Parker friert die »Füchse« ein Ein neuer Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges Josuah Parker...
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Parker friert die »Füchse« ein Ein neuer Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges Josuah Parker machte sich gewisse Sorgen. Die drei Männer vor der Bartheke waren groß, muskulös und verfügten über Manieren, die der Butler als ausgesprochen beklagenswert empfand. Sie trugen derbe Schnürstiefel, Jeans und hüftlange Jacken, tuschelten miteinander und hatten es mit Sicherheit auf Anwalt Mike Rander abgesehen, der in dieser rauhen und rustikalen Umgebung ein wenig deplaziert wirkte. Rander trug ein schwarzes Dinnerjackett, graue Flanellhosen und ein blütenweißes Hemd mit Fliege. Er hätte in die Bar eines First-Class-Hotels gepaßt, jedoch nicht in ein Etablissement, das man nur als Schuppen bezeichnen konnte. Der Anwalt rauchte seine Zigarette mit dem Ausdruck eindeutiger Arroganz, und wenn er am Whisky nippte, verzog er den Mund. Parker saß in der Nähe des bauchigen, gußeisernen Ofens und war kaum wahrzunehmen. Die Beleuchtung in diesem Raum ließ Wünsche offen. Sie bestand aus einigen Petroleumlampen, die unter der niedrigen Decke hingen. Ihr Schein wurde fast verschluckt von dem Qualm, der in dichten Schwaden den Gästen zu schaffen machte und sich zäh durch einige Belüftungsschlitze zwängte.
Josuah Parkers Sorgen steigerten sich, denn die Muskulösen schienen inzwischen einen Entschluß gefaßt zu haben. Sie wollten sich eindeutig mit dem Anwalt anlegen, der sie souverän übersah. Gerade aus diesem Grund schoben sie sich näher an Mike Rander heran und bauten sich in einem Viertelkreis auf. Dann inszenierte einer von ihnen den Zwischenfall, der ihnen Grund geben sollte, über den Anwalt herzufallen: Der betreffende Mann kippte den restlichen Inhalt seines Bierglases über seine Jacke und fluchte ausgiebig. Dann rammte er Mike Rander das leere Bierglas gegen den Rücken. »Mach' das nich' noch mal, Dressman«, sagte er gespielt gereizt. »Zieh' hier bloß nicht die große Show ab, klar?« Josuah Parker geriet in noch größere Sorge, als Mike Rander sich höflich entschuldigte. Der Anwalt, Brite wie er, sprach mit deutlichem Hochschulakzent, der ausgesprochen arrogant klang. Dies mußte die drei rüden Männer nur noch zusätzlich verstimmen. Sie sprangen auf diesen Ton sofort an. »Die vornehme Tour zieht hier nicht, Lackaffe«, sagte der zweite Muskulöse und schob sich vor. Er
blies Mike Rander den Qualm seiner Pfeife direkt ins Gesicht. »Hübsches Kraut«, kommentierte der etwas über mittelgroße, schlanke und keineswegs wie eine Kampfmaschine aussehende Anwalt, der sich des Ernstes seiner Lage überhaupt nicht bewußt zu sein schein. Ein freundliches Lächeln umspielte seine Lippen. »Ich gebe dir genau dreißig Sekunden Zeit, die Platte zu putzen«, verkündete der dritte Mann. »Die Zeit läuft.« »Ich werde die Zeit nehmen«, antwortete Mike Rander höflich und drückte den kleinen Knopf seiner Armbanduhr. »Haben Sie etwas gegen mich?« Die drei nickten und grinsten sich gegenseitig an. Sie genossen die Stille, die mittlerweile in der Bar herrschte. Sie waren sich ihrer Muskeln und Schlagkraft wohl bewußt. Parker hatte darüber hinaus den Eindruck, daß sie sich als Schläger bereits einen gewissen Namen gemacht hatten. Die gewiß nicht furchtsam aussehenden Männer in ihrer näheren Umgebung zogen sich zurück und schufen einen freien Platz. »Noch fünfzehn Sekunden«, sagte Anwalt Rander zu den drei Männern. »Ab zehn Sekunden beginne ich mit dem Countdown.« Parkers Sorgen erreichten einen Höhepunkt, aber dennoch blieb er unscheinbar und gelassen neben dem gußeisernen Ofen sitzen. Er hatte allerdings seinen altväterlich gebundenen Regenschirm ein wenig angehoben, was aber von keinem Barbesucher registriert wurde.
»Die dreißig Sekunden sind um«, verkündete Anwalt Rander inzwischen lächelnd. »Meine Uhr geht genau.« »Und du gehst nun auch«, sagte der erste Schläger und grinste. »Nee, du fliegst«, sagte der zweite und grinste sogar tückisch. »Und zwar wie 'ne Rakete«, prophezeite der dritte Mann und holte betont langsam und genußvoll aus. »Wollen Sie tatsächlich Ärger machen, meine Herren?« fragte Mike Rander in versöhnlichem Ton. »Falls Sie einverstanden sind, zahle ich Ihnen selbstverständlich einen Drink.« Dieses Angebot löste umgehend einen Magenhaken aus. Der Schläger langte blitzschnell und kraftvoll zu. Seine Faust donnerte gegen den Tresen und deformierte das solide Holz. Die Knöchel des Mannes gerieten allerdings auch aus der anatomisch richtigen Form und lösten einen erstickten Schmerzenslaut aus. Mike Rander, der elegant wie ein Torero zur Seite gewichen war, bremste mit angewinkeltem Arm einen Schlag ab, den ihm der zweite Akteur zugedacht hatte. Dann landete der Anwalt einen Handkantenschlag auf das Schlüsselbein des dritten Muskulösen, der ebenfalls zuschlagen wollte. Butler Parker seufzte leise. Er machte sich immer noch Sorgen. Die drei Schläger hatten wirklich nicht den Hauch einer Chance gegen Mike Rander. Sie hatten sich da auf etwas
eingelassen, das unüberschaubar war.
für
sie
* Lady Agatha Simpson - seit ihrem sechzigsten Geburtstag nicht mehr daran interessiert, ihre Lebensjahre zu zählen - war eine große, stattliche Dame, die an die Walküre einer Wagner-Oper erinnerte. Seit vielen Jahren verwitwet, gab sie sich ganz ihrem Hobby hin und betätigte sich als AmateurDetektivin. Ihr Reichtum gestattete es ihr, jeder exzentrischen Laune nachzugeben. Sie besaß den Charme eines Bulldozers, wenn es sein mußte ihre Offenheit war legendär und gefürchtet. Lady Agatha, mit dem Blutund Geldadel Großbritanniens eng verschwistert und verschwägert, verfügte über erstaunliche Verbindungen. Selbst hier in Alaska standen ihr Tür und Tor weit offen. Sie war mit größtem Respekt empfangen worden und befand sich in der Bürosuite eines gewissen Mr. Pete W. Skindale, der sie in einer Mischung aus tiefstem Respekt und Nervosität behandelte. »Sie erinnern mich an ein aufgescheuchtes Huhn, Mr. Skindale«, stellte Lady Agatha mit ihrer baritonal gefärbten Stimme fest. »Wollen Sie sich nicht endlich setzen und zur Sache kommen?« »Sofort, Mylady, sofort«, antwortete Skindale, ein schlanker Mann von etwa fünfundfünfzig Jahren, dessen randlose Brille ihm ein professorales Aussehen verlieh. »Darf ich Ihnen etwas anbieten?
Vielleicht Tee oder einen Orangensaft?« »Orangensaft«, entschied die ältere Dame und ließ ihre Fülle in einem Sessel nieder, der auf ihr Gewicht mit feinem, leicht gequältem Quietschen reagierte. »Orangensaft mit Wodka, um genau zu sein, mein Bester! Und dann setzen Sie sich endlich und kommen zur Sache.« »Wir steuern einer Katastrophe entgegen, Mylady«, schickte Skindale voraus und mühte sich, den Drink zu mixen. Seine Hände vibrierten dabei deutlich. Skindale schien unter starker Seelenmassage zu stehen. Lady Agatha erhob sich wieder und besorgte das recht behend. Wie man es ihr auf den ersten und zweiten Bück gar nicht zugetraut hätte. Sie übernahm die Getränke und gab in ein Longdrink-Glas eine winzige Dosis Orangensaft, um dann ausgiebig mit Wodka nachzufüllen. Sie verzichtete darauf, sich erneut hinzusetzen und sah den Manager der ölfirma abwartend an. »Katastrophe?« Sie nickte beifällig. »Das höre ich gern, Skindale, das klingt vertraut. Wer will Ihnen ans Fell?« »Die Füchse«, antwortete der TopManager. »Genauer gesagt, die Polarfüchse!« »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?« fragte die Detektivin sehr ungeniert. »So nennen sich die Gangster«, fuhr Skindale fort. »Sie wollen sich am Gewinn unserer Gesellschaft beteiligen.« »Also Erpressung, nicht wahr?«
»Erpressung in reinster Form, Mylady«, bestätigte der Manager. »Die Füchse verlangen eine erste Rate in Höhe von fünfhunderttausend Dollar, zahlbar in einer Woche.« »Und falls Sie nicht zahlen, Skindale?« »Soll .die Pipeline gesprengt werden, Mylady.« »Klingt wirklich nicht schlecht, mein Bester.« Lady Agatha hatte bereits getrunken und nahm einen zweiten, noch intensiveren Schluck. »Dieser Fall ist ganz nach meinem Herzen.« »Mylady, wir befinden uns nicht in den Staaten oder in Europa«, warf der Top-Manager ein. »Wir sind hier in Alaska.« »Was Sie. nicht sagen!?« Lady Agatha lächelte bissig. »Ohne diesen Hinweis hätte ich das glatt übersehen.« »Unsere Pipeline führt von der Harrison Bay quer durch Alaska bis hierher nach Valdez. Das sind gut und gern tausenddreihundert Kilometer durch ein Gelände, dessen Unwegsamkeit man sich nicht vorstellen kann.« »Werden Sie nicht melodramatisch, Skindale.« Lady Agatha winkte gelangweilt ab. »Ich habe nicht vor, die Strecke zu Fuß zu gehen.« »Ich will damit sagen, Mylady, daß eine lückenlose Überwachung der Pipeline unmöglich ist«, antwortete Skindale hastig. »Die Gangster können zuschlagen, wann und wo immer sie wollen. Wir sind ihnen hilflos ausgeliefert.«
»Dann zahlen Sie doch!« Lady Agatha befaßte sich mit ihrem Drink. »Das wäre eine Kette ohne Ende, Mylady.« Skindale wischte sich feine Schweißtröpfchen von der Stirn. »In einer Woche fünfhunderttausend, im nächsten Monat schon eine Million, und ich weiß bereits jetzt, daß die Forderungen immer unverschämter ausfallen werden.« »Sie haben selbstverständlich keine Ahnung, wer diese Polarfüchse sein könnten?« »Unser Objektschutz ermittelt fieberhaft, Mylady.« »Was stelle ich mir denn unter Objektschutz vor?« Agatha Simpson lächelte geringschätzig. »So eine Art Werkschutz, Mylady. Wir haben selbstverständlich innerhalb unserer Polar-OilCompany einen eigenen Sicherheitsdienst aufgebaut. Mitch Powell ist ein erstklassiger Mann, aber er kann natürlich auch keine Wunder bewirken.« »Unmögliches wird von uns sofort erledigt, Wunder dauern etwas länger«, spöttelte die Lady. »Weiß dieser Powell, daß man mich um Hilfe gebeten hat?« »Bisher nicht, Mylady. Ihre Einladung erfolgte vom Vorstand unserer Gesellschaft.« »Und dem gehören wie viele Personen an?« »Zehn Herren, Mylady. Ich kann Ihnen versichern, daß Ihre Einladung nicht publik geworden ist.« »Lächerlich, Skindale.« Lady Agatha schüttelte grimmig den Kopf. »Zehn Personen! Inzwischen dürfte
sich meine Anwesenheit hier in Valdez herumgesprochen haben.« »Es wurde strengste Diskretion vereinbart, damit Sie sich ungestört einschalten können, Mylady.« »Strengste Diskretion! Und das unter Männern!« Agatha Simpson lachte dröhnend. »Wollen wir wetten, daß Ihre engsten Mitarbeiter längst Bescheid wissen? Nein, lassen wir's, Sie würden die Wette doch nur verlieren. Geben Sie mir lieber noch einen kleinen Erfrischungstrunk, mein Bester. Ich habe ja nichts dagegen, daß man Bescheid weiß.« »Aber .. Aber die Füchse, Mylady«, stotterte Skindale nervös. »Wird das Ihre Ermittlungen nicht erschweren?« »Papperlapapp«, grollte die Lady, »Füchsen kann man Fallen stellen.« »Sie haben bereits einen Plan, Mylady?« Pete W. Skindale sah die ältere Dame hoffnungsfroh an. »Ich habe immer einen Plan«, sagte sie streng, obwohl sie natürlich keinen hatte. »Die Polarfüchse werden sich bald wundern, mein Bester. Mit einer Lady Simpson fährt man nicht Schlitten, auch nicht hier in Alaska!« * Die drei Schläger hingen groggy über ein paar Kisten und verstanden die Welt nicht mehr. Dies galt übrigens auch für die anderen Männer in der Bar, die noch immer nicht glauben wollten, was sie gerade gesehen hatten. Mit scheuem Respekt musterten sie Mike Rander, der sich ein paar unsichtbare Stäubchen vom Jackett wischte.
Der Anwalt war nicht aus sich herausgegangen. Er hatte die drei unternehmungslustigen Kerle mit ein paar blitzschnellen Handkantenschlägen außer Gefecht gesetzt. Keinem von ihnen war es gelungen, einen Schlag bei Rander anzubringen. »Sie wünschen zu gehen, Sir?« erkundigte sich Josuah Parker, als Mike Rander eine Banknote auf den Tresen legte und abwinkte, da der Barkeeper sich um Wechselgeld kümmern wollte. Butler Parker hatte seinen Platz in der Nähe des gußeisernen Ofens verlassen und schaute den Anwalt erwartungsvollhöflich an. Wenn Rander schon nicht in diese Umgebung paßt, so Parker erst recht nicht und auf keinen Fall. Er trug einen korrekten schwarzen Zweireiher, einen altmodischen Eckkragen und einen schwarzen Binder. Auf seinem Kopf befand sich die obligate schwarze Melone, am angewinkelten linken Unterarm hing der altväterlich gebundene Regenschirm. Parker war der perfekte britische Butler, wie man ihn nur noch in Kostümfilmen zu sehen bekommt. Er hatte das ausdruckslose Gesicht eines berufsmäßigen Pokerspielers. Sein Alter war kaum zu bestimmen. Er konnte fünfzig sein, sich vielleicht sogar schon den Sechzig nähern. Parker war etwas über mittelgroß, fast schlank und strahlte eine Autorität aus, die man körperlich spürte. Gewiß, er war Butler, doch servil war er auf keinen Fall. Seine Manieren waren bestechend.
Er hatte gerade hinter sich ein Geräusch gehört und wandte sich gemessen um. Er musterte einen schmalen, drahtig aussehenden Mann, der geschmeidig auf ihn zukam. »Sagenhaft«, sagte dieser Mann und lächelte anerkennend in Richtung Mike Rander. »So was habe ich bisher noch nicht gesehen.« »Machen Sie's halblang«, erwiderte Rander lässig. »Die guten Leute waren nicht in Form.« »Die guten Leute waren in Form«, widersprach der Geschmeidige: »Ich kenne sie.« »Hoffentlich sind die Burschen nicht nachtragend.« »Bestimmt nicht. Dagegen hätte ich was.« »So gut kennen Sie sie?« »Sie gehören zu meiner Kolonne«, redete der Geschmeidige weiter. Er trug einen Dufflecoat über seinem Jeansanzug. »Ich bin Dick Reggan.« »Rander mein Name. Das da ist mein Butler.« Rander lächelte neutral und deutete auf Parker. »Nett, Reggan, Sie kennengelernt zu haben.« »Meine Jungens sind normalerweise ziemlich friedlich«, redete der Mann weiter. »Aber wir haben ein paar Wochen Einsatz hinter uns. Danach drehen sie leicht durch.« »Ich hab's bereits vergessen.« Mike Rander nickte Josuah Parker zu. »Ich wünsche noch einen netten Abend.«
»Sie sind als Tourist nach Valdez gekommen?« Reggan ließ nicht locker. »Unter anderem.« Rander lächelte und sah durch Reggan hindurch. »Wollen Sie auf Jagd gehen?« Dick Reggan schien ungemein neugierig zu sein. »Unter anderem.« Randers Stimme klang desinteressiert. »Sie wollen tatsächlich raus in die Wildnis?« »Unter anderem.« Mike Randers Desinteresse wirkte bereits sehr arrogant, woran Reggan sich aber nicht stieß. Er ließ sich wenigstens nichts anmerken. »Ich hätte da einen Tip für Sie«, sagte Dick Reggan. »Falls Sie eine erstklassige Ausrüstung brauchen, wenden Sie sich an Butch Barren. Der versorgt Sie mit allem, was Sie brauchen. Jeder hier kann Ihnen sagen, wo er wohnt.« »Mr. Rander wird Ihre Anregung gegebenenfalls aufgreifen«, schaltete sich Josuah Parker ein. »Man bedankt sich für diesen Hinweis.« »Ich will nicht aufdringlich sein«, meinte Dick Reggan, »aber besitzen Sie Polarerfahrung? « »Das wird sich herausstellen, Reggan«, antwortete Mike Rander. »Noch mal: Ich wünsche einen angenehmen Abend. « Parker lüftete in Richtung Dick Reggan höflich seine schwarze Melone und folgte Mike Rander, der zur Tür ging. Er überholte den Anwalt, öffnete die schwere Doppeltür und ließ Rander vorausgehen. Eisige Kälte fiel sie an. Dichte Schneeschleier trieben auf sie zu,
und ein recht starker Wind bemühte sich, eindrucksvoll zu heulen. Die beiden Männer gingen auf einen Land-Rover zu, der auf dem Parkplatz stand. Trotz der Kälte beeilten sie sich nicht übermäßig. Das Wetter schien ihnen überhaupt nichts auszumachen. »Was glauben Sie, Parker, war das bereits ein Stich ins Wespennest?« fragte der Anwalt, als er neben dem Butler auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. »Dies, Sir, wird sich wohl innerhalb der nächsten Minuten entscheiden«, gab Josuah Parker zurück. »Wenn Sie erlauben, werde ich mich bemühen, recht zögernd und unsicher zu fahren. Möglicherweise fordert dies gewisse Herren heraus, wenn ich mich so ausdrücken darf.« * »Das paßt mir alles nicht«, sagte Lady Agatha grimmig. »Das muß man sich mal vorstellen: Kein Mordanschlag, noch nicht mal die Andeutung einer Verfolgung! Diese Polarfüchse scheinen ein Hirngespinst von Skindale zu sein.« »Füchse, Mylady, sind sowohl in einschlägigen Fabeln als auch in der Realität als ausgesprochen schlau bekannt«, bemerkte Josuah Parker in seiner barocken Ausdrucksweise. »Auch wir müssen Fehlanzeige melden, Mylady«, reagierte Mike Rander achselzuckend. »Nach dieser kleinen Szene in der Bar tat sich nichts. Vielleicht liegt das an den Temperaturen.«
Das Trio Parker - Lady Simpson Mike Rander befand sich im Gästehaus der Polar-Oil-Company vor den Toren der Stadt. Es handelte sich um eine Reihe komfortabler Bungalows, die in rustikaler Blockhausmanier errichtet waren und von einem konzerneigenen Hotel versorgt wurden. In dem riesigen offenen Kamin knisterten dicke Holzscheite und verbreiteten zusätzliche Wärme. Hier im Bungalow war von der grimmigen Kälte draußen vor der Tür nichts zu merken. Lady Agatha und ihre Begleiter waren vor einigen Stunden mit einer zweistrahligen Maschine eingeflogen worden und hielten sich in dem einzigen eisfreien Hafen von Alaska auf, der das ganze Jahr über benutzt werden konnte. Ein wirklich dringender Hilferuf hatte sie dazu gebracht, das neblige London zu verlassen. Agatha Simpson war von dieser neuen Herausforderung und von diesem neuen Fall sofort fasziniert gewesen. In nördlichen Regionen dieses Zuschnitts hatte sie sich bisher kaum bewegt. »Ich wäre besser in die Bar gegangen«, redete Lady Agatha weiter. »Dort war wenigstens etwas los, aber bei diesem Skindale ...!? Ausgesprochen langweilig.« »Was meinen Sie, Parker, war die Rangelei geplant oder geschah sie rein zufällig?« Mike Rander wandte sich dem Butler zu. »Sowohl als auch, Sir, wenn ich es so umschreiben darf.« »Die drei Subjekte gehören natürlich zu den Polarfüchsen, die die Ölfirma erpressen wollen«,
entschied Lady Simpson. »Man wollte Sie testen, mein Junge.« »Diesen Eindruck hatte ich allerdings auch.« Rander nickte zustimmend. »Sie sind natürlich wieder mal ariderer Meinung, nicht wahr?« Die Detektivin musterte den Butler mit leicht gereiztem Bück. »In dieser Bar verkehren einschlägigen Auskünften zufolge handfeste Mitarbeiter der Ölfirmen«, antwortete Josuah Parker gemessen. »Es handelt sich um Arbeiter, die wochenlang draußen in der Einöde tätig sind.« »Die Polarfüchse können sich da leicht einschmuggeln«, fand Lady Simpson. »Sie nehmen reguläre Arbeitskontrakte an, studieren ihre Möglichkeiten und wissen so, wie und wo man später die Pipeline sprengen kann.« »Dies, Mylady, wäre selbstverständlich eine Möglichkeit.« Parker deutete eine höfliche Verbeugung an. »Aber sie paßt Ihnen nicht, wie?« »Diese Kolonnen, Mylady, arbeiten bereits seit vielen Monaten, doch erst jetzt wurden fünfhunderttausend Dollar verlangt.« »Weil die Füchse inzwischen wissen, wo die Pipeline besonders verwundbar ist.« Agatha Simpson nickte. »Logischerweise kann es nur so sein.« »Wie Mylady meinen.« Parkers Gesicht zeigte keine Regung. »Sie sind noch immer nicht mit meiner Theorie einverstanden, Mr. Parker, nicht wahr?«
»Dies, Mylady, käme einer Kritik gleich, die meiner bescheidenen Wenigkeit, nicht zusteht.« »Sie wollen sich ja nur nicht festlegen, Mr. Parker«, spottete die Lady plötzlich. Dann schnaubte sie allerdings verächtlich. »Sie glauben also, daß die Gangster gar keine Verbindungsmänner zu den Arbeitsstellen haben, Parker?« fragte Mike Rander. »In der Tat, Sir«, antwortete Josuah Parker. »Verbindungsleute wären gar nicht notwendig. Sabotage an der Pipeline kann man wesentlich effektiver und gezielter betreiben, wenn der Kreis der Mitwisser klein ist.« »Schnickschnack, Mr. Parker!« Agatha Simpson triumphierte. »Sie wissen eben nicht, wie unwegsam das Gelände draußen im Gebirge und in den Eistundren ist. Skindale hat mir das sehr genau auseinandergesetzt. Um an die Pipeline heranzukommen, brauchen Sie geländegängige Fahrzeuge und intime Ortskenntnisse.« »Oder möglicherweise und vielleicht nur einen Helikopter, Mylady«, lautete Parkers Antwort, worauf Lady Agatha ihre Lippen fest zusammenpreßte. Sie ärgerte sich, nicht selbst darauf gekommen zu sein. * Agatha Simpson und Mike Rander hatten sich die schweren Pelze übergeworfen und den Bungalow verlassen. Sie wollten ins konzerneigene Hotel gehen und an
einem Abendessen teilnehmen, das Pete W. Skindale für seine Gäste gab. Natürlich hatte diese Einladung auch für den Butler gegolten, doch Parker hatte sich entschuldigt. Er wollte sich angeblich noch ein wenig mit der Pflege der Reisekleidung befassen. Parker hatte seinen schwarzen Universal-Lederkoffer geöffnet und ein kleines Gerät hervorgeholt, das an einen Taschentransistor erinnerte. Er schaltete dieses Gerät ein, empfing jedoch keine Musik. Auf einer Art Potentiometer verfolgte er den Ausschlag eines Zeigers. Parker schaltete das Radio ein und suchte solange nach einer Station, bis er die dozierend vortragende Stimme eines Mannes hörte. Dann machte er sich daran, geduldig nach wenigstens einer >Wanze< zu suchen. Er war von Natur aus ein vorsichtiger Mensch und ging von der Tatsache aus, daß diese sogenannten Polarfüchse durchaus wußten, wen der Ölkonzern nach Valdez eingeladen hatte. Und sie mußten einfach daran interessiert sein zu erfahren, was die Gäste miteinander zu bereden hatten. Butler Parker brauchte mit seinem Spezialgerät nicht lange zu fahnden. Schon nach wenigen Minuten schlug der Zeiger des Instrumentes deutlich aus. Der Butler stand in der Nähe einiger Steckdosen, bückte sich und wußte Bescheid. In einer Steckdose befand sich mit Sicherheit eine elektronische >Wanze<, die sich nur dann einschaltete, wenn Geräusche oder Stimmen zu hören waren. Parker dachte nicht daran, die >Wanze< zu
entfernen. Er hielt sie im Gegenteil für äußerst wichtig und war nachträglich froh darüber, von einem Hubschrauber gesprochen zu haben. Dieser Hinweis war von den Füchsen mit Sicherheit längst aufgefangen und aufgezeichnet worden. Parker ging zum Schreibtisch und riß von einem Notizblock einige Boden ab. Mit großen Druckbuchstaben schrieb er darauf die beiden Worte >Achtung! Wanzen!< Wenn Lady Simpson und Mike Rander aus dem Hotel zurückkehrten, wollte er ihnen diese Warnung stumm präsentieren und damit zur Vorsicht mahnen. Sein Hinweis auf Hubschrauber entsprach übrigens einer Eingebung, die Parker auch ohne das Vorhandensein einer >Wanze< geäußert hätte. Er hatte sich wieder mal in die Gedankenwelt der Gangster versetzt und überlegt, wie er an ihrer Stelle handeln würde. Um eine Pipeline zu stören oder gar streckenweise nachhaltig in die Luft gehen zu lassen, brauchte man sich wirklich nicht zu Fuß an sie heranzupirschen. Von einem Hubschrauber oder von einem Flugzeug aus ließ sich das spielend leicht erledigen. Hier in Alaska gab es eine Unmenge Privatmaschinen aller Art. Das teils unwegsame Gelände zwang die Menschen dazu, in die Luft auszuweichen. Sie taten das mit sportlicher Begeisterung und auch Können. Hinzu kam noch ein anderer Vorteil für die Gangster. Die Luftüberwachung per Radar war so gut wie unmöglich. Gewiß, es
gab zur Grenze in Richtung Osten ein militärisches Frühwarnsystem, doch es befaßte sich mit der Kontrolle des Flugverkehrs im Inland. Darüber hinaus konnten tieffliegende Maschinen kaum erfaßt werden. Ein geschickter Pilot schaffte es mit Leichtigkeit, das Radar zu unterfliegen. Je intensiver Parker an die Möglichkeit einer Sabotage aus der Luft dachte, desto sicherer wurde er seiner Sache. Falls die Polarfüchse zuschlugen, dann bestimmt nur aus der Luft. Ein Risiko war für sie kaum nennenswert. Waren es Einzelgänger, die hier als Polarfüchse auftraten? Stand hinter ihnen möglicherweise eine weltweite Verbrecherorganisation? Hatte die allgegenwärtige Mafia sich wieder mal eingeschaltet? Parker hütete sich vor einer Festlegung. Er mußte auf die Aktionen der Gangster warten. Nur daraus ließen sich weitere Schlüsse ziehen. Parker hörte die Türglocke. Kamen Lady Simpson und Anwalt Rander bereits wieder zurück. Damit war eigentlich kaum zu rechnen. Wer sonst aber stand draußen vor der Tür? Parker überlegte einen Augenblick und schritt dann gemessen zum Vorraum. Auf diesem kurzen Weg meldete sich plötzlich seine innere Alarmanlage überdeutlich und relativ laut. Sein Instinkt sagte ihm, daß vor der Tür etwas nicht stimmte. Meldeten sich bereits die Füchse? »Einen Moment, wenn ich bitten dürfte«, rief er zur Tür und hütete sich, in voller Größe vor dem Türblatt zu erscheinen. »Ich werde
mir schnell einen Bademantel überwerfen. Mit wem werde ich das Vergnügen haben?« »Randy Fulsom«, lautete die an sich unverdächtige Antwort. »Mr. Skindale schickt mich.« »Wie gesagt, einen Moment, wenn ich bitten darf.« Parker wußte jetzt mit letzter Sicherheit, daß man ihn auf ungewöhnliche Weise umzubringen gedachte. * Der Butler legte keine unnötige Hast an den Tag, beziehungsweise an die Nacht, denn es ging immerhin auf sieben Uhr dreißig zu. Parker hatte den Vorraum wieder verlassen, um angeblich in den Bademantel zu schlüpfen. Tatsächlich aber dachte er daran, den Bungalow auf ungewöhnliche Art zu verlassen. Er wollte sich den Besucher falls er überhaupt noch vor der Tür stand von draußen ansehen. Parker hatte seinen Schlafraum erreicht und schob das Fenster hoch. Dann drückte er den linken Blendladen auf und stieg hinaus in die Kälte. Sie schien ihm überhaupt nichts auszumachen. Der Wind peitschte ihm dicke Schneeflocken ins Gesicht und verwandelte seinen schwarzen Zweireiher in wenigen Augenblicken in einen weißen Tarnanzug. Wie ein Schneemann schritt Parker zur Hausecke und pirschte sich an die Vorderfront des Bungalows heran. Zwischendurch bückte er sich kurz und fertigte einen faustgroßen Schneeball an, um eine wirkungsvolle Waffe zu haben, die in diese Umgebung paßte.
Vor der Tür zum Bungalow war kein angeblicher Mr. Randy Fulsom zu entdecken. Der Mann hatte entweder die Geduld verloren oder seine ganz spezielle Visitenkarte hinterlassen. Parker nahm sich Zeit, obwohl die Kälte inzwischen scharf zubiß. Er nahm die Tür in Augenschein und hatte den Eindruck, daß Randy Fulsom an dem Türknauf ein kleines Päckchen hinterlassen hatte. Parker bewegte sich in seinem weißen Tarnanzug hinüber zu den mit Schnee beladenen Sträuchern und ... sah dann seinen Besucher. Es handelte sich um eine unförmige Gestalt, die in einen knöchellangen Mantelpelz gehüllt war. Sie stand hinter einem mannshohen Strauch und beobachtete ebenfalls die Tür zum Bungalow. Was folgte, war reine Routine. Nach wenigen Augenblicken stand Parker knapp hinter dem Mann, der immer noch völlig ahnungslos war, nichts hatte hören können, weil der Wind pfiff. »Ich würde mir die Freiheit nehmen, mit Sicherheit abzudrücken«, sagte Josuah Parker und bohrte dem Mann seinen ausgestreckten Zeigefinger in den Pelzmantel. »Ich schlage vor, wir gehen jetzt gemeinsam ins Haus. Auf die Dauer könnte man sich bei diesen Temperaturen zumindest einen leichten Schnupfen holen.« Parker hatte es mit einem Mann zu tun, der genau wußte, was der harte Druck gegen sein Rückgrat bedeutete. Der Mann ging kein Risiko ein und setzte sich gehorsam in Bewegung. Natürlich glaubte er,
daß die Mündung einer Waffe diesen Druck verursachte. Sie erreichten die umlaufende und überdachte Veranda des Bungalows. Parker deutete auf die Tür. Inzwischen hatte er das Päckchen identifiziert. Es war kaum größer als eine Zigarrenkiste und in Packpapier eingeschlagen. Es war mit braunem Klebestreifen unterhalb des Türknaufs befestigt. Eine Schnur ging von diesem Geschenkartikel zum Türrahmen. Sie war straff gespannt. »Ich habe aufgesperrt«, sagte Parker zu seinem Gast. »Sie brauchen nur zu öffnen und einzutreten. Sie sind selbstverständlich herzlichst eingeladen.« Der Mann zögerte. »Genieren Sie sich nicht«, bat Parker höflich. »Geborgenheit, Wärme und Gastfreundschaft erwarten Sie, wie ich Ihnen versichern darf.« Der Mann zögerte noch deutlicher, er spannte sich aber auch. »Tun Sie es möglichst nicht«, sagte Parker in seiner überaus höflichen Art. »Ich kenne die Qualität der hiesigen Wundärzte und Chirurgen nicht.« »Ich .. Ich ... Da ist...« Der Mann stotterte verständlicherweise. »Reißen wir das Päckchen einfach los«, schlug Parker vor. »Wenn Sie erlauben, werde ich das übernehmen. Sie scheinen unverständlicherweise gewisse Hemmungen zu haben.« Während Parker noch redete, schob der die freie Hand an dem Mann vorbei nach vorn.
»Neun!« Der Mann stöhnte und drückte gegen Parkers Zeigefinger. »Tun Sie's nicht! Neiin!« »Dann übernehmen Sie es«, bat Parker. »Sie scheinen den Zündmechanismus doch wohl besser zu kennen.« * Der Mann arbeitete mit der Vorsicht eines Feuerwerkers, der eine Bombe entschärft. Er brauchte fast fünf Minuten, bis er das Päckchen endlich in der Hand hielt. Er wandte sich vorsichtig zu Parker um. »Bitte einzutreten«, schlug Parker höflich vor. »Sie sollten sich ein wenig aufwärmen.« Der Mann schien bemerkt zu haben, daß Parker gar keine Schußwaffe in der Hand hielt. Er glaubte an seine Chance und wollte nach seinem Gegner treten. Butler Parker reagierte auf seine Weise. Unmerklich, elegant und dennoch blitzschnell wich er dem Tritt aus und drückte den inzwischen harten Schneeball in das Gesicht des Mannes. Der Feuerwerker wider Willen stöhnte auf und war für einen Moment geblendet. Der Butler hatte inzwischen die Tür geöffnet und ließ seinen Gast eintreten. Es war reiner Zufall, daß der Mann über Parkers linkes Bein stolperte und hilflos in den Vorraum taumelte. Parker schloß die Tür und brachte den Mann in die ihm genehme Richtung. Er schob ihn nachdrücklich auf einen tiefen Sessel zu und ließ ihn darin Platz nehmen. Da der Mann unbedingt wieder aufstehen wollte,
legte Parker ihm die Wölbung seiner schwarzen Melone beruhigend auf den Hinterkopf. Diese an sich altmodische Kopfbedeckung hatte es in sich. Die Innenseite war mit starkem Stahlblech ausgefüttert. Der Rand des Bowlers, wie die korrekte Bezeichnung lautete, war ebenfalls stahlblechverstärkt. In der Hand des Butlers konnte die Melone zu einer wirkungsvollen Waffe werden. Der Mann hatte sich inzwischen entschlossen, im Sessel ein wenig auszuruhen. Er war leicht betäubt und merkte nicht, daß Parker ihm das Päckchen aus den Händen nahm. Gleichzeitig bewies Parker wieder mal seine Meisterschaft als Manipulator. Er hielt nämlich plötzlich die Brieftasche des Mannes in seiner linken Hand. Päckchen und Brieftasche trug er zum Schreibtisch. Er ging in seine Schlafkammer, schloß Fenster und Blendladen, trocknete sich die Hände ab und begab sich zurück zu seinem Gast, der ihn aus leicht verglasten Augen trübsinnig musterte. »Darf ich mich nach Ihrem werten Befinden erkundigen?« Parkers Stimme klang nur höflich und enthielt keine Ironie. »Mein... Mein Kopf«, stöhnte der Mann verhalten. »Etwaige Schmerzen werden sich gleich geben«, tröstete der Butler den Besucher. »Darf ich mir erlauben, Ihnen meine Anerkennung auszusprechen? Sie haben die Reißleine für die Zündung recht geschickt entfernt.« »Da... Da ... Damit habe ich überhaupt nichts zu tun.« Der Mann
wurde wachsam und riß sich zusammen. »Natürlich nicht. Sie wurden ja nur von einem gewissen Randy Fulsom geschickt, nicht wahr?« »Randy Fulsom? Keine Ahnung! Wer ist das?« Der Besucher hatte sich jetzt wieder voll unter Kontrolle und sah den Butler schief an. »Nannten Sie nicht diesen Namen?« »Niemals! Ich weiß nur, daß Sie mich überfallen haben. Und dafür werden Sie noch Ärger bekommen.« »Sie haben demnach weder geläutet noch mit mir gesprochen?« »Ich kenn' Sie ja überhaupt nicht.«Sie wissen auch nicht zufällig, daß es Polarfüchse gibt?« »Nee, nie gehört. Äh, Sie meinen diese Polarfüchse?« »Diese.« Parker deutete eine leichte Verbeugung an. Er wußte genauso wie der Mann, daß hier ein Versprecher vorlag. Ein harmloser Besucher hätte auf die Frage nach Polarfüchsen unbedingt positiv antworten müssen. Er hätte von der Doppelsinnigkeit dieses Wortes nichts wissen können. Dieser Mann hier aber hatte eindeutig zuerst an zweibeinige Polarfüchse gedacht und daher ihre Existenz abgestritten. Der Mann ärgerte sich, stand auf und musterte den Butler abschätzend. Er versuchte, Josuah Parker auszurechnen, und plante eindeutig, doch noch seine Absicht durchzuführen. Er war schließlich mit dem Auftrag geschickt worden, den Butler ins Jenseits zu befördern. Er kam zu einem positiven Ergebnis.
»Kann ich einen Drink haben?« fragte er, um Parker abzulenken. Dann warf er sich kraftvoll aus dem Stand auf den Butler und versuchte noch mal sein Glück. In seinem langen Pelzmantel glich er plötzlich einem riesigen Wolf, der zum tödlichen Sprung und Biß ansetzt. * »Ihr Benehmen grenzt an Albernheit«, tadelte Parker. Der riesige Wolf, der wie ein fetter Maulwurf aussah, lag bäuchlings auf dem Teppich und strampelte mit seinen Stiefeln, um wieder festen Boden unter die Sohlen zu bekommen. Von dem Stuhl, der unter ihm lag, war nichts zu sehen. Parker hatte sich nämlich die Freiheit genommen, ihm diesen Stuhl entgegenzuschicken. Der Mann war auf ihm gelandet, hatte ihn nachhaltig unter sich begraben und zerbrochen. »Das ... Das war unfair«, stöhnte der Mann und setzte sich hoch. Er klaubte einige Reste des Sitzmöbels aus dem Pelzmantel und rieb sich die Bauchpartie. »Ob fair oder unfair, dürfte eine Frage der Auslegung sein«, erklärte Josuah Parker. »Ich muß notgedrungen davon ausgehen, daß Sie nach wie vor etwas gegen meine bescheidene Person haben.« »Wer hat zuerst wen überfallen?« Der Mann stand endlich wieder auf seinen Füßen. »Eine müßige Frage, die keiner Beantwortung bedarf.« Parker gestattete sich den Anflug eines Lächelns. »Sie können übrigens
jederzeit den Bungalow wieder verlassen. Vergessen Sie nicht, gewisse Polarfüchse zu grüßen!« »Mann, Sie werden sich noch wundern!« Der Mann hätte liebend gern mehr gesagt, doch im letzten Moment gelang es ihm, die Lippen fest aufeinanderzupressen. »Übereifer ist ein schlechter Ratgeber«, zitierte Parker höflich. »Es dürfte sich dabei um eine Spruchweisheit aus dem Chinesischen handeln, falls meine bescheidene Wenigkeit keinem Irrtum zum Opfer gefallen ist.« »Ich werde Ihnen die Polizei auf den Hals schicken«, drohte der Mann, um sich einen guten Abgang zu verschaffen. »Sie werden ihr nachweisen müssen, daß ich Sie mittels einiger Überredung hierher in den Bungalow gebeten habe«, antwortete der Butler. »Doch möchte ich Ihrer Entscheidung keineswegs vorgreifen. Auf Sie warten ja schließlich noch einige unangenehme Fragen.« »Unangenehme Fragen?« Der Mann sah Parker überrascht an. »Auch Füchse können fragen«, meinte Parker. »Ich wünsche Ihnen, daß Sie mit entsprechenden Antworten dienen können. Die Mafia vergißt und verzeiht niemals! Auch das könnte eine alte Spruchweisheit sein, aber völlig sicher bin ich mir da nicht.« Der Mann stiefelte zur Tür, riß sie auf und verschwand im dichten Schneetreiben. Parker war vorsichtig genug, sich aus einer möglichen Schußrichtung herauszuhalten. Er wechselte hinüber zur Wand und
drückte die Tür dann geschickt mit einem Hocker ins Schloß. Genau in diesem Moment erschien eine kleine, kreisrunde Öffnung im Türblatt, von deren Rand sich einige Holzsplitter lösten. Das Geschoß, das diese Öffnung verursacht hatte, nistete inzwischen schon in der gegenüberliegenden Wand und hatte dabei die sicher nicht billige Tapete beschädigt. * Sie nahm nur eine Kleinigkeit zu sich, wie sie vorher angekündigt hatte. Nach einem Lachshäppchen und einer Tasse Hummersuppe beschäftigte sich Lady Simpson mit einem gegrillten Steak, an dessen Größe ein ausgehungerter Holzfäller seine Freude gehabt hätte. Dazu nippte die ältere Dame an einem trockenen Rheinwein und delektierte sich an verschiedenen Gemüsen. Zum Abschluß dieser Kleinigkeiten warteten Himbeeren mit Schlagsahne und Kaffee auf sie. »Ich muß Diät halten«, sagte sie zu ihrem Gastgeber Pete W. Skindale.« Es ist sehr schwer, aber ich habe einen eisernen Willen.« »Den Sie vielleicht mit einem kleinen Kognak belohnen sollten, Mylady«, sagte Mike Rander lächelnd. »Eine gute Idee, mein Junge.« Die Sechzigerin nickte gnädig und gewährend. »Man soll seinen Kreislauf nie vergessen.« Pete W. Skindale, der Spitzenmanager der Polar-OilCompany war einigermaßen
verwirrt. Er bewunderte insgeheim den mehr als gesunden Appetit der Dame, die das alles als eine Art Diät betrachtete. Mitch Powell ließ nicht erkennen, was er dachte. Der Sicherheitschef der Ölgesellschaft war ein untersetzter, kompakter Mann von etwa vierzig Jahren. Er hatte ein volles, energisches Gesicht und kühle, graue Augen. Er versuchte wahrscheinlich, sich ein Bild von Lady Simpson zu machen. Über Mike Rander schien er bereits sein Urteil gefällt zu haben. Er mochte den Anwalt nicht, was wohl mit Randers Verhalten zusammenhing. Der Anwalt gab sich lässig-höflich und wirkte herablassend. Hinzu kam seine ein wenig nasale Aussprache, die bester englischer Universitätstradition entsprach. »Warum erzählen Sie nichts von sich und Ihrer Arbeit, junger Mann?« erkundigte sich Lady Agatha bei Mitch Powell. »Sie werden doch bestimmt nicht die Hände in den Schoß gelegt haben, oder?« »Seit dem Ultimatum vor drei Tagen arbeiten wir auf Hochtouren und haben einen detaillierten Überwachungsplan ausgearbeitet«, erwiderte Powell widerwillig. »Vor drei Tagen bekamen Sie dieses bewußte Telefongespräch«, schaltete sich Mike Rander ein. »Wieviel Tage bis zur Zahlung verbleiben noch?« »Von heute, also Mittwoch, bis kommenden Sonntag. Das sind fünf Tage.« »Und wie lassen Sie die Pipeline überwachen?«
»Sämtliche Zwischenpumpstationen sind gesichert«, erklärte Powell immer noch widerwillig. »Würde man eine von ihnen zerstören, wäre der Schaden sehr hoch.« »Und wie sieht es mit der eigentlichen Pipeline aus?« Agatha Simpson nahm einen ausgiebigen Schluck Wein zu sich. »Die ist nicht absolut zu schützen, Mylady«, lautete die Antwort. »Sie werden sicher nicht wissen, wie unwegsam das Gelände ist.« »Natürlich weiß ich das, junger Mann. Es geht über Tundren, Flüsse und Gebirge. Ich habe mir nämlich einige Landkarten angesehen. Ich kann Ihnen schon jetzt sagen, daß Ihren Zwischenpumpstationen überhaupt nichts passieren wird.« »Darauf würde ich mich nicht festlegen, Mylady«, quetschte Powell hervor. Es machte ihm Mühe, höflich zu bleiben. »Weil die Gangster nämlich von Flugzeugen oder Hubschraubern aus arbeiten werden«, redete Lady Agatha weiter. »Für mich stand das von Anfang an fest, und ich hatte Mühe, dies Mr. Rander und Mr. Parker auseinanderzusetzen. « »Stimmt vollkommen«, pflichtete Mike Rander ihr bei, obwohl es nicht den Tatsachen entsprach, was die ältere Dame gerade behauptet hatte. Butler Parker hatte von Sabotageakten aus der Luft gesprochen, aber daran wollte Lady Simpson sich nach altbewährter Weise nicht mehr erinnern. »Ihr Männer seid schrecklich unbeholfen und phantasielos«, stellte sie genußvoll weiter fest. »Da muß erst
eine alte Frau kommen und Ihnen sagen, wie die Gangster vorgehen werden.« »Aus der Luft!« Skindale sah Powell an. »Haben Sie daran gedacht, Powell?« »Indirekt schon, Sir«, erwiderte Powell ein wenig zu hastig. Er hatte also nicht an diese Möglichkeit gedacht. »Und was werden Sie gegen Luftangriffe tun, junger Mann?« wollte die Detektivin umgehend wissen. Sie sah ihn scharf an. Ihr Blick erinnerte an den eines Adlers, der seine Beute fixiert. »Ich habe ... Ah ... Wir werden ...« Powell geriet ins Schleudern, wie zu hören war. »Sie haben also nichts vorbereitet!« Lady Simpson nickte grimmig. »Ich werde Ihnen einen guten Rat geben, junger Mann: Besorgen Sie sich Hubschrauber und lassen Sie die Pipeline abfliegen.« »Luftüberwachung«, lieferte Mike Rander das nächste Stichwort. »Anders werden Sie den Füchsen nicht beikommen. « »Woher soll ich so schnell Hubschrauber nehmen?« fragte Powell und wurde wütend. »Wir besitzen natürlich eine kleine Flotte davon, aber es handelt sich fast ausschließlich um Lasthubschrauber für mittelschweres bis schweres Material.« »Dann würde ich an Ihrer Stelle Privatflieger engagieren.« Mike Rander lächelte mokant. »Hier in Alaska soll es Tausende von Maschinen geben.« »Aber nicht alle sind Buschpiloten, Sir«, lautete die abweisende Antwort
von Mitch Powell. »Es geht mit Macht auf den Winter zu. Bei den herrschenden und kommenden Wetterlagen können sich nur Vollprofis in der Luft halten.« »Mit solchen Problemchen befasse ich mich nicht, junger Mann.« Lady Simpson winkte ungeduldig ab. »Hauptsache, Sie zeigen diesen Füchsen die Zähne, beziehungsweise Flugzeuge oder Hubschrauber. Gütiger Himmel, wäre ich ein Gangster, die Pipeline wäre schon an einigen Stellen punktiert!« »An den Kosten darf die Aktion nicht scheitern.« Skindale wandte sich an seinen Sicherheitschef. »Der Vorschlag mit der Luftüberwachung gefällt mir sehr gut. Vielen Dank, Mylady!« »Falls ich hier nicht länger gebraucht werde, Sir, möchte ich jetzt gehen«, sagte Powell. »Nein, nein, gehen Sie nur«, erwiderte Agatha Simpson statt Skindale. »Sie haben sicher noch sehr viel zu tun. Sollten Sie Fragen haben, wenden Sie sich an mich.« Powell verließ den Tisch, den er wohl am liebsten zusammengeschlagen hätte. Die Lady sah ihm fast freundlich nach. »Er dürfte sich jetzt ändern, wie?« fragte sie Skindale. »Ich denke schon, Mylady«, gab der Topmanager zurück. »Der Mann war bisher gut, wirklich. Er wird auch jetzt sein Bestes geben.« »Man wird sehen, lieber Skindale.« Agatha Simpson schob den abgeräumten Teller von sich. Sie deutete auf einen Hotelangestellten, der sich diskret dem Ecktisch
näherte. Er trug ein Telegramm in der Hand, das er Skindale vorlegte. Der Topmanager öffnete es, überflog die Zeilen und stöhnte dann nachhaltig. »Wo ist wann die Pipeline angekratzt worden?« fragte Mike Rander fast beiläufig. »Bei Steven Village ist die Leitung gesprengt worden«, antwortete Skindale mit heiserer Stimme. »Das liegt nordwestlich von Fairbanks. Die Leitung ist auf einer Länge von etwa hundert Meter in die Luft gejagt worden!« »Womit endlich Schwung in diesen Fall gekommen ist«, stellte Lady Simpson ungerührt fest und wartete auf die Himbeeren mit Schlagsahne. »Man will Sie sicher an die verlangte Zahlung erinnern, Skindale!« * Der Mann stöhnte. Er trug nicht mehr den knöchellangen Pelzmantel, sondern einen Verband, den Parker ihm gerade angelegt hatte. Der Mann hing schlaff in einem Sessel und trank den von Parker servierten Whisky. Das Gesicht des Mannes war aschgrau. »Die Mafia verzeiht und vergibt niemals Fehler«, erinnerte Josuah Parker höflich. »Die Schulterwunde dürfte bei entsprechender Behandlung in einigen Wochen ausgeheilt sein.« »Ich ... Ich habe keine Ahnung, wer auf mich geschossen haben könnte«, gab der Mann leise zurück. »Und was habe ich mit der Mafia zu tun?«
»Das können natürlich nur Sie allein beurteilen«, äußerte der Butler gemessen. »Darf ich noch mal an meine Frage erinnern? Wären Sie unter Umständen damit einverstanden, die Polizei zu informieren? Immerhin wurden zwei Schüsse abgefeuert, von denen Sie in einem Fall getroffen wurden.« »Keine ... Keine Polizei«, stöhnte der Mann. »Ihr Verhältnis zu den zuständigen Behörden unterliegt demnach einer gewissen Störung?« »Ja, verdammt!« Der Mann trank einen Schluck Whisky. »Ich hatte schon ein paarmal Ärger. Ich möchte am liebsten verschwinden.« »In den nächsten gezielten Schuß hinein?« Parker deutete zur Tür. »Aber bitte, es ist Ihr Leben. Ich würde mir niemals gestatten, korrigierend einzugreifen.« »Das mit den beiden Schüssen muß Ihnen gegolten haben.« »Darum wurden Sie ja auch getroffen. Haben Sie eine Möglichkeit, Valdez umgehend zu verlassen?« »Warum sollte ich?« »Selbst in einem Krankenhaus wären Sie vor den Polarfüchsen nicht sicher«, erklärte Parker. »Sie wissen einfach zuviel, zum Beispiel, daß es diese Gangster gibt.« »Reiner Blödsinn. Ich habe ...« »Sie haben versagt und es nicht geschafft, meine bescheidene Person auszuschalten«, sagte der Butler ihn unterbrechend. »Wahrscheinlich gehen Ihre Auftraggeber davon aus, daß Sie hier in meiner Gegenwart ausgiebig geplaudert haben.«
»Ich habe kein Wort gesagt, daß ... Ach, zum Teufel, hören Sie auf mit Ihren Tricks, Sie bringen mich noch völlig durcheinander.« »Wären Sie an einem Blitzflug in Richtung Edmonton interessiert?« »Ich soll nach Kanada fliegen?« »Ein weites und schönes Land. Dort könnten Sie erst mal untertauchen. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf verweisen, daß die kanadischen Ärzte sich eines guten Rufes erfreuen.« »Nach Kanada?« Der Mann sah auf sein Whiskyglas und beurteilte seine Überlebenschancen, wie ihm deutlich anzusehen war. »Versehen mit einem kleinen Taschengeld«, fügte Parker hinzu. »Die Flugpassage ginge ebenfalls auf Rechnung Lady Simpsons.« »Und was verlangen Sie dafür?« Der Mann sah mißtrauisch hoch. »Das soll doch eine Falle sein.« »Meine bescheidene Wenigkeit pflegt zu ihrem Wort zu stehen«, antwortete Josuah Parker schlicht. »Kommen Sie ... Ich möchte den Verband im Badezimmer noch ein wenig richten! Bei dieser Gelegenheit können Sie mir ja einige vage Andeutungen machen, was die Füchse betrifft.« »Ich werde...« »Oder wollen Sie verbluten?« erkundigte sich Parker kühl. »Sie allein können und müssen entscheiden.« Um die Dinge nicht unnötig in die Länge zu ziehen, zog Josuah Parker seine perlenverzierte Krawattennadel aus dem Binder und ... drückte die präparierte Spitze dieser Nadel in
den Oberarm des überraschten Mannes. Er zuckte zusammen, schaute den Butler dann aus weit aufgerissenen Augen an und bewegte die Lippen. Dann, schon nach wenigen Sekunden, schlossen sich langsam seine Augen. Er streckte die Beine weit aus und merkte bereits nicht mehr, daß Parker ihm behutsam das Glas aus der Hand nahm. »Was Sie mir sagen werden, wird vertraulich behandelt«, redete Parker laut weiter, um die elektronische >Wanze< in der Steckdose mit Informationen zu füttern. »Kommen Sie jetzt. Im Badezimmer meines Schlafraums möchte ich den Verband sicherheitshalber noch einmal wechseln.« Parker rollte den Sessel über den Teppichboden genau in die entgegengesetzte Richtung und parkte ihn hinter dem Tresen einer Hausbar, die zum großen Wohnraum gehörte. Anschließend machte er sich daran, die losen Sitzkissen auf der Couch zur Bar zu tragen. Er baute daraus eine Art Splitterschutz, begab sich ebenfalls in Deckung und harrte der Dinge, die da seiner Ansicht nach unbedingt noch kommen mußten. * Topmanager Skindale und sein Sicherheitschef Powell starrten entgeistert auf die Trümmer im Innern des Bungalows. Mike Randers hatte sich eine Zigarette angezündet und machte einen desinteressierten Eindruck. Lady Simpson aber durchmaß mit energischen Schritten
den teilweise verwüsteten Wohnraum und stieg über Trümmer, um sich auch das Bad noch anzusehen. Es war völlig zerstört worden. Die Außenwand war eingestürzt und bis zum Schlafraum aufgerissen worden. Aus den zerstörten Leitungen flossen dicke Wasserstrahlen, die sich vorerst noch gegen die einfallende Kälte wehrten. »Sie haben gewußt, Mr. Parker, weshalb Sie der Einladung nicht gefolgt sind«, meinte die ältere Dame und sah den sie begleitenden Butler verärgert an. »Ich langweile mich mit diesen Amateuren herum, während Sie mal wieder ein echtes Erlebnis hatten.« »Es war in der Tat recht belebend«, antwortete Parker höflich. »Die Polarfüchse scheinen meine bescheidene Person abzulehnen.« »Auf was tippen Sie, Mike?« Lady Agatha wandte sich an den Anwalt, der ihr gefolgt war. »Das sieht nach einer netten kleinen Sprengladung aus«, gab Rander zurück. »Es könnte sich um eine Bazooka-Granate gehandelt haben.« »Können Sie sich nicht deutlicher ausdrücken?« Sie sah ihn mißbilligend an. »Eine Panzerabwehrrakete, Mylady«, präzisierte der Anwalt. »Sie haben diese Subjekte nicht stellen können, Mr. Parker?« »Dazu blieb leider keine Zeit, Mylady.« »Nun ja, ich hätte diese Zeit gefunden.« Sie grollte wieder mal. »Mr.
Powell, wollen Sie nichts unternehmen?« »Die Polizei ist bereits verständigt worden, Mylady«, antwortete der Sicherheitschef gereizt. »Meine Leute suchen bereits das gesamte Hotelgelände ab.« »Sie können selbstverständlich sofort ins Hotel übersiedeln, Mylady«, warf Topmanager Skindale ein. »Der Bungalow ist unbewohnbar.« »Wenn Mylady gestatten, werde ich diesen Transfer unverzüglich vorbereiten«, sagte Parker. »Mylady könnten schon vorausgehen.« »Ich werde Ihnen hier etwas helfen.« Mike Rander hatte den schnellen Blick des Butlers mitbekommen und ihn richtig gedeutet. Er führte die ältere Dame zur Tür und wartete, bis sie mit Skindale verschwunden war. Powell folgte zögernd. »Was war tatsächlich los, Parker?« fragte Mike Rander, als er mit dem Butler allein war. »Ich habe noch einen Gast im Raum, Sir, den man fortschaffen sollte«, antwortete Parker und ging bewußt auf die Steckdose zu. »Es handelt sich um einen Polarfuchs, der freundlicherweise recht gesprächig war. Ihm galt wohl in erster Linie dieser Anschlag.« »Sie besitzen Informationen aus erster Hand?« »Erstaunlicherweise Hinweise und Fakten, Sir, wenn ich so sagen darf. Sie werden die kommenden Ermittlungen vorantreiben. Darf ich Sie bitten, besagten Fuchs ins Hospital zu schaffen? Der Land-
Rover wäre das geeignete Gefährt dafür.« Während Josuah Parker redete, hatte Mike Rander die Stichworte überflogen, die der Butler ihm auf einem Notizzettel überreicht hatte. Mike Rander wußte jetzt, daß es im Raum eine >Wanze< gab und er während seiner Fahrt ins Hospital mit Überraschungen zu rechnen hatte. Es standen noch einige weitere Stichworte auf diesem Zettel, zu denen der Anwalt gern einige Fragen gestellt hätte. Wegen der elektronischen >Wanze< aber mußte er darauf verzichten, sich genauer zu informieren. Er verließ den Bungalow, um den Land-Rover zu holen. * Es bereitete dem Anwalt ein fast schon teuflisches Vergnügen, seine Verfolger herauszufordern. Nachdem er im Land-Rover das Grundstück des Gästehotels verlassen hatte, wurde er sofort von zwei Wagen verfolgt. Es handelte sich einmal um einen Chevrolet und um einen Jeep. Beide Wagen waren wintertüchtig und kamen mit dem Schnee auf der breiten Zufahrtstraße gut zurecht. Mike Rander täuschte Unerfahrenheit vor und ließ seinen Land-Rover immer wieder ausbrechen und schleudern. Er schien große Mühe zu haben, den Wagen auf der glatten Straße zu halten. Er bremste scheinbar plötzlich und hilflos, wenn er in eine Schneeböe geriet, wechselte zur
Straßenmitte, suchte erneut Orientierung und tastete sich mit dem Wagen zurück auf die Fahrbahn. Dann lockte er die Verfolger immer näher an sich heran und wartete auf den nächsten dichten Schneeschleier, der nicht lange auf sich warten ließ. Als sein Wagen in ihm verschwand, schaltete Rander in den nächst tieferen Gang und gab Vollgas. Er war ein ausgezeichneter Fahrer, der sich schon an mancher Rallye beteiligt hatte. Rander jagte den schweren Wagen durch die weißen Vorhänge und bog plötzlich quer über die Fahrbahn nach links. . Es war ein riskantes Unterfangen, denn er konnte nichts vom entgegenkommenden Verkehr sehen. Nun, er hatte Glück, tauchte in eine kleine Schneewehe und wartete, bis die beiden Verfolger die Stelle passiert hatten. Da er die Wagenlichter ausgeschaltet hatte, konnten sie ihn unmöglich sehen. Es dauerte einige Minuten, bis er den Land-Rover wieder auf der festen Straße hatte. Mike Rander wechselte auf die richtige Seite und fuhr dann weiter in Richtung City. Der Schneefall war intensiver geworden. Einige Wagen kamen entgegen, doch der Anwalt konnte sie nicht mehr richtig identifizieren. Mike Rander ging davon aus, daß die beiden Verfolgerwagen ihn vor dem Hospital erwarteten. Er war übrigens allein im Wagen. Parkers Gast war im Bungalow zurückgeblieben und befand sich inzwischen wohl an einem sicheren Ort. Der Butler hatte sich diesen Trick ausgedacht, um den Mann in
aller Ruhe befragen zu können. Er hatte die Gegner geschickt auf eine falsche Fährte gesetzt. Mike Rander kannte Parker seit vielen Jahren. Vor seinem langjährigen Aufenthalt in den Staaten hatte Josuah Parker für ihn als Butler gearbeitet, und gemeinsam hatten sie manches Abenteuer durchstanden. Nach seiner Rückkehr nach London war Mike Rander wie selbstverständlich von Lady Simpson >vereinnahmt< worden. Er betreute jetzt ihr immenses Vermögen und stand ihr als juristischer Berater zur Seite. Bisher war der Anwalt noch nicht recht dazu gekommen, seine eigene Kanzlei neu zu eröffnen. Die Ereignisse hatten sich überschlagen, und er, Mike Rander, tat genau wieder das, was er nicht hatte tun wollen: Er betätigte sich zusammen mit Lady Agatha und Parker als Amateurdetektiv. Immer wieder bewunderte Mike Rander insgeheim Parker. Der Butler sorgte wie selbstverständlich für neue Überraschungen und war noch meisterhafter geworden, was seine Improvisationskunst betraf. Mike Rander begriff einfach nicht, warum ein Mann wie Josuah Parker immer noch als Butler arbeitete. In der Industrie oder als freier Unternehmer hätte er mit seinem Wissen und Können längst ein Vermögen machen können. Mike Rander hatte inzwischen das Hospital erreicht, das auf einem Hügel lag. Er fuhr hinauf zum Parkplatz, stieg aus dem Land-Rover und entdeckte vor dem Portal die
beiden Wagen, die er gerade abgeschüttelt hatte: der Chevrolet und der Jeep. Der Anwalt zog seinen DuffleCoat aus dem Land-Rover und ging zu den Taxiplätzen. Er hatte sie gerade erreicht, als aus dem Eingang zwei Männer traten, die es eilig hatten. Sie liefen und rutschten auf die beiden Wagen zu und nahmen getrennt in ihnen Platz. »Möchten Sie sich zum regulären Preis 'ne Extraprämie verdienen?« fragte der Anwalt den Taxifahrer, neben dessen Wagen er erschienen war. »Hinter wem sind Sie her?« fragte der Mann trocken. »Muß ich mir unbedingt einen Schwindel einfallen lassen?« Rander lächelte und nahm dann im Fond des Wagens Platz. »Fünfzig Dollar zusätzlich.« »An wem soll ich kleben bleiben? Am Chevy oder am Jeep?« Der Mann ließ seinen Wagen bereits anrollen. »Am Chevy, der kann Sie unmöglich abhängen.« »Das würd' auch der Jeep nicht schaffen.« Der Wagen rollte wie auf Kufen durch den Schnee. »Ist mit 'ner Schießerei zu rechnen?« »Kaum«, erwiderte Mike Rander. »Falls ja, gibt es eine Gefahrenzulage. Wenn Sie wollen, kann ich immer noch aussteigen.« »Hier, 'ne Pelzmütze, das tarnt Sie.« Der Fahrer warf ihm eine unförmige Pelzmütze zu und lachte leise. »Und halten Sie sich jetzt fest, gleich geht's 'raus auf die zugewehte Straße.«
Mike Rander wußte, daß er im richtigen Wagen saß. Er entspannte und lehnte sich zufrieden zurück. Parker hatte wieder mal auf die richtige Karte gesetzt, als er ihn im Land-Rover losgeschickt hatte. * »Wo ... Wo bin ich?« fragte Parkers Gast und riß weit die Augen auf. »Ich hoffe, Sie hatten einen relativ erquickenden Schlaf«, antwortete Josuah Parker in seiner höflichen Art. »Wo Sie sind? In Sicherheit, wie ich Ihnen versichern darf.« »Wieso ... Wieso bin ich eingeschlafen? Oder bin ich ohnmächtig geworden?« »Beides, wenn auch in anderer Reihenfolge, Mr. Jingles.« »Sie kennen mich?« Der Mann richtete sich auf. »Ich war so frei, einen flüchtigen Blick in Ihre Brieftasche zu werfen«, antwortete Parker. »Sie können von Glück sagen, daß Sie noch leben.« »Wieso, was ist eigentlich passiert?« Jeff Jingles setzte sich und massierte sich mit der gewunden Hand den Hinterkopf. »Man versuchte, Sie und meine bescheidene Wenigkeit mittels einer Bazooka-Rakete mundtot zu machen.« Der Mann sah den Butler völlig entgeistert an. »Diese verdammten Schweine«, meinte er dann leise. »Nach dem mißglückten Attentat, Mr. Jingles, schaffte ich Sie erst mal in das Kesselhaus des Hotels«, setzte Parker seinem Gast auseinander.
»Als die Polizei den Hotelkomplex endlich räumte, brachte ich Sie hierher in mein Hotelzimmer.« »Ich hab' nichts davon mitbekommen.« »Ich sah mich zu meinem Leidwesen gezwungen, Sie in einem Speisen-Container zu befördern.« »Ich weiß von nichts.« »Hoffentlich darf ich das nicht zu wörtlich nehmen, Mr. Jingles. Sie werden sich an mein Angebot erinnern: Gegen einige Informationen wird man Ihnen die Möglichkeit einräumen, Valdez und Alaska zu verlassen. Dazu kommen Reisespesen und nun auch noch eine gewisse Anerkennungsgebühr für Kooperation.« »Haben Sie einen Schluck Wasser für mich? Möglichst einen mit Whisky? Ich fühl' mich noch ziemlich mies.« »Die Zimmertür ist selbstverständlich geschlossen,« meinte Josuah Parker, bevor er sich abwandte. »Sie sollten auch nicht versuchen, mich anzufallen. Ich würde dies als einen unfreundlichen Akt betrachten.« Jeff Jingles erhielt seinen Whisky und nahm einen tiefen Schluck. Er schüttelte sich leicht, stand auf und bewegte vorsichtig seine linke Schulter. »Okay«, sagte er dann. »Ich steige aus, 'ne andere Chance habe ich ja ohnehin nicht.« »Eine treffliche Beschreibung Ihrer momentanen Lage, Mr. Jingles.« »Ich wollte diese Sprengladung an der Tür befestigen«, schickte der Mann voraus. »Wer Sie sind, wußte ich nicht, weiß ich selbst jetzt noch nicht so recht.«
»Wer beauftragte Sie, diese Ladung anzubringen?« »Gavin Rexford.« »Ein Name, der meiner bescheidenen Wenigkeit nichts sagt.« »Rexford hat ein Transportunternehmen«, berichtete Jingles weiter. »Trucks, Boote und ein paar Maschinen.« »Gehören dazu auch vielleicht Hubschrauber?« »Kann schon sein, weiß ich aber nicht genau. Rexford ist 'ne große Nummer, das sage ich Ihnen gleich. Er wird natürlich alles abstreiten, dieser Gauner.« »Er beschäftigt sich also nicht nur mit Transporten, wie ich unterstellen darf?« »Nee, mit Erpressungen. Andere Unternehmer zahlen regelmäßig an ihn. Sie wollen nämlich, daß die Ware ankommt und ihre Trucks nicht ausbrennen.« »Mir sind diese und ähnliche Methoden durchaus vertraut, Mr. Jingles.« »Ich werd' Ihnen einen Tip geben: Lassen Sie sich mit Rexford lieber nicht ein. Der Mann ist gefährlicher als'n Rudel Wölfe.« »Gefährlicher als ein gewisser Randy Fulsom, den Sie vor der Tür des Bungalows erwähnten?« »Den kenn' ich doch überhaupt nicht, Sir. Ich sollte diesen Namen nur sagen, damit Sie die Tür aufmachen.« »Sie täuschen sich möglicherweise nicht?« »Wenn ich bisher die Wahrheit gesagt habe, werde ich doch jetzt nicht plötzlich lügen, Sir.«
»Eine akzeptable Erklärung«, meinte Parker. »Nun, lassen wir das, Mr. Jingles, beschäftigen wir uns mit Ihrer Sicherheit. Aus bestimmten Gründen würde ich vorschlagen, daß Sie vorerst die Nähe des Flugplatzes meiden.« »Sie meinen, Rexford würde dort auf mich warten?« »Diese Gefahr besteht in der Tat. Haben Sie eine Möglichkeit, sich hier in Valdez für eine gewisse Zeit zu verbergen?« »Wie? Ich soll in Valdez bleiben?« Der Mann geriet in Panik. »Eben haben Sie doch noch gesagt... Sie wollen mich also doch 'reinlegen.« »Ich möchte nur vermeiden, daß Rexfords Mitarbeiter Sie vor oder im Flughafengebäude aufspüren. Sie haben also keine Möglichkeit, hier in der Stadt einen geeigneten Unterschlupf zu finden, den Rexford nicht kennt?« »Nee, alles zu gefährlich.« »Man kennt Sie in der Firma Rexford zu gut, wie ich vermuten möchte.« »Klar, Sir, ich war ja immerhin fast anderthalb Jahre bei ihm beschäftigt.« »Dann sind Sie sicher in der erfreulichen Lage, einige Firmennamen aufzuschreiben oder sie zu nennen. Ich denke da an Unternehmen, die von Mr. Rexford betreut wurden, um es mal so zu umschreiben.« Jeff Jingles hatte die unsichtbare Hemmschwelle bereits überschritten. Er nannte ungeniert die Namen von vier Transportunternehmern, die erpreßt worden waren.
»Und wo bleibe jetzt ich?« fragte Jingles nach der Aufzählung. »Es wird für Sie gesorgt werden, dafür verbürge ich mich«, beruhigte der Butler seinen Gast. »Da wäre noch eine wichtige Frage: Arbeitet Mr. Rexford im engen oder übertragenen Sinn für die Polar-OilCompany?« »Was dachten denn Sie?« Jingles lächelte plötzlich. »Die meisten seiner Trucks rollen für die PolarOil. Der is' mit denen ganz dick im Geschäft.« »Bliebe die letzte Frage, Mr. Jingles: Wer ist der Leiter des Transportwesens der Polar-OilCompany?« »Das is' Steve Turner, Sir. Er kann's verdammt gut mit Rexford, die hocken oft zusammen oder gehen gemeinsam auf die Jagd.« »Damit, Mr. Jingles, dürften Sie Ihre Pflichtübung beendet haben«, erklärte Josuah Parker. »Falls Sie zustimmen, möchte ich Sie jetzt in eine sichere Unterkunft bringen.« »Und wo soll das sein?« fragte Jingles mißtrauisch. »Lassen Sie sich überraschen«, schlug Parker höflich vor. »Und vergessen Sie nicht, daß Ihre Schulter unbedingt ärztlich versorgt werden muß.« »In 'nem Hospital werden die mich sofort aufspüren.« Jingles winkte nervös ab. »Sie haben ja keine Ahnung, wie weit Rexfords Arm reicht.« »Das dürfte unbedeutend sein«, erwiderte Parker, »alles hängt davon ab, wohin die Hand eines solchen Arms deutet.«
* »Was soll das?« fragte Jingles eine halbe Stunde später. Er saß neben einem Hotelangestellten, der einen grauen Arbeitskittel und eine Pelzmütze trug. Dieser Mann saß am Steuer eines hoteleigenen Wagens und schlidderte mit dem Fahrzeug über einen tief verschneiten Weg. Es war abzusehen, wann der Wagen steckenblieb. »Sie sollten meiner bescheidenen Person trauen, Mr. Jingles«, antwortete Josuah Parker, der wieder mal geschickt Maske gemacht hatte. »Hat man Sie beim Verlassen des Hotels durch die Storräume belästigt?« »Nee, das nicht, aber jetzt...« Jingles zeigte auf einen Maschendrahtzaun, der gut und gern zweieinhalb Meter hoch war. Dieser Zaun war mit Sicherheit elektronisch überwacht, wie stramm gespannte Drähte zeigten, die an Isolatoren befestigt waren. »Dieser Zaun gehört zur AirForce-Basis Valdez«, sagte Parker. »Sie werden gleich den mißglückten Versuch unternehmen, sich auf das Rollfeld oder die Materialbaracken zu schleichen.« »Sind Sie verrückt?« Jingles schnaufte vor Erregung. »Die werden mich doch glatt für einen Spion... O, ich kapiere!« »Sie können davon ausgehen, daß man Sie bei guter Verpflegung und Unterkunft wenigstens zwei Wochen lang befragen wird, von der erstklassigen ärztlichen Behandlung mal ganz abgesehen. «
»Mann, da bin ich sicher.« Jingles grinste erleichtert. »Sie sind ein verdammt raffinierter Hund.« »Ich fasse diesen an sich burschikosen Hinweis als eine Art Kompliment auf.« Parker hatte den Kastenlieferwagen angehalten. »Nein, nein, Mr. Jingles, Sie sollten noch sitzen bleiben. Zuerst möchte ich das elektronische Warnsystem ein wenig reizen.« »Moment noch, Sir, wie muß ich mich nach meiner Festnahme verhalten?« »Sie werden jede Aussage verweigern. Das müßte vollkommen reichen. Sollten die Dinge sich aber zuspitzen, dann berufen Sie sich umgehend auf Lady Simpson oder meine bescheidene Wenigkeit.« »Sind Sie eigentlich wirklich nur'n Butler?« »Man ist das, was man zu sein wünscht, falls es sich einrichten läßt.« Nach dieser Umschreibung stieg Parker aus dem Fahrerhaus und öffnete die hintere Wagentür. Er holte einige Gegenstände heraus, die er aus der Wirtschaftsgarage des Hotels mitgenommen hatte. Parker stampfte durch den tiefen Schnee hinüber zum Drahtzaun und machte sich daran, mit einem schweren Seitenschneider einige Maschen aufzuwickeln. Dann ließ er das Werkzeug fallen und warf einen Montierhebel gegen die Sensordrähte. »Das dürfte reichen«, sagte er zu Jingles. »Innerhalb weniger Minuten werden drüben am Zaun einige Jeeps erscheinen. Ich möchte mich nun empfehlen, damit Ihre Vorstellung auch ein voller Erfolg wird.«
Jingles stieg aus, zerrte mit der gesunden Hand den schweren Pelzmantel über und begab sich zum Maschenzaun. Parker legte den Rückwärtsgang ein und schlidderte durch die Spur zurück zur nahen Straße, die er vor wenigen Minuten verlassen hatte. Er besorgte ,das mit der Geschicklichkeit eines erfahrenen Lastwagenfahrers. , Er hatte die Straße gerade erreicht, als die dichten Schneeschleier in Richtung Drahtzaun sich aufhellten. Starke Suchscheinwerfer fingerten mit ihren gebündelten Lichtstrahlen durch die Dunkelheit, Streulicht schuf eine Art Miniatur-Nordlicht. Parkers Rechnung ging auf. Er war etwa zwei Minuten auf der regulären Straße, als ihm zwei geschlossene Jeeps entgegenbrausten. Parker hielt und warf einen Bück nach draußen und zurück. Die beiden Jeeps kurvten gerade in die Spur, die er hinterlassen hatte. Das elektronische Alarmsystem hatte also wunschgemäß und prompt angesprochen. Parker war mit sich zufrieden. Er hatte sein Versprechen halten können. Jeff Jingles, ein an sich unbedeutender Gauner und Handlanger, würde sich gleich in Sicherheit befinden und hatte vor Gangstern nichts mehr zu befürchten. Der Arm dieses gefürchteten Gavin Rexford reichte mit Sicherheit nicht bis in den Bereich der Luftwaffe. Die Auskünfte, die Jingles geben könnte, waren mehr als interessant gewesen. Da existierte also ein Gangster, der nebenbei noch als
Transportunternehmer arbeitete und enge Beziehungen zur Polar-OilCompany unterhielt. Er und dieser Chef des Transportwesens waren eng befreundet und mußten wohl aus gleichem oder ähnlichem Holz geschnitzt sein. Parker nahm sich vor, diesen Steve Turner so schnell wie möglich unter die Lupe zu nehmen. Er fragte sich, ob diese beiden Männer vielleicht auf den Gedanken gekommen waren, die Polar-Oil-Company anzuzapfen. Arbeiteten sie in eigener Sache, wenn es so war? Oder waren sie ihrerseits von der Mafia gekauft oder unter Druck gesetzt worden? Butler Parker war klar, daß er erst am Anfang seiner Ermittlungen stand. * Ich langweile mich hier zu Tode, während die Herren sich amüsieren«, beschwerte sich Lady Agatha grollend. »Ich hoffe, Sie bringen wenigstens positive Nachrichten.« Sie befand sich in ihrer Hotelsuite, die Skindale ihr nach der Zerstörung des Bungalows zur Verfügung gestellt hatte. Sie sah Mike Rander und Josuah Parker grimmig an. »Nach Ihnen, Sir«, sagte der Butler und deutete eine leichte Verbeugung an. »Da gibt's eigentlich nicht viel zu berichten.« Der Anwalt lächelte.« Ich wurde von einem Chevrolet und einem Jeep verfolgt, hängte sie ab und entdeckte sie dann vor dem Hospital. Man wartete dort wohl auf die Einlieferung Ihres Schützlings, Mr. Parker.«
»Wo befindet er sich jetzt?« fragte die Detektivin ungeduldig. »In Sicherheit, Mylady.« Parker nahm sich die Freiheit, seinen rechten Zeigefinger senkrecht vor die Lippen zu legen. Er deutete damit an, daß man unter Umständen auch in dieser Suite gehört wurde. »Wenn Sie gestatten, werde ich mich dazu anschließend äußern.« »Als die beiden Wagen wieder losfuhren, habe ich mich für den Chevy entschieden«, berichtete der Anwalt weiter. »Der Wagen wurde von zwei stämmigen Burschen in der Nähe eines Autohofes verlassen. Die beiden Männer scheinen in einer Hotelpension zu wohnen.« »Was, bitte, Sir, dürfte ich mir unter einem Autohof vorstellen?« erkundigte sich Butler Parker. »Na ja, so ein riesiger Abstellplatz für Trucks, dazu ein paar ganz hübsche Lagerschuppen.« Parker verzichtete darauf, weitere Fragen zu stellen. Er hatte sofort an die Transportfirma Rexford gedacht, wollte diesen Namen aber nicht nennen. »Sie nehmen einfach zuviel Rücksicht, mein Junge.« Lady Agatha sah Mike Rander tadelnd an. »Warum haben Sie diese beiden Subjekte nicht anschließend besucht?« »Sie hätten jede Auskunft verweigert, Mylady.« Rander lächelte. »Aber nicht, wenn ich diese Fragen gestellt hätte!« Man glaubte es ihr, als sie es sagte. »Dank des Ablenkungsmanövers, Sir, konnte Mr. Jeff Jingles in Sicherheit gebracht werden«, sagte Butler Parker. »Mr. Jingles erwies
sich als ungewöhnlich ergiebig, wenn ich es so umschreiben darf. Er lieferte eine erstaunliche Fülle von Details.« »Werden die uns auch weiterbringen, Mr. Parker?« wollte Agatha Simpson wissen. »Mit letzter Sicherheit, Mylady. Zudem steht er Mylady jederzeit zur weiteren Verfügung.« »Und wo befindet sich dieser Mann?« Sie hatte natürlich verstanden, daß möglicherweise abgehört wurde. Daher lieferte sie Parker jetzt das Stichwort, um Mithörer falsch zu informieren. »Mr. Jingles, Mylady, wohnt über der Filiale der Valdez-IndustrialBank«, schwindelte Parker versiert. »Dort dürfte die Mafia kaum nach ihm suchen.« »Valdez-Industrial-Bank?« Lady Agatha war doch ein wenig perplex über diese Auskunft. Sie konnte nicht wissen, daß der Butler diese Bankfiliale vor ein paar Stunden ganz zufällig gesehen hatte, als man vom Flugzeug zur Polar-OilCompany gefahren war. Die Büros befanden sich in einem dreistöckigen Haus, in dem es zusätzlich noch Apartments gab. »Valdez-Industrial-Bank«, murmelte Mike Rander. »Ich schreibe mir das sicherheitshalber auf, Parker. Wird er sich auch nicht wegschleichen?« »Mr. Jingles weiß sehr wohl, Sir, wie gefährdet sein Leben ist«, gab der Butler höflich zurück. »Ich war so frei, ihm vom Verlassen der Stadt abzuraten. Die Mafia dürfte überall wirkungsvolle Kontrollen eingerichtet haben. »Alles schön und
gut, Mr. Parker«, schickte Lady Agatha grollend voraus, »was hat dieser Mann nun über seine Auftraggeber gesagt? Er wird die Sprengladung ja nicht aus Langeweile oder Mordlust an der Tür des Bungalows befestigt haben, oder?« »Sein Auftraggeber heißt Eric Chadson«, schwindelte der Butler erneut, um etwaige Mithörer in die Irre zu führen. »Wenn es gestattet ist, möchte ich meinerseits vorschlagen, mehr über diesen Mr. Chadson in Erfahrung zu bringen. Er dürfte eine wichtige Schlüsselrolle in diesem Fall einnehmen.« * »Ganz schön raffiniert, Parker«, sagte Mike Rander ein paar Minuten später und lachte leise. »Damit wiegen Sie diesen Rexford erst mal in Sicherheit.« Die beiden Männer hatten die Suite der älteren Dame verlassen und befanden sich in der Lobby des Hotels. Inzwischen wußte der Anwalt, was Jeff Jingles tatsächlich gesagt hatte. Parker hatte ihn ins Vertrauen gezogen und dabei ein schlechtes Gewissen. Mit Vorwürfen seitens einer gewissen Lady Simpson war früher oder später fest zu rechnen. »Wenn Sie erlauben, Sir, möchte ich schnell noch einen Anruf tätigen«, sagte er. »Ließe es sich unter Umständen einrichten, die Telefonistin abzulenken. Sie könnte durchaus an diesem Gespräch interessiert sein.«
»Sie sind verdammt mißtrauisch, Parker.« »Es geht um Miß Porter, die auf keinen Fall gefährdet werden darf, Sir.« »Ich werde mit der Telefonistin flirten«, kündigte der Anwalt an und ging zur Rezeption hinüber. Parker schritt auf eine der drei Telefonboxen zu und erledigte seinen Anruf. Mike Rander war es mit Leichtigkeit gelungen, die Telefonistin in ein Gespräch zu verwickeln. Sie hatte ihren Vermittlungsschrank verlassen und beantwortet nur zu gern die Fragen. Der Anwalt war schließlich ein gut aussehender Mann mit viel Charme. Der Butler hatte inzwischen eine Nummer gewählt und entschuldigte sich bei der Dame am anderen Ende der Leitung. »Darf ich davon ausgehen, Miß Porter, daß es Ihnen gutgeht?« erkundigte er sich. »Mir geht es blendend, Mr. Parker«, erwiderte sie. »Ich warte darauf, endlich etwas tun zu können.« Die Dinge sind in das geraten, was man gemeinhin Fluß nennt«, meinte der Butler. »Könnten Sie versuchen, bei der Firma Gavin Rexford unterzukommen? Es handelt sich um ein Transportunternehmen, das für die Polar-Oil-Company arbeitet. Die Wahl der Mittel überlasse ich selbstverständlich Ihnen.« »Ich werde mich morgen sofort darum kümmern. Ist Rexford unser Mann, Mr. Parker?« »Er könnte es sein, falls er nicht in Diensten der Mafia steht«,
antwortete der Butler. »Darf ich weiter darum bitten, größte Vorsicht walten zu lassen?« »Ich werde schon auf mich aufpassen. Wie erreiche ich Sie, Mr. Parker?« »Im Alarmfall würde ich einen Direktanruf im Gästehaus der PolarOil-Company bevorzugen, Miß Porter, Normalnachrichten auf dem üblichen Weg per Post. Aus gegebenem Anlaß muß ich das Gespräch jetzt leider beenden. Mr. Rander und meine bescheidene Wenigkeit haben noch eine kleine Ausfahrt vorbereitet.« Parker legte auf, verließ die Telefonbox und schritt gemessen zur Rezeption. Dort unterhielt Mike Rander sich noch immer mit der Telefonistin. »Ihr Auftrag, Sir, wurde wunschgemäß erledigt«, sagte er steif und lüftete dazu seine schwarze Melone. »Man wird einen Tisch reservieren.« Mike Rander verabschiedete sich von der Telefonistin und sagte ihr überdeutlich, daß er sie liebend gern wiedersehen würde. Danach verließen die beiden Männer die Lobby und traten hinaus in die Kälte. »Sie weiß Bescheid, Parker?« fragte der Anwalt. »Miß Porter wartet bereits ungeduldig auf ihren Einsatz«, antwortete Parker und deutete mit seinem Regenschirm auf den LandRover, mit dem der Anwalt nach seinem Ablenkungsmanöver zum Hotel zurückgefahren war. Er hatte diesen Wagen vor dem Hospital verlassen, um in einem Taxi die Verfolgung des Chevrolets aufzu-
nehmen. Nachdem das erledigt war, hatte er sich zum geländegängigen Land-Rover zurückfahren lassen. Bei den herrschenden Witterungsverhältnissen war dieser Land-Rover genau das richtige Fahrzeug. Es schneite noch immer, und auf den Straßen lag eine dicke Schneedecke. Der Verkehr war inzwischen eingeschlafen, nur noch wenige Fahrzeuge waren unterwegs. »Ich lasse mich überraschen«, meinte Mike Rander. »Wie hat die Polizei auf Ihren Anruf reagiert?« »Sie war das, was man elektrisiert nennen müßte, Sir«, gab Parker zurück. »Man sollte davon ausgehen, daß jetzt bereits einige Streifenwagen im Einsatz sind, um potentielle Bankräuber vor der Bankfiliale zu stellen.« * Butler Parker hatte von einem fremden Hotelzimmer aus die Kriminalpolizei von Valdez alarmiert. Er wollte den Mithörern schlicht einen Streich spielen, ihnen eine Schlappe zufügen. Das fremde Hotelzimmer hatte er gewählt, um nicht abgehört zu werden. Das Betreten dieses Zimmers war für ihn eine Kleinigkeit gewesen. Im Umgang mit Schlössern aller Art besaß Josuah Parker intime Kenntnisse, wie er schon oft bewiesen hatte. Selbst mit den kompliziertesten Mechanismen wußte er umzugehen, und die Schlösser rissen sich förmlich danach, unter seinen geschickten Fingern jede Sperre aufzugeben.
Rander und Parker hatten nicht weit zu fahren. Als der Land-Rover sich dem bewußten Block näherte, in dem die Filiale der Valdez-Industrial-Bank lag, fuhr Parker noch langsamer und bog dann in die Straße ein. Zu sehen war auf den ersten Blick nichts. Auf beiden Seiten der Straße standen parkende Personenwagen, einige Lieferwagen und die Gerätewagen einer Telefongesellschaft. Dicke Schneeflocken wirbelten und tanzten um das beleuchtete Transparent der Bankfiliale. Über dem Eingang brannte noch zusätzlich ein Strahler, der die Doppeltür in grelles Licht tauchte. »Sind sie schon da?« fragte Rander. »Mit Sicherheit, Sir«, gab Parker zurück. »Darf ich mir erlauben, Ihre Aufmerksamkeit auf die beiden Gerätewagen der Telefongesellschaft zu lenken?« »Sie glauben, daß ... ?« »Eine Tarnung der Polizei, Sir«, redete Parker weiter. »Nach meinen bescheidenen Schätzungen müßten jene Männer bald erscheinen, die man auf Mr. Jeff Jingles angesetzt hat.« Parker hatte seinen Satz gerade beendet, als ihnen ein Fahrzeug entgegenkam. Es handelte sich um einen Ford-Kombi, dessen Kastenaufbau einen unverdächtigen Eindruck machte. »Die Herren treffen gerade ein«, bemerkte Parker lapidar. »Fahren Sie etwas langsamer!« Mike
Rander wandte sich um und nickte dann. »Tatsächlich, der Wagen hält neben der Filiale.« Parker fand eine passende Parklücke und ließ den Land-Rover hineingleiten. Er stellte den Motor ab und schaute in den breiten Rückspiegel. »Drei Männer steigen aus«, meldete Rander und lachte leise. »Wahrscheinlich trägt jeder von ihnen eine Schulterhalfter mit Inhalt.« »Ich war so frei, Sir, die Polizei dahingehend zu informieren, daß die Bankräuber mit Sicherheit bewaffnet sind.« »Eine weise Maßnahme, Parker.« Rander stieg trotz der Kälte aus und genoß die Szene. Die drei Männer marschierten zum Hauseingang direkt neben der Bankfiliale. Sie trugen hüftlange Winterjacken und Pelzmützen. Nach einem mißtrauischen Rundblick blieben sie vor der Tür stehen und ... wurden in diesem Moment scharf angerufen. Damit ging es turbulent zu. Die drei Männer fühlten sich hereingelegt und wollten zu ihrem Ford-Kombi zurück, doch sie schafften es nicht. Aus den beiden Gerätewagen der Telefongesellschaft waren etwa zehn Zivilisten gefallen. Jeder von ihnen trug entweder einen Revolver oder eine Maschinenpistole. Die drei Männer ließen sich auf nichts ein, hoben prompt die Arme und wurden zu unbeweglichen Statuen. Die Insassen der Gerätewagen kreisten sie ein und suchten sie nach Waffen ab. Nach
wenigen Augenblicken schlossen sich bereits Handschellen um die Gelenke der drei angeblichen Bankbesucher. »Eine durchaus gelungene Aktion'«, fand Josuah Parker. »Sie wird in bestimmten Kreisen Unsicherheit, Mißtrauen und einige Fragen auslösen.« »Also ehrlich, Parker, Ihr Gegner möchte ich nicht sein«, sagte Mike Rander und stieg in den Wagen zurück. »Sie sind mir zu schlitzohrig! Rexford muß doch jetzt annehmen, daß sich unter seinen Mitarbeitern Verräter befinden.« »Dies, Sir, war der Sinn dieses Intermezzos«, entgegnete Josuah Parker. »Man wird den drei festgenommenen Männern kaum sagen können, wer den Hinweis auf ihr Erscheinen gegeben hat.« »Wird man nicht weitere Killer losschicken, Parker? fragte der Anwalt, als Josuah Parker wieder anfuhr. »Mitnichten, Sir«, erwiderte Josuah Parker .gemessen. »Nach dieser Festnahme wird Mr. Rexford von der Tatsache ausgehen, daß Mr. Jeff Jingles das gesucht haben dürfte, was man das Weite nennt. Diese Denkhaltung werden übrigens auch Vertreter der Mafia einnehmen, falls Mr. Rexford nicht tätig geworden sein sollte.« »Wie ich Sie kenne, werden Sie einer möglichen >Wanze < in Lady Simpsons Suite gleich einiges erzählen.« Rander lächelte ironisch. »In der Tat, Sir!« Parker nickte andeutungsweise. »Mylady wird aus
meinem bescheidenen Mund hören, daß Sie, Mr. Rander, und meine Person auf dem Weg waren, Mr. Jingles noch mal zu sprechen. Dabei werden Mylady und etwaige Zuhörer erfahren, daß, unverständlich für meine Wenigkeit, die Polizei in Erscheinung trat.« »Womit die Verwirrung auf der Gegenseite dann komplett wäre, wie?« »Dies kann man allerdings hoffen«, erwiderte Josuah Parker. »Mann soll seine Gegner nie unterschätzen.« * Der Tag war ein besonderes Geschenk der Natur. Es schneite nicht mehr, die Temperaturen waren ein wenig gestiegen. Der zweistrahlige Hubschrauber der Polar-OilCompany senkte sich behutsam und ging dann unweit der Fahrzeugkolonne im weichen Schnee nieder. »Darf ich mir gestatten, Mylady meine hilfreiche Hand zu leihen?« Parker, der bereits ausgestiegen war, streckte seinen rechten Arm aus, um seiner Herrin aus dem Hubschrauber zu helfen. »Papperlapapp«, sagte sie unwirsch. »Sie haben es noch lange nicht mit einer Greisin zu tun.« Nachdem Lady Agatha diese Feststellung getroffen hatte, hüpfte sie wie ein junges Mädchen nach unten in den Schnee, dessen gleichmäßige Auflage natürlich verriet, was sich unter ihm verbarg. Lady Agatha landete sehr weich, aber auch sehr tief...
Sie stieß einen kicksenden Laut aus, als sie durch die Schneedecke hindurch in einer ansehnlichen Bodenvertiefung verschwand. Als der hochstiebende Schnee sich wieder gesenkt hatte, war von der Lady nur noch der Kopf zu sehen, auch ein wenig von ihrem Hals. »Ich weiß nicht, was es da zu lachen gibt?« Sie funkelte Mike Rander an. »Ich ... Ich kann nichts dafür, Mylady«, erwiderte Rander und wischte sich einige Lachtränen aus den Augenwinkeln, während die Bauarbeiter in der Nähe vor Vergnügen wieherten. »Ich weiß, Mr. Parker, daß Sie mich absichtlich in dieses Schneeloch gelockt haben«, behauptete Lady Agatha gereizt. »Wie lange soll ich noch in dieser Falle bleiben?« »Ich werde mir erlauben, sofort geeignete Maßnahmen zu ergreifen.« Parkers Gesicht blieb unbeweglich, doch ein aufmerksamer Beobachter hätte das vergnügliche Lächeln in seinen Augen feststellen können. Von der Gruppe der Bauarbeiter kamen spezielle Ratschläge, die man jedoch nicht sonderlich ernst nehmen konnte. Ein Mann schlug vor, einen Baukran heranzuschaffen. Ein zweiter Bauarbeiter war für das Umlegen eines Stahlseils um Lady Simpson. Mittels einer Winde sollte die ältere Dame dann aus ihrer Lage befreit werden. Ein dritter Bauarbeiter gab sich sogar ausgesprochen unseriös: Er rückte mit dem Vorschlag heraus, man könne die Lady mit dem Hubschrauber aus dem Schnee zerren.
Die beiden Piloten der Polar-OilCompany grinsten breit, doch sie waren bereits unter Josuah Parkers Leitung damit beschäftigt, Lady Agatha auszugraben. Es dauerte qualvolle Minuten, bis die Sechzigjährige endlich wieder stand. »Warum sind Sie nicht in dieses Loch gesprungen?« fuhr sie den Butler an. »Ein glücklicher Zufall hinderte meine bescheidene Wenigkeit daran, Mylady«, erwiderte Josuah Parker. »Fühlen Mylady sich wohl?« »So wohl, daß ich diesen Lümmeln dort drüben jetzt erst mal Manieren beibringen werde.« Sie sah sehr gereizt zu den Bauarbeitern hinüber, die leider noch immer grienten oder lachten. Der Pompadour an Lady Simpsons Handgelenk war in gefährliche Pendelbewegung übergegangen. Die ältere Dame glich einem bis aufs Blut gereizten Eisbären, als sie sich in Bewegung setzte. Sie trug einen hier üblichen knöchellangen Pelzmantel und eine Pelzmütze. Ihre Formen erinnerten tatsächlich an die eines Bären, wie Parker insgeheim feststellte. Die Männer merkten instinktiv, daß mit dieser Frau nicht gut Kirschen essen war. Sie wandten sich mehr oder weniger hastig ab und machten sich wieder an die Arbeit. Sie waren hier draußen in der Wildnis, um die hochgesprengte Pipeline zu reparieren. Ein neues Zwischenstück sollte eingebaut werden, wie deutlich zu erkennen war.
Das Aufgebot an Menschen und Material war erstaunlich groß. Schwere geländegängige Trucks hatten sogar kastenförmige Unterkünfte herbeigeschafft, ein sicheres Zeichen dafür, daß die Reparatur nicht innerhalb weniger Stunden erledigt werden konnte. Agatha Simpson, Mike Rander und Josuah Parker waren von Valdez aus über Fairbanks bis nach Stevens Village geflogen. In ihrer Begleitung befand sich der Chef der firmeneigenen Sicherheitsgruppe, Mr. Mitch Powell, der sich schweigsam gab und einen mürrischen Eindruck machte. »Das nenne ich eine Überraschung!« Mike Rander hatte den Vorarbeiter der Reparaturkolonne entdeckt und nickte jenem Mann zu, den er in der Nachtbar getroffen hatte. »Die Welt ist klein«, antwortete Dick Reggan. »Das hier mit der Sprengung war 'ne böse Überraschung für mich und meine Kolonne.« »Sind meine Freunde auch hier?« »Da drüben am Querträger«, erwiderte der geschmeidige Dick Reggan und lächelte. »Die hatten kaum Zeit, sich von ihrer Niederlage am Tresen zu erholen. « »Dürfte und könnte man etwas darüber erfahren, auf welche Art und Weise die Pipeline zerstört wurde?« schaltete sich Butler Parker ein. »Sie ist eindeutig mit Dynamit in die Luft gejagt worden«, antwortete Dick Reggan. »So was sieht man als Fachmann. War ja auch gerade hier nicht besonders schwierig. Da drüben ist die neue Straße. Die
Burschen sind mit Wagen gekommen, würde ich sagen.« »Wie lange werden Sie brauchen, bis die Pipeline wieder in Ordnung ist?« wollte Mike Rander wissen. »Morgen abend kann das Öl wieder fließen«, lautete die Auskunft von Dick Reggan. »Bis zur nächsten Panne!« »Sie rechnen mit einem weiteren Anschlag, Mr. Reggan?« fragte Rander. »Wer so was wie da drüben inszeniert hat, verfolgt bestimmt einen Plan«, meinte Reggan. »Man läßt 'ne Pipeline ja nicht aus Langeweile in die Luft gehen.« »Man hat Sie noch in der vergangenen Nacht alarmiert?« »Richtig! Und schon saßen wir in unserem Hubschrauber. Mit den Lastern sind wir erst seit Fairbanks unterwegs.« »Verzeihen Sie einem Laien eine wahrscheinlich unqualifizierte Frage«, schickte Josuah Parker voraus. »Ist Ihnen das Transportunternehmen Rexford bekannt, Mr. Reggan?« »Doch, schon.« Reggans Gesicht blieb ausdruckslos, seine Stimme klang neutral. »Unterhält die erwähnte Firma hier in Fairbanks oder Stevens Village Filialen?« »Rexford ist überall am Ball«, antwortete Dick Reggan, und man hörte deutlich heraus, daß der Kolonnenführer diesen Namen mit einem deutlichen Unterton der Abfälligkeit nannte. »Rexford finden Sie von Valdez bis 'rauf nach Harrison Bay.«
»Könnte es der Tatsache entsprechen, daß Sie Mr. Rexford nicht sonderlich schätzen, Mr. Reggan?« stellte Parker seine nächste Frage. »Ich kann diesen Kerl nicht ausstehen«, lautete die Antwort. »Und ich will Ihnen auch gleich sagen, warum das so ist: Ich hatte selbst mal 'ne Transportfirma, aber die hat er planmäßig ruiniert. Mehr möchte ich darüber nicht sagen!« * Die drei sehr handfest aussehenden Männer kamen auf Mike Rander zu und machten nicht gerade einen friedlichen Eindruck. Sie trugen dicke, hüftlange Jacken, Pelzstiefel und wattierte Hosen. Ihre Hände wurden von unförmigen Handschuhen umschlossen. Die Männer vom Bartresen trugen schwere Schraubenschlüssel in ihren jetzt schaufeiförmig aussehenden Händen. Mike Rander sah selbst hier in der Einöde elegant aus. Er trug einen Duffle-Coat aus weichem Leder, der von innen gefüttert war, normale Handschuhe und modische Filzstiefel. Mike Rander sah den drei bärenmäßig aussehenden Männern neutral-lächelnd entgegen. »Wie geht's denn so?« fragte er distanziert und ließ sie nicht aus den Augen. Er konnte sich vorstellen, daß sie mit ihm eine gewisse Rechnung zu begleichen hatten. Immerhin hatte er sie in der Bar nachhaltig außer Gefecht gesetzt, was ihrem Image gewiß geschadet hatte.
Butler Parker fiel hinsichtlich der Kleidung völlig aus der Rolle. Selbst bei der immer noch herrschenden Kälte trug er nichts weiter als seinen schwarzen Covercoat, den gleichfarbigen Zweireiher, die derben schwarzen Schuhe und seine Melone. Über dem angewinkelten linken Arm hing sein altväterlich gebundener Regenschirm, den er nun allerdings fast beiläufig aushakte. Er war bereit, Mike Rander sofort beizustehen. »Leute, macht keinen Unsinn«, rief Dick Reggan den drei Männern mit scharfer Stimme zu, doch sie schienen nichts gehört zu haben. Sie bewegten sich langsam weiter in Richtung Anwalt. Mike Rander holte sein Etui hervor, öffnete es und fingerte nach einer Zigarette, die er sich lässig anzündete. Er wich keinen Zentimeter zurück. »Ich will hier keinen Ärger haben«, sagte Reggan noch schärfer und wandte sich dann zu Mitch Powell um, der aufmerksam geworden war. Der Sicherheitschef der Polar-Oil-Company preßte die Lippen fest aufeinander, dachte aber nicht daran, sich klärend einzuschalten. Möglicherweise freute er sich darauf, daß die eingeflogenen Gäste aus England endlich mal zu spüren bekamen, wie erwünscht sie hier waren. »Zigarette?« fragte Mike Rander und hielt das geöffnete Etui den drei Männern entgegen. »Klar doch?«, sagte der erste. »Immer«, fügte der zweite Mann hinzu.
»Was für 'ne Marke?« erkundigte sich der dritte. »Rabenschwarz«, erwiderte der Anwalt. Er wartete, bis sie dicht an ihn herangekommen waren und ... nach den Zigaretten griffen. »Sie haben Nerven, Mann«, sagte der dritte Mann da. »Sie sin' Klasse«, stellte der zweite Mann fest. »Sie können uns mal'n paar Tricks beibringen«, schlug der erste Mann grinsend vor. »Mann, haben Sie uns abserviert.« »Sie standen auf dem falschen Bein«, antwortete Mike Rander. »Hat man da drüben an der Pipeline wirklich mit Dynamit gespielt?« »Ganz klar«, sagte der erste Mann, der wohl der Wortführer der Gruppe war. »Die haben die Tragestelzen der Leitung einfach weggesprengt, 'ne ganz klare Sache.« »Was kann man gegen eine Wiederholung tun?« fragte der Anwalt. »Überhaupt nichts«, lautete die Antwort. »Das kann überall wieder passieren. Is 'ne Kleinigkeit, Sir.« »Sie werden wahrscheinlich in nächster Zeit eine Menge zu tun bekommen«, stellte der Anwalt fest. »Man will Ihrer Pipeline an den Kragen, wie ich es sehe.« »Kaum was gegen zu machen, Sir.« Der Wortführer zuckte die Achseln. »Wir drei hier könnten am laufenden Band die Stelzen wegsprengen. Man muß sich nur auskennen.« »Im Umgang mit Dynamit?« Rander stand entspannt und lässig vor den drei muskulösen Bauarbeitern. Josuah Parker hatte
seitlich von der Gruppe Stellung bezogen und machte einen völlig desinteressierten Eindruck. Agatha Simpson inszenierte inzwischen die Stahltrümmer der Tragestelzen. Sie unterhielt sich mit dem Sicherheitschef. Mitch Powell machte inzwischen einen tief enttäuschten Eindruck. »Mit Dynamit muß man auch umgehen«, beantwortete der Mann Mike Randers Frage. »Man muß sich aber vor allen Dingen hier draußen in der Wildnis auskennen. Ohne das geht's nicht ganz.« »Sie meinen die Straße da drüben?« Der Mann lachte amüsiert. »Die kann man doch spielend leicht überwachen und kontrollieren. Nee, wenn ich heimlich an die Leitung ran will, dann muß ich aus dem offenen Gelände kommen. Und dafür brauch' ich eben die entsprechende Ausrüstung und Erfahrung.« »Sehe ich ein, mein Freund.« Rander nickte. »Und falls Sie auf den Gedanken kommen, den Luftweg zu benutzen?« »Sie meinen, in 'nem Flugzeug oder so? Sir, schließen Sie die nahen Flugplätze hier, viele sind's ja sowieso nicht, und schon ist die Luft sauber. Nee, ich glaube, wenn hier einer weitersprengen will, kommt er aus der Wildnis und verzieht sich da wieder zurück. Wieso glauben Sie, daß wir bald Überstunden machen werden? Soll unsere Leitung wirklich gestört werden?« »Das hier war der Anfang«, erwiderte Anwalt Rander. »Ich fürchte, so bald werden wir uns in einer netten kleinen Bar nicht wiedersehen.«
* »Ich traue diesem Powell nicht über den Weg«, sagte Lady Agatha zwei Stunden später. Sie nippte genußvoll an einem Rum-Tee, in dem sich allerdings nur winzige Spuren von Wasser befanden. Sie hatte sich diesen Kreislaufstärker selbst zubereitet. Die ältere Dame saß in ihrem wohlisolierten Wohn-Container, der zum Stützpunkt der Ölgesellschaft in Steven Village nahe des YukonRiver gehörte. Die Polar-Oil hatte eine ganze Reihe dieser Container aufgestellt und in ihnen die Mitglieder des Bautrupps untergebracht. Die Container, die die Größe von Wohntrailern aufwiesen, waren untereinander durch große Aluminiumröhren verbunden, die Bullaugen zur Sicht nach draußen besaßen. Selbst im tiefsten Winter konnte man sich hier relativ ungehindert bewegen und brauchte nicht hinaus in die arktische Kälte, wenn man ins Kasino wollte, ins Kino oder in die Freizeiträume. »Mr. Mitch Powell dürfte sich übergangen fühlen, Mylady«, deutete Josuah Parker das Verhalten des Sicherheitschefs. »Er hat einen verschlagenen Blick«, redete die Detektivin weiter. »Er hat doch nur darauf gewartet, daß Sie, Mike, von diesen drei Bauarbeitern zusammengeschlagen würden.« »Er steckt Ihrer Ansicht nach mit den Füchsen unter einer Decke, Mylady?« fragte der Anwalt.
»Selbstverständlich.« Sie war sich ihrer Sache wieder mal völlig gewiß. »Zählen Sie doch die Tatsachen zusammen, mein Junge: Wer kennt die Schwachstellen dieser Pipeline besser als Powell? Wer weiß genau, wann und wo seine Sicherungstrupps unterwegs sind? Ja, ich gehe sogar noch einen Schritt weiter.« »Ich ahne schon, worauf Sie hinaus wollen, Mylady.« »Und Sie, Mr. Parker?« Sie sah ihn herausfordernd an. »Meiner bescheidenen Ansicht nach glauben Mylady, daß die Füchse und die Sicherungstrupps des Mr. Powell miteinander identisch sind.« »Das ist es!« Sie strahlte. »Endlich sind wir mal einer Meinung, Mr. Parker. Langsam entwickeln Sie Phantasie und Sinn für Zusammenhänge.« »Mylady machen meine bescheidene Wenigkeit überaus glücklich.« »Mitch Powell hat aus seinen Sicherheitseinheiten eine Gangsterbande gemacht«, vermutete Lady Agatha weiter. »So etwas kennt man doch, nicht wahr? Dazu brauchte er ja nur die Leute einzustellen, die ihm genehm waren.« »Eine verlockende Theorie, Mylady«, sagte Mike Rander. »Und was sagen Sie, Mr. Parker? Sind Sie noch immer einer Meinung mit mir?« »Es gibt in der Tat Konstellationen, Mylady, die man nur als äußerst verblüffend bezeichnen kann.«
»Das sage ich doch.« Sie war begeistert. »Ich schlage vor, diesen Mitch Powell mal gründlich zu verhören. Es muß ja nicht gerade offiziell sein.« »Darf ich höflichst daran erinnern, Mylady, daß keine Beweise existieren?« Parker war gegen solch ein Verhör, wie deutlich zu merken war. »Schnickschnack«, grollte sie sofort wieder. »Er wird unter der Last meiner Anklage schon zusammenbrechen.« »Das glaube ich allerdings kaum«, warf Anwalt Rander ein. »Wenn er der Mann ist, den Sie in ihm vermuten, Mylady, wird er sich nicht ins Bockshorn jagen lassen.« »Zudem erhebt sich die an sich nicht unwichtige Frage, Mylady, warum Mr. Powell erst vor wenigen Tagen mit seinem Coup begann? Die Pipeline arbeitet schon seit einem Jahr. Er hätte also zu wesentlich früheren Zeitpunkten an eine Erpressung denken können.« »Er... er hat sich eben Zeit genommen.« Sie wurde ärgerlich. »Kommen Sie mir jetzt nur nicht mit Spitzfindigkeiten, Mr. Parker! Sie ärgern sich nur darüber, daß ich den Fall bereits gelöst habe...« »Mylady beschämen meine Wenigkeit.« »Ich werde diesen Fall frontal angehen«, sagte sie grimmig. »Er ist hier im Camp, Mr. Parker. Rufen Sie ihn sofort an und bestellen Sie ihn in meinen Container! « »Wie Mylady es wünschen.« Parker ging zum Telefon, rief die Vermittlung an und ließ sich mit Powells Container verbinden. Er
nannte seinen Namen, hörte einen Moment zu und legte dann auf. »Er hat sich abgesetzt nicht wahr?« fragte die Detektivin. »Mr. Powell ist mit einer Sicherheitsgruppe unterwegs«, meldete Parker. »Ich erfuhr es gerade von seinem Stellvertreter, der für diesen Bauabschnitt zuständig ist.« »Die nächste Sprengung liegt in der Luft«, prophezeite Lady Agatha.« übrigens, wie heißt eigentlich der Mann, der diesen Sicherungsabschnitt leitet? Ihn sollte man ebenfalls scharf im Auge behalten.« »Sein Name ist Randy Fulsom«, erwiderte Josuah Parker, ohne sich anmerken zu lassen, daß dieser Name ihm nicht ganz unbekannt war. * Josuah Parker hielt sich etwa eine Stunde in einer der Werkstätten des Camps auf. Er hatte die Tür hinter sich fest verschlossen und ließ seiner Phantasie freien Lauf. Er war ein geschickter Bastler, der sowohl mit einem Schweißgerät als auch mit elektronischen Geräten aller Art umzugehen verstand. Parker befaßte sich in dieser gut ausgestatteten Werkstätte zusätzlich noch mit Signalraketen. Sie waren in einem angrenzenden Store in reicher Fülle und Auswahl vorhanden und konnten in handliche Plastikkoffer gesteckt werden, die die Piloten während ihrer Flüge hinauf zur Harrison Bay mitnahm. Für den Fall
einer Notlandung konnten sich die Piloten mit den Suchtrupps optisch in Verbindung setzen und auf sich aufmerksam machen. Parker schraubte die beiden langen Rohre auseinander und verstaute sie in solch einem Rettungs-Set. Dann folgten die Raketenköpfe, die er nach seinen Vorstellungen und Wünschen ein wenig »umfrisiert« hatte. Nachdem er den Koffer geschlossen hatte, sah man ihm den hochbrisanten Inhalt nicht an. Damit war Parkers Arbeit allerdings noch nicht getan. Er deponierte seinen Plastikkoffer im Store, nachdem er ihn unauffällig gekennzeichnet hatte, holte einen zweiten Koffer hervor und bastelte an ihm noch ein wenig herum. Hauptbestandteil dieser geschickten Arbeit war eine starke Spiralfeder, die er später durch das Schließen des Kofferdeckels zusammenpreßte und unter Druck stellte. Diesen Koffer nahm Parker in die Hand und verließ die wieder aufgeräumte Werkstatt. Er hinterließ keine Spuren, die auf seine wirkliche Bastelarbeit hindeuten konnten. In einer der Aluminiumröhren trat er auf einen großen schlanken Mann, der etwa vierzig Jahre zählte. Er war gerade aus der Kälte gekommen und trug noch einen pelzgefütterten Duffle-Coat. Der Mann blieb stehen, nahm seine Pelzmütze ab und lächelte Parker offen an, was sein gut geschnittenes Gesicht noch sympathischer machte. »Ich wette, Sie sind Mr. Parker«, sagte er und streckte seine Hand aus.« Ich bin Steve Turner.«
»Der Chef des Transportwesens, wenn ich nicht irre?« Parker übersah die Hand und deutete eine höfliche Verbeugung an. »Sie können mir ruhig die Hand geben, ich beiße nicht. Und hier draußen pfeifen wir auf unnötige Formen.« Steve Turner hatte eine dunkle Stimme. »Das Schütteln von Händen steht einem Butler nicht zu«, antwortete Josuah Parker höflich. »Sie sind gerade hier im Camp eingetroffen, Sir?« »Per Hubschrauber eingeflogen.« Steve Turner nickte. »Nach diesem Anschlag auf die Pipeline gibt's eine Menge zu organisieren. Ich möchte sicherheitshalber noch ein paar zusätzliche Materialstützpunkte einrichten.« »Eine Vorsorge, die ich in aller Bescheidenheit als lobenswert bezeichnen möchte.« »Sie haben sich einen Rettungs-Set organisiert? Wollen Sie fliegen?« »Lady Simpson wünscht einen Orientierungsflug«, antwortete der Butler höflich. »Natürlich, ich weiß. Die Polar-Oil hat die Dame einfliegen lassen. Da scheint irgend etwas im Busch zu sein, wie?« »Man hat Sie noch nicht orientiert, Sir?« »Nicht offiziell, aber sowas sickert ja schnell durch. Die Polar-Oil soll erpreßt werden, wie?« »Meine bescheidene Wenigkeit besitzt nicht die Kompetenz, dazu Stellung zu nehmen«, erwiderte Josuah Parker. »Darf ich mir gestatten, eine Fachfrage an Sie zu richten?« »Immer heraus damit, Mr. Parker!«
»Zu welcher Maschine würden Sie raten? Mylady gedenkt, das betreffende Luftfahrzeug selbst zu steuern.« »Nehmen Sie 'ne Kufenmaschine, möglichst, zweimotorig. Wir haben da zwei Vögel auf dem Rollfeld stehen. Soll ich alles veranlassen? Wann wird's denn losgehen?« »In den frühen Morgenstunden«, gab Parker zurück. »Wie beurteilen Sie die möglichen Risiken eines solchen Fluges, Sir?« »Kommt auf das Wetter an, Mr. Parker. Ich möchte Sie aber warnen: Jetzt scheint noch die Sonne, aber innerhalb weniger Minuten kann sich das schlagartig von Norden her ändern. Warum nehmen Sie keinen erfahrenen Buschpiloten?« »Mylady möchte vermeiden, daß gewisse Dinge nicht durch große Klangkörper bekannt gemacht werden.« »Wie war das? Große Klangkörper?« »Der Volksmund würde sagen: Gewisse Dingen sollen nicht an die große Glocke gehängt werden.« Parkers Gesicht blieb unbeweglich. »Mylady verfolgt eine bestimmte und durchaus ungewöhnliche Taktik, um den Bitten der Polar-Oil gerecht zu werden.« * »Sehr hübsch, sehr hübsch«, sagte Agatha Simpson am anderen Morgen und ging um die zweimotorige Maschine herum, die auf breiten Schneekufen stand. »Mr. Randy Fulsom, der Chef des Transportwesens war so
liebenswürdig, zu dieser zweimotorigen Maschine zu raten, Mylady«, erwiderte Josuah Parker. »Dann werde ich mir mal die Wetterlage geben lassen«, sagte die ältere Dame sehr munter. »Das erledigt der Pilot, Mylady«, meinte der Anwalt, der ahnungslos war. »Eben«, erwiderte Lady Agatha noch munterer. Darum lasse ich sie mir ja geben.« »Sie ... Sie wollen die Maschine fliegen, Mylady?« Mike Randers Gesicht verfärbte sich. »Aber selbstverständlich, mein Junge!« Sie lächelte mild. »Fragen Sie Mr. Parker! Er wird Ihnen bestätigen, daß ich eine erfahrene Pilotin bin.« »Äh ... Ich ... Ich glaube, ich kann Sie nicht begleiten«, sagte Mike Rander hastig. »Ich habe ...« »Sie haben doch nicht etwa Angst?« Die Detektivin grollte schon wieder. »Wie kommen Sie denn darauf, Mylady?« »Dann werden Sie selbstverständlich mitfliegen. Mr. Parker wird mein Co-Pilot sein.« »Ach so.« Randers Gesicht nahm wieder Farbe an. »Dann kann ich meine Verabredung aufschieben, denke ich.« »Es wäre in der Tat ratsam, Sir, sich an diesem Überlandflug zu beteiligen«, warf Josuah Parker gemessen ein. »Der Flug beginnt in einer halben Stunde. Wenn Sie erlauben, Mylady, werde ich noch einige Zuladungen an Bord bringen.«
»Ich werde mir jetzt den Wetterbericht holen«, sagte sie und nickte Mike Rander versöhnt zu. »Sie können mich begleiten, Mike. Bei dieser Gelegenheit werden Sie bestimmt viel lernen.« Mike Rander schloß sich der älteren Dame notgedrungen an und begab sich mit ihr in die Flugleitungsbaracke. Was er dann erlebte, ließ seine Nerven vibrieren. Schon nach wenigen Augenblicken merkte er und der Flugleiter, daß die ältere Dame von der Fliegerei so gut wie keine Ahnung hatte. Ihre Fragen zum Kurs und zur Wetterlage zeichneten sich durch eine gewisse gläubige Naivität aus. Mylady, kennen Sie den zweimotorigen Typ draußen?« wollte der Flugleiter endlich wissen. »Ich meine, äh, wann haben Sie zuletzt eine Maschine geflogen?« »Als sie wahrscheinlich noch ein Säugling waren«, gab sie mild zurück. »Zu meiner Zeit war die Fliegerei wirklich noch ein Abenteuer, aber heutzutage ...? Nichts als Technik. Ich werde mich wahrscheinlich zu Tod langweilen.« »Ich könnte Ihnen sofort einen erfahrenen Piloten besorgen, Mylady«, sagte der Flugleiter mehr als nur normal besorgt. »Steuerknüppel ist Steuerknüppel«, gab Lady Agatha würdevoll zurück.« Ich werde Ihre Maschine schon heil in die Luft bringen.« »Das ist nicht das eigentliche Problem, Mylady.« Dem Flugleiter standen' dicke Schweißperlen auf der Stirn. »Sondern?« Sie sah ihn streng an.
»Das 'runterkommen, Mylady«, entgegnete der Flugleiter. »Papperlapapp, junger Mann«, sagte sie optimistisch. »Es ist noch nie eine Maschine oben geblieben!« * »Kann und darf ich Ihnen möglicherweise behilflich sein?« erkundigte sich Josuah Parker in seiner höflichen Art. Er hatte behutsam die Tür zu seinem Wohnabteil geöffnet und den Sicherheitschef Powell beobachtet. Der untersetzte, kompakte Mann machte einen traurig überraschten Eindruck, was eindeutig mit dem geöffneten Plastikkoffer zusammenhing, den Parker neben dem schmalen Schrank abgestellt hatte. Diesen Rettungskoffer hatte Mitch Powell eben erst geöffnet und dabei eine herbe Überraschung über sich ergehen lassen müssen. Nachdem er die beiden Verschlüsse gelöst hatte, war der Deckel, bewegt von einer starken Spiralfeder, blitzartig und druckvoll aufgesprungen und hatte dem Sicherheitschef eine Ladung Altöl ins Gesicht gespritzt. Ein begossener Pudel hätte gegen Powell noch trocken ausgesehen! »Was.... Ich... Wieso...« stotterte der Sicherheitschef und wischte sich vorsichtig das schwarze Altöl aus den Augen und von der Stirn. »Ich werde Ihnen sofort ein Handtuch zur Verfügung stellen, Mr. Powell.« »Was zum Teufel, soll das bedeuten?« Powell deutete auf den Plastikkoffer.
»Sind Sie mit meiner bescheidenen Wenigkeit möglicherweise der Ansicht, daß eigentlich mir diese Frage zusteht?« Parker reichte dem verlegenen Sicherheitschef ein Handtuch. »Ich habe ... Ich wollte ...« »Sie brauchen und sollten sich keinen Zwang auferlegen, Sir. Als Chef des konzerninternen Sicherheitswesen sind Sie selbstverständlich verpflichtet, jedem noch so vagen Verdacht nachzugehen.« »Was ... Was haben Sie eine Stunde lang in der Werkstatt getrieben?« fragte Mitch Powell gereizt. Er sah wieder ein wenig klarer und wischte sich das Gesicht frei. . »Sie haben es mit einem Bastler aus Leidenschaft zu tun«, erwiderte Josuah Parker gemessen. »Um genau zu sein, ich war so frei, mich ein wenig zu entspannen.« »In einer Werkstatt?« Mitch Powell glaubte ihm kein Wort, wie man deutlich sah. »Wo sonst, Sir, hätte ich diesen Plastikkoffer derart wirkungsvoll präparieren können?« »Sie ... Sie haben es darauf abgesehen, mich hereinzulegen.« »Denjenigen, der den Koffer ohne meine ausdrückliche Erlaubnis öffnen würde«, korrigierte Josuah Parker. »Ihnen, Parker, traue ich nicht über den Weg«, meinte Powell wütend. »Sie spielen ein Spiel, das ich noch nicht kenne, aber ich werde Ihnen auf die Schliche kommen.« »Wie gut kennen Sie einen gewissen Mr. Rexford, Sir?« fragte
Parker, völlig vom Thema abweichend. »Rexford? Was hat denn der... Gut kenne ich ihn.« »Sie haben noch deutlich sichtbare Ölspuren auf der linken Wange, Sir«, lenkte Parker ab, um dann sofort die nächste gezielte Frage zu stellen. »Wie kommt es eigentlich, daß solch ein Mann für die Polar-Oil arbeitet?« »Das ist nicht mein Ressort. Ich bin nur für die Sicherheit zuständig.« »Und dann ignorieren Sie die Existenz dieses Mr. Rexford?« wunderte sich der Butler übertrieben deutlich. »Das Transportwesen untersteht Steve Turner«, war die Antwort, die distanziert und abweisend klang. »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus, Mr. Parker? Hat Rexford etwas mit dem Anschlag auf die Pipeline zu tun? Warum antworten Sie nicht?« »Für die Sicherheit der Polar-Oil sind Sie zuständig, Mr. Powell. Sie haben Rexford nie überprüft?« »Er ... Er ist ein knallharter Unternehmer, aber kein Gangster. Oder wissen Sie etwa mehr über ihn? Falls ja, dann muß ich das hören.« »Gerüchte, nichts als Gerüchte, Mr. Powell.« Parker holte seine zwiebelförmige Uhr aus einer der vielen Westentaschen. »Ich darf und muß mich empfehlen, Sir, Mylady wartet auf meine bescheidene Person.« Butler Parker lüftete seine schwarze Melone und verließ ohne weiteren Kommentar die Wohnkabine. Er ging in die Werkstatt und holte sich aus dem Store den richtigen Plastikkoffer. Ihn
trug er zusammen mit seiner schwarzledernen Reisetasche auf das Rollfeld und näherte sich der zweimotorigen Maschine. Mike Rander kam ihm entgegen. »Können Sie mit solch einer Kiste umgehen?« Er deutete auf die Zweimotorige. »Mit einer ähnlichen Maschine durfte ich mal trainieren«, gab Parker gemessen zurück. »Darüber hinaus möchte ich Ihnen versichern, Sir, daß Lady Simpson eine bemerkenswerte Pilotin ist, wenngleich Mylady auch dazu neigt, sich in gewissen fliegerischen Eskapaden zu üben.« »Du lieber Himmel«, seufzte Mike Rander und verdrehte die Augen. »Ich bin bestimmt kein Feigling, aber ich möchte mich liebend gern drücken.« »Mylady könnte dies als einen Affront betrachten, Sir.« »Du liebe Zeit, warum hat sie sich nicht für einen Hundeschlitten entschieden.« Mike Rander beobachtete Lady Agatha mißtrauisch, die zur Maschine stampfte und einen durchaus optimistischen Eindruck machte. »Aber wahrscheinlich wäre auch das noch lebensgefährlich.« »Unter Umständen durchaus, Sir«, war die lapidare Antwort des Butlers, den einfach nichts zu erschüttern vermochte, was mit einer Lady Agatha Simpson im Zusammenhang stand. * Vor der Flugleitungsbaracke standen neben dem Flugleiter Sicherheitschef Mitch Powell, sein
Stellvertreter in diesem Bereich, Randy Fulsom, Kolonnenführer Dick Reggan und zusätzlich noch ein gutes Dutzend interessierte Zuschauer. »Das .. Das geht niemals gut«, sagte der Flugleiter und zündete sich bereits die dritte Zigarette innerhalb weniger Minuten an. Er war nervös, was allerdings nicht weiter verwunderlich war. Die zweimotorige Propellermaschine torkelte wie angetrunken zur Startbahn und absolvierte dabei einige verwegene Kurven. Die einmalige Pilotin schien das Seitenruder ununterbrochen zu testen. »Wir hätten den Start verbieten sollen«, warf Randy Fulsom ein, der neben Mitch Powell stand. Fulsom war etwa dreißig Jahre alt, gerade noch mittelgroß zu nennen und hatte ein glattes Gesicht mit hellen, schnellen Augen. »Wieso eigentlich?« fragte sein Chef Mitchell achselzuckend. »Ich habe den Auftrag, der Lady jeden Wunsch zu erfüllen.« »Sie wird sich das Genick brechen«, meinte Fulsom. »Vielleicht ist das ihr Wunsch.« Mitch Powells Stimme drückte Hoffnung aus. »Nein, nein.« Der Flugleiter stöhnte und überlegte, ob er sich nicht abwenden sollte. Die zweimotorige Maschine hatte Fahrt aufgenommen und glitt auf ihren Kufen über den festen Schnee.. Aber auch jetzt schien die Pilotin sich nicht für einen bestimmten Kurs entscheiden zu können. Die Maschine vollführte Schlangenlinien.
»Sie wollen tatsächlich in die Luft«, ließ sich eine Stimme hinter Mitch Powell und Randy Fulsom vernehmen. Die beiden Männer wandten sich kurz um und nickten Steve Turner zu, der gerade mit einem Jeep zur Rollbahn gekommen war. »Das kommt davon, wenn man blutige Laien und Amateure engagiert«, mokierte sich Mitch Powell. »Ich wasche meine Hände in Unschuld.« »Und eine meiner besten Maschinen wird gleich Bruch machen«, fürchtete Steve Turner. »Verdammt, ich werde ein paar Kranwagen besorgen, damit wir das Wrack bergen können.« »Sie... Sie hebt tatsächlich ab«, stöhnte der Flugleiter erleichtert auf. »Es ist nicht zu fassen ... Sie hebt tatsächlich ab!« »Aber wie!« Steve Turner, der Chef des Transportwesens, schluckte vor Aufregung. »Die sackt doch gleich wieder durch ... Sie sackt!« »Sehr schön«, freute sich Mitch Powell ungeniert. »Das kommt davon, wenn man sich überschätzt. Und Laien überschätzen sich immer.« Es war schon erstaunlich, wie solide die Zweimotorige gebaut war. Ihre Kufen waren zurück auf die glatte Schneedecke geknallt, die Maschine tat einen kleinen Hopser, dann einen Luftsprung und ... streckte das Cockpit hoch in die Luft. Die beiden Motoren arbeiteten auf Höchsttouren. »Sie ist frei... Sie ist frei«, jubelte der Flugleiter, falls sie nicht überzieht.«
»Und wie sie überzieht«, warf Steve Turner ein. Er war selbst Pilot und konnte die augenblickliche Fluglage der Maschine gut beurteilen. »Sie wird gleich ... Nein, sie wird doch nicht!« »Sehen Sie sich die Kurve an!« Der Flugleiter bedeckte für einen Augenblick verzweifelt die Augen. Die Zweimotorige flog eine Art Messerkurve, wurde angedrückt und donnerte dann genau auf die Flugleitungsbaracke zu. Sie schien sie unbedingt rammen zu wollen. Die Zuschauer warfen sich Sekunden später bereits hastig in den Schnee. Die Maschine jagte dicht über sie hinweg, wurde erneut hochgerissen und gewann dann schnell an Höhe. »Mögen sie sich das Genick brechen«, murmelte Mitch Powell nicht gerade leise. Widerspruch kam nicht auf. Er schien den übrigen Männern voll aus dem Herzen gesprochen zu haben. * Mike Rander war um etliche Zentimeter zusammengeschrumpft. Er saß auf einem der übrigen vier Sitze hinter dem Cockpit und war wachsbleich. Er kämpfte gegen wenigstens zwei Dutzend Schmetterlinge, die in seinem Magen zu flattern schienen. Auf seiner Stirn standen dicke Schweißtropfen. Mike Rander hatte die bisherigen Flugmanöver voll genossen und einige Male nur mit äußerster Mühe Schreie des Entsetzens unterdrückt. Er bewunderte Josuah Parker.
Der Butler, der auf dem Sitz des Copiloten saß, schien einen Ladestock verschluckt zu haben, so korrekt und beherrscht wirkte er. Agatha Simpson hingegen war in voller Aktion und bewegte die Maschine unberechenbar durch die Luft. »Darf ich vielleicht anregen, Mylady, in Richtung Norden zu fliegen?« Er deutete diskret auf den Kompaß. »Sie sollen nicht immer so übergenau sein«, erwiderte sie kratzbürstig. »Ich fliege selbstverständlich erst mal eine Orientierungsrunde,« »Seit fünf Minuten«, rief Mike Rander nach vorn. »Wie fühlen Sie sich, Mike?« wollte die ältere Dame wissen und widmete sich ihrem Fluggast. Sie tat es auf ihre Weise, wandte sich zu dem Anwalt um und kümmerte sich nicht weiter um die Maschine. »My ... Mylady, das Steuer«, erinnerte Rander. »Sind Sie etwa nervös, mein Junge?« »Warum sollte ich, Mylady?« Er rang sich ein krampfhaft munteres Lächeln ab. »Falls Sie das Klappern meiner Zähne hören, hängt das nur mit der Kälte draußen zusammen.« »Die Maschine fliegt quasi von allein«, beruhigte Lady Agatha ihn. »In den nächsten Tagen werde ich mir einen Hubschrauber geben lassen.« »In den Spielwarengeschäften gibt es hübsche Modelle«, versuchte Mike Rander zu frotzeln. »Darf ich mir die Freiheit nehmen, Mylady auf die Baumwipfel
aufmerksam zu machen?« schaltete sich der Butler höflich ein. »In Anbetracht der augenblicklich wieder geringen Höhe sollten Mylady vielleicht eine Korrektur vornehmen.« »Ist er nicht rührend besorgt?« Lady Simpson bedachte Mike Rander mit einem wohlwollenden Lächeln, um sich dann wieder der Maschine zu widmen. Sie riß sie steil hoch und entkam so gerade noch den ersten Ästen. Rander stöhnte und schloß die Augen. Er wäre am liebsten ausgestiegen, was zu seinem Leidwesen nicht ging. Er schwor sich jedoch, nie wieder in seinem Leben in eine Maschine zu steigen, die von Lady Agatha geflogen wurde. Er riskierte einen Blick nach unten und war beeindruckt. Unter ihnen lag die unendliche Weite der Tundra, die von riesigen Schneemassen bedeckt war. Es gab Krüppelwälder, zugefrorene Seen und Wasserläufe, und weit am Horizont zeichneten sich schneebedeckte Gipfel ab. Dann entdeckte er die Pipeline. Sie schlängelte sich entlang des Highway und überwand alle Geländehindernisse, tatsächlich ein technisches Meisterwerk. Mike Rander bewunderte die Ingenieure und Arbeiter, die diese Ölleitung gebaut hatten, von der Straße mal abgesehen. Auf ihr herrschte kein Verkehr, wie man deutlich erkennen konnte. Sie war streckenweise sogar zugeweht und wohl für normale Fahrzeuge unpassierbar.
»Mit ein paar Raketen an Bord oder Bomben könnte ich die Pipeline überall unterbrechen«, rief Lady Simpson. »Sie müssen zugeben, daß meine Theorie richtig ist: Die Gangster werden aus der Luft angreifen.« »Eine überzeugende Vermutung, Mylady«, sagte Josuah Parker. »Darf ich mir den Hinweis erlauben, daß der Öldruck des linken Motors ein wenig abfällt?« »Na und?« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Man soll nicht alles überbewerten.« »Was... Was hat das zu bedeuten, Parker?« wollte jedoch Mike Rander wissen. »Falls der Motor seine Normalwerte nicht wieder erreicht, Sir, dürfte er mit einiger Sicherheit bald das aufgeben, was man seinen Geist nennt.« »Ausfall eines Motors?« Rander schluckte. »Das macht doch nichts, Mike«, versicherte Agatha Simpson gut gelaunt. »Schließlich haben wir noch immer einen zweiten Motor - oder können Sie nicht mehr zählen!?« * »Der zweite Motor, Mylady«, meldete Butler Parker etwa fünf Minuten später. »Was . . . Was ist mit ihm?« Mike Rander beugte sich vor. »Ein ebenfalls inzwischen rapides Abfallen des Öldrucks, Sir.« »Und was machen Sie jetzt?« Lady Agatha wandte sich an Josuah Parker und sah ihn streng an. Sie schien sich
des Ernstes der Lage überhaupt nicht bewußt zu sein. »Wenn Mylady einverstanden sind, sollte man eine Notlandung in Betracht ziehen.« »Dann lassen Sie sich nicht stören, Mr. Parker.« Sie schaute nach unten. »Wie wäre es mit dem Highway? Er sieht doch recht hübsch aus.« »Eine Notlandung?« Der Anwalt schluckte. »Das Gelände kommt mir nicht gerade einladend vor.« »In der Tat, Sir!« Parker nickte höflich. »Auch vom Highway würde ich in Anbetracht der starken Verwehungen abraten. Die Maschine könnte in eine solche Schneewehe geraten und sich überschlagen.« »Dort drüben befindet sich ein kleiner See, Mylady.« Parker deutete mit seiner schwarz behandschuhten Hand nach rechts. »Die Eisfläche sieht recht einladend aus.« »Hoffentlich hält sie das, was sie verspricht«, meinte Anwalt Rander. »Sie haben doch nicht etwa Angst, mein Junge?« wollte die Detektivin wissen. »Angst ist tatsächlich kein Ausdruck.« Rander schnallte sich an. »Werden wir's bis zum See schaffen, Parker? « »Fragen Sie bitte mich! Noch bin ich die Pilotin!« Agatha Simpsons Stimme klang gereizt. »Natürlich wird Mr. Parker es schaffen.« »Wie Mylady es wünschen.« Parker gab noch mal Vollgas und brachte die Maschine auf Höhe. Da beide Motoren seiner Ansicht nach ohnehin ruiniert waren, konnte er sie durchaus noch mal ausgiebig
belasten? bis sie nicht mehr mitspielten. Sie gaben nach drei Minuten ihren Geist auf. Parker, der jetzt die Zweimotorige steuerte, visierte den See an und ging in einen langgestreckten Gleitflug über, der sie allerdings ein gutes Stück vom Highway entfernte. Nun erst entspannte sich Mike Rander. Nachdem Parker das Kommando übernommen hatte, fühlte er sich wieder sicher. Das Risiko, dem sie ausgesetzt waren, schien wieder kalkulierbar. »Sind die beiden Motoren präpariert worden?« fragte er nach vorn. »Mit einiger Sicherheit ist dies zu vermuten, Sir.« »Man will mich wieder mal umbringen«, stellte Lady Agatha fest, während Parker ruhig und scheinbar gelassen die Maschine im Gleitflug hielt. Der See aber war noch weit entfernt. »Mitch Powell, Randy Fulsom oder Steve Turner?« fragte Mike Rander. »Natürlich«, erwiderte die Detektivin sicherheitshalber pauschal. »Wenn Sie nicht zurechtkommen sollten, Mr. Parker, werde ich das Steuer wieder übernehmen. Ich weiß nicht, Sie machen auf mich einen verkrampften Eindruck.« »Ein Eindruck, Mylady, der täuscht.« Parker dachte nicht im Traum daran, Mylady die Maschine zu überlassen. Die Lage war einfach zu prekär. Sie verloren jetzt schnell an Höhe.
»Haben Sie mit solch einem Anschlag gerechnet, Parker?« fragte Anwalt Rander. »Mehr mit einem Angriff aus der Luft, wenn ich ehrlich sein darf, Sir.« Parker hatte inzwischen erkannt, daß sie es schaffen würden. Noch hatte die Zweimotorige ausreichend Fahrt, und der See war näher gekommen. Er wandte sich Mylady und Mike Rander zu. »Würden Sie sich bitte auf eine etwas härtere Landung einrichten?« fragte er. »Für einen zweiten Anflug wird die Höhe auf keinen Fall mehr reichen.« »Mir wäre das nicht passiert«, mokierte sich Lady Agatha. »Ich hätte Ihrer Bitte nicht nachgeben sollen.« »Welcher Bitte?« fragte Rander erstaunt. »Nun, Mr. Parker wollte ja unbedingt mal eine Notlandung probieren«, sagte sie unverfroren. »Ich wette, Sie haben sich überschätzt, Mr. Parker!« * »Nun ja, recht brauchbar«, sagte Lady Agatha fast enttäuscht und richtete sich auf. Sie hatte die Schneekufen der Maschine kontrolliert, die unbeschädigt waren. Alle standen heil auf dem festen Eis. »Mylady machen meine bescheidene Wenigkeit glücklich«, bedankte sich Parker, ohne eine Miene zu verziehen. »Wenn es gestattet ist, möchte ich einige zusätzliche Maßnahmen ergreifen.«
»Wie lange wird es dauern, bis Sie die beiden Motoren repariert haben?« wollte die Detektivin wissen. »Dies, Mylady, hängt von der Güte der betreffenden Werkstatt und der Monteure ab.« »Wie soll ich das verstehen?« Sie sah ihn fast empört an. »An eine Reparatur ist doch hier nicht zu denken, Lady Agatha«, schaltete sich Mike Rander ein. »Sie sind beide total hin!« »Soll das heißen, daß ich hier in dieser Einöde ein paar Stunden verbringen muß!?« Sie sah Parker flammend an. »Für die Bequemlichkeit Myladys wird gesorgt werden.« »Wann wird man uns hier aufpicken?« Sie wurde ein wenig unruhig. »Mylady werden verzeihen, wenn ich darauf keine definitive Antwort zu geben vermag. Es kann sich um viele Stunden handeln.« »Dann schießen Sie gefälligst ein paar Leuchtraketen ab.« »Sie würden zum augenblicklichen Zeitpunkt mit letzter Sicherheit kaum wahrgenommen werden, Mylady.« »Wie sieht's denn mit dem Funkgerät aus, Parker?« wollte Mike Rander wissen. »Es befindet sich in einem ausgezeichneten Zustand, Sir.« »Worauf warten Sie dann noch, Mr. Parker? Funken Sie sofort den Stützpunkt an!« Agatha Simpson hatte sich von ihrem Butler einen knöchellangen Pelzmantel über die Schultern legen lassen.
»Diesem Wunsch werde ich so bald wie möglich nachkommen, Mylady. Wenn Mylady erlauben, möchte ich allerdings erst mal die Maschine ein wenig herrichten.« »Ich meinte, die beiden Motoren ...« »Was haben Sie vor, Parker?« Mike Rander hatte inzwischen begriffen. »Falls meine Wenigkeit Myladys Zustimmung finden, sollte man hier eine kleine Falle bauen.« »Natürlich stimme ich zu.« Sie war sofort neugierig geworden. »Es geht um das Vortäuschen einer echten Bruchlandung, Mylady«, erläuterte Josuah Parker seinen Plan. »Mylady wollen sicher in Erfahrung bringen, auf welche Art und Weise gewisse Herren die Rettungsmaßnahmen einleiten werden.« »Genau das wollte ich Ihnen gerade vorschlagen, Mr. Parker.« »Dann darf ich also in Myladys Sinn handeln.« Parker, der nur seinen schwarzen Covercoat trug, machte sich daran, die Maschine zu entladen, während seine Herrin grollend zuschaute. Sie hatte nämlich keine Ahnung, wozu sie ihre Zustimmung gegeben hatte. Mike Rander, in Filzstiefeln und gefüttertem Duffle-Coat, ging dem Butler zur Hand. Zuerst wurde das Funkgerät ausgebaut. Dann folgten einige große Reisetaschen und schließlich der bewußte Plastikkoffer. »Wohin mit dem Zeug, Parker?« erkundigte sich Mike Rander.
»Ins Unterholz, Sir. Später wird man die Spuren dorthin zu verwischen haben.« »Sie rechnen mit einem Angriff aus der Luft, Parker?« »Den man als angebliches Rettungsmanöver tarnen wird, Sir.« »Ich verstehe immer besser. Wieviel Zeit werden wir haben?« »Meiner bescheidenen Schätzung nach etwa knapp eine Stunde, Sir. Bis dahin dürfte die Flugleitstelle mit letzter Sicherheit annehmen, daß es zumindest zu einer etwas mißglückten Notlandung gekommen ist.« »Hätte ich nicht besser eine SOSMeldung per Funk absetzen sollen?« fragte die Detektivin. »Durchaus, Mylady, falls man weniger als eine Stunde brauchen würde, um sich ein wenig wohnlich einzurichten.« Die beiden Männer schafften das Gerät und die Taschen an den Rand des Sees. Selbst Agatha Simpson griff jetzt tatkräftig mit ein und zeigte, daß sie eine energische Dame war. Unter dem Schutz niedriger Krüppelfichten und hüfthohem Unterholz richtete Josuah Parker eine kleines Lager ein. In einer dicken Tasche befand sich ein Notzelt, das er aufbaute und mit Schnee ausgiebig tarnte. Dann bat er die ältere Dame in das recht kleine Zelt. »Darf ich mir gestatten, den Tee in etwa einer Viertelstunde zu servieren?« fragte er höflich. »Es könnte auch mit einem kleinen Imbiß gedient werden.«
»Warum erst in einer Viertelstunde?« reagierte die Lady ungnädig. »Es wird langsam kalt.« »Wir haben nur knapp zwanzig Grad minus«, warf Mike Rander sarkastisch ein. »Wen Mylady gestatten, sollten Mr. Rander und meine bescheidene Wenigkeit erst noch die Maschine herrichten«, beantwortete Parker die Frage seiner Herrin. »Man sollte sie aus Gründen der Optik auf den Kopf stellen, wenn ich mir diesen Vorschlag erlauben darf.« * Sie stand auf dem Kopf. Josuah Parker und Mike Rander betrachteten ihr Werk und waren zufrieden. Selbst ein argwöhnischer Gutachter mußte davon ausgehen, daß die Maschine zu Bruch gegangen war. Parker hatte einige Ausrüstungsgegenstände um die Maschine drapiert und beide Türen des Cockpits weit geöffnet. Da zudem seit einigen Minuten wieder Schnee fiel, konnte man sicher sein, daß die Zweimotorige noch zusätzlich eingedeckt wurde. »Womit rechnen Sie eigentlich, Parker?« wollte der Anwalt wissen. »Glauben Sie tatsächlich, daß man die Maschine aus der Luft angreifen und zerstören wird?« »Mit einiger Sicherheit, Sir.« Parker nickte. »Falls es dazu kommt, sollte man davon ausgehen, daß die Mafia ihre Hand wieder mal im Spiel hat.« »Ich verstehe.« Mike Rander ging zusammen mit Parker zum anderen
Ende des Sees. »Örtliche Gangster wüßten mit Lady Simpson, Ihnen und mir nichts anzufangen, nicht wahr?« »Dies, Sir, ist die Basis meiner bescheidenen Überlegungen«, bestätigte Josuah Parker. »Falls Mr. Rexford auf eigene Faust arbeitet, würde er, was Lady Simpson, Sie und meine Person betrifft, von Amateuren sprechen. Die bisherigen scharfen Reaktionen der Gangster aber lassen den Schluß zu, daß Mr. Rexford über weit detailliertere Informationen verfügt.« »Und wie wollen wir auf einen etwaigen Angriff aus der Luft reagieren, Parker?« »Gleichwertig, Sir, wenn ich es so umschreiben darf. Sollte das Glück meiner Wenigkeit hold sein, kommt es vielleicht noch zu einer echten Not- oder Bruchlandung.« »Moment... hören Sie nichts?« Mike Rander war am Ufer des Sees stehen geblieben und hob horchend den Kopf. »Eine Maschine, Sir«, antwortete der Butler. »Man sollte jetzt vielleicht das Notlager aufsuchen.» Bevor sie dem Ufer folgten, um das Notzelt anzusteuern, in dem Agatha Simpson sich aufhielt, rollte Parker eine orangefarbene Tuchbahn im Unterholz aus. Um die Täuschung perfekt zu machen, zündete er eine Nebelkerze an, die sofort damit begann, einen ebenfalls orangefarbenen Rauch zu produzieren. Die beiden Männer beeilten sich, zu Lady Simpson zu kommen. Inzwischen war das Motorgeräusch einer Maschine immer deutlicher zu
vernehmen. Parker kontrollierte noch mal vom Ufer aus die Spuren, die sie zurückgelassen hatten. Sie waren gut verwischt worden und füllten sich noch zusätzlich mit Schnee. Er öffnete den Plastikkoffer und schraubte die bewußten Rohrteile zusammen. Lady Agatha und Mike Rander stellten diesmal keine Fragen. Sie schauten nur interessiert zu und wunderten sich natürlich wieder mal darüber, was Parker zusammengebastelt hatte. Das Flugzeug war jetzt gut zu hören. Die Insassen der Maschine schienen auf den orangefarbenen Rauch aufmerksam geworden zu sein. Sie hielten auf den zugefrorenen See zu, wenngleich man das Flugzeug selbst noch nicht sehen konnte. Und dann war die Maschine plötzlich da! Sie erschien hinter dem Krüppelwald aus Fichten und näherte sich dem Wrack der Zweimotorigen. Die Maschine - es handelte sich um eine einmotorige Piper - flog eine enge Kurve und visierte dann die Tuchbahn auf dem jenseitigen Ufer an. »Jetzt bin ich gespannt«, sagte Mike Rander. »Werden sie landen?« »Warum schießen Sie nicht endlich?« fragte Lady Agatha grollend und deutete auf Parkers > Raketenwerfer <. »Vielleicht sollte man noch ein wenig warten, Mylady«, gab Josuah Parker zurück. »In der Maschine könnte sich selbstverständlich auch ein regulärer Rettungstrupp befinden.«
Die Einmotorige kreiste inzwischen über jener Stelle, die die orangefarbene Tuchbahn markierte. Dann zog sie wieder hoch und suchte die anderen Uferteile ab. Das Trio Lady Simpson, Mike Rander und Butler Parker zog sich sicherheitshalber in das zugeschneite Notzelt zurück und harrte der Dinge, die früher oder später kommen mußten... * Aus der geöffneten Tür der Einmotorigen fiel ein dunkler Gegenstand nach unten, der wie ein kleiner Benzinkanister aussah. Er war präzise abgesetzt worden, wie sich zeigte. Der kanisterähnliche Gegenstand klatschte dicht neben der auf dem Kopf stehenden Zweimotorigen und barst mit grellem Feuerschein auseinander. Erst dann war eine dumpfe Detonation zu vernehmen. »Treffer«, sagte Mike Rander lakonisch. Er hatte sich nicht geirrt. Der Feuerschein hüllte das Heck der Maschine ein und setzte es in Brand. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis die scheinbar notgelandete und zu Bruch gegangene Maschine völlig in Flammen und Rauch eingehüllt wurde. »Jetzt sind Sie an der Reihe, Parker«, meinte der Anwalt. »Das war doch wohl eindeutig.« »Holen Sie diese Subjekte sofort herunter, Mr. Parker«, verlangte die Detektivin. »Myladys Wünsche sind mir Befehl.« Parker hatte seinen
improvisierten Raketenwerfer in Stellung gebracht. Das Rohr lag auf der rechten Schulter, der Kopf der ehemaligen Signalrakete ragte etwa zehn Zentimeter aus dem Rohr hervor. Die Piper hatte eine Kurve geflogen und kam zurück. Die Insassen der Maschine wollten sich wohl aus nächster Nähe von der Wirkung ihres Treffers überzeugen. »Sie geht ja 'runter«, rief Mike Rander erstaunt. »Warum schießen Sie nicht?« grollte die angriffslustige Dame. »In dieser Maschine sitzen schließlich Mörder!« »Mit denen man sich unterhalten sollte, Mylady«, antwortete Butler Parker und ließ die Piper nicht aus den Augen. Sie befand sich im Anflug und setzte wenig später auf dem zugefrorenen See auf. Sie glitt auf Schneekufen über das Eis und blieb etwa dreißig Meter vor der brennenden Zweimotorigen stehen. Zwei Männer stiegen aus, sie hielten Maschinenpistolen in Händen. Vorsichtig näherten sie sich der brennenden Maschine. »Können Sie die scheußlichen Subjekte erkennen?« fragte Agatha Simpson. »Dazu ist die Pelzkleidung zu unförmig, Mylady«, antwortete Josuah Parker und legte seinen > Raketenwerfer< zur Seite. »Was soll denn das bedeuten?« fragte die Detektivin irritiert. »Eine intakte Maschine, Mylady, könnte von einigem Nutzen sein«, gab * der Butler zurück.
»Eben«, sagte sie geistesgegenwärtig. »Darauf wollte ich Sie gerade hinweisen.« »Sie gehen weiter«, warf Mike Rander ein. »Sie gehen 'rüber zu der Nebelkerze.« Die beiden Männer hatten die brennende Maschine bereits hinter sich gelassen und pirschten in hinterhältiger Absicht an die Tuchbahn heran. Die Maschinenpistolen hielten sie im Hüftanschlag. Ein Zweifel war ausgeschlossen: Sie würden sofort schießen, sobald sie eine Bewegung feststellten. »Wenn Mylady erlauben, möchte ich die beiden Herren einfangen«, sagte Josuah Parker. »Sie werden Mr. Randers und meine Fußspuren am Seeufer entdecken und ihnen folgen.« »Soll ich etwa die Hände in den Schoß legen?« Sie war mit dieser Arbeitsteilung überhaupt nicht einverstanden. »Mylady könnten möglicherweise ein Verhör vorbereiten«, schlug Josuah Parker vor, lüftete kurz seine schwarze Melone und verschwand im Unterholz. Als einzige Waffe nahm er seinen UniversalRegenschirm mit. Sie hatten die Fußspuren inzwischen entdeckt und folgten ihnen. Der Schnee hatte sie noch nicht vollständig zugedeckt. Die beiden Männer hatten das äußere Seeufer bereits hinter sich gelassen und stampften heran. Sie gingen hintereinander, verzichteten auf jede Unterhaltung und erinnerten an Wölfe auf der heißen Spur eines Wildes.
Parker mußte knapp zehn Minuten warten, bis sie seine Höhe erreicht hatten. Er hockte hinter einem knorrigen Strauch, der mit Schnee beladen war. Parker ließ den ersten Mann passieren. Als der zweite in Reichweite war, langte der Butler mit dem bleigefütterten Griff seines Universal-Regenschirms herzhaft zu. Der Mann blieb einen Moment stehen und fiel dann nach vorn in den Schnee. »Was is'?« fragte der erste Mann, der das Geräusch natürlich gehört hatte. Seine Stirn traf mit dem Bambusgriff des Regenschirms zusammen. Der Mann kam nicht mehr dazu, sich auf diese Überraschung einzustellen. Er fiel im Gegensatz zu seinem Begleiter rücklings in den weichen Schnee und schloß die Augen. * Dick Reggan, der Kolonnenführer, öffnete die Augen, um sie allerdings sofort wieder zu schließen. Er hatte den grimmigen Blick der älteren Dame eingefangen und ahnte wohl, daß noch einiges auf ihn zukam. Sein Begleiter war Parker unbekannt. Er hatte diesen kleinen, giftig aussehenden Mann noch nie gesehen. Der Mann war längst wieder zu sich gekommen, hatte aber auf keine Frage reagiert. »Darf ich mich nach Ihrem werten Befinden erkundigen? Sie sollten gewissen Tatsachen ins Auge sehen,
wie es der Volksmund so treffend ausdrückt.« »Und diese Tatsachen sind eindeutig«, schaltete sich die ältere Dame ein. »Sie hatten vor, mich zu ermorden.« »Unsinn, das müssen Sie mir erst mal beweisen«, antwortete Reggan. Er sah den Tatsachen nun ins Auge und fand sich damit ab, geschnappt worden zu' sein. »Und warum haben Sie den Brandkanister auf unsere Maschine abgeworfen?« wollte Mike Rander wissen. »Brandkanister? Ich verstehe immer nur Bahnhof! Wer soll einen Brandkanister abgeworfen haben? Ihre Maschine ist bei der Bruchlandung in Flammen aufgegangen, ein völlig normaler Vorgang.« »Und die beiden Maschinenpistolen?« fragte Mike Rander weiter. »Hier gibt's Wölfe.« »Und Füchse, nicht wahr?« Mike Rander lächelte. »Ich meine selbstverständlich Polarfüchse.« »Sie sagen es, Mr. Rander.« Dick Reggan, der Kolonnenführer grinste spöttisch. »An Ihrer Stelle würde ich uns losbinden. Mit Ihren Unterstellungen werden Sie bei der Polizei nie durchkommen.« »Wer redet denn von der Polizei?« Agatha Simpson sah plötzlich fröhlich und fast heiter aus. »Diese Sache regeln wir unter uns, Sie Lümmel. Sie ahnen ja nicht, wie rachsüchtig ich bin.« »Was ... Was soll das heißen?« fragte der Kolonnenführer. »Ich werde Sie irgendwo in der Tundra absetzen«, redete die
Detektivin weiter. »Sie werden dann Zeit genug haben, über einen gewissen Rexford nachzudenken.« »Rexford? Was habe ich mit Rexford zu tun?« »Der Mann, der Sie angeblich ruiniert hat«, erinnerte Mike Rander sarkastisch, »der Mann, der Sie und Ihr Transportunternehmen in die Pleite trieb, der Mann, den sie hassen.« »Stimmt auch. Und das kann ich beweisen.« »Darauf verzichte ich, Sie Subjekt!« Lady Simpson nickte dem Butler zu. »Schaffen Sie ihn in die Maschine! Aus welcher Höhe, glauben Sie, Mr. Parker, kann ich ihn in den Schnee werfen?« »Fünf bis acht Meter dürften die Gewähr dafür bieten, Mylady, daß Mr. Reggan relativ weich landet.« »Zehn müssen auch reichen«, entschied sie und lächelte heiter. »Soll er sich von mir aus ruhig ein paar Rippen brechen.« »Sie ... Sie wollen mich hier in der Schneewüste aussetzen?« Reggan war aufgegangen, daß die ältere Dame nicht bluffte. Er glaubte an ihre Absicht. »Mylady räumen Ihnen zumindest eine Chance ein«, sagte Josuah Parker in seiner gemessenen Art. »Man darf wohl davon ausgehen, daß Sie dies zu schätzen wissen.« »Das... Das ist doch Mord«, regte sich Reggan auf. »Dafür wird man Sie...« »Was mir Ihnen nicht beweisen können, werden Sie auch uns nicht beweisen können«, meinte Anwalt Rander.
»Und vielleicht gelingt es Ihnen tatsächlich, sich in die Zivilisation durchzuschlagen. Man soll die Hoffnung nie aufgeben.« Dick Reggan wollte noch etwas sagen, doch in diesem Augenblick gab sein Begleiter die bisher geübte Zurückhaltung auf. »Halten Sie doch endlich die Klappe, Reggan«, sagte er abfällig zu dem Kolonnenführer. Dann wandte er sich Lady Agatha zu. »Sie werden die fällige Rechnung noch rechtzeitig bekommen, verlassen Sie sich darauf!« »Falls Rexford dazu kommt, sie auszustellen«, sagte die Detektivin grimmig. »Ich kann es kaum erwarten, ihm meinen Pompadour links und rechts um die Ohren zu schlagen.« * »Stop, hören Sie auf!« Dick Reggan stemmte sich in den Schnee und weigerte sich weiter zu gehen. Er stand dicht vor der einmotorigen Maschine und hatte eindeutig Angst. »Gehe ich recht in der Annahme, daß Sie einen praktikablen Vorschlag zu machen haben?« fragte Josuah Parker höflich. »Halten Sie die Klappe«, fauchte Reggans Begleiter aus der Maschine. Er hatte bereits Platz nehmen müssen und saß neben Lady Agatha auf dem Rücksitz. »Wie ... Wie sieht's aus, wenn ich Farbe bekenne?« wollte Reggan wissen. »Wesentlich besser und gesünder für Sie.«
»Okay, wir sind in Rexfords Auftrag geflogen.« »Sie sprechen von dem Mann, der Sie angeblich ruiniert hat?« »Hat er auch, aber er hat mich noch immer in der Hand.« »Dazu benötige ich ganz schnell eine zusätzliche Erklärung, Mr. Reggan.« »Die Geschäftsbücher meiner ehemaligen Firma«, erwiderte Dick Reggan hastig. »Er hat sie und kann damit beweisen, daß ich damals die Polar-Oil-Company aufs Kreuz gelegt habe.« »Gefälschte Abrechnungen, wie ich vermute?« Mike Rander lächelte. »Genau das. Ich mußte einfach mit Fork fliegen, ich hatte gar keine andere Wahl.« »Fork? Der Mann oben in der Maschine?« Der Anwalt deutete in die Richtung. , »Er kommt aus Rexfords Zentralbüro, er ist da als 'ne Art Einsatzleiter für Trucks zuständig.« »Seit wann denn, Reggan? Das möchte ich gern wissen.« »Ich... Ich hab' ihn erst vor einer Woche kennen gelernt, vorher war er noch nicht in Valdez.« »Wer hat die beiden Motoren der Maschine präpariert?« »Das ... Das bin ich gewesen.« Dick Reggan dampfte trotz der Kälte. Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Seine Angst, -irgendwo in der Schneewüste abgesetzt zu werden, ließ ihn alle Fragen beantworten. »Wer außer Ihnen arbeitet noch für Rexford?« stellte der Anwalt die nächste Frage. So schnell wie hier
und jetzt kam er nicht mehr an Informationen. »Keine Ahnung, mein Ehrenwort! Ich ... Ich könnte Ihnen ja Namen nennen, aber das bringt nichts. Ich habe die Nase voll, ich steige aus, ich will mich nicht länger unter Druck setzen lassen.« »Ein löblicher Vorsatz, Mr. Reggan«, schaltete sich der Butler ein. »Ich denke, Mr. Rander wird sie zurück ins Zelt bringen.« »Dieses verdammte Schwein«, stöhnte Reggan, »Rexford sollten Sie hier absetzen, oder von mir aus noch weiter im Norden.« »Ein interessanter Vorschlag«, fand Josuah Parker und nickte Dick Reggan zu. »Sie können ihn mit Mr. Rander ausgiebig erörtern. Mich wollen Sie jetzt bitte entschuldigen.« Der Butler stieg in die Maschine und machte es sich auf dem Pilotensitz bequem. Genau in diesem Moment witterte der Mann, den Reggan Fork genannt hatte, seine letzte Chance. Er hatte sich neben Lady Agatha bisher recht zivil verhalten, wollte jetzt aber das Blatt noch mal wenden. Er hielt plötzlich ein Messer in seinen Händen, die durch eine Handschelle aneinander gekoppelt waren. Er richtete die Spitze auf den Hals der älteren Damen, die unwillkürlich zurückwich. »Ich stech' zu«, sagte Fork. Seine Stimme klang fast beiläufig, doch man sah ihm an, daß er keineswegs bluffte. In seinen Augen stand der nackte Haß. »Was soll dieser Unsinn?« fragte Agatha Simpson grollend. Sie hatte
sich inzwischen von ihrer Überraschung erholt. »Sie 'scheinen offensichtlich andere Pläne zu haben«, stellte Josuah Parker fest. Er hatte sich zu Fork und Lady Simpson umgewandt. »Laden Sie Reggan in die Maschine«, verlangte Fork. Die Spitze des Messers drückte sich leicht in den faltigen Hals der Detektivin. »Dann 'raus mit dem Schlüssel für die Handschellen und 'raus mit euch!« »Meinen Sie mit der Vulgärbezeichnung >Euch<; Mylady und meine bescheidene Wenigkeit?« wollte Josuah Parker wissen. Er war höflicher denn je. »Nur Sie!« Fork grinste triumphierend. »Diese alte Schachtel werde ich als Geisel mitnehmen. Mal sehen, wo ich sie absetze.« Mike Rander und Dick Reggan hatten alles mitbekommen. Reggan hätte ins andere Lager überschwenken können, doch er wollte erstaunlicherweise nicht. »Ich steige nicht ein!« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe die Schnauze voll,. ich will endlich meine Ruhe vor Rexford haben.« »Verladen Sie ihn«, rief Fork nach draußen, »beeilen Sie sich, Mann, sonst zapfe ich das alte Wrack hier an ...« »Ihre Sprache ist das, was ich rüde nenne«, kritisierte der Butler. »Sie sollten sich Lady Simpson gegenüber einer anderen Tonart befleißigen.« »Ihr Anfänger«, spottete Fork. »Und vor sowas macht sich Rexford die Hosen voll!« Dann aber spottete er nicht mehr.
Das alte Wrack, wie er Lady Agatha respektlos genannt hatte, erwies sich als kampfstark und agil. Zuerst trat Agatha Simpson dem Mann gegen das linke Schienbein, was er mit einem Brüller quittierte. Er hatte nämlich das Gefühl, als sei ihm der Knochen gebrochen. Anschließend fing er sich eine Ohrfeige ein, die einen Schwergewichtsboxer in Verlegenheit gebracht hätte. Der Mann flog zurück, raffte sich wieder auf und wollte mit dem Messer seine Gegnerin attackieren. Er hätte besser rechtzeitig aufgegeben! Lady Simpson setzte ihren »Glücksbringer« ein. Es handelte sich dabei um ein echtes Pferdehufeisen, das ihr bisher immer Glück gebracht hatte. Es befand sich in ihrem Pompadour und war nur oberflächlich mit dünnem Schaumstoff umwickelt, um ernsthafte Schäden auszuschließen öder ein wenig zu mildern. Mit diesem Pompadour schlug die ältere Dame ungemein gekonnt und kraftvoll zu. Der »Glücksbringer« im perlenbestickten Handbeutel klatschte gegen die Faust, die das Messer hielt. Daraufhin brüllte Fork erneut auf, was wiederum nicht ohne Grund geschah. Er hatte nämlich nicht nur sein Messer verloren, das auf dem Boden der kleinen Kabine landete, sondern auch den Eindruck, als seien die Handwurzelknochen lädiert. »Sie Lümmel«, sagte die ältere Damen. »Sie wagen es, eine hilflose Frau anzufallen? Sie besitzen die
Frechheit, meine Notlage auszunützen?« Fork kassierte zwei weitere Ohrfeigen. Daraufhin sackte er groggy in sich zusammen und verdrehte die Augen. Um ihrer Sache aber sicher zu sein, drückte Lady Agatha ihm den Pompadour auf den Kopf. Jetzt trat Fork endgültig ab und streckte seine Beine. »Mann«, sagte Reggan und wischte sich die Schweißperlen von der Stirn, die trotz der herrschenden Kälte nicht gefroren waren, »Mann, das war Klasse.« »Wer ist er?« fragte Rander sofort. »Rexford hat sogar Schiß vor ihm«, erwiderte Dick Reggan. »Als er ihn ankündigte, brach er sich fast ein paar Verzierungen ab.« »Und warum hat er Angst vor ihm?« Rander deutete hinauf zur Maschine. »Ich glaub', er ist ein Killer«, antwortete Dick Reggan. »Er kommt aus New York, wie er mir sagte.« »Mafia«, erklärte Lady Agatha lakonisch und stieg aus der Maschine. Dann wandte sie sich an Parker. »Schaffen Sie dieses Subjekt heraus, Mr. Parker und verständigen Sie dann die Flugleitung! Es wird langsam Zeit, das versäumte Mittagessen einzunehmen. Ich will hier schließlich nicht festfrieren!« * Josuah Parker überließ alle Erkältungen Lady Simpson und Anwalt Rander. Nachdem der zweistrahlige Hubschrauber auf dem Rollfeld knapp neben der Flugleitungsbaracke
niedergegangen war, schritt Parker bereits zu den Wohn-Containern. Vom Kasino aus wollte er so schnell wie möglich einen ganz bestimmten Anruf tätigen. Von einer der drei Telefonboxen aus, die im Vorraum zum Kasino standen, setzte er sich zuerst mal mit der Vermittlung in Steven Village in Verbindung. Dann wählte er das Transportunternehmen Rexford in Valdez an. Die dortige Hausvermittlung meldete sich. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, schickte der Butler voraus, »ich möchte... Ich wünsche Ihnen einen erfreulichen guten Tag, meine Dame.« »Sie können offen reden, Mr. Parker«, kam die Antwort aus dem Mund von Kathy Porter, »ich bin hier sofort als Telefonistin eingestellt worden.« »Meine Gratulation, Miß Porter!« Parkers Stimme blieb höflich-neutral wie stets, obwohl er tatsächlich ein wenig überrascht war. Kathy Porter, seine gelehrige Schülerin, mußte hier eine wahre Meisterleistung vollbracht haben. Innerhalb kürzester Zeit war sie in der Zentrale des großen Transportunternehmers Rexford angestellt worden. Leider blieb keine Zeit, sie nach dem wie zu fragen. »Würden Sie mich freundlicherweise mit Mr. Rexford verbinden?« fragte er also. »Nennen Sie meinen Namen und den eines gewissen Mr. Fork. Dies wird eine Durchschaltung erleichtern.« Mehr brauchte Josuah Parker wirklich nicht zu sagen. Damit wußte
Kathy Porter Bescheid. Der Butler hatte sie absichtlich getrennt anreisen lassen und jeden Kontakt zu ihr vermieden. Sie war eine Art Geheimwaffe für ihn, und er schätzte ihre Zuverlässigkeit. Kathy Porter war eine Meisterin in der Kunst der Verwandlung. Wie Josuah Parker brauchte sie kaum Hilfsmittel, um ein anderer Menschentyp zu werden. Sie könnte das schüchterne ältliche Fräulein spielen, den rassigen und männerverschlingenden Vamp, die biedere junge Hausfrau und die zielstrebige Karrierefrau. Dazwischen gab es für sie eine Vielfalt von Kombinationen und Nuancen. Falls es aber nicht um die Klärung eines Kriminalfalles ging, war sie die Gesellschafterin und Sekretärin der Lady. Sie wurde von der gewiß nicht einfachen Agatha Simpson wie eine eigene Tochter gehalten, was manchmal sogar ein wenig lästig war. Kathy Porter, in ihrem Alltagsaussehen an ein scheues Reh erinnernd, war etwas über mittelgroß, schlank und eine Meisterin in fast allen Künsten der asiatischen Selbstverteidigung. Es gab wohl kaum eine Sportart, die sie nicht beherrschte. Diese bemerkenswerte junge Frau sie war gerade fünfundzwanzig Jahre jung - stellte das Gespräch in das Privatbüro Rexfords durch, wie Parker hörte. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis eine dunkle warme Stimme sich meldete. »Rexford. Mit wem spreche ich?« »Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, stellte der Butler sich noch
mal vor. »Ich darf wohl davon ausgehen, daß mein bescheidener Name Ihnen etwas sagt.« »Ich bin mir nicht sicher«, erwiderte die dunkle warme Stimme, die so gar nichts Verbrecherisches an sich hatte. »Haben wir uns schon mal gesehen?« »Es wird sich mit Sicherheit bald ergeben, Mr. Rexford«, sagte Parker. »Zu-. erst aber möchte ich Ihnen Grüße der Herren Fork und Reggan überbringen. Sie befinden sich bei bester Gesundheit, wenngleich ihre Bewegungsfreiheit zur Zeit ein wenig eingeschränkt ist.« Auf der Gegenseite blieb es für einen Moment still, dann war ein scharfes Räuspern zu hören. »Von wo sprechen Sie, Parker?« fragte Rexford. »Stevens Village, Mr. Rexford, Lady Simpson, Mr. Rander und meine bescheidene Wenigkeit sind gerade von einer Exkursion zurückgekommen.« »Was wollen Sie, Parker?« »Ich würde vorschlagen, daß Sie das >Mr.< meinem Namen voransetzen«, schickte der Butler voraus. »Nun aber zu Ihrer Frage, Mr. Rexford: Ihre beiden Herren waren mir gegenüber von erstaunlicher Beredsamkeit. Ich möchte allerdings gestehen, daß die Herren unter einem gewissen seelischen Druck aussagten. Sie fürchteten, als Füchse eingefroren zu werden.« Auf der Gegenseite wurde es erneut still, dann erklang wieder das scharfe Räuspern. »Sagen Sie endlich, was Sie wollen, Mr. Parker!«
»Ich möchte mein Kommen in Valdez ankündigen«, antwortete Josuah Parker höflich. »Lady Simpson wünschte, in die Zivilisation zurückzukehren. Mr. Rander schließt sich diesem Wunsch nur zu gern an. Nach unserer Ankunft in den Abendstunden, Mr. Rexford, würde ich gern mit Ihnen reden. Es würde mich interessieren, warum die Mafia erst jetzt darauf gekommen ist, sich für Pipelines hier im Norden zu erwärmen. Ich wünsche Ihnen noch einen erholsamen und ergiebigen Tag!« * Es war ein großer Transporthubschrauber, der Schwerlasten bewegen konnte. Er war seit gut einer Stunde in der Luft und flog von Stevens Village zurück nach Valdez. An Bord befanden sich Lady Simpson, Mike Rander, Mitch Powell, der Sicherheitschef und schließlich Dick Reggan und Fork. Geschoben von einem kräftigen Nordostwind machte der Hubschrauber noch zusätzliche Fahrt. Er flog selbstverständlich entlang der neuen Straße, die man seinerzeit für die Errichtung der Pipeline angelegt hatte. Diese Straße war, wie deutlich zu sehen, nur teilweise geräumt. Hin und wieder machten Schneefräsen sie passierbar. Es ging auf den Nachmittag zu. Mitch Powell erweckte einen verkniffenen Eindruck wie immer. Es schien ihm überhaupt nicht zu passen, daß diese Amateure Erfolg hatten. Kaum angekommen, waren
sie schon dabei, den Fall aufzurollen. Sein Selbstbewußtsein war erheblich angeschlagen. Immer wieder drehte er sich zu Dick Reggan und Fork um, die hinten im Hubschrauber saßen. Sie trugen Handschellen und waren auf ihren Sitzen zusätzlich festgezurrt. »Haben Sie was auf dem Herzen, Powell?« fragte Mike Rander, als der Angesprochene seinen Platz wechselte und sich neben ihm niederließ. »Reggan«, sagte Powell kopfschüttelnd. »Ich verstehe das nicht! Der Mann war doch bisher Spitze.« »Ein verzweifelter Mensch, den man noch dazu erpreßt, ist leicht gefügig zu machen.« »Aber Reggan und die Mafia?« »Mit der Mafia hat er nur indirekt etwas zu tun«, antwortete Mike Rander. »Unterschlagen Sie Rexford nicht, Powell! Das allein ist der richtige und wichtige Mann.« »Aber wieso Mafia?« »Lassen Sie sich das von Mr. Parker erklären«, gab der Anwalt zurück, »er kennt sie wesentlich besser als ich.« »Können Sie mir das also erklären?« Mitch Powell, der Sicherheitschef der Polar-OilCompany fragt nicht gern, wie man ihm ansah. »Zwischen der weltweiten Mafia und Lady Simpson gibt es schon seit geraumer Zeit gewisse Disharmonien«, schickte Parker in seiner barocken und höflichen Art voraus. »Mr. Rander und meine bescheidene Wenigkeit werden von der Mafia automatisch miteingeschlossen.«
»Aber Reggan sagte doch aus, daß er von der Mafia nichts weiß. Und dieser Fork Verweigert jede Aussage.« »Sie wird nicht benötigt, Sir«, meinte Parker. »Einige Dinge sprechen eine eindeutige Sprache und weisen auf die Mafia hin.« »Würden Sie mir das mal erklären?« Powell rutschte auf seinem Sitz unruhig hin und her. »Gleich nach Myladys Ankunft wurde erst mal eine sogenannte >Wanze< im konzerneigenen Hotelbungalow installiert«, zählte Josuah Parker auf. »So etwas könnte immer noch ein besorgter Sicherheitschef getan haben, um es mal pauschal zu sagen. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir keineswegs, ausschließlich an Sie zu denken.« »Sie ist nicht auf meine Veranlassung hin installiert worden. Das müssen Sie mir einfach glauben.« »Man sollte zum zweiten Punkt kommen«, zählte Josuah Parker weiter auf, ohne auf diese Beteuerung einzugehen. »Darf ich mir erlauben, an die Sprengladung zu erinnern, die man an der Tür des Bungalows anbrachte? Darf ich ferner an die Schüsse erinnern, die man durch das Türblatt abfeuerte und von denen Mr. Jingles verletzt wurde? Wurde nicht die Badezimmerwand mittels einer Rakete zerlegt?« »Hören Sie, was ich da höre ... Jingles ... Sprengladung...« »Einzelheiten dazu später«, bat Josuah Parker. »Sie Werden eine minutiös genaue Beschreibung all dieser Vorkommnisse erhalten, wie
ich Ihnen versichern darf. Ich möchte, wenn es gestattet ist, erst mal eine Zusammenfassung vornehmen.« »Also gut.« Mitch Powell preßte die Lippen wieder mal fest zusammen, »aber ich habe schon herausgehört, daß Sie mir da manche Einzelheit unterschlagen haben, die für meine Arbeit ungemein wichtig ...« »Mr. Rexford als alleiniger Initiator der Erpressung hätte Myladys Hartnäckigkeit unmöglich kennen können. Daraus ergibt sich, daß er nie diese kriminelle Energie aufgewandt hätte, all diese Anschläge durchführen zu lassen. Er hätte zumindest erst mal abgewartet. Nur die erwähnte Mafia konnte sich dank gewisser Ereignisse in der Vergangenheit zu solch einem Aufwand entschließen. Dazu zählt natürlich auch der Mordanschlag nach der Notlandung draußen in der Tundra.« »Woher soll Rexford gewußt haben, wo man Sie unterbringen würde?« fragte Mitch Powell, der aufmerksam zugehört hatte. »Das alles ist doch intern veranlaßt worden, davon haben doch nur...« »... einige wenige Leute gewußt«, vollendete Mike Rander den Satz und lächelte ironisch. »Richtig, Powell! Nur einige wenige Leute, die von der Erpressung und unserer Ankunft in Valdez wußten. Jetzt sind Sie an der Reihe! Gehen Sie diese Leute mal in aller Ruhe der Reihe nach durch. Wer könnte die Mafia informiert haben?« Mitch Powell nagte an der Unterlippe und schien nachdenklich.
»Zu diesen wenigen Leuten gehöre auch ich«, sagte er schließlich. »Genauer gesagt, ich habe für die Unterkunft gesorgt.« »Das war anzunehmen, Powell.« Rander lächelte und nickte. »Wußte auch Ihr Abschnittsleiter Fulsom davon?« »Ich habe tatsächlich mit ihm darüber geredet, als wir bei Mr. Skindale waren. Das ergab sich so. Aber auch Steve Turner war bei dieser Besprechung anwesend, und dann noch der Manager des Hotels und ... Moment mal... sagte ich nicht gerade Steve Turner?« »Richtig«, bestätigte Mike Rander und lächelte. »Er und Rexford sind gut miteinander bekannt«, redete Mitch Powell weiter, »verdammt, warum haben wir ihm nicht auch gleich Handschellen angelegt? Er wird Rexford die Tips gegeben haben!« Butler Parker hörte nicht mehr zu. Er sah interessiert hinaus und beobachtete die kleine schnelle Maschine, die sich seitlich näherte und direkt auf sie zuhielt. Sie trug weder die hier ortsüblichen Kufen, noch die erforderliche Kennung am Rumpf. »Wenn Sie erlauben, Sir«, sagte Parker, während er aufstand, »gewisse Umstände veranlassen mich, mein Notrettungs-Set zu öffnen ...« * Als die ersten Geschosse durch die Maschine pfiffen, hatte Josuah Parker die beiden Rohre zusammengeschraubt und die dazu
passenden Signalraketen vorn eingeschoben. Agatha Simpson schaute äußerst mißbilligend auf die Einschußlöcher und wandte sich dann an Parker. »Ich hoffe, ich lasse mir das nicht gefallen«, sagte sie grollend. »Mylady können gleich antworten«, versicherte Josuah Parker seiner Herrin und hielt sich an der Lehne eines Sitzes fest, denn der Pilot des großen Hubschraubers ließ den Helikopter tanzen, um weiteren Geschossen zu entgehen. Die schnelle Einmotorige ohne Kennzeichen erwies sich als äußerst aggressiv. Nach dem ersten Angriff hatte sie eine enge Kurve absolviert und setzte zum nächsten Anflug an. Die Schüsse, die auf den ziemlich ungelenken Hubschrauber abgefeuert wurden, stammten aus einer Maschinenpistole, deren Lauf durch ein Seitenfenster der Einmotorigen geschoben war. Parker drückte die linke Außentür des Hubschraubers auf und brachte seine Flugabwehrrakete eigener Bauart in Stellung. Er legte das Rohr über die rechte Schulter und wartete auf eine sichere Schußgelegenheit. Er konnte sich nur einen Fehlschuß leisten, der zweite Raketenkopf mußte unbedingt treffen, sonst bestand keine Chance mehr, sich weiteren Angriffen zu entziehen. Mike Rander und Mitch Powell bauten Gepäckstücke um Lady Simpson herum auf, um sie wenigstens einigermaßen zu schützen. Reggan und Fork hatten natürlich längst mitbekommen, was draußen geschah. Reggan hatte den
Kopf tief zwischen die Schultern genommen, Fork hingegen blieb steif sitzen. Ein Killer wie er hielt es für unter seiner Würde, Angst zu zeigen. Der zweite Anflug! Josuah Parker ließ sich Zeit. Er war auf sein Gefühl angewiesen, denn ein Visier besaß seine improvisierte Abwehrrakete nicht. Die Maschine kurvte heran, um den Maschinenpistolenschützen in die richtige Position zu bringen. Genau in diesem Moment löste Parker seine selbstgebastelte Rakete. Sie funktionierte prompt, wie nicht anders zu erwarten war. Die Signalrakete löste sich aus dem Rohr und zischte unter Zurücklassung einer langen dunklen Rauchfahne auf die Einmotorige zu. Sie war ein wenig langsam, doch sie schaffte es. Bevor der überraschte Pilot reagieren und die Maschine abkippen lassen konnte, krachte die Signalrakete in den hinteren Teil des Rumpfes und fetzte die Beplankung auseinander. Dabei riß auch ein Stück vom Höhenleitwerk ab. Der Pilot geriet sofort in echte Schwierigkeiten, als er seine Maschine hochreißen wollte. Sie reagierte nur unwillig, und der Maschinenpistolenschütze verlor dabei sogar seine Waffe, wie man sah. Sie rutschte aus dem Seitenfenster und segelte nach unten. »Nein, ich glaub's einfach nicht«, sagte Powell und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Dann preßte er seine Nase gegen ein Fenster und beobachtete die Maschine, die sich ein wenig gefangen hatte und in
steilem Gleitflug nach unten wegstrich. »Und was machen wir mit der zweiten Rakete?« fragte Lady Agatha, deren Augen funkelten. »Hier war Sparsamkeit nicht angebracht, Mr. Parker.« »Vielleicht wird sie noch für eine zweite Begegnung benötigt, Mylady«, erwiderte Josuah Parker und schloß die Schiebetür. Dann näherte er sich seiner Herrin. »Darf ich mir erlauben, Mylady einen Kreislaufbeschleuniger zu servieren?« »Denken Sie erst an diesen Mr. Powell«, antwortete Lady Agatha und deutete auf den Sicherheitschef, der sich umgedreht hatte. Mitch Powell war kreidebleich. »Und an mich«, warf Mike Rander spöttisch ein. »Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Was macht die Maschine?« »Ich werde sofort Erkundigungen einziehen.« Butler Parker lüftete höflich seine schwarze Melone und begab sich nach vorn ins Cockpit. Die beiden Piloten, die einen zwar nervösen, aber immerhin kontrollierten Eindruck machten, legten den Hubschrauber gerade in eine Kurve. Der Co-Pilot deutete nach unten. »Bruchlandung«, sagte er knapp. »Klasseleistung, muß man zugeben.« »Wie beurteilen Sie die Chancen der Insassen?« wollte Parker wissen. »Das müssen sie überlebt haben«, antwortete der Pilot. »Soll ich tiefer runtergehen? Wollen wir sie aufpicken?«
»Auf keinen Fall«, erklang in diesem Augenblick Lady Simpsons Stimme hinter ihnen. »Sie sollen sich erst mal gründlich kalte Füße holen, diese Subjekte. Mr. Parker, haben wir nicht eine hübsche, selbstgebastelte Bombe an Bord, die wir auf sie werfen könnten?« »Diese Frage muß ich leider verneinen, Mylady.« »Wenn man nicht alles allein macht«, sagte die resolute Sechzigerin und maß ihn mit einem strafenden Blick. »Eine Bombe hätte gerade jetzt recht hübsch gepaßt!« * »Sie übertreiben wie immer«, sagte Agatha Simpson nach einer halben Stunde. Natürlich war der große Hubschrauber niedergegangen und hatte die beiden Insassen der zu Bruch gegangenen Maschine aufgenommen. Parker hätte die Leute nie dort unten in der Schneewüste zurückgelassen. Die Gefahr, daß sie verletzt und der Kälte hilflos ausgesetzt waren, erschien ihm doch zu groß. Zudem wußte er, daß seine Herrin sich gern grimmig und rachsüchtig gab, tatsächlich aber ein weiches Herz besaß und stets darauf wartete, daß Parker es ihr ersparte, Mitleid zu zeigen. Die beiden Insassen der Maschine hatten nur leichte Verletzungen davongetragen und waren vom CoPiloten verarztet worden. Die sehr schweigsamen Männer saßen neben Dick Reggan und Fork. Auch sie
waren sicherheitshalber verschnürt worden. Parkers Spezial-Rakete hatte sich übrigens als ungemein wirkungsvoll erwiesen. Der Butler hatte sich die Beschädigung an der einmotorigen Maschine genau angesehen. Die geborgenen Männer konnten noch nachträglich von Glück reden, daß sie relativ heil, landen konnten. »Rexford läßt sich die Sache einiges kosten«, meinte Anwalt Rander und warf einen letzten Blick auf die Maschine tief unten im Schnee. »Ihr Anruf scheint ihn in Panik versetzt zu haben.« »Davon sollte und könnte man in der Tat ausgehen«, erwiderte Josuah Parker. »Mein Gespräch mit ihm zeigte ihm, daß der erste Mordversuch hier draußen in der Eiswüste mißlungen war.« »Wie soll's denn jetzt weitergehen?« erkundigte sich Lady Agatha unternehmungslustig. »Ich schlage vor, wir landen praktisch neben seinem Verwaltungsgebäude und stürmen sein Büro.« »Und dann?« wollte der Anwalt wissen. »Werde ich Rexford verhören.« Sie ließ den Pompadour an ihrem linken Handgelenk pendeln. »Er wird reden, dafür garantiere ich.« »Falls er überhaupt noch da ist«, zweifelte Mike Rander. »Der Pilot dieser komischen Jagdmaschine wird ihn doch bestimmt per Funk informiert haben. Was meinen Sie, Parker?« »Solch eine Möglichkeit sollte man durchaus in Betracht ziehen, Sir.« »Sie glauben, er könnte die Flucht ergriffen haben?« Agatha Simpson
schüttelte energisch den Kopf. »Das glaube ich einfach nicht. Ein Rexford gibt so schnell nicht auf!« »Falls es erlaubt ist, möchte ich Mylady beipflichten«, sagte Josuah Parker. »Mr. Rexford hat sich im Lauf der Jahre ein kleines Imperium aufgebaut. Dies wird er nicht ohne weiteres preisgeben.« »Sie glauben, er wird es auf eine Konfrontation mit Reggan ankommen lassen?« Rander nickte nachdenklich. »Davon sollte man ausgehen, Sir. Mr. Reggan ist der einzige der hier anwesenden und eingesammelten Herren, der gegen ihn aussagt. Die anderen Mitgefangenen werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schweigen. Sie dürften der Mafia angehören und kennen die blutigen Spielregeln dieser Organisation.« »Und wie wollen wir Rexford beikommen, Parker?« »Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich darüber nachdenken. Es steht allerdings zu befürchten, daß der MafiaResident von Valdez Mr. Rexford ausschaltet.« »Um sein Inkognito zu schützen, wie?« »Sehr wohl, Sir. Darum sollte man ein wenig schneller sein als die Mafia.« »Wann werden wir in Valdez sein, Parker?« »In gut einer Stunde, Sir, falls es nicht zu weiteren Zwischenfällen und damit zu Verzögerungen kommt.« »Sie rechnen mit einem neuen Angriff aus der Luft?« Die Detektivin zeigte Interesse..
»Auch dies, Mylady, sollte man grundsätzlich nicht ausschließen«, antwortete Josuah Parker. »Ich erlaube mir daran zu erinnern, daß es das erklärte Ziel auch der hiesigen Mafia ist, Mylady, Mr. Rander Und meine bescheidene Wenigkeit nachdrücklich auszuschalten. Die Mafia hat bisher stets Phantasie entwickelt, um dies zu erreichen!« * »Ich habe auf Ihren Anruf gewartet«, sagte Rexford, als Parker sich am Telefon gemeldet hatte. »Gewisse Umstände ließen mich erst jetzt dazu kommen, Sie anzurufen«, antwortete Parker. »Zudem bestand Lady Simpson darauf, in Anchorage zwischenzulanden. « »In Anchorage?« Rexford räusperte sich scharf. »Bei dieser Gelegenheit konnte man der dortigen Polizei vier Männer übergeben, die sich wenig zivilisiert benommen haben. Ahnen Sie möglicherweise, um welche Männer es sich handelt?« »Uninteressant, Mr. Parker! Ich will nur wissen, was mit diesem Fork ist. Schließlich habe ich ihn gerade eingestellt und ihm eine wichtige Schaltstelle anvertraut. Wahrscheinlich habe ich auf den falschen Mann gesetzt.« »Mit letzter Sicherheit, Mr. Rexford. Das bezieht sich meiner bescheidenen Ansicht nach auf Mr. Reggan.« »Richtig, von ihm haben Sie ja auch während des ersten Anrufs gesprochen. Was ist mit ihm?«
»Er hat Sie in geradezu bestürzender Weise belastet, Mr. Rexford, und diese Anschuldigungen gegenüber den Behörden in Anchorage wiederholt.« »Das wundert mich überhaupt nicht, Mr. Parker.« Rexford lachte. »Schließlich habe ich seinerzeit seine Firma übernommen. Der Mann ist natürlich sauer auf mich.« »Er behauptet, von Ihnen zum Mord an Lady Simpson angestiftet worden zu sein.« »Sonst noch was?« Rexford lachte amüsiert. »Mit solchen wilden Behauptungen kommt er vor Gericht doch nicht durch.« »Davon möchte auch ich ausgehen, Mr. Rexford«, antwortete der Butler höflich. »Man soll gewissen Tatsachen ins Auge sehen, wie es der Volksmund so treffend ausdrückt. Es bedarf schon gravierenderer Beweise, um Sie zur Rechenschaft ziehen zu können.« »Moment mal, Mr. Parker, werden Sie nicht unverschämt, sonst hänge ich Ihnen eine Verleumdungsklage an den Hals.« »Sie sollten allerdings mit sich zu Rate gehen«, redete der Butler höflich weiter. »Es fragt sich, wann Sie, Mr. Rexford, für die Mafia zu einer Belastung werden.« »Mafia... Mafia ...! Mit der habe ich nichts zu tun.« »Die Praktiken der Mafia sind rüde«, warnte Parker. »Nur wer Erfolg hat, darf sich gewisser Sympathien erfreuen. Und was Ihre Person betrifft, so wären Sie bisher das, was man gemeinhin einen Versager nennen muß. Einige Mordanschläge brachten bisher kein
Ergebnis. Dies ist mit Pech allein schon nicht mehr zu erklären. Hoffentlich besitzen Sie irgendwo auf der Welt ein relativ sicheres Refugium.« »Damit dürfte unser Gespräch erledigt sein«, sagte Rexford, um dann prompt aufzulegen. Parker gestattete sich den Anflug eines Lächelns und verließ sein Hotelzimmer. Er ging hinüber in die Suite seiner Herrin, wo auch Mike Rander sich aufhielt. Butler Parker erstattete Bericht. »Jetzt wird er vor Angst schwitzen«, freute sich Lady Agatha. »Glauben Sie, daß er die Flucht ergreifen wird?« »Kann er das überhaupt noch?« fragte Mike Rander und sah den Butler an. »Mr. Fork wird nicht der einzige Mafia-Vertreter in Valdez sein«, entgegnete Parker. »Die Möglichkeiten Mr. Rexfords würde ich als recht beschränkt betrachten.« »Was wird er jetzt tun, Mr. Parker? Muß er's nicht noch mal versuchen?« Agatha Simpsons Stimme klang optimistisch. »Er muß es sogar wagen, Mylady«, bestätigte Parker. »Man wird Mr. Rexford eine letzte Chance einräumen.« »Wer wird ihm diese Chance geben? Powell, Turner oder Fulsom?« Rander zählte an den Fingern seiner linken Hand ab. »Oder gibt es da noch, eine unbekannte Größe, Parker?« »Man sollte sie durchaus in Betracht ziehen«, lautete Parkers zurückhaltende Antwort. »Sie haben den Hotelmanager vergessen«, erinnerte die Detektivin.
»Denken Sie an diese elektronische Wanze, Mike, die Mr. Parker in unserem Bungalow aufgespürt hat. Ich werde mir noch ein wenig die Zeit vertreiben.« »Mylady planen, den Hotelmanager zu verhören?« sorgte sich Josuah Parker prompt. Er kannte schließlich die Ungeduld seiner Herrin. Auch ihr aufschäumendes Temperament war ihm wohlvertraut. »Ich werde nur mal vorfühlen«, beruhigte sie ihn. »Und dabei wird dieser Mann mir ...« »Es hat geläutet, Mylady.« Parker deutete zur Tür und setzte sich steif und würdevoll wie ein Zeremonienmeister in Bewegung. Als er die Tür erreicht hatte, fragte er nach dem Namen des Besuchers. »Skindale«, lautete die Antwort des Topmanagers. »Ich muß Sie sofort sprechen.« Parker hatte die Stimme erkannt und öffnete. Pete W. Skindale rückte an seiner randlosen Brille und verbeugte sich in Richtung Lady Agatha. »Ich werde mit der Tür ins Haus fallen«, sagte er nervös. »Soeben bin ich von den Erpressern angerufen worden. Sie verlangen am kommenden Sonntag, eine Million, angeblich, um gewisse Verluste auszugleichen. Was sagen Sie dazu? Eine Million Dollar!« * »Wo soll die Übergabe erfolgen?« fragte Agatha Simpson. »Den genauen Ort am kommenden Sonntag will man mir noch mitteilen. Ich sage Ihnen gleich, daß ich zahlen
werde. Ich habe bereits mit dem Aufsichtsrat gesprochen. Was sind schon so viele Dollars gegen die Riesenschäden, die man uns zufügen kann.« »Eine Überlegung, die man in der Tat anstellen muß«, ließ sich Josuah Parker vernehmen. »An welche Schäden und Verluste denken Sie, Mr. Skindale?« fragte Mike Rander. »Denken Sie an die Pipeline, an die Zwischenpumpstationen, oder an die Bohrtürme oben im Eismeer in der Harrison Bay. Sie ahnen ja nicht, wie schnell da ein paar Millionen zusammenkommen werden.« »Ihre Gesellschaft wird weiterhin erpreßt werden«, deutete Parker an. »Darüber sind wir uns völlig im klaren«, antwortete Skindale und nickte. »Ich darf doch offen sein, nicht wahr? Wir denken da an ein Arrangement mit den Erpressern, verstehen Sie?« »Kein Wort, behauptete die Detektivin. »Vielleicht könnte man diesen Gangstern eine Art Schutzgeld zahlen«, meinte Skindale. »Das ist immer noch billiger, als diesen Anschlägen wehrlos ausgeliefert zu sein.« »Darf man daraus schließen, Sir, daß Myladys Mitarbeit damit ein frühzeitiges Ende findet?« Parkers Gesicht blieb ausdruckslos wie immer. »Ich möchte nicht mißverstanden werden, Mylady«, entschuldigte sich Skindale hastig, »aber vor ein paar Tagen sah alles noch ganz anders aus. Inzwischen wissen wir ja alle wie schlagkräftig die Gangster sind.
Die Vorteile liegen leider auf ihrer Seite.« »Sie wollen eine Lady Simpson vor die Tür setzen, junger Mann?« grollte die Sechzigerin. »Vergessen Sie es möglichst schnell!« »Denken Sie doch bitte an die Mordanschläge auf Sie, Mylady«, antwortete Skindale. »Ich kann die weitere Verantwortung nicht übernehmen. Die Gangster arbeiten mit harten Bandagen.« »Mylady hat immerhin vier Gangster mattgesetzt«, meinte Anwalt Rander. »Ihr Sicherheitschef Powell wird Sie ja inzwischen informiert haben.« »Ihre Arbeit war bewundernswert, Mylady«, versicherte Skindale nachdrücklich. »Powell hat mir alles berichtet. Dennoch, Sie können von Glück sagen, daß Sie noch leben. Es hätte auch alles anders kommen können.« »Ich weiß inzwischen, daß Ihr Subunternehmer Rexford Dreck am Stecken hat«, warf Lady Agatha ein. »Daraus werde ich Konsequenzen ziehen, Mylady. Sein Vertrag mit der Polar-Oil-Company wird gekündigt werden. Wirklich nachweisen kann man ihm ja doch nichts. Er wird die Behauptungen dieses Reggan einfach abstreiten.« »Sie gehen ziemlich schnell auf die Bedingungen der Gangster ein, junger Mann«, stichelte die ältere Dame. »Wie soll ich das verstehen, Mylady?« Skindale hatte verstanden und bekam prompt einen roten Kopf vor Empörung. »Ich suche noch immer nach einem Subjekt, das hinter Rexford steht«,
redete Lady Agatha munter weiter. »Er allein hätte ja schon wesentlich früher auf den Gedanken kommen können, die Polar-Oil anzuzapfen.« »Mylady, wenn das heißen soll, daß ich... Ich möchte mich verabschieden.« »Wir sehen uns wieder, junger Mann«, grollte die Detektivin hinter ihm her. »Mir streut man keinen Sand oder Schnee in die Augen!« Parker hatte Skindale zur Tür gebracht und war der perfekte Butler, der darauf bestand, ihn bis in die Halle des Hotels zu begleiten. »Eine ausgemachte Frechheit«, sagte Agatha Simpson gereizt, als sie mit Mike Rander allein war. »Ich mußte es einfach sagen, sonst wäre ich erstickt. Natürlich hat Skindale mit der ganzen Geschichte nichts zu tun, aber ich hasse nun mal Männer mit Hasenherzen.« * Josuah Parker saß am Steuer des Land-Rover, den die Polar-Oil ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Er hatte keine Zeit gefunden, sich bei seiner Herrin zu entschuldigen. Ihm ging es darum, Skindale nicht aus den Augen zu lassen. Aus Zeitgründen war es ihm nämlich nicht möglich gewesen, einen seiner kleinen MiniPeilsender an Skindales Wagen zu befestigen. Parker war mißtrauisch geworden. Der Top-Manager hatte keineswegs jene leichte Kleidung getragen, die angemessen gewesen wäre. Er war in Lady Simpsons Suite mit gefütterten Pelzstiefeln und einem dick wattierten Mantel
erschienen. Die Pelzmütze in seiner Hand hatte die wintermäßige Ausrüstung ergänzt. Warum, so fragte sich Parker, hatte Skindale nicht angerufen? Warum hatte er die Peinlichkeit auf sich genommen, Lady Simpsons Mitarbeit persönlich zu kündigen? Warum trug er Kleidung, die für eine Fahrt über Land geeignet war? Parker ging davon aus, daß Skindale sich davon überzeugen wollte, ob seine Gäste aus England sich auch tatsächlich im Hotel aufhielten. Nun wollte der TopManager wohl die verlangten Dollars zum mit den Gangstern vereinbarten Treffpunkt bringen. Für eine Fahrt vom Büro zum Hotel hätte er sich gewiß nicht derart polargerecht angezogen; Aufkommende Dunkelheit und leichtes Schneetreiben erleichterten Parker die Verfolgung des Wagens, in dem Skindale saß. Der TopManager benutzte ebenfalls einen Land-Rover, ein sicheres Indiz dafür, daß Skindale keineswegs ins Büro zurückzufahren gedachte. Er tat es wirklich nicht. Skindale steuerte seinen Wagen vorsichtig durch die Innenstadt und verließ sie in westlicher Richtung. Der Verkehr auf dieser Straße war mehr als mäßig. Wer nicht unbedingt fahren mußte, blieb bei diesem Wetter mit Sicherheit in seinen warmen vier Wänden. Parker wurde klar, daß er sich entscheiden mußte. Früher oder später würde selbst ein Laie wie Skindale merken, daß er beharrlich verfolgt wurde. Wie er darauf reagieren würde, war
unsicher. Der Butler entschied sich wieder mal für unorthodoxes Vorgehen und beschleunigte seinen Wagen. Er holte schnell auf und setzte dann zum Überholen an. Als er mit seinem Wagen parallel zu Skindale fuhr, steuerte der Butler bewußt nach rechts und drängte Skindale auf unvornehme Art und Weise ab. Skindale, offensichtlich kein geübter Fahrer, reagierte nervös, verriß das Steuer und ... landete prompt in einer Schneewehe. Sekunden später rutschte sein Wagen mit der Vorderachse in einen Graben, den der Schnee bisher verdeckt hatte. Parker hielt und stieg aus. Es war scheußlich kalt, und Josuah Parker merkte innerhalb weniger Sekunden bereits die beißende Luft, die durch seinen schwarzen Zweireiher drang. Er beeilte sich, zu Skindales Wagen zu kommen, dessen Seitenscheiben teilweise vereist waren. Er öffnete die Tür und sah dann... in die Mündung einer Automatik! »Ich wünsche einen entspannenden Abend«, sagte Parker, der allerdings darauf verzichtete, seine Melone zu ziehen. »Sie haben es nicht anders gewollt«, bemerkte Skindale nervös und wütend zugleich. »Ich habe keineswegs die Absicht, mich in den Besitz der Million Dollar zu bringen«, antwortete Parker gelassen. »Ich bin lediglich zu Ihrem Schutz mitgekommen.« »Woher wußten Sie?« »Ihre Kleidung, Sir«, antwortete Parker. »Darf ich Ihnen die näheren Einzelheiten im Wagen erläutern?
Ich kann keineswegs verhehlen, daß es hier draußen ein wenig kühl und schattig ist.« »Das wird Sie bald nicht mehr genieren«, lautete Skindales Antwort. »Sie werden mir lästig!« »Gewiß, weil Sie endlich begriffen haben, daß ich Sie für den Erpresser halte, der die Polar-Oil um eine Million Dollar bringen will, nicht wahr?« »Seit... Seit wann wissen Sie es?« »Seit jetzt, Mr. Skindale! Ein gewisser Verdacht kam meiner bescheidenen Wenigkeit seit dem Aufspüren der Wanze in Myladys Bungalow. Als ich mir die Freiheit nahm, das Stichwort Mafia zu nennen, reagierte man ungewöhnlich schnell und brutal. Die Mafia hätte sich wohl differenzierterer und feinerer Methoden bedient. Sie arbeitet gern geräuschlos.« Parker hatte erkannt, daß Skindale seine innere Hemmschwelle noch nicht völlig überwunden hatte. Der Mann war kein Berufsverbrecher, der ohne Bedenken schoß. Daher nahm Parker seinen linken Fuß blitzschnell hoch und trat gegen die geöffnete Wagentür. Sie schlug zurück - und gegen die ausgestreckte Hand des TopManagers. Die Waffe wurde Skindale aus der Hand geprellt und landete irgendwo im Wagen. Als Parker die Tür wieder öffnete, lag der Oberkörper des Mannes auf dem Lenkrad. Skindale schluchzte trocken und hatte bereits aufgegeben. *
»Sehr undramatisch«, ärgerte sich Lady Simpson, als Parker seinen Bericht beendet hatte. »Dieser Bursche hat kein Stehvermögen. Wie kann solch ein Mann nur auf die Idee kommen, sich als Erpresser zu betätigen?« »Nach seinem umfassenden Geständnis, Mylady, war es keineswegs seine Idee«, antwortete Josuah Parker. »Die Idee stammte von Mr. Rexford, wie man inzwischen weiß.« »Ist er festgenommen worden?« fragte Rander dazwischen. »Miß Porter war so freundlich, ihm die Flucht zu erschweren«, antwortete Josuah Parker. »Sie wird übrigens gleich kommen, wie ich ankündigen darf.« »Wollte Rexford flüchten?« Agatha Simpson gähnte. Sie ärgerte sich, daß nicht mehr passiert war. Eine wilde Verfolgungsjagd wäre ihr mit Sicherheit angenehmer gewesen. Darüber hinaus ärgerte sie sich wieder mal, daß nicht sie das letzte Wort in diesem Fall gehabt hatte. »Es war Mr. Rexfords erklärte Absicht, die Flucht zu ergreifen«, berichtete Parker weiter. »Als er die Halle seines Bürohauses passierte, traf er auf Miß Porter, die ihn per Lift in einen Keller des Hauses schaffte, aus dem die Polizei ihn dann holte.« »Woher wußte denn das gute Kind, daß er was vorhatte?« Lady Simpson wurde nun doch neugierig. »Sie hatte als Telefonistin Mr. Skindales Anruf abgehört«, erläuterte der Butler. »Mr. Skindale war so entgegenkommend, diesen Anruf für meine bescheidene
Wenigkeit zu tätigen. Er ließ darin durchblicken, er habe Ärger mit einem gewissen Mr. Parker, der ihm gefolgt sei und den er leider habe anschießen müssen.« »Daraufhin wollte Rexford also den Rest erledigen, wie?« fragte Mike Rander. »So war es, Sir.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an. »Mr. Rexford wird die Aussage Mr. Skindales nicht mehr erschüttern können. Er war der Initiator der Erpressung.« »Aber warum denn erst jetzt?« erkundigte Mike Rander sich. »Warum nicht zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt?« »Laut Mr. Skindale wollte Rexford sein Unternehmen wesentlich ausweiten und brauchte dazu Geld.« »Und wieso konnte er Skindale dazu bringen, sich an dieser Erpressung zu beteiligen?« »Mr. Skindale wurde seinerzeit von Mr. Rexford bestochen, als es um die Vergabe der Transporte ging«, wußte Parker zu berichten. »Er befand sich also in der Hand dieses seltsamen Unternehmers und mußte mitspielen, wie es so treffend heißt. Von Mr. Rexford stammte übrigens auch die Idee, Mylady um Hilfe zu bitten. Ihm war bekannt, daß Mylady von der Mafia nicht sonderlich geschätzt werden.« »Dann sollte ich wohl als Feigenblatt fingieren, wie?« entrüstete sich die Detektivin. »Mylady waren das Alibi des Mr. Skindale«, bestätigte der Butler. »Die Spuren sollten so auf die Mafia gelenkt werden.«
»Die überhaupt nicht tätig wurde.« Rander schüttelte den Kopf. »Wie man sich täuschen kann!« »Keine Sorge, sie wird auch hier früher oder später erscheinen«, prophezeite die ältere Dame. »Und dann werden wir erneut nach Alaska kommen, das weiß ich bereits jetzt.« Es läutete an der Tür der Hotelsuite. Butler Parker öffnete und verbeugte sich in Richtung Kathy Porter, die lächelnd eintrat und Lady Simpson und Mike Rander begrüßte. »Auch Rexford hat inzwischen gestanden«, meldete sie, »ich komme gerade Von der Polizei. Nach einem Wutanfall brach er zusammen.« »Sie sind mir noch eine Erklärung schuldig, Mr. Parker«, warf Lady Agatha ein. »Hatte Skindale das Geld bei sich?« »Eine Million Dollar in kleinen Scheinen, Mylady, verpackt in einem Koffer. Er wollte das Geld angeblich an die Erpresser übergeben, es tatsächlich aber in einem Jagdhaus verstecken, das er vor einer Woche gemietet hat.« »Buchen Sie vier Karten für London«, sagte die Detektivin zu Butler Parker. »Nachdem ich diesen Fall gelöst habe, hält mich hier nichts mehr.« »Wie Mylady wünschen.« Parker verbeugte sich knapp. »Das heißt, ich würde mir ja gern mal solch eine Bohrstelle in der Harrison Bay ansehen«, korrigierte sich Agatha Simpson. »Diesmal dürfte ja nicht mit Überraschungen zu rechnen sein. Leider!« *
»Darf ich mir erlauben, Mylady, den Tee zu servieren?« Josuah Parker kam um die zu Bruch ... gegangene zweimotorige Maschine herum und verbeugte sich korrekt vor seiner Herrin, die ihn grollend musterte. »Ich war so frei, ein wenig Rum hinzuzugeben«, erläuterte der Butler. »Mylady werden sich nach dem heißen Trunk wesentlich wohler fühlen.« »Warum mußten Sie unbedingt hinauf zum Norden?« fragte sie und zog den schweren Pelzmantel über dem mächtigen Busen zusammen. »Ich hätte ja gleich wissen müssen, daß wieder mal etwas nicht klappt!« »Man sagt, Mylady, der Mensch sei seinem Fatum hilflos ausgeliefert«, erklärte Parker. »Übrigens dürfte mit baldiger Hilfe zu rechnen sein.« »Wie konnte das passieren?« fragte sie und wandte sich zu dem Flugzeugwrack. »Vielleicht waren Mylady ein wenig zu tief gegangen, um die Karibus zu beobachten?« »Paperlapapp«, sagte sie und trank den Tee. »Ich war noch hoch genug.« »Durchaus, Mylady«, versicherte Parker höflich. »Wenn die kleine Baumgruppe nicht gewesen wäre.« »Die Sie hätten sehen müssen!« Agatha Simpson selbst hatte zwar die Maschine gesteuert, doch Schuld war selbstverständlich wieder mal Butler Parker... Er ging um die Kufenmaschine herum und näherte sich einem kleinen, Iglu, das er zusammen mit
Mike Rander errichtet hatte. Bei dieser Gelegenheit hatte sich wieder mal gezeigt, wie geschickt Josuah Parker war. Ein Eskimo hätte an dieser Behausung seine helle Freude gehabt. »Tee, Sir?« fragte er. »Später«, meinte der Anwalt, der ein wenig deplaziert in dieser Eis- und Schneewüste wirkte. Er trug ein schwarzes Dinner-Jackett und hielt Parkers Gabelschleuder in Händen. »Ich glaube, da pirscht sich ein neugieriger Fuchs heran.« »Tee, Miß Porter?« Parker stand nun vor Kathy Porter, die sich in eine Decke eingehüllt hatte. »Gern, Mr. Parker«, erwiderte sie, während Mike Rander sich vorsichtig wegpirschte. »Werden wir lange auf Hilfe warten müssen?« »Kaum, Miß Porter«, gab der Butler beruhigend zurück. »Bis zum Stützpunkt sind es höchstens noch achtzig Meilen. Der Hilferuf wurde vor einer Stunde abgesetzt. Bis zum Erscheinen des Rettungshubschraubers wird nicht mehr viel Zeit vergehen.« »Sie haben die Notlandung wunderbar hinbekommen, Mr. Parker.« »Sie beschämen meine Wenigkeit«, entgegnete der Butler. »Zudem habe ich darin ja inzwischen einige Erfahrung sammeln können.« »Ärgert sich Mylady immer noch?« Sie lächelte. »Mylady hat inzwischen den Punkt erreicht, meiner Wenigkeit die Schuld beizumessen.« »Dann ist sie bald wieder okay.« Kathy Porter schmunzelte. »Ich
Iglu. Sie erinnerte dabei an einen waschechten Eisbären. Kathy Porter folgte ihr. Mike Rander kam mit leeren Händen zurück. Er reichte dem Butler die Gabelschleuder und rieb sich die Hände. »Scheint schlechtes Wetter zu geben«, sagte er, »wir sollten in Deckung gehen, Parker.« »In der Tat, Sir!« Parker warf noch einen prüfenden Blick in die Runde. »Bis zum Ausbruch des Sturmes kann es nicht mehr lange dauern.« »Wo bleiben Sie denn?« hörte man Myladys Stimme aus dem Iglu. »Wir werden uns ein wenig die Zeit vertreiben. Ich schlage vor, wir spielen ein paar Partien Poker.« »Auch das noch, schlimmer als ein Schneesturm«, seufzte Mike Rander. »Sie kann doch nicht verlieren.« »Ich kann zu meinem Bedauern nicht widersprechen«, erwiderte der Butler Er wußte, was sie erwartete. Jetzt war die Zeit der wirklichen Prüfung gekommen. Einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, sich in die Eis- und Schneewüste zu flüchten, doch dann resignierte er und kroch ebenfalls ins Iglu, dessen Eingang er sorgfältig mit vorbereiteten Schneeblöcken verstopfte. Seinem Schicksal konnte man wohl tatsächlich nicht entgehen ...
werde ins Iglu gehen. Frieren Sie eigentlich nicht?« »Ein wenig kühl ist es schon, Miß Porter.« »Was ist denn das?« fragte sie, als sie sich umgewandt hatte. Sie deutete auf eine dunkle Wand am Horizont. »Ein kleiner, hoffentlich unbedeutender Schneesturm scheint sich anzukündigen«, gab Parker nach kurzer Prüfung zurück. »Wenn Sie erlauben, werde ich Mylady bitten, die Schutzbehausung aufzusuchen.« Die Sechzigerin kam um das Wrack herum und reichte dem Butler die Tasse. Auch sie hatte die dunkle Wetterfront bereits entdeckt. »Ein sich ankündigender Schneesturm, Mylady«, sagte Parker, als sie auf die Wetterfront deutete. »Das wird wieder Stunden kosten«, seufzte sie. »Mit Sicherheit, Mylady«, räumte Parker ein. »Oder etwa Tage?« Sie schaute ihn gereizt an. »Auch solch eine Möglichkeit ist nicht auszuschließen«, antwortete Butler Parker. »Im Iglu werden Mylady sich allerdings recht wohl fühlen und vom Schnee nichts merken.« »Was man einer alten Frau nicht alles zumutet«, beschwerte sie sich und krabbelte auf allen Vieren ins ENDE
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Günter Dönges schrieb für Sie wieder einen neuen Nr. 198:
Parker jagt den »Weißen Riesen« Es war ganz einfach, wie Lady Agatha Simpson meinte. Man brauchte im Dschungel Guatemalas nur nach einer abgestürzten Sportmaschine, nach dem Piloten und nach gewissen Geheimunterlagen zu suchen. Butler Parker hingegen hatte gewisse Bedenken, denn eine Stecknadel im sprichwörtlichen Heuhaufen war sicher leichter zu finden. Nun, er ging streng logisch vor im Stammland der Mayas, besichtigte uralte Stufenpyramiden und moderne Camps, die von einem kubanischen Kommandounternehmen eingerichtet worden waren. Butler Parker zeigte sich wieder mal als souveräner Beherrscher des Dschungelkampfes, spielte mit seinen Gegnern Katz und Maus, handhabte ein indianisches Blasrohr und legte seine raffinierten Gegner reihenweise aufs Kreuz, bis sie völlig verzweifelt aufgaben und die Waffen streckten ... Günter Dönges schrieb einen weiteren Parker-Krimi, in dem es wieder turbulent und spannend zugeht. Wer Krimis liebt, in denen gelacht werden kann, sollte immer BUTLER PARKER bevorzugen.