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PARKER stoppt die „Wilden“ Ein Roman von Günter Dönges Gefahr lag in der rauchgeschwängerten Luft des kleinen Restaurants, das sich auf Hamburger, Fisch, Kartoffelchip und Rostbratwürste spezialisiert hatte. Sechs nicht gerade unterentwickelt aussehende Träger schwarzer Lederbekleidung standen am Tresen und tuschelten. Dabei blickten sie immer wieder zu Lady Simpson hinüber, die mit ihrem Butler in einer Nische saß und sich eine Bratwurst einverleibte. Lady Agatha war vom Duft dieser Leckerei förmlich angezogen worden. Die große, stattlich aussehende Dame ließ sich die Wurst schmecken. Josuah Parker hatte ihr nämlich überzeugend versichert, solch eine Kleinigkeit könnte den Erfolg ihrer Diät auf keinen Fall gefährden. Der Butler, dessen Alter im Grund undefinierbar war, hatte das glatte und undurchdringliche Gesicht eines professionellen Pokerspielers und verfügte über hervorragende Manieren. Parker trug seinen üblichen schwarzen Zweireiher und den ebenfalls schwarzen Covercoat mit Melone. Über dem angewinkelten linken Unterarm hing sein altväterlich gerollter Regenschirm. Parker und seine Herrin wirkten auf die sechs Ledergekleideten herausfordernd. Die Hauptpersonen: Harry Bufferty geht Lady Simpson rüde um einen Kredit an. Norman Shaffner verkauft und wartet schnelle Feuerstühle. Matt Meeker liefert sehr teure, aber wertlose Expertisen. Benny Blatters lernt einen Kofferraum von innen kennen. Philipp Borrows überwacht als Anwalt den Zahlungsverkehr der »Wilden.« Lady Agatha reagiert sehr spontan, als man sie belästigt. Butler Parker »reitet« eine Harley-Davidson und legt die »Wilden« an die Kette. Sie stammten offensichtlich aus einer Zeit, über die man sich heute gern mokiert. Die jungen Männer fühlten sich wohl noch zusätzlich provoziert, denn Agatha Simpson besaß eine dunkle, tragende Stimme, die sie ungeniert gebrauchte. Hemmungen irgendwelcher Art kannte sie nicht.
Einer der Männer schlenderte nach weiterem Tuscheln mit seinen Freunden aufreizend wie ein Hahn Richtung Nische und grinste breit. »Was soll das dumme Gehabe, Mister Parker?« wandte sich die ältere Dame an ihren Butler. »Man scheint die feste Absicht zu haben, Myladys Wurstgenuß stören zu wollen«, gab Josuah Parker zurück. »Wie schön«, antwortete die Lady postwendend und lächelte erfreut. »Es wird also Krach geben, Mister Parker?« »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit«, hörte sie von ihrem Butler. »Mylady kennen solche Versuche gewiß aus ähnlichen Situationen.« Die passionierte Detektivin nickte und langte wie beiläufig nach ihrem Pompadour, der an langen Schnüren an der Sitzlehne hing. Der so völlig harmlos aussehende Handbeutel, der eigentlich nur zur Aufnahme von wenigen Utensilien wie Puder, Lippenstift, Parfüm-Flacon und Taschentuch diente, enthielt Myladys sogenannten Glücksbringer, nämlich das mächtige Hufeisen eines Kaltblüters, wie er zum Ziehen schwerer Brauereifahrzeuge eingesetzt wird. Dieses Hufeisen im perlengeschmückten Pompadour wartete nur darauf, wieder mal eingesetzt zu werden. Lady Agatha verstand es meisterhaft, diese moderne Version eines mittelalterlichen Morgensterns zu handhaben. »Na, Schwester«, sagte der junge Mann und baute sich breitbeinig vor der Nische auf. »Wie haben wir’s denn? Wie wär’s mit ‘nem kleinen Kredit?« »Herzlichen Dank«, erwiderte Parker in seiner ihm eigenen, ungemein höflichen Form. »Mylady braucht nichts.« Der junge Mann zeigte Wirkung, war verblüfft und runzelte die Stirn. Dann ging diesem Kraftwerk auf zwei Beinen allmählich auf, daß er mißverstanden worden war. Er sorgte für ein schiefes Grinsen auf seinem Gesicht. »Nee, Leute, ich brauch’ ‘nen Kredit«, korrigierte er. »Ich denk’ da so an runde fünfzig Pfund.« »Kein einziges Pfund, Sie Lümmel«, raunzte Agatha Simpson den jungen Mann an. »Das halte ich grundsätzlich so.« »Sie sollten tunlichst nicht weiter stören«, schlug Parker dem Breitbeinigen vor. »Mylady wurde in der Vergangenheit bereits
verschiedentlich um Klein- und Großkredite gebeten. In allen Fällen wurden solche Bitten abschlägig beschieden.« »Fünfzig Pfund«, wiederholte der junge Mann lakonisch und wandte sich nach seinen Freunden um, die abwartend am Tresen standen und grienten. Für sie war die kleine Kreditvergabe bereits so gut wie gelaufen. Sie zweifelten keine Sekunde daran, daß sie gleich über den geforderten Kredit verfügten. Als der junge Mann wieder seinen Kopf herumnahm, blieb er wie erstarrt stehen und schielte. Er verrenkte förmlich die Augen, um die Schirmspitze genauer in Augenschein zu nehmen, die auf seinem Adamsapfel ruhte. »Im Interesse Ihrer Gesundheit empfiehlt es sich, vorhandene Schneid- und Schußwaffen ungemein vorsichtig auf den Tisch zu legen«, machte Parker dem Mann klar. »Sie sollten die momentane Situation auf keinen Fall unterschätzen.« »Wegen mir schon«, war Lady Agatha zu vernehmen. Sie hielt eine ihrer Hutnadeln in der rechten Hand und drückte die Spitze in Höhe des Bauchnabels an den Leib des Kreditwünschenden. * »Eine interessante Sammlung«, stellte Josuah Parker fest und blickte auf ein Klappmesser und eine Stahlrute, die in einer Metallhülse ruhte. Nach Wunsch konnte man diese Rute teleskopartig verlängern und als gefährliches Schlaginstrument einsetzen. Zu der von Parker angesprochenen Sammlung gehörte noch ein Schlagring, der rein optisch bereits knochenbrechend aussah. »Was is’ denn, Harry?« fragte einer der Männer vom Tresen her. Seine Stimme klang ungeduldig. »Sie können sofort wieder über Ihren Freund verfügen«, sagte der Butler und nickte dem jungen Mann zu, dessen Adamsapfel nach wie vor bedroht war. Er forderte den Erstarrten auf, zum Tresen zurückzugehen. »Bevor ich nämlich zusteche, junger Mann«, drohte Lady Simpson. »Und falls Sie sich nicht beeilen, werde ich es tun.« Auf ihre unverwechselbare Art sorgte die ältere Dame dafür, daß der Gegner schnell wurde. Sie piekte ihm durch das karierte Hemd in die Haut und verwandelte den Betroffenen in einen Sprinter.
Er jagte förmlich in Richtung Tresen, stolperte und fiel über einen Stuhl, ließ ihn unter sich zusammenkrachen, raffte sich wieder auf und erreichte humpelnd und stöhnend seine Freunde, die ihn verständlicherweise ein wenig irritiert musterten. Sie konnten sich das hastige Absetzmanöver ohne Kredit gar nicht vorstellen. »Ich möchte wissen, warum die Lümmel sich immer wieder mit mir anlegen, Mister Parker«, seufzte die Detektivin und widmete sich wieder ihrer Rostbratwurst. »Mylady machen mit Sicherheit den Eindruck einer Dame, die zur Gegenwehr nicht fähig ist«, deutete der Butler die ihm durchaus bekannten früheren ähnlichen Vorgänge. »Wie schön«, erwiderte Agatha Simpson zufrieden. »Nur so kommt es schließlich zu interessanten menschlichen Kontakten. Ich hoffe, Mister Parker, auch Sie sehen das so.« »In der Tat, Mylady«, pflichtete er ihr bei und deutete dann mit einer knappen Handbewegung in Richtung Tresen, wo die Ledergekleideten inzwischen zu einem Entschluß gekommen waren. Zwei von ihnen, die besonders kompakt und muskulös wirkten, kamen im Wiegeschritt auf die Nische zu. Und einer von ihnen hielt bereits ein Klappmesser mit offener Klinge in der Hand. Die beiden Männer lächelten dünn und waren ein wenig nervös. Der Spezialist für schnelle Nahrung hinter dem Tresen redete verzweifelt auf die verbliebenen vier Kerle ein. Einige Gäste verließen den Tresen und machten sich auf den Weg zur Toilette. Es herrschte Aufbruch- und Kampfstimmung. Parker hatte das sichergestellte Klappmesser an sich genommen und ließ die Klinge aus den Griffschalen springen. Er wog die Schneidware prüfend in den schwarz behandschuhten Händen und blickte dabei den Messerträger höflich abwartend an. »Okay, ihr sollt euren Ärger haben«, sagte der Bursche. »Wir waren nicht scharf auf den Krach.« »Sie wagen es, sich an einer wehr und hilflosen Frau vergreifen zu wollen?« erkundigte sich Lady Agatha und stand auf. Sie war eindeutig verstimmt, denn man störte sie während der Nahrungsaufnahme. Sie hielt die langen Schnüre des Pompadours bereits in der rechten Hand, doch dies übersahen die beiden jungen Männer. Der Messerträger wollte das Paar in der Nische einschüchtern und warf mit fast ansatzloser Bewegung seine Schneidware in Richtung Parker und wunderte sich.
Die Klinge erreichte keineswegs das gedachte Ziel, sondern wurde aus der Flugbahn gedrückt. Parker bewerkstelligte dies mit dem Schirmstock, der im richtigen Moment hochfuhr und das Klappmesser dazu brachte, klirrend auf dem Boden zu landen. Parker brachte aber das erbeutete Messer ins Ziel. Mit der linken Hand hatte er den Universal-Regenschirm hochgerissen, mit der rechten Hand warf er das Klappmesser auf den Mann, der einzuschüchtern versuchte. Die Klinge blieb vibrierend dicht neben dem kleinen Finger des Mannes im Holz der Vertäfelung stecken und löste bei dem Überraschten einen erstickten Aufschrei aus. Eine weitere Eskalation war nicht mehr zu vermeiden, wie Parker die allgemeine Lage einschätzte, zumal Lady Agatha ihren perlenbestickten Pompadour eingesetzt hatte. Der Glücksbringer im Handbeutel klatschte eindrucksvoll auf das Brustbein des zweiten Nischenbesuchers und ließ die Rippen tönen. Der Mann fiel zurück, legte sich seitlich auf einen Tisch und grunzte in der Art eines erschreckten Borstenviehs. Die vier jungen Männer am Tresen drückten sich ab und wollten sich einmischen, doch genau in diesem Moment betraten weitere Besucher die Raststätte und sorgten für neue Akzente. * Während die sechs Ledergekleideten von einigen Polizisten höflich gebeten wurden, zu einer Unterhaltung allgemeiner Art zur Polizeistation mitzukommen, kümmerte sich ein Inspektor um Lady Simpson und Butler Parker. Das Paar aus London hatte sich bereits ausgewiesen und erfuhr höchsten Respekt. »Sie können wirklich von Glück sagen, Mylady, daß wir rechtzeitig gekommen sind«, versicherte der eifrige Beamte der älteren Dame. »Diese Leute sind brandgefährlich.« »Sie werden Lady Simpson sicher erklären, warum Sie zu dieser Einschätzung gekommen sind«, vermutete Parker. »Diese Rocker, um sie mal so zu nennen, machen den ganzen Süden Groß-Londons bis hinunter nach Croydon unsicher«, fuhr der Inspektor fort. Er wandte sich zum Fenster und warf einen kurzen Blick auf den Transportwagen, in dem die sechs Männer
verstaut wurden. Sie randalierten zwar, schimpften und drohten, aber sie riskierten es nicht, handgreiflich zu werden. »Gehen die Rocker, wie Sie die Herren zu nennen pflegen, nach einer bestimmten Methode vor?« wollte der Butler wissen. »Belästigen sie etwa harmlose Bürger? Erpressen sie? Möglicherweise sind Sie in der Lage, weitere Dinge zu nennen, Sir.« »Sie erpressen, Mister Parker, um es schlicht und einfach zu sagen«, lautete die Antwort des Inspektors. »Wir sind schon seit Wochen hinter ihnen her. Ich hoffe, daß wir jetzt Zeugen gefunden haben, die Aussagen machen.« »Meinen Sie etwa mich, mein Bester?« vergewisserte sich die ältere Dame umgehend. »Wir brauchen Zeugenaussagen, um diese Rowdies hinter Schloß und Riegel bringen zu können«, erklärte der Uniformierte. »Ich darf Ihnen aber nicht verschweigen, daß es in jüngster Vergangenheit bereits einige solcher Zeugen gab, die dann ihre Aussagen schleunigst wieder zurücknahmen, als man ihnen zusetzte.« »Man drohte diesen Personen, junger Mann?« fragte Agatha Simpson. »Und zwar massiv, Mylady«, bestätigte der Inspektor. »Freunde einiger verhafteter Rocker belagerten die Wohnungen und Häuser der Zeugen, fingen sie ab und verprügelten sie, warfen Scheiben ein und ruinierten Fahrzeuge.« »Weiß man andeutungsweise, welche Gelder von diesen Motorradfahrern bisher erpreßt wurden?« schaltete Josuah Parker sich ein. Er hatte erneut nach draußen geschaut und die nicht gerade billigen Zweiräder in Augenschein genommen. Es waren ohne Ausnahme schwere Motorräder westdeutscher und japanischer Hersteller, die durchweg tausend Kubikzentimeter aufwiesen und entsprechend schnell sein mußten. Parker, der sich in der Materie auskannte, ging davon aus, daß jede Maschine wohl ihre hundert Pferdestarken anzubieten hatte. Um die dreieinhalb bis viertausend Pfund mußte ein solches Zweirad gekostet haben. »Wir verfügen noch nicht mal über Schätzungen«, beantwortete der Inspektor inzwischen die Frage des Butlers. »Wir wissen auch nicht, ob es eine einzige Gang ist, oder ob wir es mit mehreren zu tun haben, die zentral gelenkt werden. Wie gesagt, einige wenige Zeugen sind sehr schnell umgefallen, was ich durchaus verstehen kann.«
»Was geschieht mit den Maschinen vor der Raststätte?« erkundigte sich der Butler. »Die werde ich abschleppen lassen und sicherstellen«, gab der Inspektor zurück. »Aber ich wette, daß die sechs Rocker bereits morgen wieder auf freiem Fuß sind. Wir haben keine Handhabe gegen sie. Oder bieten Sie sich etwa als Zeugen an?« »Aber natürlich, junger Mann«, meinte Lady Simpson. »Das versteht sich doch von selbst.« Der Uniformierte litt umgehend unter Atemnot und schnappte verzweifelt nach Luft. * »Ich hoffe doch sehr, Mister Parker, daß auch Sie zu meinem Wort stehen«, sagte Lady Agatha eine halbe Stunde später. Sie saß im Fond eines recht betagt aussehenden Taxis, wie es im Straßenbild nicht mehr häufig zu beobachten war. Dieses hochbeinige Fahrzeug mit dem eckigen Aufbau, natürlich schwarz lackiert, schien sich nach einem Schrottplatz zu sehnen, um endlich ausruhen zu dürfen. Der Eindruck täuschte allerdings. Unter der Motorhaube wartete ein Rennmotor nur darauf, endlich seine Pferdestärken ausspielen zu dürfen. Das Fahrwerk war entsprechend neu ausgerichtet worden und sorgte für eine unwahrscheinlich stabile Straßenlage. Zudem hatte Butler Parker seinen Privatwagen in eine Trickkiste auf Rädern umgestalten lassen. Sein hochbeiniges Monstrum, wie sein Wagen von Freund und Feind respektvoll-spöttisch genannt wurde, stellte Gegner immer wieder vor Rätsel, die sie nicht zu lösen vermochten. Mylady konnte sich ungehindert mit ihrem Butler unterhalten, der stocksteif, als habe er einen Ladestock verschluckt, am Steuer saß und weiter in Richtung London fuhr. Die schußsichere Trennscheibe zwischen dem Wagenfond und den Vordersitzen war von Parker mittels Fernbedienung versenkt worden. »Man dürfte Mylady mit einiger Sicherheit recht bald besuchen«, beantwortete Parker die Äußerung seiner Herrin. »Ein entsprechender Hinweis für die Presse könnte in diesem Zusammenhang von Nutzen sein.«
»Das ist Ihr Ressort, Mister Parker«, meinte Lady Agatha. »Ich kann mich schließlich nicht um jedes Detail kümmern. Hauptsache, diese Subjekte wissen, wo sie mich finden.« »Mylady könnten Mister McWarden einladen und sich Informationen aus erster Hand über die Erpresser geben lassen«, schlug Parker weiter vor. »Es dürfte von Interesse sein, welche Zeugen bisher ihre Aussagen zurückzogen.« »Genau das wollte ich gerade vorschlagen«, behauptete die passionierte Detektivin und nickte wohlwollend in Richtung Parker. »Ich werde diesen ängstlichen Zeugen dann den Rücken stärken, schließlich habe ich darin so meine Erfahrungen.« »Mylady werden die Personen sicher entsprechend ermuntern und vor neuen Erpressungen und Bedrohungen zu schützen wissen.« »Wie in der Vergangenheit auch«, erinnerte sie munter. »Es waren immer recht unterhaltsame Fälle, Mister Parker.« »Ausschließlich für Mylady«, fügte der Butler hinzu. »Die Gewalttäter und Erpresser werden mit letzter Sicherheit nicht so freudig an die damaligen Begegnungen mit Mylady denken.« »Ich habe die Rowdies alle hinter Schloß und Riegel gebracht, Mister Parker. Werde ich übrigens verfolgt? Ich hoffe doch sehr, daß sich da was tut.« Der Butler kannte die Standardfrage nach Verfolgern und hatte sich bereits vergewissert, daß es offensichtlich keine gab. Er verneinte also die Frage und nahm zur Kenntnis, daß Lady Agatha die Absicht hatte, über den Fall zu meditieren. Erste Schnarchtöne verrieten ihm bald, daß sie sich sehr intensiv in den Fall versenkte. Er warf einen schnellen Blick in den Rückspiegel des Wagens. Die ältere Dame hatte sich in einer Ecke zurechtgekuschelt, natürlich die Augen geschlossen, und lächelte versunken. Er hatte also Zeit, sich seinerseits Gedanken über die Motorradfahrer zu machen. Was Mylady und er in dem Schnellimbiß erlebt hatten, war nicht gerade einmalig. Nur zu oft stieß man auf gewalttätige Personen, die glaubten, sich ihre eigenen Gesetze machen zu dürfen. Und viele dieser Menschen, die erstaunlicherweise oft das Motorrad als Transportmittel bevorzugten, hielten sich an Bürger, die der Gewalt völlig hilflos ausgeliefert waren. Parker war der Ansicht, daß man solchen Tätern zu wehren hatte. Sie mußten dazu gebracht werden, sich an die Spielregeln eines
mehr oder weniger höflichen Miteinander zu halten. Gewalt mußte man diesen Rowdies auf vielfältige Art auszureden versuchen. Parker konnte zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht wissen, mit welchen Gewalttätern er es zu tun hatte. * Er saß auf einer italienischen Maschine, war unwahrscheinlich schnell und überholte Parkers hochbeiniges Monstrum. Dabei hupte der Fahrer, machte betont auf sich aufmerksam und deutete dann auf Parkers Wagenheck. Anschließend gab er dem Butler mit der flachen, nach unten gerichteten Hand ein Zeichen, langsamer zu werden und zu halten. Das Gesicht des Zweiradfahrers konnte Parker nicht ausmachen. Der Mann im Sattel der starken Maschine trug einen modernen Jet-Helm und erinnerte an einen Astronauten, wozu seine Lederkleidung in schwarz noch beitrug. Parker ließ sich also überholen, minderte die Fahrt und steuerte einen Parkplatz an, dessen erstes Hinweiszeichen in Sicht kam. Der Butler folgerte daraus, daß der Zweirad-Benutzer sich auf dieser Schnellstraße in Richtung London wohl gut auskannte. Es dauerte nur wenige Minuten, bis die »Trickkiste auf Rädern« ausrollte. Parker hatte den kleinen, von Sträuchern gesäumten Parkplatz erreicht und blickte dem. Motorradfahrer entgegen, der gerade aus dem Sattel stieg, gestikulierte und dabei auf die rechte Wagentür zulief, hinter der der Butler am Steuer saß. Höflich wie stets senkte Parker die Scheibe ein wenig nach unten und erkundigte sich nach dem Grund der Zeichen. »Sollten Sie möglicherweise einen Schaden an meinem Gefährt festgestellt haben?« schloß er. »Da kommt Rauch ‘raus«, erwiderte der Zweirad-Benutzer und deutete erneut in Richtung Heck. »Hoffentlich kokelt der Tank nicht.« »Man wird einen prüfenden Blick auf diese Unregelmäßigkeit werfen müssen«, gab Parker zurück und sorgte im richtigen Augenblick für einen heftigen Stromstoß im Türgriff. Er übertrug sich auf die Hand des Zweirad-Sportlers, der die Tür hatte rasant aufreißen wollen.
Die Überraschung reichte völlig, um den Mann sportlich werden zu lassen. Er betätigte sich als Bodenakrobat, absolvierte fast einen Salto rückwärts und landete dann krachend auf dem Steißbein. Der Mann kippte weiter nach hinten, blieb auf dem Rücken liegen und wirkte ungemein verkrampft. Er schien von einer plötzlichen Katalepsie erfaßt worden zu sein. Die angewinkelten Arme und gespreizten Finger befanden sich in einem Spannungszustand von Dauer. Der Mann sah fast grotesk aus, war völlig bei Bewußtsein und wollte etwas sagen, vielleicht auch nur schreien, doch er brachte keinen Ton hervor. Er war wie gelähmt. Selbst die Stimmbänder hatten ihm den Dienst aufgekündigt. »Was ist denn, Mister Parker?« fragte Lady Agatha ein wenig ungehalten. Ihr Unterbewußtsein hatte reagiert, sie war hochgeschreckt und blickte zufällig nach draußen. Sie entdeckte den Ledergekleideten auf dem Asphalt und war sofort bei der Sache. »Ein Mordanschlag auf mich, nicht wahr, Mister Parker?« fragte sie. »Beruhigen Sie mich nicht unnötig, ich kann die Wahrheit ertragen.« »Zumindest ein Verfolger, Mylady«, gab Parker zurück, während er ausstieg. Die Stromzufuhr in die Türgriffe hatte er bereits unterbrochen. Einer der vielen Kipphebel auf dem damit reichhaltig ausgestatteten Armaturenbrett war dafür zuständig. Parker schritt auf den Verkrampften zu, der ihn aus weit aufgerissenen Augen anstarrte. »Sie sollten bei Gelegenheit mal einen Facharzt aufsuchen«, schlug Parker ihm vor. »Grundlos dürften Sie sich wohl kaum freiwillig zu Boden geworfen haben. Wenn Sie erlauben, wird meine Wenigkeit Ihnen eine hilfreiche Hand leihen.« Der Butler bot nicht nur Hilfe an, er tätigte sie auch. Mit schnellen und geschickten Fingern, um die ihn ein erstklassiger Taschendieb beneidet hätte, durchsuchte er den Muskelstarren und barg außer einer Lederhülle, die als Brieftasche diente, noch eine Stahlrute und eine kleinkalibrige Automatic. »Sie haben sicher dafür Verständnis, daß man Ihre Absicht durchkreuzte«, sagte Parker zu dem Zweirad-Benutzer, der sehr gut hören konnte, »aber ihre Abstimmung mit dem nahen Parkplatz hier war wohl doch ein wenig zu kalkuliert und verursachte daher Mißtrauen.«
»Ich werde dieses Subjekt mitnehmen«, sagte Lady Agatha, die sich zu Parker gesellte. »Er wird sicher erste Hilfe brauchen, Mister Parker. Ich werde das in die Hand nehmen.« Parker schlug dem Mann vor, in den Wagenfond zu steigen und sorgte dann mit einem Patent-Spray für das Lockern der verspannten Muskeln. Dieser Spray stammte aus einem Zerstäuber, der kaum größer war als die Hülse eines Lippenstiftes. Angesichts seiner Automatic in der Hand des Butlers kam der Zweiradfahrer dem Vorschlag nach. »Ich denke, ich werde mit der Maschine folgen, Mister Parker«, sagte Lady Simpson. Sie machte einen gefährlichunternehmungslustigen Eindruck wie immer, wenn sie sich generell mit Technik befaßte. »Mylady könnten dadurch vielleicht einen zweiten Überfall versäumen«, gab Parker höflich wie stets zurück, obwohl ihm graute. Er kannte die Fahrkünste der älteren Dame, die sich alles zutraute und stets für Chaos sorgte. »Ein weiterer Überfall?« Sie blickte Parker recht interessiert an. »Der betreffende Zweiradfahrer dürfte nur die Vorhut sein, Mylady«, schwindelte der Butler geistesgegenwärtig. Er hatte zur Durchgangsstraße geblickt und sah dort den dichten Verkehr. Mylady auf einem Motorrad war eine sichere Garantie dafür, daß eben dieser Verkehr zusammenbrach. »Nun gut«, lenkte Agatha Simpson ein, »ich werde die Maschine abholen lassen, Mister Parker, sichern Sie sie.« Und dann weiter, ich möchte endlich richtig überfallen werden. Diese Individuen lassen sich hoffentlich bald etwas einfallen. Aus guten Gründen beeilte sich Parker, Myladys Wunsch nachzukommen, doch dabei verlor er selbstverständlich nicht an Würde. * »Sagen Sie, Mister Parker, besitze ich hier in der Region nicht ein kleines Landhaus?« erkundigte sich die ältere Dame nach einigen Minuten, als man schon wieder auf der Durchgangsstraße war. »Mylady könnten selbstverständlich im nahen Westham ohne weiteres Quartier nehmen«, gab Parker zurück, »doch Mylady werden natürlich mit einem schnellen Blick wahrgenommen haben,
daß die diversen Motorradfahrer in London beheimatet sind, wie die Kennzeichen ausweisen.« »Einer Lady Simpson entgeht selbstverständlich kein Detail«, lobte sich die ältere Dame umgehend. »Ich werde also zurück nach Shepherd’s Market fahren, Mister Parker. Davon lasse ich mich nicht abbringen.« Sie saß neben dem Butler auf dem Beifahrersitz und wandte sich zu dem Mitfahrer um, der dabei war, sich die schmerzenden Muskelpartien im Nacken und in den Fingergelenken zu massieren. Er war voll ansprechbar und beugte sich vor, um der Lady nahe zu sein. Die schußsichere Trennscheibe hinderte ihn daran, nach ihrem Hals zu greifen. »Laßt mich sofort raus«, verlangte er wütend. »Leute, ihr ahnt ja nicht, was für ‘nen Ärger ihr noch bekommt… Laßt mich raus, bevor ich die Sache hochspiele!« . »Nach der Automatic und der Stahlrute brauchen Sie nicht zu suchen, Mister«, warnte Parker den Mitfahrer. »Meine Wenigkeit war so frei, die beiden Waffen in Verwahrung zu nehmen.« »Abstoppen, Leute, oder ihr begeht Selbstmord«, drohte der Zweirad-Benutzer aufgebracht und beschäftigte sich anschließend mit dem Türgriff an seiner Seite. Es zeigte sich, daß die Tür sich nicht öffnen ließ, worauf der Mitfahrer es gegenüber versuchte. Doch auch hier scheiterte er. »Seien Sie gefälligst nicht so albern, jünger Mann«, raunzte die ältere Dame den etwa dreißigjährigen Mann an. »Sie kommen mit und werden dann von mir verhört.« Die eingeschaltete Sprechanlage zwischen Wagenfond und Vordersitzen funktionierte ausgezeichnet und gab den baritonalen Gesprächston der Lady getreu wieder. Der Angesprochene duckte sich für einige Sekunden förmlich, so beeindruckt war er. »Sie ahnen nicht, worauf Sie sich da einlassen«, schickte der Mitfahrer voraus und bemühte sich um ein wenig Höflichkeit. »Sie werden ‘ne ganze Straßen-Gang am Hals haben. Gegen die Wilden habt ihr keine Chancen.« »Sie sprechen von sogenannten Wilden?« hakte der Butler sofort nach. »Ich soll was von Wilden gesagt haben?« protestierte der Zweirad-Benutzer und tat ahnungslos. »Natürlich haben Sie von Wilden gesprochen, junger Mann«, grollte Lady Simpson gereizt. »Ich habe doch Ohren…«
»Ich habe kein Wort von Wilden gesagt«, wiederholte der Mann seine Lüge, und Parker kam automatisch zu dem Schluß, daß diese Bezeichnung nicht für die Öffentlichkeit gedacht war. Der Mann hatte sich in seinem Eifer einfach vergessen und zu etwas hinreißen lassen. »Mylady und meine Wenigkeit werden selbstverständlich bei den Tatsachen verbleiben und in einem geplanten Beitrag für die Boulevard-Zeitungen auf die Wilden und auch auf Sie verweisen.« »Sie sind verrückt! Wollen Sie mich umbringen?« Der Mann schnaufte aufgebracht, rutschte wieder nach vorn und hämmerte dann mit den Fäusten gegen die Trennscheibe. »Hatten Sie so etwas nicht mit mir vor, junger Mann?« erkundigte sich Lady Agatha süffisant. »Wieso denn?« wollte der Mitfahrer wissen und wischte sich mit dem Handrücken den reichlich vorhandenen Schweiß von der Stirn. »Es war Ihre erklärte Absicht, Mylady auf heimtückische Art umbringen zu wollen«, machte Parker dem Dreißigjährigen deutlich. »Daraus ergeben sich natürlich Konsequenzen.« »Reden Sie doch keinen Unsinn«, brauste der Liebhaber italienischer Zweiräder auf. »Ich sollte euch doch nur…« »Reden Sie weiter, junger Mann«, raunzte Agatha Simpson ihn an, als er eine Pause einlegte. »Naja, ich sollte euch für die Wilden stoppen und hochnehmen.« »Mylady wünscht detailgenaue Auskunft«, ließ der Butler sich vernehmen. »Nun ja«, fuhr der Dreißigjährige fort und hüstelte ein wenig verlegen. »Ich sollte euch, na, sagen wir mal, ruhigstellen, bis man euch abgeholt hätte.« »Dieser Hinweis reicht mir überhaupt nicht, junger Mann«, grollte die Detektivin. »Sie haben jetzt die letzte Gelegenheit, zur Sache zu kommen. Wie sollten Sie mich ruhigstellen? Ich will es genau wissen!« »Kein… kein Kommentar mehr«, meinte der Zweirad-Benutzer nun. »Aus mir bekommt ihr kein Wort mehr raus. Ich bin doch nicht lebensmüde.« »So ähnlich beliebten Sie sich bereits schon mal auszudrücken«, erinnerte der Butler, »aber Sie können als sicher unterstellen, daß Sie Mylady noch alles sagen werden, was für Mylady von Interes-
se ist. Richten Sie sich auf eine unbequeme und unkonventionelle Art der Befragung ein.« »Und zeigen Sie, daß Sie ein hartgesottener Krimineller sind«, bat die ältere Dame sich aus. »In den allermeisten Fällen bin ich bisher stets enttäuscht worden, weil man zu schnell Geständnisse ablegte.« * Der zweistöckige Fachwerkbau stand auf den labyrinthartigen Gewölben einer mittelalterlichen Abtei. Das altehrwürdige Gebäude barg die Stadtwohnung der Lady Simpson und war das Hauptstück eines ganzen Ensembles ähnlicher, aber kleinerer Bauten, die einen geräumigen Vorplatz mit einer ansehnlichen Auffahrt umschlossen. Zur nahen Durchgangsstraße hin war dieser Platz von einer hohen Mauer aus Sandsteinquardern begrenzt. Ein Gittertor mit zwei Flügeln, die per Funksteuerung betätigt werden konnte, sicherte die Häuser, die ohne Ausnahme von Mylady besetzt wurden. Aus Gründen der Sicherheit hatte sie davon Abstand genommen, die kleinen Nebenhäuser zu vermieten. Sie wollte etwaige Bewohner nicht in Gefahr bringen, denn Gangster aller Schattierungen versuchten immer wieder, Mylady und ihren Butler unaufgefordert zu besuchen. »Sie sollten Mylady und meine Wenigkeit jetzt daran erinnern, daß Sie sich gekidnappt fühlen«, meinte Parker, nachdem er den Fahrgast ins Haus geschafft hatte. Der Dreißigjährige hatte sich bereits intensiv und neugierig umgeschaut und blieb nach dem Passieren eines verglasten Vorflurs, der als Windfang diente, beeindruckt stehen. Er befand sich in einer großen Wohnhalle, von der aus eine geschwungene Freitreppe ins Obergeschoß führte. Links an der Längswand gab es einen mächtigen Kamin mit großer Feuerstelle, eine Sitzgruppe und Ritterrüstungen aller Art. Mittelalterliche Waffen, Tapisserien, Gemälde und Jagdtrophäen zierten die Wände. »Betrachten Sie sich als Myladys Gast«, lud der Butler den Mitfahrer noch mal ein. »An Behaglichkeit, Pflege und ärztlicher Betreuung wird es Ihnen mit Sicherheit nicht fehlen.«
»Arzt…ärztliche Betreuung?« stotterte der Gast des Hauses. »Für den Fall, daß es zu Komplikationen kommen sollte«, beruhigte der Butler den Dreißigjährigen. »Was für Komplikationen, Mann? Was… was haben Sie mit mir vor?« »Sollten Sie tatsächlich vergessen haben, daß Mylady die Absicht hegt, Sie peinlich zu befragen?« wunderte sich der Butler. »Dabei kann es tatsächlich schon mal zu gesundheitlichen Irritationen der Behandelten kommen. Man denke an Kreislaufschwäche, Krämpfe, gewisse Blutungen und…« »Hört mal, Leute, ihr seid doch nicht etwa verrückt, wie?« erkundigte sich der Mann hastig. »Ich meine… man kann ja über alles reden, klar? Ihr braucht gar nicht groß zu fragen, ich sag’ auch so, was ich weiß. Ehrenwort!« »Wie wollten Sie die bereits erwähnten Wilden dahingehend informieren, daß Sie Mylady und meine Wenigkeit ruhiggestellt hatten?« erkundigte sich Parker. »Ganz einfach, ich sollte anrufen. Und dann wollte man euch abholen.« »Und wohin, um auch diese Frage noch zu klären?« »West India Docks«, verhieß die Antwort, die mit der Nennung einer Adresse schloß. »Ich glaube diesem Subjekt kein Wort«, ließ die passionierte Detektivin vernehmen und lächelte den Butler zufrieden an. »Ich werde wohl doch peinlich fragen müssen, Mister Parker.« »Und ob ich die Wahrheit gesagt habe«, protestierte der Hausgast. »Die Wilden, haben da ein Trainings-Center.« »Das sicher über einen Telefonanschluß verfügt«, vermutete der Butler, der umgehend diese Nummer erfuhr. »Vielleicht krönen Sie Ihre hoffentlich richtigen Angaben noch mit der Nennung Ihres Namens«, regte der Butler abschließend an. »Ich… ich bin Norman Shaffner«, stellte der Mann sich hastig vor, »und mit den Wilden hab’ ich eigentlich nichts zu tun. Ich hab’ ‘nen kleinen Laden und verkauf gebrauchte Motorräder und reparier’ die auch. Wollen Sie meine Adresse haben?« »Sie könnte nicht schaden«, meinte Parker. »Entspannen Sie sich jetzt in einem der Gästezimmer. Sie werden sich wohl fühlen, wenn Ihre Angaben sich als richtig herausstellen.« Der Dreißigjährige nickte und… wurde dann ohne jeden Übergang recht aktiv.
* Er drückte sich ab und wollte Mylady als Geisel nehmen. Er warf sich auf die ältere Dame, versuchte sie herumzureißen und hinter ihr Schutz zu gewinnen. Vom Ansatz her war das völlig richtig gedacht, denn die majestätische Körperfülle der älteren Dame hätte wie ein unüberwindbarer Wall dienen können, wenn Mylady mitgespielt hätte. Daran dachte sie aber überhaupt nicht. Sie verabreichte ihm im richtigen Moment eine gewaltige Ohrfeige, deren Energie er nicht gewachsen war. Er wurde zur Seite geschleudert, fiel über die breite Lehne eines schweren Ledersessels und blieb anschließend benommen liegen. Er erinnerte plötzlich an ein schlaffes, nasses Handtuch. »Er wird hoffentlich nicht allen Mut verloren haben, Mister Parker?« fragte Agatha Simpson bestürzt. »Mister Norman Shaffner dürfte zumindest tief beeindruckt sein, Mylady«, stellte der Butler fest. »Die Jugend von heute«, redete sie weiter und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf, »keine Widerstandskraft mehr…« »Myladys Ohrfeige dürfte sehr nachdrücklich gewesen sein.« »Na, wenn schon«, mokierte sie sich. »Schaffen Sie dieses Subjekt fort, Mister Parker. Sie finden mich oben in meinen Räumen. Ich werde mich ein wenig erfrischen. Den Tee erwarte ich in einer halben Stunde, übrigens zusammen mit einem kleinen Imbiß, Mister Parker, der das Dinner jedoch nicht ersetzen soll.« »Meine Wenigkeit glaubt verstanden zu haben«, erwiderte der Butler und geleitete seine Herrin hinüber zur Treppe. Mylady nickte ihm wohlwollend zu und schritt in beeindruckender Form hinauf. Eine amtierende Monarchin hätte sich kaum würdiger benehmen können. Der Mann auf der Sessellehne war gerade wieder zu sich gekommen, strich sich über die Stirn, fingerte an der getroffenen Backe herum und atmete vorsichtig und flach. »Diese Frau ist ja… gefährlich«, meinte er dann erschüttert. »Ist sie weg?«
»Mylady kann jederzeit zurückkommen, Mister Shaffner«, warnte der Butler. »Und Myladys Ärger ist geradezu beeindruckend, wenn Mylady erfährt, daß man Mylady belogen hat.« »Ich habe die Wahrheit gesagt«, gab Shaffner schleunigst zurück. »Die Wilden gibt’s wirklich. Sie haben ihr Trainings-Center in ‘ner alten Groß-Bäckerei bei den West India Docks.« »Man wird die Angaben zu prüfen wissen, Mister Shaffner, auch diejenigen, die sich auf Ihre Person beziehen.« »Mein Geschäft ist in Limehouse«, bestätigte der Dreißigjährige fast beschwörend. »Ich bin wirklich rein zufällig mit diesen Wilden zusammengekommen. Die hatten ein paarmal bei mir eingekauft und auch Maschinen in die Werkstatt gebracht. Und die Kerle haben immer anstandslos und pünktlich bezahlt.« »Die von Ihnen genannten Wilden sind ein Zusammenschluß von Fahrern schwerer Zweiräder?« forschte Parker. »Ja, stimmt haargenau«, reagierte Shaffner gespielt arglos. »Die haben alle einen ordentlichen Beruf, die meisten von ihnen jedenfalls. Und die fahren in ihrer Freizeit über Land und flippen manchmal aus, wie man so hört.« »Nach Lage der Dinge scheinen die jungen Sportler Spezialisten in Sachen Kreditbeschaffung zu sein«, erinnerte der Butler. »Davon weiß ich nichts«, behauptete Shaffner. »Ich wollte den Wilden nur einen Gefallen tun, als ich Sie da einholte und abwinkte. Und offen gesagt, etwas Angst hatte ich vor den Leuten schon. Die können zulangen, wie man so hört.« »Sie waren mit den jungen Sportlern unterwegs?« »Die… die hatten mich eingeladen. Ich hatte mich von ihnen getrennt, als sie in dieses Lokal gingen, ich wollte noch was einkaufen. Als ich dann zurückkam, sah ich, wie die Polizei abkassierte.« »Das Gespinst einer Lüge ist nicht einfach zu weben, Mister Shaffner«, machte Parker dem Dreißigjährigen klar. »Die sechs jungen Sportler hatten keine Möglichkeit, Sie zu informieren. Entweder handelten sie auf eigene Faust, oder aber sie folgten der Anordnung einer Person, die meine Wenigkeit zur Zeit noch nicht kennt. Aber dazu vielleicht später mehr. Nun sollten Sie erst mal der verdienten Ruhe pflegen. Betrachten Sie sich als umsorgter Gast des Hauses.« Shaffner senkte ergeben den Kopf und verzichtete darauf, sich jetzt noch mit dem Butler anzulegen.
* Josuah Parker wußte den Gast wohlverwahrt. Norman Shaffner, wie er offensichtlich hieß, weil es aus den Papieren seiner Brieftasche hervorging, befand sich in einem der speziellen Gästezimmer des Hauses, die in den Gewölben eingerichtet worden waren. Sie boten allen wünschenswerten Komfort, hatten aber natürlich keine Außenfenster und Türen, die man nach Wunsch öffnen konnte. In diesen Raum brachte Parker Problem-Gäste kurzfristig unter, wenn es die Lage erforderlich machte. Der Zugang zu diesen Zimmern war ein wenig kompliziert und für Nichteingeweihte mit Sicherheit nicht zu finden. Man mußte erst durch die große Wirtschaftsküche im Souterrain des Hauses und dann durch einen Vorratsraum. Von dort erreichte man durch eine Geheimtür in der Kachelwand die Treppe, die in die Gewölbe führte. Parker hatte in der Vergangenheit diesen Zugang einige Male modifiziert und sich inzwischen für diesen Weg entschlossen, der relativ einfach zu begehen war. Gäste des Hauses, die hier unten ihre Freizeit verbringen durften, hätten den Weg nicht wiedererkannt. Parker zog diesen Personen stets eine mehrfach gefütterte, sichtschluckende Kapuze über den Kopf, die bis zu den Schultern reichte. Um einem Erkennen anhand von etwaigen Küchengerüchen vorzubeugen, war die Innenseite dieser Kapuze mit Fremdgerüchen aller Art imprägniert, die eine Identifikation unmöglich machte. Norman Shaffner hatte sich zu Parkers Frage wegen zusätzlicher Personen nicht geäußert und verbissen ausgeschwiegen. Dem Butler war völlig klar, daß Shaffner keineswegs jener arglose Mitläufer war, der er sein wollte. Ohne ersichtlichen Grund hatte Shaffner wohl kaum an dieser Gruppenausfahrt teilgenommen. Er schien innerhalb der Gang der Wilden, wie die Zweiradfahrer sich nannten, keine untergeordnete Rolle zu spielen. Gab es dann überhaupt noch eine unbekannte Person, für die Shaffner vielleicht tätig geworden war? Die sogenannten Wilden mußten wesentlich mehr sein als junge, gelangweilte Männer, sie sich austobten. Die Forderung nach ei-
nem Kredit war schon fast profihaft. Parker kannte solche Belästigungen, die hart an Erpressung und Nötigung grenzten. Waren die Wilden nur ein paar Stunden pro Tag unterwegs und gingen sie ihre Mitmenschen auf die bekannte Art um Kredite an, so mußte da eine hübsche Menge Geld zusammenkommen. Waren diese Ausfahrten organisiert? Ging es vielleicht sogar um erheblich höhere Forderungen? Wurden hier Erpressungen im großen Stil betrieben? Für den Butler stand fest, daß man noch am selben Tag zu den West India Docks fahren mußte, um sich das Trainings-Center aus nächster Nähe anzusehen. Darüber hinaus war noch ein kritischer Blick auf die Werkstatt des Norman Shaffner zu werfen. Vielleicht war man einer Straßen-Gang auf der Spur, die eine neue Methode der Geldbeschaffung anwandte. Parker befand sich inzwischen in der großen Wohnhalle und reagierte würdevoll-gelassen, als die Türklingel aktiviert wurde. Er schritt zum großen Wandschrank neben dem verglasten Vorflur, schaltete die hauseigene Fernsehanlage ein und sah nach wenigen Sekunden einen seriös aussehenden Mann vor der Haustür, der gerade damit beschäftigt war, den Sitz seiner Krawatte zu überprüfen. Über die Sprechanlage erkundigte sich der Butler nach den Wünschen des Besuchers. Er ging davon aus, daß die Wilden bereits reagierten. * »Mein Name ist Borrows«, stellte der etwa fünfunddreißigjährige Mann sich vor. »Wäre es möglich, Lady Simpson zu sprechen?« Parker hatte den Besucher eintreten lassen. Borrows, wie er sich nannte, stand im verglasten Vorflur und blickte in einer Mischung aus Neugier und kalter Abschätzung in die Wohnhalle. Er hatte ohne sein Wissen bereits den Metall-Detektor im Türrahmen passiert und auf diesem Umweg signalisiert, daß er keine Waffen bei sich trug. »Darf man sich höflichst nach den Gründen Ihres Besuches erkundigen?« fragte der Butler. »Ich komme wegen der Wilden«, lautete die Antwort, die den Butler im Grund nicht zu verblüffen vermochte. »Es muß da ein
paar Mißverständnisse gegeben haben, die man schleunigst aufklären sollte.« »Meine Wenigkeit wird Mylady umgehend informieren«, erwiderte der Butler und entsperrte mit der Fernbedienung in seiner Hand unauffällig die schwere Glastür. Anwalt Borrows trat ein, nickte dem Butler zu und verzichtete auf den Sessel, den Parker anbot. »Ich werde nicht lange bleiben«, meinte Borrows, der einen durchaus seriösen Eindruck machte. Er trug einen dunkelgrauen Anzug, ein weißes Hemd und gab sich sachlich. Parker entschuldigte sich und schritt zur Treppe, die ins Obergeschoß führte. Er wandte dem Besucher absichtlich den Rücken zu und lud ihn gleichsam ein, einen Angriff zu führen. Borrows konnte dem nicht widerstehen. Parker hörte ein schwaches Geräusch hinter sich, blickte in den großen Spiegel am Treppenaufgang und sah den Besucher, der sich bereits auf dem Weg befand, um den Butler niederzuschlagen. Der Mann schien sich in Karate auszukennen, denn er wollte die Kanten seiner Hände als lebensgefährliche Waffen einsetzen. Parker war mit dem Überfall verständlicherweise nicht einverstanden und griff fast beiläufig nach einer Messingschale, die auf einem Podest neben dem Treppenaufgang stand. Er bot sie als Ziel für die Handkanten des Besuchers an. Borrows schlug hart und gnadenlos zu. Dann stöhnte er aber in einer Mischung aus Aufjaulen und Schmerz, verbeugte sich intensiv vor dem Butler und hielt im Aufrichten die Hände hoch, die an der schweren Schale voll abgeprallt waren. »Beeindruckend, was Sie gerade zeigten«, stellte der Butler fest. Der Schmerz in Ihren Händen dürfte sich im Verlauf der nächsten Stunden legen, Mister Borrows. Dies ist doch Ihr richtiger Name, nicht wahr?« »Meine Hände«, klagte der Anwalt und trippelte mit kurzen, schnellen Schritten auf dem Teppich herum. »Meine Hände… Ich muß mir einige Knochen gebrochen haben.« »Sicher nur eine Prellung, Mister Borrows«, beruhigte Parker den Besucher. »Um Gewißheit zu erhalten, sollten Sie Ihre Hände röntgen lassen. Darf man fragen, weshalb die Wilden Sie veranlaßten, mit Ihren Handkanten zu operieren?«
»Wieso Handkanten?« antwortete Borrows umgehend und bemühte sich um Ahnungslosigkeit. »Hier… hier muß ein Mißverständnis vorliegen.« »Sie hatten demnach keineswegs die Absicht, meine Wenigkeit mit Ihren Handkanten zu attackieren, Mister Borrows?« »Aber auf keinen Fall«, log der Mann, der Anwalt sein wollte. »Ich wollte nur die Schale auffangen, als sie aus Ihrer Hand rutschte.« »Ihre Angst vor den sogenannten Wilden muß bemerkenswert intensiv sein«, vermutete der Butler, ohne auf die mehr als faule Ausrede des Besuchers einzugehen. »Von Angst kann überhaupt keine Rede sein«, meinte Borrows und blies gegen die Handkanten, die offenbar Kühlung brauchten. »Ich bin gekommen, um eine Entschuldigung vorzubringen. Die Sportler hatten sich einen – zugegebenermaßen – derben Scherz mit Lady Simpson und Ihnen erlaubt, als sie um einen Kredit nachsuchten. Ich bin beauftragt, offiziell um Entschuldigung zu bitten. Die Sportler sind natürlich bereit, Ihnen so etwas wie Schadensersatz anzubieten.« »Man würde in der Tat Bargeld anbieten und auch zahlen?« wunderte sich Parker. »Unbedingt«, sagte Borrows. »Das wurde mir am Telefon ausdrücklich bestätigt.« »Sie wurden von den wilden Herren angerufen?« »Von einer Polizeistation auf dem Land«, informierte der Anwalt. »Es wird sich übrigens herausstellen, daß meine Klienten keineswegs mit jenen Leuten zu tun haben, die erpressen und nötigen. Hier liegt eindeutig eine Verwechslung vor.« »Wie schön und passend für die sogenannten Wilden«, fand der Butler. »Mylady wird sich möglicherweise mit den Herren in Verbindung setzen. Zur Zeit ist Mylady allerdings nicht erreichbar.« »Na ja, Hauptsache, Sie wissen, daß es da eine Entschuldigung gibt. Ich gehe davon aus, daß die Polizei sich mit Ihnen noch in Verbindung setzen wird. Sie haben sich als Zeugen angeboten, nicht wahr?« »Ohne jedes Zögern, Mister Borrows«, bestätigte Josuah Parker. »Könnten Sie Ihre Karte zurücklassen?« »Kein Problem«, antwortete Borrows. »Ich muß dazu aber meine Brieftasche ‘rausholen.«
»Sollte es diese sein, Mister Borrows?« Wie durch Zauberei hielt der Butler eine gut gefüllte Brieftasche aus Leder in der linken Hand. »Tatsächlich!« Der Anwalt staunte und schüttelte den Kopf. »Wie sind Sie denn, an die gekommen?« »Sie müssen sie bei Ihrer Aktion, die meine Wenigkeit völlig mißverstand, verloren haben«, mutmaßte der Butler, wobei sein glattes Gesicht sich nicht rührte. »Tatsächlich?« Borrows schüttelte erneut den Kopf und konnte sich den Vorgang nicht erklären. »Mit Ihrer Erlaubnis, Sir.« Parker hatte die Brieftasche bereits aufgeklappt und holte eine Visitenkarte hervor, die zu einer kleinen Auswahl in Kärtchen gehörte, die in einem speziellen Fach untergebracht waren. Auf dieser Visitenkarte stand der Name Philipp Borrows, der den Beruf eines Anwalts ausübte. »Jetzt überzeugt?« fragte Borrows mit einem Anflug von Ironie. »Mehr denn je erhebt sich die Frage, Mister Borrows, warum Sie sich für die Wilden derart exponiert haben«, meinte Parker noch mal. »Es dürfte kaum zu Ihren Gepflogenheiten gehören, mit den Handkanten Ihre Vorstellungen durchzusetzen.« »Kein Kommentar«, entgegnete Borrows. »Zudem weiß ich nach wie vor nicht, wovon Sie reden.« »Vielleicht ändert sich dies im Verlauf der kommenden Stunden, Mister Borrows«, sagte Parker. »Betrachten Sie es als einen Vorzug, bereits wieder gehen zu dürfen.« »Ich gehe schon«, versicherte der Anwalt, »aber ich rate Ihnen privat, den Vorfall da draußen in der Raststätte zu vergessen. Man hat ja schließlich nur ein einziges Leben.« »Ein Sinnspruch, der meiner Wenigkeit durchaus bekannt ist«, ließ der Butler sich vernehmen. »Doch ein Leben in permanenter Angst ist nicht gerade erstrebenswert, Mister Borrows. Man sollte vielleicht doch hin und wieder das leisten, was man gemeinhin Widerstand zu nennen pflegt.« * »Es war natürlich ein Fehler, dieses Subjekt nicht festgehalten zu haben, Mister Parker«, monierte die ältere Dame eine halbe
Stunde später. Sie saß am Tisch im kleinen Salon und nahm eine frugale Zwischenmahlzeit ein. Weisungsgemäß hatte der Butler nur für ein paar Kleinigkeiten gesorgt. Er bot einige Scheiben Roastbeef an, die Mylady nach Belieben mit diversen mehr oder weniger fetten Dips behandeln konnte, dann kaltes Huhn, einige gegrillte Tomaten, dann ein fast kleines Steak, Backkartoffeln, einige Salate und schließlich zum Abrunden Käse und Apfelkuchen. Kontinental aufgebrühter Kaffee und ein wenig Brandy zur Stabilisierung des Kreislaufs verstanden sich am Rand. »Wie gut, Mister Parker, daß ich mich wieder mal unter Kontrolle habe«, lobte sich die ältere Dame, die einen erstaunlich guten Appetit entwickelte. »Stellen Sie sich vor, ich würde mich gehenlassen.« »Ein Vorgang, der einfach nicht denkbar ist, Mylady«, versicherte der Butler in seiner höflichen Art. »Ich will mich ja wirklich nicht unnötig loben, Mister Parker«, fuhr sie munter fort, »aber an mir kann sich so mancher ein Beispiel nehmen.« »Es dürfte aber stets bei einem Bemühen bleiben, Mylady.« Sein Gesicht blieb ausdruckslos. »Nun, wie auch immer.« Die Hausherrin räusperte sich. »Was steht auf meinem Einsatzplan, Mister Parker? Dieser Anwalt war natürlich kein Anwalt. Und seine Adresse stimmt ebenfalls nicht.« »Er benutzt allerdings einen Wagen, der auf einen Anwalt namens Philipp Borrows in Wapping zugelassen ist«, gab der Butler zu bedenken. »Wenn schon, Mister Parker, man wird diesen Wagen natürlich gestohlen haben«, meinte sie und lächelte mild. »Sie lassen sich einfach immer wieder zu schnell düpieren.« »Ein Fehler, Mylady, den es zu korrigieren gilt.« Parker war nicht aus der Ruhe zu bringen. »Nur nichts überstürzen«, riet die Detektivin ihm. »Ich fahre also wohin? Wo werde ich gebraucht?« »Mylady haben die Absicht, dem Ladenlokal des Mister Shaffner einen Besuch abzustatten«, zählte der Butler auf. »Anschließend wollen Mylady sich das Trainings-Center der sogenannten Wilden ansehen.« »Ich darf keine Zeit verlieren. Diese Wilden befinden sich noch in der Obhut der Polizei?«
»Davon können Mylady ausgehen«, versicherte der Butler ihr. »Bis zu einer Freisetzung durch einen Richter vergehen erfahrungsgemäß stets einige Stunden, falls man einen solchen Vorgang energisch betreibt.« »Ich habe also einen zeitlichen Vorsprung«, faßte sie zusammen. »Mister Parker, noch einen kleinen Brandy, damit mein Kreislauf den kommenden Strapazen gewachsen ist. Nehmen Sie nicht alles so schrecklich wörtlich… Sooo klein braucht der Brandy nun .auch wieder nicht zu sein… Sehr schön!« Agatha Simpson lehnte sich zurück und nickte zufrieden, bevor sie am Glas nippte. »Mister Parker, ich habe mich mit diesem neuen Fall bereits identifiziert. Ich denke, ich werde wieder mal Zeichen setzen.« »Daran auch nur andeutungsweise zweifeln zu wollen, Mylady, käme einem Sakrileg gleich«, behauptete der Butler mit großem Ernst. »Was ich an Ihnen schätze, Mister Parker, ist Ihre Objektivität«, lobte die ältere Dame verhalten. »Nur weiter so!« * Es war ein hübsches Geschäft, in dem Norman Shaffner Fahrräder und Motorräder feilbot. Seine Auswahl in den beiden vorderen Verkaufsräumen war reichhaltig. Über eine Treppe erreichte man ein tiefer gelegenes Halbgeschoß, in dem ausschließlich motorisierte Zweiräder aller Preisklassen standen. Zwei sach- und fachkundig aussehende jüngere Männer betätigten sich als Berater und Verkäufer. Und genau diese beiden Angestellten zuckten förmlich zusammen, als Mylady über die wenigen Stufen nach unten in den großen Verkaufsraum stieg und sich umgehend für eine Harley-Davidson interessierte. »Habe ich Ihnen schon erzählt, Mister Parker, daß ich als junges Mädchen bereits Motorrad gefahren bin?« fragte sie ihren Butler. »Mylady deuteten dies in der Vergangenheit bereits mehrfach diskret an«, lautete die Antwort des Butlers. »Ich war bekannt für meine forsche Fahrweise, Mister Parker«, erinnerte sich die ältere Dame. »Mylady dürften seinerzeit bereits Maßstäbe gesetzt haben.« Die Detektivin nickte, lächelte versonnen und blickte dann einen der beiden Verkäufer intensiv an.
»Ersparen Sie sich technische Einzelheiten, junger Mann«, sagte sie abwehrend. »Mich interessiert allein der Preis.« »Sie fahren auf einem Motorrad, Madam?« fragte einer der beiden Verkäufer, der von Mylady fixiert worden war. Unglaube beherrschte seine Stimme. »Und sicher nicht nur als Sozia, junger Mann«, raunzte die ältere Dame ihn an. »Ich nahm an privaten Rennen teil und gewann selbstverständlich immer.« »Kaum zu glauben«, meinte der zweite Verkäufer. »Ich werde es Ihnen beweisen, junger Mann«, machte Lady Agatha ihm klar. »Bringen Sie diese Harley auf die Straße, anschließend werde ich sie testen.« »Sie… Sie wollen… eine Harley fahren?« Der Mann bekam fast den Schluckauf, und Parker hatte einige Mühe, sein glattes Gesicht zu wahren. Er kannte den Sportsgeist der älteren Dame nur zu gut. Selbstverständlich würde sie sich nicht genieren, die Harley zu bewegen. Parker sah im Geist bereits Schlagzeilen und hörte Sondermeldungen der Radio- und TV-Stationen. »Vorher sollten Mylady die beiden Herren vielleicht noch nach den sogenannten Wilden befragen«, schlug er ablenkend vor und hoffte auf eine abrupte Reaktion der Verkäufer. Nun, er wurde nicht enttäuscht. »Was… was sagten Sie da gerade? Wovon haben Sie eben gesprochen?« wollte der erste Verkäufer wissen und wechselte mit seinem Partner einen schnellen Blick. »Mylady hatten Kontakt mit sogenannten Wilden«, führte Parker nun näher aus. »Im Verlauf kurzer Gespräche kam es eindeutig zu gewissen Mißverständnissen.« »Was hat das mit uns zu tun?« fragte der zweite Verkäufer vorsichtig. »Ein Mister Norman Shaffner bemühte sich anschließend, Mylady und meine Wenigkeit mit einer Faustfeuerwaffe zu stoppen.« Die beiden Männer tauschten erneut einen beziehungsreichen Blick und strafften ihre Körper. »Mister Shaffner konnte dazu überredet werden, Mylady zu begleiten«, schloß der Butler. »Er betrachtet sich zur Zeit als Gast Lady Simpsons.« »Als Gast von Ihnen?« fragte der erste Verkäufer und blickte die ältere Dame ungläubig an. »Norman Shaffner ist mit Ihnen gekommen? So ganz ohne weiteres?«
»Der Wahrheit die Ehre, meine Herren«, schickte der Butler voraus. »Mister Shaffner mußte dazu ein wenig überredet werden.« »Moment, noch mal im Klartext«, bat Parkers Gegenüber. »Norman Shaffner ist Gast der Lady? Er ist einfach mitgekommen, nachdem er überredet wurde?« »Eine Zusammenfassung der Dinge, wie man sie nicht besser vornehmen könnte«, lobte der Butler den Verkäufer. »Er kann also nicht weg, wie er will?« vergewisserte sich der zweite Verkäufer. »Einer solchen Einschränkung unterliegt Mister Shaffner in der Tat«, bekannte der Butler. »Tja.« sagte der erste Spezialist in Sachen Zweirad und lächelte dünn und ein wenig ironisch. »Dann werden wir das mal schnell ändern, ja? Wir werden Shaffner holen. Ist das klar?« . Er wollte tatsächlich eine Schneidware oder eine Faustfeuerwaffe ziehen, wie Parker unterstellte. Der Butler hielt es für angebracht, die beiden Männer zur Ordnung zu rufen. * Sie saßen greinend auf dem Boden des Verkaufsraumes und verstanden die Welt nicht mehr. Der erste Verkäufer litt noch unter dem Huftritt eines unsichtbaren Pferdes. Mylady hatte ihren sogenannten Glücksbringer gezielt und schwungvoll eingesetzt und mit dem nur oberflächlich umwickelten Hufeisen die rechten Rippenbogen des Angreifers gestaucht. Nach Luft schnappend, saß der junge Mann vor der schweren Harley und blickte den Butler anklagend an, der ihn gerade entwaffnet hatte. Parker befand sich jetzt im Besitz von zwei Automatics und einem Klappmesser. Den zweiten Verkäufer hatte er bereits wenige Augenblicke zuvor abgerüstet, nachdem er ihn mit dem bleigefüllten Bambusgriff seines Schirmes kurz zu Boden geschickt hatte. »Ich wußte doch gleich, daß dies hier die Höhle des Löwen ist, Mister Parker«, ließ Lady Agatha sich vernehmen und blickte triumphierend auf die beiden noch recht benommenen ZweiradAnbieter. »Im Grund schade, daß dieser neue Fall sich damit bereits erledigt hat.«
»Mylady schließen auf der anderen Seite natürlich nicht aus, daß man gerade die Spitze des sprichwörtlichen Eisberges entdeckt haben könnte.« »Genau darauf wollte ich gerade verweisen, Mister Parker«, gab sie ernst zurück. »Sie wissen ja, daß ich schnellen und glatten Lösungen niemals traue.« »Myladys Erfahrungsschatz zahlt sich immer wieder aus.« »Das ist richtig.« Sie nickte und sah zu, wie Parker den beiden Männern Handfesseln anlegte. Er benutzte dazu sogenannte Einwegfesseln in Form von Plastikstreifen, die etwa anderthalb Zentimeter breit und etwa sechzig Zentimeter lang waren. Diese Fesseln erinnerten durchaus an Kabelbinder, zumal der Patentverschluß damit fast identisch war. Ohne Seitenschneider ließen sich diese glasfaserverstärkten Umklammerungen nicht öffnen. Parker verwandte die Plastikstreifen seit einiger Zeit, denn sie waren wesentlich leichter und konnten daher in beliebiger Menge mitgenommen werden. Die beiden Verkäufer hatten die schnelle Prozedur ohne jeden Widerstand hingenommen und waren noch immer damit beschäftigt, ihre Gedanken zu ordnen. Daß sie von zwei wesentlich älteren Personen quasi aus dem Handgelenk ausgeschaltet worden waren, wollte nicht in ihre Köpfe hinein. »Ich werde jetzt was tun, Mister Parker?« fragte Agatha Simpson und blickte fast verliebt auf die gewaltige Harley-Davidson, die wie ein Urtier zwischen den windschlüpfrigen übrigen Maschinen stand und fast an ein kleines Gebirge erinnerte. »Mylady wollen sicher einen prüfenden Blick in das Büro Mister Shaffners werfen und anschließend die Werkstatt inspizieren«, deutete der Butler die Frage seiner Herrin. »Man sollte vielleicht die Ladentür schließen, um störende Kunden von vornherein auszuschalten.« »Tun Sie, was ich für richtig halte«, meinte Lady Agatha und beugte sich dann zu den beiden Männern hinunter, die inzwischen wieder voll aufnahmefähig waren. »Sie wollten mich also attackieren und vielleicht sogar umbringen?« »Reden Sie keinen Blödsinn, Lady«, reagierte der Angesprochene wütend. »Es war nicht fair, wie sie mich von den Beinen gehauen haben.«
»Sie sind ein Gimpel«, sagte die energische Dame verächtlich. »Sollte ich warten, bis Sie sich auf eine wehrlose Frau eingeschossen hatten? Ich denke, ich sollte Ihnen jetzt einen ordentlichen Denkzettel verpassen, junger Mann!« »Könnten Mylady möglicherweise diese pädagogische Maßnahme um einige Minuten verschieben?« erkundigte sich Josuah Parker in diesem Augenblick und deutete mit der Spitze des eng gerollten Schirmes durch ein Seitenfenster der kleinen Ausstellungshalle auf den Hinterhof, an dessen Ende eine Werkstatt zu sehen war. Aus dieser Werkstatt kamen zwei Monteure in Overalls, die es recht eilig hatten. »Na schön, Mister Parker«, sagte Lady Agatha und lächelte wohlwollend. »Nehmen wir auch diese beiden Subjekte noch mit, Mister Parker. Ich möchte mir später keine Vorwürfe machen müssen.« * Sie waren ahnungslos, als sie den Raum betraten und blickten mehr als überrascht auf die beiden Automatics in den Händen von Lady Simpson und Butler Parker. »Was is’ denn hier passiert?« fragte der ältere und stämmigere der Monteure erstaunt. »Ihre Frage ließe sich ausführlich beantworten«, schickte Parker voraus, »aber in Anbetracht der Lage wird Mylady darauf verzichten. Sie haben den Vorzug, freiwillig den Boden aufsuchen zu dürfen.« »Was haben wir?« fragte der zweite Monteur aufgebracht. Er schüttelte verständnislos den Kopf. Er blickte auf die schallgedämpften Automatics und konnte sich darauf keinen Vers machen. Die beiden mit Sicherheit nicht mehr jungen Personen hielten die Waffen in einer Weise, die auf Übung schließen ließ. Aber das eben paßte nicht in sein Weltbild. »Auf den Boden«, raunzte Agatha Simpson die zwei Monteure an. »Natürlich mit dem Gesicht nach unten. Oder soll ich mit einem Schuß nachhelfen? Ich hätte absolut nichts dagegen.« Darauf wollten sie es doch nicht ankommen lassen. Sie suchten blitzartig den Steinboden auf und machten sich dann sehr flach.
Parker bat sie, die Hände auf dem Rücken zusammenzulegen. Danach opferte er noch mal zwei Wegwerffesseln aus Plastik. Auch sie entstammten der inneren Rundung seiner schwarzen Melone, die als eine Art Magazin für diese Fesseln diente. »Wer, meine Herren, außer Ihnen, hält sich noch in der Werkstatt auf?« erkundigte sich der Butler dann in seiner höflichen Art. »Hoffentlich verweigern Sie die Aussage«, seufzte Mylady hoffnungsfroh. Sie verstanden, worauf die ältere Dame anspielte und teilten dem Butler fast gleichzeitig mit, die Werkstatt wäre momentan leer. »Sie warten und reparieren die Maschinen der sogenannten Wilden?« lautete Parkers nächste Frage. »Ein… ein paar von ihnen nennen sich so«, bestätigte der Stämmige eilfertig. »Der Chef nimmt die Aufträge an und so… Wir sind nur für die Werkstatt zuständig.« »Mister Norman Shaffner hat bekanntlich noch einen Teilhaber«, bluffte der Butler aus dem Moment heraus. »Den Namen und die Adresse, meine Herren.« »Nun zeigen Sie doch endlich mal Rückgrat und verweigern Sie die Aussage«, bat die Detektivin die beiden Monteure. Und sie wußten erneut, daß sie wohl nur darauf wartete, endlich einen Schuß anbringen zu können. »Matt Meeker«, kam postwendend die Antwort. »Meeker wohnt nur ein paar Blocks weiter. Drüben in Stepney«, sagte der Stämmige, der Mylady mit Sicherheit nicht über den Weg traute, »hat Meeker so was wie ‘n Schätzbüro.« »Und was darf Mylady sich darunter vorstellen?« forschte der Butler weiter. »Na ja, Meeker schätzt Häuser, Wohnungen, Inneneinrichtungen und so was… Für Versicherungen… Hat Shaffner uns erklärt.« »Sollte Mister Meeker ein Sachverständiger sein?« »Haargenau, das ist er«, kam prompt die Bestätigung, die fast erleichtert klang. »Er ist Sachverständiger. So hat der Chef uns das erklärt.« »Was, Mister Parker, sage ich dazu?« wunderte sich die ältere Dame. »Mylady gehen davon aus, daß die Expertisen von Sachverständigen in der Regel nicht als preiswert zu bezeichnen sind«, beantwortete der Butler die Frage. »Mister Meeker dürfte sich seinen Sachverstand teuer bezahlen lassen.«
»Keine Details, Mister Parker«, verbat sich die ältere Dame. »Denken Sie daran, daß ich mir noch die Zentrale dieser Eingeborenen ansehen will.« »Der Wilden, wie Mylady zugetragen wurde, was den Namen dieser Gang betrifft.« »Klammern wir uns nicht an Begriffe, Mister Parker. Habe ich noch Fragen an diese Subjekte.« »Mylady wünschen noch einige Namen und Adressen von den erwähnten Wilden zu erfahren«, gab Parker zurück. »Man könnte dann in den Rechnungsunterlagen vergleichen, ob diese Wilden existieren und Kunden sind.« »Genieren Sie sich nicht, Mister Parker«, entgegnete Lady Agatha. »Ich werde es auch nicht tun, falls ich in Notwehr schießen müßte.« Die vier Firmenangehörigen lieferten umgehend Hinweise am laufenden Band. * »Manchmal sorge ich mich, Mister Parker«, sagte Lady Simpson. Sie saß im Fond des hochbeinigen Monstrums und machte einen recht ausgeglichenen Eindruck. »Mylady haben Gründe dafür?« wunderte sich Parker. »Gehe ich meine Gegner zu entschieden und hart an, Mister Parker?« erforschte die resolute Dame. »Könnte man mir eines Tages vielleicht Nötigung vorwerfen?« »Ein weiter Begriff, Mylady, der dazu noch ausgesprochen dehnbar ist«, beruhigte Parker seine Herrin. »Mylady drohen mit Sicherheit niemals konkret, sondern ergehen sich in Andeutungen, die vielleicht mißverstanden werden. Daraus resultieren dann von Fall zu Fall unerwartete Geständnisse.« »So sehe ich dies auch, Mister Parker«, gab sie zurück. »Und gegen Mißverständnisse ist schließlich kein Mensch gefeit.« »Überzeugender hätten Mylady es nicht auszudrücken vermögen«, erklärte Parker. »Ich bin eben für sprachliche Präzision, Mister Parker«, lobte sich die ältere Dame umgehend. »Ich bin jetzt auf der Fahrt wohin?« »Mylady ließen durchblicken, daß man Mister Matt Meeker aufsuchen sollte«, behauptete der Butler. »Anschließend könnten My-
lady dann noch einige sogenannte Wilde in Augenschein nehmen.« »Wie flüssig die Lümmel im Ladenlokal doch geredet haben«, meinte Agatha Simpson und lächelte versonnen. »Und wie gesagt, genötigt habe ich diese Subjekte doch gewiß nicht, oder?« »Mylady legten eine mehr als erstaunliche Geduld an den späten Nachmittag«, lautete die Antwort des Butlers. »Im Grund waren die Angesprochenen wohl sogar erleichtert, Mylady mit Hinweisen dienen zu dürfen.« »Diesen Eindruck hatte ich sofort«, sagte die Detektivin. »Ich werde nun ein wenig über den Fall nachdenken, Mister Parker.« »Mylady wünschen zu meditieren?« »So ist es, Mister Parker.« Sie kuschelte sich in ihrer Wagenecke zurecht, schloß die Augen und gab sich ihrer tiefen Versunkenheit hin. Erste, noch relativ leise Schnarchtöne meldeten bereits nach wenigen Minuten, wie ernst Lady Agatha es mit ihrem tiefen Nachdenken meinte. Der Butler schätzte solche Minuten der Versunkenheit, hatte er dann doch Zeit und Gelegenheit, über einen neuen Fall nachzudenken. Besonders kompliziert schien er nicht zu sein. Da waren offensichtlich hart gesottene junge Motorradfahrer, die sich in der Gruppe besonders stark fühlten und ihre Mitmenschen mehr oder weniger nachdrücklich terrorisierten. Heimlicher Anführer dieser Zweirad-Benutzer mochte Norman Shaffner sein, der sich zur Zeit als Myladys Gast fühlen durfte. Wer sein Kompagnon war, mußte sich noch erweisen. Parker ging davon aus, daß der erwähnte Matt Meeker wohl wußte, wer die Wilden waren und was sie trieben. Aber ging es wirklich nur darum, Kraft und Überlegenheit zu dokumentieren? Wollten diese Wilden wirklich nur ein paar Drinks und Erfrischungen kostenlos für sich abzweigen? War da Geld im Spiel, das ängstlichen Mitmenschen abgepreßt wurde? Die Hinweise der Polizei sprachen schließlich Bände. Der Inspektor hatte eindeutig von Erpressung gesprochen. Parker kannte Straßengangs dieser Art aus der jüngsten Vergangenheit. Natürlich hütete er sich, ledergekleidete Motorradfahrer von vornherein als Mitglieder einer Bande einzustufen. Pauschale Verurteilungen waren nicht Sache des Butlers. Doch er hatte be-
reits mehrfach mit solchen Zweiradfahrern zu tun, die nackten Terror ausübten. Im vorliegenden Fall war es sicher auch der Fall. Myladys spontaner Entschluß war schon richtig: Solchen Kriminellen mußte man so schnell wie möglich das Handwerk legen. Ein wenig irritierend war das Auftreten des Anwalts Philipp Borrows. Dieser Mann hatte doch tatsächlich versucht, Parker in Myladys Haus auszuschalten, und zwar im Auftrag der Wilden. Daran bestand überhaupt kein Zweifel. Wieso gab ein ehrenwerter Anwalt sich für so etwas her? Warum hatte Borrows sich derart exponiert und war dieses Risiko eingegangen? Er mußte sich in der Hand der Wilden befinden, war also erpreßbar. Warum legten die Wilden aber derart großen Wert darauf, Mylady und Butler Parker auszuschalten und als Zeugen aus dem Weg zu räumen? Fürchtete man, daß mehr ans Tageslicht käme als nur eine verunglückte Kreditaufnahme? Parker hatte im Gegensatz zu seiner Herrin das sichere Gefühl, daß dieser Fall nicht bereits gelöst war, wie die energische Dame vermutete. Nein, er begann sicher erst… Mit Überraschungen aller Art war fest zu rechnen! * Matt Meeker schien sich aus äußeren Dingen nichts zu machen. Sein Büro befand sich im Erdgeschoß eines vierstöckigen Bürohauses, in dem Anwälte, Steuerfachleute, Makler und einige Ärzte untergebracht waren. Die Adresse war nicht gerade als exklusiv einzuordnen, aber man konnte sie noch durchaus erwähnen. Spitzenverdiener arbeiteten hier wohl nicht, doch reelle Einkünfte waren als sicher zu unterstellen. Lady Agatha, die durch Parkers Räuspern aus ihrer Meditation aufgeschreckt worden war, erkundigte sich geistesgegenwärtig sofort nach etwaigen Verfolgern.
»Sie haben keine entdeckt, Mister Parker?« tadelte sie, als der Butler ihre Frage verneinte. »Sie werden die Lümmel wieder mal übersehen haben, fürchte ich.« »Falls dem so sein sollte, Mylady, bittet meine Wenigkeit bereits jetzt um Vergebung«, ließ der Butler sich vernehmen. »Mylady können sich jetzt und hier mit Mister Matt Meeker in Verbindung setzen.« »Sehr schön«, gab die ältere Dame zurück. »Das ist doch dieser…?« »… Sachverständige, Mylady«, half der Butler diskret aus. »Das sagte ich ja gerade«, behauptete Agatha Simpson ungerührt. »Er hat etwas mit den Wilden zu tun, nicht wahr?« »Mister Meeker ist der Kompagnon des Mister Shaffner, der sich zur Zeit als Myladys Gast betrachten darf.« »Ersparen Sie sich nähere Erklärungen, Mister Parker«, lautete ihre leicht gereizte Antwort. »Ich habe selbstverständlich alle Details im Kopf, wie Sie sich denken können.« Der Butler war ausgestiegen, öffnete den hinteren Wagenschlag und half Lady Agatha ins Freie. Er lieh ihr seine Hand und warf dann einen aufmerksamen Blick in die Runde. Mit Verfolgern war eigentlich immer zu rechnen. Vielleicht war es einem der vier Gefesselten gelungen, sich zu befreien und andere Wilde zu informieren? »So, und nun möchte ich überrascht werden«, schickte die resolute Dame voraus und setzte ihre majestätische Fülle in erstaunlich schnelle und dynamische Bewegung. Sie marschierte energisch zur Eingangstür, stieß sie kräftig auf und steuerte dann auf einen älteren Mann zu, der wohl als Hausmeister und Portier diente. »Ich suche Mister…?!« Sie wandte sich ungeduldig zu Parker um. »… Matt Meeker«, vollendete der Butler den Satz. Parker hatte längst das entsprechende Firmenschild und auch die Lage des Büros darauf zur Kenntnis genommen. Im Erdgeschoß, Büro Nr. 12, war Meeker zu finden, wie es auf dem Messingschild hieß. »Da haben Sie aber Glück gehabt«, meinte der ältere Mann. »Mister Meeker ist eben zurückgekommen. Erst vor ein paar Minuten.« »Ein vielbeschäftigter Mann, wie anzunehmen ist?« Parker offerierte dem Portier eine Banknote und sorgte dafür, daß Mylady davon nichts mitbekam. Als außerordentlich sparsame Frau hätte
sie wahrscheinlich Protest eingelegt und die Banknote gegen wesentlich weniger Hartgeld umgetauscht. »Meeker kugelt sich in seinem Büro nicht gerade den Arm aus«, erfolgte eine interessante Antwort. »Der hat’s wahrscheinlich auch gar nicht nötig. Meeker ist pro Tag höchstens ein bis zwei Stunden hier.« »Seine Privatadresse wäre von einigem Nutzen«, tippte Parker an und erhielt sie umgehend. Danach wohnte Matt Meeker ebenfalls hier im Stadtteil Stepney und zwar in einem Apartment-Hotel. »Vielleicht noch eine letzte Frage und eine entsprechende Antwort«, schickte der Butler. voraus. »Mister Meeker wird während seiner Bürostunden häufig von Motorradfahrern aufgesucht oder abgeholt?« »Nee, davon weiß ich nichts«, hörte Parker, der sich daraufhin für die erteilten Auskünfte bedankte, höflich die schwarze Melone lüftete und Mylady dann über eine Vortreppe hinauf in den entsprechenden Korridor führte. Dort herrschte Dämmerung, zumal es auch draußen inzwischen dunkelte. Nur einige schwache Glühbirnen verbreiteten trübes Licht. »Ich rechne selbstverständlich mit einer Falle, Mister Parker«, äußerte die ältere Dame. »Bleiben Sie hinter mir, dann wird Ihnen nichts passieren.« Parker sagte Mylady daraufhin, sie wäre ausgesprochen gütig und er wüßte ihre Fürsorge zu schätzen. * Matt Meeker entpuppte sich als ein etwa fünfzigjähriger, recht beleibter Mann, der eine blank polierte Glatze präsentierte und vor einer Schreibmaschine saß, in die ein Blatt eingespannt war. Er wandte sich ohne jede Hektik um, als Parker sich diskret durch ein Räuspern anmeldete. »Die Tür stand offen«, meinte der Butler. »Tatsächlich? Kann sein.« Meeker ging auf diesen Hinweis nicht weiter ein und stand langsam auf. »Wissen Sie, eigentlich ist mein Büro schon geschlossen, aber okay, wenn’s dringend ist, bitte, stehe ich zur Verfügung.«
»Sie haben die Ehre, Lady Simpson dienlich sein zu können, Mister Meeker«, schickte der Butler voraus. »Und darüber hinaus dürfen Sie mir endlich eine Sitzgelegenheit und eine Erfrischung anbieten«, ließ die ältere Dame sich grollend vernehmen. »Die Grundregeln der Höflichkeit sind Ihnen doch wohl bekannt, oder?« »Sie sind ‘ne Lady…? Ich meine…« Meeker runzelte die Stirn. »In der Tat, Mister Meeker«, erläuterte der Butler. »Und Mylady wünschen möglichst umgehend eine Expertise.« »Umgehend? Sie brauchen ein Gutachten? Um was geht es denn? Was ich nicht selbst liefern kann, läßt sich besorgen, kein Problem, ist alles nur eine Frage des Honorars.« »Mylady wünscht eine Expertise zum Thema Erpressung und Wilde, Mister Meeker, falls Ihnen das etwas sagt.« »Ein Gutachten in Sachen Erpressung? Wilde…? Hören Sie, ich verstehe kein Wort. Wer ist das…? Wilde?! Nie gehört. Oder doch? Kommt mir plötzlich so vor…« »Mister Shaffner dürfte diese Bezeichnung bereits mehrfach erwähnt haben, Mister Meeker.« Lady Agatha hatte ihre Fülle inzwischen in einem Sessel untergebracht, den der Gutachter ihr förmlich untergeschoben hatte. Sie verfolgte interessiert die weiteren Handreichungen des Beleibten, der einen Rollschrank geöffnet hatte und eine Flasche Brandy und ein Glas hervorholte. Lady Agatha nickte wohlwollend. »Shaffner?« fragte Meeker zurück. »Woher wissen Sie, daß ich sein Partner bin?« »Die Fragen stelle ich, junger Mann«, herrschte Mylady den Sachverständigen sofort an und nahm ihm die Brandyflasche aus der Hand. »Aber Sie können natürlich gern versuchen, sich auszuschweigen. Ich werde Ihnen das dann austreiben.« »In diesem Zusammenhang sollte meine Wenigkeit sich erkundigen, ob Sie hier in Ihrem Büro so etwas wie ein Erste-Hilfe-Set haben«, ließ der Butler sich gemessen und würdevoll vernehmen. »Wo… wozu sollte ich das brauchen?« fragte Meeker und zeigte Wirkung. Ihm schien etwas zu dämmern. »Mylady ist hin und wieder etwas zu intensiv bei der Verabreichung der Akupunktur«, erläuterte der Butler. »Akupunktur?« kam das Echo vom Beleibten.
»Mittels einer Hutnadel, Mister Meeker«, warnte der Butler. »Wenn Sie freundlicherweise auf Einzelheiten verzichten wollen, Mister Meeker…« »Also, junger Mann, die Antwort jetzt?« forderte Mylady ihn auf und zog ihr Stechwerkzeug aus dem phantasiereichen Gebilde einer Putzmacherin, die den Hut der älteren Dame mit Kunstblumen in eine Art Öko-Nische verwandelt hatte. »Ich… ich habe verstanden«, beteuerte der Beleibte schleunigst, »aber ich habe die Frage vergessen.« »Sie fertigen für Mister Shaffner Expertisen, Mister Meeker«, unterstellte Parker. »An welchen Personenkreis reicht Mister Shaffner dann Ihre Gutachten zu welchen Preisen weiter?« Während Parker noch fragte, wurde die Tür zu Meekers Büro schwungvoll aufgedrückt. Besuch kündigte sich an. * Die Tür gab dem kräftigen Druck nach und öffnete sich um etwa fünfzehn bis zwanzig Zentimeter, doch dann lief sie sich fest. Die Pergon, die bisher so stürmisch zu Werke gegangen war, spürte ein Hindernis und wollte es durch verstärkten Druck überwinden. Dies war nicht möglich, denn Parker hatte einen kleinen Keil unter die Tür geschoben, der das Türblatt entscheidend hemmte. Dieser Keil war normalerweise ein Stück Metall, das sich allerdings auffalten ließ. Es stammte aus einer Manteltasche des schwarzen Covercoats. Meeker hatte sich hinter dem Schreibtisch aufgebaut und wollte dem neuen Besucher zu Hilfe kommen. Er beugte sich über eine Schublade, die er aufgezogen hatte und suchte wohl nach einer entsprechenden Waffe. Lady Agatha reagierte umgehend. Sie hatte sich ihr Glas gefüllt, nahm einen ordentlichen Schluck Brandy zu sich, um ihren Kreislauf zu stabilisieren und schüttete den nicht gerade geringen Rest schwungvoll ins Gesicht des Gutachters. Der Brandy war keineswegs ausgereift, mild und akzeptabel. Er biß wie mit Messern in die Augen und machte den Beleibten kampfunfähig. Meeker sah deshalb nicht, daß Mylady mit ihrer
rechten Hand zu einer sogenannten pädagogischen Maßnahme ausholte und ihm eine ihrer gefürchteten Ohrfeigen verabreichte. Meeker flog seitlich gegen die Wand, rutschte im Zeitlupentempo an ihr herunter in Richtung Boden und blickte dabei aus leeren Augen zur Tür, wo sich ebenfalls einiges tat. Durch den Spalt hatte sich eine Hand geschoben, die eine schallgedämpfte Automatic hielt. Das Türblatt erzitterte unter weiterem Ansturm, hielt jedoch stand. Der Butler benutzte den bleigefüllten Bambusgriff seines Schirmes, um den zusätzlichen Besucher erst mal zu entmilitarisieren. Jenseits der Bürotür hörte man einen fast schluchzenden Aufschrei, dann fiel die kraftlose Hand ohne Waffe nach unten und verschwand. Parker drückte die Tür kaum merklich an und schlug mit dem Schirmgriff in der Manier eines Golfspielers den Keil los. Dann trat er in Erwartung des Kommenden diskret zur Seite. Er hatte sich nicht verschätzt. Jenseits der Tür schien man sich entschlossen zu haben, das klemmende Hindernis zu beseitigen. Parker hörte eine Art Ermunterungsschrei und dann den Anprall eines mächtigen Körpers gegen das Türblatt, das nun allerdings keineswegs mehr klemmte. Leicht und locker, wie frisch geölt, schwang es unter dem Anprall ohne weiteres auf und gab den Körper frei, dessen Energie keinen Widerstand zu überwinden hatte. Dieser Körper, der in schwarzes, genietetes Leder gehüllt war, flog quer durch das Büro, passierte den Butler und krachte dann gegen die Schreibtischkante, Lady Agatha war eine wehrhafte Dame. Sie schwang ihren perlenbestickten Pompadour kreisförmig durch die Luft und setzte den darin befindlichen Glücksbringer auf den Rücken des Ledergekleideten. Der Mann ächzte, grunzte dann ein wenig und verwandelte sich in eine Art nasses Handtuch, das sich schlapp und entspannt über die Tischkante legte. Der Butler hatte dies alles mit einem schnellen, prüfenden Blick wahrgenommen und war inzwischen auch seinerseits tätig geworden. Seine Fürsorge galt einem zweiten Mann, der einen Kopf kleiner als der Lederzeugträger war und dessen rechte Hand einen leblosen Eindruck machte. Dieser Mann stand wie erstarrt vor Parker und schwitzte ausgiebig. Dies hing eindeutig mit seiner momentanen Lage zusammen,
denn die Spitze von Parkers Universal-Regenschirm kitzelte nachdrücklich den Adamsapfel des Mannes. * »Dafür hetze ich euch die Polizei auf den Hals«, drohte Matt Meeker verzweifelt. »Ich organisier ‘ne Treibjagd auf euch, mein Wort darauf!« Er und die beiden gestrandeten Besucher saßen auf dem Boden des Büros und mußten zusehen, wie Parker das Inventar des Raumes prüfte und sich mit dem Inhalt einiger Aktenordner befaßte. Der Butler war fündig geworden und hatte Gutachten in Form von Durchschlägen vor sich. Meeker war danach ein sehr fleißiger Mann. Ordner um Ordner war mit solchen Durchschlägen gefüllt. »Und was begutachtet dieses Subjekt nun, Mister Parker?« wollte die ältere Dame wissen. Sie nippte an dem Brandy, den sie für minderwertig hielt, den sie aber aus gesundheitlichen und medizinischen Gründen zu sich nahm, wie sie gesagt hatte. »Die Bandbreite des Fachwissens des Mister Meeker ist geradezu bemerkenswert, Mylady«, beantwortete der Butler die Frage. »Falls Mylady zustimmen, sollte man eine gewisse Auswahl mitnehmen und später genauer sichten.« »Genau das, Mister Parker, wollte ich gerade anregen«, behauptete die Detektivin wie selbstverständlich und blickte dann auf die drei Bodenhocker. »Und was habe ich mit diesen Individuen vor?« »Mylady denken an die anfallenden Kosten im Fall einer generellen Beherbergung«, erinnerte der Butler. »Keinen Penny für diese Subjekte«, verbat sie sich energisch. »Wieso sollte ich eigentlich überfallen werden? Wurde ich also doch verfolgt, Mister Parker, wie ich’s gleich vorausgesagt habe?!« »Mylady denken in diesem Zusammenhang aber auch an den Portier in der Empfangshalle des Hauses.« »In erster Linie«, meinte sie und nickte. »Ein solcher Gedanke drängt, sich ja förmlich auf. Ich werde dieses Subjekt zur Rechenschaft ziehen, Mister Parker.«
»Vielleicht später, Mylady«, schlug der Butler vor. »Momentan sollte man wohl das sogenannte Weite suchen. Mit weiteren Wilden dürfte fest zu rechnen sein.« »Denken Sie etwa an Flucht, Mister Parker?« fragte sie streng. »An eine taktische Maßnahme, Mylady«, erläuterte der Butler. »Nun denn«, redete sie weiter. »Unter diesen Umständen räume ich das Feld, aber nehmen Sie reichlich mit, Mister Parker. Ich brauche Beweise.« Meeker drohte, schimpfte und ärgerte sich maßlos darüber, daß seine Handgelenke und die der beiden anderen Besucher von Einwegfesseln zusammengehalten wurden. »Dafür bringen wir euch um«, kündigte er an, als Mylady und Parker das Büro verließen. * Josuah Parker verzichtete darauf, auf normalem Weg das Haus zu verlassen. Seiner Schätzung nach hatte der Hausmeister die Wilden alarmiert. Man konnte und mußte nun davon ausgehen, daß weitere Gang-Mitglieder unten in der Halle warteten, um sich in Szene zu setzen. »Ich denke nicht daran, den Lümmeln das Feld zu überlassen«, protestierte die ältere Dame, als Parker ihr vorschlug, die Feuertreppe zu benutzen. »Mylady könnten nach dem Passieren dieser Treppe den wartenden Wilden eine empfindliche und unerwartete Niederlage beibringen«, lockte Parker. »Tatsächlich?« Sie zeigte Interesse, während sie Parker bereits in Richtung auf eine Tür folgte, hinter der sich laut Wandsymbol die Feuertreppe befand. »Man dürfte mit Zweirädern gekommen sein, Mylady«, schickte der Butler voraus. »An solchen Beförderungsmitteln ließen sich einige Manipulationen vornehmen.« »Das klingt schon erheblich besser«, räumte die ältere Dame ein. »Die Subjekte werden noch an mich denken. Kommen Sie, Mister Parker! Worauf warten Sie noch?« Parker geleitete seiner Herrin über zwei relativ niedrige Treppen hinunter zum Straßenniveau und öffnete eine schmale Eisentür, die ins Freie führte. Er besorgte dies sehr vorsichtig, denn er
konnte sich gut vorstellen, daß man auch diese Tür hier bewachte. Er hatte sich nicht getäuscht. Knapp neben der nur spaltbreit geöffneten Tür stand ein großer, offensichtlich muskulöser Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren, der sich gerade mit Hingabe eine Zigarette drehte. Nicht weit von ihm entfernt parkten vier Motorräder. Es handelte sich um hubraumstarke Zweiräder aus dem fernen Osten. Sie waren mit allerlei zusätzlichem Zierat versehen und glänzten in Lack und Chrom. Vier Zweiräder warteten darauf, von Mylady verschönt zu werden. Der Butler ließ sich, was den Zigarettendreher betraf, auf keine Diskussion ein und argumentierte kurz und knapp mit dem bleigefüllten Bambusgriff seines Schirmes. Der Getroffene hörte abrupt auf, die geplante Zigarette zu vollenden, ging in die Knie, warf die Tabakpackung und die Halbfertigware weit von sich und nahm auf dem Boden Platz. Parker drückte die Tür vollends auf und trat höflich zur Seite, damit Lady Agatha ins Freie treten konnte. Sie blickte kurz auf den jungen Mann und brachte ihren perlenbestickten Pompadour in Pendelbewegung. »Ob ich ihn nicht zusätzlich noch behandeln soll, Mister Parker?« fragte sie. »Schaden kann es nicht.« »Ein späterer Zeitpunkt bietet sich förmlich an, Mylady«, machte der Butler einen Gegenvorschlag. »Vorerst sollte man sich tunlichst mit den Zweirädern befassen.« »Genau das habe ich geplant«, gab sie munter zurück und zog wieder eine der spitzen Hutnadeln, aus dem Putzmachergebilde auf ihrem Kopf. »Ich werde mich auf die Reifen konzentrieren.« »Ein Vorhaben, das die Besitzer und Benutzer der Maschinen sicher kaum begeistert, Mylady.« »Das möchte ich mir aber auch ausgebeten haben«, erwiderte Agatha Simpson und näherte sich der ersten Maschine. »Ich muß gestehen, Mister Parker, daß in mir so etwas wie Schadenfreude aufkommt. Immerhin ist man hinter mir her, um mich zu ermorden. Oder sollte ich das falsch sehen?« »Keineswegs und mitnichten, Mylady«, beruhigte Parker seine Herrin. »Mylady handeln quasi in einem Akt besonderer Notwehr.«
Seih Gesicht blieb glatt und ausdruckslos, wie das bei einem routinierten Pokerspieler so üblich ist. * »Ich hätte mir selbstverständlich auch noch dieses, Center der Wilden ansehen müssen, Mister Parker«, mäkelte sie, als sie große Wohnhalle ihres altehrwürdigen Hauses in Shepherd’s Market betrat. Lady Agatha machte einen aufgekratzten Eindruck, was eindeutig mit ihrer Notwehr-Aktion in Stepney zusammenhing. »Dort wären Mylady wohl sehnsüchtig erwartet und, dementsprechend empfangen worden«, gab der Butler zurück. »Da Mylady ausblieben, wird man sich fragen, ob Mylady von diesem Center bei den West India Docks überhaupt erfahren haben.« »Ich täusche diesen Subjekten also etwas vor?« »Davon sollte man ausgehen, Mylady.« »Nun denn, Mister Parker, alles zu seiner Zeit.« Sie nickte hoheitsvoll. »Jetzt werde ich erst mal ein kleines Dinner zu mir nehmen. Nur ein paar Kleinigkeiten.« Sie winkte ihm zu und schritt über die geschwungene Freitreppe ins Obergeschoß, um sich zu erfrischen. Parker wartete, bis die ältere Dame im oberen Korridor verschwunden war und begab sich dann ins Souterrain des Hauses, in dem sich seine privaten Räume befanden. Er verfügte hier über einen großen Wohnraum, der in der Manier einer Kapitäns-Kajüte eingerichtet war, dann über einen entsprechend großen Schlafraum und über ein Bad. Zu dieser Wohnung gehörte schließlich auch noch sein sogenanntes Labor. Dabei handelte es sich über eine bestens eingerichtete Werkstatt, in der er seine Vorstellungen im Hinblick auf miniaturisierte Verteidigungsgeräte in die Tat umsetzen konnte. Parker war, was Technik betraf, mehr als nur ein interessierter Laie. Mit höchster Wahrscheinlichkeit hätte er Spezialisten mit seinen intimen Sach- und Fachkenntnissen beschämt. Im ausgedehnten Souterrain, dessen Fenster auf einen umlaufenden Lichthof führten, befand sich auch die große Wirtschaftsküche, in der Parker sich nur zu gern als Koch betätigte. Er bereitete das Dinner für seine Herrin vor und auch einen Imbiß für den Gast des Hauses.
Norman Shaffner, der auf der Bettcouch lag, richtete sich auf, als Parker den Raum betrat. Der Anbieter von fabrikneuen und gebrauchten Motorrädern blieb auf der Couchkante sitzen und musterte den Butler gereizt und ungeduldig. »Hören Sie, wie lange wollen Sie mich hier noch festhalten?« fragte er und stand langsam auf. Er schien sich einiges vorgenommen zu haben, wie der Butler unterstellte. Die Körpersprache des Gastes verriet, daß Parker mit einem baldigen Angriff zu rechnen hatte. Shaffner sammelte sich innerlich, und bereitete sich mit gespannten Muskeln auf einen Sprung vor. »Sie nutzen hoffentlich die Vorzüge des Radios und des Fernsehens, Mister Shaffner«, meinte der Butler und setzte das Tablett ab. »Meine Wenigkeit hat sich erlaubt, Ihnen einige Sandwiches zu richten. Der heiße Tee wird Sie zusätzlich erfrischen.« »Ich hab’ Sie was gefragt«, erinnerte der Mann aufgebracht. »Was Sie hier mit mir anstellen, ist ungesetzlich. Dafür hänge ich Ihnen einen Prozeß an den Hals.« »Man kümmerte sich bereits indirekt um Sie, Mister Shaffner«, entgegnete Parker und überging die Frage. »Ein Anwalt namens Philipp Borrows bemühte sich bereits hierher, ohne allerdings Ihren Namen zu nennen. Er bot im Auftrag der sogenannten Wilden eine Art Schadenersatz an.« »Lassen Sie mich endlich mit diesen Wilden in Ruhe«, brauste Shaffner auf. »Ich habe keine Ahnung, wer das sein soll.« »Jene Motorradfahrer, die Mylady in ausgesprochen rüder Form um einen Kredit angingen«, erinnerte der Butler gemessen. »Im Anschluß daran folgten Sie Mylady und meiner Wenigkeit bis auf einen Parkplatz, wo Sie Anstalten machten, Mylady mit einer Waffe zu bedrohen.« »Das reimen Sie sich doch alles zusammen«, behauptete Shaffner lässig, ohne seine innere Anspannung zu lösen. »Sie und Ihre Lady haben mich ohne jeden Grund gekidnappt. Das ist die Wahrheit.« »Auch Mister Meeker sorgt sich um Sie, Mister Shaffner«, zählte der Butler weiter auf. »Ihr Verschwinden scheint ihn zu beunruhigen.« »Mee… Meeker? Wer soll das sein?« reagierte Shaffner erstaunt, schluckte aber deutlich erkennbar.
»Mister Matt Meeker«, redete der Butler weiter. »Laut Auskunft eines Ihrer Monteure ist er häufiger Besucher in Ihrem kleinen Betrieb und gilt als Teilhaber.« »Sie waren bei mir in der Firma?« Der Mann wurde ein wenig kleinlaut. »Als man sich empfahl, Mister Shaffner, blieben zwei Verkäufer und zwei Monteure zurück, die in ihrer Bewegungsfreiheit ein wenig eingeschränkt waren.« »Gut, ich kenne Meeker«, redete sich der Zweirad-Anbieter jetzt heraus. »Vielleicht hat er was mit den Leuten zu tun, von denen Sie da unentwegt reden. Waren Sie bei ihm?« »Mylady forderte eine Expertise an«, erwiderte der Butler. »Es kam dabei zu unüberbrückbaren Gegensätzen, um es mal so auszudrücken, Mister Shaffner. Mister Meeker sah sich außerstande, ein Gutachten über die bereits mehrfach erwähnten Wilden anzufertigen.« »Und dann? Ich meine, was passierte?« Shaffner war neugierig geworden. »Mylady verordnete Mister Meeker eine pädagogische Maßnahme«, gab der Butler präzise Auskunft. »Danach machte Mister Meeker einen desorientierten Eindruck.« »Mann, Sie haben sich da auf ‘ne verrückte Sache eingelassen«, meinte der Zweirad-Fachmann fast amüsiert. »Sie stochern in einem Hornissennest herum.« »Wie ungemein gefährlich für die von Ihnen zitierten Hornissen«, lautete die Antwort des Butlers. »Man muß wohl schlußfolgern, daß die Wilden nur die Handlanger und Fußtruppen einer kriminellen Vereinigung sind, die möglichst risikolos an Bargeld heranzukommen trachtet.« »Sie werden bestimmt noch Augen machen«, prophezeite Shaffner. »Aber aus mir bekommen Sie nichts heraus, das schwöre ich. Lieber lasse ich mich vierteilen.« »Darf man diese Ihre Äußerung und den damit verbundenen Schwur Mylady mitteilen?« »Klar«, antwortete der Mann, der nun doch ein wenig unsicher wurde, sich dann aber konzentrierte und… seinen Angriff auf den Butler riskierte. *
»Sie haben dieses Subjekt hoffentlich in die Schranken verwiesen, Mister Parker«, wollte Lady Agatha eine Stunde später wissen. Sie hatte diniert und unentwegt von ihrer strengen Diät gesprochen, die es einzuhalten galt. Dabei hatte Mylady nach einer appetitfördernden Vorsuppe Roastbeef, Rostbratwürstchen, ein wenig Fisch, gebackene Nierchen und Tomaten und einige allerdings nicht kleine Happen eines Schweinebratens zu sich genommen. Warme Apfeltorte mit einer Dosis Sahne, Kaffee und ein fettauflösender Cognac hatten diese strenge Diät schließlich beschlossen, »Mister Shaffner dürfte zur Zeit an einigen angestauchten Fingerknöcheln leiden, Mylady«, beantwortete Parker die Frage der älteren Dame. »Es war die erklärte Absicht des Herrn, meine Wenigkeit die rechte Faust in die Magengrube zu schlagen. Das Serviertablett erwies sich aber als eine effektive Bremse.« »Was halte ich von diesem Mann, Mister Parker?« erkundigte sich Lady Simpson. »Für mich ist er der Kopf dieser Motorrad-Gang. Ich hoffe, Sie schließen sich meiner Ansicht an, Mister Parker?« »Mister Shaffner dürfte zum inneren Kreis jener gehören, Mylady, für die die mehr oder weniger jungen Zweiradfahrer unterwegs sind.« »Richtig«, fand sie umgehend und nickte. »Es geht um völlig andere Dinge. Hoffentlich haben Sie sich dazu bereits meine Gedanken gemacht, Mister Parker.« »Mylady denken nach wie vor an Mister Matt Meeker, der als Gutachter tätig ist.« »Gefälligkeitsgutachten, Mister Parker«, wußte sie und nickte nachdrücklich. »Gefälligkeitsgutachten, Mylady, die sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließlich für den oder die Drahtzieher der Wilden auszahlen.« »So sehe ich das natürlich auch, Mister Parker«, behauptete die Detektivin lächelte. »Und diese Drahtzieher gilt es zu finden. Treffen Sie dazu die erforderlichen Vorbereitungen. Ich möchte nicht, daß ich Ihnen Fehler vorhalten muß.« »Mylady können sich auf meine bescheidene Wenigkeit verlassen«, versprach der Butler. »Planen Mylady eine Ausfahrt für den Rest des Tages?«
»Dazu mache ich mir gerade meine Gedanken«, war ihre Antwort. »Wen sollte ich denn Ihrer Ansicht nach ein wenig verunsichern?« »Mylady könnten natürlich auch auf gewisse Aktivitäten warten, mit denen noch in dieser Nacht fest zu rechnen ist«, gab der Butler zurück. »Die sogenannten Wilden dürften sich alle Mühe geben, Mister Norman Shaffner aus Myladys Haus zu holen.« »Na schön, das paßt mir ausgezeichnet«, meinte sie. »Ich muß mir ohnehin einen Kriminalfilm im Fernsehen ansehen. Ich weiß natürlich jetzt schon, daß ich mich wieder mal langweile.« »Es wird in der Tat höchste Zeit, daß Mylady die Redaktionen mit entsprechenden eigenen Stoffen versehen«, erklärte der Butler. »Vielleicht schon in den kommenden Wochen werden ich meinen ersten Fernsehkrimi zu Papier bringen«, versprach sie sich und machte einen versonnenen Eindruck. »Nun denn, Mister Parker, ich werde sofort darüber nachdenken. Informieren Sie mich, falls sich am und im Haus etwas tun sollte.« Josuah Parker geleitete seine Herrin zur Treppe, und die ältere Dame schritt bühnenreif hinauf ins Obergeschoß, um sich vor dem Bildschirm eines Fernsehgerätes zu langweilen, wie sie behauptet hatte. Der Butler räumte indes ab und richtete sich auf baldigen, unangemeldeten Besuch ein. Seiner Einschätzung nach mußten die sogenannten Wilden sich noch in der kommenden Nacht zu einem Blitzbesuch einfinden, um ihren Zweirad-Anbieter herauszuhauen. Inzwischen wußten diese Leute natürlich längst, mit wem sie es zu tun hatten. In gewissen Kreisen der Unterwelt waren Mylady und Parker nicht gerade unbekannt. Es hatte sich dort längst herumgesprochen, wie trickreich, unkonventionell und erfolgreich das skurrile Paar aus Shepherd’s Market agierte. Parker brauchte nicht lange zu warten. Als er sich gerade anschickte, in die Wirtschaftsräume im Souterrain zu gehen, meldete sich die hausinterne Alarmanlage. Er trat vor den geöffneten Wandschrank im verglasten Vorflur und schaltete den Kontroll-Monitor ein. Eine der vielen Außenkameras lieferte ihm ein Bild, auf dem drei junge Sportler zu sehen waren, die sich gerade anschickten, die hohe Grundstücksmauer auf der Rückseite des Hauses zu übersteigen. Josuah Parker hatte absolut nichts dagegen.
* Die Mauer aus Sandsteinquadern war weit über zwei Meter hoch und machte einen abweisenden Eindruck. Sie trennte den schmalen Wirtschaftsweg hinter dem altehrwürdigen Haus von einem kleinen Park, der zu einem staatlichen Institut gehörte und der nach Dienstschluß geschlossen wurde. Die Burschen hatten sich Zutritt verschafft, wie viele Besucher schon vorher. Sie befanden sich knapp vor der Mauer und hatten keine Ahnung, daß sie von der Optik einer geschickt angebrachten TV-Kamera voll erfaßt wurden. Diese Kamera befand sich in einem hübschen Vogelhäuschen im Park und verfügte über einen Zoom, den man fernsteuern konnte. Die drei Unbekannten hatten sich verständigt und sahen keine Schwierigkeiten, die Quadermauer zu nehmen. Einer von ihnen hakte seine Hände und Finger ineinander und bot sie einem der beiden anderen Partner als Trittstufe an. Elastisch und in den Knien federnd, stieg einer der beiden Männer mit dem rechten Fuß in die künstliche Trittstufe und langte dann mit beiden Händen über das sanfte Rund der Mauerkrone. Dabei legten sich die Handflächen auf bürstenähnliche Borsten aus dünnem Draht. Wenn sie als abschreckendes Hindernis dienen sollten, erregten sie höchstens so etwas wie ein mitleidiges Lächeln. Diese Borstenleiste, die in der Mauerkrone eingelassen war, sorgte höchstens dafür, daß die Hände einen noch besseren Halt bekamen. »Alles klar«, rief der Kletterer und ließ sich von seiner menschlichen Trittleiter noch weiter hochstemmen. »Ist ein Klacks… Los, beeilt euch!« Parker verstand natürlich genau, was da an und auf der Mauer gesprochen wurde. Hochempfindliche Mikrofone übertrugen jedes noch leise Wort. Der zweite Sportler ließ sich hochhelfen, zeigte ebenfalls, wie geschmeidig sein Körper war, und blieb rittlings auf der Mauer sitzen. Er beugte sich weit vor, um gegen den nächtlichen Himmel keinen Schattenriß zu bilden. Anschließend halfen er und der erste Mauerbesteiger dem dritten Mann, nach oben zu gelangen.
Der Butler, der nach wie vor interessiert vor dem Wandschrank in der großen Wohnhalle stand, hielt die Fernbedienung in Händen und war bereit mit Überraschungen zu dienen. Die Metallbürsten in der Mauerkrone waren natürlich nicht ohne Grund angebracht worden. Sie funktionierten, wenn Parker es wollte, als eine Art elektrisch geladener Weidezaun. Die nächtlichen Eindringlinge saßen inzwischen alle auf der abgerundeten Mauerkrone und fühlten sich bereits als Sieger auf der ganzen Linie. Sie hatten sich längst orientiert und konzentrierten sich auf den langen und breiten Lichthof vor den Fenstern im Souterrain. Diese Fenster waren unvergittert und sicher leicht zu öffnen. Mit einem überraschenden Erscheinen im Haus war also fest zu rechnen. Da konnte es gar keine Zwischenfälle geben. Josuah Parker, der die normal aussehende Fernbedienung inzwischen entsprechend umgeschaltet hatte, drückte auf einen der kleinen vielzähligen, viereckigen Knöpfe und blickte dabei auf die Bildscheibe des Monitors. Es gab dort allerlei Interessantes zu sehen. Die drei Mauerreiter hüpften fast synchron aus dem Stand etwa fünfzehn Zentimeter hoch in die Luft, warfen ihre Arme hoch und stießen unhörbare Schreie aus. Sie besaßen verzerrte Gesichter, weit aufgerissene Augen und geöffnete Münder. Der jähe Stromstoß hatte die Muskeln zur Kontraktion gebracht und beließ sie in dieser Starre. Die Männer, die inzwischen wieder auf der Mauerkrone gelandet waren, verloren verständlicherweise das Gleichgewicht und rutschten aus dem langgezogenen Steinsattel der Mauer. Zwei von ihnen kippten zurück in den kleinen Park, der dritte Mann landete auf dem schmalen Wirtschafts-Weg vor dem Lichthof des altehrwürdigen Hauses. Hier blieb er regungslos liegen und hechelte noch immer, als Parker auftauchte. Der Butler hatte die große Wohnhalle verlassen und sich gemessen und würdevoll zum Tatort begeben. Mit geübten schnellen Fingern durchsuchte er den Abgestürzten und barg eine schallgedämpfte Automatic und ein Klappmesser. »Sie sind zu einer entspannenden Tasse Tee eingeladen«, meinte der Butler dann in gewohnter Höflichkeit. »Aber lassen Sie sich Zeit. Die Starre dürfte noch fünf Minuten anhalten. Inzwischen
können Sie sich ja eine passende Erklärung für Ihren Mauerritt einfallen lassen, Mister Unbekannt.« * »Wir waren hinter ein paar Radios oder so her«, sagte der Mann, der sich inzwischen erholt hatte. Er saß in der großen Wirtschaftsküche auf einem Stuhl und hatte längst zur Kenntnis genommen, daß seine Hände auf dem Rücken von einer Einwegfessel zusammengehalten wurden. Der nächtliche Besucher trug Jeans, eine schwarze Lederweste und ein buntes Stirnband. Er mochte etwa fünfundzwanzig Jahre alt sein, wie Parker schätzte. »Sie werden um jeden Preis also abstreiten, ein Mitglied der Wilden zu sein, Mister Clantner?« fragte Parker. Daß der junge Mann so hieß, hatte ihm die Mitgliedskarte einer Videothek verraten, die in Soho zu finden war. »Wer soll denn das sein?« staunte Clantner wenig überzeugend und krauste die Stirn. »Nie von gehört…« »Die Mitglieder dieser Gang, die sich die Wilden nennen, gehen ihre Mitbürger um Kredite an und werden ausgesprochen handgreiflich, falls man solchen Wünschen nicht umgehend nachkommt«, erläuterte der Butler. »Diese Details werden Sie natürlich wesentlich besser kennen als meine bescheidene Wenigkeit. Übrigens sollten Sie wissen, daß Ihre beiden Partner längst das gesucht haben, was man gemeinhin das Weite zu nennen pflegt.« »Partner ist gut… Die hatten mich in ‘nem Pub angemacht… Ich weiß ja noch nicht mal, wer die beiden Typen sind.« »Sie sind demnach das, was man gemeinhin als einen ahnungslosen Engel bezeichnet?« »Ich hab’ wirklich keine Ahnung«, behauptete der Wilde und mühte sich redlich, unschuldig auszusehen. »Sie sollten sich deshalb keine unnötigen Sorgen machen«, beruhigte der Butler den späten Gast. »Sobald Lady Simpson geruhen wird, sich mit Ihnen zu befassen, dürften Sie sich schnell der Wahrheit nähern, Mister Clantner.« »Wieso, was meinen Sie damit?« fragte der Mann und wurde ein wenig nervös.
»Meine bescheidene Wenigkeit kann sich durchaus rühmen, in erster Hilfe relativ erfahren zu sein«, fuhr Parker fort, ohne auf die Frage des Fünfundzwanzigjährigen einzugehen. »Selbst nachhaltige Blutungen konnten bisher immer noch gestoppt werden. Es kam im Lauf der Zeit nur zu einigen wenigen Abgängen.« »Abgängen…?!« Er wußte sehr wohl, was Parker damit meinte, doch er wollte es sicherheitshalber genauer wissen. »Mylady bestand in allen Fällen darauf, daß entsprechende Begräbniskränze bereitgestellt wurden«, versicherte Parker dem Gast des Hauses. »Mylady legt größten Wert auf Formen, wie man sich denken kann.« »Mahn, hören Sie mal… Bin ich hier bei Verrückten? Kränze… Erste Hilfe…? Abgänge…? Wollen Sie mich umbringen?!« »Sie sollten nicht verdrängen, Mister Clantner, daß Sie und Ihre Freunde die feste Absicht hatten, Mylady und meine Wenigkeit zu überfallen und zu töten.« »Wie kommen Sie denn darauf?«, empörte sich Clantner. »Das reimen Sie sich alles zusammen. Wir wollten nur ein paar Radios abstauben… Nur so im Vorbeigehen.« »Mit Faustfeuerwaffen und rasiermesserscharfen Schneidwaren, Mister Clantner? Könnte es nicht sein, daß man sich südlich von London in einer Art Schnellimbiß sah, als ein gewisser Harry Mylady um einen Kredit von fünfzig Pfund anging?« »Ich kenne keinen Harry«, log der junge Mann, den der Butler tatsächlich wiedererkannt hatte. »Sie sollten vielleicht im Tiefkühlraum warten, bis Mylady Zeit für Sie einplanen kann, Mister Clantner«, Schlug der Butler vor. »Es empfiehlt sich, in Bewegung zu bleiben, damit der Kreislauf keinen Schaden nimmt. Wenn ich dann also bitten dürfte?« »Gut, gut, Mann, ich war mit Harry in diesem Schnellimbiß, als er die Lady um fünfzig Pfund anhaute«, gestand der Mauerbezwinger hastig. »Und jetzt sollten wir Shaffner ‘rausholen und die Lady und Sie…« »Genieren Sie sich nicht, die ganze Wahrheit zu sagen«, schlug Josuah Parker vor. »Naja, die Lady und Sie sollten für ein paar Wochen mal in Gips liegen«, lieferte der Wilde den letzten Teil des Geständnisses. »Aber das hätte ich verhindert, glauben Sie mir.« »Wie Sie zu wünschen belieben«, lautete die Antwort des Butlers.
* »Wenn es um die Klärung eines Falles geht, Mister Parker, bin ich zu jedem Opfer bereit«, sagte Agatha Simpson. Sie saß im Fond des hochbeinigen Monstrums und wollte sich mit den Wilden anlegen. »Sie sind sicher, daß die Adressen stimmen?« »Mister Clantner bemühte sich darum, eine Konfrontation mit Mylady zu vermeiden«, erklärte der Butler. »Er fürchtete sicher eine mehr als harte Befragung.« »Haben Sie ihn etwa das Fürchten gelehrt, Mister Parker?« Sie lachte dröhnend. »Mister Clantner dürfte den Eindruck gewonnen haben, daß Mylady Lügen mit harten Repressalien vergelten.« »Sehr gut.« Sie nickte zustimmend. »Diese Subjekte müssen wissen, auf was sie sich einlassen, wenn sie mich herausfordern, Mister Parker. Und das werden diese Lümmel gleich sehr deutlich am eigenen Leib verspüren.« »Man sollte den sogenannten Wilden tatsächlich einige Denkzettel vermitteln, Mylady«, pflichtete der Butler seiner Herrin bei. »Sie müssen erfahren, wie schwach und fragil ihre Position ist.« »Die Details überlasse ich natürlich Ihnen, Mister Parker«, redete die ältere Dame weiter. »Werde ich übrigens verfolgt? Lassen sich die beiden anderen Subjekte von der Mauer nicht blicken?« »Überraschenderweise ist dies momentan nicht der Fall, Mylady«, meldete Parker nach einem weiteren Blick in den Rückspiegel des hochbeinigen Monstrums. »Auf der Gegenseite scheint nach dem Vorfall auf der Mauer eine gewisse Konfusion zu herrschen.« »Die ich nutzen werde, Mister Parker«, versprach sie. »Haben Sie dieses Subjekt von der Mauer sicher untergebracht?« »In einem der Gästezimmer, Mylady«, informierte der Butler seine Herrin und brachte sein hochbeiniges Gefährt von einer der Durchgangsstraßen in eine schmale Seitengasse. Er war gespannt, ob sich nun ein Verfolgerwagen zeigte. Dies war eindeutig nicht der Fall. Die Wilden schienen nach ihrer Niederlage an und auf der Mauer erst mal nachzudenken. Mit Niederlagen am laufenden Band hatten sie ganz sicher nicht gerechnet. Während Mylady die nächtliche Fahrt nutzte, um ein wenig zu meditieren, sann der Butler über jene Personen nach, die Experti-
sen von Matt Meeker angefordert und teuer bezahlt hatten. Es hatte sich durchaus gelohnt, Unterlagen aus Meekers Büro mitgenommen zu haben. Parker wußte nun, wo er den Hebel anzusetzen hatte. Es galt, die Betroffenen davon zu überzeugen, daß ihnen keinen Gefahr drohte, falls sie aussagten. In der Vergangenheit hatte Parker schon wiederholt mit Menschen zu tun gehabt, die aus Angst auf Zeugenaussagen verzichtet hatten. Nutznießer dieser Angst waren stets die Kriminellen gewesen, die für diese Angst gesorgt und sie unentwegt geschürt hatten. Parker konnte die nackte Angst der betroffenen Bürger durchaus verstehen. Welche Möglichkeiten hatte man schon, sich gegen brutale Gewalt zu wehren? Gezielte Hilfe seitens der Polizei war nur in Ausnahmefällen zu erwarten. Sie schritt leider meist erst dann ein, wenn sich die schrecklichen Dinge bereits ereignet hatten. Parker war auf dem Weg zu den West India Docks, wo sich das Trainings-Center der Wilden befand. Er kannte die genaue Adresse und wußte, wie man in dieses Center gelangte. Joe Clantner hatte sich da als kundiger Informant gezeigt. Ob er allerdings den Mut hatte, Mylady und Parker in eine Falle zu schicken, mußte sich erst noch zeigen. Der Butler war wieder mal bereit, sich überraschen zu lassen. * Es handelte sich um eine längst stillgelegte Hunde-Rennbahn, die den Wilden als Trainings-Center diente. Es gab da noch Reste einer überdachten Holztribüne, einige Schuppen, die sicher mal als Stallungen gedient hatten, dann eine Steinbaracke und eben das Oval, um das die Windhunde sich ihre Rennen geliefert hatten. Dieses Gelände wurde begrenzt von zwei nackten Ziegelmauern, die zu einer Fabrik gehörten, dann einer Art Müllkippe und schließlich vom überdachten Eingang, der nur schwach beleuchtet war. In einem ehemaligen Kassenhäuschen saßen zwei junge Männer, die rauchten, Bier tranken und ihre Trommelfelle an hämmernden Rhythmen aus einem Kofferradio schulten.
»Sehr aufschlußreich, Mister Parker«, sagte Agatha Simpson, nachdem Parker von seiner kurzen Erkundungstour zurückgekehrt war und Bericht erstattet hatte. »Ich werde dieses Gangsternest im Sturm nehmen. Oder fallen mir noch bessere Möglichkeiten ein?« »Man könnte natürlich auch weniger spektakulär vorgehen«, antwortete der Butler. »Mylady hätten dann die Möglichkeit, etwaige Gespräche abzuhören.« »Daran dachte ich ebenfalls«, meinte sie postwendend. »Ich brauche schließlich Informationen. Nun gut, Mister Parker, tun Sie, was ich für richtig halte. Ich lasse Ihnen völlig freie Hand.« »Wenn Mylady meine Wenigkeit noch mal für wenige Minuten entlassen würden?« Parker wartete diese Erlaubnis allerdings nicht ab, sondern machte sich sofort auf den Weg, um die beiden Gelangweilten im Kassenhäuschen diskret außer Gefecht zu setzen. Er konnte es sich erfreulicherweise leicht machen. Um den Zigarettenrauch abziehen zu lassen, hatten die Männer das Glasfenster weit hochgeschoben. Parker konnte also ohne weiteres seine Gabelschleuder einsetzen. Er holte das zusammenlegbare Gerät aus einer Tasche seines schwarzen Covercoats, steckte die beiden Hälften der Schleuder zusammen und lud die Lederschlaufe, die beide Gummistränge miteinander verband, mit einer hart gebrannten Ton-Murmel. Sie war kaum größer als eine Trockenerbse. Parker war ein Meisterschütze, wie sich wieder mal zeigte. Die bewußte Ton-Erbse zischte fast unhörbar durch die Nacht und platzte seitlich am Hinterkopf des ersten Mannes. Der Getroffene fuhr zusammen, als wäre er von einer unsichtbaren Nadel gestochen worden und fiel dann gegen seinen Partner, der sich diese abrupte Annäherung nicht zu erklären vermochte. Bevor der Mann allerdings Verdacht schöpfen konnte, erwischte ihn bereits die zweite Ton-Erbse. Er fiel gegen die Wand des Kassenhäuschens und wurde weich und schlaff. Der Butler pirschte sich vorsichtig an das Kassenhäuschen heran und mied den Lichtschein der beiden Lampen über dem Eingang zur Rennbahn. Er wußte schließlich nicht, wer da aus der Dunkelheit hervorkommen würde. Parker baute sich neben einem zweiten, unbesetzten Kassenhäuschen auf und wurde nicht enttäuscht.
Genau jener Harry erschien nämlich, der Mylady um einen Kredit angegangen hatte. Dieser Wilde zeigte Lässigkeit und Stärke zugleich. Er rauchte, schlug mit einer Hundepeitsche rhythmisch gegen seinen rechten Stiefelschaft und hielt auf das besetzte Kassenhäuschen zu. Er hörte die Musik aus dem engen Verschlag und schöpfte natürlich keinen Verdacht. »Aufpassen, Leute«, rief er, als er die erforderliche Nähe erreicht hatte. »Clantner und seine Jungens scheinen Mist gebaut zu haben. Die haben sich bisher noch nicht gerührt. Kann sein, daß…« »Ihre Vermutung trifft in der Tat zu, Mister Harry… Wie war noch der Nachname?« »Harry… Harry Bufferty«, erfolgte prompt die Antwort. »Verdammt! Parker, ja?« »Sie haben sich also bereits hinlänglich informieren lassen«, bestätigte der Butler indirekt. »Bei einer falschen Bewegung, die dazu von meiner Wenigkeit noch als Angriff interpretiert werden dürfte, müßten Sie mit einer Verletzung Ihres Adamsapfels rechnen, Mister Bufferty.« Diesen Eindruck hatte Harry Bufferty allerdings auch. Die Spitze von Parkers Regenschirm ruhte auf dem Hals des Wilden, der längst jede Lässigkeit verloren hatte und nur noch vor Angst schwitzte. * »Mylady geht davon aus, daß Ihnen die Enge nichts ausmachen wird«, behauptete der Butler, der den Wilden mit einer kleinen Dosis aus dem Parfüm-Zerstäuber bedacht hatte. Diese Mischung aus Lachgas und entspannenden Präparaten hatte längst seine Wirkung getan. Harry Bufferty kicherte wie ein Teenager, stieg in das obere Fach des nicht gerade geräumigen Kofferraumes und legte sich auf Schaumstoff. »Geben Sie sich möglichst angenehmen Träumen hin, Mister Bufferty«, riet der Butler dem Kreditinteressenten, »und sagen Sie freundlicherweise, wie viele Wilde sich im Center noch aufhalten.« »Vier Jungens«, lautete die freudige Antwort. »Und die warten auf die Alte und ihren Butler… Und dann werden wir die mal
gründlich durch den Wolf drehen, Mann. Da gibt’s einiges abzurechnen.« »Ihre Geldgeber sind mit diesem Vorhaben einverstanden, Mister Bufferty?« lautete die nächste Frage des Butlers. »Und wie, Mann«, antwortete Bufferty aus dem Kofferraum. »Randy wartet doch schon längst auf meinen Anruf.« »Kann man davon ausgehen, daß die erwähnte Person auch einen Nachnamen hat?« setzte der Butler nach. »Randy eben«, kam die Erwiderung, die mit einem Kichern abgeschlossen wurde. »Wie der sonst noch heißt, weiß ich nicht. Auch meine Jungens nicht. Ist auch nicht so wichtig.« »Sie und die übrigen Wilden halten sich demnach an…?« Parker hob die Stimme. »Wir halten uns an Benny Blatters«, lieferte der Wilde einen weiteren Namen. »Diesen erwähnten Mister Benny Blatters kann man wo finden?« Parker nahm dankbar zur Kenntnis, daß Harry Bufferty so mitteilsam war. Er schien sich in dem Fach des Kofferraumes recht wohl zu fühlen. Und tatsächlich, der Wilde lieferte nun auch noch laut und deutlich die Adresse jenes Mister Benny Blatters, der wohl so etwas wie ein Verbindungsmann zwischen den Wilden und ihren Drahtziehern darstellte. Weitere Fragen brauchte Parker nicht mehr zu stellen. Der Wilde gähnte, daß seine Kiefergelenke hörbar knackten. Er atmete einige Male tief durch, schloß die Augen und schlief dann ohne Übergang ein. Der Patent-Spray aus dem Zerstäuber hatte seine Wirkung getan. Parker schloß den gut belüfteten Kofferraum und widmete sich nun wieder Mylady, die inzwischen den Wagen verlassen und zugehört hatte. »Genug der Theorie, Mister Parker«, sagte sie streng. »Jetzt will ich endlich zu Taten kommen. Es gibt ja schließlich noch wie viele Wilde drüben auf der Rennbahn?« »Laut Mister Bufferty müssen noch vier Herren darauf warten, behandelt zu werden, Mylady.« »Sehr schön.« Sie nickte und setzte ihre beachtliche Fülle sofort in Bewegung. »Kommen Sie, Mister Parker, ich werde Ihnen zeigen, wie man Kriminelle behandelt.«
Bevor Parker sich der älteren Dame anschloß, holte er noch mal die Spraydose hervor, die wirklich kaum größer war als eine Lippenstifthülse. Er bedachte die Männer im Kassenhäuschen mit einer entsprechenden Dosis und konnte nun sicher sein, daß sie sich nicht mehr einschalteten. Parker war froh, daß er sich von der wilden Müllhalde aus so genau informiert hatte. Er wußte jetzt, welchen Weg man zu nehmen hatte, geleitete seine Herrin über eine Art schmalen Pfad quer über die ovale Rennbahn und hielt direkt auf die Bürobaracke zu, hinter deren Fenster gedämpftes Licht brannte. »Wie schön«, konstatierte Agatha Simpson, als sie im Licht einer Außenlampe einige schwere Motorräder registrierte, die man unter dem Dach einer Remise abgestellt hatte. Es handelte sich um ausgesucht teure und schwere Maschinen. Während Mylady diese Zweiräder in Augenschein nahm, zog sie eine ihrer spitzen Hutnadeln aus dem eigenwilligen Gebilde, das ihren Kopf beherrschte. * Besser hätten die vier Männer sich gar nicht anbieten können. Sie lagen in Sesseln, Füße auf dem langen Couchtisch, und tranken Bier aus Dosen. Sie rauchten mit der Intensität von konventionellen Kraftwerken, was den Ausstoß an Abgasen betraf. Die Rauchwolken von ihren Zigaretten hingen schwer unter der niedrigen Decke. Die jungen Zweirad-Benutzer wandten Parker und Lady Agatha den Rücken und damit natürlich auch die Hinterköpfe zu. Sie hatten überhaupt nicht mitbekommen, daß Besuch da war. Sie schauten sich eine Spiel-Show an, in der mehr oder weniger leichtgeschürzte Damen eine nicht unwichtige Rolle spielten. Parker benutzte den bleigefüllten Griff seines UniversalRegenschirmes, um die Ahnungslosen blitzschnell außer Gefecht zu setzen. Bevor die Bildschirm-Betrachter überhaupt begriffen, daß sich etwas tat, waren sie bereits nicht mehr in der Lage, Reaktionen einzuleiten. »Hoffentlich haben Sie nicht zu oberflächlich zugelangt, Mister Parker«, sorgte sich die ältere Dame. »Vielleicht sollte ich eine Nachbehandlung vornehmen.«
»Bis zu einem scharfen Verhör könnte man dadurch einen Zeitverlust erleiden, Mylady«, warnte der Butler. »Die jeweiligen Ohnmachten dürften momentan nicht von langer Dauer sein.« »Nun gut, aufgeschoben ist nicht aufgehoben«, meinte sie. »Reichen Sie mir das Packband, Mister Parker. Ich werde die Lümmel fesseln.« Die Detektivin besorgte dies mit Lust und Akribie. Sie benutzte das stark haftende Klebeband mit den Nylonfäden zum Zusammenschließen der diversen Handgelenke und ging mit dem Material keineswegs sparsam um. Anschließend blickte sie kritisch, aber durchaus zufrieden auf ihre Arbeit. Die Überraschten kamen tatsächlich schnell wieder zu sich, merkten, was passiert war, entdeckten Mylady und Parker, pumpten sich auf, drohten, fluchten, schimpften und resignierten schließlich. »Ihr Partner und sicher wohl auch Vormann, nämlich Mister Harry Bufferty, läßt mehr oder weniger herzlich grüßen«, redete Parker die vier Wilden pauschal an. »Er ist zur Zeit leider verhindert.« »Aber das macht nichts, meine Lieben«, schaltete die ältere Dame sich ein. »Ich sorge ab sofort für Unterhaltung.« Erstaunlicherweise verzichteten die Kerle darauf, Mylady zu beleidigen. Sie spürten wohl instinktiv, wie ungewöhnlich die so majestätisch aussehende Dame war. »Mylady wünscht in erster Linie zu erfahren, auf welche Art und Weise Sie tätig sind«, schränkte Parker das Thema ein. »Dabei sollten die Herren in jedem Fall an Gutachten denken, die Sie quasi empfehlen, wie Mylady zu hören geruhte.« »Ich werde mit jedem dieser Subjekte einzeln reden, Mister Parker«, sagte Lady Agatha. »Und ich wünsche dabei nicht gestört zu werden, auch wenn Sie gewisse Schreie hören sollten.« »Wieso Schreie?« fragte einer der Zweirad-Artisten mit deutlich belegter Stimme. »Nun, Lügen betrachte ich als Angriffe, gegen die ich mich zur Wehr setze«, erklärte die ältere Dame. »In Notwehr greife ich schon mal nach jeder sich bietenden Waffe wie Scheren, Messer und auch Revolver. Ich hoffe doch sehr, daß Sie so etwas vorzuweisen haben.« »Überaus reichlich, Mylady.« Parker deutete auf den Couchtisch, auf den er einige Faustfeuerwaffen, Schneidwaren und Schlagrin-
ge gelegt hatte. Sie stammten aus dem persönlichen Besitz der vier Wilden. »Wer von Ihnen möchte den Beginn machen?« erkundigte sich Parker bei den Motorrad-Liebhabern. »Aber Sie sollten meiner Wenigkeit vorher noch sagen, wo sich Ihre Erstausstattung an Erster Hilfe befindet. Hoffentlich haben Sie nutzvolle Utensilien dieser Art anzubieten, schon in Ihrem ureigensten Interesse!« Man zeigte umgehend Wirkung. * »Reiner Zufall, daß ich hier in der engeren Umgebung zu tun habe«, schwindelte Chief-Superintendent McWarden routiniert, nachdem Butler Parker ihn eingelassen hatte. Der hohe YardBeamte, der sich mit dem organisierten Verbrechen befaßte, war untersetzt, kräftig und zeigte Bauch. Wegen seiner leicht hervorstehenden Basedow-Augen erinnerte er an eine stets aggressive Bulldogge. McWarden war ein enger Freund des Hauses, der die Lady sehr schätzte und verehrte, dies allerdings möglichst nicht zeigte. Er hielt Parker für einen hochbegabten Kriminalisten, den er am liebsten in seinem Dezernat gesehen hätte. McWarden erschien immer wieder, um Rat und aktive Hilfe zu erbitten. Wenn er wieder mal Schwierigkeiten mit dem kleinen und großen Dienstweg hatte, wenn Dienstvorschriften seine Arbeit hemmten, dann fand er hier unbürokratische Hilfe, selbst wenn sie einiges kostete. Ging es um einen Kriminalfall, dann vergaß die ältere Dame prompt ihre sonst geübte Sparsamkeit und leistete sich jede nur erdenkliche Extravaganz. Er begrüßte Lady Agatha im kleinen Salon, wo sie am Frühstückstisch saß und gemäß ihrer strengen Diät einige Kleinigkeiten zu sich nahm. Parker hatte Kippers serviert, längs aufgeschnittene Heringe, die geräuchert und gegrillt, heiß – zusammen mit Rührei – angeboten wurden. Die obligaten Rostbratwürstchen aus Schottland, kaltes Beef und Huhn, gebackene Nierchen, gegrillte Tomaten und einige Wurstsorten fehlten selbstverständlich auch nicht. Kaffee und Tee gehörten zu diesem Angebot, das von einem guten Cognac begleitet wurde.
»Danke, Mylady, ich nehme gern einen Sherry«, sagte McWarden, bevor die Hausherrin etwas sagen konnte. Sie stutzte, bedachte ihn mit einem eisigen Blick und unterstellte ihm dann, er neige zur Trunksucht. »Sehr gut möglich, Mylady«, räumte der Chief-Superintendent ungerührt ein. »Aber Ihren Sherry darf man nicht ausschlagen. Er ist einfach zu gut.« »Kein Wunder, mein lieber McWarden«, erwiderte sie ein wenig säuerlich. »Er kostet mich ja schließlich auch ein kleines Vermögen. Haben wir überhaupt noch Sherry, Mister Parker?« »Durchaus, Mylady«, beruhigte der Butler seine Herrin und erzeugte mit diesem Hinweis tiefes Mißvergnügen bei ihr. »Nun denn!« Sie räusperte sich und beobachtete dann argwöhnisch, wie Parker den Gast und Freund des Hauses bediente. Anschließend wollte sie wissen, ob man wieder mal ihre Hilfe benötigte. »Das läßt sich noch nicht überblicken, Mylady«, gab McWarden zurück. »Ich möchte Ihnen und Mister Parker eigentlich nur mitteilen, daß man versucht, Sie zu kopieren.« »Drücken Sie sich gefälligst deutlicher aus, mein Bester«, verlangte sie und zeigte Interesse. »In der vergangenen Nacht wurden Kollegen von mir alarmiert und fuhren zu den West India Docks zu einer ehemaligen HundeRennbahn«, berichtete der hohe Yard-Beamte. »Der Alarm erfolgte durch einen anonymen Anruf, was Sie auch noch wissen sollten.« »Kommen Sie endlich zu Sache, Mister McWarden«, raunzte Mylady ungeduldig. »In einem Kassenhäuschen entdeckten meine Kollegen zwei betäubte junge Männer«, fuhr McWarden ungerührt fort, »und in einer ausgedienten Bürobaracke fanden sie dann noch vier weitere junge Leute, die man mit Packband verschnürt hatte und die sich offensichtlich mit allerlei Waffen aufgerüstet hatten. In einer Remise waren dann noch einige sehr teure Motorräder, deren Reifen hoffnungslos zerstochen waren.« »Sie erlauben, Sir, daß meine Wenigkeit sich wundert«, bat Josuah Parker. »Um welche jungen Leute handelte es sich eigentlich?« forschte Lady Agatha.
»Sie gehören einer Motorrad-Gang an, die sich die Wilden nennen«, gab der Chief-Superintendent zurück. »Sie werden mit diesem Namen natürlich nichts anfangen können, aber wir von der Polizei kennen ihn sehr wohl. Diese Motorrad-Gang ist bekannt für Brutalität. Oder sollten Sie doch schon mal Kontakt mit den Burschen gehabt haben?« Er tat ahnungslos, doch Parker wußte natürlich, daß McWarden längst seine Informationen hatte. Da war schließlich der PolizeiInspektor, der in dem bewußten Restaurant erschien, um die Wilden vorerst festzunehmen. Natürlich hatte McWarden dies längst zur Kenntnis genommen, zumal Mylady und Parker sich schließlich als Zeugen zur Verfügung gestellt hatten. »Mylady mußten sich gestern einiger Unhöflichkeiten erwehren, die zweifelsfrei von einem Motorradfahrer stammten«, meinte der Butler. »Sollte diese Person ein Mitglied der erwähnten Wilden gewesen sein, Sir?« »Vertiefen wir das nicht«, schlug McWarden vor und lächelte wissend. »Der Sherry ist übrigens wirklich ausgezeichnet, Mylady. Aber zur Sache: Ich bin sehr daran interessiert, dieser Gang das Handwerk zu legen. Die Burschen scheinen nach sehr eigenen Gesetzen zu leben und zwar ausschließlich zu ihrem Vorteil.« »Sind Sie denn bereits gegen diese Subjekte vorgegangen, mein lieber McWarden?« erkundigte sich die ältere Dame. »Wir wissen eine Menge von diesen Leuten, aber wir können nicht gegen sie vorgehen. Uns fehlen Zeugen. Aber vielleicht wird das jetzt alles anders.« »Wurden, was die erwähnte Rennbahn und die Wilden betrifft, Anzeigen erstattet, Sir?« fragte der Butler. »Nein, nein, eben nicht«, gab McWarden zurück. »Die Wilden schäumen zwar vor Wut und wissen bestimmt, wem sie dieses Debakel zu verdanken haben, aber sie haben nur Anzeige gegen Unbekannt erstattet.« »Sie denken an Personen, die Mylady und meine bescheidene Wenigkeit kopieren?« erinnerte Josuah Parker. »Wegen der Betäubungen«, erwiderte der Yard-Gewaltige, »und natürlich auch wegen der Maschinen. Die Reifen wurden mit sehr spitzen Gegenständen zerstochen. Vielleicht sogar mit haarscharfen Nadeln oder so… Und dazu kommen noch zerschnittene Bowdenzüge und andere technische Feinheiten. Da muß ein Kenner am Werk gewesen sein.«
»So etwas trauen Sie mir also zu, mein Bester?« vergewisserte sich die ältere Dame und zeigte eine gewisse Eitelkeit. »Ich traue Ihnen noch viel mehr zu, Mylady«, bestätigte McWarden. »Ich möchte Sie allerdings warnen. Diese Wilden sind keine Anfänger oder nur Schläger. Das ist eine straff organisierte Truppe, die von Leuten dirigiert wird, die ein hartes Regiment führen.« »Die Wilden dienen offensichtlich zur Beschaffung von Barmitteln, Sir«, tippte der Butler an. »Um welche Größenordnungen könnte es sich handeln, und von wem erpreßt man das Geld?« »Es geht um beträchtliche Summen«, lautete die Antwort McWardens. »Wir schätzen, daß da pro Woche zwischen drei- und fünftausend Pfund kassiert werden.« »Nur durch reine Erpressung und Nötigung, mein Bester?« fragte die ältere Dame ungläubig. »Richtig«, bestätigte der Chief-Superintendent. »Wahrscheinlich geht es um noch viel mehr Geld. Die Wilden können schließlich tun und lassen, was immer sie wollen. Sie haben ja keine Gegner.« »Könnte es sein, daß Sie die Namen einiger Hintermänner kennen, Sir?« »Ich würde mich liebend gern mit einem Herbert Linners befassen«, kam die gezielte Antwort. »Aber ich habe keine Handhabe.« »Aber ich«, machte Lady Agatha deutlich. »Ich werde also wieder mal für Sie die Kastanien aus dem Feuer holen, McWarden. Was wären Sie ohne mich?!« Der Yard-Gewaltige hob zu einer längeren Lobpreisung an und ließ sich zwischendurch noch einen zweiten Sherry geben. * Benny Blatters mochte um die dreißig sein. Er war mittelgroß, hatte mit Sicherheit Muskeln und huldigte wohl der mehr oder weniger edlen Kunst der Selbstverteidigung, nämlich dem Boxen. Er hatte eine typisch abgesunkene Nase und ein Ohr, das seiner Form nach an ein Blumenkohl-Röschen erinnerte. Benny Blatters wohnte in Soho und betrieb hier einen kleinen Laden, in dem man Video-Filme kaufen und ausleihen konnte.
An diesen Ausleiher und Verkäufer von Video-Filmen waren Mylady und Parker durch den Hinweis von Harry Bufferty geraten. Benny Blatters war danach der direkte Verbindungsmann der Wilden zu einem gewissen Randy Rolson, den man aber nicht kannte. Rolson mußte demnach noch weit über Benny Blatters stehen, der in seinem Laden in einer Mischung aus Nachdenklichkeit, Anspannung und Wachsamkeit auf die beiden Kunden blickte. »Man erlaubt sich, einen wunderschönen Tag zu wünschen«, grüßte Josuah Parker und lüftete die schwarze Melone. »Man überbringt die speziellen Grüße eines gewissen Mister Harry Bufferty.« »Ein… ein Kunde von mir?« fragte der Video-Ausleiher zurück und runzelte nachdenklich die Stirn. »Ein sehr guter Kunde offensichtlich«, fügte der Butler hinzu. »Er und einige andere Wilde dürften hier regelmäßig Ausleihen vornehmen.« »Kann sein«, räumte Benny Blatters ein. Er war längst aufgestanden und kam nun langsam, aber durchaus geschmeidig um den kleinen Tresen herum. »Und wer sind Sie?« »Sie haben die Ehre, Lady Simpson einige Fragen beantworten zu können«, schickte der Butler voraus. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker. Wie wohl schon rein optisch zu erkennen sein dürfte, ist meine Wenigkeit der Butler Myladys.« »Und was wollen Sie nun? Videos ausleihen? Oder wollen Sie ‘ne Kassette kaufen? Können Sie alles haben.« Blatters setzte auf seine Schnelligkeit und die sicher noch vorhandene Schlagkraft. Er wollte Parker mit einem Magenhaken außer Gefecht setzen und beging dabei den Fehler, Mylady völlig zu mißachten. Wahrscheinlich konnte er sich gar nicht vorstellen, daß eine Frau aktiv würde. Lady Agatha setzte die Spitze ihres rechten, nicht gerade kleinen Schuhs an das linke Schienbein des Faustkämpfers. Und sie gab ihrer Schuhspitze eine erstaunliche Energie mit, die von Benny völlig unvorbereitet hingenommen werden mußte. Er brüllte also, ließ die hochgerissenen Fäuste jäh sinken und hüpfte dann auf dem noch intakten und schmerzfreien Bein vor dem Tresen herum. Er hatte das lädierte Bein hochgezogen und umspannte es mit beiden Händen.
»Seien Sie gefälligst nicht so albern«, raunzte Lady Agatha ihn an, »und konzentrieren Sie sich auf meine Fragen. Bitte, Mister Parker, Sie wissen, was ich erfahren will.« »Sie gelten als Verbindungsmann der Wilden«, kam der Butler nun direkt auf den Punkt zu sprechen. »Sie sollen wissen, wer ein gewisser Randy Rolson ist.« »Wer behauptet denn solchen Unsinn?« hechelte Benny Blatters und bedachte den Butler mit einem weidwunden Blick. Blatters hatte sich hingesetzt und streichelte ungemein vorsichtig das getroffene Schienbein. »Zu diesem Unsinn, wie Sie es auszudrücken belieben, Mister Blatters, gehört auch ein Mister Linners«, tippte der Butler an. »Linners…?« Blatters blickte den Butler aus weit geöffneten und völlig überraschten Augen an. »Wie sind Sie denn an diesen Namen geraten? Ich meine… Äh…!« »Der Name Linners sagt Ihnen demnach nicht nur einiges«, faßte Josuah Parker zusammen. »Und da Sie als Strohmann gelten, sollten Sie vielleicht mit einigen Hinweisen dienen.« »Sie glauben doch nicht im Ernst, daß ich singe, oder?« reagierte Benny Blatters andeutungsweise spöttisch und ungläubig. »Aber ja doch, junger Mann«, ließ Agatha Simpson sich vernehmen. »Betrachten Sie sich als eingeladen.« »Was… was wollen Sie damit sagen?« Blatters schluckte vor Aufregung. »Mylady hat die Absicht, Ihnen gewisse Außenbezirke der Stadt zu zeigen«, übersetzte Parker seiner Herrin Angebot. »Sie können bereits jetzt davon ausgehen, daß Sie sehr beeindruckt sein werden.« * Die Adresse, die Chief-Superintendent McWarden in Shepherd’s Market zurückgelassen hatte, deckte sich wörtlich mit jener Angabe, die der Video-Kassetten-Ausleiher Blatters machte. Danach wohnte Herbert Linners in Wapping und betätigte sich dort als Berater im Computer-Bereich. »Im Interesse Ihres Wohlbefindens sollten Sie möglichst auf alle Winkelzüge verzichten und sich ausschließlich an die Wahrheit halten, Mister Blatters«, schickte der Butler voraus, während er
mit der Schirmspitze auf Mylady verwies, die an den West India Docks am Rand eines Kais stand und versonnen in das nicht gerade quellfrische Wasser blickte. »Was macht sie da?« fragte Blatters, der die Fahrt im Fond des Wagens ein wenig benommen und geistesabwesend mitgemacht hatte. Sein entspannter Gemütszustand hatte eindeutig mit dem kleinen Zerstäuber zu tun, den der Butler wieder mal diskret eingesetzt hatte. »Mylady denkt sicher über die Wassertiefe nach«, vermutete der Butler in seiner höflichen Art. »Sie sollten weitere Fragen nicht stellen, Mister Blatters.« »Warum denn nicht?« Der Mann schluckte und beugte sich vor. Er stand neben dem Wagen und beobachtete die ältere Dame, die gerade einen Steinbrocken aufgehoben hatte und ihn ins Wasser warf. »Die Phantasie könnte Ihnen einen Streich spielen, Mister Blatters«, sorgte sich der Butler. »Wieso Phantasie? Worauf, zum Henker, wollen Sie eigentlich hinaus? Sie verschweigen mir doch was, oder?« »Können Sie schwimmen?« lautete Parkers unvermittelte Frage. »Natürlich… Aber was hat das…? Moment mal… Will die Lady mich etwa ins Hafenbecken werfen?« »Man wäre völlig unter sich«, stellte der Butler fest. »Dieser Teil der Docks ist so gut wie ausgemustert und soll in den kommenden Jahren saniert und neu bebaut werden.« »Will Sie mich ins Wasser werfen?« wiederholte der Wilde seine Frage erneut und hob dann die überkreuz gefesselten Hände. »Vielleicht werden Sie alles mehr oder weniger glücklich überstehen«, gab Parker seiner Hoffnung Ausdruck. »Ihr…ihr wollt mich absaufen lassen, wie?« Blatters atmete tief durch. »Das wäre nackter Mord, Leute, nackter Mord!« »Mylady ist verstimmt darüber, daß Sie und die übrigen Wilden ohne jede Hemmung hilf- und wehrlose Bürger erpressen«, lieferte Parker eine Erklärung. »Aber…aber wir bringen doch keine Leute um«, sagte Blatters eindringlich. »Aber Sie prügeln und schüchtern ein, Sie demolieren Wohnungen und Autos«, vermutete Parker.
»Aber wir bringen keine Leute um«, wiederholte der Wilde hastig. Er beugte sich ein wenig vor, als Mylady sich vom Kai löste und dem hochbeinigen Monstrum näherte. »Nun, Mister Parker«, erkundigte sie sich ausgesprochen leutselig. »Ich hoffe doch sehr, daß dieser junge Mann Schwierigkeiten macht und sich weigert, ein Geständnis abzulegen.« »Mister Benny Blatters ist gerade dabei, Angaben zur Struktur der Motorrad-Gang zu machen«, erwiderte der Butler. »Nach Lage der Dinge ist mit umfassenden Aussagen zu rechnen.« »Wie schade«, bedauerte Agatha Simpson und bedachte den Kriminellen mit einem flüchtigen Blick. »Ich hatte mich bereits für einen hübschen kleinen Betonklotz entschieden. Nun, was nicht ist, kann ja noch werden.« * Das ehemalige Lagerhaus in Wapping war nur noch andeutungsweise als solches zu erkennen. Man hatte den vierstöckigen, langgezogenen Ziegelbau völlig umgemodelt und in ein modernes Bürohaus verwandelt. Jahrelang hatte Wapping und seine Hafenanlagen als eine Problemzone der Stadt gegolten, doch nun pulsierte hier neues Leben. Viele kleine und große Firmen, Redaktionen und Druckereien hatten die zu enge City von London verlassen und sich hier neu angesiedelt. Es war längst zu einer guten Adresse geworden. Wer hier seine Büros unterhielt, verfügte über Geld. Die GrundstücksSpekulationen schlugen voll durch. Parker hatte Benny Blatters veranlaßt, in den Kofferraum zu steigen, der Mann war dort wohlverwahrt und konnte vorerst nicht stören. Blatters hatte sich ausgiebig zur Person Linners geäußert, der der Polizei durchaus bekannt war und von McWardens Mitarbeitern überwacht wurde. Linners verkaufte tatsächlich Computer aller Art und war so etwas wie die Schaltstelle zwischen Wilden, Blatters und dem ominösen Randy Rolson, der eine unbekannte Größe darstellte. Parker glaubte inzwischen zu wissen, nach welchem Muster die Kommandostruktur der Wilden aufgezogen war. Da gab es die Masse der eigentlichen Wilden, die auf ihren Zweirädern ganze
Landstriche unsicher machten und den Boden für die eigentlichen Geschäfte vorbereiteten. Diese Zweirad-Wilden hatten einen Vormann, der mit Benny Blatters identisch war. Blatters unterstand dem Computer-Verkäufer Linners, der seinerseits die Befehle und Weisungen von dem noch unbekannten Rolson erhielt. Mett Meeker fertigte die Expertisen an, die von keinem gebraucht, aber teuer bezahlt wurden. Und Anwalt Borrows erledigte wohl alle Dinge, die mit Vertragsabmachungen zu tun hatten. Bufferty, Clantner und Shaffner spielten wohl nur innerhalb der Zweirad-Benutzer eine Rolle, mit der eigentlichen Führung der Gang hatten sie wohl kaum etwas zu tun. Lady Agatha schaute sich im Vorraum der Firma Linners interessiert um und nickte anerkennend, als sie die vielen Ausstellungsstücke in Augenschein nahm. Linners hatte viele Modelle aus der Welt der Personal-Computer anzubieten, darunter auch Laptops, die wie normale Aktenkoffer aussahen, die aber erstaunlich leistungsfähige Computer waren, die man netzunabhängig bedienen konnte. Parker hatte einen Wandschmuck passiert, der eine Kombination aus Spiegel und schwarzem Siebdruck war. Dieses Bild im Jugendstil warb für ein mehr als bekanntes Limonadegetränk und paßte sich zusammen mit ähnlichen Bildern in dieses sachlichkühle Ambiente ein. Der Butler wußte durchaus etwas mit solchen Spiegelbildern anzufangen. Er kannte die sogenannten Einweg-Spiegel, durch die man in einer Richtung wie durch ein Glasfenster blicken konnte. Er warf mit einer ruckartigen Bewegung seines Unterarms den Universal-Regenschirm senkrecht in die Luft, faßte nach dem unteren Drittel und holte dann blitzschnell zu einem Schlag mit dem Bambusgriff in Richtung Spiegel aus. Das Resultat war frappierend. Hinter dem Wandschmuck hörte man das Umstürzen und Poltern eines schweren Stuhls oder Sessels. Ein Beobachter auf der anderen Spiegelseite hatte instinktiv reagiert und sich vor dem zu erwartenden Schlag in Sicherheit gebracht. Parker passierte das Bild, das unversehrt geblieben war und öffnete die Tür zum nächsten Büroraum. Er hatte sie noch nicht ganz geöffnet, als zwei graugekleidete junge Männer sich mit ihm befassen wollten.
Sie sahen zwar sehr korrekt aus, aber sie waren in den Künsten fernöstlicher Kampftechnik ausgebildet und wollten sich unbedingt mit dem Butler anlegen. Sie rechneten mit durchschlagendem Erfolg. * Josuah Parker verwandelte sich in einen Kendo-Kämpfer. Als Kendo-Stock benutzte er seinen Regenschirm, den er an den Enden umfaßt hatte und mit dem er die beiden Einzelkämpfer völlig aus dem Tritt brachte. Sie wollten zwar mit ihren Handkanten hart zur Sache kommen, doch gegen den improvisierten KendoStock des Butlers richteten sie nichts aus. In einem Wirbel von Stößen, Abblocken, Schlägen und Prellen gingen die beiden sicher sehr gut ausgebildeten Männer sangund klanglos zu Boden. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis die völlig Unvorbereiteten stöhnend auf dem Boden saßen und an sich und der Welt verzweifelten. Parker aber hatte seinen Universal-Regenschirm bereits wieder über den angewinkelten linken Unterarm gelegt und schnipste mit seiner schwarz behandschuhten Hand unsichtbare Stäubchen von seinem Covercoat. Er machte einen beherrschten Eindruck wie stets. Man sah ihm überhaupt nicht an, daß und wie er sich gerade erst betätigt hatte. »Nun ja«, kommentierte die ältere Dame Parkers Dialogbeitrag, »recht begabt, Mister Parker. Sie sind auf einem guten Weg. Nur weiter so!« »Mylady lassen eine gewisse Freude in meiner Wenigkeit aufkommen.« Parkers Gesicht blieb bei dieser Aussage glatt und ausdruckslos. »Nur nicht gleich übertreiben«, warnte die Lady. »Selbstverständlich wäre ich auch allein mit den Lümmeln fertig geworden.« »Daran besteht kein Zweifel, Mylady«, versicherte der Butler ihr und deutete mit der Spitze des Schirmes in das Zimmer, aus dem die beiden Mitarbeiter gekommen waren. Er hatte den Schirm ein wenig gehoben und… verschoß einen Blasrohrpfeil. Dieses unheimlich aussehende Geschoß jagte mit hoher Geschwindigkeit durch den Raum und landete im Oberschenkel eines mittelgroßen, fast schlanken Mannes, der vom Pfeil völlig über-
rascht wurde und darüber vergaß, seine Waffe in Richtung Parker und Lady Agatha abzufeuern. Als er dies nachzuholen trachtete, bekam er es mit der Kopfbedeckung des Butlers zu tun. Er hatte sie in bester James-BondManier aus dem Handgelenk in Richtung Waffenträger geschleudert und traf die Waffe. Sie wurde dem Mann aus der Hand geprellt, der daraufhin unterdrückt aufschrie, sich vorbeugte und nun wohl erst so richtig begriff, was da in seinen Oberschenkel eingedrungen war. »Mister Herbert Linners, wie anzunehmen ist?« Parker näherte sich dem Getroffenen, der sich zurückgeschleppt hatte und nun auf der Kante eines Ledersessels saß und sich nicht traute, den stricknadelgroßen Pfeil aus dem Fleisch zu ziehen. »Ja, ja«, stöhnte Linners. »Was, zum Teufel, haben Sie mir da ins Bein gejagt?« »Es handelt sich, wie Sie längst erkannte haben dürften, um einen Blasrohrpfeil«, erläuterte der Butler. »Die spezielle Wirkung wird in wenigen Minuten voll einsetzen.« »Wirkung…?« Linners sog scharf die Luft ein. »Was wollen Sie damit sagen? Etwa… Gift…?« »In einer modernen Zusammensetzung«, erklärte Parker. »Gewisse Ingredienzien für das Originalgift sind hier in der Zivilisation nur schwer oder gar nicht zu bekommen.« »Pfeilgift…?« Der Getroffene spreizte abwehrend die Finger. Auf seiner Stirn bildeten sich dicke Schweißtropfen. »Sie sollten sich, falls noch Zeit vorhanden, darüber kurz mit Mister Blatters unterhalten«, schlug der Butler vor. »Er hat Mylady und meine Wenigkeit übrigens zu Ihnen geschickt. Nach seinem Wissensstand sind Sie einer der wichtigen Hintermänner der Wilden und sollen einen direkten Zugang zu einem gewissen Randy Rolson haben.« »Mir… wird… schlecht«, sagte Herbert Linners. »Ein Vorgang, den meine Wenigkeit immer wieder beobachten kann«, entgegnete der Butler. »Nach dieser Phase wird es Sie heiß und kalt durchlaufen.« »Das… geht bereits los«, stöhnte Linners und wischte sich mit dem rechten Handrücken den Schweiß von der Stirn. »Und… und wie geht’s weiter.« »Sie sollten sich für heute vielleicht nicht mehr allzuviel vornehmen, Mister Linners«, warnte der Butler sein Gegenüber. »Es sei
denn, Sie verfügen ohne großen Zeitverlust über ein Gegenmittel.« »Ha… haben Sie so was dabei?« keuchte der Verbindungsmann und blickte den Butler beschwörend an. »Selbst wenn, Mister Parker«, ließ Lady Simpson sich vernehmen. »Sie werden es selbstverständlich nur dann verabreichen, falls ich einige Informationen erhalte.« »Wie Mylady anzuordnen geruhten«, lautete die Antwort des Butlers. * »Ja doch, ja doch«, sagte Linners hastig. »Ich verkaufe PersonalComputer am laufenden Band. Die gehen alle an Kunden, die die Wilden aufgemischt haben.« »Mylady würde es gern ein wenig ausführlicher hören«, meinte der Butler. Er hielt ein Glas Wasser in der rechten Hand und schwenkte es dezent. In diesem Wasser schwamm eine graubraune Tablette, die leicht perlte und aufschäumte. »Per Juckreiz ist unerträglich«, klagte der Verbindungsmann der Wilden und kratzte mit den Nägeln der gespreizten Finger seinen Oberschenkel, Parker hatte den bunt gefiederten Blasrohrpfeil wieder an sich genommen und in den Falten des Schirmes verschwinden lassen. Linners blickte wie hypnotisiert auf das Wasserglas und die darin schwimmende Tablette, die er für das Gegenmittel hielt. »Ich warte auf Ihre Erklärung, junger Mann«, raunzte Lady Agatha den Kriminellen an. »Ich kann ja auch das Glas ausschütten. Sie brauchen es nur zu sagen.« »Nein, nein… bitte nicht«, beschwor Linners die ältere Dame. »Ich red’ ja schon… Also, die Jungens… Ich meine, unsere Mitarbeiter fahren über Land und suchen Kunden für Personal-Computer und so… Sie machen die Verträge, und meine Firma liefert dann die Geräte. Alles ganz einfach.« »Und um welchen Kundenkreis handelt es sich?« wollte Josuah Parker wissen. »Na ja, eben um… Schon gut, Lady, ich red’ ja schon… Nein, nein, kippen Sie das Glas nicht aus.«
Die Detektivin war bereit, eine Topfblume mit dem Inhalt des Wasserglases zu erfreuen. Und genau davor hatte Linners eine Riesenangst. Er fürchtete um das Gegenmittel. »Die Kunden sind ja, die brauchen eigentlich gar keine Computer „is so«, gestand Linners jetzt eiligst weiter. »Aber ich liefere immer genaue Beschreibungen mit.« »Mylady geht davon aus, daß es mehr oder weniger recht betagte Personen sind, die von den Wilden zu Kunden umfunktioniert werden, Mister Linners.« »Na ja, es sind da auch jüngere Leute drunter«, verteidigte sich der Kriminelle. »Genau weiß ich das natürlich nicht. Ich halte mich an die Verträge und Lieferfristen.« »Und wer innerhalb der Wilden ist für die fristgerechten Zahlungen zuständig?« wollte der Butler dann wissen. Er wußte allerdings längst Bescheid - Gangster aller Schattierungen versuchten immer wieder, auf diese vordergründig legale Art Geld zu machen. Sie setzten ängstliche Mitbürger unter Druck und zwangen ihnen Ratenkäufe auf. »Anwalt Borrows’ Büro ist für die Zahlungen zuständig«, gestand Linners. »Der kassiert auch für Meeker, wenn’s da mal mit den Raten nicht klappt.« »Zurück zu Mister Randy Rolson«, verlangte der Butler. »Er ist also der große Unbekannte…« »Den kennt kein Mensch«, behauptete Linners hastig. »Ich glaube, ich kann das Glas nicht mehr halten«, ließ Agatha Simpson sich vernehmen und kippte leicht das Gefäß. Im Glas schäumte und perlte es. »Lady, tun Sie’s nicht«, heulte Linners, der sich unentwegt kratzte und nun auch die Brustpartie, die Unterarme und erreichbare Teile des Rückens intensiv bearbeitete. »Wer könnte Mister Randy Rolson sein?« wiederholte der Butler seine Frage noch mal. »Auf welche Art und Weise überweist man ihm die jeweiligen Gewinne?« »In bar«, erwiderte Linners umgehend. »Das Geld geht in PlastikTragetaschen, die Rolson dann abholt.« »Nach welchem Muster, Mister Linners?« »Ich bring’ das Geld zu Borrows. Und der reicht es dann an Rolson weiter. Wie er das genau macht, weiß ich nicht.« »Aber ich«, war in diesem Moment eine Stimme zu vernehmen, die dem Butler nicht unbekannt war. Er wandte sich gemessen
und würdevoll um und sah sich dem Anwalt gegenüber, von dem gerade gesprochen worden war. Borrows hielt eine schallgedämpfte Automatic in der rechten Hand und machte einen sehr entschlossenen Eindruck. * »Mylady werden sich hüten, einen Schuß zu provozieren«, sagte Parker wenig später. Er hoffte, daß die ältere Dame seiner Meinung war und bedachte sie mit einem kurzen, beschwörenden Blick. »Ich bin doch keine Selbstmörderin«, ließ die Detektivin sich vernehmen und reichte Linners sogar das Glas. Der Computer-Verkäufer langte hastig danach und leerte es in einem Zug. Er atmete tief und erleichtert durch, nachdem er das vermeintliche Gegengift geschluckt hatte, das übrigens recht bitter schmeckte. Es handelte sich bei der Tablette, die sich noch immer nicht aufgelöst hatte, um ein Magenmittel auf rein pflanzlicher Basis. »Sie haben sich schon ganz schön vorgearbeitet«, stellte der Anwalt ironisch fest. »Zu mehr wird’s aber nicht reichen, Lady. Ich habe keine Lust, auf die immensen Gewinne zu verzichten.« * »Ich wußte gleich, daß Sie ein Gangster sind, junger Mann«, behauptete die resolute Dame. »Wie kann man als Anwalt der Krone nur so herunterkommen?« »Darüber können wir uns später immer noch ausführlich unterhalten«, schlug Borrows ironisch vor. »Aber ich sage Ihnen bereits jetzt, Mylady, daß bei mir kein schlechtes Gewissen aufkommen wird.« »Sie haben die erklärte Absicht, Mylady und meine Wenigkeit an einen nur Ihnen bekannten Ort zu verbringen?« erkundigte sich der Butler. Er war froh, daß Agatha Simpson ihn verstanden hatte. Normalerweise neigte sie ja dazu, chaotisch zu reagieren. Jetzt und hier aber verzichtete sie auf Einzelaktionen.
Linners fühlte sich bereits bedeutend wohler. Er sprach leise und eindringlich auf die beiden graugekleideten Männer ein, die wieder ansprechbar waren. Auch Borrows hatte einen stämmigen Begleiter mitgebracht, dem Parker auf Anhieb zutraute, daß er bedingungslos scharf schoß. »Wir werden jetzt nach Shepherd’s Market fahren und erst mal unsere Freunde herausholen«, sagte der Anwalt. »Sie haben da ja einige Leute eingebunkert, nicht wahr?« »Die Herrn Bufferty, Clantner und Shaffner«, zählte Josuah Parker auf. »Sie befinden sich übrigens bei bester Gesundheit.« »Okay, fahren wir los«, kommandierte Borrows und blickte Linners fordernd an. »Nehmen Sie Ihre beiden Versager mit, Linners.« Die beiden graugekleideten Männer wagten keinen Widerspruch, auch Linners protestierte nicht gegen den Ton. Er zog förmlich den Kopf ein und wartete, bis Parker und Mylady sich in Bewegung setzten. Borrows Begleiter war ein Vollprofi, wie sich auch jetzt wieder zeigte. Er verhielt sich völlig ruhig und gelassen, doch er hatte die ältere Dame und ihren Butler genau im Blickfeld. »Wir nehmen Ihren Wagen, Parker«, ordnete der Anwalt an, als man die Straße erreichte. »Überschätzen Sie nicht den technischen Zustand meines privaten Gefährts, Mister Borrows?« fragte Parker. Er wollte auf keinen Fall erkennen lassen, wie passend ihm dieser Vorschlag war. »Die Karre wird’s schon noch schaffen«, hoffte der Anwalt. »Kommen Sie, Parker. – Keine Mätzchen! – Wir vier hier steigen in Ihren Wagen… Linners, Sie und Ihre beiden Anfänger folgen in Ihrem Wagen. Mein Bentley bleibt drüben auf dem Parkplatz.« »Bestehen Sie darauf, daß meine Wenigkeit fährt?« wollte der Butler wissen. »Klar doch«, entgegnete Borrows. »Am Steuer können Sie wenigstens keinen Ärger machen, Parker. Ich weiß längst, wie durchtrieben Sie sind. Man darf Sie keinen Moment aus den Augen lassen.« »Und was ist mit mir, junger Mann?« dröhnte Lady Agatha. »Sie sind explosiv wie Dynamit«, meinte Borrows. »Deshalb setzen Sie sich auch mit meinem Leibwächter nach hinten. Der kann nämlich mit Dynamit bestens umgehen.«
Man nahm im Wagen Platz, in einem Gefährt, das Eingeweihte eine »Trickkiste auf Rädern« zu bezeichnen pflegten. * Stocksteif, als habe er einen Ladestock verschluckt, saß Parker am Steuer seines Gefährts und machte einen durchaus unbeteiligten Eindruck. Neben ihm hatte Borrows Platz genommen. Er hatte die schallgedämpfte Automatic so auf den Schoß gelegt, daß die Mündung auf den Butler wies. »Was haben denn all die Knöpfe und Kipphebel zu bedeuten?« wollte Borrows wissen und deutete auf das Armaturenbrett. »Es handelt sich in der Mehrzahl um Schalter, die vom Vorbesitzer des Wagens stammen«, schwindelte der Butler. »Aus Gründen der Optik verzichtet meine Wenigkeit darauf, sie ausbauen zu lassen.« »Kann Ihre Lady sich keinen eigenen Wagen leisten?« wunderte sich Borrows ironisch. »Sie soll doch vermögend sein.« »Dies ist in der Tat der Fall, Sir«, gab Parker zurück. »Mylady besitzt tatsächlich einen eigenen Wagen. Es handelt sich dabei um einen geländegängigen Rover. Darf man übrigens erfahren, wie Myladys und. meine nähere Zukunft aussehen?« »Zuerst holen wir unsere Leute raus«, zählte der Anwalt auf, »Anschließend plündern wir dann die Konten Ihrer Lady, Parker.« »Sie sind der Kopf der Zweirad-Gang, Mister Borrows?« »Fast«, erwiderte der Anwalt und lächelte knapp. »Es gibt ja noch diesen Rolson, wie Sie wissen.« »Eine Person, die Ihnen unbekannt sein sollte?« wunderte sich der Butler. »Nicht ganz«, widersprach der Mann eitel. »Man macht ja schließlich seine Beobachtungen, Parker. Aber das ist nicht Ihre Sache.« »Die sogenannten Wilden verkaufen nicht nur Computer, Mister Borrows, sie sorgen auch für die Erstellung von sinn- und nutzlosen Expertisen?« »Legaler und schneller kann man Geld nicht verdienen«, gestand Borrows und lachte leise. »Ich wurde sofort hellhörig, als ich mit den ersten Zahlungsbefehlen zu tun hatte. Die waren auch der Grund, warum ich dann einstieg.«
»Sie kassieren die Gelder und reichen sie an den noch unbekannten Mister Randy Rolson weiter«, erinnerte der Butler, der es in diesen Minuten ungemein schätzte, daß der Verkehr auf der Durchgangsstraße immer wieder zum Erliegen kam. So gewann er Zeit, die sich nutzen ließ, um den Anwalt zu weiteren Informationen zu verleiten. »So ungefähr ist es tatsächlich«, räumte Borrows ein. »Dieser Rolson liegt Ihnen im Magen, nicht wahr?« »Er dürfte die Tarnung für Sie sein, Mister Borrows«, tippte der Butler erneut an und warf einen kurzen Blick in den Rückspiegel. Agatha Simpson war erstaunlicherweise eingeschlafen und erdrückte den neben ihr sitzenden Profi fast mit ihrer beachtlichen Fülle. Er schob die ältere Dame zwar immer wieder von sich, doch sie rutschte umgehend wieder zur Seite und drückte ihn in die Wagenecke. »Sie glauben also, daß ich der große Abkassierer bin, Parker?« fragte Borrows und zeigte wieder Eitelkeit. »Eine andere Möglichkeit bietet sich kaum an, Sir«, schmeichelte Parker dem Kriminellen. »Ein Anwalt Borrows wird sich kaum zu einem Handlanger oder Mitarbeiter herabwürdigen lassen.« »Sie reden sich um Kopf und Kragen.« »Möglicherweise brauchen Sie einen Mitarbeiter, auf den sie sich besonders fest verlassen können.« »Und der wollen Sie sein, Parker?« »Solange das stimmt, was man gemeinhin die Kasse zu nennen pflegt, Mister Borrows«, meinte Josuah Parker. »Die sogenannten Wilden werden eines Tages keine neuen Kunden mehr finden.« »Irgendwann erschöpft sich alles«, pflichtete Borrows dem Butler bei. »Aber dann entdeckt man wieder neue Möglichkeiten. Das ist nur eine Frage der Phantasie.« Josuah Parker blickte erneut in den Rückspiegel. Hinter dem hochbeinigen Monstrum war der Wagen zu sehen, in dem Herbert Linners und seine Mitarbeiter saßen. Parker hielt es aber für an der Zeit, sie abzuhängen und überhaupt das Blatt zu wenden. *
Philipp Borrows zuckte wie unter einem Nadelstich zusammen und dann den Butler in einer Mischung aus Mißtrauen und Frage an. »Was war das gerade?« fragte er und bewegte scheuernd das Gesäß über den Sitz. »Mister Borrows?« Der Butler schien nicht zu verstehen. »Ich… ich bin gerade gestochen worden«, sagte Borrows gereizt und sah sich veranlaßt, mit der rechten Hand nach seiner Kehrseite zu langen. »Darf man in Erfahrung bringen, wo Sie gestochen wurden?« erkundigte sich der Butler. »In meinen Hintern, verdammt noch mal«, ärgerte sich Borrows. »Wahrscheinlich eine fehlerhafte Polsterfeder«, bot der Butler als Erklärung an. »Mistkarre«, schimpfte Borrows. »Nee, nichts zu fühlen…« Er wußte nicht, daß die Nadelspitze sich ins Polster zurückgezogen hatte; Sie war von Parkers linker Schuhspitze am Wagenbrett aktiviert worden und aus einem entsprechenden Futteral nach oben geschossen. Natürlich vermittelte die Nadelspitze ein entsprechendes Präparat in das Muskelfleisch des Betroffenen. Und Borrows verspürte bereits schon eine gewisse Schwäche und Übelkeit. Er hatte einen intensiven, kalten Schweißausbruch, ein Würgegefühl im Magen und litt unter Kurzatmigkeit. »Sie fühlen sich nicht wohl, Mister Borrows?« erkundigte sich der Butler in höflicher Form und blickte über den Rückspiegel kurz nach hinten. Der Profi war im Moment nicht zu sehen. Mylady hatte ihn unter sich begraben und richtete sich jäh auf. Sie blickte auf ihr erlegtes Wild und lächelte boshaft. Der Profi hing ohnmächtig in der Wagenecke und war nicht ansprechbar. Parker widmete sich wieder dem Anwalt, den es würgte. Der Butler nahm ihm die schallgedämpfte Automatic aus der Hand und riet ihm, sich völlig zu entspannen. »Das… das mit dem Stich war ein Trick, wie?« fragte Borrows mühsam. »Dem möchte und wird meine Wenigkeit nicht widersprechen«, antwortete der Butler. »Haben Sie etwas dagegen, daß man das Ziel der gemeinsamen Ausfahrt wechselt und Ihre privaten Räume aufsucht?« »Ich… ich fühl’ mich scheußlich«, stöhnte Borrows.
»Sie werden gleich einschlafen«, wußte der Butler, »aber vorher dürfen Sie noch äußern, wohin man Sie bringen soll, Mister Borrows.« »Mein… mein Landhaus«, murmelte der Anwalt. »Gott, ist mir schlecht…!« Er sackte in sich zusammen und schlief übergangslos ein. Parker senkte die Trennscheibe zwischen dem Fond des Wagens und den Vordersitzen. »Darf man sich nach Myladys Wohlbefinden erkundigen?« fragte er. »Das ist ausgezeichnet, Mister Parker«, erwiderte Lady Agatha und tippte kurz gegen die Seite des Profis. »Er hat nicht mit meinem Glücksbringer im Pompadour gerechnet. Sein Pech, der Gute!« »Mister Borrows hat sich ebenfalls mental empfohlen, Mylady«, meldete der Butler nach hinten. »Man könnte vielleicht Mister Borrows Landhaus ansteuern, zumal davon auszugehen ist, daß er mit der Person des gesuchten Mister Randy Rolson identisch sein müßte.« »Reichen Sie mir seine Brieftasche, Mister Parker, ich werde sie durchsuchen«, bot die ältere Dame ihre Hilfe an. »Ich wette, in ihr gibt es Hinweise auf diesen Landsitz.« Parker kam ihrem Wunsch nach, und Lady Agatha befaßte sich intensiv mit dem Inhalt der gut ausstaffierten Brieftasche. Nach wenigen Augenblicken schon war sie fündig. Sie zog ein Stück Papier hervor und hob es an. »Sie hätten den wichtigen Hinweis natürlich glatt übersehen«, behauptete Agatha Simpson. »Aber meinem Spürsinn passiert so etwas nie.« »Mylady sind in allen Belangen stets ein Vorbild, das man nur als leuchtend bezeichnen kann und muß«, antwortete Parker, ohne eine Miene zu verziehen. »Darf man nähere Einzelheiten erfahren?« »Das Landhaus liegt im Norden der Stadt«, erwiderte die Detektivin. »Waltham Forest, wenn Ihnen das etwas sagt.« »Eine leicht hügelige, mit Wald durchsetzte Parklandschaft, Mylady«, gab der Butler Auskunft. »Darf man einen Blick auf den Hinweis werfen?« »Sie trauen mir nicht, Mister Parker?« Grollender Vorwurf beherrschte ihre an sich schon dunkle Stimme.
»Myladys Glaubwürdigkeit steht außer Zweifel.« Parker reichte mit der linken Hand nach hinten und erhielt das Schriftstück. Es handelte sich um eine Rechnung, die von einem Installateur ausgestellt worden war. Danach hatte der gute Mann erst vor wenigen Tagen eine Wasserleitung in einem Badezimmer repariert und einen Ausguß freigemacht. Adressiert war diese Rechnung an Mr. Borrows hier in London, aber die bewußte Reparatur war in einem Haus in Waltham Forest vorgenommen worden. »Man darf und muß Mylady zu diesem Fund unbedingt gratulieren«, sagte Parker. »Damit dürften Mylady das sogenannte Herz der Wilden entdeckt haben.« »Natürlich«, antwortete sie mit der größten Selbstverständlichkeit. »Eine Lady Simpson kann man nicht täuschen. Für mich ist das eine Tatsache.« * Sie war geradezu hingerissen und begeistert. Man hatte das Landhaus des Anwalts erreicht und sich auch noch mit Dinners und dessen Mitarbeitern kurz and bündig auseinandergesetzt. Die Wilden befanden sich inzwischen in einem gut gesicherten Kellerraum und konnten nicht weiter stören. Mylady hatte also Zeit, sich mit einer Harvey-Davidson zu befassen. Die chromblitzende und mit allen Schikanen ausgestattete Dreiliter-Maschine war rein optisch schon eine Augenweide. Nichts an ihr erinnerte an die stromlinienverkleideten Zweiräder. Diese Harley sah aus wie ein kleines Ungetüm und lud zum Tourenfahren ein. »Ich werde selbstverständlich eine kleine Ausfahrt machen, Mister Parker«, sagte sie. »Meine bescheidene Wenigkeit zweifelte keinen Augenblick daran«, erwiderte der Butler, »aber vielleicht sollte und könnte man sich vorher noch mit Anwalt Borrows unterhalten, den Mylady für den gesuchten und vorerst noch ominösen Mister Rolson halten.« »Na schön, ein paar Minuten werde ich Ihnen schenken«, räumte sie ein. »Wo steckt dieses Subjekt?« »Meine Wenigkeit ließ es in der Halle zurück«, antwortete der Butler. Er ging voraus und bugsierte die ältere Dame zurück in
den Landsitz, der tatsächlich dem Anwalt gehörte. Borrows blickte das skurrile Paar aus Shepherd’s Market finster und wütend an. »Mylady geht davon aus, daß Sie hier im Landsitz Bargeld untergebracht haben«, schickte der Butler voraus. »Es wäre in Ihrem ureigener Interesse, wenn Sie den Verwahrort nennen würden, Mister Borrows.« »Ich denke nicht daran«, gab der Anwalt gereizt zurück. »Was Sie mit mir treiben, wird Sie vor Gericht bringen. Beweisen Sie dem erst mal, daß ich etwas mit den Wilden zu tun habe, Parker…« »Mylady lädt Sie zu einer Ausfahrt ein«, bot Parker an, »und zwar auf jener Harley-Davidson, die man in der Remise Ihres Landsitzes fand.« »Die Lady und die Harley? Lächerlich…« Borrows bemühte sich um Spott in der Stimme. »Sie sollten sich überraschen lassen, Mister Borrows«, empfahl Parker. »Ich ritt bereits ein Zweirad, als Sie noch gar nicht geboren waren, junger Mann«, schaltete die ältere Dame sich ein. »Selbstverständlich beherrsche ich alle Maschinen, die auf dem Markt sind.« »Mylady wird es ein Vergnügen sein, Sie als Sozius mitzunehmen«, sagte der Butler. »Sie bringt sich glatt um Kopf und Kragen«, sorgte sich der Anwalt nachhaltig. »Und die Maschine wird zu Schrott werden.« »Sie sollten die Dinge nicht derart pessimistisch sehen, Mister Borrows«, empfahl Parker dem Anwalt. »Auf der anderen Seite gehen Sie natürlich als Sozius ein gewisses Risiko ein.« »Lassen Sie die Maschine, wo sie ist«, bat Borrows jetzt erstaunlicherweise. »Sie ahnen ja nicht, wie sehr ich an der Maschine hänge…« »Sie sind das, was man einen Freak zu nennen pflegt?« »Weiß Gott«, stöhnte Borrows. »Passen Sie auf, ich werde…« In diesem Moment fiel ein Schuß, der dicht neben Parker den Parkettboden aufschlitzte. *
Es war Matt Meeker, der den Schuß abgefeuert hatte. Er trug Lederkleidung und einen Jet-Helm. Er schien offensichtlich mit einem Zweirad gekommen zu sein, richtete die Waffe natürlich auf den Butler und auch auf Borrows. Um Lady Agatha kümmerte er sich nicht weiter. Sie saß in einem großen Ohrensessel in Kaminnähe und hielt ein Sherryglas in der Hand. »Ich wußte doch, wie’s laufen würde«, meinte Meeker, der Gutachter und Wilde in einer Person. »Jetzt schleunigst raus mit dem Geld, Borrows! – Ich setze mich ab, bevor das große Kassieren durch die Polizei erfolgt.« »Sie ahnten, daß Mylady und meine Wenigkeit hier sein würden?« wundert sich der Butler verhalten. »Weil ich Sie im Gegensatz zu Borrows nicht unterschätzt habe«, lobte sich der Gutachter umgehend. »Sie und die Lady haben sich durchgeackert und die Wilden an die Leine gelegt. Früher oder später mußten Sie hier aufkreuzen, und zwar mit Borrows.« »Der mit dem gesuchten und ominösen Rolson identisch ist, Mister Meeker?« wollte der Butler nun aus erster Hand wissen. »Ich bin Rolson«, lautete die Antwort, die selbstbewußt und fast ein wenig ärgerlich klang. »Borrows würde mir ja gern den Rang ablaufen, aber das schafft er nicht. Dazu kennt er sich in unserem Handwerk zu wenig aus.« »Er wurde von Ihnen seinerzeit als Anwalt eingesetzt, um säumige Kunden zu mahnen?« vermutete Parker. »Und von dem Zeitpunkt ab wurde er ein Wilder, den ich nur vorgeschoben habe, um mich als Rolson zu täuschen.« »Sie sind niemals Rolson«, mischte der Anwalt sich wütend ein. »Den kennen auch Sie nicht.« »Wer holte stets das Geld ab?« »Ein Motorradfahrer auf ‘ner schnellen deutschen Maschine«, antwortete der Anwalt. »Das war jedesmal ich«, gab Meeker zu. »Euch allen habe ich stets den Gutachter vorgespielt, der froh über sein monatliches Honorar war.« »Ich glaub’s einfach nicht«, sagte Borrows und schüttelte den Kopf. »Ihr alle seid hinter diesem Rolson her gewesen«, erklärte der Ersteller von Expertisen weiter und lächelte wölfisch. »Aber keiner von euch hat an mich gedacht.«
»Dies hat sich mit Ihrem Erscheinen hier sehr gründlich geändert«, warf Josuah Parker ein. »Darüber reden wir später.« Meeker winkte mit der Waffe kurz ab und wandte sich wieder an Borrows. »Und jetzt raus mit deinem Anteil, Mann, ich brauche Kapital für mein neues Leben!« »Niemals«, sagte Borrows und brüllte vor Entsetzen, als ein zweiter Schuß die Spitze seines linken Schuhs lädierte. Der Anwalt beeilte sich, die Lage seines Safes und auch die Codezahl zu nennen. Doch dann wurde Agatha Simpson ungemein aktiv. Sie holte zu einem gezielten Weitwurf aus und benutzte als Sportgerät Aschenbecher aus schwerem Bleikristall, den sie zum Diskus umfunktionierte. Mylady traf zwar nicht, was ja wohl verwunderlich gewesen wäre, doch der schwere Aschenbecher segelte an Meeker vorüber und knallte geräuschvoll gegen die Seitenwand des Kamins. Damit lenkte die Detektivin den Gutachter vom Geschehen kurzfristig ab und gab Parker die Möglichkeit, Meeker auszuschalten. Der Gutachter kassierte einen Stich mit der Schirmspitze und ergriff humpelnd die Flucht. Lady Agatha baute sich dann vor Borrows auf und lächelte boshaft. »Wir wollen doch mal sehen, was so alles im Safe ist, mein Bester«, sagte sie süffisant. »Ich denke, ich werde da eine Beschlagnahme vornehmen.« Parker, der bereits hinter Meeker her war, grüßte von der Tür her die ältere Dame, lüftete die schwarze Melone und entschuldigte sich für einige Minuten. »Man dürfte Mister Meeker oder auch Mister Rolson in wenigen Minuten erreicht und dingfest gemacht haben, Mylady«, sagte er. »Die Harley-Davidson wird dabei gute Hilfe leisten.« * Er lag ausgepumpt und erschöpft auf dem schmalen Weg und konnte nicht mehr. Parker hatte ihn mit der schweren Tourenmaschine verfolgt und förmlich aus dem Sattel katapultiert. »Woher… woher, verdammt, können Sie das?« wollte Meeker resignierend wissen. Er saß aufrecht und tastete sich ab. Die schwere Maschine lag in einem Bachlauf.
»Ein Butler sollte allen Anforderungen des Lebens gerecht werden«, lieferte der Butler als Erklärung. »Mister Meeker, betrachten Sie sich als verhaftet.« »Ich hätte gleich wissen müssen, daß Sie gefährlich sind«, beklagte sich der Gang-Führer. »Ich spürte es, als mir die Boys erzählten, was sich im Restaurant ereignet hatte.« »Gehen Sie davon aus, daß man alle Schuld auf Sie abschieben wird«, meinte der Butler. »In diesem Zusammenhang sollten Sie vielleicht sagen, wo Sie die Erträge aus ihren diversen Erpressungen untergebracht haben.« »Ich denke nicht daran«, antwortete der Gutachter und grinste böse. »Wenn ich wieder heraus bin, brauche ich Kapital.« »Vielleicht ist Mylady in der Lage, Sie zur Aussage zu bringen«, hoffte Parker und hob lauschend den Kopf. »Was ist?« fragte Meeker und zog unwillkürlich den Kopf ein. »Ein Motorengeräusch, das auf ein Zweirad schließen läßt«, erwiderte Josuah Parker. »Möglicherweise naht Mylady auf einer Maschine.« »Kann… kann die denn das?« schien Meeker jetzt sehr interessiert. »Man wird es in wenigen Minuten wissen, Mister Meeker«, entgegnete der Butler. »Sie dürfen davon ausgehen, daß alle guten Wünsche meiner bescheidenen Wenigkeit Mylady bereits begleiten.« Josuah Parker richtete sich auf und blickte die schmale Straße hinunter, auf der Mylady samt Zweirad anbrausen mußte. Selbst jetzt rührte sich in seinem Gesicht kein Muskel. Er wußte schließlich, was er so einer aktiven Herrin schuldig war.
-ENDENächste Woche erscheint BUTLER PARKER Band 518 Edmund Diedrichs
PARKER weicht die Erpresser ein Robert Palmer, ein bekannter Geschäftsmann, speist mit Lady Agatha in einem feinen Restaurant. Wie vom Donner ist er gerührt, als ihm eine junge, sehr sexy wirkende Dame eine heftige
Szene macht und ihn an gemeinsam verbrachte schöne Stunden erinnert… Lady Agatha gerät »unverhofft« an Fotomontagen, auf denen »Herren der besseren Gesellschaft« mit jungen Damen in zweideutigen Situationen gezeigt werden. Parker und Mylady landen in einem heiklen Fall, zuerst in einem dubiosen Lagerhaus, dessen Zustand sie ebenso entsetzt wie ein »aufräumender« Gabelstapler, schließlich auf einer Kanalfähre, wo der Butler seinen Gegner in ein Fischnetz befördert. Mylady läßt sich nicht düpieren und macht kurzen Prozeß mit dem Obergangster. Ein neuer BUTLER PARKER-Krimi aus der Feder von Edmund Diedrichs. Spannung und Humor! Gönnen Sie sich jede Woche BUTLER PARKER!