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Parker scheucht die »Sonnensöhne« Ein Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges Sie sah durchaus reizvoll und anziehend aus, war etwa zweiundzwanzig Jahre alt, mittelgroß, schlank und besaß alles, was eine hübsche junge Frau auszeichnete. Sie trug einen weit schwingenden Rock, eine leichte Bluse und hatte lustige Augen. »Auch du brauchst Mo«, sagte sie und baute sich vor Josuah Parker auf, der automatisch seine schwarze Melone lüftete und sie interessiert musterte. »Sind Sie sicher, Madam?« erkundigte Parker sich dann. »Vollkommen, Bruder«, redete sie schwungvoll weiter. »Jeder braucht Mo. Ohne Mo kann man nicht leben, nicht existieren. Ohne Mo ist man eigentlich tot.« »Sie erschrecken einen alten, müden und relativ verbrauchten Mann«, antwortete Parker. »Mo ist die Zukunft, Mo ist ein neues Leben in Glück«, setzte ihm die junge Dame weiter auseinander. Sie schaute dem Butler dabei tief in die Augen und schob ihre Hüften herausfordernd vor. »Sollte man davon ausgehen, daß Sie Reklame für ein neues Waschmittel machen?« Butler Parker, ein Mann undefinierbaren Alters, etwas über mittelgroß, fast schlank und mit dem Gesicht eines erfahrenen Pokerspielers, war in' der Nähe von Speaker’s Corner im Hyde Park angesprochen worden. Der Tonfall
seiner Stimme war höflichinteressiert. »Ja.« Sie nickte begeistert und strahlte ihn weiter an. »Ich mache Reklame für Mo, Bruder. Ich habe Mo mein Leben gewidmet.« »Wie schön für das, was Sie Mo nennen.« Parker nickte andeutungsweise und lüftete erneut seine schwarze Melone. »Was Mo ist, möchten Sie mir nicht verraten?« »Mo ist neues Leben, Sir.« »Das deuteten sie bereits nachhaltig an. Geht es um ein neues, medizinisches Präparat?« »Mo macht frei, Mo läßt die Persönlichkeit explodieren.« »Darauf lege ich, offen gesagt, wenig Wert«, erwiderte Josuah Parker.« Ich pflege Explosionen, gleich welcher Art, gern aus dem Weg zu gehen.« »Ich werde Ihnen helfen Bruder, dieses neue Leben zu beginnen«, verhieß ihm die junge Dame. »Sie werden danach ein anderer Mensch sein.« »Wie soll und muß ich diese Einladung interpretieren?« fragte der Butler gemessen. »Wir können entweder zu dir oder zu mir gehen, Bruder. Ich werde dich in die Gärten der Freude führen.« »Wo vermutlich Mo auf meine bescheidene Wenigkeit wartet?«
»Du bist auf dem Weg, Bruder!« Sie nickte und strahlte ihn begeistert an. »Ich muß bekennen, liebe Schwester«, schickte der Butler voraus, »daß meine augenblickliche Verfassung Aktivitäten, gleich welcher Provenienz auch immer, nicht zuläßt, da ich bereits erwartet werde.« »Von einer Tochter des Mo?« »Das möchte ich nicht unbedingt sagen«, schloß Josuah Parker und dachte an die Erscheinung einer gewissen Lady Agatha Simpson. Eine Tochter des Mo war sie ganz sicher nicht, wie er wußte. »Heil auf deinem Weg, Bruder!« Sie nickte ihm heiter und entspannt zu. »Ebenfalls«, sagte Butler Parker. Er sah ihr nach, als sie förmlich davonhüpfte und sich einen anderen Gesprächspartner suchte. Da die Wege des Hyde Parks recht gut begangen waren, fiel ihr das nicht schwer. Butler Parker erlaubte sich ein diskretes Kopfschütteln und lustwandelte dann weiter in Richtung Shepherd's Market, wo sich das Haus der Lady Agatha Simpson befand. Ihm ging ein wenig zu spät auf, daß er sich eigentlich nicht ausgiebig genug über diese Töchter des Mo erkundigt hatte. * Das altehrwürdige Fachwerkhaus, das im Kern noch dem ausgehenden Mittelalter entstammte und auf den Gewölben einer ehemaligen Abtei errichtet worden war, lag an einem
kleinen Platz, das von ähnlich alten Häusern gesäumt wurde. Vor diesem Haus stand ein zivil aussehender, dunkler Wagen, wie ihn ein gewisser Mr. McWarden benutzte, seines Zeichens ChiefSuperintendent und Leiter einer Sonderabteilung des Yard. »Ihr Hunger nach frischer Luft ist ja fast schon penetrant«, sagte Lady Simpson, als Parker den Salon des Hauses betrat, in dem die ältere Dame sich mit ihrem Gast aufhielt. »Ich erlaube mir, einen besonders schönen Nachmittag zu wünschen«, antwortete Parker und deutete in Richtung Chief-Superintendent eine knappe Verbeugung an. McWarden war ein untersetzter Mann von etwa fünfzig Jahren, der an eine stets leicht gereizte Bulldogge erinnerte. Im Moment bemühte er sich allerdings um Freundlichkeit, ein sicheres Zeichen dafür, daß er wieder mal gewisse Schwierigkeiten hatte. • Lady Agatha Simpson, mit dem Blut und Geldadel der Insel eng verschwistert und verschwägert, war eine immens reiche Frau, die sich jede Extravaganz leisten konnte, es auch gern tat. Sie war eine mehr als stattliche Dame, die vor Jahren beschlossen hatte, sechzig zu bleiben. Lady Agatha, seit langer Zeit Witwe und sehr selbständig, pflegte ihre Leidenschaft als Amateur-Kriminalistin. Sie hatte das Glück, immer wieder mit neuen Fällen konfrontiert zu werden, und schien Verbrecher anzuziehen, wie der bekannte Magnet die Eisenfeilspäne.
Ihre majestätische Figur war nicht nur Attrappe. Sie spielte Golf und betätigte sich als Bogenschützin. Sie war eine ungewöhnliche Dame, die den Charme eines Kampfpanzers besaß. Ihre jeweiligen Ziele ging sie sehr direkt an und verblüffte ihre Umgebung immer wieder mit ihrer wahrscheinlichen Offenheit, die die Dinge deutlich beim Namen nannte. »Ich bin zufällig in der Nähe gewesen und wollte auf einen Sprung vorbeischauen«, behauptete McWarden, seine Standardausrede benutzend. »Er sitzt mal wieder in der Tinte«, sagte Lady Simpson, diesen Besuch wesentlich deutlicher bezeichnend. Sie lächelte triumphierend. »Reden Sie schon, McWarden! Zieren Sie sich nicht! Sie kommen also wieder mal nicht weiter!« »So ist das aber wirklich nicht, Mylady«, widersprach der Mann vom Yard. »Ich dachte nur, daß Mr. Parker vielleicht irgendwie und irgendwo etwas aufgeschnappt hat.« »Ich bin ganz das, was man im Volksmund gemeinhin Ohr nennt«, lautete Parkers Antwort. »Haben Sie schon, ich meine, rein zufällig, von den Sonnensöhnen gehört?« »Sie registrieren wahrscheinlich die Verblüffung auf meinem bescheidenen Gesicht«, erwiderte Josuah Parker. »Genauer gesagt, die Söhne der Sonne«, fügte der ChiefSuperintendent hinzu. »Sind es nun Gauner oder nicht?« schaltete Agatha Simpson sich unwirsch ein. »Sie haben mir eben diese Frage noch nicht beantwortet.«
»Es handelt sich um die Mitglieder einer Sekte, Mylady«, erklärte McWarden. »Ungesetzliche Handlungen sind diesen Sonnensöhnen bisher noch nicht nachgewiesen worden.« »Kein Fall für mich.« Sie winkte gelangweilt ab. »Sekten gibt es hier in London doch wie Sand am Meer, McWarden. Warum kümmert sich der Yard um diese Sonnensöhne?« »Weil der Gründer dieser Sekte ein Mann ist, den wir nur zu gut kennen, Mylady. Es handelt sich um einen gewissen Herbert L. Hall, der vor Jahren mal sein Geld mit zwei Schwindelfirmen gemacht hat.« »Das hört sich schon besser an.« Lady Simpson nickte wohlwollend, »Sie möchten also, daß ich mir diese Sekte mal aus der Nähe ansehe, nicht wahr?« »Mir sind leider die Hände gebunden«, bekannte der ChiefSuperintendent. »Konkretes liegt nicht vor, aber ich spüre es in den Fingerspitzen: Mit diesen Sonnensöhnen werde ich noch großen Arger bekommen. Hall ist ein raffinierter Schwindler. Und die Katze läßt bekanntlich nicht das Mausen.« »Ich darf davon ausgehen, daß Sie einiges Material über diesen Mr. Herbert L. Hall mitgebracht haben?« »Selbstverständlich. Aber bitte, das alles ist sehr vertraulich.« McWarden zog einen Briefumschlag aus der Innentasche seines Jacketts und reichte ihn an den Butler weiter. »Viel ist es leider nicht.« »Den Rest werde ich schon beischaffen«, versprach die Detektivin, die einen
unternehmungslustigen Eindruck machte. »Schwindler kommen bei mir nicht weit.« »Ich möchte noch mal betonen, daß gegen diese Sekte nichts vorliegt«, wiederholte McWarden besorgt. »Das wird aber bald der Fall sein.« Agatha Simpson nickte. »Mr. Parker wird mich vielleicht noch heute zu diesen Sonnensöhnen begleiten.« »Wie Mylady wünschen.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an und seufzte innerlich. Er wußte bereits im vorhinein, daß es wieder mal Verwicklungen geben würde. Er hatte das Funkeln in den Augen seiner Herrin deutlich wahrgenommen. »Vielleicht noch eine letzte Warnung«, sagte McWarden eindringlich. Herbert L. Hall ist ein raffinierter und tückischer Bursche. Ich traue ihm so gut wie alles zu, selbst einen Mord.« »Wie vielseitig«, kommentierte die ältere Dame nur. »Hoffentlich geht dieses Subjekt ordentlich aus sich heraus. Gegen Abwechslung habe ich absolut gar nichts!« * Kathy Porter, Sekretärin und Gesellschafterin der Lady Simpson, war eine schlanke, langbeinige Schönheit, die allerdings irgendwie an ein scheues Reh erinnerte. Sie hat normalerweise kastanienrotes Haar und ausdrucksvolle, tief dunkle Augen, war allerdings in der Lage, innerhalb weniger Minuten ihr Aussehen gründlich zu verändern. Butler Parker hatte ihr die Kunst der
Maske beigebracht, und er war kein schlechter Lehrmeister. Kathy Porter konnte in rührender Weise Mitleid erwecken, aber auch zu einer wilden Pantherkatze werden. Alle Künste der Selbstverteidigung waren ihr bekannt. Sie wußte sich durchaus ihrer schönen Haut zu erwehren und war erfahren in vielen Listen, die ebenfalls von Butler Parker stammten. Sie hatte am Nachmittag ein wenig eingekauft und schlenderte den Picadilly hinunter, genoß den warmen Nachmittag und sah sich plötzlich einem jungen Mann gegenüber, der in ein ockerfarbenes Gewand gekleidet war, das seine sicher schlanke Gestalt verbarg. Dieser junge Mann hatte sanfte, braune Augen, ein gut geschnittenes Gesicht. Sein dunkles Haar war kurz geschoren. »Noch viele Tage unter der Gnade der Sonne, Schwester«, sagte er mit fröhlicher Stimme. »Vielen Dank!« Kathy Porter hatte keine Maske gemacht und erinnerte wie gewohnt an ein scheues Reh. Sie trug ein fast schon brav zu nennendes Kostüm mit kleinem, weißem Kragen. »Hast du heute schon an das Ende deiner Erdentage gedacht?« wollte der junge Mann wissen. »Sorge dich nicht, ich werde bei dir sein!« »Vielen Dank, ich brauche keine Begleitung«, gab Kathy Porter schüchtern lächelnd zurück. »Ich bin ein Sohn der Sonne, Schwester.« Er lächelte sie strahlend an.
»Sohn der Sonne?« Sie hatte weitergehen wollen, blieb aber stehen. »Ist das irgendeine Vereinigung?« »Wir sind die Hüter des Friedens, Schwester.« Er wollte noch etwas hinzufügen, doch in diesem Moment erschienen hinter ihm zwei recht ruppig aussehende Burschen, die geradezu abenteuerlich aussahen. Sie trugen Jeans, weite Pullover, lange Haare und waren offensichtlich angetrunken. Sie schoben sich an dem Sohn der Sonne vorbei und grinsten Kathy Porter an. Dann zogen sie sie mit ihren Augen aus und wollten sie gewaltsam in die Mitte nehmen. Den Sohn der Sonne nahmen sie überhaupt nicht zur Kenntnis. »Wie wär's denn mit 'nem kleinen Trip?« fragte der junge Mann links von Kathy Porter. »Machen wir uns'n paar schöne Stunden«, schlug der andere junge Mann vor. Kathy Porters Augen drückten Angst, Überraschung und Abscheu aus. Sie spielte das mit theaterreifer Perfektion. Natürlich hätte sie die beiden lästigen Rowdies leicht in die Schranken weisen können, doch eine innere Stimme sagte ihr, erst mal abzuwarten. »Friede mit euch, Brüder«, begann der Sohn der Sonne freundlich zu den beiden Rowdies. »Geht weiter und erfreut euch der Sonne!« Die beiden Rowdies schienen den Mann im ockerfarbenen Gewand erst jetzt richtig bemerkt zu haben. Sie wandten sich ihm zu, ohne Kathy Porter allerdings freizugeben.
»Mattscheibe?« fragte der erste Rowdy und grinste abfällig. »Rausch' ab, Junge«, sagte der zweite Rowdy. »Belästige die Kleine nicht, sonst werden wir verdammt unangenehm!« »Fühlen Sie sich von mir belästigt, Schwester?« Der Sohn der Sonne lächelte. »Aber nein«, gab Kathy schüchtern zurück. »Natürlich ist er aufdringlich«, sagte der erste Rowdy. »Sieht man doch.« Der zweite Rowdy zerrte Kathy am Ärmel zu sich heran. Sie schrie leise auf, sträubte sich und sah den Sohn der Sonne flehend an. »Die Sonne wärmt und schützt.« Der Sonnensohn zögerte nicht einen Moment, Kathy Porter zu schützen. Mit zwei blitzschnellen Handkantenschlägen setzte er die Rowdies außer Gefecht. Bevor sie überhaupt begriffen, was mit ihnen geschah, rutschten sie in sich zusammen und nahmen an einer Hauswand Platz. Diese kurze Szene war von den Passanten kaum wahrgenommen worden. Kathy staunte, wie aktiv dieser Sohn der Sonne war, der sie bereits wieder anlächelte, als sei überhaupt nichts passiert. »Wenn ich darf, werde ich Sie noch ein Stück begleiten«, schlug er sanft vor. »Das Leben ist oft gefährlich, Schwester.« »Vie ... Vielen Dank.« Kathy Porter blieb in ihrer Rolle und nickte. Scheu sah sie zu den beiden Rowdies hinüber, die sich bereits trollten und keine Anstalten trafen,
sich mit dem Sohn der Sonne noch mal näher zu befassen. »Es macht Ihnen doch nichts aus, Schwester, zusammen mit mir zu gehen?« fragte er. »Aber nein, ganz sicher nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Bin ich froh, daß wir uns getroffen haben! Diese beiden Rowdies waren schrecklich...« »Auch sie werden eines Tages den rechten Weg finden«, versicherte der Sohn der Sonne ihr milde. »Es liegt in uns, wenn wir nur lernen, richtig zu sehen und zu hören.« * »Ein Sohn der Sonne?« Agatha Simpson schnaufte erfreut. »Das geschah ja wie auf Bestellung, Kindchen.« Kathy Porter hatte gerade von ihrem Erlebnis berichtet und wunderte sich über die Reaktion ihrer Chefin. »Ich möchte mich erkühnen, Mylady beizupflichten«, warf Josuah Parker ein, der sich ebenfalls im Salon befand. »Um was geht es eigentlich, Mylady?« erkundigte sich Kathy Porter. »Wir hatten zufälligen Besuch, Kindchen.« »Also war Mr. McWarden hier?« Sie lächelte wissend. Dann aber nahm ihr Gesicht einen ernsten Ausdruck an, als Lady Agatha berichtete, was der ChiefSuperintendent erzählt hatte. »Wie auf Bestellung«, meinte sie dann nachdenklich. »Natürlich, daß
ich nicht gleich darauf gekommen bin, Mylady.« »Worauf, Kindchen?« Mylady hatte nicht recht verstanden. »Die beiden Rowdies«, erinnerte Kathy Porter. »Sie waren wie bestellt plötzlich da. Und sie wurden fast beiläufig von diesem Sonnensohn ausgeschaltet.« »Auf diesen Punkt wollte ich hindeuten, Mylady«, schaltete der Butler sich ein. »Wie auf Bestellung, um Mylady zitieren zu dürfen. Die beiden Rowdies müssen meiner bescheidenen Ansicht nach mit diesem Sohn der Sonne zusammengearbeitet haben.« »Wie kommen Sie denn darauf?« Die Detektivin war. skeptisch. Sie hatte sich bisher nur über die Tatsache gefreut, daß kurz nach McWardens Besuch ein Kontakt mit einem Sohn der Sonne hergestellt worden war. »Rowdies, wie sie sich Miß Porter gegenüber verhielten, Mylady, hätten sich nie mit einer ersten Niederlage abgefunden.« »Genau das wollte ich gerade sagen«, behauptete die ältere Dame prompt und ungeniert. »Diese drei Lümmel haben sich die Bälle gegenseitig zugespielt, nicht wahr?« »Treffender hätten Mylady es nicht ausdrücken können.« Parker nickte zustimmend. »Dieser Sonnenflegel wollte sich bei Ihnen einschmeicheln, Kindchen«, redete Mylady weiter. »Er hat doch bestimmt versucht, Sie nach allen Regeln der Kunst auszuhorchen, nicht wahr?« »Überhaupt nicht, Mylady.« Kathy Porter tat es leid, damit nicht dienen
zu können.« Er stellte keine persönlichen Fragen, sondern redete immer nur von der Sonne, von der Macht der Liebe und vom inneren Frieden.« »Das klingt aber sehr enttäuschend.« Myladys Stimme grollte. »Er lud mich nur zu einer Meditationsstunde ein.« »Aha! Da haben wir es, Mr. Parker! Was ich gleich vermutet habe ...« Auch das stimmte selbstverständlich nicht, wurde aber weder von Butler Parker noch von Kathy Porter bestritten. »Wann und wo soll diese Meditationsstunde stattfinden?« »Gegen zweiundzwanzig Uhr, Mylady, im Saal der Sonne, wie er es nannte.« »Und wo ist das?« »In Chelsea, Mylady. Er erwartet mich vor dem Eingang zum Burton's Court.« »Sie haben doch hoffentlich zugesagt, oder?« Myladys Augen funkelten. »Ich habe weder ja noch nein gesagt, Mylady, das erschien mir besser.« »Wird sie hingehen, Mr. Parker?« Lady Agatha wandte sich nun doch sicherheitshalber an ihren Butler. »Es stellt sich die Frage, Mylady, warum man Miß Porter ansprach«, antwortete der Butler. »Ich möchte annehmen, daß Ihr erfreuliches Aussehen nicht der alleinige Grund gewesen sein kann. Könnten Sie sich einen speziellen Grund vorstellen, Miß Porter?« »Überhaupt nicht.« Sie schüttelte den Kopf.
»Hat er Sie bis hierher vor das Haus begleitet, Miß Porter?«, »Auch das nicht, Mr. Parker. Er verabschiedete sich in Höhe der Old Bond Street. Danach habe ich ihn nicht mehr gesehen.« »Wurden Sie möglicherweise von einer anderen Person beschattet?« »Darauf habe ich leider nicht geachtet.« Sie hob bedauernd die Schultern. »Sie sollte sich mit diesem Sonnenschein treffen«, meinte jetzt die ältere Dame grimmig. »Und ich werde in der Nahe sein. Wenn es sein muß, werde ich ihm diese Fragen unter die Sonnennase reiben, Mr. Parker. Dieses Rätsel werde ich selbstverständlich lösen!« * Butler Parker hatte sich gehütet, von seinem Erlebnis mit der Tochter des Mo zu sprechen. Er kannte die Spottlust seiner Herrin, die sich solch eine Gelegenheit gewiß nicht hätte entgehen lassen. Zudem war sich Parker nicht sicher, ob er es mit einer Vertreterin des sogenannten horizontalen Gewerbes zu tun hatte, die ihr Angebot in eine etwas ungewöhnliche Form kleidete. Söhne der Sonne, Töchter des Mo! Was hatte das zu bedeuten? Gehörten beide Vertreter ein und derselben Organisation an? Handelte es sich um zwei verschiedene Sekten? Chief-Superintendent McWarden hatte sicher nicht ohne Grund Lady Simpson aufgesucht und um diskrete Mitarbeit gebeten. Der Leiter der Sonderabteilung des Yard
war immerhin ein Praktiker, der nicht auf Gefühle hin mißtrauisch wurde. Kurz nach dem Dinner entschuldigte Parker sich bei der Detektivin. Er wollte sich noch die Füße vertreten, wie er sehr allgemein sagte. Inzwischen hatte er sich damit einverstanden erklärt, daß Kathy Porter sich mit dem Sohn der Sonne traf. Sie sollte an Ort und Stelle herausfinden, was es mit dieser Sekte auf sich hatte. Lady Simpson, die fest mit einem erfreulichen Zwischenfall rechnete, hatte nichts dagegen, daß Parker noch ein wenig den Abend genoß. Sie war abgelenkt worden und hatte kein Mißtrauen, was Parkers Spaziergang anbetraf. Der Butler hatte gründlich Maske gemacht, als er das Haus mit seinem hochbeinigen Monstrum verließ. Es handelte sich dabei um ein altes Londoner Taxi, das nach seinen speziellen Wünschen und Vorstellungen gründlich modifiziert worden war. Unter der alten, eckigen Karosse gab es eine Fülle modernster Technik. Das hochbeinige Monstrum, dem man Leistung kaum ansah, war inzwischen zu einer pferdestarken Trickkiste auf Rädern geworden. Als Parker seinen Wagen in einer stillen Seitenstraße von Mayfair verließ, hätte selbst seine Herrin ihn nicht wiedererkannt: Parker hatte sich in einen straffen, energischen, pensionierten Major verwandelt. Der Schnauzbart war buschig und gepflegt, das Haar eisgrau und kurz geschnitten. Er trug einen dunkelblauen, korrekt sitzenden
Anzug und hatte sich eine weiße Nelke ins Knopfloch gesteckt. Er wirkte aufgedreht und unternehmungslustig wie ein älterer Herr, der Appetit auf eine kleine Abwechslung hat. Er betrat einen Privatclub, in dem gern gewisse Kontakte geknüpft wurden. Parker spulte mit dem Manager des Clubs das übliche Verfahren ab: Er äußerte den spontanen Wunsch, Mitglied des Clubs zu werden, schrieb sich in die Liste mit einem Namen ein, der echte Bedeutung hatte, auch was die Adresse anbetraf, zahlte die Aufnahmegebühr, die übrigens gesalzen war, und wurde als neues Mitglied aufgenommen. Es handelte sich um ein bewährtes Verfahren, um die allgemeine Sperrstunde nach dreiundzwanzig Uhr unterlaufen zu können. Pubs schlossen um diese Zeit, in Privatclubs hingegen konnte die gesetzliche Sperrzeit ohne weiteres überschritten werden. Josuah Parker marschierte stramm in den ersten Clubraum und nahm an der Bar Platz. Er bestellte sich einen Wodka, der nach seinen Wünschen mit einem Spritzer Zitrone gewürzt werden mußte. Dann schaute er sich in der Runde um und nahm die erste Witterung auf. Die sogenannten Clubmitglieder setzten sich in der Mehrzahl aus Männern zusammen, die Parker nicht unbedingt als Herren bezeichnet hätte. Es ging recht laut zu, und der Konsum an Alkoholika war beträchtlich. Hier verkehrten Männer, die wahrscheinlich schnell viel Geld gemacht hatten und
Entspannung suchten, die sich nicht unbedingt auf Getränke allein bezog. Auf der winzig kleinen Tanzfläche entkleidete sich eine eigens dafür bezahlte, junge Dame und zeigte alles, was sie vorzuweisen hatte und Männer interessierte. Parker schaute wohlgefällig zu, obwohl er in Wirklichkeit die vertretene Damenwelt visitierte. Vor allen Dingen eine fröhliche Tischrunde weit hinten in einer Ecke des Raumes hatte es ihm angetan. Hier saßen zwei ältere Männer, umgeben von fröhlichen Frauen, die laut Parkers Schätzung im Schnitt etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre alt waren. Bei bester Stimmung lachten und tranken sie, trugen nicht zu tief dekolletierte, noch durchaus dezent zu nennende Nachmittagskleider und ließen sich nach dem Strip auf der Tanzfläche ohne langes Zieren von anderen Gästen zu einem Tanz einladen. Parker entging nicht, daß die offiziell angestellten Damen des Privatclubs sich ein wenig ärgerten. Sie waren plötzlich wohl zur zweiten Garnitur geworden und wurden kaum noch frequentiert. Sie saßen links von Parker an der Bar und redeten recht ungeniert miteinander. Natürlich hörte Parker diskret zu. Die Damen des Hauses fühlten sich ausgebootet und um ihren Verdienst betrogen. Auf die jungen Frauen drüben in der Nische waren sie auf keinen Fall gut zu sprechen. »Sie sind allein, Sir?« Parker wurde von einer Angestellten des Clubs angesprochen. Es handelte sich um eine attraktiv aussehende
Frau, die ein tief ausgeschnittenes Abendkleid trug. »In meinem Alter, meine Liebe, ist man meist allein«, erwiderte Parker elegisch. »Das muß aber doch nicht sein«, gab sie routiniert und kokett zurück. »Sind Sie sicher?« Parker lächelte und lud sie höflich zu einem Drink ein. Sie war sofort einverstanden und nahm neben ihm an der Bar Platz. Parker bestellte ein hochprozentiges Getränk und zeigte ihr deutlich, daß sie ihm durchaus gefiel. »Sie sind zum ersten Mal hier, Sir?« fragte sie mit dunkler Stimme. »Mir ist dieser Club empfohlen worden.« Er nickte. »Man soll sich hier recht angenehm unterhalten können. Man scheint mich richtig informiert zu haben. Stammgäste, nicht wahr?« Während er noch redete, deutete er hinüber zur fröhlichen Tischrunde. »Und was für welche«, lautete die bittere Antwort seiner Nachbarin. Sie verzog verächtlich das Gesicht. »Die schnappen einem alles ... Ich meine, in letzter Zeit sieht man sie oft hier.« »Die jungen Damen scheinen sich außerordentlicher Beliebtheit zu erfreuen.« »Nicht mehr lange.« Die ClubAngestellte preßte die Lippen zusammen. »Das sind doch Amateurschwalben, die stürzen noch ab!« »Amateurschwalben, meine Beste?« schnarrte Parker majorsmäßig und wirkte irritiert. Er schien diesen Ausdruck noch nie gehört zu haben. »Spendieren Sie mir noch einen Drink?« bat sie.
»Aber liebend gern. Wird man Sie später noch mal sehen? Ich habe noch eine dringende Verabredung, werde aber bestimmt zurückkommen.« »Sie finden mich immer hier, Sir«, erwiderte sie. »Nur heute vielleicht nicht mehr. Kann sein, daß wir früher schließen.« Parker bezahlte die Rechnung und nahm zur Kenntnis, daß zwei neue Gäste den Privatclub betraten. Er staunte, zeigte es jedoch nicht, als er die Tochter des Mo in Begleitung eines sich sehr sportlich gebenden Fünfzigers erkannte. Es war jene junge Dame, die ihn im Hyde Park angesprochen hatte. Sie hatte sich gründlich verwandelt und trug jetzt ein schon fast aufreizend zu nennendes Abendkleid, das erstaunlich viel von ihrem erfreulichen Wuchs zeigte. * Durch den Druck auf einen der vielen Knöpfe des reichhaltig ausgestatteten Armaturenbretts hatte Josuah Parker sein hochbeiniges Monstrum in ein Taxi verwandelt. Vorn auf dem Wagendach war das Taxischild ausgefahren, und selbst das Taxameter an der Windschutzscheibe präsentierte sich ordnungsgemäß. Auch Parker hatte sich verwandelt. Er war nicht mehr der unternehmungslustige Major mit Schnauzbart. Am Steuer saß ein etwas mißmutig aussehender Fahrer, der eine speckige Lederkappe und eine Brille trug. Der graublaue
Arbeitsmantel wirkte ein wenig ungepflegt.' Parker hatte sein Taxi recht günstig postiert. Von der Straßenecke aus konnte er den Eingang zum Privatclub gut überblicken. Der kleine Versprecher der Bardame hatte ihn hellhörig werden lassen. Er spürte, daß sich dort etwas tun würde, er wußte allerdings nicht, wann das der Fall sein würde. Er mußte auf den Zufall setzen. Es war seine Absicht, die Tochter des Mo, wie sie sich genannt hatte, ein wenig unter die Lupe zu nehmen. Daß sie hier im Privatclub erschienen war, ließ immerhin den ersten Schluß zu, daß sie tatsächlich die Vertreterin eines gewissen, uralten Gewerbes war, die mit einem völlig neuen Trick arbeitete. Inzwischen schien sie einen Interessenten für ihr sogenanntes Mo gefunden zu haben. Parker richtete sich auf, als ein dunkelgrüner Granada vor dem Privatclub erschien. Das war an sich nicht bemerkenswert, doch die vier handfest aussehenden Männer, die dem Wagen entstiegen, sahen nicht gerade vergnügungssüchtig aus. Parker kannte sich in der Unterwelt aus und wußte gewisse Typen schnell und richtig einzuschätzen. Das dort waren berufsmäßige Schläger, daran bestand kein Zweifel. Sie waren mit einem ganz fest umrissenen Auftrag gekommen «und verschwanden gerade im Eingang. Parker prägte sich das Kennzeichen ein und wartete. Es dauerte nicht lange, bis sich im
Eingang einiges tat: Wie gehetztes Wild jagten einige junge Damen, die zur fröhlichen Tischrunde gehört hatten, nach draußen. Ihre Kleidung war mehr als spärlich. Sie bestand eigentlich nur noch aus Fetzen. Das Haar der jungen Damen war zerzaust. Sie wurden übrigens sehr nachdrücklich verfolgt. Zwei Schläger waren ihnen dicht auf den Fersen und hielten sehr unfeine Schlaginstrumente in Händen. Es handelte sich um lange, biegsame Stahlruten, mit denen sie brutal umgingen. Nun schätzte Josuah Parker die Gewalt überhaupt nicht. Er haßte geradezu die Brutalität und konnte es auf keinen Fall ertragen, wenn dazu noch Frauen geschlagen wurden. Er fühlte sich verpflichtet, schlichtend und helfend einzugreifen. Josuah Parker stieg aus seinem Taxi und hielt bereits seine Geheimwaffe in Händen: Es handelte sich um eine Gabelschleuder, deren Y-Form aus verchromten Stahl bestand. Die beiden Gummistränge waren lang und elastisch. Die Lederschlaufe war in der Lage, >Geschosse< der verschiedensten Art aufzunehmen. In diesem Fall benutzte der Butler hart gebrannte Tonmurmeln. Vom Taxi aus visierte er den ersten Schläger an, der sich gerade über eine junge Frau beugte, die ausgerutscht und hingefallen war. Er hob den Arm und wollte mit der Stahlrute zuschlagen. Eine Sekunde später vergaß er seine Absicht. Die Tonmurmel hatte ihn über dem linken Ohr erwischt. Der Schläger
blieb wie versteinert stehen, ließ dann sein Schlaginstrument aus der Hand fallen und klappte haltlos in sich zusammen. Der zweite Schläger wollte einer anderen jungen Frau den Weg abschneiden. Sie hatte das Taxi gesehen und hoffte hier auf Hilfe. Sie lief schnell -doch eben nicht schnell genug. Parker ging hinter der geöffneten Fahrertür in Deckung, strammte die beiden Gummistränge und schickte die nächste Tonmurmel auf die Reise. Sie landete auf der Stirn des Verfolgers, der einen kleinen Luftsprung machte und dann gegen eine Hauswand rutschte. Anschließend verzichtete auch er auf eine weitere Verfolgung. »Was is' los?« fragte Parker, der die Gabelschleuder längst weggesteckt hatte. Er trat hinter der geöffneten Wagentür hervor. »Hilfe«, keuchte die junge Frau. »Bitte, helfen Sie!« »Is' doch klar. Was is' mit den beiden Männern?« Er deutete auf die Straße, und erst jetzt merkte die junge Frau, daß sie nicht mehr verfolgt wurde. »Bringen Sie uns weg, schnell!« Sie schlüpfte in den Wagen und wies auf die, drei anderen jungen Frauen, die ebenfalls auf das Taxi zuliefen. Parker winkte sie heran und ließ sie einsteigen. Sie alle machten einen verwirrten Eindruck. »Was war denn los?« fragte der Butler, während er sich ans Steuer setzte, um langsam anzufahren. »Eine... Eine Schlägerei«, sagte die junge Dame, die zuerst eingestiegen war.
»Soll ich sie zur Polizei bringen?« »Aber nein, wirklich nicht. Es ist schon alles wieder gut.« Die Wortführerin schüttelte den Kopf. »Fahren Sie uns zum Oxford Circus, ja?« »Wird gemacht.« Der angebliche Taxifahrer bedauerte es sehr, daß er die bewußte Tochter des Mo nicht im Wagen hatte. Genau sie hatte ihn schließlich interessiert. Als er am Eingang des Privatclubs vorüberfuhr, hoffte er noch auf ihr Erscheinen, aber das war leider nicht der Fall. Um in seiner Rolle zu bleiben, mußte Parker weiterfahren. Er konnte nur hoffen, daß der Vermißten nichts passiert war. Etwas später konnte Josuah Parker sich nur noch wundern. Die vier jungen Damen unterhielten sich nicht etwa aufgeregt miteinander, nein, sie murmelten rhythmisch und im Chor Worte, die er nicht zu deuten vermochte. Die vier jungen Damen schienen irgendwelche Beschwörungsformeln zu sprechen, Beschwörungen, die sich fast wie Gebete anhörten. * Kathy Porter war das scheue Reh geblieben. Gegen zweiundzwanzig Uhr hatte sie den vereinbarten Treffpunkt in Chelsea erreicht und blieb ein gutes Stück vor dem Westeingang von Burton's Court stehen. Sie machte einen unentschlossenen Eindruck, wandte sich ab und ging ein Stück die Straße hinunter, um dann doch
wieder zurück zum Eingang zu gehen. Sie spürte, daß sie beobachtet wurde. Sie trug wieder das einfache Kostüm mit dem kleinen, weißen Kragen, hantierte nervös mit ihrer Handtasche herum, wandte sich erneut ab und schien sich entschlossen zu haben, auf die Verabredung zu verzichten. Von wo aus man sie beobachtete, hätte sie nicht sagen können. In einer Millionenstadt wie London waren die Straßen auch noch um diese Zeit belebt. Es gab hier am Burton's Court viele Passanten, und jeder von ihnen konnte auf sie angesetzt worden sein. Bisher hatte Kathy Porter immer noch keine Erklärung dafür gefunden, warum man sich ausgerechnet für sie interessierte. An einen Zufall mochte sie allerdings nicht glauben, dazu war die Szene mit der angeblichen Belästigung doch zu aufwendig gewesen. »Schön, daß Sie gekommen sind«, hörte sie plötzlich hinter sich eine freundliche, sympathische Stimme, die ihr nicht unbekannt war. Kathy Porter wandte sich wie ertappt um und errötete mit Leichtigkeit. Sie sah sich dem jungen Sohn der Sonne gegenüber, der jetzt allerdings kein ockerfarbenes Gewand trug. Er zeigte sich in Flanellhosen, einem Sweater und einer tiefblauen Jacke. Er sah sehr gut darin aus. , »Sie sind das?« fragte sie. »Enttäuscht, Schwester?« fragte er. »Nein, nein, das nicht, ich dachte nur...«
»Das Äußere ist nur eine vergängliche Hülle, Schwester«, erklärte er ihr freundlich. »Nur die inneren Werte zählen.« »Natürlich, so sagt man.« »Aber man handelt nicht danach. Kommen Sie, gehen wir ein Stück zusammen.« »Wie soll ich Sie eigentlich anreden?« fragte sie schüchtern. »Bleiben wir vorerst bei meinem bürgerlichen Namen«, schlug er vor.« Ich heiße Peter Bloom.« »Kathy Porter«, stellte sie sich vor. »Ich wußte, daß Sie kommen würden, Schwester.« »Tatsächlich«, wunderte Kathy sich verschämt. »Sie sind allein, Schwester, Sie sind eine Suchende.« »Allein? Nun ja, das könnte schon stimmen.« Kathy schaute zu Boden. »Allein und unterdrückt«, redete Peter Bloom weiter auf sie ein. »Die Kraft der Sonne aber wird Sie freimachen.« Kathy kam das alles ziemlich albern vor, aber sie ließ sich natürlich nichts anmerken. »Woher wissen Sie das alles, Mr. Bloom?« wollte sie wissen. »Nennen Sie mich Peter«, bat er. »Und ich werde Kathy zu Ihnen sagen.« »Woher wissen Sie das alles, Peter?« wiederholte sie ihre Frage. »Sie haben mich doch nur ganz kurz gesehen.« »Ich spürte, daß Sie Hilfe brauchen, Kathy.« Er legte seinen Arm um ihre Schulter und mied dennoch jeden Anschein der plumpen Vertraulichkeit. Er gab sich wie ein großer Bruder.
»Hilfe? Eigentlich nicht direkt.« Sie senkte wieder den Kopf. »Ich bin ganz zufrieden.« »Sie leben allein in dieser kalten, sonnenlosen Stadt, Kathy?« »Ich bin Sekretärin bei einer Dame der Gesellschaft«, entgegnete sie. »Nun ja, Lady Simpson ist nicht gerade angenehm. Eigentlich ist sie sogar ....« Kathy Porter sprach ihren Satz nicht zu Ende. Sie preßte die Lippen fest aufeinander. »Sie hassen sie, nicht wahr, Kathy?« »Aber nein, wirklich nicht«, protestierte sie in einem Ton, der Blooms Feststellung eigentlich nur noch unterstrich. »Wir sollten lieben und nicht hassen«, mahnte er freundlich. »Wir sollten uns der Macht und Kraft der Sonne anvertrauen. Sind Sie in der Stimmung, mit mir zu meditieren?« »Was ... Was heißt das?« Sie befreite sich von seinem Arm, als habe er ihr einen leicht unsittlichen Antrag gemacht. »Wir werden zusammen mit anderen die verborgenen Kräfte in uns suchen, Schwester. Das Leben wird dann leicht sein wie eine Feder. Nein, Sie brauchen keine Angst zu haben.« »Macht und Kraft«, wiederholte Kathy Porter leiser. »Das wäre schön, Peter.« »Gehen wir, Schwester.« Er legte wieder seinen Arm um ihre Schulter und machte sich auf den Weg, sie in den Saal der Sonne zu führen. *
»Das paßt mir aber gar nicht, Mr. Parker«, räsonierte Lady Simpson, als Parker mit dem hochbeinigen Monstrum abbog und die nähere Umgebung von Burton's Court verließ. »Wieso kümmern wir uns nicht weiter um das gute Kind?« »Mylady wollen meine Eigenmächtigkeit entschuldigen«, schickte der Butler voraus. »Es steht zu befürchten, daß auch die weiteren Schritte Miß Porters sehr genau überwacht werden.« »Und wenn dem Kind was passiert?« Agatha Simpson gab sich entrüstet, in Wirklichkeit aber ärgerte sie sich darüber, eventuell um ein kleines Abenteuer gebracht zu werden, auf das sie sich insgeheim schon gefreut hatte. »Ich war so frei, Mylady, Miß Porter entsprechend auszurüsten«, antwortete Josuah Parker gemessen. »Miß Porter dürfte sich selbst den Söhnen der Sonne gegenüber durchsetzen können.« »Und was machen wir jetzt?« »Da wären noch die Töchter des Mo, Mylady«, erinnerte Josuah Parker. »Richtig, diese leichten Mädchen, die Sie am Oxford Circus abgesetzt haben, nicht wahr?« »Die nämlichen, Mylady«, erwiderte Josuah Parker würdevoll. »Mylady interessieren sich möglicherweise für die Unterkunft dieser Damen?« »Natürlich, das wissen Sie doch!« Die Detektivin grollte. »Und dann möchte ich mir diese Subjekte ansehen, die den privaten Club ausgeräumt haben.«
Parker brauchte einige Zeit, bis er die Gegend am Oxford Circus erreicht hatte. Der Verkehr auf den Straßen war immer noch beeindruckend. Als man den Platz erreicht hatte, bog Parker nach Süden in Richtung Soho ab und hielt noch am Rand dieses Stadtteils. »Darf ich mir erlauben, Mylady zu einem kleinen Spaziergang einzuladen?« fragte er. »Muß das sein?« Sie verzog ihr Gesicht. »Daß Sie immer gleich übertreiben müssen!« »Es handelt sich nur um wenige Schritte, Mylady. Die Straße, die ich Mylady zeigen möchte, ist für den Durchgangsverkehr gesperrt.« »Ich gebe mich wieder mal voll aus«, bedauerte sie, stieg aber schnell aus Parkers hochbeinigem Monstrum und ging mit ihm zu einer schmalen Straße. »Darf ich mir gestatten, Myladys Aufmerksamkeit auf jenes Haus dort zu lenken?« Parker deutete mit der Spitze seines UniversalRegenschirms diskret auf ein Mietshaus, das strahlend weiß gestrichen war. Es fiel in der ansonsten tristen Umgebung auf. »Der Tempel des Mo«, sagte der Butler. »Ich muß allerdings einräumen und gestehen, Mylady, daß ich mit weiteren Auskünften vorerst nicht dienen kann.« »Der Tempel des Mo?« Agatha Simpson lächelte ironisch. »So wird das Haus hier von den Bewohnern genannt, Mylady. Hinter dem Mietshaus befindet sich der Saal eines ehemaligen Lichtspieltheaters, wie ich noch
zusätzlich in Erfahrung bringen konnte.« »Wer oder was ist Mo?« wollte die Detektivin wissen. »Ich werde mal nachfragen.« Sie setzte sich sofort in Bewegung, um ihr Vorhaben auszuführen. Sie strahlte bereits den typischen Charme aus, der sie in solchen Fällen auszeichnete. Ein Kampfpanzer hätte sich im Gegensatz zu ihr sehr friedlich ausgemacht. »Vielleicht könnte man den geplanten Besuch noch ein wenig verschieben«, schlug Josuah Parker vor. »Papperlapapp, Mr. Parker!« Mylady schüttelte den Kopf und legte im übertragenen Sinn bereits den ersten Gang ein. »Man soll immer alles sofort erledigen.« »Darf ich mir erlauben, Mylady auf die Subjekte hinzuweisen, die inzwischen vielleicht ihren Club verlassen könnten?« »Sie wollen mich ablenken.« Die Detektivin wirkte grimmig. »Keineswegs, Mylady.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an. »Die von meiner bescheidenen Wenigkeit beobachteten Schläger stellen nur das dar, was man eine lose und zufällige Gemeinschaft nennt, die Töchter des Mo hingegen sind fest organisiert und verfügen, wie Mylady sehen, über einen festen Wohnsitz.« »Nun ja.« Sie nahm den ersten Gang wieder heraus und war überzeugt.« Bringen Sie mich jetzt zu diesen Schlägern, Mr. Parker. Ich brauche eine kleine Anregung, sonst schlafe ich noch ein.« *
Dank seiner vielfältigen Verbindungen wußte Josuah Parker genau, wo er die Schläger fand. Da war einmal das Wagenkennzeichen gewesen. Wie er bereits vermutet hatte, war der Granada nicht gestohlen worden, um etwaige Spuren der Schläger zu verwischen. Sie hatten sich das Leerräumen des privaten Clubs mehr als einfach gemacht und dazu den Wagen eines gewissen Tony Tyers benutzt. Dieser Tony Tyers betrieb im nahen Soho ein Antiquitätengeschäft. In seinem Laden gab es mit Sicherheit kein Stück, das nicht nachgebaut worden war. Von wirklichen Antiquitäten konnte keine Rede sein, davon hatte er keine Ahnung. Dieses Geschäft diente ihm als Tarnung gegenüber den Behörden. Er mußte ja schließlich irgendwelche Einnahmen nachweisen, die ihrerseits belegten, wovon er lebte. In Wirklichkeit übernahm er kleine Schlägereien, die individuell kalkuliert wurden. Man konnte bei ihm allerdings keinen Mord buchen, mit diesen Dingen wollte er nichts zu tun haben. Tony Tyers verfügte über eine hauseigene Schlägertruppe, die aus vier sogenannten Möbelpackern bestand. Fiel ein Auftrag größer aus, genügten ein paar Anrufe, um die Streitmacht ganz nach Wunsch zu vergrößern. An diesem Abend, als Butler Parker und Lady Simpson vor dem Geschäft erschienen, brannte in den hinteren Räumen noch Licht, wie deutlich zu sehen war. Die Tür zum
Ladenlokal war allerdings geschlossen. Josuah Parker zeigte seine einmaligen Fähigkeiten. Er zog sein kleines Spezialbesteck aus einer der vielen Westentaschen und überredete damit das an sich einfache Türschloß, sich möglichst schnell und geräuschlos zu öffnen. Das Türschloß kam Parkers Wünschen freudig entgegen, und Parker brauchte mit dem bleigefütterten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms nur noch die Türglocke daran zu hindern, sich bemerkbar zu machen. Er schritt voraus. Im eigentlichen Ladenlokal war es noch hell genug, den richtigen Weg zu finden. Agatha Simpson folgte ihrem Butler dicht auf dem Fuß und ließ dabei unternehmungslustig ihren Pompadour am Handgelenk pendeln. In diesem perlenbestickten Handbeutel, wie ihn Damen der Gesellschaft um die Jahrhundertwende zu benutzen pflegten, befand sich Myladys >Glücksbringer<, ein echtes Hufeisen, das von einem Brauereipferd stammte. Dementsprechend groß war das Hufeisen natürlich, das aus Gründen der Menschlichkeit ein wenig oberflächlich mit dünnem Schaumstoff umwickelt war. Stimmen waren jetzt zu vernehmen, Lachen, Musik und dann das Klirren von Gläsern. Parker spähte durch den Türspalt in eine Art Möbellager, das in eine behelfsmäßige Kneipe umgewandelt worden zu sein schien.
Um einen Tisch herum saßen fünf Männer, von denen der Butler sofort zwei identifizieren konnte. Einer von ihnen hatte ein Pflaster vorn auf der Stirn, der andere ein Pflaster über dem linken Ohr. Die beiden Schläger waren also mit Sicherheit im Privatclub gewesen und hatten mit ihren Stahlruten auf die jungen Frauen eingeschlagen. Tony Tyers hatte seine vier Möbelpacker zu einem kleinen Pokerspiel eingeladen, um ihnen wohl ihre Anteile am Einsatzhonorar wieder abzujagen. »Ich gestatte mir, auch im Namen von Mylady, einen wunderschönen Abend zu wünschen«, sagte Parker und stieß weit die Tür auf. Die fünf Spieler wurden völlig überrascht und starrten die Eintretenden entgeistert an. Tony Tyers schluckte, als er Parker erkannte, während er das Vergnügen mit Mylady bisher noch nicht gehabt hatte. Die vier Möbelpacker sprangen wie auf ein geheimes Kommando hin auf und wollten aggressiv werden. Tony Tyers konnte sie im letzten Moment daran hindern. »Hinsetzen«, sagte er mit scharfer Stimme. »Keine Dummheiten! Hinsetzen!« »Das möchte ich Ihnen auch geraten haben«, grollte Lady Simpson und sah die Möbelpacker streng an. Dann wandte er sich an Tyers und musterte ihn ausgiebig. »Mylady hat ein paar Fragen an Sie, Mr. Tyers«, deutete Parker höflich ah. »Wer hat Sie engagiert, den privaten Nachtclub in Mayfair
auszuräumen?« Sie marschierte auf Tyers zu, der sich äußerst unwohl fühlte und ein wenig zurückwich. »Privater Nachtclub? Mayfair?« Er schien überhaupt keine Ahnung zu haben. »Vielleicht sollten Sie antworten, Mr. Tyers«, schlug Josuah Parker höflich und vermittelnd vor. »Mylady sind stets ein wenig ungeduldig.« Einer der vier Möbelpacker, der noch keine Blessuren davongetragen hatte, war ebenfalls ungeduldig worden. Es paßte ihm einfach nicht, die Hände auf dem Spieltisch zu lassen. Er langte unauffällig in die Innentasche des Jacketts. Was er holen wollte, konnte Parker nicht beurteilen, er rechnete aber mit einer Stich- oder Schlagwaffe. Der Möbelpacker stöhnte verkniffen auf, als der bleigefütterte Bambusgriff des Regenschirms sich auf seinen Handrücken legte. Der Mann zog seine Hand blitzschnell wieder zurück und starrte sie verblüfft an. Sie ließ sich im Moment nicht mehr bewegen und schwoll sichtlich an. »Wir sollten doch kein Drama vom sprichwörtlichen Zaun brechen«, schlug Josuah Parker vor. »Mei... Meine Hand«, keuchte der Schläger, der erst mit erheblicher Verspätung Schmerzen verspürte. »Kalte Umschläge werden sich als wohltuend erweisen«, empfahl Parker dem angeblichen Möbelpacker. »Sie sind mir noch eine Antwort schuldig«, erinnerte Agatha Simpson inzwischen den Antiquitätenhändler
in Möbeln. »Ich wiederhole mich nicht gern.« Während sie noch redete, rauschte der Pompadour kreisförmig nach hinten und erwischte den anderen, noch unbehandelten Packer, der wütend aufgesprungen war. Er empfand dieses ungebetene Eindringen als eine Art Beleidigung. Er wurde vom >Glücksbringer< voll erwischt. Das Hufeisen des Brauereipferdes knallte gegen seine rechte Kinnlade und leitete eine kleine Kettenreaktion ein. Es fegte ihn zuerst von den Beinen, legte ihn fast waagerecht in die Luft und ließ ihn dann ein gutes Stück über den Boden rutschen, bis er mit seinem erfreulicherweise dicken Schädel gegen eine Kommode rutschte. Der Packer blieb anschließend hegen. »Treiben Sie die Dinge tunlichst nicht auf die Spitze«, meldete der Butler sich in Richtung Tony Tyers zu Wort. »Mylady hatte Sie etwas gefragt, wenn ich daran erinnern darf.« Tony Tyers starrte auf den pendelnden Pompadour in Myladys Hand und wurde ausgesprochen redselig. »Sie sollten sich bei Gelegenheit ein anderes Türschloß einbauen lassen«, schlug der Butler vor, als er mit Lady Agatha ging. »Es öffnete sich fast von allein, ein wenig übertrieben ausgedrückt. Zudem steht es Ihnen frei, sich bei den zuständigen Behörden über meine bescheidene Wenigkeit zu beschweren. Ich möchte keineswegs verhehlen, daß dieser nicht angekündigte Besuch durchaus dem
entsprach, was man bezeichnen muß.«
als illegal
* Kathy Porter befand sich im Saal der Sonne, wie der langgestreckte, hohe Raum genannt wurde. Die Wände dieses fensterlosen Raumes waren leuchtend hell gestrichen und vermittelten einen goldartigen Widerschein und Glanz. Vorn an der Stirnfläche des Saales, war eine riesige Sonnenscheibe angebracht, die von grellen Scheinwerfern angestrahlt wurde. Es war fast unmöglich, diese Scheibe zu betrachten, der Glanz, der von ihr ausging, schmerzte in den Augen. Kathy Porter trug ein ockerfarbenes Gewand und saß neben Peter Bloom, der sie hierher gebracht hatte. Die Beine in typischer Yogamanier gekreuzt, die Augen geschlossen berührte er mit den Fingerspitzen seiner gespreizten Hände die Stirn. Er murmelte Worte, die Kathy Porter nicht verstand. Sie waren nicht allein. Um sie herum saßen weitere Söhne der Sonne, alle gekleidet wie Peter Bloom und sie. Die gelben Schilfmatten unter ihnen bildeten kleine Lichtinseln auf dem pechschwarzen Fußboden. Diese Matten waren kreisrund und sahen aus wie kleine Sonnen. Hin und wieder war das Dröhnen eines Broncebeckens zu hören, dessen Schallwellen die Nerven vibrieren ließen. Zu dem halblauten Gemurmel der Sonnensöhne kamen
von irgendwoher sphärische Klänge von unirdischer Schönheit. Kathy Porter hatte ihre erste Befangenheit längst abgelegt und beobachtete kritisch und sehr bewußt das, was um sie herum vorging. Es waren hier nicht nur Söhne der Sonne, wie die jungen Männer sich nannten, sondern auch viele Frauen, die man wohl wie sie zur Meditation eingeladen hatte. Sie wurde mißtrauisch, als nach einigen Beckenschlägen, die besonders die Gehörnerven strapazierten, zwei Sonnensöhne links und rechts der großen Sonnenscheibe auftauchten und große, von innen leuchtende Schalen in Händen hielten. Sie schritten durch die Reihen der Sitzenden und boten die Schalen zum Trank an. Sie beugten sich deshalb zu verschiedenen Sonnensöhnen und deren Begleiterinnen hinunter und ließen sie kleine Schlucke aus den Leuchtschalen nehmen. Was wurde da gereicht, fragte Kathy Porter sich. Sollte sie den dargebotenen Schluck ablehnen? Sollte sie es darauf ankommen lassen? Wahrscheinlich handelte es sich um ein berauschendes Getränk, um die Fähigkeit zur Meditation zu fördern. Sie mußte sich schon bald entscheiden. Einer der Schalenträger stand vor ihr und beugte sich hinunter. Die Wände der Schale, das sah Kathy deutlich, strömten ein geheimnisvolles Licht aus. »Koste den Trank der Sonne, Schwester«, sagte der Schalenträger
mit milder Stimme. »Flüssige Strahlen und flüssige Kraft.« Kathy Porter handelte instinktiv. Wie hypnotisiert beugte sie sich ein wenig vor und kostete von dem Trank. Sie spürte, daß ihr Begleiter sie jetzt genau beobachtete. Nein, sie konnte dieses Schlucken nicht vortäuschen, sie mußte wirklich trinken. Sie war fast enttäuscht. Zuerst spürte sie überhaupt nichts. Ihr war, als habe sie klares Wasser getrunken. Doch Sekunden später explodierte in ihrem Magen so etwas wie eine kleine Bombe. Sie fuhr unwillkürlich zusammen und spürte, wie ihr Blut sich mit Wärme und dann mit Hitze förmlich aufzuladen schien. Sie spürte den Arm, den Peter Bloom um ihre Schulter legte. Sie hörte, daß er monoton auf sie einredete, doch sie verstand kein Wort. Die Sonnenscheibe vorn an der Stirnseite des Saals wurde riesengroß und zog sie überkräftig an. Sie fühlte sich wie hochgetragen, schwebte, fühlte sich federleicht und flog dann in diese allmächtige Sonne hinein. * Er hieß Bruce Travison und war der Besitzer des privaten Clubs in Mayfair. Der Mann war etwa vierzig Jahre alt, etwas zu dick, hatte eine Stirnglatze und schnelle, wachsame Augen. Er war zu Lady Simpson und Butler Parker an den Tisch gekommen, nachdem Parker ihn
durch eine weibliche Angestellte um ein Gespräch gebeten hatte. »Ich bin Lady Simpson«, stellte die ältere Dame sich mit ihrer dunklen Stimme vor, die schon fast das Volumen eines Basses hatte. »Mr. Parker und ich kommen gerade von einem Subjekt namens Tony Tyers.« »Tony Tyers?« wiederholte der Besitzer des Clubs und schaltete auf Wachsamkeit um. »Mr. Tyers, dem Sie einen speziellen Auftrag erteilten«, schaltete der Butler sich würdevoll ein. »Verzichten wir auf das normalerweise übliche Geplänkel, wenn ich vorschlagen darf.« »Ich soll Tyers einen Auftrag erteilt haben?« Bruce Travison blieb zurückhaltend und vorsichtig. »Liegt da nicht vielleicht ein Mißverständnis vor?« »Sie werden mich gleich gründlich mißverstehen«, grollte Agatha Simpson den Mann an. »Warum haben Sie gewisse weibliche Clubgäste förmlich herausprügeln lassen?« »Aber das stimmt doch gar nicht, Mylady.« Bruce Travison schüttelte den Kopf und gab sich ahnungslos. »Da muß Ihnen einer etwas vorgeschwindelt haben !« »Tony Tyers?« Sie sah ihn durch ihre Lorgnette, der einstieligen Brille, die zusammenklappbar war. Sie musterte ihn eingehend wie ein seltenes, unangenehm aussehendes Insekt. »Der Name sagt Ihnen also angeblich nichts? Sie wollen sich über eine hilf- und wehrlose Frau auch noch lustig machen?« Lady Simpson ließ ihren Pompadour fallen. Er landete prompt
auf den Zehenspitzen seines linken Fußes. Da er nur leichtes, geschmeidiges Schuhwerk trug, wirkte das Hufeisen deutlich. Bruce Travison kiekste auf und verbeugte sich unwillkürlich. »So helfen Sie mir doch, Mr. Parker!« Sie sah ihren Butler anklagend an. »Haben Sie nicht gesehen, daß dieser Flegel mich belästigen wollte?« »Ein gewisser Akt der Unfreundlichkeit war in der Tat nicht zu übersehen«, antwortete Josuah Parker, wobei er allerdings offenließ, von wem er begangen worden war. Er war bereits aufgestanden und hinderte Bruce Travison daran, die geplante Flucht zu ergreifen. Zum anderen konnte er so die beiden Barkeeper besser unter Sichtkontrolle halten. Sie waren verständlicherweise aufmerksam geworden und schoben sich langsam, aber stetig an das offene Ende der Bartheke heran. »Sie sollten Ihren Fuß vielleicht ein wenig entlasten«, schlug Parker dem Barbesitzer vor. »Und zwar schnell, junger Mann, bevor ich richtig ärgerlich werde.« Agatha Simpson griff nach dem Oberarm von Travison und zog ihn auf die gepolsterte Bank. Travison knallte förmlich darauf, denn die Muskelkraft der resoluten Dame war beachtlich. »Nun zur Sache! Die Frage kennen Sie bereits. Ich sagte schon diesem Lümmel von Tyers, daß ich meine Fragen selten wiederhole.« Die beiden Barkeeper näherten sich vorsichtig der Nische und warteten darauf, ein Zeichen von
Travison zu bekommen. Parker wandte sich an den Barbesitzer. »Ihre beiden Angestellten scheinen ein wenig besorgt zu sein«, sagte er gemessen. »Sie sollten Sie zurückschicken, würde ich vorschlagen, sie könnten unter Umständen nur stören.« Travison schluckte und winkte die beiden Barkeeper zurück an die Theke. Sie gingen nur zögernd. Lady Simpson räusperte sich, was einem mittleren Gewitter gleichkam und richtete ihren Blick dann auf Travison. »Gut, ich habe Tyers engagiert«, räumte er ein. »Vor Gericht streite ich das aber alles wieder ab. Ich habe ihn geholt, damit ich diese verdammten Gänse endlich vom Hals bekam. Noch mal, vor Gericht werde ich alles abstreiten, ich werde mir einen erstklassigen Anwalt nehmen, und ich ...« »Sie reden zuviel, junger Mann«, fuhr Lady Agatha ihn an. »Kein Mensch will Sie vor Gericht bringen. Um welche Gänse handelte es sich? Darüber möchte ich mehr erfahren.« »Die sind doch verrückt oder so«, beschwerte Travison sich jetzt wesentlich flüssiger. »Die haben meinen Angestellten doch fast alles weggeschnappt, wenn Sie verstehen, was ich meine.« »Ich verstehe, was Sie meinen.« Sie lächelte kühl. »Ihre sogenannten Damen wurden also quasi arbeitslos, nicht wahr?« »Die machten keinen Schnitt mehr. Aber ich begreif eigentlich immer noch nicht, was die eigentlich wollten.«
»Sie meinen jetzt sicher die Gänse, wie?« Lady Simpson hörte aufmerksam zu. »Die schleppten ab, was sie kriegen konnten. Umsonst und kostenlos, wie ich weiß. Daß ist kein Witz, Mylady, die ließen sich freiwillig abschleppen. Habe ich von Gästen, die natürlich mitgegangen sind. Und so wie hier, haben die's auch in anderen Clubs getrieben. Richtig gezielt, würde ich sagen. Die fielen ein wie die Heuschrecken, und da mußte ich ja schließlich was unternehmen, oder?« »Mylady sind nicht gekommen, moralische Werturteile zu fällen«, warf Josuah Parker ein. »Haben diese jungen Damen sich untereinander gekannt?« »Klar doch.« Travison nickte. »Die redeten sich alle mit Vornamen an. Wie 'ne Invasion ist das gewesen. Professionelle sind das aber nicht gewesen, das hab ich sofort gesehen. Die haben das kostenlos gemacht und hier nur ein paar Gläser voll Wein oder Sekt getrunken, von anständigen Zechen keine Spur.« »Wie reagierten Ihre sogenannten Stammgäste auf solche Angebote?« fragte Parker. »Die sind voll eingestiegen, und das kann ich denen ja nicht verdenken. Gut sahen die Mädchen ja aus!« »Das wäre es bereits gewesen«, meinte Parker und nickte andeutungsweise. »Lassen Sie mich gefälligst aufstehen«, forderte die ältere Dame und schob Travison, der nicht schnell genug reagierte mit ihrer Hüfte von der gepolsterten Bank der Nische.
Dieser Hüftschwung war wohl ein wenig zu kräftig ausgefallen, denn Travison segelte ein gutes Stück durch die Luft und landete mit dem Gesäß auf dem Boden. Er machte einen völlig verdutzten Eindruck und rappelte sich schleunigst auf, als Lady Simpson auf ihn zumarschierte. »Sie waren bisher recht vernünftig«, stellte sie fest. »Hoffentlich bleiben Sie es auch weiterhin, wenn Mr. Parker Sie jetzt nach den Namen fragt.« »Die Diskretion wird gewahrt bleiben«, fügte Josuah Parker hinzu. Von der Friedfertigkeit Myladys haben Sie sich ja inzwischen überzeugen können. Mylady wird jeden Skandal vermeiden.« »Falls Sie ganz schnell zwei oder drei interessante Namen nennen«, meinte sie versöhnlich. »Ich bin ja kein Unmensch, junger Mann.« Sie bekam diese Namen! * Als sie von ihrem Flug in die Sonne zurückkehrte, fühlte sie sich wie betrogen. Sie wollte nicht zurück in die Realität, sondern weiter durch die Sphären des Lichts und der Klänge schweben. Ihr Körper kam ihr schwer und plump vor. Kathy Porter brauchte einige Zeit, bis sie sich mit den Gegebenheiten abgefunden hatte. Sie befand sich in einer schmalen Zelle, die an die eines Klosters erinnerte. Die Wände hier waren allerdings goldgelb gestrichen. Sie lag auf einer dünnen
Matte und trug noch immer das ockerfarbene, weite Gewand. Sie richtete sich langsam auf und hatte weder Kopfschmerzen noch einen schalen Nachgeschmack im Mund. Es war nur die grenzenlose Enttäuschung, wieder hier auf der Erde zu sein. Die schmale Zelle war ohne jedes Mobiliar. An der Wand stand ein Tonkrug. Über der Tür war eine kleine Sonnenscheibe zu sehen, die aufzuleuchten begann. Fasziniert starrte Kathy hinauf und legte sich wieder zurück. Sie war bereit, den nächsten Flug durch den Kosmos anzutreten, ja, sie sehnte sich danach. Die Tür öffnete sich. Peter Bloom, der Sohn der Sonne, der sie mitgenommen hatte, lächelte mild und legte die Hände grüßend gegeneinander. »Wie fühlst du dich, Schwester?« fragte er. »Ich... Ich weiß nicht.« Zögernd klang ihre Stimme. »Ich komme mir... wie... ja, wie ausgestoßen vor.« »Zeit und Geduld sind das Maß aller Dinge«, sagte er beruhigend. »Übe die Geduld, Schwester, dann wirst du den Weg finden!« »Darf ich hier bleiben?« »Das geht leider nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Aber du darfst wiederkommen, wenn du bereit bist.« »Ich bin bereit.« Sie nickte. »Du wirst Opfer bringen müssen.« »Jedes«, erklärte sie spontan. »Ich bin zu allem bereit.«
»Du wirst auf irdische Dinge verzichten müssen. Nur die totale Armut wird geduldet.« »Ich gebe alles, was ich besitze.« Sie strahlte ihren Meditationslehrer an. »Du wirst eine Sendbotin der Allmacht Sonne werden«, redete er ihr ein. »Du wirst eine Botschafterin der irdischen Armut werden.« »Verfüge über mich!« Sie senkte demütig den Kopf. »Du bist Sekretärin bei einer reichen, nutzlosen Frau«, sagte Bruder Peter Bloom fast beiläufig. »Sie erstickt in ihrem Reichtum, Schwester. Mit ihrem Geld aber können wir die Macht der Sonne stärken.« »Was soll ich tun?« »Übe dich in Geduld, Schwester! Man wird dich rechtzeitig einweihen und in den engeren Kreis aufnehmen. Gehe jetzt! Und sprich zu keinem Menschen ein Wort von dem, was du gesehen und gehört hast, oder die Kraft der Sonne wird dich verbrennen...« Er half ihr von der Matte hoch und vermied dabei möglichst jeden körperlichen Kontakt. Er senkte den Blick, als sie das weite Gewand abstreifte. Kathy Porter stellte beiläufig fest, daß sie immer noch ihr einfaches, blaues Kostüm trug. Er ging voraus, feierlich und langsam. Er führte seine Schülerin durch einen langen, schmalen Korridor, von dem viele Türen abzweigten, die wahrscheinlich in kleine Meditationszellen führten. Die Beleuchtung war eigentlich eine Art goldener Widerschein, der von den Wänden und der Decke matt glänzte.
Und dann stand sie plötzlich in einer schmalen Gasse, war allein und fror, fühlte sich einsam und verlassen. Sie war umgeben von Dunkelheit, wandte sich verwirrt um und suchte herauszufinden, von woher sie gekommen war, konnte sich aber an nichts mehr erinnern. Wie sie dann später wieder Burton's Court erreicht hatte, wußte sie nicht. Sie kehrte langsam in die Realität zurück, schlenderte ziellos durch die Straßen und war dann in Shepherd's Market. Als sie in den kleinen Platz einbog, an dem Lady Simpsons Haus stand, mußte sie sich plötzlich umwenden. Sie sah den Sonnensohn! Er stand für einen Moment auf der gegenüberhegenden Straßenseite, winkte ihr grüßend zu und war dann plötzlich hinter den Sträuchern des angrenzenden kleinen Parks verschwunden. Es kostete sie Überwindung, ihren Finger auf die Klingel zu legen. Als Josuah Parker öffnete, ging sie grußlos an ihm vorüber ins Haus und in ihr Zimmer. Sie bemerkte nicht, daß Josuah Parker ihr interessiert nachschaute. * »Nun sagen Sie schon, Mr. Parker, was Sie vermuten.« Lady Simpson sah ihren Butler unruhig an. Er hatte gerade berichtet, wie eigenartig Kathy Porter sich benommen hatte. »Wenn es gestattet ist, Mylady, möchte ich unterstellen, daß Miß Porter sich unter dem Einfluß einer starken Droge befindet.«
»Wie ich damals?« Lady Simpson konnte sich noch gut eines Falles erinnern, in dem sie ebenfalls an einen religiösen Scharlatan geraten war, der sie um ihr Geld hatte prellen wollen. Auch sie war chemisch behandelt worden, wie sie es seinerzeit ausgedrückt hätte. »Ein Vergleich bietet sich in der Tat an, Mylady«, antwortete Josuah Parker. »Miß Parker scheint tatsächlich nicht ohne bestimmte Absicht angesprochen worden zu sein.« »Um was zu tun, Mr. Parker?« »Vielleicht will man sie dazu bringen, Mylady, gewisse Dinge zu tun, die Miß Porter normalerweise nie tun würde.« »Können Sie sich nicht deutlicher ausdrücken?« grollte sie gereizt. »Miß Porter soll wahrscheinlich Myladys Konto erleichtern, wenn ich es so umschreiben darf.« »Das arme Kind.« Agatha Simpson schüttelte den Kopf. »Wir hätten sie diesem Sonnensohn nicht ausliefern dürfen, Mr. Parker. Ich bestehe darauf, daß Sie sofort etwas unternehmen.« »Darüber, Mylady, erlaube ich mir bereits intensiv nachzudenken.« »Ich habe es bereits getan!« Sie nickte grimmig. »Wie heißt dieses Subjekt noch, von dem McWarden gesprochen hat?« »Es handelt sich um einen gewissen Mr. Herbert L. Hall, Mylady, der dieser Sekte vorsteht.« »Und diesem Hall werden wir einen Besuch abstatten«, forderte die ältere Dame nachdrücklich. »Ich werde ihn ebenfalls unter Drogen
setzen, aber mit meinem >Glücksbringer<, Mr. Parker.« »Eine verlockende Idee, Mylady, wie ich einräumen muß.« »Ich werde, ihm meinen Pompadour um die Ohren schlagen«, ereiferte die Detektivin sich weiter. »Mr. Hall wird das kaum mit Vergnügen zur Kenntnis nehmen, Mylady«, vermutete Josuah Parker. »Er dürfte sich mit einiger Sicherheit an die Polizei wenden und um Hilfe bitten.« »Soll er doch Anklage erstatten und mir einen Prozeß anhängen.« Sie zog ein verächtliches Gesicht. »Diesen Prozeß werde ich gern führen.« »Ohne jede Aussicht auf Erfolg, Mylady, falls dieser Hinweis mir erlaubt ist.« »Er setzt junge Mädchen unter Drogen.« »Das, Mylady, wird sich kaum beweisen lassen.« »Und Kathy, das arme Kind?« Sie deutete hinauf zur Zimmerdecke. »Miß Porter ist mit Mr. Herbert L. Hall bisher noch nicht in persönlichen Kontakt gekommen, Mylady, nur mit einem sogenannten Sohn der Sonne.« »Papperlapapp!« Sie wollte Parkers Einwand mit einer Handbewegung abtun, merkte aber natürlich, wie richtig dieser Hinweis war. »Darf ich mir erlauben, einen Vorschlag zu machen, Mylady?« »Darauf warte ich schon die ganze Zeit.« Sie sah ihn gereizt an. »Tun Sie endlich etwas!«
»Es dürfte erst mal wichtig sein, Mylady, den Aufenthaltsort des Mr. Hall zu erforschen. Meinem Gefühl nach muß es so etwas wie ein Zentrum geben, von dem aus er seine Absichten steuert.« »Wie, Sie wissen nicht, wo Hall steckt?« Sie sah ihn vorwurfsvoll an. »Meine Informanten zeigten sich bisher nicht in der Lage, darüber etwas in Erfahrung zu bringen, Mylady. Ich darf daran erinnern, daß auch Mr. McWarden in dieser speziellen Hinsicht keine Ergebnisse aufzuweisen hat.« »Das ist doch die Höhe!« Lady Agatha schlug auf den Mahagonitisch und schüttelte den Kopf. »Er wohnt nicht in diesem Sonnensaal?« »Dies, Mylady, möchte ich bezweifeln, zudem ist dieses Haus ungewöhnlich gut abgesichert, wie aus den Unterlagen hervorgeht, die Chief-Superintendent McWarden zur Verfügung stellen konnte:« »Und wo befindet sich dieser Saal der Sonne?« »Es gibt mehrere, Mylady, wie die Unterlagen des Chief-Superintendent ausweisen. Miß Porter dürfte sich im Sonnensaal in der Nähe von Walpole Street aufgehalten haben. Über die ganze Stadt verteilt existieren noch zusätzlich vier weitere Sonnensäle.« »Bisher haben Sie immer noch keinen Vorschlag gemacht, Mr. Parker.« Sie funkelte ihn an. »Details interessieren mich nicht, ich will, daß dem Kind nichts passiert, darauf allein kommt es mir an.« »Man sollte Miß Porter vielleicht erst mal ein wenig ernüchtern, Mylady.«
»Und wie wollen Sie das schaffen?« »Ich werde Miß Porter einen Tee aufbrühen«, antwortete Parker. »Danach wird sie sich zwar äußerst schlecht, aber auch sehr drogenfrei fühlen. Darf ich mich erkühnen, noch eine Theorie zu unterbreiten?« »Guter Gott, was für eine Frage!« »Könnten, so frage ich mich bescheiden, zwischen den Söhnen der Sonne und den Töchtern des Mo keine Zusammenhänge bestehen?« »Natürlich ist das eine einzige Organisation«, entschied Lady Agatha kategorisch. »Für mich stand das von Anfang an fest, Mr. Parker. Sie werden sehen, daß ich wieder mal Recht haben werde!« * Butler Parker hatte nicht übertrieben. Kathy Porter fühlte sich sogar elend, als sie im Bademantel unten im Salon erschien. Sie schwankte ein wenig und konnte sich kaum auf den Beinen halten. »Setzen Sie sich, Kindchen!« Mylady zeigte sich sehr besorgt. »Möchten Sie einen Kognak haben?« »Auf keinen Fall, Mylady.« Sie schüttelte fast entsetzt den Kopf. »Ich fühle mich wie ausgepumpt.« »Was haben Sie dem armen Kind angetan?« Die resolute Dame sah Josuah Parker anklagend an. »Ein Spezialtee, der aus Asien stammt«, erwiderte Parker höflich.« Er wird dort von Mönchen zusammengestellt und an Patienten verabreicht, die dem Rauschgift, vor
allen Dingen aber dem Opium, verfallen sind. Die Erfolge sollen frappierend sein.« »Sie sind es, Mr. Parker.« Kathy Porter rang sich ein schwaches Lächeln ab. »Ich dachte, ich müßte sterben.« »Sind Sie wieder in Ordnung, Kindchen? Keine Halluzinationen?« Agatha Simpson sah ihre Gesellschafterin durch ihre Lorgnette prüfend an. »Alles in Ordnung, ich fühle mich nur sehr schwach.« Sie hatte in einem der Kaminsessel Platz genommen. »Wären Sie möglicherweise in der Lage und Verfassung, ein wenig zu berichten, Miß Porter?« erkundigte Parker sich. »Aber natürlich, Mr. Parker.« Sie griff nach dem Glas Orangensaft, das Parker ihr gereicht hatte, nippte ein wenig an dem erfrischenden Getränk und erzählte dann von ihren Erlebnissen im Saal der Sonne. »In dieser Schale war natürlich die Droge«, stellte die alte Dame später fest. »Bestimmt, Mylady. Und auch der Beleuchtungseffekt war einfach. Im Boden der Schale muß die Energiequelle gewesen sein, vielleicht eine Taschenlampenbatterie. « »Könnten Sie sich möglicherweise an gewisse Aufträge erinnern, Miß Porter, die man Ihnen eingeredet hat?« stellte Parker die Frage, die ihm besonders am Herzen lag. »Darüber denke ich die ganze Zeit nach.« Sie runzelte die Stirn. »Nach diesem Schluck aus der Sonnenschale redeten viele Stimmen
auf mich ein. Sie kamen von sehr weit her und waren mit einer fast, ja, wie soll ich es sagen, mit einer überirdischen Musik unterlegt. Diese Stimmen forderten mich auf, die allmächtige Kraft der Sonne zu stärken.« »Mehr nicht?« Mylady war enttäuscht und zeigte es. »Ich soll der Sonne Opfer darbringen«, redete Kathy Porter weiter, langsam und zögernd. »Ich soll Sie, Mylady, vom Wahn des materiellen Reichtums befreien. Ja, so ähnlich hörte ich es.« »Aha. Sie sollen mich also um mein Geld betrügen?« Agatha Simpsons Augen funkelten fröhlich. Dieser Hinweis war etwas, was sie wieder ermunterte. »Natürlich, jetzt wird mir immer alles klarer.« Kathy Porter stand auf und preßte ihre Fingerspitzen gegen die Schläfen. »Ich soll Abbuchungen vornehmen. Man sagte mir, ich könne das als Sekretärin doch ohne weiteres tun. Das Bargeld soll ich dann einem meiner Meditationslehrer weitergeben.« »Ist das denn nicht die Höhe, Mr. Parker?« Die ältere Dame sah Butler Parker empört an. »Wann erwartet man von Ihnen die erste Geldüberweisung, Miß Porter?« fragte der Butler. »Nein, davon wurde nichts gesagt.« Sie schüttelte den Kopf. »Geduld soll ich üben und warten, bis die Sonne mich erwählt.« »Man möchte Sie wahrscheinlich erst mal in die richtige Grundstimmung bringen«, vermutete Josuah Parker. »Man läßt sich bewußt Zeit und will nichts
überstürzen. Sie sollen erst mal vollständig in die Abhängigkeit der Droge geraten.« »Sie wirkt sehr schnell«, bekannte Kathy und lächelte für einen Moment »Ich flog, es war ein wunderbares Gefühl.« »Sie werden natürlich nicht mehr fliegen, Kindchen«, entschied die Detektivin. »Guter Gott, Sie könnten ja gesundheitliche Schäden davontragen. Nein, nein, diese Söhne der Sonne werde ich jetzt übernehmen! Und ich freue mich schon darauf...« Parker wollte antworten, doch ein unvermitteltes Läuten an der Haustür lenkte ihn ab. Er sah unwillkürlich zur alten Standuhr hinüber. Mitternacht war nicht nur längst vorüber, es ging bereits auf den Morgen zu. Er entschuldigte sich bei seiner Herrin, ging hinüber in die Wohnhalle und von dort in den Vorraum, der durch einen Glasvorbau abgetrennt war. Parker, durch gewisse Ereignisse in der Vergangenheit gewarnt, öffnete erst mal einen kleinen Wandschrank und schaltete die Fernsehkamera ein, die unter dem Vordach des Hauses installiert war. Er sah sofort, daß der Sohn der Sonne, der dort vor der Tür saß, tot war! * »Doch, Sir, das ist eindeutig Peter Bloom«, sagte Kathy Porter eine halbe Stunde später, als der ChiefSuperintendent eingetroffen war. Josuah Parker hatte
selbstverständlich die Mordkommission verständigt und auf jede Eigenmächtigkeit verzichtet. Er wußte schließlich sehr genau, wann und wo er nicht mehr privat tätig werden durfte. »Peter Bloom. Das ist der Mann, der Sie in den Saal der Sonne gebracht hat, nicht wahr?« »Das ist der Mann.« Kathy Porter nickte. Sie war ehrlich betroffen. Peter Bloom hatte auf sie einen durchaus netten Eindruck gemacht. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, daß er ein Mitglied der Unterwelt gewesen sein sollte. Wahrscheinlich, das war ihre Annahme, hatte dieser Peter Bloom überhaupt keine Ahnung gehabt, für wen er arbeitete. »Warum man ihn nur umgebracht hat?« fragte McWarden und ging zusammen mit Parker und Kathy Porter ins Haus, wo sie von Lady Agatha erwartet wurden, die im Salon war. Sie hatte gerade ihren Kreislauf ein wenig angeregt und diese halblaute, nachdenkliche Frage McWardens noch mitbekommen. »Sie rätseln noch an dem Mord herum?« Sie schüttelte erstaunt den Kopf. »Das Motiv hegt doch auf der Hand, McWarden! Haben Sie denn überhaupt kein Vorstellungsvermögen?« »Anzeichen äußerer Gewaltanwendung waren nicht festzustellen.« McWarden schien die spitze Bemerkung der Lady überhaupt nicht gehört zu haben. »Dieser Sohn der Sonne wurde umgebracht, weil Herbert L. Hall inzwischen erfahren hat, daß Miß Porter meine Gesellschafterin ist«,
führte die resolute Dame weiter aus. »Das wurde ihm zu gefährlich. Und darum ließ er Bloom beseitigen.« »Etwas weit hergeholt, Mylady«, stichelte McWarden natürlich prompt zurück. »Ich möchte mich erkühnen, Myladys Beweisführung zu unterstreichen«, ließ Josuah Parker sich vernehmen und servierte dem Chief-Superintendent auch einen Kreislaufbeschleuniger, sprich Kognak. »Bei der ersten Kontaktaufnahme Mr. Blooms mit Miß Porter war die Tatsache offensichtlich nicht bekannt, daß Miß Porter eine Vertraute Myladys ist. Dies muß man jedoch inzwischen in Erfahrung gebracht haben.« »Und zwar nach meinem Besuch im Saal der Sonne«, warf Kathy Porter ein. »Sehr richtig, Miß Porter«, pflichtete Parker ihr bei. »Der Mord kommt einer Bestrafung gleich, die an Mr. Peter Bloom vorgenommen wurde. Gleichzeitig aber möchte man auch Mylady eindeutig warnen! Dies dürfte aus der Tatsache hervorgehen, daß man die Leiche vor Myladys Haus ablegte.« »Diesem Hall und seinen Sonnensöhnen werde ich den Mord wohl kaum nachweisen können!« McWarden schüttelte verärgert den Kopf. »Dieser Gangster und seine Bande haben mit Sicherheit erstklassige Alibis.« »Sie sitzen also fest, McWarden?« Die Frage der Detektivin klang mehr wie eine Feststellung. »Natürlich, Mylady.« McWarden nickte langsam. »Und ich möchte
jetzt auch annehmen, daß dies hier eine sehr ernste Warnung ist: Sie sollen sich aus dem Fall heraushalten! Bitte, Mylady, vergessen Sie, daß ich Sie um eine gewisse Mithilfe gebeten habe. Ich nehme alles wieder zurück. Ich kann einfach nicht die Verantwortung dafür tragen, wenn Ihnen etwas geschieht. »Aber ich, junger Mann!« Agatha Simpson verwandelte sich wieder in einen modernen Kampfpanzer.« Diesem Hall werde ich die Hölle heiß machen und die Sonne nehmen. Der Mann hat ja keine Ahnung, wie sehr er mich beleidigt hat: Das muß man sich mal vorstellen! Legt mir einfach einen Toten vor die Haustür! Das ist sehr geschmacklos!« * Parker mußte improvisieren. Lady Agatha hatte darauf bestanden, dem Sektenführer Hall sofort eine Lektion zu erteilen. Parker hatte ein wenig nachgedacht und sich für eine halbe Stunde hinunter in seine >Bastelstube< zurückgezogen. Diese Bastelstube befand sich im Anschluß an Parkers Privaträume im wohlausgebauten Souterrain des altehrwürdigen Hauses. Nun aber saß er am Steuer seines hochbeinigen Monstrums und fuhr erst mal ein wenig durch die Stadt, um etwaige Verfolger in die Irre zu führen. Ihm war klar, daß man Mylady, Kathy Porter und ihn beschattete. Ein Mann wie Herbert L. Hall war ein gerissener und vorsichtiger
Gangster, der dem Zufall möglichst keine Chance einräumen würde. Im Fond des Wagens saß Lady Simpson, majestätisch, stattlich und unternehmungslustig. Sie freute sich auf die Aktivitäten, die man ergreifen wollte. Sie hatte wohlwollend genickt, als Parker ihr seinen Plan höflich unterbreitet hatte. Auch sie versprach sich von dieser frühen Fahrt am Morgen einige Überraschungen. Kathy Porter war im Haus zurückgeblieben, um so etwas wie >Stallwache< zu übernehmen. Es stand immerhin zu befürchten, daß Hall seinerseits aktiv wurde und einige Söhne der Sonne auf den Weg schickte, um Lady Simpson eine weitere Lektion zu erteilen. »Werden wir nun verfolgt oder nicht?« erkundigte die ältere Dame sich nach einer Weile ungeduldig. »In der Tat, Mylady«, antwortete Parker gemessen. »Es handelt sich um einen Vauxhall, der offensichtlich über eine Funksprecheinrichtung verfügt, wie aus der Antenne hervorgeht.« »Dann tun Sie gefälligst etwas gegen diese Lümmel.« »Mylady werden zufrieden sein.« Parker steigerte die Geschwindigkeit seines Monstrums, unter dessen eckiger Motorhaube fast das Herz eines Formel-1-Rennwagens steckte. Er ließ die Verfolger fast stehen, so stark beschleunigte er, bog in Richtung St. James ab und bremste dann jäh, nachdem er seine Herrin allerdings vorher gewarnt hatte. Er setzte seinen Wagen zurück und bezog Lauerstellung in einer Toreinfahrt.
Es dauerte etwas, bis der Vauxhall erschien. Der Fahrer drosselte hier das Tempo seines Wagens, da er sich nicht entscheiden konnte, welche Straße er wählen sollte. Der Vauxhall rollte langsam an der Toreinfahrt vorüber, und der aufmerksame Beifahrer achtete überhaupt nicht weiter auf den hier stehenden Wagen. Ihm war wirklich kein Vorwurf zu machen. Josuah Parker hatte sein hochbeiniges Monstrum inzwischen raffiniert getarnt. Motorhaube, Windschutzscheibe und das erste Drittel des Wagendaches wurden von einer Abdeckplane verhüllt. Dies hatte der Butler mit wenigen und schnellen Handgriffen besorgt. Eine entsprechende Plane stand ihm immer zur Verfügung. Als der Vauxhall langsam weiterfuhr, schob Josuah Parker seinen Universal-Regenschirm aus dem Fenster und visierte mit der Schirmspitze das hintere linke Wagenrad an. Als er abdrückte, war nur ein feines, scharfes Zischen zu vernehmen. Parker hatte sein Geschoß mittels komprimierter Kohlensäure auf die Reise geschickt. Der Erfolg war wieder mal überraschend. Als der Vauxhall in die nächste Straße einbiegen wollte, detonierte das winzige Geschoß auf dem Reifen des Wagens und zerfetzte ihn. Der Wagen schlingerte in die Kurve und wurde nach wenigen Metern angehalten. Die beiden Insassen, die Zivil trugen, stiegen aus und sahen
sich den Reifenschaden aus nächster Nähe an. Parkers altväterlich gebundener Schirm war tatsächlich eine Mehrzweckwaffe. Der bleigefütterte Bambusgriff konnte nicht nur als Schlaginstrument eingesetzt werden, nein, der Schirmstock an sich war nichts anderes als ein Gewehrlauf. Im unteren Teil des Bambusgriffes befand sich das Patronenlager und auch der kleine Stahlzylinder, der das Kohlensäuregas enthielt. Parker wußte mit seinem UniversalRegenschirm sehr gut umzugehen, wie sich wieder mal zeigte. « Die beiden Männer hatten inzwischen den total zerfetzten Reifen inspiziert und konnten sich diese nachhaltige Zerstörung nicht erklären. Sie kamen überhaupt nicht auf den Gedanken, daß ein winziges Explosivgeschoß hier am Werk gewesen war. Sie wurden selbst dann nicht mißtrauisch, als um die Straßenecke ein älterer Mann anmarschierte, der offensichtlich Milch austrug. Er war in einem langen, weißen Kittel und hielt einen gefüllten Tragekorb in der rechten Hand. »Panne?« fragte er interessiert und blieb stehen. Er rückte an seiner altmodischen Brille herum. »Nee, wir picknicken hier«, sagte der Fahrer des Wagens gereizt. »Hau' ab, Alter«, schlug der Begleiter mürrisch vor. »Du störst hier nur.« Diese Behauptung erwies sich als richtig, wie sich Sekunden später zeigen sollte. Der Milchausträger störte wirklich nachhaltig. Es dauerte noch nicht mal eine halbe Minute,
bis die beiden Männer wieder in ihrem Vauxhall saßen und sich der Ruhe hingaben... * »Ich habe mich fast zu Tode gelangweilt, Mr. Parker«, beschwerte Agathe Simpson sich bei dem Milchausträger, zum hochbeinigen Monstrum zurückgekehrt war. »Was haben Sie denn nur die ganze Zeit über getan?« »Ich war so frei, Mylady, die beiden Verfolger ein wenig einzuschläfern«, antwortete Josuah Parker und entledigte sich seiner Tarnkleidung, die er dann in den Kofferraum seines Wagens steckte. »Mit einer weiteren Verfolgung ist jetzt nicht mehr zu rechnen.« »Haben Sie was mit der Funkanlage im Vauxhall anstellen können?« »Nur sehr indirekt, Mylady. Ich habe mir die eingestellte Frequenz eingeprägt. Möglicherweise läßt sich daraus und zu einem späteren Zeitpunkt noch etwas machen.« »Worum ich gebeten haben möchte.« Sie nickte zustimmend. »Nun aber zur Sache, Mr. Parker! Ich möchte sehen, wie diese Sonnensöhne sich tummeln. Ich freue mich schon darauf.« Parker steuerte sein hochbeiniges Monstrum aus der Toreinfahrt und nahm jetzt direkten Kurs auf die Walpole Street, wo sich jener Saal der Sonne befinden mußte, den Kathy Porter besucht hatte. Auch jetzt wahrte Parker alle Vorsicht. Er schaute immer wieder aufmerksam in den Rückspiegel und
achtete auf weitere Verfolger. Erfreulicherweise tat sich hinter seinem Wagen aber - nichts mehr in dieser Beziehung. Die beiden Vauxhall-Fahrer schienen die einzigen Verfolger gewesen zu sein. Dann war das Ziel erreicht. Parker setzte den Wagen zurück und steuerte ihn, mit dem Heck voran, in die schmale Gasse, bis er das graue, unscheinbare Haus erreicht hatte, hinter dem sich der Saal der Sonne befinden mußte. Kathy hatte die Lage des Hauses recht genau beschreiben können. Nachdem sie Parkers Tee getrunken hatte. Parker stieg aus und musterte die Hausfront. Ihm fiel sofort auf, daß die Fenster von innen mit offensichtlich schweren und soliden Läden geschlossen und gesichert waren. Auch die Tür machte einen soliden Eindruck und war wohl zusätzlich noch elektrisch gesichert. Die Sonnensöhne legten Wert darauf, in ihren Meditationen nicht gestört zu werden. Butler Parker bohrte seinen schwarz behandschuhten Finger in den Klingelknopf und läutete. Er hatte diesmal keine Maske gemacht und hoffte, daß er von einer irgendwo versteckt angebrachten Fernsehkamera erfaßt wurde. Er wollte Neugierde wecken. Nach wenigen Sekunden öffnete sich ein kleines Quadrat in der schweren Tür, und das Gesicht eines sehr wach wirkenden Sonnensohnes wurde sichtbar. »Ich habe den Auftrag, dies hier abzugeben«, sagte Josuah Parker in
seiner höflichen Art und reichte einen kleinen Gegenstand an das geöffnete Türquadrat. Seine psychologische Rechnung ging auf. Der wachsame Sonnensohn langte automatisch hoch und trat dabei notgedrungen einen halben Schritt zurück. Bruchteile von Sekunden später schnappte er dann nach Luft, hatte Tränen in den Augen und wollte das Quadrat zuschlagen. Dazu reichte es jedoch nicht mehr. Der Spray aus dem Kleinstzerstäuber, den der Butler benutzte, ließ seine Bewegung versteinern. Der Sonnensohn gurgelte ein wenig und setzte sich dann auf den Boden. Parker begnügte sich mit diesem kleinen Teilerfolg keineswegs. Er holte nacheinander einige apfelgroße Tonkugeln aus den Manteltaschen seines schwarzen Covercoats und beförderte sie durch das Quadrat schwungvoll in das Innere des Hauses. Bevor er sich von ihnen aber trennte, drückte er die Zündungsstifte dieser Tonbälle ein und machte sie damit scharf. Nein, es handelte sich keineswegs um Handgranaten. Mit solchen Waffen pflegte ein Josuah Parker nicht zu arbeiten. Er verfügte über wesentlich subtilere Mittel. * »Das sieht ja direkt hübsch aus«, urteilte Lady Simpson und nickte ihrem Butler, zufrieden zu, was äußerst selten war. »Es handelt sich um ein recht wirkungsvolles Mittel«, erläuterte Parker. Er hatte das hochbeinige
Monstrum zurück zur Hauptstraße gebracht und so abgestellt, daß Mylady in die Sackgasse blicken konnte. Die Lichtverhältnisse an diesem frühen Morgen waren ausgezeichnet, und Lady Agatha bekam jede Einzelheit genau mit. Einen Fuchsbau hätte man nicht wirkungsvoller ausräuchern können: Aus den Ritzen der stark gesicherten Fenster des Hauses kräuselten sich kleine, gelbliche Rauchwolken, ein sicheres Zeichen dafür, daß Parkers Mittel bis ins oberste Stockwerk gedrungen war. Die schwer gesicherte Tür des Hauses war inzwischen längst aufgerissen worden. In panischer Hast und Eile stürzten ockerfarben gekleidete Sonnensöhne ins Freie und weinten wie Kleinkinder. Sie hatten es derartig eilig, ihre Meditationszellen zu verlassen, daß sie übereinanderpurzelten und sich gegenseitig zu Boden rissen. Von milder Selbstzucht war nichts mehr zu bemerken, jeder wollte möglichst schnell seine eigene Haut retten. Das Haus dampfte inzwischen aus allen Ritzen und Fugen. Der leichte Morgenwind trug bereits die ersten Rauchwölkchen in Richtung von Parkers Monstrum. »Es empfiehlt sich, Mylady, einen kleinen Ortswechsel vorzunehmen«, ließ Parker sich gemessen vernehmen. »Ich darf Mylady versichern, daß das Reizgas ungewöhnlich aggressiv und wirkungsvoll ist.« »Schade«, sagte sie aufseufzend. »Solch ein schönes Bild habe ich lange nicht mehr gesehen.«
Sie gönnte sich noch einen letzten Blick in die schmale Sackgasse. Die Söhne der Sonne waren fast vollzählig und wischten sich die dicken Tränen aus den Augen. Dazu husteten sie um die Wette. Nur hin und wieder kam noch ein Sonnensohn heraus ins Freie und schloß sich der Weinorgie seiner Mitbrüder an. »Was haben Sie da eigentlich zusammengebraut, Mr. Parker?« wollte Lady Simpson wissen, als Parker anfuhr. »Es handelt sich um eine Mischung aus Tränengas, Schwefel und Fauleiaromastoffen«, erläuterte Parker. »Wenn Mylady wünschen, werde ich gern die chemische Formel preisgeben.« »Verschonen Sie mich bloß damit!« Sie lachte amüsiert auf. »Sie sollten sich das Zeug patentieren lassen.« »Es käme dann vielleicht in unrechte Hände«, antwortete der Butler würdevoll. »Dem aber möchte ich unbedingt vorbeugen.« »Wie lange hält der Gestank sich im Saal der Sonne?« »Nach meinen privaten und bescheidenen Rechnungen, Mylady, etwa gut eine Woche.« »Ein Skunk könnte nicht wirkungsvoller gearbeitet haben.« »Ein Stinktier, Mylady, wäre wohl kaum in der Lage, solch ein Gemisch zu produzieren«, meinte Parker bescheiden. »Dieser Saal der Sonne muß mit Sicherheit vorerst geschlossen werden.« »Gangster Hall wird vor Wut glühen«, vermutete die ältere Dame genußvoll.
»Und Gegenmaßnahmen ergreifen, Mylady«, warnte Josuah Parker. »Er dürfte schon sehr bald wissen, wem er diesen Gruß zu verdanken hat.« »Werden wir die vier anderen Sonnensäle auch noch schaffen, Mr. Parker? Ich glaube, Sie fahren wieder mal etwas zu langsam.« »Mylady dürfen versichert sein, daß ich mein Bestes tun werde. Parker meinte das, was er sagte. Diesmal vertrat er voll und ganz den Plan seiner Herrin, die Herbert L. Hall einfach nachhaltig provozieren wollte. Auch dem Butler kam es darauf an, den Sonnensöhnen die Basis zu nehmen. Im Kofferraum seines hochbeinigen Monstrums lag ein gut ausgepolsterter Koffer, in dem sich eine Anzahl jener Tonbälle befanden, die er gerade so großzügig verwendet hatte. Parker wollte sich so schnell wie möglich an ihren jeweiligen Bestimmungsort bringen. * »Ich komme zufällig vorbei, ich hatte hier in der Gegend zu tun«, behauptete Chief-Superintendent McWarden wieder mal ohne jede Scham. Er war von Josuah Parker empfangen und in den kleinen Speisesaal geführt worden, in dem Lady Agatha gerade ihren Lunch zu sich nahm. »Können Sie Mr. Parker nicht unter irgendeinem Vorwand festnehmen?« erkundigte Lady Simpson sich griesgrämig. »Dieser Mann will mich aushungern und töten.«
»Sind Sie sicher, Mylady?« erkundigte sich McWarden und nahm auf dem Stuhl Platz, auf den Lady Simpson mit ihrer Lorgnette gedeutet hatte. »Sehen Sie sich das doch an, McWarden! So etwas nennt er Lunch? Es reicht gerade für einen hohlen Zahn.« Diese angebliche Füllung für einen hohlen Zahn war recht reichhaltig ausgefallen. Es gab Kraftbrühe mit Ei, einige kleine Pfannkuchen mit Honig und Ahornsyrup, gegrillten Fisch, gegrillte Würstchen und gesalzene Butter aus der Normandie, die nur darauf wartete, auf kerniges Brot aus Schottland gestrichen zu werden. »Sie halten immer noch Diät?« erkundigte McWarden sich ironisch. »Ich gebe nicht nach.« Sie nickte grimmig. »Ich werde mich auch weiterhin kasteien. Aber finden Sie nicht auch, daß ich bereits erheblich abgenommen habe?« »Fast schon bestürzend«, behauptete McWarden und verbiß sich ein aufsteigendes Lachen. »Was hat Sie zufällig vorbeigeführt?« erkundigte Agatha Simpson sich und sah Parker betont mißbilligend an, denn er servierte McWarden gerade einen ausgezeichneten Sherry. »Eine verrückte Sache ist da heute morgen in der Stadt passiert«, schickte McWarden voraus. »Ob Sie es glauben oder nicht, Mylady, sämtliche Säle der Sonnensöhne sind ausgeräuchert worden.« »Was Sie nicht sagen!« Sie zuckte mit keiner Wimper, sondern ging
einen der appetitlichen Pfannkuchen an. »Es muß sich um eine gezielte Aktion gehandelt haben«, berichtete der Chief-Superintendent weiter und lachte jetzt unverhohlen. Er sah plötzlich gar nicht mehr wie eine gereizte Bulldogge aus. »Diese Sonnensöhne saßen oder standen hustend, spuckend oder weinend vor ihren Häusern und wirkten verdammt irdisch und menschlich. Entschuldigen Sie den Kraftausdruck, Mylady.« »Ja, wer kann denn das nur getan haben?« Die Detektivin genoß den Pfannkuchen und sah McWarden kopfschüttelnd an. »Das frage ich mich zwar auch, Mylady, aber darauf kommt es mir nicht an.« »Ausgeräuchert, sagen Sie?« »Die zuständigen Kollegen setzten sich fluchtartig ab, als sie die Säle der Sonnensöhne untersuchen wollten.« McWarden grinste nach wie vor breit. »Der Gestank, der aus den Häusern kam, mußte pestilenzartig sein.« »Und was geschah mit den Söhnen der Sonne, McWarden?« »Sie wollten mit Taxis wegfahren, aber die Taxifahrer lehnten diese Fracht ab. Die Sonnensöhne müssen infernalisch stinken.« »Sie treiben sich jetzt also auf den Straßen herum?« Lady Simpson versuchte ein gegrilltes Würstchen. »Meine Dienststelle beobachtet das weitere Treiben, aber aus sicherer Entfernung.« Der ChiefSuperintendent genoß den trockenen Sherry.^ Nach ersten Berichten
werden die Sonnensöhne per Lastwagen abtransportiert.« »Weiß man schon, wohin die Reise gehen wird?« »Noch nicht, Mylady, aber diese Spur ist einfach nicht zu verfehlen. Man braucht ja wirklich nur seiner Nase zu folgen.« »Ich möchte annehmen, daß die Sonnensöhne das sogenannte platte Land aufsuchen werden«, warf Josuah Parker gemessen ein. »Durchaus möglich.« McWarden nickte und sah Parker prüfend an. »Was nehmen Sie denn sonst noch so an, Mr. Parker?« »Mr. Hall wird wohl die Sonnensöhne auf eine Art Landgut bringen lassen.« »Was auch immer.« McWarden winkte ab. »Ich habe absolut nichts dagegen, daß sie alle an einem Ort sind. Diese Idee mit der Ausräucherung war auf jeden Fall ausgezeichnet. Wenn ich nur wüßte, bei wem ich mich bedanken kann? Ich als Mitglied eines Yard-Dezernats hätte so etwas ja nie tun dürfen.« »Wahrscheinlich wäre Ihnen so etwas auch nicht eingefallen«, stellte Agatha Simpson bissig fest. »Wissen Sie inzwischen wenigstens, wo dieser Herbert L. Hall sich aufhält?« »Selbst unsere besten Informanten können keinen Tip liefern«, bedauerte McWarden. »Hoffentlich ist das die Wahrheit, McWarden«, entgegnete die ältere Dame und sah den ChiefSuperintendent skeptisch an. »Sie würden sich sonst um weitere Überraschungen bringen, denke ich.«
»Mein Wort darauf, Mylady, sobald ich auch nur den ersten Hinweis erhalte, werde ich Sie informieren«, sagte er und nickte dann Parker zu. »Nur gut, Mr. Parker, nur noch einen kleinen Sherry, wenn Sie darauf bestehen.« »Er bestand gar nicht darauf«, grollte Agatha Simpson. »Mr. Parker wollte nur die Flasche wegstellen.« * »Ich fühle mich etwas besser«, sagte die ältere Dame nach der kleinen Diätmahlzeit. Superintendent McWarden war gegangen, und Parker wartete höflich auf die weiteren Wünsche seiner Herrin. »Mylady möchten sich zurückziehen?« fragte er hoffend. »Überhaupt nicht.« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Ich habe noch viel zu tun, Mr. Parker.« »Die Söhne der Sonne werden vorerst wohl kaum in der Lage sein. Ich habe noch viel zu tun, Mr. Parker.« »Die Söhne der Sonne werden vorerst wohl kaum in der Lage sein, Mylady, neue Damenkontakte zu knüpfen.« »Ich denke nicht an die Sonnensöhne, Mr. Parker. Versuchen Sie nicht, mich wieder abzulenken! Es gibt da schließlich diese Töchter des Mo, oder haben Sie die plötzlich total vergessen?« »Keineswegs, Mylady.« »Nach meiner Theorie gehören sie alle einer Organisation an, die von diesem Hall geleitet wird. Sie wissen, ich spüre so etwas.«
»Myladys Verdacht könnte sich durchaus bestätigen.« »Was wissen wir über diese Töchter des Mo?« »So gut wie nichts, Mylady. Erstaunlicherweise, dies möchte ich am Rande vermerken, scheint auch Mr. McWarden von der Existenz dieser Damen nichts zu wissen.« »Es handelt sich um die Herren Percy Aldich, Donald Realding und Arthur Holborn, Mylady.« »Sie haben natürlich, das hoffe ich wenigstens, einiges über diese Männer herausgebracht, oder?« »Ich war so frei, Mylady, Mr. Tyers vom Nachtclub noch mal anzurufen und um weitere Details zu bitten. Zuerst wollte er sie zwar verweigern, doch dann kündigte ich prophylaktisch einen weiteren Besuch Myladys an.« »Darauf redete dieser Lümmel, wie?« Sie freute sich über ihre Wirkung. »Ausführlich, Mylady. Die drei Herren spielen in der Welt der Industrie wichtige Rollen, wenn ich es so ausdrücken darf. Sie sind allesamt hochdotierte und gesellschaftlich geachtete Manager von Großbetrieben.« »Diese Burschen werden wir besuchen, Mr. Parker. Ich möchte erfahren, welche Erfahrungen sie mit den Töchtern dieses Mo gemacht haben.« »Sehr wohl, Mylady.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an. »Ich werde sofort vorfahren.« »Die drei Herren werden Augen machen.« »Mit letzter Gewißund Sicherheit, Mylady.« Parker wollte
noch etwas hinzufügen, doch in diesem Moment meldete sich das Telefon. Sofort danach schaltete er das Raummikrofon ein, damit Lady Simpson mithören konnte. Eine weiche, milde Stimme war zu hören. »Gratulation zu Ihrem Coup, Mr. Parker«, sagte diese Stimme ohne jede Anklage. »Sie haben für gründliche Räumung gewisser Häuser gesorgt. Damit hatte ich allerdings nicht gerechnet.« »Spreche ich möglicherweise mit Mr. Herbert L. Hall?« fragte Josuah Parker. »Mit dem Wahrer der Sonne«, lautete die milde Antwort. »Früher mal hieß ich Hall, aber das war in einem Leben, das ich längst gelebt habe.« »Sie haben sich inzwischen auf die Entgegennahme von freiwilligen Spenden spezialisiert, wenn ich es so umschreiben darf?« »Wer gibt, dem wird gegeben werden, mein Sohn. Auch du wirst noch die große Kraft der Sonne zu spüren bekommen.« »Man holt sich in der Tat leicht einen Sonnenbrand, wenn man nicht aufpaßt, Mr. Hall.« »Diese Allkraft der Sonne wird dich verbrennen, aber läutern und dann in einen anderen Menschen verwandeln. Halls Stimme klang penetrant feierlich, und Agatha Simpson, die alles deutlich mithörte, verzog ihr Gesicht. »Es besteht keine Möglichkeit, sich mit dem Wahrer der Sonne zu einem Gespräch zu treffen, Mr. Hall?«
»Das wird sich bestimmt ergeben, mein Sohn. Warte, gedulde dich, bis die Sonne dich trifft.« »Es muß tatsächlich nicht sofort sein«, entgegnete Parker. »Mylady und meine bescheidene Wenigkeit haben zur Zeit noch einiges zu erledigen. Sie werden verstehen, Mr. Hall, daß ich dazu keine weiteren Angaben machen kann, Vielleicht nur soviel: In wenigen Stunden werden weitere Häuser das sein, was man unbewohnbar nennt. Aus Zeitgründen muß ich deshalb leider auflegen. Es gibt Dinge, die man nicht verschieben sollte.« Parker legte auf und wandte sich zu seiner Herrin um. »Dieses Subjekt«, sagte sie grimmig. »Schade, daß ich nicht weiß, wo ich diesen Hall erreichen kann.« »Sein Aufenthaltsort, Mylady, wird früher oder später bekannt werden«, erwiderte Parker. »Falls ich Myladys Wünsche richtig interpretiert habe, wollen Mylady sich jetzt den Tempel des Mo ansehen.« »Wie war das? Ich wollte mir den Tempel des Mo ansehen, in dem die leichten Töchter wohnen?« »So verstand ich Mylady. Falls Mr. Hall auch diese Organisation leitet, muß er nach der kurzen Unterhaltung annehmen, daß der Tempel bald ebenfalls in Gefahr gerät, verseucht zu werden.« Jetzt erst verstand Lady Agatha, was Butler Parker gemeint hatte, und sie reagierte prompt. »Richtig! Wo habe ich nur wieder meinen Kopf.« Sie lächelte abwesend. »Falls Hall auch die
Töchter des Mo lenkt, wird der Tempel jetzt in Alarmzustand versetzt, nicht wahr?« »Dies wäre eine mögliche Konsequenz, Mylady.« »Worauf warten wir also noch? Daß Sie immer so herumtrödeln müssen, Mr. Parker!« »Mylady werden einem alten, müden und relativ verbrauchten Mann gütigst verzeihen wollen«, lautete Parkers höfliche Antwort. Sie schaute ihn daraufhin an, fühlte sich auf den Arm genommen, wollte etwas sagen/räusperte sich dann aber und griff nach ihrem Pompadour. * Der kleine Mini-Cooper, der sich Soho näherte, beförderte ein älteres Ehepaar. Der Ehemann, ein rundlicher, vollwangiger Mann von sechzig. Jahren, schien trotz seiner Brille nur recht und schlecht zu sehen. Er beugte sich immer wieder weit über das Lenkrad nach vorn und studierte den Straßenverlauf. Die Ehefrau neben ihm war füllig, hatte Ondulierrollen im grauen Haar und auf dem Schoß einen Waschmittelkarton, der mit Lebensmitteln und Gemüse aller Art gefüllt war. Der kleine Mini näherte sich wie selbstverständlich jener Straße, in der sich der Tempel des Mo befand, jenem strahlend weißen Haus, in dem früher mal ein Kino untergebracht war. »Darf ich mir erlauben, Mylady auf die Herren aufmerksam zu machen, die die Straße
kontrollieren?« sagte Parker, der angebliche Ehemann. »Ich habe doch Augen im Kopf«, erwiderte die angebliche Ehefrau leicht gereizt. »Schläger, wohin man sieht.« »Es stehen auch einige Wagen zur Verfolgung bereit«, bemerkte Parker weiter und beugte sich erneut suchend vor, um die Straße besser überblicken zu können. »Tatsächlich?« Agatha Simpson, die ebenfalls Maske gemacht hatte, wurde erst jetzt auf diese Tatsache aufmerksam und ärgerte sich darüber, daß ihr das nicht selbst aufgefallen war. »Natürlich. So etwas sieht man doch auf den ersteh Bück. »Mr. Herbert L. Hall scheint zu hoffen, daß Mylady und meine bescheidene Wenigkeit erscheinen«, sagte Parker. »Aus all diesen Vorbereitungen ergibt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit, daß Mr. Hall auch die Töchter des Mo kontrolliert.« »Mit einiger Wahrscheinlichkeit, Mr. Parker?« Sie schüttelte den Kopf. »Mit letzter Sicherheit! Nur er allein wußte doch, daß ich etwas gegen diese Töchter plane.« »Mr. Hall könnte auch einen Branchenfreund informiert haben, Mylady. Solch eine Möglichkeit sollte man bedenken.« »Schnickschnack, Mr. Parker! Er kontrolliert diese Töchter. Und er ist auch Mo, was immer das sein mag.« Der Tempel des Mo, das weiße Haus also, war wirklich sehr gut abgeschirmt worden. Hier hatte man taktische Klugheit walten lassen, Wie Parker deutlich sah.
Einige am Bordstein stehende Fahrzeuge, die mit zwei bis drei Personen besetzt waren, konnten die Straße jederzeit blockieren, oder aber die Verfolgung eines Wagens in beiden Richtungen vornehmen. In Tempelnähe und vor dem Haus selbst standen junge Männer herum, die irgendwie fast uniformiert wirkten: Sie alle trugen fast gleich aussehende Anzüge und hatten kurz geschorenes Haar. Ja, man wartete auf das Erscheinen von Mylady und Butler Parker. Wie groß mußten Wut und Haß dieses Herbert L. Hall sein, daß er sich nach dem telefonischen Gespräch solch eine Blöße gegeben hatte? Dieser Mann brannte förmlich darauf, sich für die ihm angetane Schmach zu rächen. Der Mini-Cooper mit dem alten Ehepaar rollte am Tempel des Mo vorüber, und keiner der Wachen schenkte diesem Wagen auch nur die geringste Notiz. Das wunderte den Butler doch sehr. Besonders gedrillt schienen diese jungen Männer nicht zu sein. Mit den Gepflogenheiten der Unterwelt waren sie auf keinen Fall vertraut. Profis, selbst kleine Gauner am Rande der Unterwelt-Szene, wären mißtrauischer und wachsamer gewesen. »Was wollen Sie damit sagen?« fragte Mylady, nachdem Parker ihr dies mitgeteilt hatte. Die schmale Straße am Rande von Soho lag bereits hinter ihnen und sie fuhren in Richtung Picadilly Circus. »Diese jungen Männer, Mylady, und wahrscheinlich handelt es sich um Söhne der Sonne, scheinen auf keinen Fall trainierte und
ausgebildete Mitglieder der Unterwelt zu sein.« »Sondern, Mr. Parker? Harmlos sind sie bestimmt nicht. So etwas erkenne ich auf den ersten Blick.« »Harmlos, aber fanatisch, Mylady, eine brisant zu nennende Mischung«, erläuterte Josuah Parker. »Harmlos im Sinn der bekannten Kriminalität, fanatisch im Sinn ihrer Sekte. Diese jungen Söhne der Sonne dürften voll und ganz hinter dem stehen, was sie glauben. Damit sind sie gefügige Werkzeuge in der Hand eines Gangsters.« »Natürlich. Sie tun willenlos das, was man von ihnen verlangt. Das habe ich Ihnen ja gerade gesagt«, behauptete sie wieder mal schamlos und errötete noch nicht mal. »Vielleicht schrecken sie noch nicht mal vor einem Mord zurück.« »Wie man leider und in der Tat im Fall Peter Bloom feststellen konnte, Mylady.« »Es wird Zeit, daß ich diesem Hall gegenüberstehe«, sägte die ältere Dame grollend. »Sie werden dann Mühe haben, Mr. Parker, mich zurückzuhalten!« * Percy Aldich residierte in einem modernen Bürohaus in Themsenähe. Dieses Bürohaus strahlte Seriosität, Reichtum und Macht aus. Die große Empfangshalle war dementsprechend eingerichtet, und der Mann hinter dem Marmorschreibtisch, der für die Anmeldungen zuständig war, bekam fast einen Schlaganfall, als ein altes,
nicht, gerade fürstlich gekleidetes Ehepaar die Halle betrat. Nachdem der Mann sich von seiner Schwäche etwas erholt hatte, wieselte er um den Marmorklotz herum und eilte auf das betagte Paar zu. Er bemühte sich um Leutseligkeit, schaute aber bereits zu den beiden uniformierten Männern hinüber, die vor den Lifts Aufstellung bezogen hatten. Sie reagierten sofort und näherten sich behutsam. »Lady Simpson wünscht Mr. Aldich zu sprechen«, sagte Josuah Parker wie selbstverständlich. »Gute Leute«, sagte der Empfangsherr und lächelte neutral-abweisend, während er den beiden Besuchern den Weg versperrte. »Sie haben sich gewiß verlaufen.« »Reden Sie gefälligst keinen Unsinn, junger Mann«, grollte die Detektivin den jungen Mann an. »Und verschonen Sie mich gefälligst mit diesen herablassenden Ton, sonst können Sie was erleben!« »Sie sollten Mr. Aldich verständigen«, empfahl Josuah Parker. »Für die Zukunft sollten Sie sich zudem merken, daß Äußerlichkeiten nicht zählen.« »Gehen Sie jetzt!« Der Empfangsherr deutete mit ausgestrecktem Arm nach draußen. »Gehen Sie augenblicklich, oder ich muß Sie entfernen lassen!« Er wartete die Reaktion der beiden Besucher dummerweise erst gar nicht ab, sondern nickte den Hauswachen zu, die diese Dummheit noch ausweiteten und ausgerechnet nach der Lady faßten. Das hätten sie allerdings besser nicht getan.
Die alte Ehefrau trug einen Pompadour, der übrigens ausgezeichnet zu ihrer Aufmachung paßte. Mit diesem Pompadour wehrte sie sich. Sie ließ ihn gegen die Magengrube des links von ihr stehenden Mannes klatschen, der sich daraufhin tief und fast ehrfurchtsvoll verbeugte. Er tat es nicht aus Respekt Mylady gegenüber, sondern weil der > Glücksbringer< im Pompadour ihn dazu zwang. Der zweite Wächter bekam ebenfalls diesen >Glücksbringer< zu spüren. Auch seine Magenpartie wurde voll getroffen. Da er ein wenig unglücklich stand, rutschte er aus und fiel auf sein Gesäß. »Wagen Sie es nicht noch mal, eine wehrlose Frau anzufassen«, grollte Agatha Simpson donnernd durch die Halle. »Das war ja schon fast unsittlich zu nennen. Was für eine Moral herrscht denn hier in diesem Haus?« Der Empfangschef wollte sich hinter seinen Marmorblock flüchten und wohl Hausalarm geben, doch er kam nicht weit. Er landete bäuchlings auf dem Teppich, als Lady Simpsons Pompadour ihn zwischen den Schulterblättern voll erwischte. Er legte sich anschließend auf die Seite und keuchte. Parker schritt würdevoll an ihm vorüber, griff zum Telefon und ließ sich über die Hausvermittlung mit dem Chefbüro Aldich verbinden. Dann meldete er höflich den Besuch seiner Herrin an. Er wurde augenblicklich mit Mr. Aldich verbunden, der artig versprach, sofort herunter in die Halle zu kommen.
Es dauerte nur wenige Minuten, bis einer der beiden Lifts unten landete. Die Tür öffnete sich mit sanftem Zischen, und Mr. Percy Aldich trat federnd und voller Dynamik in die Empfangshalle. »Das dauert ja eine Ewigkeit, junger Mann«, sagte Lady Simpson und schritt auf ihn zu. Das breite Lächeln von Percy Aldich verschwand augenblicklich und machte einer totalen Verblüffung Platz. »In den Buckingham Palace komme ich schneller und reibungsloser als zu Ihnen«, redete Lady Simpson weiter. »Starren Sie mich übrigens nicht so entgeistert an! Ein Abendkleid werde ich mir anziehen, wenn ich Sie sprechen will, wie?« Percy Aldich, ein straffer Endvierziger, hatte ein feines und geschultes Ohr. Der Name Lady Simpson hatte ihm bereits eine Menge gesagt, der Ton jedoch, den diese Dame sprach, aktivierte in ihm fast so etwas wie Unterwürfigkeit. »Darf ich Sie hinauf in mein Büro bitten?« fragte er und verbeugte sich. »Es hat doch keine Mißverständnisse oder Zwischenfälle gegeben?« »Nicht für mich«, erwiderte Agatha Simpson und maß die drei Wächter mit ironischem Blick. »Richten Sie diese Frage lieber an die drei jungen Männer.« * »Töchter des Mo, Mylady?« Percy Aldich schluckte diskret und kämpfte gegen eine leichte Röte an,
die sein Gesicht einfärben wollte. »Ich... Ich verstehe nicht recht.« »Reden wir nicht um den heißen Brei herum, Mr. Aldich«, antwortete die alte Dame grimmig. »Ich hasse Zeitverschwendung. Sind Sie mit einer dieser Töchter nun ins Bett gegangen oder nicht?« »Mylady!« Percy Aldich erlitt einen schon recht starken Hustenanfall und hatte nun seinen roten Kopf, gegen den er angekämpft hatte. »Haben Sie, haben Sie nicht, junger Mann? Kommen Sie mir nicht mit irgendwelchen dummen Ausflüchten.« »Mylady, mein Privatleben... Ich meine... Man sollte...« »Mylady ermittelt in einem Kriminalfall«, schaltete Josuah Parker sich erklärend ein. »Ich darf Ihnen versichern, Sir, daß Ihr Name aus dieser Affäre herausgehalten werden wird.« »Erzählen Sie alles der Reihe nach, junger Mann! Ich könnte Ihnen allerdings auch einen ChiefSuperintendent auf den Hals schicken. Der wird dann weniger diskret sein als ich.« »Sie... Sie ermitteln privat, Mylady?« fragte Aldich. »Sie sind verheiratet, haben Kinder, eine Stellung in der Gesellschaft und rechnen damit, eines Tages noch höher zu steigen, nicht wahr?« »Das alles trifft schon zu, Mylady, aber...« »Was bezahlen Sie dafür monatlich an Erpressungsgeldern?« Die Frage der älteren Dame war ein Volltreffer.
Percy Aldich schloß die Augen, sein Kinn vibrierte leicht. »Nun zieren Sie sich gefälligst nicht wie eine Jungfrau«, schnaubte Lady Simpson. »Wie hat das alles angefangen?« Percy Aldich öffnete die Augen und sah die ältere Dame bittend an. »Was ich Ihnen sage, Mylady, darf nie an die Öffentlichkeit dringen«, flehte er förmlich. »Mr. Parker, finden Sie nicht auch, daß ich langsam ungeduldig werde?« Lady Agatha wandte sich an ihren Butler. »Diesen Eindruck, Mylady, habe ich in der Tat gewonnen.« »Kann ich nicht... Ich meine... Unter vier Augen?« Percy Aldich sah zu Parker hinüber. »Ohne Mr. Parker nehme ich kein einziges Wort zur Kenntnis«, grollte Lady Simpson. »Wann und wo lernten Sie eine dieser Mo-Töchter kennen?« »In einem Nachtclub, Mylady.« Der Manager hatte sich entschlossen, eine Art Beichte abzulegen. »Genauer gesagt, in Mayfair, ein privater Club...« »Geschenkt.« Sie winkte ab. »Sie verkehren dort?« »Hin und wieder, Mylady, mit Geschäftsfreunden. Bei solch einer Gelegenheit kam es zu einem ersten Kontakt.« »Und wie spielte der sich ab?« »Eine junge, durchaus gut erzogene Dame kam an unseren Tisch, den ich für meine Geschäftsfreunde und mich hatte reservieren lassen. Nein, mißverstehen Sie mich nicht! Sie war keines dieser billigen Mädchen, das
ganz gewiß nicht. Sie war irgendwie sogar amüsant, weil sie uns bekehren wollte.« »Sie empfahl Ihnen, Sir, ein neues Leben zu beginnen, ein Leben in Glück und ohne Zwänge?« Parker hatte sich eingeschaltet. Er erinnerte noch recht gut seinen persönlichen Kontakt mit einer Tochter des Mo. »Die Thesen der jungen Dame waren recht ungewöhnlich«, stimmte Aldich dem Butler bei. »Sie sprach irgendwie von der Explosion der Gefühle und der Persönlichkeit. Und ich glaube, sie meinte es sogar ernst.« »Sie ließen sich auf solch einen Explosionsversuch also ein.« Lady Simpson stellte nüchtern diese Tatsache fest. »Nun ja, Mylady, ich war angeheitert, meine Geschäftsfreunde nicht minder, kurz, wir ließen uns zu einer Intensivstunde überreden und einladen.« »Intensivstunde?« Agatha Simpson lächelte anzüglich. »So nannte die junge Dame das. Sie wollte uns mit den Lehren des Mo, wie sie es ausdrückte, vertraut machen.« »Und Sie gingen dann wohin?« »In ein kleines Hotel, gleich in der Nähe des Clubs.« Aldich senkte verschämt den Blick. »Ich wiederhole noch mal, Mylady, sie war keine, ähem, sagen wir, keine von der Straße. Sie war eine durchaus wohlerzogene junge Dame.« »Wie weit gedieh diese Einführung in die Lehren des Mo?« »Mylady, bitte, ersparen Sie mir Einzelheiten.« Percy Aldich bekam wieder einen roten Kopf. »Wir
tranken, ich hörte mir das alles an, was sie zu sagen hatte und dann...« »Nun, dann dürften Sie zu irgendeinem Zeitpunkt eingeschlafen sein, nicht wahr?« »Allerdings. Als ich wieder wach wurde, reichte sie Tee. Irgendwelche Peinlichkeiten kamen überhaupt nicht auf.« »Bis man Sie erpreßte, nicht wahr?« »Das geschah einige Tage später. Übrigens, von einer regulären Erpressung möchte ich ebenfalls nicht sprechen. Man begrüßte mich am Telefon als einen Förderer von Mo und teilte mir mit, wieviel ich monatlich an Beiträgen zu zahlen hätte.« »Wieviel, junger Mann?« »Hundert Pfund, Mylady.« Percy Aldich senkte den Kopf und atmete erregt. »Ich bin mir klar, daß hier natürlich eine Erpressung vorliegt, aber eben in einer Form, die kaum zu beweisen sein wird. Drohungen, oder auch nur Andeutungen, Mylady, wurden nicht ausgesprochen. Natürlich habe ich sofort verstanden, wie das alles zu verstehen ist, und ich habe gezahlt.« »Seit wann fördern Sie die Töchter des Mo, Sir?« wollte Josuah Parker wissen. »Seit drei Monaten, Mr. Parker.« »Haben Sie danach je noch mal Kontakt mit einer dieser Mo-Töchter gehabt?« »Nur indirekt, Mr. Parker. Man bat mich, weitere Förderer zu gewinnen, angeblich zum Wohl des Mo. Und dabei weiß ich eigentlich immer noch nicht, was dieses oder dieser Mo ist.«
»Waren Sie in der Lage, weitere Förderer zu finden, Sir?« »Zwei Geschäftsfreunde, Mr. Parker.« »Die dann wohl ihrerseits wieder neue Förderer zu gewinnen haben, nicht wahr?« »Das scheint das System zu sein, Mr. Parker.« Aldich nickte bestätigend. »Es ist geradezu teuflisch in seiner Unangreifbarkeit, verstehen Sie? Keine Drohungen, ich wiederhole das bewußt noch mal, Mr. Parker, keine Anspielungen und Andeutungen, keine sogenannten Intimfotos, die verfängliche Situationen zeigen, nein, nein, man wird einfach Mitglied eines Vereins, den man nicht kennt und den man möglichst schnell wieder vergessen möchte.« »Sie haben den Tempel des Mo schon mal besucht?« erkundigte der Butler sich. »Ich wurde mehrfach eingeladen, aber ich habe darauf verzichtet, mir das anzusehen. Die Einladungen ergingen offiziell und schriftlich. Ich muß es wirklich noch mal wiederholen: Man ist da plötzlich nach so einer Begegnung Mitglied der Sekte des Mo und zahlt seine Beiträge. Man ist wie eingeschnürt.« »Ich bin überrascht«, bekannte Lady Simpson. »Sie tun mir ja fast leid, junger Mann.« »Ich weiß nicht, wie ich aus dieser Sache je wieder herauskommen soll«, seufzte Percy Aldich. »Und es ist nur ein schwacher Trost, daß außer mir wahrscheinlich noch Hunderte von Berufskollegen sich in einer ähnlichen Lage befinden. Der Mann, der sich dieses System
ausgedacht hat, ist raffiniert. Einmal den Köder geschluckt, und man kommt nie wieder von der Leine los.« * »Richtig.« Sie war überraschend schnell einverstanden. Sie saß neben Parker im kleinen Mini-Cooper und machte einen nachdenklichen Eindruck.« Was sagen Sie zu Aldichs Feststellung, daß diese Mo-Tochter seinem Gefühl nach nicht professionell bediente.« »Dies entspricht durchaus dem, Mylady, was man über die Söhne der Sonne sagen möchte«, antwortete Josuah Parker. »Auch bei ihnen scheint es sich nicht um professionelle Mitglieder der Unterwelt zu handeln.« »Wie erklären Sie sich das?« »Allenthalben, Mylady, schießen Sekten üppig ins Kraut«, antwortete Butler Parker. »Dieses Phänomen ist bereits seit Jahren zu beobachten. Junge Menschen beiderlei Geschlechts suchen das, was man vielleicht mit Nestwärme umschreiben sollte. Sie suchen Wege, um dem tristen und oftmals grauen Alltag zu entgehen, der nach Aussage des Soziologen fast nur noch aus Leistungsdruck besteht. Diese jungen Menschen suchen nach Idealen und möchten das materielle Denken überwinden. Ich darf in diesem Zusammenhang an die vielen Sekten erinnern, die von indischen Gurus geleitet werden.« »Und Von Subjekten, wie dieser Hall eines ist.« Sie nickte grimmig.
»In der Nähe echter neuer Religionsgemeinschaften siedeln sich immer Nachahmer und Schwindler an, Mylady.« »Aber, guter Gott, was bringt nette Mädchen dazu, sich zu prostituieren und sich, für Erpressungen hinzugeben?« »Sektenführer pflegen ihre Mitglieder einer sogenannten Gehirnwäsche zu unterziehen«, redete Parker gemessen weiter. »Die normale Persönlichkeit wird in langen Gebets- oder Meditationsstunden förmlich zerstört. Schließlich sind die neuen Mitglieder bereit, all das zu tun, was man von ihnen verlangt. Sie glauben ja, im Sinn ihres neuen Ordens zu handeln.« »Gehören auch Erpressungen dazu?« Die Detektivin schüttelte verärgert den Kopf. »Ich möchte mir erlauben zu unterstellen, Mylady, daß die Töchter des Mo, um bei diesem Beispiel zu bleiben, wahrscheinlich keine Ahnung haben, daß ihre Intensivstunden später zu Erpressungen genutzt werden.« »Das möchte ich aber genau wissen, Mr. Parker. Könnte man nicht solch eine Tochter des Mo zu mir einladen? Sie verstehen, was ich meine?« »Mylady möchten ihrerseits eine Art Intensivstunde durchführen?« »Ich will wissen, warum die Mädchen so und nicht anders handeln, Mr. Parker. Oder könnte man Miß Porter vielleicht in diese Sekte einschmuggeln? Ich würde mich ja selbst gern zur Verfügung stellen, wenn ich nur die geringste
Aussicht hätte, aufgenommen zu werden.« »Diese Aussichten dürften in der Tat recht gering sein, Mylady«, erklärte Josuah Parker. »Damit möchte ich Mylady natürlich nicht zu nahe treten.« »Man müßte zwei bis drei Jahre jünger sein«, seufzte sie in Selbstüberschätzung. »Vielleicht hätten Mylady dann tatsächlich echte Chancen«, schmeichelte Parker unverfroren, doch Agatha Simpson schluckte seine Worte ohne jeden Protest. »Bleibt also nur die Möglichkeit, eine Mo-Tochter aus dem Verkehr zu ziehen. Und das werden Sie übernehmen, Mr. Parker. Verwandeln Sie sich noch mal in einen Lebemann. Besonders schwer wird Ihnen das ja wohl nicht fallen.« »Mylady überschätzen meine bescheidenen Fähigkeiten.« »Dann geben Sie sich eben etwas Mühe!« »Ich möchte der Befürchtung Ausdruck verleihen, Mylady, daß inzwischen auch die Töchter des Mo ihre Aktivitäten eingeschränkt oder ganz eingestellt haben dürften.« »Sie meinen, dieser Hall würde erst mal abwarten?« »Davon sollte man ausgehen, Mylady.« »Das würde mir aber gar nicht passen. Dann finden Sie wenigstens heraus, wo dieses Subjekt sich aufhält. Dieser Mann muß doch zu finden sein.« »Auch Chief-Superintendent McWarden wird sich bemühen, diesen Aufenthaltsort ausfindig zu machen.«
»Sie müssen eben schneller sein, Mr. Parker. Sie haben doch da Ihre ziemlich finsteren Beziehungen. Spielen Sie sie aus!« »Mylady werden möglicherweise bald zufrieden sein.« Parker hatte seine bestimmten Vorstellungen, um weitere Informationen zu bekommen, doch er wollte seine Herrin absichtlich nicht einweihen. Sie hätte mit Sicherheit nur gestört. Leider hatte sie wieder mal eine Idee. »Ich hab's«, sagte sie plötzlich und machte einen unternehmungslustigen Eindruck. »Mylady hegen die Absicht, Mr. Hall zu provozieren?« vermutete Parker und hatte Mühe, sein Pokergesicht zu wahren. »Daß ich nicht früher darauf gekommen bin«, wunderte sie sich und schüttelte ärgerlich den Kopf. »Wir werden jetzt in Ihren Wagen umsteigen, Mr. Parker und noch mal zurück zum Tempel des Mo fahren. Wartet man dort auf uns oder nicht?« »Diesen Eindruck könnte man in der Tat haben, Mylady.« »Wir werden eine Meute für uns interessieren«, redete sie freudig weiter. »Wir werden sie irgendwohin locken, Mr. Parker. Wohin, nun, das überlasse ich Ihnen. Und dann werde ich mich mal mit diesen Sonnensöhnen über die Töchter des Mo unterhalten. Das stelle ich mir sehr anregend vor.« »Darf ich mir erlauben darauf zu verweisen, Mylady, daß man es mit fanatisierten Gegnern zu tun haben wird? Mit gewissen Spielregeln, wie sie selbst in der Unterwelt herrschen, dürfte hier nicht zu rechnen sein.«
»Aber das macht doch nichts, Mr. Parker.« Die ältere Dame war nicht zu erschrecken. »Dann werde ich auch diese Spielregeln nicht einhalten. Ich rechne mit einem hübschen Nachmittag!« * Die Provokation wurde ein voller Erfolg. Etwa eine Stunde später erschien genau jener Wagen, auf den die wartenden Sonnensöhne eingeschworen worden waren: Ein hochbeiniges Monstrum, dem Aussehen nach ein altes Londoner Taxi, fuhr langsam an der schmalen Straße vorüber, in der sich der Tempel des Mo befand. Wie auf ein geheimes Kommando hin setzten sich sofort einige dort wartende Fahrzeuge in Bewegung und folgten Parkers Wagen. Lady Simpson, die sich im Fond bequem niedergelassen hatte, nickte triumphierend. »Sie haben angebissen«, rief sie nach vorn. »Nun sind Sie an der Reihe, Mr. Parker. Spielen Sie etwas mit diesen Sonnensöhnen!« Parker hatte sich wirklich nur ungern auf diese Fuchsjagd eingelassen. Er ahnte, was da auf Mylady und ihn zukam. Die Verfolger würden alles daransetzen, ihren Herrn und Meister zufrieden zu stellen. Er sorgte erst mal dafür, aus dem engeren Citybereich herauszukommen. Ihm kam es darauf an, bei der später zu erwartenden Hetzjagd keine unschuldigen Menschen in Gefahr zu
bringen. Er wollte mit diesen Sonnensöhnen möglichst allein sein. Butler Parker benutzte eine der breiten, nördlichen Ausfallstraßen und hielt sich genau an die hier geltenden Richtgeschwindigkeiten. Ihm schwebte vor, die Dinge in der Nähe von Epping Forest zu erledigen. Dort gab es Hügel, weite Wiesen, eine Parklandschaft besten englischen Stils und viele Waldwege. Hier war vor allen Dingen nicht mit dichtem Verkehr zu rechnen. Der Kometenschweif, den er nach sich zog, bestand aus vier Fahrzeugen unterschiedlicher Marken. Es handelte sich durchweg um schnelle Autos, die, was Parker inzwischen festgestellt hatte, erfreulich tief lagen. Geländegängig waren diese Fahrzeuge gewiß nicht. Nachdem er die Ausfallstraße verlassen hatte, um sich ins eigentliche Gelände zu begeben, gab Parker ein wenig Gas. Es war erstaunlich, wie umgehend der Motor darauf reagierte. Er röhrte auf wie ein Hirsch und schoß wie eine kleine Rakete los. Die vier Fahrzeuge blieben fast stehen. Dann aber schien der Ehrgeiz der Verfolger geweckt worden zu sein. Auch sie gaben ihren Wagen die Sporen und holten schnell auf. Die jungen Männer waren erstklassige Fahrer, die durchaus verstanden, sich durch die engen Kurven der einsamen Landstraße driften zu lassen. Parker sorgte erst mal für eine leichte Verwirrung und Heß seinen Wagen eine ölig-schwarze Auspuffwolke ausstoßen. Sie wirkte wie ein plötzlich herabfallender Vorhang.
Selbst in Parkers Wagen war das Quietschen und Kreischen hastig und voll getretener Bremsen zu vernehmen. Die vier Fahrer konnten nichts mehr sehen und mußten, ob sie wollten oder nicht, erst mal warten, bis die schwarze Wolke sich gelichtet hatte. Parker minderte das Tempo seines hochbeinigen Monstrums, hielt hinter einer sanften Biegung kurz an und bediente einen der vielen Hebel, über die das Armaturenbrett verfügte. Daraufhin tat sich Erstaunliches: Obwohl die Räder fest auf dem Weg blieben, hoben sich Rahmen und Aufbau in der Manier eines französischen Wagens ganz bestimmter Sorte. Die Bodenfreiheit des Monstrums nahm schon fast bestürzende Höhe an. Parker fuhr langsam weiter, denn die vier Wagen sollten ja auf keinen Fall den Anschluß verlieren. Er wollte sie möglichst nahe an sich herankommen lassen und dann in ein Gelände locken, das ihren Wagen nicht gut bekam. Und da kamen sie auch schon. Sie hatten die ölig-schwarze Wolke vorsichtig durchstoßen, wieder ihr Ziel aufgenommen und jagten heran wie die wilde Meute beim Fuchsrennen. Wahrscheinlich waren die jungen Fanatiker zusätzlich noch verärgert, daß man sie ein wenig hereingelegt hatte. Parker gab Gas und sorgte für genau den Abstand, den er für seine Absichten brauchte. Dann schlug er mit dem Wagen einen scharfen Haken, verließ die Landstraße und bog in einen Feldweg, der eigentlich nur aus zwei Spurrinnen bestand. Es
handelte sich um einen alten Karrenweg, der eine Art >Mittelstreifen< besaß, der aus Geröll, Gras und Unkraut bestand. Parker sorgte dafür, daß die Verfolger den wahren Charakter dieses tückischen Karrenwegs nicht erkannten. Aus dem mächtigen Auspuff seines Monstrums quollen in steter Folge blau-schwarze Rauchwölkchen, die dem Unkundigen den Eindruck vermittelten, daß der Motor inzwischen überstrapaziert wurde. Diese Wölkchen sorgten jedoch dafür, daß die Verfolger nicht herausfinden, wie hoch das Monstrum sich selbst geliftet hatte. Der Karrenweg wurde eingesäumt von Büschen, Strauchwerk und kleinen Erd- und Steinwällen. Ein Überholen war hier nicht möglich, doch vielleicht ein Rammen. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte dem Butler, daß der erste Wagen hinter ihm durchaus dieses Ziel verfolgte. Der Fahrer gab Vollgas und machte förmlich einen Satz nach vom. Er wollte sich mit seiner Motorhaube in Parkers Wagenheck bohren. Nun, er bohrte keineswegs! * Der Rammversuch endete mehr als peinlich und kläglich. Natürlich hatte der Fahrer nicht weiter auf den tückischen > Mittelstreifen < geachtet. Er ging wohl von der Annahme aus, dort ebenfalls fahren zu können, wo Parkers Wagen sich bereits befand. Dies war jedoch nicht der Fall!
Plötzlich setzte der erste verfolgende Wagen hart auf. Ein kreischendes Schrammen und Reißen ertönte. Die Insassen des Wagens wurden durcheinandergeschüttelt, der Fahrer flog weit über das Lenkrad. Der Wagen schien über eine kleine, aber steile Rampe in den Himmel fahren zu wollen und ... saß dann fest, nachdem er das Achsgetriebe einen halben Meter hinter sich gelassen hatte. Dabei war natürlich eine Staubwolke entstanden, die den nachfolgenden Fahrern die Sicht nahm. Sie nahmen ihre Füße nicht schnell genug von den diversen Gaspedalen und ... rauschten voll drauf. Reißen und Kreischen, Splittern von Glas und Bersten von Blech erfüllte die Luft. Die vier ineinanderverkeilten Wagen türmten sich zu einem mittelhohen Schrotthaufen. Es dauerte geraume Zeit, bis die Rallyefahrer wider Willen endlich diesen Schrotthaufen verlassen hatten. Da sie sich angeschnallt hatten, war ihnen natürlich nichts passiert. Aber sie alle machten doch einen sehr benommenen und auch enttäuschten Eindruck. Sie hatten sich die Schlußphase dieser wildverwegenen Jagd doch erheblich anders vorgestellt. Mylady benahm sich übrigens recht schadenfroh. Sie stand neben Parkers hochbeinigem Wagen und wischte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln. »Diese Gimpel«, sagte sie dann. »Wollen es mit mir, mit Lady
Simpson aufnehmen! Was sagen Sie dazu, Mr. Parker?« »Ein Unterfangen, Mylady, daß nur so enden konnte«, stimmte Parker in seiner höflichen Art bei. »Darf ich Myladys Aufmerksamkeit übrigens auf den Hubschrauber lenken, der fort über dem Waldstück erscheint.« »Was hat denn das zu bedeuten?« Sie sah ihn jetzt auch. Wie eine überdimensional große Heuschrecke hüpfte er über die Baumwipfel und hielt dann direkt auf den Schrotthaufen zu, über dem immer noch eine dichte Staubwolke stand, die sich jetzt allerdings einfärbte und dunkel wurde. Irgendein Wagen schien Feuer gefangen zu haben. »Nach einem Polizeihubschrauber sieht dieses Modell auf keinen Fall aus, Mylady.« »Hall?« Mehr sagte sie nicht. Ihre Schadenfreude war bereits erloschen, sie war nur noch gespannte Aufmerksamkeit. »Mylady könnten damit vielleicht das erreicht haben, was man gemeinhin einen Volltreffer nennt.« »Das ist Hall!« Sie war sich ihrer Sache natürlich vollkommen sicher und vibrierte vor Ungeduld. »Mr. Parker, wir werden diesen Hubschrauber stürmen.« »Falls er landet, Mylady.« »Er muß landen, denn per Funk kann er sich bestimmt nicht mehr verständigen, Mr. Parker. Die Wagen sind alle hin.« »Darf ich mir erlauben, Mylady an Handfunksprechgeräte zu erinnern?« »Zu dumm!« Sie nickte. »Haben Sie nicht etwas Passendes zur Hand?
Vielleicht eine kleine Rakete oder so?« »Ich muß leider bedauern, Mylady.« »Sie lassen nach, Mr. Parker«, tadelte die Herrin des Butlers. »So etwas muß man einfach bei sich haben. Sehen Sie, das Ding bleibt über dem Schrotthaufen stehen!« »Man scheint sich miteinander zu verständigen, Mylady.« Parker öffnete das Handschuhfach, während er diesen Hinweis gab. Er holte eine Spiegelreflexkamera hervor und schraubte ein Objektiv mit langer Brennweite auf. Dies geschah innerhalb weniger Sekunden. In technischen Dingen war der Butler versiert. Er visierte den Hubschrauber an, um dann in schneller Folge eine Serie von Aufnahmen zu schießen. Durch die ausgezeichnete Optik konnte er neben dem Piloten einen schlanken Mann erkennen, der durchaus der gesuchte Herbert L. Hall sein konnte. Der Hubschrauber drehte sich um seine Achse und erinnerte jetzt an eine bösartige Hornisse, die unbedingt ein Opfer suchte und brauchte. Parker legte schnell den Fotoapparat aus der Hand und lüftete in Richtung Lady Simpson die schwarze Melone. »Mylady sollten sich vielleicht auf einen Angriff einrichten«, sagte er dann gemessen. »Es dürfte sich empfehlen, Mylady, dort unter der Baumwurzel einen provisorischen Schutz zu suchen.« Diesmal protestierte sie nicht. Sie wußte genau, wenn Parker es ernst meinte. Sie brachte ihre
majestätische Fülle in Schwung und Bewegung, dann stieg sie in die natürliche Grube und schaute zu, wie Parker sich zurück in das hochbeinige Monstrum setzte, um sofort danach loszufahren. * Parker wußte, daß es auf Tod und Leben ging. Er jagte mit seinem Wagen über die weite Wiese, verließ absichtlich die doch nur unzureichende Deckung des kleinen Wäldchens, wo er eben noch geparkt hatte. Er wollte den Hubschrauber möglichst weit von Lady Simpsons Versteck weglocken. Diese Taktik war richtig. Der Hubschrauber hatte sein Opfer längst wahrgenommen und nahm die Verfolgung auf. Er war natürlich wesentlich schneller und wendiger als Parkers Wagen. Er konnte jäh anhalten, beschleunigen, Haken schlagen und praktisch auf der Stelle stehen. Parker drückte mit seinem schwarz behandschuhten Finger auf einen der vielen Armaturenknöpfe. Sekunden später quollen giftig gelbe Nebelschwaden aus einem zweiten Auspuff und breiteten sich schnell aus. Parker fuhr in wilden ZickZack-Bewegungen über die weite Wiese und brauchte nur kurze Zeit, bis das gesamte Gelände vernebelt war. Ihm entging aber keineswegs, daß man ihn aus einer Maschinenpistole beschoß. Nach einem Haken, den er instinktiv geschlagen hatte, sprangen seitlich vom Wagen kleine Erdfontänen aus dem Rasen. Die Geschosse hatten
ihn erfreulicherweise gerade noch verfehlt. Parker nahm sich vor, für die nächste Ausfahrt eine noch bessere Grundausrüstung mitzunehmen. Er dachte unwillkürlich an Myladys Worte, die um Raketen gebeten hatte. Es empfahl sich in der Tat, zukünftig einige Exemplare dieser Waffe mit in den Kofferraum zu packen. Sie wären gerade jetzt doch von einigem Nutzen gewesen. Nun, ein Josuah Parker kam aber auch in solch einer prekären Situation durchaus zurecht. Er bremste jäh ab, griff nach einem seiner Patent-Kugelschreiber, verdrehte die beiden Hälften gegeneinander, um die Miniaturwaffe so scharf zu machen, und schleuderte das nach außen hin wirkende Schreibgerät weit von sich ins Gras. Bruchteile von Sekunden später explodierte eine kleine Sonne. Selbst Parker, der seine Augen geschlossen hatte und zusätzlich durch den angewinkelten Unterarm schützte, wurde fast geblendet. Der grelle Lichtblitz bohrte sich förmlich in seine Augäpfel. Nur zögernd öffnete Parker dann die Augen und wartete, bis die Blendung sich ein wenig gelegt hatte. Er drehte die kugelsichere Wagenscheibe herunter und horchte nach draußen. Das Schlagen der HubschrauberRotoren entfernte sich und wurde deutlich schwächer. Der Pilot und sein Begleiter mußten trotz der wallenden Nebelschwaden ebenfalls stark geblendet worden sein, daran bestand kein Zweifel.
Glaubten sie, den Wagen getroffen zu haben? Rechneten sie damit, daß der Tank explodiert war? Nein, sie würden bestimmt noch mal zurückkommen, sobald ihre Augen sich von dem Lichtblitz erholt hatten. Parker hatte jetzt etwas mehr Zeit, die nächste Aktion vorzubereiten. Er holte die zusammenfaltbare Gabelschleuder aus einer der Innentaschen seines schwarzen Zweireihers, machte sie betriebsfertig und holte einen zweiten Kugelschreiber aus einer der zahlreichen Westentaschen. Dann wartete er auf die Rückkehr des Hubschraubers. Es dauerte nicht lange, bis das harte Schlagen der Rotoren wieder zu vernehmen war. Sehen konnte Parker das Fluggerät natürlich nicht, dazu waren die Nebelbänke noch zu kompakt. Als er jedoch sicher war, daß der Hubschrauber schräg über ihm stand, spannte er die beiden Gummistränge der Gabelschleuder und ... schoß den scharf gemachten > Kugelschreiber < nach oben. Ein zweiter Lichtblitz, und wieder schien eine Sonne zu explodieren! Der Motor des Hubschraubers heulte auf und wurde auf Höchsttouren gebracht. Dann fegte ein Schwall von Laub, Gras und Staub über den Boden. Parker konnte einen Augenblick kaum etwas erkennen. Er fuhr sicherheitshalber und blindlings ein gutes Stück zurück, wechselte den Standort und konnte nun durch ein kleines Loch in den Nebelschwaden den Hubschrauber ausmachen, der
wegstrich und dann hinter einem anderen Waldstück verschwand. Mr. Herbert L. Hall, falls er unmittelbar beteiligt gewesen war, schien nicht die Nerven zu haben, sich weiterhin mit dem trickreichen Butler anzulegen. Er suchte sein Heil erst mal in der Flucht. * Butler Parker war ehrlich bestürzt. Als er zurück zum Wäldchen kam, um seine Herrin aufzunehmen, war sie weit und breit nicht zu sehen. Sie schien aus bestimmten Gründen ihre Deckung verlassen zu haben. Parker dachte sofort an die Möglichkeit, daß Mylady vielleicht entführt worden war. Hatten die Sonnensöhne die Hetzjagd auf der Wiese genutzt, um Mylady anzugreifen? Parker setzte sich zurück ans Steuer und jagte hinüber zu dem Schrotthaufen, dessen Urheber er war. Er war bereit zum Nahkampf, um die ältere Dame wieder zu befreien. Als er den Berg aus Autowracks erreicht hatte, war von den Sonnensöhnen nichts mehr zu sehen. Sie hatten sich abgesetzt wie der Hubschrauber. Wahrscheinlich waren sie per Sprechfunk dazu veranlaßt worden. Parkers Bestürzung wich, als er nicht weit von den gestrandeten Autos entfernt ein südwesterähnliches Gebilde entdeckte. Es handelte sich eindeutig um Myladys Hut. Sie bevorzugte solche Mehrzweckmodelle, wie er nur zu gut wußte.
Die Nebelschwaden hatten sich inzwischen etwas aufgelöst, bildeten zwar noch zusammenhängende Inseln, aber der Feldweg hinüber zur Landstraße ließ sich doch recht gut überblicken. Nein, von den Söhnen der Sonne war nichts mehr zu sehen. »Wie lange wollen Sie da noch untätig herumstehen?« hörte er plötzlich eine grollende Stimme, die aus einem der kompakteren Nebelgebilde kam. »Ich bin schließlich kein junges Mädchen mehr!« »Mylady!?« Parkers Stimme drückte deutlich Erleichterung aus. Butler Parker gestattete sich, ein wenig Gefühl zu zeigen. Er eilte auf das Nebelgebilde zu, aus dem jetzt die Umrisse einer majestätisch aussehenden Gestalt hervortraten. Es war Mylady... Sie war nicht allein. Über ihrer rechten Schulter hing etwas Sackähnliches, was sich wenig später als menschliches Wesen entpuppte. Agatha Simpson ließ dieses menschliche Wesen sehr unkompliziert zu Boden fallen und kümmerte sich nicht weiter um die Bodenlandung dieses jungen Mannes. »Mylady waren erfolgreich?« »Ich habe mir einen dieser Sonnensöhne geholt«, erwiderte sie grimmig und ließ den Pompadour munter am Handgelenk schwingen. »Dieser Lümmel wollte zuerst Schwierigkeiten machen, aber dann gab er schnell klein bei.« »Und die übrigen Sonnensöhne, Mylady?« Parker sah sich mißtrauisch um.
»Sind gelaufen wie die Hasen«, berichtete die Detektivin triumphierend. »Diese beiden Lichtblitze, Mr. Parker, waren keine schlechte Idee. Sie hätte von mir stammen können.« »Gewiß und durchaus, Mylady.« »Dieses Subjekt werden wir mit nach Hause nehmen, Mr. Parker«, redete die resolute Dame weiter und deutete auf den noch immer reglosen jungen Mann. »Finden Sie nicht auch, daß die heutige Jugend nicht mehr viel verträgt? Ich habe doch wirklich sanft zugeschlagen.« »Mylady sind bewundernswert.« »Ich weiß, Mr. Parker, ich weiß!« Sie winkte gnädig ab. »War meine Taktik nicht richtig? Wir mußten diese Lümmel provozieren.« »Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit beschämt«, redete Parker weiter. »Die Dinge haben in der Tat eine durchaus erfreuliche Entwicklung genommen.« »Sie werden ihm von Ihrem Spezialtee geben«, sagte die ältere Dame. »Danach werden wir uns mit diesem verirrten, jungen Schaf intensiv unterhalten. Und darauf freue ich mich jetzt schon.« »Die Heimfahrt, Mylady, könnte weitere Überraschungen bringen«, warnte Josuah Parker. »Wenn ich vorschlagen darf, sollte man auf den direkten Weg verzichten.« »Das sind Kleinigkeiten, die mich nicht interessieren«, lautete ihre Antwort. »Lassen Sie sich also etwas einfallen!« *
Butler Parker ließ sich für die Heimfahrt nach London Zeit. Er rechnete mit dem Haß eines gewissen Herbert L. Hall, der eine böse Niederlage hatte einstecken müssen. Dieser Gangster, der sich jetzt als Sektenführer aufspielte, würde alles daransetzen, diese Scharte wieder auszuwetzen. Parker ging von der seiner Ansicht nach richtigen Annahme aus, daß Hall sämtliche Haupt- und Nebenstraßen in Richtung London blockieren ließ. Mitarbeiter standen ihm ja schließlich in ausreichender Menge zur Verfügung. Er brauchte nur seine sogenannten Sonnensöhne einzusetzen. Es zeigte sich, über welche Qualitäten Parkers hochbeiniges Monstrum verfügte. Es brauchte keine Straßen, selbst kaum noch begehbare Wege. Parker hatte den Geländegang eingeschaltet und ließ die Bodenwanne seines Wagens förmlich über die Hindernisse hinwegschweben. Er pries innerlich dieses System, das diese Fahrten ermöglichte. Er hatte es sich seinerzeit in seinen Wagen einbauen lassen. Es dauerte einige Zeit, bis man die alte Hafenstadt Ipswich erreicht hatte. Zwischenfälle hatten sich bisher nicht ereignet. Der Butler hatte eine sehr ungewöhnliche Route gewählt und London noch weiter verlassen. Von einer vor der Stadt liegenden Tankstelle aus rief er Kathy Porter in London an und informierte sie ausgiebig über das, was geschehen war.
»Jetzt verstehe ich auch, warum hier in der Nähe plötzlich so viele Touristen sind«, gab sie zurück. »Ich dachte schon gleich daran, daß man Myladys Haus blockieren will.« »Verlassen Sie das Haus auf keinen Fall«, bat Josuah Parker die Gesellschafterin seiner Herrin. »Schalten Sie alle Alarmsysteme ein, Miß Porter!« »Das ist bereits geschehen, Mr. Parker. Werden Sie im Lauf der Nacht zurückkehren?« »Da möchte ich mich auf keinen Fall festlegen«, erwiderte Parker.« Lassen Sie sich überraschen! Inzwischen aber könnten Sie einige Ermittlungen vornehmen, wenn ich Sie darum bitten darf.« Parker nannte das Erkennungszeichen und die Nummer des Hubschraubers. Er wollte über Kathy Porter in Erfahrung bringen lassen, wer der Besitzer dieses Fluggeräts war und wo der Hubschrauber stationiert war. Kathy versprach, dies umgehend zu erledigen. »Im Verlauf des Abends und der Nacht werde ich mir die Freiheit nehmen, Sie erneut anzurufen«, schloß Parker höflich. »Und noch einmal, Miß Porter, bleiben Sie um jeden Preis im Haus! Es wäre höchst peinlich für Sie und die allgemeine Lage, falls man Sie als Geisel nehmen würde...« »Ich werde das Haus bestimmt nicht verlassen. Soll ich dafür sorgen, daß vielleicht die Polizei erscheint?« »Auch davon sollten Sie tunlichst Abstand nehmen, Miß Porter«, lautete der Rat des Butlers. »Wie ich
Mr. Hall einschätze, setzt er darauf, daß weder Mylady noch meine bescheidene Person die zuständigen Behörden informieren werden. Daraus ergibt sich dann die Hoffnung, daß er auf keinen Fall versuchen wird, das Land zu verlassen.« Er wechselte noch einige Höflichkeiten mit Kathy Porter, legte auf und schritt zu seinem hochbeinigen Wagen zurück. Der junge Sohn der Sonne war inzwischen längst wieder zu sich gekommen, konnte aber gegen Mylady nichts ausrichten. Josuah Parker hatte ihm sicherheitshalber Handschellen angelegt und an einen eigens dafür angeschweißten Stahlring im Wagen angeschlossen. »Mylady können zufrieden sein«, berichtete Parker. »Miß Porter hütet das Haus und beobachtet Individuen, die wahrscheinlich auf Myladys Rückkehr nach Shepherd's Marker warten.« »Halls Sonnensöhne, nicht wahr?« Sie lächelte grimmig. »In der Tat, Mylady«, antwortete Parker. »Mr. Hall rechnet damit, daß man wohl im Lauf der Nacht eintrifft.« »Werden wir eintreffen?« Sie deutete auf den jungen Mann, der die Augen geschlossen hielt. Er hatte bisher kein Wort gesagt. »Eine Rückkehr sollte wohl erst dann erfolgen, Mylady, wenn die Söhne der Sonne ermüden«, erwiderte Parker. »Aber vielleicht dauert dies seine Zeit.« »Davon habe ich genug«, erklärte die ältere Dame leichthin. »Hauptsache, dieser angebliche
Wahrer der Sonne spürt uns nicht auf.« »Mit Sicherheit nicht, Mylady«, erwiderte Parker und ließ den jungen Sonnensohn dabei nicht aus den Augen. Ihm entging nicht, daß der junge Mann echte Mühe hatte, seinen Mund zu halten. Er hatte spontan etwas sagen wollen, sich aber gerade noch unter Kontrolle bringen können. Josuah Parker zog daraus gewisse Schlüsse. * »Was soll denn das?« Agatha Simpson reagierte verärgert, als Parker die hintere Tür auf ihrer Seite öffnete und sie recht energisch am Ärmel zupfte, ein Vorgang, den der junge Sonnensohn wegen der geschlossenen Augen nicht mitbekam. »Myladys obligater Abendspaziergang«, erinnerte der Butler, und endlich ging ihr ein Licht auf, daß sie aus ihr unerfindlichen Gründen den Wagen verlassen sollte. »Muß denn das sein?« beschwerte sie sich, auf die Einladung Parkers eingehend. »Ich darf an Myladys Kreislauf erinnern«, spielte Parker seinen Part weiter. »Sie sind ein hartnäckiger Tyrann«, entrüstete sie sich. »Aber nur ein paar Schritte.« »Die vom Arzt vorgeschriebenen zehn Minuten, Mylady.« »Schrecklich, ich glaube, ich werde den Arzt wechseln.« Sie brummelte noch ein wenig herum, als sie ausstieg. Dann wartete sie, bis
Parker den Kofferraum des Wagens geöffnet hatte und eine kleine Tasche herausnahm, die durchschnittlich aussah. Anschließend schlenderten sie hinüber zu dem kleinen Park gleich hinter dem Parkplatz. Sie gingen auf und ab, und Lady Simpson schien tatsächlich so etwas wie ärztliche Übungen zu absolvieren. Sie reckte und dehnte sich, nahm die Arme in die Waagerechte und dann wieder in die Höhe, drehte den Kopf im Nacken und gab sich überhaupt sehr gesundheitsbewußt. Dann verschwanden sie hinter dem Strauchwerk. Parker hantierte jetzt blitzschnell. Er öffnete die harmlos aussehende Tasche und holte ein kleines Gerät hervor, das an ein Transistorradio erinnerte. Er stöpselte ein Kabel ein, das mit einem langen Richtmikrofon verbunden war. Sekunden später war bereits eine leise, verschwörerisch klingende Stimme zu vernehmen. »Hier Sonne sechs, hier Sonne sechs«, sagte diese Stimme, die eindeutig aus Parkers Wagen kam, denn der Butler hatte das Richtmikrofon auf seinen hochbeinigen Wagen eingependelt. »Hört ihr mich? Hier Sonne sechs.« Ein Rauschen erfolgte, dann ein scharfes Knacken, daß Lady Simpson unwillkürlich zusammenzuckte. »Sonnenmitte, hier Sonnenmitte«, kam die Antwort. »Wir hören dich, Sonne sechs. Wo bist du?« »Vor Ipswich, Sonnenmitte, vor Ipswich. Sie sind nicht nach London gefahren. Ich bin als Geisel hier im
Auto. Verständigt den Wahrer der Sonne. Wir stehen dicht vor Ipswich. Alles nach Ipswich, schnell. Ich habe nicht viel Zeit. Sie werden hier in Ipswich bleiben und auf keinen Fall nach London fahren. Hier sprach Sonne sechs, verständigt den Wahrer. Ende, Ende!« Parker packte das Richtmikrofon wieder zusammen und verstaute es in der Tasche. Er bemerkte zwar das betroffene Gesicht seiner Herrin, sagte aber nichts. »Das ist doch die Höhe«, meinte sie plötzlich grollend. »Dieser Lümmel hat uns verraten.« »Was ich als ausgezeichnet empfinde, Mylady, wenn mir diese Feststellung erlaubt ist.« »Warum haben Sie ihn nicht durchsucht?« fragte sie und fand endlich einen Schuldigen. »Aber dies geschah ja durchaus, Mylady«, antwortete der Butler. »Das kleine Funksprechgerät des jungen Mannes befand sich auf seinem linken Oberschenkel.« »Und das erfahre ich erst jetzt, Mr. Parker?« »Mylady werden verzeihen, aber jeder Verdacht mußte vermieden werden. Mylady dürften mit dem jungen Mann einen Unterführer der Sonnensöhne sichergestellt haben.« »Sie haben ihm jetzt absichtlich die Gelegenheit gegeben, seinen Spruch abzusetzen?« »In der Tat, Mylady! Man sollte dieser sechsten Sonne noch ein wenig Zeit lassen, das kleine Funksprechgerät wieder wegzupacken.« »Und dann, Mr. Parker?«
»Steht einer Rückkehr nach London nichts mehr im Weg, Mylady, wie ich annehmen möchte. Mr. Hall wird seine Sonnensöhne nun hierher nach Ipswich schicken, um Mylady und meine bescheidene Wenigkeit aufzuspüren, was in dieser hübschen Hafenstadt keine besonderen Schwierigkeiten machen dürfte. »Der Plan könnte von mir sein«, gab sie hoheitsvoll zurück. »Bilden Sie sich darauf nur nichts ein, Mr. Parker!« * »Sie waren plötzlich wie vom Erdboden verschwunden«, berichtete Kathy Porter Stunden später, nachdem Lady Simpson und Butler Parker wieder im Stadthaus eingetroffen waren. Kathy Porter bezog sich mit dieser Feststellung auf die plötzlich so zahlreich aufgetauchten Touristen in der Nähe des Hauses. »Kunststück, Kindchen.« Agatha Simpson nickte lächelnd. »Weil ich diesen Hall mit einem Trick hereingelegt habe, nicht wahr, Mr. Parker?« »In der Tat, Mylady«, antwortete er und tauschte mit Kathy Porter einen schnellen Blick des Einverständnisses aus. Sie wußte damit, was sie bereits vermutet hatte: Dieser Trick stammte natürlich von Butler Parker. »Sie haben einen Sonnensohn mitgebracht?« fragte Kathy Porter, um schnell von diesem Thema abzulenken und sah Mylady bewundernd an.
»Er hatte natürlich etwas dagegen, Kindchen, mit mir zu kommen, doch ich überredete ihn dann dazu.« Sie lachte ironisch und ließ ihren Pompadour pendeln. »Hat er schon irgendwelche Aussagen gemacht, Mylady?« »Dieser junge Mann braucht erst mal eine gehörige Portion von Parkers Tee«, meinte Lady Simpson, worauf Kathy automatisch das Gesicht verzog. Dieser Tee war ihr bekannt. Sie mochte sich kaum noch an die Wirkung erinnern. »Haben Sie inzwischen etwas hinsichtlich des Hubschraubers in Erfahrung bringen können, Miß Porter?« fragte Parker. Sie nickte und griff nach einem Notizblock. »Der Hubschrauber gehört einem Mr. Herbert L. Hall«, sagte sie wie selbstverständlich. »Er ist stationiert in einem landwirtschaftlichen Betrieb in der Nähe von Stone Abbots.« »Stone Abbots? Wo hegt das, Kindchen? Hoffentlich haben Sie das inzwischen auf der Karte herausgesucht.« »Das ist nur kleines Städtchen, eigentlich mehr ein Marktflecken in der Nähe von Epping, Mylady.« »Was ich Ihnen ja gleich gesagt habe, Mr. Parker.« Sie nickte triumphierend, obwohl sie so etwas mit Sicherheit nie gesagt hatte.« Darum war dieser verflixte Hubschrauber auch so schnell zur Stelle.« »Ein durchaus erfreulicher Zufall und Umstand«, kommentierte der Butler die Aussage Kathy Porters. »Dieser landwirtschaftliche Betrieb, Mr. Parker, befindet sich auf
dem Gelände einer alten Abtei, die vor Jahren verkauft wurde.« »Damit wissen wir, wo wir diesen Herbert L. Hall finden können. Oder sind Sie etwa wieder anderer Meinung, Mr. Parker?« »Auf keinen Fall, Mylady, diese Vermutung liegt ungemein nahe.« »Wie Epping«, stellte die ältere Dame fest. »Wir könnten gleich losfahren.« »Erlauben Mylady meiner bescheidenen Person, davor zu warnen?« »Welche Bedenken haben Sie denn jetzt schon wieder?« Sie sah ihn grollend an. »Die Sonnensöhne sind alle nach Ipswich in Marsch gesetzt worden, diese ehemalige Abtei ist also so gut wie geöffnet, oder etwa nicht?« »Darf ich mir die Freiheit nehmen, Mylady, ein wenig anders, aber dennoch durchaus im Sinne Myladys zu argumentieren? « »Sie wollen mir mit Spitzfindigkeiten kommen, ich ahne es schon.« »Mr. Hall muß davon ausgehen, Mylady, daß das amtliche Kennzeichen seines Hubschraubers von Mylady erkannt wurde«, schickte der Butler voraus. »Ferner wird Mr. Hall damit rechnen, daß Mylady in dieser Richtung Ermittlungen angestellt haben. Er weiß inzwischen also, daß Mylady Ihrerseits wissen, wo er zu finden ist.« »Und wartet jetzt nur darauf, daß wir in sein geöffnetes Messer laufen, nicht wahr? Und davor möchte ich sehr warnen.« Sie nickte. »Ihr Leichtsinn, Mr. Parker, ist manchmal
bodenlos. Ich werde selbstverständlich den Zeitpunkt des Besuches bestimmen. Auf keinen Fall noch in dieser Nacht!« »Wie Mylady meinen.« Parkers Gesicht blieb ausdruckslos. »Mr. Hall wird mit Sicherheit enttäuscht sein, daß Mylady nicht umgehend erscheinen.« »Zudem haben wir jetzt andere Dinge zu tun.« Sie schaute den Butler fordernd an. »Brauen Sie Ihren scheußlichen Tee, Mr. Parker! Ich möchte mich endlich mit diesem Sonnensohn unterhalten. Gießen sie den Tee recht stark auf und lassen Sie ihn ordentlich ziehen!« »Mylady werden zufrieden sein.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an und verließ den Salon. * Wie ein strahlender Sonnensohn sah er wirklich nicht mehr aus. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten und hatte rot unterlaufene Augen. Sein Gesicht hingegen war kreidebleich. Parker mußte den jungen Mann stützen und zum Sessel führen. Agatha Simpson schaute ihn sich durch ihre Lorgnette prüfend an. »Wie fühlen Sie sich?« fragte sie dann kühl. »Mir ist hundeelend«, sagte der Sonnensohn. »Kann ich einen Schluck Wasser haben?« Parker hatte diesen Wunsch bereits vorausgeahnt und diente mit einem Glas Wasser. Der junge Mann trank hastig, schüttelte sich, reichte das Glas zurück und ließ sich gegen
die hohe Sessellehne fallen. Er schloß für einen Moment erschöpft die Augen. »Nun reißen Sie sich mal zusammen, junger Mann«, sagte Lady Simpson aufmunternd, was allerdings schon fast wie ein Befehl wirkte. »Sie werden ja schließlich nicht an diesem Tee sterben.« »Noch einige Behandlungen damit, und Sie werden wieder der sein, der Sie mal waren«, schaltete Parker sich gemessen ein. »Womit ich mir erlaube, meine erste Frage zu stellen. Sie heißen?« »Randolph Elmson«, kam die fast automatische Antwort. »Ihre bürgerliche Adresse, Mr. Elmson?« »Kensington, Young Street, Sir«, antwortete Randolph Elmson wieder automatisch. »Mein Vater ist Bauunternehmer, Spezialist für Brückenbau und so. Der denkt nur ans Geld.« »Und dürfte sich in der Vergangenheit kaum um Sie gekümmert haben, was Sie damit vielleicht tadelnd vermerken wollen?« »Und woran dachte Ihre Mutter?« fragte die ältere Dame. »An ihren Hausfreund«, lautete die Antwort, die schon etwas aggressiver klang. »Diese Verhältnisse brachten Sie dazu, sich den Söhnen der Sonne anzuschließen, wie ich unterstellen darf?« Parkers Stimme klang ohne jeden. Vorwurf. »Irgendwann hatte ich mal ein Gespräch mit einem Sohn der Sonne.« Randolph Elmson nickte. »Der Mann hatte verdammt gute
Ansichten. Ich meine, über das Leben und so. Nicht nur immer Geld und Geld. Der zeigte mir ganz andere Werte.« »Wann geschah diese Begegnung?« »Vor ein paar Monaten, Sir.« Randolph Elmson entspannte sich. »Sie können sich ja überhaupt nicht vorstellen, wie das war, was ich plötzlich erlebte. Alles war so ganz anders geworden. Ob Sie es glauben oder nicht, mein Leben hatte endlich wieder einen Sinn bekommen.« »Sie vertreten welche Philosophie, Mr. Elmson? Darf man danach fragen? Könnten Sie sie eventuell definieren?« »Die Kraft der Sonne schmilzt diesen ganzen verrückten Wohlstand weg und sorgt für einen neuen Garten Eden.« »Sie legten eine Art Gehorsamsund Armutsgelübde ab?« »Nach der Novizenzeit.« Elmson nickte. »Jeden Tag hatten wir vier Meditationsstunden.« »In Stone Abbots, nicht wahr?« »Dort ist das Zentrum der Sonne.« Elmson nickte. »Und dort befindet sich auch der große Wahrer der Sonne?« »Natürlich. Aber das können Sie sich alles überhaupt nicht vorstellen.« »Wurden Ihnen auch Tränke aus der Schale der Wahrheit oder Armut angeboten?« Parker improvisierte, um den jungen Mann zum Weiterreden zu bringen. »Aus der Sonnenschale«, korrigierte Randolph Elmson. »Danach flog man wie ein Vogel in die Sonne hinein und verbrannte,
aber man kam zurück wie ein Phönix aus der Asche.« »Wann und wo trafen Sie sich regelmäßig mit den Töchtern des Mo?« stellte der Butler die nächste Frage. Er stellte sie ganz beiläufig, obwohl sie für ihn sehr wichtig war. Beherrschte Hall beide Sekten? Hatte er sie unabhängig voneinander aufgezogen? »Sie kamen einmal in der Woche, aber das war nicht regelmäßig.« Randolph Elmson hatte gar nicht mitbekommen, welche wichtige Aussage er da gerade gemacht hatte. »Wir meditierten dann gemeinsam und feierten den Glanz der Sonne.« »Das müssen doch recht nette Feiern gewesen sein«, schaltete sich nun Agatha Simpson ein. »Die Töchter des Mo und die Söhne der Sonne!« »Es war einmalig«, bestätigte Randolph Elmson und lächelte flüchtig. »Wir kennen kein persönliches Eigentum, jeder gehört jedem, verstehen Sie überhaupt, was ich meine?« »Ich kann es mir plastisch vorstellen«, entgegnete Lady Simpson. »Und Mo war niemals anwesend?« »Bruder Mo meditiert an einem geheimnisvollen Ort in Nepal«, kam die überraschende Antwort. »Nur unser großer Wahrer der Sonne kennt seinen genauen Aufenthaltsort. Er steht in ständiger mentaler Verbindung mit ihm.« »Mentale Verbindung?« Lady Simpson lächelte geringschätzig. »Geistig, begreifen Sie das nicht? Telepathie! Sie sind über tausende von Meilen entfernt, aber sich so
nahe wie Sie und ich. Das erreicht man nur durch Meditation.« »Und bedingungslosen Gehorsam, wie ich glaube.« Parker steuerte ein anderes Thema an. »Wer sich der Kraft der Sonne verschließt, wer die Dunkelheit sucht, der wird in der Hitze der Wahrheit vergehen.« Randolph Elmson meinte damit Mord, doch das war ihm überhaupt nicht bewußt. Seine Gehirnwäsche mußte sehr nachhaltig betrieben worden sein. »Gehorsam also.« Parker nickte, als stimme er mit Elmson darin überein. »Sie hatten also die Aufgabe, neue Jünger zu gewinnen, nicht wahr?« »Das war für uns tätiger Dienst an der Sonne, Sir, verstehen Sie? Wir haben Unglückliche angesprochen oder wurden zu ihnen geschickt.« »Unglückliche weiblichen Geschlechts.« »Sie sollten die Wärme der Sonne erfahren.« »Und dieser Sonne Spenden zukommen lassen!« »Natürlich. Unser Orden soll den letzten Winkel der Welt erreichen. Dafür braucht man Spenden.« »Wie wurde solch eine Spendenaktion durchgeführt?« Parkers Stimme klang nach wie vor ein wenig teilnehmend. »Die Frauen im Schatten brachten uns diese Spenden. Wir gaben sie dann an das Zentrum der Sonne weiter.« »Kam man stets Ihren Spendenwünschen nach?« f »Nehmen Sie doch nur mal einen einzigen Schluck aus der Schale der
Wahrheit und Sonne, Sir, und Sie werden mit Freuden alles geben, was Sie haben. Das ist selbstverständlich. Sie sind dann ja erleuchtet.« »Sprachen Sie eigentlich jede Frau an, die Ihrer Ansicht nach, im Schatten wandelte?« Parker hatte sich auf Elmsons Sprache längst eingestellt. »Nur Frauen, die später auch Spenden bringen konnten, Sir.« »Sieht man das diesen Frauen an? Das verstehe ich, offen gestanden, nicht recht.« »Man wählt sie aus. In Schalterhallen von Banken, in Geschäften, auf Flugplätzen, vor Bürohäusern. Man weiß es einfach, man spürt es.« »Und in dieser Auswahl waren Sie frei?« »Natürlich, Sir. Eigentlich fast immer. Ich... Wir... Mir wird wieder schlecht. Was ... Was haben Sie mir da eben gegeben? Wo bin ich eigentlich? Was habe ich gesagt? Sie haben mich unter Drogen gesetzt! Sie wollen mich aushorchen. Die Kraft der Sonne ...« Nun, sie reichte diesmal nicht aus. Randolph Elmson rutschte im Sessel zusammen, murmelte noch einige Worte und fiel dann in eine leichte Ohnmacht. »Wenn Sie erlauben, Mylady, werde ich Mr. Elmson jetzt in sein Quartier bringen«, sagte Parker. »Ich möchte annehmen, daß im Grund bereits sämtliche Fragen geklärt werden konnten.« »Hall ist der Chef der Sonnensöhne und der Töchter des Mo«, faßte Lady Simpson lakonisch zusammen. »Und darüber hinaus ist
er ein ungemein gefährlicher Gangster. Es wird höchste Zeit, daß er seine Ideen in einem Zuchthaus verbreitet.« * »Ich war hier in der Gegend ...« »... und kamen zufällig vorbei«, sagte Lady Simpson zu ChiefSuperintendent McWarden, der von Butler Parker in den Salon geführt worden war. »Sie sehen nicht gut aus, McWarden. Sie schlafen zu wenig, oder?« »Dieser Fall kostet mich Nerven«, antwortete McWarden und nahm Platz im angebotenen Sessel. »Zudem passieren da Dinge, für die ich einfach keine Erklärung habe.« »Aber das ist bei Ihnen doch überhaupt nicht ungewöhnlich«, stichelte Lady Simpson sofort. »Was hat Sie denn diesmal wieder verwirrt?« »Eine Art Gefechtstätigkeit drüben in Essex«, erwiderte McWarden und nickte dankend, als ihm Sherry gereicht wurde. »Meine Kollegen riefen mich an. Und auch sie stehen vor einem Rätsel.« »Und wie lautet dieses Rätsel, Sir?« schaltete Josuah Parker sich gemessen ein. »Plötzlich auftretende Nebelbänke, eine Massenkarambolage mitten auf einem Feld, Lichtblitze und dann ein Hubschrauber, der wie ein Irrwisch herumfegte.« »Hält die Armee ein Manöver ab?« fragte Lady Simpson. »Davon ist nichts bekannt, Mylady.« McWarden lächelte plötzlich, was auch bei ihm recht selten war. »In der Nähe von Epping
scheint eine Art Privatkrieg stattgefunden zu haben.« »Wozu gewisse Leute Zeit haben!« Die resolute Dame schüttelte den Kopf und wußte angeblich von nichts. »Sind Sie in Ihrem Fall weitergekommen, McWarden? Wahrscheinlich treten Sie noch immer auf der Stelle, wie?« »Die fünf Tempel der Sonnensöhne sind geräumt worden«, berichtete der Chief-Superintendent. »Diese Sonnensöhne sind wie vom Erdboden verschwunden. Haben Sie vielleicht eine Erklärung dafür, Mylady?« »Sie werden wohl anderweitig neue Sektenmitglieder werben. Sagen Sie, McWarden, sagt Ihnen der Name Töchter des Mo etwas?« Der Chief-Superintendent hob den Kopf und bemühte sich gleichzeitig um Gleichgültigkeit. »Töchter des Mo?« wiederholte er dann. »Sie sind ein miserabler Schauspieler«, grollte Lady Agatha. »Sie wissen sehr gut, daß es sie gibt, aber Sie haben sie mir unterschlagen.« »Ich glaube, davon gehört zu haben.« McWarden war sehr vorsichtig. Wahrscheinlich handelt es sich auch dabei um irgendeine neue Sekte. Wir werden damit ja förmlich überflutet. Jeden Tag entstehen neue Vereinigungen dieser Art, da kommt man ja kaum noch mit.« »Sie reden zuviel, McWarden, Sie wollen ablenken.« Sie sah ihn streng an. »Sie wollen also wieder mal hinter meinem Rücken Ihr privates
Süppchen kochen. Sie können es einfach nicht lassen!« »Auf keinen Fall, Mylady!« McWarden hob abwehrend die Hände. »Zugegeben, diese Töchter des Mo scheinen in irgendeiner Verbindung mit Hall zu stehen. Das sind aber meine neusten Erkenntnisse.« »Mr. Parker kann Ihnen ein Tonband abspielen, McWarden. Vielleicht bringt Sie das Weiter.« »Ein Tonband, Mylady? Sie sind an zusätzliche Fakten gekommen?« Parker war zum kleinen Wandtisch hinübergegangen und setzte den Recorder in Betrieb. Er hatte das Interview mit Randolph Elmson natürlich aufgenommen und konfrontierte den ChiefSuperintendent jetzt mit diesem Gespräch. »Donnerwetter«, schnaufte McWarden, als Parker den Recorder dann wieder abgestellt hatte. »Das ist ja sagenhaft, Mylady. Daraus geht doch eindeutig hervor, daß Hall ein Verbrecher ist, der die beiden Sekten nur gegründet hat, um seine Mitmenschen auszuplündern.« »Die Aussage eines Mannes, nicht mehr und nicht weniger, Sir«, warf Josuah Parker würdevoll ein. »Vor Gericht dürfte diese an sich aufschlußreiche Aufzeichnung keinerlei Beweiswert haben.« »Das stimmt leider.« McWarden nickte. »Wo steckt der Mann, der das alles ausgesagt hat?« »Wird es heute regnen, McWarden?« fragte Lady Simpson sehr betont. »Aha, ich verstehe. Vergessen Sie meine Frage!« McWarden räusperte
sich und sah zu Boden. »An diesem Gespräch ist mir eines aufgefallen, Mylady.« »Nämlich? Sie haben auch an allem etwas auszusetzen.« »Hat Ihr Informant nicht gesagt, wo Hall sich befinden könnte?« »Haben Sie davon etwas gehört?« »Eben nicht, und das wundert mich. Könnten bestimmte Passagen aus dem Gespräch herausgeschnitten worden sein?« »Technisch, Sir, ist vieles möglich«, erwiderte Butler Parker höflich. »Waren Ihre Kollegen jenseits der Stadtgrenze in der Lage, den Hubschrauber und dessen Besitzer zu identifizieren?« »Also gut, die Karten auf den Tisch.« Der Chief-Superintendent bequemte sich zu einem Geständnis. »Der Hubschrauber gehört Herbert L. Hall, der bei Stone Abbots eine alte Abtei gemietet oder gekauft hat. Dort befindet sich das Zentrum seiner Sekte.« »Sie können ja tatsächlich auch mal ehrlich sein«, wunderte die ältere Dame sich. »Damit muß ich erst mal fertig werden, McWarden. Mr. Parker, ich brauche mein Kreislaufmittel.« Parker servierte umgehend einen alten Kognak, den seine Herrin sichtlich genoß. Dann sah sie McWarden kopfschüttelnd an, als habe sie sein Geständnis noch immer nicht verkraftet. »Dieses Wissen nutzt meinem Dezernat aber gar nichts«, sagte McWarden. »Gegen Hall habe ich keine Handhabe. Der sitzt nach wie vor in diesem alten Gemäuer und amüsiert sich über uns. Er weiß
genau, wie juristisch unangreifbar er ist.« »Dies dürfte leider den Tatsachen entsprechen, Sir.« Parker deutete ein Nicken an. »Ich habe sogar Sorge, daß Hall sich mit seiner bisherigen Beute absetzen wird«, redete McWarden weiter. »Was hindert ihn daran, England zu verlassen?« »Sein Haß auf Mylady«, erwiderte Josuah Parker. »Mylady hat seine Kreise gestört. Ein Gangster wie Hall verzeiht so etwas nicht.« »Werden Sie warten, Mylady«, erwiderte Josuah Parker. »Mylady hat seine Kreise gestört. Ein Gangster wie Hall verzeiht so etwas nicht« »Werden Sie warten, Mylady, bis dieser Hall aktiv wird?« fragte McWarden. »Ich erkundige mich nur als Privatmann, nicht als ChiefSuperintendent.« »Werde ich warten, Mr. Parker?« Die alte Dame sah ihren Butler fragend an. »Mit Sicherheit nicht, Mylady«, gab Parker zurück, wobei er sich ein nur sehr feines, wissendes Lächeln gestattete. »Dann bin ich beruhigt.« McWarden stand auf und absolvierte einen Kratzfuß in Richtung Mylady. »Offen gestanden, Mylady, ohne Sie wäre ich aufgeschmissen.« »Wem sagen Sie das?« Sie sah ihn ironisch an. »Das war doch bisher immer so!« *
Die ehemalige Abtei bei Stone Abbots war nur noch teilweise erhalten und bewohnbar. Die grauen Gemäuer bildeten ein Viereck, das jedoch noch intakt war und ein Einsteigen so gut wie unmöglich machte. Der einzige Weg, der in diese Abtei führte, war eine schmale Straße, die vor einem neuen und offensichtlich starken Tor endete. Parker betrachtete alles genau durch ein Fernglas und studierte Einzelheiten. Er wollte sich mit der Örtlichkeit vertraut machen, er wollte sich allerdings auch bewußt anbieten und zeigen. Er stand auf einem der vielen grünen Hügel und mußte gegen den hellen Himmel deutlich auszumachen sein. »Was sehen Sie?« erkundigte sich Agatha Simpson, die neben ihrem Butler stand. »Wenn Mylady selbst einen Blick auf die Abtei werfen wollen?« Der Butler reichte ihr das Fernglas und ging um sein hochbeiniges Monstrum herum. Er öffnete den Kofferraum und holte nacheinander einige Packtaschen hervor. Für diesen Ausflug aufs Land hatte er sich sorgfältig präpariert. Mit Überraschungen aller Art durch die Söhne der Sonne und die Töchter des Mo war jederzeit zu rechnen. »Das ist ja eine Festung«, sagte Lady Simpson nach einer Weile. »Haben Sie Dynamit mitgenommen?« »Davon, Mylady, erlaubte ich mir Abstand zu nehmen«, antwortete Josuah Parker. »Die Behörden könnten das falsch interpretieren.«
»Wir haben es mit einem Gangster zu tun, Mr. Parker.« »Vielleicht kommen Mylady mit feineren Mitteln weiter«, hoffte Parker. »Hoffentlich nicht«, sagte sie grimmig. »Dieser Hall ist ein großer Klotz, der einen groben Keil braucht.« »Es wird einige Zeit brauchen, Mylady, bis Mr. Hall seine Nerven verlieren dürfte. Wenn Mylady gestatten, werd ich jetzt das Feldlager aufschlagen.« »Drüben rührt sich nichts, aber auch gar nichts.« Sie ärgerte sich sehr. »Mylady dürfen versichert sein, daß Myladys Anwesenheit längst registriert wurde«, gab Parker zurück. Er machte sich daran, in der Nähe des Hochstandes bei dem kleinen Wald ein Hauszelt zu errichten. Er besorgte das mit Routine und Schnelligkeit. Ihm kam es darauf an, daß dieses orangefarbene Zelt auf jeden Fall im Blickfeld der Beobachter stand. Dieses Zelt sollte eine Art Herausforderung und Einladung zugleich darstellen. »Hoffentlich hat man die alte Abtei inzwischen nicht verlassen«, fürchtete die Detektivin, die unentwegt durch das Fernglas schaute. »Dort rührt sich immer noch nichts.« »Damit ist zur Zeit auch nicht zu rechnen, Mylady«, gab der Butler zurück. »Darf ich den Tee in zehn Minuten servieren?« »Ihre Sorgen möchte ich haben, Mr. Parker.« Sie warf ihrem Butler einen grimmigen Blick zu. »Dieser Bursche ignoriert mich. Ich spüre es
ganz deutlich. Er amüsiert sich über mich.« »Ich möchte mir erlauben, Mylady zu widersprechen«, entgegnete Parker gemessen- »Mr. Hall wird unruhig sein und sich die Frage stellen, was Myladys Erscheinen hier auf dem Hügel zu bedeuten hat.« »Na, bitte!« Sie hatte wieder durch das Fernglas gesehen und wandte sich nun triumphierend an Parker. »Das Tor öffnet sich. Das hatte ich ja die ganze Zeit über vermutet.« »Was können Mylady darüber hinaus noch erkennen?« fragte der Butler, der den Tee servierte. »Du lieber Himmel«, sagte sie verblüfft. »Da scheint ja eine ganze Prozession zu kommen. Ich glaube, gleich wird der Zauber losgehen, Mr. Parker.« »Vorher vielleicht eine Tasse Tee, Mylady?« Mehr sagte Butler Parker nicht. Auch er hatte die Prozession bereits bemerkt. Sie bestand aus etwa dreißig Gestalten, die alle in lange, wallende, ockerfarbene Gewänder gehüllt waren. * Es dauerte zwanzig Minuten, bis die Prozession der Sonnensöhne den Hügel erreichte. Parker hatte die Zeit genutzt, um weitere Vorkehrungen zu treffen. Er hatte unter anderem eine hohe, deutlich sichtbare Antenne ausgefahren, die einfach nicht zu übersehen war. Hall drüben in der Abtei sollte wissen, daß seine Campingfreunde hier oben auf dem Hügel keineswegs von der übrigen
Welt abgeschnitten waren. Das würde ihn zur Vorsicht veranlassen. Mylady saß inzwischen in einem stabilen Campingsessel und trank ihren Tee, den sie mit ihrem Kreislaufbeschleuniger kräftig angereichert hatte. Vor dem Hauszelt schaute sie fast wohlwollend auf die Söhne der Sonne, die schon recht nahe heran waren. Sie murmelten im Chor Worte, die keinesfalls der englischen Sprache entstammten. Sie verhielten sich ausgesprochen friedlich und schwenkten in einen Kreisbogen ein. Parker, der seitlich hinter Myladys Sessel stand, ahnte, was kommen würde. Er sollte sich nicht getäuscht haben ... Die Prozession hatte den Hügel inzwischen halb umrundet und verstärkte die Beschwörungen. Dann wanderte sie unentwegt und gleichförmig im Kreis um den Hügel herum. »Wie ein Rudel Wölfe«, stellte Agatha Simpson mißbilligend fest. Sie trank ihren Tee und zeigte nicht die geringste Spur von Angst oder Nervosität. »Wenn es erlaubt ist, möchte ich mir gestatten, Mylady, darauf hinzuweisen, daß dies wahrscheinlich noch stundenlang so weitergehen wird«, antwortete Josuah Parker. »Von mir aus.« Sie winkte gleichmütig ab. »Falls es zu lange dauert, können Sie ja diesen Sonnensöhnen Erfrischungen reichen.« »Mr. Hall inszeniert eine Art Nervenkrieg, Mylady. Ich habe mir
erlaubt, vorsorglich ein wenig Ohrenwachs mitzunehmen. Wenn Mylady es wünschen, stehe ich damit zu Diensten.« »Dieses Gemurmel kann mich nicht erschüttern.« Nun, Lady Agatha Simpson sollte sich täuschen. Sie hielt das Kreisen der Prozession und das auf- und abschwellende Gemurmel im Chor etwa eine gute Stunde durch, dann machten sich bei ihr allerdings die ersten Abnutzungserscheinungen bemerkbar. »Ich habe Lust, mit meinem Pompadour dazwischen zu fahren, Mr. Parker«, sagte sie gereizt. »Darf ich mich erkühnen, davon zu lassen?« Parker reichte seiner Herrin eine kleine, runde Schachtel. »Vielleicht dürfte das Ohrenschutzwachs jetzt doch angebracht sein.« »Wann werden diese Subjekte über mich herfallen?« Sie musterte die Sonnensöhne mißtrauisch. Den genauen Zeitpunkt vermag ich nicht zu nennen, Mylady, aber mit einem konzentrischen Angriff ist zu rechnen.« »Wahrscheinlich warten die Lümmel, bis es dunkel geworden ist, wie?« »Davon möchte auch ich ausgehen, Mylady. Mr. Hall wird eine Art Massenoder Kollektivmord anstreben.« »Was soll ich mir denn darunter vorstellen?« »Man wird gemeinsam angreifen und töten. Oder aber einen tödlichen Unfall vortäuschen. Festlegen möchte ich mich verständlicherweise nicht.«
Die Prozession kreiste und kreiste. Das chorartige Gemurmel schwoll an, ebbte wieder ab, schwoll an, wurde zum schrillen Diskant und dann zum geheimnisvollen Raunen. Parker beschloß, die Gruppe ein wenig aus dem Tritt zu bringen. Er ging ins Hauszelt und beugte sich über eine Flasche, die augenscheinlich Propangas enthielt, mit dem der vierflammige Kocher betrieben wurde. In dieser Stahlflasche befand sich allerdings kein Propangas, sondern ein Reizgas. Ein dünner Kunststoffschlauch, von Parker geschickt verlegt und getarnt, führte vom Zeltinnern hinaus ins Freie. Parker öffnete das Ventil und ging dann wieder zu Lady Simpson. »Es dürfte sich empfehlen, Mylady, ins Zelt zu kommen«, sagte er zu ihr. »In den nächsten Minuten wird es um den Hügel herum ein wenig chaotisch ausgehen. Darf ich darüber hinaus empfehlen, diese Atemschutzmaske anzulegen?« »Hoffentlich haben Sie eine hübsche Mischung vorbereitet«, sagte sie, als sie ihm ins Zelt folgte. »Mylady werden mit meiner bescheidenen Wenigkeit wahrscheinlich zufrieden sein«, lautete seine Antwort. * Die Prozession hatte sich aufgelöst. Die Sonnensöhne hasteten in regelloser Flucht zurück zur ehemaligen Abtei, wobei sie unentwegt explosionsartig niesten. Dazu weinten sie wie die
sprichwörtlichen Schloßhunde. Sie murmelten keine Beschwörungsformeln mehr, sondern schnappten nur noch verzweifelt nach Luft. »Ein sehr schöner Anblick«, sagte die Detektivin, die ihre Maske trug. »Ein Anblick, den Mr. Hall auf keinen Fall schätzen wird«, erwiderte Josuah Parker. »Hoffentlich reißen ihm jetzt die Nerven.« »Sie werden auf jeden Fall etwas dünner werden, Mylady.« Parker warf einen Blick auf seine unförmig aussehende Taschenuhr, die fast an eine Zwiebel erinnerte. »Miß Porter dürfte nach meinem Funksignal ebenfalls bald eintreffen.« »Das gute Kind!« Agatha Simpson hatte sich die kleinen Wachstropfen aus den Ohren entfernt und beobachtete durch das Fernglas, wie die Mitglieder der Prozession nacheinander im Innern des AbteiGevierts verschwanden. »Ein Hubschrauber«, meldete Parker, der aufmerksam in Richtung Abtei horchte. »Tatsächlich.« Die ältere Dame nickte. »Er steigt gerade aus dem Innenhof der Abtei hoch.« »Dann sollte man vielleicht das suchen, was man im Volksmund das Weite zu nennen pflegt, Mylady.« Er hatte sie bereits in seine Pläne eingeweiht und brauchte nun keine langen Erklärungen abzugeben. Sie gingen zurück ins Zelt, entzogen sich damit der Sicht von der Abtei her und verließen es durch den hinteren Ausgang, den Parker in die Zeltbahnen geschnitten hatte. Ihr Ziel war Parkers hochbeiniges
Monstrum, das hinter dem Hügel stand. Zurück aber blieben erstaunlicherweise zwei Gestalten, die eindeutig an Lady Simpson und Parker erinnerten. Es handelte sich um zwei aufblasbare Gummipuppen, die der Butler vor der Fahrt entsprechend hergerichtet hatte. Parker fuhr scharf an und steuerte in das Wäldchen hinter dem Hügel. Er boxte den hochbeinigen Wagen förmlich in dichtes Brombeergestrüpp und stellte den Motor ab. Er stieg aus, öffnete den Kofferraum und entnahm ihm eine Art Ofenrohr. Für den Fall eines direkten und bösartigen Angriffs wollte er diesmal gerüstet sein. Der Hubschrauber tauchte bereits über dem Hügel auf, umkreiste ihn und schien sich die Einzelheiten des Zeltplatzes sehr genau anzusehen. Sekunden später passierte es. Und es war grauenhaft! Vom Boden des wendigen kleinen Hubschraubers löste sich eine Art Kanister, der direkt auf das Campingzelt fiel und... dann auseinanderplatzte. Ein Höllenfeuer breitete sich aus, als sei eine Napalmbombe verwendet worden. * »Dieses Subjekt schreckt ja vor nichts zurück«, entrüstete sich Agatha Simpson, die sehr beeindruckt war. »Mr. Hall scheint seinen Schlußstrich ziehen zu wollen«, antwortete Josuah Parker. Er ließ den Hubschrauber nicht aus den Augen. Der umkreiste die kochende und
lodernde Hölle dort oben auf dem Hügel, drehte dann ab und strich tiefer. Der Pilot hatte jetzt wohl die Reifenspuren im Gras entdeckt, die direkt zum Wäldchen führten. Parker war bereit. Er hob das Ofenrohr an, entsicherte die winzig kleine Flugabwehrrakete und wartete auf den Angriff. Und der kam! Der Pilot hatte inzwischen Parkers hochbeiniges Monstrum ausgemacht und flog direkt an. Parker nahm sich Zeit, visierte das Ziel gründlich an und löste dann die Spezialrakete. Zischend verließ das Geschoß den Ofenrohrlauf, jaulte durch die Luft und erwischte das Gestänge mit dem Stabilisator. Es gab nur eine kleine Detonation, doch die reichte. Der Hubschrauber war plötzlich hilflos geworden, drehte sich in der Luft wie ein Kreisel und senkte sich jäh. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er hart auf der Wiese aufsetzte. Dabei gingen die Landekufen zu Bruch, mehr passierte jedoch nicht. Die beiden Insassen taumelten ins Freie und ergriffen sofort die Flucht. Sie rannten, wenn auch ein wenig hinkend, hinauf zum Hügel, hinter dem sie bald darauf verschwanden. »Warum haben Sie die beiden Subjekte nicht außer Gefecht gesetzt?« fragte Lady Simpson grollend. »Man wird sie später pauschal festnehmen, Mylady«, gab der Butler zurück. »Darf ich Mylady zurück in den Wagen helfen? Nach meinen Berechnungen müßte Miß Porter jetzt kommen.« Agatha Simpson schüttelte unwillig den Kopf, als Parker ihr in
den Fond des Wagens helfen wollte. Parker schloß ohne jede Hast die Tür, setzte sich ans Steuer und fuhr zurück zum Hügel, dessen Kuppe unpassierbar war. Überall flackerten noch brennende Öllachen, die aus dem abgeworfenen Kanister stammten. »Sehen Sie doch, Mr. Parker!« Agatha Simpson deutete auf den Hochstand. »Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit ehrlich überrascht«, gestand der Butler. Oben auf dem Hochstand saß eine junge Blondine, deren Kleid zerfetzt war. Sie trug Handschellen und machte nicht gerade einen glücklichen Eindruck. »Hat man Sie hier absichtlich zurückgelassen?« fragte Parker zu ihr hinauf. Sie zuckte zusammen, schien Mylady und Parker erst jetzt zu sehen, schluchzte und erlitt einen Weinkrampf. Parker war bereits ausgestiegen und kletterte auf den Hochstand. »Hat der Wahrer der Sonne Sie hier abgesetzt?« fragte er. »Es ... Es war schrecklich«, stammelte sie. »Bitte, helfen Sie mir, Sir. Helfen Sie uns!« »Sie sind also nicht allein?« fragte er. »Sie sollten sich ein wenig beruhigen, Madam.« »Wir sind noch zu fünft da drüben.« Sie deutete mit ihren zusammengeschlossenen Händen zur Abtei hinüber. »Er will sie alle umbringen, wenn Sie nicht sofort zu ihm kommen.« »Zum Wahrer der Sonne, wie ich vermute?«
»Er wird sie alle umbringen. Bitte, Sir, fahren Sie zur Abtei. Das soll ich Ihnen ausrichten.« »Sie stellten meine bescheidene Wenigkeit vor eine schwere Entscheidung«, bekannte Parker. »Die allgemeine Lage scheint sich jetzt doch gründlich geändert zu haben. Nun, ich werde eine Entscheidung treffen.« Er schlug mit dem bleigefütterten Bambusgriff seines UniversalRegenschirms zu, nicht zu hart, aber auch nicht zu oberflächlich. Dann warf er beide Arme hoch in die Luft, ließ den Regenschirm selbständig durch die Luft nach unten wirbeln und fiel dann halb über die Bewußtlose, junge Frau! * Von der Abtei näherte sich ein eckiger Kastenwagen, wie er von Spezialdiensten benutzt wird, die sich mit Geldtransporten befassen. Der Wagen war mit Sicherheit gepanzert und fuhr nicht besonders schnell, kam aber unaufhaltsam näher. Als er den Fuß des Hügels erreicht hatte, hielt er kurz an. Die linke Wagentür öffnete sich, und ein Mann schob sich nach draußen. Er blieb auf dem Trittbrett stehen, nahm ein Fernglas hoch und beobachtete den Hochstand. Was er sah, schien ihn durchaus zu befriedigen. Er rief dem Fahrer etwas zu, worauf der schwere, gepanzerte Wagen sich wieder in Bewegung setzte und nun schwerfällig den sanften Hügel erklomm.
Parker lag immer noch unbeweglich halb über der jungen, nach wie vor ohnmächtigen Dame und bekam das alles nicht mit. Von Lady Simpson war nichts zu sehen. Sie schien sich in Anbetracht der allgemeinen Lage zurückgezogen zu haben. Plötzlich aber kam Leben in den Butler. Er richtete sich auf und hielt das bereits bekannte Ofenrohr in seinen Händen, das sich jetzt als Panzerfaust entpuppte. Er visierte kurz den Wagen an und drückte ab. Das Resultat war frappierend. Der gepanzerte Wagen verfügte plötzlich nicht mehr über seinen Motor. Das Geschoß hatte ihn förmlich aus dem Wagen herausgerissen. Parker richtete sich auf und beobachtete die beiden Männer, die taumelnd aus dem Wagen stiegen und noch sichtlich unter einem schweren Schock litten. Sie wollten zurück zur Abtei laufen, doch das schafften sie nicht mehr. Um den Hügel herum kurvte ein hochbeiniger Wagen. Es war Parkers Monstrum auf Rädern. Eine gewisse Lady Simpson saß am Steuer und machte Jagd auf die beiden Flüchtenden. Parker schloß sicherheitshalber die Augen. Er wollte nicht genau sehen, was sich dort unten auf der Wiese tat. Er konnte es sich jedoch lebhaft vorstellen. Er öffnete die Augen erst wieder, als er lautes, fast triumphierendes Hupen hörte. Das hochbeinige Monstrum kurvte heran, jagte zum Hochstand heraus und hielt jäh. Lady Simpson stieg aus. Sie machte einen animierten
Eindruck und deutete in den Fond des Wagens. »Hall«, sagte sie. »Eindeutig Hall! Wer sein Fahrer ist, weiß ich nicht. Ich glaube ich habe diesen Hall ein wenig angefahren, aber bestimmt nicht mit Absicht.« »Ganz sicher nicht, Mylady«, antwortete Parker. »Er lief mir direkt vor den Kühler, Mr. Parker.« »Menschen reagieren oft so, Mylady.« »Er war danach nicht mehr sicher auf den Beinen.« »Das stand zu erwarten, Mylady.« »Die Zuchthauszeit wird er aber leicht durchstehen«, entgegnete sie und lächelte grimmig. »Was macht Kathy?« »Sie schwebt bereits ein, Mylady.« Parker deutete auf einen zweiten Hubschrauber, der hinter dem Wäldchen auftauchte. Kathy Porter hatte den richtigen Zeitpunkt erwählt, denn aus dem Tor der Abtei quollen die Sonnensöhne nur so hervor, um den großen Wahrer der Sonne zu retten. Der Hubschrauber war mit einem eigenartigen Zusatzgerät ausgestattet, wie man es in der Landwirtschaft zum Versprühen von Insektiziden verwendet Zu' beiden Seiten waren lange Rohrgestänge angebracht, die mit feinen Düsen versehen waren. Aus diesen Düsen ließ der Hubschrauber einen Nieselregen austreten, der die herausstürmenden Sonnensöhne voll traf. Sie taumelten daraufhin ziellos herum, um dann nacheinander von ihrem Vorhaben Abstand zu nehmen. Sie setzten sich
auf den Weg oder ins nahe Gras, erlitten Gähnkrampfe und gaben sich dann der Ruhe hin. * »Ich war zufällig hier in der Gegend«, sagte ChiefSuperintendent McWarden und lächelte breit. Er stieg aus seinem Dienstwagen und nickte Mylady und Parker zu. »Hoffentlich sind Sie nicht allein zufällig vorbeigekommen, McWarden«, sagte die Detektivin und zeigte auf die schlafenden Sonnensöhne in den ockerfarbenen Gewändern. »Meine Kollegen hier aus Essex sind ebenfalls zufällig mitgekommen«, antwortete der Chief-Superintendent. »Drüben im Wagen steckt sicher Hall, nicht wahr?« »Ich habe ihn auf den Kühler genommen«, sagte die resolute Dame und nickte zufrieden. »Und wer ist das da oben?« McWarden deutete auf die Blondine, die noch auf dem Hochstand saß. »Sie war beauftragt, mich unschädlich zu machen«, schaltete Parker sich erklärend ein. »Hall hatte sie als eine Art Kuckucksei auf den Hochstand gesetzt. Erfreulicherweise zeichnete sich unter ihrem dünnen Kleid die Pistole ab, die sie mitgenommen hatte. Ich mußte leider ein wenig deutlich werden.« »Der Richter wird später bestimmt sehr deutlich werden«, meinte McWarden zufrieden. »Bin ich froh, daß dieser Fall abgeschlossen ist.«
»Nun, Mr. Parker und Kathy Porter haben vielleicht ein wenig mitgeholfen«, erwiderte die Lady in ihrer bescheidenen Art. »Es war nicht die Welt, aber immerhin ... Sie werden es mit der Zeit noch lernen, denke ich!«
»Und wem haben Sie das wieder mal zu verdanken?« Lady Simpson sah McWarden ironisch an. »Nur Ihnen allein, Mylady«, sagte der Mann vom Yard schnell. »Nur Ihnen allein!« ENDE
Günter Dönges schrieb für Sie wieder einen
Nr. 176
Parker legt den Goldschatz frei Er schaffte es gerade noch bis nach London, doch dann erwischten sie ihn und zogen ihn aus dem Verkehr, wie sie es später ausdrückten. Professor Archibald Spelton, Archäologe von Rang, hatte die Absicht, Lady Agatha Simpson für die sagenhafte Stadt Tartessos in Südspanien zu interessieren. Seiner Ansicht war sie identisch mit dem versunkenen Atlantis, doch sein plötzlicher Tod hinderte ihn daran, sich darüber näher auszulassen. Butler Parker hatte diesmal überhaupt nichts gegen die Aktivitäten der resoluten Lady einzuwenden. Er war sofort bereit, zusammen mit Ihr an den Grabungsort zu fliegen, um sich an Ort und Stelle mit jenen Gangstern auseinanderzusetzen, die hinter einem vermuteten Goldschatz her waren. Da8 es dabei wieder mal zu unvermeidlichen Komplikationen kam, versteht sich am Rande, doch schließlich gelang es dem Butler, den Goldschatz freizulegen und einige Killer hinter Schloß und Riegel zu bringen. Günter Dönges legt einen neuen Parker-Krimi vor, wieder mit Hochspannung, Witz und Humor. Auch diese Story sollten Sie auf keinen Fall versäumen!
scan: crazy2001 @ 10/2011 corrected: santos 22