitative Verbesserungen erzielt. Es gibt erfolgreiche Outsourcing- Projekte und solche, die scheitern. Die verblüffende Einsicht ist, dass dies häufig an den Kunden liegt. Je mehr Erfahrungen Kunden mit dem Thema haben und je realistischer ihre Erwartungen sind, desto besser verlaufen die Projekte. Dies heißt aber auch, dass die Dienstleister ein ureigenes Interesse an der Professionalisierung ihrer Kunden schon vor dem Outsourcing haben müssen. Bei den Fällen, die gescheitert sind, ist es dem Dienstleister in der Regel nicht gelungen, den Kunden bei der Umsetzung von einem strengen „Projektmanagement“ zu überzeugen. Wesentliches Erfolgsgeheimnis für erfolgreiches Outsourcing: Das permanente und kompetente Controlling des Dienstleisters, und das ist gewiss, wird sich niemals outsourcen lassen.
Backoffice – Abwicklung für Banken über Verbundgrenzen
Backoffice – Abwicklung für Banken über Verbundgrenzen Stefan Haemmerling
1. Marktentwicklung 1.1 Kostenzwänge als Ursachen für Veränderungsdruck 1.2 Ausrichtung auf das Kerngeschäft 1.3 Spezielle Tendenzen 1.3.1 Spezialinstitute 1.3.2 Verbundinstitute 1.3.3 White-Label-Anbieter 1.3.4 Full-Service-Anbieter 2. Erfolgsfaktoren eines Full-Service-Anbieters 2.1 Technische Mandantenfähigkeit 2.2 Vertragliche Mandantenfähigkeit 2.3 Organisatorische Mandantenfähigkeit 3. BankenService als Full-Service-Anbieter 3.1 Integrationsspezialist seit 1994 3.2 Aufstellung als Full-Service-Anbieter 3.3 Strategische Ausrichtung der BankenService GmbH 4. Ausblick auf weitere Marktentwicklung 4.1 Weitere Konsolidierung 4.2 Unterschiedliche, erfolgreiche Strategien
137
138
Stefan Haemmerling
1.
Marktentwicklung
1.1
Kostenzwänge als Ursachen für Veränderungsdruck
In der deutschen Bankenlandschaft besteht nunmehr seit fast 15 Jahren ein erhöhter Wettbewerbs- und Kostendruck. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig: Globalisierung, Verdrängungswettbewerb, technische Innovationen, Nichtbanken als Anbieter von typischen Bankprodukten, um nur einige zu nennen. Als Konsequenz des erhöhten Wettbewerbs stiegen die Erwartungshaltungen und Ansprüche der Kunden im Hinblick auf Service, Rentabilität, Zuverlässigkeit und Kosten. Die nur schleppende Reaktion des deutschen Bankenmarktes auf diese sich verändernde Situation führte zu verminderter Zufriedenheit und infolgedessen zur vermehrten Zurückhaltung der Bankkunden, wodurch wiederum eine größere Differenz zwischen Kunden- und Refinanzierungseinsatz für die Banken resultierte. Die Folgen waren die Entwicklung von zu hohen Kosten, geringen Margen und auch steigende Risiken. Die notwendigen Rentabilitätsverbesserungen waren bei den Banken eher auf der Kostenseite als auf der Ertragsseite zu realisieren. Auf diese Herausforderungen mussten und haben die Banken reagiert. Nach zögerlichem und schleppendem Start gibt es heute wohl kaum noch Marktteilnehmer, die noch nicht über eine Aufstellung als Produkt-, Vertriebs- und Transaktionsbank nachgedacht haben und entsprechende Schritte eingeleitet haben. Spezialisierung, Fokussierung, in jedem Falle aber Konsolidierung waren und sind die beherrschenden Überschriften bei allen strategischen Ausrichtungsüberlegungen. Vor dem Hintergrund des Zwanges, Kosteneinsparungen zu identifizieren und realisieren zu müssen, hat das Transaction Banking an Bedeutung gewonnen. Hier ließen sich durch die bloße Standardisierung von Prozessen und eine Bündelung von Mengen Kostenvorteile bis zu 30 Prozent erzielen. Die Industrie hatte es schließlich schon lange vorgemacht. Anders als in den angelsächsischen Ländern und in den USA, in denen das Transaction Banking in wenigen Jahren neu aufgestellt wurde und dabei auch von branchenfremden Dienstleistern beherrscht wird, verläuft dieser Prozess in Deutschland verlangsamt.
1.2
Ausrichtung auf das Kerngeschäft
Die Banken konzentrierten sich in den letzten Jahren auf ihre Kernkompetenzen, da es für sie zunehmend schwieriger wurde, ihre bisherige Strategie des Verbundabsatzes auf Basis einer Mischkalkulation aufrecht zu erhalten. Darüber hinaus erschien eine Konzentration der Ab-
Backoffice – Abwicklung für Banken über Verbundgrenzen
139
wicklungsaktivitäten vor dem Hintergrund der erwarteten hohen Investitionserfordernisse im IT-Bereich und der wachsenden regulatorischen Anforderungen höchst erforderlich. Die Kernkompetenzen umfassen vor allem Vertriebs- und Beratungsfunktionen sowie beratungsnahe Leistungen wie Finanzplanung, Portfoliomanagement und Produktentwicklung für Kernprodukte. Für die übrigen Leistungen wurden neue Wege gesucht. Outsourcing macht seit den Neunzigerjahren Furore und ist bis heute in aller Munde. Die nicht zum Kerngeschäft gehörenden Leistungen werden fremdvergeben und standardisiert hinzu gekauft. Durch diese Trennung wird eine klare Zuteilung in der Wertschöpfungskette erreicht, nämlich Vertrieb und Produkte auf der einen Seite und die Abwicklung von Geschäften und operativen Risiken auf der anderen Seite. Die Umsetzung dieser lang diskutierten Trennung in Vertriebsbanken und Abwicklungsbanken hat begonnen und ist in vollem Gange. Durch diese Vorgehensweise lassen sich folgende Vorteile erzielen: Durch das Outsourcing können die Prozesskosten planungssicherer und flexibler gehandhabt werden. Die Flexibilisierung der Kosten bedeutet eine bessere Kontrolle und Kosten können besser den Marktveränderungen angepasst werden. Die Transparenz der Kosten ermöglicht das sichere Treffen von Entscheidungen. Der Verzicht auf eine kostenintensive eigene Infrastruktur für die outgesourcten Geschäftsprozesse ist möglich. Die fixen Kosten werden entscheidend reduziert und in variable Kosten gewandelt. Nachdem zunächst der Kostendruck ausschlaggebendes Kriterium für das Auslagern von Geschäftsprozessen war, wurde später der strategische Nutzen durch das Outsourcing erkannt und gewann zunehmend an Bedeutung. Einen Überblick über die allgemeinen Chancen und Risiken bei der Trennung der Wertschöpfungskette im Sinne der Bündelung von Abwicklungsaufgaben gibt Abbildung 1.
140
Stefan Haemmerling
Bündlung von Abwicklungsaufgaben bietet Chancen – aber auch Risiken
Bank 1
Bank 2
...
Gemeinsame Abwicklung
Chancen
Risiken
Realisierung von Skaleneffekten Verbesserung Auslastung der Ressourcen
Altlastenproblematik (Mitarbeiter, Systeme,
(Mensch, Maschine)
Optimierung Standorte Aufgabenbezogene Vergütung (ggf. außerhalb Bankentarif)
Erhöhung Auslastung (Infrastruktur, Mitarbeiter) Æ Ggf. Erzielung von Erträgen
Abbildung 1:
Sonderabschreibungen etc.)
Erhalt Funktionalitäten hochspezialisierter Systeme
Hohe Migrationskosten bei IT-Wechsel Ggf. Anfall von Mehrwertsteuer Sicherstellung der Leistungskontinuität Verringerung Einflussnahme bei Beteiligungen
Chancen und Risiken der Bündelung von Abwicklungsaufgaben
1.3
Spezielle Tendenzen
1.3.1
Spezialinstitute
Als prädestiniert für das Outsourcing haben sich vor allem die Bereiche des Zahlungsverkehrs und des Wertpapiergeschäfts gezeigt. Der Zahlungsverkehr ist fester Bestandteil jeder Kundenbeziehung, jedoch wird die Verarbeitung, zum Beispiel die Belegumwandlung, ausgelagert, da sie nicht zur Kernkompetenz gehört. Bei der Auslagerung von beleggebundenen Zahlungsverkehrsprozessen stehen insbesondere die Bündelung großer Volumina im Vordergrund, um kostensenkende Synergien erzielen zu können, die dann an die Banken weitergegeben werden können. Bei der Auslagerung von Geschäftsprozessen im Wertpapiergeschäft hingegen stehen die Beherrschung der steigenden Vielfalt an Finanzinstrumenten und die damit verbundenen hohen IT-Entwicklungskosten im Vordergrund. Die Anforderungen an eine zeitkritische und komplexe Abwicklung unter den Rahmenbedingungen einer globalen Vernetzung sowie sich
Backoffice – Abwicklung für Banken über Verbundgrenzen
141
ständig ändernder steuerlicher und aufsichtsrechtlicher Vorgaben steigen permanent an. Die Abwicklung des Wertpapiergeschäfts hat hohe technologische Hürden zu nehmen und die Übersetzung der steuerlichen- und aufsichtsrechtlichen Vorgaben ist teuer. Diese beiden Beispiele für auslagerungsfähige Prozesse zeigen, dass die Anforderungen und damit die Treiber für die Erfolgsfaktoren der Insourcer sehr unterschiedlich sein können. Diese Unterschiede führten dazu, dass in der jüngeren Vergangenheit eine ganze Flotte von Spezialinstituten entstanden ist. Diese Spezialinstitute haben sich auf bestimmte Geschäftsprozessarten spezialisiert, um die Anforderungen professionell erfüllen zu können. Die ausgelagerten Prozesse des Outsourcers werden für ihn als Spezialanbieter zum Kerngeschäft.
1.3.2
Verbundinstitute
Die infolge der Ausgründungs- und Outsourcingaktivitäten entstandenen Spezialinstitute sind unter den Rahmenbedingungen der dreigliedrigen Zusammensetzung des deutschen Bankenmarktes, nämlich der öffentlich-rechtlichen, genossenschaftlichen und privaten Banken, entstanden. Um die beschriebenen Mengenbündelungseffekte und Synergien als Voraussetzung für Kostensenkunkungsmaßnahmen erzielen zu können, werden von diesen Instituten zusätzliche Aufträge von anderen marktteilnehmenden Banken angestrebt. Auch wenn die meisten dieser neu gegründeten Institute „offen“ für Zusatzaufträge aller Banken sind, so bedienen die meisten von ihnen doch entweder nur die eigene Muttergesellschaft oder zusätzliche Banken aus dem eigenen Herkunftslager, eben entweder aus dem öffentlich-rechtlichen, genossenschaftlichen oder Privatbankenbereich. Die erfolgreichsten dieser Teilnehmer, die sich im eigenen Lager durchsetzen konnten, haben sich zu sogenannten Verbundinstituten entwickelt oder wurden von Anfang an als solche gegründet. Bietet die Verbundzugehörigkeit bestimmte Sicherheiten und Schutzaspekte, so behindert sie letztendlich doch das mögliche Wachstum eines offenen Marktes. Taktische und politische Interessenlagen beeinflussen oftmals die betriebswirtschaftlichen Fakten und behindern so die Entwicklung der erfolgreichen Anbieter.
1.3.3
White-Label-Anbieter
Manchen Anbietern gelingt es zunehmend, eine sogenannte „White-Label-Produktion“ zu erreichen und ihre Dienstleistungen unter einem No-Name-Markenzeichen zu verkaufen. In diesen Ausnahmefällen gelingt es Anbietern trotz der erschwerten Bedingungen der dreigeteilten Verbundzugehörigkeit des deutschen Bankenmarktes, Dienstleistungen für Banken über die eigenen Verbundgrenzen hinweg zu erbringen und sich somit zum White-LabelAnbieter zu entwickeln.
142
1.3.4
Stefan Haemmerling
Full-Service-Anbieter
Wenn auch der Erfolg von Transaktionsbanken in der Industrialisierung und Standardisierung von Prozessen und der Bündelung von Mengen und Kompetenzen liegt, so unterliegen die unterschiedlichen Abwicklungsarten, beispielsweise des Zahlungsverkehrs, des Wertpapiergeschäfts oder der Kreditabwicklung auch unterschiedlichen Treibern von Anforderungen und Erfolgsfaktoren. Aus dieser Erkenntnis heraus wird gemeinläufig davon ausgegangen, dass es wenig sinnvoll ist, sämtliche Abwicklungsbereiche einer Bank in eine einzige Transaktionsbank einzubringen. Somit sind überwiegend unterschiedliche Typen von Transaktionsbanken (= Spezialanbieter) entstanden. Je höhere Synergiepotenziale zwischen den unterschiedlichen einzelnen Abwicklungsbereichen respektive Abwicklungsprozessen vermutet werden, umso eher sind einzelne Anbieter bereit, unterschiedliche Abwicklungsprozesse kombiniert aus einer Hand anzubieten. Dies beschränkt sich in der bisherigen Marktentwicklung jedoch überwiegend auf die Kombination von zwei, maximal drei unterschiedlichen Dienstleistungen. Dabei werden zumeist Abwicklungsbereiche kombiniert, die ähnliche Strukturen mit vergleichbaren Anforderungen an Erfolgsfaktoren aufweisen. Dies kann die Bündelung von transaktionsbasierten Leistungen wie Zahlungsverkehr und Kartenabwicklung betreffen oder kontobasierte Leistungen wie beispielsweise Kontoführung und Kreditabwicklung. Die sogenannten „Full-Service-Anbieter“, die heute in der Lage sind, sämtliche oder zumindest die wesentlichen Teile aller Abwicklungsbereiche einer Bank anzubieten, bilden bislang die Ausnahme. Der große Vorteil des Full-Service-Anbieters liegt darin, dass er den Aufwand für die Dienstleistersteuerung der Bank deutlich reduziert. Jeder Spezialanbieter hat ein unterschiedliches Preismodell, unterschiedliche Vertragsinhalte und –strukturen, wie beispielsweise unterschiedliche Mitwirkungspflichten und Change-Request-Regelungen sowie unterschiedliche Reportingstrukturen. Nicht zuletzt existieren unterschiedliche Ansprechpartner mit nötigenfalls unterschiedlichen Eskalationsstufen und Schnittstellen. Der Full-Service-Anbieter bietet das „Rundum-sorglos-Paket“ aus einer Hand an und reduziert somit deutlich den Schnittstellen- und Steuerungsaufwand für die outsourcende Bank.
2.
Erfolgsfaktoren eines Full-Service-Anbieters
2.1
Technische Mandantenfähigkeit
Allgemein wird unter Transaction Banking die organisatorische und technische Abspaltung von Backoffice-Dienstleistungen aus der Wertschöpfungskette einer Bank verstanden. Ziel ist es, dass die Transaktionsbank ein hochautomatisierter und standardisierter Abwicklungs-
Backoffice – Abwicklung für Banken über Verbundgrenzen
143
dienstleister wird. Dieser notwendige Standardisierungs- und Automatisierungsgrad lässt sich nur auf der Basis effektiver IT-Anwendungssysteme erreichen. Zwischen Out- und Insourcer sollten die Schnittstellen der eingesetzten Systeme strukturiert definiert sein, damit abwicklungsfähige Transaktionen effektiv durchgeführt werden können. Gegebenenfalls sind Anpassungen vorzunehmen und die Verantwortlichkeiten auf beiden Seiten der Schnittstelle im Rahmen des Gesamtprozesses eindeutig festzulegen. In der Regel müssen im operativen Tagesgeschäft sowohl der Insourcer als auch der Outsourcer aktuell Zugriff auf gespeicherte Daten haben. Um die Aktualität der Daten zu gewährleisten, sollten klare Zuständigkeiten in der Datenverwaltung festgelegt werden. Dadurch wird der Pflegeaufwand optimiert und die Fehlerquoten gering gehalten, was wiederum auf die Höhe der Betriebskosten positiv wirkt. Im Rahmen von Verbundanbietern lassen sich diese Zustände relativ leicht erzielen, da die Mandanten in der Regel gleiche IT-Plattformen benutzen und durch die Integration von Abwicklungsaufgaben mehrerer Mandanten respektive Migration mehrerer IT-Anwendungen ausreichend Know-how aufgebaut haben. So besitzen beispielsweise die Sparkassen grundsätzlich eine gute Ausgangslage: Sie verfügen über ähnliche Produkte und Prozesse und verfügen im Vertriebs- und Verbandsgebiet über gemeinsame, einheitliche IT-Plattformen. Wesentlich größer werden die Herausforderungen für die Full-Service-Anbieter, wenn es darum geht, im Bereich der White-Label-Produktion IT-Anwendungen aus allen Abwicklungsbereichen aus unterschiedlichen IT-Plattformen zu migrieren. Diese Herausforderungen sind nur über eine modular aufgebaute Systemarchitektur mit hohem Standardisierungsgrad der Geschäftsprozesse zuzüglich der oben beschriebenen zu gestaltenden Rahmenbedingungen zu erfüllen.
2.2
Vertragliche Mandantenfähigkeit
Bei der Entscheidungsfindung der Banken zum Outsourcing von Abwicklungsaufgaben spielt oftmals die Befürchtung eine Rolle, sich in ein schwer steuerbares Abhängigkeitsverhältnis zum Insourcer zu begeben. Es besteht die Angst, Preiserhöhungen und Serviceverschlechterungen schutzlos ausgeliefert zu sein. Eine weitere Befürchtung bei der Outsourcingentscheidung betrifft die Vertraulichkeit der Transaktionsdaten. Gerade in Zeiten des sich verschärfenden Wettbewerbs wiegen diese Befürchtungen schwer. Die Herausforderung des Insourcers besteht also darin, möglichst schon im Vorfeld diese Argumente zu entkräften. Die Antworten lassen sich überwiegend in einem professionellen Vertragsmanagement finden. Letzten Endes sind vertragliche Regelungen „nur“ der formelle Rahmen, der dann nicht viel nützt, wenn es kein Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragspartnern gibt bzw. das Vertrauensverhältnis gestört ist. Wenn jedoch ein Vertrag ausgearbeitet wird, ist davon auszugehen, dass es vorab, nämlich in der Vor- und Hauptphase des Projektes, gelungen ist, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen.
144
Stefan Haemmerling
Sind sich beide Partner einig über die Zusammenarbeit geworden, ist es sinnvoll, den Vertrag so detailliert wie möglich zu gestalten. Im Rahmen einer dauerhaft angestrebten Partnerschaft sollten die Rechte und Pflichten, aber auch die Qualitätsvereinbarungen, die wirtschaftlichen Vorteile und die Absicherung potentieller Risiken für beide Partner nachvollziehbar sein. Folgende Bausteine sollten in einem Outsourcingvertrag geregelt werden: Präambel, Begriffsdefinitionen, Leistungsumfang und -beschreibung, Regelungen zur Zusammenarbeit der Vertragspartner, Art und Weise der Leistungserbringung, Personalübernahmemodalitäten, Assetübernahmemodalitäten, Vergütung und Abrechnung, Regelungen zum Projektmanagement und Übernahme der Aufgaben, Mitwirkungspflichten des Outsourcers, Change-Request-Regelungen, Prüfungsmodalitäten im Rahmen des § 25 a KWG, Regelungen zum Datenmanagement und -schutz, Gewährleistungs- und Haftungsfragen, Vertragslaufzeiten und Beendigungsregelungen, Regelungen zu den Service- und Vertragsmanagern, Regelungen zu Vertragsstrafen, Pönalen und zu Streitfällen, gegebenenfalls. Regelungen zu Rückabwicklungen, Schlussbestimmungen, Geheimhaltung und Schriftformklausel. Zu jedem der oben genannten Bausteine könnten größere Abhandlungen verfasst werden. Aus Fokussierungsgründen soll hier kurz auf wichtige Aspekte zu zwei Bausteinen eingegangen werden.
Leistungsumfang und -beschreibung In der Regel wird zumindest bei größeren Projektumfängen zunächst ein Rahmenvertrag formuliert, der die grundsätzlichen Bestimmungen und Regelungen zu leistungsübergreifen-
Backoffice – Abwicklung für Banken über Verbundgrenzen
145
den Themen enthält. Zusätzlich zum Rahmenvertrag werden dann weitere Verträge in Form von Anlagen erstellt. So werden beispielsweise die Beschreibungen der Leistungen in sogenannten Leistungsscheinen als Anlage zum Rahmenvertrag konzipiert. Die Festlegung der einzelnen Leistungen und der Leistungserbringung wird dabei im Rahmen von Service-Level-Vereinbarungen, die auch die Leistungsqualitäten und Leistungsverfügbarkeiten bestimmen, beschrieben. Diese Vertragsgestaltung hat den Vorteil, dass der Rahmenvertrag als fester Bestandteil unverändert bestehen bleiben kann, während die Anlagen, also in unserem Beispiel die Leistungsscheine inklusive der Service-Level-Vereinbarungen, den aktuellen Bedürfnissen während der Vertragslaufzeit angepasst werden können. Die Service-Level-Vereinbarungen bilden die Voraussetzung für eine messbare Leistungserfüllung, da hier die genaue Leistungsbeschreibung, die quantitativen wie qualitativen Aspekte bei der Leistungserbringung und die definierten Messgrößen genau beschrieben sind. Die Service-Level-Vereinbarungen sind somit das zentrale Instrument zur objektiven Bewertung der Erfüllung der Leistungspflichten und bilden die Grundlage zur Steuerung und Verbesserung der Kundenbeziehung. Empfohlen wird, gleichzeitig auf der Basis der vereinbarten Service Levels eine Bonus-Malus-Regelung zu vereinbaren, da durch die hierin enthaltenen Belohnungs- und Sanktionsmechanismen zusätzliche Leistungsmotivation für den Leistungserbringer bzw. zusätzliche Sicherheit für den Auftraggeber erreicht wird.
Regelungen zum Projektmanagement und zur Übernahme der Aufgaben In der Regel wird die Verlagerung von Aufgaben nach einem dreigeteilten Phasenmodell vorgenommen, nämlich in der Vorphase, Konzeptionsphase und der anschließenden Migrationsphase. Die Vorphase ist geprägt von den Auftaktgesprächen auf der Managementebene beider Häuser und der Abstimmung der wesentlichen Rahmenbedingungen. In dieser Phase werden unter anderem die Projektstruktur besprochen, Fachteams gebildet und die handelnden Personen festgelegt. Dabei ist darauf zu achten, dass Teilnehmer aus beiden Häusern gleichermaßen berücksichtigt werden, auch wenn die Federführung durch den Insourcer im Sinne einer Dienstleistung erfolgt. Schließlich gehört die Übernahme von Abwicklungsdienstleistungen zu seinem Kerngeschäft. In dieser Phase entscheidet sich häufig, ob die Partner gut zusammen passen und wirklich gewillt sind, das Projekt gemeinsam zum Erfolg zu bringen. Gelingt es beiden Partnern in dieser Phase neben allen Hart Facts Vertrauen und ein „gutes Gefühl“ gegenüber dem Partner aufzubauen, ist dies für die nachfolgenden Phasen und somit für das gesamte Vorhaben von entscheidender Bedeutung. Wenn es schließlich gelingt, das Gefühl aufzubauen, den „richtigen“ Partner gefunden zu haben, sind am Ende dieser Phase beide Partner bereit, einen Letter of Intent abzuschließen, um die Sicherheit und Verbindlichkeit für alle Beteiligten zu erhöhen und zu dokumentieren. In der Konzeptionsphase werden unter anderem die Leistungsscheine erstellt, die Bepreisung sowie die Bonus-Malus-Regelung und die Vertragswerke festgelegt. Alle wesentlichen Arbeitsergebnisse werden von einem vorher implementierten, von beiden Partnern besetzten
146
Stefan Haemmerling
Steuerungskreis abgenommen. Während dieser intensiven Arbeitsphase, in der gemeinsam Ergebnisse erzielt werden, lernen sich die handelnden Projektmitarbeiter/innen intensiv kennen. Häufig werden nach Abschluss des Projektes aus diesem Kreis die Personen von beiden Seiten benannt, die als Service-Manager die Schnittstellen auf beiden Seiten während der Vertragslaufzeit betreuen. Der Umstand, dass sich die handelnden Personen während des Projektes kennenlernen und gemeinsam Ergebnisse erarbeiten konnten, bildet eine ideale Grundlage für die spätere Zusammenarbeit. Am Ende dieser Phase werden alle notwendigen Verträge abgeschlossen. In der sich anschließenden Migrationsphase wird die tatsächliche Auslagerung in beiden Häusern vorbereitet. Die geplanten Migrationsschritte werden zum Produktionsstart umgesetzt und gemeinsam überwacht. Es gilt, ein Mandantenreporting aufzubauen, dass die Grundlage für den Abgleich der Leistungserbringung auf der Basis der vereinbarten Service Levels und den Berechnungen für die Bonus-Malus-Vereinbarung bildet. Sollten vereinbarungsgemäß Mitarbeiter vom Out- zum Insourcer übergehen, sind Integrationsmaßnahmen beim neuen Arbeitgeberbetrieb vorzunehmen. Bei sehr umfangreichen Leistungspaketen ist es oftmals nicht realistisch anzunehmen, dass zum Zeitpunkt der Produktionsübernahme der „Hebel umgestellt“ wird und eine fehlerfreie Übernahme stattfindet. Selbst in sehr gut strukturierten Projekten mit sehr guten Arbeitsergebnissen treten erfahrungsgemäß nach Produktionsübernahme Themen auf, die für beide Partner nicht voraussehbar waren. In diesen Fällen ist es empfehlenswert, eine sogenannte Start-up-Phase zu vereinbaren. Diese Phase beschreibt den definierten Zeitraum ab Produktionsstart bis zum Ende der Start-up-Phase, in der vorher festgelegte Projektbeteiligte auf beiden Seiten dafür zuständig sind, alle ungeplant auftretenden Probleme gemeinsam zu beseitigen. In dieser Phase verzichten beide Partner formell auf bestimmte Vertragsrechte – wie beispielsweise Rücktrittsrechte, Geltendmachung von Pönalen und Minderungs- und Schadensersatzregelungen – es sei denn, ein Partner hätte grob fahrlässig gehandelt. Die besonderen Rechte und Pflichten der Vertragspartner während der Start-up-Phase sollten in einer gesonderten Anlage zum Rahmenvertrag einvernehmlich geregelt werden. Auch bei der Ausgestaltung dieser vertragsrelevanten Inhalte zahlt sich das bereits mehrfach beschriebene gegenseitig aufgebaute Vertrauen als Grundlage für eine langfristige Partnerschaft aus.
2.3
Organisatorische Mandantenfähigkeit
Ein professionell aufgestellter Dienstleister für Backoffice-Produkte und Dienstleistungen muss organisatorische Maßnahmen ergreifen, um im Wesentlichen zwei Anforderungen, nämlich den formellen Anforderungen des Kreditwesengesetzes und den Service- und Qualitätsanforderungen, die der Markt respektive die Kunden stellen, zu erfüllen:
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Der §25a Abs. 2 des KWG sorgt dafür, dass die Auslagerung von bestimmten Abwicklungsbereichen auf Dritte nur erfolgen darf, wenn die Ordnungsmäßigkeit der Dienstleistung, die Wahrnehmung der Organisationspflichten und die Prüfungs- und Kontrollmöglichkeit der BaFin erfüllt sind. Jeder Insourcer hat also seine Abläufe zur Erbringung der Dienstleistung so zu gestalten, dass den Anforderungen der Aufsichtsbehörde entsprochen wird. Auch wenn am Anfang die Kosteneinsparungen die häufigste Triebfeder für Auslagerungsaktivitäten der Banken waren, wird heute sehr deutlich eine hohe Servicequalität des Dienstleisters erwartet. Neben den beschriebenen technischen und vertraglichen Voraussetzungen, die es zu schaffen gilt, werden systematische Qualitätsanforderungen gestellt. Um sich diesen Anforderungen zu stellen, ist die Implementierung eines Qualitätsmanagementsystems dringende Voraussetzung. Es schafft klare Verantwortlichkeiten, Transparenz, Reduzierung von Kosten, Erhöhung der Produktqualität und ermöglicht schnelle Reaktionen auf veränderte Kunden- und Marktanforderungen. Zu den wesentlichen Bausteinen eines Qualitätsmanagementsystems gehören: Festlegung von Qualitätspolitik und Qualitätszielen, Festlegung der Prozesse, um diese Ziele zu erreichen, Bereitstellung der Ressourcen, Aufbau eines prozessorientierten Kennzahlensystems, Ermittlung der Erfordernisse und Erwartungen der Kunden, Anwendung von Methoden zur Messung der Wirksamkeit und Effizienz, Festlegung von Mitteln zur Verhinderung von Fehlern und Fehlerquellen. Insgesamt werden also sämtliche Tätigkeiten zum Leiten und Lenken einer Kundenbeziehung koordiniert und aufeinander abgestimmt. Die sich daraus ergebenden Vorteile liegen auf der Hand. Schaffung klarer Verantwortlichkeiten, Prozessoptimierung durch ständige Verbesserung, Reduzierung der Kosten durch Fehlervermeidung, flexible/rasche Reaktion auf Mandantenwünsche, flexible/rasche Reaktion auf Marktveränderungen, Folgegeschäfte/Weiterempfehlung, Erhöhung der Mitarbeitermotivation. Dabei gilt es, die Zufriedenheit der Kunden regelmäßig durch Umfragen zu prüfen und die Mithilfe der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch ein optimiertes Verbesserungsvorschlagwesen zur ständigen Verbesserung der Prozesse zu nutzen. Mit dem konsequent
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Stefan Haemmerling
betriebenen Qualitätsmanagementsystem werden die Kundenorientierung, die Transparenz der Abläufe und die hohe Qualität der Dienstleistungen sichergestellt. Letztendlich wird die Kundenzufriedenheit gesteigert, die Wettbewerbsposition gestärkt und der Marktanteil erhöht. Eine wesentliche Voraussetzung für das Betreiben des professionellen speziellen Abwicklungsgeschäfts ist ein fähiges Management. Es müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorhanden sein, die einerseits das fachliche Know-how der abwicklungsspezifischen Anforderungen abdecken, andererseits aber auch ausreichend Erfahrung bei der projektorientierten Bearbeitung von Themenstellungen im Zusammenhang mit der Industrialisierung und Standardisierung von Prozessen und der Bündelung von Mengen und Kompetenzen und daraus zu erzielenden Synergien besitzen. Dies setzt die Schaffung einer leistungsorientierten Servicekultur im Unternehmen voraus, in der unter anderem effektive Personalentwicklungsprogramme durchgeführt werden. Individuelle Entwicklungsplanungen für ausgewähltes Personal in Fach – und Führungslaufbahnen, Mitwirkung bei der Lösung von ausgewählten Projektaufgaben in anderen Fachbereichen verbunden mit Unterstützung durch Mentorenprogramme sind Beispiele für eine gezielte Personalentwicklung. Für einen Full-Service-Anbieter ist das konsequente Nutzen und Fördern von Mitarbeiterpotenzialen von besonderer Bedeutung. Durch den permanenten und gezielten Ausbau von Fach-, Führungs- und Projekt-Know-how über das gesamte Unternehmen, verbunden mit Rotations- und Vertretungsprogrammen des Managements, wird die Grundlage dafür geschaffen, dass die unterschiedlichen Treiber von Erfolgsfaktoren auf breiter Basis bekannt sind. Dadurch können sie vom Management in den diversen Abwicklungsbereichen erfolgreich und übergreifend gestaltet und bewältigt werden. Es können noch weitere, sinnvolle organisatorische Voraussetzungen genannt werden. Hierzu zählen zum Beispiel die Fähigkeiten, durch projektorientierte Bearbeitung von Verlagerungen von Abwicklungsbereichen einen ganzheitlichen Lösungsansatz anzubieten, wozu unter anderem auch bei Bedarf die Übernahme von Personal der outsourcenden Bank gehört. Eine weitere Voraussetzung wäre neben der eher standardisierten Kostenarten- und Stückkostenrechnungen über eine Prozesskostenrechnung auf Teil- und Vollkostenbasis zu verfügen. Es sollten mit dem Kunden abgestimmte Kundenreportings aufgebaut werden, ein integriertes Risikomanagementsystem mit entsprechenden Notfallplänen sowie ein Kundenbetreuungssystem mit definierten Aufgabenzuordnungen und Kompetenzen aufgebaut werden. Insgesamt ist keine der genannten Voraussetzungen zu vernachlässigen. Am Ende werden sich diejenigen Anbieter am Markt durchsetzen, die im Sinne der technischen Abwicklung die richtigen Systeme anbieten und sicher beherrschen können, die vertraglichen Voraussetzungen auf der Basis von vereinbarten Service Levels als Dreh- und Angelpunkt jeder Geschäftsbeziehung anbieten können und die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen haben, um neben den marktfähigen Preisen einen hervorragenden Service mit entsprechender Produkt- und Dienstleistungsqualität bieten zu können.
Backoffice – Abwicklung für Banken über Verbundgrenzen
149
3.
BankenService als Full-Service-Anbieter
3.1
Integrationsspezialist seit 1994
Die Gesellschaft wurde 1994 durch Ausgründung der beiden Betriebsservice-Gesellschaften als rechtlich selbstständige Einheit der Berliner Bank und der Landesbank Berlin AG unter einheitlicher Leitung als zentraler Backoffice- und Logistik-Dienstleister begründet und schließlich 1998 zur BankenService GmbH zusammengeführt. Sie ist heute eine 100prozentige Tochter der Landesbank Berlin AG. Bankfachliche Backoffice-Aufgaben werden in der Gesellschaft direkt erbracht, für Aufgaben ohne bankfachlichen Anspruch steuert die BankenService GmbH Dienstleister für ihre Kunden. Somit wurde eine Trennung von Vertriebs- und Betriebesfunktionen in der Landesbank Berlin AG nahezu vollständig erreicht (siehe Abbildung 2).
Trennung von Vertrieb und Betrieb bei Landesbank Berlin nahezu vollzogen Produkte im Transaction Banking
Grad der Bündelung in der Bankgesellschaft
Erläuterung
Zahlungsverkehr Inland
Vollständig im BankenService gebündelt
Zahlungsverkehr Ausland
Vollständig im BankenService gebündelt
Wertpapierabwicklung
Teile ausgelagert, sonstige Abwicklungsprodukte im BankenService gebündelt
Abwicklung Eigenhandel
Teile ausgelagert, sonstige Abwicklungsprodukte im BankenService gebündelt
Fondsabwicklung
Alle im Rahmen (aufsichts-) rechtlicher Vorschriften auslagerbaren Aufgaben im BankenService gebündelt
Kontoservice
Für Privatkunden komplett, für Firmenkunden teilweise im BankenService gebündelt
Kreditabwicklung/ Marktfolge Aktiv
Jeweils produktbezogen in Muttergesellschaft, Darlehensbuchhaltung und Dokumentengeschäft im BankenService gebündelt
Logistik-Dienstleistungen
Nahezu vollständig im BankenService gebündelt
Kaum Bündelung
Abbildung 2:
Bündlung, aber keine Trennung der Verantwortlichkeit Betrieb/ Vertrieb
Vollständige Bündelung und Verantwortung außerhalb Vertrieb
Trennung von Vertriebs- und Betriebsfunktionen in der Landesbank Berlin AG
150
3.2
Stefan Haemmerling
Aufstellung als Full-Service-Anbieter
Die BankenService GmbH wurde von Anfang an als zentraler Backoffice Dienstleister aufgestellt und nach ihrer Gründung gezielt zum Full-Service-Anbieter ausgebaut, indem weitere, ergänzende Abwicklungsbereiche integriert wurden. Somit können heute Leistungen in den vier Aufgabenbereichen Abwicklung Kapitalmarktgeschäft und Versicherung, Zahlungsverkehr, Logistik und Dienstleistersteuerung sowie Kontoführung und Dokumentengeschäft angeboten werden (zur Beschreibung der Servicesegmente siehe Abbildung 3).
BankenService seit Gründung 1994 als Full-Service Anbieter für Back Office-Leistungen aufgestellt Kapitalmarktgeschäft Service
Zahlungsverkehr Service
KMG-Dienste (Middle Office) Geschäftsabwicklung Geld/ Devisen/ Derivate
Beleghafter Zahlungsverkehr Belegloser (Inland-) Zahlungsverkehr
Handelsabwicklung Wertpapierservice Fondsgeschäft (Depotbank-Funktion) Risk-Management Versicherungen
Ausland-Zahlungsverkehr Eil- und Großbetrag-Zahlungsverkehr Reklamationen und Archive Scannung Kundenakte/Kreditakte
...
... Servicesegmente
Dienstleister-Steuerung
Vertriebsservice Retail
Steuerung der Geldversorgung u. -entsorgung Strategischer Einkauf (Betrieb einer Einkaufsgesellschaft) Einkauf Non-IT (incl. e-procurement Plattform) Wertebearbeitung
Kontoservice Wholesale Darlehensbuchhaltung Dokumentengeschäft Nostrokontenstelle
Kreditarchiv Postservice / Fuhrpark
Kontoführung für Kapitalmarkt- und Immobilienkunden ...
Steuerung und Prozess-Support
Abbildung 3:
Konto-Service
Servicesegmente der BankenService GmbH
Im Rahmen des konsequenten Ausbaus als Full-Service-Anbieter ist vorgesehen, weitere Backoffice-Funktionen in der BankenService GmbH zu bündeln. So ist geplant, die standardisierte Immobilienkreditabwicklung ebenfalls zu integrieren. Damit bietet die BankenService GmbH ein komplettes Leistungsspektrum für die Abwicklung von Bankprozessen „aus einer Hand“ an. Damit gehört die BankenService GmbH im Gegensatz zu Spezialanbietern zu den Vorreitern in Deutschland im Angebot von universellen Backoffice- und LogistikLeistungen. Ein kompetentes, qualitäts- und leistungsorientiertes Backoffice ermöglicht den Vertriebsmitarbeitern der Kunden der BankenService GmbH die Konzentration auf Vertriebsaufgaben und damit auf die Ausrichtung als Vertriebsbank.
Backoffice – Abwicklung für Banken über Verbundgrenzen
3.3
151
Strategische Ausrichtung der BankenService GmbH
Größter Kunde der BankenService GmbH ist die Landesbank Berlin AG mit ihrer Marke Berliner Sparkasse. Darüber hinaus gibt es in allen vier Aufgabenbereichen weitere externe Mandanten aus den verschiedenen Banken-Lagern. Aufgrund der marktorientierten Ausrichtung der Gesellschaft ist es gelungen, den Anteil im Drittgeschäft mit externen Mandanten auf über 30 Prozent zu erhöhen. Dabei gehören die Kunden der BankenService GmbH einem bunten Mix über Verbundgrenzen hinaus an. Aufgrund der strategischen Ausrichtung als FullService-Anbieter und der konsequenten Orientierung des Leistungsangebots an Markterfordernissen ist die BankenService GmbH einer der führenden deutschen BackofficeKomplettanbieter und damit ein bedeutender Wettbewerber im deutschen Markt für Abwicklung und Unterstützung von Bankprozessen über Verbundgrenzen hinaus. Neben der strategischen Ausrichtung ist die Erfüllung der in Abschnitt 2 beschriebenen Voraussetzungen in technischer, vertraglicher und organisatorischer Hinsicht als Erfolgsgrundlage ausschlaggebend. Als einer der Vorreiter in Deutschland wurden seit 1994 Erfahrungen in der kompetenten und effizienten Bereitstellung von Backoffice-Dienstleistungen, der Hebung von Synergien und Kostenpotenzialen, dem Aufbau und dem Einsatz von effektiven Stückund Prozesskostenrechnungen, einem professionellem Vertragsmanagement mit Service Level Agreements und Bonus-Malus-Regelungen, um nur einige Beispiele zu nennen, gesammelt. Tagtäglich stellt das Management und das Personal unter Beweis, dass sie in der Lage sind, komplexe Insourcing-Projekte mit hoher Komplexität mit der Übernahme respektive Migration diverser IT-Anwendungen selbst auf unterschiedlichen Plattformen zur Zufriedenheit der Mandanten zu meistern. Da es in der Gründungsphase Abwicklungsbereiche aus unterschiedlichen Konzernteilen mit dem Personal aus unterschiedlichen Unternehmenskulturen zu integrieren galt, konnte auch im Bereich der Personalübernahme von neuen Mandanten ein großes Know-how aufgebaut werden. Zwischenzeitlich betrug die Mitarbeiterzahl bis zu 1300. Durch die Bündelung von Aufgaben, permanente Prozessoptimierung und Ausrichtung auf die Kundenerfordernisse sowie Outsourcing von Teilaufgaben konnte die Effizienz der Gesellschaft fortlaufend gesteigert werden. Heute sind trotz erheblicher Geschäftsausweitung noch 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Die Marktgängigkeit ihrer Produkte stellt die BankenService GmbH durch die regelmäßige Teilnahme an Benchmarkings, die in der Spitze bis zu 86 Prozent aller angebotenen Produkte und Dienstleistungen umfasst, unter Beweis. Die Einführung eines umfassenden Qualitätsmanagementsystems mit vollzogener Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001:2000, stellt die hohen Qualitätsstandards und die hohe Kundenorientierung sicher. Im Hinblick auf die weitere strategische Ausrichtung hat die Landesbank Berlin AG sich gemeinsam mit der Sparkasse Hannover verständigt, die künftige Zusammenarbeit der Abwicklungsbereiche der Sparkasse Hannover und der BankenService GmbH zu gestalten. Mit dieser strategischen Partnerschaft ist die BankenService GmbH gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Marktentwicklungen gut aufgestellt.
152
Stefan Haemmerling
4.
Ausblick auf weitere Marktentwicklung
4.1
Weitere Konsolidierung
Seit Anfang der Neunzigerjahre genießt das Thema Transaction Banking besondere Aufmerksamkeit. Der Markt richtet sich neu aus und dieser Ausrichtungsprozess ist noch längst nicht abgeschlossen. Die unterschiedlichen Abwicklungsbereiche haben einen unterschiedlichen Grad der Markterschließung erreicht (siehe Abbildung 4). Am weitesten entwickelt sind die Bereiche Wertpapier- (Depot- und Transaktionsdienstleistungen) und Zahlungsverkehrsabwicklung, hier insbesondere die Abwicklung des beleghaften Zahlungsverkehrs. Hier haben die meisten Banken Ausgliederungen vorgenommen oder zumindest Abgrenzungen innerhalb ihres Konzerns durchgeführt. Es sind externe Service Provider entstanden, die auf der Basis einheitlicher IT-Plattformen große Mengen bündeln. Andere Bereiche, wie beispielsweise die Verarbeitung des Kreditgeschäfts (Verbraucherkredite und Immobilienfinanzierungen) gewinnen deutlich an Bedeutung und rücken in den Fokus der Ausgründungs- und Konsolidierungsbestrebungen. Aber auch die Dienstleistungen rund um den Kontoservice sowie die Fondsabwicklungen holen auf und sind immer häufiger Gegenstand von Veränderungsaktivitäten.
Markterschließung im Transaction Banking noch nicht abgeschlossen Produkte/ Leistungen Transaction Banking
Markterschließung
Markterschließung hoch
Wertpapierabwicklung
Markt bereits (mehrstufig) konsolidiert und damit hohe Eintrittshürden für weitere Anbieter
Zahlungsverkehr
Markt für beleghaften Inland-Zahlungsverkehr regional weitestgehend besetzt
Kreditabwicklung/ Marktfolge Aktiv
Gründung „großer“ Kreditfabriken bisher gescheitert, aktuell Aufbau erster Kreditfabriken, Markt steht vor Verteilung
Kontoservices
Fondsabwicklung
Bisher keine Nennenswerten Angebote durch Dritt-Anbieter, aktuell erste Überlegung zum Marktantritt bspw. in Schleswig-Holstein
Aufgrund rechtlicher/ aufsichtsrechtlicher Restriktionen Auslagerung von Abwicklungsaufgaben derzeit nur begrenzt möglich niedrig
Abbildung 4:
Markterschließung der einzelnen Abwicklungsbereiche
Backoffice – Abwicklung für Banken über Verbundgrenzen
153
Dass die Ausgründungs- und Konsolidierungsaktivitäten sich über einen relativ langen Zeitraum eher schleppend hinziehen, liegt an diversen Umständen, die einer rascheren Entwicklung entgegenwirken: Die Banken bereiten sich nicht ausreichend auf die zu erwartenden Ausgründungstendenzen vor. So werden beispielsweise eigenerstellte IT-Systeme weiter entwickelt, anstatt auf die Einführung von Standartsoftware hinzuarbeiten. Aufsichtsrechtliche Restriktionen, beispielsweise in der Fondsabwicklung, erschweren die Abtrennung von Abwicklungsaufgaben der Bank. Die „Drei-Säulen-Bankenlandschaft“ in Deutschland verzögert eine schnelle Konsolidierung des Abwicklungsmarktes. Politik- Landes- und Verbandsegoismen mit ihren unterschiedlichen Interessenlagen wirken sich sehr verlangsamend aus. Die generelle Angst der Banken vor der Entstehung von Abhängigkeitsverhältnissen und den damit einhergehenden Steuerungsverlusten verlangsamen den Entwicklungsprozess. Nicht zuletzt spielen die innerbetrieblichen Machtverhältnisse der einzelnen Geschäftssparten eine entscheidende Rolle für die Veränderungsgeschwindigkeit. Die „Abteilungsfürsten“ der unterschiedlichen Geschäftssparten treten oftmals als Bewahrungsmanager auf und verhindern aus persönlichen Gründen den Auslagerungsprozess. Teilweise fehlt den Banken die Transparenz über die eigenen Kostenstrukturen, wodurch sich die Beurteilung bestimmter Entwicklungen und daraus abzuleitender Konsequenzen nur langsam vollzieht. Trotz dieser Beispiele für eine Verlangsamung des Marktausrichtungsprozesses bestehen keine Zweifel an der Prognose, dass weitere Ausgründungen, insbesondere in bisher weniger im Fokus stehenden Abwicklungsbereichen stattfinden werden. Die beschriebenen Kostenzwänge als Ursache für den Veränderungsdruck bleiben bestehen. Und als weitere Folge daraus werden weitere Konsolidierungen stattfinden. Als beispielhaft für die zu erwartenden Konsolidierungsentwicklungen kann der Markt für die Betreiber von Rechenzentren im Bankgewerbe angesehen werden. Der Trend zur Zentralisierung der Datenverarbeitung zieht sich durch die gesamte deutsche Kreditwirtschaft. Allein im Sparkassenlager ist in den letzten zehn Jahren die Zahl der IT-Dienstleister von zehn Anbietern auf nur noch zwei gesunken. Und diese verbleibenden zwei Anbieter denken öffentlich bereits über weitere Konsolidierungsmöglichkeiten untereinander nach. Eine ähnliche Entwicklung vollzieht sich im genossenschaftlichen Finanzverbund: Auch hier gibt es Fusionsgespräche zwischen den letzten verbliebenen Rechenzentralen des genossenschaftlichen Finanzverbundes, sodass die rund 1.300 Volks- und Raiffeisenbanken nur noch einen gemeinsamen IT-Dienstleister haben werden. Mitte der Neunzigerjahre waren es noch acht. In Zukunft wird sich der Kampf um Marktanteile in Deutschland zwischen den öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Anbietern sowie privaten Softwarehäusern weiter verschärfen.
154
Stefan Haemmerling
Eine ähnliche Entwicklung dürfen wir also auch für den Markt von Transaktionsdienstleistungen erwarten. Nachdem auch hier Konzentrationsprozesse innerhalb der öffentlichrechtlichen, genossenschaftlichen und privaten Banken stattfinden, wird anschließend eine verbundsübergreifende Konsolidierungsphase einsetzen. Erste Erfolge für sich anschließende Konsolidierungsbestrebungen in der Eurozone sind bereits bei Zahlungsverkehrsabwicklern zu verzeichnen, wo zwischen deutschen und holländischen Transaktionsinstituten eine Fusion vollzogen wurde. Eine besondere Rolle dürfte weiterhin die Nutzung von Chancen in den neuen osteuropäischen Märkten liegen. Die Jagd nach weiteren Möglichkeiten zur Mengenbündelung und zur Hebung von Synergiepotenzialen scheint vorgezeichnet.
4.2
Unterschiedliche, erfolgreiche Strategien
Wenn also der Kostendruck weiter für Veränderungen sorgen wird und weitere Konsolidierungen absehbar sind, bleibt die Frage, mit welcher Strategie sich die Marktteilnehmer am sinnvollsten auf die bevorstehenden Entwicklungen einstellen können: Ausrichtung als Spezialinstitut, Konzentration auf übergreifende Produktbündel oder gar Aufstellung als FullService-Anbieter? Es ist anzunehmen, dass sich am Ende nicht nur eine Anbieterform durchsetzen wird, sondern alle genannten Aufstellungsstrategien ihre Daseinsberechtigung haben und sich als erfolgreich erweisen können. Es wird darauf ankommen, welche Zielgruppe die jeweilige Kundschaft abbildet. Die Entwicklung zum Key Player, der beispielsweise im Zahlungsverkehr mehr als 50 Prozent aller Transaktionen im nationalen Markt abdeckt und bestrebt sein wird, weitere Mengenbündelungen in der Europazone mit internationalen Partnern zu erreichen, wird wohl gut beraten sein, sich als Spezialist aufzustellen, maximal weitere Produkte anzubieten, die ähnliche Strukturen aufweisen und aus Sicht des Endkunden eine gewisse Nähe oder Einheit zum Zahlungsverkehr, wie beispielsweise die Kartenabwicklung, bedeuten, Andernfalls wird die Gefahr bestehen, dass riesige Kolosse entstehen, die schwer steuerbar und unflexibel sein könnten. Die kleineren Institute, die sich nicht auf einen Abwicklungsbereich beziehungsweise auf zusammengehörende Produktbündel mit enormen Mengengerüsten spezialisieren, sondern als Full-Service-Anbieter aufstellen, haben ebenfalls eine Daseinsberechtigung mit attraktiven Marktchancen. Als Nischenanbieter dürften sie überall dort beim Kunden Chancen haben, die sich beim Spezialisten und Marktriesen weniger erstrangig aufgehoben fühlen. Darüber hinaus werden bestimmte Kunden dazu neigen, Full-Service-Anbieter zu wählen, die dazu beitragen, den eigenen internen Steuerungsaufwand für Fremddienstleister, der überproportional zugenommen hat und weiter zunimmt, zu optimieren.
Backoffice – Abwicklung für Banken über Verbundgrenzen
155
Neben der Aufstellung als klar definierter Anbieter für bestimmte Produkte und Kundenzielgruppen dürften zwei weitere Aspekte eine entscheidende Rolle für eine erfolgreiche Strategie sein. Zum einen ist dies die Fähigkeit zur Erkenntnis, dass es längst nicht mehr ausreicht, als Kostenoptimierer aufzuwarten. Die operativen Erfolgsfaktoren sind heute neben günstiger Preisstellung die Ausformung des eigenen Unternehmens als hochkarätiges Servicezentrum, dass alle beschriebenen organisatorischen, vertraglichen und technischen Voraussetzungen erfüllt und den Kunde mit seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt allen betrieblichen Handelns stellt. Zum anderen wird es zunehmend von Bedeutung sein, ob ein Abwickler in der Lage sein wird, für seine Kunden neben den standardisierten Dienstleistungen im gewissen Umfang individuelle Lösungen für seine spezifischen Probleme anzubieten, worunter die Fähigkeit zu Innovationen von Produkten und Dienstleistungen verstanden werden kann. Die Entwicklung von neuen Produkten und bei Bedarf von maßgeschneiderten Problemlösungen wird den Unterschied ausmachen. Dennoch darf bei allen strategischen Überlegungen die operative Basis als der Grundstein für den Erfolg nicht aus den Augen verloren werden.
Kreditprozesse professionell managen
157
Kreditprozesse professionell managen Bernd Meier
1. Umbruch im Kreditgeschäft: etablierte Finanzierer unter Druck 1.1 Herausforderungen für Finanzdienstleister wachsen 1.2 Auf dem Vormarsch: die industrielle Revolution im Kreditgeschäft 2. Make or buy? Grenzen der Eigenoptimierung 3. Prozessoptimierung als erster Schritt zu einem erfolgreichen Outsourcing 4. Was Finanzdienstleister sich von einem Outsourcing der Kreditbearbeitung versprechen 5. Die „sanfte“ Revolution: Warum schreitet die Industrialisierung von Kreditprozessen nur langsam voran? 6. Erfolgsfaktoren beim Outsourcing der Kreditbearbeitung 6.1 „IT matters“ – technische Anforderungen an eine Kreditfabrik 6.2 Qualität messbar machen: Service Level Management 7. Perspektiven 7.1 Für welche Kreditklassen eignet sich ein Outsourcing? 7.2 Flexibilität im Outsourcing 7.3 Was können Kreditfabriken bei Portfolio-Transaktionen leisten? 8. Die Kreditfabrik der Zukunft Literaturverzeichnis
158
Bernd Meier
1.
Umbruch im Kreditgeschäft: etablierte Finanzierer unter Druck
1.1
Herausforderungen für Finanzdienstleister wachsen
Der Markt für Finanzdienstleistungen in Deutschland befindet sich im Umbruch. Immer neue Wettbewerber drängen mit innovativen Produkten, günstigen Produktkonditionen und offensiven Vertriebsstrategien auf den Markt. Die starke Fragmentierung des deutschen Bankenmarkts erleichtert neuen Wettbewerbern, auch aus dem Ausland, dabei den Markteintritt. Insbesondere die private Immobilienfinanzierung ist ein strategisch bedeutsames Geschäftsfeld und bietet attraktives Cross Selling-Potenzial – dementsprechend heiß umkämpft ist es. Banken, Versicherungen und andere Finanzdienstleister, die sich in diesem Umfeld behaupten wollen und Marktanteile halten oder sogar ausbauen möchten, sind zum aktiven Handeln aufgefordert. 90 Prozent der Banken in Deutschland planen eine verstärkte Optimierung ihrer Arbeitsabläufe im Vertrieb.1 Wer seinen Kunden in der Baufinanzierung attraktive Konditionen und gleichzeitig guten Service bieten möchte, muss Kosten senken, effiziente Prozesse installieren und neue Produkte schnell und unkompliziert am Markt einführen können. Die Bankkunden sind immer besser informiert und stellen hohe Ansprüche an Service und Produktangebot. Ihre Treue zur Hausbank nimmt mehr und mehr ab, gleichzeitig sind sie immer seltener bereit, für gute Beratung auch entsprechende Preise in Kauf zu nehmen. Der „Kundenmonitor Banken 2006“ des Beratungsunternehmens Psychonomics ermittelte: „Drei von vier privaten Bankkunden in Deutschland (73 Prozent) sind mit der Qualität der Leistungen ihrer Hauptbank nicht zufrieden. Kritisiert werden vor allem hohe Gebühren, ungünstige Konditionen sowie eine mäßige Beratungs- und Servicequalität.“ȱ2 Im Wettbewerb um die attraktivsten Konditionen mit Direktbanken und unabhängigen Finanzdienstleistern droht den Banken die Kostenfalle. Dies gilt gerade in Zeiten, wo die Zinsmargen für die private Baufinanzierung stark unter Druck sind. Gleichzeitig verlangen immer neue rechtliche und regulatorische Vorschriften zusätzliche Anstrengungen, die in den Banken Ressourcen in Anspruch nehmen und Kosten verursachen.
1 2
Vgl. Studie „Banking Trend 2006“. Siehe Psyschonomics (2006).
Kreditprozesse professionell managen
159
Viele Banken haben deshalb die Notwendigkeit erkannt, ihre Prozesse im Kreditgeschäft zu optimieren, Kapazitäten neu zu verteilen und sich durch die Konzentration auf Kernkompetenzen stärker zu profilieren. Industrialisierung, das heißt die Standardisierung von Produkten und Dienstleistungen sowie die Standardisierung und Automatisierung von BackofficeProzessen, gewinnt immer mehr an strategischer Bedeutung. „Vor allem vor dem Hintergrund des zunehmenden Wettbewerbs auf dem deutschen und europäischen Bankenmarkt werden sich Banken mit dem Thema Industrialisierung auseinander setzen müssen, um für die zukünftigen Marktanforderungen entsprechend gewappnet zu sein“, resümiert die Studie „Bank & Zukunft 2007“.ȱ3
1.2
Auf dem Vormarsch: die industrielle Revolution im Kreditgeschäft
Als Partner bei der Industrialisierung ihrer Prozesse bieten Kreditfabriken Lösungen an, die sich an der jeweiligen Unternehmensstrategie, den vorhandenen Voraussetzungen in der Bank und den Rahmenbedingungen im Markt orientieren. Bereits im Jahr 1999 wurde die Hypotheken-Management GmbH als Tochterunternehmen der Aareal Bank AG, Wiesbaden, gegründet. Seit Januar 2006 ist Hypotheken-Management ein 100-prozentiges Tochterunternehmen der VR Kreditwerk AG, der größten deutschen Kreditfabrik. Während das Kreditwerk als Kreditfabrik des genossenschaftlichen FinanzVerbunds unter anderem für die Bausparkasse Schwäbisch Hall, die DZ BANK, die Deutsche Genossenschafts-Hypothekenbank DG HYP sowie für Volksbanken und Raiffeisenbanken tätig ist, ist die Kreditwerk Hypotheken-Management GmbH Ansprechpartner und ProcessingDienstleister für alle Mandanten außerhalb des genossenschaftlichen FinanzVerbunds. Klienten der Hypotheken-Management sind Geschäfts- und Hypothekenbanken, Versicherungsunternehmen sowie andere Finanzdienstleistungsunternehmen. Mit der Unterstützung von Kreditfabriken erzielen Banken niedrigere und flexible Prozesskosten, eine verbindlich hohe Bearbeitungsqualität sowie kürzere Durchlaufzeiten. Aufgrund der hohen Mengen und der Optimierung der Prozesse lassen sich durch ein Outsourcing der Kreditbearbeitung an einen spezialisierten Dienstleister deutliche Skalen- und Synergieeffekte generieren. Im Rahmen des Beratungsangebots können Banken auch unabhängig von einem Outsourcing ihre Prozesse in der Kreditbearbeitung optimieren und Stückkosten senken.
3
Vgl. Studie des Fraunhofer-Institutes für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO (2007).
160
Bernd Meier
Leistungsangebot der Hypotheken-Management GmbH Processing Services
Kreditbearbeitung für Dritte Neugeschäft, Bestandsbetreuung Retail/gewerblich/ alle Kreditprodukte Arbeitgeberdarlehen Intensivbetreuung/ Workout
Abbildung 1:
2.
Value Added Services
Projektunterstützung für befristete kreditnahe Projekte Verbesserung Datenqualität (Basel II, NPL-Transaktionen)
Consulting Services
Beratungs-/ Implementierungsleistungen Wirtschaftlichkeitsprüfungen Portfolio- und Schnittstellen-Migrationen
Support Due Dilligence (Portfoliotransaktionen)
Implementierung „HMKreditfabrik“
Etc.
Externes Consulting (u.a. Geschäftsprozessoptimierungen)
Technical Services
Bereitstellung/ Betrieb von Kreditbearbeitungsplattformen: Organisations-/ Prozess-Modell für Dritte (FranchiseModell) Digitalisieren und Archivieren von Dokumenten (E-Akte)
Leistungsangebot der Hypotheken-Management GmbH
Make or buy? Grenzen der Eigenoptimierung
Im „Branchenkompass Kreditinstitute 2006“ heißt es: „Immer noch rund 80 Prozent der Topmanager halten die Standardisierung von Leistungen, Prozessmanagement und automatisierung im eigenen Unternehmen für ‚wichtig’ oder ‚sehr wichtig’.“ȱ4 Im Kontext der konsequenten Ausrichtung auf ihre Kernkompetenzen und der Notwendigkeit, gleichzeitig die Produktionskosten in der Kreditbearbeitung zu senken, stehen die Finanzdienstleister vor der Entscheidung, die notwendigen Maßnahmen selbstständig zu implementieren oder mit einem spezialisierten Dienstleister zusammenzuarbeiten. Zum Industrialisierungsprozess zählt im ersten Schritt die Optimierung und Automatisierung von Standardprozessen. Im zweiten Schritt können die Banken die Entscheidung treffen, sich von Geschäftsprozessen zu trennen, die nicht zu ihrer Kernkompetenz gehören und die keinen Beitrag zur Differenzierung am Markt leisten. Endkundenferne Prozesse gehören nicht zu den Kernaufgaben vertriebsorientierter Finanzdienstleister. Neben dieser Beurteilung der internen Arbeitsteilung spielen die Prozesskosten eine wichtige Rolle bei der Entscheidung für oder gegen eine Auslagerung von Prozessschritten.
4
Vgl. Steria Mummert Consulting (2006).
Kreditprozesse professionell managen
161
Die Grenzen der Eigenoptimierung sind beispielsweise schnell erreicht, wenn es um die auslastungsorientierte Produktionssteuerung, das heißt die Flexibilisierung der Personalressourcen und der Kosten, geht. So sind rund 40 Prozent der Banken mit der Flexibilität ihres Mitarbeitereinsatzes nicht zufrieden.5 Nachfrageschwankungen kann in den Banken häufig nicht flexibel begegnet werden; es entstehen entweder Bearbeitungsrückstände oder Leerkapazitäten. Mittels Inhouse-Optimierungsmaßnahmen lassen sich innerhalb von zwei Jahren 10 bis 20 Prozent der Kosten senken. Durch das Einschleichen von Ineffizienzen sind diese Einspareffekte allerdings häufig nur von begrenzter Dauer. Um dauerhaft eine signifikante Verbesserung der Kosten-Ertragsrelation zu erreichen, ist häufig eine Neustrukturierung der gesamten Wertschöpfungskette notwendig.
3.
Prozessoptimierung als erster Schritt zu einem erfolgreichen Outsourcing
Das Outsourcing standardisierbarer Prozesse gewinnt im Zuge der Industrialisierung eine immer größere Bedeutung. Der „Branchenkompass“ konstatiert angesichts der notwendigen intensiven Konzentration auf die eigenen Kernkompetenzen: „Bei den Banken geht der Trend zur Trennung von Produktion und Vertrieb, die Abwicklung wird ausgelagert.“ Mehr als jeder zweite Bankmanager sieht im Outsourcing von Geschäftsprozessen ein wichtiges Mittel, um im Wettbewerb bestehen zu können.6 Die interne Standardisierung der Prozesse ist Voraussetzung für ein erfolgreiches und effektives Outsourcing der Kreditbearbeitung. Erforderlich hierfür ist zunächst eine genaue Analyse der vorhandenen Abläufe, um Kosten zuordnen zu können und den für die verschiedenen Prozessschritte verwendeten Aufwand transparent zu machen, Brüche in der Bearbeitung und den Nebentätigkeitsfaktor zu identifizieren sowie Optimierungspotenziale zwischen Markt und Marktfolge definieren zu können. Auf dieser Grundlage können die Prozesse in der Kreditbearbeitung standardisiert werden. Die Hypotheken-Management und das VR Kreditwerk leisten diese Maßnahmen zur Prozessoptimierung auch unabhängig von einem Outsourcing in eigenständigen Projekten. Im Rahmen des umfangreichen Beratungsangebots werden die vorhandenen Prozesse von Experten aus der Praxis analysiert und zusammen mit den Mitarbeitern in den Banken konkrete Maßnahmen zur Prozessoptimierung erarbeitet und umgesetzt. 5 6
Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (2007). Vgl. Pressemitteilung E-Finance Lab (15.11.2006).
162
4.
Bernd Meier
Was versprechen sich Finanzdienstleister von einem Outsourcing der Kreditbearbeitung?
Befragt nach geplanten Maßnahmen zur Industrialisierung bis zum Jahr 2009, gaben 52 Prozent der am „Branchenkompass 2006 Kreditinstitute“ teilnehmenden Banken an, in Outsourcing-Projekte investieren zu wollen. Für die Banken sind bei einem Outsourcing meist drei Faktoren entscheidend: die Kostensenkung und Kostenflexibilisierung sowie die Möglichkeit, sich stärker auf Kernkompetenzen konzentrieren zu können.7 Bei einer Auslagerung der Kreditprozesse an das Kreditwerk lassen sich bei den Stückkosten durch die Bündelung großer Mengen in standardisierten Prozessen nachhaltige Einsparungen generieren. Dazu trägt auch die professionelle Personaleinsatzsteuerung der Kreditfabrik wesentlich bei. Durch die Inanspruchnahme der Personal- und Verwaltungskapazitäten der Kreditfabrik gewinnt die auslagernde Bank ein hohes Maß an Flexibilität hinzu. Diese macht die Bank unabhängiger von konjunkturbedingten Marktschwankungen und saisonabhängigen Auftragsspitzen und ermöglicht offensive Vertriebsinitiativen, die nicht mehr von internen Ressourcen aufgefangen werden müssen. Entsprechend dem aktuellen Bearbeitungsumfang bietet die Kreditfabrik flexibel einsetzbare Expertenteams, sodass auch Urlaubs- und Krankheitstage keine Einschränkung der Bearbeitungs- und Servicequalität für den Endkunden bedeuten. Ein wichtiger Faktor, der ein Outsourcing für Banken gewinnbringend macht, ist außerdem die Möglichkeit, sich stärker auf Kernkompetenzen im Vertrieb konzentrieren zu können. So besteht in vielen Banken das Problem, dass die Kundenberater nicht ihre vollständige Zeit dem aktiven Vertrieb widmen können, sondern durch Nebentätigkeiten wie Besprechungen, Ablagetätigkeiten oder die Lösung technischer Probleme am Arbeitsplatz gebunden sind. Bankberater verlieren durchschnittlich etwa 40 Prozent der Arbeitszeit durch BackofficeTätigkeiten ohne Kundenkontakt.8 Die Verschlankung des Backoffice im Rahmen von Prozessoptimierung und Outsourcing entlastet die Kundenberater von administrativen Aufgaben und schafft durch die Erhöhung der Netto-Marktzeit Freiraum für den persönlichen Kundenservice. Im Falle eines Outsourcings muss die Bank bestimmte eigene IT-Systeme nicht mehr vorhalten; die Abwicklung der Prozesse wird vereinheitlicht. „Sieben von zehn Instituten wickeln Kreditanträge nicht über ein einheitliches IT-System ab. Stattdessen kommen bei den Beratern in den meisten Fällen zwei oder mehr Softwarelösungen zur Anwendung“, ermittelte die 7 8
Vgl. Pressemitteilung E-Finance Lab (15.11.2006). Vgl.Studie des Fraunhofer-Institutes für Arbeitswirtschaft und Organisation (2006).
Kreditprozesse professionell managen
163
Studie „Banking Trend“.ȱ 9 Hier besteht „erhebliches Potenzial für die Banken, Kosten zu sparen.“ Die notwendigen Schnittstellen und anforderungsgemäße, moderne Plattformen stellt der Insourcer zur Verfügung und ermöglicht über professionelle WorkflowManagement-Systeme die unkomplizierte Durchführung eines Industrialisierungs- und Outsourcing-Projekts. Durch die Standardisierung und Automatisierung der Prozesse werden außerdem die Abläufe zwischen Markt und Marktfolge harmonisiert. Die Durchlaufzeiten in der Kreditbearbeitung werden gesenkt, was sich positiv in der Kundenbindung auswirkt.
Kostenvorteile durch die Kreditfabrik
Automatisierung und Standardisierung Steuerung Kosten der in Ressourcen Prozent 100 %
80 %
Qualitätsverbesserung
Zusätzliche IT-Schnittstelle Technische Effizienz
Synergieeffekte und andauernde Skaleneffekte
70 % Kostenvorteil: § 30 %
Maßnahmen
Abbildung 2:
Kostenvorteile durch die Kreditfabrik
Im Zuge der Standardisierung der Prozesse und dank des Zugriffs auf das hoch spezialisierte Know-how einer Kreditfabrik können Finanzdienstleister außerdem spürbare Verbesserungen in der Unterlagenqualität erzielen. Dabei garantieren die Processing-Experten der Kreditfabrik eine gleichbleibend hohe Bearbeitungsqualität.
9
Vgl. Studie der Steria Mummert Consulting (2006).
164
5.
Bernd Meier
Die „sanfte“ Revolution: Warum schreitet die Industrialisierung von Kreditprozessen nur langsam voran?
Die Umsetzung von Industrialisierungsmaßnahmen erfolgt häufig noch sehr zögerlich – trotz der Notwendigkeit, auf die aktuellen Entwicklungen im Finanzmarkt zu reagieren. Die Studie „Bank & Zukunft 2007“ konstatiert: „Die Banken befinden sich derzeit noch in einem sehr frühen Stadium der Industrialisierung. Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass der Großteil der teilnehmenden Banken noch nicht in der Lage ist, die Industrialisierungspotenziale voll auszuschöpfen.“ȱ10 Zum Teil stehen Befürchtungen bei den Banken der Entscheidung für eine rasche Umsetzung von Industrialisierungsmaßnahmen und Outsourcing entgegen. Laut der Studie „Erfolgsmodelle im Outsourcing“ von Steria Mummert Consulting (2006) befürchten 76,2 Prozent der befragten Finanzdienstleister die Abhängigkeit vom Dienstleister, 58,9 Prozent sehen die Gefahr des Know-how-Verlusts. Außerdem erwarten die Banken eine Einschränkung der Flexibilität (41,6 Prozent) sowie Kontrollverlust (38,8 Prozent).ȱ11 Eine Kreditfabrik hat die Aufgabe, diese Befürchtungen durch die professionelle Gestaltung des Projekts auf fachlicher, rechtlicher und technischer Ebene zu entkräften. Unabhängigkeit und Flexibilität werden zum Beispiel durch kundengerechte Laufzeiten der Verträge und durch den Einsatz von Standardsoftware und die Integration der Systeme gewährleistet. Gleichzeitig wird die Bank nicht von der technischen Weiterentwicklung der Systeme abgeschnitten. Dadurch, dass die Bank die Bearbeitungsrichtlinien vorgibt und während des gesamten Outsourcings die volle Daten- und Weisungshoheit behält, kann die Befürchtung des Kontrollverlusts ebenfalls entkräftet werden. Die Hypotheken-Management tritt ausschließlich im Namen der auslagernden Bank mit dem Endkunden in Kontakt; die Bank behält die vollständige Vertriebs- und Beratungsverantwortung gegenüber dem Endkunden.
10 11
Vgl. Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (2007). Vgl. Studie der Steria Mummert Consulting (2006).
Kreditprozesse professionell managen
6.
Erfolgsfaktoren beim Outsourcing der Kreditbearbeitung
6.1
„IT matters“ – technische Anforderungen an eine Kreditfabrik
165
Eine moderne und leistungsfähige technische Plattform bestimmt den Erfolg eines Outsourcings ebenso wie ein anforderungsgemäßes Schnittstellenmanagement. Die Bereitstellung und das professionelle Management der IT gehören zu den Kernkompetenzen einer Kreditfabrik. Der im Rahmen eines Outsourcings geleistete Know-how-Transfer an die Bank und die Bereitstellung der notwendigen Systeme bieten für auslagernde Banken die Möglichkeit, modernste Technik für die eigenen Prozesse nutzen zu können, ohne angesichts immer kürzer werdender Innovationszyklen selber in IT zu investieren und die laufenden Folgekosten und Wartungsarbeiten tragen zu müssen. Die Anforderung an eine Kreditfabrik lautet, mandantenfähige Systeme zu bieten, um die Zusammenarbeit der Outsourcing-Partner auf technischer Ebene unkompliziert, sicher und effizient zu gestalten und den Aufwand für Migration und technische Anbindung so gering wie möglich zu halten. Im genossenschaftlichen FinanzVerbund beispielsweise hat das Kreditwerk mit der Integration der Kreditwerk-Prozessstraße in die Banksysteme der genossenschaftlichen Rechenzentralen GAD und FIDUCIA die Voraussetzung geschaffen, damit Kreditprozesse noch effizienter und unkomplizierter als bislang an das Kreditwerk ausgelagert werden können. Ziel ist die höchstmögliche Automatisierung des Kreditprozesses von der Antragsannahme bis zur vollständigen Rückzahlung, wobei Medienbrüche und Systemwechsel so weit wie möglich vermieden werden. Ein Team aus hoch qualifizierten IT-, Kredit- und Prozessfachleuten stellt die professionelle Abwicklung und Bearbeitung sicher. Eine professionelle Workflow-Steuerung sichert schnelle Reaktionszeiten, kurze Durchlaufzeiten und objektivierte Kreditentscheidungen und leistet dadurch einen wesentlichen Beitrag zur Produktivitäts- und Effizienzsteigerung.
166
6.2
Bernd Meier
Qualität messbar machen: Service Level Management
Um die positiven Effekte eines Outsourcings dauerhaft sicherstellen zu können, werden Service- und Qualitätsstandards vor Beginn des eigentlichen Outsourcings verbindlich festgelegt. Im Rahmen dieser Service Level Agreements werden Bearbeitungsstandards und Reaktionszeiten sowie Umfang und Art der Serviceleistungen definiert. Diese in enger Zusammenarbeit mit der Bank abgestimmten Pakete orientieren sich an den Anforderungen und Wünschen des auslagernden Instituts. Sämtliche Arbeitsschritte, Leistungen und Kompetenzvereinbarungen, die zu Beginn der Kooperation zwischen Hypotheken-Management und Klienten definiert wurden, werden vertraglich festgehalten. Im Rahmen eines detaillierten Qualitätscontrollings und Reportings wird das Projekt laufend evaluiert und dokumentiert.
7.
Perspektiven
7.1
Für welche Kreditklassen eignet sich ein Outsourcing?
Der größte Teil der von Kreditfabriken bearbeiteten Kredite gehört zur Klasse der privaten Immobilienfinanzierung. Doch auch andere Kreditklassen eignen sich für ein Processing durch spezialisierte Dienstleister. Nachhaltige Skalen- und Synergieeffekte lassen sich ebenfalls für Ratenkredite, Förderkredite und kleinteilige Gewerbekredite erzielen. So bearbeitet das Kreditwerk seit dem 1. Januar 2007 erfolgreich das Förderkreditgeschäft der DZ BANK AG, Frankfurt/Main. Als Maßstab für die Outsourcing-Fähigkeit von Krediten gilt die Standardisierbarkeit der Kreditprozesse, die bei den genannten Vermögensklassen hoch anzusetzen ist. Je höher die Standardisierbarkeit und je größer die Menge, desto deutlicher die Effekte, die sich mit einem Outsourcing erzielen lassen. Die Verwaltung komplexer gewerblicher Einzelkredite ist deshalb auch auf lange Sicht in der Kreditabteilung der Banken am besten aufgehoben.
Kreditprozesse professionell managen
7.2
167
Flexibilität im Outsourcing
Der Umfang eines Outsourcings ist variabel: So können Banken ihre gesamten Kreditprozesse an eine Kreditfabrik auslagern oder auch nur Teilprozesse. Zum Beispiel besteht die Möglichkeit, dass der Dienstleister das Processing des Neugeschäfts übernimmt und die Bearbeitung des Bestandsgeschäfts bei der Bank verbleibt. Daneben können Finanzdienstleister auch nur einzelne Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen oder einzelne Schritte des Kreditprozesses. Die Hypotheken-Management führt zum Beispiel die gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen nach § 18 des Kreditwesengesetzes für Finanzdienstleister durch und bietet unabhängig von einem Outsourcing temporäre Projektunterstützung bei kurzfristig anstehenden kreditnahen Projekten. Im Rahmen seines Franchise-Angebots bietet HypothekenManagement Finanzdienstleistern die Möglichkeit, ihre gesamte Kreditbearbeitungsumgebung oder einzelne Teile davon durch die Kreditfabrik betreiben zu lassen. Auch stellt Hypotheken-Management einzelne IT-Module wie zum Beispiel die elektronische Kreditakte zur Verfügung. Dabei erhält der Finanzdienstleister im Rahmen des Application Service Providing dezentral Zugriff auf eine Plattform zum digitalen Dokumentenmanagement. Die Kreditfabrik betreibt, konfiguriert, aktualisiert und wartet die Plattform. Verschiedene Bausteine aus dem Dienstleistungsangebot können dabei flexibel miteinander kombiniert werden.
7.3
Was können Kreditfabriken bei PortfolioTransaktionen leisten?
Auch bei Verbriefungen kann eine Kreditfabrik Finanzdienstleister mit umfangreichen Dienstleistungen unterstützen. Dieses Finanzmarktinstrument hat den Kapitalmarkt dynamisiert und gewinnt immer mehr an Bedeutung, seitdem auch ausländische Investoren verstärkt am deutschen Markt agieren und die Eigenkapitalregeln Basel II ein neues Management der Kreditrisiken fordern. Bei Kapitalmarkttransaktionen spielt ein optimiertes Processing der Darlehen eine wichtige Rolle, um die Deals reibungslos und professionell durchführen zu können. Dabei können sowohl die Käufer als auch die Verkäufer von den Services einer Kreditfabrik profitieren. Finanzdienstleister, die ein Kreditportfolio am Kapitalmarkt platzieren möchten, können im Bieterwettbewerb mit einer durch den Dienstleister gesicherten hohen Datenqualität aufwarten. Bereits an eine Kreditfabrik ausgelagerte Kredit-Portfolios können im Falle eines Verkaufs ohne zeitliche, technische oder qualitative Brüche weiter vom Outsourcing-Partner bearbeitet werden. Die aufwändige Daten- und Aktenmigration entfällt.
168
Bernd Meier
Unabhängig davon, ob das betreffende Darlehensportfolio ausgelagert ist, führt beispielsweise die Hypotheken-Management GmbH bei Verbriefungstransaktionen auch einzelne Abwicklungsschritte durch. Dazu zählen beispielsweise die Übernahme der Antragsbearbeitung oder die Migration der Daten. Due-Diligence-Prüfungen für Verbriefungs-Transaktionen kann die Kreditfabrik zum Beispiel durch die Organisation von Datenräumen und die Aufbereitung von Unterlagen unterstützen.
8.
Die Kreditfabrik der Zukunft
Der wachsende Markt für Prozess-Outsourcing birgt viel Potenzial für eine erfolgreich und effizient arbeitende Kreditfabrik. Die Trendstudie „Bank & Zukunft 2007“ hat für die kommenden Jahre den Trend ausgemacht, „dass große Abwicklungsfabriken die Back-OfficeProzesse für Banken abwickeln.“ȱ 12 Um dauerhaft attraktive Skalen- und Synergieeffekte generieren zu können, muss eine Kreditfabrik bestimmte Mengen abwickeln. Zu den Wegen, um diese Sicherheit dauerhaft gewährleisten zu können, zählt die Kooperation über die Bankensäulen hinweg. Der erfolgreiche Zusammenschluss des genossenschaftlichen Transaktionsinstituts für Zahlungsverkehrsdienstleistungen mit dem Zahlungsverkehrdienstleiter Interpay zum europaweiten Servicer Equens im Jahr 2006 ist ein Beispiel dafür, dass beim Outsourcing von Backoffice-Leistungen die Zukunft in der grenzen- und säulenübergreifenden Zusammenarbeit liegt. Finanzdienstleister, die die Industrialisierung ihres Unternehmens gezielt vorantreiben, profitieren in allen Bereichen des Kreditgeschäfts von der Prozessoptimierung. Von der Abwicklung wesentlicher Prozesse im Backoffice bis zur optimierten Steuerung der Kapazitäten: Ein effizientes Processing trägt dazu bei, sich ein Stück Zukunft im Markt zu sichern. Industrialisierung ist „kein Strohfeuer, sondern wird als nachhaltiges und strategisches Thema der Banken gesehen, mit dessen Hilfe sie sich Effizienzsteigerungen erhoffen“, fasst die Studie „Bank & Zukunft 2007“ zusammen.ȱ13
Literaturverzeichnis STERIA MUMMERT CONSULTING (2006): Banking Trend 2006. Hamburg 2006. FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR ARBEITSWIRTSCHAFT UND ORGANISATION IAO: Bank & Zukunft 2007. Stuttgart 2007. Pressemitteilung E-Finance Lab: 15.11.2006. 12 13
Vgl. Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (2007). Vgl. Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (2007).
Kredite via Börse handeln
Kredite via Börse handeln Christoph Schmidt
1. Einleitung 2. RMX Risk Management Exchange AG – Nutzen für die Kreditwirtschaft 3. Praxis 4. Vorteile für „First Mover“ 5. Strategisches Outsourcing 5.1 Do what you can do best – and outsource the rest! 5.2 Immanente Kosten des Outsourcings eingrenzen 5.3 Unternehmerisches Risiko verteilen 5.4 Auslandsmärkte öffnen 5.5 „Cultural Fit“ 5.6 Softwareentwicklung in Deutschland Literaturverzeichnis
169
170
1.
Christoph Schmidt
Einleitung
Die RMX Risk Management Exchange AG betreibt als Börse unter Aufsicht des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums unter anderem ein neuartiges System zum Handel mit Krediten, genauer mit Anteilen an einzelnen gewerblichen Krediten. Primäres Ziel dieses Beitrages ist es, am praktischen Beispiel darzustellen, wie der Auftraggeber durch konsequentes Outsourcing profitieren kann und wie typische, outsourcing-relevante Problemstellungen und Risiken in diesem Fall behandelt wurden. Zuvor werden die Motivation für Banken und Sparkassen, diesen Markplatz zu nutzen, erläutert und einige praktische Aspekte des Kredithandels überblicksartig behandelt.
Instrumente des Kreditrisikohandels Kauf von Kreditrisiko
Verkauf von Kreditrisiko
Wertpapierkauf (Bonds, Convertibles)
Wertpapierverkauf / -emission
Kreditderivate
Kreditderivate
Verkauf von Protection (CDS)
Kauf von Protection (CDS)
Asset Backed Securities
Asset Backed Securities
Forderungsankauf
Forderungsverkauf
Portfolioankauf
Portfolioverkauf
…
…
RMX standardisiert Kredithandel Öffentlich kontrolliert (Börse) Aktiver Kredithandel True sale
Abbildung 1:
Creparts™ = Kreditanteile Prinzip Vertikalteilung Handel + Servicing / Clearing / Reporting
Instrumente des Kreditrisikohandels
RMX bietet eine Plattform für den An- und Verkauf von Kreditbeteiligungen. Es geht hierbei um einzelne gewerbliche Kredite. Die Beziehung zwischen Kreditnehmer und -geber wird hierbei im Unterschied zur vorwiegenden Praxis im Bereich Non-Performing-Loans nicht angetastet. Das erstausreichende Institut kann maximal 75 Prozent der Einzelforderung in der Rückhand an andere Marktteilnehmer verkaufen, bleibt aber in der Regel erster Ansprechpartner für den Kreditnehmer.
Kredite via Börse handeln
2.
171
RMX Risk Management Exchange AG – Nutzen für die Kreditwirtschaft
Die RMX stößt mit ihrem Start auf dem deutschen Markt in eine große Lücke. Hier gibt es nach allen bisherigen Konsolidierungsbemühungen immer noch mehrere tausend Volksbanken und Sparkassen, von denen viele einzelne mehr oder weniger mit sogenannten Klumpenrisiken konfrontiert sind. Die mittelständische Wirtschaft bildet regionale Schwerpunkte nach Branchen. In Baden-Württemberg finden sich regelrechte Maschinen- und Werkzeugbau„Cluster“, dafür sind zwischen Oldenburg und Osnabrück wiederum die Fleischerzeugung und -verarbeitung überproportional vertreten. Im Sinne eines ausgewogenen Kreditbuches wäre es günstig, eine bessere Durchmischung von Branchen und Regionen zu erzielen. Ein weiteres Charakteristikum der deutschen Wirtschaftsstruktur sind eine beachtliche Anzahl von „Leuchttürmen“ in Randlagen, zum Beispiel Wincor Nixdorf in Paderborn, BHW in Hameln, Kugelfischer in Schweinfurt etc. Auch hier stoßen die regional begrenzten Sparkassen und Volksbanken an natürliche Grenzen, welche mit dem RMX-Ansatz überwunden werden können.
Motivation für den Kredithandel Wertschöpfungskette bei Kreditverbriefung Primärer Markt
Marktplatz
Sekundärer Markt
Bankbuch Refinanzierung
Kreditportfolio
RMX
Rückzahlung Verwertung
Strukturierung
Tranchierung
Platzierung
Risikoübernahme
Angebot und Nachfrage - Transparenz
Kunde A Kunde D
- Liquidität
Investor A Investor D
Standardisierung - Risikobewertung (PD/LGD)
Kunde B Kunde C
Investor B
- Datenversorgung
Investor C
Reporting Finanzierung
Kredit(risiko)verkauf
Servicing Transmission i.S.v. Clearing
Risikoübernahme
Abbildung 2:
Strukturierung
Tranchierung Platzierung
- aus buy and hold
- true sale
- aus Risikoverkauf
- synthetisch
Motivation für den Kredithandel (Wertschöpfungskette bei Kreditverbriefung)
172
Christoph Schmidt
Ein Beispiel:1 Die Firma Bertelsmann sitzt in Gütersloh. Weder der örtlichen Sparkasse noch der örtlichen Volksbank dürfte es schon allein von ihrem zur Verfügung stehenden Eigenkapital her gelingen, den Kapitalbedarf von Bertelsmann auch nur annähernd zu befriedigen oder wenigstens regelmäßig die führende Position in einem Konsortium einzunehmen, welches von Bertelsmann bevorzugt in Anspruch genommen wird. Wenn die örtliche Sparkasse ihr an Bertelsmann ausgereichtes Kreditvolumen regelmäßig mit dem maximal zulässigen Satz von 75 Prozent vom Nominalen über die RMX an Dritte veräußert, wird dadurch sofort wieder Kreditlinie und Eigenkapital frei, sodass Bertelsmann theoretisch mit dem Vierfachen des ursprünglichen Limits bedient werden kann. Die zweite, nicht minder interessante Handlungsalternative für die Sparkasse oder Volksbank wäre, das Kreditbuch nach dem Verkauf einer großen Bertelsmann-Tranche geografisch und nach Branchen zu diversifizieren, indem Creparts (handelbare einprozentige Krediteinheit) aus einem Darlehen des Bielefelder Maschinenbauers Gildemeister angeschafft werden – bei elegantem Übersprung des Regionalprinzips. Man tritt dabei ja nicht in Konkurrenz zur örtlichen Sparkasse oder Volksbank in Bielefeld, sondern befindet sich mit diesem Institut gemeinsam in einer klassischen Win-Win-Situation. Dass diese Möglichkeiten der Diversifizierung gerade im Hinblick auf Basel II auf Interesse stoßen, liegt auf der Hand.
Leistungsspektrum der RMX und ihrer Servicepartner
Standardisierung Datenmodell Bilanz / GuV Sicherheiten
JA + Testat MARisk, RC
Börsenanschluss Organisationberatung Workflow
SolvV + SRP
Servicing
RMX Matching Kurse HÜST Qualitätskontrolle
Transmission
Reporting
Verwaltung
Accounting Meldewesen Reporting
Abbildung 3: 1
Datenhaltung
Abdeckung Kreditlebenszyklus
Schnittstellen Datenfluss
Leistungsspektrum der RMX und ihrer Servicepartner
Bertelsmann, Gildemeister, Sparkasse Gütersloh, Volksbank Bielefeld und andere Namen dienen nur der anschaulichen Erläuterung. Das geschilderte Beispiel ist frei erfunden.
Kredite via Börse handeln
3.
173
Praxis
Neben dem hier behandelten Kredithandel hat die RMX eine zweite Sparte, den Warenterminhandel mit Agrar-Rohstoffen. Bei der Geburt der Kreditbörse konnte in vielfältiger Hinsicht auf dem bereits bestehenden regulatorischen Rahmenwerk aufgebaut werden. Börsenordnung, Handelsbedingungen etc. finden sich auf der Webseite der RMX. Zum Kredithandel an der RMX werden Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsunternehmen zugelassen. Die finanzielle Abwicklung erfolgt treuhänderisch durch die RMX. Investoren oder Kreditnehmer können nicht direkt an der RMX handeln, sondern müssen sich eines zugelassenen Börsenteilnehmers bedienen. Insgesamt bietet diese Konstruktion für die Börsenteilnehmer sowohl ein Höchstmaß an Transaktionssicherheit, Transparenz und Fairness sowie die derzeit größtmögliche Gewähr, dass es keine Konflikte mit Kreditnehmern, Aufsichtsbehörden oder Wirtschaftsprüfern gibt. Die Anmeldung selbst ist eine kleine Formalie und kann in ein bis zwei Tagen abgeschlossen sein. Einzige technische Voraussetzung für das Institut ist ein PC mit Internetzugang. Das Thema Sicherheit wird technisch und organisatorisch so behandelt, wie dies heute bei Online-Brokerage Stand der Technik ist. Der Börsenteilnehmer in der Rolle des Verkäufers stellt die nötigen Daten zu den Krediten ins System ein: Basisdaten zum Kredit selbst (Höhe, Laufzeit, Zins, Tilgung etc.), zum Schuldner (Bilanzen) und zu den zur Verfügung stehenden Sicherheiten. Die Sicherheiten können mehreren Krediten nach Betrag und Rang zugeordnet werden. Hierbei wurde die Frage aufgeworfen, ob nicht das Bankgeheimnis oder das Bundesdatenschutzgesetz einer Weitergabe von Schuldnerdaten an Dritte entgegenstehen. PricewaterhouseCoopers Legal hat diese Fragen ausführlich untersucht und im Ergebnis verneint. Die Handelsbedingungen der RMX stellen sicher, dass die Geheimhaltungsinteressen der Darlehensnehmer so wenig wie möglich beeinträchtigt werden. Dies geschieht durch folgende Maßnahmen: die nur stufenweise Zurverfügungstellung der Kreditdaten, die Verpflichtung der Interessenten zur Vertraulichkeit und zur zweckentsprechenden Datenverwendung, die Einrichtung eines effektiven Sanktionssystems für den Fall der Verletzung. Die meisten Kreditinstitute holen sich die Zustimmung des Kreditnehmers zu einer Datenweitergabe über ihre AGB bereits mit Abschluss des Kreditvertrages ein. Im nächsten Schritt werden die Kredite und die Bonitätsinformationen unter Einbeziehung von Standard & Poor’s Risk Solutions (S&P) standardisiert. Über eine elektronische Schnittstelle werden Probability of Default (PD) und Loss Given Default (LGD) ermittelt und im System angezeigt. S&P verwendet für die PD-Ermittlung den Credit Risk Tracker (CRT), ein Kreditrisikoinformationssystem basierend auf sektorspezifischen Scoringmodellen, was in Kooperation mit Atradius (ehemals Gerling NCM) entwickelt wurde. CRT liefert EinJahresausfallwahrscheinlichkeiten, laufend und historisch. Bei der Ermittlung von LGDs greift S&P auf die eigene Recovery-Erfahrung und diverse globale Datenpooling- und sammlungs-Initiativen der Ratingsgruppe zurück.
174
Christoph Schmidt
Beispiel Besicherter Kredit. Das Kreditrating wird ermittelt als Maß des erwarteten Verlusts PD x LGD x EAD = 2,34 % x 49,77% x 1 Mio. € = 11.646 € Alle Daten, die über RMX an S&P gelangen, darf S&P ausschließlich für den hier beschriebenen Zweck verwenden.
Der verkaufswillige Börsenteilnehmer kann nun seine Creparts in den Handel bringen und Orders erteilen. Creparts sind Anteile an Darlehensforderungen. Ein Crepart entspricht einem Prozent der Nominalvaluta zuzüglich fälliger, noch nicht gezahlter Zinsen (sogenannter Handelswert, vgl. hier den Stückzinsbegriff im Rentenhandel). Die kleinste handelbare Einheit ist 0,1 Prozent des Handelswertes. Aus Kosten-Nutzen-Erwägungen heraus wird erwartet, dass die überwiegende Mehrzahl der an der RMX eingestellten Kredite nicht unter 500.000 Euro Nominalwert liegen werden. Ein kaufinteressierter Börsenteilnehmer kann sich umfassend über die angebotenen Creparts informieren. Sie werden, ähnlich einer Wertpapierkennnummer, über eine Crepart Identification Number (CIN) identifiziert. Allerdings muss ihm klar sein, dass seine Besuche in der sensiblen Datenansichtsebene 3 vom System protokolliert werden. Vielfache Besuche der Datenansichtsebene 3, denen kein Interesse in Form von wenigstens einiger realistischer Kauforders folgt, können von RMX sanktioniert werden.
Mehrstufigkeit der Informationsebenen aus Käufersicht Datenumfang Kaufentscheidung
Nichtanonymisierter Datenbereich
Erhöhung des Informationsgrades mit jeder Datenansichtsebene; Schutz nicht anonymisierter Daten durch „Trackrecording“
Abwägung und Konkretisierung
Datenebene 3
Datenschutzerklärung
Vorauswahl Anonymisierter Datenbereich
Datenebene 1
Datenebene 2
Datenebene 2
Datenebene 1
Datenebene 1 Zeit
Abbildung 4:
Mehrstufigkeit der Informationsebenen aus Käufersicht
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Nach erfolgtem Handel, Abrechnung und Buchung ist das Geschäft für die RMX noch lange nicht erledigt. Über die gesamte Laufzeit des Kredites werden fällige Zins- und Tilgungsleistungen von dem servicierenden Erstverkäufer eingezogen und quotal auf die jeweiligen Crepart-Inhaber verteilt. Dies gilt sinngemäß auch im Falle von Sonderzahlungen oder Leistungsstörungen. Für den Fall, dass neue Konditionen oder Stundungen vereinbart werden sollen, kann in einem Abstimmungsverfahren über alle Crepart-Inhaber die Mehrheitsmeinung festgestellt werden. Für solche Börsenteilnehmer, die nicht nur sporadisch, sondern aktiv handeln wollen, steht die schon in Ziffer 6 (????) erwähnte elektronische Schnittstelle zur Verfügung, über die wesentliche Daten direkt vom bzw. in das hauseigene Kreditsystem übernommen werden können.
Kommunikationswege
Bank / Sparkasse Bildschirmdialog und Postbox
Handel RMX
Internet Gateway PC Datenschnittstelle
Abbildung 5:
4.
Abwicklung / Buchhaltung
EDV (Kreditdaten)
Kommunikationswege
Vorteile für „First Mover“
Kritik wird gern entgegengenommen, wenn der Verfasser des vorliegenden Beitrages die These aufstellt, die IT-Systeme der deutschen Kreditwirtschaft seien mehrheitlich nicht sehr jung und nicht sehr flexibel. Der Anschluss des hauseigenen Kreditsystems über die elektro-
176
Christoph Schmidt
nische Schnittstelle an das Handelssystem der RMX stellt sich daher heute leider als Hürde in zeitlicher und finanzieller Hinsicht dar. Sollen doch über diese Schnittstelle so gut wie sämtliche Kredit- und Sicherheitendaten ausgetauscht werden, für die Käufer- und für die Verkäuferseite. Ein Kredit und der dahinterliegende Schuldner verändern sich im Zeitablauf. Es werden Zinsen und Tilgungen gebucht, die Bewertung von Sicherheiten zyklisch überprüft, Bilanzen testiert usw. Alles dies soll idealerweise vom „Servicer" des erstverkaufenden Instituts nur einmal manuell erfasst und danach über die Plattform der RMX elektronisch distribuiert werden. Ist diese Hürde in Form der elektronischen Schnittstelle einmal überschritten, eröffnen sich jedoch neue Perspektiven: Stellt man zum Beispiel alle Kredite auf der RMX ein (ohne sie unbedingt dort alle verkaufen zu wollen), erhält man für seinen Gesamtbestand für „kleines" Geld ein Rating von Standard & Poor’s. Inwiefern braucht man nun eigentlich noch das eigene Rating? Sicherlich werden Abweichungen zum hauseigenen Rating auftreten. Man kann diese analysieren und daraus für die Weiterentwicklung des hauseigenen Ratings lernen. Für aktive Börsenteilnehmer bieten sich Strategien an, die man vielleicht mit dem Begriff „Rating-Arbitrage“ bezeichnen kann. Vertraut man mehr dem hauseigenen Rating als dem von S&P, stellt man vorrangig diejenigen Kredite zum Verkauf, die von S&P positiv abweichend zum hauseigenen Rating bewertet werden. Vertraut man eher auf S&P, stellt man systematisch diejenigen Kredite zum Verkauf, die von S&P negativ abweichend zum hauseigenen Rating bewertet werden. Ein Institut, was ausschließlich als Käufer bzw. als Wiederverkäufer von Creparts auftritt und selbst keine eigenen Kredite an Kunden auslegt, benötigt kein eigenes konventionelles Kreditsystem mehr. Es wird keine physischen Kreditakten mehr vorhalten; die sichere Archivierung der von RMX ausschließlich in elektronischer Form präsentierten Unterlagen genügt. Soweit erforderlich, signiert RMX steuerlich relevante Belege elektronisch, was beim Kunden simultan ebenfalls eine elektronische Speicherung verlangt. Eine Auslandsbank, die ein kleines Büro in – sagen wir – Quakenbrück eröffnet, kann so innerhalb von Tagen ein ansehnliches Kreditportfolio zusammenstellen, bei absolut überschaubaren Investitionen in Personal und Technik. Wenn sich der neue Marktplatz allerdings in ein oder zwei Jahren etabliert haben wird, werden wegen der größeren Transparenz Preisdifferenzen und Marktineffizienzen verschwinden.
5.
Strategisches Outsourcing
5.1
Do what you can do best – and outsource the rest!
IT-Outsourcing gewinnt schrittweise an Bedeutung. Im Folgenden wird eine unvollständige Einteilung sowie die Platzierung des RMX-Projekts in dieses Modell vorgenommen.
Kredite via Börse handeln
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Ausgangslage: Man entwickelt seine Programme mit angestelltem Personal und betreibt die Programme im eigenen Haus. 1. Man greift bei der Programmierung zur Abdeckung von personellen oder fachlichen Engpässen teilweise auf externes Personal oder auf Unternehmen, die ganze Gewerke liefern, zurück. 2. Man setzt zum großen Teil Standardsoftware ein. Hier zeigt sich ein eklatanter Mangel an Industrialisierung in der deutschen Kreditwirtschaft, welcher zu einem gewissen Teil ihre im internationalen Vergleich magere Eigenkapitalrendite erklären kann: Ein Girokonto, eine Überweisung (beleghaft oder online), eine Lastschrift, ein Ratenkredit, ein Hypothekenkredit, ein Sparbuch, ein Festgeld- oder Tagesgeldkonto und vieles mehr sind von Bank zu Bank bzw. Sparkasse aus technischer Sicht mehr oder weniger austauschbar. Dennoch werden diese Standardprodukte von mehr als 30 Produzenten in Deutschland parallel entwickelt und zum Teil immer wieder neu erfunden. 3. Man mietet Software und bezieht Betriebsleistungen vorrangig von spezialisierten Dienstleistern, als Beispiel seien die Verbundrechenzentren der Sparkassen und Volksbanken genannt. 4. Man lagert ganze Geschäftsprozesse an spezialisierte Dienstleister aus. Dieser Vorgang ist unter anderem bei der Wertpapierabwicklung, beim beleggebundenen Zahlungsverkehr, der Kreditkartenabwicklung, beim Betrieb von Geldautomaten oder bei der Gehaltsabrechnung sowie bei Druck und Versand von Werbe- und Geschäftsbriefen schon fortgeschritten. 5. Das Angebot einer neuen elektronischen Börse zum Handel mit Krediten geht einen Schritt weiter. Bisher war es praktisch unmöglich, eine einzelne, nicht verbriefte Forderung von einer Bank auf eine Sparkasse oder umgekehrt zu übertragen. Im Bereich NonPerforming-Loans finden selbstverständlich große Transaktionen statt. Auch ist es vorgekommen, dass sich Marktteilnehmer zurückziehen (mussten) und deren Kreditgeschäft von anderen übernommen wurde, zum Beispiel von der BAG in Hamm. Nicht unerwähnt bleiben darf hier das Konsortialgeschäft. Auf Basis individueller Verhandlungen, Risikound Sicherheitenbewertung kann heute theoretisch ein solches Geschäft stattfinden. Aber es müssen des Öfteren individuelle Verträge ausgehandelt werden. In vielen Fällen ist eine Sichtung physischer Dokumente notwendig. Es werden von allen Seiten Bilanzanalysten, Prüfer und Juristen engagiert. Im Endeffekt stehen die erheblichen Anbahnungs- und Transaktionskosten der freien Entfaltung der Marktkräfte entgegen. Es herrscht wenig Transparenz und in vielen Fällen gibt es nur eine ungefähre Vorstellung vom fairen Marktpreis. Der Markt ist illiquide. Diese Lücke zu füllen, hat sich die RMX Risk Management Exchange AG zum Ziel erkoren. Sie übernimmt also die elektronische Abwicklung von Geschäftsvorfällen im Outsourcing, welche es vorher in dieser Form noch nicht bzw. nur in beschränktem Umfang manuell gab. Um es neudeutsch zu formulieren: Business Process Engineering und Business Process Outsourcing!
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Christoph Schmidt
6. Wenn sich RMX bei ihrem neuen Angebot selbst auf die fachliche Konzeption beschränkt und die Softwareentwicklung, das Rating und den technischen Betrieb zu 100 Prozent in fremde Hände legt, ist dies für sich betrachtet wiederum ein klassisches Full-Outsourcing; RMX konzentriert sich auf ihr Kerngeschäft gegenüber ihren Endkunden, den Börsenteilnehmern.
5.2
Immanente Kosten des Outsourcings eingrenzen
Es bedarf besonderer Aufmerksamkeit, um die theoretisch auf der Hand liegenden Vorteile eines IT-Outsourcings bei Banken und Versicherungen in Deutschland tatsächlich zu realisieren. Hinderlich ist eine restriktive Behandlung der Umsatzsteuer-Thematik durch BMF und BFH, die die Anwendung der eigentlich bindenden, etwas industriefreundlicheren Rechtsprechung des EuGH latent verzögert. In der Literatur (siehe Literaturverzeichnis) finden sich mannigfache Darstellungen, inwieweit ursprünglich durch IT-Outsourcing geplante Einsparungen gegenüber der theoretisch möglichen Eigenrealisierung nicht eingetreten seien, weil der Auftraggeber sowohl den Aufwand für die Vertragsausgestaltung als auch für die spätere Administration und Kontrolle desselben deutlich unterschätzt habe. RMX hat sich von drei externen Beratern in fachlicher und juristischer Sicht bei den Vertragsverhandlungen unterstützen lassen. In insgesamt nur etwa einem Dutzend Verhandlungstagen wurde der Vertrag zum Abschluss gebracht. Dies gelang unter anderem dadurch, dass bewusst auf jegliche, nicht zwingend notwendige Detailtiefe verzichtet wurde. Welches eigentliche Interesse hat RMX etwa daran, mit zu entscheiden, welche Datenbank benutzt wird, wie viele Prozessoren auf welcher Hardware zum Einsatz kommen und Ähnliches? Das eigentliche Interesse sollte darin liegen, ein belastbares Service Level Agreement zu erhalten, wobei der Faktor Verfügbarkeit von vorrangiger Bedeutung ist. Ferner ist es sinnvoll und notwendig, klare und insbesondere für Nicht-Techniker unmittelbar verständliche Regelungen zu treffen, welche finanziellen Auswirkungen ein eventueller Verstoß gegen das SLA nach sich zieht, ohne diese Regelungen etwa durch eine Reihe undurchsichtiger Verschuldensfragen oder Nachweise für den tatsächlich entstandenen Schaden wieder auszuhebeln. Dies vermeidet Streitigkeiten und verringert den Verwaltungsaufwand auf beiden Seiten für die Betriebsphase erheblich. T-Systems greift intern auf das seit zwei Jahren verfügbare Konzept „Dynamic Services“ zurück. Hierbei werden mit handelsüblichen Vier-Prozessor-Maschinen, die in großen Chargen ohne Ansehen von Markennamen beschafft werden, Pools gebildet. Mittels der Software VMWare werden den einzelnen Kunden virtuelle Ressourcen zugewiesen, wobei sich eine Vier-Prozessor-Maschine in 32 Slices unterteilt, die sich kurzfristig einzeln, je nach Leistungsbedarf, zu- oder abschalten lassen. Fällt eine physische Maschine aus, werden die betroffenen virtuellen Instanzen kurzfristig auf einer Ersatzmaschine wieder aufgespielt. Benötigte man früher zu jedem produktiven Server mehr oder weniger eine dedizierte Back-up-
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Maschine (1:1), genügen heute nach dem Prinzip n+1 in etwa fünf freie Server auf hundert. Auch bei Firewalls, Platten und Back-up-Technik wurde mit ähnlichen Methoden gravierendes Einsparpotenzial gehoben. Musste man früher für ein Projekt dieser Größenordnung Investitionen in Infrastruktur an theoretisch möglichen Lastspitzen orientieren, gilt heute: „Pay only for what you use“.
DynamicComputing. Standardisierung, Automatisierungund Ressourcen-Pooling.
Kunde C Kunde B Kunde A
Wechselnde ServerPool-Belegung
Abbildung 6:
5.3
Dynamic Computing von T-Systems (Standardisierung, Automatisierung und Ressourcen-Pooling)
Unternehmerisches Risiko verteilen
RMX trägt ein eminentes eigenes unternehmerisches Risiko, weil die neue Geschäftsidee sich erst am Markt durchsetzen muss und das Erreichen der Gewinnschwelle einerseits von einem relativ zügigen Markteintritt wie auch von einem mittelfristig ausreichenden Transaktionsvolumen abhängt. Andere Risiken, die darin liegen, dass die neue Handelsplattform nicht, nicht rechtzeitig oder nicht innerhalb des vorgesehenen Gesamtbudgets fertig gestellt und betrieben werden könnte, hat T-Systems übernommen. Für Unvorhergesehenes, Änderungsvereinbarungen aufgrund neuerer Erkenntnisse während der einjährigen Entwicklungsphase und Ähnliches wurde von vornherein ein pauschales Budget einkalkuliert, damit das gute Arbeitskli-
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Christoph Schmidt
ma nicht durch eventuelle Diskussionen um einzelne zusätzlich zu bezahlende Personentage belastet wird. Bemerkenswert hieran ist, dass im Frühjahr 2006 ein langjähriger vertraglicher Festpreis ausgehandelt werden konnte, obwohl das Feinkonzept für die Werkleistung (Softwareerstellung) zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlag.
5.4
Auslandsmärkte öffnen
T-Systems verfügt über Rechenzentrumsstandorte in allen Teilen der Welt. Für den Fall, dass RMX ins Ausland expandieren will, stehen alle Türen offen. Das System ist modular aufgebaut, sodass beispielsweise das Abwicklungsmodul leicht durch eine örtliche japanische oder brasilianische Komponente ersetzt werden kann, die die dortigen Usancen berücksichtigt (Zahlungsverkehr, Buchhaltung, Steuern etc). Für eine landestypische Ausgestaltung des Handelsmoduls lässt sich eine Fachübersetzung der Feldbezeichnungen über eine Parameterliste einspielen.
5.5
„Cultural Fit“
Kann ein Unternehmen mit 15 Mitarbeitern mit einem anderen mit 50.000 Mitarbeitern auf Augenhöhe verhandeln? Wird man ernst genommen? Oder geht man hinterher in der „Servicewüste" verloren? Die Gegenthese lautet: All Business is local. Es gibt eigentlich kein Geschäftsfeld „Internationales“. Jedes Geschäft wird zwischen Menschen verhandelt und geschlossen, die entweder in dem Land A oder in dem Land B zu Hause sind. Auch die Leistungserbringung erfolgt anschließend vornehmlich in dem einen oder anderen Land. Ausnahmen bestätigen die Regel, wenn zum Beispiel 50.000 PCs in zehn Ländern ausgeliefert und serviciert werden sollen. Aber wie oft geschieht dies eigentlich? Jedes internationale Unternehmen zerfällt wieder in Landesgesellschaften. Auch für die 50.000 PCs müssen dann mindestens zehn verschiedene Rechnungen gegebenenfalls in verschiedenen Währungen, sicherlich mit verschiedenen Steuersätzen gestellt werden. Auch die Tastaturen, die Stecker, die Betriebssystemversionen, die Sicherheits- und die Umweltschutzvorschriften differieren. Sobald es den verantwortlich handelnden Personen auf Auftraggeber- und Auftragnehmerseite gelungen ist, ein belastbares Vertrauensverhältnis herzustellen, spricht nichts dagegen, dass die Geschäftsbeziehung über viele Jahre erfolgreich wird. Gleichgültig, ob es sich um Kleinoder Großunternehmen handelt. Eine faire Geschäftspraxis und personelle Kontinuität sind der Schlüssel.
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5.6
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Softwareentwicklung in Deutschland
Welcher Trend zeichnet sich ab? Offshore, Nearshore, Onshore oder ohne Ohr? Es dürfte niemandem verborgen geblieben sein, dass Softwareentwicklung in Niedriglohnländern mit einigen Risiken behaftet ist. Dem vermuteten Einspareffekt in Zeit und Geld stehen folgende Faktoren in einem nicht unerheblichen Maße entgegen: Die Fachspezifikation muss in englischer Sprache erfolgen. Sie muss außerordentlich ausführlich und genau erstellt werden, um Missverständnissen vorzubeugen. Die Vertragsgestaltung muss in Englisch erfolgen, zumindest die Vertragsgestaltung zwischen Generalunternehmer und Offshore-Subunternehmer. Für Tests und Qualitätssicherung muss mehr Zeit eingeplant werden. Die rechtliche Auseinandersetzung im Falle von Schlechtleistung mit einem Dienstleister am anderen Ende der Welt ist risikobehaftet. Die Lohnkosten für hervorragend ausgebildete, motivierte junge Softwareentwickler zwischen Aachen, Paderborn und Potsdam liegen im Jahr 2007 niedriger als manche glauben. IT-Outsourcing am Standort Deutschland ist ein Zukunftsmodell!
Literaturverzeichnis FLESCH, J. R. (2006A): Kreditbörse leistet Beitrag zur erhöhten Stabilität des Banken- und Finanzsystems, in: Börsenzeitung Nr. 197 vom 13. November 2006. FLESCH, J. R. (2006B): RMX – eine innovative Börsenidee, G&H EBIF News, November 2006, www.bancos.com/fileadmin/newsl_pdf/BANCOS_Newsletter_Ebif_2006.pdf FLESCH, J. R. (2006C): Kredite über die Börse handeln, in: Kreditwesen 5/2006, S. 18-21. HANTEN, M. (2006): PricewaterhouseCoopers Legal, Vortrag Creparts September 2006: Börsenhandel mit Krediten. MAIER, A. (2006): Institute reizt Erwerb fauler Kredite, in: Financial Times Deutschland vom 23.12.2006. SCHILLER, M. (2006): Outsourcing im Finanzdienstleistungs- und Versicherungssektor, Umsatzsteuerliche Beurteilung, Köln 2006. ROLAND BERGER STATEGY CONSULTANTS (2006): Banken wünschen sich Kreditbörse bzw. Handel mit distressed debt, Dezember 2006, www.faz.net/d/invest/meldung.aspx?id=38811875. RUHKAMP, CH. (2004): Forderungsbörse – DebtX startet neue Plattform für faule Kredite in Deutschland, in: Börsenzeitung vom 24. März 2004. THYM, C. (2006): Standard & Poor’s Risk Solutions, RMX & S&P – Standardisierung von Krediten und Bonitätsinformationen, Vortrag September 2006.
182
Christoph Schmidt
Internetlinks www.geldinstitute.de/artikel/international-erste-boersenplattform-kredithandel.html www.creditrisktracker.com zur Dokumentation der Vorgehensweise zur Faktorenauswahl und Modellierung im PD-Verfahren von S&P www.rmx-online.eu; RMX Risk Management Exchange AG www.presseportal.de/pm/31564/794693/t_systems_enterprise_services_gmbh?search=kredith andel www.wtb-hannover.de/content/daten/pdf/creparts/BZ_131006.pdf GI-GELDINSTITUTE, MÄRZ 2006, T-Systems entwickelt und betreibt für die RMX Risk Management Exchange AG den international ersten öffentlich kontrollierten Marktplatz für den Kredithandel zwischen Finanzinstituten DER SPIEGEL, 22/2007, Sparkassen verkaufen Kredite (...), http://service.spiegel.de/digas/find?DID=51714203
Abbildungen Schaubilder 1 bis 4 mit freundlicher Genehmigung übernommen von Michael Klein, Vorstand RMX
Sourcing-Trends im KMU-Kreditgeschäft der deutschen Banken
183
Sourcing-Trends im KMU-Kreditgeschäft der deutschen Banken Wolfgang König / Daniel Beimborn
1.
Einführung
2.
Studiendesign
3.
Ergebnisse
3.1
Merkmale des KMU-Kreditprozesses
3.2
Stand und Potenzial des Cooperative Sourcing
4.
Zusammenfassung Literaturverzeichnis
184
1.
Wolfgang König / Daniel Beimborn
Einleitung
Problem Niedrige Profitabilität (ROE)
Eingeschränkte Wettbewerbsfähigkeit
Fehlende Kosteneffizienz (CIR)
Treiber
Gegenmaßnahme
Fragmentierung
Mergers & Acquisitions (M&A)
Overbanking
Outsourcing Cooperative Sourcing
Vertikale Integration
Divestments
Dekonstruktion Konsolidierung
Outsourcing stellt ein wichtiges Instrument für Unternehmen dar, um Vorteile aus Spezialisierung und Arbeitsteilung zu erzielen sowie mit Hilfe von Dienstleistern Economies of Scale und Skill zu realisieren. So haben auch viele deutschen Banken in den vergangenen Jahren Teile Ihrer Kernprozesse wie beispielsweise die Abwicklung des Wertpapiergeschäfts oder des Zahlungsverkehrs ausgelagert und bei spezialisierten Anbietern – oftmals eigenen Tochtergesellschaften oder Verbundsdienstleistern – gebündelt. Diese im Folgenden als Cooperative Sourcing bezeichnete Form des Outsourcing, also das gemeinsame Bündeln von Kernaktivitäten mehrerer Banken, hat in der Bankenindustrie, insbesondere im Genossenschafts- und im Sparkassensektor eine lange Tradition, da gerade die tendenziell kleineren Institute durch die Bündelung von Prozessvolumina Effizienzvorteile erzielen können. Aber auch die privaten Großbanken haben diese Strategie erfolgreich verfolgt. Beispiele in den verschiedenen Geschäftsfeldern waren die Gründung der etb (primär Wertpapierabwicklung), der EuroHypo (Hypothekengeschäft) und die Übertragung der Zahlungsverkehrsabwicklung von Deutscher Bank und Dresdner Bank zur Postbank.
Horizontale Integration (Universalbanking)
Abbildung 1:
Strukturelle Probleme der deutschen Bankenindustrie
Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Banken im internationalen Kontext wird seit einiger Zeit heftig diskutiert. Die vergleichsweise niedrige Profitabilität und eine zu hohe CostIncome-Ratio (CIR) werden gewöhnlich auf eine zu hohe Fragmentierung, Overbanking (zu viele Banken und Filialen) und eine zu hohe vertikale Integration zurückgeführt. Um diesen Problemen entgegen zu wirken, folgen die Banken zwei grundlegenden Strategien. Zum einen wird eine Vergrößerung des Unternehmens durch Fusionen und Akquisitionen ange-
Sourcing-Trends im KMU-Kreditgeschäft der deutschen Banken
185
strebt (Konsolidierung) und zum anderen eine Verkleinerung durch Outsourcing von Teilen der Wertschöpfungskette sowie Divestments (Rückzug aus Geschäftsfeldern) (Dekonstruktion) verfolgt (siehe Abbildung 1). Die Kombination von Konsolidierung und Dekonstruktion führt zu Cooperative Sourcing. Das E-Finance Lab1 – als eine der führenden deutschen Forschungsinstitutionen, die sich mit den Industrialisierungstendenzen in der Finanzbranche beschäftigt – untersucht die Fragestellung, welche Treiber und Hinderungsgründe Banken dazu bewegen, ihre Aktivitäten zu bündeln. Dazu wurden in zwei aufeinanderfolgenden Studien die Outsourcing-Aktivitäten und Potenziale in einem konkreten Produktsegment – dem KMU-Kreditgeschäft – empirisch erhoben. Der vorliegende Beitrag fasst einige der gewonnenen Erkenntnisse zusammen. Im Unterschied zur Wertpapierabwicklung oder dem Zahlungsverkehr ist das Kreditgeschäft in Deutschland ein noch sehr junges und wenig entwickeltes Feld für das Business Process Outsourcing (BPO). Trotz hoher geschätzter Prozesskostenunterschiede2 und recht homogenen Produkten bestehen für das Outsourcing bzw. Cooperative Sourcing von Kreditprozessteilen noch erhebliche Akzeptanzprobleme – im Gegensatz zu beispielsweise dem USamerikanischen, britischen oder niederländischen Markt.3 Verglichen mit dem Zahlungsverkehr und der Wertpapierabwicklung weist das Kreditgeschäft zwei Besonderheiten auf, die einen wesentlichen Einfluss auf den deutlich langsameren Outsourcing-Prozess haben: (1) Erstere finden zwischen mehreren Banken statt, sodass sich hier im Gegensatz zum Kreditgeschäft Datenaustauschstandards und zunehmend auch standardisierte Prozesse durchgesetzt haben (Bongartz 2004). Dies erleichtert die Bündelung der verschiedenen Prozessvolumina. (2) Im Kreditprozess kommt es aus wettbewerblichen Gründen zunehmend darauf an, dass eine hohe Interaktion mit dem Kunden und dabei gleichwohl eine weitgehend synchrone Produkterstellung erfolgt, sodass der Kunde möglichst schnell seine Zusage erhält. Sicherlich, auch im Zahlungsverkehr und in der Wertpapierabwicklung sind Schnelligkeit und hohe Integration unverzichtbar – aber dies sind beides Prozesse oder Prozessteile, die abwickelnder Natur sind, ohne weitere Interaktion mit dem Kunden. Dies bedingt jedoch im Kreditgeschäft hohe Integrationsanforderungen, um eine schnelle Interaktion zwischen Vertrieb und ausgelagertem Backoffice zu ermöglichen. Eine solche Integration
1
2 3
Das E-Finance Lab wird von der Universität Frankfurt am Main und der Technischen Universität Darmstadt gemeinsam mit Accenture, BearingPoint, Deutsche Bank, Deutsche Börse, Deutsche Postbank, DZ Bank Gruppe, FinanzIT, IBM, Microsoft, Siemens, T-Systems (alle Tier-1-Partner) sowie DAB bank und Interactive Data Managed Solutions (beide Tier-2-Partner) getragen. Ziel des interdisziplinären Forschungsprojektes ist es, die Industrialisierung in der Finanzwelt zu fördern. Unter Leitung der Frankfurter Wirtschaftsprofessoren Peter Gomber, Wolfgang König, Bernd Skiera und Mark Wahrenburg sowie des Darmstädter Informatikprofessors Ralf Steinmetz identifizieren über 30 Forscher Verbesserungspotenziale bei den traditionellen Wertschöpfungsketten der Finanzbranche sowie den Finanzprozessen von Unternehmen verschiedenster Branchen. Dabei entwickeln und erproben sie auch Verfahren zur Gestaltung neuartiger Finanzprodukte. Der Begriff E-Finance verdeutlicht, dass Innovationen in der Finanzbranche über einen verstärkten Einsatz netzbasierter Informations- und Kommunikationssysteme möglich sind (http://www.efinancelab.com). Siehe Focke u. a. (2004) und Gomber u. a. (2006). Siehe Pieske (2005).
186
Wolfgang König / Daniel Beimborn
wird jedoch durch Outsourcing prinzipiell gefährdet.4 Ein hoher Grad an Aufgabeninterdependenzen stellt einen wesentlichen Risikofaktor für Outsourcing dar, wie verschiedene Studien belegen.5
2.
Studiendesign
Im Rahmen zweier fragebogenbasierter Studien des E-Finance Lab wurden empirische Daten erhoben, welche den aktuellen Stand und das Potenzial von Cooperative Sourcing im Geschäftsprozess zur Vergabe von Investitionskrediten an kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) – im Folgenden kurz KMU-Kreditprozess genannt – untersuchen. Die Umfragen fanden 2004 und 2005 unter den größten 500 bzw. 1020 größten deutschen Banken statt. Befragt wurde jeweils der Leiter des Firmenkundenkreditgeschäfts. Die Rücklaufquoten betrugen 24,9 Prozent bzw. 13,3 Prozent; die Stichproben waren weitgehend repräsentativ hinsichtlich der Institutsgröße und Sektorzugehörigkeit.6 Im Folgenden wird mit den Kürzeln S1 (2004) bzw. S2 (2005) auf die beiden Studien referenziert.7 Die Fragen wurden häufig auf Teilprozessebene gestellt, um möglichst präzise und detaillierte Ergebnisse zu erhalten. Hierzu wurde als Grundlage eine generische Kreditprozesskette entwickelt, welche die Bearbeitungsschritte des KMU-Kreditprozesses strukturiert und beschreibt. Der Kreditprozess ist in fünf Hauptschritte gegliedert: Vertrieb/Antragsvorbereitung, Kreditentscheidung, Bearbeitung/Servicing, Risikomanagement/-überwachung und Workout. In Abbildung 2 sind beispielhaft verschiedene Tätigkeiten aufgeführt, die in den Teilprozessen durchgeführt werden. In die Abgrenzung der Prozessschritte sind sowohl ablauf- als auch aufbauorganisatorische Aspekte eingeflossen, um unter anderem die Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft (MaRisk – BTO1) zu berücksichtigen (beispielsweise Trennung zwischen Vertrieb und Marktfolge).
4 5 6
7
Siehe Focke u. a. (2004). Siehe Beimborn u. a. (2005). Die Studie in 2005 enthielt unterdurchschnittlich viele Sparkassen unter den antwortenden Instituten. Aus diesem Grund wurden alle Ergebnisse auf Unterschiede zwischen den Sektoren analysiert. Die wenigen auftretenden Differenzen wurden entsprechend in der Ergebnisdarstellung dokumentiert. Die Abschlussberichte wurden unter Wahrenburg u. a. (2005) und Gomber u. a. (2006) veröffentlicht.
Sourcing-Trends im KMU-Kreditgeschäft der deutschen Banken
Vertrieb / Antragsvor bereitung
x Kundenakquisition x Produktauswahl x Datensammlung x Erstvotum
Abbildung 2:
Kreditentscheidung
x Dokumente prüfen x Erstellung des internen Ratings x §18-Schließung x Zweitvotum x Beschlussfassung
Bearbeitung / Servicing
x Vertragsdokumente autorisieren x Auszahlung x Lfd. Zahlungsverkehr x Lfd. Datensammlung
187
Risiko management / -überwachung
x Management des Kreditportfolios x Wiedervorlage des Kredites x Risikocontrolling
Workout
x Intensivbetreuung ausfallgefährdeter Kredite x Mahnwesen x Inkasso
Referenzkreditprozess für S1 und S28
Ein Kredit durchläuft die gezeigten Schritte nicht zwangsläufig in sequenzieller Abfolge, vielmehr ergibt sich ein Zusammenspiel der Teilprozesse. So finden z. B. Zahlungsverkehr und Risikoüberwachung permanent statt: Während der Kunde seinen Schuldendienst leistet, wird regelmäßig die Werthaltigkeit des Kredites überprüft. Der Lebenszyklus eines Kredites gliedert sich in zwei grundsätzliche Phasen: Die erste Phase (Teilprozesse Vertrieb/Antragsvorbereitung und Kreditentscheidung) umfasst alle Tätigkeiten bis zur endgültigen Kreditentscheidung (Beschlussfassung), mit welcher eine Bank entscheidet, ein Engagement einzugehen. Die zweite Phase wird durch die Bearbeitung der Kreditdokumente und Bereitstellung des Kreditbetrages eingeleitet. Sie umfasst neben dem laufenden Servicing die Schuldendienste des Kunden, Risikomanagement und -überwachung durch die Bank sowie ein eventuelles Workout bei ausfallgefährdeten Krediten.
3.
Ergebnisse
Die Ergebnisse der beiden Studien sind strukturiert in einen ersten Abschnitt zu sourcingrelevanten Merkmalen des KMU-Kreditprozesses, wie Prozessleistung, Standardisierungspotenzial und Aufgabeninterdependenzen, sowie einen zweiten Abschnitt, in dem der aktuelle Stand und die Potenziale des Cooperative Sourcing dargestellt und Rückschlüsse auf die Prozessmerkmale gezogen werden.
8
Siehe Wahrenburg u. a. (2004).
188
Wolfgang König / Daniel Beimborn
3.1
Merkmale des KMU-Kreditprozesses
Die Diagramme in Abbildung 3 geben zunächst die demografischen Daten – die Höhe des KMU-Kreditvolumens und die Anzahl der KMU-Kredite unter den größten 1020 Banken – wieder. Basierend auf diesen Maßen kann die durchschnittliche Höhe eines KMU-Kredites im Bestand auf 470.000 Euro beziffert werden. Die Verteilung ist jedoch sehr rechtsschief (logarithmische Abszisse), da das KMU-Kreditvolumen naturgemäß sehr stark mit der Institutsgröße korreliert (Pearson-Korrelation mit der Bilanzsumme = 0,985). Im Durchschnitt machen die KMU-Darlehen 50 Prozent des totalen Kreditvolumens der deutschen Banken aus.
35%
25%
P=9.560 V=57.809 n=98
20%
P=581 V=1,167 n=116
30%
H äu fig keit
H ä u f ig k e it
25% 15% 10%
20% 15% 10%
5%
5% 0%
0% 10
100
1.000
10.000
Anzahl von KMU-Darlehen im Bestand
Abbildung 3:
100.000
10
100
1.000
10.000
KMU-Kreditvolumen in Millionen EUR
Anzahl der KMU-Kredite pro Bank (links) und KMU-Kreditvolumen (rechts) unter den 1020 größten Banken in 2005 (S2)
Im Folgenden sollen einige Merkmale des untersuchten Geschäftsprozesses analysiert werden, die Relevanz für die Outsourcing-Entscheidung besitzen.
Prozessleistung Zunächst soll untersucht werden, welche Performance der KMU-Kreditprozess in den einzelnen Instituten aufweist. Die Leistung von Geschäftsprozessen kann in der Regel entlang der drei Dimensionen Durchlaufzeit, Qualität und Kosten gemessen werden. In Umfragen wird gewöhnlich außerdem das „Aggregat“ in Form der generellen Zufriedenheit des Prozessverantwortlichen mit der Prozessausführung erfragt. Abbildung 4 zeigt eine eher positive Einschätzung, die sich zudem von 2004 nach 2005 deutlich verbessert hat. (Der Einfluss der Erweiterung der Grundgesamtheit von 500 auf 1000 Banken hatte keinen wesentlichen Einfluss, die Zufriedenheit korreliert nicht mit der Institutsgröße).
Sourcing-Trends im KMU-Kreditgeschäft der deutschen Banken
189
Häufigkeit 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
S2
P=0,82 n =130
S1
P=0,23 n =100
2 - zufrieden
Abbildung 4:
1 - eher zufrieden
0 - indifferent
-1 - eher unzufrieden
-2 - unzufrieden
Zufriedenheit mit dem gesamten KMU-Kreditprozess (S1 – unten, S2 – oben)
Die Prozessdurchlaufzeit wurde nur für den – auch aus Kundensicht – zeitkritischen Teilprozess von der Einreichung der Bewerbungsunterlagen durch den Kunden bis zur finalen Kreditentscheidung erhoben; dabei wurde zwischen komplexen Finanzierungen und standardisierten Krediten differenziert. Für ersteren ergab sich eine durchschnittliche Durchlaufzeit von 14 Tagen, während selbst die Entscheidung über einfache Finanzierungen im Mittel 8 Tage benötigt. Dabei ergaben sich jedoch deutliche Variationsbreiten (siehe Abbildung 5). Die Zeiten korrelieren moderat mit der angegebenen grundsätzlichen Zufriedenheit der Verantwortlichen mit dem Prozess.9
PStandardfinanzierung= 8,06 Pkomplexe Finanzierung= 14,25 n=133 40%
Anteil Banken
35%
Standardfinanzierung komplexe Finanzierung
30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% 1-3
>3-6
>6-9
>9-12
>12-15
>15-18
Durchschnittliche Bearbeitungsdauer in Manntagen
Abbildung 5:
9
Prozessdurchlaufzeiten für Kreditanträge (S2)
Pearson-Korrelation = -0,23 (Standardfinanzierung) und -0,22 (komplexe Finanzierung).
>18
190
Wolfgang König / Daniel Beimborn
Als Qualitätskennzahl wurde erstens erhoben, wie viele Kredite reibungslos bearbeitet werden (im Mittel 75 Prozent). Zweitens wurde gefragt, wie hoch der Anteil der Kredite in der Intensivbetreuung und derjenigen ohne „gutes” Rating ist. Im ersten Fall waren es für 80 Prozent der Banken weniger als fünf Prozent der Kredite und im zweiten Fall bis zu 55 Prozent, was im Umkehrschluss bedeutet, dass 20 Prozent der Banken ein KMU-Kreditportfolio besaßen, in dem mehr als die Hälfte der Darlehen kein gutes Rating aufwies. Drittens wurde nach den Prozesskosten gefragt: Welche Ausführungskosten sind mit der Bearbeitung eines einzelnen Antrages bis zur finalen Kreditentscheidung verbunden?
P = 1357,5
30% 25% Anteil Banken
n= 38 E-Finance Lab 2006
35%
20% 15% 10% 5% 0% <300
300 - <500
500 - <700
700 <1.000
1.000 <2.000
2.000 <3.000
>= 3.000
Prozesskosten in EUR
Abbildung 6:
Prozesskosten für einen KMU-Kreditantrag (S2)
Neben der Tatsache, dass weniger als ein Drittel der Verantwortlichen die Kosten beziffern wollte oder konnte (nur 30 Prozent der teilnehmenden Banken verfügten in 2004 über eine Prozesskostenrechnung), ist die sehr große Spannweite der Angaben erstaunlich. Während die Kosten im Durchschnitt bei 1357,50 EURO lagen, gab immerhin ein Viertel der Antwortenden Werte von mehr als 2000 EURO an. Solche großen Unterschiede wurden auch in anderen Studien identifiziert.10 Erstaunlicherweise konnte in den Daten kein Zusammenhang zwischen den Prozesskosten und der Größe der Bank festgestellt werden. Economies of Scale werden folglich in den großen Instituten nur unzureichend realisiert. Abbildung 7 zeigt, wie sich die gesamten Prozesskosten prozentual auf die einzelnen Teilprozesse verteilen. Die Visualisierung erfolgte mit Hilfe von Boxplots, welche die minimalen und maximalen Nennungen sowie die Quartile darstellen. Die Verteilungen sind in jedem Fall sehr symmetrisch, sodass die (nicht dargestellten) Mittelwerte den Medianen weitgehend 10
Zum Beispiel Hölzer (2004).
Sourcing-Trends im KMU-Kreditgeschäft der deutschen Banken
191
entsprechen. 55 Prozent gaben den Vertrieb als kostenintensivsten Prozess an, während 43 Prozent den Teilprozess Bearbeitung/Servicing mit den höchsten Kosten belegten (Mehrfachnennung durch Angabe gleicher Anteile möglich).
Anteil an Prozesskosten
70% 60% 50% 40% 30% 20% 10%
Abbildung 7:
W or ko ut
iko üb er w
ac hu ng
cin g Ri s
Se rv i
En ts ch ei du ng
Be ar be it u ng /
Ve rtr i
eb /V or be re itu ng
0%
Teilprozess
Relative Verteilung der Prozesskosten auf die Teilprozesse (S2)
Die zu Anfang dargestellte grundsätzliche Prozesszufriedenheit wurde am stärksten von der Prozessqualität, insbesondere dem Anteil reibungslos durchlaufender Kreditanträge, bestimmt. Auch die Durchlaufzeiten hatten einen moderaten Einfluss. Die Höhe der Prozesskosten zeigte dagegen erstaunlicherweise keinen Zusammenhang mit der Prozesszufriedenheit. Es stellt sich nun die Frage, inwiefern die interne Prozessleistung zu einer superioren Marktstellung führt und damit eine hohe strategische Bedeutung für die jeweilige Bank besitzt. Die Frage, ob der KMU-Kreditprozess einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil für das eigene Institut darstellt, führte bei den Studienteilnehmern zu einem Drittel Zustimmungen und einem Drittel Ablehnungen. Die Antworten korrelierten zwar moderat mit der Prozesszufriedenheit (r=0,31), jedoch nicht mit den eigentlichen Prozessleistungskennzahlen. Objektivere Maße des Wettbewerbsvorteils lassen sich durch den Marktanteil im relevanten Markt sowie die realisierte Zinsmarge – die keine operativen Kosten berücksichtigt – erheben. Die Banken bezifferten Ihren eigenen Marktanteil im relevanten Markt auf durchschnittlich 37,5 Prozent – wobei die regional operierenden Sparkassen und Genossenschaftsbanken hier naturgemäß deutlich höhere Werte angaben als die Privatbanken. 36 Prozent der Studienteilnehmer gaben zusätzlich an, den eigenen Marktanteil in den vergangenen drei Jahren vergrößert zu haben, während 21 Prozent das Gegenteil konstatierten. Über die Hälfte der Banken (56 Prozent) möchte das KMU-Kreditgeschäft in der Zukunft ausbauen.
192
Wolfgang König / Daniel Beimborn
Die Zinsmarge wurde für Kredite mit guter Bonität erfragt, um Verzerrungen durch unterschiedliche Risikostrukturen bei den einzelnen Banken zu reduzieren. Abbildung 8 zeigt Schwankungen zwischen 0,5 und 2,5 Prozentpunkten (Mittelwert = 1,68). Die Daten waren für 2004 und 2005 weitgehend identisch. Die Zinsmarge korrelierte interessanterweise weder mit der Institutsgröße noch mit dem Marktanteil oder der Stärke des Konkurrenzdrucks, dem sich die Banken ausgesetzt sahen.
P = 1,68%
40%
n= 94
35%
E-Finance Lab 2006
Anteil [%]
30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% 0-0,5
>0,5-1,0 >1,0-1,5 >1,5-2,0 >2,0-2,5 >2,5-3,0 >3,0-3,5 >3,5-4,0 Zinsmarge [%]
Abbildung 8:
Durchschnittliche Zinsmarge für KMU-Kredite mit gutem Rating (S2)
Die Gegenüberstellung der internen Prozessleistung mit dem Markterfolg spiegelt wider, welche strategische Bedeutung der KMU-Prozess für die einzelne Bank besitzt. Auf Teilprozessebene wurden die Banken gefragt, ob sie die jeweiligen Teile als ihre Kernkompetenz einschätzen. Abbildung 9 zeigt, dass für neun von zehn Banken der Vertrieb und die Kreditentscheidung eine Kernkompetenz darstellen, aber auch die Backoffice-Aktivitäten weisen eher hohe Kernkompetenzgrade auf, die zudem untereinander hoch korreliert sind. Es kann deswegen davon ausgegangen werden, dass sich die Banken entweder als Spezialist für den Vertrieb oder als Spezialist für das gesamte Backoffice sehen, jedoch eher nicht für nur einen einzigen Teilprozess. Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass einige Banken einen Wettbewerbsvorteil aus dem Design ihres KMU-Kreditprozesses ziehen, der sich in einem höheren und steigenden Marktanteil sowie in höherer Zufriedenheit mit der Zinsmarge widerspiegelt. Auf der anderen Seite gibt es, wie die großen Variationen der Prozessleistungskennzahlen zeigen, deutliche Prozessoptimierungspotenziale in vielen Häusern.
Sourcing-Trends im KMU-Kreditgeschäft der deutschen Banken
193
Anteil Banken 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Vertrieb/Vorbereitung
P=4,50 n=128
Kreditentscheidung
P=4,52 n=127
Bearbeitung/Servicing
P=3,69 n=127
Risikoüberw achung
P=4,12 n=128
Workout
P=3,49 n=124
5 - trifft voll zu
Abbildung 9:
4 - trifft eher zu
3 - indifferent
2 - trifft eher nicht zu
1 - trifft nicht zu
Beurteilung der Aussage: „Teilprozess … repräsentiert eine Kernkompetenz unserer Bank.” (S1)11
Im Folgenden sollen weitere Prozesseigenschaften beleuchtet werden, die für Cooperative Sourcing bedeutsam sind.
Prozesskomplexität Für alle fünf Teile des KMU-Kreditprozesses gaben circa 50 Prozent der Teilnehmer an, dass es sich um einen komplexen Prozessteil handelt (S2). Um einen stärkeren Einblick in die Komplexitätstreiber zu erhalten, wurden zusätzlich verschiedene in Abbildung 10 dargestellte Prozesseigenschaften abgefragt.
Anteil der Antw orten 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90% 100%
Aufgaben Routine Seltene Änderungen
Aufgaben stets neu Häufige Änderungen
Variabilität niedrig
Variabilität hoch
Repetititvität hoch
Repetitivität niedrig
Abbildung 10: Charakteristika des KMU-Kreditprozesses (n=136, S2) 40 Prozent der antwortenden Manager bezeichneten die Aufgaben im KMU-Kreditprozess als Routineaufgaben, während ein Viertel von immer neuen Aufgaben ausgeht. In knapp 30 Prozent der Banken wird der Prozess häufig geändert, während ein Drittel nur selten Ände11
Siehe Wahrenburg u. a. (2005).
194
Wolfgang König / Daniel Beimborn
rungen vornimmt (die übrigen Teilnehmer waren indifferent bezüglich einer Antwort). Der KMU-Kreditprozess wird zudem als eher variabel und wenig repetitiv angesehen. Die Prozesskomplexität spiegelt sich auch in dem Prozessdokumentationsgrad wider: Je höher die Komplexität und Variabilität des Prozesses, desto geringer ist auch der Dokumentationsgrad. Im Durchschnitt gaben die Teilnehmer an, dass 65 Prozent ihres KMUKreditprozesses ablauforientiert dokumentiert seien und damit auch als Grundlage für Prozessoptimierungen geeignet seien. Bei zwei Dritteln der Banken beträgt der Dokumentationsgrad sogar mehr als 80 Prozent.
Prozessstandardisierungspotenzial Im Unterschied zum IT-Outsourcing (Auslagerung der Informationstechnologie) ist für das Zusammenlegen von Geschäftsprozessen bei Cooperative Sourcing nicht nur eine Standardisierung der IT-Landschaft notwendig, sondern auch eine Angleichung der betrieblichen Abläufe selbst. Damit eine Kreditfabrik hinreichend Skaleneffekte heben kann, müssen die Mandanten einen einheitlichen Prozessablauf akzeptieren.12 Da Banken jedoch häufig eine genaue Vorstellung darüber haben, wir ihr Prozess auszusehen hat, fällt es den Kreditfabriken in Deutschland teilweise immer noch schwer, notwendige Konsolidierungen vorzunehmen. Ein wesentliches Kriterium für das Cooperative-Sourcing-Potenzial ist folglich die Ähnlichkeit oder Standardisierbarkeit der Teilprozesse innerhalb der Branche. Da eine solche Abschätzung empirisch kaum möglich ist, wurde an dieser Stelle nur gefragt, inwieweit sich die Kreditprozessverantwortlichen vorstellen können, dass eine branchenweite Standardisierung der Teilprozesse möglich ist. Abbildung 11 zeigt die Resultate.
Anteil Banken 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90% 100%
Vertrieb/Antragsvorbereitung
P=2,51 n=125
Kreditentscheidung
P=2,34 n=125
Bearbeitung/Servicing
P=3,87 n=125
Risikoüberwachung
P=3,02 n=124
Workout
P=3,33 n=121
5 - trifft voll zu
4 - trifft eher zu
3 - indifferent
2 - trifft eher nicht zu
1 - trifft nicht zu
Abbildung 11: Beurteilung der Aussage: „Branchenweite Standardisierung von Teilprozess … ist möglich.” (S1)13
12 13
Siehe Lancellotti u. a. (2003). Siehe Wahrenburg u. a. (2005).
Sourcing-Trends im KMU-Kreditgeschäft der deutschen Banken
195
Wesentliche Standardisierungspotenziale ergeben sich beim Teilprozess Bearbeitung/Servicing (71 Prozent) und etwas geringer bei der Risikoüberwachung (42 Prozent) und dem Workout (50 Prozent). Gerade große Banken sehen ihre Teilprozesse nicht als einzigartig, sondern eher als standardisierbar an. Die Antworten hängen stark mit dem Grad der Kernkompetenz im jeweiligen Teilprozess zusammen (siehe Abbildung 9). Gab dort ein Manager eine “5” an, das heißt, sah er in seinem jeweiligen Teilprozess keine Kernkompetenz, dann sah er in der Regel auch hohes Standardisierungspotenzial. Die Fragestellung zur möglichen Prozessstandardisierung wurde flankiert durch zwei ITbezogene Fragen. Da Bankprozesse in hohem Maße in den IT-Systemen abgebildet werden, repräsentiert eine Frage nach dem möglichen Einsatz von Standardsoftware auch einen Schätzer für das Prozessstandardisierungspotenzial. Nur 26 Prozent der Studienteilnehmer argumentierten, dass Ihre Systeme so einzigartig konfiguriert seien, dass der Einsatz von Standardsoftware nicht möglich wäre (siehe Abbildung 12, links). Bei einer näheren Betrachtung der IT-Ebene stellte sich allerdings heraus, dass bei nur einem Drittel der teilnehmenden Banken wenigstens schon Datenformatstandards zum Einsatz kommen (rechts). 7,0%
3,9% 5,5%
13,3% 20,3%
1 - trifft voll zu
3,9%
13,3% 27,3%
2 - trifft eher zu 3 - indifferent 4 - trifft eher nicht zu
35,2%
21,9%
5 - trifft nicht zu weiß nicht
P = 3,32 n= 128
34,4%
14,1%
1 - trifft voll zu 2 - trifft eher zu 3 - indifferent 4 - trifft eher nicht zu 5 - trifft nicht zu weiß nicht
P = 3,28 n= 128
Abbildung 12: Beurteilung der Aussagen: „Unsere Kreditprozesssysteme sind so individuell gestaltet, dass Sie nicht durch Standardsoftware ersetzt werden können.“ (links) „In unserem Kreditprozess werden überwiegend branchenweite Datenstandards eingesetzt.“ (rechts)
IT-Intensität Bankprozesse besitzen in der Regel IT und Personal als einzige „Produktionsfaktoren“. Um eine grundsätzliche Übersicht darüber zu erhalten, in welchem Verhältnis diese Ressourcen in den einzelnen Teilprozessen eingesetzt werden, wurde in S2 die Intensität der ITUnterstützung erfragt. Auf einer siebenstufigen Skala von „nur IT” bis „keine IT” gab die Mehrheit der Studienteilnehmer für alle Teilprozesse einen eher hohen IT-Einsatz an – am weitaus deutlichsten für den Teilprozess Bearbeitung/Servicing (siehe Abbildung 13).
196
Wolfgang König / Daniel Beimborn
0%
10%
20%
Anteil Banken 40% 50% 60%
30%
70%
80%
90%
100%
Vertrieb/Vorbereitung
P=3,60 n=129
Kreditentscheidung
P=3,81 n=131
Bearbeitung/Servicing
P=2,55 n=130
Risikoüberwachung
P=3,02 n=127
Workout
P=3,74 n=122
1 - nur IT
2
3
4
6
5
7 - keine IT
Abbildung 13: Wie intensiv wird IT in den einzelnen Teilprozessen genutzt? (S2) Nichtsdestotrotz gaben 50 bis 70 Prozent der Verantwortlichen für die einzelnen Teilprozesse an, dass sie sich einen stärkeren IT-Einsatz als bisher wünschen (siehe Abbildung 14).
Anteil Banken
100% 80%
n
n
n
n
n
=
=
=
=
=
60% 40% 20%
Ve rtr
W or ko ut
ie b/ Vo rb er ei tu ng
Kr ed i te nt sc he id un Be g ar be itu ng /S er vi cin g R is ik oü be rw ac hu ng
0%
mehr IT keine Änderung weniger IT
Abbildung 14: Unterschied zwischen gewünschtem und aktuellem IT-Einsatz (S2)
Aufgabeninterdependenzen Die selektive Auslagerung einzelner Teilprozesse verursacht in der Regel Diseconomies of Scope (Verlust von Synergieeffekten), weil zwischen den Aktivitäten häufig Interdependenzen bestehen, die nach dem Outsourcing zu Reibungsverlusten und Schnittstellenkosten im weiteren Sinne führen.14 Diseconomies of Scope lassen sich auf Abstimmungsprobleme15 14 15
Siehe Earl (1996). Siehe Beimborn u. a. (2005).
Sourcing-Trends im KMU-Kreditgeschäft der deutschen Banken
197
und aufwändigere bzw. formalere Kommunikation zwischen den Prozessbeteiligten, technische Interface- und Übertragungskosten sowie den Tatbestand zurückführen, dass bestimmte Aufgaben sinnhafterweise durch dieselbe Ressource (IT-System sowie Personal)16 ausgeführt werden. So sind 65 Prozent der KMU-Kreditprozessverantwortlichen der Meinung, dass der gemeinsame Einsatz von Personal und IT in den unterschiedlichen Teilprozessen einen wichtigen Wettbewerbsvorteil beinhaltet. Auch lässt sich eine Prozessoptimierung desto effektiver umsetzen, je umfassender sie geschieht. Pfeiffer beschreibt dies als das „Fundamentalprinzip der effizienten und effektiven Wertschöpfungsnetzwerkbeeinflussung“17, welches durch Auslagerung von Prozessteilen erschwert wird. Trotzdem bestätigen wenigstens 39,5 Prozent der Studienteilnehmer, dass selektives Outsourcing von Kreditprozessteilen effizient wäre. 47,3 Prozent glauben hingegen, dass die Teilprozesse so eng miteinander verbunden sind, dass dies nicht effizient wäre. Abbildung 15 zeigt im Detail, zwischen welchen Prozessteilen am ehesten Synergieverluste auftreten, wenn einer der beiden Teilprozesse ausgelagert wird. Generell ist eine interorganisatorische Separation von Vertrieb und Kreditentscheidung sowie Risikomanagement aus Sicht der Prozessverantwortlichsten am problematischsten. Aber auch eine Auslagerung der an die Kreditentscheidung anschließende Bearbeitung wird nach Meinung der Mehrheit zu eher hohen Synergieverlusten führen, obwohl es in der Vergangenheit eine typische Sollbruchstelle beim Kreditprozess-Outsourcing darstellte.
Anteil Banken 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Vertrieb <-> Entscheidung
P=4,42 n=133
Vertrieb <-> Risikoüberw.
P=3,52 n=132
Vertrieb <-> Workout
P=2,74 n=130
Entscheidung <-> Bearbeitung
P=3,46 n=133
Bearbeitung <-> Risikoüberw.
P=3,05 n=133
Risikoüberw. Workout
P=2,94 n=131 5 - sehr hoch
4 - eher hoch
3 - mittel
2 - eher niedrig
1 - sehr niedrig
Abbildung 15: Höhe des Synergieverlustes, wenn einer der beiden Teilprozesse ausgelagert wird (S2) Hinsichtlich der teilprozessübergreifenden Nutzung von IT-Anwendungen ergab sich allerdings ein eher negatives Bild. Obwohl die überwiegende Mehrheit angab, dass der prozessübergreifende IT-Einsatz einen wichtigen Wettbewerbsfaktor darstellt, ist ein großer Teil der Potenziale noch nicht gehoben. In nur einem Viertel der teilnehmenden Banken wird ein einziges IT-System durchgängig im gesamten KMU-Kreditprozess genutzt (S1). Bei nur 16 17
Siehe Lacity u. a. (1996). Siehe Pfeiffer u. a. (1998).
198
Wolfgang König / Daniel Beimborn
28 Prozent ist keine manuelle Mehrfacherfassung der Daten notwendig. Die Häufigkeiten von Medienbrüchen zwischen den Teilprozessen (das heißt wiederholte manuelle Datenerfassung im nachfolgenden Arbeitsschritt) werden durch Abbildung 16 verdeutlicht.
n=115
70%
57,4%
60%
Anteil Banken
53,0%
53,0%
50% 40%
38,3% 36,5%
30% 21,7%
20% 10% 0% Vertrieb
Vorbereitung der Entsch.
Bew ertung u. Entscheid.
Bearbeitung
Servicing
Risikoüberw ach.
Workout
Abbildung 16: Häufigkeiten genannter Medienbrüche zwischen den Prozessschritten des KMU-Kreditprozesses (S1)18 Nach der Betrachtung des empirischen Standes wesentlicher Charakteristika des KMUKreditprozesses deutscher Banken wird im Folgenden auf den Stand und die Potenziale von Cooperative Sourcing eingegangen.
3.2
Stand und Potenzial des Cooperative Sourcing
Abbildung 17 zeigt den aktuellen Stand des Cooperative Sourcing auf Teilprozessebene. Die linken Balkenteile beschreiben, dass die antwortenden Institute als Insourcer für andere Institute auftreten, während rechts der Grad des Outsourcings der jeweiligen Teilprozesse dargestellt ist.
18
Siehe Wahrenburg u. a. (2005).
Sourcing-Trends im KMU-Kreditgeschäft der deutschen Banken
199
Anteil Banken
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Vertrieb/Antragsvorbereitung
n=125
Kreditentscheidung
n=125
Bearbeitung/Servicing
n=125
Risikoüberwachung
n=124
Workout
n=121
offer
partially offer
make
partially make & buy
buy
Abbildung 17: atsächliche Sourcing-Konfiguration für die einzelnen Teilprozesse (S1)19 Outsourcing und Insourcing sind unter den Top 500-Banken kaum verbreitet. Insgesamt haben 14,2 Prozent einzelne Aktivitäten des KMU-Kreditprozesses ausgelagert (10,4 Prozent der Sparkassen, 15,3 Prozent der Genossenschaftsbanken und 30,8 Prozent der Privatbanken), während 6,2 Prozent als Insourcer auftreten. Nur 4,7 Prozent haben wenigstens einen Teilprozess vollständig und 2,3 Prozent haben sogar mehr als einen ausgelagert. Von den Outsourcern war kein einziger Studienteilnehmer wirklich zufrieden mit der Outsourcing-Beziehung. Ein Drittel war wenigstens „eher zufrieden“, während ein Viertel die Beziehung als (eher) gescheitert bezeichnete (siehe Abbildung 18).
0,0%
12,5%
12,5%
29,2%
45,8%
1 2 3 4 5
-
erfolgreich eher erfolgreich indifferent eher gescheitert gescheitert
P = 2,55 n= 24
Abbildung 18: „Insgesamt bewerte ich unser Outsourcing als …“ (S1) 19
Siehe Wahrenburg u. a. (2005).
200
Wolfgang König / Daniel Beimborn
Trotzdem schätzten neun von zehn Antwortenden (S1), dass sich das BPO von Kreditprozessen in Deutschland erst in seiner Anfangsphase befindet. Dementsprechend ist die Zahl derjeni-gen Institute, die eine Outsourcing-Strategie zumindest evaluiert haben, auch nicht viel höher als die der tatsächlichen Outsourcer (27,5 Prozent). Wiederum zeigten sich die Privatbanken als die First Mover; hier hat schon fast die Hälfte Outsourcing-Optionen im KMUKreditprozess untersucht, während es im Genossenschaftssektor und im Sparkassensektor deutlich weniger sind. Um einen Überblick über mögliche zukünftige Dynamiken im KMU-KreditprozessOutsourcing zu bekommen, wurden die Teilnehmer gefragt, welche Sourcing-Konfiguration gegenüber der oben dargestellten derzeitigen Variante optimal wäre. Abbildung 19 zeigt deutliche Verschiebungen sowohl in Richtung Insourcing institutsfremder Prozessvolumina als auch Outsourcing.
Anteil Banken 0%
20%
40%
60%
80%
100%
Vertrieb/Antragsvorbereitung
n=125
Kreditentscheidung
n=125
Bearbeitung/Servicing
n=125
Risikoüberwachung
n=124
Workout
n=121
offer
partially offer
make
partially make & buy
buy
Abbildung 19: Optimale Sourcing-Strategie für die einzelnen Teilprozesse (S1)20 Bearbeitung/Servicing und Workout werden am stärksten durch zukünftige Reorganisationsmaßnahmen betroffen sein. Über 60 Prozent der Studienteilnehmer würden ihre aktuelle Sourcing-Konfiguration ändern und 19,1 Prozent bzw. 18,5 Prozent würden die Teilprozesse Bearbeitung/Servicing bzw. Workout aus heutiger Sicht komplett outsourcen. Weitere 14,6 Prozent bzw. 17,6 Prozent halten zumindest eine teilweise Auslagerung dieser Prozessschritte für optimal. Auf der anderen Seite würden 23,6 Prozent bzw. 14,8 Prozent die Ausführung dieser Teilprozesse anderen Banken anbieten. Nur fünf der teilnehmenden Banken gaben jedoch an, eine entsprechende Strategie auch innerhalb der folgenden drei Jahre umzusetzen. Im Anschluss an diese Einzelprozessanalyse wurde das Bild zu den resultierenden SourcingKonfigurationen für den Gesamtprozess zusammengesetzt (siehe Abbildung 20). Die Häufigkeiten der Nennungen sind rechts neben den Prozessdarstellungen angegeben. 20
Siehe Wahrenburg u. a. (2005).
Sourcing-Trends im KMU-Kreditgeschäft der deutschen Banken
201
Vertrieb / Antragsvorbereitung
Kreditentscheidung
Bearbeitung / Servicing
Risikomanagement / -überwachung
Workout
20,0%
Vertrieb / Antragsvorbereitung
Kreditentscheidung
Bearbeitung / Servicing
Risikomanagement / -überwachung
Workout
16,2%
Vertrieb / Antragsvorbereitung
Kreditentscheidung
Bearbeitung / Servicing
Risikomanagement / -überwachung
Workout
8,6%
Vertrieb / Antragsvorbereitung
Kreditentscheidung
Bearbeitung / Servicing
Risikomanagement / -überwachung
Workout
7,6%
Vertrieb / Antragsvorbereitung
Kreditentscheidung
Bearbeitung / Servicing
Risikomanagement / -überwachung
Workout
6,7%
Vertrieb / Antragsvorbereitung
Kreditentscheidung
Bearbeitung / Servicing
Risikomanagement / -überwachung
Workout
3,8%
Vertrieb / Antragsvorbereitung
Kreditentscheidung
Bearbeitung / Servicing
Risikomanagement / -überwachung
Workout
3,8%
Vertrieb / Antragsvorbereitung
Kreditentscheidung
Bearbeitung / Servicing
Risikomanagement / -überwachung
Workout
2,9%
Vertrieb / Antragsvorbereitung
Kreditentscheidung
Bearbeitung / Servicing
Risikomanagement / -überwachung
Workout
2,9%
Vertrieb / Antragsvorbereitung
Kreditentscheidung
Bearbeitung / Servicing
Risikomanagement / -überwachung
Workout
2,9%
Make & Offer
Make
Buy
Abbildung 20: Optimale Sourcing-Konfiguration (S1, n=105)21
21
Siehe Wahrenburg (2005). Die Abbildung stellt die Ergebnisse von 76 Prozent der Teilnehmer dar, die übrigen entwickelten individuelle, teilweise recht „exotische“ Varianten.
202
Wolfgang König / Daniel Beimborn
Die Abbildung zeigt eindrucksvoll das in der Bankenindustrie Einzug haltende Industrialisierungsverständnis. Nur ein Fünftel glaubt, dass das bisherige vollintegrierte Modell für das KMU-Kreditgeschäft optimal ist. Andere favorisierte Konfigurationen sind das gleichzeitige Outsourcing der Teilprozesse Bearbeitung/Servicing und Workout sowie auch das gegenteilige Offerieren dieser Aktivitäten, sodass sich entsprechende Potenziale für Cooperative Sourcing ergeben – genauso wie für andere Konstellationen. Nur sehr wenige Kreditprozessverantwortliche glauben jedoch, dass das Outsourcing oder auch das Insourcing des gesamten Backoffice (von der Bearbeitung bis zum Workout) optimal ist. Die Folgestudie S2 in 2005 stellte explizite Fragen zu Cooperative Sourcing. Die Teilnehmer wurden zunächst generell befragt, ob das Outsourcing von KMU-Kreditprozessteilen zu anderen Banken oder die Gründung einer gemeinsamen Kreditfabrik vorstellbar sei (siehe Abbildung 21).
1,5%
5,9%
8,8%
2,2%
19,9%
1 - trifft voll zu 2 - trifft eher zu
47,1%
33,1%
3 - indifferent
19,1%
4 - trifft eher nicht zu
36,8%
5 - trifft nicht zu
25,7%
P = 4,22
P = 3,68
n= 136
n= 136
Abbildung 21: Beurteilung der Aussagen: „Konsolidierung von Teilen des KMUKreditprozesses bei einer anderen Bank (links) oder in einer gemeinsamen Kreditfabrik (rechts) ist vorstellbar.“ (S2) Vor allem das Outsourcing zu anderen Banken traf auf große Ablehnung, auch wenn dies beispielsweise im US-Markt im Kreditbereich gängig ist. Ursachen dafür können strategische Risiken sein, aber auch vermutete geringere Einsparungen (beispielsweise unterliegen die Personalkosten dann weiterhin dem Banktarif). Auch wenn die Ergebnisse recht deutlich zu sein scheinen, zeigt die Fragestellung nach dem Outsourcing zu anderen Banken auf Teilprozessebene doch einige Potenziale (siehe Abbildung 22). Für die Backoffice-Prozesse (Bearbeitung/Servicing, Risikoüberwachung, Workout) ändert sich das Bild deutlich.
Sourcing-Trends im KMU-Kreditgeschäft der deutschen Banken
203
Anteil Banken 0%
20%
40%
60%
80%
100%
Vertrieb/Antragsvorbereitung
P=4,81 n=133
Kreditentscheidung
P=4,70 n=132
Bearbeitung/Servicing
P=3,10 n=135
Risikoüberwachung
P=3,81 n=133
Workout
P=2,80 n=128
1 - trifft voll zu
2 - trifft eher zu
3 - indifferent
4 - trifft eher nicht zu
5 - trifft nicht zu
Abbildung 22: Beurteilung der Aussage: „Ich könnte mir vorstellen, den Teilprozess zu einer anderen Bank auszulagern.“ (S2) Komplementär hierzu bestätigten die meisten Banken, dass eben genau das Outsourcing der vorderen Prozessteile zu anderen Banken zu große strategische Risiken enthält, als dass dies möglich wäre (siehe Abbildung 23).
Anteil Banken 0%
20%
40%
60%
80%
100%
Vertrieb/Antragsvorbereitung
P=1,33 n=136
Kreditentscheidung
P=1,43 n=136
Bearbeitung/Servicing
P=2,99 n=132
Risikoüberwachung
P=2,23 n=134
Workout
P=3,18 n=129
1 - trifft voll zu
2 - trifft eher zu
3 - indifferent
4 - trifft eher nicht zu
5 - trifft nicht zu
Abbildung 23: Beurteilung der Aussage: „Outsourcing von … zu einer anderen Bank beinhaltet zu große strategische Risiken.“ (S2) Der wesentliche Faktor für die aus Cooperative Sourcing resultierenden strategischen Risiken liegt weniger in dem möglichen Kundendatenmissbrauch, da Banken hier seit jeher sensibel sind und ein solcher Vertrauensschaden in der Branche die Reputation der entsprechenden Bank unwiderruflich zerstören würde, sondern eher darin, dass größere Banken kleinere Partner in ein Abhängigkeitsverhältnis zwingen könnten. Die folgende Abbildung zeigt, dass diese Befürchtung der strategischen Abhängigkeit das größte Outsourcing-Risiko aus Sicht der Studienteilnehmer darstellt, verbunden mit der Sorge, die Kontrolle über die outgesourcten Prozesse zu verlieren – auch dadurch, dass keine hinreichenden Service Level Agreements vereinbar sind (siehe Abbildung 24). Ein Drittel der Befragten geht davon aus, dass die
204
Wolfgang König / Daniel Beimborn
Investitionen, die zur Koordination der Beziehung und zur Kontrolle des Dienstleisters getätigt werden müssen, die möglichen Prozesskosteneinsparungen übertreffen und damit ein Kreditprozess-Outsourcing aus monetärer Sicht unrentabel machen (keine Abbildung).
Anteil Banken 0%
20%
40%
60%
80%
100%
Wirtschaftliche Abhängigkeit
P=2,31 n=129
Kontrollverlust
P=2,36 n=129
Unzureichende SLAFormulierungsmöglichkeit
P=2,90 n=127
Opportunistisches Verhalten
P=3,00 n=129
Unbefugter Datenzugriff und Datenverlust
P=3,26 n=129
1 - sehr hoch
2 - hoch
3 - mittel
4 - gering
5 - sehr gering
Abbildung 24: Wie hoch schätzen Sie die unterschiedlichen aus Outsourcing resultierenden Risiken ein? (S1)22 Den Risiken gegenüber stehen die aus Cooperative Sourcing resultierenden Vorteile. Wie Abbildung 25 zeigt, liegt der Schwerpunkt für das Outsourcing von Kreditprozessteilen auf Kostenreduktion und -variabilisierung, direkt gefolgt von der Fokussierung auf Kernkompetenzen. Wie auch schon andere Studien zeigten,23 spielt dagegen das Argument des Zugriffs auf superiore Ressourcen und Fähigkeiten beim Outsourcing von Primärprozessteilen eine weniger wichtige Rolle, weil die Manager der Überzeugung sind, dass ihre Bank grundsätzlich selbst über die notwendigen Ressourcen verfügt, um banktypische Primärprozesse durchzuführen. Trotzdem zeigen die großen Prozessleistungsdifferenzen im vorangegangenen Abschnitt, dass diese Annahme im Detail deutlich von der Realität abweichen kann.
22 23
Siehe Wahrenburg u. a. (2005). Zum Beispiel Gewald/Yetton (2006).
Sourcing-Trends im KMU-Kreditgeschäft der deutschen Banken
205
Anteil der Unternehmen 0%
20%
40%
60%
80%
100%
Kostenvariabilisierung
P=1,95 n=128
Kostenreduktion
P=1,96 n=128
Kernkompetenzfokus
P=1,98 n=126
Zugriff auf spezialisierte Ressourcen
P=2,33 n=127
1 - trifft voll zu
2 - trifft eher zu
3 - indifferent
4 - trifft eher nicht zu
5 - trifft nicht zu
Abbildung 25: Beurteilung der Aussage: “…stellt einen wichtigen Vorteil von Kreditprozess-Outsourcing dar.” (S1) Bezüglich des Kostenargumentes glauben weiterhin 70 Prozent der Befragten, dass ein Dienstleister substanzielle Economies of Scale sowohl durch Personal- als auch durch ITKosteneinsparungen realisieren kann (S2, keine Abbildung). Durch die Bündelung von Prozessvolumina in der Kreditfabrik rechtfertigen sich beispielsweise größere IT-Investitionen in prozessorientierte Applikationen, wie Workflow-Management-Systeme, die den Sacharbeitern administrative und dispositive Tätigkeiten abnehmen und dadurch zu Personalreduktionen führen können. Nur etwa jeder zehnte Studienteilnehmer glaubt, dass Skaleneffekte schon in eigenen Unternehmen hinreichend ausgeschöpft werden können. Verständlicherweise korrelierte diese Ansicht mit der Unternehmensgröße. Generell verlangten die Studienteilnehmer durchschnittlich 30 Prozent operative Kosteneinsparungen, damit Outsourcing eine für sie attraktive Option würde (siehe Abbildung 26).
45
n=100
A nza hl B a nk e n
40
P=30,8% V=12,7%-Punkte
35 30 25 20 15 10 5 0 0-10%
11-20%
21-30%
31-40%
41-50%
51-60%
61-70%
71-80%
Abbildung 26: Wie hoch müssten die Einsparungen der operationalen Kostenbasis mindestens ausfallen, damit Outsourcing für Sie eine attraktive Option wird? (S1)24 24
Siehe Wahrenburg u. a. (2005).
206
Wolfgang König / Daniel Beimborn
Nach der Betrachtung der Sourcing-Potenziale einerseits und den Prozesscharakteristika andererseits lässt sich nun mit Korrelationsanalysen indikativ die Frage nach den Zusammenhängen beantworten. Generell lassen sich die Zusammenhänge nach dem Kreditvergabeprozess (Vertrieb, Vorbereitung/Entscheidung) und dem Administrationsprozess (Bearbeitung/Servicing, Risikoüberwachung, Workout) unterscheiden. So wirkt der zeitliche Aspekt der Prozessleistung (höhere Durchlaufzeiten) treibend auf das wahrgenommene BPO-Potenzial des Vergabeprozesses, während der Kostenaspekt (hohe Prozesskosten im Backoffice) und die generelle Prozesszufriedenheit eher das Outsourcing der administrativen Prozessteile beeinflussen. Gerade bei hohen Kosten in der Risikoüberwachung sind die Manager bereit, diesen Teilprozess auszulagern – sogar an andere Banken, von denen sie sich eine entsprechende Kompetenz erwarten. Das Outsourcing der Teilprozesse Bearbeitung/Servicing und Workout wird dagegen insbesondere von solchen Banken präferiert, die einen höheren IT-Nutzungsgrad in diesen Teilprozessen anstreben. Hier hängt das wahrgenommene Kostensenkungs- und -variabilisierungspotenzial aus Cooperative Sourcing – wie schon oben argumentiert – damit zusammen, inwieweit die Manager eine Prozessstandardisierung für möglich halten. Die Komplexität der Teilprozesse weist interessanterweise keinen Zusammenhang mit den wahrgenommenen Outsourcing-Potenzialen auf und besitzt somit keine Erklärkraft für das KMU-Kreditprozess-Outsourcing. Lediglich die Höhe der wahrgenommenen Prozessvariabilität korreliert positiv mit der Intention, die Risikoüberwachung auszulagern, obwohl natürlich eine solche Variabilität eine rein automatisierte Überwachung eher verhindert und ein Outsourcing dann auch eher höhere Risiken impliziert. Trotzdem scheinen sich die Teilnehmer hier von einer Auslagerung Hilfe zu versprechen. Generell lässt sich feststellen, dass die Kernkompetenzeinschätzung, das Standardisierungspotenzial und das Outsourcing-Potenzial der einzelnen Teilprozesse miteinander zusammenhängen – und zwar auch kreuzweise zwischen den einzelnen Teilprozessen innerhalb des Vergabe- oder innerhalb des Administrationsprozesses, d.h. die Sicht, dass beispielsweise die Risikoüberwachung eine Kernkompetenz der eigenen Bank ist, führt tendenziell auch dazu, dass für die Teilprozesse Bearbeitung/Servicing und Workout geringe Standardisierungspotenziale und Cooperative-Sourcing-Potenziale gesehen werden. In den am Markt aktiven Kreditfabriken werden häufig laut Expertenschätzungen nur 40 bis 60 Prozent der Mandantenprozesse vereinheitlicht, was dazu führt, dass die Kosteneinsparpotenziale aus Sicht möglicher neuer Mandanten häufig zu gering sind. In der ersten Studie gaben 24 Banken an, wie erfolgreich ihr Kreditprozess-Outsourcing verlaufen sei. Interessanterweise war dieser Erfolg umso höher, je weniger die Banken die Kreditbearbeitung und das Servicing als ihre eigene Kernkompetenz ansahen. Aus den übrigen weiter oben beschriebenen Zusammenhängen lässt sich argumentieren, dass in diesen Fällen eine Prozessstandardisierung aufseiten des Insourcer und damit eine kosteneffiziente Dienstbereitstellung eher möglich war. Die Kernkompetenzeinschätzung beeinflusst also nicht nur das Outsourcing-Potenzial, sondern hängt auch mit dem anschließend eintretenden Outsourcing-Erfolg zusammen.
Sourcing-Trends im KMU-Kreditgeschäft der deutschen Banken
207
Der Outsourcing-Erfolg hing weiterhin mit dem Risiko zusammen, keine hinreichenden SLAs formulieren zu können. Letztere stellen sich somit als in der Ex-Post-Betrachtung aus Sicht der Outsourcing-erfahrenen Unternehmen wichtigstes Problem heraus. Den gewichtigsten Hinderungsgrund für BPO stellen die Diseconomies of Scope dar. Die Outsourcing-Potenziale insgesamt und für die einzelnen Teilprozesse hängen stark davon ab, wie modular letztere in der jeweiligen Bank implementiert sind. Insbesondere in den drei Backoffice-Prozessen geht eine höhere Interdependenz mit geringen Outsourcing-Potenzialen und hohen antizipierten Outsourcing-Risiken einher. Auch andere wissenschaftliche Untersuchungen betonen die funktionsorientierten Synergieeffekte und die häufig vernachlässigten Risiken, die aus dem sogenannten „systemischen Charakter“ der einzelnen Teilprozesse resultieren. Der Teilprozess Kreditentscheidung weist die geringste Modularität auf, da dieser Teilprozess die Schlüsselfunktion im gesamten Prozess darstellt und sowohl eng mit dem Vertrieb als auch mit den Teilprozessen Bearbeitung/Servicing und Risikoüberwachung in Verbindung steht.
4.
Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die Cooperative-Sourcing-Potenziale im deutschen KMU-Kreditgeschäft sowie die zugrunde liegenden Charakteristika des Geschäftsprozesses. Insgesamt zeigen die Studien unter den größten 500 bzw. 1020 deutschen Kreditinstituten, dass ein Trend zum Outsourcing von KMU-Kreditprozessteilen kaum zu erkennen ist. Derzeit erwarten die Verantwortlichen in den Banken (noch) nicht, dass eine Auslagerung zu den erforderlichen Nettoeinsparungen führen wird. Dies stellt zumindest einen partiellen Erklärbeitrag für die geringen Cooperative-Sourcing-Aktivitäten in diesem Bereich dar. Nichtsdestotrotz werden die Potenziale für den Fall, dass Kreditfabriken modulare und standardisierte sowie automatisierte Dienste etablieren können, die durch eine Vielzahl von Banken akzeptiert werden, als hoch eingeschätzt. Auf der Outsourcer-Seite erfordert dies zwei grundsätzliche Dinge: Die Banken müssen entweder ihre Aktivitäten stärker modularisieren, um Aufgabeninterdependenzen aufzudecken und effizient zu reduzieren, oder sie müssen generell bereit sein, größere Teilbereiche, wie beispielsweise das gesamte Backoffice, auszulagern. In den BPO-Märkten lässt sich derzeit ein entsprechender Trend zum sogenannten „MultiProcess BPO“ feststellen.25
25
Siehe TPI. (2007).
208
Wolfgang König / Daniel Beimborn
Cooperative Sourcing erfordert Prozessstandardisierung, damit der Dienstleister die Aktivitäten mehrerer Mandanten bündeln und Skaleneffekte realisieren kann.26 Fehlende Standardisierung führt dagegen zu problematischen Kostenineffizienzen. Um insbesondere das Standardisierungsproblem zu überwinden, müssen die outsourcenden Banken einen stärkeren Fokus auf den „kooperativen“ Aspekt von Cooperative Sourcing legen, statt die Kreditfabrik dazu zu zwingen, den Prozess in unveränderter Form zu übernehmen. Eine explizite Einigung mehrerer Institute auf einen gemeinsamen Abwicklungsprozess, der dann beispielsweise in einer gemeinsamen Tochterunternehmung implementiert wird, wird derzeit in der Praxis immer häufiger beschritten (zum Beispiel im Sparkassensektor) und die Zukunft wird zeigen, ob dies zu der aus Effizienzsicht hinreichenden Konsolidierung der Kreditabwicklung führen wird.
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26
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Sourcing-Trends im KMU-Kreditgeschäft der deutschen Banken
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Schnitte in unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen
Modellierung und Bewertung von Schnitten in unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen Matthias Hilgert / Jürgen Moormann
1. Einleitung 2. Verschiebung der Unternehmensgrenzen 3. Theoretischer Hintergrund 3.1 Idee der Transaktionskostentheorie 3.2 Bestimmung von Transaktionskosten 4. Modellierung von Unternehmensgrenzen 4.1 Prinzip der Modularität 4.2 Modularisierung von unternehmensübergreifenden Prozessen 4.3 Schnittstellen von Prozessmodulen 5. Ansatz zur Bewertung von Prozessschnitten 5.1 Definition von Schnittstellenkosten 5.2 Bewertungsmodell 6. Ausblick Literaturverzeichnis
211
212
1.
Matthias Hilgert / Jürgen Moormann
Einleitung
Der Ertrags- und Kostendruck im Bankgeschäft führt dazu, dass das in Deutschland dominierende Universalbankprinzip zunehmend in Frage gestellt wird. Neue Finanzdienstleister, die Teile der Wertschöpfungskette klassischer Banken übernehmen, treten am Markt auf. Sie bieten den bestehenden Instituten zum einen neue und oft günstigere Möglichkeiten wie beispielsweise die Abwicklung von Backoffice-Tätigkeiten an; zum anderen ermöglichen sie branchenfremden, neuen oder ausländischen Wettbewerbern den Einstieg in den deutschen Bankenmarkt. Die traditionelle bankbetriebliche Wertschöpfungskette bricht damit auf und die einzelnen Wertschöpfungsstufen werden in einer Art Netzwerk auf verschiedene Institutionen verteilt. Die aktive Gestaltung der unternehmensübergreifenden Arbeitsteilung zur Optimierung der Wertschöpfung wird deshalb als strategischer Erfolgsfaktor gesehen, um im Wettbewerb bestehen zu können.1 Damit wird jede Bank gezwungen, sich klar in der Wertkette zu positionieren beispielsweise als Vertriebs-, Produktions- und/oder Portfoliobank.2 Durch das Aufbrechen der Wertschöpfungskette und die Notwendigkeit sich in der Wertkette neu zu positionieren, verschieben sich die Unternehmensgrenzen der Banken. Hieraus ergeben sich sowohl aus theoretischer als auch praktischer Sicht neue Herausforderungen. So ist unklar, wo genau im Prozess die Grenze zwischen „make“ und „buy“ gezogen bzw. wie die prozessual optimale Fertigungstiefe bestimmt werden soll.3 Dabei gelten gerade klar definierte prozessuale und organisatorische Schnittstellen sowie eine ausgeprägte Kosten- und Leistungstransparenz als entscheidende Kriterien für die Beurteilung von Outsourcing-Optionen.4 Um solche Entscheidungsproblematiken zu lösen, wird in der Literatur empfohlen eine prozessorientierte Betrachtung durchzuführen und sich auf ausgewählte Geschäftsprozesse zu beschränken.ȱ5 Während es für die Geschäftsprozesse Zahlungsverkehr und Wertpapierabwicklung bereits spezialisierte und etablierte Outsourcing-Anbieter gibt, die große Volumina abwickeln, befindet sich der Markt für die Verlagerung von Kreditprozessen auf externe Anbieter noch in der Entstehungsphase.ȱ6 Rund 99 Prozent der Kreditinstitute in Deutschland bearbeiten ihre Kredite vollständig im eigenen Haus.7 Die mit Abstand größte Transaktionsmenge entfällt dabei auf das Baufinanzierungsgeschäft mit privaten Kunden. Obwohl es sich bei der privaten Baufinanzierung um einen vergleichsweise leicht standardisierbaren Prozess handelt, liegt die
1 2 3 4 5 6 7
Siehe Pfingsten/Döge/Wissing (2006), S. 385; Spath/Engstler/Praeg/Vocke (2007), S. 33. Siehe Flesch (2005), S. 604 ff.; Moormann/Hillesheimer/Metzler/Zahn (2006), S. 268 ff. Siehe Friedrich/Hackethal/Gellrich/Wahrenburg (2004), S. 12. Siehe Engstler/Makram/Vocke (2005), S. 32; Friedrich/Hackethal/Gellrich/Wahrenburg (2004), S. 25; Lamberti (2004), S. 370 ff. Siehe Alt/Zerndt (2005), S. 70; Hollekamp (2005), S. 236. Siehe Hölscher (2006), S. 119. Siehe Pieske (2005), S. 2.
Schnitte in unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen
213
Quote der Eigenfertigung noch bei ca. 95 Prozent.8 Daher ist dieser Bereich besonders interessant und dient in diesem Beitrag als Anwendungsbeispiel. Die Problematik der Verortung von Unternehmensgrenzen beim Outsourcing stellt jedoch ein generelles Problem dar. Ziel des Beitrags ist es, einen Ansatz vorzustellen, wie Banken verschiedene Schnittmöglichkeiten in einem unternehmensübergreifenden Geschäftsprozess im Rahmen ihrer Outsourcing-Entscheidung bewerten können. Zu Beginn des Beitrags werden die Verschiebung der Unternehmensgrenzen und die dadurch entstehende Problematik näher erläutert (siehe Abschnitt 2). Anschließend wird die Transaktionskostentheorie zur theoretischen Fundierung des Lösungvorschlags herangezogen, wobei insbesondere auf die Höhe der Transaktionskosten eingegangen wird (siehe Abschnitt 3). Als weitere Grundlage des Bewertungsansatzes wird im vierten Abschnitt das Prinzip der Modularität erläutert und auf interorganisationale Geschäftsprozesse angewendet. Der fünfte Abschnitt zeigt einen Bewertungsansatz, der die neue Kostenart „Schnittstellenkosten“ enthält. Der Beitrag schließt mit einem Ausblick.
2.
Verschiebung der Unternehmensgrenzen
Das Thema Outsourcing ist von strategischer Bedeutung, da die auf diese Weise verfolgten Ziele heute weit über die bloße Reduktion der Kosten hinausgehen.9 Die Frage, „ob“ und „wie“ ausgelagert werden soll, wird in der Literatur daher meist aus der strategischen Perspektive beleuchtet. So steht dem Management eine Vielzahl von Bewertungs- und Entscheidungsmodellen zur Verfügung, mit denen beispielsweise bestimmt werden soll, welche Prozesse des Unternehmens auszulagern sind.10 Dass die Outsourcing-Entscheidung eine wichtige strategische Aufgabe ist, soll hier nicht bestritten werden. Es ist aber zu kritisieren, dass den der Entscheidung folgenden Konsequenzen für die Prozessorganisation im Vorfeld zu wenig Beachtung geschenkt werden. Denn durch die Auslagerung von Geschäftsprozessen entstehen Entscheidungsproblematiken auf Prozessebene, die vom Management im Vorfeld bewertet und in den strategischen Entscheidungsfindungsprozess mit einbezogen werden sollten.
8
Siehe Stodiek/Donkers (2004), S. 565. Siehe Hollekamp (2005), S. 3. 10 Beispielsweise Entscheidungsmodell für Kreditsourcing (Holzhäuser/Lammers/Schwarze (2005); Entscheidungsmodell für Sourcing in Banken (Lammers/Loehndorf/Weitzel (2004); Entscheidungsmodell für Sourcing von Finanzprozessen (König et al., 2005a); Entscheidungsmodell zur Auswahl der auslagerbaren Prozesse und zur Beurteilung der eigenen Fähigkeiten (Gewald/Lammers (2006); Gottfredson/Puryear/Phillips (2005). 9
214
Matthias Hilgert / Jürgen Moormann
Die Geschäftsprozesse eines Unternehmens sind meist über einen langen Zeitraum entstanden. Durch neue Produkte, Reorganisationen, Technologien, Fusionen usw. wurden Prozesse ergänzt, verbessert und entfernt. Dadurch sind Geschäftsprozesse entstanden, die durch eine hohe Schnittstellenkomplexität und eine Vielzahl von Interdependenzen zwischen den Teilprozessen gekennzeichnet sind. Die Komplexität und Interdependenzen stellen latente Probleme dar, die im alltäglichen Geschäftsbetrieb meist nicht auffallen, solange die Prozesse als ausreichend gut funktionierend wahrgenommen werden. Mitarbeiter kennen die Probleme meist seit vielen Jahren, leben aber damit bzw. entwickeln „Workarounds“, um im betrieblichen Alltag mit dem Prozess klarzukommen. Bricht man diese gewachsenen Strukturen durch das Outsourcing von Geschäftsprozessen auf, treten die bislang verdeckten bzw. unbeachteten Probleme zu Tage und sorgen für Kosten, die vom Management in der OutsourcingEntscheidung nicht berücksichtigt worden sind.11 Diese Problematik wird dadurch verschärft, dass sich das Management beim Treffen der Outsourcing-Entscheidung zu sehr an der bisherigen internen Arbeitsteilung innerhalb der Aufbauorganisation orientiert. Die interne Arbeitsteilung determiniert im Falle einer Auslagerung meist auch die prozessuale Verortung des Schnitts zum externen Dienstleister (Insourcer) unabhängig davon, ob dieser Schnitt kostenoptimal gesetzt ist. Bewertet wird also nicht, ob eine kostenoptimale Verteilung der Aktivitäten eines Prozesses zwischen verschiedenen Organisationen sich anders darstellen sollte als die Verteilung der Aktivitäten im gleichen Unternehmen zwischen verschiedenen Funktionsbereichen. Ohne diese Bewertung folgt man der ursprünglichen internen Aufteilung und verhält sich gewissermaßen „pfadabhängig“.12 Da sich im Kreditgeschäft primär das Backoffice zur Auslagerung eignet,13 soll die oben skizzierte Problematik anhand eines entsprechenden Beispiels verdeutlicht werden: Entscheidet sich das Bankmanagement dazu, die gesamte Marktfolge auszulagern, so scheint dieser Vorgang aus aufbauorganisatorischer Sicht unproblematisch. Die Organisationseinheit „Marktfolge“ wird aus der Bank herausgelöst und auf einen Dienstleister „Kreditfabrik“ übertragen. Betrachtet man den Sachverhalt aus prozessualer Sicht, wird deutlich, dass aus zuvor internen Schnittstellen zwischen Funktionen durch die Auslagerung nun Schnittstellen zwischen zwei Unternehmen werden (Abbildung 1). Der Geschäftsprozess wird nicht mehr von verschiedenen Funktionen innerhalb eines Unternehmens bearbeitet, sondern von zwei unterschiedlichen Unternehmen. Die Unternehmensgrenzen haben sich damit verschoben. Waren die hohe Schnittstellenkomplexität und die Vielzahl von Interdependenzen zwischen den Teilprozessen innerhalb der Bank noch relativ einfach zu bewältigen, so sorgen Koordination, Abstimmung und Steuerung zwischen den beiden Unternehmen für zusätzlichen Zeitaufwand und Fehlerquellen und damit für zusätzliche Kosten.
11
Siehe Dittrich/Braun (2004), S. 90. Zur Pfadabhängigkeit in Organisationen siehe Schaecke (2006). 13 Siehe König et al.( 2005b), S. 95; Lehmann/Druba/Krawietz (2003), S. 486. 12
Schnitte in unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen
Teilprozesse
Markt
215
Marktfolge/ Kreditfabrik
Akquisition … Bonitätsprüfung … Sicherheitenbewertung … Vertragserstellung … Kontrolle … Auszahlung … Archivierung = Subprozess
Abbildung 1:
= Schnittstelle/Unternehmensgrenze
Verschiebung der Unternehmensgrenzen aus prozessualer Sicht
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die neue Unternehmensgrenze, die den Schnitten im Geschäftsprozess und damit den Übergabestellen vom Outsourcer zum Insourcer entspricht, nicht bewusst gewählt wird. Die Vorteilhaftigkeit verschiedener OutsourcingOptionen lässt sich damit nicht fundiert beurteilen. Dies führt zur suboptimalen Verortung von Schnitten in unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen zwischen Outsourcer und Insourcer. Das Beispiel macht deutlich, dass Outsourcing mehr als nur die Entscheidung zwischen „Ja“ und „Nein“ ist. Es ist eine Entscheidung zwischen vielen Alternativen und die bewusste Bestimmung der Unternehmensgrenzen ist dabei eine der wichtigsten Aufgaben.14
14
Siehe Arnold (2000), S. 29.
216
3.
Matthias Hilgert / Jürgen Moormann
Theoretischer Hintergrund
Werden Geschäftsprozesse an Wertschöpfungspartner ausgelagert, lösen sich die klassischen Unternehmensgrenzen auf bzw. verschieben sich. Nach Kieser und Walgenbach15 eignet sich insbesondere die Transaktionskostentheorie dazu, die Veränderung von Unternehmensgrenzen systematisch zu betrachten und zu erklären. Darüber hinaus lassen sich „… für Fragen der internen Organisationsgestaltung oder der räumlich dezentralen, betriebsübergreifenden Aufgabenabwicklung …“ aus den Erkenntnissen der Transaktionskostentheorie nützliche Gestaltungsempfehlungen ableiten.16
3.1
Idee der Transaktionskostentheorie
Die von Coase (1937) begründete und von Williamson (1981) weiterentwickelte Transaktionskostentheorie befasst sich mit der effizienten Organisation wirtschaftlicher Leistungsbeziehungen in bestimmten institutionellen Arrangements.17 Sie liefert damit einen Erklärungsansatz für die Entscheidung zwischen Selbsterstellung und Fremdbezug. Hierzu werden jene Kosten betrachtet, „… die entstehen, wenn ein Gut oder eine Leistung über eine technisch trennbare Schnittstelle hinweg übertragen wird“.18 Diese, bei der Übertragung anfallenden Kosten werden als Transaktionskosten bezeichnet. Institutionelle Arrangements unterscheidet man nach den Ausprägungen Markt, Hybrid und Hierarchie. Markt, auch marktliche Koordinationsform genannt, ist neben Hierarchie eine der beiden extremen Ausprägungen der institutionellen Arrangements. Hier werden alle Leistungen über den Markt erbracht. Dies entspricht dem klassischen Fremdbezug und ist beispielsweise bei einem spontanen Einkauf von Leistungen am Markt gegeben. Hierarchie, auch als hierarchische Koordinationsform bezeichnet, bedeutet, dass die Leistungserstellung bzw. der Leistungsaustausch innerhalb einer Organisation stattfindet (Selbsterstellung). Zwischen den Extremen Markt und Hierarchie gibt es eine Vielzahl von Zwischenformen, die unter dem Begriff Hybrid zusammengefasst werden. Beispiele hierfür sind Franchising, Joint Ventures, Entwicklungskooperationen, Langzeitvereinbarungen oder auch Jahresverträge mit festen Liefermengen und -zeiten. Bei jedem dieser Arrangements fallen Transaktionskosten an).19 15
Siehe Kieser/Walgenbach (2003), S. 56. Siehe Picot/Reichwald/Wigand (2003), S. 55. 17 Siehe Kieser/Walgenbach (2003), S. 52. 18 Siehe Bea/Göbel (2002), S. 152. 19 Siehe Ebers/Gotsch (2006), S. 286 f.; Picot/Reichwald/Wigand (2003), S. 52 f.; Williamson (1985), S. 83. 16
Schnitte in unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen
217
Coase führt als Definition von Transaktionskosten an: „…there is a cost of using the price mechanism… The costs of negotiating and concluding a separate contract for each exchange transaction which takes place on a market must also be taken into account”.20 Williamson21 expliziert dies, indem er Transaktionskosten unterscheidet in Kosten, die vor Vertragsabschluss (ex ante) entstehen, und solche Kosten, die erst nach Vertragsabschluss (ex post) im Zuge des Leistungsaustauschs anfallen. Nach Ebers und Gotsch22 lassen sich Transaktionskosten nach folgenden Kostenkategorien differenzieren: Informations- und Suchkosten (ex ante) entstehen in Zusammenhang mit der Beschaffung von Produkt- und Preisinformationen sowie der Ermittlung geeigneter Transaktionspartner. Verhandlungs- und Vertragskosten (ex ante) ergeben sich aus dem Aufwand für die Interessenabstimmung und die (rechtskompetente) Festschreibung der Vertragkonditionen. Überwachungskosten (ex post) fallen für Maßnahmen an, mit denen die Einhaltung der Vertragsvereinbarungen (zum Beispiel in Bezug auf Lieferfristen, Produktqualität oder mengen) kontrolliert wird. Konflikt- und Durchsetzungskosten (ex post) resultieren aus den Konflikten über Interpretation und Erfüllung der Vereinbarungen sowie aus dem Aufwand für die Vertragsdurchsetzung mit Hilfe von Sanktionen, Schlichtungsverfahren oder Gerichten. Anpassungskosten (ex post) ergeben sich aus nachträglichen Vertragsänderungen, die aufgrund unvorhergesehener Umstände notwendig werden und die Vertragskonditionen an neuen Bedingungen anpassen. Dibbern, Güttler und Heinzl23 ergänzen eine weitere Kostenkategorie: Koordinations- bzw. Organisationskosten (ex post). Dies sind zum Beispiel Kosten der Leitung, der Informationsverarbeitung und der Kommunikation. Überträgt man den Gedanken der Transaktionskostentheorie auf das Outsourcing, so müssen neben eigenen Produktionskosten im Vergleich zu den Marktpreisen für den externen Bezug einer Leistung auch diejenigen Transaktionskosten berücksichtigt werden, die durch die externe Leistungserbringung entstehen. Mittels der Transaktionskostenanalyse kann so diejenige Organisationsform bestimmt werden, die bei gegebenen Produktionskosten und Eigenschaften der Transaktion (siehe Abschnitt 3.2) die Transaktionskosten minimiert.24 In traditionellen Entscheidungsmodellen zu Eigenerstellung und Fremdbezug werden Transaktionskosten meist vernachlässigt25 und vom Management im Rahmen von OutsourcingEntscheidungen in ihrer Höhe oft unterschätzt.26
20 21 22 23 24 25 26
Siehe Coase (1937), S. 390 f. Siehe Williamson (1985), S. 20 ff. Siehe Ebers/Gotsch (2006), S. 278. Siehe Dibbern/Güttler/Heinzl (2001), S. 682. Siehe Picot/Reichwald/Wigand (2003), S. 49. Siehe Knolmayer (1994), S. 323. Siehe Schwarze/Müller (2005), S. 11.
218
3.2
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Bestimmung von Transaktionskosten
Nach Williamson27 wird die Höhe der Transaktionskosten durch die drei Eigenschaften Spezifität, Unsicherheit und Häufigkeit einer Transaktion bestimmt. Spezifität (asset specificity): Spezifität bezieht sich auf die Flexibilität einer transaktionsspezifischen Investition. Je höher die Spezifität einer Investition ist, desto höher ist der Nutzenverlust bei einer anderen als der ursprünglich angestrebten Verwendung. Dies kann sich beispielsweise auf Investitionen wie die Entwicklung von Individualsoftware beziehen. Sobald diese für ein Unternehmen und eine bestimmte Anwendung konfiguriert ist, erweist sich eine alternative Verwendung als äußerst kostenintensiv, da sich diese Software nur unter hohem Aufwand für andere Zwecke anpassen lässt. Bei hoher Spezifität stellt sich insbesondere das Problem des „Lock-in“. Damit werden Abhängigkeitsbeziehungen beschrieben, die entstehen können, wenn Partner im Zuge ihrer Kooperation die Schnittstellen, Prozesse oder Organisationsstrukturen aufeinander abstimmen. Diese Investitionen können die Produktionskosten senken, aber aufgrund der spezifischen Anpassungen kann ein Wechsel der Transaktionspartner nur mit großem Aufwand erfolgen. Unsicherheit (uncertainty): Die Transaktionskostentheorie versteht Unsicherheit im Sinne einer unvorhersehbaren Dynamik der Umweltbedingungen. Je höher die Unsicherheit, desto häufiger können sich vertragsrelevante Faktoren wie Liefertermine, Preise, Mengen oder sonstige Konditionen ändern. Unsicherheit muss bei standardisierten Transaktionen kein Problem darstellen, da Transaktionspartner leicht austauschbar sind. In Wechselwirkung mit hoher Spezifität kann Unsicherheit allerdings ein wichtiger, transaktionskostenerhöhender Faktor sein.28 Häufigkeit (frequency): Je häufiger Standardtransaktionen zwischen Transaktionspartnern abgewickelt werden, umso mehr reduzieren sich Produktions- und Transaktionskosten, weil die Transaktionspartner Skalen- und Synergieeffekte realisieren können.29 Die Häufigkeit von Transaktionen ist besonders in Verbindung mit der Spezifität relevant, da bei Transaktionen mit hohen faktorspezifischen Investitionen entschieden werden muss, inwieweit sich ein spezialisiertes Beherrschungs- und Überwachungssystem lohnt.30 Die Höhe der Transaktionskosten setzt somit dem Outsourcing von Geschäftsprozessen Grenzen, „… da durch die notwendig werdenden Tausch- und Abstimmungsvorgänge erzielte Produktivitätsgewinne teilweise wieder verspielt werden. Neue Informations- und Kommunikationstechnik führt zu einer absoluten Senkung der Kosten pro Transaktion und macht dadurch Transaktionen möglich, die zuvor nicht wirtschaftlich sinnvoll waren, weil die Transak-
27
Siehe Williamson (1985), S. 52 ff. Siehe Bea/Göbel (2002), S. 154. 29 Siehe Ebers/Gotsch (2006), S. 283. 30 Siehe Bea/Göbel (2002), S. 155. 28
Schnitte in unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen
219
tionskosten über dem möglichen Tauschgewinn lagen“.31 Tendenziell führt eine neue Technologie also zur Verschiebung der Unternehmensgrenzen in Richtung Markt und damit zur Auslagerung von bisher unternehmensintern erbrachten Leistungen.
4.
Modellierung von Unternehmensgrenzen
“Die klassischen Grenzen der Unternehmung beginnen zu verschwimmen, sich nach innen wie nach außen zu verändern, teilweise auch aufzulösen. An die Stelle von tief gestaffelten Unternehmenshierarchien … treten zunehmend dezentrale, modular zerlegte Gebilde, die von Autonomie, Kooperation und indirekter Führung geprägt sind“.32 Modularität scheint somit ein geeignetes Prinzip, um die Verschiebung der Unternehmensgrenzen einerseits zu ermöglichen und andererseits eine Grundlage zu schaffen, um die Verschiebung zu bewerten.
4.1
Prinzip der Modularität
Das Modularitätsprinzip findet in der industriellen Fertigung seit vielen Jahren breite Anwendung. Produkte der Computerindustrie, des Flugzeugbaus, der Automobil- und der Elektroindustrie werden modular konzipiert und erhöhen dadurch erheblich die Innovationsrate. Auch in der Dienstleistungsbranche wird das Modularitätsprinzip zunehmend angewendet.33 Das Modularitätsprinzip dient zur effizienten Organisation von komplexen Produkten und Prozessen. Ein modulares System besteht aus einzelnen Einheiten, den Modulen, die unabhängig voneinander entwickelt und produziert werden, aber dennoch als ein integriertes Ganzes funktionieren. Entwickelt wird ein modulares System, indem zwischen sichtbaren und verborgenen Konstruktionsvorgaben unterschieden wird. Nur durch eine exakte, eindeutige und vollständige Unterscheidung dieser Konstruktionsvorgaben ist das Modularitätsprinzip vorteilhaft umsetzbar. Idealerweise werden die sichtbaren Konstruktionsvorgaben, auch offene Informationen genannt, früh im Entwicklungsprozess festgelegt und an die involvierten Parteien kommuniziert. Die sichtbaren Konstruktionsvorgaben können in drei Kategorien unterschieden werden:34 31
Siehe Picot/Reichwald/Wigand (2003),S. 73 f. Siehe Picot/Reichwald/Wigand (2003), S. 2. 33 Siehe Baldwin/Clark (1997), S. 85; Burr (2004), S. 448 f. 34 Siehe Baldwin/Clark (1997), S. 86. 32
220
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1. Architektur: Die Architektur beschreibt, welche Module Teil des gesamten Systems sind und mit welchen Funktionen diese ausgestattet sein sollen. 2. Schnittstellen: Die Schnittstellen der Module beschreiben detailliert, wie die Module interagieren und wie diese aneinander anzupassen und zu verbinden sind. Auch wie Module miteinander kommunizieren, ist Teil der Schnittstellenbeschreibung. 3. Normen: Mittels Normen lassen sich die Module auf Systemkonformität testen. Auch die relative Leistung zwischen den Modulen lässt sich mit Normen bestimmen. Die verborgenen Konstruktionsvorgaben, auch verborgene Informationen genannt, sind modul-inhärente Informationen, die das Gesamtsystem nicht beeinflussen. Sie können im Entwicklungsprozess relativ spät festgelegt oder auch verändert werden, ohne dass die Vorgaben bzw. deren Änderungen kommuniziert werden müssen.35 Während Architektur, Schnittstellen und Normen die Makroebene des Systems darstellen, wird auf Mikroebene, also der Ebene der einzelnen Module, nach Braßler und Grau 36 in. Modulkern und Modulschnittstelle unterschieden: Modulkern: Der Modulkern ist autark und entkoppelt von Informationen und Ergebnissen anderer Module. Er umfasst ein in sich abgeschlossenes und von möglichen Implementierungen unabhängiges Leistungsspektrum. Ausgestaltung und Funktionsweise sind völlig unabhängig von anderen Modulen im System und damit unabhängig von den sichtbaren Konstruktionsvorgaben. Modulschnittstelle: Im Gegensatz zum Modulkern unterliegt die Modulschnittstelle den sichtbaren Konstruktionsvorgaben. Die Modulschnittstelle muss so konzipiert sein, dass sie mit den sichtbaren Konstruktionsvorgaben kompatibel ist und in das modulare Gesamtsystem integriert werden kann. Durch die Modularisierung steigt die Flexibilität des gesamten Systems. Diese Flexibilität stellt den wesentlichen Unterschied zwischen modularen und integralen Systemen dar. Die Schnittstellen bei modularen Systemen sind zwar standardisiert und genau vorgegeben, aber es sind auch Spielräume für die Veränderung einzelner Module gestattet, ohne dass Änderungen der gesamten Architektur oder einzelner anderer Module erforderlich werden. Die Flexibilität kann dadurch erhöht werden, „… dass die Schnittstellen zwischen den Modulen so weit und abstrakt festgelegt werden, dass sie Spielraum für die Variation einzelner Module zulassen“.37
35
Siehe Baldwin/Clark (1997), S. 86. Siehe Braßler/Grau (2005), S. 527. 37 Siehe Burr (2004), S. 449 f. 36
Schnitte in unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen
4.2
221
Modularisierung von unternehmensübergreifenden Prozessen
Das Modularisierungsprinzip kann insbesondere auch zur Organisationsgestaltung genutzt werden. Nach Picot, Reichwald und Wigand38 bedeutet Modularisierung „… eine Restrukturierung der Unternehmensorganisation auf der Basis integrierter, kundenorientierter Prozesse in relativ kleine, überschaubare Einheiten (Module). Diese zeichnen sich durch dezentrale Entscheidungskompetenz und Ergebnisverantwortung aus, wobei die Koordination zwischen den Modulen verstärkt durch nicht-hierarchische Koordination erfolgt.“ Diese sogenannte Organisationsmodularisierung schließt neben der intraorganisationalen Perspektive, bei der nur ein einziges Unternehmen modularisiert wird, auch die interorganisationale Perspektive mit ein. Die Modularisierung endet somit nicht an den Unternehmensgrenzen, sondern umfasst alle an der Erstellung der Leistung beteiligten Partner entlang der gesamten Wertschöpfungskette.39 So entsteht eine Art Netzwerk von Unternehmen, die aus organisatorischer Sicht eine Gesamtleistung erbringen. Diese Gesamtleistung kann in Prozessmodule unterteilt werden, die in sich geschlossene Wertschöpfungsschritte abbilden und die zu erfüllenden Aufgaben bündeln.40 Die Aufteilung in Prozessmodule wird Dekomposition genannt. Dabei stellt sich die Frage nach dem geeigneten Abstraktionsniveau der Dekomposition. Die unterste Ebene stellt aus theoretischer Sicht die Elementaraufgabe dar, die sich sinnvoll nicht weiter unterteilen lässt. Letztlich muss der Nutzen einer weiteren Dekomposition relativ zu den Kosten der Datenerhebung und -analyse betrachtet werden, um das für alle Beteiligten richtige Abstraktionsniveau bestimmen zu können.41 Darüber hinaus wird der Detaillierungsgrad „nach unten“ dadurch limitiert, dass die an der Wertschöpfung beteiligten Unternehmen möglicherweise detaillierte Prozessinformationen nicht bereitstellen zu wollen, um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden. Ist die gesamte Wertschöpfungskette in ihre Prozessmodule aufgespalten, können die einzelnen Module auf unterschiedliche Unternehmen verteilt werden. Somit entsteht ein unternehmensübergreifender bzw. interorganisationaler Geschäftsprozess. Ermöglicht wird dies durch das Prinzip der losen Kopplung. Dieses Prinzip betrifft den Modulkern und ermöglicht, dass die Prozessmodule unabhängig voneinander einsetzbar oder veränderbar sind, ohne dass andere Prozessmodule ebenfalls verändert werden müssen. Erreicht wird die lose Kopplung der Module durch die Zusammenfassung eng verknüpfter Elemente der Leistung in einem Prozessmodul, so dass Interdependenzen zu anderen Modulen minimiert werden. Elemente können beispielsweise Aktivitäten eines Dienstleistungsprozesses und die dafür benötigten 38
Siehe Picot/Reichwald/Wigand (2003), S. 230. Siehe Braßler/Grau (2005), S. 528. 40 Siehe Brehm (2003), S. 87. 41 Siehe Böhmann/Krcmar (2006), S. 380; Langlois (2002), S. 20 f. 39
222
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Ressourcen sein.42 In Anlehnung an Dittrich und Braun43 lassen sich besonders leicht jene Teil- bzw. Subprozesse zu Prozessmodulen zusammenfassen, die wenige Schnittstellen zu anderen Prozessen aufweisen, geringe Datenvolumina mit anderen Prozessen austauschen, selten mit anderen Prozessen interagieren und über dedizierte Ressourcen (zum Beispiel Mitarbeiter, IT-Systeme) und eine eigene Führungsstruktur verfügen.
4.3
Schnittstellen von Prozessmodulen
Eine der wichtigsten Voraussetzungen zur Beschreibung von modularen Systemen ist neben der Gestaltung der Systemarchitektur die Beschreibung der Schnittstellen.44 Die Schnittstellen von Prozessmodulen müssen so beschrieben werden, dass allen Parteien klar ist, wie die Prozessmodule interagieren und kommunizieren sowie wie diese aneinander anzupassen und zu verbinden sind.
Prozessmodul 1
Prozessmodul 2
Prozessmodul 3
Prozessmodul 4
Datenschicht Medien- und Systemschicht Räumliche Schicht Zeitliche Schicht Rechtliche Schicht Organisatorische Schicht
Quelle: In Anlehnung an Klein und Zürn (2006, S. 739) Abbildung 2: Schnittstellen von Prozessmodulen 42
Siehe Böhmann/Krcmar (2006), S. 380; Braßler Grau (2005), S. 527. Siehe Dittrich/Braun (2004), S. 163. 44 Siehe Baldwin/Clark (1997), S. 86. 43
Prozessmodul 5
Schnitte in unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen
223
Die Beschreibung der Schnittstellen von Prozessmodulen stellt die wesentliche Herausforderung der Modularisierung dar. Klein und Zürn45 identifizieren sechs mögliche Schichten einer Schnittstelle zwischen Prozessmodulen, die bei einer Beschreibung berücksichtigt werden sollten (siehe Abbildung 2). Datenschicht: Beschreibung der zwischen den Prozessmodulen übertragenen Daten als Standardinput und -output (zum Beispiel Kunden- und Objektdaten bei einer Baufinanzierung); Medien- und Systemschicht: Festlegung der technischen Übertragung der zuvor beschriebenen Daten wie zum Beispiel Formulare, Anwendungssysteme, Datenbanken usw.; Räumliche Schicht: räumliche Allokation der Leistung des Moduls (zum Beispiel Zuordung zu verschiedenen Backoffice-Standorten); Zeitliche Schicht: zeitliche Anforderungen und Restriktionen bezüglich der Verfügbarkeit von Leistungen wie zum Beispiel keine Auszahlung des Darlehensbetrags ohne Erfüllung aller Auszahlungsvoraussetzungen; Rechtliche Schicht: rechtliche Anforderungen und Restriktionen wie zum Beispiel die Trennung von Erstvotum Markt und Zweitvotum Marktfolge nach den Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft der Kreditinstitute (MaK); Organisatorische Schicht: Beschreibung des Leistungsaustauschs zwischen Unternehmen bzw. Unternehmensbereichen auf (beispielsweise Austausch zwischen Vertrieb, Kreditabteilung, Kreditservicer usw.). Werden alle Anforderungen der Leistung berücksichtigt, bieten modular strukturierte Prozesse einen Mittelweg zwischen Individualisierung und Standardisierung,46 wobei der standardisierte Teil des Prozessmoduls durch die Modulschnittstelle repräsentiert wird und der individualisierte Teil durch den Modulkern. In Verbindung mit dem Prinzip der losen Kopplung stellt somit jede Prozessmodulschnittstelle auch eine mögliche Unternehmensgrenze dar. Die Prozessmodularisierung ermöglicht damit, auf relativ abstraktem Niveau verschiedene Optionen von Unternehmensgrenzen auf Prozessebene zu bewerten. Damit steht beim Einsatz von Prozessmodulen zur Darstellung von unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen nicht mehr die ausführliche Beschreibung einzelner Teilprozesse, sondern die Abbildung von wechselseitigen Abhängigkeiten und Schnittstellen im Mittelpunkt.47 Zur Verdeutlichung zeigt Abbildung 3, wie Prozessmodule in Ereignisgesteuerte Prozessketten (EPK) eingebunden werden können.
45
Siehe Klein/Zürn (2006), S. 738 f. Siehe Böhmann/Krcmar (2006), S. 379. 47 Siehe Klein/Kupsch/Scheer (2004), S. 13. 46
224
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PreCondition 1
PreCondition 2
PreCondition 3 XOR
^ Qualität
Q
Zeit
Qualität
Q
Qualität
Zeit
Menge Inputleistung 1
#
Q
Zeit
Menge
#
Menge
Inputleistung 2
#
Outputleistung 1 Prozessmodul
Constraint 1
Organisationseinheit
Constraint 2
^ PostCondition 4
PostCondition 5
Quelle: In Anlehnung an Klein/Kupsch/Scheer (2004, S. 13) Abbildung 3: Einbindung eines Prozessmoduls in EPKs Der Modulkern, so wie ihn Braßler und Grau48 definieren, wird hier durch das neue EPKObjekt Prozessmodul dargestellt. Dieses Prozessmodul steht somit für die verborgenen Konstruktionsvorgaben des Systems. Die restlichen Objekte repräsentieren die Modulschnittstelle und damit die sichtbaren Konstruktionsvorgaben. Sie determinieren, wie eine Transaktion die verschiedenen Module über Unternehmensgrenzen hinweg durchläuft und müssen daher exakt festgeschrieben werden. Die Pre-Conditions (Vorbedingungen) müssen erfüllt sein, bevor das Prozessmodul zur Ausführung kommt. Analog dazu bilden die Post-Conditions alle Bedingungen und Zustände ab, die nach Ausführung des Moduls eingetreten sein müssen. Constraints sind weitere Einschränkungen, die während der Ausführung beachtet werden müssen. Weiterhin müssen Input- und Output-Leistungen mit den Attributen Menge, Zeit und Qualität festgeschrieben werden.49 Durch die getrennte Beschreibung der sichtbaren Konstruktionsvorgaben in der Modulschnittstelle und den verborgenen Konstruktionsvorgaben im Modulkern wird auch die Anforderung berücksichtigt, dass bei unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen Unter48 49
Siehe Braßler/Grau (2005), S. 527. Siehe Klein/Kupsch/Scheer (2004), S. 13f..
Schnitte in unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen
225
nehmen einerseits den externen Partnern genügend Informationen zur Verfügung stellen müssen, um die Planung und den Ablauf des Gesamtsystems zu ermöglichen, aber andererseits unternehmenskritische Daten zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen möglichst zurückhalten möchten.50 Deshalb wird bei unternehmensübergreifenden Prozessen und Workflows zwischen verschiedenen Sichten (Views) unterschieden – üblicherweise zwischen „Public View“ und „Private View“.51 Der „Public View“ enthält lediglich die sichbaren Konstruktionsvorgaben, während der „Private View“ zusätzlich die verborgenen Konstruktionsvorgaben einschließt.
5.
Ansatz zur Bewertung von Prozessschnitten
Grundlage des Bewertungsansatzes ist die Anwendung des Modularitätsprinzips auf unternehmensübergreifende Geschäftsprozesse. Durch die Entwicklung eines modularen Geschäftsprozesses wird die Möglichkeit geschaffen, die einzelnen Prozessmodule auf unterschiedliche Unternehmen im Wertschöpfungsnetzwerk zu verteilen. Wie die transaktionskostentheoretischen Überlegungen im Abschnitt 3 gezeigt haben, macht es einen Unterschied, ob Leistungen im Unternehmen selbst erbracht werden oder über den Markt bezogen werden. Somit macht es auch einen Unterschied, wie sich die Prozessmodule auf die verschiedenen Unternehmen verteilen. Um diesen Sachverhalt zu konkretisieren, wird im Folgenden zuerst der Begriff der Schnittstellenkosten eingeführt und danach das Modell zur Bewertung des Schnitts in unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen vorgestellt.
5.1
Definition von Schnittstellenkosten
Burr52 hat in seinem Beitrag zur Modularisierung von Dienstleistungen eine Verbindung zwischen dem Modularisierungsprinzip und der Transaktionskostentheorie geschaffen und aufgezeigt, welche Transaktionskosten zwischen den Modulen anfallen. Ziel der Anwendung der Transaktionskostentheorie ist es, das transaktionskostenminimierende institutionelle Arrangement zu bestimmen. Dieses Ziel überschneidet sich nur zum Teil mit dem Ziel der Bestimmung des optimalen Schnitts im unternehmensübergreifenden Geschäftsprozess, da diese 50
Siehe Klein/Kupsch/Scheer (2004), S. 11. Siehe Schulz/Orlowska (2004), S. 112 ff. 52 Siehe Burr (2004). 51
226
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Bestimmung und die damit einhergehende Bewertung des Schnitts bereits die grundsätzliche Entscheidung voraussetzt, dass ein Teil des Geschäftsprozesses fremdvergeben wird. Dies macht die Einführung und Definition eines neuen Begriffs notwendig – die Schnittstellenkosten. Schnittstellenkosten basieren auf der Idee der Transaktionskosten. Diese entstehen , „… wenn ein Gut oder eine Leistung über eine technisch trennbare Schnittstelle hinweg übertragen wird“.53 Analog entstehen Schnittstellenkosten, wenn die Leistungserstellung durch ein Modul beendet ist, die erstellte Leistung über die Modulschnittstelle als Input zum folgenden Modul übergeben wird und dort weiterverarbeitet wird. Trotz der Überschneidung von Schnittstellenkosten (SK) und Transaktionskosten (TK) lassen sich diese voneinander abgrenzen. Nach Knolmayer54 (sind TK teilweise unabhängig von der nachgefragten Menge an Leistungen; jedoch beeinflusst die Häufigkeit der Transaktion die Höhe der TK.55 Damit können die Transaktionskosten in einen transaktionsmengeninduzierten (tmi) und in einen transaktionsmengenneutralen (tmn) Teil gegliedert werden. Die transaktionsmengeninduzierten TK sind Teil der SK, die transaktionsmengenneutralen TK sind aufgrund ihres einmaligen Charakters nicht Bestandteil der SK und deshalb davon abzugrenzen.
TK tmi SK Dies bedeutet jedoch nicht, dass alle SK mengenabhängig sind. In Anlehnung an die Prozesskostenrechnung, wo zwischen leistungsmengeninduzierten (lmi) und leistungsmengenneutralen (lmn) Kosten unterschieden wird,56 wird auch bei den SK zwischen leistungsmengeninduzierten und leistungsmengenneutralen SK pro Prozessmodul unterschieden.
SK iges
SK ilmi
SK ilmn ZTR
SK iges
= gesamte Schnittstellenkosten des Prozessmoduls i pro Transaktion
SK ilmi
= leistungsmengeninduzierte Schnittstellenkosten des Prozessmoduls i pro
ZTR
Transaktion = Zahl der Transaktionen (Geschäftsvorfälle)
SK ilmn
= leistungsmengenneutrale Schnittstellenkosten des Prozessmoduls i
Des Weiteren sind die Schnittstellenkosten von den Produktionskosten (PK) der Leistung abzugrenzen. Die Produktionskosten im Prozessmodul entstehen aufgrund der Verarbeitung eines Inputs zum Output. Die SK fallen an, weil die Verarbeitung bzw. Erstellung der Endleistung in getrennten Modulen stattfindet. Dadurch entstehen Überwachungs-, Koordinations- und Organisationskosten, die mit der eigentlichen Produktion der Leistung nichts zu tun 53
Siehe Bea/Göbel (2002), S. 152. Siehe Knolmayer (1994), S. 323. 55 Siehe Williamson (1985), S. 60. 56 Siehe Rosenkranz (2006), S. 251. 54
Schnitte in unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen
227
haben, sondern aufgrund der Modularisierung der Leistung bzw. des Prozesses entstehen. Die so definierten SK fallen in einem vollständig integrierten System nicht an. Diese Unterscheidung ähnelt sehr der Entstehung von endlichen Koordinationskosten beim Splitting einer Leistung nach Knolmayer.57 Je Transaktion (Geschäftsvorfall) entstehen somit folgende Gesamtkosten (GK):
GK
n
n
i 1
i 1
¦ PK i ¦ SK iges
Diese Definition der SK impliziert, dass alle Kosten, die dem Design, Aufbau und Implementierung des modularen, unternehmensübergreifenden Geschäftsprozesses zuzurechnen sind, nicht Teil der Schnittstellenkosten sind. Diese Einmalkosten können zwar prohibitiv hoch sein und müssen zwingend in der Outsourcing-Entscheidung berücksichtigt werden, jedoch ist es letztlich eine Frage der Periodisierung, inwieweit sich diese Kosten pro Transaktion auswirken. Werden diese Einmalkosten als so hoch geschätzt, dass sie das ganze Outsourcing-Vorhaben zum Scheitern bringen, muss die Frage nach dem optimalen Schnitt im unternehmensübergreifenden Geschäftsprozess nicht geklärt werden. Sind die Einmalkosten nicht prohibitiv hoch, so dürfen diese Kosten nicht mit in die Bewertung der Unternehmensgrenzen auf Prozessebene einfließen, um den langfristig optimalen Schnitt zu finden. Um die Bewertung durchführen zu können, müssen die SK, das heißt, die gesamte Schnittstellenkosten des Prozessmoduls i pro Transaktion, noch weiter detailliert werden. Ähnlich wie auch die TK in interne und externe TK unterschieden werden,58 so werden auch die SK in interne und externe SK unterteilt. Interne SK fallen zwischen zwei Prozessmodulen an, die beide durch ein einziges Unternehmen ausgeführt werden. Dagegen fallen externe SK an, wenn die beiden Prozessmodule von zwei unterschiedlichen Unternehmen erbracht werden, das heißt, zwischen diesen Modulen befindet sich eine Unternehmensgrenze. In der Transaktionskostentheorie wird davon ausgegangen, dass die internen TK niedriger sind als die externen TK. Coase59 begründet damit beispielsweise die Entstehung von Unternehmen. Da ein wesentlicher Teil der SK den TK entspricht, kann tendenziell davon ausgegangen werden, dass auch die internen SK niedriger sind als die externen SK. Dieser durch Outsourcing erreichte Kostennachteil muss durch günstigere Produktionskosten (PK) des externen Anbieters kompensiert werden, um die Auslagerung zu rechtfertigen.
57
Siehe Knolmayer (1994), S. 326. Siehe Dibbern/Güttler/Heinzl (2001), S. 684. 59 Siehe Coase (1937). 58
228
Matthias Hilgert / Jürgen Moormann
5.2
Bewertungsmodell
Die Modellierung der Prozessmodule und die Herleitung der Kostenkategorien sind die Grundlage der Bewertung verschiedener Schnittmöglichkeiten in unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen. Wie modularisierte, unternehmensübergreifende Geschäftsprozesse grundsätzlich zu modellieren sind, wurde bereits im Abschnitt 4 vorgestellt. Die über einen längeren Zeitraum gewachsenen Geschäftsprozesse eines Unternehmens sind durch erhebliche Komplexität gekennzeichnet. Sollen nun zwei oder mehrere Unternehmen eine einheitlich modularisierte Prozessarchitektur entwerfen, um den optimalen Schnitt auf Prozessebene bewerten zu können, so scheint dies ein schwieriges Unterfangen zu sein. Gerade der für diesen Beitrag als Anwendungsbeispiel gewählte Prozess der privaten Baufinanzierung unterscheidet sich erheblich zwischen den Instituten, und das, obwohl auf einem relativ hohen Abstraktionsniveau meist die gleichen Teilprozesse in ähnlicher Reihenfolge vorkommen. Der wesentliche Unterschied zwischen den Banken besteht meist in unterschiedlichen Kreditvergaberichtlinien. Diese Richtlinien regeln den Prozessdurchlauf einzelner Transaktionen durch verschiedene Prozessvarianten bis hin zur Generierung verschiedener Outputs wie Annahme oder Ablehnung des Kreditantrags. Diese Richtlinien haben damit einen erheblichen Einfluss auf die Durchlaufzeiten und damit auch auf die Prozesskosten. Deshalb können die Kreditvergaberichtlinien nicht abstrahiert werden, sondern müssen mit in das Bewertungsmodell einbezogen werden. Zur Komplexitätsreduzierung lassen sich die Kreditvergaberichtlinien als so genannte Business Rules oder Geschäftsregeln60 einbinden und erleichtern durch die Komplexitätsreduktion so die Modularisierung des unternehmensübergreifenden Geschäftsprozesses. Nach der Modellierung der modularen Prozessarchitektur auf Makroebene werden die einzelnen Prozessmodule auf Mikroebene konkretisiert. Pro Prozessmodul (PM) werden die Inputs (I) und Outputs (O) mit deren Ausprägungen Menge, Zeit und Qualität festgelegt. Dies wird in Abbildung 4 dargestellt. Zur Vereinfachung werden jeweils nur ein Input und ein Output pro Modul gezeigt. Die jeweiligen Geschäftsregeln (R) werden ebenfalls pro Modul hinterlegt. Aus den Inputs, Outputs und Geschäftsregeln werden jene Metriken abgeleitet, die zur Kostenbestimmung (SK und PK) benötigt werden. Diese Festlegung der einzelnen Parameter erfolgt je Prozessmodul und jeweils für den Outsourcer und den Insourcer. Dadurch können die eigenen und fremden Produktionskosten sowie die internen und externen Schnittstellenkosten errechnet werden. Die eigenen Produktionskosten sind die Produktionskosten des Outsourcers; die fremden Produktionskosten sind die des Insourcers. Das Zusammenführen von Metriken der beiden Wertschöpfungspartner ermöglicht die Bewertung des optimalen Schnitts aus Gesamtprozesssicht und nicht nur aus Sicht einer einzelnen Partei (zum Beispiel des Outsourcers).
60
Siehe Schacher/Grässle (2006), S. 17 ff.
Schnitte in unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen
PMi
Ii Ri1
Ri2
Oi Rik
Metrikensystem
Mi1 Mi2 Mij
229
Legende: I
Input ==Input
O
Output == Output
R
Regel (Business (Business Rules) Rules) == Regel
M
Messgröße ==Messgröße
PM ==Prozessmodul Prozessmodul PK ==Produktionskosten Produktionskosten SK ==Schnittstellenkosten Schnittstellenkosten
SKiges
PKi eigen
Abbildung 4:
fremd
intern
i
= Index eines Prozessmoduls
k
= Index einer Regel
j
= Index einer Metrik
extern
Herleitung der Produktions- und Schnittstellenkosten
Durch eine Vielzahl von Prozessmodulen, die jeweils verschiedene Prozessvarianten zulassen, wird das Bewertungsmodell bei Betrachtung eines kompletten Geschäftsprozesses mit all seinen Schnittmöglichkeiten trotz des Rückgriffs auf das Modularitätsprinzip schnell sehr komplex. Um das grundsätzliche Zusammenspiel mehrerer Prozessmodule und die Beurteilung des optimalen Schnitts zu verdeutlichen, wird das Bewertungsmodell im Folgenden anhand eines einfachen Beispiels dargestellt. In diesem Beispiel werden nur drei Prozessmodule mit deren zwei Schnittmöglichkeiten betrachtet. Des Weiteren haben die Geschäftsregeln keinen Einfluss auf den Prozessdurchlauf über Modulgrenzen hinweg. Eine Transaktion durchläuft auf der Ebene der Prozessmodule also immer die gleiche Reihenfolge, das heißt, von Prozessmodul 1 über Prozessmodul 2 bis hin zu Prozessmodul 3. Auch sind nur zwei Netzwerkpartner, nämlich ein Outsourcer und ein Insourcer beteiligt.
Schnitt 1 PM1
PM2
PK1
Abbildung 5:
Schnitt 2
SK1
PM3
PK2
SK2
Schnittmöglichkeiten zwischen den Prozessmodulen
PK3
230
Matthias Hilgert / Jürgen Moormann
Damit ergeben sich die Gesamtkosten ( GK 0 ) für eine Transaktion ohne Outsourcing wie folgt:
GK 0
PK 1eigen SK 1int ern PK 2eigen SK 2int ern PK 3eigen
Werden die Prozessmodule 2 und 3 ausgelagert, so wird die neue Unternehmensgrenze durch Schnitt 1 dargestellt. Die Gesamtkosten ( GK1 ) pro Transaktion errechnen sich dann wie folgt:
GK1
PK1eigen SK1extern PK 2fremd SK 2int ern PK 3fremd
Die Gesamtkosten ( GK 2 ) pro Transaktion für Schnittmöglichkeit 2, das heißt, nur Prozessmodul 3 wird ausgelagert, sind wie folgt definiert:
GK 2
PK1eigen SK1int ern PK 2eigen SK 2extern PK 3fremd
Damit lässt sich aus Prozesskostensicht, das heißt ohne Einmalaufwendungen (siehe Abschnitt 5.1), auch beurteilen, ob sich das Outsourcing grundsätzlich lohnt. Das Outsourcing ist sinnvoll, wenn gilt:
GK 1 GK 0
oder
GK 2 GK 0
Zur Bewertung des optimalen Schnitts sind die Gesamtkosten der beiden Schnittmöglichkeiten zu vergleichen. So ist beispielsweise Schnitt 1 ist günstiger als Schnitt 2, wenn gilt:
GK1 GK 2 Durch die Betrachtung der einzelnen Bestandteile der Gesamtkosten wird deutlich, dass sich die Ungleichung um die Produktionskosten der Prozessmodule 1 und 3 kürzen lässt ( PK 1eigen und PK 3fremd ). Somit verbleiben folgende Kosten, die zur Beurteilung der beiden Schnittmöglichkeiten benötigt werden:
SK 1extern PK 2fremd SK 2int ern SK 1int ern PK 2eigen SK 2extern Das Kürzen ganzer Kostenbestandteile ermöglicht eine wesentliche Reduzierung der zu erhebenden Prozessdaten. Diese Vorgehensweise ist dann vorteilhaft, wenn eine Beurteilung von nur wenigen Schnittmöglichkeiten benötigt wird. So reduzieren beispielsweise gesetzliche Vorgaben oder bestimmte Standardsoftware die Anzahl der möglichen Schnitte. Sollen nur ausgewählte Schnittmöglichkeiten bewertet werden, so müssen nur die Daten von Prozessmodulen erhoben werden, die direkt an die Schnitte anschließen.
Schnitte in unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen
6.
231
Ausblick
In diesem Beitrag wurde ein Ansatz vorgestellt, wie Banken verschiedene Schnittmöglichkeiten in einem unternehmensübergreifenden Geschäftsprozess im Rahmen einer OutsourcingEntscheidung bewerten können. Hierzu wurde aufbauend auf der Transaktionskostentheorie und dem Modularitätsprinzip ein Bewertungsansatz entworfen, mit dem sich der kostengünstigste Schnitt im Geschäftsprozess finden lässt. Mittels dieses Bewertungsansatzes lassen sich Outsourcing-Entscheidungen bezogen auf die Verschiebung der Unternehmensgrenzen fundiert treffen. Dabei ist der Bewertungsansatz nicht als eigenständiges Modell zur Beurteilung von Outsourcing-Entscheidungen zu sehen, sondern als eine Art „Plug-in-Modell“ für bereits bestehende Modelle. Aus theoretischer Sicht ist der Bewertungsansatz weiter zu fundieren. Insbesondere müssen weitere Theorien und Konzepte überprüft und weitere Bestandteile in den Ansatz übernommen werden. Speziell müssen Erkenntinsse des überbetrieblichen Prozessmanagements, des Supply-Chain-Costing, des Netzwerkmanagements und der Fertigungstiefenplanung integriert werden. Dadurch lässt sich der Ansatz verfeinern und erweitern. So sollte eine Bewertung nicht nur aus Kostensicht erfolgen, sondern auch Mengen und Zeiten mit einbeziehen. Damit ließen sich Schnittmöglichkeiten auch hinsichtlich der Optimierung der Gesamtdurchlaufzeit bewerten. Auch Auswirkungen verschiedener Schnitte auf die Kapazitätsplanung und -steuerung im Gesamtprozess könnten abgeleitet werden. Darüber hinaus sollten die bisherigen Einschränkungen des Bewertungsansatzes aufgehoben werden. Beispielsweise sollten mehrere, verschiedene In- und Outputs mit jeweils unterschiedlichen Mengenangaben (ZTR) pro Prozessmodul zulässig sein. Auch muss geklärt werden, wie eine Bewertung bei mehreren Prozessvarianten vorgenommen werden kann. Eine weitere Herausforderung besteht in der Operationalisierung der Schnittstellenkosten. Ohne diese Operationalisierung wären nur Tendenzaussagen wie bei der Transaktionskostenanalyse zur Bestimmung des geeigneten institutionellen Arrangements möglich.61 Sind die Schnittstellenkosten operationalisiert, bestehen zwei Nutzungsmöglichkeiten. Zum einen lässt sich der kostenoptimale Schnitt in einem gegebenen Geschäftsprozess für konkrete Wertschöpfungspartner finden. Dies entspricht einer Anwendung für zum Beispiel den Neugeschäftskreditprozess und der Frage nach dem optimalen Schnitt zwischen Bank A und Kreditfabrik B. Zum anderen lassen sich mittels Prozesssimulation und der Einbeziehung von Referenzprozessmodellen unterschiedliche Schnitte identifizieren, die unter bestimmten Voraussetzungen den optimalen Schnitt im Prozess darstellen. Dies lässt sich durch die Konzeption von verschiedenen Modell-Wertschöpfungspartnern (Großbank, Direktbank, mittelgroße Sparkasse, unabhängige Kreditfabrik, Verbund-Kreditfabrik etc.) und die Modularisierung des Referenzprozessmodells erreichen. Die Wertschöpfungspartner und das Prozessmodell werden in einem Simulationstool dargestellt und mit quantitativen Daten 61
Siehe Ebers/Gotsch (2006), S. 280.
232
Matthias Hilgert / Jürgen Moormann
angereichert. Danach können unterschiedlichen Schnittmöglichkeiten simuliert werden. Das Ziel kann darin bestehen, Kosten und Durchlaufzeiten zu optimieren. Durch die Auswertung der Simulationsergebnisse können je Wertschöpfungspartner und je Optimierungsziel bestmögliche Schnittmöglichkeiten ausgewiesen werden, die die Marktteilnehmer als Referenz bei ihrer Outsourcing-Entscheidung verwenden können. Insofern bietet der in diesem Beitrag gezeigte Ansatz neue Perspektiven zur Beurteilung von Unternehmensgrenzen auf Prozessebene.
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Erfolgreiches Managen internationaler Outsourcing Projekte
235
Erfolgreiches Managen internationaler Outsourcing Projekte Joachim Schü
1. Trends im IT-Outsourcing 2. Hohe Beliebtheit des Onsite-Offshore-Modells zur Durchführung von Sourcing-Projekten 3. Methodische Ansätze für Onsite-Offshore-Projekte 4. Risiken und Konsequenzen von Onsite-Offshore-Projekten 5. Onshore-Offshore-Projekte: Beispiele
236
1.
Joachim Schü
Trends im IT-Outsourcing
Durch die verhärteten Rahmenbedingungen für Unternehmen, und davon sind Banken nicht ausgeschlossen, gewinnen Sourcing-Projekte zunehmend an Bedeutung. Nachdem zunächst hauptsächlich US-amerikanische Unternehmen Sourcing-Projekte durchgeführt haben, versuchen nun auch vermehrt europäische Unternehmen insbesondere das Potenzial in Bezug auf IT-Offshoring zu erzielen. Großbritannien ist europäischer Vorreiter, doch der Trend zum ITOutsouring manifestiert sich auch in Deutschland und Skandinavien. Diverse Faktoren begründen den Trend zur Durchführung von Sourcing-Projekten, doch von besonderer Gewichtung sind die folgenden unternehmensexternen und -internen Faktoren. Bedeutendster externer Faktor ist sicherlich die Globalisierung, die in den nächsten Jahren weiterhin massiv voranschreiten wird. Der Einfluss der Globalisierung ist auch im deutschen Bankenmarkt sichtbar; in den letzen Jahren sind vermehrt große internationale Bankhäuser (zum Beispiel UniCredit, GE Money Bank) in den Markt eingetreten. Dadurch bedingt steigt der Wettbewerbsdruck für die Marktteilnehmer, insbesondere in den Hoch-Preisländern, zu denen auch Deutschland gehört. Zudem ist der Faktor Time-to-Market für neue Anforderungen entscheidend geworden. Innovation und Schnelligkeit in der Umsetzung sind im Wettbewerb entscheidende Differenzierungsmerkmale, doch müssen die Banken diese effizient realisieren, um den mittlerweile wesentlich wechselbereiteren Kunden halten zu können. Unternehmensintern sind bestehende IT-Realitäten treibende Outsourcing-Faktoren. Nach vielen Jahren mit wachsenden IT-Budgets werden nun vermehrt IT-seitig BudgetVerringerungen durchgesetzt. Kapazitätskürzungen und Entlassungswellen in den ITBereichen der Banken sind noch nicht ausgestanden. Zudem besteht der zwingende Bedarf bei vielen Instituten, nicht mehr wartbare Altsysteme durch neue moderne Systeme ablösen zu müssen, da zum einen das Entwicklungs-Know-how für Hostsysteme nicht mehr im ausreichenden Maße in den Unternehmen vorhanden ist und die Altsysteme oft nur sehr aufwändig um Produktmerkmale, neue Produkte oder andere Anforderungen ergänzt werden können. Eine weitere bedeutende interne Rahmenbedingung ist zudem der Abbau von vorhandenen Produktivitätsrückständen. Notwendiges Know-how ist oft nur bei einzelnen Mitarbeitern eines Unternehmens vorhanden und zudem können Ressourcen kaum zu den notwendigen Spitzen zur Realisierung des geforderten Time-to-Market gebündelt werden, da das Tagesgeschäft auch noch abgewickelt werden muss bzw. gar nicht so viele ausgebildete Ressourcen vorhanden sind. Basierend auf oben genannten Faktoren planen bzw. führen viele Unternehmen bereits Sourcing-Projekte zur Kostenreduzierung in der IT aus. Dieser Trend wird sich weiterhin verstärken.
Erfolgreiches Managen internationaler Outsourcing Projekte
2.
237
Hohe Beliebtheit des Onsite-Offshore-Modells zur Durchführung von Sourcing-Projekten
Die Art, Sourcing-Projekte durchzuführen, hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Zunehmend wird speziell das Onsite-Offshore-Modell für Outsourcing-Projekte angewendet. Das OnsiteOffsite-Modell orientiert sich an zwei wesentlichen Vorgaben: Onsite werden alle Aktivitäten durchgeführt, bei denen das Know-how bzw. die Mitwirkung der Mitarbeiter des Aufraggebers notwendig ist. Offshore werden die Aktivitäten erbracht, bei deren Durchführung die Mitarbeit des Auftraggebers nicht erforderlich ist. Im Abschnitt 5 wird anhand zweier Projektbeispiele die Anwendung des Onsite-OffshoreModells dargestellt sowie Erfolgsfaktoren bzw. Erfahrungen geschildert. Die Beliebtheit des Onsite-Offshore-Modell-Ansatzes begründet sich vor allem darin, dass bei Sourcing-Projekten der Kostenfaktor zwar von wesentlicher Bedeutung, doch zunehmend Qualität und Effizienz ebenfalls realisiert werden müssen. Bei Sourcing-Projekten wird demnach ein Low-Cost-, aber kein Low-Value-Ansatz verfolgt. Die Kombination aus niedrigen Kosten und hoher Qualität dient zunehmend als Differenzierungsmerkmal im Markt der Offshore-Anbieter.
Irland Standardsoftware Lokalisierung Produktentwicklung
Russland Highend-Software-Engineering Indien Application Outsourcing IT-Outsourcing Business Process Outsourcing Produktentwicklung Call Center
Kanada Application Outsourcing Business Process Outsourcing Call Center
Israel Highend-Software Lernsysteme
Abbildung 1:
Philippinen Business Process Outsourcing Call Center Animationslösungen China Embedded Software Hardwareservices
Spezialisierung in verschiedenen Offshore-Anbieter-Märkten
238
Joachim Schü
Als Offshore-Anbieter dominiert Indien den Markt, doch China und Brasilien spielen hier mittlerweile ebenfalls eine bedeutende Rolle. Für europäische Unternehmen sind OffshoreAnbieter aus Südafrika, Russland und andere osteuropäische Länder zunehmend relevant. Zudem ist festzustellen, dass die unterschiedlichen Länder beim Onsite-Offshore-Modell schwerpunktmäßig unterschiedliche Dienstleistungen anbieten. So bietet zum Beispiel Indien ein sehr weites Produktspektrum mit Application Outsourcing, IT-Outsourcing, Business Process Outsourcing, Produktentwicklung sowie Call Center Services, Russland hingegen hat sich vornehmlich auf das Angebot von Highend-Software-Engineering spezialisiert. Weitere Beispiele sind in Abbildung 1 dargestellt. Die Auswahl des Offshore-Dienstleisters sollte neben dem nachgefragten Dienstleistungsspektrum in Bezug auf das Projekt auch andere Kriterien wie zum Beispiel Länderrisiko (politische Stabilität), rechtliche Rahmenbedingungen, IT- und Telekommunikationsstandards, Investments, Sprache sowie den Erfahrungsumfang mit Onsite-Offshore-Modellen berücksichtigen. Diese Kriterien können einen maßgeblichen Einfluss auf den Umsetzungserfolg eines Outsourcing-Projektes haben. Länderspezifische Ausprägungen sind in Abbildung 2 aufgeführt.
Osteuropäische Länder
Indien
China
Länderrisiko (politische Stabilität)
Geringes Risiko
Mittleres Risiko
Hohes Risiko (kommunistische Führung)
Rechtliche Rahmenbedingungen
Zunehmende Angleichung (z.B. durch EU-Beitritt)
Schnell wachsende Kenntnisse der Rahmenbdingungen
Langsam wachsende Kenntnisse der Rahmenbdingungen
IT- und Telekommunikationsstandards
Zunehmende Angleichung (z.B. durch EU-Beitritt)
Zunehmender Austausch/ Know how Transfer
Langsamer Austausch/ Know how Transfer
Investments
Mittelfristige Annäherung an Kosten in Deutschland
Längerfristige Haltung des niedrigen Niveaus
Längerfristige Haltung des niedrigen Niveaus
Sprache
Deutsch & Englisch als Projektsprachen
Englisch als Projektsprache
Englisch als Projektsprache
Erfahrung Onsite Offshore
Mittlere Erfahrungswerte
Hohe Erfahrungswerte
Niedrige Erfahrungswerte
Abbildung 2:
Selektionskriterien Offshore-Dienstleister
Das Onsite-Offshore-Modell lässt sich bei den vier grundsätzlichen Sourcing-Optionen in Form von Co Sourcing, Data Center Sourcing, Business Process Outsourcing sowie Application Service Providing einsetzen. Co Sourcing: gemeinsames Management der IT (oder gemeinsame „Technologie Organization“) zwischen dem Unternehmen und einer externen Einheit,
Erfolgreiches Managen internationaler Outsourcing Projekte
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Data Center Outsourcing: Übergabe der IT-Infrastruktur und deren Management an eine externe Einheit, Business Process Outsourcing: Abwicklung von Geschäftsprozessen durch eine externe Einheit, Application Service Providing: externer Betrieb der IT-Infrastruktur sowie Pflege., Wartung, Entwicklung und Management der Applikationen durch eine externe Einheit. Die Motivation für Onsite-Offshore-Projekte begründet sich in drei Kernerwartungen. Vorrangiges Argument sind die mit einem Onsite-Offshore-Projekt assoziierten geringen Kosten. Die Kostenersparnis kann bis zu 70 Prozent betragen. Die unternehmensinternen Kosten können mittelfristig ebenfalls aufgrund von Personaleinsparungen gesenkt werden. Zudem wird von einer kürzeren Time-to-Market Zeit ausgegangen. Die Zeiten für die Implementierung sind häufig aufgrund der hohen Verfügbarkeit von Mitarbeitern und der Nutzung moderner, flexibler Architekturen verkürzt. Der dritte Motivationsfaktor für Unternehmen besteht in der möglichen Fokussierung auf Kernaktivitäten anhand der Wertschöpfungskette des Unternehmens, während sogenannte Nicht-Kernaktivitäten ausgelagert werden. Das Outsourcing sowohl Chancen als auch Risiken birgt, ist offensichtlich. Zur grundsätzlichen Beurteilung eines geplanten Onsite-Offshore-Projektes können die beiden Variablen Komplexität (Service Levels, Schnittstellen, Dokumentation etc.) und Anforderungen (Support Level, Anzahl der Programme, Function Points etc.) herangezogen werden. In Abhängigkeit dieser beiden Kriterien ergibt sich für ein geplantes Projekt mit niedriger Komplexität aber hohen Anforderungen ein hohes Potenzial für das Onsite-Offshore-Modell (siehe Abbildung 3).
Abbildung 3:
Bewertungsmatrix Onsite-Offshore-Projekt-Potenzial
240
3.
Joachim Schü
Methodische Ansätze für Onsite-Offshore-Projekte
Ein Onsite-Offshore-Projekt stellt gesonderte Anforderungen, die berücksichtigt werden müssen, um ein solches Projekt erfolgreich durchzuführen. Diese Voraussetzungen sind vielschichtig und umfassen strategische, soziale und Projektmanagement-Betrachtungen. Selektion von geeigneten Projekten: Es sollten sehr exakte Spezifikationen für das Projekt vorliegen. Abgrenzungen sollten klar definiert und dokumentiert vorliegen. Der Detaillierungsgrad der Anforderungen sollte so hoch sein, dass darauf basiert die Abnahmetests durchgeführt werden können. Das Unternehmen und der Dienstleister sollten gemeinsam die Methodologie des Entwicklungsprozesses für das Projekt festlegen. Es wird zu Projektbeginn festgelegt, welche Teile Onsite bzw. Offshore entwickelt werden. Des Weiteren sollten diverse Übergabetermine für die Entwicklungsphase bestimmt werden. Idealerweise werden zudem fortlaufend zur Entwicklung sogenannte Pre-Tests durch den Kunden durchgeführt, um so frühzeitig Fehler oder Qualitätsprobleme zu identifizieren und um den Entwicklungsprozess frühzeitig eingreifen zu können. Nicht alle Projekte sind outsourcingfähig. Der Auftraggeber sollte klar definieren, welche Kompetenzen als Kernkompetenzen verstanden werden, und diese sollten auch zukünftig unternehmensintern abgebildet werden. Organisation: Aufgrund der verteilten Standorte sollten Verantwortlichkeiten und Hierarchie-Strukturen für die unterschiedlichen Aufgaben sehr klar festgelegt sein. Die Organisation in einem Onsite-Offshore-Projekt unterscheidet sich deutlich von sonstigen Projektstrukturen. Der Dienstleister hat Onsite und Offshore Team mit den entsprechenden Hierarchie-Strukturen. Die Projektleitung Onsite und Offshore sowie die Mitarbeiter Onsite und Offshore müssen demnach mehrdimensional miteinander kommunizieren und arbeiten (siehe Abbildung 4). Des Weiteren sollte auf beiden Seiten das Interesse an einer langfristigen Partnerschaft bestehen, um organisatorische Zusatzaufwände insbesondere in der Einarbeitungsphase, rechtfertigen zu können. Kommunikation und Koordination: Der Kommunikationsaufwand für ein OnsiteOffshore-Projekt ist stark erhöht und zudem aufgrund der räumlichen Distanz sowie gegebenenfalls auch der Zeitverschiebung schwieriger. Zumeist ist auf der Fachseite aufgrund der Sprachproblematik mehr Zeit zum Review einzuplanen. Der Koordinationsaufwand beim Unternehmen (Kunden) ist erhöht. Proaktives Projektmanagement: Es ist sehr wichtig, dass Problemstellungen vom Kunden aktiv angesprochen werden, zum Teil weisen Anbieter (zum Beispiel indische Firmen) nicht selbst oder zu spät darauf hin. Um die Termineinhaltung und die Qualität der Lieferungen zu erhöhen, hat es sich als sehr gut erwiesen, Erinnerungen an Termine sowie Deliverables circa drei Tage im Voraus durchzuführen.
Erfolgreiches Managen internationaler Outsourcing Projekte
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Onsite Lenkungsausschuss
Projektleitung
Team Projektmitarbeiter Projektmitarbeiter
Management Auftraggeber/ Berater Onsite-Management des Dienstleisters
Projektleitung Auftraggeber/ Berater Onsite–Projektleitung des Dienstleisters
Projektmitarbeiter Auftraggeber/ Berater Onsite–Projektmitarbeiter des Dienstleisters
Offshore Offshore Offshore - Team - Team
Offshore–Management des Dienstleisters Offshore–Projektleitung des Dienstleisters Offshore–Projektmitarbeiter des Dienstleisters
Abbildung 4:
Organisationsstruktur Onsite-Offshore-Projekt
Straffes Controlling und Qualitätssicherung: Eine fortlaufende und rigorose Kontrolle der Deliverables sollte durchgeführt werden. Die Angaben in den Statusberichten müssen mit dem tatsächlichen Stand der Deliverables verglichen werden. Des Weiteren sind zum Beispiel Offshore-Checks während der Entwicklungsphase empfehlenswert. Auch Deliverables, die mit der Zertifizierungen wie zum Beispiel „CMMI“ oder „SPICE“ versehen sind, sollten überprüft werden. Diese Zertifizierungen sind definierte Standards über den Reifegrad der angewendeten Prozesse, die aber nichts über die Qualität des gelieferten Deliverables aussagen. Betrachtung des Dienstleisters: Bei der Auswahl des konkreten Dienstleisters sollten die Erfahrungen des Dienstleistungsanbieters in der Branche, Erfahrungen im internationalen Projektmanagement sowie Zertifizierungen geprüft und berücksichtigt werden. Soziale Sichtweise: Für die erfolgreiche Projektdurchführung sollten zudem soziale Aspekte beachtet werden. Kulturelle Unterschiede (insbesondere in Bezug auf Form der Kommunikation, Verständnis von terminlichen Vorgaben, Qualitätsverständnis) in den Onsite- und Offshore-Ländern sollten identifiziert werden, um entsprechende Maßnahmen zur erfolgreichen gemeinsamen Kommunikation aufzusetzen. Ein Onsite-Offshore-Projekt kann im eigentlichen Sinne die herkömmlichen Projektphasen von der Machbarkeitsstudie bis hin zu Support und Wartung durchlaufen. Die unterschiedlichen Phasen sind allerdings in einem Onsite-Offshore-Projekt unterschiedlich und zum Teil redundant lokalisiert. Beispielhaft für ein Application Service Providing-Projekt (Entwicklung) wäre folgende Verteilung der Aufgaben.
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Kommunikation und Koordination
Proaktives Projektmanagement
Der Kommunikationsaufwand ist stark erhöht und zudem aufgrund der räumlichen Distanz sowie der Zeitverschiebung schwieriger. Zumeist ist auf Fachseite aufgrund der Sprachproblematik mehr Zeit zum Review einzuplanen. Der Koordinationsaufwand beim Kunden ist erhöht.
Problemstellungen müssen vom Kunden angesprochen werden, die indischen Firmen weisen zumeist nicht selbst darauf hin (oder zu spät). Erinnerungen an die Deliverables ca. 3 Tage im voraus erhöhen die Termineinhaltung und die Qualität der Lieferungen.
Abbildung 5:
Straffes Controlling/ Qualtitätssicherung Zertifizierung „CMM5“ ist ein definierter eingehaltener Standard; er sagt nichts über die gelieferte Qualität der Deliverables aus. Die Deliverables müssen sehr stark kontrolliert werden. Die Angaben in den Statusberichten müssen mit dem tatsächlichen Stand der Deliverables verglichen werden. Offshore Checks während der Entwicklungsphase sind empfehlenswert.
Fachliche Komponenten Die Unterstützung der deutschen Rechtssprechung ist notwendig (z.B. Meldewesen). Hier sollte auch eine „automatische“ Anpassung seitens des Anbieters erfolgen (keine Hinweise des Kunden auf Änderungen im deutschen Recht). Eine Abgrenzung der StandardKomponenten und der „Kundenspezifika“ ist vorzunehmen.
Beispielhafte Aufgabenverteilung eines Onsite-Offshore-Projektes
Im Allgemeinen finden die Angebotserstellungs- sowie die Testphase sowohl Onsite als auch Offshore statt. Onsite werden die Phasen Durchführung der Machbarkeitsstudie, die Pflichtenhefterstellung, die DV-Konzeption, die Inbetriebnahme sowie der Support dargestellt. Der Offshore-Schwerpunkt liegt erwartungsgemäß in den Phasen Design, Entwicklung und Wartung (siehe hierzu auch Abbildung 5). Aufgrund der Besonderheiten eines Onsite-OffshoreProjektes ergeben sich allerdings ergänzende Anforderungen an die unterschiedlichen Projektphasen. Für die Pflichtenheft- und Konzeptionsphase sollten zusätzlich folgende ausgewählten Anforderungen berücksichtigt werden: Die Deliverables in der Pflichtenheft- und Konzeptionsphase sind genauer zu definieren und zu prüfen als dies für herkömmliche Projekte notwendig ist. Erfahrungsgemäß benötigen diese beiden Phasen daher längere „Anlaufzeiten“ als bei klassischen Onsite-Projekte. Eine gemeinschaftliche aber sehr detaillierte Abstimmung zwischen Dienstleister und Kunde ist für die Definition des Vorgehens bzw. der Methodik notwendig. Die Vorgabe des gewünschten Vorgehens ist zwingend erforderlich. Des Weiteren hat sich die Erstellung von Use Cases und Prototyping in der Muttersprache des Kunden als sehr hilfreich für die Fachseite erwiesen. Die Deliverables müssen exakt definiert sein. Es ist daher sehr sinnvoll, genaue Vorgaben für Inhaltsverzeichnisse, Aufbau der Dokumente, Sheets etc. vorzugeben. Eine regelmäßige Prüfung auch schon von Draft-Versionen hinsichtlich Vollständigkeit und Umfang ist zudem ein gutes Werkzeug, um die Qualität frühzeitig zu prüfen und um den langfristigen Projekterfolg zu untermauern.
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So gelten auch für die Testphase zusätzliche Anforderungen, die in höheren Testaufwänden und Kosten für die Testphase resultieren als dies in herkömmlichen Entwicklungsprojekten der Fall ist. Beispielhaft aufgeführt seien hier zum Beispiel folgende Anforderungen: Die Testumgebung muss zum Teil doppelt, das heißt Onsite und Offshore, vorhanden sein. Die unterschiedlichen Testumgebungen sollten aber trotz der räumlichen Distanz miteinander verknüpft sein. Die Onsite- und Offshore-Teams haben unterschiedliche Aufgaben in der Testphase. So werden im Standard, Offshore die Entwicklungstests und Onsite die Integrationstests, die Lasttests sowie die User Acceptance Test durchgeführt. Ein Bug Fixing Team sollte Onsite sein, und sich eng mit dem Offshore-Team koordinieren. Es besteht erhöhter Kommunikations- und Abstimmungsbedarf zwischen den Onsite- und Offshore-Teams. Webbasierte Tools können den notwendigen Kommunikationsbedarf unterstützen und für die notwendige Transparenz sorgen. Die Notwendigkeit mehrerer Iterationen während der Testphase von Onsite-OffshoreProjekten erhöht ebenfalls den Aufwand.
4.
Risiken und Konsequenzen von Onsite-OffshoreProjekten
Onsite-Offshore-Projekte erfreuen sich zunehmender Beliebtheit aufgrund der erhofften Vorteile, doch stellen sie wie oben aufgeführt auch besondere Anforderungen an das Projektmanagement. Es ist daher sicherzustellen, dass die Vorteile eines Onsite-Offsite-Projektes genutzt und realisiert werden, während Projektrisiken minimiert werden. Die Vorteile von Onsite-Offshore-Projekten liegen insbesondere im Kostenbereich, doch sind auch Know-how-Transfer Vorteile und Zeitvorteile zu berücksichtigen. Projektkosten: Die Projektkosten sind gegenüber herkömmlichen Projekten meistens deutlich niedriger. Doch ist die Berechnung der potenziellen Kostenvorteile sehr umfänglich und nicht einfach. So sind bei der ROI-Berechnung die einmaligen und laufenden Kosten den einmaligen und laufenden Einsparungen mit und ohne Outsourcing gegenüber zustellen. Es werden häufig Einsparungen von bis zu 70 Prozent erwartet, realistisch sind oft jedoch nur 25 bis 50 Prozent. Eine Mitkalkulation der versteckten Kosten in das Gesamtbudget ist kritisch. Hierzu zählen Aufwände für Vertragsmanagement, Transition und interne Personalmaßnahmen. Zudem ist zu berücksichtigen, das Outsourcing-Projekte eine Verschiebung der Kostenstrukturen mit sich bringen, das heißt einige Fixkosten reduzieren sich, doch ist damit aber eine Erhöhung gewisser variabler Kosten verbunden. Des Weite-
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ren sind die TCO (Total Cost of Ownership) in den meisten Unternehmen für die Prozesse und die IT nicht bekannt und werden daher meistens geschätzt angesetzt, welches die Berechnung ebenfalls erschwert. Ein weiterer Faktor für die Berechnung der Kostenvorteile sind die weit divergierenden durchschnittlichen Kosten je nach Herkunftsland für Offshore Dienstleistungen. Beispielhaft aufgeführte durchschnittlichen Arbeitskosten für Ingenieure in Euro pro Arbeitstunde: 6,00 Euro in Indien, 8,50 Euro in China und 7,50 bis 10,50 Euro in Osteuropa. Aufgrund der aufgeführten Einflussfaktoren ist die Ermittlung der Einsparungen durch Onsite-Offsite-Entwicklung häufig schwierig und die ermittelten Einsparungen können sehr stark variieren. Die Preisentwicklung über Zeit in den Offshore-Ländern sollte ebenfalls in bei der Berechnung des Einsparungspotenzials berücksichtigt werden. So ist zum Beispiel in Indien ein starker Preisdruck aufgrund der hohen Nachfrage nach qualifizierten und erfahrenen Mitarbeitern zu verzeichnen. Know-how-Transfer: Der externe Know-how-Transfer birgt großes Potenzial für ein Outsourcingprojekt. Die Qualifizierung und Verfügbarkeit der Mitarbeiter des OutsourcingDienstleisters übersteigt im Allgemeinen das Onsite-Angebot. Das fachliche und technische Know-how der Mitarbeiter des Outsourcing-Dienstleisters ist sehr gut. Die Mitarbeiter haben meist ein sehr hohes und tiefes Spezialwissen in ihren Bereichen. Die Fluktuationsrate bei den Mitarbeitern Onsite ist häufig sehr hoch, dies ist aber nicht so bei Offshore-Dienstleistern. Vorteile durch verbesserten und transparenteren interne Knowhow-Transfer sind ebenfalls zu verzeichnen, da Mitarbeiter gezwungen werden, viele Prozesse und Produkte wesentlich genauer zu spezifizieren. Um auch langfristig das Potenzial des Outsourcings nutzen zu können, sollte der Auftraggeber darauf achten, dass eine Portierung des Know-hows und der Anwendung in einen anderen Outsourcing-Markt möglich ist, um so gegebenenfalls anfallenden Preissteigerungen entgegen wirken zu können. Time-to-Market: Time-to-Market ist häufig geringer als in herkömmlichen Projekten, da die entsprechend qualifizierten Mitarbeiter des Outsourcing Dienstleisters in hoher Anzahl – auch kurzfristig – zur Verfügung gestellt werden können. Das Potenzial der verkürzten Projektlaufzeit ist ein wesentlicher Vorteil von Outsourcing-Projekten. Potenzielle Nachteile eines Onsite-Offshore-Projektes erfordern zur Minimierung ein starkes Projektmanagament seitens des Auftraggebers. Neben einem anderen Kommunikationsverhalten sind kulturelle Einflußfaktoren maßgeblich zu berücksichtigen. Kommunikationsverhalten: Der Kommunikationsaufwand gegenüber herkömmlichen Projekten ist stark erhöht und erschwert. Zusätzliche Aufwände sind für die Gewährleistung der Koordination und Abstimmung der Onsite- und Offsite-Teams notwendig. Jegliche Art von Kommunikation erfordert Zusatzaufwände, um sprachliche Barrieren und kulturelle Unterschiede entsprechend zu berücksichtigen. Es ist daher empfehlenswert, ein Glossar für Fachbegriffe aufzubauen. Zudem sollten bei der Projektplanung höhere Aufwände für Reviews des Auftragsgebers angesetzt werden. Vorteilhaft ist außerdem auch die Verfügbarkeit eines Onsite-Teams während der gesamten Projektlaufzeit.
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Kulturelle Unterschiede: Kulturelle Unterschiede bedingen mögliche Projektrisiken die sowohl das Zeit- als auch Kosteneinsparungspotenzial deutlich beeinträchtigen können. Ist zum Beispiel das Hierarchiedenken sehr stark ausgeprägt, werden Aufgaben und Spezifikationen leicht unreflektiert bearbeitet. Dies kann zu Doppelaufwand führen. Es ist daher erforderlich, Aufgabenbereiche und Verantwortlichkeiten klar zu definieren. Der Auftraggeber sollte zudem das proaktive „Mitdenken“ des Dienstleisters immer wieder einfordern. Unter dem Gesichtspunkt einen Imageverlust zu erleiden, sprechen zum Beispiel indische Mitarbeiter ein „Nein“ auch dann nicht aus, wenn Anforderungen oder terminliche Vorgaben unrealistisch sind. Zeitliche Verzögerungen sind dann häufig eine Folge. Abbildung 6 bietet zusammenfassend eine Übersicht über die kritischsten Do’s and Don’ts eines Onsite-Offshore-Projektes in Bezug auf Ökonomie, Vertrag, Organisation, Prozess, Technik und Fachlichkeit. Die Beachtung dieser Do’s und Don’ts unterstützt die Projektleitung dabei, die Risiken in einem Onsite-Offshore-Projekt zu minimieren.
Bereich Ökonomie
Vertrag
Organisation
Prozess
Technik
Fachlichkeit
Abbildung 6:
Do‘s
Don‘ts
Beibehaltung der Kernprozesse und – kompetenzen Definition der Outsourcing-Themen
Willkürliche Auswahl von Projekten Fehlende Beachtung der “versteckten“ Kosten
Abgrenzung der Aufgaben Exakte Definition der SLAs
Unterschätzung der Aufwände für das Vertragsmanagement
Definition von Verantwortlichkeiten Beachtung der kulturellen Unterschiede
Aufbau eines reinen Offshore-Teams vom Dienstleister Fehlende Betrachtung des internen erhöhten Koordinationsaufwandes
Standardisierung von Prozessen Exakte Definition von Deliverables (Inhalt und Detaillierung)
Weitergabe von nicht strukturierten Prozessen Fehlende Abstimmung der Methodik
Aufbau von Kommunikationswegen und der Infrastruktur in allen Projektphasen
Mangelnde Klärung der Architektur (z.B. Art des Einsatzes von EAI)
Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen durch den Dienstleister
Fehlende Unterstützung/ Check bei rechtlichen Themen
Übersicht Do’s und Don’ts
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5.
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Onshore-Offshore-Projekte: Beispiele
1. Beispiel: Application Management1 für ein Kundendatensystem eines deutschen Finanzinstitutes Ein führendes deutsches Finanzinstitut hat die Consileon Business Consultancy GmbH mit der Aufgabe des Application Service Providing für ein neu eingeführtes Kundendatensystem auf J2EE Basis beauftragt. Die Aufgabe umfasst die umfassende Weiterentwicklung sowie die Pflege und Wartung des Kundendatensystems, nicht aber den Betrieb. Über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren wurden unterschiedliche Releases unter der Vorgabe FixedPrice und Fixed-Time erfolgreich dem Auftraggeber übergeben. Es wird davon ausgegangen, dass eine Kosteneinsparung für den Kunden von circa 50 Prozent gegenüber einem herkömmlichen Entwicklungsprojekt erzielt wurde. Zu Beginn des Projektes sowie während der allerersten Entwicklungsphase wurden viele Aufgaben von einem erweiterten Onsite-Team beim Kunden durchgeführt, doch hat man über Zeit zunehmend Aufgaben an zwei Offshore-Teams in Polen sowie ein Offshore-Team in der Ukraine ausgelagert. Diese Offshore-Teams wurden mit ehemaligen Onsite-Team Mitarbeitern besetzt. Nach der Einarbeitungsphase sah das Projektstaffing wie folgt aus: Auftraggeber: Circa drei Mitarbeiter Onsite (ein technischer Ansprechpartner, ein fachlich-technischer Ansprechpartner, ein Projektmanager). Consileon Business Consultancy GmbH: Circa zwei bis vier Mitarbeiter Onsite (Projektmanager/Koordinator, technischer Koordinator, fachlich-technischer Ansprechpartner). Circa fünf Entwickler Offshore in Polen 1,5 Entwickler Offshore Polen 2,5 Entwickler Offshore Ukraine. Die Arbeitsverteilung dieses Projektes weicht leicht von der in Abbildung 4 dargestellten Form ab. Für dieses Projekt wurden Offshore-Mitglieder nicht nur in die Angebotserstellung, sondern auch in die Machbarkeitsstudie miteinbezogen. Zudem wurde die Designphase sowohl Onsite als auch Offshore betrieben, indem Onsite die Vorgaben für die Architektur entwickelt wurden und die Detaillierung und Umsetzung Offshore erfolgte. Ebenfalls lokal redundant wurde der Support angesetzt. Der Support-Ansprechpartner und Koordinator wurde Onsite vorgehalten, während der technische Support Offshore angesiedelt wurde.
1
Application Management als Spezialfall des Application Service Providing beinhaltet nicht den Betrieb der entsprechenden Server.
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Beispielhaft wird hier die Aufgabenteilung der Onsite und Offshore bei einem Application Service Providing-Projekt (Entwicklung) dargestellt: Onsite Machbarkeitsstudie
Angebot
Pflichten- Konzeption heft
Test
Inbetriebnahme
Support
Offshore Machbarkeitsstudie
Abbildung 7:
Angebot
Design
Entwicklung
Test
Wartung
Aufgabenverteilung Projektbeispiel – Kundendatensystem
Um den Onsite-Offsite-Projektrisiken entgegenzuwirken und den Projekterfolg zu sichern, wurden folgende Maßnahmen im Projekt ergriffen: Überbrückung der räumlichen Trennung: Alle Teammitglieder haben mindestens vier Wochen Einarbeitungszeit Onsite verbracht, um den Kunden und das Projekt besser zu verstehen sowie um persönliche Kontakte zum Kunden zuschließen. Letzteres ermöglichte eine effektivere und direkte Kommunikation zum Kunden. Rückfragen bzw. Probleme konnten so oft bilateral geklärt werden, ohne Einbeziehung des Projektmanagements. Es wurde so eine deutliche Reduzierung des Eskalationsaufwandes erreicht. Zudem hat die sehr hohe Kontinuität im Team wesentlich zum Projekterfolg beigetragen. Ein zwei- bis vierwöchiger Onsite-Aufenthalt kritischer Offshore-Mitglieder kurz vor ReleaseAuslieferung ermöglichte eine deutliche Reduzierung der Testphase. Es können so circa 50 Prozent des Testaufwandes eingespart werden und das Produkt kann so noch schneller ausgeliefert werden. Enges Projektmanagement: Die Koordinations- und Projektmanagement Aufgaben beim Arbeiten mit verteilten Teams wurden durch webbasierte Steuerungstools maßgeblich unterstützt. Es wurde ein Projektmanagementtool, eine Wissensdatenbank sowie eine Fehlerdatenbank eingesetzt. Überbrückung sprachlicher und kultureller Hindernisse: Voraussetzung für den Einsatz von Offshore-Teammitgliedern ist im Minimum ein Verständnis für geschriebenes Deutsch bzw. in Ausnahmen fand eine Förderung des Sprachverständnisses durch begleitende Sprachkurse statt. Ein ähnliches kulturelles Verständnis für Zeitvorgaben und Qualität in Osteuropa und Deutschland minimiert kulturelle Projektrisiken.
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2. Beispiel: Application Service Providing Kundendatensystem Consileon war maßgeblich an der IT-Strategie und Umsetzung einer Kreditbank beteiligt und leitet ein Onsite-Offshore-Projekt mit circa 30 Personen Onsite. Im Rahmen des Onsite-Offshore-Projektes wurden die Machbarkeitstudie und das Pflichtenheft erstellt, gefolgt von den Konzeptions- und Umsetzungsphasen. Die Konzeptionsphase mit Fach-, DV- und Architekturkonzepten war die Basis für die Einführung einer neuen Core Banking Software für die Spezialbank (Kreditfinanzierung) auf Basis eines StandardProduktes eines Offshore-Anbieters und eines Offshore-Integrators Auftraggeber: Circa 12 Mitarbeiter Onsite Indische Firma 1: Circa 7 bis 13 Mitarbeiter Onsite (Projektmanager/Koordinator, technischer Koordinator, fachlich-technischer Ansprechpartner, Entwickler). Circa 45 Entwickler Offshore in Indien. Indische Firma 2: Circa 4 Mitarbeiter Onsite (Projektmanager/Koordinator, technischer Koordinator, fachlich-technischer Ansprechpartner). Circa 18 Entwickler Offshore in Indien. Folgende Erfahrungen ergeben sich aufgrund dieses Projektes: Kulturelle Unterschiede in Hierarchie und Kommunikationsverhalten haben zu wesentlichen Doppelaufwänden geführt und eine deutliche zeitliche Verzögerung verursacht. Deutschlandspezifische Anforderungen in der Kreditbearbeitung wie aber auch Anforderungen der deutschen Rechtsprechung (zum Beispiel Meldewesen) waren zum Teil nicht umgesetzt. Die Kommunikation der länderspezifischen Unterschiede in englischer Sprache führte Kunden- und Outsourcerseitig zu diversen Missverständnissen. Räumliche Distanz zu den indischen Teams und fehlender persönlicher Austausch mit den Entwicklern in Indien führte zu vielen Eskalationsveranstaltungen, da Konflikte häufig nicht bilateral geklärt werden konnten.
Flexible ICT-Ressourcen – Dynamic Services
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Flexible ICT-Ressourcen – Dynamic Services Marcus Hacke
1. Einleitung 2. Die Ausgangslage: schwankende ICT Bedarfe – fixe überdimensionierte ICT Ressourcen 3. Die intelligente Alternative: Dynamic Services 4. Variable Leistung für nutzungsabhängiges Entgelt: die Vorteile 5. Von Sprache und Applikationen bis zum Großrechner: Beispiele für verschiedene Arten von Dynamic Services 5.1 Dynamic Services for SAP® 5.2 Dynamic Services for Lotus Domino® 5.3 Dynamic Mainframe Services 5.4 Dynamic Archiving Services 5.5 Dynamic VoIP-Services257 6. Anwenderbeispiel: die DAK nutzt Telefonanlage aus dem Netz dynamsich 7. Der Trend geht weltweit zu Dynamic Services Literaturverzeichnis
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1.
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Einleitung
Geschäftseinheiten jederzeit ausreichend ICT-Ressourcen (ICT = Information and Communications Technology) zur Verfügung zu stellen, ohne dabei nicht benötigte, teure Kapazitäten vorzuhalten – vor dieser Herausforderung stehen die ICT-Verantwortlichen in allen Unternehmen. Hier setzt das Konzept der Dynamic Services an: Nur das nutzen und bezahlen, was man wirklich benötigt, und dieses jederzeit sicher, schnell und günstig. Mit diesem Konzept passen Unternehmen ICT-Ressourcen exakt an ihren tagesaktuellen Geschäftsbedarf beziehungsweise an den Bedarf der Anwendungen an. Kunden können durch diese neuen Nutzungsformen 30 Prozent und mehr bei ihren ICT-Ausgaben einsparen. Von einzelnen Anwendungen bis zu Serverleistungen können sich Kunden eigene Hard- und Software vollständig sparen und dennoch deren volle Leistung nutzen. Alle Anwendungen und ICT-Ressourcen beziehen sie stattdessen je nach aktuellem Bedarf aus einem Rechenzentrum des ICT-Dienstleisters. Mit Dynamic Services bezahlen Unternehmen nur die jeweils bestellte Menge und verwandeln somit fixe Ausgaben in variable Kosten. Das modulare Dynamic-Services-Angebot der ICT-Dienstleister eignet sich für mittelständische Einzelunternehmen genauso wie für multinationale Konzerne mit vielen weltweit verteilten Standorten. Die maßgeschneiderten Pakete, die auch das Netzwerk beinhalten, sind jeweils an die Größe, das Budget und die ICT-Anforderungen angepasst. Für Unternehmen, die ihre ICT auslagern, rückt damit das Kerngeschäft in den Mittelpunkt. Für ihre ICT sorgt der Dynamic-Services-Dienstleister, vom sicheren Betrieb bis zum Bereitstellen von Ressourcen in der richtigen Menge, rund um die Uhr und weltweit. Dynamic Services im Überblick: ICT-Ressourcen wie Strom und Wasser beziehen, pay per use: nur die bestellten Leistungen bezahlen, ICT-Kapazitäten schnell und flexibel an die Geschäftserfordernisse anpassen, transparente Abrechnung und hohe Servicequalität, keine unnötige Kapitalbindung, volle ICT-Leistung inklusive der erforderlichen Bandbreiten auch ohne eigene Infrastruktur, Senkung der TCO (Total Cost of Ownership) um circa 30 Prozent, nach internationalen Sicherheitsnormen zertifizierte Rechenzentren.
Flexible ICT-Ressourcen – Dynamic Services
2.
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Die Ausgangslage: schwankende ICT-Bedarfe – fixe überdimensionierte ICT-Ressourcen
Von Applikationen bis zum Zentralrechner: In fast allen Unternehmen gleich welcher Größe schwankt der Bedarf an Verarbeitungskapazität je nach Tageszeit, Saison, Unternehmenswachstum oder individuellen Kundenanforderungen erheblich. Viele Unternehmen benötigen die volle Rechenleistung nur alle vier Wochen bei den Monatsabschlüssen im ERP-System (Enterprise Resource Planning), andere nur ein bis zwei Monate im Jahr zum Beispiel für das Weihnachtsgeschäft. Dennoch müssen Unternehmen ihre ICT-Ressourcen für die Maximallastzeiten auslegen. Tatsächlich benötigt werden die vorhandenen Kapazitäten nur an wenigen Tagen im Jahr. Die durchschnittliche Auslastung von ICT-Ressourcen bei Eigenbetrieb liegt bei lediglich 20 Prozent. Die Unternehmen binden damit für diese Reserven Kapital, das ihnen dann für Investitionen in das Kerngeschäft fehlt. Um wenigstens etwas zu sparen, berechnen viele Unternehmen den Höchstbedarf zudem an der untersten Grenze. Langfristige und statische Nutzungsverträge mit Providern machen es dabei unmöglich, die Leistungen bei Bedarf flexibel und schnell anzupassen. Dadurch kommt es bei Lastspitzen dann trotzdem zu Engpässen, Wartezeiten und entgangenem Gewinn.
3.
Die intelligente Alternative: Dynamic Services
Was Unternehmen benötigen, sind flexible ICT-Infrastrukturen, bei denen sie exakt nur die Leistungen bezahlen, die sie wirklich verbrauchen. Die Antwort hierauf sind Dynamic Services. Statt die ICT-Ressourcen für gelegentliche Bedarfsschwankungen dauerhaft auf Maximallast auszulegen, beziehen Unternehmen genau die Menge an ICT-Kapazität von ihrem Dynamic-Services-Dienstleister, die sie aktuell benötigen. Im Prinzip genauso wie Strom, Wasser oder Gas. Dies kann je nach Geschäftsverlauf mal mehr, und auch mal weniger sein. Unternehmen können so mit den Dynamic Services ICT-Kapazitäten kurzfristig an ihren Bedarf anpassen, das heißt erhöhen oder senken. Vielfach rufen die Applikationen die benötigten Ressourcen sogar völlig selbstständig ab. Analysten der International Data Corporation (IDC) bezeichnen diese Lösung als die ideale Form einer ICT-Architektur. Die Unternehmensberatung befragte potenzielle Kunden zu den neuen dynamischen Modellen. Das Ergebnis: Die Mehrzahl, rund drei Viertel, bevorzugt eine Bezahlung abhängig vom Verbrauch (pay-per-use).
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Abbildung 1: Die Mehrzahl der Unternehmen will nach Verbrauch bezahlen Quelle: „Utility Computing in Deutschland aus Sicht der Anwender: Erwartungen, Trends und Strategien“ (IDC 2004) Virtuelle ICT-Ressourcen Die technische Basis für diese Dynamic Services ist die sogenannte Virtualisierung von ICTRessourcen: Die einem Kunden individuell zugeordnete Hardware – Server, Netzwerke und Speicherstrukturen – ist dabei nur noch temporär für diesen allokiert. Dabei stellt der Dynamic-Services-Dienstleister die ICT-Kapazitäten im Rechenzentrum über das sichere VPN zum Beispiel auf MPLS-Basis (Multi-Protocol Label Switching) zum Online-Abruf bereit. In einem MPLS-Netz herrscht das Prinzip der Vorfahrtregelung nach Verkehrsklassen. Geschäftskritische Anwendungen behandelt das Netz nach vorgegebenen Regeln bevorzugt. Bei Dynamic Services stellt der ICT-Dienstleiter Prozessorleistungen, Speicherressourcen sowie Applikationen bereit und betreibt und wartet die komplette Hard- und Software. Daneben können Unternehmen automatisierte Archivierungs-, Speicher- und Sicherungslösungen für das jahrelange revisionssichere Aufbewahren riesiger Datenmengen beziehen. Die Netzwerkkosten sind in den gesamten Serviceleistungen genauso enthalten. Die Unternehmen gehen also keine Investitionsrisiken ein und setzen Kapitalreserven frei, die sie für das Kerngeschäft benötigen. Dies ist gerade auch mit Blick auf Basel II interessant.
Flexible ICT-Ressourcen – Dynamic Services
4.
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Variable Leistung für nutzungsabhängiges Entgelt: die Vorteile
Dynamic Services machen Unternehmen flexibel und reduzieren die Kosten. Laut Analysten können Unternehmen 30 Prozent der ICT-Kosten und mehr über den gesamten Lebenszyklus einsparen, wenn sie Dynamic Services einsetzen. Schließlich bezahlen Kunden nur noch pro Zeiteinheit und Leistungsmenge. Sie benötigen keine eigene Hard- und Software und nutzen dennoch deren volle Leistung einschließlich umfangreicher Servicevereinbarungen und Lösungen für das Online-Monitoring, mit denen Kunden die bezogenen Leistungen online überwachen und managen. Spezielle technische Voraussetzungen beim Unternehmen sind nicht erforderlich. Auch der Standort spielt durch die zentrale Bereitstellung der Dienste keine Rolle. Das Ergebnis: Unternehmen müssen Hard- und Software nicht mehr für gelegentliche Spitzenlasten wie beim Weihnachtsgeschäft oder beim Jahresabschluss vorhalten. So werden aus über dem tatsächlichen Bedarf liegenden fixen Kosten verbrauchsabhängige, variable Ausgaben. Die Unternehmen zahlen nur noch das, was sie tatsächlich bestellt haben (pay-per-use). Auch die Netzwerkanbindung ist in den Serviceleistungen enthalten. Damit binden Unternehmen nicht unnötig Kapital und gehen auch keine großen Investitionsrisiken ein. Sie erhalten am Ende einer festgelegten Periode eine transparente, vom Verbrauch abhängige Rechnung.
Ein Vielfaches an Rechenleistung Durch die dynamischen Partitionierungen werden die Server ideal ausgenutzt, denn jede Partition kann separat benutzt werden. Zudem kann eine Applikation auf vielen verschiedenen Servern verteilt werden, denn der Applikation ist es schließlich gleich, auf welchem Server sie de facto läuft. Die virtuellen Server-Ressourcen ermöglichen es zudem, bisherige Hardwaregrenzen zu überwinden. Der vernetzte Serververbund besitzt ein Vielfaches an Rechenkapazität gegenüber einem einzelnen Computer. Dies schlägt sich in Skaleneffekten nieder und führt zu weiteren Kostenvorteilen für Unternehmen, die Dynamic Services nutzen.
Immer auf dem neuesten Stand der Technologie Unternehmen verfügen zudem permanent über ICT-Infrastrukturen auf dem neuesten Stand, da der Dynamic-Services-Dienstleister die eigenen Systeme kontinuierlich aktualisiert, pflegt und wartet. Das gesamte Technologierisiko liegt somit beim Dienstleister. Investitionen für Hardware, Systembetreuung sowie Spezialwissen entfallen dadurch für Unternehmen.
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Schnell und flexibel erweiterbar Regionale, nationale oder globale Erweiterungen der Dienste sind zudem schnell und sehr flexibel möglich, da die Dienste unabhängig von Standortstrukturen zentral bereitstehen. Selbst beim Zukauf eines ganzen Unternehmens benötigen Kunden im Wesentlichen nur eine Netz- oder Telekommunikationsverbindung, damit der neue Geschäftsbereich die bereits vorhandenen Applikationen schnell nutzen kann. Bei allen Leistungen berücksichtigt der ICT-Service-Provider die jeweiligen gesetzlichen Anforderungen des Zielmarktes, zum Beispiel bezüglich Desaster Recovery, der Archivierung von Informationen oder des Datenschutzes.
Einfache Administration Der CIO kauft ICT-Ressourcen als Dienstleistung ein, nutzt alle technologischen Vorteile und verfügt über eine sichere Lösung, die der Dienstleister verantwortet. Ob in New York, Rio oder Tokio: Aus einem zentralen Rechenzentrum lassen sich die weltweit angeforderten Bedarfe bereitstellen und die individuell benötigten Ressourcen auf Knopfdruck online abrufen. In einem Unternehmen mit 30 Filialen zum Beispiel greifen alle auf denselben Datenbestand zu. Dies reduziert die Komplexität und vereinfacht die Administration.
Outsourcing nach Wunsch selektiv Bei allen Leistungen kann der Kunde selbst entscheiden, wie viel ICT-Verantwortung er an den Dynamic-Services-Dienstleister abgibt. Im Normalfall befindet sich die komplette Infrastruktur im Eigentum des Dienstleisters, der den Dienst in seinem Rechenzentrum bereitstellt. Der Kunde kann auf Wunsch nur Teile seiner Anwendungslandschaft auslagern, beispielsweise Mail-Server oder Warenwirtschaftssysteme. Der ICT-Dienstleister zum Beispiel übernimmt den vollständigen Betrieb des Microsoft-Exchange-Servers oder des Lotus-DominoServers für E-Mails.
Übergreifende Service Level Unternehmen können Service Level Agreements entlang der gesamten Wertschöpfungskette vereinbaren, je nachdem, welche Leistung sie benötigen. Damit lässt sich einfach kontrollieren, inwieweit der Dienstleister die zugesagten Leistungen einhält. Bei den Dynamic Services zählt der Output, also das, was beim Kunden an Leistung ankommt. Vereinbart ein Kunde ein SLA für die Nutzung einer Applikation, so beinhaltet dies bereits die Server- und Netzverfügbarkeit. Können Kunden Applikationen im vereinbarten Umfang nutzen, wissen sie, dass die übergreifenden SLA-Zusagen stimmen. Sie benötigen die Verfügbarkeit für ihre Anwendungen, nicht für den Rechner, auf dem diese laufen. Regelmäßige Berichte zeigen dem
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Unternehmen zusätzlich, inwieweit die Leistungsgarantien vom Dienstleister eingehalten wurden. Sie informieren Kunden über den aktuellen Verbrauch, die aktuellsten Versionsstände und die Systemverfügbarkeit.
Konzentration auf das Kerngeschäft Indem die Verantwortung für die bereitgestellten ICT-Ressourcen und ihre Wartung auf den Dienstleister übergeht, kann sich der Kunde stärker auf sein Kerngeschäft konzentrieren. Mittel- bis langfristig sparen die Dynamic Services Kunden zudem erhebliche Personalkosten, weil sie keine eigenen Mitarbeiter im Betrieb von ICT-Ressourcen zu schulen brauchen und diese sich auf die wesentlichen strategischen ICT-Aufgaben beschränken können.
5.
Von Sprache und Applikationen bis zum Großrechner: Beispiele für verschiedene Arten von Dynamic Services
Dynamic Services funktionieren für viele Standard-Geschäftsanwendungen wie SAP® (unter anderem R/3), Microsoft Navision®, Microsoft Exchange® (Exchange Server, Navision), IBM Lotus Domino® (Lotus Domino, Lotus Notes) etc. sowie für Archivierungslösungen bis hin zu Webapplikationen und Datenbanken. Zudem können Unternehmen auch für viele Individualanwendungen Dynamic Services nutzen.
5.1
Dynamic Services for SAP®
Die „Dynamic Services for SAP®“ erlauben es Unternehmen, SAP-Ressourcen entsprechend ihres Geschäftsverlaufs zu beziehen. Durch Automatisierung, Standardisierung und Virtualisierung lassen sich Anwendungen in wenigen Minuten komplett nutzen. Der Kunde bezieht nur die Rechen-, Speicher-, Back-up-, Netzwerk- und Archivierungsleistungen, die er aktuell braucht. Durch die dynamische Partitionierung von Prozessoren, Speicherplatten und Datenkanälen können verschiedene SAP-Outsourcing-Kunden gemeinsam die Infrastruktur zu günstigen Konditionen nutzen. Jeder zahlt nur so viel davon, wie er gerade benötigt.
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Dynamic Services for Lotus Domino®
Lotus Domino ist eine erfolgreiche und seit langem bewährte Technologie für den Nachrichtenaustausch und die Online-Zusammenarbeit. Das System unterstützt in vielen Unternehmen Prozesse, die zum Kerngeschäft gehören. Ein Ausfall des Systems kann daher zu enormen wirtschaftlichen Schäden führen. Ein 7x24-Stunden-Betrieb, das Einbinden von mobilen Nutzern sowie Revisionssicherheit sind wichtige Anforderungen, die es in der Qualität vereinbarter Service Levels umzusetzen gilt. Beziehen Unternehmen Ressourcen für Lotus Domino dynamisch, stehen ihnen jederzeit die zu ihrem Geschäftsbedarf passenden Kapazitäten zur Verfügung. Auch hier bezahlen Kunden nur die in Anspruch genommenen Dienste und Ressourcen. Dies gilt von der IT–Infrastruktur im Rechenzentrum bis zur Domino-Anwendungsunterstützung. Für jede Mailbox existiert zudem ein Festpreis. Der Service schließt auch Sicherheitsmechanismen ein wie zum Beispiel Firewall sowie Anti-Viren- und Anti-Spam-Programme.
5.3
Dynamic Mainframe Services
Viele Unternehmen setzen nach wie vor auf bewährte Mainframes, und dies unabhängig von ihrer Größe und Branche. Auch nach rund 40 Jahren gehören sie immer noch zu den sichersten und zuverlässigsten Rechnersystemen. Laut der Aberdeen Group laufen rund 70 Prozent aller geschäftskritischen Daten auf Mainframe-Anwendungen. Eine der größten Herausforderungen für Unternehmen jeder Größe lautet daher: Wie lassen sich Mainframe-Leistungen schnell und flexibel mit immer neuen Geschäftsanforderungen und Rahmenbedingungen synchronisieren, ohne den Betrieb permanent auf kostspielige Maximalkapazitäten auszurichten und ständig neuen Technologien zu folgen? Die Antwort klingt so unglaublich wie einfach: auf eigene Großrechner verzichten. Statt selbst in komplexe Anlagen zu investieren, beziehen mehr und mehr Unternehmen die gesamte Leistung je nach Tagesbedarf aus dem Rechenzentrum eines Dienstleisters – genau wie Strom aus der Steckdose. Manches lässt sich auch einfach im Kopf rechnen: Wenn Unternehmen für Großrechner das ganze Jahr über die vollen ICT-Ressourcen vorhalten, obwohl sie diese nur im Saisongeschäft oder für den Jahresabschluss benötigen, haben sie unnötig hohe Kosten durch Leerstandskapazitäten. Zudem ist Personal mit Mainframe-Know-how mittlerweile selten und entsprechend teuer. Da kommt es viel günstiger, sich die komplette Hardware zu sparen und die komplette Rechenleistung sowie alle verbundenen Services wie beispielsweise Speicherleistung über eine Netzanbindung zu beziehen.
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Dynamic Archiving Services
Unternehmen müssen geschäftsrelevante Dokumente langfristig rechtssicher aufbewahren. So wollen es die Gesetzgeber. Fristeten Aktenberge dadurch bisher in Kellerräumen ein staubiges Dasein, liegt heute ein Großteil der Dokumente bereits digital vor. Wie die zu archivieren sind, schreiben in Deutschland unter anderem die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) vor. Für viele Unternehmen ohne entsprechende Infrastruktur und Software bedeutet dies großen Aufwand. Denn digitale Archivlösungen entfalten ihre volle Leistung nur bei einem nahtlosen Zusammenspiel mit allen Unternehmensprozessen. Neben Analyse, Implementierung und Betrieb einer technisch und wirtschaftlich optimalen Plattform und eines leistungsfähigen Dokumentenmanagementsystems (DMS) muss das Unternehmen zudem für Nachhaltigkeit der Lösung sorgen. Durch detaillierte Auflagen und längere Aufbewahrungsfristen sind zunehmend größere Aufwendungen notwendig, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Daher sind flexible, universell einsetzbare Lösungen gefragt, die wenig Kapital binden und den Unternehmen Luft für Investitionen ins Kerngeschäft bringen. Eine Alternative zum Eigenbetrieb bieten neue Modelle wie die Dynamic Archiving Services. Hier bezahlen Unternehmen Archivierungsleistungen nach Volumen. Statt hoher Investitions- und Betriebsausgaben fallen Kosten in Abhängigkeit der benötigten Archivspeicher an. Auch einmalige Kosten für die Wartung, erforderliche Updates – insbesondere bei Technologieumbrüchen – und Lösungserweiterungen gehören damit der Vergangenheit an. Sie nutzen stets die aktuellste Technologie des ICT-Dienstleisters, die dieser im eigenen Rechenzentrum selbst wartet, pflegt und aktualisiert. Da die digitalen Dokumente in so verschiedenen Unternehmensapplikationen wie Buchführungs-, ERP- oder Mail-Systemen entstehen, sorgen Standard-Schnittstellen für den medienbruchfreien Übergang ins digitale Archiv. Somit integriert sich dieser Archiv-Services nahtlos in die Unternehmensprozesse. Regelmäßige Upgrades sowie der Schutz der abgelegten Daten sowohl gegen Veränderung als auch Verlust ist ebenfalls Bestandteil des Services. Außerdem können unliebsame Routineaufgaben wie das Einscannen der Dokumente vom Dienstleister übernommen werden.
5.5
Dynamic VoIP-Services
Auch die Telefonanlage können Unternehmen komplett nach Bedarf aus dem Netz beziehen. Der Dynamic-Services-Provider betreibt eine netzbasierte Lösung, die zudem alle Kommunikationsfunktionen unter einem Dach zur Verfügung stellt: Telefonie, Fax, E-Mail, VoiceMail, Videokonferenzen und viele andere Funktionen. Mit Dynamic VoIP-Services (Voiceover-IPServices) bietet sich somit außerdem die Möglichkeit, die gesamte Sprach- und Datenkommunikation kostengünstig über ein einheitliches Netz zu nutzen und zu steuern.
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Marcus Hacke
Das mögliche Spektrum der Dynamic VoIP-Services ist vielfältig: Module, die ein Kunde bestellen kann, sind beispielsweise klassische Telefonanlagen-Funktionen (Anrufweiterleitung, Makeln, Konferenzen), Endgeräte, Voice-Mail, Unified Messaging, Computer Telephony Integration (CTI), Audio- und Videokonferenzen sowie vollständig ausgestattete Callcenter. Unternehmen verwirklichen mit Dynamic VoIP-Services somit individuelle Kommunikationswünsche und bezahlen nur für tatsächlich benötigte Leistungen. Hohe Investitionen in eigene Hard- und Software sind nicht erforderlich. Stattdessen zahlen Kunden nach dem Prinzip „pay for what you use“ einen monatlichen Preis für die genutzten Funktionen pro Arbeitsplatz. Ein harter Schnitt ist für Dynamic VoIP-Services nicht nötig: Die bestehende Telefonanlage und die dazugehörige Infrastruktur lassen sich nahtlos integrieren und weiter nutzen. So kann ein Kunde sanft auf dynamische VoIP-Dienste umsteigen und zum Beispiel zunächst mit einer neuen Filiale beginnen.
6.
Anwenderbeispiel: die DAK nutzt Telefonanlage aus dem Netz dynamisch
Das Fraunhofer Institut hat fünf Schlüsselbranchen identifiziert, für die sich Dynamic Services besonders eignen. Das sind der Automobil- und Maschinenbau, der Finanzbereich, die Pharmaindustrie sowie die Medien. Insbesondere diese Branchen sind demnach immer wieder mit temporären Lastspitzen konfrontiert. Im Automobilbau beispielsweise treffen sich immer wieder Hersteller und Lieferanten online, um für einen bestimmten Zeitraum große Datenmengen beziehen, teilen und austauschen zu können. Danach arbeiten die Kooperationspartner wieder in ihrem jeweils eigenen Bereich und benötigen entsprechend weniger ICT-Ressourcen. Die maßgeschneiderten Pakete, die auch das Netzwerk beinhalten, sind jeweils an die Größe, das Budget und die benötigten ICT-Funktionen angepasst. Das folgende Beispiel zeigt, wie ein Versicherungsunternehmen von Dynamic Services profitieren kann. Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) wird zukünftig ein zentrales, auf dem Internet-Protokoll (IP) basierendes Netz für die gesamte Sprach- und Datenkommunikation nutzen. T-Systems betreibt die Lösung Dynamic Voice Services für Deutschlands zweitgrößte deutsche Krankenkasse mit rund 6,2 Millionen Versicherten. Die bundesweit rund 14.000 Mitarbeiter in den etwa 900 Geschäftsstellen der DAK werden künftig mit IP-Telefonen in einem virtuellen privaten Netz (kurz VPN) telefonieren. Dadurch entfallen Kosten für alle Telefonate innerhalb des DAK-Netzes.
Flexible ICT-Ressourcen – Dynamic Services
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Die IP-Plattform bietet der DAK darüber hinaus den Einstieg in die Funktionalitäten der Computer Telephony Integration (CTI), mit denen die Geschäftsstellen ihre Kommunikation untereinander und mit den Kunden leichter steuern. So verteilt das System Anrufe nach vorgegebenen Kriterien automatisch und aufgabenbezogen an den richtigen DAK-Mitarbeiter. Rufen Kunden eine Nummer an, die gerade besetzt ist, leitet die T-Systems-Lösung den Anruf direkt an einen freien Apparat weiter. Durch das mit der zentralen Datenbank verbundene Telefonsystem erhält der Mitarbeiter alle Informationen über den Anrufer in Echtzeit auf dem Bildschirm angezeigt. Er kann diesen somit gezielt beraten. Auch der Außendienst wird aktiv in das Netz eingebunden. Auf diese Weise gehen keine Kundenanrufe verloren und die Mitarbeiter können die DAK-Kunden schneller und besser bedienen. Ein weiterer Vorteil der Lösung: Die einzelnen Geschäftsstellen benötigen keine Telekommunikationsanlagen mehr. Sie beziehen sämtliche Funktionen einfach aus dem Netz. Dies verringert erheblich den Zeitaufwand und die Kosten für den Betrieb und Service der Geräte und Software in den Filialen. Die dynamische Applikation aus dem Netz passt sich zudem flexibel den aktuellen Bedürfnissen an. Wenn Mitarbeiter dazukommen, muss die DAK nicht in eine neue, größere TKAnlage investieren. Wenn Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, gibt es keine ungenutzten TK-Anlagen-Ports.
7.
Der Trend geht weltweit zu Dynamic Services
Schon heute nutzen über 100 Unternehmen aus der ganzen Welt dieses Angebot. Beispielsweise bezieht mit Mattson Technology Inc. auch ein Kunde aus der amerikanischen Halbleiterindustrie SAP-Ressourcen aus dem Netz von T-Systems. Insgesamt sieht Current Analysis Dynamic Services aufgrund der höheren Flexibilität und Geschwindigkeit sowie den Preisvorteilen gegenüber statischen ASP-Modellen mit meist langen Laufzeiten als nächsten Wachstumstreiber auf dem Outsourcing-Markt.
Literaturverzeichnis ABERDEEN GROUP (2006): Enterprise Service Bus and SOA Middleware: NextSteps in SOA Series, Juni 2006. CURRENT ANALYSIS (2006): Bringing on-demand Utility Computing to Europe”, Oktober 2006. FESTO AG & C. KG (2006): Festo 06/2006.
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Marcus Hacke
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Verzeichnis der im Text genannten Markenprodukte IBM: Lotus Domino, Lotus Notes MICROSOFT: Exchange Server, Navision SAP: u. a. R/3
Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) …
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Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) bei Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten 1
Klaus Lackhoff
1. Einleitung 1.1 Allgemeiner Begriff der Auslagerung 1.2 Formen der Auslagerung 1.3 Bei einer Auslagerung relevante Rechtsgebiete 2. Vertragsrecht 2.1 Gegenstand und rechtliche Einordnung des Auslagerungsvertrags 2.2 Gründe für den Gestaltungsbedarf bei Auslagerungsverträgen 2.3 Tätigkeiten im Vorfeld von Vertragsverhandlungen sowie Verhandlung des Auslagerungsvertrages 2.3.1 Tätigkeiten im Vorfeld von Vertragsverhandlungen 2.3.2 Vertragsverhandlungen 1
Dieser Beitrag beruht – soweit nicht etwas anderes ausgeführt ist – auf dem Gesetzesstand vom 30.04.2007. Allerdings wird auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt bereits zugänglichen Unterlagen (das sind insbesondere (i) der Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Richtlinie 2004/39/EG vom 21.04.2004 (MiFiD)) und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Richtlinie 2006/73/EG vom 10.08.2006) – Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BRDrucksache 833/06 vom 08.12.2006 und (ii) der von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Rahmen der „Konsultation 1/2007 – erster Entwurf der überarbeiteten OutsourcingRegelungen“ veröffentlichte erste Entwurf vom 05.04.2007 zur Änderung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRiskE)) auch auf die voraussichtlich zukünftig geltenden aufsichtsrechtlichen Anforderungen eingegangen. Siehe zu diesen auch das Anschreiben der BaFin (Az.: BA 17-K31062006/0001 vom 04.04.2007) im Rahmen der vorgenannten Konsultation. Im Rahmen der Drucklegung konnten in begrenztem Umfang das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 16.07.2007 (FRUG) (BGBl. 2007, 1330) sowie die Konsultation 5/2007 – Zweiter Entwurf der überarbeiteten OutsourcingRegelungen vom 13.08.2007 berücksichtigt werden. Das FRUG (in seinen wesentlichen Teilen) und die neuen MaRisk traten am 01.11.2007 in Kraft. Für die kritische Durchsicht der Passagen zum Datenschutzrecht bzw. Steuerrecht danke ich Frau Angela Hildebrand, Frankfurt und Frau Tanja Walter-Yadegardjam, Frankfurt.
262
Klaus Lackhoff
2.4 Gestaltung einzelner Klauseln des Auslagerungsvertrages 2.4.1 Präambel 2.4.2 Bestimmung der Leistung des Auslagerungsunternehmens 2.4.3 Regelungen zur Leistungsabwicklung und zu Nebenpflichten 2.4.4 Anpassungsregelungen 2.4.5 Vergütung des Auslagerungsunternehmens 2.4.6 Haftungs- und Gewährleistungsregelungen 2.4.7 Laufzeit und Kündigung 2.4.8 Vorsorge für den Fall der Vertragsbeendigung 2.4.9 Streitschlichtung 2.4.10Rechtswahl 3. Bankaufsichts- und Wertpapierhandelsrecht 3.1 Aufsichtsrechtliche Auslagerungsregelungen, Verhältnis von § 25a Abs. 2 KWG und § 25a Abs. 1 KWG 3.2 (Weitere) Verrechtlichung des Prozesses der Auslagerung 3.3 Tatbestand der aufsichtsrechtlichen Auslagerungsregelungen 3.3.1 Persönlicher Anwendungsbereich 3.3.2 Sachlicher Anwendungsbereich 3.3.2.1 Auslagerungsunternehmen, Konzernsachverhalte 3.3.2.2 Bankaufsichtsrechtlich relevante Auslagerung 3.4 Rechtsfolgen bei Vorliegen einer aufsichtsrechtlich relevanten Auslagerung 3.4.1 § 25a Abs. 2 KWG 3.4.2 § 25a Abs. 2 KWGE 3.4.3 Anforderungen an das Auslagerungsunternehmen und dessen Einschaltung 3.4.4 Virtuelle Bank 3.4.5 Interne Revision 3.4.6 Anzeigepflicht 3.4.7 Befugnisse der BaFin 3.4.8 Jahresabschlussprüfung 3.5 Anforderungen an den Auslagerungsvertrag 3.5.1 Spezifizierung und gegebenenfalls Abgrenzung der vom Auslagerungsunternehmen zu erbringenden Leistungen 3.5.2 Sicherstellung der vertragsgemäßen Aufgabenerfüllung durch das Auslagerungsunternehmen 3.5.3 Überprüfung der Tätigkeit des Auslagerungsunternehmens, Berichtspflichten, Kontrollrechte, Weisungsrechte, Kündigungsrechte, Weiterverlagerungen 3.5.4 Interne Revision, Abschlussprüfung und Aufsicht 3.5.5 Sicherheit, Datenschutz, Vertraulichkeit 3.6 Besonderheiten im Rahmen des § 33 Abs. 2, Abs. 3 WpHGE 4. Datenschutz und Bankgeheimnis 4.1 Rechtlicher Rahmen des Datenschutzrechts
Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) …
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4.2 Auftragsdatenverarbeitung vs. Funktionsverlagerung 4.3 Funktionsauslagerung 4.4 Bankgeheimnis 4.4.1 Grundlage und Inhalt des Bankgeheimnis 4.4.2 Umfang und Rechtfertigung von Eingriffen in das Bankgeheimnis 5. Gesellschaftsrecht 5.1 Bedeutung gesellschaftsrechtlicher Regelungen 5.2 Gesellschaftsrechtliche Grenzen für das auslagernde Unternehmen 5.3 Bedeutung des Gesellschaftsrechts bei Beteiligungs- und Konzern-Auslagerungen 6. Arbeitsrecht 6.1 Betriebsübergang – § 613a BGB 6.2 Betriebsbedingte Kündigungen 6.3 Betriebsrat – Mitbestimmung 6.4 Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses 7. Steuerrecht 8. Ausblick
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1.
Klaus Lackhoff
Einleitung
Die Auslagerung von Tätigkeitsbereichen (auch Outsourcing genannt) ist ein Instrument, das insbesondere zur Steigerung der Kosteneffizienz und im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Fokussierung von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten (Institute, § 1 Abs. 1b KWG) auf ihre Kernkompetenzen eingesetzt wird. Ein Auslagerungsvorhaben kann neben vertrags- und aufsichtsrechtlichen Regelungen eine Reihe weiterer Rechtsmaterien berühren. Entscheidungsträger, die ein Outsourcing-Vorhaben steuern, müssen dies zumindest "auf dem Radar haben". Bei den aufsichtsrechtlichen Vorgaben für das Outsourcing ist derzeit ferner zu berücksichtigen, dass die relevanten Vorschriften im Umbruch begriffen sind und ein Paradigmenwechsel von einer regelbasierten zu einer prinzipienbasierten Aufsicht, die den Schwerpunkt auf das Management auslagerungsspezifischer Risiken setzt, erfolgt (siehe Abschnitt 3). Demgemäß ist es Ziel dieses Beitrags, einen Überblick über Rechtsfragen im Zusammenhang mit Outsourcing-Vorhaben und einige Hinweise zur Gestaltung von Auslagerungsverträgen sowie des Auslagerungsprozesses zu geben. Hierzu werden nach einem ersten Überblick über den Begriff der Auslagerung, ihre Formen und die relevante Rechtsgebiete, einige typische Fragestellungen im Zusammenhang mit Auslagerungen skizziert.
1.1
Allgemeiner Begriff der Auslagerung
Im Fall einer Auslagerung von Tätigkeiten erbringt ein Unternehmen (auslagerndes Unternehmen) eine seinem Geschäftsbetrieb dienende Tätigkeit nicht oder nicht vollständig selbst, sondern lässt sie von einem anderen Unternehmen (Auslagerungsunternehmen2) erbringen. Eine Auslagerung durch ein Institut ist gegeben, wenn das auslagernde Unternehmen ein Institut ist.3 Unerheblich für das Vorliegen einer Auslagerung ist dabei, ob das auslagernde
2 3
Dieser Begriff wird nach dem FRUG (Fn. 1) zukünftig in § 44 Abs. 1 KWG als Unternehmen, auf die ein Institut wesentliche Aktivitäten und Prozesse im Sinne des § 25a KWG ausgelagert hat, definiert sein. Artikel 2 Nr. 6 der Richtlinie 2006/73/EG vom 10.08.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG vom 21.04.2004 (Durchführungsrichtlinie zur MiFiD) definiert entsprechend Auslagerung als eine Vereinbarung gleich welcher Form zwischen einer Wertpapierfirma und einem Dienstleister, in deren Rahmen der Dienstleister ein Verfahren abwickelt, eine Dienstleistung erbringt oder eine Tätigkeit ausführt, das/die die Wertpapierfirma ansonsten selbst übernähme. Diese Richtlinie konkretisiert die Vorgaben der Richtlinie 2004/39/EG vom 21.04.2004 (MiFiD); in Bezug auf Auslagerungen sind dies die Vorgaben des Art. 13 Abs. 5 MiFiD. Nach AT 9 MaRiskE liegt eine Auslagerung vor, wenn ein anderes Unternehmen mit der Erbringung solcher Aktivitäten und Prozesse im Zusammenhang mit der Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen beauftragt wird, die ansonsten vom Institut selbst erbracht würden.
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Unternehmen die Tätigkeit bisher selbst erbracht hat oder erst künftig von dem Auslagerungsunternehmen beziehen will. Eine Auslagerung kann daher auch beim erstmaligen Bezug einer bislang nicht selbst erbrachten Tätigkeit vorliegen. Betriebswirtschaftlich ist eine Auslagerung die Reduzierung der Fertigungstiefe durch den Fremdbezug von Leistungen seitens eines Leistungsempfängers (auslagerndes Unternehmen) von einem Leistungserbringer (Auslagerungsunternehmen).4 Mit dem Fremdbezug wird regelmäßig angestrebt, die Kosten im Vergleich zur Eigenfertigung sowie die Investitionserfordernisse zu reduzieren, Personalkosten in Sachkosten umzuwandeln, die Fixkosten zu variabilisieren und die Servicequalität zu steigern.5 Da ein Fremdbezug von Leistungen das Charakteristikum der Auslagerung ist, ist das sogenannte Inhouse-Outsourcing keine Auslagerung, insoweit damit die Übertragung bestimmter Tätigkeiten auf eine vorhandene oder neu zu schaffende interne Stabsstelle oder Abteilung gemeint ist, da diese rechtlich und wirtschaftlich Teil des auslagernden Unternehmens ist. Diese vornehmlich arbeitsrechtliche Fragen (zum Beispiel nach Kündigungsmöglichkeiten und den Mitwirkungsbefugnissen des Betriebsrats) aufwerfende Gestaltungsvariante wird daher hier nicht näher betrachtet. Werden Tätigkeiten hingegen auf eine (bestehende oder neu gegründete) Tochtergesellschaft ausgelagert, liegt ein Fremdbezug von einem – wenn auch gesellschaftsrechtlich verbundenen – Dritten vor.
1.2
Formen der Auslagerung
Den Formen der Auslagerung ist gemeinsam, dass zwischen dem auslagernden Unternehmen und dem Auslagerungsunternehmen in Bezug auf die ausgelagerten Tätigkeiten ein Vertrag über die Erbringung der ausgelagerten Tätigkeiten geschlossen wird. Dieser Auslagerungsvertrag dient der rechtlichen Umsetzung des Auslagerungsvorhabens. Er ist daher als ein wesentliches Element bei jeder Form der Auslagerung gegeben. Die Formen der Auslagerung unterscheiden sich jedoch danach, in welcher Beziehung das Auslagerungsunternehmen zum auslagernden Unternehmen steht.6 Bei der (reinen) Vertrags-Auslagerung werden bestimmte Tätigkeiten auf mit dem auslagernden Unternehmen nicht verbundene Dritte ausgelagert. Bei der Beteiligungs-Auslagerung werden Tätigkeiten mit einem Auslagerungsvertrag auf ein Gemeinschaftsunternehmen ausgelagert, das ein oder mehrere auslagernde Unternehmen gemeinsam mit einem oder mehreren externen Dienstleistern zu diesem Zweck gegründet hat/haben. 4 5 6
Vgl. Hammes (1997), S. 13 und Zerwas/Hanten/Bühr, WM 2002, 17 (18). Vgl. Hennrichs, WM 2000, 1561 (1564). Vgl. zum Folgenden Hammes (1997), S. 64.
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Klaus Lackhoff
Bei der Konzern-Auslagerung werden die Tätigkeiten mit einem Auslagerungsvertrag auf eine existente verbundene oder zu diesem Zweck zu schaffende konzernangehörige Gesellschaft ohne Beteiligung eines externen Dienstleisters ausgelagert. Bei allen Auslagerungsformen kann es zur Übertragung von Betriebsmitteln (zum Beispiel Hardware) durch das auslagernde Unternehmen auf das Auslagerungsunternehmen kommen. Ebenso kann gewollt sein, dass das Auslagerungsunternehmen Personal des auslagernden Unternehmens übernimmt.
1.3
Bei einer Auslagerung relevante Rechtsgebiete
Im Zusammenhang mit einem Auslagerungsvertrag stellen sich stets Fragen des allgemeinen Vertragsrechts, der Vertragsgestaltung sowie des Aufsichtsrechts (Kreditwesengesetz (KWG) bzw. Wertpapierhandelsrecht (WpHG) und dazu ergangene Verordnungen und Interpretationsschreiben der BaFin). Das Aufsichtsrecht (siehe Abschnitt 3) steckt den Rahmen für die Zulässigkeit der Auslagerung ab, wirkt aber auch auf die Ausgestaltung des Auslagerungsvertrages und zukünftig – im Wege einer (weiteren) Verrechtlichung von Anforderungen an Prozesse – verstärkt auch auf die einer Auslagerung vorgelagerten und nachgelagerten Prozesse ein. Bei Nichtbeachtung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben können durch die BaFin aufsichtsrechtliche Sanktionen verhängt werden. Die Vertragsgestaltung (siehe Abschnitt 2.4) des Auslagerungsvertrages muss bei Instituten nicht nur aufsichtsrechtlichen Vorgaben (siehe Abschnitt 3) entsprechen, sondern ist stets für die wirtschaftlich erfolgreiche Umsetzung des Auslagerungsprojekts entscheidend. Schwerpunkte der Vertragsgestaltung sind die genaue Fixierung der zu erbringenden Leistungen nebst Regelungen zur Leistungsabwicklung und zu Nebenpflichten, Vergütungs- und Haftungsregelungen sowie die Festlegung von Laufzeit, Kündigungsrechten und Regelungen für den Fall der Übertragung der Leistungserbringung auf ein neues Auslagerungsunternehmen. In Abhängigkeit von der ausgelagerten Tätigkeit und der Form der Auslagerung können sich ferner Fragen des Datenschutzrechts, des Rechts zum Bankgeheimnis, des Gesellschaftsrechts, des Arbeitsrechts und des Steuerrechts stellen. Sind im Rahmen der auszulagernden Tätigkeit personenbezogene Daten an Dritte zu übertragen, sind die Vorgaben des Bundesdatenschutzrechts zu beachten, für die das Sitzland des Auslagerungsunternehmens von Bedeutung ist. Darüber hinaus ist bei der Weitergabe kundenbezogener Daten7 stets sicherzustellen, dass sie im Einklang mit den (vertraglichen) Regelungen zum Bankgeheimnis erfolgt, da dessen Verletzung zur Schadenersatzpflicht führen kann. 7
Der Bereich der vom Bankgeheimnis geschützten Daten ist weiter als der Kreis der personenbezogenen Daten, da das Bankgeheimnis auch juristische Personen schützt.
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267
Gesellschaftsrechtliche Vorschriften können einerseits der Auslagerung durch das auslagernde Unternehmen Grenzen setzen, indem sie die Auslagerung bestimmter Tätigkeiten nicht zulassen. Andererseits spielen sie eine Rolle bei der Schaffung bzw. Gestaltung des Auslagerungsunternehmens im Rahmen der Beteiligungs- bzw. Konzern-Auslagerung, so zum Beispiel wenn das Auslagerungsunternehmen durch Spaltung aus einem bestehenden Institut hervorgehen soll. Eine Auslagerung kann ferner Fragen des Individual- und des Kollektivarbeitsrechts aufwerfen. Die zentrale individualarbeitsrechtliche Frage ist, ob bei einer Auslagerung ein Betriebsübergang vorliegt. Ist das der Fall, tritt das Auslagerungsunternehmen grundsätzlich in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein (§ 613a BGB). Daneben ist häufig von Interesse, ob infolge einer Auslagerung ein Personalabbau auf Seiten des auslagernden Unternehmens (zum Beispiel Verkleinerung von Stabsabteilungen) möglich ist. Über diese individualarbeitsrechtlichen Fragestellungen hinaus können sich solche des Tarifrechts, der betrieblichen Altersversorgung und der Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer ergeben. Zu den betriebswirtschaftlichen Motiven und hier insbesondere dem Motiv der Kostensenkung führt die steuerrechtliche Behandlung der Auslagerung zurück, da von ihr abhängen kann, ob sich eine Auslagerung rechnet. Besondere Anforderungen an eine Auslagerung können schließlich aus Spezialgesetzen (zum Beispiel InvG) folgen. Auf diese Regelungen sowie das Sonderrecht für öffentlich-rechtliche Institute unter Einschluss des Sparkassenrechts wird in diesem Überblick nicht eingegangen. Auch die besonderen Anforderungen des Geldwäschegesetzes bei der Auslagerung der Tätigkeit des Geldwäschebeauftragten, § 14 GWG, sind ebenso wenig Gegenstand dieses Überblicks wie die vom Auslagerungsunternehmen etwa einzuhaltenden allgemeinen gewerberechtlichen Vorschriften.
2.
Vertragsrecht
2.1
Gegenstand und rechtliche Einordnung des Auslagerungsvertrags
Mit dem Auslagerungsvertrag wird das in der Regel betriebswirtschaftlich motivierte Auslagerungsprojekt rechtlich umgesetzt. Dazu sind die vom Auslagerungsunternehmen zu erbringenden Leistungen und die weiteren Bedingungen der Leistungserbringung festzulegen.
268
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Nicht Gegenstand des Auslagerungsvertrages ist hingegen die bei der Beteiligungs- und Konzern-Auslagerung erforderliche Schaffung des Auslagerungsunternehmens. Diese erfolgt in separaten gesellschaftsrechtlichen Verträgen. Auch eine etwa vorgesehene Übertragung von Betriebsmitteln und Personal auf das Auslagerungsunternehmen (Vertrag zur Übertragung von Betriebsmitteln) sollte von der Leistungsfestlegung aus Gründen der Übersichtlichkeit grundsätzlich getrennt werden. Etwas anderes gilt etwa bei einer formbedürftigen Übertragung von Grundstücken im Rahmen der Betriebsmittelübertragung (§ 311b Abs. 1 BGB), sofern Auslagerungsvertrag und Betriebsmittelübergang so miteinander verknüpft sind, dass sie „miteinander stehen und fallen“ sollen. Dann muss auch die Auslagerung die notarielle Form erfüllen, um wirksam zu sein, ohne dass es auf den Eintritt der für eine Heilung eines Formmangels erforderlichen Voraussetzungen ankäme. Auslagerungsverträge sind in der Regel als Dienst-, Werk- oder entgeltliche Geschäftsbesorgungsverträge einzuordnen. Entscheidend ist hierbei nicht die Bezeichnung des Vertrages durch die Parteien, sondern sein Gegenstand. Dienst- und Werkverträge haben entgeltliche Arbeitsleistungen zum Inhalt. Während beim Dienstvertrag die Arbeitsleistung als solche geschuldet ist, ist beim Werkvertrag die Herbeiführung eines bestimmten Arbeitsergebnisses – eines Erfolges – geschuldet. Insbesondere beim Abschluss von Verträgen über die Auslagerung von EDV-Leistungen ist daher klarzustellen, was im Einzelnen geschuldet ist, damit der Umfang der Leistungspflicht und damit die Einordnung als Dienst- oder Wertvertrag eindeutig erfolgen kann. Ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag ist nach dem Gegenstand der Tätigkeit entweder Dienst- oder Werkvertrag, unterliegt vorrangig aber dennoch einem anderen Regelungsregime – nämlich dem Auftragsrecht. Ein solcher Vertrag liegt vor, wenn eine selbstständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art durch den Leistungserbringer eigenverantwortlich in fremdem Interesse wahrgenommen wird. Um die Bedeutung von Fragen der Einordnung (Qualifikation) von geschlossenen Auslagerungsverträgen so gering wie möglich zu halten, sollten die geschuldete Leistung und die wesentlichen Folgen von Pflichtverletzungen sowie weitere bedeutsame Fragen im Vertrag selbst geregelt werden. Regelungen in Auslagerungsverträgen können des Weiteren Allgemeine Geschäftsbedingungen sein. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Partei (Verwender) der anderen bei Vertragsschluss stellt. Verwender wird regelmäßig das Auslagerungsunternehmen sein, da es bestrebt sein wird, seine Verträge zu standardisieren. Aus Sicht des auslagernden Unternehmens birgt dies die Gefahr, dass Gestaltungsspielräume zu seinen Lasten genutzt werden. Das auslagernde Unternehmen ist Verwender, wenn es den Vertrag mit der Intention stellt, diesen mehrfach zu verwenden oder sich (auch ohne Wiederholungsabsicht) eines etwa von einem Bankverband entworfenen Musters bedient.8
8
Vgl. Palandt-Heinrichs, 66. Aufl., 2007, § 305 Rn. 9.
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Bei Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber einem Unternehmer (eine rechtsfähige Person, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt, § 14 BGB) ist der Prüfungsmaßstab grano salis weniger streng als bei gegenüber Verbrauchern verwandten Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Aber auch gegenüber einem Unternehmer sind solche Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, durch die der Verwender seinen Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben benachteiligt, § 307 BGB. Ob dies der Fall ist, ist jeweils im Einzelfall zu klären, wäre aber zum Beispiel anzunehmen, wenn das Auslagerungsunternehmen jegliche Haftung für eine Verletzung von wesentlichen Vertragspflichten (den sogenannten Kardinalpflichten) ausschließen würde.
2.2
Gründe für den Gestaltungsbedarf bei Auslagerungsverträgen
Für Outsourcing-Verträge gilt der Grundsatz, dass eine detaillierte Regelung anzustreben ist. Dies hat mehrere Ursachen: Zunächst vermeidet eine detaillierte Regelung im Einzelfall Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Qualifizierung des Auslagerungsvertrages. Aber auch wenn der OutsourcingVertrag einem Vertragstypus des BGB zuzuordnen ist, enthält das Gesetz für relevante Fragen teils keine bzw. keine passende Regelung. Das hat seine Ursache unter anderem darin, dass der Auslagerungsvertrag in der Regel ein Dauerschuldverhältnis begründet. Das ist ein Schuldverhältnis aus dem während seiner Laufzeit dauernd neue Leistungs-, Neben- und Schutzpflichten entstehen. Während der Dienstvertrag ein Dauerschuldverhältnis ist, ist der Werkvertrag regelmäßig kein solches, sondern auf einen einmaligen Leistungsaustausch gerichtet. Dementsprechend berücksichtigen die Werkvertragsregelungen das Zeitelement nicht hinreichend.9 Aber auch das Dienstvertragsrecht regelt die sich im Rahmen des Outsourcing stellenden Fragen ebenso wenig umfassend wie das allgemeine Schuldrecht, in dem es punktuell Regelungen für Dauerschuldverhältnisse gibt. Durch eine detaillierte Ausgestaltung des Auslagerungsvertrages können ferner etwaige mit dem Outsourcing verbundene Risiken (Einhaltung der Anforderungen an die Leistungserbringung, Abhängigkeit, Know-how-Verlust) vermindert werden. Eine detaillierte Beschreibung der zu erbringenden Leistungen und Nebenpflichten im Auslagerungsvertrag hilft zum Beispiel die Erbringung der ausgelagerten Leistung in der Qualität, Quantität und zu den Zeitpunkten, die für das auslagernde Institut erforderlich sind, abzusichern. Schließlich verlangt das Aufsichtsrecht bestimmte Regelungen im Outsourcing-Vertrag (siehe Abschnitt 3). 9
Versteegen, Vertragsrecht, in: Hammes, Outsourcing in Banken und Sparkassen, 1997, S. 102.
270
Klaus Lackhoff
2.3
Tätigkeiten im Vorfeld von Vertragsverhandlungen sowie Verhandlung des Auslagerungsvertrages
2.3.1
Tätigkeiten im Vorfeld von Vertragsverhandlungen
Ist die Entscheidung für eine Auslagerung gefallen,10 empfiehlt es sich, nach einer Marktanalyse relevante Anbieter gegebenenfalls mittels einer Ausschreibung (Request for Proposal) um die Erstellung eines Angebots zu bitten. Enthält die Ausschreibung bereits vertrauliche Informationen, ist mit dem Anbieter bereits vorab eine Geheimhaltungsvereinbarung (Confidentiality oder Non-Disclosure Agreement) zu treffen. Die Ausschreibung sollte detailliert (i) den derzeitigen Zustand des auszulagernden Bereichs, (ii) vom Anbieter einzuhaltende technische und organisatorische Anforderungen sowie (iii) die Leistungsanforderungen und Zielvorgaben für die zu erbringenden Leistungen beschreiben. Je detaillierter die Vorgaben sind, desto aussagekräftiger und vergleichbarer sind in der Regel die Angebote und je weniger Ansatzpunkte bestehen seitens des Auslagerungsunternehmens (das auch Outsourcing-Dienstleister, Service Provider oder Provider genannt wird) in fortgeschrittenen Verhandlungsstadien für „neue" Anforderungen Zugeständnisse bei der Vergütung zu verhandeln. Unter Umständen kann es sich empfehlen, Texte einzelner Vertragsklauseln (zum Beispiel Haftung, Gewährleistung) in die Ausschreibung aufzunehmen, auch wenn dies keine Gewähr dafür bietet, dass diese nicht zu einem späteren Zeitpunkt zum Gegenstand von Verhandlungen werden. Parallel mit der Ausschreibung sollte sowohl im Eigeninteresse des auslagernden Instituts als auch mit Blick auf aufsichtsrechtliche Anforderungen das auslagernde Institut das (potenzielle) Auslagerungsunternehmen überprüfen. Gegenstand der Prüfung sollte sein, ob das Auslagerungsunternehmen zur Leistungserbringung geeignet und fähig ist sowie die finanzielle Gewähr für die Leistungserbringung bietet. Hierbei ist zu prüfen, ob das Auslagerungsunternehmen die für seine Tätigkeit erforderlichen Erlaubnisse besitzt und, ob es die Gewähr für eine sichere und dauerhafte Leistungserbringung bietet. Daher muss sich das auslagernde Unternehmen über die Fähigkeiten sowie finanzielle und personellen Ressourcen des Auslagerungsunternehmens ein Bild verschaffen. Zu den Erlaubnissen, die das Auslagerungsunternehmen gegebenenfalls besitzen muss, gehören Gewerbeerlaubnisse sowie unter Umständen eine Erlaubnis gemäß § 32 KWG. Wann ein 10
Zu den aufsichtsrechtlich erhöhten Anforderungen an den Prozess bis zu dieser Entscheidung s.unten 3.2. S. zum folgenden auch Grzimek, Aufsichtsrecht und Vertragsgestaltung, in: Kaib, Outsourcing in Banken, 1. Aufl. 2003, S. 134 ff.
Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) …
271
Auslagerungsunternehmen eine solche besitzen muss, ist im Einzelnen noch ungeklärt (siehe Abschnitt 3.4.3). Mit Blick auf die Regelung des § 25a Abs. 1 Nr. 3 KWG, den die BaFin wohl so versteht, dass für alle Entscheidungen eine umfassende Dokumentation erforderlich ist, ist einem auslagernden Unternehmen auch für Auslagerungen außerhalb des Bereichs des § 25a Abs. 2 KWG anzuraten, zumindest einen Vermerk über die Kriterien der Auswahl des Outsourcing-Unternehmens und die Umstände, aus denen es bei dem ausgewählten Unternehmen auf dessen Leistungsfähigkeit schließt (Prognoseentscheidung), anzufertigen. Neben allgemein zugänglichen Quellen (gegebenenfalls veröffentlichte Geschäftsberichte und Jahresabschlüsse) kann für die Prüfung unter anderem nach Referenzen, Zertifizierungen etc. gefragt werden. Frühzeitig – regelmäßig schon vor der Entscheidung, ob eine Auslagerung angestrebt werden soll – sind auch die rechtlichen Prüfungsprozesse anzustoßen. Neben dem Aufsichtsrecht, das die Strukturierung der Entscheidungsprozesse und die Ausgestaltung der Auslagerung beeinflusst, sind insbesondere das Arbeitsrecht und – in Abhängigkeit von der Form der geplanten Auslagerung – das Gesellschaftsrecht zu nennen, da sich hieraus erhebliche Anforderungen an den Outsourcing-Prozess ergeben können. Frühzeitig sollte das auslagernde Unternehmen, insbesondere bei personalrelevanten Outsourcing-Projekten, daneben eine Kommunikationsstrategie für die Kommunikation nach innen und außen entwickeln.
2.3.2
Vertragsverhandlungen
Tritt das auslagernde Institut in die Vertragsverhandlungen mit einem – oder was sich insbesondere bei größeren Outsourcing-Projekten anbieten kann – mehreren Auslagerungsunternehmen ein, hat die Frage, wessen Vertragsentwurf den Verhandlungen als Ausgangspunkt zugrundegelegt wird und wer die Verantwortung für die Führung des Dokumentes übernimmt, eine gewisse strategische Bedeutung. Insbesondere bei der Auslagerung komplexer Tätigkeiten und von Tätigkeiten, an deren Auslagerung unter aufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten (siehe Abschnitt 3) besondere Anforderungen zu stellen sind, kann es aus Sicht des auslagernden Instituts sinnvoll sein, einen von ihm entwickelten Vertragsentwurf zur Grundlage der Vertragsverhandlungen zu machen. Dies gibt ihm im ersten Zugriff die Möglichkeit, die Leistungsanforderungen und weitere Pflichten des Auslagerungsunternehmens detailliert festzulegen und die aufsichtsrechtlichen Anforderungen im Vertrag hinreichend zu berücksichtigen. Die Verantwortung für die Führung des Vertragsentwurfes kann dabei strategisch von Vorteil sein. In einem frühen Stadium der Vertragsverhandlungen sollte ferner Einigkeit über die Struktur des zu verhandelnden Oustsourcing-Vertrages erzielt werden. Dabei bietet es sich an, die nicht von den einzelnen ausgelagerten Leistungen abhängigen Regelungen im eigentlichen Vertragstext vorzusehen. Die leistungsbezogenen Details (zum Beispiel genaue Festlegung der zu erbringenden Leistungen, etc.) können im Rahmen von Anhängen (häufig auch Service
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Klaus Lackhoff
Level Agreements oder Leistungsscheine und im IT-Bereich Pflichtenhefte genannt) geregelt werden. Werden mehrere voneinander unabhängige Aktivitäten und/oder Prozesse ausgelagert, kann der Outsourcing-Vertrag hierfür zu einem Rahmenvertrag ausgestaltet werden, der für die einzelnen ausgelagerten Leistungen wiederum um separate Service Level Agreements zu ergänzen ist, die alle leistungsbezogenen Regelungen enthalten.
2.4
Gestaltung einzelner Klauseln des Auslagerungsvertrages11
2.4.1
Präambel
Der Outsourcing-Vertrag sollte eine Präambel enthalten. Sie kann insbesondere für die Auslegung einzelner Vertragsklauseln Bedeutung erlangen und Anhaltspunkte dafür geben, ob bestimmte Umstände von beiden Parteien als Vertragsgrundlage angesehen wurden. Dem gemäß darf sie keine Widersprüche zu dem restlichen Vertragstext aufweisen. Aus Sicht des auslagernden Unternehmens sind in der Präambel die mit dem Outsourcing verfolgten Ziele zu beschreiben. Auch ist klarzustellen, dass das Auslagerungsunternehmen die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen, die für das auslagernde Institut von Bedeutung sind, kennt. All dies dient dazu, gegebenenfalls eine Auslegungsgrundlage für auslegungsbedürftige Regelungen des Auslagerungsvertrages zu schaffen und die Auslegung vorzuprägen. Umsatzerwartungen seitens des Auslagerungsunternehmens sind aus Sicht des auslagernden Unternehmens nicht aufzunehmen, um keinen Anhaltspunkt dafür zu liefern, dass diese Geschäftsgrundlage geworden sein könnten.
2.4.2
Bestimmung der Leistung des Auslagerungsunternehmens
Von essenzieller Bedeutung ist die exakte Festlegung der vom Auslagerungsunternehmen zu erbringenden Leistungen. Diese ist und bleibt auch zukünftig geboten. Hierbei ist sowohl das, „was“ zu leisten ist, als auch das „wie“, „wann“ und „wo“ der Leistung festzulegen. Diese Regelung erfolgt – wie bereits beschrieben – häufig in sogenannten Service LevelVereinbarungen.
11
Vgl. dazu unter anderem die von der BaFin auf Basis des – inzwischen entfallenen – Rundschreibens 11/2001 zusammengestellte Sammlung von Musterklauseln (Schreiben vom 10. Juni 2005, Az.: BA 13 – GS 5481 – 1/2005 sowie Witzel, ITRB 2006, 286; Söbbing/Weinbrenner, WM 2006, 165 (172ff.);
Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) …
273
Zu regeln ist zunächst, ob ein bestimmter Leistungserfolg oder nur eine bestimmte Tätigkeit als solche geschuldet ist. Aus Sicht des auslagernden Unternehmens ist die Verpflichtung des Auslagerungsunternehmens zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs (zum Beispiel Sicherstellung der ununterbrochenen Verfügbarkeit eines Rechenzentrums) vorteilhafter als die bloße Verpflichtung zu einer Tätigkeit. Ferner ist zu bestimmen, „wie“ und „wann“, das heißt unter Erfüllung welcher Qualitäts- und Verfügbarkeitsanforderungen und zu welchen Zeiten die Leistung zu erbringen ist. Die exakte Festlegung der Qualitätsanforderungen und Verfügbarkeiten vermeidet spätere Reibungsverluste. Diese können etwa entstehen, wenn der ohne besondere Regelung geschuldete mittlere Standard dem Auslagerungsunternehmen nicht ausreicht oder gegebenenfalls noch unklar ist, was ein mittlerer Standard ist. Insbesondere sollten auch Anforderungen an die vom Auslagerungsunternehmen eingesetzten Betriebsmittel und das eingesetzte Personal (Qualifikationsanforderungen) festgelegt werden. Aus Sicht des auslagernden Unternehmens sollten die Qualitätsanforderungen sowohl generalklauselartig (Signalwörter zum Beispiel sorgfältig, jederzeit, unverzüglich) als auch detailliert mit konkreten Vorgaben (zum Beispiel „Die Responszeit beträgt 30 Minuten ab ...“) umschrieben werden. Die exakte und treffende Formulierung der zu erfüllenden Qualitätsanforderungen ist dabei nur in enger Abstimmung zwischen den für die Vertragsgestaltung zuständigen und den mit der ausgelagerten Tätigkeit vertrauten Abteilungen möglich. Die relevanten Fachabteilungen sind daher frühzeitig einzubinden. Schließlich sollten aus Sicht des auslagernden Unternehmens seine Mitwirkungspflichten abschließend festgelegt werden, um die Verantwortlichkeiten klar abzugrenzen und dem Auslagerungsunternehmen bei einem Schadenseintritt den Einwand, es liege ein Mitverschulden vor, zu erschweren. Aus Sicht des auslagernden Unternehmens sind hierbei generalklauselartige Festlegungen möglichst zu vermeiden. Vielmehr sind, die Mitwirkungspflichten und ihr Umfang möglichst abschließend enumerativ zu regeln. Sind pauschale Mitwirkungserfordernisse nicht vollständig zu vermeiden, sollten Prozesse zu ihrer Konkretisierung und zur Auslösung der Erbringungspflicht vorgesehen werden. Auslöser für die Erbringung der Mitwirkung sollte eine formalisierte Anforderung durch das Auslagerungsunternehmen sein. Eine ausreichende Frist zur Reaktion auf die Anforderung ist vorzusehen. Für den Fall, dass das auslagernde Unternehmen die Ansicht, die verlangte Mitwirkung ergebe sich aus der Generalklausel, nicht teilt, sollte ein Widerspruchsrecht und ein Mechanismus zur Klärung des Konflikts (zum Beispiel Sprechklausel mit anschließender Schiedsregelung) festgeschrieben werden. Die Regelung von Leistungsorten kann, insbesondere wenn Leistungen an verschiedenen Standorten zu erbringen sind, bedeutsam sein.
274
2.4.3
Klaus Lackhoff
Regelungen zur Leistungsabwicklung und zu Nebenpflichten
Aus Sicht des auslagernden Unternehmens sind in Ergänzung der Bestimmung des Leistungsumfangs zur Absicherung der gewünschten Leistungserbringung Regelungen sinnvoll, die ihm Einfluss auf die Leistungserbringung geben. So sollte durch Berichts- und Dokumentationspflichten des Auslagerungsunternehmens eine laufende Kontrolle der Leistungserbringung gewährleistet werden. In Betracht kommen weitergehend Zustimmungsvorbehalte und Vetorechte zu bzw. gegen bestimmte Handlungen des Auslagerungsunternehmens. Auch die Einräumung von Weisungsrechten kommt in Betracht, wobei das Auslagerungsunternehmen in diesem Fall eine Regelung für etwa entstehenden Mehraufwand verlangen und den Weisungsrechten skeptisch gegenüber stehen dürfte, wenn es für den Eintritt eines Erfolges verantwortlich zeichnet. Auch dürfen die Weisungsrechte nicht so ausgestaltet sein, dass eine Arbeitnehmerüberlassung anzunehmen ist. Daneben ist auslagernden Unternehmen zu empfehlen, im Rahmen eines Auslagerungsprojekts zu analysieren, in welchen Bereichen es zu Schädigungen durch das Auslagerungsunternehmen und auch umgekehrt des Auslagerungsunternehmens durch das auslagernde Unternehmen kommen kann. Insoweit sollten dann Verhaltensmaßregeln mit diesem Unternehmen festgelegt werden, die diese Schädigungen vermeiden sollen. Insbesondere Regelungen zum Schutz der Vertraulichkeit von Informationen und des betrieblichen Knowhows sind sinnvoll.
2.4.4
Anpassungsregelungen
Aus Sicht des auslagernden Unternehmens ist möglichst vorzusehen, dass Änderungen der rechtlichen (insbesondere aufsichtsrechtlichen) Anforderungen an die ausgelagerten Aktivitäten und Prozesse vom Auslagerungsunternehmen unmittelbar zu beachten sind. Hierzu ist bei der Festlegung der Leistungsvorgaben möglichst auf die (aufsichts-)rechtlichen Vorgaben in ihrer jeweils aktuellen Fassung Bezug zu nehmen (dynamische Verweise). Ist dies nicht der Fall sollte der Vertrag entweder verbindliche Mechanismen für die Anpassung (die sich regelmäßig auch auf die Vergütung erstrecken werden) oder zumindest Sprechklauseln und gegebenenfalls Lösungsrechte des auslagernden Unternehmens enthalten.
2.4.5
Vergütung des Auslagerungsunternehmens
Neben Höhe, Fälligkeit, Zahlungsmodalitäten und den Folgen einer nicht ordnungsgemäßen Zahlung, deren Festlegung das Auslagerungsunternehmen regelmäßig verlangen wird, sind, sofern Teilleistungen separat zu vergüten sind, die Voraussetzungen für die Fälligkeit und gegebenenfalls Mechanismen zu deren Ermittlung festzuschreiben. Da durch einen Auslage-
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275
rungsvertrag in der Regel dauerhafte Leistungsbeziehungen begründet werden, sind ferner Rhythmus und Detaillierungsgrad der Abrechnungen festzulegen. Zu klären ist auch, ob unabhängig von der Inanspruchnahme der Leistungen eine Mindestvergütung zu zahlen ist. Schließlich ist angesichts der vielfach langen Laufzeiten von Auslagerungsverträgen häufig eine Anpassung des zu zahlenden Entgelts vorgesehen. Hierbei sollte aus Sicht des auslagernden Unternehmens darauf geachtet werden, dass die – gegebenenfalls genehmigungsbedürftigen – Mechanismen der Preisanpassung eindeutig und nachvollziehbar geregelt sind. Ferner kommt es in Betracht Möglichkeiten für eine Preissenkung festzulegen, sofern die Marktpreise für Dienstleistungen dieser Art sinken. Aus Sicht des auslagernden Unternehmens kommt zur kontinuierlichen Überprüfung der Angemessenheit der Vergütung unter anderem ein Benchmarking-Prozess in Betracht. Dabei hat sich das Auslagerungsunternehmen in regelmäßigen Abständen einem Vergleich mit alternativen Angeboten anderer Anbieter zu stellen. Für den Fall, dass das Auslagerungsunternehmen nicht bereit ist seine Konditionen an die günstigeren Konditionen der Wettbewerber anzupassen, sind Kündigungsrechte des auslagernden Unternehmens vorzusehen. Im Rahmen der Regelung der Vergütung sollte auch der Ersatz von Kosten und Spesen verbindlich geregelt werden.
2.4.6
Haftungs- und Gewährleistungsregelungen
Entgegengesetzte Interessen haben die Vertragsparteien im Hinblick auf die Haftungsregelungen: Während das Auslagerungsunternehmen seine Haftung möglichst auch bei Verschulden ausschließen und jedenfalls summenmäßig begrenzen möchte, strebt das auslagernde Unternehmen möglichst eine verschuldensunabhängige und betraglich nicht begrenzte Haftung an. Aus Sicht des auslagernden Unternehmens ist zu diesem Punkt eine vertragliche Regelung nicht zwingend erforderlich, da die gesetzliche Regelung des BGB mit der Festlegung der Haftung auch für einfache Fahrlässigkeit aus seiner Sicht in aller Regel akzeptabel ist. Weitere relevante Aspekte in diesem Kontext sind die Beweislastverteilung für einen Schaden und eine Pflichtverletzung. Als auslagerndes Unternehmen kann es sich empfehlen, Beweiserleichterungen anzustreben. Der Problematik der Bezifferung des Schadens ist aus Sicht des Auslagerungsunternehmens durch Festlegung von Pauschalbeträgen oder Vertragsstrafen – im Rahmen des zulässigen – zu begegnen. Bei der Gewährleistung ist es aus Sicht des auslagernden Unternehmens sinnvoll, Voraussetzungen und Umfang der Gewährleistung im Vertrag zu regeln, um allein schon die Frage zu vermeiden, ob ein Vertragstyp gegeben ist, bei dem Gewährleistungsregelungen bestehen. Gleichzeitig können zur Vermeidung von Unsicherheiten die Modalitäten der Gewährleistung ausgestaltet werden (zum Beispiel die Fristen für Nacherfüllungen, automatische Minderungen des zu zahlenden Entgelts bei Nichterreichung bestimmter Leistungsziele).
276
2.4.7
Klaus Lackhoff
Laufzeit und Kündigung
Während aus Sicht des Auslagerungsunternehmens die überwiegenden Gründe für eine langfristige Laufzeit des Auslagerungsvertrags sprechen (Sicherung der Kostenamortisation durch Sicherung der Auslastung, Planungssicherheit), stehen auf Seiten des auslagernden Unternehmens den für eine langfristige Bindung sprechenden Aspekten (Planungssicherheit, Effizienzsteigerungen durch langfristige Zusammenarbeit) auch gewichtige Erwägungen entgegen (langfristige Bindung an einen Partner, reduzierte Flexibilität, mangelnde Nachvollziehbarkeit von Marktentwicklungen zum Beispiel Preisentwicklungen). Als Alternative kommt insoweit ein unbefristeter Vertrag mit Kündigungsfristen in Betracht, die beiden Parteien eine Einstellung auf die Kündigung ermöglichen. Jedenfalls – und insbesondere bei Vereinbarung längerer Laufzeiten – sollte das auslagernde Unternehmen darauf achten, dass das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund detailliert ausgestaltet und insbesondere beschrieben ist, was einen wichtigen Grund darstellt. Nach § 314 BGB zum Beispiel kann jede Vertragspartei ein Dauerschuldverhältnis kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Dies ist der Fall, wenn eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder zum Ablauf einer Kündigungsfrist der kündigenden Partei im Rahmen einer Interessenabwägung nicht zumutbar ist. Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach Ablauf einer Abhilfefrist oder einer Abmahnung möglich, sofern nicht besondere Umstände (zum Beispiel endgültige Erfüllungsverweigerung durch den Schuldner) diese entbehrlich machen. Auf das Erfordernis der Abmahnung dürfte individual-vertraglich verzichtet werden können, ob es auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen möglich ist, ist hingegen nicht eindeutig, da § 314 BGB im Kern zwingendes Recht ist. Den Parteien ist es aber unbenommen den wichtigen Grund auszugestalten. Insoweit kann zum Beispiel durch eine Bezugnahme auf die Bestimmung der Leistungsqualität sichergestellt werden, dass bei mangelnder Qualität der Leistungserbringung eine Lösung vom Vertrag möglich ist. Darüber hinaus können weitere Umstände als wichtiger Grund festgeschrieben werden (zum Beispiel Change of Control beim Auslagerungsunternehmen).
2.4.8
Vorsorge für den Fall der Vertragsbeendigung
Das auslagernde Unternehmen muss darauf achten, dass ihm der Auslagerungsvertrag für den Fall seiner Beendigung die ununterbrochene Erbringung der ausgelagerten Leistungen ermöglicht, indem es Vorkehrungen für den Fall der Übernahme der ausgelagerten Tätigkeit durch das auslagernde Unternehmen oder einen Dritten vorsieht. In Betracht kommen insoweit Regelungen zur Übertragung von Betriebsmitteln, von Knowhow und die Verpflichtung des Auslagerungsunternehmens zur Einweisung des neuen Leistungserbringers. Arbeitnehmer gehen, vorbehaltlich eines Widerspruchs, über, wenn eine Betriebsübergang gegeben ist.
Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) …
277
Ebenso sollte an eine „Change of Control“ gedacht werden, für den Fall, dass sich die Eigentumsverhältnisse an einer der beteiligten Parteien verändern.
2.4.9
Streitschlichtung
Outsourcing-Verträge beziehen sich häufig auf technisch komplexe Vorgänge. Bei dieser Ausgangslage kann es sich anbieten zur Streitbeilegung ein Schiedsverfahren (gegebenenfalls mit vorgeschalteten Mediationsverfahren) vorzusehen. Hierbei sind insbesondere die Bestellung der Schiedsrichter und das Verfahren eindeutig zu regeln. Durch den Einsatz von (Mediatoren bzw.) Schiedsrichtern, die mit den technischen Sachverhalten vertraut sind, ist häufig eine schnellere und interessengerechtere Regelung von Streitfällen zu erreichen als durch staatliche Gerichte.
2.4.10 Rechtswahl Auf einen Auslagerungsvertrag, den ein in der Bundesrepublik Deutschland ansässiges auslagerndes Unternehmen mit einem ebenfalls im Inland ansässigen Auslagerungsunternehmen abschließt, ist regelmäßig deutsches Recht anwendbar. Wird der Vertrag mit einem ausländischen Anbieter abgeschlossen, sollten die Parteien eine Rechtswahl vornehmen, um die anwendbare Rechtsordnung zu bestimmen. Mangels Rechtswahl wird in der Regel das Recht des Staates Anwendung finden, mit dem der Vertrag die engste Verbindung aufweist. Dies ist grundsätzlich der Staat, in dem sich die Hauptniederlassung der Partei befindet, die die charakteristische Leistung zu erbringen hat. Wird die Leistung jedoch durch eine andere Niederlassung als die Hauptniederlassung erbracht, ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem sich diese Niederlassung befindet. Die für den Auslagerungsvertrag charakteristische Leistung ist dabei die vom Auslagerungsunternehmen zu erbringende.
278
Klaus Lackhoff
3.
Bankaufsichts- und Wertpapierhandelsrecht
3.1
Aufsichtsrechtliche Auslagerungsregelungen, Verhältnis von § 25a Abs. 2 KWG und § 25a Abs. 1 KWG
Bis zum 31.10.2007 war § 25a KWG a.F. in der zuletzt durch das Gesetz zur Umsetzung der neugefassten Bankenrichtlinie und der neugefassten Kapitaladäquanzrichtlinie geänderten Fassung vom 17.11.200612 und hier insbesondere § 25a Abs. 2 KWG die wesentliche Rechtsgrundlage für das Outsourcing. Hinweise zum Verständnis dieser Regelungen durch die BaFin, die rechtlich für Dritte (zum Beispiel Gerichte) nicht bindend waren, aber dessen ungeachtet wesentliche praktische Bedeutung hatten, weil sie die Verwaltungspraxis der BaFin banden und die Prüfungspraxis der Wirtschafts- und etwaiger Sonderprüfer determinierten, enthielt das Rundschreiben 11/2001. Für die Auslagerung der Internen Revision gab das Rundschreiben 18/2005 Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) in der bis zum 31.10.2007 gültigen Fassung in BT 2.4 und 2.5 Hinweise.13 Nach der bis zum 31.10.2007 gültigen Formulierung des § 25a Abs. 2 KWG a.F. durfte „[d]ie Auslagerung von Bereichen auf ein anderes Unternehmen, die für die Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen wesentlich sind, ... weder die Ordnungsmäßigkeit dieser Geschäfte oder Dienstleistungen noch die Steuerungs- oder Kontrollmöglichkeiten der Geschäftsleitung, noch die Prüfungsrechte und Kontrollmöglichkeiten der Bundesanstalt beeinträchtigen. Das Institut hat sich insbesondere die erforderlichen Weisungsbefugnisse vertraglich zu sichern und die ausgelagerten Bereiche in seine internen Kontrollverfahren einzubeziehen. Das Institut hat die Absicht der Auslagerung sowie ihren Vollzug der Bundesanstalt und der Deutschen Bundesbank unverzüglich anzuzeigen“. Eine in ihrer Ausrichtung parallele Regelung enthielt § 33 Abs. 2 WpHG a.F. Diese war durch die BaFin nicht wesentlich weiter ausgeformt worden. Deshalb und weil eine Heranziehung des Rundschreibens 11/2001 zur Auslegung des § 33 WpHG a.F. befürwortet wurde,14 wird im Folgenden zum bis zum 31.10.2007 gültigen Rechtszustand nur auf die Vorschriften des KWG abgestellt. 12
BGBl I 2006, S. 2606, KWG a.F. Für die Auslagerung im Bereich der Datenverarbeitung ist auch noch die Verlautbarung "Grenzüberschreitende Datenfernverarbeitung deutscher Tochterunternehmen und Zweigstellen US-amerikanischer Banken (Az: I 3 – 362 3/94 / I 6 – 03.03.02.0 vom 24.11.1995) zu beachten, auch wenn die Verlautbarung zur grenzüberschreitenden Datenfernverarbeitung im Bankbuchführungswesen vom 16.10.1992 durch die MaRisk (Rundschreiben 18/2005 vom 20.12.2005) aufgehoben und im wesentlichen durch AT 7.2 MaRisk ersetzt worden ist. 14 Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, 2. Aufl., § 25a KWG Rn. 557. 13
Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) …
279
Im Zuge der Verschiebung des Aufsichtsansatzes zu einem mehr qualitativen, prinzipienbasierten und auf die Beaufsichtigung von Prozessen ausgerichteten Aufsichtsansatz wurden im Rahmen der Umsetzung der auslagerungsspezifischen Regelungen der Art. 13 Abs. 5 MiFiD und der Art. 13 bis 15 der Durchführungsrichtlinie zur MiFiD15, § 25a KWG und § 33 WpHG geändert.16 Entsprechend ist das Rundschreiben 11/2001 durch die Einfügung stärker prinzipienbasierter Regelungen zum Outsourcing in die MaRisk ersetzt worden. § 25a Abs. 2 KWGE hat seit dem 01.11.2007 folgenden Wortlaut: „Ein Institut muss abhängig von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt einer Auslagerung von Aktivitäten und Prozessen auf ein anderes Unternehmen, die für die Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen wesentlich sind, angemessene Vorkehrungen treffen, um übermäßige zusätzliche Risiken zu vermeiden. Eine Auslagerung darf weder die Ordnungsmäßigkeit dieser Geschäfte oder Dienstleistungen noch die Geschäftsorganisation im Sinne des [§ 25a] Absatzes 1 [KWG] beeinträchtigen. Insbesondere muss ein angemessenes und wirksames Risikomanagement durch das Institut gewährleistet bleiben, welches die ausgelagerten Aktivitäten und Prozesse einbezieht. Die Auslagerung darf nicht zu einer Delegation der Verantwortung der in § 1 Abs. 2 Satz 1 [KWG] bezeichneten Personen an das Auslagerungsunternehmen führen. Das Institut bleibt bei einer Auslagerung für die Einhaltung der vom Institut zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen verantwortlich. Durch die Auslagerung darf die Bundesanstalt an der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht gehindert werden; ihre Auskunfts- und Prüfungsrechte sowie Kontrollmöglichkeiten müssen in Bezug auf die ausgelagerten Aktivitäten und Prozesse auch bei einer Auslagerung auf ein Unternehmen mit Sitz in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums oder einem Drittstaat durch geeignete Vorkehrungen gewährleistet werden. Entsprechendes gilt für die Wahrnehmung der Aufgaben der Prüfer des Instituts. Eine Auslagerung bedarf einer schriftlichen Vereinbarung, welche die zur Einhaltung der vorstehenden Voraussetzungen erforderlichen Rechte des Instituts, einschließlich Weisungs- und Kündigungsrechten, sowie korrespondierenden Pflichten des Auslagerungsunternehmens festschreibt."17 § 33 Abs. 2 WpHG verweist im Wesentlichen auf § 25a KWG18, insoweit dieser für Kreditinstitute und Wertpapierdienstleistungsunternehmen gleichermaßen geltende Anforderungen enthält. Darüber hinaus enthält § 33 Abs. 2 WpHG in den Sätzen 2 und 3 für Wertpapierdienstleistungsunternehmen spezifische Anforderungen und setzt § 33 Abs. 4 WpHG die
15
S. Richtlinie 2004/39/EG vom 21.04.2004 (MiFiD) und die Durchführungsrichtlinie der Kommission (Richtlinie 2006/73/EG vom 10.08.2006), vgl. FM.3. 16 Vgl. S.. 33 f.; S. 101 ff., S. 162 und S. 224f. des Entwurfs Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (Fn. 1), BR-Drucksache 833/06 vom 08.12.2006 und das inzwischen erlassene FRUG, BGBl. I 2007, 1330 (1374). 17 Vgl. S. 101 ff. des Entwurfs des Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (Fn. 1), BR-Drucksache 833/06 vom 08.12.2006 sowie das inzwischen erlassene FRUG, BGBl I 2007, 1330 (1374); diese ab dem 01.11.2007 gültige Fassung wird nachfolgend als § 25a KWG zitiert. 18 Vgl. Fn. 17.
280
Klaus Lackhoff
spezifischen Regelungen für die Auslagerung der Finanzportfolioverwaltung auf Unternehmen in einen Drittstaat um.19 Sowohl in der bis zum 31.10.2007 gültigen Fassung als auch in der neuen Fassung wird § 25a Abs. 2 KWG von der BaFin als Spezialvorschrift zu § 25a Abs. 1 KWG, der organisatorische Pflichten von Instituten festschreibt, angesehen. Hieraus folgt, dass eine Maßnahme, die nicht in den Anwendungsbereich des § 25 Abs. 2 KWG fällt, die allgemeineren Vorgaben des § 25a Abs. 1 KWG erfüllen muss. Mit anderen Worten haben Auslagerungen, die nicht als Auslagerungen im Sinne des § 25a Abs. 2 KWG anzusehen sind, die Mindeststandards des § 25a Abs. 1 KWG zu erfüllen.
3.2
(Weitere) Verrechtlichung des Prozesses der Auslagerung
Die Entscheidung über eine Auslagerung wird in der Regel in einem institutsinternen Prozess unter Einschaltung verschiedener Abteilungen (Fachabteilungen, Stabsabteilungen) getroffen. An die Ausgestaltung dieses Prozesses hatten das Aufsichtsrecht und die BaFin bislang (das heißt insbesondere mit dem Rundschreiben 11/2001), insoweit es sich um den Prozess, der bis zur Auslagerung durchgeführt wird, keine unmittelbaren, sondern allenfalls mittelbare, Anforderungen gestellt. So musste nach dem Rundschreiben 11/2001 schon der Auslagerungsprozess so gestaltet sein, dass die aufsichtsrechtlichen Vorgaben eingehalten wurden. Diese Vorgaben zielten wiederum insbesondere auf (i) die Sicherung der Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten der Geschäftsleitung, (ii) den Verbleib der ausgelagerten Bereiche im Risikomanagement und -Controllingsystem des auslagernden Instituts, (iii) die Sicherung der Einhaltung der aufsichtsrechtlichen und sonstigen gesetzlichen Vorgaben bei Erbringung der ausgelagerten Tätigkeit sowie (iv) die Sicherstellung, dass die ausgelagerte Tätigkeit auch erbracht wird, ab. Unter Beibehaltung der vorgenannten Zielsetzungen bei (begrenzter) Rücknahme der Dichte der aufsichtsrechtlichen Anforderungen an den Auslagerungsvertrag werden zukünftig der Prozess, der Auslagerungsentscheidung und das Management von Auslagerungen verstärkt im Fokus der Aufsicht stehen.20 Die weitere Verrechtlichung der Anforderungen an diese Prozesse für und das Management von Auslagerungen sind zwei wesentliche Akzentsetzungen des seit dem 01.11.2007 geltenden Aufsichtsregimes. 19
Vgl. S. 33f. des Entwurfs des Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (Fn. 1), BR-Drucksache 833/06 vom 08.12.2006 und das inzwischen erlassene FRUG (Fn 1) (BGBl. I 2007, 1330 (1345); diese zum 01.11.2007 in Kraft getretene Fassung wird nachfolgend als § 33 WpHG zitiert. Im Folgenden wird stets auf das KWG Bezug genommen und wertpapierhandelsrechtliche Besonderheiten werden in 3.6 ergänzend erläutert. 20 Die nachstehenden Aussagen beruhen auf den in Fn. 1 genannten Unterlagen sowie den vom Committe of European Banking Supervisors (CEBS) am 14.12.2006 veröffentlichten Guidelines on Outsourcing (s.u. http://www.c-ebs-org/standards.htm) soweit sie sich in § 25a KWGE und den MaRisk wiederspiegeln.
Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) …
281
Diese Neuausrichtung des aufsichtsrechtlichen Regimes21 vollzieht für das Outsourcing den Wechsel von einer regelbasierten zu einer prinzipienbasierten Aufsicht nach, der in anderen Aufsichtsbereichen bereits fortgeschritten ist. Dieser Prozess der Wandlung des Aufsichtsverständnisses hat insbesondere durch "Basel II" Impulse erhalten. Bei diesem Aufsichtsansatz steht die qualitative, risikoorientierte Aufsicht im Vordergrund. Diese richtet ihr Augenmerk insbesondere auf das institutseigene Risikomanagement und die dadurch zu leistende Ausgestaltung der institutsinternen Leitungs-, Steuerungs- und Kontrollprozesse. Quellen für die beschriebene Neuausrichtung der Aufsicht sind beim Outsourcing neben dem geänderten Aufsichtsverständnis die „Guidelines on Outsourcing" des Committee of European Banking Supervisors (CEBS) vom 14.12.2006 sowie Art. 13 Abs. 5 MiFiD und Art. 13 bis 15 der Durchführungsrichtlinie zur MiFiD.22 23 Guideline No. 6.1 der vom CEBS veröffentlichten “Guidelines on Outsourcing" sieht zum Beispiel vor, dass ein auslagerndes Unternehmen “a policy on its approach to outsourcing, including contingency plans and exit strategies" besitzen soll. Die Durchführungsrichtlinie zur MiFiD sieht in Art. 7 die Verpflichtung vor, ein wirksames Risikomanagement zu errichten und in Art. 15 wird als Ausprägung hiervon in Bezug auf das Outsourcing unter anderem verlangt, dass die Wertpapierfirmen insbesondere die notwendigen Schritte unternehmen, um zu gewährleisten, dass der Dienstleister (das heißt das Auslagerungsunternehmen) über die erforderliche Eignung und Kapazität verfügt und die Dienstleistungserbringung anhand festgelegter Kriterien bewertet wird. In § 25a KWG und den MaRisk24 schlägt sich der qualitative Aufsichtsansatz in mehreren Anforderungen an die Ausgestaltung von Strategien, Prozessen und Organisationsanforderungen nieder: 1. Outsourcingstrategie Gleichsam als Grundlage für jede Auslagerung hat das Institut sich in seiner Geschäfts- und Risikostrategie mit den Möglichkeiten und den Risiken von wesentlichen Auslagerungen auseinander zu setzen (vgl. AT 4.2 Nr. 1 MaRisk). Eine solche strategische Auseinandersetzung mit der Auslagerung von Aktivitäten und Prozessen dürfte auch im Rahmen eines (neuen) Auslagerungsprojektes, das von der bisherigen Strategie nicht abgedeckt war, durchzuführen sein.
21
Vgl. die in Fn 1 genannten Regelungen, insbesondere das ab 01.11.2007 geltende FRUG und die ab dem 01.11.2007 geltende Neufassung der MaRisk. 22 S. Richtlinie 2004/39/EG vom 21.04.2004 (MiFiD) und die Durchführungsrichtlinie der Kommission (Richtlinie 2006/73/EG vom 10.08.2006). 23 Vgl. Seite 1 des Anschreibens der BaFin zur "Konsultation 1/2007 – erster Entwurf der überarbeiteten Outsourcing Regelungen" (Az.: BA 17-K3106-2006/0001 vom 04.04.2007). 24 Vgl. Fn. 21.
282
Klaus Lackhoff
Diese Outsourcingstrategie dürfte sich insbesondere im Grundsätzlichen mit der Frage, ob, wie, warum und was ausgelagert werden soll/kann sowie mit Fragen nach den Grenzen der Auslagerung und der Kumulierung von Risiken im Fall der Auslagerung mehrerer Aktivitäten und Prozesse befassen. 2. Anforderungen an Prozesse zur Vorbereitung und Umsetzung einer Auslagerung Jedes Institut hat ferner zukünftig bei der „Auslagerung von Aktivitäten und Prozessen, ... die für die Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen wesentlich sind, angemessene Vorkehrungen zu treffen, um übermäßige Risiken zu vermeiden“.25 Welche Aktivitäten und Prozesse wesentlich sind (sodass deren Auslagerung nicht nur die Anforderungen des § 25a Abs. 1 KWG sondern auch die des § 25a Abs. 2 KWG erfüllen muss), soll nach dem MaRisk jedes Institut auf der Grundlage einer Risikoanalyse eigenverantwortlich festlegen.26 Die unter Risikogesichtspunkten wesentlichen Auslagerungen werden als „wesentliche Auslagerungen“ definiert und bilden allein den Gegenstand der Auslagerungsregelungen der MaRisk, vgl. AT 9 MaRisk. Die BaFin verlangt, dass in diesen Prozess der Risikoanalyse „die maßgeblichen Organisationseinheiten" unter Einschluss der Internen Revision einbezogen werden. Aspekte, auf die sich die Risikoanalyse erstrecken muss, sind u. a.: die Risiken der Auslagerung und die Eignung des Auslagerungsunternehmens. Die im Rahmen der ersten Konsultation ausdrücklich genannten betriebswirtschaftlichen Aspekte werden in der endgültigen Fassung der MaRisk nicht mehr ausdrücklich als bei der Risikoanalyse zu berücksichtigend genannt. Dies dürfte ihre Einbeziehung allerdings nicht ausschließen.27 Demnach ist durch das auslagernde Institut im Zusammenhang mit der Auslagerung ein Prozess zu initiieren und zu dokumentieren,28 der zumindest die vorgenannten und alle weiteren unter Risikogesichtspunkten relevanten Aspekte eines Auslagerungsprojektes erfasst, dokumentiert und bewertet. In diesem Kontext werden die Aspekte der Outsourcingstrategie operationalisiert werden müssen.
25
§ 25a Abs. 2 S. 1 KWG in der Fassung des Entwurfs des FRUG (Fn. 1). Hierin liegt eine wesentliche Abweichung zum bisherigen Rechtszustand. 27 Die Einbeziehung betriebswirtschaftlicher Aspekte in die Risikoanalyse zur Bestimmung ob ein unter Risikogesichtspunkten wesentliche Aktivität oder ein wesentlicher Prozess vorliegt, für dessen Auslagerung die besonderen Anforderungen des AT 9 MaRisk gelten sollen, dürfte jedoch zu Diskussionen führen können, wenn die Aufsicht eine eigene Bewertung dieser Aspekte vornehmen wollte. 28 Von der Annahme einer Dokumentationspflicht seitens der BaFin ist auszugehen, da anderenfalls die Aufsicht nicht nachprüfen kann, ob das self-assessment im Einklang mit aufsichtsrechtlichen Vorgaben erfüllt worden ist. 26
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283
Damit die Risikoanalyse durchgeführt werden kann, wird der Auslagerungsprozess auch reflektieren müssen, warum und wie die Auslagerung erfolgen soll, da nur auf dieser Grundlage eine Bewertung unter Risikogesichtspunkten möglich ist. Schließlich bietet es sich an in diesem Auslagerungsprozess auch die Elemente des Risikomanagements, der Aufbau- und Ablauforganisation und der Organisationsrichtlinien zu identifizieren, die anzupassen sind.29 Die Ausgestaltung der einzelnen Auslagerung und die insoweit zum Risikomanagement vorzusehenden Maßnahmen können dabei je nach Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt einer Auslagerung differieren.30 Zusammenfassend ist der Auslagerungsprozess ein vom Institut zu initiierender und zu dokumentierender Vorgang, der zumindest die oben genannten und alle weiteren unter Risikogesichtspunkten relevanten Aspekte eines Auslagerungsprojektes erfasst, dokumentiert und bewertet sowie Vorkehrungen zu ihrer Behandlung vorsieht (Auslagerungsprozess). Auf der Basis der dokumentierten Ergebnisse des Auslagerungsprozesses kann dann die Geschäftsleitung die Auslagerungsentscheidung treffen. 3. Organisatorische Umsetzung von Auslagerungen in Risikomanagement sowie der Organisation und den Organisationsrichtlinien des Instituts Das auslagernde Institut hat anschließend eine Auslagerung in seiner Organisation und seinem Risikomanagement zu reflektieren: In der Ausgestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation sind Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortlichkeiten, Kontrollen sowie Kommunikationswege bezüglich Schnittstellen im Fall wesentlicher Auslagerungen klar zu bestimmen und aufeinander abzustimmen (AT 4.3.1 MaRisk). Die Organisationsrichtlinien des Instituts haben Verfahrensweisen bei wesentlichen Auslagerungen von Aktivitäten und Prozessen vorzusehen (AT 5 Nr. 3 lit. e) MaRisk). Dies und der vorgenannte Aspekt dienen unter anderem der Steuerung der Auslagerung. In Umsetzung der Strategien und zur Gewährleistung der Risikotragfähigkeit sind die Risikosteuerungs- und -controllingprozesse (die ihrerseits kontinuierlich zu überprüfen sind) in Bezug auf Auslagerungen so auszugestalten, dass Risiken im Zusammenhang mit der Auslagerung frühzeitig erkannt, vollständig erfasst und in angemessener Weise dargestellt werden können (vgl. AT 4.3.2 Nr. 2 MaRisk). In diesem Zusammenhang ist sicherzustellen, dass die ausgelagerten Aktivitäten und Prozesse in den institutseigenen Risikomanagement- und controllingprozessen einbezogen bleiben (vgl. AT 4.3.2 Nr. 2 MaRisk). Insbesondere das Prüfungsrecht der Internen Revision (auf das diese unter bestimmten Voraussetzungen verzichten kann) ist sicherzustellen (vgl. AT 4.4 Nr. 3 MaRisk). Diese Vorgaben dienen der Risikoerkennung bei bestehenden Auslagerungen. 29
In „abgespeckter" Form dürfte die Fortführung und Dokumentation eines solchen Auslagerungsprozesses auch sinnvoll sein, wenn man in dem Prozess zu dem Ergebnis gelangt, dass keine Wesentlichkeit gegeben ist. 30 Vgl. S. 225 der Begründung zum Entwurf des Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (Fn. 1), BRDrucksache 833/06 vom 08.12.2006;
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Der Risikosteuerung und Überwachung dient auch die regelmäßige Beurteilung der Leistungen des Auslagerungsunternehmens durch das auslagernde Institut anhand „vorgehaltener Kriterien“ und die Pflicht zur Festlegung klarer Verantwortlichkeiten für die Steuerung und Überwachung der ausgelagerten Aktivitäten und Prozesse (vgl. AT 9 Nr. 7 MaRisk). In Bezug auf ausgelagerte "kritische" Aktivitäten und Prozesse ist vom auslagernden Institut und vom Auslagerungsunternehmen ein aufeinander abgestimmtes Notfallkonzept zu erstellen. Hier sind Vorkehrungen vorzusehen, die zur Aufrechterhaltung der Tätigkeitserbringung im Falle schwerwiegender Störungen dienen.
3.3
Tatbestand der aufsichtsrechtlichen Auslagerungsregelungen
Die Anforderungen der aufsichtsrechtlichen Auslagerungsregelungen (§ 25a Abs. 2 KWG, § 33 WpHG) gelten nur für Auslagerungen, die den Tatbestand dieser Norm erfüllen.
3.3.1
Persönlicher Anwendungsbereich
Der persönliche Anwendungsbereich der aufsichtsrechtlichen Auslagerungsvorschriften erfordert, dass das auslagernde Unternehmen ein Institut bzw. ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen31 ist, das der Aufsicht der BaFin unterliegt. Dies sind auch inländische Zweigstellen ausländischer Institute, da sie gemäß § 53 Abs. 1 KWG selbst als Institut gelten. Diese gesetzliche Fiktion gilt hingegen nicht für Zweigniederlassungen von Instituten aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), § 53b Abs. 1 S.2 KWG. Erfasst werden danach Auslagerungen durch inländische Institute, deren rechtlich unselbstständige Zweigniederlassungen im Ausland sowie Auslagerungen durch inländische Zweigstellen ausländischer Unternehmen, sofern sie nicht aus dem EWR stammen. Nicht erfasst werden von § 25 Abs. 2 KWG Auslagerungen innerhalb eines Instituts (zum Beispiel von einem deutschen Institut auf eine unselbstständige Zweigniederlassung dieses Instituts im Ausland). Insoweit finden aber die allgemeinen Regelungen an eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation (§ 25a Abs. 1 KWG) Anwendung.32
31
Der Begriff des Wertpapierdienstleistungsunternehmens überlappt sich dabei mit dem des Instituts, vgl. § 2 Abs. 4 WpHG. 32 Bei unselbstständigen Zweigstellen ausländischer Institute ist insoweit jedoch zu beachten, dass sie als eigene Institute gelten und daher Auslagerungen von ihnen auf das eigene Mutterunternehmen nach Ansicht der Bundesanstalt in den Anwendungsbereich des § 25a KWG fallen.
Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) …
3.3.2
285
Sachlicher Anwendungsbereich
Der sachliche Anwendungsbereich der aufsichtsrechtlichen Auslagerungsvorschriften ist eröffnet, wenn eine bankaufsichtsrechtliche Auslagerung an ein Auslagerungsunternehmen gegeben ist.
3.3.2.1
Auslagerungsunternehmen, Konzernsachverhalte
Unter einem „anderen Unternehmen“ (Auslagerungsunternehmen) im Sinnen des § 25a Abs. 2 KWG ist jede vom auslagernden Unternehmen verschiedene juristische oder natürliche Person und in Bezug auf inländische Zweigstellen ausländischer Institute auch deren ausländisches Mutterunternehmen (s. 3.3.1) zu verstehen. In § 44 Abs. 1 KWG wird das Auslagerungsunternehmen als Unternehmen, auf das ein Institut wesentliche Aktivitäten und Prozesse im Sinne des § 25a KWG ausgelagert hat, definiert. Auch wenn das Auslagerungsunternehmen ein mit dem auslagernden Institut verbundenes Unternehmen ist, ändert dies im Grundsatz (bei Vorliegen des weiteren Tatbestandsmerkmale des § 25a KWG) nichts an der Anwendung der Auslagerungsregelungen. Das Vorliegen eines Konzernsachverhaltes ist nach dem Rundschreiben 11/2001 nur ein Umstand, der dazu führen kann, dass einige an den Auslagerungsvertrag zu stellende Anforderungen aufgrund der konzernmäßigen Verflechtung bereits erfüllt sind (vgl. Randziffer 50 Rundschreiben 11/2001). Zukünftig sind übermäßige Risiken durch eine Auslagerung zu vermeiden, wobei die im jeweiligen Fall zu treffenden Vorkehrungen von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der ausgelagerten Aktivitäten und Prozessen abhängig sind, § 25a Abs. 2 S. 1 KWG. Die zur Risikovermeidung zu ergreifenden Maßnahmen können mithin je nach Risikolage differieren. Diese Proportionalitäsklausel soll es nach der Regierungsbegründung zu § 25a KWG33 unter anderem ermöglichen, einer Auslagerung auf gruppenangehörige Unternehmen, die einer einheitlichen Risikosteuerung unterliegen, Rechnung zu tragen. Die MaRisk nehmen dies auf. Wie sich aus dem Anschreiben zur Konsultation 5/2007 ergibt, kann eine gruppeninterne Auslagerung nicht wesentlich sein und daher den Outsourcing-Regelungen nicht unterfallen.34
3.3.2.2
Bankaufsichtsrechtlich relevante Auslagerung
Der sachliche Anwendungsbereich der aufsichtsrechtlichen Auslagerungsvorschriften (§ 25a Abs. 2 KWG, § 33 WpHG) ist ferner nur eröffnet, wenn eine bankaufsichtsrechtlich relevante Auslagerung vorliegt. 33
Vgl. S. 225 der Begründung zum Entwurfs Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (Fn. 1) , vgl. BRDrucksache 833/06 vom 08.12.2006. 34 Vgl. AT 9 Nr. 2 i.V.m. dem Anschreiben zur Konsultation 5/2007 vom 13.08.2007 (Az. BA 17-K3106 – 2007/0003).
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§ 25a KWG in seiner bis zum 31.10.2007 gültigen Fassung umschrieb die bankaufsichtsrechtlich relevante Auslagerung als die Auslagerung von Bereichen, die für die Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen wesentlich sind. Nach § 25a Abs. 2 S. 1 KWG liegt eine bankaufsichtsrechtlich relevante Auslagerung bei einer Auslagerung von Aktivitäten oder Prozessen vor, die für die Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen wesentlich sind.35 Die einzige materielle Änderung in der Bestimmung der bankaufsichtsrechtlich relevanten Auslagerung auf der Ebene des Gesetzeswortlauts besteht in der Einbeziehung der Auslagerung von Aktivitäten oder Prozessen, die für die Durchführung von sonstigen institutstypischen Dienstleistungen wesentlich sind. Damit wird der Anwendungsbereich auf Tätigkeiten erweitert, die das konkrete Institut typischerweise erbringt. Dies können Nebendienstleistungen und Eigengeschäfte sein. Fraglich ist bei der Formulierung, ob damit auch eine Ausdehnung auf sonstige (nicht dem KWG oder WpHG unterfallende) Tätigkeiten (zum Beispiel Immobilen verwaltende Tätigkeiten) eines Instituts angestrebt wird. Das ist nicht der Fall. Aus dem Bezug auf Art. 13 Abs. 5 UA. 1 S. 1 MiFiD wird deutlich, dass es dem Gesetzgeber nur um die Erweiterung auf die Auslagerung von für sonstige Tätigkeiten im Sinne des WpHG und KWG wesentliche Aktivitäten und Prozesse ging. Während die gesetzliche Umschreibung der bankaufsichtsrechtlich relevanten Auslagerung nur geringe Unterschiede aufweist, gibt es in der Norminterpretation durch die BaFin zu der Frage, was eine bankaufsichtsrechtlich relevante Auslagerung ist, neben Parallelen auch deutliche Unterschiede. So ist eine bankaufsichtsrechtliche Auslagerung nach den MaRisk nur gegeben, wenn (i) eine Auslagerung vorliegt und (ii) diese nach der Risikoanalyse (dazu unten) als unter Risikogesichtspunkten wesentlich anzusehen ist. Eine Auslagerung liegt nach den MaRisk vor, wenn ein anderes Unternehmen durch das Institut mit der Erbringung solcher Aktivitäten und Prozesse im Zusammenhang mit der Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen beauftragt wird, die ansonsten vom Institut selbst erbracht würden. Dabei kann es wohl nicht darauf ankommen, ob die Tätigkeiten in der Vergangenheit von dem Institut tatsächlich selbst erbracht worden sind, sondern nur darauf, ob es sich um solche Tätigkeiten handelt, die Institute typischerweise selbst erbringen. Das ist zum Beispiel bei Nutzung von Clearingstellen oder Zentralbankfunktionen nicht der Fall, sodass darauf bezogene Vereinbarungen nicht an § 25a Abs. 2 KWG (sondern nur an § 25a Abs. 1 KWG) zu messen sind (vgl. a. MaRisk AT 9 Nr. 1). 35
Auch wenn in den weiteren Sätzen des § 25a Abs. 2 KWG der Begriff der Auslagerung nicht durch den Relativsatz („die für die Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen wesentlich sind,") qualifiziert wird, ist davon auszugehen, dass dieser Zusatz in den weiteren Sätzen des § 25a KWG mitzudenken ist. Dafür spricht dass auch nach der Durchführungsrichtlinie zur MiFiD (vgl. Fn. 1) nur bei Auslagerung von kritischen oder wesentlichen betrieblichen Funktionen, von Wertpapierdienstleistungen oder von Anlagetätigkeiten die Anforderungen, die § 25a Abs. 2 KWG umsetzt, verlangt werden. Anders wohl Spindler/Kasten, AG 2006, 785 (788).
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287
Nachhaltigkeit der Auslagerung Ein Charakteristikum der Auslagerung nach derzeitigem und künftigem Recht ist, dass sie auf Dauer oder zumindest auf längere Zeit erfolgt. Eine einmalige Beauftragung eines Dritten stellt demnach begrifflich keine Auslagerung dar. Diese den Anwendungsbereich des § 25a Abs. 2 KWG einschränkende Auslegung ergibt sich aus dem Schutzzweck der Regelung, die Ordnungsmäßigkeit der ausgelagerten Tätigkeit und deren Überwachung durch das auslagernde Institut und die Bundesanstalt zu sichern (vgl. a. AT 9 Nr. 1 MaRisk).
Absolute Auslagerungsgrenzen Für Auslagerungen bestehen absolute Grenzen. Die nichtauslagerungsfähigen Tätigkeiten ergeben sich aus einer systematischen Auslegung des KWG/WpHG. So sind all die Tätigkeiten, die das KWG/WpHG ausdrücklich der Geschäftsleitung des auslagernden Unternehmens zuweist (zum Beispiel Beschlüsse über die Gewährung oder Zusage von Groß- oder Organkrediten, § 13 Abs. 2 Satz 1, § 13a Abs. 2 und § 15 Abs. 1 Satz 1 KWG) nicht auslagerungsfähig. Außerdem sind Tätigkeiten, die die Grundausrichtung des Instituts festlegen (Maßnahmen der Unternehmensplanung, -organisationen, -steuerung und -kontrolle) nicht auslagerungsfähig, da die grundsätzliche Ausrichtung des Instituts, der Geschäftsleitung obliegen muss und die Geschäftleiter sich dieser Verantwortung nicht entledigen können. Auslagerungsfähig sind hingegen einzelne Maßnahmen, die risikobegründend sind, sofern sie innerhalb eines durch die Geschäftsleitung des auslagernden Instituts festgelegten Mechanismus nach festgelegten Kriterien erfolgen (zum Beispiel Scoring-Verfahren).
Wesentliche/Unwesentliche Tätigkeiten versus risikoorientiertes self assessment Ein entscheidender Unterschied zwischen der Interpretation der aufsichtsrechtlich relevanten Auslagerung durch das Rundschreiben 11/2001 und den MaRisk36 besteht in der Art und Weise der Bestimmung, welche Prozesse und Aktivitäten für die Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen wesentlich sind.
36
Siehe Fn. 1.
288
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Ansatz im Rundschreiben 11/2001 Das Rundschreiben 11/2001 nimmt insoweit eine eigene Norminterpretation vor. Nach der Auslegung der BaFin sind für die Durchführung von Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen folgende Tätigkeiten wesentlich: Tätigkeiten, die für die Erbringung von Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen notwendig und ein Risiko (Markt-, Kredit-, Ausfall-, Abwicklungs-, Liquiditäts-, Reputations-, operationelles oder rechtliches Risiko) begründen oder nachhaltig beeinflussen (Teilakte im Sinne des § 25 a KWG). Tätigkeiten, die der Erfassung, Analyse, Überwachung, Steuerung und Kontrolle von Risiken aus Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen dienen sowie Tätigkeiten, die ein Institut in Bezug auf Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen haben muss, um den organisatorischen Mindestanforderungen des § 25a Abs. 1 Nr. 2 KWG (zum Beispiel Innenrevision, Sicherheitsvorkehrungen bei der Datenverarbeitung) zu genügen und eine lückenlose Aufsicht durch die Bundesanstalt zu gewährleisten. Demnach unterfallen § 25a Abs. 2 KWG a.F. Tätigkeiten, die Teile von Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen sind sowie auf diese Geschäfte bezogene, KWG-rechtlich vorgeprägte Hilfstätigkeiten (zum Beispiel Sicherungsmaßnahmen bei der elektronischen Datenverarbeitung). Die wesentlichen Tätigkeiten grenzt die BaFin, wie im Wortlaut des § 25a Abs. 2 KWG a.F. angelegt, von unwesentlichen Tätigkeiten ab, für die § 25a Abs. 2 KWG a. F. nicht gilt. Als unwesentliche Tätigkeiten werden solche angesehen, die keine aufsichtsrechtlich relevanten Risiken begründen und nicht dazu führen können, dass (1.) die Ordnungsmäßigkeit der Geschäfte, (2.) die Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten der Geschäftsleitung sowie (3.) die Prüfung zum Kontrollrecht der Bundesanstalt beeinträchtigt werden. Für den EDV-Bereich handelt es sich hierbei vor allem um die Wartung technischer Geräte. Hierunter fasst die Bundesanstalt aber des Weiteren auch das Inkassowesen sowie reine Beratungsleistungen (Beratung in Rechts- und Steuerangelegenheiten) sowie allgemeine Serviceund Unterstützungsleistungen (zum Beispiel Reinigungsdienste, Wachschutz etc.).
Ansatz in den MaRisk Nach dem Entwurf der MaRisk nimmt die BaFin keine eigene abschließende Auslegung der Norm vor, sondern überträgt diese auf den Rechtsunterworfenen. Dabei gibt sie ihm jedoch Maßstäbe für die Norminterpretation vor, die vom Schutzziel der Norm vorgeprägt sind und macht ihm darüber hinaus Vorgaben für den Prüfungsprozess.
Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) …
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Die „Wesentlichkeit der Auslagerung für die Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen“ (Wesentlichkeit) ist risikoorientiert im jeweiligen sachlichen Kontext auszulegen. Sie ist im Rahmen einer vom Institut vorzunehmenden (und zu dokumentierenden) Risikoanalyse zu bestimmen, wobei die Risikoanalyse insbesondere die Risiken der Auslagerung, die Eignung des Auslagerungsunternehmens sowie betriebswirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen hat (s. Abschnitt 3.2). Da es sich somit bei der Bestimmung der Wesentlichkeit um einen Bewertungsprozess handelt, in dem verschiedene Faktoren zu erfassen, zu bewerten und zu gewichten sind, kann das Ergebnis nicht in den Kategorien „richtig/falsch“, sondern allenfalls in Bewertungsspielräume berücksichtigenden Kategorien, wie „vertretbar/nicht vertretbar“, gemessen werden. Dies bedeutet aber, dass ein Institut bei der Entscheidung über die Wesentlichkeit nur gegen § 25a Abs. 2 KWG verstößt, wenn es die Entscheidung, ob Wesentlichkeit gegeben ist, nicht lege artis trifft. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn es die Risikoanalyse nicht sauber durchführt (zum Beispiel vorwerfbar von falschen Tatsachen ausgeht) oder sachfremde Erwägungen in den Prozess einfließen lässt.
3.4
Rechtsfolgen bei Vorliegen einer aufsichtsrechtlich relevanten Auslagerung
Sind der persönliche und sachliche Anwendungsbereich einer Auslagerung gegeben, war diese aufsichtsrechtlich nur zulässig, wenn die Anforderungen des § 25a Abs. 2 KWG a. F. bzw. zukünftig des § 25a Abs. 2 KWG – dessen Auslegung durch die BaFin das Rundschreiben 11/2001 und nunmehr die neugefassten MaRisk wiedergeben – erfüllt sind.
3.4.1
§ 25a Abs. 2 KWG a.F.
Gemäß § 25a Abs. 2 KWG war die Auslagerung zulässig, wenn sie 1. weder die Ordnungsmäßigkeit der durchgeführten Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen 2. noch die Steuerungs- oder Kontrollmöglichkeiten der Geschäftsleitung 3. noch die Prüfungsrechte und Kontrollmöglichkeiten der Bundesanstalt beeinträchtigt. Die Ordnungsmäßigkeit der betriebenen Bankgeschäfte oder der erbrachten Finanzdienstleistungen wird beeinträchtigt, wenn das Auslagerungsunternehmen nicht die gleiche Sorgfalt anwendet und die gleichen Rechtsvorschriften beachtet wie das auslagernde Unternehmen.
290
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Für den Auslagerungsvertrag bedeutete dies, dass das auslagernde Unternehmen das Auslagerungsunternehmen dazu verpflichten musste, die gleichen Qualitätsstandards und Rechtsvorschriften einzuhalten, die es bei eigener Leistungserbringung beachten musste. Zur Sicherstellung der Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten der Geschäftsleitung muss das auslagernde Unternehmen gewährleisten, dass die ausgelagerten Bereiche in sein Risikomanagement und Risikocontrollingsystem einbezogen blieben. Insbesondere mussten sie in die Interne Revision des Instituts eingebunden werden. Schließlich mussten die Verträge mit dem Auslagerungsunternehmen dafür Sorge tragen, dass die Bundesanstalt auch bei dem externen Dienstleister Prüfungen und Kontrollen in gleicher Weise durchführen konnte, als wenn die Tätigkeiten unmittelbar bei dem auslagernden Institut erbracht wurden.37 Dies musste insbesondere bei Auslagerungen ins Ausland vertraglich sichergestellt werden. Für den Fall der Nichtdurchführbarkeit der Prüfung durch die Bundesanstalt hatte diese nämlich in Randziffer 46 des Rundschreibens 11/2001 klargestellt, dass sie hierin einen Missstand sehen wird und aufgrund dessen gemäß § 6 Abs. 3 KWG die Rückgängigmachung der Auslagerung verlangen wird.38
3.4.2
§ 25a Abs. 2 KWG
Gemäß § 25a Abs. 2 KWG ist die Auslagerung zulässig, wenn 1. das auslagernde Institut in Abhängigkeit von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Auslagerung angemessene Vorkehrungen getroffen hat, um zusätzliche übermäßige Risiken zu vermeiden, § 25a Abs. 2 S. 1 KWG; 2. die Auslagerung nicht die Ordnungsmäßigkeit der durchgeführten Bankgeschäfte, Finanzdienstleistungen oder institutstypischen Dienstleistungen beeinträchtigt, § 25a Abs. 2 S. 2 1. Alt. KWG; 3. die Auslagerung nicht die Geschäftsorganisation im Sinne des § 25a Abs. 1 KWG beeinträchtigt, § 25a Abs. 2 S. 2 2. Alt. KWG; 4. insbesondere ein angemessenes und wirksames Risikomanagement gewährleistet bleibt, § 25a Abs. 2 S. 3 KWG; 5. die Auslagerung nicht in einer Delegation der Verantwortung der Geschäftsleiter auf das Auslagerungsunternehmen führt, § 25a Abs. 2 S. 4 KWG; 6. die Prüfungsrechte und Kontrollmöglichkeiten der BaFin nicht beeinträchtigt werden, § 25a Abs. 2 S. 6 KWG; 7. die Prüfungsrechte und Kontrollmöglichkeiten des Jahresabschlussprüfers nicht beeinträchtigt werden, § 25a Abs. 2 S. 7 KWG; und 37 38
Siehe aber auch § 44 Abs. 1 KWG dazu Geschwandtner WM 2005, 2257. Für die grenzüberschreitende Datenfernverarbeitung im Bankbuchführungswesen vgl. Fn. 12.
Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) …
291
8. über die Auslagerung eine schriftliche Vereinbarung getroffen worden ist, die die zur Einhaltung der vorstehenden Voraussetzungen erforderlichen Rechte des Instituts, einschließlich Weisungs- und Kündigungsrechten, sowie die korrespondierenden Pflichten des Auslagerungsunternehmens festschreibt, § 25a Abs. 2 S. 8 KWG. Die in § 25a KWG aufgeführten Anforderungen führen in weiten Teilen Anforderungen zusammen, die schon bislang im Rundschreiben 11/2001 vorgesehen waren.39 Grundaussage des § 25a Abs. 2 KWG ist, dass eine Auslagerung (auch ins Ausland) grundsätzlich möglich ist. Nicht zulässig ist allerdings eine Auslagerung, die in einer Delegation der Verantwortung der Geschäftsleiter auf das Auslagerungsunternehmen mündet, § 25a Abs. 2 S. 4 KWG. Das wäre der Fall, wenn nicht auslagerbare Tätigkeiten ausgelagert würden (s.o. unter 3.3.2.2 Absolute Auslagerungsgrenzen). Daneben bleiben auch im Falle einer Auslagerung die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Geschäfte, § 25a Abs. 2 S. 2 1. Alt KWG und die Verantwortung des Instituts und daneben der Geschäftsleiter für die Einhaltung der vom Institut zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen, § 25a Abs. 2 S. 5 KWG, bestehen. Beides sind keine Neuerungen,40 da die Auslagerung nicht dazu führen darf, dass die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der betriebenen beaufsichtigten Geschäfte und die Verantwortung der Geschäftsleitung dafür entfallen. Aus der Verantwortlichkeit des Instituts und der Geschäftsleitung auch für die ausgelagerten Aktivitäten und Prozesse folgt, dass in Bezug auf diese die Anforderungen an die Geschäftsorganisation und als wesentlicher Teil davon das Risikomanagement aufrechterhalten bleiben müssen, § 25a Abs. 2 S. 2 2. Alt. und § 25a Abs. 2 S. 3 KWG. Damit schreibt diese Formulierung im Einklang mit dem neuen Aufsichtsansatz die bisherige Anforderung, dass die Steuerungs- oder Kontrollmöglichkeiten der Geschäftsleitung nicht beeinträchtigt werden dürfen, fort. Dennoch ist nicht zu verkennen, dass der neue Ansatz umfassender ist. Auf allen Ebenen, die Ausprägungen der Geschäftsorganisation und des Risikomanagements sind, sind auslagerungsspezifische Aspekte zu beachten (vgl. oben bei 3.2), insbesondere sind Prozesse zu implementieren, die die Risiken im Zusammenhang mit der Auslagerung identifizieren, erfassen, bewerten und in Abhilfemaßnahmen münden. § 25a Abs. 2 S. 6 KWG und § 25a Abs. 2 S. 7 KWG, die verlangen, dass die Kontrollmöglichkeiten der BaFin und des Jahresabschlussprüfers durch die Auslagerung nicht beeinträchtigt werden dürfen, da sie beide Mechanismen der Kontrolle der vorstehenden Anforderungen darstellen, bringen materiell keine Neuerung. Sie führen in Bezug auf die BaFin den bisherigen Rechtszustand fort und zeichnen in Bezug auf den Prüfer die bisherige Auslegung der BaFin (Randziffer 35 Rundschreiben 11/2001) nach. 39 40
Ohne dass dabei der Norm eine gelungene redaktionelle Struktur gegeben worden wäre. Vgl. § 25a Abs. 2 S. 1 KWG a.F. sowie Randziffer 3 des Rundschreibens 11/2001.
292
Klaus Lackhoff
§ 25a Abs. 2 S. 8 KWG schließlich führt die bislang auf § 25a Abs. 1 KWG a.F. gestützte Anforderung fort, dass ein Auslagerungsvertrag schriftlich vorliegen müsse, die auch im Rundschreiben 11/2001 in Randziffer 23 Ausdruck gefunden hatte. Dabei wird durch die Bezugnahme auf Weisungsrechte der bisherige § 25a Abs. 2 S. 2 KWG a.F. in Bezug genommen und gleichzeitig eine Rückkoppelung auf 25a Abs. 2 S. 3 KWG vorgenommen, da ein wirksames Risikomanagement auch Instrumente zur Risikosteuerung, wozu Weisungsrechte gehören können, erfordert. Die Neuerung der Neufassung liegt mithin in § 25a Abs. 2 S. 1 KWG. Zum einen überträgt er – wie bereits beschrieben – auf der Tatbestandsseite (nach der Auslegung durch die MaRisk) die Bestimmung der Wesentlichkeit der Auslagerung auf das auslagernde Institut. Auf der Rechtsfolgenseite stellt er nach dem Willen des Gesetzgebers in allgemeiner Form in Umsetzung von Art. 13 Abs. 5 UA. 1 S. 1 MiFiD und Art. 14 Abs. 2 S. 1 und 2 lit. a, b, d, f, g, j und k der Durchführungsrichtlinie zur MiFiD Anforderungen an den Auslagerungsprozess,41 wobei gleichzeitig festgelegt wird, dass die bei einer Auslagerung zu treffenden Vorkehrungen (nur) den mit der jeweiligen Auslagerung verbundenen Risiken angemessen sein müssen (Proportionalitätsklausel). Mithin können die zu stellenden Anforderungen von Fall zu Fall divergieren. § 25a Abs. 2 S. 1 KWG verlangt danach vom auslagernden Institut Maßnahmen zur sorgfältigen Auswahl des Auslagerungsunternehmens, zur Überwachung der Ausführung der Dienstleistung; zur Festlegung von Methoden zur Bewertung der Leistung des Auslagerungsunternehmens; zum Datenschutz; sowie einen Ausweichplan für den Fall, dass das Auslagerungsunternehmen die Leistungen nicht mehr erbringt (vgl. a. AT 9 Nr. 5 MaRisk). Die Vorschrift konkretisiert insoweit die Anforderungen an das Risikomanagement, § 25a Abs. 2 S. 3 KWG. Die Regelung zielt mithin auf die Minimierung von Risiken durch eine sachgerechte Auswahl des Auslagerungsunternehmens, das Erkennen von Risiken durch eine dauernde Beobachtung und Bewertung der Leistung des Auslagerungsunternehmens, die Vermeidung von Risiken durch Vorkehrungen zum Datenschutz und die Vorbereitung auf den Fall des Eintritts des „Dienstleisterisikos“ ab. Nach bisherigem und neuem Rechtszustand werden die Anforderungen des § 25a Abs. 2 KWG an die Auslagerung im Rundschreiben 11/2001 bzw. den MaRisk – wenn auch in graduell unterschiedlichem Detaillierungsgrad – spezifiziert. Dies schlägt sich insbesondere in den Anforderungen an den Auslagerungsvertrag nieder. Darauf wird unter 3.5 näher eingegangen, nachdem zuvor noch einige weitere Einzelfragen erörtert wurden.
41
Vgl. S. 224 f. die Begründung zum Entwurf Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (Fn. 1), BRDrucksache 833/06 vom 08.12.2006.
Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) …
3.4.3
293
Anforderungen an das Auslagerungsunternehmen und dessen Einschaltung
Sofern das auslagernde Institut die Wahrnehmung von Tätigkeiten, die für die Erbringung von nach § 32 KWG erlaubnispflichtigen Geschäften „notwendig“ sind, auf ein Auslagerungsunternehmen überträgt, stellt sich die Frage, ob das Auslagerungsunternehmen (auch „Insourcer“ genannt) selbst einer Erlaubnis gemäß § 32 KWG bedarf. Die Erlaubnispflicht kann keinesfalls bei jeder Tätigkeit eingreifen, die für die Durchführung des erlaubnispflichtigen Geschäfts faktisch notwendig ist. Wäre das der Fall, bedürfte auch die Post einer Bankerlaubnis, da das Post-Identverfahrens ein notwendiger Teil der Aufnahme einer Kundenbeziehung bei einer Direktbank ist. Dieses argumentum ad absurdum zeigt, dass die Erlaubnispflicht nicht so weit gezogen werden kann, da dies grundgesetzlichen Vorgaben (Berufsfreiheit, Verhältnismäßigkeit) widerspräche und mit dem Wortlaut des Gesetzes, nach dem eine Erlaubnis für das Betreiben von Bankgeschäften und die Erbringung von Finanzdienstleistungen erforderlich ist, nicht vereinbar wäre. Ein Bankgeschäft wird aber nur betrieben und eine Finanzdienstleistung nur erbracht (sofern es sich bei ihnen um Rechtsgeschäfte handelt), wenn eines dieser Geschäfte, abgeschlossen, geändert oder aufgehoben wird (Abschlussteilakte), wobei, um eine Umgehung der Vorschrift zu vermeiden, bereits der faktische Abschluss des Geschäfts ausreichend ist. Hieraus folgt, dass das Auslagerungsunternehmen einer Erlaubnis nur bedarf, wenn eine dieser Voraussetzungen erfüllt wird.42 Soweit das Auslagerungsunternehmen jedoch in offener Stellvertretung (das heißt unter Offenlegung des Handelns für einen Dritten) für das auslagernde Unternehmen tätig wurde, sollte das Auslagerungsunternehmen keiner Erlaubnis bedürfen (Fußnote 2 des Rundschreibens 11/2001). Einer Erlaubnis sollte es jedoch bedürfen, wenn die durch das Auslagerungsunternehmen erbrachten Dienstleistungen selbst Finanzdienstleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG sind, es sei denn, die Anlage- und Abschlussvermittlung wird wiederum ausschließlich für Rechnung und unter der Haftung eines Einlagenkreditinstituts oder Wertpapierhandelsunternehmen mit Sitz im Inland oder eines Instituts aus dem EWR-Raum erbracht.43 Nach diesen Vorgaben, stellt sich die Frage nach einer Erlaubnis des Auslagerungsunternehmens immer dann, wenn das Auslagerungsunternehmen im Wege der verdeckten Stellvertretung für das auslagernde Unternehmen tätig werden und Abschlussteilakte vornehmen soll. Damit wird das sogenannte white-labeling44 erschwert.
42
Teilakte von Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen, die eine Erlaubnispflicht begründen sind also nur Abschlussteilakte; dieser Begriff ist enger als der Begriff der Teilakte im Sinnen des § 25a KWG a.F. 43 Ob sich hier zukünftig eine Änderung ergibt, ist noch nicht klar. 44 Vgl. Zerwas/Hanten/Bühr, ZBB 2002, 17 (21).
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Klaus Lackhoff
Bei der Einschaltung Dritter zu Geschäftsabschlüssen durch das auslagernde Institut besteht eine ausreichende Risikosteuerung durch das auslagernde Institut nur, wenn die Dritten bankund finanzdienstleistungsspezifische Risiken für das Institut nur nach exakt vorher bestimmten und nachprüfbaren objektiven Beurteilungs- und Ergebnisfindungskriterien, die ihnen zwingend vorgegeben werden, eingehen dürfen. Eine Auslagerung setzt mithin in Bezug auf Maßnahmen, die zu einer Risikobegründung führen, voraus, dass die Parameter unter denen die Risikobegründung erfolgen darf, durch die Geschäftsleitung des auslagernden Unternehmens detailliert vorgegeben werden.
3.4.4
Virtuelle Bank
Als Beeinträchtigung der Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten der Geschäftsleitung sah es die BaFin an, wenn einem Institut nach einer oder mehreren Auslagerungen nur noch ein im Verhältnis zu den ausgelagerten Tätigkeiten untergeordneter Tätigkeitsbereich verbleibt. Mit anderen Worten durften Auslagerungen nicht dazu führen, dass das Institut über keine nennenswerten eigenen sachlich und personell hinreichend ausgestatteten Unternehmenseinheiten verfügt oder sämtliche, die Erlaubnispflicht begründende Aktivitäten durch Dritte durchführen und abwickeln lässt. Hier zielen die neuen Regelungen auf eine weitergehende Ermöglichung von Auslagerungen ab, ohne dass jedoch ein rein virtuelles Institut erreichbar ist.45 Insoweit ist zu erwarten, dass die BaFin sich insbesondere auch an Guideline 2 der CEBS „Guidelines on Outsourcing" orientiert.46 Doch hat sie im Anschreiben zur Konsultation47 deutlich gemacht, dass zumindest die Bereitschaft besteht, Freiräume für wirtschaftlich sinnvolle Auslagerungen zu eröffnen, solange die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsorganisation nicht beeinträchtigt wird. Was das in der Praxis heißen wird, hat sich zu erweisen.
3.4.5
Interne Revision
Da die Auslagerung nicht die Steuerungs- und Kontrollmöglichkeit der Geschäftsleitung beeinträchtigen soll, durfte eine Auslagerung der Internen Revision, die gerade das bei Auslagerungen von Tätigkeiten entscheidende Element zur Wahrung der Steuerungs- und Kontrollfähigkeit ist, grundsätzlich nicht vollständig erfolgen (vgl. dazu BT 2.4 Nr. 1 MaRisk a.F.). Ausnahmsweise ließ die Bundesanstalt jedoch auch eine vollständige Auslagerung unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zu, sofern es sich bei dem auslagernden Unternehmen um ein kleines Institut handelt. Bei vollständiger Auslagerung ist ein Revisionsbeauftragter zu bestellen (BT 2.4 MaRisk Nr. 2 ff. a.F.). 45
Vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 19 Durchführungsrichtlinie zur MiFiD. Vgl. auch Erläuterung Nr. 3 zu Guideline 2 der Guidelines on Outsourcing (Fn. 20), wonach ein auslagerndes Institut operationelle Kernkompetenzen im Hause vorhalten soll, um die Fähigkeit zu besitzen, die direkte Kontrolle über einen ausgelagerten Bereich wieder übernehmen zu können. 47 S. S.3 des Anschreibens der BaFin (Az.: BA 17-K3106-2006/0001 vom 04.04.2007) (Fn 1). 46
Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) …
295
Die Skepsis der BaFin gegenüber der Auslagerung der Internen Revision bleibt auch zukünftig – wenn auch in abgeschwächter Form – erhalten.48 Eine Auslagerung der Internen Revision wird jetzt nicht mehr als Ausnahmefall bezeichnet. Die BaFin hat jedoch klargestellt, dass an die Fähigkeiten des Unternehmens, auf das die Interne Revision ausgelagert wird, hohe Anforderungen zu stellen sind. Zu beachten ist ferner, dass das auslagernde Institut einen Revisionsbeauftragten zu benennen hat. Er hat den Prüfungsplan mit dem beauftragten Dritten zu erstellen und ggf. an der Erstellung des Gesamtberichts mitzuwirken und zu prüfen, ob die festgestellten Mängel beseitigt wurden. In Abhängigkeit von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten des Institus können die Aufgaben des Revisionsbeauftragten von einer Organisationseinheit, einem Mitarbeiter oder einem Geschäftsleiter wahrgenommen werden.49 In jedem Fall ist bei der Auslagerung der Internen Revision sicherzustellen, dass die Einbeziehung der ausgelagerten Prozesse in das Risikomanagement gewährleistet werden kann.
3.4.6
Anzeigepflicht
Bislang hatte ein Institut die Absicht der Auslagerung (Absichtsanzeige) sowie den Vollzug (Vollzugsanzeige) sowohl der BaFin als auch der Deutschen Bundesbank unverzüglich anzuzeigen, § 25a Abs. 2 S. 3 KWG a.F. (Ausnahme: bei Einschaltung eines Mehrmandantendienstleisters kann die Anzeige durch diesen oder einen Verband, dem das auslagernde Unternehmen angehört, erfolgen).50 Nunmehr sind diese Anzeigepflichten in Übereinstimmung mit dem prinzipienbasierten Ansatz, der Anforderungen an den Auslagerungsprozess stellt, entfallen.51
48
S. S. 3 des Anschreibens der BaFin (Az.: BA 17-K3106-2006/0001 vom 04.04.2007) zur Konsultation 1/2007 und S. 2 des Anschreibens der BaFin zur Konsultation 5/2007. 49 Vgl. AT 9 Nr. 8 MaRisk. 50 Die Anzeigepflicht war in § 20 Anzeigenverordnung (AnzV) näher ausgestaltet. Danach waren Anzeigen formlos in zweifacher Ausfertigung bei der BaFin sowie der örtlich zuständigen Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank einzureichen. Die Vorschrift enthielt auch Vorgaben für die einzureichenden Unterlagen. In der Neufassung der Anzeigenverordnung (AnzV) vom 19.12.2006 (BGBl. I 2006, S. 3245) ist diese Vorschrift bereits weggefallen. 51 In der Gesetzesbegründung wird allerdings ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Rahmen einer risikoorientierten Aufsicht im Einzelfall oder im Bezug auf besonders kritische Arten von Auslagerungen, die eine wichtige Änderung der Voraussetzungen der Erstzulassung darstellen, die BaFin sich den Vollzug einer Auslagerung anzeigen lassen und die erforderlichen Informationen verlangen kann, um zu prüfen, ob die Auslagerung im Einklang mit den Anforderungen des § 25a Abs. 2 KWG und der entsprechenden Konkretisierungen in den MaRisk steht; vgl. S. 226 der Begründung des Finanzmarkt-RichtlinieUmsetzungsgesetzes (Fn. 1), BR-Drucksache 833/06 vom 08.12.2006.
296
3.4.7
Klaus Lackhoff
Befugnisse der BaFin
Die Bundesanstalt kann, sofern die Auslagerung nicht den aufsichtsrechtlichen Anforderungen genügt, gestützt auf § 6 Abs. 3 KWG Nachbesserungen verlangen oder die Auslagerung untersagen. Bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften im Zusammenhang mit Auslagerungen kommen ferner Maßnahmen gegen die Geschäftsleiter und das Institut in Betracht. Da die Geschäftsleiter eines auslagernden Instituts für den ausgelagerten Bereich verantwortlich bleiben, auch wenn die Auslagerung wirksam und im Einklang mit den aufsichtsrechtlichen Vorgaben des § 25a KWG erfolgt ist, können Verstöße gegen Aufsichtsnormen durch das Auslagerungsunternehmen ebenfalls Maßnahmen gegen Geschäftsleiter und gegebenenfalls sogar das Institut rechtfertigen, wenn diese das Auslagerungsunternehmen nicht sorgfältig ausgewählt oder überwacht haben. S. zum Beispiel §§ 35 Abs. 2 Nr. 6 KWG, § 36 Abs. 1 KWG. Wann ein Verstoß gegen die Anforderungen des § 25a KWG vorliegt, wird seit Inkrafttreten des FRUG differenzierter als bislang zu beantworten sein. Zunächst kann ein Verstoß gegen § 25a KWG vorliegen, wenn die Wesentlichkeit einer Auslagerung falsch eingeschätzt wurde. Da die Bestimmung der Wesentlichkeit aber ein Bewertungsprozess ist, bei dem verschiedene Faktoren zu erfassen, zu bewerten und zu gewichten sind, gibt es nicht nur ein richtiges Ergebnis. Dies bedeutet aber, dass ein Institut bei der Entscheidung über die Wesentlichkeit nur gegen § 25a Abs. 2 KWG verstößt, wenn es die Entscheidung, ob Wesentlichkeit gegeben ist, nicht lege artis trifft. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn es die Risikoanalyse nicht sauber durchführt (zum Beispiel vorwerfbar von falschen Tatsachen ausgeht) oder sachfremde Erwägungen in den Prozess einfließen lässt. Ferner kommt ein Verstoß gegen § 25a KWG in Betracht, wenn die zur Vermeidung von übermäßigen Risiken getroffenen Vorkehrungen nicht ausreichend waren. Können aber in Abhängigkeit von bestimmten Umständen (wie zum Beispiel der Gruppenangehörigkeit des Auslagerungsunternehmens) die zur Risikovermeidung zu treffenden Maßnahmen variieren, gibt es kein einfaches Schema, nach dem zu beurteilen ist, ob die im Zusammenhang mit Auslagerungsmaßnahmen durch das auslagernde Institut getroffenen Maßnahmen aufsichtsrechtlich ausreichend sind. Weitergedacht bedeutet dies eingedenk des prinzipienorientierten Ansatzes des § 25a KWG und der MaRisk, dass eine Verletzung der Anforderungen des § 25a KWG nur dann vorliegt, wenn der Beurteilungsprozess, mit dem das Institut zur Annahme eines geringeren Risikos (und folglich zu geringeren Anforderungen bei der Auslagerung) gelangt ist, nicht sachgerecht durchgeführt oder durch sachfremde Erwägungen beeinflusst wurde. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Akzentuierung der Anforderungen an den Auslagerungsprozess und das Management von Auslagerungen sich naturgemäß bei der Frage, wann und worin eine Verletzung dieser aufsichtsrechtlichen Pflichten liegen kann, widerspiegelt. Schließlich kommt ein Verstoß gegen § 25a Abs. 2 KWG in Betracht, wenn gegen einzelne konkret aus § 25a Abs. 2 KWG im Wege der Auslegung ableitbare Pflichten verstoßen wird (zum Beispiel kein schriftlicher Auslagerungsvertrag geschlossen wird).
Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) …
3.4.8
297
Jahresabschlussprüfung
Gemäß § 5 Abs. 2 Prüfberichtsverordnung (PrüfBV) hat der Abschlussprüfer des auslagernden Instituts jährlich im Prüfungsbericht über bestehende Auslagerungen zu berichten und zur Ordnungsmäßigkeit der Auslagerung Stellung zu nehmen. Insoweit sind im Prüfbericht die Einhaltung der materiellen Voraussetzungen des § 25a Abs. 2 KWG festzustellen und Art und Umfang der Auslagerungslösung zu beschreiben.
3.5
Anforderungen an den Auslagerungsvertrag
Mit dem Ziel eine Überwachung der Anforderungen des § 25a KWG zu ermöglichen verlangte das Rundschreiben 11/2001 einen schriftlichen Auslagerungsvertrag. Zukünftig wird der Abschluss eines schriftlichen Auslagerungsvertrages durch § 25a Abs. 2 KWG vorgeschrieben sein. Inhaltliche Anforderungen an den Auslagerungsvertrag formulierte bislang das Rundschreiben 11/2001 in den Randziffern 23 ff. Zukünftig wird § 25a Abs. 2 S. 8 KWG vorsehen, dass der Auslagerungsvertrag die Rechte des auslagernden Instituts einschließlich Weisungs- und Kündigungsrechten enthalten muss. AT 9 Nr. 6 MaRiskE wird ferner in der Form von Überschriften Regelungsbereiche vorgeben, die sich weitgehend mit den Themen decken, die bislang das Rundschreiben 11/2001 anspricht. Der Unterschied liegt darin, dass die Ausgestaltung nicht detaillierter beschrieben und begründet wird, wie das im Rundschreiben 11/2001 der Fall war.52
3.5.1
Spezifizierung und gegebenenfalls Abgrenzung der vom Auslagerungsunternehmen zu erbringenden Leistungen
Damit eine Auslagerung die Ordnungsmäßigkeit der betriebenen Geschäfte und die Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten der Geschäftsleitung nicht beeinträchtigen kann, muss der ausgelagerte Tätigkeitsbereich genau umschrieben werden. Auch sind die Anforderungen für die Leistungserbringung detailliert festzulegen, um sicherzustellen, dass das Auslagerungsunternehmen die vom auslagernden Institut geforderten Standards einhält. Dies ist besonders dann wichtig, wenn die Leistung des Auslagerungsunternehmens gegenüber Kunden des auslagernden Instituts erbracht wird und insoweit durch das auslagernde Institut bestimmte bankaufsichtsrechtlich vorgegebene Standards einzuhalten sind. Bei der Auslagerung von Tätigkeiten der Datenverarbeitung erfolgt eine solche Festle-
52
Vgl. zu Klauselvorschlägen auch Fn. 11.
298
Klaus Lackhoff
gung regelmäßig in Rahmen von Service-Level-Vereinbarungen, die auch die Leistungsqualitäten und Leistungsverfügbarkeiten bestimmen. Festgelegt werden sollten regelmäßig Verfügbarkeit, Responsezeiten und die Mitwirkungspflichten des auslagernden Instituts (s. a. 2.4.2).
3.5.2
Sicherstellung der vertragsgemäßen Aufgabenerfüllung durch das Auslagerungsunternehmen
Eine Auslagerung ist nur zulässig, wenn dadurch die Ordnungsmäßigkeit der erbrachten Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen nicht beeinträchtigt wird. Um dies zu sichern, verlangte das Rundschreiben 11/2001, dass eine Reihe von Vorkehrungen getroffen wird. So waren zunächst Schnittstellen, Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten zwischen den Vertragsparteien vertraglich zu regeln. Auch für den Fall, dass sich Änderungen von Qualitätsstandards bei der Erbringung von Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen aufgrund gesetzlicher Regelungen ergaben, musste das auslagernde Unternehmen im Vertrag Vorsorge treffen. Für einen solchen Fall, musste die Anpassung des Vertrages an die neuen gesetzlichen Gegebenheiten möglich sein. Hierzu konnten Vertragsregelungen vorsehen, dass das Auslagerungsunternehmen seine Dienstleistungen jederzeit in Einklang mit den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen zu erbringen hat. Auslagerungsunternehmen werden für diesen Fall jedoch regelmäßig verlangen, dass bei einer kostenintensiven Veränderung der gesetzlichen Vorgaben auch eine Preisanpassung erfolgt. Die MaRisk sehen eine entsprechende Vertragsregelung nicht explizit vor, doch liegt es im Interesse des auslagernden Instituts entsprechende Regelungen zu treffen und im Sinne einer Steuerung potenzieller vertraglicher Risiken scheinen sie ebenfalls sinnvoll, sodass sie auch unter Geltung des § 25a Abs. 2 KWG vorzusehen sind.
3.5.3
Überprüfung der Tätigkeit des Auslagerungsunternehmens, Berichtspflichten, Kontrollrechte, Weisungsrechte, Kündigungsrechte, Weiterverlagerungen
Das auslagernde Unternehmen muss laufend die Tätigkeit des Auslagerungsunternehmens überwachen und gegebenenfalls Korrekturmaßnahmen vornehmen. Hierzu sind institutsintern als organisatorische Vorkehrung für die Steuerung jeder Auslagerung klare Verantwortlichkeiten festzulegen (vgl. AT 9 Nr. 7 MaRiskE). Dazu hat das auslagernde Institut die Tätigkeit des Auslagerungsunternehmens regelmäßig nach feststehenden (insbesondere risikoorientierten) Kriterien zu beurteilen. Hier bietet es sich an, einen Bewertungskatalog (der zum Beispiel Kriterien wie Qualität der Leistungserbringung, Fehlerhäufigkeit, Reaktion auf Fehler, proaktive Aufnahme von Problemen, Rechtsänderungen, Qualität der Berichterstattung usw. enthält) zu entwerfen und diesen regelmäßig anzuwenden.
Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) …
299
Eine effektive Überwachung erfordert, dass einerseits Berichtspflichten des Auslagerungsunternehmens vorgesehen werden und andererseits der ausgelagerte Bereich in das interne Kontrollsystem des Instituts integriert bleiben muss. Gegenüber dem Auslagerungsunternehmen muss sich das auslagernde Institut hierzu Auskunfts-, Einsichts-, Zutritts- und Zugangsrechte (auch zu Datenbanken) sowie Weisungs- und Kontrollrechte vertraglich einräumen lassen. Auf die Einräumung von Weisungsrechten kann verzichtet werden, wenn die vom Auslagerungsunternehmen zu erbringenden Tätigkeiten ausreichend klar und detailliert im Vertrag festgelegt sind. Dies ist im Umkehrschluss nicht der Fall, wenn der Service Provider nicht nur nach im Detail vorgegebenen Vorgaben handeln soll. Die Berichtspflichten muss das Auslagerungsunternehmen verpflichten, das auslagernde Institut über Umstände zu informieren, die die ordnungsgemäße Erledigung der ausgelagerten Aktivitäten und Prozesse beeinträchtigen können (Randziffer 28 Rundschreiben 11/2001, AT 9 Nr. 6 lit. i) MaRisk). Als Adressat von Weisungsrechten des auslagernden Instituts kommt das Auslagerungsunternehmen, vertreten durch seine Geschäftsführungsorgane, in Betracht, nicht jedoch einzelne Mitarbeiter des Auslagerungsunternehmens, da dies mit dem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht des Auslagerungsunternehmens konfligieren würde. Weisungsrechte sind im Hinblick auf die Steuerung von Risiken, die mit den ausgelagerten Bereichen verbunden sind, von Bedeutung. Das auslagernde Institut sollte sie sich dort vorbehalten, wo durch die Weisungen Einfluss auf die Risiken genommen werden kann. Das Weisungsrecht kann sowohl für den Einzelfall als auch für bestimmte Kategorien von Fällen im Voraus erteilt werden. Hierzu bieten sich Arbeitsanweisungen, Handbücher und Richtlinien an, die in den Auslagerungsvertrag einbezogen werden. Zur Steuerung und Kontrolle der mit der Auslagerung verbundenen Risiken ist es nach Ansicht der BaFin des Weiteren erforderlich, dass das auslagernde Institut sich flexible Kündigungsrechte im Auslagerungsvertrag vorbehält (Randziffer 31 Rundschreiben 11/2001; AT 9 Nr. 6 lit. f) MaRiskE "angemessene Kündigungsfristen"). Für die Bemessung der Kündigungsfrist ist dabei insbesondere darauf abzustellen, wieviel Zeit der Wechsel zu einem anderen Auslagerungsunternehmen in Anspruch nimmt, sodass die Kündigungsfristen von Fall zu Fall variieren können. Schließlich durfte eine Weiterverlagerung, das heißt eine Übertragung der Wahrnehmung der ausgelagerten Tätigkeiten durch das Auslagerungsunternehmen auf ein weiteres Unternehmen, nur mit Zustimmung des auslagernden Unternehmens erfolgen (Randziffer 32 Rundschreiben 11/2001). Dies ergab sich daraus, dass das Institut die Risiken steuern können muss, was nicht der Fall ist, wenn der Dienstleister ohne sein Zutun ausgewechselt werden könnte. Nach den MaRisk wird insoweit nur noch verlangt, dass Regelungen über die Möglichkeit und die Modalitäten einer Weiterverlagerung vorgesehen werden, die sicherstellen, dass das Institut die bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen weiterhin einhält (AT 9 Nr. 6 g MaRisk). Dies ermöglicht Regelungen, die eine Weiterverlagerung an entsprechende Vorgaben knüpft ohne einen konkreten Zustimmungsvorbehalt vorzusehen.
300
3.5.4
Klaus Lackhoff
Interne Revision, Abschlussprüfung und Aufsicht
Der Auslagerungsvertrag muss ferner sicherstellen, dass die Interne Revision des auslagernden Instituts, sein Prüfer und die BaFin sowie von dieser mit einer Prüfung beauftragte Stellen53 den ausgelagerten Tätigkeitsbereich jederzeit vollumfänglich und ungehindert einsehen und prüfen können. Hierzu musste der Auslagerungsvertrag nach dem Rundschreiben 11/2001 eine Erklärung des Auslagerungsunternehmens enthalten, dass es im Rahmen von Jahresabschlussprüfungen des auslagernden Unternehmens oder im Rahmen von Prüfungen, die die Bundesanstalt gegenüber dem Unternehmen angeordnet hat, die Prüfung des ausgelagerten Bereichs duldet (Randziffer 33 und 34 Rundschreiben 11/2001). AT 9 Nr. 6 MaRisk verlangt die Festlegung von Auskunfts- und Prüfungsrechten der Internen Revision sowie externer Prüfer und die Sicherstellung der Auskunfts- und Prüfungsrechte sowie der Kontrollmöglichkeiten der BaFin, sodass in der Praxis kaum Unterschiede zwischen beiden Regelungen bestehen dürften. Zur Durchführung dieser Prüfungsmöglichkeiten verlangte die BaFin, dass der Auslagerungsvertrag ein jederzeitiges, vollumfängliches und ungehindertes Einsichts- und Prüfungsrecht hinsichtlich des ausgelagerten Bereichs einräumt. So musste der Internen Revision und dem Abschlussprüfer des auslagernden Instituts der Zugang zu allen Dokumenten, Datenträgern und Systemen des Auslagerungsunternehmens gesichert werden. Schließlich waren die Interne Revision und der Jahresabschlussprüfer des Auslagerungsunternehmens von ihren Schweigepflichten gegenüber dem auslagernden Institut in Bezug auf den Auslagerungsbereich zu entbinden. Diese Prüfungsrechte mussten auch nach Beendigung des Auslagerungsvertrages für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren fortbestehen. Soweit die Interne Revision (teilweise) auf das Auslagerungsunternehmen ausgelagert wurde, galten noch weitergehende Anforderungen (Randziffer 35 Rundschreiben 11/2001). AT 9 MaRisk enthält die vorgenannten Anforderungen nicht so explizit, doch ist grundsätzlich auch zukünftig davon auszugehen, dass die Vorgaben des Rundschreibens 11/2001 Gestaltungsmöglichkeiten aufzeigen, die in Abhängigkeit von der Risikoanalyse mehr oder weniger genutzt werden sollten. Bei bestimmten Auslagerungsunternehmen, zum Beispiel Rechenzentren im Sparkassen- und Genossenschaftssektor, musste der Auslagerungsvertrag nicht die unabhängige Durchführbarkeit und Befolgbarkeit von Weisungen sowie die Einräumung unabhängiger Prüfungsbefugnisse für die Interne Revision jedes auslagernden Instituts vorsehen, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (s. Randzeichen 49 des Rundschreibens 11/2001). Mit Blick auf die Proportionalitätsklausel wird man zukünftig zu vergleichbaren Ergebnissen kommen können.
53
S. in diesem Zusammenhang auch § 44 Abs. 1 KWG.
Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) …
3.5.5
301
Sicherheit, Datenschutz, Vertraulichkeit
Im Auslagerungsvertrag sind die Sicherheitsanforderungen, die das Auslagerungsunternehmen zu erfüllen hat, festzulegen. Insbesondere ist festzulegen, welche Sicherheitsvorkehrungen das Auslagerungsunternehmen bei der Datenverarbeitung beachten muss. Ferner ist zu regeln, wie den Anforderungen des Datenschutzgesetzes und des Bank- und Geschäftsgeheimnisses in Bezug auf Daten, die das Auslagerungsunternehmen für das auslagernde Unternehmen verarbeitet, Rechnung getragen wird (vgl. Randziffer 39 ff. Rundschreiben 11/2001 und AT 9 Nr. 6 lit. e) MaRisk "Sicherstellung der Vertraulichkeit der Daten"). Insoweit waren die technischen organisatorischen und rechtlichen Maßnahmen festzulegen, durch die ein unbefugter Zugriff auf Daten, die das auslagernde Unternehmen dem Auslagerungsunternehmen zur Verfügung stellt, vermieden wird. Die Systeme waren insbesondere gegen unbefugte oder zufällige Vernichtung, den zufälligen Verlust, technische Fehler, Fälschung, Diebstahl, widerrechtliche Verwendung, unbefugtes Ändern, Kopieren, Zugreifen und andere unbefugte Bearbeitungen zu sichern. In entsprechender Weise war durch technische, personelle und organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Vertraulichkeit der Daten gewahrt blieb. Insoweit verlangte die BaFin im Rundschreiben 11/2001, dass das Auslagerungsunternehmen die gleichen Verpflichtungen in Bezug auf ihm zur Verarbeitung überlassene Daten übernimmt, wie sie beim auslagernden Institut bestehen. Hierzu hatte sich das Auslagerungsunternehmen ausdrücklich zu verpflichten, die Vertraulichkeit der Kundendaten zu wahren. Im Auslagerungsvertrag sollte diese Regelung aus Sicht des auslagernden Instituts als echter Vertrag zugunsten seiner Kunden ausgestaltet werden, damit diese unmittelbar einen Anspruch gegen das Auslagerungsunternehmen haben, sofern es zu einer Verletzung dieser Pflichten kommt. AT 9 Nr. 6 lit. e) MaRisk enthält keine vergleichbaren detaillierten Regelungen, doch werden sich im Einzelfall in Abhängigkeit von einer Risikoanalyse vergleichbare Regelungen anbieten.
3.6
Besonderheiten im Rahmen des § 33 Abs. 2, Abs. 3 WpHG
§ 33 Abs. 2 S. 1 WpHG bestimmt, dass für Auslagerungen von Aktivitäten und Prozessen durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen die gleichen Anforderungen wie für Auslagerungen von Kreditinstituten nach dem KWG gelten. In Satz 1 wird ferner klargestellt, dass die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen Gegenstand der Auslagerung sein kann. Weitergehende Anforderungen stellen § 33 Abs. 2 S. 2 und S. 3 WpHG und § 33 Abs. 3 WpHG.
302
Klaus Lackhoff
§ 33 Abs. 2 S. 2 und S. 3 WpHG setzen die Regelungen der Art. 14 Abs. 1 lit. b) sowie lit. c) und d) der Durchführungsrichtlinie zur MiFiD54 um. § 33 Abs. 2 S. 2 WpHG sieht vor, dass die Auslagerung die Rechtsverhältnisse des auslagernden Unternehmens zu seinen Kunden und seine Pflichten, die nach dem Abschnitt "Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten, Verjährung von Ersatzansprüchen" gegenüber dem Kunden bestehen, nicht verändern darf. Diese Anforderung ist verständlich und nachvollziehbar. Durch die Auslagerung soll es dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht möglich sein, sich von Pflichten und Haftungen gegenüber dem Kunden zu befreien. § 33 Abs. 2 S. 3 WpHG bestimmt, dass die Auslagerung die Voraussetzungen, unter denen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine Erlaubnis nach § 32 KWG erteilt worden ist, nicht verändern darf. Dies bewirkt eine Auslagerung zunächst selbst erbrachter Tätigkeiten aber immer. Daher dürfte dies nicht gemeint sein. Vielmehr dürfte es darauf ankommen, ob die Auslagerung die kontinuierliche Einhaltung der Zulassungsbedingungen beeinträchtigen könnte.55 In § 33 Abs. 3 WpHG werden für die Auslagerung der Finanzportfolioverwaltung für Privatkunden (das heißt Kunden, die keine professionellen Kunden sind) an ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat besondere Anforderungen gestellt. In diesem Fall ist entweder erforderlich, dass das Auslagerungsunternehmen in dem Drittstaat zugelassen oder registriert ist und der Aufsicht einer Behörde unterliegt, die mit der BaFin eine Kooperationsvereinbarung geschlossen hat, oder die Auslagerungsvereinbarung der BaFin angezeigt worden ist und diese ihr nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums widersprochen hat. Die BaFin wird dazu verpflichtet, sowohl eine Liste der ausländischen Aufsichtsbehörden, mit denen Kooperationsvereinbarungen bestehen, als auch die Bedingungen, unter denen Auslagerungsvereinbarungen nicht beanstandet werden, zu veröffentlichen. Bei letzter Veröffentlichung ist auch zu begründen, warum die vorgesehenen Bedingungen dazu führen, dass die Vorgaben an Auslagerungen eingehalten werden. Damit wird dieses Dokument allgemein für Auslagerungen von Interesse sein, da die BaFin darlegen muss, welche Klauseln zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben ausreichend sind.
54 55
Vgl. Fn. 3. Hier besteht auch mit Blick auf Erwägungsgrund 20 und Art. 14 Abs. 1 lit. c) und d) der Durchführungsrichtlinie sowie angesichts des Verweises in Erwägungsgrund 20 auf Art. 16 Abs. 2 MiFiD Klärungsbedarf.
Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) …
4.
Datenschutz und Bankgeheimnis
4.1
Rechtlicher Rahmen des Datenschutzrechts56
303
Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) regelt unter anderem die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch private Unternehmen unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen. Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten sind nur zulässig, soweit das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Verstöße hiergegen können gegebenenfalls zu Schadensersatzleistungen verpflichten sowie Ordnungswidrigkeiten und Straftaten darstellen. Das Erheben von Daten ist das Beschaffen von Daten über den Betroffenen; Verarbeiten ist das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen personenbezogener Daten. Unter Nutzung ist jede Verwendung personenbezogener Daten zu verstehen, soweit es sich nicht um eine Verarbeitung handelt. Personenbezogene Daten, die das auslagernde Unternehmen nach diesen Vorschriften erheben, verarbeiten oder nutzen darf, dürfen an einen Dritten nur nach Einwilligung des Betroffenen oder aufgrund einer gesetzlichen Regelung, zum Beispiel gem. §§ 27ff. BDSG, übermittelt werden und von dem Dritten (Auslagerungsunternehmen) für das auslagernde Unternehmen ebenfalls grundsätzlich nur nach Einwilligung des Betroffenen oder aufgrund einer gesetzlichen Regelung verarbeitet oder genutzt werden. Eine Einwilligung muss, um wirksam zu sein, spezifisch sein (vgl. § 4a BDSG). Nicht ausreichend dürfte eine Einwilligung in allgemein gehaltener Form in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sein. Soweit möglich sollte daher eine spezifische Einwilligungsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehen werden. Liegt keine Einwilligung des Kunden vor, sind die Ausnahmeregelungen der §§ 28 ff. BDSG von Bedeutung, doch kann es fraglich sein, ob sie eine ausreichend sichere Rechtsgrundlage für ein Outsourcing-Vorhaben bieten (s. hierzu auch noch 4.3).
56
Bei den nachfolgenden Ausführungen zum Datenschutzrecht kann es sich im Rahmen dieses Beitrags allenfalls um eine Skizze von Grundstrukturen handeln.
304
Klaus Lackhoff
Für die Übermittlung personenbezogener Daten ins Ausland sieht § 4b BDSG besondere Regelungen vor. § 4c BDSG legt fest, unter welchen Umständen eine Übermittlung personenbezogener Daten trotz fehlenden angemessenen Schutzniveaus in ein Drittland erfolgen darf. Das Verhältnis von § 4c BDSG zu § 28 ff. BDSG (das heißt, ob die Voraussetzungen beider Normen kumulativ vorliegen müssen) ist noch nicht abschließend geklärt.57 Eine Auslagerung steht, ohne dass sich die Fragen nach der Einwilligung des Kunden oder der Anwendung der Ausnahmevorschriften der §§ 4c, 28 ff. BDSG stellt, im Einklang mit den Regelungen des BDSG, wenn das Auslagerungsunternehmen nicht als Dritter im Sinne des BSDG anzusehen ist.58 Dies ist das Auslagerungsunternehmen nicht, sofern es sich bei ihm um eine Stelle handelt, die im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum personenbezogene Daten im Auftrag erhebt, verarbeitet oder nutzt (Auftragsdatenverarbeiter), § 3 Abs. 8 S. 3 BDSG. Sofern möglich, ist daher bei Auslagerungsverträgen eine Struktur anzustreben, die die Voraussetzungen der Auftragsdatenverarbeitung erfüllt.
4.2
Auftragsdatenverarbeitung versus Funktionsverlagerung
Eine solche Auftragsdatenverarbeitung gem. § 11 BDSG setzt insbesondere voraus, dass das auslagernde Unternehmen die Verfügungsgewalt über die Daten behält und der Auftragnehmer die Daten nur im Rahmen der Weisungen des Auftraggebers erhebt, verarbeitet oder nutzt. Das auslagernde Unternehmen muss daher konkret die Vorgaben für die Aufgabenstellung der Datenverarbeitung setzen. Das Auslagerungsunternehmen darf mithin, damit eine Auftragsdatenverarbeitung anzunehmen ist, nur Hilfs- und Unterstützungsfunktionen ausüben. Keine Auftragsdatenverarbeitung läge vor, wenn das Auslagerungsunternehmen eigenverantwortliche Entscheidungen über die Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung treffen könnte. Angesichts dieser engen Voraussetzungen ist anzuraten, in einem Auslagerungsvertrag die Vorgaben für die Datenverarbeitung durch das Auslagerungsunternehmen detailliert zu regeln und dem auslagernden Unternehmen ausdrücklich Weisungsrechte vorzubehalten. Im Übrigen bestimmt § 11 Abs. 2 BSDG, dass die der Auftragsdatenverarbeitung zugrunde liegende Vereinbarung schriftlich zu fixieren und die zu erbringenden Leistungen genau zu beschreiben sind. Das zur Auftragsdatenverarbeitung herangezogene Auslagerungsunternehmen ist 57
Dafür, dass bei einer Übermittlung im nichtöffentlichen Bereich in einen Drittstaat ohne angemessenes Schutzniveau die Voraussetzungen beider Vorschriften kumulativ erfüllt sein müssen, ist Däubler, in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2007, § 4c Rn. 4. 58 Vgl. Hoeren, DuD 2002, 736; Graf von Westphalen, WM 1999, 1810; Zerwas/Hanten/Bühr, ZBB 2002, 17 (27 f.).
Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) …
305
vom auslagernden Unternehmen, das für die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften verantwortlich bleibt, sorgfältig auszuwählen. Aufgrund der verbleibenden Verantwortlichkeit des auslagernden Unternehmens für die Einhaltung des Bundesdatenschutzgesetzes ist bei den Prüfungshandlungen der Internen Revision des auslagernden Unternehmens beim Auslagerungsunternehmen auch dieses zu prüfen.
4.3
Funktionsverlagerung
Liegen die Voraussetzungen für eine Auftragsdatenverarbeitung nicht vor, ist eine sogenannte Funktionsverlagerung gegeben. Der Empfänger der Daten ist in diesem Fall Dritter im Sinne des § 3 Abs. 8 BDSG, sodass die Weiterleitung der Daten an diesen Dritten sowie die Verarbeitung oder Nutzung der Daten durch diesen Dritten (Auslagerungsunternehmen) nur mit Einwilligung des Betroffenen oder aufgrund einer gesetzlichen Regelung, die dieses erlaubt, zulässig ist. Eine etwaige Einwilligung (§ 4a BDSG) muss hierbei spezifisch sein, um wirksam zu sein. Bei ihrer Einholung ist auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie, soweit nach den Umständen der Einzelfall erforderlich oder auf Verlangen, auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen. Ferner bedarf die Einwilligung der Schriftform. Soll sie zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, ist sie besonders hervorzuheben. Soweit, etwa bei einer Auslagerung im Konzern, das Auslagerungsunternehmen von vornherein feststeht und genau benannt werden kann und des Weiteren mit einer Änderung nicht zu rechnen ist, kann eine solche spezifische Einwilligung zur Auslagerung bei Vertragsschluss (zum Beispiel bei Abschluss eines Girovertrages) eingeholt werden. Sofern keine Einwilligung vorliegt, kommt noch eine Rechtfertigung der Erhebung, Speicherung, Veränderung durch oder Übermittlung an das Auslagerungsunternehmen gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 BDSG in Betracht. Danach sind das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke unter anderem zulässig, wenn es der Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisses oder vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses mit dem Betroffenen dient oder es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle (auslagerndes Unternehmen) erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, was der erforderlichen Rechtssicherheit für eine Auslagerungslösung in der Regel widerspricht. Daher ist anzustreben, dass sich die Auslagerungslösung im Rahmen der Vorgaben des § 11 BSDG – der Auftragsdatenverarbeitung – hält.
306
Klaus Lackhoff
Hat das Auslagerungsunternehmen seinen Sitz in einem Drittstaat, der kein angemessenes Schutzniveau besitzt, erfordert eine Übermittlung ferner, dass die Voraussetzungen des § 4c BDSG erfüllt sind.59
4.4
Bankgeheimnis
4.4.1
Grundlage und Inhalt des Bankgeheimnis
Grundlage des Bankgeheimnisses,60 das neben den Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes gilt, ist der Vertrag zwischen dem Kunden und dem Institut.61 Im Rahmen dieses Vertrages obliegt die Wahrung der Vertraulichkeit von Informationen des Kunden dem Institut als Nebenpflicht. Weitergehend als die Regelungen des BDSG schützt das Bankgeheimnis auch juristische Personen. Seine Ausgestaltung hat das Bankgeheimnis regelmäßig in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), zum Beispiel den AGB-Banken, gefunden. Ziffer. 2 der AGB-Banken bestimmt insoweit, dass die Bank verpflichtet ist, über alle kundenbezogenen Tatsachen und Wertungen Stillschweigen zu bewahren (Verschwiegenheitspflicht) und Information über den Kunden nur weiterzugeben, wenn gesetzliche Bestimmungen dies gebieten oder der Kunde eingewilligt hat oder die Bank zur Erteilung einer Bankauskunft befugt ist (Auskunftsverweigerungspflicht). Verstöße gegen das Bankgeheimnis können zu vertraglichen und deliktischen Schadensersatzansprüchen führen.62
4.4.2
Umfang und Rechtfertigung von Eingriffen in das Bankgeheimnis
Die Weiterleitung von kundenbezogenen Tatsachen und Wertungen, die einem Kreditinstitut aufgrund, aus Anlass oder im Rahmen der Geschäftsverbindung zum Kunden bekannt geworden sind, an ein Auslagerungsunternehmen stellt grundsätzlich einen Eingriff in das Bankgeheimnis dar, da die Daten einem Dritten bekannt werden. Etwas anderes gilt nur, 59
Hat das Sitzland des Auslagerungsunternehmens ein angemessenes Schutzniveau, verbleibt es bei §§ 28 ff. BDSG. Ein angemessenes Schutzniveau haben etwa Argentinien, Kanada, die Schweiz, und die Isle of Man und Gurnsey. Den USA wird kein angemessenes Datenschutzniveau zugestanden; damit der Datenverkehr nicht unnötig belastet wird, sind safe harbor principles zwischen der EU-Kommission und dem US Handelsministerium vereinbart worden. Vgl. Däubler in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2007, § 4b Rn. 13 ff. 60 Fragen des inneren Bankgeheimnisses, das heißt der Begrenzung des Datenzugriffs innerhalb eines Instituts, werden nachfolgend nicht behandelt. 61 Eine unmittelbar verfassungsrechtliche Ableitung des Bankgeheimnisses für das Verhältnis Kunde–Bank scheidet mangels unmittelbarer Geltung der Verfassung in diesem Verhältnis aus. 62 Vgl. dazu BGH NJW 2006, 830ff (Breuer).
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307
wenn die Weitergabe an ein Auslagerungsunternehmen zulässigerweise vom Schutz des Bankgeheimnisses ausgenommen worden ist oder eine Rechtfertigung des Eingriffs vorliegt.63 Ob in AGB eine Einschränkung des Schutzbereiches des Bankgeheimnisses dahin möglich wäre, dass eine Weitergabe an Dienstleister, die eine Auftragsdatenverarbeitung durchführen, zulässig ist, ist unklar. Bei einer detaillierten Regelung sollte nichts hiergegen sprechen.64 Fraglicher ist, ob eine generelle Regelung, die in allgemeiner Form eine Ausnahme vom Bankgeheimnis im Zusammenhang mit Auslagerungen vorsieht in AGB wirksam ist. Da es jedoch um die Begründung des Bankgeheimnisses (und damit die Festlegung der Leistungspflicht geht), sollte dies grundsätzlich möglich sein. Doch muss die entsprechende Regelung dem Kunden klar machen (Transparenzgebot), in welchem Umfang eine Weitergabe von Daten möglich ist. Ferner sind bei natürlichen Personen die Anforderungen des BDSG zu beachten. Da der Umfang des Bankgeheimnisses entscheidend vom Willen der Parteien bestimmt wird, ist darüber hinaus anzunehmen, dass der Bankkunde regelmäßig mit der Weitergabe von Daten im Zusammenhang mit der Ausführung von Kundenaufträgen einverstanden ist, sofern dies zur Ausführung dieses Auftrags erforderlich ist und der beauftragte Dritte (Auslagerungsunternehmen) in gleicher Weise wie das Institut (auslagerndes Unternehmen) Vertraulichkeit gewährleistet.65 Ein Eingriff in das Bankgeheimnis, der grundsätzlich bei jeder Preisgabe von Kundendaten an Dritte (das sind auch konzernangehörige Unternehmen) gegeben ist, ist im Übrigen zulässig, wenn (1.) gesetzliche Bestimmungen dies gebieten, (2.) der Kunde eingewilligt hat, (3.) die Bank zur Erteilung einer Bankauskunft befugt ist oder (4.) ein überwiegendes Eigeninteresse des Instituts vorliegt. Hierbei stellt sich die – zu bejahende – Frage nach einem Gleichklang der Rechtfertigungsmöglichkeiten für eine Weitergabe von Kundendaten nach dem BDSG und den Regelungen zum Bankgeheimnis.
63
Sehr kritisch und daher zu eng bei den Möglichkeiten zu gerechtfertigten Eingriffen in das Bankgeheimnis. Steding/Meyer, BB 2001, 1693. 64 Inwieweit eine solche AGB-Klausel auch zur Rechtfertigung der Weitergabe personenbezogener Daten nach dem Bundesdatenschutzgesetz reichen würde, ist eine zweite Frage, die mit Blick auf die Anforderungen an eine Einwilligung wohl nur im Falle der Einhaltung der Anforderungen des § 4a BDSG positiv zu beantworten wäre (s. dazu oben 4.1). 65 Vgl. Bruchner/Krepold in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 39 Rn. 22, 31 ff.
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Klaus Lackhoff
5.
Gesellschaftsrecht
5.1
Bedeutung gesellschaftsrechtlicher Regelungen
Gesellschaftsrechtliche Regelungen können einerseits der Auslagerung durch das auslagernde Unternehmen Grenzen setzen, indem sie die Auslagerung bestimmter Tätigkeiten nicht zulassen. Andererseits spielen sie eine Rolle bei der Schaffung bzw. Gestaltung des Auslagerungsunternehmens im Rahmen der Beteiligungs- bzw. Konzern-Auslagerung, so zum Beispiel wenn das Auslagerungsunternehmen durch Spaltung aus einem bestehenden Institut hervorgehen soll.
5.2
Gesellschaftsrechtliche Grenzen für das auslagernde Unternehmen
Gesellschaftsrechtliche Normen sind die Rechtsregeln, die das Recht der privaten Personenvereinigungen regeln, die zur Erreichung eines bestimmten gemeinsamen Zweckes durch Rechtsgeschäft (Vertrag) begründet werden. Für bestimmte Rechtsformen gibt es hierbei jeweils rechtsformspezifische Regelungen, wie zum Beispiel im Aktiengesetz für die AG. Aus diesen gesellschaftsrechtlichen Regelungen können sich – divergierend für jede Gesellschaftsform – Grenzen für die Auslagerung ergeben. Aus § 76 Abs. 1 AktG ergibt sich zum Beispiel, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft diese unter eigener Verantwortung zu leiten hat. Hieraus wird gefolgert, dass der Vorstand die Bereiche Unternehmensplanung, -organisation und -kontrolle nicht aus der Hand geben darf. Diese gesellschaftsrechtlichen Gedanken hat die BaFin im Outsourcing-Rundschreiben sowie jetzt in den MaRisk mit der Festlegung nichtauslagerbarer Bereiche aufgegriffen. Da eine auslagernde Aktiengesellschaft sich durch die Auslagerung in Abhängigkeiten vom Auslagerungsunternehmen bringen kann, wird diskutiert, ob Auslagerungsmaßnahmen, die von grundlegender Bedeutung sind, der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen. Gestützt wird diese Überlegung auf die sogenannte „Holzmüller“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs,66 nach der bei Strukturmaßnahmen von herausragender Bedeutung eine ungeschriebene Pflicht besteht, die Hauptversammlung vor solchen Maßnahmen zu befragen. Im Ergebnis wird man dies jedoch regelmäßig verneinen können, weil die Auslagerung die entsprechenden Wesentlichkeitsschwellen nicht erreicht. 66
BGHZ 83, 122.
Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) …
5.3
309
Bedeutung des Gesellschaftsrechts bei Beteiligungs- und Konzern-Auslagerungen
Besondere Bedeutung erlangen gesellschaftsrechtliche Regelungen, wenn eine Auslagerung, das heißt der Abschluss eines Auslagerungsvertrages, mit der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung des auslagernden Unternehmens an dem Auslagerungsunternehmen verknüpft wird und insbesondere dann, wenn sie mit einer Ausgliederung von Betriebsteilen des auslagernden Unternehmens einhergehen soll. Diese Ausgliederung von Betriebsteilen im Sinne der gesellschaftsrechtlichen Verselbstständigung des Betriebsteils und nicht nur der bloßen Veräußerung an einen Dritten kann außerhalb oder innerhalb des Anwendungsbereichs des Umwandlungsgesetzes erfolgen. Eine Ausgliederung außerhalb des Anwendungsbereichs des Umwandlungsgesetzes kann einerseits gezielt angestrebt sein, sich andererseits aber auch ergeben, weil der Anwendungsbereich des Umwandlungsgesetzes nicht eröffnet ist. Dies ist zum Beispiel bei Körperschaften des öffentlichen Rechts als übertragendem Rechtsträger häufig der Fall. Ein Beispiel für eine Ausgliederung außerhalb des Umwandlungsgesetzes ist die Gründung einer neuen Gesellschaft an die sich die Übertragung einzelner Vermögensgegenstände (Einzelrechtsnachfolge) auf diese Gesellschaft und der Abschluss eines Auslagerungsvertrages anschließen. Alle Vermögensgegenstände, die dem auszulagernden Betriebsteil zugeordnet sind, sind hierbei einzeln zu übertragen. Grundlage der Übertragung ist ein Kauf- und Übereignungsvertrag. Anstelle dieses Vorgehens können die Vermögensgegenstände des auszulagernden Betriebsteils auch im Wege der Sacheinlage gegen Gewährung von Kapitalanteilen und, sofern dies schon bei Gründung der Gesellschaft geschieht, im Wege der Sachgründung auf die neue Gesellschaft übertragen werden. In beiden Fällen sind besondere gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen zu erfüllen, die die Werthaltigkeit der Sacheinlage sicherstellen sollen. Beim Abschluss des Auslagerungsvertrages ist auf die Einhaltung des „arm´s length“-Prinzips zu achten, damit keine gesellschafts- oder steuerrechtlichen Komplikationen auftreten. Umwandlungen im Sinne des Umwandlungsgesetzes sind alle Strukturveränderungen, bei denen es entweder zum Vermögensübergang von einem Rechtsträger auf einen anderen mittels zumindest partieller Gesamtrechtsnachfolge (Gegensatz: Einzelrechtsnachfolge) kommt bzw. der Rechtsträger seine Form wechselt. Umwandlungsformen sind die Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung und der Formwechsel. In Auslagerungsfällen handelt es sich regelmäßig um eine Spaltung. Allen Formen der Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung) ist gemeinsam, dass sie eine partielle Gesamtrechtsnachfolge in Bezug auf den oder die betroffenen Vermögensgegenstände/Betriebe/Betriebsteile erlauben. Damit können Sach- und Rechtsgesamtheiten in vereinfachter Form übertragen werden. Zur Durchführung der Spaltung sind die Vorgaben des Umwandlungsgesetzes (UmwG) zu beachten, die hierfür ein aufwändiges, doch gegenüber der Einzelübertragung in der Regel einfacheres Verfahren zur Verfügung stellen.
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Klaus Lackhoff
Wenngleich weitere Einzelheiten zu gesellschaftsrechtlichen Fragen in diesem Überblick nicht erörtert werden können, ist festzuhalten, dass eine Beteiligungs- oder KonzernAuslagerung komplexe gesellschaftsrechtliche Fragestellungen aufwerfen kann, die eine frühzeitige Strukturierung und Planung der Maßnahme erfordern.
6.
Arbeitsrecht
Arbeitsrechtlich stellt sich bei Auslagerungen insbesondere die Frage, ob ein Betriebsübergang und damit ein Fall des § 613a BGB vorliegt. Daneben stellen sich insbesondere Fragen der betrieblichen Mitbestimmung (Einschaltung des Betriebsrats und des Wirtschaftsausschusses).
6.1
Betriebsübergang – § 613a BGB
Im Falle eines Betriebsübergangs tritt der Übernehmer (Auslagerungsunternehmen) in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Für ein Auslagerungsunternehmen ist es daher entscheidend zu wissen, welche Umstände einen Betriebsübergang begründen. Von entscheidender Bedeutung ist etwa, ob der Übergang einer bloßen Betriebsfunktion (Funktionsnachfolge, zum Beispiel Übernahme von Reinigungsarbeiten oder Wartungsarbeiten an Computern) einen Betriebsübergang darstellt und damit gegebenenfalls Arbeitsverhältnisse zwischen bislang beim auslagernden Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmern und dem Auslagerungsunternehmen begründet. Nach der neueren Rechtsprechung liegt ein Betriebs(teil)übergang vor, wenn eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer wirtschaftlichen Identität auf einen neuen Inhaber durch Rechtsgeschäft übertragen wird. Anhaltspunkte für die Wahrung der Identität des Betriebsteils sind beispielsweise die Übernahme von Betriebsmitteln (darunter fallen auch Know-how oder Goodwill, also immaterielle Betriebsmittel) und wesentlichen Teilen des Personals, insbesondere der Führungskräfte. Der Fall der bloßen Funktionsnachfolge, bei dem allein die Tätigkeit anderweitig vergeben wird (zum Beispiel die Wartung von Computern wird durch ein Auslagerungsunternehmen übernommen), stellt jedenfalls dann keinen Betriebsübergang dar, wenn keinerlei Betriebsmittel oder Teile der Belegschaft übertragen werden und damit nicht von der Übertragung einer wirtschaftlich abgrenzbaren Einheit ausgegangen werden kann.
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Liegt hingegen ein Betriebsübergang vor, hat der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber alle betroffenen Arbeitnehmer möglichst einen Monat vor der Maßnahme über die geplanten Veränderungen und die daraus entstehenden Rechte und Pflichten, insbesondere das Recht der Arbeitnehmer dem Übergang des Arbeitverhältnisses auf den Übernehmer des Betriebs(teils) zu widersprechen, ausführlich schriftlich zu informieren. Widersprechen die Arbeitnehmer dem Betriebsübergang nicht innerhalb eines Monats ab Unterrichtung, gehen die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer automatisch auf den neuen Betriebsinhaber über. Bisheriger und neuer Betriebsinhaber haften nach § 613a Abs. 2 BGB für die Dauer eines Jahres für vor dem Betriebsübergang entstandene Verpflichtungen als Gesamtschuldner. Regelungen in nicht weiter geltenden Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen bestehen grundsätzlich einzelvertraglich weiter und können frühestens ein Jahr nach Betriebsübergang zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werden, § 613a Abs. 1 S. 2 BGB. Die betroffenen Arbeitnehmer können weder durch den bisherigen noch den neuen Arbeitgeber allein wegen des Betriebsüberganges gekündigt werden.
6.2
Betriebsbedingte Kündigungen
Betriebsbedingte Kündigungen von Arbeitnehmern sind möglich, wenn ein betriebsbedingter Grund tatsächlich vorliegt und werden auch durch das Verbot, Arbeitnehmer allein wegen des Betriebsüberganges zu kündigen, nicht ausgeschlossen. Dies gilt zum einen für die Entlassung der Arbeitnehmer, die im Falle eines Betriebsüberganges nach § 613a BGB dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprochen haben, wenn im „Restunternehmen“ keine weitere Beschäftigungsmöglichkeit besteht. Wird infolge der Ausgliederung auch ein Arbeitsplatzabbau in anderen Abteilungen als der unmittelbar betroffenen Abteilung notwendig, sind betriebsbedingte Kündigungen ebenfalls möglich. Der neue Betriebsinhaber kann die gemäß § 613a BGB übergegangenen Arbeitsverhältnisse ebenso kündigen, soweit dies nicht allein aus Gründen des Betriebsüberganges erfolgt. Handelt es sich bei der Maßnahme nicht um einen Betriebsübergang, sondern eine Betriebsschließung aus Sicht des auslagernden Unternehmens, so können betriebsbedingte Kündigungen wegen des Wegfalls der Arbeitsplätze ausgesprochen werden. In allen Fällen müssen jeweils die allgemeinen Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung, insbesondere das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung zur Umstrukturierung und der damit verbundene Wegfall des Arbeitsplatzes sowie eine ordnungsgemäße Sozialauswahl unter mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern desselben Betriebs vorliegen. Bei der Sozialauswahl ist darauf zu achten, dass alle Arbeitnehmer des betroffenen Betriebs – auch die anderer Abteilungen – einbezogen werden müssen, soweit deren Arbeitsplätze mit den weggefallenen vergleichbar sind. Im Falle eines Betriebsübergangs sollte besonders darauf geachtet werden, dass die unternehmerische Entscheidung zu Umstrukturierungsmaß-
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Klaus Lackhoff
nahmen in der Planung so früh wie möglich schriftlich dokumentiert wird, um Beweisschwierigkeiten bzgl. des Vorliegens eine betriebsbedingten Grundes und der Annahme, es sei allein wegen des Betriebsüberganges gekündigt worden, vorzubeugen.
6.3
Betriebsrat – Mitbestimmung
§ 111 BetrVG sieht für den Fall, dass eine Maßnahme eine wesentliche Betriebsänderung darstellt, umfassende Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats vor. Stellt sich die Ausgliederung in Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitnehmern als sogenannte wesentliche Betriebsänderung dar, hat der Arbeitgeber die Pflicht, den Betriebsrat möglichst frühzeitig zu unterrichten und die Maßnahme mit diesem zu beraten. Betriebsänderungen sind nach § 112 Abs. 1 S. 3 BetrVG unter anderem die Einschränkung und Stillegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen sowie die Verlegung von wesentlichen Betriebsteilen und die Zusammenfassung oder Spaltung von Betrieben. Ein Betriebsübergang auf einen neuen Betriebsinhaber ist dann eine Betriebsänderung, wenn er Änderungen in der Betriebsorganisation oder des Betriebszwecks mit sich bringt. Wesentlich sind die Änderungen in der Regel dann, wenn wesentliche Teile der Belegschaft betroffen sind, wobei sich die Rechtsprechung an § 17 Abs. 1 KSchG als Richtschnur orientiert. Demnach ist eine wesentliche Betriebsänderung anzunehmen, wenn in Betrieben mit 21 bis 59 Arbeitnehmern mindestens fünf Arbeitnehmer, in Betrieben mit 60 bis 499 Arbeitnehmern zehn Prozent oder mindestens 25 Arbeitnehmer und in Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer betroffen sind. Hat die Maßnahme auf weniger als fünf Prozent der Arbeitnehmer Einfluss, wird in der Regel keine wesentliche Betriebsänderung vorliegen, wobei die Rechtsprechung jedoch im Einzelfall bei geringfügiger Unterschreitung der Zahlenwerte dennoch das Vorliegen einer wesentlichen Betriebsänderung bejaht. Arbeitgeber und Betriebsrat sollen dann nach § 112 BetrVG den Abschluss eines Interessenausgleichs anstreben, der das „ob“, „wie“ und „wann“ der Maßnahme regelt. Bevor ein solcher nicht abgeschlossen ist oder die Verhandlungen hierüber gescheitert sind, darf der Arbeitgeber nicht mit der geplanten Maßnahme beginnen. Beginnt er dennoch vorher, treffen ihn unter Umständen Nachteilsausgleichspflichten nach § 113 Abs. 3 BetrVG. Des Weiteren kommt der Abschluss eines Sozialplans nach §§ 112 Abs. 4, 5 BetrVG in Betracht, der vom Betriebsrat durch Entscheidung einer Einigungsstelle nach § 112 Abs. 4 BetrVG erzwungen werden kann. In Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat nach § 111 S. 2 BetrVG bei Vorliegen einer wesentlichen Betriebsänderung zudem einen Berater hinzuziehen, dessen Kosten der Arbeitgeber zu tragen hat.
Rechtliche Rahmenbedingungen der Tätigkeitsauslagerung (Outsourcing) …
6.4
313
Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses
Besteht im Unternehmen ein Wirtschaftsausschuss, so ist dieser in der Regel nach § 106 BetrVG frühzeitig und unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen und Darstellung der Auswirkungen auf die Personalplanung zu unterrichten, soweit dadurch nicht die Betriebsund Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährdet werden.
7.
Steuerrecht
Steuerrechtlich stellen sich, worauf in diesem Überblick nur hingewiesen werden kann, bei der Übertragung von Betriebsmitteln im Zusammenhang mit der Ausgliederung von Betriebsteilen im Sinne der gesellschaftsrechtlichen Verselbstständigung des Betriebsteils – gleichgültig ob außerhalb oder innerhalb des Anwendungsbereichs des Umwandlungsgesetzes – eine Reihe steuerrechtlicher, körperschaft-, gewerbe-, umsatz- und gegebenenfalls grunderwerbsteuerlicher Art. Angerissen werden soll jedoch kurz die umstrittene Frage, ob auf Leistungen des Auslagerungsunternehmens Umsatzsteuer anfällt oder ob diese als umsatzsteuerfrei zu behandeln sind. Dies ist für Institute von besonderer Bedeutung, da bei ihnen wegen der nur eingeschränkten Vorsteuerabzugsberechtigung die vom Auslagerungsunternehmen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer ein Kostenfaktor ist.67 Es geht insoweit unter anderem darum, ob die Leistung des Auslagerungsunternehmens gegenüber dem auslagernden Unternehmen umsatzsteuerfrei ist, wenn die Leistung des auslagernden Unternehmens an Dritte, an der das Auslagerungsunternehmen mitwirkt, umsatzsteuerfrei ist. Als Steuerbefreiungstatbestände, die insoweit von Relevanz sind kommen § 4 Nr. 8 lit. a) ff. in Betracht. Relevant wird dies zum Beispiel für die Tätigkeit von Rechenzentren, die Leistungen im Zahlungsverkehr und Wertpapierhandel erbringen. Da diese Ausnahmetatbestände europarechtlich vorgeprägt sind – sie beruhen auf einer Richtlinie – sind sie richtlinienkonform auszulegen. Während nach dem Verständnis der deutschen Steuerverwaltung die Tätigkeit von Rechenzentren stets nicht als unter den Ausnahmetatbestand fallend angesehen wurde, weil sie nur technischer und unterstützender Natur sei, hat der Europäische Gerichtshof in Entscheidungen zur Auslegung der zugrunde liegenden Richtlinie festgestellt, dass es darauf ankomme, ob ein charakteristischer Teil der steuerbefreiten Leistung durch das Rechenzentrum erbracht werde.
67
Vgl. Hamacher/Frenzel, UR 2002, 297; Haase, INF 2002, 517.
314
8.
Klaus Lackhoff
Ausblick
Unter rechtlichen Gesichtspunkten ist allen Outsourcing-Projekten gemeinsam, dass die Ausgestaltung des Auslagerungsvertrages besonderer Sorgfalt bedarf, weil er das wirtschaftlich Gewollte in rechtliche Formen gießt, die häufig langfristig gelten und auch unvorhergesehenen Entwicklungen sowie darüber hinaus aufsichtsrechtlichen Anforderungen Stand halten müssen. Darüber hinaus wird die Ausgestaltung des Auslagerungsprozesses aufsichtsrechtlich zukünftig verstärkt von Bedeutung sein, zumal bei einer ordnungsgemäßen Ausgestaltung dieser Prozesse Verstöße gegen § 25a Abs. 2 KWG in der Regel auch dann nicht vorliegen sollten, wenn sich mit dem Outsourcing verbundene Risiken realisieren sollten. Eine Reihe von Rechtsgebieten kann darüber hinaus Bedeutung erlangen; insbesondere bei komplexen Outsourcing-Projekten, die die Ausgliederung von Betriebsteilen betreffen, erfordern gesellschaftsrechtliche und arbeitsrechtliche Vorgabe eine frühzeitige Strukturierung des Projekts entsprechend der gesetzlichen Vorgaben. Für den wirtschaftlichen Erfolg eines OutsourcingProjekts sind darüber hinaus stets die steuerlichen Konsequenzen zu bedenken.
Finanznetzwerke durch Outsourcing – das Beispiel der Schweiz
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Finanznetzwerke durch Outsourcing – das Beispiel der Schweiz Rainer Alt / Thomas Zerndt
1. Outsourcing und Entstehung von Finanznetzwerken 1.1 Entstehung von Finanznetzwerken 1.2 Treiber der Transformation 1.3 Einordnung des Outsourcing 2. Bankmodell zur Analyse der Transformation 2.1 Zweck und Analyse von Bankmodellen 2.2 Vorschlag eines Bankenreferenzmodells 2.3 Sourcing-Modelle auf Basis des Bankenreferenzmodells 3. Vernetzung im Schweizer Bankenmarkt 3.1 Übersicht und Entwicklungen in der Wertschöpfungskette 3.2 Transformation am Beispiel des Wertpapierbereichs 3.3 Ausdifferenzierung im Schweizer Bankenmarkt 4. Zusammenfassung und Ausblick Literaturverzeichnis
Die Autoren danken den Partnerunternehmen des Kompetenzzentrums "Sourcing in der Finanzindustrie 2" (sourcing.iwi.unisg.ch) für ihre engagierte Mitarbeit und ihre finanzielle Unterstützung. Gedankt sei außerdem Frau Dr. Alexandra Leitner, die wesentlich zur Aufbereitung der Ergebnisse beigetragen hat.
316
Rainer Alt / Thomas Zerndt
1.
Outsourcing und Entstehung von Finanznetzwerken
1.1
Entstehung von Finanznetzwerken
In den vergangenen Jahren hat die europäische Bankenindustrie bedeutende Veränderungen erfahren – seit Jahrzehnten stabile Strukturen stehen zur Disposition und Branchenvertreter diskutieren zunehmend die „schlanke Bank“1 oder die „Industrialisierung des Bankwesens“. 2 Zwei Richtungen sind dabei zu beobachten: einerseits Innovationen in klassischen FrontendBereichen an der Kundenschnittstelle, wie etwa das Design zukünftiger Bankfilialen und (elektronischer) Absatzkanäle, und andererseits Innovationen in den Backoffice-Bereichen bei der Bankorganisation, etwa die Auslagerung von Abwicklungsaktivitäten und Supportfunktionen. Beide Bereiche sind für sich betrachtet nicht neu, sondern bilden klassische Handlungsfelder. Beispielsweise gelten Finanzdienstleister gegenüber produzierenden Unternehmen als fortgeschritten im (Frontend-)Bereich bezüglich Kundenorientierung oder MultiChannel-Management. Gleichzeitig spiegelt die häufig angeführte hohe Wertschöpfungstiefe mit einem stetigen Rückgang von etwa 70 Prozent auf etwa 50 Prozent3 im deutschen Kreditgewerbe auch Strukturanpassungen in den Backoffice-Bereichen wider. Zusätzlich unterstreichen die Berichte über Rekordumsätze und –gewinne vieler Banken den Erfolg der verfolgten Strategien. Ebenso verfehlt wie ein Festhalten an der pauschalen und undifferenzierten Annahme einer hohen Wertschöpfungstiefe wäre jedoch die Vernachlässigung künftiger Veränderungen. Hier weisen mehrere Entwicklungen auf eine substanzielle Transformation der europäischen Finanzbranche hin, der sich letztlich kein Finanzinstitut entziehen kann. Ein prägendes Element wird darin der Entstehung von Finanznetzwerken zukommen, die auf bestehenden Ansätzen des Outsourcings aufbaut und den Gegenstand des vorliegenden Beitrags bildet. Als Beispiel für die Transformation, die mit unterschiedlichen Akzentuierungen in allen entwickelten Finanzmärkten zu beobachten ist, steht nachfolgend der Schweizer Finanzplatz im Vordergrund. Die angesprochenen Entwicklungen finden sich hier in besonderer Weise wieder. Einerseits gehen dort wichtige Gemeinschaftsinitiativen zum Betrieb eines Interbankclearingnetzes, zur Entwicklung und Betrieb von Banksystemen und zur Lieferung von Marktdaten bereits Jahrzehnte zurück. Andererseits zeigen sich gerade in jüngster Zeit Outsourcing-Maßnahmen nicht nur in der traditionellen Externalisierung von Betrieb und Wartung informationstechnologischer Infrastrukturen, sondern auch in der stark wachsenden 1 2 3
Siehe Allweyer/Besthorn/Schaaf (2004). Siehe Lamberti (2004). Siehe Weisser (2004).
Finanznetzwerke durch Outsourcing – das Beispiel der Schweiz
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Substitution eigenentwickelter Anwendungssysteme durch Standardsoftware. Eine 2004 durchgeführte Befragung von 52 Entscheidungsträgern aus 44 Unternehmen der Schweizer Bankenbranche4 ergab eine Fertigungstiefe von 57 Prozent im Bereich Betrieb und Wartung der Informationstechnologie (IT) sowie von bereits 27 Prozent im Bereich Applikationsentwicklung und –betrieb. Hingegen besteht bei der bankfachlichen Wertschöpfung noch eine Fertigungstiefe von 86 Prozent. Bei gleicher Gewichtung aller Bereiche ergibt sich eine dem deutschen Markt vergleichbare durchschnittliche Fertigungstiefe von etwa 56 Prozent. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich die Entwicklung hin zu verstärkter überbetrieblicher Arbeitsteilung im Bankenbereich durch das zunehmende Business Process Outsourcing (BPO) fortsetzt. Dies unterstützt eine Analyse der 51 größten Outsourcing-Projekte in Europa, wonach in diesem Bereich das größte Wachstum stattfinden wird.5 Bekannte Beispiele wie etwa die Übernahme des Zahlungsverkehrs von Deutscher und Dresdner Bank durch die Deutsche Postbank, die Übernahme der Wertschriftenabwicklung bei der Schweizer Raiffeisen Gruppe durch die Vontobel Gruppe oder die Nutzung eines Brokernetzes einer Großbank wie der UBS oder der Credit Suisse durch eine regionale Bank, offenbaren neben Rationalisierungsmotiven auch die Absicht zur Qualitäts- und Leistungsausweitung. Damit die überbetrieblichen Prozesse (mindestens) ebenso automatisiert und fehlerfrei ablaufen wie im eigenen Unternehmen, ist neben strategischen Überlegungen eine umfassende Transformation bei den Prozess- und IT-Architekturen notwendig. Zur konsistenten Berücksichtung dieser Aspekte verwenden Wissenschaft und Praxis seit längerem ingenieurmäßige Vorgehens- und Architekturmodelle, insbesondere die Wirtschaftsinformatik arbeitet an Referenzmodellen, die für mehrere Unternehmen einen generell gültigen und wieder verwendbaren Ordnungsrahmen darstellen.6 In dem sich mehrere Unternehmen auf derartige Modelle beziehen können, unterstützen diese die Transformation und Koordination zwischen den beteiligten Akteuren. Ein bankspezifisches Instrumentarium ist das in diesem Beitrag vorgestellte Bankenreferenzmodell, welches als Ausgangspunkt zur Diskussion von Sourcing-Modellen und Rollenverteilungen dient.
1.2
Treiber der Transformation
Die Transformation der europäischen Finanzmärkte lässt sich anhand der wichtigsten Treiber beschreiben, mit welchen Bankunternehmen heute konfrontiert sind. Klar darstellbare Veränderungen bezüglich Markt, Regulatorien, Kundenanforderungen, Produktkomplexität, Technologie und nicht zuletzt Kosten erhöhen deutlich Anforderungen an die Lösungskompetenzen einer einzelnen Bank. Dies bedeutet, dass auch bei der heute äußerst positiven Ertragssituation europäischer Banken das Erhalten des Status Quo keine langfristig gangbare 4 5 6
Siehe IMG (2004). Siehe Parker (2004). Siehe Fettke/Loos (2004).
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Rainer Alt / Thomas Zerndt
Alternative darstellt. Die folgenden sechs Treiber beeinflussen die Zukunft dieser Unternehmen und gelten sowohl für Universal-, Retail-, Privat-, Groß- als auch Kleinstbanken.7 1. Marktveränderungen: Seit den vergangenen Jahren verändert sich der Bankenmarkt zu einer Branche mit globalem und intensivem Wettbewerb. Beispiele dafür sind nationale Veränderungen wie etwa das Aufweichen des Drei-Säulen-Systems in Deutschland oder der kantonalen Hoheiten in der Schweiz wodurch Kantonalbanken (KB) Geschäfte über ihre Kantonsgrenzen hinweg tätigen können ebenso wie der Wegfall der Staatsgarantien für die Landesbanken in Deutschland bis spätestens 2015. Größenvorteile gelten als Schlüssel zur Sicherstellung von Markt- und Kundenzugang, wie die zahlreichen Übernahmen in den vergangenen Jahren dokumentieren. Dazu zählen nationale Konzentrationen wie etwa der angekündigte Zusammenschluss der Dienstleister Telekurs, SIS und SWX in der Schweiz, ebenso wie die zahlreichen internationalen Bankenübernahmen8, zum Beispiel der HVB durch Unicredit, der Bank Sarasin durch Rabobank oder die Übernahme von ABN Amro durch die Royal Bank of Scotland. Die Beteiligung des privaten New Yorker Finanzinvestors JC Flowers von 2 Prozent an der HSH Nordbank, einer deutschen Landesbank, zeigt auch den Einfluss nicht-europäischer Akteure wie er im Börsen- und Abwicklungsbereich etwa mit der Übernahme der Vierländer-Börse Euronext durch die NYSE oder der US-Optionsbörse ISE durch die Deutsche Börse und die SWX, bereits gegeben ist.9 Parallel zu diesen Konzentrationstendenzen ist eine Dekonstruktion von Wertschöpfungsketten und das Entstehen neuer Dienstleistungskooperationen zu beobachten (siehe Abschnitt 3). 2. Regulatorien: Parallel zur Deregulierung und Globalisierung des Marktzugangs, etwa mit der jüngsten europäischen Verbraucherkredit-Richtlinie, ist eine zunehmende Regulierung bei den Bankprozessen festzustellen. Dies umfasst internationale Vorgaben wie etwa SOX, QI, MiFID oder SEPA (siehe Tabelle) seitens europäischer Behörden mit Blick auf verstärkte Transparenz und Standardisierung ebenso wie nationale Regulatorien der Zulassungsbehörde, beispielsweise zur Nachverfolgbarkeit des Meldewesens auf Transaktionsebene bis zum Kunden sowie beispielsweise das Führen einer Kundenhistorie zur Einhaltung der Sorgfaltspflicht (VSB03) oder der gesonderte Nachweis bei derivativen Instrumenten in der Schweiz. Es ist davon auszugehen, dass sich Schweizer Banken angesichts der Vernetzung der Märkte den europäischen Vorgaben anschließen und hier eine Angleichung im europäischen Bankenmarkt stattfindet. Zumindest längerfristig sind auch Auswirkungen auf das noch bestehende Bankengeheimnis zu erwarten. Das Beispiel des Continous Linked Settlement (CLS)10 zeigt, dass mit den Regulatorien auch Marktchancen, etwa für Dienste im Risikomanagement oder der Überwachung, entstehen. 7
Zu den auch als Spannungsfeld bezeichneten Veränderungen der Bankenumwelt vgl. Betsch/Thomas (2005). Bemerkenswerterweise finden sich die wichtigsten Entwicklungslinien bereits bei Wickel (1995). 8 Siehe Fuchs (2005). 9 NYSE: New York Stock Exchange, ISE: International Stock Exchange, SWX: Schweizer Börse SWX. 10 Zur Reduktion der Erfüllungsrisikos initiierten wichtige Devisenmarktteilnehmer (sogenannte ‚Group of 20’, G20) in 2002 eine Zug-um-Zug-Lösung. Die CLS-Bank wickelt Transaktionen in sieben Währungen ab (USD, EUR, CHF, JPY, CAD, AUD, GBP).
Finanznetzwerke durch Outsourcing – das Beispiel der Schweiz
Regulatorischer Ansatz
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Beschreibung
Europa x MiFID (Markets in Financial Instruments Directive) x SEPA (Single Euro Payment Area)
x Regelt Anlegerschutz, Dokumentationspflichten, Transparenz und ‚Best Execution’ an den europäischen Finanzmärkten; vereinfacht die inner- und außereuropäischen Investitionen. x Initiative zur Schaffung eines europaweit einheitlichen Zahlungsraums, wodurch keine Unterschiede mehr zwischen nationalen und grenzüberschreitenden Zahlungen bestehen.
USA x QIA (Qualified Intermediary Agreement)
x SOX (Sarbanes Oxley Act)
x Regelt die Quellenbesteuerung auf Kapitalerträge für Ausländer zur Verhinderung des Missbrauchs von Doppelbesteuerungsabkommen und der fehlerhaften Deklaration durch Empfänger von Kapitalerträgen. QI-Banken können ohne Bekanntgabe des Kundennamens US-Wertpapiere handeln und von einer reduzierten Quellensteuer profitieren. x Regelt Corporate Governance, Compliance und Unternehmensberichterstattung, um das Vertrauen der Anleger in die Richtigkeit veröffentlichter Finanzdaten herzustellen; gilt für inländische und ausländische Unternehmen, die an USBörsen gelistet sind, sowie für deren Tochterunternehmen.
Schweiz x Nationale Verordnungen
x Regeln zum Beispiel Verhalten bei Geldwäscherei oder Börsen- und Effektenhandel für alle bewilligten Institute.
x (EBK) Rundschreiben der Eidgenössischen Bankenkommission
x Regeln seit 1999, dass Outsourcing-Lösungen den Erfordernissen einer angemessenen Organisation, des Bankgeheimnisses und des Datenschutzes entsprechen. Betroffen sind nach schweizerischem Recht organisierte Banken und Effektenhändler sowie schweizerische Zweigniederlassungen ausländischer Banken und Effektenhändler.
Tabelle 1: Beispiele internationaler regulatorischer Veränderungen 3. Kundenstruktur. Begünstigt durch die Diffusion Internet-basierter Bankleistungen wie Online-Banking oder –Brokerage haben auch die Erwartungen des Kunden an umfassende (zum Beispiel konsolidierte Sichten, Dritt Assets, exotische Produkte) und kostengünstige Beratung sowie fehlerfreie Abwicklung zugenommen. Die gestiegene Affinität und Kenntnisse bezüglich bankfachlicher Produkte zeigt nicht zuletzt die Veränderung in der Anlegerstruktur in den vergangenen Jahren. Während der Anteil von Endkunden mit Aktienbesitz 1996 von ca. zwölf Prozent auf ca. 32 Prozent in 2001 zunahm, hat sich seither der Wert bis 2004 wieder auf ca. 24 Prozent reduziert11 und steigt auch bei der sehr guten Börsenlage nur zögerlich wieder an. Die jüngste Statistik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) berichtet für die von Banken verwalteten Kundenvermögen einen neuen Höchststand von CHF 4.610 Milliarden und eine Steigerung von 15,6 Prozent innerhalb
11
Siehe FuW (2004).
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Rainer Alt / Thomas Zerndt
eines Jahres (TA, 2006). Gegenüber einem Zuwachs von 8 Prozent bei den privaten Anlegern weisen die institutionellen mit 21 Prozent eine besonders starke Steigerung auf, was auch auf die positive Börsenentwicklung zurückzuführen ist. 4. Produktkomplexität: Eine weitere Herausforderung bildet die steigende Vielfalt immer komplexerer Produkte. Während in Deutschland an der Euwax mittlerweile ca. 140'000 Produkte gelistet sind, zeigt sich in der Schweiz mit der Verdoppelung auf mittlerweile über 12'000 der an der SWX/Virt-X gelisteten Produkte der gleiche Trend. Trotz der höheren Kosten für das Produktlisting in der Schweiz haben Schweizer Privat- und Retailbanken nicht zuletzt aufgrund der erwähnten Kundenerwartungen von einer steigenden Produktvielfalt Gebrauch gemacht. So fordern erfahrenere Anleger auch die Aufnahme von Nischenprodukten (zum Beispiel islamische Produkte) in das Angebotsportfolio sowie die Betreuung internationaler Märkte wie gegenwärtig Singapur und Dubai. Insbesondere findet mit den neueren Anlageprodukten eine Verschiebung von Kassainstrumenten wie Aktien, Schuldverschreibungen oder Währungen zu derivativen Finanzinstrumenten statt, die aufgrund höherer Know-how-Intensität spezialisierte Ressourcen in Research, Produktentwicklung und Vertrieb erfordern. Beispiele sind strukturierte Produkte als Convertibles oder mit Rohstoffen wie Wasser, Öl oder Edelmetallen als Underlyings, gehebelte Hybridprodukte wie Zins- und Währungsswaps oder Derivative wie Bonus- oder Tracker-Zertifikate, Kapitalschutz- oder Barrier-Produkte. Zur eigentlichen Produktkomplexität kommen beschleunigte Innovationszyklen, die Entwicklung von Ergänzungsprodukten wie für eine EU-Zinsbesteuerung, sowie die Notwendigkeit neben Einzelprodukten auch Gebündelte anzubieten, beispielsweise für umfassende Vermögensplanungen, hinzu. 5. Technologie: Sowohl im Frontend mit der Schaffung elektronischer Berater- und Kundenschnittstellen als auch im Backend mit der Vollautomatisierung der internen Bank- und Abwicklungsprozesse (sogenanntes Straight Through Processing) und der elektronischen Anbindung an verschiedene Broker- und Börsennetzwerke entstehen Anforderungen an die Informationsverarbeitung in Banken, die gerade in Verbindung mit Eigenentwicklungen hohe Entwicklungs- und Pflegeaufwendungen hervorrufen. Analog zu den integrierten Enterprise Resource Planning (ERP) Systemen im industriellen Bereich investieren Banken derzeit erheblich in die Implementierung von Standard Core Banking-Systemen (zum Beispiel SAP, Avaloq, Finnova, GEOS, eVEGA, Olympic, Temenos), welche die Kernprozesse- und -schnittstellen eines Bankbetriebs bereits vordefiniert mitbringen und primär auf Parameteranpassungen (Customizing) anstatt aufwändiger Programmierung aufbauen. Beispiele dazu sind Schnittstellen zu externen Informationsanbietern und Simulationswerkzeugen bei Research und Produktentwicklung, zu KundenberatungsApplikationen (zum Beispiel Triple A, Siebel, SalesLogix, Alfina), zu Dienstleistern in der Bonitätsprüfung oder zur Anbindung von Brokern mittels des FIX-Protokolls. Zusammenfassend steigen die Anforderungen in den Bereichen Multi-Kanal-Interaktion und Echtzeit-Abwicklung.
Finanznetzwerke durch Outsourcing – das Beispiel der Schweiz
321
6. Wettbewerbsfähigkeit: Marktöffnung und Betriebsgrössenänderungen, die Umsetzung von Regulatorien, die erhöhte Produktvarietät und die notwendigen informationstechnologischen Investitionen schlagen sich für die Bankinstitute nicht zuletzt in Form zusätzlicher Kostenblöcke nieder und wirken damit direkt auf die Cost-Income-Ratio (CIR). Höhere Ansprüche der Endkunden, abnehmende Loyalität zum Bankhaus sowie steigende Preissensitivität erhöhen den Ertragsdruck. Die Kosten-Ertrags-Problematik zeigt sich beispielsweise im Hypothekargeschäft mit Margen von teilweise unter einem Prozent. Wie sich am Beispiel der CIR von Schweizer Banken zeigt, haben die skizzierten Entwicklungen eine besonders unmittelbare Wirkung für kleinere Privat- und Auslandsbanken. Im Durchschnitt liegt die stark schwankende CIR zwischen ca. 50 und 70 Prozent (siehe Abbildung 1). Es ist zu erwarten, dass Banken künftig stärker Kooperationen und Fusionen zur Reduktion der CIR verfolgen werden.
Abbildung 1:
1.3
Cost-Income-Ratio bei Banken in der Schweiz (www.foreignbanks.ch)
Einordnung des Outsourcings
Der vorliegende Beitrag bezeichnet die Gestaltung der Wertschöpfungskette neudeutsch als „Sourcing“. Die Logistik versteht darunter seit längerem einen Teil der Beschaffungsstrategie, welche das Unternehmen mit seinen vorgelagerten Versorgungsmärkten verbindet (Klaus/Krieger 2004, 54). Im strategischen Management bezeichnet ‚Strategic Sourcing’ über operative Maßnahmen hinaus die Neuausrichtung der gesamten Wertschöpfungskette, wobei jedes Unternehmen seine Kernkompetenzen wahrnimmt und für die übrigen Aktivitäten auf
322
Rainer Alt / Thomas Zerndt
Partnerressourcen zurückgreift.12 Das vorliegende Verständnis beruht auf beiden Definitionen und bezeichnet Sourcing als die Organisation der Leistungserstellung mit internen und externen Geschäftspartnern. „Financial Sourcing“ umfasst damit sämtliche Maßnahmen und Entscheidungen eines Finanzdienstleisters zur Gestaltung bzw. Neuausrichtung seiner Wertschöpfungskette, von der strategischen Positionierung hin zur operativen Definition der Prozesse mit den internen und externen Dienstleistern. Die bekanntesten Sourcing-Strategien lassen sich anhand der Richtung des Leistungsbezugs beschreiben: Beim Outsourcing verlagert ein Unternehmen bzw. Outsourcer einen Geschäftsprozess insgesamt oder partiell an einen Dienstleister bzw. Insourcer. Während beim Insourcing ein Unternehmen seine Unternehmensgrenze erweitert, reduziert das Outsourcing typischerweise den eigenen Fertigungsumfang. Beide Entwicklungsrichtungen führen zur Entstehung von Kunden-Lieferanten-Beziehungen und liegen damit der Entstehung von Finanznetzwerken zugrunde. Ein Beispiel ist die Hierarchisierung von Wertschöpfungsketten wie sie sich seit langem in der Automobilindustrie zeigt. Dabei haben einige Automobilhersteller die Spezialisierung weiterentwickelt und ehemalige Kernbereiche wie Serienentwicklung, Serienfertigung und Ersatzteileproduktion an Zulieferer ausgelagert. So hat BMW gemeinsam mit Magna Steyr innerhalb von 25 Monaten ein neues Fahrzeug auf den Markt gebracht und seine Kompetenzen auf Markenmanagement, Vorserienentwicklung und Vertrieb/Service konzentriert.13 Nachdem das Fahrzeug im Markt als typischer BMW gilt, scheint sich die Aussage von Kaib14 zu bestätigen, wonach vom Kunden nicht direkt wahrgenommene Leistungen bevorzugt auslagerbar sind. Wenn sich Bankprodukte in geringerem Masse als Autos voneinander unterscheiden und die emotionale Bindung an eine Bank geringer ist als an ein Fahrzeug, müsste eine solche Hierarchisierung auch Wertschöpfungsketten im Bankenumfeld vereinfachen können. Dennoch weisen Beispiele auf Grenzen in der Akzeptanz und Umsetzung derartiger Konzepte im Bankenbereich hin. Dazu zählen die verworfene Zusammenführung der internen Informatik mit einem IT-Dienstleister bei der Zürcher Kantonalbank (o.V. 2002), die gescheiterte Transaktionsbank zwischen drei Großbanken in Deutschland15 oder die nicht realisierte Wertpapier-Transaktionsbank in der Schweiz aufgrund von Konflikten um die Kundenschnittstelle.16 Die Vielschichtigkeit von (Out)Sourcing-Entscheidungen unterstreicht die Schwierigkeit von Transformationen, die auf der Partizipation mehrerer Geschäftspartner beruhen und deshalb eines anspruchsvollen Partnermanagements bedürfen. Ohne die Zielerreichung selbst garantieren zu können unterstützen Modelle zur Darstellung und Konkretisierung künftiger Aufgabenverteilungen die Transformation. Ein Instrument ist das nachfolgende Bankenreferenzmodell.
12
Siehe Gottfredson/Puryear/Phillips (2005), S. 151. Siehe Maidl/Axtner/Arlt (2005). 14 Siehe Kaib (2003). 15 Siehe Lebert (2003). 16 Siehe Bruchez/Gisiger/Weber (2004), S. 52. 13
Finanznetzwerke durch Outsourcing – das Beispiel der Schweiz
2.
Bankmodell zur Analyse der Transformation
2.1
Zweck und Analyse von Bankmodellen
323
Bankfachliche Prozesse und Funktionen bilden den Gegenstandsbereich der im ersten Abschnitt geschilderten Transformation. Werden diese in einem Modell systematisch zusammengefasst, das aufgrund seiner allgemeingültigen Formulierung mehreren Anwendern einer Branche (oder „Fachdomäne“) eine Ausgangslösung zur Entwicklung spezifischer Modelle vorgibt, so besitzt dieses Referenzcharakter.17 Beispielsweise sind derartige Referenzmodelle in der Softwareindustrie auf eine unternehmensübergreifende Wiederverwendung ausgerichtet und besitzen Gültigkeit für Klassen von Unternehmen mit ähnlichen Informationsbedarfen. Etablierte Referenzmodelle für Industrieunternehmen18 oder den Handel19 zeigen für einen Fachbereich sämtliche Funktionen im Zusammenhang. Bewährt haben sich betriebswirtschaftliche Referenzmodelle insbesondere bei der Implementierung integrierter Anwendungssysteme, die auf einem Customizing von in Referenzmodellen vordefinierten Funktionalitäten und Abläufen stattfindet.20 Bekanntes Beispiel sind die Standardabläufe in SAP Enterprise. Verschiedene Ansätze zu Referenzmodellen existieren auch im Bankenbereich. Dazu zählen aufbauorganisatorische Modelle21, die die einzelnen Organisationseinheiten einer Bank darstellen. Beispielsweise sind darin Geschäftsbereiche (Privat- und Firmenkunden, Immobilien, Treasury) und geschäftsbereichsübergreifende Funktionen (Bankbetrieb, Konzernsteuerung, Konzern-Services) enthalten.22 Zudem bestehen allgemeine Prozessmodelle, die zum Beispiel Kategorien wie Infrastruktur-, Commodity-, Kerngeschäftsprozesse sowie allgemeine Geschäftsprozesse vorgeben.23 Beschreibungen zu einzelnen bankfachlichen Prozessen, insbesondere den Abwicklungsprozessen, dienen unter anderem der Identifikation von Gemeinsamkeiten oder produktspezifischen Anforderungen zwischen den Abwicklungsprozessen beispielsweise in den Bereichen Kontokorrent, Privatdarlehen und Baufinanzierung. Eine 17 18 19 20 21 22
23
Siehe Schütte (1998), S. 367ff. Zum Beispiel Scheer (1997), Mertens (2004). Zum Beispiel Becker/Schütte (2004). Siehe vom Brocke (2003), S. 2f. Zum Beispiel Schnabel (1978) und Wickel (1995). Siehe Wickel (1995), S. 78. Übergreifende Bereiche umfassen Bankbetrieb (Rechenzentrum, Organisation, Bau- und Gebäudewesen), Konzernsteuerung (Rechnungswesen, Planung und Steuerung), KonzernServices (Personal, Volkswirtschaft, Public Relations, Recht, Revision). Das Modell von Lamberti (2006) untergliedert Infrastrukturprozesse (Rechenzentren, Telefonie, Netwerke, Desktop Services), Commodity-Geschäftsprozesse (Zahlungsverkehr, Wertpapierabwicklung, Massenkreditgeschäft), Kerngeschäftsprozesse (Kundenberatung, Vertrieb, Produktentwicklung, Risikomanagement) sowie allgemeine Geschäftsprozesse (Personalwesen, Buchhaltung, Gebäudemanagement, Beschaffung).
324
Rainer Alt / Thomas Zerndt
prozessbasierte Standardisierung gilt als Voraussetzung für den Abbau bzw. die Vereinfachung von Systemen zur Komplexitätsreduktion sowie Geschwindigkeitssteigerung.24 Während insbesondere die aufbauorganisatorischen Modelle einen Überblick der klassischen Bankbereiche vermitteln, erstrecken sich bestehende Prozessmodelle auf Teilbereiche wie die Kundenschnittstelle, das Risk Management oder die Abwicklung, nicht aber auf sämtliche Bereiche einer Bank. Aufgrund der erwähnten Vorteile bei Standardisierung und der Abstraktion von bestehenden sowie zukünftigen organisatorischen Designs, steht nachfolgend dieser prozessorientierte Ansatz im Vordergrund. Als Ausgangspunkt bieten sich zunächst die vier generischen Unternehmensprozesse Kunden-, Leistungs-, Führungs- und Unterstützungsprozesse an25, (wobei sich Leistungs- und Unterstützungsprozesse mit den Bereichen einer Wertkette detaillieren lassen.26 Erste Ansatzpunkte zur bankfachlichen Ausgestaltung dieser Prozesskategorien bieten Referenzmodelle, die Softwareanbieter zur Strukturierung ihres Lösungsangebots verwenden (siehe Tabelle 2). Jedoch unterscheiden sich die Ansätze bezüglich ihres Detaillierungsgrades und sind häufig auf die verfügbare Funktionalität des Anwendungssystems beschränkt. Zum Vergleich der Anwendungssysteme verwenden einschlägige Studien27 allgemeine Modelle, die allerdings häufig nur eine grobe Granularität besitzen.28
24
25 26 27 28
Siehe Wickel (1995), 174ff. Als gemeinsame Services gelten „Kreditnehmer prüfen“, „Konto eröffnen“, „Sicherheiten verwalten“, „Auszahlung veranlassen“, „Zinsen, Gebühren errechnen“ sowie „Tilgung errechnen“.. Siehe Alt (2004), S. 141ff. Zum Beispiel Porter (2001), S. 74f. Zum Beispiel Dang/Lau (2006). Das Modell von Dang/Lau (2006) unterscheidet zunächst das Frontoffice mit Beratung für individuellen und institutionellen Kunden, anschließend das Middleoffice mit Produktion, Vertrieb und Verwaltung sowie das Backoffice mit Risiko Management, Transaktionsabwicklung und Infrastrukturprozessen.
Finanznetzwerke durch Outsourcing – das Beispiel der Schweiz
325
Anbieter
Zielsetzung
IBM
Zeigt Dienstleistungsangebot und Bankprozesse ohne Kundensicht; Ziel ist die Darstellung einer Unternehmenslösung für ein einheitliches Projektmanagement
Finnova
Zeigt das modulare Dienstleistungsangebot mit der systemtechnischen Basis und dient der einheitlichen Kommunikation
Avaloq
Zeigt das Dienstleistungsangebot und Funktionsumfang des Herstellers aus Gesamtsicht mit den wichtigsten Schnittstellen
Microsoft
Zeigt Dienstleistungsangebot und Funktionsumfang aus Gesamtsicht zur Darstellung einer integrierten Unternehmenslösung
SAP
Banking Solution Map zeigt die funktionale Abdeckung von SAP Banking
UBS
Zeigt die Module des ‚Bank for Bank’-Angebots
HVB Group
Zeigt die Geschäftsfelder, Verbreitung und Kommunikation des Angebots
Tabelle 2: Zielsetzung bestehender Bankmodelle
2.2
Vorschlag eines Bankenreferenzmodells
Wie aus dem Vergleich der Bankmodelle in Tabelle 2 hervorgeht, beschreiben diese entweder Bereiche einer konkreten Lösung, eine aufbauorganisatorische Sicht für die Gesamtbank, eine Prozessübersicht auf hoher Abstraktionsebene oder eine konkretere Teilsicht auf Bankprozesse. Eine anbieterunabhängige generalisierte Sicht der wichtigsten Bankprozesse kann daher auf zahlreichen bestehenden Modellen aufbauen. So liefert ein Bankmodell eine systematische Diskussionsgrundlage für heutige sowie zukünftige Organisationsmodelle in der Kommunikation mit den Partnern, nicht nur für strategische Überlegungen, sondern zur konsistenten Ableitung von Konsequenzen eines Sourcing-Projektes auf angrenzende Prozesse, die Prozessübergänge im Partnernetzwerk oder die Implikationen auf die IT-Architektur. Einen umfassenden Vorschlag dazu hat das Kompetenzzentrum ‚Sourcing in der Finanzindustrie’ mit folgender Zielsetzung entwickelt:29 Schneller Überblick über sämtliche Kernbereiche einer Bank aus prozessorientierter Sicht, insbesondere sollen die primären Kundenprozesse Zahlen, Anlegen und Finanzieren erkennbar sein. 29
Das Kompetenzzentrum „Sourcing in der Finanzindustrie“ (CC Sourcing) ist eine Kooperation der Universitäten St.Gallen und Leipzig und hat von 2004-06 gemeinsam mit zwölf Partnerunternehmen aus dem Finanzbereich das beschriebene Bankmodell entwickelt. Das CC Sourcing setzt die Arbeiten mit achtzehn Partnerunternehmen von 2006-08 fort (vgl. sourcing.iwi.unisg.ch).
326
Rainer Alt / Thomas Zerndt
Abbildung der wichtigsten Prozessvarianten unabhängig von Organisationsbereichen, um prozessrelevante Produktspezifika (zum Beispiel Kanal- und Produktspezifika, etwa die Abwicklung von Fondsprodukten) zu berücksichtigen. Berücksichtigung sämtlicher produktübergreifender Bankprozesse wie etwa das Kundenreporting oder die Finanzplanung, da diese Verbindungen zu den (stärker produktspezifischen) operativen Prozessen besitzen. Möglichkeit zur konsistenten Detaillierung in weiteren Sichten, insbesondere zur Konkretisierung anhand von Referenzprozessen beispielsweise für die Abwicklung von Zahlungsverkehrs- (ZV), Wertpapier- (WP) und Kreditdienstleistungen (KR). Allgemeingültige, anbieter- und banktypunabhängige Formulierung der Prozesse für Universal-, Retail- oder Privatbanken, nicht aber für Spezialinstitute wie etwa Investmentbanken. Wie in Abbildung 2 dargestellt, enthält das Bankenreferenzmodell in der horizontalen Dimension die an die Kundenbedürfnisse unmittelbar anknüpfenden Prozesse Zahlen, Anlegen und Finanzieren sowie die übergreifenden (zum Beispiel Liquiditätsmanagement) und spezifischen Prozesse (zum Beispiel Abwicklungsprozesse), ebenso wie produktspezifische Prozessvarianten (zum Beispiel elektronische Rechnungsstellung im Bereich Zahlungsabwicklung). In der Vertikalen finden sich neben den typischerweise nicht ausgelagerten Führungsprozessen vor allem die Leistungsprozesse mit transaktionsspezifischen Ausführungs- und Abwicklungsaufgaben (von Initialisierung und Erfassung hin zur Abwicklung) sowie die unmittelbar auf eine einzelne Transaktion bezogenen Aufgaben (zum Beispiel Bestandsabgleich von Konten und Positionen mit getätigten Transaktionen oder Verwaltungshandlungen wie etwa die Durchführung eines Split). Aus Abwicklungssicht gleichartige Produkte (zum Beispiel Beteiligungspapiere im Bereich Anlegen) sind in einer Prozessvariante zusammengefasst, die sich in Aufgabenketten weiter detaillieren lässt.
Finanznetzwerke durch Outsourcing – das Beispiel der Schweiz
Transaktionsbezogene Prozesse Transaktionsübergreifende Prozesse
Überwachung / Monitoring Bewirtschaftung Transaktionen Behandlung Ausnahmen
Kd / Kto. / Depotführung Produktentwicklung Produktstammpflege Risikomanagement Interne Überwachung Kundenberichte Übergreifende fachliche Prozesse
Unterstützungsprozesse
Abbildung 2:
Personalwesen (HR) Rechnungswesen Marketing Dokumenten-Management Management-Information Legal Reporting Beschaffung Informatik Sicherheit logisch/physisch
ZV-Überwachung Bestandsabgleich / Reconciliation Berichtigungen / Investigations
Unternehmensfinanzierung Betriebs- und Investitionskredite Verpflichtungskredite
Lombardkredite
Baukredite
Hypotheken
persönlich schriftlich elektr. Akquisition / Beratung / Betreuung Produkte & Dienstleistungen Privatfinanzierungen & Leasing
Freigabe Verarbeitung
Devisen
Erfassung Prüfung
persönlich schriftlich elektr. Akquisition / Beratung / Betreuung Produkte & Dienstleistungen Geldmarkt
Initialisierung
Ausführung & Abwicklung
persönlich schriftlich elektr. Akquisition / Beratung / Betreuung Produkte & Dienstleistungen
Edelmetalle
Kanalmanagement Retail/ Private/ Corporate Banking
Fonds (eigene & fremde) Derivate & strukturierte Produkte
Vertriebsprozesse
Finanzieren
Planung und Unternehmenssteuerung Architektur-Management (Fachprozesse, IT, Netzwerk) Risikosteuerung und Controlling
Zinspapiere
Planung, Steuerung und Kontrolle
Beteiligungspapiere
Führungsprozesse
Kundenprozesse Anlegen
Zahlen
Scheck / Wechsel
Wertschöpfungskette
Zahlungsauftrag (Bar und Giro) Dauerauftrag & Stammliste Datenträgeraustausch Lastschriftverfahren Karten (Kredit und Debit) Electroinc Bill Presentment&Payment
Prozesse
327
Titeltransfer WP-Überwachung Bestandsabgleich / Reconciliation Verwaltungshandlungen Berichtigungen / Investigations
Kreditüberwachung Kommission / Zinsbelastung Rückzahlung Berichtigungen / Investigations
Eröffnung, Bewirtschaftung, Saldierung, Research (z.B. nachrichtenlose Vermögen) Partneradministration (Depotstellen, Finanzdatenanbieter, Korrespondenzbanken, Gegenparteien) WP-Produktentwicklung ZV-Produktentwicklung Kredit-Produktentwicklung WP-Gebührenpflege ZV-Gebührenpflege Kredit-Gebührenpflege Valorenstammpflege Gesamtobligo-Überwachung Kreditrisiken & notl. Kredite (CWO) Liquiditäts-Management (Liquiditätsplanung, Repo-Geschäft, Refinanzierung, etc.) Bankeigene, gesetzliche & aufsichtsrechtliche Weisungen / Compliance Kundenoutput (Depot-, Kontoauszüge, Performanceausweise, etc.) Portfolio-Management Analyse und Research (Wertschriften, Branchen, Volkswirtschaften, Finanzmärkte) Finanzplanung, Steuerberatung, usw. für natürliche Personen Unternehmensbewertung, Nachfolgeregelungen, Finanzplanung, usw. für juristische Personen Administration, Lohnbuchhaltung, Arbeitszeitverwaltung, Mitarbeiterentwicklung etc. Erfolgsrechnung, Buchhaltung, Eigenhandel (Nostro, Market Maker), Besteuerung/Gebühren, etc. Aussenauftritt (Broschüren, Muster, Kampagnen, etc.) Vorlagen, Archivierung, etc. Kennzahlen, Auswertungen, internes Reporting Externes Berichtswesen (Nationalbank, Börsen, Aufsicht, EU-Zinsbesteuerung, etc.) Büromaterial, Software, Hardware, etc. Betrieb und Entwicklung IT-Infrastruktur und Applikationen Berechtigungen, Infrastrukturüberwachung
Prozessorientiertes Bankenreferenzmodell des CC Sourcing
Übergreifende Bankprozesse umfassen transaktionsübergreifende Aufgaben sowie Unterstützungsaufgben. Zunächst besitzen diese eine unterstützende Funktion für die Transaktionsabwicklung und den Vertrieb. Ein Produkt- bzw. Transaktionsbezug ist gegeben, wenn sie die Voraussetzung zur Transaktionsabwicklung schaffen ohne aber Bestandteil einzelner Transaktionen zu sein (zum Beispiel Kunden-, Konto-, und Depotführung, Produktentwicklung, Risikomanagement, Kundenreporting). Übergreifende fachliche Analyseaufgaben zur Vertriebsunterstützung sind typischerweise in Form von Kompetenzzentren organisiert, etwa dem Research, der Erstellung einer Finanzplanung, einer Unternehmensbewertung oder dem Portfoliomanagement. Den zweiten Bereich der übergreifenden Prozesse bilden die klassischen Querschnitts- oder Supportprozesse wie etwa Marketing, Rechnungswesen, Personalwesen oder die Informatik, die jedes Unternehmen zur Ausführung seiner Leistungsprozesse benötigt.
328
Rainer Alt / Thomas Zerndt
2.3
Sourcing-Modelle auf Basis des Bankenreferenzmodells
Das beschriebene Bankenreferenzmodell unterstützt die systematische Bestimmung sog. Sourcing-Modelle für eine Bank. In Anlehnung an ein Sourcing-Konzept, das in der Logistik „die kleinste Einheit einer Beschaffungslogistik- bzw. Beschaffungsstrategie“ bezeichnet 30 konkretisiert ein Sourcing-Modell eine übergreifende Sourcing-Strategie für einen oder mehrere Geschäftsprozesse einer Bank.31 Ziel ist in der Regel die Realisierung von Spezialisierungsvorteilen, das heißt die Verteilung von Stückkosten auf ein grösseres Transaktionsvolumen und die Kompetenzsteigerung bestimmter Fähigkeiten. Gerade für die weniger heterogenen Abwicklungsaufgaben im ZV- oder im WP-Bereich haben sich Anbieter von der fokussierten Digitalisierung beleggebundener Zahlungen hin zur umfassenden Ausführung aller ZV-Abwicklungsaufgaben etabliert.32 Diese Beispiele deuten auf eine große Vielfalt möglicher Sourcing-Modelle hin. Einen Ausgangspunkt zur Systematisierung von SourcingModellen bietet die Einteilung nach Kompetenzen in den Bereichen Vertrieb, Produkt und Infrastruktur. Wie bei Hagel/Singer33 beschrieben, besitzen diese unterschiedliche Zielfunktionen (umfassende Kundenbedürfnisabdeckung versus hohe „time-to-market“ versus Skaleneffekte im Transaktionsgeschäft) und begünstigen deshalb die Bündelung dieser Kompetenzen in eigenen (externen) Organisationseinheiten. Diese Dreiteilung findet sich in zahlreichen Beiträgen zur „Dekonstruktion der Bankenwertschöpfungskette“ wieder34 und führt zur Unterscheidung von: Vertriebsbanken, die ihren Kunden(segmenten) ein Komplettangebot bieten und durch Markenbildung sowie Kundenbetreuung eine langfristige Kundenbeziehung anstreben. Produkte und Leistungen zur Transaktionsabwicklung stammen mehrheitlich von externen (spezialisierten) Anbietern. Beispiele sind Vermögensverwalter wie DVAG oder AWD und Vertriebsinstitute wie etwa die Netbank.35 Produktbanken, die sich auf die Entwicklung und Bereitstellung von Bankprodukten spezialisieren. Gerade die in Abschnitt 1.2 skizzierten Entwicklungen hin zu ausdifferenzierten Produkten erfordern Spezialkenntnisse zu Märkten, Instrumenten und Kundenverhalten. Produktanbieter, wie etwa die DZ Bank, die Bank Vontobel oder die Teambank nutzen für den Vertrieb verschiedene Kanäle bzw. Partner.
30 31 32
33 34 35
Siehe Klaus/Krieger (2004), S. 476. Siehe Alt/Zerndt (2006). Weitere erfolgreiche Beispiele sind die zentralisierten Prozesse im Kreditkarten- (zum Beispiel VISA, Mastercard), Finanzinformations- (zum Beispiel Reuters) oder Interbankenbereich (zum Beispiel SIC, SWIFT). Siehe Hagel/Singer (1999),S. 135ff. Zum Beispiel Lamberti (2004) und Sokolovsky (2003). Siehe Teske (2004).
Finanznetzwerke durch Outsourcing – das Beispiel der Schweiz
329
Transaktionsbanken, welche sich auf die effiziente Abwicklung möglichst gleichstrukturierter Transaktionen in den Bereichen Zahlen, Wertpapier und/oder Kredite konzentrieren. Spezialisten konzentrieren sich heute auf einen dieser Bereiche, zum Beispiel die Deutsche Postbank auf ZV, Xchanging oder DWP auf WP oder das VR Kreditwerk auf den Kreditbereich.
Prozesse
Wertschöpfungskette
Führungsprozesse
Planung, Steuerung und Kontrolle
Planung und Unternehmenssteuerung Architektur-Management (Fachprozesse, IT, Netzwerk) Risikosteuerung und Controlling
Vertriebsprozesse
Kanalmanagement Retail/ Private/ Corporate Banking
persönlich schriftlich elektronisch persönlich schriftlich elektronisch persönlich schriftlich elektronisch Vertriebsorientierte Akquisition / Beratung / Betreuung Akquisition / BeratungSourcing-Modelle / Betreuung Akquisition / Beratung / Betreuung Produkte & DL Produkte & DL ProdukteBerater & DL Neutraler
Transaktionsbezogene Prozesse Transaktionsübergreifende Prozesse
Überwachung Bewirtschaftung Transaktionen Behandlung Ausnahmen
Kd / Kto. / Depotführung Produktentwicklung Produktstammpflege Risikomanagement Interne Überwachung Kundenberichte Übergreifende fachliche Prozesse
Monitoring Reconciliation Investigations / Berichtigungen
Unternehmensfinanzierung Betriebs- und Investitionskredite Verpflichtungskredite
Lombardkredite
Baukredite
Transaktionsorientierte Sourcing-Modelle
Zahlungsverkehr
Hypotheken
Privatfinanzierungen & Leasing
Devisen
Geldmarkt
Edelmetalle
Zinspapiere
Finanzieren
Vertriebskooperation
Fonds (eigene & fremde) Derivate & Strukturierte Produkte
Beteiligungspapiere
EBPP
Check / Wechsel
LSV
Karten (Kredit und Debit)
DTA
Prüfung Freigabe Verarbeitung
Vertriebsbank
Zahlungsauftrag (Bar und Giro) Dauerauftrag & Stammliste
Ausführung & Abwicklung
Initialisierung Erfassung
Kundenorientierung Anlegen
Zahlen
Titeltransfer
Kreditabwicklung
Monitoring Reconciliation Verwaltungshandlungen Backoffice Investigations / Berichtigungen
Kreditüberwachung Kommission / Zinsbelastung Rückzahlung Investigations / Berichtigungen
Wertpapierabwicklung
(Full Service Provider)
Eröffnung, Bewirtschaftung, Saldierung, Research (z.B.: Narilo) Partneradministration (Depotstellen, SIC, Telekurs, Korrespondenzbanken, Gegenparteien) WS-Produktentwicklung ZV-Produktentwicklung KR-Produktentwicklung Compliance ProduktWS-Gebührenpflege Rating ZV-Gebührenpflege KR-Gebührenpflege Valorenstammpflege Checks entwicklung Information Exposure-Management KR-Risiken & CWO Valoren-/ Notleidende Liquiditäts-Management (Liquiditätsplanung, Repo-Geschäft, Refinanzierung, etc.) Kredite Kundenberichte Bankeigene, gesetzliche & aufsichtsrechtliche Weisungen Gattungsdaten (CWO) Kundenoutput (Depot-, Kontoauszüge, Performanceausweise, etc.) Portfolio-Management Spezial Research& Finanzplanung Analyse und Research (Wertschriften, Branchen, Volkswirtschaften, Finanzmärkte) Kundenberichte Analysen Finanzplanung, Steuerberatung, usw. für natürliche Personen Unternehmensbewertung, Nachfolgeregelungen, Finanzplanung, usw. für juristische Personen
Produkt-/Serviceorientierte Sourcing-Modelle
Abbildung 3:
Bankenreferenzmodell mit zugeordneten Sourcing-Modellen
Für jeden dieser drei Bereiche lassen sich anhand des Bankenreferenzmodells differenzierte Ausprägungen entwickeln (siehe Abbildung 3). Diese sind in Arbeitsgruppen des Kompetenzzentrums ‚Sourcing in der Finanzindustrie’ entstanden und beruhen auf der Annahme, dass mit Ausnahme der Führungsprozesse alle Bankprozesse auch auslagerbar sind und in der Praxis verschiedenste Kombinationen dieser Modelle entstehen. Neben der OutsourcingPerspektive eröffnen sich, wie die Beispiele in Tabelle 3 zeigen, für Bankinstitute auch Potenziale zur Entwicklung von Insourcing-Angeboten, die vom Anbieten ‚kleiner’ abgegrenzter Einzelleistungen hin zum umfassenden Backoffice-Dienstleister und zur Integration mehrerer Leistungen reichen. Die dadurch entstehende Vernetzung ist Gegenstand des nachfolgenden Abschnittes, der die Entwicklungen anhand des Schweizer Marktes illustriert.
330
Rainer Alt / Thomas Zerndt
Vertriebsorientierte Modelle Vertriebsbank
Vertriebskooperation
Neutraler Berater
Bietet Vertrieb und Kundenbetreuung sowie übergreifende Kompetenzen wie Portfoliomanagement oder Finanzplanung; betreibt nur einzelne Aufgaben intern (zum Beispiel Abwicklung kundennaher Finanzprodukte wie Lombardkredit) Durch Kooperation mit Konsumunternehmen oder einem Internetportal werden Bankleistungen für das Endkunden-Massengeschäft angeboten Liefern nach dem Vorbild externer Vermögensverwalter umfassende institutsunabhängige Leistungen in Anlegen und Vorsorgen (Finanzplanung)
Transaktionsorientierte Modelle Backoffice Zahlungsverkehrabwicklung Wertpapierabwicklung Kreditabwicklung
Full Service Dienstleister kombiniert Leistungen dreier Prozessspezialisten (Zahlungsverkehr, Wertschriften und Kredit) sowie Kontoführung Spezialist für partielle oder gesamte Abwicklung im In-/Auslands-ZV Spezialist für partielle oder gesamte Wertpapier-Abwicklung Spezialist für partielle (zum Beispiel Prüfung von Kreditgesuchen, Auftragsabwicklung ohne Kreditrisiko) oder gesamte Kreditabwicklung (mit Kreditrisiko)
Produkt-/Serviceorientierte Modelle Compliance Checks Rating Information Produktentwicklung Valoren-/Gattungsdaten Notleidende Kredite Aufbereitung Kundenberichte Aufbereitung spez. Kundenberichte Research & Analysen Finanzplanung
Prüfungen zur Einhaltung regulatorischer Vorgaben, zum Beispiel Sorgfaltspflicht (VSB03), Geldwäschereigesetz (GwG) und OFACEinträgen Risikobeurteilung bei der Kreditbeurteilung (in der Regel bei Hypotheken) Entwicklung und Bereitstellung von Produkten und Instrumenten Pflege und Bereitstellung von „Finanzinstrument Rohdaten“ (Gattungsdaten, Preise, Unternehmensinformationen und Ereignisse) Rückforderung ausstehender Beträge, Übernahme notleidender Kredite Spezialist für Leistungen zu Sortierung, das Layout, den Druck sowie Versand Aufbereitung komplexer steuerlicher oder regulatorischer Kundendokumente (zum Beispiel Deutscher Steuernachweis) Spezialist für Informationen zu Branchen, Volkswirtschaft, Finanzmärkte, etc. Umfassende Analyse des Kunden-Exposure und Empfehlung
Tabelle 3: Beschreibung der Sourcing-Modelle
Finanznetzwerke durch Outsourcing – das Beispiel der Schweiz
331
3.
Vernetzung im Schweizer Bankenmarkt
3.1
Übersicht und Entwicklungen in der Wertschöpfungskette
Der Schweizer Bankenmarkt ist mit einer Bilanzsumme von 2846,5 Milliarden CHF (2005) einer der größten weltweit und umfasst ähnlich dem Deutschen mehrere Sektoren: die mit 1910,5 Milliarden CHF der gesamten Bilanzsumme dominanten Großbanken Credit Suisse und UBS, die 24 Kantonalbanken (KB) mit insgesamt 321 Milliarden CHF Bilanzsumme, die im gesamtschweizerischen Regionalbankenverband (RBA) sowie dem Raiffeisenverband organisierten genossenschaftlichen Banken36 sowie zahlreiche traditionsreiche kleinere Privatbanken. Gegenüber den Universalbanken konzentrieren sich Letztere auf das Depot-, Vermögensverwaltungs- sowie das Börsen- und Emissionsgeschäft. Die übrigen Banken umfassen schließlich mit einer Gesamt-Bilanzsumme von 382 Milliarden CHF Handelsbanken, auf Börsen-, Effekten- und Vermögensverwaltungsgeschäfte spezialisierte Institute, Institute für Kleinkredite, Abzahlungsgeschäfte und Konsumfinanzierung sowie ausländisch beherrschte Banken (selbstständige Schweizer Banken, die in ausländischen Händen sind). Ein ähnliches Bild zeigt die Aufteilung der verwalteten Vermögen in der Schweiz, wo die Großbanken mehr als die Hälfte ausmachen. Die üblicherweise auf das Private Banking ausgerichteten Auslandsbanken verwalten ihrerseits einen Anteil von mehr als 20 Prozent.
Bilanzsumme nach Bankengruppen, Ende 2005
Bilanzsumme nach Banken, Ende 2005
Alle Banken - gesamt 3.000.000 2.500.000 2.000.000
15%
Kantonalbanken
11%
4% Grossbanken
3% Regionalbanken & Sparkassen
1.500.000 1.000.000 500.000
Regionalbanken & Sparkassen
Übrige Banken
36
Raiffeisenbanken
Raiffeisenbanken
0
Abbildung 4:
Kantonalbanken Grossbanken
67%
Übrige Banken
Bilanzsumme nach Bankengruppen und Banken in der Schweiz
Die 52 RBA-Banken hatten 2006 eine Bilanzsumme von ca. 44 Milliarden CHF, die 405 Raiffeisenbanken ca. 114 Milliarden CHF.
332
Rainer Alt / Thomas Zerndt
Der international als wettbewerbsfähig geltende Schweizer Bankenmarkt hat sich bereits frühzeitig mit überbetrieblichen Organisationsfragen, also dem „Sourcing“, befasst. Beispiele dafür sind das eingangs erwähnte, von mehreren Banken getragene Swiss Interbank Clearing (SIC37), die 1987 gegründete AGI Kooperation38, eine Initiative von acht Kantonalbanken zur Erstellung und zum Betrieb gemeinsamer Bankenanwendungen sowie zur Entwicklung gemeinsamer Produkte, die von mehreren Banken getragene Telekurs zur Abwicklung von Zahlungen und zur Bereitstellung von Finanzmarktinformationen oder die Regionalbankengruppe RBA mit dem gemeinsamen Dienstleister RBA-Service. In den vergangenen Jahren ist ein beständiger Rückgang der Schweizer Banken festzustellen39 sowie eine Zunahme ausgelagerter Bankfunktionen. Zwar handelt es sich dabei noch primär um wenig bankspezifische Aufgaben, insbesondere den Betrieb der IT-Infrastruktur sowie die Applikationsentwicklung und den Applikationsbetrieb,40 jedoch werden auch in den Leistungsbereichen deutliche Veränderungen erwartet. Dies hat eine 2005 vom Kompetenzzentrum Sourcing bei 65 Banken aus dem deutschsprachigen Raum (davon 28 Schweizer Banken) durchgeführte Studie bestätigt. Befragt nach ihren heutigen (2005) und künftigen (2010) Kernkompetenzen, sehen die meisten Banken ihren Schwerpunkt weiterhin bei den Vertriebsprozessen (47 Prozent in 2005, 49 Prozent in 2010), insbesondere dem Private Banking (von 75 auf 82 Prozent). Von steigender Bedeutung sind transaktionsübergreifende Prozesse (von 32 auf 43 Prozent), wobei hohe Ausprägungen beim Portfoliomanagement (von 54 auf 57 Prozent) sowie der Produktentwicklung (von 43 auf 50 Prozent) und ein starkes Wachstum beim Risikomanagement (von 21 auf 32 Prozent) sowie der Finanzplanung (von 25 auf 36 Prozent) zu beobachten sind. Geringe Kernkompetenzen bestehen auch zukünftig bei den Abwicklungsprozessen (von 27 auf 26 Prozent), wobei die geringsten Kompetenzen bei der ZV-Abwicklung (von 14 auf 11 Prozent) und die höchsten Ausprägungen aufgrund geringerer Volumina und spezifischerer Risiken bei der Kreditabwicklung (von 36 auf 39 Prozent) liegen. Intermediäre Werte besitzt die WPAbwicklung (von 21 auf 18 Prozent). Widersprüchlich zu den Kernkompetenzen verhält sich die Eigenfertigung der befragten Bankinstitute. Alleine bei den Abwicklungsprozessen haben 82 Prozent der Banken die Abwicklungsprozesse vertikal integriert. Zwar soll der Eigenfertigungsgrad in diesem Bereich bis 2010 auf 60 Prozent sinken, jedoch weicht auch dieser Wert noch deutlich vom genannten Kernkompetenzprofil ab. Die Betrachtung der Abwicklungsprozesse zeigt, dass sich die Differenz zwischen dem Kernkompetenzprofil und der Eigenfertigung verringert. Während sich Letztere in der ZV-Abwicklung von 82 Prozent auf 52 Prozent und in der WP37
Die Swiss Interbank Clearing AG betreibt die Zahlungssysteme SIC und euroSIC in der Schweiz und über ihre Grenzen hinaus zur elektronischen Zahlungsverkehrsabwicklung in CHF und Euro. 38 Die AGI-Kooperation umfasst die Kantonalbanken von St. Gallen, Luzern, Thurgau, Fribourg, Glarus, Obwalden, Nidwalden, Appenzell. Diese sind Auftraggeber des IT-Outsourcing-Partners Swisscom IT Services AG. 39 Von 1990 bis 2003 hat bei den Schweizer Privatbanken ein Rückgang von 625 auf 356 Banken stattgefunden (Dang/Lau 2006). Von den insgesamt 840 Schweizer Banken in 2002 wird bis 2010 ein Rückgang auf etwa 730 erwartet (Accenture 2004). 40 Siehe IMG (2004).
Finanznetzwerke durch Outsourcing – das Beispiel der Schweiz
333
Abwicklung von 82 Prozent auf 56 Prozent reduziert, wird der Eigenfertigungsgrad bis 2010 in der Kreditabwicklung höher eingeschätzt (von 89 auf 80 Prozent). Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den übergreifenden Prozessen wie dem periodischen Kundenreporting oder den Supportprozessen. Die Befragung hat auch gezeigt, dass der Markt Schweiz auf diese Bedürfnisse reagiert. Während in der WP-Abwicklung bereits ein Insourcing-Angebot besteht (12 Prozent bieten Dienstleistungen in diesem Bereich an), wird sich das Angebot im ZV vergrößern (von 5 auf 15 Prozent). Auch in der Kreditadministration entstehen verstärkt Dienstleistungen (von 3 auf 7 Prozent). Zu den in Tabelle 4 gezeigten Beispielen zählen: Die Backoffice-Dienstleister B-Source, RBA-Service oder Sourcag, die Privat- und/oder Retailbanken umfassende Leistungen in den Bereichen Abwicklung und übergreifende Prozesse anbieten. Die Großbanken CS und UBS, welche mit ‚Expert for Expert-Banking’ bzw. ‚Bank for Banks’ modulare Angebote für Bankprozesse, einschließlich umfassender Custodian- und Trading-Services anbieten. Die Spezialisten zur Abwicklung von WP-Aufträgen (zu Maerki Baumann / Incore und Bank Vontobel siehe Abschnitt 3.2) ebenso wie zur Platzierung von Aufträgen an weltweiten Börsenplätzen durch die Bank Vontobel sowie die Großbanken. Produktanbieter, wie etwa die Bank Sarasin, die über den Fund Hub ihre Fondsprodukte auch über die Partner AWD und JML vertreibt.41 Ebenso bietet die Bank Vontobel die Anlageprodukte mit Abwicklung über den Raiffeisen-Verbund an. Dienstleister, wie etwa T-Systems, die den Applikationsbetrieb für Bank Linth sowie die Graubündner KB übernehmen oder Comit42, die sich auf Beratung und Implementierung von Core Banking Systemen wie etwa Avaloq konzentriert.
41
AWD (Allgemeiner Wirtschaftsdienst) ist ein europaweit tätiger unabhängiger Dienstleister für Vermögensaufbau- und Vorsorgeplanung, JML eine unabhängige Schweizer Vermögensverwaltungs- und Finanzplanungsgesellschaft in Zug und Zürich. 42 Comit ist seit 2005 ein Tochterunternehmen der Swisscom IT Services für Beratungsleistungen im Bankenbereich.
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Modelle
Beispiele
Vertriebsbank Vertriebskooperation Neutraler Berater Backoffice Dienstleister Spezialist ZV-Abwicklung Spezialist WP-Abwicklung Spezialist Kreditabwicklung Compliance Checks Rating Information Produktentwicklung Valoren/Gattungsdatenpflege Notleidende Kredite Aufbereitung Kundenberichte Aufbereitung spez. Kundenberichte Research und Analysen Finanzplanung
Clientis Banken (Retailer), Bank von Graffenried (Privatbank) Vertrieb von Vontobel Fonds durch Raiffeisen, teilweise Migrosbank AWD, Vermögenszentrum B-Source, Crédit Agricole, Finaclear, Entris, Sourcag, Bank Wegelin, RBA, VonSys PostFinance Maerki Baumann / Incore, Vontobel UBS Biveroni Batschelet Partners Risk Solution Network Credit Suisse, UBS, Lombard Odier Darier & Hentsch, Bank Sarasin Comit, SIS (SegaInterSettle), Accenture, Fin-Log Citibank Swisscom IT Services, Unicible Mummert & Partner, VZ Vermögenszentrum UBS, Credit Suisse, Zürcher KB, Vontobel, Bank Wegelin AWD, MLP, VZ Vermögenszentrum
Tabelle 4: Sourcing-Modelle mit Beispielen
3.2
Transformation am Beispiel des Wertpapierbereichs
Die beschriebenen Sourcing-Modelle konkretisieren das Schlagwort der „Dekonstruktion der Wertschöpfungskette“ aus Sicht sämtlicher Bankprozesse. Zur genaueren Diskussion der Auswirkungen auf die Branchenstruktur sowie der veränderten Rollenverteilung dient nachfolgend der WP-Bereich. Ähnlich dem Sourcing-Modell umfassen Rollen einzelne oder mehrere Aufgaben eines Prozesses, jedoch betonen sie die institutionelle Sicht, das heißt eine längerfristig stabile, von einem Unternehmen wahrgenommene Marktleistung. Die vier nachfolgend dargestellten Fallbeispiele aus der Schweiz zeigen auch, dass die Rollen in Form eines Netzwerkes zusammenwirken. Analog dem Bankenreferenzmodell beruhen auch die Rollen in Tabelle 5 auf Ergebnissen von Interviews und Arbeitsgruppen des Kompetenzzentrums Sourcing. Ein Beispiel für ein umfassendes Serviceangebot ist VonSys („Vontobel Solutions for Your Sourcing“), eine in 2006 initiierte Kooperation der Bank Vontobel und T-Systems. Darin bringt Vontobel seine für die Raiffeisen-Gruppe erbrachten Leistungen, die von Wertpapier-
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handel, Portfoliomanagement, Produktentwicklung, Depotführung, Backofficeabwicklung (inkl. Corporate Actions) hin zur Bereitstellung des Korrespondenzbankennetzwerkes reichen, ein. T-Systems Schweiz übernimmt den Betrieb des Avaloq-Systems. Wie in Abbildung 5 dargestellt, bietet Entris einen etwas geringeren Dienstleistungsumfang. Dieser Zusammenschluss von RBA-Service und dem Backoffice der Berner KB bietet Leistungen in der WPAdministration, der ZV-Abwicklung und künftig der Kreditadministration (insb. Hypotheken) für den RBA-Verbund sowie für die Berner KB an. Ziel ist die Positionierung als Produktionsbank (Kombination von Backoffice-Dienstleister und Servicedienstleistungen in den Bereichen IT und übergreifende Prozesse), welche ihre Leistungen auch nicht-RBA-Banken plattformunabhängig ‚white labeled’ anbietet. Den IT-Betrieb übernimmt mit dem Real Time Center (RTC) ein bestehender Partner von RBA und Tochter der Berner KB. RTC besitzt eigene Anwendungssysteme, setzt aber auch externe Software, wie etwa Legando von Maerki Baumann, für die WP-Administration ein.
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Rolle
Beschreibung
Abwicklungsspezialist (Client Custodian)
Übernimmt administrative Aufgaben wie Auftragsabwicklung, Verwaltung von Kundenkonten mit Verwaltungshandlungen und Settlement von Transaktionen und Investigations; verantwortet in der Regel den Kontakt zum Händler wie auch zum Global Custodian. Umfasst Wartung, Überwachung, Test und Integration einer (Standard-)Software. Vermittelt den Zugang zu (nicht elektronischen) Börsen und verfügt über Wissen bzgl. lokaler Gegebenheiten. Hält ein Konto bei mindestens einem Zentralverwahrer, bietet Finanzinstituten die WP-Verwahrung an mit Aufbewahrung und Administration (zum Beispiel Verwaltungshandlungen, Rechtsberichte) und ergänzenden Services (zum Beispiel FOREX und Kredite). Custodians erledigen den Kontenabgleich für Kunden und Transaktionen mit den Zentralverwahrern. Konzentriert sich auf Kundenbeziehung und verwaltet Kundendaten. Ihnen fehlt eine Bankenlizenz, d.h. Kunden müssen auch Kunde einer Vertriebsbank sein. Erhält geprüfte Aufträge von der Vertriebsbank oder vom Abwicklungsspezialisten und erfüllt Routing und Platzierung der Aufträge. Als „central counter-party“ (CCP) stellt er direkt oder via Broker die Börsenanbindung her und bietet globalen Kunden den Kontenabgleich an. Führt Kundenportfolios und benötigt Wissen über die vergangene und zukünftige Marktentwicklung. Bietet innovative Produkte, oftmals white-labeled. Differenzierungsfaktor sind die Abwicklungsgeschwindigkeit sowie die Kreativität. Stellt sichere Rechner-Infrastruktur zur Verarbeitung und Archivierung bereit. Bietet Informationen zu Unternehmen, Produkten, Finanzmärkten und Volkswirtschaften. Entwickelt und vertreibt Software mit Kernbankfunktionalitäten (integrierte betriebswirtschaftliche Standardapplikation für Banken). Bietet Daten zur Wertpapieradministration, Risiko Management, Portfolio Management und Handel. Erledigen die Filterung und Ergänzung von Valoren- bzw. Gattungsdaten für eine Bank, welche in spezielle Systeme eingegeben werden. Auf Kundenbeziehung (Vertrieb, Beratung) fokussierte Bank, die Produkte und Prozessservices von Spezialisten bezieht. Verwaltet alle an Börsen gehandelten Wertpapiere, unterhält Beziehungen zu Instituten, welche unter behördlicher Kontrolle stehen und bietet zusätzlich Custody Services an.
Application Management Broker (Global) Custodian
Externer Vermögensverwalter Händler
Portfolio-Manager Produktentwickler Rechenzentrum Research Provider Softwareentwickler Valoren-/Gattungsdaten Provider Valorenzentrale
Vertriebsbank Zentralverwahrer (CSD)
Tabelle 5: Beschreibung der Rollen im Anlagenetzwerk Ein ähnliches Leistungsangebot zeigen zwei weitere Beispiele. B-Source (ehemals Bosslab) ist ein Backoffice-Dienstleister der BSI Bank sowie der Banca del Gottardo (BdG) für nationale und internationale Privatbanken. Für diese übernimmt B-Source im WP-Geschäft die Auftragsabwicklung mit Corporate Actions und die Bereitstellung der Valorenstammdaten.
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337
Aus Sicht von Privatbanken vertriebsnahe Kompetenzen wie Handel, Portfoliomanagement, Research oder Produktentwicklung verbleiben bei den Banken. Dadurch kann B-Source ohne Bankstatus umfassende Leistungen erbringen. Zusätzlich übernimmt B-Source den Rechenzentrums- und Applikationsbetrieb, die Entwicklung eigener Applikationen sowie den Betrieb von Standardsoftware wie SAP für Accounting, Triple A / Advisor für die Beraterunterstützung sowie Avaloq für den Kernbankenbereich. Abgesehen vom Handel ist ein ähnliches Profil bei der InCore Bank zu finden, ein 2007 von der Privatbank Maerki Baumann gegründetes Tochterunternehmen. Dieses bietet Dienstleistungen für den Handel, die Abwicklung mit Corporate Actions, die Bereitstellung der Valorendaten sowie den IT-Betrieb und das Application Management. Die Softwareentwicklung übernimmt mit der Legando AG ein weiteres Unternehmen der Maerki Baumann Holding. Künftig sollen die Leistungen von Incore über die Zuger KB und die Privatbank Maerki Baumann hinaus weiteren kleineren und mittleren Universal- und Privatbanken angeboten werden.
Ext. Vermögensverwalter
Broker Händler Börsenplätze
Vertriebsbank Bankkunde Abwicklungsspezialist
(Global) Custodian
Produktentwickler Portfolio Manager Systemunterstützung
Application Management
Zentralverwahrer (CSD) Valorendaten Provider
Research Provider
Valorenzentrale
Rechenzentrum
Softwareentwickler
Legende:
Rolle
Abbildung 5:
Geschäftsbeziehung
Rollenbündel VonSys
Rollenbündel Entris
Rollenbündel InCore
Rollenbündel B-Source
Anlagenetzwerke der vier Fallbeispiele
Zusammenfassend lassen sich die Fallbeispiele als unterschiedliche Rollenbündel interpretieren. Während sich B-Source auf die Abwicklung für nationale und internationale Privatbanken fokussiert und Handel, Produktentwicklung oder Portfoliomanagement als Kernkompetenz der Banken ansieht, versuchen Anbieter wie VonSys möglichst alle Bestandteile des Anlagenetzwerkes anzubieten. Dazu benötigt der Anbieter eine Banklizenz, und es verbleibt letztlich einzig die Kundenschnittstelle bei der Vertriebsbank. Auch deuten die Modelle auf eine Hierarchisierung der Wertschöpfung hin, das heißt eine stärkere Arbeitsteilung und Spezialisierung zwischen den Anbietern. So kooperieren RBA, RTC und Berner KB im Rahmen von Entris sowie Vontobel, T-Systems und Avaloq bei VonSys. In geringerem Umfang ist dies auch bei B-Source und InCore zu beobachten (siehe Tabelle 6). Trennlinien sind zwischen BPO und der in allen Beispielen gegebenen Systemunterstützung zu finden. Dies bestätigt die
338
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Aufteilung nach dem Outsourcing von Geschäftsfunktionen (BPO), der Applikationsentwicklung sowie des Betriebs von Applikationen und Rechenzentren (IT-Outsourcing, ITO) wie sie sich auch im Markt wiederfindet. Rolle Abwicklungsspezialist Application Management Broker Custodian Ext. Vermögensverwalter Händler Portfolio-Manager Produktentwickler Rechenzentrum Research Provider Softwareentwickler Valorendaten Provider Valorenzentrale Vertriebsbank Zentralverwahrer (CSD)
B-Source B-Source B-Source
Entris RBA RTC
InCore InCore Legando
VonSys Vontobel T-Systems CH
-
-
Brokernetzwerk -
Brokernetzwerk Vontobel -
-
Berner KB RBA, extern RTC RTC, Legando Berner KB -
InCore -
Vontobel Vontobel Vontobel, extern
InCore Legando
T-Systems CH Vontobel, extern Avaloq
InCore -
Vontobel -
B-Source B-Source, extern B-Source -
Tabelle 6: Rollen in den vier Fallbespielen
3.3
Ausdifferenzierung im Schweizer Bankenmarkt
Die Beispiele zeigen, dass für ein Sourcing-Angebot häufig mehrere Unternehmen zusammenwirken. Dabei handelt es sich jeweils um Kooperationen von bankfachlichen und ITfachlichen Unternehmen. Mit zunehmender Angebotsvielfalt bilden sich differenzierte Angebote bzw. Rollenbündel im Markt heraus und führen zu einer verstärkten Bildung von Netzwerken. Die Literatur versteht darunter „komplex-reziproke, eher kooperative denn kompetitive und relativ stabile Beziehungen zwischen rechtlich selbstständigen, wirtschaftlich jedoch zumeist unabhängigen Organisationen“.43 Netzwerke sind einerseits Alternativen zur Eigenfertigung wie sie etwa mit Fusionen stattfinden und andererseits eine zusätzliche, über Einzelbeziehungen zwischen Unternehmen hinausgehende, Betrachtungsebene.44 Beispielsweise beruht das Wertschöpfungsmodell der VonSys auf Einzelbeziehungen zwischen der Bank
43 44
Siehe Fettke/Loos (2004). Siehe Möller/Rajala/Svahn (2005), S. 1279.
Finanznetzwerke durch Outsourcing – das Beispiel der Schweiz
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Vontobel, T-Systems, Avaloq sowie Banken.45 Aus Unternehmenssicht ist entscheidend, an welchen Netzwerken das Unternehmen beteiligt ist und welche Rolle es darin einnimmt. Sowohl in der Literatur als auch im Schweizer Bankenmarkt lassen sich daraus einige Erkenntnisse ableiten, die auch einen Ausblick auf künftige Entwicklungen eröffnen. Die Netzwerkliteratur unterscheidet neben internen Netzwerken nach der Persistenz der Beziehungen vor allem zwischen stabilen und dynamischen Netzwerken.46 Dabei wird gerade für dynamische Netzwerke die Rolle des Brokers beschrieben, der als Architekt, Generalunternehmer (‚lead operator’) und Gesamtverantwortlicher (‚caretaker’) für die Netzwerkbildung und die Netzwerkführung eine zentrale Bedeutung besitzt. Ein weiterer Ansatz47 setzt diese Betrachtung fort und unterscheidet die Netzwerkteilnehmer zunächst nach ‚lead companies’ (tier 1 Unternehmen), die sich auf endkundenorientierte Dienstleistungen, das Design, den Vertrieb und das Marketing von Produkten und Dienstleistungen konzentrieren. Auf einer zweiten Integrationsstufe werden ‚turn-key suppliers’ (tier 2 Unternehmen) genannt, welche die Leistungserstellung organisieren. Schließlich unterstützen „specialized suppliers“ (tier 3 Unternehmen) auf der dritten Ebene die Leistungserstellung als Experten für Komponenten der Leistungserstellung. Übertragen auf den Bankenbereich übernehmen Banken in klassischer Weise den Endkundenkontakt. Zusätzlich arbeiten sie vielfach in Form von (horizontalen) Bedarfsgemeinschaften zusammen. Beispiele sind die Einkaufskooperation von Regionalbanken im ClientisVerbund für Prozess- und IT-Dienstleistungen oder die Kooperation von Thurgauer und St. Galler KB bei der Einführung eines Coresystems. In den Beispielen finden sich auf einer zweiten Ebene Integratoren, welche die Leistungen spezialisierter Anbieter bündeln und häufig auch übergreifende Aufgaben, wie etwa die Erstellung des Kundenoutputs selbst übernehmen. Weitere Leistungen wie die Abwicklung von Bankdienstleistungen, das Bereitstellen von Korrespondenznetzen oder die Erbringung von Supportleistungen (zum Beispiel Betrieb IT) beziehen Integratoren von Dritten. Auf der dritten Ebene finden sich spezialisierte Anbieter für die Bereiche BPO, ITO und Applikationen. BPO-Anbieter konzentrieren sich auf einen Prozess (zum Beispiel Zahlen, Anlegen und Finanzieren), produktorientierte Prozessvarianten oder einzelne Aufgaben in einem Prozess. ITO-Dienstleister übernehmen den Betrieb von Applikationen sowie das Datenhandling (Archivierung, Recovery, etc.). Applikationshersteller von Kernbankensystemen decken einen möglichst großen Teil der Bankenfunktionalität ab. Daneben bestehen Umsysteme für Spezialbereiche, zum Beispiel Archivierung, Finanzplanung, ALM. Zusammenfassend zeigen sich der Netzwerkliteratur entsprechend zwei Richtungen der Kooperation. 48
45
Ein kooperatives Wertschöpfungsmodell bezeichnet eine langfristig angelegte, komplementäre Wertschöpfung oder Leistungserstellung, welche arbeitsteilig zwischen konkurrierenden Finanzdienstleistern organisiert ist (Hennig, 2007, 1). 46 Siehe Snow/Miles/Coleman (1992). 47 Siehe Sturgeon (2002). 48 Siehe Zentes/Swoboda/Morschett (2003).
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Horizontale Kooperationen finden auf mehreren Ebenen statt. Neben den erwähnten Einkaufskooperationen der Banken bilden sich Gemeinschaften rund um Kernbankenapplikationen zur konsensorientierten Weiterentwicklung (zum Beispiel Avaloq oder Finnova Community) oder um die BPO-Anbieter (zum Beispiel B-Source Community mit Banken wie der BSI, BdG, Reichmuth). Da horizontale Kooperationen zwischen ITO-Anbietern die Zusammenarbeit direkter Konkurrenten (zum Beispiel T-Systems und Swisscom IT Services) betrifft, ist die Zusammenarbeit hier weniger ausgeprägt. Vertikale Kooperationen verbinden Kompetenzen mehrerer Rollen bzw. Wertschöpfungsstufen. Die Beispiele Entris und VonSys zeigen, dass Banken, Applikationshersteller und Rechenzentren hier zusammenarbeiten. Betreiber von Rechenzentren schliessen Kooperationsverträge mit Kernbankenherstellern (zum Beispiel T-Systems mit Finnova und Avaloq oder Swisscom IT-Service ebenfalls mit Finnova oder Avaloq) ebenso wie Hersteller von Standardsoftware den Eintritt in etablierte Communities (zum Beispiel Odyssey mit der BSource Community) suchen.
4.
Zusammenfassung und Ausblick
Dieser Beitrag zeigt die Veränderungen im Bankenbereich anhand des Schweizer Bankenmarktes. Outsourcing ist als Strategie zu beobachten, die zu Sourcing-Modellen sowie zur stärkeren Vernetzung im Bankenmarkt führt. Dabei reduzieren Banken zunehmend ihre Fertigungstiefe in den bankfachlichen Bereichen, entwickeln Lösungen für andere Banken und Kooperationen mit anderen Anbietern, insbesondere aus dem Systembereich. Selbst ehemalige Konkurrenten kooperieren und sind bestrebt, durch Leistungsbündelung und Prozessneugestaltung ihre Kosten- und Ertragsseite zu verbessern. Während in den Neunziger Jahren die Zusammenarbeit noch durch den technologischen Stand eingeschränkt war, so ist heute die Technologie ein zentraler ‚Enabler’ des Wandels. Die seit Jahren steigenden IT-Budgets sind nicht zuletzt ein eindrückliches Beispiel dafür, dass der Kostendruck auch in den nächsten Jahren weiter bestehen dürfte. Gemeinsam mit der erwähnten Margenerosion, dem anspruchsvolleren Verhalten informierter Kunden, der zunehmenden Vielfalt diverser und komplexer Produkte sowie der Regulierungsanforderungen ergibt sich für Banken mittelfristig eine Situation, in welcher das Erhalten des Status Quo – den gegenwärtigen Ausnahmegewinnen der Banken zum Trotz – nicht ausreicht. Die beschriebenen Sourcing-Modelle zeigen, dass sich die Geschäftsmodelle von Banken stärker entlang der drei Bereiche Vertriebs-, Produkt- und Transaktionsbank orientieren und ausdifferenzieren werden. Aufgrund der klassischen Bankkompetenzen werden sich viele Banken als Vertriebsbank positionieren, die sich auf Kundenschnittstelle und Beratung sowie kundennahe Kompetenzbereiche wie das Portfoliomanagement oder die Finanzplanung kon-
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zentriert und alle weiteren Leistungen aus einem Partnernetzwerk bezieht. Im Konsumentenbereich werden auch Branchenfremde, zum Beispiel Warenhäuser wie Coop oder Migros eigene Angebote entwickeln. Da die Eintrittsbarrieren in den Bankenmarkt jedoch aufgrund der beschriebenen Treiber eher hoch einzustufen sind, werden sich branchenfremde Unternehmen im Kernbankengeschäft nur schwer behaupten. Gesamthaft zeigt sich auf dem Schweizer Bankenmarkt eine Transformation in kleinen Schritten. Diskussionen um die strategische Ausrichtung schaffen eine Voraussetzung für die Kooperation mit Partnern. Es zeigt sich, dass diese Partner in stärkerem Masse selbst netzwerkartig organisiert sind und damit eine, ähnlich der Zuliefererhierarchisierung in der Automobilindustrie, Ausdifferenzierung des Marktes entsteht. Dessen (mögliche) künftige Entwicklung fassen abschließend einige Thesen zusammen: Fusionen und Konzentration finden auch künftig entlang der drei groben Kompetenzbereiche statt. Beispiele derartiger horizontaler Zusammenschlüsse sind vertriebsorientierte Merger im Privat- wie im Universalbankenbereich. Banken werden horizontale Kooperationen weiterhin zur Nutzung mehrerer Vertriebskanäle nutzen, allerdings wirkt die Struktur bestehender Banksektoren und Konkurrenzbedenken limitierend. Letzteres gilt insbesondere zwischen Providern. Bei der konkreten Ausgestaltung von Sourcing-Modellen existiert ein breiter Gestaltungsspielraum, der strategischen Zielen, bestehenden Kernkompetenzen etc. folgend, eine Ausdifferenzierung der Modelle bewirkt. Vertikale Zusammenarbeit übernehmen in stärkerem Maße Integratoren, die sich auf die Netzwerksteuerung konzentrieren und Beziehungen zu weiteren Spezialisten organisieren. Bei der vertikalen Kooperation sind kooperative Organisationsformen vorteilhafter, da aufgrund der zugrunde liegenden Kompetenzen weniger Skaleneffekte als vielmehr Verbundeffekte im Vordergrund stehen. Lose Netzwerke zwischen Banken (zum Beispiel Bedarfsgemeinschaften) sowie zwischen Banken und Gesamtbanken-Lösungsanbietern (zum Beispiel Provider-Communities) unterstützen die Entstehung von Standards, einem Kernelement effizienter Vernetzung. Die Bedeutung grenzüberschreitender Organisationsformen nimmt zu. Dies eröffnet insbesondere Akteuren aus volumenmäßig kleineren Märkten wie etwa der Schweiz die Möglichkeit zur Ausweitung ihrer Aktivitäten.
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Outsourcing in Österreichs Banken
Outsourcing in Österreichs Banken Friedrich Schreder
1. Outsourcing in Österreichs Banken 2. Bankenlandschaft Österreich 2.1 Bilanzsumme überstieg die 700 Mrd-EUR-Grenze Q1/06 2.2 Bank Austria Creditanstalt (BA CA; Aktienbanken) 2.3 Erste Bank und Sparkassen 2.4 Raiffeisen 2.5 Volksbanken 2.6 BAWAG-PSK (Aktienbanken) 2.7 3-Bankengruppe (Aktienbanken) 2.8 Hypothekenbanken 3. Rechenzentren 3.1 Sparkassen 3.2 Raiffeisen 3.3 ARZ Allgemeines Rechzentrum 4. Zahlungsverkehr 4.1 AS – BA CA Administration Services GmbH 4.2 ZVG – P.S.K. Zahlungsverkehrsabwicklungs Ges.m.b.H. 4.3 SZV Zahlungsverkehrsabwicklungs Ges.m.b.H. 4.4 RSC-Raiffeisen Daten Service Center Ges.m.b.H. 4.5 BOG – Backoffice Service für Banken Ges.m.b.H. 4.6 Zusammenfassung Zahlungsverkehr 5. Wertpapierabwicklung 6. Bargeldservice 7. Procurement 8. Zusamenfassung
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Friedrich Schreder
Outsourcing in Österreichs Banken
Österreich ist ein kleines Land im Herzen Europas. Nicht nur durch seine Räumlichkeit, sondern durch die Historie ist es das ideale Tor zum Osten. Viele Unternehmen konnten in den letzten Jahren diese Ausgangslage nutzen und sich im Süden und Osten Österreichs einen neuen Markt für sich öffnen und nutzen. Den Banken ist dies im besonderen Maße gelungen: Sie haben sich überproportional zu ihrer Größe Markanteile gesichert und gehören in Osteuropa zu den großen Playern. Ein überwiegender Teil ihrer Gewinne resultiert aus dem Erfolg ihrer Auslandstöchter, wodurch einiger Druck vom möglichen Outsourcing hinaus nicht zum Kerngeschäft zählenden Bereichen über ihre Töchter hinaus genommen wird. Die Gewinne in einigen dieser Länder beginnen aber bereits zu schrumpfen und mit einer stärkeren Zentralisierung wird das Thema Outsourcing stärker auf die Tagesordnung der Zukunftsplaner in den Banken kommen. Die Siebziger- und Achtzigerjahre waren geprägt von der Gründung von Rechenzentren. Die meisten davon entstanden durch Auslagerung der bis dahin entstanden EDV/Organisationsabteilungen. Für die damalige Zeit war dies ein Schritt eines ersten Outsourcings, heute würde man eher von Shared Services sprechen. Die Neunzigerjahre waren die Zeit der Gründung von Backoffice-Töchtern: Zahlungsverkehr, Logistik und dies setzte sich in der Auslagerung der Wertpapierabwicklung bis heute fort. Kreditabwicklung auszulagern steht erst am Beginn.
2.
Bankenlandschaft Österreich
Waren es in den Siebziger- und Achtzigerjahren noch sehr viele Banken, die im Retailbanking die österreichischen Kunden bedienten, reduzierte sich die Zahl der Banken in Folge durch viele Käufe und Zusammenschlüsse.
Outsourcing in Österreichs Banken
Periodenendstand
Aktienbanken und Bankiers4) 5)
347
Sparkassensektor4)
LandesHypothekenbanken 1 )
Raiffeisensektor5)
Volksbankensektor5)
Bausparkassen
H2)
Z3)
H
Z
H
Z
H
Z
H
Z
H
Z
2004
47
907
59
1.019
10
169
581
1.712
68
488
4
52
2005
44
877
57
1.006
10
166
576
1.704
68
482
4
52
2006
48
864
56
1.005
10
166
567
1.695
69
479
4
46
Wien
35
277
3
83
1
12
5
59
13
39
3
9
Steiermark
3
86
6
167
1
19
94
244
8
54
0
5
Oberösterreich
2
150
10
210
1
18
112
334
15
83
0
7
Salzburg
4
60
2
62
1
24
68
80
3
39
1
1
Tirol
2
61
8
120
1
20
84
169
4
46
0
4
Kärnten
1
68
2
47
2
19
56
121
7
32
0
4
Vorarlberg
0
31
5
49
1
22
25
76
1
23
0
4
Burgenland
1
33
0
21
1
12
41
117
1
11
0
4
Niederösterreich
0
98
20
246
1
20
82
495
17
152
0
8
Abbildung 1: Anzahl der Kreditinstitute nach Sektoren – Teil 1 Quelle: OeNB. Zeitreihenbrüche in allen Sektoren aufgrund von Umreihungen ab Berichtstermin Juni 2004 möglich (eigener Hauptsektor Zweigstellen gemäß § 9 BWG). 1) einschließlich Pfandbriefstelle 2) Hauptanstalten 3) Zweiganstalten 4) ab Berichtstermin Dezember 2004 Umreihung der Bank Austria Creditanstalt AG vom Sektor Sparkassen zum Sektor Aktienbanken. 5) Aufgrund der Vereinheitlichung der Sektorzuordnungskriterien durch OeNB und Finanzmarktaufsicht (FMA) erfolgten ab dem Berichtstermin Dezember 2006 Umreihungen in den Bankensektoren Aktienbanken, Raiffeisenbanken, Volksbanken und Sonderbanken.
348
Friedrich Schreder
2.1
Bilanzsumme überstieg die 700 Mrd-EUR-Grenze Q1/06
Die stetig ansteigende Entwicklung der Bilanzsumme gipfelte Ende September 2005 in einem Volumen von 713,77 Milliarden Euro und überschritt damit erstmals zum Ende eines Quartals die 700-Milliarden-Euro -Grenze. Die Bilanzsumme verzeichnete somit in den ersten drei Quartalen 2005 ein Wachstum von 9,3 Prozent bzw. 61,01 Milliarden Euro. Dabei konnten in allen Bankensektoren positive Bilanzsummenentwicklungen abgelesen werden. Innerhalb der einzelnen Kreditinstitutssektoren erzielten die Sonderbanken mit 15,1 Prozent das größte Wachstum, gefolgt von den Landes-Hypothekenbanken (11,6 Prozent) und den Volksbanken (10,4 Prozent). Über der durchschnittlichen Wachstumsrate befanden sich außerdem die Raiffeisenbanken und die Sparkassen mit 9,9 Prozent bzw. 9,5 Prozent. Unterdurchschnittliche Wachstumsraten lieferten die Aktienbanken (6,5 Prozent) und die Bausparkassen (0,6 Prozent). Den größten Marktanteil gemessen an der Gesamtbilanzsumme hielt mit 31,7 Prozent weiterhin der Aktienbankensektor. Dahinter folgte der Raiffeisensektor mit 23,4 Prozent vor den Sparkassen mit 17,9 Prozent. Die Sonderbanken erzielten 9,3 Prozent, die LandesHypothekenbanken 8,5 Prozent, die Volksbanken 5,3 Prozent, die Bausparkassen 2,9 Prozent und die Zweigstellen gemäß §9 BWG 1,0 Prozent. Der Anteil der Direktbanken (aufgeteilt auf die einzelnen Bankensektoren) gemessen an der Bilanzsumme stieg im Zeitraum Juni 2003 bis September 2005 von 0,12 Prozent auf 0,30 Prozent. In absoluten Zahlen ausgedrückt kamen die Direktbanken auf eine aggregierte Bilanzsumme von 2,14 Milliarden Euro (Bilanzsumme aller Banken Ende September 2005: 713,77 Milliarden Euro). Trotz ihres geringen Bilanzsummenanteils haben sie in ihrem Hauptgeschäftsfeld – Einlagen – eine doch bedeutende Rolle erlangt. Immerhin hielten die fünf Institute bei den Sichteinlagen Ende September 2005 einen Anteil von 2,86 Prozent (+2 Prozentpunkte gegenüber Juni 2003). Mit Ausnahme des Burgenlands (-0,8 Prozent) konnte in jedem Bundesland eine Steigerung der Bilanzsumme beobachtet werden.1 Das Bilanzsummenwachstum wurde im Jahr 2005 von in Kärnten ansässigen Kreditinstituten (14,0 Prozent) und darüber hinaus von den Wiener Banken mit 11,4 Prozent angeführt. Traditionell hielten in Wien ansässige Kreditinstitute mit knapp 62 Prozent gemessen an der Bilanzsumme den größten Marktanteil. Dahinter kam kein einziges Bundesland über 10 Prozent Marktanteil.
1
Vgl. www.oenb.at.
Outsourcing in Österreichs Banken
349
Quelle: OeNB Abbildung 2: Bilanzsumme der in Österreich tätigen Kreditinstitute Bei näherer Betrachtung des Bilanzsummenwachstums nach der Größe der Banken fällt auf, dass sich die Anzahl jener Institute mit einer Bilanzsumme über eienr Milliarden Euro von 11 (Stand: September 2004) auf 13 erhöht hat. Ferner stieg der Marktanteil der zehn größten Banken seit Beginn des Jahres 2005 von 54,1 Prozent auf 54,8 Prozent.
Abbildung 3:
Reihung nach Bilanzsumme (Stand: September 2005)
350
2.2
Friedrich Schreder
Bank Austria Creditanstalt (BA CA; Aktienbanken)
Österreichs größte Bank entstand aus Fusionen der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien, der Länderbank und Creditanstalt Bankverein. Über einen Kauf durch die HVB und deren Verkauf gelangte sie in den Unicredit-Konzern und wird 2007 von der Börse genommen. Sie ist die größte Österreichische Bank und steuert auch für die UniCredit-Group, die in Osteuropa den zweitgrößten Marktanteil hat, die Osttöchter – mit Ausnahme Polens.
2.3
Erste Bank und Sparkassen
Die ERSTE Bank entstand durch Hineinfusionierungen von Österreichisches Creditinstitut (ÖCI) in die Girozentrale; diese firmierte unter Girocredit und verband sich dann mit der Erste Bank, die an der Börse notiert. Was sich Jahre zuvor niemand hätte vorstellen können, gelang dem Vorstandsvorsitzenden Treichl: Er schaffte einen Haftungsverbund mit den Sparkassen und stärkte damit nicht nur die Erste Bank, sondern den ganzen Sparkassen-Sektor. Dieser ist stark im städtischen Bereich verankert. Durch geschickte Einkaufspolitik belegt die Erste Bank den dritten Platz bei den OsteuropaMarktanteilen.
2.4
Raiffeisen
567 Genossenschaftsbanken haben im ländlichen Bereich die größte Marktdurchdringung und sind bundesländerweise Eigentümer der Raiffeisen Landesbanken. Diese sind wiederum Eigentümer der Raiffeisenzentralbank (RZB), die neben den Top-Kommerzkunden das Auslandsmandat hat. Die Auslandstöchter werden über die an der Börse notierenden Raiffeisen International gehalten; die Raiffeisen International folgt der Erste Bank bereits auf Platz vier.
2.5
Volksbanken
Etwas mehr als 68 Genossenschaftsbanken sind schwerpunktmäßig in den Städten tätig und haben ein Filialnetz, das in das ländliche Gebiet hineinreicht. Die Österreichische Volksbanken AG konnte sich durch den Zukauf der Investkredit und Kommunalkredit wesentlich nach vorn spielen. Für die Ostexpansion hat sie hier die französischen und deutschen Genossen mit an Bord.
Outsourcing in Österreichs Banken
2.6
351
BAWAG-PSK (Aktienbanken)
Die Bawag PSK ist ein Zusammenschluss aus Bank für Arbeit und Wirtschaft und der Österreichischen Postsparkasse. 2006 in wirtschaftliche Schwierigkeiten durch Spekulationen in der Vergangenheit und Beteiligungen geraten, wurde sie zu 89 Prozent von der Investmentfirma Cerberus gekauft, die restlichen Anteile hält ein österreichisches Konsortium (Post 5 Prozent, Generali 3 Prozent, Wüstenrot 1 Prozent, Industrielle 2 Prozent)
2.7
3-Bankengruppe (Aktienbanken)
Die 3-Bankengruppe besteht aus der Oberbank (Bank für Oberösterreich und Salzburg), der BTV (Bank für Tirol und Vorarlberg) und der BKS (Bank für Kärnten und Steiermark). Sie sind gegenseitig miteinander mit einem Aktienteil verschränkt und haben als größten Einzeleigentümer indirekt die BA CA. Ursprünglich hatte jede dieser Banken ihr eigenes Rechenzentrum, die 1991 zu einem in Linz zusammengeführt sind, die Drei Banken EDV Ges.m.b.H.
2.8
Hypothekenbanken
Ursprünglich durch die Länder gegründet, sind viele mehrheitlich in der Hand neuer Eigentümer: Hypo Salzburg und Oberösterreich: Raiffeisenlandesbank Oberösterreich Hypo Steiermark: Raiffeisenlandesbank Steiermark Hypo Alpe Adria (Kärnten): Bayerische Landesbank Bank Burgenland (Fusion aus Hypo Burgenland und Eisenstädter Bank): Grazer Wechselseitige Versicherung Hypo Niederösterreich: nach einer Zeit unter der Führung der Österreichischen Volksbanken AG wieder zurück ans Land Niederösterreich Hypo Tirol und Hypo Vorarlberg gehören noch den Ländern.
352
Friedrich Schreder
3.
Rechenzentren
3.1
Sparkassen
Schon 1968 wird die Spardat gegründet. Früh hatte man hier erkannt, dass der Betrieb von EDV und deren Entwicklung für eine Bank teuer ist und dass eine Teilung der Kosten Vorteile bringen wird. Dennoch dauerte es bis 1996, bis alle Sparkassen diesen Schritt gingen und erst 1999 kam die Erste Bank, die bis dahin Entwicklung und Betrieb selbst verantwortete, dazu. Umso rascher entschied sich danach der Sparkassensektor unter der Führung der Erste Bank auf einheitliche Entwicklung und den Betrieb der IT in die IT-Austria zu legen, die auch den Betrieb für die BA CA sicherstellt. Dass hier zwei erbitterte Konkurrenten (die BA CA klagte das Konsolidierungsmodell der Erste Bank mit den Sparkassen in Österreich und in Brüssel als nicht zulässig ein) ihre IT in eine gemeinsame Gesellschaft legen, hat nicht nur historische Gründe (die BA CA entstand ja aus der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien), sondern zeigt, wie wichtig der Skaleneffekt durch hohe Transaktionsmengen genommen wird und wie effektiv hier Synergien gewonnen werden. Auf der anderen Seite beeinflusst die Auslagerung der IT auch die IT-Entwicklung: Auch wenn Consultants immer wieder predigen, die IT folgt dem Prozess, so ist die Praxis, dass die IT-Anwendungen den Prozess festlegen und die Standardisierung innerhalb der Banken über die Applikationen getrieben ist. Betriebswirtschaftlich und pragmatisch gesehen ein wesentlicher Punkt, der die Kosten bei Banken senkt und in diesem Umfang meist erst nach Outsourcing erreichbar ist.
3.2
Raiffeisen
Bei Raiffeisen sind mehrere Rechenzentren entstanden, das größte davon ist die Raiffeisen Informatik in Wien, die auch zu den drei größten privaten Rechenzentren Österreichs zählt. Sie versorgt Niederösterreich, Wien, Burgenland, Vorarlberg, die RZB und die Uniqa Versicherung. Mittlerweile liegt ein bedeutender Teil des Umsatzes im Drittmarkt: Lkw-Maut und Gemeindedatenservice sind Beispiele dafür. Die Steiermark hat ihr eigenes Rechenzentrum, setzt aber dieselben (gemeinsam entwickelten) Applikationen ein. Nach dem Kauf der Hypo Steiermark wurde auch deren IT in dieses Rechenzentrum ausgelagert.
Outsourcing in Österreichs Banken
353
Daneben entstand in Linz 1971 das GRZ, das die Bundesländer Oberösterreich, Tirol und Kärnten, aber auch Firmen im Drittmarkt zu seinen Kunden zählt. Ebenso übernahm es die IT der Hypo Oberösterreich und Hypo Salzburg nach deren Übernahme durch die RLB Oberösterreich. Salzburg zählt wiederum auf Eigenentwicklungen und eigenen Betrieb. Der Einkauf von Software, Netzwerken und deren Betrieb wurde vom gesamten Raiffeisensektor in eine eigene Tochter ausgelagert, die RDG Raiffeisen Datennetz Ges.m.b.H.
3.3
ARZ Allgemeines Rechzentrum
Die Wurzeln liegen im Rechenzentrum West, gegründet von ein paar westlichen Volksbanken und dem Land Tirol 1974. Im Osten Österreichs leistete man sich ein zweites Rechenzentrum, die Volksbanken Datengemeinschaft, die Anfang der Neunzigerjahre mit dem RZ West zusammengeschlossen wurde und von da an unter ARZ firmierte. Schon als RZ West gewann man Hypo Tirol und Privatbanken wie eine Spänglerbank dazu, im ARZ folgten Hypothekenbanken (Vorarlberg, Kärnten, Niederösterreich), Schöllerbank, Schelhammer & Schatera und der E-Broker Direktanlage.at. Hier haben nicht nur Banken ihren Betrieb und die Software-Entwicklung ausgelagert, sondern auch das Land Tirol und das Landeskrankenhaus Innsbruck zählen unter anderen zu den Betriebskunden.
4.
Zahlungsverkehr
Für Konsumenten, sprich Bankkunden, war Österreich im Verhältnis zu den umliegenden Ländern bezüglich Service und Preise ein Paradies. Natürlich lag dies begründet im harten Konkurrenzkampf vieler Banken um einen sehr kleinen Markt. Die Institute köderten ihre Kunden größtenteils mit dem Versprechen, kostenlose Dienste anzubieten. Dazu entstand eine der größten Standortdichten von Banken in Europa. So mussten die österreichischen Banken schon früh ihre Hausaufgaben machen, um zum Beispiel ihre Cost-Income-Ratio zu verbessern. Die Auslagerung des Zahlungsverkehrs in eigene Tochtergesellschaften begann Ende der Achtzigerjahre in den Köpfen der Strategen und wurde in den Neunzigern bei den meisten Banken umgesetzt. Somit wurden erstmals ganze Geschäftsprozesse aus den Banken herausgetrennt. Der erste Schritt ins Business Process Outsourcing war getan.
354
Friedrich Schreder
Bei den Volksbanken entstand 1994 die heutige BOG Backoffice Service Gesellschaft für Banken GmbH (circa 200 Mitarbeiter), bei der BA CA die AS Administration Services GmbH (circa 1.800 Mitarbeiter; vormals Dataline), bei Raiffeisen die RSC Raiffeisen Daten Service Center GmbH (circa 460 Mitarbeiter), bei den Sparkassen die SZV Sparkassen Zahlungsverkehrssabwicklungs GmbH (circa 300 Mitarbeiter) und bei der BAWAG P.S.K. die ZVG PSK Zahlungsverkehrsabwicklungs GmbH (circa 250 Mitarbeiter). Dabei übernahmen diese ZV-Gesellschaften nicht nur den reinen Zahlungsverkehr, sondern auch Prozesse rundherum, wie Logistik, Scanning, Reklamation, Service-Center für Elektronic Banking, Archivierung, Procurement oder Teile des Druckoutputs. Anfang 2000 war einigen Strategen bewusst, dass die Mengen in Österreich innerhalb der eigenen Banken und Bankengruppen nicht die nötigen Skaleneffekte für kostenoptimierte Abwicklung bieten würden und man besann sich auch darauf, dass die Abwicklungstöchter nicht nur für die eigenen Bedürfnisse gegründet wurden: Sie waren auch auf Expansion und Partnerschaften mit anderen geschaffen worden. Nachdem die Akquisition von anderen Banken durchwegs an der dominanten Eigentümerschaft gescheitert war, wurde der Versuch von Fusionen gestartet. Jeder sprach mit jedem, keiner der Versuche fruchtete. Am viel versprechendsten erschien das Projekt ZVG von BA CA, BAWAG P.S.K. und Erste Bank, alle anderen beobachteten und waren neugierig, was dabei zustande käme. Die grundsätzliche Übereinkunft war schnell geschlossen, dahinter galt es die Berge „Zahlungsverkehrsapplikation“, „Einbringung Personal“, „Governance“ und „Standort“ zu erklimmen: eine extrem schwierige Klettertour! Und dann kam just das Thema SEPA (Single European Payment Area), das den Gipfelsturm zu verstärken schien. Die Österreichische Nationalbank übernahm die Führung und brachte auch die anderen Banken an den Tisch. Am Tag der geplanten Unterschrift aller Banken scheiterte der Plan an alten Gegensätzen der Banken, was „überblieb“ ist vorerst eine Software-Entwicklungs- und Zahlungsverkehrs-IT-Betriebsgemeinschaft der Erste Bank mit BAWAG P.S.K.
4.1
AS – BA CA Administration Services GmbH
Die Firma entstand aus einer Verschmelzung der Dataline Zahlungsverkehrsabwicklungs GmbH, Data Austria Datenverarbeitungs GmbH und BA-CA Administration Service GmbH. Der Gründungsschwerpunkt lag zuerst in der Zahlungsverkehrabwicklung und umfasst heute: Inlandszahlungsverkehr
Belegaufbereitung, Scanneroperating Bildschirmerfassung Datenträger- und DFÜ-Bestandsbearbeitung Eil- und Großbetragszahlungen EB Qualitätssicherung spezielle Kundenservices und Sonderabwicklungen
Outsourcing in Österreichs Banken
355
grenzüberschreitender beleghafter und elektronischer Überweisungs-, Lastschrift- und Scheckverkehr in Euro und Fremdwährung
Scanneroperating, Bildschirmerfassung Banküberträge Kontoüberträge Center of Competence für SWIFT und EBA für den BA-CA Konzern Abwicklung Exportschecks Abwicklung Importschecks
Postservice und Druckzentrum
Organisation Belegtransporte österreichweit Porto- und Transportverrechnung Kuvertierung und zentraler Postversand Endlos- und Einzelblattdruck, Grafik/Layout Datenträgererstellung für Kunden und Banken Archivservice
Nachforschung
Call-Center Inland/Ausland Klärung nicht verrechenbarer Gelder Abstimmung/Verwaltung Nostrokonten Betreuung Lorokonten Bankenservice, Kundenservice Ausland Kreditkarten inklusive Datenbankverwaltung
Electronic Banking Mittlerweile wurde auch die Kreditverwaltung dazu ausgelagert, ein Schritt, den alle anderen österreichischen Banken noch scheuen. Prozessorientierte Organisation soll hier Synergien und Kostenpotenziale heben – eine große Herausforderung, stößt dies doch auf die noch überall spürbare sparten- und produktorientierte Organisation der Banken. Auch die wenig standardisierten Prozesse im Kreditbereich sind die Ursache, warum Zentralisierungen und Outsourcing im Kreditbereich nicht weiter fortgeschritten sind. Hier schlummern noch wesentliche Reserven, die gehoben werden wollen. Wohlverhaltensregeln und EU-Regulierungen werden dies in den nächsten Jahren sicher beschleunigen.
356
4.2
Friedrich Schreder
ZVG – P.S.K. Zahlungsverkehrsabwicklungs Ges.m.b.H.
Die P.S.K. (Österreichische Postsparkasse) gehörte schon als noch eigenständiges Bankinstitut zu den Treibern einer österreichischen Zahlungsverkehrslösung und setzte dies auch nach der Fusion mit der BAWAG (Bank für Arbeit und Wirtschaft) fort. Gemeinsam mit BA CA und der Erste Bank evaluierten sie mehr als zwei Jahre eine Möglichkeit, einen Kern einer österreichischen Zahlungsverkehrfabrik aufzubauen. Letzten Endes stieg die BA CA aus, und die Erste Bank und die BAWAG P.S.K. gingen auch dann unbeirrt diesen Weg weiter, als die Nationalbank die Führung zu einer großen Lösung übernahm. Die beiden behielten Recht, denn wie beschrieben zerfielen eine Minute vor zwölf alle Bemühungen. So einigten sich Erste Bank und BAWAG P.S.K. auf eine gemeinsame Software-Entwicklung sowie deren Betrieb und siedelten ihre beiden Abwicklungstöchter an einem gemeinsamen Standort an. Die operative Abwicklung blieb aber bislang getrennt. Die ZVG positioniert sich als Dienstleister in der Verarbeitung des beleghaften Zahlungsverkehrs Dienstleister in der Umwandlung des beleghaften Zahlungsverkehrs in eine beleglose Form (Volldatenefassung) Dienstleister im Rahmen des elektronischen Zahlungsverkehrs Da die BAWAG P.S.K. eine Sonderaufgabe in der Abwicklung des Zahlungsverkehrs des Österreichischen Bundes innehat und deren Zahlungsströme „mundgerecht“ für die Ministerien und Verwaltungsbereiche aufbereitet, fallen auch hier die entsprechenden Dienste und Services an.
4.3
SZV Zahlungsverkehrsabwicklungs Ges.m.b.H.
Für dezentrale Banken (Sparkassen, Raiffeisenbanken, Volksbanken) war von jeher mit dem Thema Zentralisierung und Auslagerung von Diensten auch die Frage der Selbstständigkeit emotional eng verknüpft. Auch die Regionalität und die Bundesländer kontra Bundeshauptstadt Wien spielten hier bei Entscheidungen immer eine wesentliche Rolle. So entstanden bei den Sparkassen zuerst Landesgesellschaften für die Auslagerung des Zahlungsverkehrs, die sie in einer Gesellschaft mit drei Landesniederlassungen zusammenführten. Der Leistungsumfang entspricht dem in den anderen Sektoren ausgelagerten Diensten, wobei einige spezialisiert von den Niederlassungen arbeitsteilig übernommen wurden.
Outsourcing in Österreichs Banken
4.4
357
RSC – Raiffeisen Daten Service Center GmbH
RZB und Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien lagerten ihren Zahlungsverkehr 1997 in die RSC Raiffeisen Daten Service Center GmbH aus und ließen dort auch gleich die ganze Logistik und Teile der Archivierung erledigen. Beginn 2000 folgte das Burgenland. Als Dienstleistungen werden angeboten:
Für Banken beleghaft/elektronisch von EZV/AZV-Transaktionen: Überweisungen, Lastschriften Schecks, Wechsel Datenträgerabwicklung Abwicklung von dringenden Zahlungen Sonderabwicklung EZV/AZV ZESA – Zentrales Scanning Scanning von Belegen Erfassung/Umwandlung beleghafter Aufträge in elektronische Form (Images) Kontrolle und Abstimmung
Für Kunden Zahlung beim Empfänger nicht eingelangt falsche Konditionenberechnung Valutadatum nicht korrekt Doppelbuchung Empfangsbestreitung Buchung nicht zuzuordnen Anforderungen von Zweitschriften Informationen nicht ausreichend etc.
358
Friedrich Schreder
Cash Management Services Auswertungen Cash Management Konto Western Union Financial Services Bearbeitung Auswertung Banken-Clearingkonten SWIFT-Authentikator-Key Verwaltung Belegdruck Losungsabfuhr USD-Clearing Monitoring Statistiken/Auswertungen über Zahlungsverkehrstransaktionen zentrale Ansprechstelle für Cashmanagement Produkte im laufenden Betrieb Reklamationsbehandlung bzw. –weiterleitung technische Unterstützung bei Kundenanfragen Installationen, Schulungen und Präsentationen zentrale Schnitt- und Ansprechstelle zwischen Kunden, RZB und Netzwerkbanken Projekttätigkeiten
4.5
BOG – Backoffice Service für Banken Ges.m.b.H.
In die BOG lagerte die Österreichische Volksbanken AG 1994 ihren Zahlungsverkehr und die Logistik aus und konnte im Laufe der Jahre auch einen Teil der Volksbanken dazugewinnen. Die BOG bietet den Volksbanken Abwicklung Inlandszahlungsverkehr mit Scanning, Korrektur und Clearing Abwicklung Eurozahlungsverkehr (EU-Zone) Abwicklung Auslandszahlungsverkehr (EU-überschreitende Zahlungen) E-Banking-Service-Line Mit der Einführung des Wertpapierabwicklungssystems GEOS nutzten fast alle Volksbanken die Chance und lagerten die Wertpapierabwicklung in die BOG aus, dazu noch später.
Outsourcing in Österreichs Banken
4.6
359
Zusammenfassung Zahlungsverkehr
99 Prozent des ZV in Österreich überschreiten die Grenzen nicht, dennoch wird die Vereinheitlichung des Europäischen Zahlungsverkehrsraumes auch ein Treiber zu weiteren Outsourcingschritten sein. Ausländische ZV-Gesellschaften interessieren sich für Österreich erst wenig, da die Mengen, die sie sonst in Europa gewinnen können, sich in ganz anderen Größenordnungen abspielen, aber im Bereich des Zahlungsverkehrs noch am ehesten, im Gegensatz zu Wertpapierabwicklungsmengen. Ein weiterer Schritt der Auslagerung nach Osteuropa wurde oft ins Auge gefasst und genauso oft auch wieder verworfen: Zuerst fehlte es an der notwendigsten Infrastruktur wie ausreichende und stabile Netze. Die Lohnkosten waren zwar verlockend niedrig, die Qualität und damit die Produktivität wurde in Frage gestellt. Mittlerweile haben die Österreich nahen Länder des Ostens bei den Personalkosten schon stark aufgeholt. Bei ersten Versuchen des Auslagerns zeigte sich, dass zum Beispiel die Korrektur von Zahlen problemlos abgegeben werden kann, die Semantik aber von Namen, Straßen oder anderen Inhalten in verschiedenen Sprachen ein extremes Hindernis darstellt. So kann man zu guter Letzt auf die wichtige volkswirtschaftliche Aufgabe von Banken bezüglich der Schaffung und Erhaltung von Arbeitplätzen hinweisen.
5.
Wertpapierabwicklung
Bei der Gründung der RSC nutzte die RZB die Möglichkeit auch gleich, ihre Wertpapier- und Treasury-Abwicklung in diese Tochter auszulagern. Bei der Umstellung auf das Abwicklungssystem GEOS war dies von bedeutendem Vorteil, denn so konnten die neuen Prozesse relativ ohne Behinderung des Bankbetriebes eingeführt werden. Auf Basis dieser Erfahrungen konnten die Raiffeisenbanken ebenso auf diese Applikation umsteigen, waren aber nicht zu bewegen, auch ihre Abwicklungsprozesse in die Verantwortung der RSC zu geben. Settlement und Abrechnung von in- und ausländischen Aktien und Anleihen Investmentzertifikaten
360
Friedrich Schreder
in- und ausländischen Derivaten WP-Leihe und Repos WP-Verwaltung Depot- und WP-Stammdatenverwaltung Wertpapiertransfers Abrechnung von Erträgnissen und Tilgungen Corporate Actions (Kapitalmaßnahmen etc.) weitere Verwaltungsleistungen (Emissionsabwicklung, Zahlstellenfunktion) Fondsverwaltung Kundenservices Kundenabrechnung nicht korrekt oder fehlt falsche Konditionenberechnung Doppelbuchung Buchung nicht zuzuordnen fehlende Lagerstellenbuchung/Depotbuchung Zahlung/Lieferung nicht korrekt oder fehlt Depotauszugsprobleme Informationen nicht ausreichend etc. Mittlerweile befindet sich hier auch das Backoffice für Wertpapier- und Treasuryabwicklung der RZB und Teile der RLB Niederösterreich-Wien mit einer Dienstleistungspalette für das Treasury: Devisenhandel Kassa-, Termin- und Swapgeschäfte Währungsoptionen Geldhandel MM (Money Market), Festgeld, Taggeld, Callgeld Zinsderivate (Zinsoptionen, Zinsswaps) Noten-/Münzhandel Die Volksbanken wiederum sahen die Einführung von GEOS als Chance, nicht nur Einführungsaufwände zu sparen, sondern gleich auf eine günstigere gemeinsame Abwicklung um-
Outsourcing in Österreichs Banken
361
zusteigen und die Abwicklung in der BOG zu poolen. Mit einem ausgefeilten Mandantensystem können diese alle Volksbanken datenmäßig streng getrennt effizient abwickeln. Das Leistungsspektrum entspricht dem der RSC, ebenso in der Treasury-Abwicklung. In beiden Fällen merken davon die Kunden nichts: Sie haben jeweils ihre Bank, die sie berät, ihr Depot eröffnet und betreut sowie ihre Wertpapiergeschäfte erledigt. Im Hintergrund verarbeitet die WP-Abwicklungsgesellschaft das Settlement, das Clearing, die Corporate Actions, den Second Level Support und vieles mehr.
6.
Bargeldservice
Die Bargeldbe- und -entsorgung erledigten die Banken lange Zeit selbst, dann übergaben sie nach und nach wenigstens den Transport darauf spezialisierten Sicherheitsfirmen. In ihrer Marktaufgabe, die Bargeldversorgung für Österreich sicherzustellen, gründete die Österreichische Nationalbank die GSA Geldservice Austria GmbH und überzeugte die Banken, dass das auf dieses Gebiet spezialisierte Unternehmen diese Aufgabe kostengünstiger übernehmen konnte und erweiterte ihren Service auch gleich danach für die Versorgung von Großkunden der Banken. Dies hat sich in der gesamten Kette für alle gerechnet.
7.
Procurement
Auch für die Beschaffung gibt es einige Beispiele des Auslagerns in Töchter, wie bei Raiffeisen Zentralbank und Österreichische Volksbanken AG. Als eine der ersten Banken lagert 2006 die Erste Bank ihr Procurement zu Accenture aus. Diese übernimmt die Beschaffung aller nicht bankspezifischen Güter und hat diesen Geschäftsprozess in voller Verantwortung. Dabei wird nicht nur das SAP-System bei Accenture betrieben und der Erste Bank zur Verfügung gestellt, sondern es werden auch alle Arbeitsschritte vom Suchen, wer der günstigste ist, Überwachung der Bestellung bis zur Lieferung, Qualitätsprüfungen, Reklamationen und Zahlung vom BPO-Partner übernommen. Ein Help-Desk unterstützt die Mitarbeiter der Erste Bank bei Fragen und Problemen. Die Auslagerung der Einkaufsprozesse ist Teil der Strategie der Erste-Bank-Gruppe, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren. Dazu gehören insbesondere die Stärkung und Entwicklung des eigenen Retailgeschäftes in Zentral-Europa und der Zugang zu Bankdienstleistungen für die Kunden des Instituts über die verschiedensten Kanäle.
362
8.
Friedrich Schreder
Zusammenfassung
Kostenbewusste Konsumenten, Cost-Income-Ratio, EU-Richtlinien werden nur einige Argumente sein, die die Banken weiter in die Überlegung eines Business Process Outsourcings bringen werden. Müssen Banken weiterhin Kühe züchten, um das Leder für ihre Autositze selbst zu erzeugen? Dies wird einerseits zu neutralen Dienstleistern führen. Ein gemeinsamer Aufbau ist schon im Zahlungsverkehr – und der wäre um einiges einfacher zu betrachten – an den Gegensätzen der Banken untereinander gescheitert. Andererseits ist die Expansion in den Osten auch ein Aspekt für Banken wie BA CA, Erste Bank oder Raiffeisen, Mengen ihrer Töchter als Skalen zu verwenden. Nur dies wird erst in fünf bis zehn Jahren sein und stark von der Steigerung des Wohlstandes und dem Anlage- oder Zahlungsverkehrsverhalten der Kunden abhängen – und nicht zu vergessen auch von Applikationen, die diesen Markt in der Abwicklung abdecken können, also wiederum große Investitionen und Kosten. Für die großen Transaktionsbanken in Europa ist der österreichische Markt nicht wirklich interessant, das Transaktionsvolumen ist zu klein, um einen bedeutenden weiteren Skaleneffekt zu erzielen und die Umstellungskosten im Verhältnis dazu zu groß. Hausaufgaben sind damit wohl im eigenen Markt zu machen. Periodenendstände
2002
2003
2004
2005
2006
Beschäftigte
12.352
12.137
22.978
22.552
23.211
männlich
5.461
5.355
10.103
9.871
10.086
weiblich
6.891
6.782
12.875
12.681
13.125
Beschäftigte
27.797
27.093
15.121
15.296
15.264
männlich
12.630
12.287
6.954
6.989
6.974
weiblich
15.167
14.806
8.167
8.307
8.290
2 3
Aktienbanken ) )
2
Sparkassen )
Outsourcing in Österreichs Banken
Periodenendstände
363
2002
2003
2004
2005
2006
Beschäftigte
3.758
3.807
3.858
4.146
4.232
männlich
1.804
1.828
1.909
1.963
2.056
weiblich
1.954
1.979
1.949
2.183
2.176
Beschäftigte
20.996
21.099
21.133
22.395
22.796
männlich
10.545
10.480
10.464
11.166
11.237
weiblich
10.451
10.619
10.669
11.229
11.559
Beschäftigte
5.670
5.764
5.850
5.869
6.048
männlich
2.571
2.572
2.606
2.554
2.600
weiblich
3.099
3.192
3.244
3.315
3.448
Beschäftigte
1.956
1.986
1.999
2.002
1.887
männlich
1.070
1.015
1.001
994
938
weiblich
886
971
998
1.008
949
Beschäftigte
3.250
3.359
3.774
3.637
3.645
männlich
1.377
1.469
1.598
1.611
1.698
weiblich
1.873
1.890
2.176
2.026
1.947
Landes-Hypothekenbanken
3
Raiffeisensektor )
3
Volksbankensektor )
Bausparkassen
3
Sonderbanken )
364
Periodenendstände
Friedrich Schreder
2002
2003
2004
2005
2006
Beschäftigte
x
x
453
549
578
männlich
x
x
230
264
283
weiblich
x
x
223
285
295
Beschäftigte
75.779
75.245
75.166
76.446
77.661
männlich
35.458
35.006
34.865
35.412
35.872
weiblich
40.321
40.239
40.301
41.034
41.789
davon Zweigstellen gemäß § 9 BWG
Alle Sektoren
Tabelle 1: Entwicklung der Beschäftigten (nach Köpfen) im österreichischen Bankwesen – sektorale Darstellung1) Quelle: OeNB. Zeitreihenbrüche in allen Sektoren aufgrund von Umreihungen ab Berichtstermin Juni 2004 möglich (eigener Hauptsektor Zweigstellen gemäß § 9 BWG). Zeitreihenbruch: bis 2004 wurden Mitarbeiter überregional tätiger Kreditinstitute dem Sitzbundesland der jeweiligen Hauptanstalt zugerechnet; seit Dezember 2005 erfolgt die Zuordnung entsprechend dem Sitzbundesland der Filiale. Weiters ab Berichtstermin 2005 inklusive geringfügig Beschäftigter. 1 ) nach Köpfen, inkl. Teilzeit, Karenzierte und Präsenzdiener, ohne Arbeiter 2 ) Ab Berichtstermin Dez. 2004 Umreihung der Bank Austria Creditanstalt AG vom Sektor Sparkassen zum Sektor Aktienbanken. 3 ) Aufgrund der Vereinheitlichung der Sektorzuordnungskriterien durch OeNB und Finanzmarktaufsicht (FMA) erfolgten ab dem Berichtstermin Dezember 2006 Umreihungen in den Bankensektoren Aktienbanken, Raiffeisenbanken, Volksbanken und Sonderbanken.
Insourcing als Teil des Sorglospaketes für Banken am Beispiel der CPB SOFTWARE AG
Insourcing als Teil des Sorglospaketes für Banken am Beispiel der CPB SOFTWARE AG Peter Thomayer
1. Einleitung 2. Anfänge 3. Rechenzentrumsbetrieb 4. Stammdaten- und Kursversorgung 5. Wertpapierabwicklung als zusätzliches Asset 6. Service Level Agreements 7. Vertrauen 8. Full-Service auch bei der Softwareerstellung 9. Betrieb von fremder Hard- und Software und Webdienste 10.Sonstige Rechtsfolgen 11.Kommunikation mit dem Kunden 12.Zukunftsüberlegungen
365
366
1.
Peter Thomayer
Einleitung
Outsourcing ist wohl eines der Business-Schlagworte des letzten Jahrzehntes. Wir sourcen zunächst die Putzfrau, dann die Gehaltsabrechnung und in der Folge gleich die ganze Buchhaltung, natürlich die Schneeräumung und auch die Personalakquisition aus – und irgendwann auch die Produktion. Verbleiben sollte jedenfalls die Kernkompetenz, alles andere wird in den meisten Fällen irgendwann zur Rechenübung. Irgendein anderer sourct dann naturgemäß in. In der Regel als darauf spezialisierter Dienstleister, der durch mehr und mehr Kunden und mehr und mehr Synergien selbst ordentlich Geld verdienen will und trotzdem – zumindest soll es so sein – auch dem Kunden noch Vorteile verschafft. Über Outsourcing werden Sie sicher schon viel gelesen haben – auch dieses Buch handelt überwiegend davon – und bestimmt auch selbst die eine oder andere Erfahrung gesammelt haben. Die hier vorzustellende CPB SOFTWARE AG, Wien (CPB) sourct natürlich auch selbst out: die Buchhaltung, die Personalverrechnung (beides funktioniert nach einigen Anlaufschwierigkeiten heute problemlos) und auch einen Teil der Programmentwicklung, freilich ohne dabei unsere Kernkompetenzen im Bereich fachliches Know-how, Design, Testen und Implementieren aus der Hand zu geben. Große Projekte erfordern eben mitunter eine überdurchschnittliche Anzahl an Ressourcen, die im eigenen Unternehmen, ja oft auch im eigenen Lande gar nicht aufzutreiben sind. Doch von all dem soll in diesem Beitrag eigentlich nicht die Rede sein. Denn CPB sieht sich vor allem als Outsourcing-Partner für ihre Kunden im Sinne einer optimalen Ergänzung eines Dienstleistungsspektrums, das sich im Laufe der Jahre rund um die Softwareentwicklung von Back- und Frontofficelösungen für Banken ständig weiterentwickelt hat. Dabei steht für den Kunden nicht unbedingt Kosteneinsparung im Vordergrund – Kompetenz, Sicherheit und das „Alles-aus-einer-Hand-Prinzip“ bedeuten für den Kunden ein Sorglospaket, das auch seinen Wert haben kann. Der nachfolgende Artikel dokumentiert in chronologischer Reihenfolge die Entwicklung der CPB SOFTWARE AG und das dabei immer umfangreichere Outsourcing-Angebot eines ursprünglich reinen Softwarehauses.
Insourcing als Teil des Sorglospaketes für Banken am Beispiel der CPB SOFTWARE AG
2.
367
Anfänge
Begonnen hat alles im Herbst 1986 mit der Gründung der Constantia Privatbank Aktiengesellschaft in Wien und einem Auswahlverfahren für die künftige Bankensoftwarelösung. Das ernüchternde Ergebnis nach mehreren Monaten Arbeit: Unterm Strich blieb eine leere Menge an Produkten, die die ganz junge Bank künftig zur Abwicklung ihrer Geschäfte, noch mehr aber zur Information ihrer Kunden, verwenden wollte. „Selber machen“ lautete also die Schlussfolgerung und ein kleines aber sehr ehrgeiziges Team – das es schließlich allen zeigen wollte – machte sich an die Arbeit. Innerhalb kürzester Zeit gab es ein Kontobuchungssystem, fast noch schneller ein erstes kleines Wertpapierpaket und – vom stetig wachsenden Geschäft erzwungen – auch Lösungen für Vermögensverwaltung und Investmentfonds. Damit war bereits nach wenigen Monaten eine hervorragende Basis für die späteren Erfolgsprodukte TAMBAS und TIPAS gelegt. Die Abteilung für Softwareentwicklung wuchs weiter – zum Teil gab es natürlich auch Outsourcing-Aufträge – und der Markt, also andere Banken, wurden zunehmend aufmerksam auf das, was sich da zur umfassenden Gesamtbanklösung entwickelte. Zehn Jahre nach der Bankgründung war es dann soweit – die Bank wollte auch von der Softwareentwicklung profitieren, also war eine Abspaltung – auf neudeutsch „Spin-off“ – angesagt. Die CPB SOFTWARE AG (damals noch eine „GmbH“, die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft folgte dann im Jahr 2000) war gegründet und beschäftigte zum Start genau acht Mitarbeiter. Der erste Kunde hieß natürlich Constantia Privatbank Aktiengesellschaft, und fast von selbst hat sich neben der Softwareentwicklung der erste richtige Outsourcing-Schritt ergeben: die Übernahme der Hardware und somit der Betrieb der Software für den Kunden.
3.
Rechenzentrumsbetrieb
Damit sind wir schon beim ersten Schwerpunkt der heutigen Zusatzdienstleistungen der CPB SOFTWARE AG angelangt: dem Rechenzentrumsbetrieb für die eigenentwickelte Software – heute nicht nur Service für unsere Kunden, sondern auch Basis unseres Geschäftsmodells und, in einer kurzfristig ausgerichteten Welt durch langfristige Verträge, Absicherung des Unternehmens auf viele Jahre hinaus.
368
Peter Thomayer
Was aber beinhaltet so ein Rechenzentrumsbetrieb nun eigentlich? Zunächst natürlich jede Menge Hardware-Komponenten, Betriebssysteme und die Anwendersoftware. Dann die Kommunikation mit dem Kunden sowie mit der sonstigen Außenwelt (beispielsweise für Zahlungsverkehr, Meldewesen oder Datenaustausch). Und natürlich jede Menge Sicherheitsmaßnahmen: Zutrittskontrollen, Back-up-Lösungen, Notstromversorgung, Klimatisierung, Firewalls, Betriebsüberwachung und wohl noch einiges mehr. Für jedes dieser Themen sind Experten erforderlich, womit ein Rechenzentrum – unabhängig von der zu betreuenden Kundenanzahl – schon eine ordentliche Basis an Mitarbeitern benötigt. Natürlich rechnet sich das nicht mit dem ersten Kunden und daher war ein entsprechendes Wachstum innerhalb weniger Jahre gefragt. In der Bankbranche haben wir als Rechenzentrumsanbieter übrigens mit zwei zusätzlichen Handicaps zu kämpfen: Zum Ersten müssen mögliche Ausfallzeiten so kurz wie nur irgendwie möglich sein. Manchmal sind schon ein paar Minuten eine kleine Katastrophe, an ein paar Stunden oder gar Tage will man gar nicht denken. Stellen Sie sich vor, Abhebungen vom Konto oder vom Sparbuch sind nicht möglich, oder die Bank kann beispielsweise keine aktuellen Preise für Investmentfondsanteile berechnen. Zum Zweiten dürfen auf keinen Fall irgendwelche Daten der einen Bank zu einer anderen Bank oder gar an die Öffentlichkeit gelangen. Dies gilt natürlich umso mehr, wenn der Kernaktionär des Dienstleisters selbst eine Bank, vielleicht sogar der Erzkonkurrent, ist. Stellen Sie sich vor, Ihre vertraulichsten Kontoinformationen finden so den Weg zu Presse oder sonstigen Personen, die das eigentlich gar nichts angeht. Beide Szenarien eine Katastrophe, sowohl für die Bank als auch für den Rechenzentrumsanbieter. Für Erstere ein gehöriger Imageschaden, für das Rechenzentrum wahrscheinlich das Ende. Denn ein Vertrauensschaden betrifft meist nicht nur die Beziehung zum direkt Betroffenen, sondern zieht eine Lawine an Folgewirkungen nach sich. Natürlich sind Rechenzentrumsverträge eine kleine Wissenschaft für sich und bringen den beiderseitigen Anwälten ein schönes Körberlgeld ein, aber gerade der Punkt Datenschutz ist in der Regel der Unbarmherzigste für den Anbieter: Bei jedem Verstoß droht die sofortige Kündigung des Vertrages – Reparaturschonfristen wie in den meisten anderen möglichen Problemfällen sind prinzipiell denkunmöglich. Organisatorische Vorkehrungen, entsprechende klare Vereinbarungen in den Dienstverträgen und regelmäßige Aufklärung der Mitarbeiter helfen das Risiko – das niemals ganz beseitigt werden kann – zumindest zu minimieren. Beste Versicherung dagegen sind jedenfalls stabile Personalstrukturen, und da kann CPB auf hervorragenden Werten aufbauen. Was spricht eigentlich für eine Rechenzentrumslösung im Vergleich zum eigenen Betrieb? Nun, darauf finden wir viele Antworten – mit Ausnahme der Frage des Datenschutzes sind es eigentlich nur Pros, insbesondere beim Konzept der CPB SOFTWARE AG:
Insourcing als Teil des Sorglospaketes für Banken am Beispiel der CPB SOFTWARE AG
369
Im Rechenzentrumsentgelt ist zunächst die Softwaremiete inkludiert. Somit gibt es keine Einmalinvestition in teure Lizenzen, sondern eine tragbare und vor allem gut kalkulierbare monatliche Belastung für die Bank. Selbstverständlich sind auch die Hardware und das Betriebssystem Bestandteile der Vereinbarung. Über variable Preiskomponenten – beispielsweise Kunden-, Transaktions- und Anwenderzahl – wird auch der variable Hardwareanteil des Kunden abgedeckt. Upgrades der Hardware – im Rechenzentrum mehrmals jährlich Übung – sind somit ebenso keine Organisationsbelastung der Bank mehr wie die gleichfalls regelmäßig notwendigen Updates der Software. Weiters kümmert sich das Rechenzentrum auch um stetig steigende Sicherheitsaspekte. Mehrfach tägliche Datensicherungen, deren professionelle Lagerung (vielleicht wieder im Outsourcing bei Tresorspezialisten) und die jederzeitige Verbindung ins – räumlich möglichst weit weg angesiedelte – Ersatzrechenzentrum sind nicht unerhebliche Aufwendungen, die der Outsourcer als Standardangebot übernimmt und die vor allem kleinere Kunden selbst gar nicht mehr entsprechend wahrnehmen können. Die CPB SOFTWARE AG ergänzt diese Leistungspalette aber auch um zwei weitere Faktoren, die doch einen nicht unwesentlichen Unterschied zu anderen Anbietern darstellen: Da ist zunächst das unkomplizierte Handling von Updates der eigenen Software. Nicht ein oder zwei „Big Bangs“ an Releases pro Jahr verwirren Kunden und Softwarehersteller gleichermaßen, sondern ein sanfter, gleitender Implementierungsprozess von kleineren und mittleren Veränderungen bestimmt das Leben mit unseren Softwareprodukten. Kundenwünsche und eigengetriebene Änderungen der Software werden nach ausführlichen internen Tests – im Bedarfsfall, was eher selten ist, auch nach Kundentests – Stück für Stück in die Produktionsumgebungen freigegeben. Das ermöglicht rasches und unkompliziertes Handeln, verhindert oder vermindert zumindest die bei Big-Bang-Szenarien üblichen „Verschlimmbesserungen“ (Neuerungen und Änderungen führen zu Fehlern in anderen Programmen) und reduziert den Schulungsaufwand beim Kunden auf ein Minimum. Zusätzlich gibt es die vom Rechenzentrum durchgeführte Tages-, Monats- und Jahresendverarbeitung. Zahlreiche Prozesse einer Bankbuchhaltung laufen üblicherweise in der Nacht – als Beispiele seien die Erstellung von Kontoauszügen, die Berechnung von Zinsstaffeln, die Bilanzerstellung und natürlich jede Menge an Kontrollen angeführt. CPB bietet dabei nicht nur die Durchführung und technische Überwachung dieser Prozesse, sondern auch deren fachliche Kontrolle an. Damit ist nicht das Reagieren auf das Überschreiten eines Überziehungslimits eines Kunden gemeint – das ist und bleibt Aufgabe der Kreditabteilung der Bank. Aber CPB kontrolliert eine ganze Reihe logischer Prüfregeln, wie etwa Kapitalflussrechnungen von Vermögensverwaltungskunden, Summengleichheit der Bilanzen oder Plausibilität von Einstandskursberechnungen und geht im Fehlerfall der Ursache auf den Grund. Wenn notwendig, wird in der Folge gemeinsam mit dem Kunden an der Fehlerkorrektur gearbeitet.
370
Peter Thomayer
Wir stehen auch dann schnell und unkompliziert zur Verfügung, wenn beim Kunden etwas passiert ist oder er rasche Unterstützung benötigt. Dringende Auswertungen, Änderungen in der Datenbank oder sonstige Spezialwünsche können in den meisten Fällen rasch und problemlos erledigt werden. Natürlich ist der Betrieb eines Rechenzentrums auch für die Revisionen der Banken und die Bankprüfer im Rahmen der Jahresabschlussprüfungen von großem Interesse. Daher erfreut sich unser Rechenzentrum immer wieder eines recht starken Besucherstromes. Manche bleiben wenige Stunden, andere gleich mehrere Wochen, um die Einhaltung der Kundenvereinbarungen, aber auch der eigenen Sicherheitsvorschriften zu überprüfen. Denn an externe Rechenzentrum werden mindestens die gleichen Anforderungen gestellt wie an konzerneigene ähnliche Dienstleister. Damit bleiben die Anforderungen aber auch immer auf dem aktuellsten Stand – und damit auch das Rechenzentrum selbst. Stillstand ist hier – ebensowenig wie bei der Programmentwicklung – kein denkbarer Status.
4.
Stammdaten- und Kursversorgung
Schon mit dem zweiten Kunden hat CPB seine Dienstleistungspalette um BackofficeTätigkeiten ausgebaut; zunächst mit der Bereitstellung von Wertpapierstammdaten und Bewertungskursen. Das Stammdatengeschäft ist heute eines der komplexesten im gesamten Bankenbereich. Zu unübersichtlich ist heute der Bedarf daran geworden: Oft werden für ein Wertpapier 150 oder mehr Parameter benötigt, um eine korrekte Abrechnung und Depotführung zu ermöglichen. Vor allem die immer aufwendigere Steuerberechnung ist der hauptverantwortliche Treiber dieser Entwicklung. Hatten wir vor 20 Jahren noch ausschließlich Quellensteuern auf Dividenden gekannt, gibt es heute auf praktisch alle Instrumente irgendwelche Abschlagsteuern, Sicherungsteuern, Endsteuern und ähnliches. Bei den – vor allem bei den Portfoliomanagern – immer beliebteren strukturierten Produkten gibt es zumeist eine Kombination aus Steuern zu beachten, die sich je nach Kursentwicklung des Instrumentes wieder in sich verschieben können. Zudem sind Kunden unterschiedlicher Art und unterschiedlicher Herkunft auch noch unterschiedlich zu behandeln. Und die Verantwortung für die richtige Berechnung liegt bei der Bank und beim Softwarehersteller, aber ganz besonders beim Stammdateninput. Diese Stammdaten können üblicherweise auch nicht von einem einzigen Anbieter zugekauft werden, sondern müssen von mehreren Anbietern kombiniert werden, manchmal auch telefonisch erfragt und manuell ergänzt werden.
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Was liegt nun näher als diese Tätigkeit im Rechenzentrum anzubieten? Mehrere Banken sollten doch auch eine nicht unerhebliche Schnittmenge von gleichen Titeln in ihren Portfolios haben und damit Synergieeffekte bringen. In der Theorie ist dies zutreffend, die Praxis bringt neue Probleme: Bank A klassifiziert das Wertpapier X anders als Bank B, aus einer möglichen zentralen Stammdatendatei werden Übersteuerungen auf Mandantenebene, eine neue große Herausforderung für das Rechenzentrum. Trotzdem – oder gerade deswegen – gibt dieses Angebot gerade kleineren Banken erst die Möglichkeit, sich auch an komplexere Portfoliostrukturen heranzuwagen, da eigene Spezialisten dafür im Hause nicht vorhanden sind. CPB hat dies jedenfalls frühzeitig erkannt und zum wesentlichen Bestandteil ihrer Dienstleistung gemacht. Doch mittlerweile tauchen neue Hürden auf: Die internationalen Datenanbieter sehen Rechenzentren nicht gern und wollen lieber mit den Kunden direkt Verträge abschließen. Datenmissbrauch, unerwünschte Publizierung auf Websites und unerlaubte Weitergabe an nicht Berechtigte sind hier das kritische Thema. In diesem Spannungsfeld Kunden- und Eigeninteressen gleichermaßen zu wahren ist eine neue Aufgabe für ganze Heerscharen von Juristen. Letztlich sollten aber auch hier Lösungen für alle Beteiligten gefunden werden, die anstandsfreien Betrieb, Datensicherheit und Abwendung von Missbrauch gleichermaßen garantieren.
5.
Wertpapierabwicklung als zusätzliches Asset
Von der Stammdatenverwaltung zur Komplettabwicklung war es dann nur noch ein kleiner Schritt. Aufgrund immer stärkerer Kundennachfrage hat sich CPB entschlossen, auch eine Reihe an Backoffice-Tätigkeiten anzubieten. Und zwar entweder überhaupt als Teil der dauerhaften Gesamtdienstleitung oder auch als vorübergehende Hilfestellung beispielsweise bei der Bankgründung oder bei Ausfall des – oft nur wenige Personen umfassenden – bankeigenen Teams. Beim Kunden verbleibt selbstverständlich das Portfoliomanagement und die Erteilung der Marktorder, alle nachfolgenden Prozesse können aber von CPB übernommen werden. Dazu zählen die Transaktionserfassung nach Eintreffen der marktseitigen Abrechnung, die Kundenabrechnung, die nachfolgenden Zahlungs- und Lieferinstruktionen sowie die späteren Transaktionsbestätigungs- und Lagerstellenabgleiche. Ergänzt wird dies alles durch die Verbuchung von Erträgnissen, Tilgungen und sonstigen Kapitalmaßnahmen. Auch hier gewinnt das Rechenzentrum durch Informationsvorsprung: Selbst komplexe Transaktionsarten werden bei mehreren Kunden gleichzeitig abgewickelt, die Kunden profitieren vom größeren Knowhow und der Erfahrung der Mitarbeiter.
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Peter Thomayer
Und sie ersparen sich oftmalige Personalsuche und überhaupt einiges an Personalcoaching. Gerade im Backoffice sind gute Mitarbeiter immer schwerer zu finden, da ist es ganz angenehm, diese Sorgen einfach delegieren zu können und damit nicht unerhebliche und auch nicht planbare Nebenkosten einsparen zu können. CPB SOFTWARE AG punktet somit in diesem Bereich – dem Business Process Outsourcing – nicht durch Niedrigpreis- oder Massenangebote, sondern durch Qualität, Professionalität und Verlässlichkeit. Gerade kleinere Institute können auch hier nicht für alle Spezialthemen Experten beschäftigen und dann auch noch Back-up-Lösungen für Urlaub und Krankenstände vorhalten. Dem kommt der Pool an Abwicklungsprofis bei CPB natürlich sehr entgegen. Am Markt muss ein solches Vorgehen einer Bank nicht unbedingt groß auffallen. CPBMitarbeiter agieren in fremdem Namen auf fremde Rechnung – also immer im Namen des Kunden. Entsprechende Berechtigungen der Bank bilden dafür die Basis. Vertraulichkeit bildet hier – wie in allen Bereichen des Outsourcings für Banken –eine ganz wesentliche Rolle, doch davon später mehr.
6.
Service Level Agreements
Wir sind nun bei einem wesentlichen Vertragsbestandteil angelangt. Sämtliche Dienstleistungen – insbesondere jene im Bereich BPO – werden zunächst vor dem Outsourcing-Prozess in der Bank von Spezialisten der CPB analysiert und in Flussdiagrammen anschaulich dargestellt. Meist sind dies weit über hundert an der Zahl, schließlich gilt es alle Arten von Käufen, Verkäufen, Liefertypen, Erträgnisgutschriften, Kapitalmaßnahmen, Zahlungen und dergleichen zu erfassen. Oft werden im Zuge dieser Übung erstmals die tatsächlichen Abläufe, vielleicht auch deren Schwächen und Risken, für das Bankmanagement sichtbar gemacht. Erst danach wird gemeinsam mit dem Kunden festgelegt, welche Aufgaben CPB nun übernehmen soll – dies wird entsprechend farbig in die Ablaufdiagramme eingebaut. Nicht selten finden dabei auch Ablaufänderungen statt, die zur künftigen Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Bank beitragen können. Natürlich können solche Analysen auch mehr Klarheit über den tatsächlichen Bedarf an Softwaresupport bringen. Da eine kleine Änderung, dort ein neues Programm und zusätzlich noch die eine oder andere Kontrollroutine und schon sind erhebliche Effizienzsteigerung das Ergebnis. Solche Synergieeffekte erreicht nur ein Komplettanbieter mit übergreifendem Projektmanagement und umfassenden Fachwissen. CPB SOFTWARE AG betraut daher immer wieder verschiedenste Produktspezialisten mit der Rolle eines Gesamtprojektverantwortlichen, damit ist ein Informationsaustausch innerhalb des Projektteams gewährleistet und die optimale Lösung für den Kunden garantiert.
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Das letztendliche Gesamtergebnis der Analysen und Gespräche sind umfangreiche Service Level Agreements (SLA) als Basis für eine vertragliche Einigung. Solche SLAs enthalten nicht nur die endgültigen Ablaufbeschreibungen, sondern regeln auch genau die Verantwortlichkeiten, erwartete Durchlaufzeiten, eventuelle Cut-off-Zeiten, erlaubte Fehlerquoten und Eskalationsmöglichkeiten. Nicht selten sind auch Bonus-Malus-Regelungen Gegenstand solcher Vereinbarungen die sich auf Fehlerquoten, Systemverfügbarkeiten oder sonstige objektivierbare Erfolgskriterien beziehen können. Kriterien und Durchrechnungszeitraum einer solchen Regelung sollten aber für beide Partner gleichermaßen fair sein. Die Beziehung sollte nicht unter dem Dauerdruck von Sanktionen stehen – dies führt üblicherweise nicht zu einer Verbesserung des Klimas zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Es sollte auch nicht jeder Fehler zu der dann unvermeidbaren Diskussion des Verschuldens führen, sondern Anlass zu Verbesserungen der Ablauflogiken zwecks Vermeidung von Wiederholungen sein. Für die Erstellung von SLAs sollte man sich ausreichend Zeit nehmen – spiegeln diese doch genau die Erwartungen der Vertragspartner über die künftige Zusammenarbeit wider. Zu schnelles und oberflächliches Handeln führt dabei unweigerlich zu späteren Auslegungsdifferenzen, was einer langfristigen Kundenbeziehung meist nicht wirklich dienlich ist. Andererseits sind SLAs natürlich etwas sehr lebendiges, die – übrigens ähnlich wie eine gute Softwaredokumentation – nicht in der Schublade verschwinden sollten, sondern regelmäßig auf Aktualität überprüft werden müssen. Neue Produkte erfordern oft Nachbesserungen, oder im Alltag wechseln – oft fast unbemerkt – Aufgaben ihren „Durchführer“: Was bisher der Outsourcer gemacht hat, macht nun ein Bankmitarbeiter und umgekehrt – alles in bester Übereinstimmung der Fachabteilungen. Aber in den SLAs wird es nicht nachgezogen, und die Verantwortlichen wissen nichts davon – sicher zur großen Freude der regelmäßigen Revisionen. Bei Änderungen und zusätzlich zumindest jährlich sind daher alle SLAs auf Aktualität zu überprüfen – auch ein Kostenfaktor, der in eine Gesamtkalkulation einzubeziehen ist.
7.
Vertrauen
Damit bin ich beim Thema Vertrauen angelangt. Jede Form von Zusammenarbeit sollte von gegenseitigem Vertrauen und von gegenseitiger Achtung begleitet werden. Je intensiver diese Zusammenarbeit wird, desto wichtiger sind diese Faktoren. Beidseitig – also sowohl von der Bank als auch vom Dienstleister – sollte daher diesen Faktoren schon zu Beginn einer Geschäftsbeziehung große Bedeutung zuerkannt werden. Selbst wenn man als Anbieter realistische Angebote abgibt und nicht gleich „das Blaue vom Himmel“ verspricht, kann einmal etwas schief gehen oder – auch bei bestem Bemühen – ein angestrebtes Ziel nicht zur Gänze erreicht werden. Genau in einem solchen Fall ist aber die „Chemie“ zwischen den Parteien wichtig.
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Peter Thomayer
Wird jedoch eine Geschäftsbeziehung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Leistungsfähigkeit eingegangen und werden die Erwartungen nicht in unerfüllbare Höhen geschraubt, werden auch kurzfristige Misserfolge den gegenseitigen Respekt und damit die langfristige Zusammenarbeit nicht gefährden. Je intensiver die Zusammenarbeit, desto wichtiger sind auch persönliche Kontakte. Key User Meetings zwischen Kunde und Anbieter spielen dabei eine ebenso große Rolle wie regelmäßige Treffen von Verantwortlichen auf höchster Ebene. Bei solchen Meetings sind Probleme der letzten Wochen offen anzusprechen und Unstimmigkeiten auszuräumen. Oft hilft dazu auch ein Vier-Augen-Gespräch. Um unnötige Eskalationen zu vermeiden, sind Mitarbeiter des Anbieters auf mögliche Konfliktsituationen zu schulen. Außerdem ist es wichtig, dass sich die betroffenen Mitarbeiter beider Unternehmen so schnell als möglich kennenlernen – ein Abend beim Heurigen oder in der gemütlichen Gastwirtschaft räumt mehr mögliche künftige Stolpersteine aus dem Weg als die beste Formulierungskunst bei der SLA-Erstellung.
8.
Full-Service auch bei der Softwareerstellung
Wurde nun das Angebot im Servicebereich immer umfangreicher, war es für CPB auch logisch, die Angebotspalette im Kernbereich – der eigenen Softwareentwicklung – zu erweitern und zu vervollständigen. Das Sorglospaket, welches Kunden mit dem Einsatz von TAMBAS und TIPAS erwerben, umfasst daher bereits seit langer Zeit auch die Bereitstellung von Softwareupdates zur Abdeckung rechtlicher und steuerlicher Änderungen im Zuge der Softwarewartung ohne zusätzliche Gebühr. In einer Zeit, in der sich das Karussell neuer Produkte, neuer Gesetze und neuer oder geänderter Steuern von Jahr zu Jahr schneller dreht – denken Sie nur an EU-Quellensteuern, an Basel II oder MiFID – wird es vor allem für kleinere Institute immer schwerer, den dafür anfallenden Softwareänderungsbedarf von Anlass zu Anlass zu finanzieren. Viele Anbieter nutzen solche Zwangssituationen dann auch aus, um Umsatzplanzahlen doch noch zu erreichen und produzieren Lösungen, die an den Kundenbedürfnissen vorbeigehen. Darüber hinaus benötigen viele Anbieter auch umfangreichen Input der Institute oder von deren Bankprüfern, was zusätzliches Know-how verlangt bzw. zusätzliche Kosten verursacht. CPB SOFTWARE AG hat hier einen völlig neuen Weg beschritten und bietet all dies im Rahmen ihres Outsourcing-Angebots ohne zusätzliche Kosten an. Dies birgt natürlich für CPB ein nicht unerhebliches Risiko – es gibt Jahre mit besonderes hohem Änderungsaufwand wie 2005 und 2007, und solche, in denen sich das Ganze in Grenzen hält – wie beispielsweise das Jahr 2006. Der Outsourcing-Anbieter kann und muss hier solche Schwankungen aussteuern, die Bank ist dafür in der Lage langfristig zu planen und kann
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Zusatzbudgets in die eigene Produkt- und Ablaufoptimierung stecken, anstatt sie für „Zwangsadaptierungen“ verwenden zu müssen. CPB hält in diesem Zusammenhang übrigens enge Kontakte zu fast allen namhaften Wirtschaftsprüfungskanzleien und ist in den wichtigsten Interessenvertretungsverbänden der Banken als außerordentliches Mitglied vertreten. Dies sichert wiederum die rechtzeitige Information und somit die zeitgerechte und optimale Umsetzung notwendiger Softwareadaptionen. Mit schöner Regelmäßigkeit sind damit die Lösungen der CPB früher verfügbar als jene der Konkurrenten, ja auch oft früher als jene von Datenanbietern oder Meldestellen.
9.
Betrieb von fremder Hard- und Software und Webdienste
Je umfangreicher das eigene Angebot, desto größer wird die Nachfrage nach ergänzenden Dienstleistungen. Ebenfalls schon seit geraumer Zeit bietet CPB daher „ihren“ Banken an, periphere Softwareprodukte, die für den allgemeinen Bankbetrieb unerlässlich sind, im eigenen Rechenzentrum zu betreiben. Musterbeispiel dafür sind Meldewesenpakete, in den meisten Ländern von Monopolunternehmen entwickelt und somit unausweichlich von den Banken zu benutzen. CPB geht wieder über den einfachen Betrieb der Software im Rechenzentrum hinaus und versorgt die Pakete im Rahmen der Wartungsvereinbarungen mit funktionierenden Schnittstellen – auch nach den regelmäßigen, von den Monopolisten verordneten Änderungen – und ist auch Anlaufstelle für viele Problemfälle der Kunden. Gesammelte Weitergabe an den Anbieter ist ebenso Dienstleistungsangebot wie, wenn möglich, günstigere Konditionen als im Direkterwerb. In der Folge hat es nicht lange gedauert, bis Kunden auch andere – sehr individuelle – Softwarekomponenten, meist samt teilweise exotischen Hardwareprodukten, ins Rechenzentrum verlagern wollten. Auch solche Wünsche werden natürlich individuell geprüft und wenn möglich auch unkompliziert umgesetzt. Das immer breitere Wissen der CPB-Mitarbeiter um den Betrieb verschiedenster Applikationen entbindet in der Folge einmal mehr den Kunden von Personal- und sonstige Betriebssorgen. Und es bindet gleichzeitig den Kunden langfristig an das Unternehmen – als umfangreiche partnerschaftliche Beziehung. Das gilt übrigens auch für eine ganze Reihe von angebotenen Internetdiensten. Das Hosting von Kunden-Websites ist, wenn gewünscht, ebenso möglich wie die Verwaltung von Mailadressen und der Betrieb der entsprechenden Server. Alles natürlich unter bestmöglichen Sicherheitsmaßnahmen und jener Vertraulichkeit, die eben bei einem auf Banken spezialisierten Unternehmen um genau jene Spur selbstverständlicher ist als dies vielleicht bei sonstigen Webprovidern der Fall wäre.
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10.
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Sonstige Rechtsfolgen
Spätestens an dieser Stelle müssen wir uns leider auch mit einer nicht unwesentlichen Nebenwirkung von Outsourcing-Projekten befassen. Der österreichische Gesetzgeber hat im AVRAG – dem Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz – sehr genau geregelt, was im Falle des Überganges eines Teilbetriebes von einem Unternehmen auf ein anderes zu beachten ist. Im Wesentlichen entsteht für den Insourcer die Verpflichtung, Dienstnehmer des vom Outsourcing betroffenen Bereichs übernehmen zu müssen, und zwar zu gleichen Bedingungen wie zuvor und bei neunmonatigem Kündigungsschutz. Dies mag vielleicht manchmal gleich der Anfang vom Ende solcher Überlegungen sein, in unserem Fall haben wir jedoch bisher immer gute Lösungen für alle Betroffenen gefunden. Dennoch greift der Schutz – wie in vielen anderen Fällen vor allem bei besserverdienenden Mitarbeitern – zu weit. Das Personalwachstum bei CPB ist jedenfalls in den letzten Jahren nicht unerheblich auf von Kunden einvernehmlich im Zuge von Outsourcing-Projekten übernommene Mitarbeiter zurückzuführen. Was sich übrigens auch in fast allen Einzelfällen als hervorragende Strategie erwiesen hat, weil die neuen Mitarbeiter große Erfahrung mitbrachten und sich sehr bald mehr für den neuen als für den alten Dienstgeber engagierten. Der „Wendepunkt“ fand meist sogar noch während der letzten Phase des alten Dienstverhältnisses statt und die übernommenen Mitarbeiter wurden schnell wertvolle Kollegen im neuen Unternehmen. Nur ganz wenige – aber auch solche gibt es natürlich – verwenden den Insourcer als kurzfristig gut bezahlten „Parkplatz“, bis sie ein vermeintlich besseres Angebot weiterziehen lässt. Jedenfalls ist dies ein mitunter aufwendiger Prozess: Es sind auf mehreren Ebenen Gespräche mit den künftigen Mitarbeitern zu führen, Lösungen zu finden, zu dokumentieren und schließlich in die Übereinkunft mit dem Kunden einzubauen. Dabei ist auch sicherzustellen, dass niemand vergessen wurde. Reklamationen von Mitarbeitern, die erst später erkennen, dass sie eigentlich auch zu den „Betroffenen“ gehört hätten, sind nämlich nicht auszuschließen. Insgesamt entsteht damit einmal mehr ein reiches Betätigungsfeld für die Rechtsberater, diesmal ergänzt um den Faktor Betriebsrat, Gewerkschaft oder Arbeiterkammer. Apropos Betriebsrat: Übernommene aktive Betriebsräte stellen möglicherweise eine zusätzliche Besonderheit dar – sie verbleiben auch im neuen Unternehmen bis zum Ablauf der Funktionsperiode in ihrer Funktion und damit der Unkündbarkeit, somit besteht ein weiterer Anlass für zusätzliche Diskussionen in der Verhandlungsphase.
Insourcing als Teil des Sorglospaketes für Banken am Beispiel der CPB SOFTWARE AG
11.
377
Kommunikation mit dem Kunden
Das breite Angebotsspektrum von CPB erfordert auch spezielle Kommunikationsmöglichkeiten. Im speziellen Fall wurde für Reklamationen und Wünsche der Kunden ein Webtool namens „Support-Net“ eingerichtet, das es Kunden ermöglicht alles, was ihnen am Herzen liegt, einfach online an CPB transportieren zu können. Eine zentrale Verwaltungsstelle verteilt dann alle Anfragen an die jeweils kompetenten Ansprechpartner im Unternehmen, um so möglichst rasch für eine Problemlösung oder ein Angebot zu sorgen. Der Kunde kann den jeweiligen Status seiner Anfrage stets abfragen und weiß somit immer Bescheid, wer sich gerade wie um sein Anliegen kümmert. Für beide Parteien sind solche Tools zwingende Voraussetzung, denn eine ausreichende Dokumentation ist gerade in den Problemfällen besonders wichtig, um eventuelle Ersatzansprüche auch richtig einschätzen und behandeln zu können. Dem Insourcer sei jedenfalls dringend auch der Abschluss einer entsprechenden Haftpflichtversicherung empfohlen, auch wenn eine solche einen nicht unwesentlichen Teil der Marge frisst und die Versicherung zudem den Versicherungsschutz mit Floors und Caps in relativ engen Grenzen hält. Dennoch tritt vermutlich auch bei bester Sorgfalt irgendwann einmal ein Schadenfall ein, und dann ist ein Rückhalt durch eine Versicherungsleistung vielleicht die Möglichkeit zum Überleben des Unternehmens. CPB SOFTWARE AG hat diese Versicherung bisher immer ohne jede eigene Beanspruchung bezahlt, denn aufgrund umfangreicher Kontrollvorkehrungen, eines hochmotivierten und gut geschulten Teams sowie hervorragenden Kundenbeziehungen konnten Schadensfälle bisher vermieden werden.
12.
Zukunftsüberlegungen
Ich hoffe, es ist mir auf den vergangenen Seiten gelungen, Ihnen einen interessanten Einblick in die Entwicklung eines Unternehmens zu geben, das mit dem Thema Outsourcing eine wesentliche Basis für seinen wirtschaftlichen Erfolg gelegt hat. Heute erarbeiten in Wien knapp 100 Mitarbeiter einen Jahresumsatz von rund elf Millionen Euro, die Hälfte davon wird im klassischen Softwaregeschäft erwirtschaftet, die andere mit den erwähnten Zusatzdienstleistungen.
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Peter Thomayer
Die meisten Kundenverträge haben lange Laufzeiten, die durchschnittliche Restlaufzeit über alle Verträge liegt sogar bei fast vier Jahren. Die Nachfrage nach den derzeitigen Produkten TAMBAS (der Gesamtbanklösung), TIPAS (Internet-Portfolio-Reporting) und EQUIRION Portfolio Advisor (Portfolio Management System) ist ungebrochen, jährlich migrieren durchschnittlich mindestens zwei Banken auf diese Systeme. Die breite Palette an Zusatzdienstleistungen, aus denen jeder Kunde seine Favoriten herauspicken kann, ist bereits oft ein wesentliches Entscheidungskriterium für die CPB SOFTWARE AG und gegen Konkurrenzprodukte gewesen. Denn gerade für die unmittelbare Zielgruppe der CPB, die Privatbanken, Kapitalanlagegesellschaften, sonstigen kleineren Banken sowie Finanzdienstleister und andere banknahe Unternehmen ist das „SORGLOSPAKET“ ein äußerst attraktives Angebot. Seit Anfang 2007 versuchen wir mit neuen Tochtergesellschaften in Deutschland, der Slowakei und in Bulgarien ähnliche Konzepte mit gleichem Erfolg umzusetzen. Zahlreiche zusätzliche Kunden in neuen Märkten sollen somit von der Erfahrung und der Dienstleistungsqualität der CPB SOFTWARE AG profitieren.
Ausgewählte Aspekte zum Outsourcing von Bank- und Finanzdienstl. in Österreich
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Ausgewählte Aspekte zum Outsourcing von Bank- und Finanzdienstleistungen in Österreich 1
Bertram Burtscher / Friedrich Jergitsch
1. Einleitung 2. Bank- und Wertpapieraufsichtsrecht (Friedrich Jergitsch, Christine Siegl) 2.1 Rechtslage vor dem 01. November 2007 2.2 MiFID-Umsetzung in Österreich 2.2.1 Differenzierung nach Art und Umfang der Auslagerung 2.2.2 Voraussetzungen der Auslagerung 2.2.3 Grenzen der Auslagerung 2.2.4 Aufsichtsrechtliche Befugnisse der FMA 2.2.5 Auslagerung von Privatkundenportfolios an Dienstleister in einem Drittland 2.2.6 Erbringung von Dienstleistungen über einen anderen Rechtsträger 2.2.7 Heranziehung von vertraglich gebundenen Vermittlern 2.3 Exkurs: CESR und CEBS Guidelines 3. Datenschutz, Bankgeheimnis und Verschwiegenheitspflicht (Ulrike Sehrschön) 3.1 Datenschutzgesetz 3.2 Zulässigkeit der Heranziehung von Dienstleistern 3.3 Genehmigungspflicht der Datenüberlassung an Dienstleister in Drittstaaten 3.4 Bankgeheimnis und Verschwiegenheitspflicht
1
Dieser Beitrag beruht – soweit nicht etwas anderes ausgeführt ist – auf dem Gesetzesstand vom 30.06.2007. Dr. Bertram Burtscher und Dr. Friedrich Jergitsch zeichnen für die Redaktion und Zusammenstellung dieses Kapitels verantwortlich. Die einzelnen Rechtsgebiete wurden von Dr. Friedrich Jergitsch und MMag. Christine Siegl (Bank- und Wertpapieraufsichtsrecht), Mag. Ulrike Sehrschön (Bank- und Wertpapieraufsichtsrecht; Datenschutz, Bankgeheimnis und Verschwiegenheitspflicht), Dr. Bertram Burtscher (Offshore Outsourcing; Change Control), Dr. Stefan Köck (Arbeitsrecht) und Dr. Christian Konrad (Konfliktmanagement und Streitbegleitung in Outsourcing-Projekten) bearbeitet.
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4. Offshore-Outsourcing (Bertram Burtscher) 4.1 Strukturfragen der Offshore-Vertragsbeziehung 4.1.1 Captive Model 4.1.2 Build Operate Transfer (BOT-Modell) 4.1.3 Joint Venture 4.1.4 Outsourcing zum unabhängigen Offshore-Anbieter 4.2 Due Diligence 4.3 Governance 4.4 Personalfragen 4.5 Steuern und Abgaben 4.6 Sicherheit und Vertraulichkeit 4.7 Währung und Wechselkurse 4.8 Risikomanagement und Business Continuity 4.9 Compliance 5. Change Control (Bertram Burtscher) 5.1 Change – eine oft unterschätzte Herausforderung 5.2 Wechselseitige Abhängigkeit 5.3 Zielsetzung und Varianten der Change Control 5.3.1 Change Control "ex ante" 5.3.2 Change Control "ex post" 5.3.3 Change Control "ad hoc" 6. Arbeitsrecht (Stefan Köck) 6.1 Betriebsübergang 6.2 Konsequenz eines Betriebs(teil)übergangs 6.2.1 Übergang des Arbeitsverhältnisses 6.2.2 Folgen für Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen 6.2.3 Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer 6.2.4 Außerordentliches Kündigungsrecht der Arbeitnehmer 6.3 Haftungsfragen 6.3.1 Allgemeines 6.3.2 Haftung des bisherigen Arbeitgebers 6.4 Informationspflichten – Mitwirkungsrechte der Belegschaftsvertretung 6.5 Rechtsfolgen bei Nichtvorliegen eines Betriebs(teil)überganges 7. Konfliktmanagement und Streitbeilegung in Outsourcing-Projekten (Christian Konrad) 7.1 Einleitung 7.2 Dispute Resolution Planning
Ausgewählte Aspekte zum Outsourcing von Bank- und Finanzdienstl. in Österreich
7.3 Konfliktlösungsmethoden 7.4 Einrichtung eines Frühwarnsystems 7.4.1 Schaffung von Informationskanälen und Institutionalisierung von Informationsaustausch 7.4.2 Frühwarnsystem 7.5 Verhandlungen zwischen den Vertragsparteien 7.5.1 Grundprinzipien erfolgreichen Verhandelns 7.5.2 Verhandlungen mit ausländischen Vertragspartnern 7.5.3 Sprachliche Probleme 7.5.4 Kulturelle Unterschiede in Verhandlungsstilen 7.6 Dispute Boards 7.6.1 Dispute Boards in Outsourcing-Projekten 7.6.2 Weitere Charakteristika von Dispute Boards 7.6.3 Anwendungsbereiche und praktische Verwendung 7.6.4 Verbindung der Streitbeilegung durch Dispute Boards mit anderen Streitbeilegungsmethoden 7.6.5 Institutionelle Entwicklungen 7.7 Mediation 7.7.1 Grundlagen und Anwendungsbereich der Mediation 7.7.2 Kombination der Mediation mit anderen Streitbeilegungsmethoden 7.8 Expertengutachterverfahren 7.9 Schiedsgutachten 7.10 Schiedsgerichtsbarkeit 7.11 Ordentliche Gerichtsbarkeit 7.12 Zusammenfassung
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1.
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Einleitung
Vor dem Hintergrund von steigendem Wettbewerb sowie zunehmender Konzentration und Internationalisierung im Bank- und Finanzdienstleistungsbereich sucht die Branche auch in Österreich verstärkt nach Möglichkeiten zur Kosteneinsparung und Fokussierung auf ihr Kerngeschäft. Neben dem „klassischen" Outsourcing von Nebentätigkeiten (IT Infrastruktur, Call Center etc.) rücken zunehmend auch tiefer greifende Varianten des Outsourcing in den Vordergrund. Im Rahmen des Business Process Outsourcing (BPO) werden nun etwa auch im Bank- und Finanzdienstleistungsbereich ganze Geschäftsprozesse (wie etwa Procurement, Zahlungsverkehr oder Custody) – wenn auch im Rahmen enger regulatorischer Rahmenbedingungen – ausgelagert. Im Vergleich zu anderen Märkten, wie etwa England oder den USA, befindet sich der österreichische Outsourcingmarkt jedoch noch in einem vergleichsweise frühen Stadium. Die heimische Branche wie auch die involvierten Aufsichtsbehörden sind hinsichtlich innovativer oder komplexer Outsourcing-Transaktionen bis auf wenige Ausnahmen noch erheblich restriktiver. Zwar eröffnen sich durch progressivere Outsourcing-Varianten, wie etwa das Offshoring oder das Outsourcing über mehrere Länder und Rechtskreise hinweg (sogenannte multijurisdictional outsourcing) Optimierungs- und Kostensenkungspotenziale, die über bislang gängige Varianten des Outsourcing weit hinausgehen. Damit sind jedoch auch zusätzliche Risiken und Problemstellungen verbunden, die gerade in regulierten Branchen mit größerer Zurückhaltung bearbeitet werden, als dies bei der Auslagerung von Dienstleistungen der Fall ist, die heute schon fast als Commodity am Markt erhältlich sind (insbesondere im IT-Bereich oder Call Center-Leistungen). Während in Industrie, Handel und im sonstigen Dienstleistungsbereich das Outsourcing seit langem auch in Österreich ein beliebtes und etabliertes Management- und Kostensenkungstool darstellt, haben sich Banken und Finanzdienstleister aufgrund der besonderen Gegebenheiten ihrer geschäftlichen Aktivitäten und der in höherem Maß regulierten rechtlichen Rahmenbedingungen dem Thema Outsourcing erst wesentlich später in nennenswertem Umfang zugewendet. Als Vorstufen waren auch in Österreich konzerninterne Strukturmaßnahmen und Zusammenlegungen zu beobachten. Erst nach den großen Outsourcingtransaktionen der jüngeren Vergangenheit, wie etwa jene der Deutsche Bank AG im Privatbankenbereich und West LB AG im öffentlichen Bankbereich, ist auch in der Bank- und Finanzdienstleistungswelt der Bann gebrochen. Es wird zunehmend erkannt, dass Zurückhaltung bei der Nutzung dieser im modernen Management durchaus etablierten Einsparungs- und Optimierungstools einen klaren Wettbewerbsnachteil darstellt, der im gegebenen Marktumfeld kaum mehr durch alternative Maßnahmen ausgeglichen werden kann.
Ausgewählte Aspekte zum Outsourcing von Bank- und Finanzdienstl. in Österreich
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Die nachfolgenden Abschnitte beleuchten ausgewählte Aspekte des Outsourcings im Kontext des österreichischen Rechts. Es wird bewusst von der Wiederholung grundsätzlicher Ausführungen und Begriffsdefinitionen in den vorangegangenen Abschnitten abgesehen. Auch legen die Autoren Wert auf die praxisbezogene Darstellung und Aufbereitung typischer Fragestellungen, die in der anwaltlichen Beratungspraxis bei Outsourcingprojekten im Bank- und Finanzdienstleistungsbereich wiederholt auftauchen.
2.
Bank- und Wertpapieraufsichtsrecht (Friedrich Jergitsch, Christine Siegl)
2.1
Rechtslage vor dem 01. November 2007
Im Gegensatz zu Deutschland, wo schon bisher explizite materiellrechtliche Bestimmungen für die Funktionsauslagerung vorgesehen sind, gibt es nach österreichischem Recht (Rechtslage vor dem 01. November 2007) bisher kein generelles aufsichtsrechtliches Regelungsregime für Outsourcing bei Kreditinstituten und Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WPDLU). Lediglich im Versicherungsbereich wurde schon 1990 eine ausdrückliche gesetzliche Regelung geschaffen.2 Im Banken- und Wertpapierbereich fanden sich bislang beschränkte aufsichtsrechtliche Bestimmungen im Investmentfondsgesetz (InvFG) und im Immobilien-Investmentfondsgesetz (ImmoInvFG).3 Aus dem Bankwesengesetz (BWG) lässt sich lediglich implizit ableiten, dass der österreichische Gesetzgeber grundsätzlich von der Zulässigkeit von Auslagerungen ausgegangen ist. So bestimmt etwa § 60 Abs 3 BWG, dass die Auskunfts-, Vorlage- und Einschaurechte (§ 272 UGB) des Bankprüfers sich auf alle Unterlagen und Datenträger auch dann erstrecken, „wenn diese von einem Dritten geführt oder bei diesem verwahrt werden". Auch aus der Zulässigkeit der Auslagerung der internen Revision gemäß § 42 Abs 6 BWG (etwa an eine innerhalb des Sektors bzw. der Kreditinstitutsgruppe bestehende eigene Organisationseinheit) lässt sich schließen, dass das Outsourcing bei Kreditinstituten bereits nach geltender Rechtslage grundsätzlich zulässig ist.4
2 3 4
Vgl. Korinek (2007), S. 39. Vgl.Harrer (2007), S. 62. Siehe Schütz/Waldherr ( 2007), S. 138.
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Zudem lässt die Begriffsbestimmung des § 2 Z 27 BWG erkennen, dass das BWG grundsätzlich von der Möglichkeit des Outsourcings – insbesondere im IT-Bereich – ausgeht, wenngleich explizite inhaltliche Bestimmungen zu dieser Frage fehlen. § 2 Z 27 BWG definiert „Anbieter von Nebendienstleistungen“ als „ein Unternehmen, a) dessen Tätigkeit in direkter Verlängerung zur Banktätigkeit steht oder b) dessen Haupttätigkeit die Immobilienverwaltung, die Verwaltung oder den Betrieb von Rechenzentren oder ähnlichen Tätigkeiten umfasst und die den Charakter einer Nebentätigkeit im Verhältnis zur Haupttätigkeit eines oder mehrerer Kreditinstitute hat". Die Definition erfasst damit gerade Fälle typischer OutsourcingMaßnahmen, bei denen Hilfsdienste auf externe Dritte übertragen werden. Allerdings wird auf die Definition in den Bestimmungen nur in Zusammenhang mit anderen Regelungsinhalten Bezug genommen, ausdrückliche materielle Bestimmungen über Zulässigkeit und Schranken des Outsourcings an Anbieter von Nebendienstleistungen fehlen bislang. Im bisher geltenden Wertpapieraufsichtsgesetz (WAG)5, das Ende Oktober 2007 außer Kraft trat, war es nach in § 19 Abs 2a WAG zulässig, dass sich ein WPDLU zur Erbringung von Dienstleistungen freier Mitarbeiter bedient, die selbst keine Konzession nach dem WAG benötigen, sofern die freien Mitarbeiter im Namen und auf Rechnung des WPDLU auftreten und dieses die volle Haftung für deren Agieren übernimmt. Auch daraus lässt sich eine grundsätzliche Zulässigkeit von Auslagerungen, von der der Gesetzgeber ausgegangen ist, ableiten. Bereits bestehende normative Schranken der Auslagerung im Wertpapierdienstleistungsbereich ergaben sich aus der Bestimmung des § 16 WAG betreffend die Organisationspflichten von WPDLU: Gemäß § 16 Z 1 WAG hatten diese „über die für eine ordnungsgemäße Durchführung der Dienstleistungen notwendigen Mittel und Verfahren zu verfügen und wirksam einzusetzen“, was gegen die Zulässigkeit einer Gesamtauslagerung spricht. Diese mangelnde Kodifizierung von Rahmenbedingungen für Auslagerungen im Finanzdienstleistungsbereich hat sich seit November 2007 geändert.
5
Das bisherige WAG (Wertpapieraufsichtsgesetz – WAG, BGBl. Nr. 753/1996 idF des BGBl. I Nr. 141/2006) trat mit Ablauf des 31. Oktober 2007 außer Kraft.
Ausgewählte Aspekte zum Outsourcing von Bank- und Finanzdienstl. in Österreich
2.2
385
MiFID-Umsetzung in Österreich
Durch das sogenannte Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 (WAG 2007)6, welches am 01. November 2007 in Kraft trat7, wird die Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente samt Ausführungsrichtlinie 2006/73/EG8 (Markets in Financial Instruments Directive; MiFID) unter Bedachtnahme auf die Verordnung (EG) Nr. 1287/20069 in das österreichische Recht umgesetzt und das bestehende WAG10 außer Kraft gesetzt.11 Mit Umsetzung der MiFID in Österreich wurde erstmals eine Legaldefinition des Outsourcings für den Bereich der Wertpapierdienstleistungen in das österreichische Recht aufgenommen. Denn der am 31. Juli 2007 veröffentlichte und ab November 2007 geltende Gesetzestext definiert in § 1 Z 31 WAG 2007 „Auslagerung" als „eine Vereinbarung zwischen einer Wertpapierfirma oder einem Kreditinstitut und einem anderen Dienstleister, in deren Rahmen der Dienstleister anstatt der Wertpapierfirma oder des Kreditinstituts ein Verfahren abwickelt, eine Dienstleistung erbringt oder eine Tätigkeit ausführt". Nach dieser Definition sind grundsätzlich sämtliche Arten der Auslagerung an externe Dienstleister erfasst.
6
Vgl. dazu das „Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Beaufsichtigung von Wertpapierdienstleistungen (Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 – WAG 2007) erlassen wird, sowie das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 1989, das Investmentfondsgesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Konsumentenschutzgesetz und die Gewerbeordnung 1994 geändert werden“, veröffentlicht im BGBl. I Nr. 60/2007 vom 31. Juli 2007. 7 § 108 WAG 2007. 8 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. Nr. L 145 vom 30.04.2004, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 2006/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2004/39/EG in Bezug auf bestimmte Fristen (ABl. Nr. L 114 vom 27.04.2006, S. 60) und der Richtlinie 2006/73/EG der Kommission zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie (Ausführungsrichtlinie) (ABl. Nr. L 241 vom 02.09.2006, S. 26). 9 Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapierfirmen, die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe im Sinne dieser Richtlinie (ABl. Nr. L241 vom 02.09.2006, S. 1+26). 10 Siehe FN 5. 11 § 106 WAG 2007.
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Das zweite Hauptstück des WAG 2007 regelt die organisatorischen Anforderungen, wobei als Rechtsträger i.S.d. genannten Hauptstücks nicht nur Wertpapierfirmen und WPDLU, sondern auch Kreditinstitute gelten12. Somit haben diese, soweit sie Wertpapierdienstleistungen i.S.d. WAG 2007 erbringen, die Bestimmungen des 2. Hauptstücks des WAG 2007 zu beachten. Der zweite Abschnitt des zweiten Hauptstücks des WAG 2007 widmet sich speziell der „Auslagerung und Heranziehung von vertraglich gebundenen Vermittlern" und differenziert hinsichtlich der Zulässigkeit des Outsourcings inhaltlich und qualitativ je nach Art und Umfang der ausgelagerten Tätigkeit, worauf im Folgenden näher eingegangen werden soll.
2.2.1
Differenzierung nach Art und Umfang der Auslagerung
§ 25 WAG 2007 unterscheidet zwischen der Auslagerung wesentlicher betrieblicher Aufgaben und der Auslagerung anderer betrieblicher Aufgaben. Eine betriebliche Aufgabe ist demnach wesentlich, „wenn deren unzureichende oder unterlassene Wahrnehmung die jederzeitige Einhaltung der Konzessionsvoraussetzungen oder der anderen Verpflichtungen nach diesem Bundesgesetz, die finanzielle Leistungsfähigkeit des Rechtsträgers oder die Solidität oder Kontinuität der Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten wesentlich beeinträchtigen würde" (§ 25 Abs 2 WAG 2007). Folgende Aufgaben werden ex lege jedenfalls nicht als wesentlich betrachtet: für einen Rechtsträger erbrachte Beratungs- und andere Dienstleistungen, die nicht Teil seines Anlagegeschäfts sind, insbesondere die Beratung in Rechtsfragen, Mitarbeiterschulungen, die Buchhaltung und die Bewachung von Gebäuden und Schutz von Mitarbeitern; der Erwerb standardisierter Dienstleistungen, wie insbesondere Marktinformationsdienste und Preisdaten. Gemäß § 25 Abs 1 WAG 2007 hat der auslagernde Rechtsträger sicherzustellen, dass beim Rückgriff auf Dritte (Dienstleister) zur Wahrnehmung betrieblicher Aufgaben, die für die kontinuierliche und zufriedenstellende Erbringung von Dienstleistungen für Kunden und Ausübung von Anlagetätigkeiten wesentlich sind, angemessene Vorkehrungen getroffen werden, um unnötige zusätzliche Geschäftsrisiken zu vermeiden. Diese Vorkehrungen werden in der Anlage 1 zu § 25 WAG 2007 näher definiert. Grundsätzlich ist somit nicht nur die Auslagerung unwesentlicher, sondern auch wesentlicher betrieblicher Aufgaben zulässig. Allerdings sind an die Auslagerung von wesentlichen Tätigkeiten an Dienstleister höhere Anforderungen gestellt; insbesondere darf sie nicht so erfolgen, dass die Qualität der internen Kontrolle oder die Möglichkeit der FMA zu überprüfen, ob das Unternehmen sämtlichen Anforderungen genügt, wesentlich beeinträchtigt wird. 12
Vgl. § 15 WAG 2007: „Rechtsträger im Sinne dieses Hauptstückes sind Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Versicherungsunternehmen nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 sowie Zweigstellen von Wertpapierfirmen nach Maßgabe von § 12 Abs. 4 und Kreditinstituten nach Maßgabe von § 9 Abs. 7 BWG aus Mitgliedstaaten.“
Ausgewählte Aspekte zum Outsourcing von Bank- und Finanzdienstl. in Österreich
387
Zudem ist bei Abschluss, Durchführung oder Kündigung einer Vereinbarung über die Auslagerung von wesentlichen betrieblichen Aufgaben, Wertpapierdienstleistungen oder Anlagetätigkeiten an einen Dienstleister mit der gebotenen Professionalität und Sorgfalt zu verfahren. Insbesondere ist eine klare Aufteilung der Rechte und Pflichten zwischen dem Rechtsträger und dem Dienstleister in Form einer schriftlichen Vereinbarung (sogenannter OutsourcingVertrag) vorzunehmen.13
2.2.2
Voraussetzungen der Auslagerung
Folgende Bedingungen i.S.v. angemessenen Vorkehrungen gemäß § 25 Abs 1 WAG 2007, die vom jeweiligen Rechtsträger bei der Auslagerung von wesentlichen betrieblichen Aufgaben einzuhalten sind, um unnötige Geschäftsrisiken beim Outsourcing zu vermeiden, sind im WAG 2007 explizit angeführt14: 1. Der Dienstleister hat über die Eignung, die Kapazität sowie alle gesetzlich vorgeschriebenen Zulassungen zu verfügen, um die ausgelagerten Aufgaben, Dienstleistungen oder Tätigkeiten zuverlässig und professionell auszuführen. 2. Der Dienstleister hat die ausgelagerten Dienstleistungen wirkungsvoll auszuführen, der Rechtsträger hat zu diesem Zweck Methoden für die Bewertung seiner Leistungen festzulegen. 3. Der Dienstleister hat die Ausführung der ausgelagerten Aufgaben ordnungsgemäß zu überwachen und die mit der Auslagerung verbundenen Risiken angemessen zu steuern. 4. Falls Zweifel bestehen, dass der Dienstleister seine Aufgaben wirkungsvoll und unter Einhaltung aller geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften ausführt, haben angemessene Schritte eingeleitet zu werden. 5. Der Rechtsträger hat weiterhin über die notwendigen Fachkenntnisse zu verfügen, um die ausgelagerten Aufgaben wirkungsvoll zu überwachen und die mit der Auslagerung verbundenen Risiken zu steuern. Er hat diese Aufgaben auch tatsächlich zu überwachen und diese Risiken auch tatsächlich zu steuern. 6. Der Dienstleister hat dem Rechtsträger jede Entwicklung zur Kenntnis zu bringen, die seine Fähigkeit, die ausgelagerten Aufgaben wirkungsvoll und unter Einhaltung aller geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften auszuführen, wesentlich beeinträchtigen könnte; 7. Der Rechtsträger muss die Auslagerungsvereinbarung erforderlichenfalls kündigen können, ohne dass dies die Kontinuität und Qualität der für seine Kunden erbrachten Dienstleistungen beeinträchtigt. 13
Gemäß Übergangsbestimmung des § 103 WAG 2007 gilt dieses Schriftformerfordernis allerdings erst ab 01.10.2008. 14 Vgl. Anlage 1 zu § 25 WAG 2007.
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8. Der Dienstleister hat in Bezug auf die ausgelagerten Tätigkeiten mit der FMA zusammenzuarbeiten. 9. Der Rechtsträger, seine Abschlussprüfer und die FMA müssen tatsächlich Zugang zu den mit den ausgelagerten Tätigkeiten zusammenhängenden Daten und zu den Geschäftsräumen des Dienstleisters haben. Die FMA muss von diesen Zugangsrechten Gebrauch machen können. 10. Der Dienstleister hat alle vertraulichen Informationen, die den Rechtsträger und seine Kunden betreffen, zu schützen. 11. Der Rechtsträger und der Dienstleister haben einen Notfallplan festzulegen und dessen kontinuierliche Einhaltung sicherzustellen, der bei einem Systemausfall die Speicherung der Daten gewährleistet und regelmäßige Tests der Backup-Systeme vorsieht, sollte dies angesichts der ausgelagerten Funktion, Dienstleistung oder Tätigkeit erforderlich sein.
2.2.3
Grenzen der Auslagerung
Bisher ließen sich Grenzen der Auslagerung lediglich aus unterschiedlichen materiellen Bestimmungen, insbesondere des BWG ableiten: So ergibt die systematische Interpretation der konzessionspflichtigen Bankgeschäfte in Zusammenhang mit der Strafbestimmung des § 98 Abs 1 BWG (Betrieb von Bankgeschäften ohne erforderliche Berechtigung), dass jedenfalls eine gänzliche Auslagerung des Bankgeschäftes sowie die Auslagerung von Tätigkeiten, die einer Konzession nach dem BWG bedürfen, nicht in Frage kommen. Die Strafnorm des § 98 Abs 1 BWG steht der Erbringung solcher Leistungen durch Dritte, welche nicht über eine entsprechende Konzession verfügen, entgegen. Eine weitere Auslagerungsgrenze ist implizit aus den in § 39 BWG normierten Sorgfaltspflichten und der sich daraus ergebenden Gesamtverantwortung der Geschäftsleiter des auslagernden Kreditinstituts ableitbar. Das Outsourcing an externe Dienstleister darf nicht so weit gehen, dass die Geschäftsleitung ihren Leitungs- und Kontrollaufgaben nicht mehr nachkommen kann. Dies wird nunmehr auch im WAG 2007 klargestellt: Der jeweilige Rechtsträger bleibt trotz Auslagerung für die Erfüllung aller seiner Verpflichtungen nach dem WAG 2007 verantwortlich und hat insbesondere Folgendes zu gewährleisten:15 Die Auslagerung darf nicht zu einer Delegation der Aufgaben der Geschäftsführung führen. Das Verhältnis und die Pflichten des Rechtsträgers gegenüber seinen Kunden müssen unverändert bleiben; 15
§ 25 Abs 3 WAG 2007.
Ausgewählte Aspekte zum Outsourcing von Bank- und Finanzdienstl. in Österreich
389
Die Voraussetzungen für eine Konzession nach § 3 WAG 2007 oder § 4 BWG müssen weiterhin erfüllt sein.
2.2.4
Aufsichtsrechtliche Befugnisse der FMA
Eine vorherige Genehmigungs- oder Anzeigepflicht des Outsourcings durch bzw. an die zuständige Aufsichtsbehörde sieht das WAG 2007 zwar nicht vor. Die FMA kann jedoch gemäß § 25 Abs 4 WAG 2007 vom Rechtsträger verlangen, ihr alle Informationen zur Verfügung zu stellen, die sie zur Überwachung der Einhaltung der vom WAG an die Auslagerung von Ausgaben gestellten Anforderungen benötigt. Nach § 25 WAG 2007 hat die FMA bei der Überprüfung der Gesetzmäßigkeit von Auslagerungen zu berücksichtigen, in welchem Umfang der auslagernde Rechtsträger den Dienstleister kontrolliert oder sein Handeln beeinflussen kann. Dies gilt insbesondere nach Abs 4 leg. cit. dann, wenn der Rechtsträger und der Dienstleister ein und derselben Gruppe angehören. Damit wollte der Gesetzgeber das in der Ausführungsrichtlinie16 ausdrücklich erwähnte Kriterium für die Ausübung des Ermessens der FMA bei der Beurteilung der Angemessenheit von Auslagerungsvereinbarungen umsetzen. Allerdings sind der FMA – insbesondere aufgrund des Prinzips der Amtswegigkeit und der sonst anzuwendenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen – bei der Ermessensausübung Grenzen gesetzt. Die FMA hat daher einen umfassend aufsichtlichen Maßstab anzulegen. Als Beispiel wird in den Gesetzesmaterialien explizit angeführt, dass eine berücksichtigungswürdige Einflussnahme auch dann vorliegen kann, wenn die Gruppendefinition im engeren Sinn nicht erfüllt ist, jedoch auslagernde Rechtsträger (einzeln oder gemeinsam) das Vorliegen der geforderten Beeinflussung des Handelns des Dienstleisters nachweisen können. Andererseits sind von der FMA andere Aufgaben des Dienstleisters darauf zu prüfen, ob sie der erforderlichen Einflussnahme durch den Rechtsträger entgegenstehen oder durch ihre Ausübung Nachteile oder Unvereinbarkeiten entstehen können.17 Nach § 91 WAG 2007 ist von der FMA die Einhaltung der Bestimmungen des WAG 2007 und somit auch jener bezüglich des Outsourcings zu überwachen. Zur Unterbindung von Gesetzesverletzungen und zur dauernden Gewährleistung der Einhaltung der Konzessionsvoraussetzungen hat die FMA Maßnahmen gemäß § 92 Abs 8 WAG 2007 in Verbindung mit § 70 Abs 4 BWG18 zu treffen.
16
Art 14 Abs 4 der Richtlinie 2006/73/EG. Vgl. die Erläuternden Bemerkungen zu § 25 der Regierungsvorlage des WAG 2007. 18 Die Maßnahmen gemäß § 70 Abs 4 BWG umfassen: (i) Auftrag zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes: (ii) ganz oder teilweise Untersagung der Geschäftsführung; (iii) Konzessionsrücknahme. 17
390
2.2.5
Bertram Burtscher / Friedrich Jergitsch
Auslagerung von Privatkundenportfolios an Dienstleister in einem Drittland
Werden Tätigkeiten an einen Dienstleister mit Sitz in einem Drittland, somit außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums outgesourct, wird offenbar ein erhöhtes Risiko angenommen. Denn zumindest für den Fall der Auslagerung der Verwaltung von Privatkundenportfolios an Dienstleister in einem Drittland legt § 26 WAG 2007 weitere Voraussetzungen fest, die zusätzlich zu den Anforderungen gemäß § 25 WAG 2007 einzuhalten sind.19 Demnach ist in diesem Falle überdies erforderlich, dass (i) der Dienstleister in seinem Herkunftsland für die Erbringung dieser Dienstleistung zugelassen oder registriert ist und einer behördlichen Beaufsichtigung hinsichtlich seiner Dienstleistungen unterliegt und (ii) zwischen der FMA und der Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes des Dienstleisters eine angemessene Kooperationsvereinbarung besteht. Ist eine dieser beiden Bedingungen nicht erfüllt, so ist der Inhalt der Auslagerungsvereinbarung mit dem Drittlandsdienstleister der FMA nach § 26 Abs 2 WAG 2007 anzuzeigen, welche diese binnen drei Monaten ab Erhalt der Mitteilung untersagen kann. Die FMA hat überdies per Verordnung Grundsätze für Auslagerung der Verwaltung von Privatkundenportfolios an Drittlandsdienstleister zu erlassen und auf ihrer Homepage zu veröffentlichen.20 Darüber hinaus ist von der FMA ein Verzeichnis der Aufsichtsbehörden aus Drittländern, mit denen angemessene Kooperationsvereinbarungen geschlossen wurden, auf ihrer Homepage zu veröffentlichen.
2.2.6
Erbringung von Dienstleistungen über einen anderen Rechtsträger
§ 27 WAG 2007 regelt den Fall, wenn sich ein Rechtsträger zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Nebendienstleistungen im Namen des Kunden eines anderen Rechtsträger bedient (sogenannter „Auftrag“) und in diesem Zusammenhang insbesondere die Verantwortlichkeit des Dienstleisters bei der Leistungserbringung.
19
In den Erläuternden Bemerkungen zu § 27 WAG 2007 wird diesbezüglich ausgeführt, dass für das Outsourcing aller anderen Tätigkeiten an einen Drittlandsanbieter lediglich die Voraussetzungen des § 26 WG 2007 zu beachten sind. Andere Bestimmungen, wie etwa insbesondere jene § 3 Abs 4 DepG, blieben davon unberührt. 20 Diese von der FMA nach § 27 Abs 3 zu erlassende Verordnung hat Beispiele für Fälle zu enthalten, in denen die FMA unter gewöhnlichen Umständen keine Einwände gegen eine Auslagerung erheben würde. Überdies hat die FMA in der Veröffentlichung zu begründen, warum eine Auslagerung in diesen Fällen nach Auffassung der FMA einen Rechtsträger nicht in seiner Fähigkeit einschränkt, die in § 25 WAG 2007 festgelegten Pflichten zu erfüllen. Siehe dazu die „Verordnung der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) über die Auslagerung von Privatkundenportfolios an Dienstleister mit Sitz in einem Drittland (Auslagerungsverordnung – AusV)“ veröffentlicht im BGBl. II Nr. 215/2007 vom 27. August 2007.
Ausgewählte Aspekte zum Outsourcing von Bank- und Finanzdienstl. in Österreich
391
Erhält ein Rechtsträger von einem anderen Rechtsträger den Auftrag, Wertpapierdienstleistungen oder Nebendienstleistungen im Namen eines Kunden zu erbringen, kann er sich nach § 27 Abs. 1 WAG 2007 auf Kundeninformationen stützen, die von dem anderen Rechtsträger an ihn weitergeleitet wurden. Die Verantwortung für die Vollständigkeit und Richtigkeit der weitergeleiteten Kundeninformation trägt dabei der auftraggebende Rechtsträger. Ebenso darf sich der auftragnehmende Rechtsträger auch auf Empfehlungen in Bezug auf die Dienstleistung oder das Geschäft verlassen, die dem Kunden von dem anderen Rechtsträger gegeben wurden. Auch in diesem Fall trägt der auftraggebende Rechtsträger die Verantwortung für die Eignung der Empfehlungen oder der Beratung für den Kunden (§ 27 Abs 2 WAG 2007). Die Verantwortung für die Erbringung der Dienstleistung oder den Abschluss des Geschäfts auf der Grundlage solcher Angaben oder Empfehlungen trägt hingegen der Rechtsträger, der den Auftrag erhalten hat.
2.2.7
Heranziehung von vertraglich gebundenen Vermittlern
§ 28 WAG 2007 regelt schließlich die Heranziehung von vertraglich gebundenen Vermittlern durch einen Rechtsträger, die mit den freien Mitarbeitern i.S.d. geltenden Rechts21 vergleichbar sind. Rechtsträger können sich vertraglich gebundener Vermittler für die Förderung seines Dienstleistungsgeschäfts, die Akquisition neuer Geschäfte oder die Annahme von Kundenaufträgen sowie für die Übermittlung dieser Aufträge, das Platzieren von Finanzinstrumenten und für die Anlageberatung hinsichtlich der Finanzinstrumente und Dienstleistungen, die vom Rechtsträger angeboten werden, bedienen. Allerdings haftet der Rechtsträger gemäß § 1313a ABGB22 für jede Handlung oder Unterlassung des vertraglich gebundenen Vermittlers, wenn dieser im Namen des Rechtsträgers tätig ist. Der Rechtsträger hat die Tätigkeiten der für ihn tätigen vertraglich gebundenen Vermittler, zu überwachen und insbesondere sicherzustellen, dass ein vertraglich gebundener Vermittler dem Kunden, wenn er Kontakt aufnimmt oder bevor er mit den Kunden Geschäfte abschließt, mitteilt, in welcher Eigenschaft er handelt und welchen Rechtsträger er vertritt. Nur vertraglich gebundene Vermittler, die in ein öffentliches Register jenes Mitgliedstaates eingetragen sind, in dem sie niedergelassen sind, dürfen von Rechtsträgern herangezogen werden.
21 22
§ 19 Abs 2a WAG idgF. Erfüllungsgehilfenhaftung nach § 1313a Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB): „Wer einem andern zu einer Leistung verpflichtet ist, haftet ihm für das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters sowie der Personen, deren er sich zur Erfüllung bedient, wie für sein eigenes.“
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Das öffentliche Register ist von der FMA zu führen, welche bereits jetzt ein Register für freie Mitarbeiter führt,23 und laufend zu aktualisieren. In Österreich tätige vertraglich gebundene Vermittler haben über eine gewerbliche Berechtigung gemäß § 136a Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994, als „Gewerblicher Vermögensberater" zu verfügen. Damit soll nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage sichergestellt werden, dass nur ausreichend qualifizierte Personen in diesem Bereich tätig werden. Neben der fachlichen Befähigung ist für die Eintragung eines vertraglich gebundenen Vermittlers in das öffentliche Register erforderlich, dass er über die erforderliche Zuverlässigkeit und über entsprechende allgemeine, kaufmännische und berufliche Kenntnisse verfügt, um alle relevanten Informationen über die angebotene Dienstleistung korrekt an den Kunden weiterleiten zu können. Der vertraglich gebundene Vermittler hat dem Rechtsträger auf sein Verlangen alle Nachweise zu erbringen, die zur Überprüfung der Voraussetzungen erforderlich sind. Die Kreditinstitute und Wertpapierfirmen haben die Eintragung der vertraglich gebundenen Vermittler, deren sie sich bedienen, unverzüglich vorzunehmen und sind für die ordnungsgemäße Überprüfung verantwortlich. Ein Rechtsträger, der vertraglich gebundene Vermittler heranzieht, hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Tätigkeiten des vertraglich gebundenen Vermittlers, die keiner Konzession zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen bedürfen, keine nachteiligen Auswirkungen auf die Tätigkeiten haben, die er im Namen des Rechtsträgers ausübt.
2.3
Exkurs: CESR und CEBS Guidelines
Auf internationaler Ebene wird das Thema Outsourcing bereits seit Jahren diskutiert. Vom Committee of European Securities Regulators (CESR), in dem die FMA Mitglied ist, wurde bereits im Jänner 2005 ein Technical Advice bezüglich MiFID24 veröffentlicht. Auch für den Bankenbereich diskutierten die zuständigen Aufsichtsbehörden auf EU-Ebene das Thema Outsourcing, bis im April 2006 das Committee of European Banking Supervisors (CEBS), in welchem die FMA ebenfalls vertreten ist, endlich eine revidierte Fassung ihres Konsultationspapiers zu Outsourcing Guidelines veröffentlichte.25
23
Siehe dazu auch die Erläuternden Bemerkungen zu § 28 WAG 2007, wonach sich die Führung eines derartigen Registers durch die FMA bewährt hat. 24 CESR’s Technical Advice on Possible Implementing Measures of the Directive 2004/39/EC on Markets in Financial Instruments, 1st Set of Mandats vom Januar 2005. 25 CEBS Guidelines on outsourcing of credit institutions' business activities vom 14.12.2006.
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Obwohl diese Guidelines nach österreichischem Recht nicht bindend sind, können sie als Zusammenfassung der geltenden Marktpraxis und des gemeinsamen Verständnisses der Aufsichtsbehörden angesehen werden. Insbesondere wurden die Standards bereits unter Berücksichtigung der einschlägigen rechtlichen Rahmenbedingungen auf EU-Ebene (MiFID) verfasst. Es ist daher zu empfehlen, bei der Durchführung von Outsourcing-Maßnahmen diese Standards zu berücksichtigen und gegebenenfalls auch als Basis für den Inhalt der vertraglichen Vereinbarung mit dem Dienstleister heranzuziehen.
3.
Datenschutz, Bankgeheimnis und Verschwiegenheitspflicht (Ulrike Sehrschön)
3.1
Datenschutzgesetz
In Zusammenhang mit Outsourcing durch Kreditinstitute, Wertpapierfirmen oder WPDLUs spielen regelmäßig auch Fragen des Schutzes personenbezogener Daten eine wesentliche Rolle. Das österreichische Datenschutzgesetz (DSG) unterscheidet hinsichtlich der Weitergabe von Daten zwischen Dienstleistern (bloße Datenüberlassung für vom Auftraggeber vorgegebene Zwecke) und Auftraggebern (Datenübermittlung): Auftraggeber sind gemäß § 4 Z 4 DSG natürliche oder juristische Personen, wenn sie allein oder gemeinsam mit anderen die Entscheidung getroffen haben, Daten für einen bestimmten Zweck zu verarbeiten und zwar unabhängig davon, ob sie die Verarbeitung selbst durchführen oder hierzu einen anderen heranziehen, das heißt, wenn sie einen Dienstleister einsetzen. Als Auftraggeber gelten die genannten Personen auch dann, wenn sie einem Anderen Daten zur Herstellung eines von ihnen aufgetragenen Werkes überlassen und der Auftragnehmer die überlassenen Daten im Sinne dieses Auftrages verarbeitet. Der eingesetzte Dienstleister ist aus datenschutzrechtlicher Sicht dem Auftraggeber zuzurechnen. Dienstleister sind demnach natürliche oder juristische Personen, wenn sie ihnen vom Auftraggeber überlassene Daten nicht für eigene Zwecke, sondern zur Herstellung eines aufgetragenen Werkes verwenden (§ 4 Z 5 DSG).
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Die Abgrenzung zwischen Auftraggeber und Dienstleister ist oft schwierig, jedoch wesentlich für die datenschutzrechtliche Rollenverteilung bei Outsourcing-Vorhaben.26 Wurde dem Dienstleister anlässlich der Auftragserteilung die Verarbeitung der überlassenen Daten ausdrücklich untersagt oder hat der Dienstleister die Entscheidung über die Art und Weise der Verwendung, insbesondere die Vornahme einer Verarbeitung der überlassenen Daten aufgrund von Rechtsvorschriften, Standesregeln oder von gesetzlichen Interessenvertretungen veröffentlichten Verhaltensregeln eigenverantwortlich zu treffen, so gilt der mit der Herstellung des Werkes Betraute als datenschutzrechtlicher Auftraggeber. Maßgeblich ist daher, wer über die Datenverwendung entscheidet: Trifft die Entscheidung der Auftraggeber und überlässt er die bloße (auftragsgemäße) Durchführung der Datenverarbeitung einem Dienstleister, so liegt ein Dienstleisterverhältnis und damit eine bloße Datenüberlassung vor. Trifft hingegen der Datenempfänger eigenverantwortlich die Entscheidung über Art und Weise der Datenverwendung, so ist dieser selbst Auftraggeber. In diesem Sinne wird ein Dienstleister dann selbst zum Auftraggeber, wenn er die Daten für andere Zwecke weiterverarbeitet oder eigenständige Entscheidungen fällt oder sich nicht an den Auftrag des Auftraggebers hält.
3.2
Zulässigkeit der Heranziehung von Dienstleistern
Personenbezogene Daten können von einem Auftraggeber an einen Dienstleister dann überlassen werden, wenn sie aus einer zulässigen Datenanwendung stammen und für einen zulässigen Zweck verwendet werden. Weitere Voraussetzung ist ein schriftlicher Vertrag mit dem Dienstleister bzw. zumindest eine schriftliche Dokumentation zu Beweissicherungszwecken über die zwischen dem Auftraggeber und dem Dienstleister über die nähere Ausgestaltung der unten genannten Pflichten mündlich getroffenen Vereinbarungen, welche unter anderem vorsehen muss, dass der Dienstleister die rechtmäßige und sichere Datenverwendung gewährleistet. Unabhängig von vertraglichen Regelungen hat der Dienstleister jedenfalls die Pflicht: die Daten ausschließlich im Rahmen der Aufträge des Auftraggebers zu verwenden; insbesondere ist die Übermittlung der verwendeten Daten ohne Auftrag des Auftraggebers verboten; alle gemäß § 14 DSG erforderlichen Datensicherheitsmaßnahmen zu treffen; insbesondere dürfen für die Dienstleistung nur solche Mitarbeiter herangezogen werden, die sich dem Dienstleister gegenüber zur Einhaltung des Datengeheimnisses verpflichtet haben oder einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen; 26
Siehe Knyrim/Siegel/Autengruber (2004), S. 413.
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weitere Dienstleister nur mit Billigung des Auftraggebers heranzuziehen und deshalb den Auftraggeber von der beabsichtigten Heranziehung eines weiteren Dienstleisters so rechtzeitig zu verständigen, dass er dies allenfalls untersagen kann; sofern dies nach der Art der Dienstleistung in Frage kommt – im Einvernehmen mit dem Auftraggeber die notwendigen technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Erfüllung der Auskunfts-, Richtigstellungs- und Löschungspflicht des Auftraggebers zu schaffen; nach Beendigung der Dienstleistung alle Verarbeitungsergebnisse und Unterlagen, die Daten enthalten, dem Auftraggeber zu übergeben oder in dessen Auftrag für ihn weiter aufzubewahren oder zu vernichten; dem Auftraggeber jene Informationen zur Verfügung zu stellen, die zur Kontrolle der Einhaltung der oben genannten Verpflichtungen notwendig sind. Wenngleich sich diese Dienstleisterpflichten bereits direkt aus dem Gesetz ergeben, empfiehlt es sich dennoch, diese auch zum Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung zu machen. Sind die dargestellten Kriterien erfüllt und erfolgt die Überlassung der Daten innerhalb des EWR, ist eine Überlassung unproblematisch und bedarf keiner vorherigen Genehmigung der Datenschutzkommission. Eine Datenüberlassung an einen Dienstleister bedarf insbesondere auch nicht der Zustimmung der Betroffenen, da aus datenschutzrechtlicher Sicht im Rahmen einer Datenüberlassung die personenbezogenen Daten die Sphäre des Auftraggebers nicht verlassen und somit keine Datenweitergabe an einen anderen Auftraggeber vorliegt. Dies hat für den auslagernden Rechtsträger jedoch die Konsequenz, dass die gesamte Datenverwendung durch den Dienstleister, einschließlich aller Datenüberlassungen an weitere Subdienstleister weiterhin datenschutzrechtlich voll dem Rechtsträger zuzurechnen ist. Lediglich bei nicht auftragsgemäßer Datenverarbeitung ist der Dienstleister selbst als Auftraggeber anzusehen und hat daher auch selbst aus datenschutzrechtlicher Sicht für missbräuchliche Datenverwendungen einzustehen.
3.3
Genehmigungspflicht der Datenüberlassung an Dienstleister in Drittstaaten
Erfolgt die Überlassung hingegen an einen Dienstleister außerhalb des EWR, so ist zu prüfen, ob die Daten in einen Drittstaat mit angemessenem Datenschutzniveau exportiert werden. In diesem Fall bedarf es keiner Genehmigung durch die Datenschutzkommission. Als Drittstaaten mit angemessenem Datenschutzniveau sind etwa anerkannt: Die Schweiz, Argentinien, Kanada, Isle of Man und Guernsey. Ebenso können Daten an Dienstleister in den USA überlassen werden, die für die betreffende Datenanwendung am Safe Harbor Programm teilnehmen.
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In allen anderen Fällen ist die Genehmigung der Datenschutzkommission für eine Überlassung personenbezogener Daten an Dienstleister in Drittstaaten einzuholen, sofern nicht im Einzelfall eine der Ausnahmebestimmungen des § 12 Abs 3 DSG vorliegt. Die Genehmigung wird von der Datenschutzkommission dann erteilt, wenn (i) die Daten aus einer rechtmäßig betriebenen Datenanwendung im Inland stammen und (ii) ungeachtet des Fehlens eines im Empfängerstaat generell geltenden angemessenen Datenschutzniveaus, für die im Genehmigungsantrag angeführte Übermittlung oder Überlassung im konkreten Einzelfall angemessener Datenschutz besteht. Bei Überlassungen ins Ausland muss darüber hinaus die schriftliche Zusage des ausländischen Dienstleisters an den inländischen Auftraggeber vorliegen, dass er die Dienstleisterpflichten gemäß § 11 Abs 1 DSG einhalten wird. Ob ein angemessenes Datenschutzniveau im Empfängerstaat besteht, ist von der Datenschutzkommission unter Berücksichtigung all jener Umstände zu beurteilen, die bei der Datenverwendung eine Rolle spielen, wie insbesondere die Art der verwendeten Daten, die Zweckbestimmung sowie die Dauer der geplanten Verwendung, das Herkunfts- und das Endbestimmungsland und die in dem betreffenden Drittstaat geltenden allgemeinen oder sektoriellen Rechtsnormen, Standesregeln und Sicherheitsstandards zu beurteilen. Der Auftraggeber hat im Genehmigungsverfahren glaubhaft zu machen, dass die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der vom geplanten Datenverkehr Betroffenen auch im Ausland ausreichend gewahrt werden. Hiefür können insbesondere auch vertragliche Zusicherungen des Empfängers an den Antragsteller über die näheren Umstände der Datenverwendung im Ausland von Bedeutung sein. Typischerweise kann die Einhaltung eines angemessenen Datenschutzniveaus durch Abschluss der EU-Standardvertragsklauseln für Auftragsverarbeiter in Drittstaaten nachgewiesen werden.27 Als alternative Nachweismöglichkeit bei Datenüberlassungen im Konzernverbund steht auch die Möglichkeit der Einführung von Binding Corporate Rules (BCR) offen.28 Dabei handelt es sich um eine verbindliche Regelung, bei der ein Konzern sich selbst interne Datenschutzbestimmungen gibt, die für alle Konzernunternehmen gelten sollen. Erst mit Vorliegen des rechtskräftigen Genehmigungsbescheides darf die Datenüberlassung aufgenommen werden.
27
Entscheidung der Kommission vom 27. Dezember 2001 hinsichtlich Standardvertragsklauseln für die Übermittlung personenbezogener Daten an Auftragsverarbeiter in Drittländern nach der Richtlinie 95/46/EG, ABl L 6 vom 10.1.2002, 52. 28 Vgl Recommendation 1/2007 on the Standard Application for Approval of Binding Corporate Rules for the Transfer of Personal Data der Art 29 Arbeitsgruppe, veröffentlicht unter http://ec.europa.eu/justice_home/fsj/privacy/workinggroup/wpdocs/2007_de.htm
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3.4
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Bankgeheimnis und Verschwiegenheitspflicht
Neben der allgemeinen datenschutzrechtlichen Pflicht zur Wahrung des Datengeheimnisses (gemäß DSG) trifft Hilfspersonen von Kreditinstituten, die im Fall eines Outsourcings herangezogen werden, zusätzlich die Einhaltung des Bankgeheimnisses: Gemäß § 38 BWG dürfen Kreditinstitute, ihre Gesellschafter, Organmitglieder, Mitarbeiter sowie sonst für das Kreditinstitut tätige Personen Geheimnisse, die ihnen ausschließlich auf Grund der Geschäftsverbindung mit Kunden anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind, nicht offenbaren oder verwerten. Verletzungen des Bankgeheimnisses stehen unter zivil- und strafrechtlicher Sanktion (§ 101 BWG; es handelt sich um ein Antragsdelikt). Das Bankgeheimnis erstreckt sich aber auch auf „sonst für Kreditinstitute tätige Personen“ (§ 38 Abs 1 BWG). Durch diese weite Definition der zur Wahrung des Bankgeheimnisses verpflichteten Personen wollte der Gesetzgeber wirtschaftlichen Erfordernissen insbesondere nach Auslagerung bestimmter Unternehmenstätigkeiten an Dritte Rechnung tragen. Als Verpflichtete im Sinne des § 38 BWG sind daher wohl auch Personen anzusehen, die von dem auslagernden Rechtsträger für Zwecke der Abwicklung bankgeschäftlicher Tätigkeiten im Wege des Outsourcings herangezogen werden. Analoges gilt auch für die Verschwiegenheitspflicht gemäß § 7 Abs 1 WAG 2007, welcher Wertpapierfirmen, WPDLU und die für diese tätigen Personen unterliegen. Diesbezüglich wird auch in den Erläuternden Bemerkungen ausdrücklich angeführt, dass die Verschwiegenheitspflicht nicht nur für das Unternehmen selbst, sondern auch für Outsourcingdienstleister, vertraglich gebundene Vermittler und Finanzdienstleistungsassistenten gilt. Es ist zwar auch vor dem Hintergrund der strengen sektorspezifischen Datenschutzbestimmungen gemäß § 38 BWG und § 7 WAG 2007 grundsätzlich zulässig, dass Daten im Zuge des Outsourcings an beauftragte Dritte (unter Einhaltung aller Voraussetzungen) weitergegeben werden, jedoch erstrecken sich in diesem Fall auch die Restriktionen des Bankgeheimnisses und der Verschwiegenheitspflicht auf diese Dienstleister.
4.
Offshore-Outsourcing (Bertram Burtscher)
Österreich ist mit gut acht Millionen Einwohnern ein verhältnismäßig kleiner Markt und weist gleichzeitig im Dienstleistungsbereich ein hohes Preisniveau auf. Unternehmen und Konzerne, die in Österreich und über dessen Grenzen hinaus Tätigkeiten entfalten, sind daher vielfach gezwungen, einerseits die Vorteile der Auslagerung einzelner Leistungen aber auch
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ganzer Geschäftsprozesse in kostengünstigere Destinationen wie Indien, China oder Südostasien zu nutzen. Andererseits sind sie damit aber auch gezwungen, sich den weniger geläufigen Herausforderungen zu stellen, die mit einem solchen „Offshore-Outsourcing" verbunden sind. Die nachstehenden Abschnitte geben einen Überblick über rechtliche und strukturelle Fragenstellungen und Lösungsansätze, die sich beim Offshore-Outsourcing typischerweise – und auch nicht notwendigerweise spezifisch für Österreich – ergeben. Aufgrund der Vielzahl möglicher Fallkonstellationen, betroffener Rechtsordnungen und Art der auszulagernden Dienstleistungen oder Geschäftsprozesse können die nachfolgenden Abschnitte freilich nur eine Art Checkliste für den Einstieg in die Thematik des Offshore-Outsourcings bieten.
4.1
Strukturfragen der Offshore-Vertragsbeziehung
Eine der wichtigsten Grundsatzentscheidungen und wesentlicher Faktor für Erfolg oder Misserfolg eines Offshore-Outsourcing Projektes ist die Gestaltung der Zusammenarbeit mit der ausgelagerten Einheit in der Offshore-Destination. Hier bietet sich grundsätzlich ein breites Spektrum an Varianten an, welches in seinen Polen vom sogenannten „Captive Model" einerseits bis hin zum vollständigen Outsourcing einer Dienstleistung oder eines Geschäftsprozesses an einen unabhängigen Offshore-Anbieter andererseits reicht. In der Folge werden die einzelnen Strukturvarianten und wichtige Mischformen kurz im Überblick dargestellt.
4.1.1
Captive Model
In dieser Variante errichtet das outsourcende Unternehmen in der Offshore-Destination eine vollkommen eigenständige Einheit und behält vollständige Kontrolle und Verantwortung über Kosten, Servicequalität, Fehlermanagement und personelle Ressourcen. Dieses Modell wird bevorzugt von Unternehmen gewählt, welche bei Auslagerungstätigkeiten in neue Wirtschaftsräume (wie China, Indien oder Südostasien) noch wenig Erfahrung besitzen oder die aus anderen Gründen (Schutz von Immaterialgüterrechten, Know-how oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, aus Datenschutzgründen oder aufgrund enger regulatorischer Rahmenbedingungen) restriktiv in der Zusammenarbeit mit Partnerunternehmen vorgehen müssen. Während der Sprung in einen anderen Wirtschafts- und Kulturraum ohne enge Involvierung lokaler Partner in der Regel ein höheres Risiko für Ineffizienzen und oft – zumindest anfangs – ein geringeres Kostensenkungspotenzial beinhaltet, behält das outsourcende Unternehmen beim Captive Model deutlich stärkere Kontrolle über alle Informationen und Prozesse. Je nach Gewichtung der einzelnen Aspekte kann ein hohes Maß an Kontrolle die dadurch abgeschwächten Möglichkeiten der Nutzung von Vorteilen eines Offshore-Outsourcings abfedern. Wohl nicht zuletzt aufgrund des Umstandes, dass das Kostensenkungspotenzial in
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zahlreichen Offshore-Ländern gegenüber dem europäischen Markt noch immer erheblich ist, nimmt das Captive Modell gerade beim Outsourcing nach Südostasien, Indien und China noch immer einen großen Stellenwert ein.
4.1.2
Build Operate Transfer (BOT-Modell)
Die Risken und Nachteile eines reinen Captive Model lassen sich teilweise durch die Wahl eines BOT-Ansatzes abfedern. Das Charakteristikum dieses Modells liegt darin, dass das outsourcende Unternehmen für den Aufbau und die Inbetriebnahme der ausgelagerten Betriebsstätte sich eines lokalen, meist im jeweiligen Geschäftsbereich erfahrenen Partners bedient und erst nach Erreichung eines definierten, meist eingeschwungenen Betriebszustandes die Übernahme der Offshore Niederlassung vollzieht. Auch bei diesem Modell besteht – wenn auch in abgemilderter Form – grundsätzlich die Möglichkeit weitestgehender Kontrolle über die zu erbringenden Dienstleistungen, jedoch werden die zahlreichen Einstiegshürden und Nachteile, die sich dem unerfahrenen Neuling in einem Kultur- und Wirtschaftsraum typischerweise stellen, elegant umschifft. Der Vorteil der Einbindung von lokalem Knowhow und Erfahrung wird teilweise kompensiert durch den Aufwand der Bewältigung notwendiger Übergangsphasen bei der Rück- beziehungsweise Überführung der OffshoreNiederlassung in die alleinige Kontrolle oder ein Joint Venture mit dem outsourcenden Unternehmen. Oft ist ein BOT-Ansatz gekoppelt mit einer Joint Venture Struktur, bei der sich der „Transfer" nach der Aufbauphase durch Realisierung gesellschaftsrechtlicher Optionsstrukturen darstellt. Hier ist ein weites Feld an Spielformen möglich. Ob eine Übernahme auf der Ebene der Beteiligungsstruktur oder durch vertragliche Erlangung von Kontrolle über den Dienstleister stattfindet, hängt nicht zuletzt von rechtlichen Rahmenbedingungen ab. Gerade beim Offshoring regulierter Geschäftsbereiche nach Südostasien und China steht etwa dem BOT-Transfer im Wege der Anteilsabtretung nicht selten entgegen, dass bestimmte regulierte Geschäftsbereiche nur von lokalen Unternehmungen betrieben werden dürfen. Die durchaus legalen Strukturen zur Umgehung beziehungsweise Bewältigung solcher regulatorischer Hindernisse und Rahmenbedingungen sind meist komplex und nicht in allen Fällen durchführbar. Oft ist ein Ausweg über eine Joint Venture Struktur mit einem lokalen Partner oder überhaupt die vollständige Auslagerung an einen lokalen Partner mit einem deutlich geringeren Ausmaß an Kontrolle über die ausgelagerte Tätigkeit unvermeidlich.
4.1.3
Joint Venture
Kernpunkt dieser Form der Zusammenarbeit zwischen dem Auftraggeber und dem OffshorePartner ist die wechselseitige Nutzung von Stärken und besonderen Erfahrungsbereichen zur Erreichung einer „Win-Win" Situation. Bei dieser Strukturvariante investieren beide Partner gemeinsam in eine – meist neu zu gründende – Zielgesellschaft und syndizieren sich auf Gesellschafterebene über die wechselseitigen Rechte und Pflichten. Der eigentliche Outsourcing Vertrag ist somit meist innerhalb des Konzernverbunds. Synergieeffekte lassen sich in
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mannigfaltiger Weise erzielen, sei es durch spezielles Know-how eines Partners, besonderes lokales oder kulturelles Wissen, lange Erfahrung in einem bestimmten Markt oder Kulturkreis oder auch durch wechselseitiges Profitieren von Marktreputation oder von bekannten Marken. Dieses Modell bietet einen vergleichsweise risikolosen Einstieg in OffshoreOutsourcing Szenarien, um erste Erfahrungen zu sammeln und weitere Stufen des OffshoreOutsourcings vorzubereiten.
4.1.4
Outsourcing zum unabhängigen Offshore-Anbieter
In dieser Variante des Offshoring überwälzt das outsourcende Unternehmen in weitestem Umfang die Kontrolle über Kosten, Qualität der Dienstleistung und Umsetzung der mit der mit dem Outsourcing verbundenen Ziele dem lokalem Partner. Gerade im Bereich der Bankund Finanzdienstleistungen bleibt diese Form des Offshore-Outsourcings auf einen engen Bereich von (meist nicht regulierten oder nebensächlichen) Tätigkeiten beschränkt. Aufgrund der zunehmenden Professionalisierung einiger Offshore-Anbieter sowie aufgrund von teils maßgeschneiderten Produkten, die die Offshore-Anbieter, teils über lokale Repräsentanzen, für eine Vielzahl europäischer Jurisdiktionen anbieten, eröffnet sich mit dieser Variante des Offshore-Outsourcings ein schneller und im Hinblick auf Kosten und Implementierung kalkulierbarer Zugang zum Offshore-Outsourcing. Allerdings ist diese Variante in den seltensten Fällen eine taugliche Plattform für das Outsourcing von Kernbereichen oder zentraleren Geschäftsprozessen eines Bank- oder Finanzdienstleistungsunternehmens.
4.2
Due Diligence
Banken und Finanzdienstleister unterliegen oft aufgrund sektorspezifischer Regulierung höheren Sorgfaltsmaßstäben und speziellen aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen. Daher ist bei vielen Offshore-Outsourcing-Projekten eine einschlägige Due Diligence Prüfung der Rahmenbedingungen und insbesondere des Offshore-Partners unumgänglich. Die dabei angewendeten Methoden und Standards sind im Wesentlichen vergleichbar mit jenen, die in grenzüberschreitenden M&A-Projekten zur Anwendungen kommen. Folgende wesentlichen Fragestellungen sollten im Rahmen einer solchen Offshore Due Diligence jedenfalls untersucht werden: Gesellschaftsrechtliche Due Diligence beim Offshore-Partner und bei dessen wesentlichen Partnerunternehmen und Kunden (mögliche Wettbewerber) zur Vorbereitung der Strukturentscheidung. Analyse laufender und bisheriger streitiger Auseinandersetzungen, in die der OffshorePartner involviert ist.
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Marktreputation, finanzielles Standing und Involvierung in aufsichtsrechtliche Untersuchungen. Ausführliche Due Diligence im Bereich der arbeits- und dienstrechtlichen Rahmenbedingungen sowie der Personalausstattung und der Zuordnung von Schlüsselkräften zu anderen Projekten (Wettbewerber). Sicherheitsrelevante Fragestellungen in operativen, logistischen und auch in juristischen Belangen. Analyse der Telekommunikations- und sonstigen infrastrukturellen Anbindung sowie deren nachhaltige Sicherstellung über die Laufzeit des geplanten Offshore-Outsourcings. Analyse der lokalen regulatorischen Rahmenbedingungen insbesondere in sektorspezifisch regulierten Bereichen. Die Ergebnisse einer umfassenden Due Diligence-Prüfung des Offshoring-Partners und des regulatorischen Umfeldes in der Offshore-Destination stellen die wesentliche Entscheidungsgrundlage für viele praktische Fragen, insbesondere für die Wahl des Strukturmodells, dar.
4.3
Governance
Auch und gerade Offshore-Modelle bedürfen einer verlässlichen, effektiven und sehr klar geregelten Steuerung und Koordinierung zwischen Auftraggeber und Offshore-Partner. Dazu werden in der Regel mehrstufige Governance-Modelle vertraglich zwischen den Partnern vereinbart. Das Governance-Modell muss sämtliche wesentlichen Projektphasen, insbesondere die Phase des Markteintrittes und grundlegende Veränderungen des Projektes begleiten. Einem effektiven Governance-Modell kommt auch deshalb große Bedeutung zu, weil sich die Rechtsdurchsetzung und Wahrung von Ansprüchen in Offshore-Destinationen teils erheblich von bekannten Konzepten unterscheidet. Die disziplinierende Wirkung von hierzulande bekannten rechtsstaatlichen Sanktionen für Vertrags- und Rechtsverletzungen sowie die damit verbundenen Wertungen und Werthaltungen dürfen nicht unbesehen im selben Ausmaß wie hierzulande vorausgesetzt werden. Zur Vermeidung von unliebsamen Überraschungen empfiehlt es sich daher, stärkeres Augenmerk auf die zwischen den Partnern selbst im Ourtsourcing-Vertrag geregelten Governance-Mechanismen zu legen und die Austragung allfälliger unüberbrückbarer Differenzen nur im Notfall und nach Durchlaufen bekannter und selbstgewählter Strukturen vor die jeweils zuständigen staatlichen Gerichte oder vor ein von den Parteien gewähltes Schiedsgericht zu tragen. Ausführliche Regelungen zur internen Streitbeilegung und zur Projekt-Governance haben sich in der kontinentaleuropäischen Vertragspraxis noch immer nicht in jenem Ausmaß und in jener Regelungstiefe etabliert, wie dies etwa aus dem angloamerikanischen Rechtskreis be-
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kannt ist. Ein tragfähiges Governance-Modell mit ausdifferenzierter interner Eskalations- und Streitbeilegungsmechanik ist oft der Schlüssel für eine erfolgreiche Überbrückung kultureller Unterschiede im Offshore-Outsourcing und trägt wesentlich zur wechselseitigen Vertrauensbildung bei.
4.4
Personalfragen
Im Zuge eines Offshore-Outsourcing Projektes stellen sich Personalfragen sowohl im Onshore als auch im Offshore Bereich. An beiden Enden gilt es, die adäquaten Schnittstellen zu schaffen. Nachfolgend wird eine Reihe von typischen Fragestellungen angeführt, die im Bereich des Personalwesens konstruktiv zu bewältigen sind, um den Erfolg eines OffshoreOutsourcings abzusichern: Identifikation von Konsultations- und Informationspflichten für Mitarbeiter die im Zuge des Offshore-Outsourcings betroffen sind (Verlagerung von Dienstorten, Änderung des Anforderungsprofils, Abstimmung mit Betriebsräten, Gewerkschaften und Interessenvertretungen). Erstellung einer Zeitschiene für die gesamte Projektlaufzeit. Rechtliche Rahmenbedingungen für die Verlagerung und den Transfer von Mitarbeitern (temporär oder permanent) einschließlich Analyse der zugehörigen Kosten und möglicher Substitutionen vor Ort. Beendigungskosten für redundante Mitarbeiter. Konzepte zur Bewältigung von Sprachbarrieren und Kommunikationsfragen einschließlich der zugehörigen Zeitlinien. Dieser Punkt kann wesentlich für die frühzeitig richtige Zusammensetzung des Kernprojektteams sein. Verfügbarkeit von qualifizierten und mit den entsprechenden sprachlichen und kulturellen Gegebenheiten vertrauten Mitarbeitern im Kernbereich. Aufwendungen und Logistik für das Training von Mitarbeitern und für den Erwerb des nötigen Know-hows sowohl in fachlicher Hinsicht als auch zur Überbrückung sozialer und kultureller Unterschiede. Personalstruktur und Verweilzeit von Schlüsselkräften beim Partnerunternehmen. Allfällige Pakete zur Sicherung von Schlüsselkräften über die Laufzeit heikler Projektphasen. Da die sogenannte „Labour-Arbitrage“, das starke Preisgefälle bei den Kosten für qualifizierte Mitarbeiter in vielen Offshore-Oustourcings eine zentrale Rolle spielt, empfiehlt es sich, gravierende Veränderungen oder den Wegfall dieses Kostengefälles mit ExitSzenarien im Vertrag zu verknüpfen.
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4.5
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Steuern und Abgaben
Aufgrund der schon innerhalb Europas nur teilweise realisierten und gegenüber OffshoreDestinationen oft völlig fehlenden Steuerharmonisierung sind (in Abhängigkeit von der gewählten Strukturvariante) insbesondere Fragen der Gesellschaftssteuer, der Umsatzsteuer für den externen und internen Leistungsaustausch sowie der unterschiedlichen Konsolidierungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Ebenso gilt es, Transfer-Pricing-Restriktionen, Registrierungs- und Lizenzgebühren von teils erheblichem Ausmaß zu beachten. Andererseits bieten zahlreiche Jurisdiktionen sowohl im Heimatstaat als auch in der Offshore-Destination attraktive staatliche Anreizsysteme zur – zumindest temporären – Steuererleichterung, deren Ausnutzung nicht selten ein entscheidender Faktor für die Wahl einer bestimmten OffshoreDestination oder eines bestimmten Offshore-Outsourcing-Modells darstellt.
4.6
Sicherheit und Vertraulichkeit
Im Unterschied zum Captive Model stellen sich bei der Wahl von stärker integrierten Formen der Zusammenarbeit mit dem lokalen Offshore-Outsourcing Partner eine Reihe von durchaus komplexen Fragen zur Sicherheit, Vertraulichkeit und zum Datenschutz. Gerade im Bereich der Bank- und Finanzdienstleistungen bleibt oft nur ein geringer Entscheidungsspielraum. In diesem Zusammenhang sind insbesondere folgende Punkte zu beachten: Saubere Trennung der Arbeitsprozesse und Arbeitsumgebungen des outsourcenden Unternehmens von den operativen Prozessen anderer Kunden des lokalen Outsourcing Partners. Operative, logistische und physische Absicherung der Kundensysteme und Kundendaten insbesondere in regulierten Bereichen. Vermeidung und Überwachung unautorisierter Offenlegungen oder Zugriffe auf vertrauliche Informationen und Know-how des outsourcenden Unternehmens. Analyse des rechtlichen und kulturellen Umfeldes hinsichtlich der Wahrung von Vertraulichkeit und Know-how. Gerade in diesem Bereich weisen einzelne Jurisdiktionen gravierend unterschiedliche Traditionen auf und es kann nicht in allen Fällen von einem ähnlichen Unrechtsbewusstsein oder vergleichbaren Werthaltungen ausgegangen werden, wie es aus dem heimischen Wirtschaftsumfeld bekannt ist. Die teils historisch gewachsenen Unterschiede sind beträchtlich und erfordern eine weit aktivere Befassung durch die Outsourcing-Partner.
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Analyse der Kompatibilität des lokalen und des Offshore Datenschutzrechtes im Hinblick auf den verpflichtenden Schutz der Vertraulichkeit personenbezogener Daten. Hier gilt der Grundsatz, dass in der Regel die strengeren Normen des Heimatstaates zu beachten sind und dass diese auch durch Auslagerung in datenschutzrechtlich flexiblere Jurisdiktionen nicht wirksam umgangen werden können. Analyse und Implementierung von Einschränkungen des Datentransfers und allfälliger Erfordernisse der Zustimmung von Datensubjekten zum Datentransfer in OffshoreDestinationen. Nachdem es sich hier nicht selten um Datentransfers in (nach europäischen Maßstäben) nicht sichere Drittländer handelt, sind die jeweiligen Erfordernisse der Datenüberlassung in Drittländer außerhalb der EU zu beachten.
4.7
Währung und Wechselkurse
Beim Offshoring sind klare Regelungen über die zu verwendende Währung und Wechselkurse zu treffen. Auch ist auf Prozesse und Mechanismen im Vertrag Bedacht zu nehmen, wie mit Währungsstabilität, Inflation und Wechselkursen umzugehen ist und wie die damit verbundenen Risiken zwischen den Vertragsparteien verteilt werden.
4.8
Risikomanagement und Business Continuity
Insbesondere im Bereich des Outsourcings von Kernbereichen oder ganzer Geschäftsprozesse rückt die Frage des Risikomanagements und des Erhaltes der kontinuierlichen Leistungserbringung (business continuity) aus der Offshore-Destination zunehmend in den Vordergrund. Während der Handlungsspielraum und die Erfahrung im Umgang mit Leistungsstörungen in vertrauter Wirtschaftsumgebung vergleichsweise einfach sind, treiben außerplanmäßige oder gar kritische Beeinträchtigungen der Geschäftstätigkeit in der Offshore-Destination das Konflikt- und Prozessmanagement vieler Unternehmen rasch an seine Grenzen. Insbesondere im Bereich der Bank- und Finanzdienstleistungen, wo nicht selten komplexe und vernetzte Abläufe ausgelagert werden, ist besonderes Augenmerk auf sorgfältige vertragliche Regelungen zur Beherrschung dieser Aspekte zu legen. Dazu sind insbesondere folgende Aspekte zu beachten: Sicherstellung kontinuierlicher Leistungserbringung im Fall planbarer und allgemeiner Dienstunterbrechungen im laufenden Betrieb (etwa durch Redundanz kritischer Systeme oder Second Sourcing) sowie marktübliche Desaster Recovery Maßnahmen.
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Vorhaltung von Ersatzkapazitäten beziehungsweise Infrastruktur zur Abminderung nachteiliger Effekte aus dem temporären oder permanenten Verlust von produktiven Systemen. Gerade in Billiglohn-Destinationen beschränkt sich das Risiko der Business Continuity nicht nur auf einen möglichen Ausfall von Infrastruktur, Netzwerken oder Produktionsmaschinen, sondern auch auf den Verlust von Schlüsselkräften des Outsourcing Partners. Prozesse und Abläufe zum Management kritischer Fehler oder Totalausfälle der Offshore Infrastruktur. Proaktives Risikomanagement durch Audit-Rechte, breiten Zugang zu geschäftlichen Aufzeichnungen und Dokumentationen, klare Kommunikationsabläufe, Vorbereitung von Krisenplänen für politische oder logistische Risken, Analyse und Bewertung des rechtlichen und regulatorischen Umfeldes. Auslotung von Möglichkeiten zur ausgewogenen Risikoverteilung zwischen lokalem Partner, outsourcendem Unternehmen und allenfalls auch Kunden, die von dem OffshoreOutsourcing erhebliche Vorteile generieren (Risk Sharing).
4.9
Compliance
Tätigkeiten in regulierten Industriebereichen, wie auch im Bank- und Finanzdienstleistungswesen, finden mittlerweile auf globaler Ebene, zumindest ähnliche regulatorische Rahmenbedingungen vor. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass eine im Inland regulierte Geschäftstätigkeit im Zweifel auch in der Offshore-Destination, teils sogar für ausgelagerte Nebenbereiche, regulatorischer oder aufsichtsrechtlicher Kontrolle unterliegt. Es empfiehlt sich daher, rechtzeitig mit den zuständigen Regulierungsbehörden (On- und Offshore) in Kontakt zu treten und auch scheinbar nebensächliche Outsourcing-Projekte hinsichtlich ihrer regulatorischen Zulässigkeit sorgfältig zu prüfen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass in den seltensten Fällen durch Offshore-Outsourcing regulierter Geschäftsbereiche eine Entlastung von regulatorischen oder aufsichtsrechtlichen Verpflichtungen erzielt werden kann.
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5.
Change Control (Bertram Burtscher)
5.1
Change – eine oft unterschätzte Herausforderung
Volumen und Komplexität moderner Outsourcing-Projekte bringen es mit sich, dass die Bindung und wechselseitige Abhängigkeit der Partner und auch die Laufzeit der großen Deals stetig zunimmt. Diese Entwicklung birgt eine Herausforderung, deren Beherrschung bestimmend für den nachhaltigen Erfolg eines Outsourcings ist: Veränderung. Maßnahmen zur Beherrschung von Veränderungen wesentlicher Projektparameter aller Art werden auch unter dem Sammelbegriff "Change Control" zusammengefasst. Bei näherem Hinsehen ist der ungleich größere Stellenwert, den die Beherrschung von Veränderungen in großen Outsourcing-Projekten einnimmt, leicht erkennbar. Outsourcing mausert sich zunehmend zu einem vielseitigen Management-Tool, das über die reine Funktion der Kostenoptimierung hinausgeht. In hochentwickelten Industrie- und Technologienationen ist der wirtschaftliche Erfolg längst nicht mehr allein über ein niedriges Kostenniveau abzusichern. Die nachstehend gelisteten Zielsetzungen sind völlig losgelöst von möglicher Kostensenkung maßgeblich für die Make-or-Buy Entscheidung: Das Schritthalten mit immer kürzer werdenden aber trotzdem kritischen Innovationszyklen ist für viele – auch durchaus große Unternehmungen –nicht mehr wirtschaftlich darstellbar. Oft sind nur hochspezialisierte Nischenplayer (etwa dem sicheren Betrieb hochverfügbarer Computernetze) dazu in der Lage. Die nötige Flexibilität zur raschen Reaktion auf Marktveränderungen lässt sich insbesondere soweit nicht das Kerngeschäft betroffen ist, ungleich effizienter über ausgelagerte Partner bewerkstelligen. Das Management und die qualifizierte Verteilung des unternehmerischen Risikos. In all diesen Fällen steht gar nicht mehr die Senkung von Kosten, sondern vielmehr das Management von Veränderungen selbst im Vordergrund. Dennoch sind viele – insbesondere in die Jahre gekommene – Outsourcing-Verträge zu stark auf den Aspekt der Kostensenkung fokussiert. Selbst für die Bewältigung absehbarer und notwendiger Veränderungen des Marktumfeldes bieten viele Verträge keine Hilfestellungen. Das Management von Veränderung ist typischerweise auch dann besonders relevant, wenn es um die konstruktive Weiterführung von Outsourcing-Verträgen geht, die ans Ende ihrer Laufzeit gelangen (Renewal-Deals). Diese kritische Phase einer langjährigen Zusammenarbeit bietet für beide Seiten Risiken und Chancen und meist liefert erst die entsprechende vertragliche Vor- und Aufbereitung der Change Control-Mechanismen den Schlüssel zum erfolgreichen Abschluss eines Vertrages für die weitere gemeinsame Zukunft.
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407
Wechselseitige Abhängigkeit
Wechselseitige Abhängigkeiten in der Zusammenarbeit von Outsourcing-Partnern können eine Reihe von Ursachen haben. Unmittelbar einleuchtend sind jene Fälle, in denen ein Unternehmen selbst nicht, oder zumindest nicht mit vertretbarem Aufwand und mit der mindestens geforderten Qualität und Zuverlässigkeit in der Lage ist, eine ausgelagerte (Dienst)Leistung selbst zu erbringen. Wohl und Wehe des betrieblichen Erfolges sind hier naturgemäß von der sowohl fachlich wie auch kommerziell reibungslosen Kooperation der Geschäftspartner abhängig. Im Ergebnis ähnliche Situationen ergeben sich typischerweise in sehr lange andauernden Outsourcing-Vertragsbeziehungen, auch wenn es dabei durchaus um die Auslagerung von Routineleistungen geht, die aber für einen reibungslosen Betrieb mit hoher Konstanz und Verlässlichkeit erbracht werden müssen (business continuity). Ist einmal – meist aus Effizienz oder Kostenüberlegungen – die „Make-or-Buy"-Entscheidung zu Gunsten des Outsourcing gefallen, so verliert sich beim auslagernden Unternehmen entweder gleich zu Beginn durch Betriebsübergang oder über kurz oder lang auch eine anfänglich meist verbliebene Restkapazität des einschlägigen Fachpersonals. Der Auftraggeber begibt sich damit schleichend in die Hand des Dienstleisters. Für Zerwürfnisse oder gar eine Auflösung des Vertragsverhältnisses aus wichtigem Grund bleibt vielfach schon deshalb kein Raum, weil die damit einhergehende Betriebsunterbrechung ein Schadenspotenzial in sich birgt, welches das Haftungsvolumen der ursprünglich vielleicht sogar als nebensächlich erachteten Outsourcing-Vertragsbeziehung weit übersteigt. Andererseits scheitert eine Überwälzung dieses unternehmerischen Risikos auf den Outsourcing-Partner meist schon daran, dass dafür keine vertraglichen Vorkehrungen getroffen wurden (Exit- und Transition-Regelungen) oder dass die Bonität und Finanzkraft des Outsourcing-Partners schlicht unzureichend ist. Ungeachtet dieses schleichenden Aufbaues von Abhängigkeiten treten weder der Markt noch die betrieblich-technischen Entwicklungen auf der Stelle. Starke Abhängigkeiten zwischen Vertragspartnern schaffen in Phasen der Veränderung typischerweise ein erhebliches Ungleichgewicht in den Verhandlungen, welches dann nicht selten in unadäquaten kommerziellen Regelungen seinen Niederschlag findet. Auch große Unternehmen können so weitgehend der Willkür sogar viel kleinerer Vertragspartner aussetzt werden. Tatsächlich stellen prozedurale Schwächen bei der konstruktiven Bewältigung von Veränderungen in einer OutsourcingPartnerschaft eine der Hauptursachen für spektakuläre Fehlschläge dar.
5.3
Zielsetzung und Varianten der Change Control
Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen sollte also ein hohes Maß an Veränderung in komplexen und lang laufenden Outsourcing-Transaktionen nicht weiter überraschen. Es
408
Bertram Burtscher / Friedrich Jergitsch
empfiehlt sich daher, diesen latenten Sprengstoff ambitionierter Projekte durch geeignete Maßnahmen und Regelungen zu entschärfen, die es dem Management erlauben, notwendige oder gar absehbare Veränderungen konstruktiv zu bewältigen. Ebenfalls wenig überraschend und doch nicht regelmäßig berücksichtigt ist der Umstand, dass ein Regelwerk zur besseren Bewältigung von Veränderungen im Projekt nicht erst im Anlassfall geschaffen werden kann, weil in dieser Situation typischerweise bereits Standpunkte eingenommen und Positionen zementiert sind. Andererseits scheinen Diskussionen über die Regelungen von Anpassungen und Änderungen des Vertrages in der euphorischen Aufbruchsstimmung bei einem neuen Vertragsabschluss oft artifiziell und überflüssig. Weitblickende Vertragsgestaltung muss jedoch darauf ausgerichtet sein, auch für schwierige Situationen zwischen den Partnern Lösungsmöglichkeiten anzubieten, die einer weiteren Zusammenarbeit zuträglich sind und nicht nur auf den wechselseitigen Schadensausgleich im Zuge vorzeitiger Auflösung ausgerichtet sind. Change Control schafft hier Abhilfe. Change Control-Regelungen sind typischerweise eng verzahnt mit den Bestimmungen zur Streitbeilegung und Governance. Ersteres, weil im Fall der Nichteinigung immer eine Eskalation droht und letzteres, weil die konstruktive Bewältigung einer Veränderung idealerweise im Wege funktionierender Governance stattfindet. Grundsätzlich kann Change Control in die drei Realisierungsvarianten ex ante, ex post und ad hoc gegliedert werden.
5.3.1
Change Control „ex ante“
In einigen Fällen – insbesondere im Bereich der Marktpreisentwicklung – sind Veränderungen vorhersehbar und gewissermaßen auch kalkulierbar. Die wesentlichen Parameter, die der Veränderung über die Laufzeit unterworfen sind, sind den Parteien bekannt und es bietet sich an, schon beim Vertragsabschluss verbindliche Regelungen für die Bewältigung der erwarteten Veränderung zu vereinbaren. Beispielhaft seien (i) die Indexierung, (ii) Preisanpassungsformeln oder (iii) die Vereinbarung vordefinierter Optionspakete (etwa für die Ergänzung oder Änderung des Leistungsumfanges) genannt. Für Indexierungen bieten sich eine Reihe von branchenspezifischen Maßzahlen und Veröffentlichungen an, die gegenüber den standardmäßig verwendeten Indizes (etwa dem Verbraucherpreisindex 2000 der Statistik Austria; www.statistik.at) die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen besser – weil punktgenauer – abbilden. Beispielhaft seien zahlreiche Immobilienindizes oder auch die Branchenfachindizes des Fachverbandes für die Elektro- und Elektronikindustrie (www.feei.at) genannt. Um das Rechenwerk und die Angebotserstellung für nachträgliche Anpassungen möglichst konsistent gegenüber dem ursprünglichen Angebot und damit kalkulierbar zu halten, empfiehlt sich ein hohes Maß an Transparenz schon bei den Angebotsunterlagen. Die unliebsame
Ausgewählte Aspekte zum Outsourcing von Bank- und Finanzdienstl. in Österreich
409
Offenlegung von Kalkulationsansätzen des Dienstleisters ist meist nur in einer kompetitiven Angebotsphase durchsetzbar, später jedoch ungemein hilfreich, um die Plausibilität eines Angebotes im Zuge des Change-Control Prozesses zu beurteilen. Change Control in vordefinierter Form muss freilich scheitern, wo die Entwicklungen am Markt und die damit einhergehenden Veränderungen nicht über vordefinierte Parameter abschätzbar oder bestimmbar sind; dafür müssen andere Mechanismen gefunden werden.
5.3.2
Change Control „ex post“
Sind Inhalt und Tragweite einer Veränderung des Marktes oder der rechtlichen Rahmenbedingungen einmal bekannt, so lässt sich der damit einhergehende Anpassungsbedarf am Outsourcing-Vertrag noch punktgenauer bestimmen, als dies am Beginn einer Vertragsbeziehung möglich war. Während mittels Change Control „ex ante“ ein hohes Maß an Vorhersehbarkeit ursprünglich vereinbarter Preise und Preisentwicklungen erzielt werden kann, erlaubt Change Control „ex post“ meist eine exaktere Nachbildung und Vertragsanpassung an die wirtschaftliche Realität im veränderten Marktumfeld. Ein typisches Beispiel für diese Art der vertraglich vereinbarten Herangehensweise zur Vertragsanpassung ist das Benchmarking (oder ähnliche Vergleichsmarktkonzepte) unter Involvierung der Expertise eines unabhängigen Dritten. Benchmarking wird jedoch in der Praxis oft überschätzt bzw. klaffen die Erwartungen der Parteien und die Leistungsfähigkeit dieses Tools nicht selten deutlich auseinander. Bereits bei der Vereinbarung eines BenchmarkMechanismus im Vertrag sollten sich die Parteien genau über folgende Aspekte im Klaren sein: Ist die über Benchmark zu validierende Größe (etwa ein Preis) oder Fragestellung (etwa ein Leistungsumfang) so generisch, dass realistisch mit einer ausreichend breiten Datenbasis in vergleichbarem Marktumfeld gerechnet werden kann? Welche Konsequenzen wollen die Partner an das Ergebnis einer Benchmark konkret für den Vertrag knüpfen (Kündigungsrechte, automatische Vertragsanpassungen, unverbindliche Verhandlungsgrundlage etc.)? Bei verbindlichen Konsequenzen oder Automatismen: Wie wird ein BenchmarkingUnternehmen identifiziert und wer trägt die Haftung für die Richtigkeit der im Benchmark-Prozess gewonnenen Ergebnisse, die dann mit unter gravierende Konsequenzen auslösen können? In den wenigsten Fällen wird ein Benchmark geeignet sein, als Substitut für ein internes oder externes Entscheidungsgremium (Governance oder Gerichte) kritische Fragestellungen der Change Control autonom zu lösen. Objektiv und sauber gemachte Benchmarks können jedoch einen wertvollen Beitrag leisten, um eine richtige Positionierung der Vertragspartner am Beginn eines Change Control-Prozesses zu erreichen und die Erwartungshaltungen der Parteien realistisch zu halten.
410
5.3.3
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Change Control „ad hoc“
Die wohl anspruchsvollste Variante zur Änderung bzw. Anpassung wesentlicher Vertragsbestimmungen stellt sich „ad hoc“, also unmittelbar im Anlassfall. Sie behandelt buchstäblich Unvorhergesehenes und ist daher typischerweise im Bereich der Governance oder der Streitbeilegung angesiedelt. Dennoch kann auch diese Form des Veränderungsmanagements durch administrative Maßnahmen unterstützt werden. Folgende Regelungsansätze haben sich als zweckmäßig erwiesen: Eine Einigung über notwendige Anpassungen vertraglicher Rahmenbedingungen scheitert meist nicht an der Frage, ob die Änderung an sich notwendig ist, sondern vielmehr daran, wie diese zu implementieren und zu remunerieren ist. Es empfiehlt sich daher, die Entscheidung der Parteien bei fortgeschrittenem Eskalationsstadium nach Möglichkeit darauf zu beschränken, ob und worin Veränderungsbedarf besteht und ob diese Frage von einschlägigen Experten geklärt werden soll. Diese können dann über ein vorab vereinbartes Prozedere bestellt und mit der konkreten Ausgestaltung (etwa von Preis und Leistungsumfang) betraut werden. Erfolgreiche Outsourcing-Projekte zeichnen sich nicht zuletzt dadurch aus, dass Veränderungen auch rasch und effizient implementiert werden. Dabei kann schon in Vorstufen von der jeweiligen Expertise der Beteiligten profitiert werden. So empfiehlt es sich etwa, den bereits verpflichteten Outsourcing-Dienstleister auch vertraglich zur Vorlage einer Machbarkeitsstudie und zur Ausarbeitung von Realisierungsvorschlägen der geplanten Änderungen anzuhalten. Damit wird diesem die Möglichkeit geboten, den Lösungsansatz gleich von vornherein mit eigenen Abläufen optimal zu verzahnen.
6.
Arbeitsrecht (Stefan Köck)
6.1
Betriebsübergang
Arbeitsrechtlich ist im Falle von Ausgliederungen (Outsourcing) vor allem zu prüfen, ob es sich um einen Betriebs(teil)übergang im Sinne des AVRAG (Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz) handelt oder nicht. Ein Outsourcing kann einen solchen Betriebs(teil)übergang darstellen, dies muss aber nicht der Fall sein. Die Richtlinie 77/187 EWG des Rates vom 14.2.1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer
Ausgewählte Aspekte zum Outsourcing von Bank- und Finanzdienstl. in Österreich
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beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (die „BetriebsübergangsRL"), die in Österreich durch §§ 3ff AVRAG umgesetzt wurde, definiert einen Betriebs(teil)übergang als "Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- und Nebentätigkeit." Für die Beurteilung, ob ein Übergang eines Betriebes bzw. Betriebsteiles vorliegt, orientiert sich die österreichische Judikatur vor allem an der Rechtsprechung des EuGH. Demnach prüft die Judikatur zuerst, ob eine Funktion mit organisatorischer Einheit vorliegt.29 Der Begriff „Einheit" bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung (wobei im Einzelfall auch sehr kleine Einheiten, nämlich aus nur einer Person bestehend, als relevante Einheit qualifiziert werden können). Häufig werden von einer Outsourcing-Maßnahme betroffene Bereiche diese Kriterien erfüllen. Zweitens ist zu prüfen, ob ein relevanter Übergang dieser Einheit (also des relevanten Betriebs oder Betriebsteils) vorliegt. Dabei analysiert die österreichische Judikatur – im Wesentlichen entsprechend der Rechtsprechung des EuGH – ob die wesentlichen Betriebsmittel übergehen, und zu dieser Beurteilung werden folgende Kriterien analysiert: die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der Übergang oder Nichtübergang der materiellen Aktiva wie der Gebäude oder beweglichen Güter, der Wert der immateriellen Aktiva zum Zeitpunkt des Übergangs, die Übernahme oder Nichtübernahme der Hauptbelegschaft, der Übergang oder Nichtübergang der Kundschaft, den Grad der Ähnlichkeit dafür und der nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit, und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Diese Merkmale müssen einer Gesamtbeurteilung unterzogen und dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Es schadet also nicht, wenn einzelne dieser Merkmale nicht vorliegen, wenn stattdessen andere stärker gegeben sind. In der Praxis werden Outsourcing-Vorgänge häufig als Betriebs(teil)übergang i.S.d. AVRAG beurteilt. Die Erkenntnis, dass dennoch nicht jeder Outsourcing-Fall einen Betriebs(teil)übergang darstellt, ist dennoch wichtig:
29
EUGH 11.3.1997 Rs C 13/95 Ayse Süzen; EuGH 15.12.2005 Rs C 232/04 Nurten Güney-Görres; OGH 12.8.1999, 8 Ob A 61/99z; OGH 21.10.1999, 8 Ob A 142/98g
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Ein Beispiel für keinen Betriebs(teil)übergang stellt ein Outsourcing dar, bei dem zum Beispiel (i) die Dienstleistung in externen Räumen erbracht wird, (ii) keine Betriebsmittel übergeben werden und (iii) keine Arbeitnehmer übernommen werden (der Dienstleister die Leistung also mit eigenen Arbeitnehmern erbringt). Im Grunde die gleichen Kriterien gelten bei der Oursourcing-Nachfolge. Aufgrund der EuGH-Entscheidung in der Sache Süzen ist klar, dass eine bloße Vertragsnachfolge nicht als Betriebs(teil)übergang zu beurteilen.
6.2
Konsequenz eines Betriebs(teil)übergangs
6.2.1
Übergang des Arbeitsverhältnisses
Das Vorliegen eines Betriebsübergangs bewirkt im Regelfall, dass der Erwerber als neuer Arbeitgeber in sämtliche Rechte und Pflichten der im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse eintritt; das Arbeitsverhältnis wird als durchgängig aufrecht bestehend mit dem neuen Arbeitgeber fortgesetzt. Es tritt ein ex lege-Arbeitgeberwechsel ein (§ 3 Abs 1 AVRAG). Diese Rechtsfolge ist grundsätzlich zwingend und kann nicht abbedungen werden.
6.2.2
Folgen für Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen
Kollektivverträge Beim Outsourcing ist es nicht untypisch, dass der Outsourcing-Dienstleister einem anderen Kollektivvertrag unterliegt als der Outsourcer: Der gesetzlich anwendbare Kollektivvertrag richtet sich in Österreich im Wesentlichen nach dem Unternehmensgegenstand des Arbeitgebers, und dieser ist gerade beim Outsourcer nicht selten ein anderer als beim OutsourcingDienstleister. Kommt es im Zuge des Betriebsübergangs zu einem Wechsel des gesetzlich anwendbaren Kollektivvertrages, ist es dem Arbeitgeber erlaubt, mit dem Übergangsstichtag auf die neuen Kollektivvertragsbestimmungen umzustellen – unabhängig von der Günstigkeit, also auch wenn diese schlechter sind als die bisherigen. Nicht geschmälert werden darf allerdings das für die regelmäßige Arbeitsleistung in der Normalarbeitszeit gebührende kollektivvertragliche Entgelt. Gemäß § 4 Abs 1 AVRAG hat der Erwerber nach dem Betriebsübergang die im bisher anwendbaren Kollektivvertrag bis zur Kündigung oder zum Ablauf des Kollektivvertrages oder bis zum Inkrafttreten oder bis zur Anwendung eines anderen Kollektivvertrages vereinbarten
Ausgewählte Aspekte zum Outsourcing von Bank- und Finanzdienstl. in Österreich
413
Arbeitsbedingungen im bisherigen Umfang aufrechtzuerhalten; diese Wirkung ist für die Dauer eines Jahres zwingend. Diese Regel betrifft also primär den Fall, in dem der Outsourcing-Dienstleister keinem Kollektivvertrag unterliegt, der bisherige Arbeitgeber aber schon. Wie diese Bestimmung freilich mit einer anderen Regelung im Arbeitsverfassungsgesetz (§ 8 Z 2 ArbVG) zusammenspielt, die grundsätzlich im Fall des Betriebs- oder Betriebsteilübergangs eine zwingende Kollektivvertragsangehörigkeit des Erwerbers eines Betriebs oder Betriebsteils, der selbst keinem KV angehört, vorsieht, ist unklar.
Betriebsvereinbarungen Die für die übergegangenen Arbeitnehmer maßgeblichen Betriebsvereinbarungen gelten in der Regel auch nach dem Betriebsübergang weiter; ausnahmsweise werden sie jedoch durch Betriebsvereinbarungen beim neuen Arbeitgeber verdrängt, soweit dort Betriebsvereinbarungen über denselben Regelungsgegenstand bestehen und die übertragene Einheit in einer Art und Weise in den Betrieb des Erwerbers eingegliedert wird, dass dies dessen Betrieb nicht nennenswert verändert. Sie können allerdings in jedem Fall durch jüngere Betriebsvereinbarungen beim Erwerber aufgehoben oder verschlechtert werden. Auch eine Kündigung ist in der Regel möglich. Ist eine Betriebsvereinbarung durch Kündigung erloschen, so bleiben ihre Rechtswirkungen für Arbeitsverhältnisse, die unmittelbar vor ihrem Erlöschen durch sie erfasst waren, so lange aufrecht, als für diese Arbeitsverhältnisse nicht eine neue Betriebsvereinbarung wirksam wird oder mit den betroffenen Arbeitnehmer eine neue Einzelvereinbarung abgeschlossen wird (Nachwirkung). Im Falle der Kündigung einer Betriebsvereinbarung im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang kann aber eine die Nachwirkung außer Kraft setzende (verschlechternde) Einzelvereinbarung nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Übergang abgeschlossen werden. Die hier dargestellten Regeln gelten für „echte" Betriebsvereinbarungen, also solche, für die es eine gesetzliche oder kollektivvertragliche Grundlage gibt. „Freie Betriebsvereinbarungen“ – bei denen dies nicht der Fall ist – entfalten keine Normwirkung und finden – allenfalls – Anwendung auf letztlich individualvertraglicher Grundlage. In diesem Fall werden sie bei Betriebsübergang von der Vertragsübernahme-Automatik erfasst. Eine einseitige Beendigung durch den Arbeitgeber ist daher nicht möglich.
414
6.2.3
Bertram Burtscher / Friedrich Jergitsch
Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer
Allgemeines Das Gesetz sieht ein Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers nur in zwei speziellen Fällen vor. Gemäß § 3 Abs 4 AVRAG kann der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen, wenn der beim Veräußerer-Betrieb geltende kollektivvertragliche Bestandschutz wegfällt und/oder der Erwerber individualrechtliche Pensionszusagen des Veräußerers nicht übernimmt. Der Widerspruch hat innerhalb eines Monats ab Ablehnung der Übernahme oder bei Nichtäußerung des Erwerbers zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs innerhalb einen Monats nach Ablauf einer vom Arbeitnehmer gesetzten angemessenen Frist zur Äußerung zu erfolgen. Die Ausübung des Widerspruchsrechts bewirkt, dass das Dienstverhältnis des widersprechenden Arbeitnehmers zum Veräußerer aufrecht bleibt. Obwohl diese Frage noch nicht endgültig vom österreichischen Obersten Gerichtshof (OGH) geklärt wurde, wird wohl anzunehmen sein, dass es aufgrund dieser Regelung kein allgemeines Widerspruchsrecht der von einem Betriebs(teil)übergang erfassten Arbeitnehmer gibt. Bei Vorliegen besonderer Umstände kann hingegen durchaus ein Widerspruchsrecht auch außerhalb der besonderen im Gesetz genannten Gründe bestehen.
Im Besonderen: Wegfall des kollektivvertraglichen Bestandschutzes Unter „kollektivvertraglichem Bestandschutz“ i.S.d. § 3 Abs 4 AVRAG sind nach Ansicht der Literatur nur solche Bestimmungen in Kollektivverträgen zu verstehen, durch die die Kündigung bzw. Entlassung eines Arbeitnehmers an bestimmte Gründe gebunden ist oder an die Entscheidung eines besonderen „Gremiums“ (zum Beispiel einer Disziplinarkommission) geknüpft wird, nicht jedoch die bloße Erschwerung der Kündigung durch die Verlängerung der vom Arbeitgeber einzuhaltenden Kündigungsfristen oder eine Verkleinerung der Anzahl der zur Verfügung stehenden Kündigungstermine. Judikatur dazu liegt noch keine vor. Zum Wegfall des kollektivvertraglichen Bestandschutzes und somit zum Entstehen eines Widerspruchsrechts des Arbeitnehmers kann es nur dann kommen, wenn der Betriebsübergang zu einem Kollektivvertragswechsel führt und der Erwerber-Kollektivvertrag keine Bestandschutzregelungen enthält. Enthält der Erwerber-Kollektivvertrag einen für die Arbeitnehmer ungünstigeren Bestandschutz als der Veräußerer-Kollektivvertrag, dann begründet dies ein Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers nur, wenn damit ein erheblicher Qualitätsverlust des Bestandschutzes verbunden ist. Ein solcher wird zum Beispiel nicht gegeben sein, wenn im Erwerber-Kollektivvertrag bloß weniger Kündigungsgründe vorgesehen sind oder
Ausgewählte Aspekte zum Outsourcing von Bank- und Finanzdienstl. in Österreich
415
ein im Veräußerer-Kollektivvertrag vorgesehener spezieller Schlichtungsversuch oder eine qualifizierte Anhörung des Betriebsrates wegfällt.30 Ein Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers besteht allerdings dann nicht, wenn sich der Erwerber einzelvertraglich verpflichtet, einen Bestandschutz einzuräumen, der dem Bestandschutz des Veräußerer-Kollektivvertrag entspricht. Dieses Widerspruchsrecht ist im Finanzdienstleistungsbereich besonders relevant, weil im Sektor der österreichischen Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen in gewissen branchenspezifischen Kollektivverträgen besondere Bestandschutzregelungen bestehen: So sieht der für die österreichischen Sparkassen anwendbare Kollektivvertrag (im Folgenden „Sparkassen-KV“) vor, dass ein Dienstverhältnis unter bestimmten Voraussetzungen (wozu insbesondere eine zehnjährigen Dienstzugehörigkeit sowie eine entsprechende berufliche und gesundheitliche Eignung des Arbeitnehmers gehört) „definitiv“ und damit aus der Sicht des Arbeitgebers unkündbar wird. Ein solches Dienstverhältnis kann – von der Möglichkeit einer einvernehmlichen Beendigung abgesehen – durch den Dienstgeber nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.d. § 27 Angestelltengesetz („AngG“) aufgelöst werden. Ein erhöhter Bestandschutz ist auch im Kollektivvertrag für Angestellte von Versicherungsunternehmen (im Folgenden „Versicherungs-KV“) vorgesehen: So können Angestellte, die das 30. Dienstjahr und das 45. Lebensjahr vollendet haben, nur gekündigt werden (i) wegen wiederholter unzufriedenstellender Dienstbeschreibungen, (ii) wegen eines dienstlichen oder außerdienstlichen Verhaltens, das die betrieblichen Interessen nachteilig berührt, (iii) wegen einer zumindest 18-monatigen Dienstverhinderung infolge Krankheit oder Unfall, (iv) wegen Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension bzw. vorzeitiger Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit i.S.d. Bestimmungen des ASVG, (v) wegen Erreichbarkeit eines Anspruchs auf Alterspension oder (vi) wenn eine Personalreduktion notwendig ist und eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens trotz Verlangen des Arbeitnehmers betrieblich nicht sinnvoll ist. Für den Fall, dass im Zuge eines Betriebsübergangs die Anwendbarkeit des Sparkassen-KV bzw. Versicherungs-KV entfällt und der beim Erwerber anzuwendende Kollektivvertrag keinen oder einen gegenüber dem im Sparkassen-KV bzw. Versicherungs-KV deutlich herabgesetzten Bestandschutz vorsieht – was bei einer Outsourcing-Transaktion regelmäßig der Fall sein wird –, stünde den Arbeitnehmern somit ein Widerspruchsrecht gemäß § 3 Abs 4 AVRAG zu, es sei denn, dass der Erwerber den ursprünglichen Bestandschutz individualrechtlich (also im Wege eines Vertragsangebotes oder einer einseitigen Zusage) übernimmt. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass der für Kreditinstitute, die ordentliche Mitglieder des Verbands österreichischer Banken und Bankiers sind, anwendbare Kollektivvertrag für Angestellte der Banken und Bankiers keinen besonderen Bestandschutz i.S.d. § 3 Abs 4 AVRAG, sondern lediglich eine Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist um zwei
30
Schima, Umgründungen im Arbeitsrecht, S. 72 f.
416
Bertram Burtscher / Friedrich Jergitsch
Monate vorsieht. Der Wegfall dieser Regelung im Zuge eines Betriebsübergangs würde folglich kein Widerspruchsrecht des betroffenen Arbeitnehmers auslösen.
6.2.4
Außerordentliches Kündigungsrecht der Arbeitnehmer
In bestimmten anderen Fällen eines für den Arbeitnehmer „nachteiligen“ Betriebsübergangs ist ein besonderes Recht des Arbeitnehmers zur Auflösung seines Arbeitsverhältnisses normiert: Werden durch den nach Betriebsübergang anzuwendenden Kollektivvertrag oder die nach Betriebsübergang anzuwendenden Betriebsvereinbarungen Arbeitsbedingungen „wesentlich verschlechtert“, so kann der Arbeitnehmer innerhalb eines Monats ab dem Zeitpunkt, ab dem er die Verschlechterung erkannte oder erkennen musste, das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen und -termine lösen. Eine Verschlechterung ist gemäß Kommentarliteratur dann als „wesentlich“ anzusehen, wenn Abweichungen zum Beispiel in der Entlohnung, bei der Normalarbeitszeit oder dem Urlaubsausmaß um mehr als zehn Prozent unter den bisherigen Werten liegen. Bei Veränderungen von mehreren Parametern ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich.31 Das besondere dieser Arbeitnehmerkündigung ist, dass dem Arbeitnehmer dabei die zum Zeitpunkt einer solchen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gebührenden Ansprüche wie bei einer Arbeitgeberkündigung zustehen (§ 3 Abs 5 AVRAG); der Arbeitnehmer hätte in diesem Fall daher insbesondere Anspruch auf die gesetzliche Abfertigung (die Abfertigung ist für den Überlasser vor allem dann von Bedeutung, wenn das Dienstverhältnis unter das Abfertigungssystem „alt“ fällt, was dann der Fall ist, wenn das Dienstverhältnis vor dem 1.1.2003 begonnen hat und zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber kein Übertritt in das Abfertigungssystem „neu“ vereinbart wurde).
6.3
Haftungsfragen
6.3.1
Allgemeines
Aufgrund des Arbeitgeberwechsels wird der neue Arbeitgeber zum Schuldner aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis der übergehenden Arbeitnehmer. § 6 AVRAG regelt zusätzliche Fragen der Haftung der beteiligten Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer aus Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis. Die Frage der Lastenverteilung zwischen den beiden beteiligten Arbeitgebern ist hingegen gesetzlich nicht speziell geregelt – der Haftungsregress zwischen Veräußerer und Erwerber ist daher vertraglich zu vereinbaren.
31
Binder, AVRAG (2001) Rz 126 zu § 3.
Ausgewählte Aspekte zum Outsourcing von Bank- und Finanzdienstl. in Österreich
6.3.2
417
Haftung des bisherigen Arbeitgebers
Der bisherige Arbeitgeber haftet unbeschränkt neben dem Erwerber für alle „Altansprüche“, also solche, die vor dem Zeitpunkt des Übergangs begründet wurden. Eine Sonderregel gilt für die Anwartschaften auf Abfertigung und auf Betriebspensionen (direkte Leistungszusagen): Der Veräußerer haftet für einen Zeitraum von fünf Jahren nach dem Betriebsübergang für Abfertigungsansprüche, die nach dem Übergang anfallen, und für Ansprüche auf eine Betriebspension aus einem Leistungsfall nach dem Betriebsübergang. Allerdings ist diese Haftung des Veräußerers auf jenen Betrag beschränkt, der dem fiktiven Abfertigungsanspruch bzw. den fiktiven Pensionsanwartschaften im Zeitpunkt des Betriebsübergangs entspricht. Diese für den bisherigen Arbeitgeber im Regelfall unangenehme „Nachhaftung“ kann noch weiter begrenzt werden: Falls der Veräußerer Rückstellungen für Abfertigungsansprüche gebildet hat und diese samt Wertpapierdeckung (oder gleichwertiger Sicherungsmittel) an den Erwerber „übertragen“ werden, beschränkt sich die Haftung des Erwerbers auf (i) eine etwaige Differenz zwischen dem Wert der übertragenen Sicherungsmittel und dem Wert der fiktiven Ansprüche jeweils zum Zeitpunkt des Übergangs, und (ii) den Zeitraum von einem Jahr nach dem Übergang. In diesem Fall hat der Veräußerer, die Arbeitnehmer von der Übertragung der Sicherungsmittel zu informieren, und die Sicherungsmittel dürfen für einen Zeitraum von fünf Jahren nur zur Abdeckung der entsprechenden Abfertigungs- oder Pensionsansprüche verwendet werden.
6.4
Informationspflichten – Mitwirkungsrechte der Belegschaftsvertretung
Outsourcing-Maßnahmen stellen regelmäßig Betriebsänderungen im Sinne der §§ 108 und 109 Arbeitsverfassungsgesetz („ArbVG“) dar, sodass bestimmte Informations- und Konsultationspflichten des Arbeitgebers gegenüber der Belegschaftsvertretung gegeben sind: Besteht in einem Unternehmen bzw. Unternehmensteil ein Betriebsrat, so muss der Betriebsinhaber gemäß § 109 ArbVG diesen ehestmöglich von einer geplanten Betriebsänderung informieren, jedenfalls aber so rechtzeitig vor der Betriebsänderung, dass eine Beratung über deren Gestaltung noch durchgeführt werden kann. Eine Betriebsänderung im Sinne dieser Bestimmung liegt insbesondere auch im Fall der Änderung der „Eigentumsverhältnisse an dem Betrieb“, also im Fall des Betriebsübergangs, wozu auch der Betriebsteilübergang gezählt wird. Dabei greifen aber spezielle Regelungen zusätzlich ein, die bei sonstigen Betriebsänderungen nicht bestehen. Im Fall der rechtlichen Verselbstständigung (sowie des Überganges, des Zusammenschlusses oder der Aufnahme)
418
Bertram Burtscher / Friedrich Jergitsch
eines Betriebes oder Betriebsteiles muss die Information gemäß § 108 Abs 2a ArbVG nicht nur im Vorhinein und rechtzeitig erfolgen, sondern insbesondere auch (i) den Grund für die geplante Maßnahme, (ii) die sich daraus ergebenden Folgen für die Arbeitnehmer (in rechtlicher, wirtschaftlicher sowie sozialer Hinsicht) und (iii) die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen enthalten. Auf Verlangen des Betriebsrates ist außerdem mit ihm über diese Information zu beraten. Gemäß Art 7 der Betriebsübergangs-RL wäre auch über den geplanten Zeitpunkt des Überganges zu informieren. Letzteres ist aber noch nicht in nationales Recht umgesetzt. In Betrieben, in denen kein Betriebsrat besteht, muss der Betriebsinhaber die von einem Betriebs(teil)übergang im Sinne des AVRAG (siehe oben 1.) betroffenen Arbeitnehmer im Vorhinein und schriftlich über (i) den Zeitpunkt, (ii) den Grund des Übergangs, (iii) die sich daraus ergebenden Folgen für die Arbeitnehmer (in rechtlicher, wirtschaftlicher sowie sozialer Hinsicht) und (iv) die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen informieren. Soweit eine geplante Outsourcing-Maßnahme also einen Betriebs(teil)übergang im Sinne der §§ 3 ff AVRAG darstellt, trifft den Arbeitgeber in Betrieben oder Betriebsteilen, in denen kein Betriebsrat besteht, gegenüber den einzelnen betroffenen Mitarbeitern eine nahezu identische Informationspflicht wie nach den §§ 108 und 109 ArbVG. In der Praxis sind die dargestellten Informations- und Konsultationspflichten keine besonders schwerwiegenden Vorgänge, die insgesamt einen Zeitraum von etwa zwei bis drei Wochen in Anspruch nehmen. Für den Fall des Verstoßes gegen die dargestellten Informationspflichten sind keine speziellen gesetzlichen Sanktionen vorgesehen – allerdings dürfte dann die Maßnahme wohl nicht stattfinden und könnte auch seitens des Betriebsrats (allenfalls auch seitens einzelner Arbeitnehmer, wenn kein Betriebsrat besteht), untersagt werden, bis die Information (und gegebenenfalls auch die Konsultation) nachgeholt wurde.
6.5
Rechtsfolgen bei Nichtvorliegen eines Betriebs(teil)überganges
In Ermangelung eines Betriebs(teil)übergangs i.S.d. AVRAG kann es nicht zu einem automatischen Übergang der Arbeitsverhältnisse kommen. In einem solchen Fall besteht also grundsätzliche Gestaltungsfreiheit: Die Arbeitnehmer können beim bisherigen Arbeitgeber verbleiben, das Dienstverhältnis aber auch beim Outsourcing-Dienstleister fortgesetzt werden, wenn diesbezüglicher Konsens besteht. Im letztgenannten Fall besteht neuerlich Gestaltungsfreiheit, ob das bisherige Dienstverhältnis beendet und ein neues Dienstverhältnis (auch zu geänderten Bedingungen) begründet wird oder ob das bisherige Dienstverhältnis im Wege der Dreiparteieneinigung ohne Beendigung auf den Outsourcing-Dienstleister übertragen wird.
Ausgewählte Aspekte zum Outsourcing von Bank- und Finanzdienstl. in Österreich
7.
Konfliktmanagement und Streitbeilegung in Outsourcing-Projekten (Christian Konrad)
7.1
Einleitung
419
Bei allen Vorteilen, die durch Outsourcing von Dienstleistungen generiert werden können, müssen auch potenzielle Risiken und Nachteile zwischen den Parteien wahrgenommen und vertraglich berücksichtigt werden. Das Scheitern großer Outsourcing-Projekte hat gezeigt, wie anfällig diese für Konflikte sind und wie schwierig sich die Konfliktlösung gestalten kann. Eine Unternehmensstudie in den Bereichen Produktion, Transport, Energie, Finanzdienstleistungen, Gesundheitswesen und Medien/Telekommunikation ergab, dass 20 Prozent aller Outsourcing-Projekte innerhalb der ersten zwei Jahre scheitern und 50 Prozent nach den ersten fünf Jahren. Von 50 willkürlich ausgewählten Outsourcing-Projekten, die Probleme aufgeworfen hatten, endeten 32 Prozent in einem Gerichtsverfahren, während 44 Prozent außergerichtlich beendet wurden.32 Viele Unternehmen waren gezwungen, ausgelagerte Bereiche wieder in den eigenen Betrieb zu re-integrieren. Dies ist ein außerordentlich kostenintensiver Prozess, der die durch Outsourcing ursprünglich erhofften Kostenvorteile meist zur Gänze egalisiert. Diese Zahlen verdeutlichen, wie häufig Konflikte in Outsourcing-Projekten auftreten, manchmal sogar unvermeidbar sind. Ein beträchtlicher Anteil solcher Konflikte in Outsourcing-Projekten ist strukturell bedingt und lässt sich daher nur bis zu einem gewissen Grad durch Vertragsgestaltung minimieren. Eine dieser strukturellen Schwächen liegt beispielsweise in der langfristigen Gebundenheit an Outsourcing-Partner und der daraus resultierenden wechselseitigen Abhängigkeit. Gleichzeitig haben Unternehmen in der Regel weder die Möglichkeit noch die notwendigen Ressourcen, die Leistungen des Outsourcing-Anbieters in quantitativer und qualitativer Hinsicht vollständig zu kontrollieren. Dies liegt teilweise auch daran, dass sich Outsourcing-Anbieter oft Subunternehmer bedienen, über die der Auftraggeber selbst keine direkte Kontrolle ausüben kann. Um beispielsweise ein effizientes Outsourcing von IT-Diensten zu ermöglichen, muss dem Dienstleistungsanbieter erst Zugriff auf unternehmensspezifische Software, Datenmaterial oder sonstiges betriebseigenes geistiges Eigentum gewährt werden. Abhängig davon, wie weit der Schutz von geistigem Eigentum und Daten im Sitzstaat des Outsourcing-Anbieters entwickelt ist, und in wie weit das Unternehmen über den Outsourcing-Anbieter Kontrolle ausüben kann, besteht eine stärkere oder schwächere strukturell bedingte Konfliktanfälligkeit des gesamten Outsourcing-Projektes. 32
Deloitte Consulting, „Calling a Change in the Outsourcing Market”, April 2005, veröffentlicht auf: http://www.deloitte.com/dtt/cda/doc/content/us_outsourcing_callingachange.pdf (1.Juni 2005).
420
Bertram Burtscher / Friedrich Jergitsch
Konflikte in Outsourcing-Projekten sind somit keine Seltenheit. Es ist daher bereits in der Planungsphase eines solchen Projektes die zielführende Streitbeilegung in der Gestaltung der Verträge zu berücksichtigen.
7.2
Dispute Resolution Planning
Streitbeilegungsmechanismen werden in der Praxis meist erst dann wahrgenommen, wenn Konflikte bereits entstanden sind. Im Rahmen und zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen stehen Streitbeilegungsklauseln meist im Hintergrund. Eine effiziente Planung des passenden Streitbeilegungsmechanismus hat auf die Besonderheiten des jeweiligen Projektes im Einzelfall einzugehen. Die Komplexität von OutsourcingProjekten gestattet keine „holzschnittartigen“ Lösungen, sondern erfordert Detailanalyse und umfangreiche Faktenkenntnis. Streitige Auseinandersetzungen führen meist zu einer Zerrüttung der Geschäftsbeziehungen zwischen Vertragsparteien. Verfahren vor staatlichen Gerichten sind strukturell nicht dem Konsensgedanken verpflichtet und sollten in einem Outsourcing-Projekt daher tunlichst vermieden werden. Die Vereinbarung außergerichtlicher Streitbeilegungsmechanismen trägt dagegen zur langfristigen Erhaltung der Geschäftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien bei. Die langfristige Bindung der Vertragspartner aneinander und deren Abhängigkeit voneinander erfordern in einem Outsourcing-Projekt einen besonders überlegten und gezielten Umgang mit auftretenden und drohenden Konflikten. Durch die Auslagerung von ganzen Unternehmenseinheiten schaffen Outsourcing-Projekte regelmäßig faktisch unumkehrbare Betriebsumstände. Ein völliger Abbruch der Geschäftsbeziehungen zu einem Outsourcing-Anbieter ist in der Regel daher mit erheblichem Ressourceneinsatz verbunden. Die ausgelagerten Betriebsteile sind mit sehr hohem Investitionsaufwand im eigenen Unternehmen wieder neu aufzubauen. Eine Konfliktmanagementstrategie in Outsourcing-Projekten hat daher in erster Linie darauf bedacht zu nehmen, die Geschäftsbeziehungen der Vertragsparteien zueinander auf Dauer zu sichern. Es sind daher zweckmäßigerweise vertragliche Mechanismen zu schaffen, die ein frühzeitiges Erkennen von drohenden Konflikten ermöglichen und diese Konflikte einer kooperativen und sachlichen Streitbeilegungsmethode zuführen.
Ausgewählte Aspekte zum Outsourcing von Bank- und Finanzdienstl. in Österreich
7.3
421
Konfliktlösungsmethoden
Outsourcing-Projekte benötigen eine gezielte Konfliktmanagementstrategie. Diese schafft vertragliche Foren und Informationskanäle und fördert die Kommunikation zwischen Unternehmen und Outsourcing-Anbietern. Zusätzlich empfiehlt sich die vertragliche Verpflichtung zu Verhandlungsführung im Sinn eines Schlichtungsgedanken. Viele Konflikte können rasch und kostensparend gelöst werden, wenn die Parteien verpflichtet sind, einen einvernehmlichen Versuch der gütlichen Beilegung von Konflikten im Verhandlungsweg zu unternehmen. Kann jedoch innerhalb einer vertraglich genau festzulegenden Zeit keine Lösung gefunden werden, müssen Konflikte ohne weitere Verzögerungsmöglichkeit einer strukturierten Streitbeilegungsmethode, wie etwa der Mediation, zugeführt werden. Im Folgenden werden die Grundlagen und Lösungsansätze für einzelne außergerichtliche Streitbeilegungsmechanismen dargestellt.
7.4
Einrichtung eines Frühwarnsystems
7.4.1
Schaffung von Informationskanälen und Institutionalisierung von Informationsaustausch
Kommunikation ist der Schlüssel zur Konfliktvermeidung. Der Großteil von Konflikten entsteht schlichtweg durch Schwächen in der Kommunikation. Es empfiehlt sich daher in langfristigen Outsourcing-Projekten, eigene Kommunikationsplattformen für die Vertragspartner zu schaffen und dadurch Kommunikation zwischen den Vertragsparteien zu institutionalisieren. Dies führt zur Steigerung der Beziehungsqualität der Vertragsparteien und kann Konflikte schon im Voraus erkennen und vermeiden lassen.
7.4.2
Frühwarnsystem
Kommunikationskanäle oder Plattformen können vertraglich als Vorstufe alternativer Streitbeilegungsmethoden in Form eines Frühwarnsystems implementiert werden. Die Vertragsparteien verpflichten sich dabei, für den Fall, dass Problemfälle bekannt werden, den oder die übrigen Vertragsparteien unverzüglich (beispielsweise wie folgt) zu informieren.
422
Bertram Burtscher / Friedrich Jergitsch
„Frühwarnsystem: Die Vertragspartner schaffen ein Frühwarnsystem, in dessen Rahmen jede Vertragspartei die andere(n) benachrichtigen soll, sobald diese von einer Angelegenheit Kenntnis erlangt, die das Projekt oder die Erfüllung der vertraglichen Aufgaben der betroffenen Vertragspartei nachteilig beeinflussen oder gefährden könnte. Eine solche Mitteilung soll Vorschläge für die Vermeidung des Eintritts oder Bereinigung dieser Angelegenheit enthalten."33 Es empfiehlt sich zusätzlich Parameter zu definieren (zum Beispiel technische Schwellenwerte uä.), bei deren Erfüllung eine echte Warn- oder Informationspflicht entsteht. Dabei sollten die dafür verantwortlichen Personen (Managementorgane) ausdrücklich identifiziert werden. Mit der Aktivierung des Frühwarnsystems setzt sich der vertraglich vereinbarte Streitbeilegungsmechanismus in Gang.
7.5
Verhandlungen zwischen den Vertragsparteien
Direkte Verhandlungen ermöglichen es den Vertragsparteien, Konflikte auf informelle und flexible Weise zu lösen. Es steht den Parteien frei, ihre Positionen darzulegen und gemeinsam Lösungsansätze zu entwickeln. Die Parteien sind an keine Verfahrensregeln gebunden und können den Verhandlungsfortgang selbst gestalten. Darüber hinaus bleiben bei Verhandlungen auch die Gesprächsinhalte zwischen den Parteien, da keine außenstehenden Personen einbezogen werden müssen. Somit entstehen schließlich auch keine zusätzlichen Kosten, die mit einem Streitbeilegungsverfahren unter Einbeziehung eines Dritten verbunden wären. Die Dauer und Effizienz der Verhandlungen hängt jedoch maßgeblich von dem Kooperationswillen der Parteien ab, darin liegt auch deren grundsätzliche Schwäche. Jede der Parteien hat es in der Hand, die Verhandlungen in die Länge zu ziehen oder (bewusst oder unbewusst) ergebnislos verlaufen zu lassen. Ist daher eine Verhandlungsphase als erste Stufe der Konfliktlösung vorgesehen, ist es entscheidend, diese Phase zeitlich zu befristen. Das bedeutet, dass nach Ablauf einer bestimmten Frist die Verhandlungen automatisch abgebrochen werden, und jede der Parteien ein Gericht anrufen oder den nächsten Schritt der vertraglich vorgesehenen Streitbeilegungsmethode einleiten kann. Andernfalls könnte eine Partei den Streitbeilegungsmechanismus auf Dauer blockieren. Darüber hinaus sollte während der Verhandlungsphase auf allfällige Verjährungsfragen gesondert Rücksicht genommen werden.
33
Der Autor weist darauf hin, dass die in diesem Beitrag angeführten Vertragsbeispiele lediglich illustrativ und zur allgemeinen Übernahme in Vertragstexte nicht geeignet sind. Die hier dargebotenen Informationen, Meinungen und Rechtsansichten sind nicht als umfassende Darstellung gedacht und können eine individuelle, auf die Besonderheiten des Sachverhalts bezogene rechtliche Beratung nicht ersetzen.
Ausgewählte Aspekte zum Outsourcing von Bank- und Finanzdienstl. in Österreich
7.5.1
423
Grundprinzipien erfolgreichen Verhandelns
Eine allgemein anerkannte Verhandlungsmethode ist „Principled Negotiation“.34 Bei dieser Methode stehen nicht die jeweiligen Standpunkte, sondern die sachlichen Inhalte einer Verhandlung und die Interessen der Verhandlungspartner im Mittelpunkt. Sie wurde von Professoren des Negotiation Institute an der Harvard Law School entwickelt. Die Methode beruht auf vier Prinzipien: Die Personen von den Problemen trennen: Dieser Grundsatz befasst sich mit dem Problem, dass inhaltliche Standpunkte oder Positionen mit dem Ego (der sie vertretenden Person) identifiziert werden. Wenn Verhandlungspartner aus persönlichen Motiven nicht von Positionen abrücken, ist die Effizienz von Verhandlungsgesprächen stark eingeschränkt. Die Verhandlungspartner müssen sich auf ihr gemeinsames Problem konzentrieren und sich nach Möglichkeit nicht von persönlichen Motiven leiten lassen. Sich auf Interessen, nicht auf Probleme konzentrieren: Dieser Grundsatz verfolgt, dass sich Verhandlungspartner nicht auf Standpunkte versteifen, sondern die Interessen der jeweils anderen Partei, die hinter diesen Standpunkten stehen, berücksichtigen sollten. Konzentrieren sich die Parteien mehr auf ihre gemeinsamen Gesamtziele, und berücksichtigen sie auch die Interessen der anderen Partei, wird das Erreichen von Kompromissen in Detailfragen erleichtert. Alternative Lösungsansätze im beiderseitigen Interesse entwickeln: Auch dieser Grundsatz zielt darauf ab, Patt-Situationen zu vermeiden, die dadurch entstehen, dass sich die Parteien auf ihre Standpunkte festlegen, ohne andere Alternativen in Betracht zu ziehen. Stattdessen sollten beide Parteien alternative Lösungsansätze entwickeln, die gemeinsame Interessen fördern und ausgleichen. Diese Methode erleichtert die Einigung auf eine Lösung im beiderseitigen Interesse. Verhandlungen auf Grundlage objektiver Standards und Kriterien führen: Die Parteien sollten nach Möglichkeit versuchen, die Verhandlungen auf der Grundlage von objektiven, vom Willen oder Verständnis der Parteien unabhängigen, Kriterien zu führen. Dabei kann beispielsweise ein fairer und objektiver Standard, wie eine international anerkannte Norm, eine Richtlinie oder ein Sachverständigengutachten den Verhandlungen zugrunde gelegt werden.
7.5.2
Verhandlungen mit ausländischen Vertragspartnern
Verhandeln bedeutet im wesentlichen Kommunikation und Austausch von Informationen. Vernünftige Kommunikation ist nur zwischen Menschen möglich, welchen bis zu einem gewissen Grad ein System von Begriffsbedeutungen gemeinsam ist. Kommunikationsprob34
Siehe Fisher/Ury/Patton (1991).
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Bertram Burtscher / Friedrich Jergitsch
leme sind bei unterschiedlichen Kulturkreisen daher häufig vorprogrammiert. Bei Verhandlungen in internationalen Projekten ist es von Bedeutung und erleichtert einen effektiven Verhandlungsverlauf, wenn die Verhandlungsführer über ausreichend interkulturelle Kommunikationsfähigkeiten verfügen.
7.5.3
Sprachliche Probleme
In der Regel einigen sich Teilnehmer des internationalen Wirtschaftsverkehrs auf eine gemeinsame Verhandlungssprache. Auch wenn die Verhandlungsführer dieser Sprache ausreichend mächtig sind, sollte man sich vergegenwärtigen, dass die Wahrnehmung einer Sprache anders ist als deren Ausdruck. Jede Sprache hat ihre eigenen Besonderheiten. Bestimmte Ausdrücke, die in der Kultur und Geschäftspraxis eines Landes fußen, sind mitunter nur innerhalb dieser sachlichen und kulturellen Zusammenhänge verständlich, oder erlangen in anderem Umfeld eine gänzlich andere Bedeutung. Bei technischen Details ist beispielsweise besondere Vorsicht bei Maß- und Gewichtseinheiten sowie bei technischen Standards geboten. Man sollte sich daher im Allgemeinen möglichst einfach ausdrücken, und Missverständnissen und Unklarheiten vorbeugen, indem man wichtige oder komplizierte Punkte mit anderen Worten wiederholt und zusammenfasst. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für rechtliche Begriffe, die in unterschiedlichen Rechtskulturen entweder eine andere Bedeutung haben oder einem anderen Rechtssystem völlig fremd sein können. Es handelt sich hier also nicht um ein spezifisches Sprachenproblem. Selbst wenn die Parteien dieselbe Muttersprache sprechen und ihr Rechtssystem ähnlich ist, können solche Probleme auftreten. Überraschenderweise gibt es eine Reihe von rechtlichen Begriffen in den USA, Kanada und England, die sich in ihrer Bedeutung unterscheiden. Gleiches gilt auch für Deutschland, Österreich und die Schweiz, obwohl das Rechtssystem dieser Länder durchaus vergleichbar ist.
7.5.4
Kulturelle Unterschiede in Verhandlungsstilen
Menschen aus verschiedenen Kulturen haben meist unterschiedliche Hintergründe, Einstellungen, Interessen und Motivationen. Diese Faktoren beeinflussen den Verhandlungsstil und müssen bei interkulturellen Gesprächen Berücksichtigung finden, um Fehlinterpretationen des Verhaltens des Verhandlungspartners zu vermeiden.35 In bestimmten asiatischen Gesellschaften gilt „non-emotional negotiation“ als Ausdruck des geschuldeten Respekts gegenüber dem Verhandlungspartner, während in angloamerikanischen Rechtskreisen der konfrontative Verhandlungsstil verbreitet und anerkannt ist. Damit verbunden ist auch ein strafferer Kommunikationsstil.
35
Vgl. dazu Brown/Marriott (1999), S. 114 ff.
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425
Wenn man mit Geschäftspartnern aus unterschiedlichen Kulturen in Verhandlung tritt, so ist es empfehlenswert, sich über die Kenntnis der allgemeinen Gewohnheiten des Vertragspartners hinaus, individuelles Wissen über die historische Entwicklung des betroffenen Kulturkreises, des historischen Systems und des aktuellen politischen Geschehens anzueignen. Bekannte kulturelle Unterschiede können bestenfalls zu einer ersten Orientierung dienen. „Kulturelle Tatsachen“ sind Verallgemeinerungen, die auf einem Stereotyp menschlichen Verhaltens beruhen und somit tendenziell nur auf tatsächliche Verhaltensmuster verweisen. Manchmal verhalten sich Verhandlungspartner einer fremden Kultur eben nicht so, wie es die Klischees vorhersagen wollen.
7.6
Dispute Boards
Der Grundgedanke des Dispute Board ist ein von den Vertragsparteien selbst gewähltes und ständig bestehendes Streitbeilegungsgremium. Es kann aus einem oder mehreren Mitgliedern bestehen, diese verfügen meist über projektbezogene Fachkenntnisse. Ein Dispute Board wird bei Abschluss der Verträge eingerichtet und unterstützt die Vertragsparteien während des gesamten Projektverlaufes bei der Beilegung von projektbezogenen Streitigkeiten. Das Dispute Board kann nicht-verbindliche Empfehlungen abgegeben, die – soweit rechtlich zulässig – in nachfolgenden Schieds- oder Gerichtsverfahren als Beweismittel vorgelegt werden können. Es kann aber auch für die Parteien verbindliche Entscheidungen treffen kann. Dies hängt von der Art des vereinbarten Dispute Boards ab.36 Bei der ursprünglichen Form der Dispute Review Boards im Sinne der Dispute Resolution Board Foundation liegt das Hauptaugenmerk auf dem Versuch der konsensualen Streitbereinigung. Das bedeutet, das Dispute Board gibt lediglich eine Empfehlung ab. Die Parteien können diese Empfehlungen als Grundlage einer Vereinbarung zwischen ihnen heranziehen oder aber die Empfehlungen des Dispute Board gänzlich unberücksichtigt lassen. In diesem Fall kann und wird oft vorgesehen werden, dass die Parteien den Streit einem verbindlichen Streitbeilegungsgremium, wie etwa einem Schiedsgericht, zur Entscheidung unterwerfen. Das Dispute Board kann aber auch direkt dazu ermächtigt werden, einen Streit zwischen den Parteien mit verbindlicher Wirkung zu entscheiden. Eine solche Entscheidung ist zwar nicht direkt vollstreckbar, entfaltet jedoch vertragliche Bindungswirkung zwischen den Parteien. In diesem Fall spricht man auch von einem Dispute Adjudication Board („DAB“). Auch bei grundsätzlicher Bindungswirkung solcher Entscheidungen, besteht typischerweise die Möglichkeit der nachfolgenden Kontrolle durch ein Schieds- oder staatliches Gericht. Verbindlich und nicht überprüfbar sind Entscheidungen des DAB nur dann, wenn alle Partner die Entscheidung billigen. Um darüber in angemessener Zeit Kenntnis zu erlangen, wird den Parteien in der Praxis meist eine Frist zur Anfechtung gesetzt. Wird die Entscheidung binnen dieser Frist von keinem der Vertragspartner angefochten, so ist sie für alle bindend. 36
Vgl. Genton (2000) S. 71-81.
426
Bertram Burtscher / Friedrich Jergitsch
Eine leichte Abwandlung der Dispute Boards hat die Internationale Handelskammer in Paris (ICC) im Rahmen eines im Jahr 2004 neu vorgestellten Dispute Resolution Service Centers vorgestellt. Es handelt sich dabei um Combined Dispute Boards, die eine Kombination aus Dispute Review Boards und Dispute Adjudication Boards darstellen. Diese Combined Dispute Boards geben in der Regel nur unverbindliche Empfehlungen an die Parteien ab, können aber in bestimmten Fällen auch verbindliche Entscheidungen fällen, welche die Parteien umgehend umzusetzen haben. Den Möglichkeiten der vertraglichen Ausgestaltung der Kompetenzen und des Verfahrens vor Dispute Boards sind kaum Grenzen gesetzt. Dieser Streitbeilegungsmechanismus kann und sollte daher auf jedes einzelne Projekt und auf die Bedürfnisse der Parteien individuell zugeschnitten werden.
7.6.1
Dispute Boards in Outsourcing-Projekten
Die Vorteile, Dispute Boards auch in langfristigen Vertragsbeziehungen wie OutsourcingProjekten einzusetzen, sind offenkundig. Diese Projekte sind für Konflikte zwischen den Parteien anfällig, da nicht alle künftig und möglicherweise auftretenden Eventualitäten vorhergesehen werden können. Langfristige und im Detail ausgestaltete Verträge verlieren naturgemäß an Flexibilität. Diese ist jedoch notwendig, um eine Anpassung des Vertragsverhältnisses während seiner Laufzeit an zukünftige Entwicklungen zuzulassen. Damit solche Vertragsanpassungen harmonisch und friktionsfrei geschehen können, muss ein langfristiges Vertragsverhältnis auch Mechanismen zur Vertragsanpassung oder zur Kontrolle der Umsetzung vertraglicher Pflichten vorsehen. Ein solcher Mechanismus hat zu gewährleisten, dass die Vertragsanpassung die Abwicklung des Vertragsverhältnisses möglichst gering beeinträchtigt. Ein traditionelles Instrument ist die vertragliche Vereinbarung einer Neuverhandlung des gesamten Vertragsverhältnisses oder zumindest von bestimmten Teilen. Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass die Abwicklung des Vertragsverhältnisses während der Anpassungsverhandlungen gestört oder sogar abgebrochen wird. Dies gilt es insbesondere bei Outsourcing-Projekten, in welchen ein Unternehmen durch die Auslagerung wichtiger Unternehmensbereiche in großer faktischer Abhängigkeit zu einem Outsourcing-Anbieter steht, tunlichst zu vermeiden. Ein Dispute Board gewährleistet meist eine rasche Beilegung von auftretenden Konflikten ohne den gewöhnlichen Projektverlauf zu beeinträchtigen. Durch den ständig projektbezogenen Informationsfluss zu den Mitgliedern des Dispute Board findet auch zeitgleich eine Kontrolle der Leistungen des Outsourcing-Partners statt. Allfällige Schwierigkeiten bei der vertragsgemäßen Leistungserbringung können daher frühzeitig erkannt und meist auch ausgeräumt werden, bevor es zu einer Eskalation des Konfliktes kommt. Aus diesen Gründen sind Dispute Boards eine geeignete Methode der projektbegleitenden Streitbeilegung für Outsourcing-Projekte.
Ausgewählte Aspekte zum Outsourcing von Bank- und Finanzdienstl. in Österreich
7.6.2
427
Weitere Charakteristika von Dispute Boards
Beim Einsatz von Dispute Boards werden bereits vor Beginn der Projektausführung Personen bestellt, die für die Lösung zukünftiger Probleme zuständig sein sollen. Diese Personen erhalten laufend die Vertragsunterlagen, machen sich mit den bei der Ausführung des Projekts tätigen Personen bekannt, kontrollieren das Fortschreiten des Projektes, besuchen unter Umständen in regelmäßigen Abständen die Betriebsstätten und werden allgemein über alle Details des Projektes informiert. Bei Streitigkeiten sind diese Personen als unabhängige Experten zur Streitbeilegung und Entscheidung berufen. Das Hauptziel der Dispute Boards ist die Vermeidung von Streitigkeiten bzw. das Finden einer Konsenslösung durch die Parteien. Die Mitglieder des Dispute Board sind dabei als unabhängige Experten zur Unterstützung bei der Streitbeilegung – und je nach Art der vereinbarten Form des Dispute Board auch zur Entscheidung – berufen. Dispute Boards haben vor allem den Vorteil, dass sie es den Beteiligten ermöglichen, die aufgebauten Beziehungen aufrechtzuerhalten. Es handelt sich um einen internen Streitbeilegungsmechanismus. Er wird vertraulich, also insbesondere unter Ausschluss der Öffentlichkeit und informell durchgeführt. Die Mitglieder eines Dispute Board unterliegen üblicherweise strengen vertraglichen Verschwiegenheitsverpflichtungen. Dies hilft, mediales Interesse zu minimieren und Geschäftsgeheimnisse zu wahren. Ob ein Mitglied eines Dispute Board vor einem Schiedsgericht oder einem staatlichen Gericht als Zeuge aussagen kann oder muss, ist nicht völlig geklärt. Wollen die Parteien dies verhindern, haben sie dies ausdrücklich vertraglich zu vereinbaren. Eine solche Vereinbarung stößt naturgemäß an ihre Grenzen, sofern eine gesetzliche Verpflichtung zur Zeugenaussage, vor allem vor einem staatlichen Gericht, besteht. Die Dispute Resolution Board Foundation sieht nachstehende Merkmale als Garant eines erfolgreichen Dispute Board Alle (drei) Mitglieder des Dispute Board sind neutral, und ihre Bestellung bedarf des Einverständnisses beider Parteien. Alle Mitglieder unterzeichnen eine Dreiparteienvereinbarung, durch die sie sich verpflichten, gleich und fair für beide Parteien tätig zu werden. Die Auslagen und Kosten der Dispute Board-Mitglieder werden von den Parteien zu gleichen Teilen getragen. Das Dispute Board wird zusammengesetzt, wenn die Arbeit am Projekt beginnt, bevor Streitigkeiten entstehen. Das Dispute Board bleibt durch regelmäßige Dokumentation immer informiert. Jede Partei kann Streitigkeiten dem Dispute Board vorlegen. Eine informelle aber umfassende Besprechung der Angelegenheit wird prompt abgehalten.
428
Bertram Burtscher / Friedrich Jergitsch
Die Mitglieder des Dispute Board sind in Hinblick auf ihre Dispute Board-Aktivitäten von jeglichen persönlichen oder professionellen Verantwortlichkeiten befreit.37
7.6.3
Anwendungsbereiche und praktische Verwendung
Die Streitschlichtung durch Dispute Boards ist kostenintensiv, der erzielbare Nutzen jedoch ungleich höher. Gerade bei Großprojekten treten die hohen Kosten der Dispute Boards in den Hintergrund und werden durch das Vermeiden eines längeren Arbeitsstillstands während der Dauer der Streitigkeiten aufgewogen. Der Einsatz der Dispute Boards hat daher in den vergangenen Jahren trotz der hohen Kostenbelastung beträchtlich zugenommen. Der Gesamtwert von 480 abgeschlossenen, 277 anhängigen und einer beachtlichen Zahl von geplanten Projekten, bei denen Dispute Boards zum Einsatz kommen, liegt nach aktuellen Informationen der Dispute Resolution Board Foundation, derzeit bereits bei $ 67 Milliarden.38 Erfahrungen über den Einsatz von Dispute Boards bestehen zurzeit vor allem im Bereich der Bauwirtschaft. Als prominentes und erfolgreiches Beispiel des Einsatzes eines Dispute Board, wird der im Jahr 1998 neueröffneten Hongkonger Flughafen genannt.39 Dort wurde zum Zweck der Streitbeilegung das New Airport Projects Coordination Office (NAPCO) und das – im Übrigen auch andere Projekte betreuende – Engineering and Associated Consultant Selection Board (EACSB) eingerichtet.40
7.6.4
Verbindung der Streitbeilegung durch Dispute Boards mit anderen Streitbeilegungsmethoden
Im Rahmen von Outsourcing-Projekten könnte ein Dispute Board als Zwischenstufe – zwischen Verhandlungen unter den Vertragsparteien und (Schieds-)Gerichten – eingesetzt werden.41 In der bisherigen Praxis werden Dispute Boards oft als Vorstufe zu Mediationsverfahren bzw. zu Entscheidungen von Schieds- oder staatlichen Gerichten vereinbart.42 So kann beispielsweise vorgesehen werden, dass ein Dispute Board mit der Lösung von Streitigkeiten betraut wird, hinsichtlich derer die Betroffenen binnen einer bestimmten Frist keine einvernehmliche Lösung finden können. Erst wenn auch die Einschaltung des Dispute 37 38 39 40
41 42
Vgl. . Vgl. . Vgl. David L. Sandborg, Multistep ADR Gets Creative At Hong Kong's New Airport, CPR Institute for Dispute Resolution, Vol. 17, No. 3, März 1999, S. 60 f. Vgl. Peter Rooke/Michael H. Wiehen, Working Paper: Hong Kong: The Airport Core Programme and the Absence of Corruption, (20. Mai 2003). Vgl. die Mustervereinbarungen in Anhang I. Vgl. Sandborg, Multistep ADR Gets Creative at Hong Kong's New Airport, CPR Institute for Dispute Resolution, Vol 17 No 3 März 1999.
Ausgewählte Aspekte zum Outsourcing von Bank- und Finanzdienstl. in Österreich
429
Board zu keiner für alle Parteien annehmbaren Lösung führt, soll die Entscheidung einem Schieds- oder ordentlichen Gericht übertragen werden. Um zu beurteilen, ob die Verhandlungen der Vertragsparteien bzw. das Verfahren des Dispute Board endgültig gescheitert sind, sollten den jeweiligen Gremien für ihre Entscheidung bestimmte Fristen vorgegeben werden. Die Entscheidung oder Empfehlung des Dispute Board kann im nachfolgenden Schieds- oder Gerichtsverfahren als Indikator für eine fachmännische Beurteilung der Situation ausgestaltet werden.43 Welche Art der (ADR-)Streitbeilegung als Ergänzung zu einem Dispute Board für ein bestimmtes Vertragsverhältnis gewählt werden sollte, hängt von der Beurteilung des Einzelfalles ab. Diese Entscheidung sollte daher erst nach informierter Diskussion und Absprache zwischen den Parteien und ihren rechtlichen Beratern erfolgen. Die große Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten bietet ausreichend Flexibilität, um für das jeweilige Projekt das passende Streitbeilegungssystem zu vereinbaren. Nachdem die zur Beurteilung notwendigen Informationen zum Zeitpunkt der Vertragserrichtung nicht immer gänzlich bekannt oder vorhersehbar sind, empfiehlt es sich, vertraglich einen gewissen Spielraum vorzusehen, innerhalb dessen sich der Konfliktmanagementmechanismus während der Projektabwicklung den tatsächlichen Gegebenheiten anpassen kann.
7.6.5
Institutionelle Entwicklungen
Seit 1. September 2004 bietet die Internationale Handelskammer in Paris (ICC),44 ähnlich wie bereits für Schiedsgerichtsbarkeit oder ADR-Verfahren, nun auch Verfahrensregeln und Mustervereinbarungen für Dispute Boards an.45 Diese neuen Verfahrensregeln der ICC sind nicht auf eine bestimmte Branche ausgerichtet und daher auch für Outsourcing-Projekte jeglicher Art in sämtlichen Branchen geeignet. Darüber hinaus wurde auch ein eigenes Service Center eingerichtet, das in erster Linie administrative Aufgaben, wie etwa die Ernennung von Mitgliedern des Dispute Board, übernimmt.
Dispute Resolution Agent Eine inhaltliche Weiterentwicklung der Dispute Boards, ist der Einsatz eines Dispute Resolution Agent (DRA). Diesen trifft eine intensivere Informationsaufnahme und Präsenz bei den Vertragsparteien. Der DRA tritt – ähnlich einem Mediator – grundsätzlich nur als Vermittler zwischen den Parteien auf. Er trifft nicht selbst Entscheidungen, sondern verfasst Berichte, die die Streitpunkte und Fakten darlegen und klären sollen, und zeigt potenzielle Lösungsansätze auf. Die endgültige Entscheidungsfindung bleibt bei Uneinigkeiten in diesem Stadium den Partnern vorbehalten. 43
Vgl . Siehe http://www.iccwbo.org/drs/english/dispute_boards/all_topics.asp. 45 Siehe Koch (2000), S. 53. 44
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Gerade im Rahmen eines (größeren) Outsourcing-Projektes ist es sinnvoll, einen DRA als unabhängigen Experten zur kontinuierlichen Beratung der Partner einzusetzen. Dieser kann, wenn die Partner sich nach genauerer Analyse des Problems durch den DRA doch einigen können, eine einem Mediator ähnliche Funktion einnehmen. Es sollte vertraglich vorab festgelegt werden, ob den Analysen, Berichten und Lösungsvorschlägen des DRA – wenn schon keine bindende – so doch indikative Wirkung für allfällige nachfolgende Prozesse zukommen soll.
7.7
Mediation
Mediation ist eine der bekanntesten Formen der ADR.46 Stellvertretend für andere nichtbindende Streitbeilegungsmethoden wird hier nur auf die Mediation näher eingegangen, da diese als Grundform der außergerichtlichen Einigung angesehen wird. Zentrales Element dieser außergerichtlichen Streitbeilegungsmethode im engeren Sinn ist immer die Einbeziehung eines neutralen Dritten, der den Streitfall nicht entscheidet, sondern den Parteien lediglich dazu verhelfen soll, eine einvernehmliche Lösung zu finden.
7.7.1
Grundlagen und Anwendungsbereich der Mediation
Mediation ist eine Streitbeilegungsmethode, die in die Zukunft blickt und sich auf das Wiederherstellen der Beziehung der Parteien zueinander konzentriert. Ziel der Mediation ist nicht das Eingehen von Kompromissen, sondern eine einvernehmliche, den subjektiven Gerechtigkeitsvorstellungen der Beteiligten entsprechende Regelung. Der Begriff der Mediation bezeichnet eine Form der freiwilligen, nicht-bindenden, unpräjudiziellen, außergerichtlichen und privaten Konflikterledigung.47 Die Parteien einigen sich darauf, im Fall von Streitigkeiten einen neutralen Dritten (den „Mediator") in ihre Verhandlungen zur Streitlösung miteinzubeziehen, der sie durch Anwendung spezieller Techniken und Methoden dabei unterstützen soll, eine einvernehmliche Lösung für ihr Problem zu finden.48 Dabei ist die Eigenverantwortlichkeit der Parteien für die Erzielung einer Lösung des Konfliktes ein wesentlicher Aspekt der Mediation. Sobald die Parteien einen Streitfall einem Dritten übertragen, der wie ein Richter oder ein Schiedsrichter eine verbindliche Entscheidung über den Streit fällt, begeben sich die Parteien auch der Kontrolle über den Streit und vor allem auch der eigenen Verantwortung für die Lösung des Konfliktes. Die Entscheidung 46
Zu den verschiedensten Formen von ADR vgl Centre for Effective Dispute Resolution, What is EDR?, (29. Juli 2003). 47 Allgemein zur Mediation vgl. zum Beispiel Christian Bühring-Uhle (1996). 48 Siehe Brown/Marriott (1999) S. 127.
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eines Streits durch einen außenstehenden Dritten ist letztlich eine „fremde Lösung“, die eine Partei, zumindest in ihrer subjektiven Wahrnehmung, zu dem Verlierer in eigener Sache machen kann. Dagegen sind Parteien eher bereit, selbst für sie nicht nur vorteilhafte Konsequenzen zu akzeptieren, wenn sie an deren Herbeiführung beziehungsweise an der Erarbeitung der Lösung selbst mitgearbeitet haben. Die hohe Akzeptanz selbst erarbeiteter Konfliktlösungen zeigt sich in der nachhaltigen Implementierung der gemeinsam erarbeiteten Lösung. Von (Schieds-)Richtern unterscheidet sich der Mediator vor allem dadurch, dass er keine abschließend verbindliche Entscheidungsbefugnis hat. Ähnlich dem Dispute Review Board soll der Mediator lediglich die Verhandlungen zwischen den Parteien erleichtern, selbst aber keine Entscheidung fällen. Die genaue Reichweite seiner Kompetenzen hängt von der konkreten Ausgestaltung der vertraglichen Bestimmungen zur Mediation im Einzelfall ab. Grundsätzlich kann ein rein erleichternder („facilitative") oder bewertender („evaluative") Mediator bestellt werden. Während der facilitative Mediator die Parteien nur bei ihren eigenen Anstrengungen, einen gangbaren Lösungsweg zu finden, unterstützt, hilft der evaluative Mediator den Parteien auch, indem er die Situation aus der Sicht eines Dritten darlegt und/oder bestimmte Bedingungen für einen Vergleich vorschlägt. Die Mediation ist verbunden mit Vorteilen hinsichtlich Schnelligkeit des Verfahrens, Kostenersparnis, Datenschutzaspekten, Erhaltung der bestehenden Beziehungen zwischen den Parteien und Flexibilität des Verfahrens sowie des Ergebnisses.49 Wie das folgende Zitat verdeutlicht, spielen die Prinzipien der Mediation in mittel- bis langfristigen Vertragsverhältnissen wie Outsourcing-Projekten eine besondere Rolle für die nachhaltige Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien: „Das Verfahren zielt darauf ab, den Konfliktpartnern Wege zu weisen, wie sie gemeinsame Entscheidungen treffen können, die letztlich von ihnen selbst zu verantworten sind. Der Mediator soll allen Beteiligten die Interessen transparent darlegen, Hindernisse und Vorurteile abbauen und ein Klima des gegenseitigen Vertrauens schaffen. Der Mediator sucht nicht wertverteilende oder wertmindernde Lösungen, sondern seine Strategie muss in wertschöpfenden Lösungen liegen. Entscheidend ist die Strategie zur Vorteilsmaximierung für alle Beteiligten. Im Rahmen der Mediation soll nicht der eine Partner auf Kosten des anderen gewinnen.“50 Besonders im Zusammenhang mit Outsourcing-Projekten ist jener Aspekt der Mediation hervorzuheben, der auf die langfristige Erhaltung der Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien abzielt. Mediation kann daher grundsätzlich nur dann zu einem erfolgreichen Ergebnis führen, wenn beide Parteien das Ergebnis des Mediationsverfahrens gleichermaßen zu tragen bereit sind. Mediation führt daher (theoretisch) immer zu einer "Win-Win" Situation, in der keine der Parteien einen Gesichtsverlust erleiden muss. Die Mediation sollte nicht von
49
Stephen John Lancken, Construction Disputes in Malaysia Is Mediation a Better Way?, (20. Mai 2003). 50 Siehe Günther (1999), S. 12.
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streitsüchtigen Parteien und streiterprobten Parteienvertretern zu einer weiteren Form des gegnerischen („adversarial") Verfahrens ausgehöhlt werden. Vielmehr ist bei Mediation auf subtilere und kreativere Lösungsmethoden zu setzen.51 Vor allem in einigen Common Law Staaten haben auch die Gerichte die Vorteile der Mediation bereits erkannt und verweisen Streitfälle zwingend auf (vorhergehende) Mediation, beziehungsweise ist das Unterlassen eines Mediationsversuchs möglicherweise mit negativen Kostenfolgen verbunden. Beispielsweise in dem Verfahren Cowl and Others v. Plymouth City Council52 hat Lord Woolf CJ bereits im Dezember 2001 seine Entscheidung folgendermaßen begründet: „... die Parteien hätten in der Lage sein sollen, eine vernünftige Lösung für die sie trennenden Punkte zu finden. Falls sie dies nicht ohne Hilfe konnten, hätte ein unabhängiger Mediator organisiert werden sollen, um ihnen zu helfen. Das wäre eine viel kostengünstigere Vorgehensweise gewesen. Dadurch dass heutzutage bereits genug über ADR bekannt sein sollte, gibt es keine Entschuldigung für das Unterlassen eines Lösungsversuchs auf diesem Weg [...].“53 Solche Entscheidungen entfalten in Österreich oder Deutschland naturgemäß keine direkte Präzedenzwirkung. Sie illustrieren aber typische Entwicklungen und indizieren damit eine mögliche künftige Entwicklung auch in Kontinentaleuropa. In vielen europäischen Ländern wie Frankreich, den Niederlanden, Deutschland und Österreich sind Ansätze zu einer gütlichen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten durch Mediation oder ähnliche Methoden der außergerichtlichen Streitbeilegung in den Zivilprozessgesetzen bereits deutlich verankert. Der österreichische Gesetzgeber hat mit dem Zivilrechts-Mediations-Gesetz im Jahr 2004 einen wichtigen Schritt in Richtung Anerkennung und Förderung der Mediation in Österreich gesetzt. Dieses Gesetz stellt eine grundlegende Rahmengesetzgebung dar, welche die Rechte und Pflichten der eingetragenen Mediatoren sowie die automatische Hemmung von materiellrechtlichen Fristen während der Mediation regelt.54
51
Rooney, Law Society of Queensland Journal "Proctor" Vol 22 No 6, July 2002 = Law Society of South Australia "Bulletin" Vol 24 No 7, August 2002 = Law Institute Journal of Victoria Vol 76 No 10 = (6.5.2003). 52 Cowl and Others v. Plymouth City Council, vgl die Online-Zusammenfassung unter ; Keren McKeown, Mediation: less carrot, more stick, (20. Mai 2003); Lord Woolf questions failure to mediate in public law cases, Press Release 21 January 2002, (20. Mai 2003). 53 Freie Übersetzung aus dem Englischen. Vgl. zum Englischen Original die in der vorherigen FN erwähnten Zitate. 54 Vgl. Hopf, Das Zivilrechts-Mediationsgesetz-Gesetz, ÖJZ 2004/3.
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7.7.2
433
Kombination der Mediation mit anderen Streitbeilegungsmethoden
Da nicht jede Streitigkeit auf einvernehmlichem Weg beigelegt werden kann, wird die Mediation regelmäßig als Zwischenstufe einer „multi-step" oder auch „muti-tier“ Streitbeilegungsklausel vereinbart.55 Nach direkten Verhandlungen zwischen den Parteien oder nach einem erfolglosen Lösungsversuch durch ein Dispute Board, ist nun ein Mediator berufen, die Parteien bei der Lösung ihres Konflikts zu unterstützen. Die Formulierung solcher vielstufigen Streitbeilegungsklausen müssen mit Bedacht vorgenommen werden. Immer gültige Standardformulierungen gibt es nicht. Bekannte Institutionen, wie die ICC in Paris oder das Internationalen Schiedsgerichts der Wirtschaftskammer Österreich („WKO-Schiedsgericht“) bieten auf ihren Webpages gängige Mustervorschläge.56ȱ
7.8
Expertengutachterverfahren
Bei einem Expertengutachterverfahren handelt es sich ebenso wie bei der Mediation um eine konsensuale Streitbeilegungsmethode. Wesentliches Element ist dabei, dass ein neutraler Dritter den Parteien zu einer Lösung des Konfliktes verhilft, wobei die Kompetenzen des neutralen Experten weiter gehen als jene eines Mediators. Der Experte beurteilt den dem Konflikt zugrunde liegenden Sachverhalt objektiv und unterbreitet unter Umständen den Parteien auch Lösungsvorschläge.57 Dies soll den Vertragsparteien zu einer informierten Lösung ihres Konfliktes auf einvernehmlicher Basis verhelfen. Die objektive Beurteilung des zugrundeliegenden Sachverhaltes schafft zudem eine optimale Grundlage für die Entscheidung ein bindendes Streitbeilegungsverfahren, wie etwa ein Schiedsverfahren, einzuleiten, da sie den Parteien die Stärken und Schwächen ihres Standpunktes in einem Konflikt aufzeigt. Somit können die Parteien ihre Erfolgschancen in einem solchen Verfahren besser beurteilen und wissen um ihre Alternativen zu einer einvernehmlichen Lösung eines Konfliktes.58 Die Lösungsvorschläge des neutralen Experten sind für die Parteien grundsätzlich nur dann bindend, wenn dies entweder bei Einsetzung des Experten oder bei Vorliegen der Lösungsvorschläge vertraglich vereinbart wird. Die Parteien können dementsprechend das Ergebnis der Expertenbeurteilung in eine Vereinbarung fassen, die wie ein Vertrag für die Parteien 55
Vgl. zu den verschiedensten Facetten und Stufen der multi-step Streitbeilegungsmöglichkeiten Thomas J. Stipanowich, Contract and Conflict Management, 2001 Wisconsin Law Review 831. 56 www.iccwbo.org; www.wko.at/arbitration 57 Siehe Brown/Marriott (1999), S. 352. 58 Man spricht auch von BATNA (Best Alternative To Negotiated Agreement) bzw. WATNA (Worst Alternative To Negotiated Agreement).
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verbindlich ist. Sollte eine solche Vereinbarung nicht zustande kommen oder die daraus erwachsenden Verpflichtungen nicht erfüllt werden, können die Parteien den Konflikt einem bindenden Streitbeilegungsverfahren, wie etwa einem Schiedsverfahren unterwerfen. Die Auswahl des neutralen Dritten obliegt grundsätzlich den Parteien. In der Praxis einigen sich die Parteien auf bestimmte Voraussetzungen und Qualifikationen des Experten, je nachdem welcher Branche oder welchem Fachgebiet der zugrunde liegende Vertrag zuzuordnen ist. Bei Outsourcing-Projekten können neben Juristen vor allem auch Fachleute der ausgelagerten Dienstleistung bestellt werden. Seit mehr als 25 Jahren bietet die Internationale Handelskammer in Paris (ICC) einen umfassenden Gutachter-Service an, über den Zugriff auf Spezialisten auf jedem nur erdenklichen Fachgebiet im Bereich der Wirtschaft möglich ist.59 Die ICC verfügt dazu über einen Pool von Experten aus verschiedensten Fachkreisen und Ländern, die in einem Gutachterverfahren nach den Regeln der ICC eingesetzt werden können. Die Vertragsparteien können sich etwa in Form einer Vertragsklausel auf die Anwendbarkeit der ICC Gutachterverfahrensregeln, die seit 2003 in einer aktualisierten Fassung vorliegen, einigen. Eine von der ICC vorgeschlagene Mustervertragsklausel zur Vereinbarung dieser Regeln lautet: „Jede aus oder im Zusammenhang mit Klausel [x] des gegenwärtigen Vertrages sich ergebende Streitigkeit ist einem Gutachterverfahren gemäß den ICC-Regeln für Gutachterverfahren zu unterziehen. [Befund und Gutachten des Sachverständigen haben für die Parteien vertragsrechtlich bindende Wirkung.]“ Auf Wunsch der Parteien kann die ICC einen Fachmann vorschlagen, einen Experten ernennen oder das Gutachterverfahren in organisatorischer Hinsicht durchführen. Das ICCGutachterverfahren ist nicht nur als selbstständige Streitbeilegungsmethode gedacht, sondern kann auch während eines laufenden Gerichts- oder Schiedsverfahrens eingesetzt werden, um ein Expertengutachten einzuholen. Die am stärksten strukturierte Form von ADR ist das sogenannte „Mini-Verfahren" (MiniTrial).60 Auch diese Streitbeilegungsmethode beruht auf der Einbeziehung eines neutralen Dritten, der einerseits wie ein Mediator zwischen den Parteien vermittelt, aber andererseits auch den dem Konflikt zugrunde liegenden Sachverhalt aus objektiver Sicht beurteilt. Diese Art der ADR hat bisher hauptsächlich in den USA Verwendung gefunden, sie befindet sich aber auch in Kontinentaleuropa auf dem Vormarsch. Bei diesem Verfahren werden zwei hochrangige Manager der beteiligten Parteien – von jeder Partei einer – bestellt, die unter dem Vorsitz eines neutralen Beraters eine einvernehmliche Lösung finden sollen. Als neutraler Berater wird meist ein pensionierter Richter oder ein erfahrener Rechtsanwalt bestellt.
59
Nähere Informationen zu dem ICC-Gutachterverfahren, sowie Mustervereinbarungen und die Regeln für Gutachterverfahren unter: http://www.iccwbo.org/drs/english/expertise/all_topics.asp#ii 60 Siehe Brown/Marriott (1999), S. 362 ff.
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Je nach Vereinbarung stellen die Parteien ihre Sicht der Dinge mit Hilfe von Dokumenten bzw. Schriftsätzen dar, bisweilen auch in kurzen Verhandlungen. Die beiden Manager versuchen dann, eine Kompromisslösung zu erreichen. Falls keine Einigung erfolgt, können die Parteien auch den neutralen Berater um eine nicht-bindende Stellungnahme ersuchen; diese bildet in der Folge oft die Grundlage für weitere Vergleichsversuche. Wie für ADR-Methoden typisch, ist die Entscheidung des Mini-Trial-Teams nicht bindend.
7.9
Schiedsgutachten
Auch der Einsatz von Schiedsgutachtern kann in bestimmten Fällen der geeignete Streitbeilegungsmechanismus sein. Der Schiedsgutachter darf dabei nicht mit dem Schiedsrichter verwechselt werden. Nach herrschender Ansicht kommt es darauf an, ob der Bestellte nur ein (meist faktisches) Element der Entscheidung begutachten oder anstelle eines ordentlichen Gerichts entscheiden soll. In letzterem Fall liegt eine Schiedsvereinbarung vor, in ersterem die Vereinbarung zur Bestellung eines Schiedsgutachters. Die Bestellung eines Schiedsgutachters kann für jedes beliebige Stadium des Streitbeilegungsverfahrens vorgesehen werden. Die Aufgabe des Schiedsgutachters liegt üblicherweise in der Feststellung von relevanten Tatsachen oder sonstigen Tatbestandselementen, in der Bestimmung einer Leistung durch einen Dritten, oder auch in der Anpassung beziehungsweise Klarstellung eines bestehenden Rechtsverhältnisses.61 Mit Hilfe des von ihm zu erstellenden Gutachtens sollen entstandene Streitpunkte, vor allem auf faktischer Ebene geklärt werden. Das Schiedsgutachten ist für die Parteien verbindlich und kann (nach österreichischem Recht) nur in Fällen offensichtlicher Unrichtigkeit oder Unbilligkeit der stark limitierten Kontrolle von Schieds- beziehungsweise ordentlichen Gerichten unterliegen.62
7.10 Schiedsgerichtsbarkeit Die Schiedsgerichtsbarkeit hat sich in den vergangenen dreißig Jahren als bedeutendste außergerichtliche Streitbeilegungsmethode im internationalen Wirtschaftsverkehr entwickelt.
61
Vgl. Schwab/Walter (2000) 8; Henn (2000) 2; Walther J. Habscheid, Das Schiedsgutachten als Mittel der Streitentscheidung und der Streitvorbeugung, in Festschrift für Winfried Kralik zum 65. Geburtstag (1986) 199. 62 Vgl. Habscheid, Schiedsgutachten, 199 (203).
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Dies liegt vor allem an den Vorteilen der Schiedsgerichtsbarkeit gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit. Im Einzelnen schreibt man der Schiedsgerichtsbarkeit gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit vor allem folgende Vorteile zu:63 Neutralität des Streitbeilegungsforums: Ein wesentlicher Vorteil der Schiedsgerichtsbarkeit gegenüber staatlichen Gerichtsverfahren ist, dass die Vertragsparteien den Sitz des Schiedsgerichtes und damit das anwendbare Verfahrensrecht und die anwendbaren Schiedsverfahrensregeln frei bestimmen können. Insbesondere bei Transaktionen mit Auslandsbezug kann es für eine Partei von Interesse sein, dass das Streitbeilegungsverfahren in einem neutralen Drittstaat unter Anwendung eines Verfahrensrechtes, das beiden Parteien gleichermaßen bekannt bzw. unbekannt ist, durchgeführt wird. Auch die Vereinbarung der Verfahrenssprache kann zu einem entscheidenden Ausgleich zwischen den Parteien führen. Sachkunde der Schiedsrichter: In einem Schiedsverfahren haben die Parteien die Möglichkeit, die Schiedsrichter frei zu wählen. Schiedsinstitutionen stellen meist unverbindliche Listen von Schiedsrichtern zur Verfügung, aus denen die Parteien die Schiedsrichter wählen können. Die meisten Schiedsinstitutionen bieten darüber hinaus an, ersatzweise für die Parteien einen Schiedsrichter auszuwählen. Schiedsrichter müssen nicht immer qualifizierte Juristen sein. Beispielsweise ist es in technischen Streitigkeiten möglich und mitunter sinnvoll, Experten aus dem betreffenden Fachgebiet als Schiedsrichter zu ernennen. Bei OutsourcingProjekten können dies etwa Spezialisten aus der Outsourcing-Branche sein oder Fachleute auf dem Gebiet der jeweils ausgelagerten Dienstleistung, wie beispielsweise IT-Experten. Einfachere Vollstreckbarkeit des Schiedsspruches im Ausland: Sowohl gerichtliche als auch schiedsgerichtliche Entscheidungen sind außerhalb des Entscheidungslandes nur vollstreckbar, wenn die betroffenen Staaten Parteien eines gegenseitigen Vollstreckungsübereinkommens sind. Zwischen den internationalen Vollstreckungsregimen in den Bereichen der staatlichen Gerichtsbarkeit und der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit besteht allerdings ein beträchtliches Entwicklungsgefälle. Gerichtsurteile sind meist nur vereinzelt auf Grund von auf Gegenseitigkeit beruhenden Vollstreckungsübereinkommen im Ausland durchsetzbar.64 Ein globales Vollstreckungsübereinkommen für staatliche Gerichtsurteile fehlt; multilaterale Übereinkommen sind territorial beschränkt, beispielsweise auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union.65 Mit der Verordnung des Rates Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGV63
Zu den Vorteilen der Schiedsgerichtsbarkeit im Allgemeinen vgl. Lachmann (1998) 11; Backhausen, Schiedsgerichtsbarkeit unter besonderer Berücksichtigung des Schiedsvertragsrechts (1990) 181; Henn, (2000) S. 4. 64 Vgl. Sammlung der Vollstreckungsabkommen Österreichs gegenüber anderen Staaten in Vatter, Internationale Rechtsverträge, Juridica: 2004. 65 Beispielsweise ist die EuGVVO Nr. 44/2001 des Rates der Europäischen Union vom 22. Dezember 2000, auch "Brüssel I-VO" genannt in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union außer Dänemark in Kraft. Im Verhältnis zu Dänemark ist noch das EuGVÜ vom 27. September 1968 idgF anzuwenden.
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VO) wurde im Jahr 2002 dieses Rechtsgebiet von der dritten EU-Säule in die erste überführt und stellt somit unmittelbar anwendbares Recht in allen Mitgliedstaaten (mit Ausnahme von Dänemark) dar.66 Das Parallelabkommen zu dieser Verordnung, das LGVÜ, hat auch außerhalb der Europäischen Union, etwa gegenüber der Schweiz oder Norwegen, Bedeutung.67 Während die Vollstreckung von staatlichen Gerichtsurteilen im EU-Ausland somit nur vereinzelt möglich ist, bestehen im Bereich der Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche multilaterale Konventionen, allen voran das Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche 1958 ("New York Convention 1958") und das Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961. Der NY Konvention gehören weltweit derzeit bereits mehr als 130 Staaten an.68 Somit sind ausländische Schiedssprüche, im Gegensatz zu ausländischen Gerichtsurteilen, in praktisch allen bedeutenden Ländern des internationalen Wirtschaftsverkehr einer leichteren Vollstreckung zugänglich. Flexibilität: Die meisten internationalen Schiedsverfahrensgesetze bieten den Parteien weiten Spielraum zur Gestaltung des Verfahrens vor dem Schiedsgericht. Die Parteien sind daher nicht wie im Zivilprozess an ein vorgegebenes Regelwerk gebunden, sondern können das Verfahren individuell auf ihren Rechtsstreit und ihre Bedürfnisse abstimmen. Diese Freiheit der Parteien zur Gestaltung des Schiedsverfahrens ermöglicht auch die Kombination der Schiedsgerichtsbarkeit mit anderen Streitbeilegungsmethoden. So kann beispielsweise ein Mediationsverfahren einem Schiedsverfahren vor- oder zwischengeschaltet werden. Die Parteien können das Verfahren aber auch jederzeit formlos unterbrechen um Vergleichsverhandlungen zu führen. Vertraulichkeit: Anders als Gerichtsverfahren, die in der Regel der Öffentlichkeit frei zugänglich sind, finden Schiedsverfahren hinter verschlossenen Türen statt. Weder der Verfahrensverlauf noch die ergangene Entscheidung sind der Öffentlichkeit zugänglich, sofern die Parteien dies vereinbart haben. Dies hat vor allem im Wirtschaftsverkehr den Vorteil, dass Geschäftsgeheimnisse gewahrt bleiben können. Endgültigkeit: Die Entscheidung eines Schiedsgerichtes ist endgültig. Anders als im Zivilprozess sind in der Schiedsgerichtsbarkeit keine Rechtsmittelinstanzen vorgesehen. Ein Schiedsspruch kann zwar aus sehr eingeschränkten Gründen angefochten werden, beispielsweise bei mangelnder Gewährung rechtlichen Gehörs oder anderen schweren Verstößen gegen verfahrensrechtliche Grundsätze oder etwa auch dann, wenn die Entscheidung des Schiedsgerichtes mit den Grundwertungen der Rechtsordnung am Sitz des Schiedsgerichtes oder im 66
Mayr/Czernich, Das neue europäische Zivilprozessrecht (2002) 17. Mayr/Czernich, Das neue europäische Zivilprozessrecht (2002) 16. 68 Vgl. http://www.kluwerarbitration.com/arbitration/arb/conventions/1958-NewYorkConvention (1. Juni 2005); zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vgl Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit6 (2000) 306; Henn (2000) S. 220. 67
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Vollstreckungsland des Schiedsspruches nicht vereinbar ist. Eine inhaltliche Überprüfung des Schiedsspruches eines Schiedsgerichtes im Sinne einer Berufung gegen ein staatliches Gericht vor einem übergeordneten Gericht gibt es allerdings nicht. Dies bedeutet in aller Regel jedoch kein Rechtsschutzdefizit in der Schiedsgerichtsbarkeit gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit. Die Endgültigkeit des Schiedsspruches erfordert allerdings eine besonders sorgfältige Auswahl der Schiedsrichter, um unbillige Entscheidungen möglichst zu vermeiden. Schnelligkeit: Schiedsverfahren dauern in der Regel erheblich kürzer als staatliche Gerichtsverfahren. In manchen Schiedsverfahrensregeln ist eine Frist vorgesehen, binnen welcher das Schiedsgericht einen Schiedsspruch erlassen muss. In den aktuellen Schiedsverfahrensregeln der ICC ist beispielsweise eine Frist von 6 Monaten für die Erlassung des Schiedsspruches vorgesehen.69 Diese Fristen sind jedoch erstreckbar, wovon in der Praxis in der Regel auch Gebrauch gemacht wird. Die häufige Komplexität der Sachverhalte in Schiedsverfahren bedingt oft eine längere Verfahrensdauer. Auch rein organisatorische Fragen wie etwa die Festsetzung von Schiedsverhandlungen können mitunter gerade in internationalen Schiedsverfahren eine Verzögerung des Verfahrens bewirken. Verglichen mit staatlichen Gerichtsverfahren ist die Dauer von Schiedsverfahren im Durchschnitt dennoch wesentlich kürzer. Dies hängt in den meisten Staaten primär mit der notorischen Überlastung der staatlichen Gerichte zusammen. Eine kürzere Verfahrensdauer von Schiedsverfahren ergibt sich aber auch aus dem grundsätzlichen Entfall der Berufungsmöglichkeiten gegen die ergangene Entscheidung sowie den oben beschriebenen Einschränkungen der Möglichkeit zur Anfechtung des Schiedsspruches. Kostenersparnis: Obwohl die Honorare von Schiedsrichtern vor allem in ad hoc-Schiedsverfahren beträchtlich sein können, sind Schiedsverfahren im Vergleich zu Gerichtsprozessen, die sich über mehrere Instanzen ziehen können, in der Regel weniger kostenintensiv. Zudem muss berücksichtigt werden, dass auch bei staatlichen Gerichten die Gerichtsgebühr bei hohen Streitwerten beträchtlich hoch sein kann. Die administrativen Gebühren der Schiedsinstitutionen und die Honorare sind meist abhängig vom Streitwert in Tarifen festgesetzt. So lassen sich die Kosten eines Schiedsverfahrens und somit das Risiko der Verfahrensführung im Vorhinein exakt abschätzen. Erhaltung der Geschäftsbeziehungen: Der Ablauf von Schiedsverfahren gestaltet sich in der Regel weniger konfrontativ als Gerichtsprozesse. Aktuellen Schätzungen zufolge enden etwa 50-60 Prozent aller Schiedsverfahren nicht mit einem Schiedsspruch, sondern mit einem Vergleich zwischen den Parteien.70 Auf Grund der Flexibilität der Schiedsverfahrensregeln können Schiedsverfahren mit andern Methoden der alternativen Streitbeilegung kombiniert werden, um einen Vergleich 69 70
Artikel 24 Absatz 1 ICC Schiedsgerichtsordnung 1998. Bucher, Die Rolle des Schiedsrichters bei der vergleichsweisen Regelung des Streits, ASA Bulletin 3/1995, 568; Nicklisch, Schiedsgerichtsverfahren mit integrierter Schlichtung, RIW 1998, 171.
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zwischen den Parteien zu fördern.71 Schließlich müssen in der Schiedsgerichtsbarkeit mehr als die Hälfte aller ergangenen Schiedssprüche nicht vollstreckt werden, sondern werden freiwillig erfüllt. Es wird daher oft auch nach einem Schiedsverfahren eher möglich sein, erfolgreiche Geschäftsbeziehungen aufrecht zu erhalten, als nach einem Gerichtsverfahren. Durchführung von Mehrparteienverfahren: In Outsourcing-Projekten kann es oft zu Konstellationen in einem Streitfall kommen, in denen entweder auf Kläger- oder Beklagtenseite mehr als nur eine Partei auftritt. Das Verhältnis der jeweiligen Parteien auf Kläger- oder Beklagtenseite kann entweder faktischer oder rechtlicher Natur sein. Bei einem Outsourcing-Projekt kommt es zu solchen Konstellation beispielsweise bei Bieterkonsortien, wo einzelne Bieter rechtlich voneinander unabhängige (Teil-) Leistungen erbringen, die sich jedoch realiter auf das gleiche Projekt beziehen. Ein rechtliches Verhältnis zwischen mehreren Parteien liegt etwa dann vor, wenn mehrere Parteien als Solidarschuldner auftreten, beispielsweise wenn sich mehrere Anbieter zu einer gemeinsamen Leistungserbringung verpflichten. Zwar kann in der Regel ein Anspruch auch nur gegen einen Solidarschuldner alleine, gleichsam stellvertretend für die restlichen Solidarschuldner geltend gemacht werden. Doch kann es gerade in einem Outsourcing-Projekt sinnvoll sein, alle Solidarschuldner in das Verfahren miteinzubeziehen. Häufig bedienen sich Outsourcing-Anbieter auch Subunternehmer, um eine Leistung gegenüber dem auslagernden Unternehmen zu erbringen. Je nach Vertragsverhältnis zwischen dem auslagernden Unternehmen, dem Outsourcing-Anbieter und dessen Subunternehmer haftet dieser nur letzterem oder auch dem ursprünglichen Auftraggeber. Unabhängig von dem zugrundeliegenden Vertragsverhältnis kann es aber auch hier sinnvoll sein, den Subunternehmer in ein einheitliches Streitbeilegungsverfahren miteinzubeziehen. Mehrparteienverfahren vor staatlichen Gerichten werfen in der Praxis insbesondere aus Gründen von Zuständigkeitsfragen häufig Probleme auf.72 In der Regel wird jedoch ein rechtlicher Zusammenhang zwischen den Parteien eines Verfahrens erforderlich sein. Besteht der Konnex zwischen mehreren Parteien nur in einem faktischen Zusammenhang, ist eine Verbindung paralleler Verfahren in Einzelfällen zwar möglich, ein Rechtsanspruch darauf wird häufig nicht bestehen. Besonders schwierige Konstellationen ergeben sich bei Outsourcing-Projekten mit Auslandsbezug. Haben mehrere Vertragsparteien eines Outsourcing-Projektes ihren Sitz in verschiedenen Ländern, so wird meist kein einheitlicher Gerichtsstand aller beteiligten Parteien bestehen und damit die Zuständigkeit der Gerichte für die einzelnen Parteien differieren. Wird jedoch ein Schiedsgericht als zuständige Streitbeilegungsinstanz für alle beteiligten Vertragsparteien an einem Outsourcing-Projekt vereinbart, so können Zuständigkeitsprobleme meist vermieden werden. In einem Schiedsverfahren kann grundsätzlich jede Ver-
71 72
Siehe Schneider (1998), S. 72. Vgl. zur Rechtslage in Österreich Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht (2000) Rz 194 ff.
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tragspartei als Verfahrenspartei auftreten, die als solche in der Schiedsvereinbarung benannt wird und sich dadurch der Zuständigkeit des Schiedsgerichtes unterwirft. Durch eine umfassende Schiedsvereinbarung, die alle möglichen Parteien in einem Outsourcing-Projekt miteinbezieht, in Verbindung mit speziellen Bestimmungen in den Schiedsverfahrensregeln über Mehrparteienverfahren, die gleichzeitig detailliert und flexibel sind, lassen sich unangemessene Kosten sowie zusätzliches Risiko bei der Durchsetzung von Ansprüchen gegen mehrere Vertragsparteien erheblich reduzieren.
Wahl des Schiedsgerichtes Generell kann zwischen institutionalisierter oder ad hoc Schiedsgerichtsbarkeit vereinbart werden. Bei der Vereinbarung institutionalisierter Schiedsgerichtsbarkeit sind bereits bestimmte Verfahrensregeln vorgegeben und das Schiedsgericht wird in seinen administrativen Tätigkeiten von einer eigenen Schiedsinstitution (wie etwa der ICC oder dem WIS der WKÖ) unterstützt. Die Parteien haben dadurch weniger Möglichkeiten, das Schiedsverfahren durch ihre Untätigkeit oder Kooperationsverweigerung zu verzögern oder gar zu verhindern. Ein stehender Spruchkörper besteht dagegen auch bei institutionalisierter Schiedsgerichtsbarkeit nicht. Rechtsprechender Entscheidungsträger sind daher immer die eingesetzten Schiedsrichter und nie die Schiedsinstitution. Auch bei Schiedsinstitutionen haben die Parteien meist die Möglichkeit, Schiedsrichter entweder gänzlich frei oder aus einer Liste von beim jeweiligen Schiedsgericht zugelassenen Schiedsrichtern zu bestellen. Bei Schiedsinstitutionen unterscheidet man grundsätzlich zwischen allgemeinen Anbietern, die unabhängig von der Art des Streitfalles bzw. dessen Zuordenbarkeit zu einer bestimmten Branche vereinbart werden können und Schiedsinstitutionen, die sich auf bestimmte Streitigkeiten und bestimmte Branchen spezialisiert haben. Zu den wohl bekanntesten Beispielen für institutionalisierte Schiedsgerichtsbarkeit ohne Ausrichtung auf eine bestimmte Branche zählen unter anderem jene der Internationalen Handelskammer (ICC) mit Hauptgeschäftsstelle in Paris73 und die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) mit Hauptgeschäftsstelle in Wien.74 Unter den spezialisierten Schiedsinstitutionen sind neben den traditionellen Organisationen für Seehandelsschiedsgerichtsbarkeit vor allem das Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten der Weltbank („ICSID") mit Hauptgeschäftsstelle in Washington DC75 sowie das Schieds- und Mediationszentrum der World Intellectual Property Organisation (WIPO) mit Hauptgeschäftsstelle in Genf76 zu nennen. Vor allem das Schiedsgerichtszentrum der WIPO kann in Outsourcing-Projekten, in denen häufig Streitigkeiten über geistiges Eigentum entschieden werden, eine sinnvolle Option darstellen.
73
Vgl. http://www.iccwbo.org/index_court.asp (27.05.2005). Vgl. http://www.wko.at/arbitration/ (27.5.2005). 75 Siehe Reed/Paulsson/Blackaby (2004). 76 Vgl. http://arbiter.wipo.int/center/index.html (27.5.2005). 74
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Im Gegensatz zu institutionalisierten Schiedsgerichtsparteien können die Parteien bei Vereinbarung von ad hoc Schiedsgerichtsbarkeit die Details des anzuwendenden Verfahrens selbst festlegen, bei Fehlen einer entsprechenden Vereinbarung greifen Schiedsgerichte in der Regel auf das am Ort des Schiedsverfahrens geltende Recht zurück.
Wirksame Vereinbarung der Zuständigkeit Schiedsverfahren bedeuten den (fast gänzlichen) Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit. Es gilt daher, den Parteien bei Abschluss einer Schiedsvereinbarung die Wahl dieses alternativen Streitbeilegungsmechanismus bewusst zu machen. Aus diesem Grund sind an den wirksamen Abschluss von Schiedsvereinbarungen besondere Formvorschriften (vor allem die Schriftlichkeit) verbunden. Nach österreichischem Recht müssen Schiedsvereinbarungen entweder in einem von den Parteien unterzeichneten Schriftstück oder in zwischen ihnen gewechselten Schreiben, Telefaxen, E-Mails oder anderen Formen der Nachrichtenübermittlung enthalten sein, die einen Nachweis der Vereinbarung sicherstellen. Nimmt ein diesen Formerfordernissen entsprechender Vertrag auf ein Schriftstück Bezug, das eine Schiedsvereinbarung enthält, so begründet dies eine Schiedsvereinbarung, wenn die Bezugnahme dergestalt ist, dass sie diese Schiedsvereinbarung zu einem Bestandteil des Vertrages macht. Eine Heilung von Formmängeln der Schiedsvereinbarung ist möglich, wenn der Mangel nicht spätestens zugleich mit der Einlassung in den Rechtsstreit gerügt wird. Die Formvorschriften werden nach österreichischem Recht streng ausgelegt.77 Dies gilt auch für den Abschluss von Schiedsvereinbarungen im Vollmachtsnamen. Dies kann wirksam – außerhalb des Anwendungsbereichs des UGB – nur im Rahmen einer schriftlichen Spezialvollmacht (§1008 ABGB) erfolgen und muss daher bei allen Vertragsschlüssen gesondert geprüft und beachtet werden.
7.11 Ordentliche Gerichtsbarkeit Sofern die Zuständigkeit ordentlicher staatlicher Gerichte nicht ohnehin ausgeschlossen und durch eine Schiedsvereinbarung ersetzt wird, beschränkt sich die Zuständigkeit staatlicher Gerichte im Zusammenhang mit Outsourcing-Projekten praktisch auf jene Fälle, in denen Schiedsvereinbarungen nicht zulässig sind. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn die Parteien über Rechtsverhältnisse etwa auf Grund öffentlicher Interessen nicht frei verfügen
77
Für Schiedsvereinbarungen die vor dem 1. Juli 2006 abgeschlossen wurden, gelten noch strengere Formvorschriften.
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können bzw. der Streitgegenstand nicht schiedsfähig ist, das bedeutet, es sich bei dem Streit nicht um einen vermögensrechtlichen Anspruch handelt.78 Sollte die Zuständigkeit staatlicher Gerichte (ungeachtet der Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit) gewünscht werden, so sollte jedenfalls in Outsourcing-Projekten mit Auslandsbezug eine Gerichtsstandsklausel in die Verträge aufgenommen werden. Bei Gerichtsstandsvereinbarungen in Vertragsverhältnissen mit Auslandsbezug ist in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob die Zuständigkeit eines bestimmten Gerichtes in einem bestimmten Land überhaupt rechtswirksam vereinbart werden kann. Viele Rechtsordnungen verlangen eine gewisse Nähebeziehung zwischen dem vereinbarten Forum und den Parteien bzw. dem zugrundeliegenden Vertragsverhältnis. Vereinbaren die Parteien kein zuständiges Gericht, können sich erhebliche Erschwernisse bei der Rechtsdurchsetzung von Ansprüchen ergeben. Internationale Kollisionsnormen über die Zuständigkeit von Gerichten und das anwendbare materielle Recht sind zum Teil uneinheitlich und können somit zu unerwarteten und unvorteilhaften Ergebnissen führen.
7.12 Zusammenfassung Wenngleich die Ausgestaltung des Streitbeilegungsverfahrens in einem Outsourcing-Projekt grundsätzlich zur Disposition der Parteien steht, sollten doch regelmäßig die Methoden der alternativen Streitbeilegung, nämlich Dispute Boards, Mediation oder etwa auch Mini-Trial ausgeschöpft werden, ehe ein Konflikt einem streitigen Verfahren, wie einem Schieds- oder Gerichtsverfahren zugeführt wird. Die Möglichkeiten der Ausgestaltung, des Einsatzes und der Kombination von alternativen Streitbeilegungsmethoden sind zahlreich. Eine allgemeingültige Empfehlung gibt es nicht. Die Frage welche Streitbeilegung die für das jeweilige Outsourcing-Projekt geeignetste ist, unterliegt einer Einzelfallbeurteilung. Den Teilnehmern an solchen Projekten ist daher bereits im Rahmen der Vertragsgestaltung eine ausführliche Auseinandersetzung mit dieser Frage zu empfehlen.
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Siehe § 582 ZPO mit weiteren Ausnahmen.
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Der Herausgeber
Dr. Berthold Kaib leitet das Global Competence Center Finance der T-Systems Enterprise Services GmbH. Er entwickelt dort im Rahmen des Business Development für Bank- und Versicherungskunden mit seinem Team industriespezfische Lösungen und Serviceangebote bis zur Marktreife. Nach seiner Ausbildung zum Rechtsanwalt leitete er die Marketing- und Rechtsabteilung der Deutsch-Malaysischen Handelskammer in Kuala Lumpur, Malaysia. Danach war er mehrere Jahre bei der Deutschen Bank im Firmenkundengeschäft und im Private Banking tätig sowie Geschäftsführer von SK ONLINE und des Verbandes der Sparda-Banken e. V. In dieser Funktion initiierte er und setzte erfolgreich das größte Outsourcingprojekt der deutschen Kreditwirtschaft der Jahre 2001/2002 um mit dem Wechsel des Wertpapierdienstleisters von der bws-Bank zur etb AG (heute Xchanging). Neben seiner Lehrtätigkeit an der Frankfurt School of Finance & Management ist er im Inund Ausland gefragter Referent zu den Themen „IT- Strategie“ und „Outsourcing in Banken“.
Die Autoren
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Die Autoren
Rainer Alt ist Professor für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Anwendungssysteme in Wirtschaft und Verwaltung an der Universität Leipzig. Sein Co-Autor Thomas Zerndt leitet als Projektleiter das Kompetenzzentrum „Sourcing in der Finanzindustrie 2“, ein Konsortialprojekt mit 18 Unternehmen der Finanzindustrie, als Teil seiner Aufgaben als Vice President bei der IMG AG, St. Gallen. Dr. Ulrich Bongartz leitet das strategische Controlling der WestLB (www.west-lb.de), Düsseldorf. Davor war er Mitglied des Führungsteams des CC Financial Services der Droege & Comp. AG, Düsseldorf. Hans-Christian Boos ist Gesellschafter und Geschäftsführer der arago Institut für komplexes Datenmanagement AG, Frankfurt am Main (www.arago.de). Dr. Bertram Burtscher und Dr. Friedrich Jergitsch sind Rechtsanwälte in der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, Wien. Dr. Burtscher arbeitet mit den Schwerpunkten Outsourcing, gewerblicher Rechtsschutz, Informationstechnologie, Begleitung komplexer EDVund Technologieprojekte einschließlich Beratung in diesbezüglichen Rechtsstreitigkeiten. Dr. Jergitschs Schwerpunkt liegt im Bereich bankenregulatorischer Fragen und Kreditsyndizierungen/ABS Transaktionen. Dr. Mario Daberkow ist stellvertretendes Mitglied des Vorstands der Postbank AG, Bonn, und dort für das Transaction Banking zuständig. Inga Radtke studierte Wirtschaftsgeographie, Entwicklungssoziologie und Politikwissenschaften in Bonn und ist seit 2006 Vorstandsassistentin im Ressort Services der Postbank AG, Bonn (www.postbank.de). Dr. Marcus Hacke, Diplom-Physiker, leitet bei T-Systems Enterprise Services GmbH, Darmstadt, den Bereich Business Development (www.t-systems.com). Stefan Haemmerling ist Sprecher der Geschäftsführung der Bankenservice GmbH, Berlin (www.bankenservice.de). Professor Dr. Wolfgang König unterrichtet Information Systems an der Universität Frankfurt am Main als Teil der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und leitet das E-Finance Lab; sein Co-Autor Daniel Beimhorn ist Doktorand am E-Finance Lab (www.efinancelab.de). Dr. Klaus Lackhoff ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, Frankfurt am Main (www.freshfields.de), mit den Schwerpunkten Börsenzulassung, Kreditwesengesetz, Structured Finance (ABS), Asset Finance, Investmentrecht.
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Dr. Andrea Marlière ist Gesellschafterin und Geschäftsführerin der NetCo Consulting GmbH, Frankfurt am Main (www.netco.eu). Bernd Meier ist Geschäftsführer der Kreditwerk Hypothekenmanagement GmbH, Mannheim (www.hypotheken-management.com) und Bereichsleiter Klienten, Vertrieb bei der VR Kreditwerk, Hamburg (www.kreditwerk.de). Professor Dr. Jürgen Moormann unterrichtet an der Frankfurt School of Finance & Management, Frankfurt am Main (ehemals HfB). Seine Lehrschwerpunkte sind Strategieentwicklung, Prozessmanagement und IT-Management. Matthias Hilgert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter sowie Doktorand am ProcessLab der Frankfurt School of Finance & Management (www.frankfurt-school.de). Christoph Schmidt, Diplom-Mathematiker, ist bei T-Systems Enterprise Service im Competence Center Finance tätig (www.t-systems.com). Friedrich Schreder verantwortet bei T-Systems Austria, Wien, den Bereich TransactionBanking (www.t-systems.at). Dr. Joachim Schü ist Mitgesellschafter und Geschäftsführer der Consileon Business Consultancy GmbH, Karlsruhe (www.consileon.de). Bernhard Schüller war in führenden Positionen im Bereich der Wertpapierabwicklung tätig, zuletzt als Vorstand der bws Bank AG, Frankfurt am Main. Arno Simon ist Business Development Executive und arbeitet für die IBM Global Business Services der IBM Deutschland GmbH, Frankfurt am Main, im Vertrieb für Application Management Bankenprojekte (www.ibm.com/de). Michael Steinbach ist Vorstandsvorsitzender der Equens Deutschland AG, Frankfurt am Main (www.equens.com), davor war er Vorstandssprecher der Transaktionsinstitut für Zahlungsverkehrsdienstleistungen AG (TAI). Sein Co-Autor Benjamin Syrbe ist Advisor to the Board of Directors bei Equens Deutschland AG, Frankfurt am Main. Martin Slumbers ist Global Head der COO Organisation der Deutschen Bank AG mit Sitz in London (www.db.com). Peter Thomayer ist Vorsitzender des Vorstands der CPB Software AG, Wien (www.cpbsoftware.at).