Parker und der Freitags-Killer
Roman von Günter Dönges
Nur die Augen waren zu sehen. In ihnen spiegelte sich das zu...
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Parker und der Freitags-Killer
Roman von Günter Dönges
Nur die Augen waren zu sehen. In ihnen spiegelte sich das zuckende Licht der bunten Neonre klamen. Sie glühten rot auf, färbten sich gefährlich grün und wurden gelb wie die Augen einer mordgierigen Katze. Diese Augen beobachteten den Seiteneingang zu einem Schnell imbiß in der Aberdeen Street. Durch die halbgeöffnete Tür konnte der Beobachter in das Innere der Küche sehen. Vor einem recht eckigen Herd hantierten zwei Frauen. Sie waren in Kochschwaden und Dampf gehüllt. Sie brieten Steaks und Spiegeleier, füllten Teller mit Pommes frites und Bohnen. Der aufdringliche Geruch verbrannten Fetts und ausgelassener Zwiebeln wehte nach draußen. Der starke Nebel lud sich mit die sen Gerüchen auf und hielt sie am Boden fest. Nach einem herrli chen Sonnentag über Chikago war der Nebel vom Michigan-See hereingebrochen. Wie dicke Watte stand er in den engen Straßen des Loop. Der Verkehr in den Straßenschluchten dieses berühmt berüchtigten Zentrums von Chikago bewegte sich nur noch zö gernd. Von Minute zu Minute hatten die Lichtreklamen es immer schwerer, sich gegen diese unheimlichen Schwaden durchzuset zen. Es war kühl geworden. Ein staubfeiner Regen näßte die As phaltstraßen. Den Mann unter der Feuerleiter störte das alles nicht. Unbeweg lich stand er hart an der Brandmauer. Er trug einen weiten, dunk len Stoffmantel, hatte sich den Hut tief in die Stirn gezogen und die Hände in die Manteltaschen gesteckt. Es konnte nur noch wenige Minuten dauern, bis die Ablösung durch die Küchentür kam. Drei Frauen würden es sein, die jetzt Dienstschluß hatten. Er kannte sie alle, wußte, wie sie aussahen und wo sie wohnten. Seit Tagen hatte er sich mit ihren Gewohn heiten vertraut gemacht. Sein Interesse galt jetzt nur noch einer dieser drei Frauen. Sie stand auf seiner ganz privaten Liste. Es war eine Liste des Todes. Sie enthielt mehrere Namen. Zwei da von hatte er bereits abgehakt. In dieser Nacht sollte auch der dritte Name erledigt werden. Wenige Minuten nach Mitternacht tauchten die drei Frauen hin ter der Küchentür auf. Sie riefen den beiden Köchinnen Scherz worte zu, blieben in der Tür stehen und schimpften leise auf das
Wetter. Eine von ihnen schlug den Mantelkragen hoch, verab schiedete sich flüchtig und lief durch den dunklen Gang hinüber zur helleren Straße. Der Beobachter verließ sofort seinen Beobachtungsposten. Er folgte der Frau zur Straße und brauchte nicht zu befürchten, ent deckt zu werden. Dazu war es zu dunkel, dazu bewegte er sich zu leise und zu schnell. Er lief vorbei an den viereckigen Müllkästen, passierte einen kleinen Lieferwagen, der hart an der Straßenausfahrt stand, und heftete sich an die Fersen der ahnungslosen Frau. Seine an sich schon leisen Schritte wurden vom Nebel ver schluckt. Er hielt so viel Abstand zu der Frau, daß er sie nicht plötzlich aus den Augen verlor. Sie ahnte nichts. Mit schnellen, trippelnden Schritten eilte sie die Straße hinunter. Sie war nicht mehr jung, vielleicht 38 Jahre alt oder auch ein paar Jahre älter. Auf kurzen, stämmigen Beinen saß ein gedrungener Körper. Das Gesicht war breit und flächig. Das schlechte Make-up konnte die tiefen Falten im Gesicht nicht verdecken. Die Frau überquerte die Straße und hielt auf eine schmale Sei tenstraße zu. Nun schien sie zum erstenmal so etwas wie Bedenken oder Angst zu verspüren. Sie blieb plötzlich stehen und zögerte, die dunkle, enge Straße zu betreten. Ja, sie drehte sich sogar um und versuchte, im Nebel etwas zu erkennen. Der Verfolger mit den seltsamen Augen reagierte augenblicklich. Auch er blieb sofort stehen; drückte sich gegen die Wand eines Mietshauses und schien mit ihr zu verschmelzen. Seine Augen ruhten auf der Frau. Sie waren jetzt farb- und glanzlos. Die Frau entschloß sich nach wenigen Sekunden, nun doch die schmale Straße zu benutzen. Sie ging aber schneller, als fühlte sie, daß sie verfolgt wurde. Der Beobachter löste sich von der Hauswand, nahm die Verfol gung auf. Er war sich seiner Sache vollkommen sicher. Er wußte im voraus, daß auch dieses Unternehmen gelang. In der engen Straße holte er auf. Er schob sich von Sekunde zu Sekunde immer näher an die Frau heran. Seine Schritte waren unhörbar. Wie ein Raubtier bewegte er sich, schnell, geschmeidig und kraftvoll. Nur noch zwanzig Schritte trennten ihn von seinem Opfer.
Zu beiden Seiten der Straße erhoben sich die rauchgeschwärz ten Mauern von Lagerhäusern und Fabriken. Vom Chikago River kam das dumpfe Heulen einer Schiffssirene. Unheilvoll kämpfte sich dieses Geräusch durch den dichten Nebel. Die Frau wurde noch schneller. Den Verfolger hatte sie noch nicht bemerkt, doch ihr Instinkt trieb sie an. Sie fühlte die drohende Gefahr, hätte am liebsten laut geschrien und sich bemerkbar gemacht. Doch in dieser schmalen Straße hätte sie vielleicht kein Mensch gehört… Der Verfolger ging in einen schnellen Lauf über. Bevor er die Frau erreichte, schrie sie plötzlich gellend auf. Sie hatte sich um gedreht und sah den Schatten, der schnell auf sie zukam. Bevor sie Einzelheiten unterscheiden konnte, legten sich stahlharte Fin ger um ihren Hals. Sie wehrte sich verzweifelt. Sie versuchte, das Gesicht des An greifers zu zerkratzen. Doch schnell erlahmten ihre Bewegungen. Ihr wurde schwarz vor Augen. Die Beine gaben nach, sie fiel ge gen eine Mauer und stürzte dann zu Boden. Der Mörder blieb breitbeinig vor ihr stehen und griff in seine lin ke Manteltasche. Mit schnellen Bewegungen legte er der Toten einen Strick um den Hals. Bevor er die Schlinge aber zuziehen konnte, hörte er das Ge räusch eines Wagens. Kurz danach bohrten sich Scheinwerfer durch die dicke Nebelsuppe. Der Mörder ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er lief ein paar Meter zurück, überquerte hinter dem Wagen die Straße und verschwand in der Dunkelheit. Langsam ging er zu rück in die Aberdeen Street, holte seinen Wagen vom Parkplatz, setzte sich ans Steuer und fuhr los. Am Grant Park angekommen, steuerte er den Wagen in die Tiefgarage eines modernen, wolkenkratzerhohen ApartmentHauses. Gelassen stieg er aus, fuhr mit dem Lift hinauf in das Haus und betrat die große Wohnflucht. Sie war luxuriös eingerichtet und zeigte deutlich, daß der Mann zumindest wohlhabend sein mußte. Teure Teppiche bedeckten den Boden. Die Couches und Sessel mußten kleine Vermögen gekostet haben. Chinesisches Porzellan und Speckstein-Figuren aus Asien in Vitrinen und Wandnischen zeigten an, daß dieser Mann kostspieligen Sammlerneigungen frönte.
Der Mörder streifte sich in der Diele den Mantel ab, ging durch den großen Salon und schaltete das Fernsehgerät ein. Nach weni gen Sekunden zuckte das bläuliche Licht auf und verdichtete sich dann zu einem klaren Bild. Eine tiefgekühlte Blondine kündigte den »Thriller nach Mitter nacht« an. Nervenaufpeitschende, unheimlich klingende Musik begleitete den kurzen Vorspann des Films. Der Mörder ging an die Hausbar und goß sich einen Drink ein. Dann ließ er sich in den Liegesessel fallen und widmete sich der Bildscheibe. Die Serie »Der Henker von Chikago« begann mit einem neuen Kriminalfall. Im Mittelpunkt dieser Serie stand ein geheimnisvoller Mörder, der seinen Opfern einen Henkerstrick umlegte…! * »Nur ein Mann wie Parker kann uns aus der Patsche helfen«, sagte Leutnant Trunks von der Mordkommission. Der etwa 45jährige, untersetzte, breitschultrige Mann setzte behutsam sein Glas ab und sah Anwalt Mike Rander erwartungsvoll an. Trunks, der an einen behäbigen und bedächtigen Farmer vom Land erin nerte, war alles andere als schwerfällig. Er gehörte zu den Assen der Detektivabteilung und hatte in der Vergangenheit schon ver zwickte und schwierige Fälle geschickt gelöst. Mike Rander wußte die Zeichen zu deuten, daß Trunks um Hilfe bat. »Natürlich bin ich einverstanden, daß Parker sich einschaltet«, antwortete der junge, sympathisch aussehende Strafverteidiger. »Die letzte Zustimmung hängt natürlich von ihm selbst ab, Trunks. Sie wissen doch, wie eigensinnig Parker ist. Er befaßt sich nur mit Fällen, die ihn besonders interessieren.« »Dieser Fall muß ihn reizen.« Leutnant Trunks griff nach dem Glas und nahm einen kräftigen Schluck. »Drei Opfer hat es bisher gegeben. Die Morde verliefen alle nach einem Schema. Die drei Frauen wurden zuerst erwürgt, dann bekamen sie einen Hen kerstrick um den Hals gelegt. Sie werden’s ja im Radio gehört haben, daß in der vergangenen Nacht die dritte Frau ermordet wurde.« »Und ob ich es gehört habe! Diese Serienmorde wachsen sich zu einer üblen Sensation aus.«
»Und wir von der Polizei bekommen es von allen Seiten knüp peldick. Man erwartet Wunder von uns. Und dabei haben wir nicht den geringsten Anhaltspunkt. Diese drei Morde sind ohne jeden inneren Zusammenhang.« »Ist das sicher?« Mike Rander stand auf und blieb neben dem Kamin der Dachgartenwohnung stehen. »Haben Sie sich bereits mit dem Vorleben dieser drei Opfer befaßt?« »Selbstverständlich, Rander. Alle drei Frauen sind nachträglich durchleuchtet worden. Es dürfte kaum Geheimnisse geben.« »Gibt es einen gemeinsamen Nenner, Trunks?« »Davon haben wir nichts gemerkt. Falls ja, sind wir noch nicht über ihn gestolpert.« »Soweit ich orientiert bin, haben alle drei Frauen entweder als Dienstmädchen, Köchin oder Sekretärin gearbeitet, nicht wahr?« »Das ist richtig. Und zwar in ganz verschiedenen Städten der Staaten. Sie dürften sich untereinander nie gesehen oder gespro chen haben. Doch das ist natürlich vorerst nur eine reine Vermu tung.« »Sind Spuren entdeckt worden?« »Nein, alle drei Opfer müssen ganz überraschend angefallen und erwürgt worden sein. Die Henkerstricke wurden eigentlich als eine Art Erkennungszeichen zurückgelassen. Sie haben mit dem eigentlichen Mord nichts zu tun.« »Verrückte Geschichte, Trunks. In Ihrer Haut möchte ich nicht stecken.« »Sie treffen den Nagel auf den Kopf, Rander. Und deswegen bin ich ja hier. Ich möchte Ihren Butler interessieren. Er denkt kraus, verstehen Sie? Vielleicht gehen wir Polizeidetektive zu logisch und zu routinemäßig an solch einen Fall heran.« »Ich denke, wir werden uns mal mit Parker unterhalten«, schlug Mike Rander vor. »Oh, er ist im Haus?« »In seiner Bastler-Werkstatt, Trunks. Wie ich ihn kenne, tüftelt er neue Überraschungen und Spielereien aus. Sein Stecken pferd.« »Tatsächlich, für Überraschungen ist er immer gut.« Trunks lä chelte müde und goß sich einen neuen Drink ein. »Diese geheim nisvolle Mordserie müßte ihm liegen. Wissen Sie, Rander, ich per sönlich möchte wetten, daß wir es mit einem geisteskranken Tä ter zu tun haben. Dieser Mörder hat sich doch bisher an diese
verdammte TV-Kriminalserie >Der Henker von Chikago< gehal ten. Darin bekommen die Opfer auch einen Strick umgelegt.« »Sie sollten diese Serie absetzen lassen, Trunks.« »Ist bereits geschehen. Ich habe mit der TV-Direktion gespro chen. Sie hatten volles Verständnis für unsere Bitte.« »Wie lange wollen sie die Sendungen einstellen?« »Na ja, man gab uns zwei Wochen Frist. Dann soll sie wieder anlaufen. Gesetzlich haben wir keine Möglichkeit, sie zu verbie ten. Die Leutchen in der TV-Station wissen natürlich, daß wir un gewollt Reklame für sie machen. Wir sitzen in ‘ner Zwangsjacke, Rander.« »Schön, hören wir, was Parker zu sagen hat.« Mike Rander drückte auf eine Klingel und sah zur Tür. Als habe Parker im Korridor gewartet, so schnell wurde die Tür geöffnet. Herein trat Josuah Parker, der Amateurdetektiv aus Leidenschaft, der sagenhafte Gangsterschreck und skurrile Einzelgänger! * Butler Parker verbeugte sich gemessen und blieb abwartend stehen. Er war etwa 1,75m groß, schlank und trug einen einfa chen, schwarzen Anzug. Beherrschend in dem fast faltenlosen, glatten Pokergesicht waren die grauen, prüfenden Augen. Die rosigen Wangen standen in einem seltsamen Kontrast zu der kräftigen Nase und dem schmalen Mund. Er hatte sich einen ho hen, weißen Eckkragen umgelegt und trug dazu eine dunkelgraue Krawatte. Die Hände staken in weißen Handschuhen. Er war der hochherrschaftliche Butler, wie man ihn eigentlich nur noch aus englischen Gesellschaftsfilmen und von der Bühne her kennt. Korrektheit, Verschwiegenheit, Höflichkeit und Würde zeichneten ihn aus. »Sie haben geläutet, Sir?« fragte er mit höflicher Stimme. »Leutnant Trunks möchte ein paar Worte mit Ihnen sprechen, Parker.« »Gewiß wegen der drei Frauenmorde, Sir.« Mike Rander grinste und nickte. Leutnant Trunks stutzte und kniff die Augen prüfend zusammen.
»Falls meine Vermutungen zutreffen, Sir, möchte ich bereits im voraus erklären, daß ich durchaus geneigt bin, der Polizei zur Hand zu gehen.« Parker konnte sich einfach nicht kurz und knapp ausdrücken. Das widersprach seinem Sinn für Anstand und für Höflichkeit. Er liebte die mehr als barocken Redewendungen. Selbst in Momen ten der höchsten Gefahr ging er von seiner Ausdrucksweise nie mals ab. Mike Rander, der zusammen mit Parker schon viele ge fährliche Kriminalfälle gelöst hatte, kannte das aus Erfahrung und hatte deswegen schon oft Blut und Wasser geschwitzt. »Sagen Sie, Parker, woher, zum Teufel, wissen Sie eigentlich, was ich von Ihnen will?« Leutnant Trunks erhob sich nun auch und schüttelte leicht den Kopf. »Nun, Sir, ich möchte in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß diese Mordserie aus dem Rahmen des Üblichen fällt. Dieser Fall braucht besondere Methoden, deswegen interessierte ich mich bereits und traf einige Vorbereitungen.« »Soll das heißen, daß Sie sich bereits mit dem Mörder beschäf tigen?« »Das trifft zu, Sir. Meiner bescheidenen Meinung nach haben wir es entweder mit einem Psychopathen zu tun, der die TVMorde nachahmt, oder aber wir müssen uns mit einem raffinier ten Täter auseinandersetzen, der den Psychopathen nur spielt, um die Polizei in die Irre zu führen.« »Schön, soweit haben wir auch gedacht, Parker.« Trunks grin ste. »Um dem Mörder beizukommen, Sir, müßte ich in Erfahrung bringen, wer diese drei Frauen sind, was sie getan haben und wie sie lebten.« »Die bisherigen Ermittlungsunterlagen habe ich gleich mitge bracht, Parker. Sie würden uns also helfen?« »Sir, es ist mir eine wirkliche Ehre«, behauptete Josuah Parker. »Ich werde mich bemühen, Ihre Hoffnungen nicht zu enttäu schen.« »Gott sei Dank.« Trunks atmete erleichtert auf. »Sie werden von uns natürlich jede Unterstützung bekommen. Sie brauchen nur zu verfügen, Parker.« »Ich werde, wenn notwendig, auf dieses Anerbieten zurück kommen«, erwiderte der Butler gemessen und verbeugte sich andeutungsweise.
»Ich möchte Ihnen aber im vorhinein mitteilen, daß meiner be scheidenen Meinung nach noch weitere Morde nach dem bekann ten Schema passieren werden.« »Malen Sie bloß nicht den Teufel an die Wand«, rief Leutnant Trunks entsetzt aus. »Parkers Prophezeiungen dürften sich erfüllen«, pflichtete der Anwalt seinem Butler bei. »Falls wir es tatsächlich mit einem Psy chopathen zu tun haben, wüßte ich nicht, warum solch ein Gei steskranker plötzlich aufhören sollte. Er würde doch wahrschein lich so lange und so oft morden, bis er gefaßt worden ist. Haben wir es mit einem Mörder zu tun, der sich als Psychopath tarnt, dürften diese drei Morde zu einem raffinierten Plan gehören, den wir noch nicht durchschauen können. Vergessen wir doch nicht, daß die bisherigen drei Morde kein Schema erkennen lassen.« »Sir, ich möchte mich bei Ihnen bedanken«, schaltete Josuah Parker sich würdevoll ein. »Sie kleiden das in Worte, was ich den ke. Ob Psychopath oder nicht, der Mörder benutzt die TV-Serie, um Verwirrung und Unruhe zu stiften.« »Mir schwebt eine andere Lösung vor«, sagte Leutnant Trunks. »Sie haben sich bereits eine Theorie gebildet?« wollte Mike Rander wissen. »Es könnte durchaus sein, daß wir es mit drei verschiedenen Tätern zu tun haben, Rander. Und jeder dieser Einzeltäter ver steckt sich hinter der TV-Serie.« »Was meinen Sie dazu?« Mike Rander wandte sich an seinen Butler, der aufmerksam zugehört hatte. »Durchaus möglich, Sir«, räumte der Butler ein. »Wenn Sie er lauben, möchte ich den Fall nun studieren. Ich bin der zuversicht lichen Hoffnung, Ihnen bald die ersten Ergebnisse meiner Nach forschungen mitteilen zu können.« Josuah Parker nahm die Unterlagen an sich, die Leutnant Trunks mitgebracht hatte. Er verbeugte sich steif vor den beiden Män nern, drehte sich um und verließ gemessenen Schrittes den gro ßen Wohnraum. »Mir fällt ein Stein vom Herzen«, sagte Leutnant Trunks und atmete scharf durch. »Parker wird die Sache schon schaukeln. Und sollte er wieder mal mit ungewöhnlichen Methoden arbeiten, werde ich ihn decken.« »Ich kann Sie schon jetzt auf Überraschungen vorbereiten«, antwortete Anwalt Mike Rander und lächelte verschmitzt. »Sie
wissen doch, wenn Parker ermittelt und einen Kriminalfall löst, dann bleibt meist kein Auge trocken.« »Ich hoffe, Sie werden mitmachen, Rander.« »Selbstverständlich, Trunks, falls Parker mich natürlich ein weiht. Sie wissen doch, daß er ziemlich selbstherrlich ist. Er stellt mich meist vor vollendete Tatsachen. Doch bisher hat’s sich ei gentlich immer gelohnt. Parker weiß, wie man Gangster fängt!« * Der gesuchte Mörder, um den sich alles drehte, saß am anderen Tag in seinem Privatbüro in der Innenstadt von Chikago. Die Post war ihm auf den Tisch gelegt worden. Am liebsten hätte er sie sofort nach einem ganz bestimmten Briefumschlag durchsucht. Er wußte, wie dieses bewußte Schrei ben aussah. Doch er zwang sich zur Ruhe. Er schluckte seine Erregung und gab sich gleichgültig. Brief für Brief ging er gespielt langsam durch. Es handelte sich um Geschäftsschreiben, um Prospekte und um interne Hausmitteilungen. Gegen seinen Willen atmete er scharf durch, als er die Post sor tiert hatte. Er lehnte sich weit im Schreibtischsessel zurück und zündete sich eine Zigarette an. Der Mann – übrigens sehr gut gekleidet und selbstsicher wirkend – beobachtete das feine Zit tern seiner Finger. Nein, trotz aller Selbstbeherrschung hatte er Angst. Er machte sich keine Illusionen… Es hatte also nach dem dritten Schlag bereits geklappt, sagte er sich. Ich habe Glück gehabt. Gut, daß ich mich nicht ins Bocks horn jagen ließ. Wer von den drei Opfern die Briefe geschrieben hat, ist völlig gleichgültig, Hauptsache, ich kann wieder aufatmen und brauche nicht in dieser ständigen Sorge und Angst zu leben. Ja, die Zigarette schmeckte. Der Mörder stand auf, ging um den Schreibtisch herum und sah sich die große detaillierte Stadtkarte von Chikago an. Nun brauchte er keine Angst mehr zu haben. Wegen der drei Morde machte der Mann sich keine Gewissens bisse. Er war intelligent, reagierte schnell und fühlte sich den Me thoden, der Polizei überlegen. Er lächelte.
Wie gut, daß es doch diesen »Thriller nach Mitternacht« gab, dachte er. Soll die Polizei doch unter den Millionen Menschen von Chikago nach dem Mann suchen, der stets am Freitag vor der TVSendung einen Mord beging. Der Mörder glaubte an ein vollkommenes Verbrechen. An ihn würden sie niemals herankommen. Der Mörder plante keine weiteren Verbrechen. Die heutige Post hatte ihm bewiesen, daß der Ärger vorüber war. Jetzt konnte er sich wieder in aller Ruhe seiner Arbeit wid men und brauchte nicht mehr zu befürchten, daß er um sein Geld und seine Stellung gebracht wurde. Der Summer über der Tür quäkte, ein rotes Licht flackerte in rhythmischen Abständen auf. Der Mann ging zur Tür und zog sie zu einem Spalt auf. »Ein Eilbrief, Sir«, meldete seine Vorzimmerdame. »Er wurde eben abgegeben.« »Gut, geben Sie her!« Er riß sich zusammen, ließ sich nichts anmerken. Und doch glaubte er, von einem Blitzstrahl getroffen worden zu sein. Eben noch hatte er triumphiert, sich sicher gefühlt, jetzt aber stürzte er wieder in den dunklen Schacht seiner Verzweiflung. In seiner rechten Hand hielt er den Brief, vor dem er sich fürch tete. In diesem Umschlag lag wieder solch ein formloser Zettel, auf dem nur wenige Zeilen standen. Doch diese Zeilen hatten es in sich. Sie waren geeignet, ihm den Hals zuzuschnüren. Langsam riß er den Umschlag auf. Von außen sah das Schreiben völlig unverdächtig aus. Der Mörder nahm den Zettel heraus, ent faltete ihn und überflog dann die Zeilen. Diesmal warnten sie ihn nicht nur, sondern sie spielten auf die drei Morde an. Der Verfasser dieser Zeilen, die mit Schreibma schine getippt worden waren, machte sich über ihn lustig. Der Verfasser fragte ironisch an, wie viele Menschen denn noch um gebracht werden sollten. Sie sind auf der falschen Fährte, endete dieser kurze Brief, der in seiner ganzen Diktion gefährlicher war als ein paar Stangen Dynamit. Dieser Brief enthielt noch einen knappen Nachsatz. Per Telefon, so stand auf dem Papier, werde ich Sie in den nächsten Tagen über meine Wünsche informieren. Sammeln Sie schon jetzt Bargeld!
Eine Unterschrift trug der Brief nicht. Der Mörder achtete kaum darauf. Alle bisher erhaltenen Briefe waren ohne Absender ge blieben. Und in allen Briefen standen handfeste Drohungen. Was der Verfasser aber endgültig wollte, hatte er bisher noch nicht gesagt. Er ließ den Mörder im Ungewissen und legte es darauf an, ihn Brief für Brief immer gespannter zu machen. Der Mörder steckte den Zettel zurück in den Umschlag, barg ihn in seiner Brusttasche und trat dann vor die Wandkarte. Er hatte die übrigen Adressen auf seiner Liste genau im Kopf. Sein näch stes Opfer wohnte in Joliet, südwestlich von Chikago. Und sollte ich sie der Reihe nach umbringen, schwor er sich, mich wird man nicht ausbooten, darauf gehe ich jede Wette ein! * Bart Snyder war Taxifahrer und hatte Nachtdienst. Er stand mit seinem Wagen in der Nähe des Bahnhofs, blätterte gelangweilt in einem Magazin herum und wartete auf seine Ablö sung. Bis dahin fehlte allerdings noch fast eine ganze Stunde. Es war eine trübe, regnerische Nacht. Bisher war nicht viel los gewesen. Nur ein paar Fuhren in die Innenstadt. Er wartete auf den nächsten Zug, der in zehn Minuten fällig war. Bart Snyder lebte seit gut sechs Jahren in Joliet. Nach unruhi gen Jahren war er schließlich hier gelandet. Hier in dieser Stadt wollte er auch bleiben. Draußen in einer Randsiedlung besaß er ein nettes Holzhaus, das allerdings noch abgezahlt werden muß te. Snyder hatte keine Sorgen. Er verdiente recht gut. Mehr brauchte er nicht für sich und seine Frau. Er warf die aufgerauchte Zigarette durch das geöffnete Wagen fenster auf die Straße und sah hoch, als sein Kollege Chanders neben dem Fenster auftauchte. »Ist was?« fragte Snyder. »Mann, haste die Zeitungen gelesen?« fragte Chanders. »Drü ben in Chi is’ ja ne’ Menge los, Bart. Irgendso ein verrückter Mör der macht die Stadt unsicher.« »Na und? In Chi laufen immer Mörder ‘rum.« »Der Kerl erdrosselt seine Opfer mit ‘nem Henkerstrick. Er hat diese Masche vom Fernsehen. Da läuft ‘ne Serie in der so was am laufenden Band passiert. Der Verrückte imitiert diese Morde.«
»Blödsinn, solche Stücke überhaupt zu senden«, brummte Bart Snyder. »Drei Frauen hat der Mörder bisher erwischt. Die Polizei ist rat los.« »Wann is’ sie das nicht?« erwiderte Bart und lachte ironisch. »Diese Leute können doch nur Verkehrssünder erwischen. Mehr steckt nicht drin.« »Na, ich weiß nicht! Übrigens ist da so ein Bursche, der in alle Welt hinausposaunt, er würde den Mörder erwischen.« »Sicher auch so ein Verrückter.« »Josuah Parker nennt der Knabe sich, ein komischer Bursche. Er hat’n Interview gegeben. Sieht aus, als wäre er aus ‘nem Witz blatt entsprungen. Du mußt dir mal sein Bild ansehen. Schwarze Melone, Regenschirm und ‘ne Kleidung, die er sich von ‘nem Lei chenbestatter ausgeliehen haben könnte.« »Ich hab’ doch schon gesagt, daß dieser Knabe wahrscheinlich auch verrückt ist.« »Die Zeitung schreibt, dieser Parker sei ein erfolgreicher Gang sterjäger.« »Was mich das schon überzeugt, Chi ist weit, hier in Joliet ha ben wir unsere Ruhe.« »‘n komischen Geschmack muß dieser TV-Mörder haben«, rede te Less Chanders weiter. »Hier sind die Bilder der drei ermorde ten Frauen. Alles ältere Mädchen.« »Laß mich mit dem Kram zufrieden«, wehrte Bart Snyder ab. Als Chanders ihm aber das Zeitungsblatt zuschob, griff er wider Willen doch danach. Er warf einen flüchtigen, uninteressierten Blick auf die Fotos der drei ermordeten Frauen. Plötzlich richtete er sich steil auf. Er glättete das Zeitungsblatt und atmete schneller. Chanders, dem das nicht entgangen war, beugte sich vor. »Was ist?« fragte er neugierig. »Nichts… rein nichts…!« gab Bart Snyder abwehrend zurück. »Was soll schon sein? Herrgott starr mich doch nicht so an…! Steck dir die Zeitung an den Hut und laß mich allein.« »Schon gut, Bart, schon gut…!« Less Chanders grinste unglück lich, nahm die Zeitung wieder entgegen und ging zurück zu sei nem Wagen. Als er sich darin niederließ, sah er Bart Snyder, der sein Taxi verlassen hatte und auf das große Bahnhofsgebäude zuschritt. Er verschwand in der großen Vorhalle.
Bart Snyder hatte sich eine Zigarette angezündet und lief ziellos durch die Halle. Die Lautsprecher verkündeten bereits die Einfahrt des Zuges. Er hörte kaum hin. Ganz andere Gedanken beschäftig ten ihn. Er kannte eine der drei Frauen, die in der Zeitung abge bildet worden waren. Er kannte sie sogar recht gut, obwohl zwi schen damals und heute viele Jahre verstrichen waren. Als Chanders ihm das Blatt gereicht hatte, war ihm der Name in die Augen gesprungen. Liz Farlers hieß sie, und sie hatte damals als Sekretärin gearbeitet. Er war recht gut befreundet mit ihr ge wesen. Ja, sie waren sogar einige Male zusammen ausgegangen und hatten sich recht nett amüsiert. Liz Farlers also war ermordet worden. Er war betroffen. Doch seine Neugier war geweckt worden. Er wollte mehr über diesen Mord erfahren. Am Zeitungsstand ließ er sich die betreffende Zei tung geben. Er schlug sie auf, Blieb neben dem Verkaufsstand stehen und suchte nach dem groß aufgemachten Mordartikel. Chanders hatte nicht übertrieben. Liz Farlers war erdrosselt und ihr Mörder bisher nicht gefaßt worden. Sie sah immer noch recht gut aus, urteilte er. Verdammt, war um mag man Liz umgebracht haben? Sollte sie wirklich das Opfer eines irrsinnigen Mörders geworden sein? Sein Blick glitt über die Fotos der beiden anderen weiblichen Opfer. Komisch, dachte er, auch diese Gesichter kommen mir irgendwie bekannt vor. Wo mag ich diese beiden anderen Frauen schon mal gesehen haben? Oder täusche ich mich nur? »Zum Teufel«, fluchte er leise, »ich lasse mich doch nicht ver rückt machen. Die Geschichte mit Liz ist doch schon seit Jahren vorbei. Sie hat eben Pech gehabt. Hätte jeder anderen Frau auch passieren können.« Bart Snyder stopfte die Zeitung in die Innentasche seiner Leder jacke, ging zurück zu seinem Wagen und blieb neben dem Kühler stehen. Der Zug aus Chikago Central war eingelaufen. Die Rei senden tropften langsam aus der Halle, sahen sich nach Taxen um und kämpften sich mit ihrem Gepäck ab. »Sind Sie frei…?« Snyder drehte sich um. Neben ihm stand ein mittelgroßer, schlanker Mann, der seinen Hut tief in die Stirn gezogen hatte. Er trug einen leichten Stoffmantel und eine Brille, deren Gläser blau eingefärbt waren. Die Stimme des Mannes klang rauh und ge preßt.
»Wir können sofort losfahren«, sagte Bart Snyder. »Ich hab Sie gar nicht kommen sehen. Haben Sie Gepäck bei sich?« »Im Schließfach… Ich bleibe nur für eine knappe Stunde. Fahren Sie mich in die Anderson Street.« »Gemacht, Sir…« Bart Snyder öffnete die Wagentür und ließ seinen Fahrgast einsteigen. Dann nahm er vor dem Steuer Platz und fuhr los. Er dachte schon nicht mehr an Liz Farlers. Der Verkehr beanspruchte seine ganze Aufmerksamkeit. Er roch, daß der Mann auf dem Rücksitz sich eine Zigarette an gezündet hatte. Snyder, der die Stadt wie seine Westentasche kannte, benutzte ein paar Abkürzungen. Er wollte so schnell wie möglich wieder zurück zum Bahnhof, um vor der Ablösung viel leicht noch eine Fuhre abstauben zu können, wie es im seinem Jargon hieß. »Oh… würden Sie anhalten…?« Der Fahrgast sprach schnell und unsicher. Bart Snyder bremste langsam ab. Er drehte sich zu seinem Gast um. »Mir ist schlecht geworden«, stammelte der Gast auf dem Rück sitz. »Es geht gleich vorbei…!« Betrunken war er nicht, sagte sich Bart Snyder, der in seinem Beruf als Taxifahrer die unglaublichsten Überraschungen erlebte. Vielleicht bin ich zu schnell gefahren? Er steuerte das Taxi an den Straßenrand und merkte erst jetzt, daß er sich in einer ruhigen, dunklen Seitengasse befand. Hier in der Gegend gab es viele Fabriken und Kleinbetriebe. Nachts war hier nichts los. »Ich nehme schnell eine Tablette«, sagte der Mann. Er griff durch den aufgeknöpften Mantel in die Innentasche seines Jak ketts und… hielt einen mattblinkenden Revolver in der Hand. Überfall, dachte Bart und warf sich sofort zur Seite. In diesem Augenblick peitschten bereits die ersten Schüsse auf. Bart spürte einen heftigen, schmerzhaften Schlag an der linken Brustseite. Er stöhnte unwillkürlich auf, griff nach der Wagentür und stieß sie auf. Geschickt ließ er sich auf die Straße fallen, kroch in pani schem Entsetzen am Wagen entlang, richtete sich auf und lief dann humpelnd auf das geöffnete Tor einer Fabrik zu. Schüsse verfolgten ihn.
Einige Geschosse prallten von der Straßendecke ab und zischten durch die Luft. Dicht neben Bart landete ein Geschoß im Torpfei ler. Kaum in Deckung, brach Bart in sich zusammen. Sein linkes Bein wollte nicht mehr mitmachen. Erst jetzt spürte er den hefti gen Schmerz in der Wade. Als er danach griff, fühlten seine Fin ger sich klebrig an. Der Hund hat mich angeschossen, dachte er, der hat mich aus rauben wollen. Ich muß weg, sonst kommt er nach. Der Taxifahrer schleppte sich mit letzter Kraft hinter einen klei nen Ziegelbau, der als Waage-Häuschen diente und blieb dort liegen. Auf der Straße dröhnte der Wagenmotor laut auf. Das Getriebe kreischte, als der verhinderte Mörder im Taxi seine Flucht fort setzte. Dieser verdammte Hund, dachte Bart noch mal, bevor er ohn mächtig wurde. Warum ausgerechnet ich…? * Angestellte der 4. Etage des Bürohauses Mildam in der Loop, dem Zentrum Chikagos, wurden zuerst auf die seltsamen Gerüche aufmerksam, die aus dem Büro des Privatdetektivs Benny Morgan drangen. Sie witzelten darüber, aber sie machten sich zuerst kaum Ge danken dabei. Aus Erfahrung wußten sie, daß Benny Morgan ein seltsamer Bursche war. Er war der Prototyp jener Privatdetektive, wie man sie in Kriminalromanen antreffen kann: Benny Morgan war ein kaltschnäuziger Bursche, massig, hart und aggressiv. Er trank gern etwas viel, ließ sich von blondgefärbten Dämchen be suchen und hielt sich, was seine Arbeit anbetraf, nicht sonders eng an die Grenzen, die ihm als Privatdetektiv gesteckt waren. Falls die Honorare hoch genug ausfielen, war Benny Morgan durchaus bereit, zweifelhafte Jobs anzunehmen. Dennoch stand er sich mit den Polizeibehörden recht gut. Er verstand es stets, im letzten Augenblick einzuschwenken und nicht straffällig zu wer den. Als die Angestellten in ihren Büros waren, machte der Hausmei ster die Runde. Auch er stutzte, als er in der 4. Etage war. Der
Geruch im engen, lichtlosen Korridorgang war penetrant und leg te sich auf die Lungen. Der Hausmeister folgte dem Geruch und landete vor der Tür zu Benny Morgans Büro. Hier verstärkte sich der süßliche Geruch. Der Hausmeister läutete, wartete und pochte dann mit der Faust gegen die leichte Tür. Benny Morgan meldete sich nicht. Der Hausmeister schöpfte noch immer keinen Verdacht. Mag der Teufel wissen, was er da im Büro abgelagert hat, dach te er verärgert. Ich werde ihm mal auf die Zehen treten müssen. So geht’s ja schließlich nicht. Nach einem zweiten, mißglückten Klopfversuch fischte der Hausmeister seinen Generalschlüssel aus der Tasche. Mit diesem Schlüssel konnte er alle Räume im Bürohaus öffnen. Er machte aber nur sehr selten Gebrauch davon. Er sperrte die Tür auf. Sie ließ sich leicht öffnen. Von innen steckte kein Schlüssel. Er ist also weggegangen, sagte sich der Hausmeister. Weiß der Himmel, wann er diesmal wieder aufkreuzen wird. Vorsichtig betrat er den ersten Büroraum, in dem einige Schränke, ein Tisch und ein paar abgewetzte Sessel standen. Der Geruch war plötzlich derart stark, daß der Hausmeister unwillkür lich nach Luft schnappte und zum Fenster ging. Er riß die beiden Flügel auf und nickte zufrieden. So, das roch schon ganz an ders…! Langsam näherte er sich der Verbindungstür, die in Benny Mor gans Privatbüro führte. Er stieß sie mit dem Fuß auf. In diesem Moment spürte er bereits, daß irgend etwas hier nicht stimmte. Der Hausmeister bekam Angst. Am liebsten hätte er sich auf dem Absatz umgedreht und wäre wieder weggegangen. Leicht öffnete sich die Tür. Die Angeln waren gut geölt. Sie ver ursachten nicht das leiseste Geräusch. Der Hausmeister blieb in der geöffneten Tür stehen und… sah Benny Morgan. Der Privatdetektiv lag vor seinem alten Schreibtisch. Sein Ge sicht war dem Boden zugekehrt. Einige Fliegen stoben hoch und summten hinüber zu den geschlossenen Fenstern. Nein, nein, stöhnte der Hausmeister in sich hinein, das kann doch nicht wahr sein… Aus weit aufgerissenen Augen starrte er den toten Benny Mor gan an. Er war von mehreren Schüssen niedergestreckt und er
mordet worden. Auf der hellgrauen Wollweste, die Benny stets anhatte, waren eingedickte Blutflecke zu erkennen. Der Hausmeister warf sich zurück. Er konnte diesen Anblick nicht länger ertragen. Er stolperte in das Vorzimmer und mußte sich plötzlich übergeben. Er kam nicht dagegen an. Der starke Brechreiz schüttelte ihn. Er tastete sich an der Wand entlang, erreichte den Korridorgang und schrie. Er schrie, aber er hörte es nicht. Er rutschte an der Wand herunter und starrte die ersten Angestellten an, die aus den Büros gelaufen kamen und sich um ihn kümmerten. »Benny Morgan«, stöhnte der Hausmeister. »Schnell, die Poli zei, Morgan ist ermordet worden!« * Der Mörder wußte, daß er einen schweren Fehler begangen hat te. Der Taxifahrer Bart Snyder war seinem Mordanschlag entgan gen. Der Mann wußte sehr gut, daß Snyder noch lebte, doch er hatte es nicht riskiert, dem verletzten und angeschossenen Mann nachzusetzen. Im Taxi war er geflüchtet, hatte den Wagen un terwegs irgendwo stehen lassen und war in die Nähe des Bahn hofs zurückgekehrt. Er saß jetzt in einer Bar und überlegte, wie dieser Fehler auszubügeln war. Kann Bart Snyder herausbekommen, warum er überfallen wor den ist? Das war für ihn die entscheidende Frage. Erkannte der Taxifahrer Snyder die Zusammenhänge, oder glaubte er, es mit einem Strauchdieb zu tun zu haben, der nur auf die Tagesein nahme scharf gewesen war? Der Mörder trank seinen Whisky mit Soda. Er hatte auf einmal sehr viel Zeit. Er wollte Joliet nicht verlassen, bis er genau wußte, was nun gespielt wurde. Snyder muß verschwinden, sagte er sich. Er ist viel zu wichtig. Er weiß doch schließlich genau, was sich damals in New York ab gespielt hat. Erkennt er erst mal die Zusammenhänge, dann wird er sich an die Polizei wenden und ihr seinen Verdacht mitteilen. Dazu darf es aber auf keinen Fall kommen… Ich werde niemals aufgeben, redete der Mörder sich ein. Ich werde um meine gesellschaftliche Stellung kämpfen. Und dabei
spielt es überhaupt keine Rolle, ob ich noch die beiden letzten Namen auf der Liste streichen muß oder nicht. Der Mörder glich einem seriösen Gast, so wie er in der Bar saß und seinen Drink nahm. Er war sehr teuer gekleidet. Der Anzug stammte nicht von der Stange. Das Hemd zeigte allein schon vom Schnitt her, daß es von einem erstklassigen Hemdenschneider angefertigt worden war. Dieser so scheinbar seriöse Mann atmete Geld und Selbstsicherheit. Keiner der übrigen Bargäste wäre je auf den Gedanken gekommen, dieser Mann könnte ein Mörder sein! Ob seine Frau weiß, was sich damals in New York abgespielt hat? Der Mann ging nüchtern und methodisch vor. Er erlaubte sich keine glitzernden Illusionen, die nur die Gedanken trübten. Ein zweiter Fehler durfte nicht passieren! Es hilft alles nichts, sagte er sich, ich werde Bart Snyders Frau besuchen müssen. Von ihr werde ich erfahren, wohin man ihren Mann gebracht hat. Vielleicht erfahre ich auch ganz zufällig, wie viel sie überhaupt von der damaligen Affäre weiß. Der Mörder bestellte sich beim Barkellner einen zweiten Drink. Äußerlich war ihm von seinen Zweifeln und Ängsten nichts anzu sehen, er war nichts anderes als ein Gast, der keine Sorgen zu haben schien… Ich werde gleich zu Mrs. Snyder fahren, befahl er sich. Ich wer de Barts Frau einen Besuch abstatten und ihr die Würmer aus der Nase ziehen. Gerade Snyder wird die Zusammenhänge erkennen, wenn er erst mal richtig denkt. Der erregte Mann zog eine Zwischenbilanz. Die Sekretärin Liz Farlers lebte nicht mehr, er hatte das damali ge Dienstmädchen Ann Dolan ermordet und Elsa Wilbur mundtot gemacht. Und der Privatdetektiv Benny Morgan? Nun, der stellte keine Gefahr mehr dar. Benny Morgan war tot. Er konnte nicht mehr sagen, daß er im Auftrag eines seriösen Geschäftsmannes aus Chikago Adressen gesammelt hatte. Ob sie Benny Morgan bereits gefunden haben, fragte sich der Mann. Gut, daß ich mich an diese TV-Serie gehängt habe, überlegte der Mörder. Die Polizei wird diese Nuß niemals knacken können. Mit mir, so dachte er, können sie es nicht aufnehmen. Dazu hät ten sie früher aufstehen müssen…!
* Auf dem Highway von Chikago nach Joliet bewegte sich ein selt sames Fahrzeug. Der Schnelligkeit nach zu urteilen schien es eine Art fliegende Untertasse zu sein, dem Bau nach zu urteilen ein hochbeiniges Taxi aus London. Josuah Parker saß am Steuer seines Monstrums auf Rädern, wie Eingeweihte seinen Wagen nannten. Parker bändigte die PSKräfte unter der Motorhaube mit jener Souveränität, die man von ihm erwartete. Da es auf diesem Highway keine Beschränkung der Geschwindigkeit gab, spielte der Butler mit dem Gaspedal, ohne dem modernen Rennmotor unter der altmodischen Motor haube alles abzuverlangen. Dieses Monstrum auf Rädern hatte es in sich. Es barg eine Fülle der verrücktesten Einfälle und Überraschungen. Parker, der sich dieses Taxi in London besorgt und in den Staaten hatte umbauen lassen, hing an diesem rollenden Tiefstapler, denn von außen war diesem Wagen kaum etwas Besonderes anzusehen. Wenn es dar auf ankam, entpuppte sich Parkers Wagen aber als eine Trickkiste in des Wortes wahrster Bedeutung. Es war ein früher, grauer Morgen. Auf dem breiten Straßenband waren die ersten Vertreter zu sehen, die ersten Lastwagen und besonders tüchtige Männer, die weit vor der Zeit in ihren Büros und an ihren Werkstellen sein wollten. Sie alle wurden sehr schnell wach, als ein Blechgebilde a la Sal vadore Dali an ihnen vorbeizischte und das Band förmlich auffraß. Wie ein summender Schatten glitt Parkers Tiefstapler an den an deren Autos vorbei und war nach wenigen Sekunden nur noch als Punkt am Horizont zu erkennen. Josuah Parker genoß die Freuden dieser schnellen Fahrt. Er fuhr gern, und er fuhr gern noch schneller. Sein Ziel war Joliet, wo sich in der vergangenen Nacht ein Taxiüberfall ereignet hatte. An sich fiel solch ein Vergehen nicht in Parkers Kompetenz. In die sem Fall aber sah der Vorfall doch erheblich anders aus. In der Brusttasche des überfallenen Taxifahrers hatte die Polizei eine Chikagoer Zeitung gefunden. Diese Zeitung war derart zu rechtgeknifft worden, daß der Artikel über den »Freitag-Killer« aus Chikago förmlich ins Auge sprang.
Ein Leutnant der Kriminalpolizei von Joliet hatte den zu sich ge kommenen Taxifahrer zwar nur kurz vernehmen können, doch diese Zeit hatte ausgereicht, eine wichtige Spur zu entdecken. Auf Befragen hatte der Taxifahrer Bart Snyder ausgesagt, die ermordete Sekretärin Liz Farlers gekannt zu haben. Der Draht zwischen Joliet und Chikago hatte gespielt. Parker war von Leutnant Trunks informiert worden und hatte darum ge beten, Bart Snyder verhören zu dürfen. Jeder offizielle Anstrich sollte laut Josuah Parker vermieden werden. Falls die Spur näm lich echt und heiß war, sollte der »Freitag-Killer« auf keinen Fall verscheucht werden. Leutnant Trunks hatte sich damit einver standen erklärt, zumal er selbst nicht abkommen konnte. Insge heim glaubte er übrigens, daß sich eine Fahrt nach Joliet nicht lohnen würde. Er war skeptisch. Zu viele falsche Fährten hatte er in den vergangenen Tagen schon unter die Lupe genommen. Parker hingegen scheute das Risiko nicht. Es störte ihn auch nicht, daß der Taxifahrer angeschossen worden war. Sein Mörder hatte also auf den Trick des »Freitag-Killer« verzichtet und keinen Henkerstrick verwendet. Parker näherte sich einer kleineren Ortschaft. Ein deutlich ange brachtes Schild machte ihn auf eine Radarkontrolle der Polizei aufmerksam. Innerhalb der Ortschaft mußte das Tempo erheblich vermindert werden. Josuah Parker hielt sich an die geforderte Geschwindigkeit. Als vorsichtiger Mensch aber beugte er sich eine Spur nach vorn und legte den schwarz behandschuhten Zeigefinger auf einen Knopf, der am Armaturenbrett angebracht war. Vorschriftsmäßig durchfuhr er die kleine Ortschaft. Nach der Freigabe der Geschwindigkeit aber schaltete er sein Monstrum blitzschnell hoch und brummte wieder los. Das mißfiel einer Polizeistreife, die am Straßenrand stand und auf zu schnell fahrende Wagen achtete. Als das hochbeinige Mon strum davonzischte, sahen die beiden Beamten sich nur stumm an. Dann nickten sie sich zu und nahmen die Verfolgung auf. Sie fuhren einen Spezialwagen, dessen Pferdestärken vollkommen ausreichten, jeden von der Industrie gelieferten Wagen leicht ein zuholen. Der Streifenwagen schob sich auf die Fahrbahn und schoß nun seinerseits davon. Der Fahrer war ein erfahrener Streifenbeamter,
der sein Handwerk verstand. Ihm war bisher noch kein zu schnell fahrender Wagen entwischt. »Sah eben viel schneller aus, was?« warf er seinem Begleiter zu. »Verdammt ja, wie man sich täuschen kann!« »Wäre ja auch ‘n Witz, wenn so ein Karren schnell fahren könn te«, meinte der Fahrer. »Den werden wir uns gleich mal vorknöp fen. Mal sehen, ob die Blechkiste überhaupt fahrbereit ist.« »Solche Benzinesel müßten eigentlich verboten werden«, pflich tete der zweite Beamte dem Fahrer bei. »Sicher so’n Eigenbau von ‘nem hochgestochenen Studenten.« »Den werden wir gleich am Wickel haben.« Der Fahrer drückte das Gaspedal automatisch tiefer. Der Abstand zwischen ihnen und der skurrilen Blechkiste verringerte sich aber nicht. Er blieb gleich groß, obwohl der Fahrer nun noch etwas mehr Gas gab. »Vor der nächsten Kurve werden wir ihn haben, da muß jeder mit dem Tempo ‘runtergehen«, meinte der Begleiter und grinste. Er kannte die Tücken dieser Straße. Die Kurve begann flach und harmlos, wurde aber plötzlich sehr eng und scharf. Parkers hochbeiniges Monstrum näherte sich dieser Kurve in ra santer Fahrt. Die beiden Streifenbeamten hatten inzwischen et was aufgeholt. Der Fahrer bremste scharf ab, bog weit nach rechts aus und schnitt die unübersichtliche Kurve an. Das Monstrum auf Rädern vor ihnen raste in die Kurve hinein. Die beiden Streifenbeamten sogen unwillkürlich scharf die Luft ein. Das konnte doch niemals gut gehen. Dieser hochbeinige Schlitten mußte doch glatt aus der Kurve getragen werden. »Schnapp’ den Verbandkasten!« rief der Fahrer seinem Partner zu. »Gleich haben wir den Salat…!« Torkelnd, wie betrunken, rasselte das umgebaute Taxi aus Lon don in die Kurve hinein. Dann aber, wie durch Zauberei, schwenkte sie das Hinterteil herum, rutschte weg und… brauste weiter. Das Taxi verschwand hinter der Biegung. »Sagenhaft«, stöhnte der Streifenfahrer. »Entweder war das der gekonnteste Powerslide, den ich je gesehen habe, oder der Bursche muß ein Dutzend Schutzengel um sich haben.« Der Begleiter verzichtete auf eine Antwort. Er umklammerte den Haltegriff und schnaufte vor Angst und Erregung. Der Fahrer mühte sich nämlich mit dem schweren und noch recht schnellen Streifenwagen ab. Das Fahrzeug schlingerte und bockte. Der Fah
rer mußte alle Zaubertricks anwenden, die er im Laufe langer Jahre auf der Straße gelernt hatte. Dennoch konnte er es nicht vermeiden, daß sein gut gefederter Wagen ausbrach und auf den sandigen Außenrand der Straße kam. »Das war knapp!« Der Begleiter wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Mann, um ein Haar wären wir im Graben gelandet.« »Dieser verdammte Bursche!« fluchte der Fahrer. Auch ihm saß der Schreck in den Gliedern. »Dem werde ich’s jetzt zeigen!« »Komm’, fall’ ab«, beschwor der Begleiter seinen Fahrer. »Der Mann hat ja nichts angerichtet.« »Ich will wissen, wer am Steuer sitzt«, antwortete der Fahrer stur. Er richtete den schnellen Wagen neu aus und gab Vollgas. Ohne auf den Meilenanzeiger zu achten, nahm er die weitere Ver folgung auf. »Schneller, gleich haben wir ihn!« Der Beifahrer wurde vom Fieber dieser verrückten Verfolgungsjagd gepackt. Er beugte sich vor, um besser sehen zu können. »Mehr sitzt nicht drin!« keuchte der Fahrer. »Ausgeschlossen, der Karren vor uns kann nicht schneller sein!« »Ist es aber…!« »Wir schaffen es, ja, es haut hin!« Tatsächlich, das Streifenfahrzeug holte auf. Das hochbeinige Monstrum war immer besser zu erkennen. Plötzlich klappte dort, wo sich der außen angebrachte Kofferraum befand, ein großes Schild herunter. Eine nicht zu übersehende Leuchtschrift verkün dete lakonisch: »Wer langsam fährt, kommt auch ans Ziel!« »Das ist doch die Höhe«, fluchte der Fahrer. »Jetzt zieht der Bursche uns auch noch auf. Na, der kann sich auf was gefaßt ma chen!« * »Meine Herren, ich stehe zu Ihren Diensten.« Josuah Parker lüftete höflich seine schwarze, steife Melone und deutete eine leichte Verbeugung an. »Sagen Sie mal…! Sagen Sie mal…!« Mehr brachte der Streifen fahrer vor Empörung nicht heraus. »Was bitte, soll ich Ihnen sagen, Sir?« erkundigte sich Parker. »Sie… Sie sind zu schnell gefahren.«
»Zu schnell? Aber auf keinen Fall, meine Herren. Für meine Be griffe hielt ich mich sogar absichtlich etwas zurück. Ich wollte auf der Straße kein Aufsehen erregen. Ich hoffe, daß es mir gelungen ist.« »Sagen Sie mal, wollen Sie uns auf den Arm nehmen? In Nal ter-Village sind Sie zu schnell gewesen.« »Das, meine Herren, muß ich entschieden bestreiten. Ich möch te zu Ihren Gunsten annehmen, daß Sie das Opfer eines Irrtums geworden sind.« »Zahlen Sie freiwillig, oder wollen Sie angezeigt werden?« »Weder noch…!« »Los, kommen Sie mit«, schnauzte der Streifenfahrer aufge bracht. »An Nalter-Village werden Sie später mit Freuden zurück denken.« »Ich bin dessen sicher«, betonte Josuah Parker. »Darf ich übri gens erfahren, woher Sie Ihr Wissen nehmen, daß ich zu schnell gefahren sein soll?« »Das haben wir im Griff«, sagte der Fahrer und grinste. »Ich ebenfalls, worauf ich Sie hinweisen möchte. Wenn Sie sich bitte überzeugen wollen…« Parker beugte. sich steif nach vorn, drückte auf einen anderen am Armaturenbrett angebrachten Knopf und ließ einen Fahrt schreiber hervorklappen. Mit geschickten Handgriffen montierte er das runde Meßblatt ab und reichte es dem Fahrer. »Was ist denn das?« staunte der Beamte und stutzte. »Der Beweis für meine Feststellung, daß ich mir nicht erlaubt habe, zu schnell zu fahren.« Der Streifenbeamte schluckte seine Überraschung hinunter, sah sich das Meßblatt genauer an… und fand einen Ausweg. »Wenn schon«, sagte er und lächelte überlegen. »Dieses Blatt beweist zwar, daß Sie irgendwo die Geschwindigkeit eingehalten haben, aber es sagt nicht wo…!« »Ich rechnete mit solch einem Einwand, der übrigens auf eine gewisse Scharfsinnigkeit schließen läßt«, meinte Parker ruhig. »Wenn Sie gestatten und erlauben, möchte ich einen zusätzlichen Beweis ins Treffen führen.« »Noch einen Beweis?« »Ich bin so frei!« Josuah Parker griff hinauf zum Rückspiegel und montierte ihn mit wenigen Handgriffen ab. Dieser rechteckige und recht dicke Rückspiegel entpuppte sich über den Spiegel
zweck hinausgehend als eine ausgewachsene Polaroidkamera. Parker, technisch sehr versiert und geschickt, öffnete die Rück wand der getarnten Kamera und riß das fertig entwickelte Bild heraus. »Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß das Foto Ihre letzten be rechtigten Zweifel beheben wird!« »Da bin ich aber gespannt.« Der Streifenpolizist studierte die Aufnahme und schluckte daraufhin noch mal. Das Foto zeigte das Schild, das die Geschwindigkeitsbegrenzung aufgab, es zeigte aber auch das Zifferblatt einer kleinen Uhr. Diese Uhrzeit war identisch mit der auf dem Meßblatt. »Was soll das alles?« stotterte der Beamte verwirrt. »Diese beweiskräftigen Dokumente 1 und 2 belegen eindeutig meine Unschuld, was ein zu schnelles Fahren anbetrifft. Ich hoffe, Sie werden Ihre Niederlage mit einiger Würde tragen.« Parker schloß die rechteckige Tür seines Monstrums, grüßte höf lich mit der steifen Melone und brauste davon. Er ließ zwei total verwirrte Männer zurück, die noch nach Stunden glaubten, es nur mit einer Erscheinung zu tun gehabt zu haben… * In Joliet angekommen, verzichtete Parker darauf, zuerst ins Spital zu fahren, um dem angeschossenen Taxifahrer einige Fra gen zu stellen. Die Frau des Angeschossenen war ihm jetzt wich tiger. Vielleicht konnte sie ihm einige wertvolle Hinweise geben. Parker stoppte seinen Wagen vor dem nett angestrichenen Holzhaus, stieg aus und schritt würdevoll wie ein Bischof auf das Haus zu. Er hatte sich seinen sagenhaften Universal-Regenschirm über den linken Unterarm gehängt. »Ich bin sicher, es mit Mrs. Snyder zu tun zu haben«, begrüßte er die rundliche Frau, die ihm die Tür geöffnet hatte. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker. Wenn Sie gestatten, trete ich einige Schritte näher.« »Ja, bitte!« sagte die Frau und gab die Tür frei. »Ich komme wegen Ihres Gatten«, setzte Parker der unruhigen Frau auseinander. »Zu meinem Leidwesen erfuhr ich, daß er in einen Unfall verwickelt worden ist.«
»Unfall? Bart ist angeschossen worden. Von so einem Taxi strolch…! Ich komme aus dem Spital. Er hat noch Glück gehabt.« »Er soll auch weiterhin Glück haben«, meinte Parker freundlich. »Um das aber sicherzustellen, bin ich hier.« »Sind Sie von der Polizei? Nein, so sehen Sie nicht aus… Sie wollen Bart helfen?« »In etwa, Mrs. Snyder. Dazu muß ich Ihnen einige Fragen stel len, die im ersten Augenblick vielleicht zusammenhanglos klin gen.« »Wer sind Sie denn eigentlich?« »Ich kläre Kriminalfälle auf«, setzte Parker der rundlichen Frau auseinander. »Im Moment beschäftige ich mich mit Taxiräubern.« »Sie…?« Unglaube und sogar eine Spur Belustigung schwangen in der Stimme der Frau mit. »Keimen Sie eine gewisse Liz Farlers?« stellte Parker seine erste Frage. Er machte sich nichts daraus, daß die Leute ihn amüsant und skurril fanden. »Liz Farlers? Soll die hier in der Nähe wohnen?« »Haben Sie den Namen schon mal gehört?« wiederholte Parker die Frage noch mal. »Besinnen Sie sich genau, Mrs. Snyder.« »Ich denke, ich habe diesen Namen schon mal gehört«, sagte sie zögernd. »Wann und in welchem Zusammenhang, wenn ich diese Frage stellen darf?« »Von Bart…! Von meinem Mann. Vor unserer Heirat muß er sie gekannt haben.« »Wann und wo war das, Mrs. Snyder?« »Das kann ich nicht sagen, fragen Sie Bart. Hat diese Frau et was mit dem Überfall auf meinen Mann zu tun?« »Nicht direkt, Mrs. Snyder. Sind Ihnen vielleicht die Namen Ann Dolan und Elsa Wilbur bekannt, Mrs. Snyder?« »Na, hören Sie mal, mein Mann ist ja kein Blaubart…! Was soll das alles?« »Ann Dolan und Elsa Wilbur«, wiederholte Parker, nochmals. Er sprach sehr akzentuiert. Er wußte, weshalb er danach fragte. Es handelte sich dabei um die Namen der beiden anderen ermorde ten Frauen, die der »Freitag-Killer« wahrscheinlich auf dem Ge wissen hatte.
Mrs. Snyder wollte gerade zu einer noch empörteren Antwort ansetzen, als draußen vor dem Haus ein Schuß aufpeitschte. Die Fensterscheibe zersplitterte. Parker warf sich gegen die rundliche Frau und brachte sie zu Fall. Er und sie verschwanden unterhalb des Fensters. Bruchteile von Sekunden später wurde ein weiterer Schuß abgefeuert. Er traf eine original Schwarzwälder Kuckucksuhr, die an der Wand hing. Der bewußte Kuckuck sprang aus seinem Gehäuse, ächzte getroffen auf, gab noch einige Töne von sich und fiel dann kraft los von der Stange. »Wie bedauerlich«, stellte Parker fest und half der wimmernden Mrs. Snyder wieder hoch. »Hoffentlich läßt dieser Verlust sich ersetzten…!« »Mein Gott, Mörder… Mörder…!« Mrs. Snyder hatte ihre Stimme wiedergefunden und machte ausgiebig Gebrauch davon. Sie preß te sich gegen die Wand und wagte nicht, auch nur einen Schritt zu tun. Parker, der aus Erfahrung wußte, daß schreiende Frauen nur sehr selten zum Schweigen gebracht werden können, griff in eine der unergründlichen Taschen seines schwarzen, altmodi schen Covercoats und holte zwei Wattetupfer hervor. Er steckte sie sich in die Ohren und machte sich dann daran, nach dem mordlüsternen Schützen zu suchen. Leider war nichts mehr zu machen. Der potentielle Mörder hatte sich nach den beiden Schüssen schleunigst abgesetzt. Es war nämlich bereits hell geworden. Ein längeres Verweilen hätte eine sichere Entdeckung bedeutet. Parker lupfte einen der Wattetupfer und nickte. Mrs. Snyder schrie bereits wesentlich leiser. Der Butler ging ans Telefon und rief die Alarmnummer der Ortspolizei an. »Die Polizei wird gleich kommen«, sagte er zu Mrs. Snyder. »Dieser Anschlag galt selbstverständlich nur meiner bescheidenen Wenigkeit, Mrs. Snyder. Wenn Sie jetzt gestatten, möchte ich mich im Haus etwas näher umsehen. Bis zum Eintreffen der Poli zei will ich mich auf jeden Fall beschäftigen…!« »Die schöne Uhr«, jammerte Mrs. Snyder mit der Unlogik einer Frau, die einem Mordanschlag gerade entwischt ist, die aber den Verlust eines Souvenirs bedauert. »Aus dem fernen und manchmal recht netten Deutschland, wie ich vermute, ja?« »Bart brachte sie nach der Entlassung vom Militär mit…!«
»Er diente in Deutschland?« »Ja, irgendwo bei Hiddelberg…!« »Sie meinen, wenn ich richtig vermute, Heidelberg, nicht wahr?« »Richtig, Heidelberg. Komische Leute, diese Deutschen. Ich kann nicht verstehen, warum sie sich solche Uhren nicht in die Wohnungen hängen. Keinen Geschmack, diese Leute…« * Wer mag denn dieser komische Kerl nur sein, fragte sich der Mörder. Nach den beiden Schüssen auf Mrs. Snyder hatte er sich schleunigst abgesetzt. Er saß jetzt in seinem Wagen. Von dieser Seitenstraße aus konnte er das Haus recht gut beobachten. Ein Polizist kann das nicht gewesen sein, überlegte er weiter. So wie dieser Bursche sieht kein Detektiv aus. Vielleicht ist es ein Verwandter von den Snyders? Na ja, im Grunde ist es vollkom men gleichgültig. Dieser Bursche hat auf jeden Fall verhindert, daß ich diesen Snyder traf. Dafür wird er noch zahlen müssen. Der Mörder zuckte zusammen, als er die Sirene eines sich schnell nähernden Streifenwagens hörte. Er setzte sich vor dem Steuer zurecht und verengte die Augen, als er den schwarz ge kleideten Mann entdeckte, der das Haus der Snyder gerade ver ließ. Der hat’s aber auch eilig…! Der Mörder lächelte hintergründig, ließ den Motor anspringen und steuerte den Leihwagen auf die Straße. Er wartete, bis Parker ihn überholt hatte, dann trat er auf das Gaspedal und blieb hinter dem hochbeinigen Monstrum. Er hatte genügend Zeit, sich das Kennzeichen des Wagens ein zuprägen. Er staunte nicht schlecht, als er eine Chikagoer Num mer ausmachte. Der Mann hinter dem Steuer war übrigens nicht nur vorsichtig, er war auch sehr geschickt. Es zeigte sich, daß er die Tricks kann te, um ungesehen einen Wagen verfolgen zu können. Das ließ auf eine gewisse Erfahrung in diesem Metier schließen. Der hochbeinige Wagen, über den der Mörder sich erstaunli cherweise nicht amüsierte, nahm Kurs auf das Spital, in dem Bart Snyder lag. Der schwarzgekleidete Mann mit der steifen Melone
stieg aus, verschwand im Eingang zum Spital und besuchte wahr scheinlich den angeschossenen Taxifahrer. Was will dieser komische Kerl? Er stammt aus Chikago, kennt Snyder und seine Frau, will mit der Polizei nichts zu tun haben und ist doch geschickt genug, sofort aus einer Schußlinie heraus zuspringen. Der Bursche muß es faustdick hinter den Ohren ha ben. Ob er der gesuchte Mann ist, hinter dem ich her bin? Sollte er mir die bewußten Briefe geschrieben haben? Stecken er und Sny der unter einer Decke? Dann habe ich ja die richtige Adresse er wischt. Dann brauche ich nicht mehr lange zu suchen. Dann kann ich bald einen endgültigen Schlußstrich ziehen. Der Mörder blieb im Wagen sitzen und beobachtete die Halle des Spitals. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und beschäf tigte sich mit seinem Problem. Wenn er nicht schnell handelte, war er dem Verfasser der Briefe auf Gnade und Ungnade ausge liefert. Dann war es um seine gesellschaftliche Stellung gesche hen, dann mußte er in Zukunft seine nicht unbeträchtlichen Ein nahmen teilen. Falls er noch heute nach Chikago zurückfährt, werde ich mich mit ihm befassen, schwor sich der Mörder. Von Joliet nach Chika go gibt es Strecken, wo ich ungestört sein werde. Dann werde ich ihm auf den Zahn fühlen. Ja, vielleicht beseitige ich ihn sogar si cherheitshalber, bevor ich ihm Fragen stelle. Der Mörder lächelte. Es war kein bösartiges Grinsen, sondern ein amüsiertes Lächeln, das vollkommen unverfänglich wirkte…! * Josuah Parker befand sich in relativ gehobener Stimmung, als er zurück nach Chikago fuhr. Er hatte einige recht interessante In formationen sammeln können. Seine wenn auch knappe Unterhal tung mit Bart Snyder hatte ihm Hinweise geliefert, die unbedingt verfolgt werden mußten. Nun war sein junger Herr, der Anwalt Mike Rander, an der Reihe, um seine erstklassigen Verbindungen spielen zu lassen. Parker hatte keine Ahnung, daß er von dem gesuchten Mörder erst vor knapp zehn Minuten überholt worden war. Auch ein Par ker war schließlich kein Hellseher. Wie hätte er wissen sollen, daß
der seriös gekleidete Mann am Steuer eines Buick der gesuchte »Freitag-Killer« war? Wie gesagt, Parker durfte mit seinem Ausflug nach Joliet zufrie den sein. Der Überfall hatte einige Gegenaktionen ausgelöst. Mrs. Snyder stand unter diskreter, aber sehr scharfer Bewachung. Der Mörder hatte kaum eine Chance, an sie heranzukommen, zumal die rundliche Frau mit der Vorliebe für Schwarzwälder Kuckucks uhren schon nicht mehr in ihrem Holzhaus wohnte. Sicherheits halber war sie mit ihrer Zustimmung umquartiert worden. Auch Bart Snyders Krankenzimmer wurde scharf bewacht. Er sollte ebenfalls noch im Lauf des Tages in ein anderes Spital ge bracht werden. Auf Parkers dringendes Ersuchen hin waren diese Maßnahmen durchgeführt worden. Parker legte es darauf an, weiteres Blut vergießen zu vermeiden. Dem Mörder sollten die Hände gebunden werden. Der breite Highway schlängelte sich in weiten und sanften Kur ven durch ein fruchtbares Land, das nur von wenigen Hügeln ab gelöst wurde. Die Sonne stand hoch, der Verkehr auf der Straße war nur ge ring. Um diese Zeit kehrten fast alle Fahrer in Schnellimbissen ein, um sich für die weitere Fahrt zu stärken. Parker verzichtete jedoch auf jede Pause. Er brannte darauf, seinem jungen Herrn Bericht zu erstatten. Zudem war er in der Lage, sich während der Fahrt standesgemäß zu versorgen. Verschiedene Knopfdrücke zauberten Speisen und Getränke aus dem unergründlichen Reser voir des Armaturenbrettes. Parker genoß also während der Fahrt einen heißen Mokka und einige Sandwichs. Ein eingebauter Plattenspieler brachte vertrau te Volksweisen aus England. Kurz, Josuah Parker fühlte sich fast wie zu Hause. Nur der Nebel fehlte, der in England, vor allen Din gen aber in London, obligatorisch war. Parker beförderte per Knopfdruck das Tablett zurück ins Arma turenbrett, als sein hochbeiniges Monstrum sich einer sanften Hügelkette näherte. Die Straße wurde unübersichtlich. Josuah Parker achtete kaum darauf. Er präparierte eine seiner spezialangefertigten schwarzen Zigarren, um sie in Brand zu set zen. Er war allein auf weiter Flur und konnte sich diesen Genuß leisten. In Anwesenheit anderer Personen durfte Parker seine schwarzen Torpedos nicht rauchen. Mit mittelschweren Ohn
machtsanfällen bis hin zu Erstickungsanfällen mußte dann ge rechnet werden. Nur Parker allein war dazu fähig, das seltsame Aroma dieser Zigarren zu genießen und zu verkraften. Wie gesagt, es war ein schöner, sonniger, ja fast heißer Tag. Die Straße war leer und verschwand hinter einem Hügel. Parker erinnerte sich. Gleich mußte die Kurve kommen, die den beiden Streifenpolizisten einigen Kummer bereitet hatte. Der Butler ließ sein Monstrum in die Kurve gleiten. Im Scheitel punkt gab er vorschriftsmäßig Gas und beschleunigte. Der so seltsam aussehende Wagen schoß förmlich nach vom und drückte sich geschmeidig aus der Kurve heraus. Etwa zweihundert Meter weiter vorn gab es eine Art Hohlweg. Die Straße war durch einen Hügel geschnitten worden. Dichtes Unterholz, niedrige Bäumchen und ein Verhau undurchdringlicher Brombeersträucher überzogen die Bodenerhebung. Sie waren ein vorbildliches Versteck für einen Mörder, der seinem Opfer auflau ert. Parker schöpfte keinen Verdacht. Wie schon an anderer Stelle gesagt, war auch er kein Hellseher. Er paffte gerade die ersten Rauchwolken durch den Wagen, als er für Bruchteile von Sekun den von einem blitzartigen Lichtstrahl getroffen wurde. Seine Au gen verengten sich. Noch wußte er nicht genau, was dieses Blit zen bedeutete, doch er war sehr vorsichtig. Es konnte sich um eine alte Flasche oder um eine leere Konservendose handeln, in der sich das Sonnenlicht spiegelte, die Sonne konnte sich aber auch auf dem Lauf einer Waffe spiegeln. Parker lebte gefährlich. Er rechnete immer mit Überraschungen. Dementsprechend reagierte er. Er blieb zwar stocksteif wie immer am Steuer sitzen, doch seine rechte Hand griff nach vorn und spielte auf den vielen undefinier baren Schaltknöpfen des Armaturenbrettes. Es war erstaunlich, wie schnell der seltsame Wagen sich ver wandelte. Aus den Lüftungsschlitzen unterhalb der Windschutz scheibe kletterte eine Panzerplatte nach oben. Über die vier Rä der fielen Hüllen aus Chromnickelstahl. Das hochbeinige Monstrum verwandelte sich in einen veritablen Panzerwagen, der unangreifbar war. Wie richtig aber Parkers Re aktion war, sollte sich dann sehr schnell zeigen. Der Lichtstrahl war tatsächlich von einem Lauf zurückgeworfen worden. Der Mörder, der die Maschinenpistole im Hüftanschlag
hielt, feuerte während der Verwandlung des Wagens die ersten Schüsse ab. Als der Attentäter merkte, was mit dem Wagen los war, konnte er seinen Irrtum schon nicht mehr korrigieren. Wütend schoß er auf den jetzt langsam fahrenden Wagen. Doch die Geschosse prallten wie harmlose Erbsen von der Stirnpanzerung ab. Parker ließ sich überhaupt nicht beeindrucken. Durch einen feinen Seh schlitz aus schußsicherem Panzerglas beobachtete er nun die Straße. Der Mörder schob ein neues Magazin ein. Wenn er Parker schon nicht treffen konnte, wollte er den Wagen wenigstens von der Straße herunterbringen. Dazu brauchte er nur die Reifen zu zerschießen. Der Mann fluchte, seine ganze Erziehung ging zum Teufel. Es war aber auch wie verhext. Die Reifen des hochbeinigen Monstrums ließen sich nicht tref fen. Die Panzerhüllen lenkten jeden Schuß ab. Sie schleiften zwar über den Boden, aber sie verhinderten so, daß ein Abpraller die Reifen traf. Der Mörder sprang aus der Deckung. Nach diesem mißglückten Mordanschlag blieb nur noch die Flucht. Er hatte sich diesen Überfall wesentlich leichter vorgestellt. Zurück aber blieb in ihm auch eine ziemlich große Verblüffung. Zum erstenmal ging die sem Mann auf, mit welch einem Gegner er es zu tun hatte. Ich habe diesen komischen Vogel unterschätzt, sagte er sich. Noch mal wird mir das nicht passieren. Ob dieser Bursche auf meiner Liste steht oder nicht, ich werde ihn zur Strecke bringen. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Er soll bald merken, wer ich bin! Der Mörder zog sich vorsichtig zurück. Sein Wagen stand ver steckt irgendwo im Gelände. Der Mann warf einen letzten prüfen den Blick auf den hochbeinigen Wagen des Butlers. Was er sah, war geeignet, ihn nun doch noch sehr nervös zu machen. Josuah Parker entstieg nämlich gerade seinem Wagen, um die Verfolgung aufzunehmen. Parker wollte nämlich seiner seits die Chance nutzen, den gesuchten Mann gleich auf Anhieb zu erwischen… *
»Zu meinem grenzenlosen Bedauern muß ich erklären, daß der Mörder mir entwischen konnte«, gestand Josuah Parker seinem jungen Herrn. »Der Täter ließ es nicht auf einen Zweikampf an kommen, sondern zog es vor, das Weite zu suchen, Sir.« Mike Rander lächelte und machte eine abwehrende Handbewe gung. »Er wird Ihren Weg bald wieder kreuzen, Parker«, tröstete er seinen Butler. »Der Mann dürfte Blut geleckt haben, was Sie an betrifft.« »Darauf setze ich tatsächlich meine Hoffnungen, Sir.« »Hat die Fahrt sich wenigstens gelohnt?« »Ich denke doch, Sir. Ich fand eine Kuckucksuhr im Hause Sny der, die mein Interesse erregte.« »Eine Kuckucksuhr?« »Gewiß, Sir, solch ein Gebilde, wie man es in Deutschland her stellt und gern an die Amerikaner verkauft.« »Ich kenne solche Uhren.« Mike Rander lächelte versonnen. »Und was hat es mit dieser Uhr auf sich?« »Mr. Bart Snyder, der angeschossene Taxifahrer, hat in West deutschland seiner Dienstpflicht Genüge getan.« »Na und…? Ich begreife immer noch nicht.« »Mr. Snyder ist sicher, daß er die ermordete Sekretärin Liz Far lers in Frankfurt zum erstenmal gesehen hat. Er gestand mir dann unter dem Siegel der Verschwiegenheit, daß er mit jener Miß Far lers befreundet gewesen war.« »In Frankfurt?…« »Richtig, Sir. Snyder war Fahrer einer Dienststelle, für die auch Miß Farlers arbeitete. Sie wurden schnell miteinander bekannt und gingen häufig aus.« »Um welche Dienststelle handelte es sich damals?« »Snyder wollte darüber entweder nichts sagen oder er wurde geschickt getäuscht. Wenn mich nicht alles täuscht, Sir, muß es eine Außenstelle der CIA gewesen sein.« »Spionage…?« »In etwa, Sir! Das Unternehmen arbeitete nach außen hin als eine amerikanische Wirtschaftsagentur.« »Kennt er noch den Namen seines Chefs?« »Dieser Mann hieß Walt Dearborn. Es fragt sich, Sir, ob dieser Name richtig ist. CIA-Mitglieder pflegen stets sehr vorsichtig zu
sein. Ich möchte anregen, Sir, ohne Ihnen vorgreifen zu wollen, daß Sie vielleicht Ihre erstaunlichen Verbindungen spielen lassen, um Details über die damalige Frankfurter Dienststelle herauszu bekommen.« »Darauf können Sie sich verlassen, Parker. Und Sie werden nun festzustellen haben, ob die drei ermordeten Frauen ebenfalls in der Frankfurter Dienststelle arbeiteten, nicht wahr?« »Das ist in der Tat meine Absicht, Sir…« »Viel Glück, Parker. Sieht so aus, als hätten wir eine wirklich heiße Spur gefunden. Was hat Snyder über seinen damaligen Job erzählt?« »Viel wußte er nicht zu sagen, Sir. Die Army hatte ihn als Fahrer abgestellt. Snyder pflegte und fuhr zwei Privatwagen. Er hatte es meist mit Mr. Walt Dearborn zu tun. Nach außen hin besuchte dieser Mr. Dearborn deutsche Firmen und Dienststellen.« »Konnte er sich an die beiden Frauen Ann Dolan und Elsa Wilbur wirklich erinnern?« »Dieser Frage schenkte ich selbstverständlich besondere Auf merksamkeit, Sir. Mr. Bart Snyder glaubt, die beiden Damen Do lan und Wilbur schon mal gesehen zu haben, sicher ist er sich aber nicht. Wie gesagt, er hatte fast nur mit Mr. Dearborn, sei nem Chef, zu tun.« »Setzen Sie sich am besten mit Leutnant Trunks in Verbin dung«, schlug Anwalt Mike Rander vor. »Er verfügt über die rich tigen Kanäle, um Details sammeln zu können. Ich werde mich um diese CIA-Geschichte kümmern. Welchen Eindruck hatten Sie übrigens von Bart Snyder?« »Nun, Sir, ich würde sagen, er gibt sich bieder und brav, ist es wahrscheinlich auch. Auf der anderen Seite kann selbstverständ lich vollendete Schauspielerei vorliegen.« »Verdächtigen Sie ihn?« »Wenn Sie gestatten, Sir, möchte ich mich im Moment nicht festlegen. Zur richtigen Zeit werde ich mir erlauben, auf dieses Thema noch mal zurückzukommen.« »Nun gut, Parker, machen wir uns an die Arbeit.« Anwalt Mike Rander drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus. »Passen Sie auf sich auf! Der Mörder wird Ihnen auflauern. Gehen Sie dem >Freitag-Killer< nur nicht in die Falle!« »Ich werde mich ehrlich bemühen…!«
Josuah Parker verbeugte sich knapp und verließ den großen Wohnraum. Er wollte keine Zeit verlieren. Es war ja noch soviel zu tun… * Unruhig ging der Mörder in seiner eleganten Wohnflucht am Grant Park auf und ab. Seit dem verunglückten Mordanschlag auf Josuah Parker fühlte er sich nicht mehr wohl in seiner Haut. Nach dem bisherigen planmäßigen Verlauf seiner Absichten und Aktionen hatten sich nun die ersten bösen Pannen eingestellt. Es war ihm nicht gelungen, Bart Snyder von seiner Mordliste zu streichen. Es hatte nicht geklappt, Mrs. Snyder zu beseitigen. Und nun noch dieses Pech mit diesem skurrilen, schwarz gekleideten Mann, der ihm die Zähne gezeigt hatte. Der Mörder war froh, daß er hatte entwischen können. Um ein Haar wäre er von diesem seltsamen Burschen sogar noch geschnappt worden. Ich muß herausbekommen, wer er ist, sagte sich der Mann. Die Nummer seines komischen Autos ist mir bekannt. Bei meinen Verbindungen kann es nicht schwer sein, herauszubekommen, wie er heißt. Vielleicht ist er tatsächlich der Verfasser der Briefe. Es ist nicht ausgeschlossen, daß er mit Bart Snyder unter einer Decke steckt. Dieser Verdacht wurde dem Mörder durch die Tatsache erhärtet, daß er beim Durchblättern der Morgenpost keinen Drohbrief er halten hatte. Solle der Verfasser der Briefe also in Joliet zu sehr in Anspruch genommen worden sein? Der Mörder schätzte seine Chancen ab, seinem Erpresser zu entwischen. Snyder lag im Spital. Der Taxifahrer war eine perma nente Gefahr. – Nach dem Mordanschlag konnte er sich mögli cherweise leicht zusammenreimen, wer ihn ausschalten wollte. Über Snyder hinaus aber gab es diesen so seltsamen, schwarz gekleideten Mann. Der Mörder spürte instinktiv, daß ihm von die sem Mann Gefahr drohte. Die schnelle und harte Reaktion auf dem Highway zwischen Joliet und Chikago hatte schließlich ge zeigt, daß er es nicht mit einem Anfänger zu tun hatte. Ich werde ab sofort im Hintergrund bleiben, sagte sich der Mör der.
Der »Freitag-Killer« hatte seine Verbindungen. Er besaß auch genügend Erfahrung, wie man an die geeigneten Leute kommen konnte. Natürlich mußte das schlau und gerissen angestellt wer den. Er wollte nicht von einem Erpresser zum anderen wandern. Und die beiden restlichen Namen auf seiner Liste? Der Mann in der elegant eingerichteten Wohnflucht wollte kein Risiko eingehen. – Auch diese beiden Personen mußten so schnell wie möglich ausgeschaltet werden. -Erst dann hatte er Ruhe. Ich werde es so machen, daß die Polizei an einen geisteskran ken Verbrecher denkt, überlegte der Mann ruhig und sachlich. Ich werde noch mehr falsche Spuren auslegen. Ich weiß doch genau, wie die Polizei arbeitet und in welchen Geleisen sie sich bewegt. Der »Freitag-Killer« blätterte in seinem Notizbuch. Darin war ei ne Adresse vermerkt, die er sich erst vor wenigen Tagen besorgt hatte. Ralph Porter war genau der Mann, den er brauchte. Dieser Gangster konnte sogar telefonisch erreicht werden. Ralph Porter hatte sich selbstverständlich getarnt. Nach einigen Zuchthaus strafen hatte er in Chikago ein Geschäft eröffnet. Er zeigte sich jetzt gern als Händler für Gebrauchtwagen. Kurz entschlossen rief der »Freitag-Killer« seinen professionel len Kollegen an. Es dauerte einige Sekunden, bis sich auf der Ge genseite eine glatte und geschmeidige Stimme meldete. »Ralph Porter, Gebrauchtwagen…!« »Ich würde Sie gern mal privat sprechen«, sagte der Mörder. »Um es vorwegzunehmen, Mr. Porter, ich möchte mit Ihnen nicht über Gebrauchtwagen reden.« »Und worüber sonst?« »Ich habe, sagen wir, persönlichen Ärger.« »Wer hat den nicht!« Ralph Porter war sehr vorsichtig. »Bin ich Ihnen vielleicht empfohlen worden?« »So ist es, Mr. Porter. Benny Morgan gab mir vor einigen Wo chen diesen Tip.« »Schnüffler Benny also…! Na ja, ich kenne ihn. Aber prägen Sie sich gleich ein, meine Zeit ist kostbar. Wegen irgendwelcher unverbindlicher Redereien bin ich nicht zu sprechen.« »Ich glaube bestimmt, daß dieses Gespräch sich für uns beide lohnen wird.« »Na schön, in zwei Stunden hätte ich frei. Besuchen Sie mich in meinem Geschäft, wir sind dann ungestört.«
»Einverstanden«, sagte der Mann. »In zwei Stunden also.« Er legte auf und fuhr sich durch das Haar. War es richtig, sich einem solchen Menschen anzuvertrauen? Ging er nicht das Risiko ein, betrogen zu werden? Falls Porter das plant, überlegte der Mörder, wird er bei mir großes Pech haben. Ich kenne die Branche, so leicht bin ich nicht aufs Kreuz zu legen…! * Der Mörder traf pünktlich zur vereinbarten Zeit bei Ralph Porter ein. Neben einem einstöckigen Geschäftsbau mit drei großen und breiten Schaufenstern befand sich noch ein gut aufgeräumter Garagenplatz, auf dem Gebrauchtwagen in Reih und Glied stan den und auf Käufer warteten. Alles sah gepflegt, aufgeräumt und seriös aus. Bis auf einige Männer in grauen Overalls war der Platz leer. Die ersten Scheinwerfer, die den Platz beleuchten sollten, wurden aufgedreht. Ralph Porter empfing seinen Gast in einem modern und zweckmäßig eingerichteten Büro. – Es gab hier helle Schreibtische, Aktenschränke und eine kleine Sitzgruppe. »Ich habe Sie vor zwei Stunden angerufen«, sagte der Mann. »Ich bin Latimer Allan.« »Nett, Sie zu sehen, Mr. Allan«, antwortete Porter, dem man den Gangster nicht ansah. Porter war etwas über mittelgroß, schlank und trug einen gut geschnittenen Anzug. Sein schmales Gesicht war glatt rasiert. Er trug eine Brille, die eine leichte Blau tönung aufwies. Seine Manieren waren verbindlich. »Sie wissen, ich wollte mich mit Ihnen über meinen Ärger un terhalten«, redete der angebliche Mr. Latimer Allan weiter. »Wir sind ungestört, Sie können frei und offen reden.« »Ich liebe die frische Luft.« Latimer Allan, wie der Mörder sich nannte, lächelte freundlich. »Wenn Sie nichts dagegen haben, gehen wir raus an die frische Luft.« »Haben Sie Angst, ich könnte ein Tonband mitschneiden?« »Sie treffen den Nagel auf den Kopf, Mr. Porter.« »Schön, gehen wir hinaus auf den Platz.« Porter grinste mo kant. »Sie werden Gründe für Ihre Vorsicht haben.« Allan schwieg, bis sie auf dem Platz waren. Die Männer in den grauen Overalls hatten den Platz inzwischen verlassen. Die beiden
Gangster waren jetzt unter sich. Instinktiv mieden sie das Licht der Scheinwerfer. »Sind Sie jetzt zufrieden, Mr. Allan?« »Ich werde mich nicht mit einer langen Vorrede aufhalten«, er klärte Latimer Allan. »Ich suche einen Mann, der gegen gute Zah lung bereit ist, für mich einen etwas, sagen wir, heiklen Auftrag zu erledigen.« »Und wie soll dieser Auftrag aussehen?« »Ich habe da einige Leute, die mir auf die Nerven gehen. Wenn sie aktionsunfähig werden, dürften meine Nerven in Zukunft ge schont werden.« »Wer, sagten Sie, hat Sie an mich verwiesen?« »Benny Morgan«, antwortete nun der »Freitag-Killer« prompt. »Er erledigte in der Vergangenheit einige Dinge für mich.« »Benny dürfte Ihnen den richtigen Tip gegeben haben, Allan. Sagen Sie rund heraus, was Sie von mir wollen.« »Kennen Sie einen gewissen Josuah Parker?« Der »FreitagKiller« hatte inzwischen seine Verbindungen spielen lassen. Er wußte, wer dieser seltsame, skurril aussehende Mann mit der steifen Melone war. Die Wagennummer dieses hochbeinigen Mon strums hatte ihm den richtigen Weg gewiesen. »Parker…? Josuah Parker…? Den sollte ich nicht kennen?« Ralph Porter spitzte die Lippen und sah dann zu Boden. »Sie können mit diesem Namen also etwas anfangen?« »Und ob, Mr. Allan. Ich wünsche ihm die Pest an den Hals. Muß ich mich deutlicher ausdrücken?« »Wäre mir ganz lieb.« »Josuah Parker ist der Butler eines bekannten Strafverteidi gers«, erläuterte der Gangster. »Parker ist ein ganz gefährlicher Bursche. Er hat es faustdick hinter den Ohren. Seine Harmlosig keit ist nur gespielt. In Wirklichkeit dürfte er einer der besten Schnüffler sein, die mir je über den Weg gelaufen sind.« »Dieser Parker ist also gefährlich?« »Wie eine Klapperschlange, Allan. – Moment mal, ich begreife, wollen Sie mich etwa dazu engagieren, ihn aus dem Weg zu schaffen?« »Sie drücken sich sehr hart aus.« »Dafür aber wohl sehr deutlich. Wir sind unter uns, wir brau chen gar keine Rücksicht zu nehmen. Kein Mensch hört uns. Um
aber auf Parker zurückzukommen, Allan, was ihn anbetrifft, mel de ich Fehlanzeige an!« »Sie haben Angst vor ihm?« »Nennen Sie es von mir aus wie Sie wollen. Parker traue ich nicht über den Weg. Sehr viele Bekannte aus meiner Branche haben schon versucht, ihn aus dem Weg zu räumen. Sie sitzen durch die Bank entweder in Zuchthäusern, oder aber sie halten sich ein paar Fuß unter der Erde auf.« »Porter, ich habe diesen Parker aus nächster Nähe gesehen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß er gefährlich sein soll.« »Sie untertreiben, Allan. Parker ist ein Bursche mit einer uner schöpflichen Trickkiste. Mit ihm will ich nichts zu tun haben.« »Wieviel Geld brauchen Sie, um es mit diesem komischen Kerl aufzunehmen?« »Fehlanzeige, sagte ich doch schon.« »Ich würde zehntausend Dollar aussetzen.« »Warum tun Sie’s nicht selbst, Allan?« »Ich muß mein Inkognito wahren.« »Und ich will mir meine Freiheit erhalten, Allan. Es war nett, Sie gesehen zu haben.« »Zehntausend Dollar sind sehr viel Geld!« »Wem sagen Sie das, Allan?« Der Gangster nickte, sah wieder zu Boden. »Ich wiederhole es aber noch mal, gegen Parker trete ich nicht an.« »Nun gut, streichen wir dieses Thema, Porter. Außer Parker gibt es aber noch zwei andere Leute, die mir unbequem geworden sind.« »Sie scheinen ja ‘ne ganze Wunschliste zu haben.« »Es handelt sich um ein Ehepaar, das mich erpressen will«, re dete der »Freitag-Killer« weiter, ohne auf den Einwand einzuge hen. »Die Leute wohnen in Joliet.« »Die Summe nannten Sie ja bereits, Allan, jetzt brauche ich nur noch die Adresse.« »Sie übernehmen diesen Auftrag?« »Es geht ja nicht gegen Parker direkt, Allan. In diesem Fall lasse ich gern mit mir reden.« »Wann könnten Sie den Auftrag ausgeführt haben, Porter?«
»Sobald ich die Adresse kenne, mache ich mich daran. Als An zahlung brauche ich fünftausend Dollar. Den Rest bekomme ich nach Erledigung.« »Gut, ich bin einverstanden.« »Allan, ich möchte Ihnen nicht mit Drohungen kommen.“ Aber versuchen Sie nicht, mich zu prellen. Dann reagiere ich schnell und böse.« »Umgekehrt wird ebenfalls ein Schuh daraus. Spionieren Sie mir nicht nach! Ich komme aus einer ganz verwandten Branche, ich weiß, was anliegt.« »Dann haben wir uns ja bestens verstanden, Allan. Mich inter essiert nur der Job, mehr nicht. Ich bin ein reeller Partner. Billige Mätzchen kann ich mir nun wirklich nicht leisten.« »Dann ist ja alles in Ordnung, Porter. Sie können damit rech nen, daß ich zu meinem Wort stehe. Nach Erledigung des Auftra ges werden Sie die restlichen fünftausend Dollar bekommen.« »Nennen Sie mir jetzt Einzelheiten, Allan. Ich will’s so schnell wie möglich hinter mich bringen. Und was diesen Josuah Parker angeht, Allan, lassen Sie die Finger von ihm! Der Mann ist kaum zu erschüttern! Glauben Sie mir!« »Ich werde mein Glück versuchen. – Ihre Warnungen fordern mich geradezu heraus.« »Na, es ist schließlich Ihr Hals, um den es geht. Aber warten Sie mit Ihrem Angriff, bis ich die restlichen fünftausend Dollars ab kassiert habe.« Porter lachte leise auf. Er hatte, aus seiner Sicht gesehen, wirklich nicht übertrieben. In gewissen Kreisen war But ler Parker bekannt wie ein roter Hund. Man ging ihm nur zu gern aus dem Weg, was allerdings nicht bedeutete, daß man ihn in Ruhe ließ. Es gab immer wieder Gangster, die ihr Glück versu chen wollten. Diese Verbrecher wollten es einfach nicht glauben, daß dieser skurrile Mann so gefährlich sein sollte. Die beiden Gangster ergingen sich in Einzelheiten. Sie sprachen über diesen geplanten Doppelmord in einem Ton, als verhandel ten sie über den Kauf eines Gebrauchtwagens…! * »Natürlich handelte es sich nicht um einen Irrtum«, sagte Leut nant Trunks. Er hatte Mike Rander und den Butler besucht. Ihm
war bekannt, was sich während der Fahrt des Butlers ereignet hatte. »Dieser Mordanschlag, Parker, galt Ihnen allein.« »Ich bedaure unendlich, Sir, daß der Täter mir entwischen konnte«, antwortete Josuah Parker. »Ich kann nur annehmen, daß ich einen recht schwachen Tag hatte.« »Glück hatten Sie, Parker, Glück und nochmals Glück! Der Kerl lauerte Ihnen an der richtigen Stelle auf.« »Wird das Ehepaar Snyder gut bewacht?« schaltete sich Anwalt Rander ein. »Darauf können Sie sich verlassen, Rander. Wir lassen Mrs. und Mr. Snyder nicht mehr aus den Augen. Wir arbeiten mit den Be hörden von Joliet eng zusammen. Auch dort wissen sie, um was es geht. Ich rechne fest damit, daß der Mörder noch mal versu chen wird, das Ehepaar auszuschalten.« »Er braucht also nur noch in die Falle zu laufen?« »So ist es, Rander. Aber nun zu Ihnen, Parker, haben Sie etwas herausbekommen?« »Dank Ihrer freundlichen Hinweise, Sir, konnte ich mich an die richtige Adresse wenden«, führte Parker höflich aus. »Mrs. Sny der dürfte zwar eine Ahnung haben, um was es geht, doch Mr. Snyder erinnert sich der Sekretärin Liz Farlers sehr genau.« »Er konnte Ihnen also einen wichtigen Hinweis liefern?« »So könnte man es ausdrücken, Sir.« »Na, und wie sieht diese Spur aus?« Leutnant Trunks zündete sich hastig eine Zigarette an. Sollte man dem »Freitag-Killer« endlich beikommen können? »Der Taxifahrer Bart Snyder, Sir, lernte die Sekretärin Liz Far lers seinerzeit in Deutschland kennen. Damals arbeitete Snyder als Fahrer. Einzelheiten wird Ihnen mein Herr, Mr. Rander, sehr gern mitteilen.« »Parker glaubt, daß auch die beiden anderen Opfer des >Frei tag-Killer< in Deutschland gearbeitet haben müssen.« »Ann Dolan und Elsa Wilbur?« Leutnant Trunks staunte das, was man gemeinhin Bauklötze nennt. »Richtig, Trunks. Ich habe mich bereits eingeschaltet und ver suche herauszubekommen, um welche genaue Dienststelle es sich gehandelt hat. – Snyder meint, es müsse damals wohl eine CIA-Außenstelle gewesen sein.« »Geheimdienst also.« Leutnant Trunks verzog sein Gesicht. Er wußte aus Erfahrung, daß auf dem normalen Dienstweg kaum
etwas zu erfahren war. Auch er als Kriminalbeamter hatte gar keine Möglichkeit, Aussagen zu erzwingen. »Ich kenne eine Menge Leute, die mir einen Hinweis geben werden«, beruhigte Rander den Detektivleutnant. »Sie wissen, früher habe ich selbst mal für die CIA gearbeitet. Das war wäh rend des Krieges, drüben in Japan. Sie könnten sich aber mit ei nem gewissen Walt Dearborn beschäftigen, Leutnant. So nämlich hieß damals der Chef des Taxifahrers Snyder.« »Ich komme mir jetzt schon vor wie auf einem toten Geleis«, meinte Trunks verärgert. »Gegen die CIA kann ich gar nichts ma chen. Sieht so aus, als müßten Parker und Sie die ganzen Ermitt lungen führen.« »Wer sie besorgt, Trunks, spielt doch überhaupt keine Rolle. Hauptsache ist, wir erwischen den >Freitag-Killer<. Daß wir auf der richtigen Spur sind, liegt bereits auf der Hand. Umsonst hat der Mörder nicht versucht, die beiden Snyders umzubringen. Ein Zufall kann dieser Mordanschlag nicht gewesen sein, zumal Sny der diese frühere Sekretärin Farlers kennt.« »Na, ein paar Hinweise kann auch ich beisteuern«, erklärte Leutnant Trunks. Er warf einen kurzen, nachdenklichen Blick auf die Glut von seiner Zigarette. »Meine Dienststelle beschäftigt sich seit einigen Stunden mit einem Mord, der an einem Privatdetektiv mit Namen Benny Morgan begangen worden ist.« »Morgan…?« Mike Rander lächelte erstaunt. »Sollte es Morgan doch mal erwischt haben?« »Sie kennen ihn auch?« »Benny Morgan war ein toller Jongleur auf dem schmalen Grat zwischen Recht und Unrecht. Er behauptete immer, ihm könne nichts passieren.« »Er wurde erschossen. Das geschah schon vor einigen Tagen. Er wurde leider viel zu spät gefunden.« »Sie sind der Ansicht, Sir, daß Mr. Benny Morgan für den >Frei tag-Killer< die Adressen des Opfers ermittelt hat?« Parker hatte sich eingeschaltet. »Richtig, Parker, genau das vermute ich. Die Schußprobenver gleiche liegen leider noch nicht vor, doch ich möchte wetten, daß der Revolver benutzt wurde, aus dem auch auf die beiden Sny ders geschossen worden ist.« »Das wäre ja eine ganz tolle Sache, Trunks.« Mike Rander sah den Detektivleutnant erwartungsvoll an.
»Es kommt noch besser, Rander. Dieser Benny Morgan scheint Unheil gewittert zu haben. Hinter seinen Aktenschränken an der Wand entdeckten nun meine Leute einen Schmierblock. Eintra gungen darauf waren brandneu. Morgan dürfte diesen Block in einem unbewachten Moment hinter einen der Aktenschränke ge worfen haben, oder kurz vor Empfang seines Mörders.« »Stehen Namen auf diesem Block?« wollte Mike Rander wissen. »Allerdings, aber dadurch wird die Sache auch schon wieder kompliziert.« »Sie entdeckten, wenn ich recht vermute, Sir, prominente Na men?« Josuah Parker betätigte sich als Prophet. »Stimmt haargenau, Parker.« Trunks grinste. »Wir alle wissen ja, daß Benny Morgan gern für prominente Klienten arbeitete. Man schätzte sein unorthodoxes Vorgehen und seine Verschwie genheit.« »Sie glauben, einer dieser notierten Namen könne der des ge suchten >Freitag-Killers< sein?« Mike Rander stützte sein Kinn auf und zwang sich zur Ruhe. Josuah Parker schien sich in eine Statue verwandelt zu haben. Sein glattes, verschlossenes Gesicht zeigte keine Regung. »Das ist anzunehmen, Rander«, setzte der Detektivleutnant dem Anwalt auseinander. »Auf einem Blatt vor den letzten Ein tragungen fand ich die Namen Farlers, Dolan, Wilbur, Snyder, Richland und Tipton.« »Die Namen Richland und Tipton sind uns aber neu«, warf Mike Rander ein. »Gehen wir der Reihe nach«, schlug der Detektivleutnant vor. »Die Frauen Farlers; Dolan und Wilbur sind ermordet worden. Snyder hatte Glück und kam durch. Bleiben zwei Namen, die uns noch unbekannt sind.« »Es sind die Namen zweier Opfer, Sir, die der >Freitag-Killer< noch besuchen will.« Josuah Parker brauchte kein Notizbuch, um sich die Namen zu merken. »Die beiden Personen Richland und Tipton müßten meiner bescheidenen Ansicht nach ausfindig ge macht und gewarnt werden. Es sind die letzten Opfer des >Frei tag-Killers<.« »Worauf will der Kerl denn hinaus?« sagte Trunks verbissen. »Scheußlicher Gedanke, daß wir noch mit zwei weiteren Morden in dieser Sache rechnen müssen.«
»Parker sieht’s richtig«, pflichtete der Anwalt seinem Butler bei. »Der >Freitag-Killer< erledigt eine ganze Liste, die ihm Benny Morgan zusammengestellt hat. Natürlich wußte der Privatdetektiv bestimmt nicht, um was es ging. Als er aber Verdacht schöpfte und vielleicht Fragen stellte, wurde auch er ermordet.« »Natürlich werde ich nach Richland und Tipton suchen lassen«, erklärte nun Trunks. »Hoffentlich reicht die Zeit!« »Sir, darf ich fragen, welche prominente Namen auf dem Schmierblock stehen?« erkundigte sich Josuah Parker. »Sie wissen, daß ich offiziell nichts sagen darf«, antwortete Trunks, doch sein Lächeln zeigte an, daß er Mittel und Wege kannte, um seine beiden inoffiziellen Mitarbeiter zu informieren. Er legte den bewußten Schmierblock, der längst auf Fingerspuren untersucht worden war, auf den Rauchtisch und stellte sich für einen kurzen Moment ans Fenster. Josuah Parker genierte sich nicht, diese günstige Gelegenheit zu nutzen. Seine Augen fotografierten die drei Namen und Adres sen… * Noch in dieser Nacht befand sich Ralph Porter auf dem Weg nach Joliet. Weit hatte er nicht zu fahren. In spätestens einer hal ben Stunde war die Stadt erreicht. Dann konnte er schnell zehn tausend Dollar verdienen… Zwei Dinge waren diesem Mann allerdings unbekannt. Er wußte nicht, daß sein Auftraggeber, der angebliche Latimer Allan, be reits seinerseits versucht hatte, die Snyders zu ermorden. – Er mußte also damit rechnen, daß alles glatt über die Bühne ging. Zweitens war ihm unbekannt, daß der Privatdetektiv Benny Morgan nicht mehr lebte. Porter hatte es unterlassen, Morgan anzurufen und sich zu vergewissern, ob mit Latimer Allan alles in Ordnung war. Porter hatte mit dem angeblichen Latimer Allan ausgemacht, zuerst Bart Snyder zu ermorden. Danach sollte Mrs. Snyder fol gen. Porter aber änderte von sich aus die Reihenfolge. Er wollte zuerst den leichten Teil der Arbeit erledigen. Mrs. Snyder, die laut Allan ja allein in einem kleinen Haus lebte, mußte ein leichtes
Opfer sein. Es war schon wesentlich schwieriger, mit Snyder in dem Spital. Porter wußte nicht, weshalb der Taxifahrer nun tatsächlich in einem Krankenhaus lag. Der »Freitag-Killer« hatte ihm vorge schwindelt, Snyder sei am Blinddarm operiert worden. Der Mann, der sich nun anhand eines Stadtplanes von Joliet gut informiert hatte, fuhr gleich nach dem Erreichen der Stadtgrenze nach Westen ab, kreuzte einige Durchgangsstraßen und erreichte die kleine Siedlung, in der das Haus der Snyders lag. Um diese Gegend zu sondieren, fuhr er mit dem Wagen an die sem bewußten Holzhaus vorbei. Alles sah friedlich und harmlos aus. Hinter dem breiten Erdgeschoßfenster brannte ein sanftes Licht. Mrs. Snyder schien sich im Wohnraum aufzuhalten. Ein bläulicher Schimmer sagte ihm, daß sie wahrscheinlich den Fernsehapparat eingestellt hatte. Die ganze Siedlung machte einen sehr ruhigen und unverdäch tigen Eindruck. Der Mann hatte eine gute Nase für Gefahr. Diese Nase sprach nicht an. Ralph Porter fuhr noch mal zurück, minderte vor dem Haus das Tempo und stellte seinen Kombiwagen dann in einer Seitenstraße ab. Er bewegte sich mit großer Selbstverständlichkeit und Gelas senheit. Es war ja nicht das erste Mal, daß er den Tod brachte… Er öffnete den Kofferraum und holte seine Waffe aus dem Re servereifen. Dieser Ersatzreifen war derart präpariert, daß sich ein Stück Reifenmantel zur Seite schieben ließ. Zwischen Felge und Mantel lag in dem großen Hohlraum die Waffe. Sie befand sich in bester Verfassung und lag gut in seiner Hand. Porter schraubte aber sicherheitshalber einen Schalldämpfer auf. Er liebte geräuschlose Arbeit und schnelles Verschwinden. Gelassen schritt er auf das Haus zu und läutete. Durch die Tür hörte er Musik. Hinter der kleinen Glasscheibe in der Tür schim merte das blaue Licht eines TV-Geräts. Langsame Schritte näherten sich. Eine Sicherheitskette wurde ausgehakt, dann öffnete sich die Tür. Vor ihm stand eine dralle Frau, die ihn erstaunt und etwas unruhig ansah. »Mrs. Snyder?« fragte Ralph Porter. »Ja, natürlich. Was wollen Sie bitte?« »Kann ich Sie einen Moment sprechen? Es handelt sich um Ih ren Mann.«
»O Gott, ist ihm etwas passiert? Kommen Sie doch herein.« Porter unterdrückte ein Grinsen. Die Frau schöpfte keinen Ver dacht. Sie gab die Tür frei. Porter griff vorsichtig nach der Waffe. Sie glitt unbemerkt in seine Hand. Mrs. Snyder brauchte nur noch ein paar Schritte zu tun, dann war es soweit… Porter blieb plötzlich wie erstarrt stehen. Sein Gesicht verzerrte sich. Er spürte einen harten Gegenstand, der gegen seinen Rük ken gepreßt wurde. Er wußte, was das zu bedeuten hatte. »Keine Bewegung!« eine schleppende Stimme warnte ihn, de ren Gelassenheit nur gespielt war. Mrs. Snyder drehte sich um. Sie sah nicht mehr bieder und dumm aus. Sie hielt einen Revolver in der Hand, der auf Porters Magen gerichtet war. »Heben Sie langsam die Arme«, sagte die Frau. »Mein Kollege wird sofort schießen, wenn Sie eine Dummheit machen wollen. Wir sind von der Detektivabteilung.« Porter spürte den kalten Schweiß auf seiner Stirn. Mit solch ei ner Überraschung hatte er nicht gerechnet. Er verwünschte die sen angeblichen Latimer Allan und seine verdammte Dummheit, die ihm diesen Streich gespielt hatte. Kann ich mich ‘raushauen, schoß es durch seinen Kopf, kann ich mich durchschlagen? Er kannte bereits im voraus die Antwort auf seine Frage. Ein Fluchtversuch wäre heller Wahnsinn gewesen und einem Selbstmord gleichgekommen. »Schön, ich hebe die Arme«, hörte er sich sagen, »aber ich pro testiere gegen diesen Überfall. Ich weiß überhaupt nicht, was das bedeuten soll.« »Aber wir«, sagte die schleppende Stimme hinter ihm. Eine fremde Hand zupfte Porter die Waffe aus dem Holster. Nein, es war aus. Er war in die Falle gegangen! Und er wußte noch nicht mal, wer ihm diese Suppe eingebrockt hatte… Natürlich wußte Josuah Parker nicht mit letzter Sicherheit, ob der »Freitag-Killer« ihn bereits belauerte. Als erfahrener und vor sichtiger Gangsterjäger traf er aber einige Vorbereitungen, um einem eventuellen Anschlag zu entgehen. Nachdem Leutnant Trunks die Dachgartenwohnung Mike Ran ders verlassen hatte, zog Parker sich in seine privaten Räume zurück. Bis auf ein kleines Zimmer, das ihm als Schlafkammer diente, erinnerten die übrigen drei Räume an eine einzige große
Bastlerwerkstatt. Parkers Vorkenntnisse in handwerklichen Din gen waren frappierend. Er hätte mit jedem Fachmann leicht Schritt halten können. Anwalt Mike Rander saß inzwischen vor dem Telefon und führte lange Gespräche. Er mobilisierte Freunde und Bekannte in Wa shington. Er nutzte seine erstklassigen Verbindungen aus, um in Erfahrung zu bringen, was sich vor Jahren in Frankfurt, Germany, in einer gewissen Dienststelle abgespielt hatte. Da seine Gewährsmänner telefonische Unterhaltungen wenig schätzten, entschloß sich Mike Rander, nach Washington zu flie gen. Wegen seiner Anwaltsbüros im Loop von Chikago brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Ein Stab erstklassiger Juristen leistet ohnehin die zeitraubende Kleinarbeit und Durchschnittsfälle wurden vor den Gerichten von ebenso jungen wie cleveren An wälten vertreten. Auf ein Klingelzeichen hin erschien Josuah Parker im großen Wohnsalon. Er trug eine lange Gummischürze und hatte sich die für seine Begriffe fast unverzeihliche Frechheit herausgenommen, die Hemdsärmel aufzurollen. »Ich stehe zu Ihren Diensten, Sir«, sagte er höflich. »Verzeihen Sie gütigst meine inkorrekte Kleidung, Sir.« »Basteln Sie mal wieder?« Mike Rander lächelte. »Ich betätige mich in meiner kleinen Dunkelkammer, Sir.« »Sind Sie unter die Fotoamateure gegangen?« »Nur eine Spielerei, Sir. Wenn ich recht vermute, müßten einige Koffer gepackt werden?« »Stimmt, aber ein Koffer genügt vollkommen, Parker. Ich fliege nach Washington. Sie wissen, wegen dieser Frankfurter CIAGeschichte. Ich hoffe, in spätestens zwei Tagen wieder zurück sein zu können.« »Der Koffer ist gepackt«, meldete Parker. »Ich war so frei, das Reisegepäck vorzubereiten.« »Wunderbar, Parker. Wenn Sie Zeit haben, könnten Sie mich zum Flugplatz bringen. Hoffentlich bekomme ich noch einen Platz.« »Ich nahm mir die Freiheit, Sir, diesen bewußten Platz bereits zu buchen.« »Sie ahnten, daß ich fliegen wollte?« »Gewiß, Sir, dieser Flug lag auf der Hand. In wenigen Minuten stehe ich Ihnen zur Verfügung.«
Parker verschwand, um nach knapp fünf Minuten wieder in der Diele der Dachgartenwohnung aufzutauchen. Mike Rander stutz te, als er das große Gebilde in Parkers Armen entdeckte. »Soll ich das etwa auch noch mitnehmen?« erkundigte er sich. »Nein, Sir, das würde Sie unnötigerweise belasten. Ich möchte dieses Gebilde, wie Sie sich auszudrücken belieben, mit hinunter in die Tiefgarage nehmen.« Mike Rander stellte keine Fragen. Parker liebte Überraschungen jeder Art. Er wollte ihm die Freude an einem gelungenen Spaß auf keinen Fall verderben. Sie fuhren mit dem Lift hinunter in die Tiefgarage. Bevor sie aber ausstiegen, hielt Parker seinen jungen Herrn diskret zurück. Er entfaltete das Gebilde und öffnete erst dann die Tür. »Na, da bin ich aber gespannt«, sagte Rander kopfschüttelnd. »Alles können auch Sie nicht vorausahnen, Parker.« »Ich fürchte, Sir, daß meine Vermutungen sich als richtig erwei sen werden.« Josuah Parker schob das Gebilde weiter vor und blieb sicher heitshalber in Deckung. In den nächsten Sekunden mußte sich zeigen, ob sein Verdacht richtig gewesen war…! * Der Wagen des Mörders stand an der Ausfahrt der Tiefgarage. Leise summte der starke Motor. Die Tür an der Fahrerseite stand auf. Wenn es sein mußte, konnte der »Freitag-Killer«, der hier zwischen den abgestellten Wagen auf sein Opfer lauerte, sofort einsteigen und losfahren. Vor wenigen Minuten war der »Freitag-Killer« auf den Lift auf merksam geworden. Die beleuchteten Signalknöpfe nämlich zeig ten ihm deutlich an, daß der Lift von der Dachgartenwohnung nach unten fuhr. Daraufhin war der Mörder in die richtige Position gegangen. Er stand hinter einigen abgeparkten Wagen. Eine Maschinenpistole lag griffbereit unter einem dieser Wagen. Er brauchte sie nur hochzureißen und auf die Tür des Lifts anzulegen. Wer auch im mer herauskam, er mußte von den Geschoßgarben voll erwischt und getroffen werden. Der Mörder stand ruhig. Diesmal mußte sein Mordanschlag gelingen. Eine Panne war so gut wie ausge
schlossen. Das Ziel, die erleuchtete Lifttür, bot sich der Mündung der Maschinenpistole geradezu an. Da, der Lift hatte die Tiefgarage erreicht… Der »Freitag-Killer« hielt die Waffe bereits in der Hand. Er nahm sie in den Hüftanschlag. Als versierter Schütze wußte er, wie er sie zu halten hatte. Die Sekunden dehnten sich wie ein Gummiband. Noch blieb die Tür geschlossen. Der Killer fragte sich bereits, ob diese Fahrt nur ein blinder Alarm gewesen sei, als die Tür dann doch noch aufgedrückt wurde. Der Mann hörte Stimmen. Er grinste. Sein Zeigefinger krümmte sich. In der nächsten Sekunde mußten die Geschosse den Lauf verlassen und auf die Personen zurasen, die dem Lift den Rücken kehrten. Da… Josuah Parker…! Eine Verwechslung war ausgeschlossen. So und nicht anders kannte der Mörder sein Opfer, diesen skurrilen, schwarz gekleide ten Burschen, der ihm bereits mächtig auf die Nerven ging. Der gekrümmte Zeigefinger riß den Stecher der Maschinenwaffe bis zum Anschlag durch. Die Mündung spuckte Feuer. Eine Kette von rasanten Geschossen ratterte durch die Tiefgarage und… warf Butler Josuah Parker in den Lift zurück. Der »Freitag-Killer« lachte gegen seinen Willen hysterisch auf. Endlich war es gelungen, diesen hartnäckigen Burschen zu erledi gen. Der Mann ließ die Waffe einfach zu Boden fallen, rannte zu rück zu seinem startbereiten Wagen und preschte mit ihm über die schräge Rampe hinauf zur Straße. »Nicht schlecht«, meinte Anwalt Mike Rander in dieser Sekunde und nickte seinem Butler zu. »Sie haben mal wieder die richtige Nase gehabt, Parker!« »Die Arbeit dürfte sich in der Tat gelohnt haben«, bemerkte der Butler würdevoll. Er sah auf das lebensgroße Foto hinunter, das zerfetzt auf dem Boden des Lifts lag. In seiner Dunkelkammer hatte er es hergerichtet und auf starken Karton geklebt. Der »Freitag-Killer« war einem bösen Irrtum zum Opfer gefal len, doch er wußte es noch nicht…! *
Josuah Parker gedachte den neuen Tag nutzbringend anzule gen. Sein junger Herr, Anwalt Mike Rander, hielt sich noch in Wa shington auf. Auch Leutnant Trunks hatte sich nicht gemeldet. Beide Männer hatten alle Hände voll zu tun, um den »FreitagKiller« einzukreisen. In tadelloser und korrekter Kleidung stieg Parker in sein hoch beiniges Monstrum, um der Reihe nach drei Adressen abzufahren. Drei prominente Männer von Chikago wollte er mit seinem Besuch beehren. Es waren die Namen jener Männer, die Leutnant Trunks auf dem Schmierblock des ermordeten Privatdetektivs Morgan entdeckt hatte. Natürlich besaß der Butler kein Patentrezept. Er verließ sich auf seine Intuition und auf seine Geistesgegenwart. Aus den einzel nen Gesprächen heraus wollte er bestimmte Fragen stellen. Sein erster Besuch galt Mr. Haie Sheridan, der im Loop als Wei zen-Makler arbeitete. Gediegene Einrichtung des Vorzimmers und gut geschultes Personal deuteten darauf hin, daß Mr. Haie Sheri dan Wert auf Formen legte. Dank seines imponierenden Äußeren hatte Parker keine Schwie rigkeiten, vorgelassen zu werden. Nach wenigen Minuten des Wartens stand er einem mittelgroßen, schlanken Mann gegen über, der einen teuren Maßanzug trug und ihn erwartungsvoll ansah. Das Gesicht dieses Mannes war glatt. Er beherrschte das Spiel seiner Gesichtsmuskeln. Kühle, graue Augen musterten den Butler. »Mein Name ist Parker, genauer gesagt Josuah Parker«, stellte sich der Butler höflich vor. »Nichts liegt mir ferner, als Ihre wert volle Zeit in Anspruch zu nehmen, Sir, doch ich hoffe, daß Sie mir einige Fragen beantworten werden, die im Zusammenhang mit einem Kriminalfall stehen, den zu bearbeiten ich die Ehre habe.« »Wie war das?« Haie Sheridan glaubte nicht richtig gehört zu haben. »Ich hatte in Joliet und in der Tiefgarage leider nicht die Zeit, mich Ihnen vorzustellen«, präzisierte Parker und scherte sich ei nen Deut darum, daß Sheridan ihn unter Umständen für zumin dest leicht verrückt hielt. »In Joliet…?« Sheridan entschloß sich, nur noch zu staunen. »Richtig, Sir. Sie hatten es wahrscheinlich recht eilig. Ich wollte mich nur erkundigen, warum es seinerzeit in der Frankfurter Dienststelle zu gewissen Unerquicklichkeiten gekommen ist.«
»Ich verstehe kein Wort«, gab Sheridan leicht gereizt zurück. »Wollen Sie mir nicht endlich erklären, was das alles soll? Meine Zeit ist knapp bemessen.« »Die Namen Snyder, Farlers, Dolan oder Wilbur sagen Ihnen nichts?« »Nein, zum Henker…!« »Sie kennen auch nicht die Namen Richland oder Tipton?« »Zum Teufel, nein…! Was sollen diese verrückten Fragen?« »Mein Besuch ist bereits beendet, Sir«, erwiderte Josuah Parker in seiner höflichen, aber auch würdevollen Art. »Ich empfehle mich und möchte Sie um Entschuldigung dafür bitten, daß ich mir die Freiheit nahm, Ihre kostbare Zeit zu beanspruchen.« Bevor Haie Sheridan, der Weizenmakler, überhaupt begriff, was sich da vor seinen Augen abgespielt hatte, verließ Parker gemes senen Schrittes das Büro und schloß die Tür hinter sich…! * Gary Blaine, Anwalt und ebenfalls im Loop wohnend, war nicht weniger erstaunt, als Josuah Parker in seinem Büro auftauchte und seltsame Fragen stellte. Blaine war ein nervöser, gehetzter Mensch, der über keine Ge duld verfügte. Während Parker seine krausen Fragen stellte, fuhr der schlanke Mann sich wiederholt durch das Haar und paffte an seiner Zigarette herum. Er maß den Butler mit Blicken, die alles andere als liebenswürdig waren. Doch auch Blaine verneinte mehr unbewußt als gewollt alle Fra gen, die Josuah Parker ihm stellte. Erst als Parker auf den Privat detektiv Benny Morgan zu sprechen kam, wurde der Mann etwas unsicher. Er überdeckte das aber mit einem Wutausbruch und setzte den Butler wenig freundlich vor die Tür. Josuah Parker machte sich nichts daraus. Hauptsache, er hatte nun auch den zweiten Mann kennengelernt, dessen Name auf dem Schmierblock des Privatdetektivs niedergeschrieben worden war…! *
Mel Tetton war der dritte Mann auf der bewußten Liste. Parker führte sich mit seinem bewährten Wortschwall ein und ging dem Generalvertreter für Industriefette ebenfalls erfolgreich auf die Nerven. Nein, auch Mel Tetton wußte von nichts. Er war angeblich nie in Frankfurt gewesen, er kannte keine der Personen, deren Namen Parker nannte, und er lächelte zum ersten Mal, als der Butler auf den Privatdetektiv Benny Morgan zu sprechen kam. »Hat Morgan Sie etwa geschickt?« fragte er. Mel Tetton war et wa 1,75 Meter groß, schlank und wirkte gut durchtrainiert. Von der Ermordung des Privatdetektivs schien er nichts zu wissen. Das brauchte übrigens nichts zu bedeuten, denn die Zeitungen hatten darüber noch nicht berichtet. »Mr. Morgan hat mich nicht geschickt«, erläuterte Parker. »Er wäre dazu auch gar nicht in der Lage gewesen, denn er ist leider ermordet worden. Einige Kugeln beendeten frühzeitig und gegen seinen Willen sein Leben.« »Morgan ist erschossen worden?« Mel Tetton staunte und wurde unruhig. »Wenn meine Vermutungen zutreffen, dürfte er dem bewußten >Freitag-Killer< zum Opfer gefallen sein.« »Das ist doch. Ja, sagen Sie mal, wer sind Sie denn eigentlich? Der Polizei gehören Sie doch ganz bestimmt nicht an, oder?« »Ich bin Amateurkriminalist«, untertrieb Parker in seiner be scheidenen und zurückhaltenden Art. »Ich greife rätselhafte und komplizierte Verbrechen auf und führe sie einer mehr oder weni ger deutlichen Klärung zu.« »Sie… Sie sind Privatdetektiv?« »Ich besitze allerdings eine Staatslizenz, Sir, doch von ihr ma che ich nur höchst selten Gebrauch. Ich bin der Ansicht, daß man mit und in Gesprächen mehr erfahren kann, als offiziell aufzutre ten und lästig zu fallen.« »Sie sind also zu mir gekommen, weil Sie vermuten, daß ich etwas von dieser Ermordung wissen könnte?« »Sie sagen es, Sir…!« »Und woher wissen Sie überhaupt meinen Namen?« »Vor dem Eintreffen der Polizei war ich in Mr. Morgans Büro.« »Also, bei mir sind Sie an der falschen Adresse, Mr. Parker.« Mel Tetton lächelte amüsiert. Er hielt nicht viel von Parker. »Zu Ihrer Orientierung, mein Bester. Morgan holte für mich Erkundi
gungen über einen Geschäftspartner ein. Nicht mehr und nicht weniger.« »Sehr bedauerlich, Sir, und ich dachte schon, endlich eine Spur gefunden zu haben.« »Hoffentlich kommen Sie darüber hinweg.« Mel Tetton lachte nun lauthals. Parker war aber auch wirklich zu komisch. »Ich werde mich ehrlich darum bemühen, Sir. Darf ich mich nun empfehlen?« »Warten Sie, ich bringe Sie zur Tür. Und wenn ich mal was zu ermitteln haben sollte, werde ich mich vertrauensvoll an Sie wen den, einverstanden?« »Es wird mir eine Ehre sein, für Sie arbeiten zu können, Mr. Tetton.« Parker schwenkte seine schwarze, steife Melone und verließ das Büro des Vertreters für Industriefette. Nachdem er das große Bü rohaus verlassen hatte, setzte er sich in sein hochbeiniges Mon strum und fuhr zurück zur Dachgartenwohnung. Während der Fahrt wertete er die drei Gespräche aus. Es gab einige Dinge, die genau beurteilt werden mußten! * »Dieser verdammte Schnüffler«, schimpfte der »Freitag-Killer« in sich hinein. Er war wieder allein in seinem Büro. Er konnte sich gehenlassen und brauchte sich nicht mehr zu verstellen. Weiß doch der Henker, wie er hierher geraten ist. Sollte Morgan vor seiner Ermordung doch noch eine Möglichkeit gehabt haben, Hin weise zu verstecken? Falls ja, dann sind sie nicht hundertprozen tig eindeutig. Parker fühlte nur vor, Details kennt er nicht. Amateurkriminalist nennt er sich. Das kann nichts anderes als Angabe sein. Ich wette, er ist ein aufgeblasener Trottel, der mich aufs Glatteis führen will. Aber nicht bei mir! Zweimal entwischte er mir bereits. Ein drittes Mal wird ihm das nicht gelingen. Der »Freitag-Killer« überlegte, während er in seinem Büro auf und ab wanderte. Er fühlte sich zwar immer noch überlegen, doch er wußte, daß er ab sofort noch vorsichtiger sein mußte. Vielleicht läßt dieser Parker mich beobachten, sagte er sich. Kleinigkeit, wenn ich Richland und Tipton noch umbringen will…
Woher mag er von diesen beiden Leuten wissen? Nur Morgan kann ihm das zugesteckt haben. Wie mag der Mann das nur ge schafft haben? Ich kam doch völlig überraschend zu ihm ins Büro und schoß ihn nieder. Er hatte doch gar keine Zeit, irgendwelche Mitteilungen zu verstecken? Oder tat er das, als ich meine Akten tasche öffnete, um Morgan angeblich neue Unterlagen zu überrei chen? Der »Freitag-Killer« wußte es nicht mit Sicherheit zu sagen. Im Grund war es auch vollkommen gleichgültig. Tatsache war, daß Josuah Parker Bescheid wußte. Es wird höchste Zeit, daß ich gegen ihn vorgehe, sagte sich der Mörder. Die Polizei habe ich bisher in die Irre führen können, doch dieser Parker hat es geschafft, mich ins Visier zu bekom men. Aber nicht mehr lange! Er weiß zuviel. Er kennt die beiden letzten Opfer, die auf meiner Liste stehen. Er weiß von Richland und Tipton. Er weiß auch, daß damals in Frankfurt Dinge passierten, die zu den Droh- und Er presserbriefen führten, die ich hier in Chikago erhalten habe. Noch in dieser Nacht muß ich Richland und Tipton ausschalten. Ist das geschafft, kann mich kein Mensch mehr hochnehmen. Ich muß jetzt alles auf eine Karte setzen! Leutnant Trunks kam zu spät. * Unter Einschaltung all seiner Mittel war es ihm gelungen, Tipton zu finden. Leider hatte das aber viele Stunden gedauert. In einer riesigen Stadt wie Chikago hatte diese Suche wertvolle Zeit geko stet. Nun stand er vor der Leiche des schmalen, unauffällig aus sehenden Mannes, der erdrosselt worden war. Der sattsam be kannte Henkerstrick lag um den Hals des Ermordeten. Trunks wußte genau, daß es nicht seine Schuld war, daß der »Freitag-Killer« erneut hatte zuschlagen können. Und dennoch, der Detektivleutnant sprach sich nicht ganz davon frei. »Wann ist der Mord entdeckt worden?« fragte er Sergeant Ponds. »Vor einer knappen halben Stunde, Sir. Ich ließ Sie sofort in formieren.«
»Die Handschrift ist unverkennbar«, sagte Trunks. »Mir bricht der Schweiß aus, wenn ich daran denke, daß ich auch Richland noch nicht gefunden habe.« »Richland? Wer ist das, Sir?« Sergeant Ponds beugte sich neu gierig vor. »Wenn mich nicht alles täuscht, das nächste und letzte Opfer des >Freitag-Killers<«, erwiderte Leutnant Trunks. »Aber finden Sie mal einen Einwohner hier in Chi, der Richland heißt. Die gibt es wie Sand am Meer.« »Sie glauben, der >Freitag-Killer< würde noch mal zuschla gen?« »Mit Sicherheit, Ponds! Es ist zum Verzweifeln. Mir sind die Hände gebunden. Allein im Telefon- und Adreßbuch stehen über 120 Richlands, ganz zu schweigen von den Personen, die weder Telefon besitzen noch im Adreßbuch verzeichnet sind.« »Könnte man nicht über die Regionalsender eine allgemeine Warnung durchgeben, Sir?« »Daran habe ich auch schon gedacht, Ponds. Aber stellen Sie sich die Panik vor, die ich mit solch einer Durchsage auslösen würde. Die Stadt stünde doch glatt köpf.« »Sir, es geht um ein Menschenleben!« »Und ob ich das weiß, Ponds! Ich zerbreche mir den Kopf dar über, wie ich es anfangen soll, diesen einen, ganz bestimmten Richland zu warnen.« Während Trunks redete, sah er sich in der kleinen Wohnung des erdrosselten Tipton näher um. Im Wohnraum deuteten Bilder und Souvenirs darauf hin, daß Tipton in Westdeutschland gedient ha ben mußte. »Ponds, irgendwo muß er seine Entlassungspapiere haben«, rief Trunks seinem Sergeanten zu, »los, suchen wir alles durch, viel leicht haben wir Glück und finden sogar einen Hinweis auf Rich land. Nach Parkers Theorie müssen die Opfer sich untereinander alle gekannt haben. Beeilen wir uns!« Die beiden Detektive machten sich sofort an die Arbeit. Wäh rend die Mitglieder der Mordkommission sich mit dem Toten be faßten, suchten Trunks und Ponds nach Spuren. Leutnant Trunks hatte schon bald Erfolg. Er fand die Entlas sungspapiere des Toten. Aus ihnen ging eindeutig hervor, daß der Tote wirklich in Frankfurt gedient hatte.
Der Verdacht verdichtete sich. Parker schien auf der richtigen Spur zu sein. Leutnant Trunks war nachträglich froh, sich an Par ker und Anwalt Rander gewandt zu haben. »Hier, Sir, vielleicht können Sie damit etwas anfangen?« Serge ant Ponds Stimme zitterte vor Erregung. Er drückte seinem Chef einige Fotos in die Hand. »Sie sollten sich die Rückseiten anse hen, Sir. Der Name Richland ist darauf wiederholt zu finden.« »Geben Sie her, Ponds.« Leutnant Trunks sah sich die Widmungen und Zeilen auf den Rückseiten der Fotos genau an. Er brauchte nur wenige Minuten, um zu begreifen. »Das ist ein toller Zufall«, rief er aus. »Richland hat die Schwe ster Tiptons geheiratet. Weitersuchen, Ponds! Jetzt kann es doch nicht schwer sein, die Adresse Richlands zu finden. Ich laufe run ter in die beiden Geschäfte. Vielleicht kann man mir dort einen Hinweis geben.« Trunks rannte ins Treppenhaus, stieß einen uniformierten Polizi sten zur Seite und polterte die Treppen hinunter. Es ging um jede Sekunde, denn der »Freitag-Killer« war am Werk. Ließ man ihm zuviel Zeit, brachte er sein letztes Opfer zur Strecke. Ponds verdoppelte seine Anstrengungen. Genau hatte Trunks ihn zwar nicht eingeweiht, doch er hatte begriffen, daß ein Mord verhindert werden mußte. In fliegender Hast, ohne in seiner Gründlichkeit aber nachzulassen, durchsuchte er Schubladen, Schränke und Wandborde. Er blätterte gerade vergilbte Brief schaften durch, als er seinen Namen hörte. »Sir!« Er rief laut zurück, rannte ebenfalls ins Treppenhaus und beugte sich über das Geländer. »Schnell, Ponds, ich kenne die Adresse«, brüllte Trunks hinauf. »Wir brauchen nur ein paar Straßen weiter zu fahren. Richland wohnt ganz in der Nähe!« * Als es dunkel geworden war, bot Parker sich dem Mörder als Ziel an. Risiken dieser Art scheute Parker nie. Schon oft hatte dieser Trick Erfolg gehabt. Ob es auch an diesem Abend klappen würde, stand auf einem anderen Blatt. Parker wußte ja längst, daß er es
nicht mit einem durchschnittlichen Gangster zu tun hatte. Der »Freitag-Killer« war kein geistesgestörter Mörder, sondern ein intelligenter Mann, der seine Chancen blitzschnell wahrnahm. Parker hatte sich entschlossen, zu Fuß zu gehen. Um es dem Mörder leicht zu machen, suchte er besonders stille Straßen auf, die zu einer schnellen Tat förmlich einluden. Der Butler war natürlich weder leichtsinnig noch hegte er selbstmörderische Gedanken in seiner Brust. Er war keineswegs lebensmüde. Entsprechend waren daher auch seine speziellen Vorbereitungen. Unter seiner Weste trug er eine schußsichere Panzerjacke, die Schüssen aus nächster Nähe standhielt. Die schwarze, steife Melone war ja ohnehin mit widerstandsfä higem Stahlblech gefüttert und vermochte selbst starke Schläge mit dumpfen oder spitzen Gegenständen auszugleichen. Schließlich hatte Parker sich auch recht gut bewaffnet. Er trug nicht nur seinen vorsintflutlichen, alten Colt aus der Goldgräber zeit, mit dem er so ausgezeichnet zu schießen vermochte. Zu sätzlich führte er eine handliche Wasserspritzpistole mit, die man in Spielwarengeschäften kaufen kann. Diese Spritzpistole enthielt selbstverständlich kein Wasser, sondern eine chemische Flüssig keit, die mit normalen Mitteln kaum von Kleidung oder Haut ab zuwaschen war. Schließlich und endlich hatte Parker sich noch mit seiner Gabel schleuder ausgerüstet. Mit diesem wirkungsvollen Instrument verschoß er je nach Lage entweder getrocknete Erbsen oder Blei körner. In besonders gelagerten Fällen genierte er sich nicht, auch gefiederte Bolzen durch die Luft zu schicken. Diese seltsame Waffe, die man meist in Kinderhand findet, hatte den großen Vor teil, völlig lautlos zu sein. Sein Angebot an den Mörder wurde allerdings nicht beachtet. Wenigstens gewann Parker diesen Eindruck. Nach einem längeren Fußmarsch durch dunkle und finstere Straßen hatte er sich den Randbezirken des Loops genähert, in die die Polizei grundsätzlich nur Doppelstreifen schickte. Falls der »Freitag-Killer« ihm also auf den Fersen war, hatte der Mörder reichlich Gelegenheit, sich mit dem Butler anzulegen. Doch genau das traf nicht zu. Ungescho ren lustwandelte Parker durch die Straßen, lauschte vergeblich auf verdächtige Schritte hinter sich und störte sich nicht an den meist hämischen Bemerkungen gelangweilter Eckensteher, die sich an Parkers Melone und an seinem Regenschirm stießen.
Der Mörder ist vorsichtiger, als ich dachte, überlegte Parker. Er riskiert es nicht, mir gegenüberzutreten, ja, er scheut sogar das Risiko, mich rücklings anzufallen. Er muß mit der Möglichkeit rechnen, daß ich sein Gesicht sehe. Und da meiner Ansicht nur die drei prominenten Männer Haie Sheridan, Gary Blaine und Met Tetton als Täter in Betracht kommen, würde ich das Gesicht des Killers also sofort identifizieren können. Für den Butler gab es keinen Zweifel, daß einer dieser drei Männer der gesuchte Mörder war. Der Schmierblock des ermorde ten Privatdetektivs Morgan war ein Hinweis, den man einfach nicht übersehen durfte. Nach einem fast anderthalbstündigen Fußmarsch entschloß sich Parker zur Heimkehr. Mit dem Erscheinen des Gangsters war nun nicht mehr zu rechnen. Gemessenen Schrittes spazierte der But ler zurück zum Lincoln Park, wo sich die Wohnung seines jungen Herrn befand. Um nun keine unnötige Zeit zu verlieren, benutzte er alle Abkürzungen, die ihm bekannt waren. Dazu gehörte auch eine Straße, die zu beiden Seiten von hohen, glatten Ziegelmau ern begrenzt wurde. Er hatte diese Straße, die ihn fast an einen Hohlweg erinnerte, zur Hälfte hinter sich gebracht, als er hinter sich das Geräusch eines Autos wahrnahm. Parker blieb sofort stehen, drehte sich um und suchte nach die sem Wagen. Zu seiner Überraschung konnte er keine Wagenlich ter feststellen. Er wollte sich beruhigt abwenden und weitergehen, als er im letzten Augenblick die Silhouette eines schnell heranpreschenden Wagens entdeckte. Parker wußte, was die Glocke geschlagen hatte. Bisher hatte der Täter ihn aus sicherer Entfernung belauert, hatte Maß genommen und seine Chancen berechnet. Jetzt aber wollte der Mann zuschlagen. Eine bessere Möglichkeit bot sich ihm bestimmt nicht mehr. Parker saß in einer riesigen Falle, die zwar einen Ausweg bot, den er aber mit seinen Beinen niemals erreichen konnte, denn dazu war die Entfernung bis zur nächsten Querstraße doch zu groß. Josuah Parker hätte natürlich schießen können. Schließlich be saß er ja einen Colt. Doch durfte er das tun? Noch wußte er ja nicht, ob er es wirklich mit dem Mörder zu tun hatte. Seine Schüsse hätten auch einen unverdächtigen Fahrer treffen können,
der nur vergessen hatte, die Scheinwerfer seines Wagens einzu schalten. Viel Zeit blieb Parker nicht, er mußte sich entscheiden. Plötzlich flammten die Wagenscheinwerfer grell auf. Parker schloß wider seinen Willen geblendet die Augen. Für Bruchteile von Sekunden ließ er sich von den weißen Lichtfingern festhalten. Dann aber kam Bewegung in ihn. Jetzt ging es um sein Leben. Die Scheinwerfer beleuchteten den Schacht einer Koksrutsche, die unterhalb der Mauer in der Dunkelheit verschwand. Mit einem verwegenen Hechtsprung warf Parker sich auf das niedrige Schutzgitter, zauberte eine Art Bauchwelle hin, die jeden Turner vor Neid hätte erblassen lassen, und trudelte dann über die glat ten Bleche hinunter ins Dunkel. Mit den angewinkelten Beinen prallte er gegen ein starkes Blech, das die Rutsche zum Keller hin verschloß. Parker hörte das Quietschen von Bremsen, die sehr hart getre ten wurden. Der Wagen stoppte, wahrscheinlich stieg der Fahrer aus, um seinen Überfall auf Parker zu vollenden. Der Butler stak in einer fürchterlichen Klemme, denn es war unmöglich, über die Rutsche wieder nach oben auf die Straße zu kommen. Es war ebenfalls unmöglich, das sperrende und hem mende Blech einzutreten. Parker wußte sich jedoch zu helfen. Nicht umsonst hatte er seinen altväterlichen UniversalRegenschirm mitgenommen. Während der Bauchwelle war es ihm gelungen, den Griff dieses Regenschirms am Gitter festzuhaken. Eine zähe, dünne Nylonschnur, die sein Gewicht ohne weiteres trug, verband ihn als eine Art Rettungsleine mit der Oberwelt. Schnell und geschmeidig wie eine Katze hangelte Parker sich über die sehr steile Rutsche wieder nach oben. Dicht unterhalb des Gitters blieb er hocken und wartete auf seinen Gegner. Doch der war plötzlich nicht mehr zu hören. Eine unheimliche Stille lastete in der dunklen Gasse. Hatte der Mann Verdacht ge schöpft? Warum benutzte er keine Taschenlampe, warum leuch tete er nicht in den Schacht hinein? Parker glaubte zu wissen, warum der Mörder davon Abstand nahm. Er fürchtete wohl, von Parker angeschossen zu werden. Er wußte ja inzwischen, wie gefährlich und unberechenbar sein Op fer war.
Parker entschloß sich gerade vollends aufzutauchen, als er von einem sehr harten, birnenförmigen Gegenstand gestreift wurde, der durch den engen Schacht nach unten polterte. Der Butler schaltete augenblicklich. Ruckartig stemmte er sich ab, warf sich nach oben und kroch durch das Gitter auf die Straße. Er schob die Beine nach, krallte sich mit den behandschuhten Fingern an Erhebungen des Pfla sters fest, als unter ihm eine fürchterliche Detonation ertönte. Eine gewaltige Druckwelle warf seine Unterschenkel hoch. Schnel ler und konsequenter als alle Turnübungen es vermocht hätten, landete Parker auf dem Pflaster. Schnelle Schritte entfernten sich, wenig später heulte ein Motor auf. Mit abgeschalteten Scheinwerfern raste der Wagen durch die enge und dunkle Straße, um dann plötzlich zu verschwinden. Josuah Parker stand auf. Obwohl er ein Mensch war, der sich stets zu beherrschen wußte, war ihm nun doch der leichte Angst schweiß ausgebrochen. Nachträglich wußte er sehr wohl, was für ein Gegenstand im Schacht gelandet war. Es mußte eine Handgranate gewesen sein! Parker griff nach seinem Kugelschreiber, schaltete die feine Lichtspitze ein und leuchtete in die Koksrutsche hinunter. Ihn schauderte. Das solide Eisenblech, vor dem er gelandet war, exi stierte nur noch in langen Fetzen. Die Gewalt hatte es zerrissen und eingedrückt. Parker war der vollkommen richtigen Meinung, daß er sich eine seiner spezialangefertigten Zigarren redlich verdient hatte! * Der »Freitag-Killer« hielt sich in seiner elegant eingerichteten Wohnung auf. Auch er leistete sich eine Zigarre. Dazu trank er einen erstklassigen, ausgewählten Cognac. Der so seriös aussehende Mann hielt eine Art Siegesfeier ab. Nach dem Anschlag auf Parker glaubte er den größten und’ ge fährlichsten Störenfried beseitigt zu haben. Er glaubte fest daran, daß Parker der bewußten Handgranate zum Opfer gefallen war. Lächelnd saß der Mann in einem bequemen Sessel und zog Bi lanz. Bis auf Richland hatte er alle Personen beseitigen können, die ihm hätten gefährlich werden können. Unter diesen Opfern
mußte sich auch der Verfasser der Drohbriefe befinden. Es mußte schon ein eigenartiger Zufall sein, wenn Richland ausgerechnet der Mann war, der die Briefe bisher geschrieben hatte. Sie haben mich nicht kleingekriegt, überlegte der Mörder. Er nahm einen Schluck Cognac und spürte die wohlige Wärme in seinem Magen. Ich bin methodisch vorgegangen und habe mich meiner Haut gewehrt. Dieser Parker war gefährlich. Ob das, was nach der Detonation von ihm übrig geblieben ist, zur Identifizie rung reichen wird? Wie konnte dieser Trottel sich auch ausge rechnet in diesen Schacht hineinflüchten? Aber war ihm ein ande rer Ausweg geblieben? So oder so, ich hätte ihn erwischt. Noch mal wäre er mir bestimmt nicht entkommen. Fehlt nur noch die Nachricht von Ralph Porter, sagte er sich. Soll ich ihm die restlichen 5000 Dollar geben? Der »FreitagKiller« pfiff im Grund auf die Abmachung. Aber vielleicht war es richtiger, sinnierte er weiter, Porter nicht zu verärgern. Er wird von sich aus keine Nachforschungen nach mir anstellen. Es ist wohl besser, ich zahle ihn aus und stopfe ihm damit den Mund. Zudem muß ich noch mal Kontakt mit ihm aufnehmen, um zu erfahren, was sich in Joliet abgespielt hat. Der »Freitag-Killer« zuckte zusammen, als die Türklingel sich meldete. Wer kam um diese Zeit noch an die Tür? Das war doch unge wöhnlich! Langsam stand der Mann auf, vergewisserte sich, daß er seinen Revolver griffbereit in der Tasche hatte und ging zur Tür. Er umklammerte die Waffe in seiner Tasche, als er die Tür entriegelte und spaltbreit öffnete. »Eilpost für Sie, Sir!« Ein Telegrafenbote reichte ihm einen Brief und bat um Bestätigung. Der Mörder schnappte unwillkürlich nach Luft. Er riß sich nur mühsam zusammen. Er quittierte den Eilbrief, drückte dem Boten ein viel zu hohes Trinkgeld in die Hand und warf die Tür hinter sich zu. Auf dem Weg zurück in den Salon riß er mit nervösen Händen den Brief auf. Betroffen blieb er stehen. Jawohl, es war wieder einer dieser verdammten Drohbriefe! Diesmal forderte der Verfasser eine erste Schweigesumme von sage und schreibe 10.000 Dollars, zahlbar am nächsten Tag! Der Mörder starrte auf die Zeilen und schluckte. Eine Art Schwäche erfaßte ihn.
Soll denn, zum Teufel, alles umsonst gewesen sein, murmelte er. Ich habe doch jeden aus dem Weg geräumt, der von der da maligen Geschichte gewußt haben kann. Oder sollte Richland tat sächlich derjenige sein, der mich ans Messer liefern will? Der Mann zuckte noch mal zusammen, als das Telefon sich mel dete. Hing dieser Anruf etwa mit dem Brief zusammen, den er gerade erhalten hatte? Mit schleppenden Schritten ging er ans Telefon und nannte sei nen Namen, unter dem er in Chikago lebte. »Ich hör’ schon, daß Sie den Brief bekommen haben«, antwor tete eine neutrale Stimme. »Lassen Sie sich nur nicht aus der Ruhe bringen. Inzwischen müßten Sie sich eigentlich ausgetobt haben. Wenn Sie nicht so spuren, wie ich will, lasse ich Sie zu sätzlich noch wegen etlicher Morde hochgehen! Halten Sie die Scheine bereit! Ich werde Sie morgen anrufen und Ihnen sagen, wie ich sie holen werde. Bis dahin…!« Es knackte in der Leitung. Der »Freitag-Killer« starrte auf den Hörer, um ihn dann ganz langsam und sanft zurück auf die Gabel zu legen! * »Während meiner Abwesenheit haben Sie sich ja ganz schön betätigt«, meinte Anwalt Mike Rander und schüttelte den Kopf. »Er hat eben ein sagenhaftes Glück«, schaltete sich Leutnant Trunks grinsend ein. »Eigentlich müßte Parker längst tot sein. Ich habe mir den Koksschacht aus der Nähe angesehen. Die Rutsche ist restlos zerfetzt worden.« »Beschämt muß ich gestehen, Sir, daß ich wohl etwas unacht sam gewesen bin«, entschuldigte sich Parker bei seinem jungen Herrn. »Es soll möglichst nicht mehr geschehen.« »Ich bin heilfroh, daß Sie leben, Parker, zumal ich Neuigkeiten mitbringe.« »Darauf bin auch ich gespannt, Rander.« Trunks setzte sich zu recht. Er war Gast in der Dachwohnung des Straf Verteidigers. »Parkers Vermutung hat sich als richtig erwiesen«, berichtete Mike Rander. »Alle bisher ermordeten Personen arbeiteten seiner zeit in einer CIA-Dienststelle in Frankfurt, Western Germany. Ein gewisser Walt Dearborn war der Leiter dieser Dienststelle. Sein
Fahrer war Bart Snyder, der in Joliet im Spital liegt. Die ermorde ten Frauen Liz Farlers, Ann Dolan und Elsa Wilbur arbeiteten dort entweder als Sekretärinnen oder im Büro. Tipton und Richland waren im Archiv und im Außendienst beschäftigt. In Washington sagte man mir selbstverständlich nicht, welche Aufgaben die damalige Dienststelle zu erledigen hatte, im Mo ment dürfte das auch kaum eine Rolle spielen. Wir können froh sein, überhaupt einige Tips bekommen zu haben. Wichtiger aber ist, daß diese Dienststelle praktisch über Nacht aufgelöst wurde. Walt Dearborn, der Chef der Agentur, starb un ter sehr rätselhaften Umständen. Irgendein Mordbeweis konnte niemals geführt werden. Vor Dearborns Tod aber kam es in der Dienststelle zu Unstim migkeiten. Dearborns Vorgesetzte erhielten anonyme Briefe, aus denen hervorging, Dearborn arbeitete auch für den Gegner, er habe sich kaufen lassen und täusche seine Vorgesetzten. Dearborn konnte nicht mehr dazu gehört werden, denn wie ge sagt, er starb überraschend. Auch ein Selbstmord konnte ihm nicht angekreidet werden. Herzschwäche, fanden die Ärzte her aus. Mehr ist dazu nicht zu sagen.« »Komische Geschichte«, erklärte Leutnant Trunks und schüttel te den Kopf. »Wo steckt da denn der Sinn?« »Natürlich sind Dearborns Vorgesetzte den Dingen nachgegan gen.« Mike Rander berichtete weiter. Seinem Gesicht war anzu sehen, daß er noch weitere Tatsachen anführen konnte. »Das gesamte Personal der Dienststelle wurde eingehend verhört. Da bei stellte sich heraus, daß die Personen Snyder, Farlers, Dolan, Wilbur, Tipton und Richland, die seinerzeit zur zweiten Schicht gehörten, übereinstimmend von einem Streit berichteten, den Dearborn mit einem Außenagenten gehabt hatte.« »Wenn ich richtig vermute, Sir, dürfte das unser >FreitagKiller< sein.« Josuah Parker mischte sich zum erstenmal ein. »Richtig, Parker…! Dieser Mann hieß Latimer Allen. Moment, bit te nicht triumphieren, Trunks, denn es handelt sich um einen Tarnnamen, der uns leider gar nichts sagt.« »Oder doch«, warf Leutnant Trunks ein. »Doch erzählen Sie erst mal weiter…!« »Dieser Latimer Allan also stritt sich mit seinem Chef Dearborn herum. Um was es ging, wissen wir nicht, denn Aufzeichnungen konnten nach Dearborns Tod leider nicht gefunden werden. Und
die bewußten Personen, die von dem Streit wußten, kannten die Gründe und Einzelheiten nicht.« »Was ist aus jenem Mr. Latimer Allan geworden?« erlaubte sich Parker zu fragen. »Er verschwand von der Bildfläche. CIA-Agenten verfolgten sei ne Spur bis zum Frankfurter Flughafen. Er nahm eine Maschine nach New York und tauchte dann unter. Man hat nie wieder von ihm gehört.« »Das ist unser Mann«, platzte Leutnant Trunks heraus. »Ob Sie’s glauben oder nicht, Rander, der Name dieses Latimer Allan ist mir bekannt.« »Wieso…?« »In Joliet haben Kollegen einen Berufsgangster namens Ralph Porter festgenommen, als er Mrs. Snyder umbringen wollte. Die Überrumpelung klappte reibungslos. Porter stritt zuerst alles ab, wollte niemals einen Mord geplant haben. Aber die Tatsachen sprachen gegen ihn. In die Enge getrieben, berief er sich plötzlich auf einen Latimer Allan. Dieser Allan habe ihn beauftragt Mrs. Snyder zu besuchen. Mehr gibt Porter nicht zu, doch er nannte den Namen Latimer Allan. Das beweist doch, daß dieser ehemali ge Außenagent Dearborns lebt und tätig ist. Parker sieht’s richtig, Latimer ist der >Freitag-Killer<.« »Man müßte Porter sehr nachdrücklich auf den Zahn fühlen. Er muß doch wissen, wie sein Auftraggeber aussieht.« Mike Rander sah den Detektivleutnant erwartungsvoll an. »Versuchen kann man es ja«, antwortete Trunks. »Aber viel verspreche ich mir nicht davon. Gibt Porter diesen Latimer preis, wird Allan, falls verhaftet, Porter ans Messer liefern. Das weiß Porter, also wird er den Mund halten.« »Könnte man Porter nicht zum Kronzeugen berufen?« fragte Jo suah Parker. »Man müßte ihm bedeuten, daß Latimer Allan, sein Auftraggeber, ein Massenmörder ist.« »Und was ist Porter? Ein Berufsgangster, Parker…! Porter wird schweigen, nur so kann er seine Haut retten. Vergessen Sie nicht, daß er ja nicht auf Mrs. Snyder zielte oder sie anschoß…! Er traf auf eine Kollegin von der weiblichen Kriminalpolizei…! Porter wird sehr wahrscheinlich sogar gegen Kaution freigelassen werden müssen. Daran ist nichts zu ändern.« » Stimmt, Trunks…! Beweisen kann man Porter gar nichts. Man könnte ihn nur indirekt auf diesen Latimer Allan hetzen und ihm
einhämmern, er sei von ihm verpfiffen und in eine Falle gelockt worden. So unter dem Motto, Allan habe ihn der Polizei als Sün denbock anbieten wollen. Vielleicht gerät Porter dann in Rage und stellt Latimer Allan zur Rede.« »Das wäre eine Möglichkeit«, räumte Leutnant Trunks ein. »Viel dürfen wir uns davon aber nicht versprechen, Porter ist nämlich kein Anfänger. Er wird sich hüten, noch mal ins Blickfeld der Poli zei zu geraten.« »Sir, darf ich fragen, ob von diesem Mr. Allan ein genaues Si gnalement und Fingerabdrücke vorliegen?« »Natürlich, die sind vorhanden…!« »Ausgezeichnet«, freute sich Trunks und rieb sich die Hände. »Dann kommen wir doch voran, Rander. Wir brauchen uns von den drei verdächtigen Männern doch nur Vergleichsabdrücke zu besorgen. Das dürfte nicht sehr schwer sein. Zur Not können wir die uns auch illegal besorgen.« »Sie werden ein Haar in der Suppe finden, Trunks…!« Mike Rander zog ein bedauerndes Gesicht. »Ich ahnte es bereits«, erwiderte Trunks. »Latimer Allan ist ein gerissener Bursche gewesen. Erst wäh rend meines Besuchs in Washington ist man dahinter gekommen, daß die Latimer-Allan-Fingerabdrücke mit denen Dearborns iden tisch sind. Allan hat es verstanden, seine eigenen Abdrücke zu unterschlagen.« »Hat Allan Wehrdienst abgeleistet?« »Sie denken jetzt daran, daß die GIs ihre Fingerabdrücke hin terlegen mußten?« »So ist es doch, jeder amerikanische Bürger, der Wehrdienst absolviert, muß seine Fingerprints hinterlegen.« »Stimmt haargenau, doch auch diese Abdrücke stimmen nicht. Latimer Allan, um bei diesem’ Namen zu bleiben, hat auch die gefälscht. Diese Abdrücke wiederum sind identisch mit denen eines vollkommen harmlosen Burschen, der zudem leider noch in Italien gefallen ist. Auch das ist erst während meines Besuches festgestellt worden.« »Kaum zu glauben«, stöhnte Trunks. »Aber durchaus möglich, wenn man es von Anfang an auf solch eine Täuschung angelegt hat. Ein raffinierter Bursche schafft das schon. Und vergessen Sie nicht, damals war Krieg. Zuviel unge schultes Personal befaßte sich mit der Registrierung. Solche Leute
konnte man schon mal düpieren. Latimer Allan dürfte immerhin schon damals ein Fachmann gewesen sein.« »Demnach sitzen wir also fest«, unkte Leutnant Trunks. »Soweit würde ich nicht gehen«, tröstete Mike Rander sein Ge genüber. »Vergessen wir doch nicht, daß sowohl Snyder als auch Richland diesen Latimer Allan kennen. Sie werden ihn identifizie ren.« »Gut, daß ich Richland in Sicherheit bringen ließ«, meinte Trunks erleichtert. »Ich wundere mich noch jetzt darüber, daß der >Freitag-Killer< ihn nicht sofort nach Tipton umbrachte.« »Latimer Allan, wie der Mörder mal hieß, wird vorsichtig gewor den sein«, sagte Mike Rander. »Er hielt es wohl für wichtiger, Parker umzubringen.« »Snyder und Richland also könnten den Mörder identifizieren«, faßte Trunks noch mal zusammen. »Es fragt sich, warum dieser Allan nach so vielen Jahren zuschlägt und ausgerechnet die Per sonen der Nachtschicht umbringt.« »Er befürchtet wohl, Sir, diese Leute könnten etwas gesehen oder gehört haben.« »Das müßte er doch die ganze Zeit über befürchtet haben.« »Richtig, Trunks, und falls ihm einer von diesen Leuten über den Weg gelaufen ist, hätte er doch nur diese eine Person umge bracht und nicht alle…« »Der Mörder, Sir, dürfte meiner bescheidenen Ansicht nach an onym erpreßt werden«, warf Josuah Parker ein. »Da der Mörder nicht weiß, von wem er erpreßt wird, betätigt er sich als Massen mörder. Und der Privatdetektiv Benny Morgan mußte ihm alle Adressen herbeischaffen.« »Nur so kann es sein«, pflichtete Mike Rander seinem Butler bei. »Drei Männer stehen als Täter auf unserer Liste, Haie Sheri dan, Gary Blaine und Mel Tetton! Wer ist der gesuchte >FreitagKiller Wer von diesen drei Männern war in Frankfurt und wer nannte sich Latimer Allan?« »Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich mich der Beantwortung die ser so durchaus wichtigen Frage mit aller Energie widmen«, er klärte Josuah Parker in seiner gemessenen und höflichen Art. »Und wie sollen Sie das anstellen?« »Sehr einfach«, knurrte Leutnant Trunks. »Ich werde Richland aus dem Versteck holen und mit ihm offiziell vor Sheridan, Blaine
und Tetton aufkreuzen. Dann muß Latimer Allan Farbe beken nen.« »Was soll Richland denn bezeugen?« fragte Mike Rander. »Er soll uns sagen, wer von diesen drei Männern Latimer Allan ist.« »Na und…?« Mike Rander grinste. »Würde das zu einer Anklage reichen, wäre das ein Beweis dafür, daß Latimer Allan gleichzeitig auch der >Freitag-Killer< ist?« »Verdammt, nein!« Trunks nickte und kratzte sich den Kopf. »Wir würden den Mörder nur warnen und ihm zeigen, daß wir auf der richtigen Spur sind.« »Selbst Snyder weiß nicht, wie sein Angreifer ausgesehen hat«, führte Mike Rander weiter aus. »Richland weiß gar nichts, und die Toten können leider nicht mehr reden.« »Richtig, richtig, Rander! Also müßten wir uns einen raffinierten Trick ausdenken, oder?« »Erraten, Trunks, doch das überlassen wir am besten Parker. Der ist Spezialist in solchen Sachen…!« * Haie Sheridan verließ sein Büro, betrat den langen Korridorgang und beeilte sich, zum Lift zu gelangen. Das Lichtzeichen sagte ihm, daß der Lift auf dieser Etage stand. Er wollte ihn nicht ver säumen und keine Zeit verlieren. Der Weizenmakler zog die Tür mit der Milchglasscheibe auf und blieb wie erstarrt stehen. »Sie…?« stieß er mit erstaunt-gepreßter Stimme hervor. Josuah Parker, der im Lift stand, verbeugte sich höflich und lüf tete seine schwarze Melone. Er war wie immer untadelig angezo gen. Über dem linken Unterarm hing der Universal-Regenschirm. Seine Hände staken in schwarzen Zwirnhandschuhen. »Welch ein glücklicher Zufall«, begrüßte der Butler sein Gegen über. »Ich war gerade auf dem Weg zu Ihnen, Sir.« »Zu mir…?« »Richtig, Sir, doch ich sehe, daß Sie eine kleine Mittagspause einlegen wollen. Da möchte ich selbstverständlich nicht stören. Wenn Sie erlauben, fahre ich Sie hinunter ins Erdgeschoß.«
Haie Sheridan schluckte. Seine Augen verengten sich mißtrau isch. Immer wieder sah er den Butler an, als der Lift sich nach unten senkte. War er überrascht, daß Parker überhaupt noch leb te? Oder wunderte er sich nur darüber, daß dieser seltsame Mann ihn noch einmal sprechen wollte? »Ein wunderbarer Tag heute«, stellte Parker freundlich fest. »Ohne aufdringlich erscheinen zu wollen, Sir, ist Ihnen ein gewis ser Richland bekannt?« »Keine Ahnung«, stieß Sheridan gereizt hervor. »Mr. Richland arbeitete vor Jahren in einer Frankfurter Dienst stelle«, führte Parker weiter aus. »Sie wissen, ich erkundigte mich bereits schon einmal danach, ob Sie in Frankfurt gearbeitet haben. Durch einen jener Zufälle, ohne die auch der tüchtigste Mann nicht auskommt, stieß ich auf jenen Mr. Richland, der mei ner Theorie zufolge wissen muß, wie der berüchtigte >FreitagKiller< aussieht.« »Warum erzählen Sie mir das…?« schnaufte Sheridan wütend. »Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe! Ich verbitte mir in Zukunft jede Belästigung! Das ist mein letztes Wort! Scheren Sie sich endlich zum Teufel!« »Ihre Anregung werde ich freundlichst aufgreifen«, erwiderte Josuah Parker, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. »Viel leicht fügt es ein glücklicher Zufall, daß wir uns dort erneut tref fen.« »Wo?« fragte Sheridan, und seine Stimme klang wie das Bellen eines Hundes. »Beim Teufel, Sir, wie Sie anzudeuten beliebten!« * Anwalt Gary Blaine hingegen kam von einem kleinen Imbiß zu rück in sein Büro, als er auf Josuah Parker stieß. Der nervöse, gehetzte Mann war wie vom Blitz getroffen, als Parker, der im Vorzimmer wartete, höflich aufstand und sich ver beugte. Gary Blaine schob den Kopf vor wie ein gereizter Stier. Er brauchte einige Sekunden, bis er sich wieder gefaßt hatte. Er mu sterte Parker eingehend, als wollte er sich vergewissern, daß kein Geist vor ihm stand.
»Ich sehe und spüre, daß Ihre Zeit sehr knapp bemessen ist«, stellte Josuah Parker fest. »Ich werde mich daher mit Ihrem freundlichen Einverständnis knapp und kurz fassen.« »Sie gehen mir auf die Nerven«, schnauzte Blaine. »Lassen Sie mich endlich in Ruhe.« »Selbstverständlich werde ich mich Ihren berechtigten Wün schen fügen«, erklärte Josuah Parker und griff nach seiner stei fen, schwarzen Melone, »wenngleich ich Sie nur fragen wollte, ob Ihnen ein gewisser Mr. Richland bekannt ist.« »Wer soll das sein?« »Ein Mann, der in Frankfurt in einer Dienststelle arbeitete. Die ser Mr. Richland dürfte wahrscheinlich den >Freitag-Killer< ken nen, über den alle Zeitungen zu berichten belieben.« »Was schert mich Richland, was interessiert mich der >FreitagKiller« Blaine schob sich die Collegemappe unter den Arm und ging auf die wattierte Tür seines Büros zu. Dort blieb er stehen und drehte sich nach Parker um. Nach kurzem Nachdenken ging er ein paar Schritte zurück und baute sich vor Parker auf. »Ich will Sie hier in meinem Büro nicht mehr sehen«, sagte er mit scharfer Stimme. »Ich habe das Gefühl, daß Sie mich in Din ge hineinziehen wollen, die mir schaden könnten.« »Welch eine unglückliche Verkennung meiner Absichten«, klagte der Butler und sah gramvoll aus. »Ich bin nur daran interessiert, einem Erpresser das Handwerk zu legen. Da ich jedoch ungelegen bin, sehe ich keinen Anlaß, mich näher zu erklären. Entschuldigen Sie meine Aufdringlichkeit, Sir!« . Josuah Parker wartete diesmal nicht ab, bis Anwalt Blaine antworten konnte. Der Butler verbeug te sich mit der Grandezza eines spanischen Granden und verließ das Wartezimmer. Er ließ einen nachdenklichen, aber auch wü tenden Mr. Blaine zurück… * Mel Tetton, Industriefette en gros, saß hinter seinem Schreib tisch und ging Briefe durch, die ihm die Sekretärin auf den Tisch gelegt hatte. »Ein Mr. Sturgess möchte Sie unbedingt sprechen«, sagte sie, »er wartet im Besuchszimmer.«
»Schicken Sie ihn ‘rein, aber stören Sie uns nach fünf Minuten«, ordnete Tetton gleichgültig zerstreut an. Der Name Sturgess sag te ihm nichts. Er sah nicht hoch, als der Besucher das Büro betrat. Mel Tetton versah die Schreiben erst mit seiner Unterschrift. Seufzend schob er die Unterschriftenmappe zurück, setzte sich zurück und wid mete sich seinem Besucher. »Parker…?« fragte er dann gedehnt und richtete sich steil in seinem Sessel auf. »In der Tat, Sir. Übrigens mein Kompliment, Sie haben sich meinen Durchschnittsnamen sehr gut gemerkt. Ich bedanke mich für diese Aufmerksamkeit.« »Ja, Parker, was ist los?« Mel Tetton stand auf, kam um den Schreibtisch herum und lächelte freundlich. Er schien sich plötz lich daran zu erinnern, wie seltsam humorig und skurril Parker war. »Ein toller Zufall, daß Sie ausgerechnet jetzt aufkreuzen, Parker.« »Wie darf ich diese Bemerkung auffassen?« erkundigte sich der Butler. »Ich versprach Ihnen doch, Sie bei Gelegenheit mal zu engagie ren«, setzte Tetton dem Butler auseinander. »Gerade jetzt brau che ich einen Privatdetektiv.« »Sehr freundlich, mich mit einer Aufgabe betrauen zu wollen, Sir.« »Ich brauche Erkundigungen über einen Kunden«, redete Mel Tetton weiter. »Der Mann scheint faul zu sein, genau weiß ich das natürlich nicht. Bevor ich ihn abfahren lasse, möchte ich genau wissen, was mit ihm los ist. Sie wissen ja, worauf es ankommt. Würden Sie diese Ermittlung für mich übernehmen?« »Ich werde mich bemühen, Sir. Dieser Künde heißt nicht zufäl lig, Richland?« »Richland…?« Mel Tetton sah Parker überrascht an. »Richland, Sir«, wiederholte Parker. »Ich habe vor wenigen Stunden erst Kontakt mit ihm aufnehmen können. Dieser Mann scheint ein veritabler Erpresser zu sein.« »Richland ist Ihr Problem«, antwortete Mel Tetton. »Mein Kunde heißt anders. Einzelheiten werde ich Ihnen telefonisch durchge ben. Ich kann Sie doch erreichen, ja?« »Meine Visitenkarte, wenn Sie gestatten…!« Josuah Parker griff in seine Westentasche und zauberte eine schmale Karte hervor.
Er legte sie auf Tettons Schreibtisch. »Ich stehe jederzeit zu Ihrer Verfügung, Sir. Schade nur, daß der faule Kunde nicht Richland heißt, das hätte die Dinge für mich doch wesentlich vereinfacht.« »Tut mir leid, ich verstehe kein Wort. Sie sind schon ein verflixt ulkiges Haus, Parker. Na, ich habe Sinn für Humor, mein Lieber. Also, ich werde Sie anrufen.« »Ich möchte mich bereits im voraus bedanken«, antwortete Jo suah Parker und schwenkte grüßend seine schwarze Melone. Mit der unnachahmlichen Würde eines Herzogs verließ er das Privat büro des Kaufmanns für Industriefette. Mel Tetton schüttelte den Kopf, als er zurück zum Schreibtisch ging. Sein Lächeln war etwas dünn und durchscheinend gewor den… * In der Dachgartenwohnung Mike Randers angekommen, begab Josuah Parker sich sofort in seine Räume. Genauer gesagt, er schloß sich in seiner erstklassig eingerichteten Dunkelkammer ein und entfernte dort die kleine Miniaturkamera aus seinem Mantel revers. Er schraubte den Fernauslöser ab und zog ihn aus der Weste hervor. Der Auslöser endete in seiner Manteltasche. Parker war auf die Aufnahmen gespannt. Bevor er zum Großan griff auf den »Freitag-Killer« startete, wollte er zumindest he rausbekommen, wer von den drei fotografierten Männern mit La timer Allan identisch war. Der Butler arbeitete schnell und geschickt. Er hätte jeden Be rufsfotografen beschämt, so schnell ging ihm alles von den Hän den. Es dauerte nur eine knappe halbe Stunde, bis die fast ge trockneten Abzüge vor ihm lagen. Haie Sheridan, Gary Blaine und Mel Tetton waren auf diesen Abzügen gestochen scharf und deutlich zu erkennen. Bart Snyder und Richland mußten den früheren Latimer Allan auf Anhieb er kennen, falls einer der drei abgebildeten Personen tatsächlich mit dem verschwundenen CIA-Agenten identisch war. Parker ging noch einen Schritt weiter. Er fertigte Vergrößerun gen an, sortierte sie und steckte sie in seine Brieftasche. Es war bereits dämmrig, als er die Dunkelkammer verließ und sich in den Wohnräumen der Dachgartenwohnung sehen ließ.
Mike Rander war noch nicht zurückgekehrt. Parker setzte sich an den Schreibtisch des Anwalts und verfaßte eine Hausmittei lung. Aus ihr ging hervor, daß Parker die Nachtstunden dazu be nutzen wollte, nach Joliet zu fahren. Er wollte dem angeschosse nen Bart Snyder die Fotos der drei Männer vorlegen und heraus bekommen, wer nun Latimer Allan war. Parker stand gerade auf und wollte hinaus in die Diele gehen, als sich das Telefon meldete. Zuerst dachte der Butler an seinen jungen Herrn. Doch als er den Hörer in der Hand hatte, meldete sich die lärmende Stimme Mel Tettons. »Ich hoffe, ich kann etwas für Sie tun«, sagte Parker, nachdem er seinen Namen genannt hatte. »Und ob Sie was für mich tun können, mein Bester. Wenn Sie Zeit haben, sollten wir uns in der Riffle Street unten am Hafen treffen. Ich glaube, daß ich einem ausgemachten Schwindel auf der Spur bin. Ohne Zeugen möchte ich aber nichts unterneh men.« »Ich stehe selbstverständlich zu Ihrer Verfügung, Sir.« »Ausgezeichnet, dann treffen wir uns in zwanzig Minuten in der Riffle Street. Ich warte auf Sie vor Lemon’s Nachtklub, ist gar nicht zu verfehlen.« »Auch Sie werden mich nicht übersehen können«, antwortete Josuah Parker. »Ich werde mit meinem Privatwagen kommen.« »Beeilen Sie sich, damit wir’s hinter uns bringen können«, wa ren die letzten Worte des Kaufmanns für Industriefette. Wenn die Zeit auch recht knapp war, sie reichte dennoch, einige Vorberei tungen zu treffen…! * Parker fuhr in langsamem Tempo durch die Riffle Street. Die breite Straße war fast taghell erleuchtet. Schreiendbunte Neonre klamen spiegelten sich auf dem feuchten Asphalt. Nachtklub lag neben Nachtklub. Die Straßenränder waren mit parkenden Wagen zugestellt worden. Auf den Gehsteigen flanierten die Nacht schwärmer und Besucher dieses Unterhaltungsviertels. Vor dem bewußten Nachtklub angekommen, suchte Parker nach einem passenden Parkplatz. Besonders groß war die Auswahl
nicht. Er mußte sich entschließen, auf den engen Platz einzukur ven, der den Gästen des Klubs vorbehalten war. Die beiden Parkwächter verdrehten erstaunt die Augen, als das hochbeinige Monstrum durch die schmale Zufahrt rollte und dann mit einer überraschenden Wendigkeit ein freies Plätzchen er wischte. Parker stellte den Motor ab und stieg aus. Dieser Platz lag im Schatten der bunten Lichter. Ein empfindsa mes Gemüt hätte diesen Parkplatz sogar für unheimlich gehalten. Es gab viele Halbschatten und dunkle Flecken. Der Butler aber schien solchen Gedanken nicht nachzuhängen. Er brannte darauf, auf Mel Tetton zu stoßen. Natürlich ahnte er längst, daß der Kaufmann für Industriefette ihn nicht aus einer Laune heraus hierher bestellt hatte. Obwohl der Butler eine schußsichere Nylonweste trug, hatte er einige Bedenken. Ein gut gezielter Schuß aus nächster Nähe müß te tödlich sein. Sein Gesicht, seinen Kopf, das alles vermochte er nicht hundertprozentig zu schützen. Parker schritt auf einen der beiden Parkwächter zu, der ihm ei nen Parkschein verkaufen wollte. Der Mann kam um einen Wagen herum und beschäftigte sich mit seiner Ledertasche. Parker blieb stehen. Hier zwischen den Wagen befand er sich in Deckung. Alles in ihm war gespannt. Seine innere Alarmglocke hatte sich längst bemerkbar gemacht. Er spürte es in allen Nervenenden, daß höchste Gefahr in der Luft lag. Er hörte plötzlich ein metallisches Geräusch, drehte sich schnell herum und… warf sich blitzschnell zu Boden. Fast in letzter Se kunde war ihm bewußt geworden, daß er getäuscht worden war. Das seltsame Geräusch hatte ihn nur ablenken sollen. Während er sich umdrehte, erschien nämlich hinter ihm ein Schatten, der ei nen länglichen Gegenstand in den Händen hielt. Parkers Körper hatte den Boden noch nicht ganz berührt, als ei ne Maschinenpistole losratterte. Die Geschosse peitschten durch die Luft, zerhämmerten Glasscheiben der parkenden Wagen und bohrten sich in die Wagenbleche. Parker rollte sich seitlich ab, kroch schnell wie ein Wiesel hinter das Vorderrad eines Wagens und suchte nach dem Mörder. Leider war nichts zu sehen. Dafür hörte er um so mehr, Frauen kreisch ten entsetzt auf, Männerstimmen lieferten die Untermalung dazu. Auf der Straße quietschten Bremsen, die Trillerpfeife eines Strei fenpolizisten zwitscherte los.
Parker war schlechter Laune, als er sich vom Asphalt des Park platzes erhob. Zwar erfreute er sich noch bester Gesundheit, doch es war aussichtslos, den Attentäter zu erwischen. Dieser Mann mußte sich längst unter das neugierige Volk auf der Straße ge mischt haben. Langsam ging Parker zu seinem Wagen zurück. Die ersten mu tigen Passanten drängten sich auf den Parkplatz. Parker kümmer te sich kaum um sie. Bis er seinen Namen hörte. »Ein dummer, kleiner Zwischenfall«, meinte der Butler zu Mel Tetton, der schnell auf ihn zukam. »Ich möchte fast annehmen, daß die Schüsse mir gegolten haben.« »Auf Sie ist geschossen worden?« wunderte sich Tetton. Sein Gesicht war eine einzige Frage. »Ich möchte es als sicher unterstellen«, antwortete der Butler. »Und wenn ich die Lage richtig beurteile, dürfte es der berüchtig te >Freitag-Killer< auf mich abgesehen haben…!« * »Nun, was haben Sie in Joliet herausgefunden?« erkundigte sich Mike Rander am anderen Morgen. Er sah Leutnant Trunks an, der wieder mal einen kurzen Besuch in der Dachgartenwohnung des Anwalts absolvierte. Trunks kniff die Augen zusammen und beo bachtete das undurchdringliche Pokergesicht des Butlers. »Ich glaube, Sir, daß die Fahrt sich gelohnt hat«, meinte Parker in seiner bescheidenen Art. »Machen Sie’s nicht so spannend«, grollte Leutnant Trunks. »Sagen Sie schon, ob Snyder diesen Latimer Allan erkannt hat.« »Ich muß Sie enttäuschen, Sir.« »Er hat ihn nicht erkannt?« Trunks sah verblüfft aus. Auch Mike Rander verzog sein Gesicht. »Mr. Bart Snyder sah sich alle drei Fotos sehr genau und einge hend an«, berichtete der Butler. »So sehr er sich auch bemühte und anstrengte, Sir, er konnte Latimer Allan anhand der drei Fo tos nicht identifizieren.« »Dann dürften wir die ganze Zeit über auf der falschen Fährte gewesen sein«, sagte Trunks. Seine Stimme klang plötzlich mü de. »Gerade Snyder hätte Latimer Allan erkennen müssen.«
»Oder wollte er ihn vielleicht absichtlich nicht erkennen?« gab der Anwalt zu bedenken. »Aus welchem Grund sollte er so handeln?« fragte Trunks. »Nach Parkers Theorie wird der Mörder doch erpreßt«, erläuter te Mike, Rander. »Falls Snyder dieser Erpresser ist, wird er sich hüten, Farbe zu bekennen. Was meinen Sie, Parker?« »Ich möchte annehmen, Sir, daß Snyder nicht gelogen hat«, antwortete der Butler. »Latimer Allan wird nach seiner Flucht aus Frankfurt sein Äußeres verändert haben.« »Das könnte hinhauen.« Trunks nickte. »Wie soll der Erpresser ihn dann aber erkannt haben?« Mike Rander sah Parker fragend und amüsiert an. Er wußte im voraus, daß sein Butler bestimmt eine entsprechende Erklärung bereit hatte. »Weil der Erpresser des Freitag-Killers hier in Chikago lebt und Gelegenheit hatte, Latimer Allan aus nächster Nähe zu sehen.« »Verflixt, das könnte natürlich stimmen«, erwärmte Trunks sich sofort für diese Version. »Er mag Latimer Allans Gesicht zwar nicht wiedererkannt haben, dafür aber wohl andere Kennzeichen, die man nur aus nächster Nähe sehen kann.« »So würde auch ich mich ausdrücken, Sir«, pflichtete Parker dem Detektivleutnant bei. »Tatsächlich, diese Erklärung bietet sich an«, schaltete sich Mi ke Rander ein. »Es kann sich um eine Narbe an der Hand, um eine stereotype Angewohnheit handeln.« »Das ist auch meine bescheidene Meinung«, wiederholte der Butler noch mal. »Nun müßte man nur nach dem Mann suchen, der von dem Erpresser per Zufall besucht worden ist. Vergessen wir in diesem Zusammenhang nicht, daß der Erpresser einer an deren gesellschaftlichen Schicht entstammt als der Mörder. Alle damaligen Angestellten des CIA-Büros in Frankfurt sind nach ihrer Entlassung ihrem Milieu treu geblieben. Sie arbeiteten weiterhin als Köchin, Fahrer, Sekretärin, Hausmädchen und Büroangestell te.« »Anwalt Gary Blaine kommt dann in Frage«, platzte Leutnant Trunks heraus. »Ein Anwalt wird von Leuten aus allen Berufs schichten besucht. Welchen Eindruck hatten Sie von diesem Blai ne?«
»Ich würde sagen, daß es sich um einen äußerst nervösen und innerlich gehetzten Mann handelt«, begutachtete Parker den An walt. »Wie reagierte er auf Ihr Anzapfen, Parker?« »Sehr sauer, wie es so treffend im Volksmund heißt.« »Das könnte unser gesuchter Mörder sein«, meinte Trunks. »Auch die Herren Sheridan und Tetton dürften Kontakt zu einfa chen Mitbürgern haben«, gab Parker zu bedenken. »Beide Herren brauchen Angestellte und Büropersonal. Wenn Sie gestatten, werde ich diesen Spuren aber intensiv nachgehen. Ich hoffe, Ih nen den >Freitag-Killer< bald präsentieren zu können…!« * »Nee, tut mir leid, ich kenne die drei Männer nicht.« Richland schüttelte ausgiebig den Kopf und schob die Fotos zurück. »Lati mer Allan hat anders ausgesehen, wenn ich mich recht erinnere.« »Wie bedauerlich und schade«, meinte Josuah Parker und steckte die Fotos wieder ein. »Sie waren meine letzte Hoffnung, Mr. Richland.« »Wenn ich Ihnen doch nur helfen könnte«, redete Richland wei ter. Es handelte sich um einen mittelgroßen, kompakten Mann von knapp 42 Jahren. Nach dem Mord an seinem Schwager Tip ton war er von der Polizei in ein Apartmenthaus gebracht worden. Richland wohnte in einer nett eingerichteten Wohnung, die den Vorzug hatte, von Polizeidetektiven bewacht werden zu können. Richland hatte sich mit dieser Regelung sofort einverstanden er klärt. Natürlich durfte er sich frei bewegen. Er konnte die Wohnung und das Haus verlassen, wann immer es ihm beliebte. Er wurde aber stets von zwei Polizeischatten überwacht. Leutnant Trunks wollte nicht das Risiko eingehen, daß der »Freitag-Killer« noch mal zuschlug. »Ich will nicht verhehlen, Mr. Richland, daß außer Ihnen nur noch Bart Snyder lebt. Alle anderen Angestellten der Frankfurter Dienststelle wurden umgebracht.« »Warum, warum…?Wenn ich das nur wüßte…! Ich sehe einfach keinen Sinn darin.«
»Im Gegensatz zu Ihnen glaube ich den tieferen Sinn erkannt zu haben«, erwiderte Josuah Parker sanft und überredend. »Der >Freitag-Killer< dürfte erpreßt werden. Irgendein Mensch in die ser Stadt hat ihn als Latimer Allan wiedererkannt und setzt ihn unter Druck. Latimer Allan hat nach seiner überstürzten Flucht aus Frankfurt ein sogenanntes neues Leben begonnen und es wahrscheinlich auch zu Reichtum und Wohlstand gebracht. Wie wir wissen, besaß er schon damals in Frankfurt alle juristischen Prüfungen. Er könnte also durchaus als Anwalt in dieser wunder schönen Stadt arbeiten, vielleicht aber auch als Makler für Weizen und als Kaufmann für Industriefette. Latimer Allan war ja nicht dumm. Wir müssen ihm durchaus eine große Intelligenz zubilli gen.« »Ich wiederhole noch mal, Latimer Allan ist auf diesen Fotos nicht zu sehen«, sagte Richland. »Ich informierte mich darüber, daß Ihr Schwager Tipton stel lungslos gewesen ist?« »Er hatte gekündigt, er suchte sich einen neuen Job als Ange stellter.« »Wissen Sie zufällig, bei welchen Firmen er sich um eine neue Stellung bemühte?« »Keine Ahnung, Sir…!« »Und wie sieht es mit Ihrer Arbeit aus?« »Oh, da können Sie beruhigt sein…! Ich begreife, worauf Sie hinauswollen. Ich habe weder gekündigt noch will ich mir einen neuen Job suchen. Erkundigen Sie sich bei meinem Boß.« »Ich wollte Sie auf keinen Fall verdächtigen, der erwähnte Er presser des >Freitag-Killers< zu sein, Mr. Richland.« »Es hat aber so geklungen«, sagte Richland und lachte auf. »Wie sieht’s denn mit Snyder aus?« »Ich will offen und ehrlich zu Ihnen sein, auch er wußte mit den Aufnahmen nichts anzufangen.« »Na, sehen Sie. Vielleicht sind Sie auf der falschen Spur, Mr. Parker.« »Ich fürchte, daß dem so ist«, antwortete Josuah Parker und stand auf. »Man muß den Mut haben, einen Fehler einzugestehen. Wahrscheinlich werde ich den Fall noch mal neu aufrollen müs sen.«
»Falls Sie mir nicht glauben, bin ich bereit, zusammen mit Ih nen zu den drei Leuten zu fahren. Ich werde sie mir aus nächster Nähe noch mal ansehen.« »Ein hochherziges Angebot«, bedankte sich der Butler. »Ich denke aber, daß ich von diesem Verfahren Abstand nehmen kann, Mr. Richland. Entschuldigen Sie bitte die Störung.« »Aber was macht das schon, Hauptsache, der Mörder ist bald gefunden, damit ich wieder nach Hause fahren kann. Meine Frau meutert bereits. Sie wissen, ich schickte sie zu Verwandten aufs Land.« »Nun, ich möchte nicht mit falschen Hoffnungen aufwarten«, erklärte der Butler und griff nach seiner Melone. »Offen gesagt, Mr. Richland, ich bin nun ein wenig verwirrt…!« * Der Mörder verzog kaum sein Gesicht, als er Parker in dem Apartmenthaus verschwinden sah. Nur in seinen Augen spiegelte sich der Triumph. Endlich hatte Parker sich verraten und ihm ge zeigt, wo Richland zu finden war. Nun konnte der Schlußstrich gezogen werden. War Richland tot, konnte ihm kein Mensch mehr etwas anhaben. Es kam jetzt nur darauf an, den richtigen und günstigen Zeitpunkt zu erwischen. Der Mörder beschloß, in der Nähe des Apartmenthauses zu blei ben. Sobald Parker das Haus verlassen hatte, wollte er sich mit Richland befassen. Jetzt kam es nicht mehr darauf an, wie lange er warten mußte. Hauptsache, Richland war gefunden! Wahrscheinlich wird er bewacht werden, sagte sich der Mörder. Nach dem Tod von Tipton wird man vorsichtig geworden sein. Doch auch eine Polizeibewachung wird mich nicht daran hindern, Richland zu erwischen. Und sollte ich noch mal meine Maschinen pistole sprechen lassen müssen. Es dauerte fast zwanzig Minuten, bis Parker in der matt erleuch teten Eingangshalle erschien. Er war unverkennbar. Er trug die steife, schwarze Melone, den weitfallenden, schwarzen Covercoat und den Regenschirm. Steif und ohne Hast schritt Parker auf sein hochbeiniges Monstrum zu.
Das wäre die beste Gelegenheit, um diesen alten, heimtücki schen Schnüffler zu erledigen, sagte sich der »Freitag-Killer«. Der Bursche bietet sich wie eine Zielscheibe an… Es zuckte im Arm des Mörders. Am liebsten hätte er nach seiner Waffe gegriffen und mit dem Butler abgerechnet. Doch er verkniff sich diesen Wunsch. Wenn er hier vor dem Haus auf Parker schoß, dann wußte die Polizei, daß er Richlands Versteck gefun den hatte. Nein, er mußte warten und die Angelegenheit »Parker« auf einen anderen Zeitpunkt verschieben. Es war wichtiger, Rich land zum Schweigen zu bringen. Parker bastelte inzwischen am Türschloß seines hochbeinigen Monstrums herum. Er schien Schwierigkeiten zu haben, die Wa gentür zu öffnen. Er wandte dabei dem Mann den breiten Rücken zu. Tatsächlich, so sorglos und breit hatte der Butler sich noch nie vorher seinem Mörder dargeboten. Der »Freitag-Killer« atmete fast erleichter auf, als Parker end lich in seinem Wagen verschwand, den Motor anspringen ließ und dann auf recht ungewöhnliche Art und Weise losfuhr. Er schien Pech mit der Kupplung zu haben, denn das hochbeinige Monstrum bockte und sprang wie ein junges Füllen, nahm dann unvermittelt Fahrt auf und schlingerte in leichten Kurven auf die Straße hin aus. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis der hochbeinige Wagen in der Dämmerung verschwunden war. Der Mörder löste sich aus seinem Versteck. Jetzt war es endlich soweit. Den halben Tag über hatte er Parker auf Schritt und Tritt belauert, um herauszufinden, wo Richland wohnte. Es hatte sich gelohnt. Um ans Ziel zu gelangen, mußte man schließlich nur die notwendige Geduld aufbringen. Der Mann gab noch einige Minuten zu. Es konnte ja sein, daß dieser verdammte Butler frühzeitig wieder zurückkehrte und die Aktion störte… Nach weiteren fünf Minuten verließ der Mörder sein Versteck. Er ging erst ein Stück die Straße hinunter, überquerte sie dann und näherte sich dem Apartmenthaus. In einem Nebenhaus ver schwand er. Er ging durch einen Korridorgang bis hinüber zum Hof, überkletterte eine Mauer und befand sich nun genau auf der Rückseite des bewußten Hauses. Er nickte zufrieden.
Genauso hatte er es sich vorgestellt. Solide Feuerleitern führten an der Rückfront des Hauses hoch. Es war schon viel zu dunkel, um auf dieser Treppe aufzufallen. Er konnte in aller Ruhe hoch steigen und nach Richland suchen. Leider wußte er nicht, in wel cher Etage das gesuchte Opfer wohnte. Doch das spielte keine Rolle. Mit etwas Geduld bekam er auch das heraus. Vorsichtig stieg der Eindringling nach oben. Seine gummibesohl ten Schuhe verursachten kaum ein Geräusch. Der Mann hatte gerade die erste Etage erreicht, als er über sich Stimmen hörte. Zwei Männer unterhielten sich am geöffneten Fenster. Der Mörder blieb sofort stehen und preßte sich gegen die rauhe Ziegelwand. Er schnappte einige Gesprächsfetzen auf. Und dann hörte er ganz deutlich den Namen Richland. Ein Irrtum war aus geschlossen. Dritte Etage, sagte sich der Mörder, der verstohlen nach oben schaute, dritte Etage, jetzt weiß ich es ganz genau… Er wartete, bis die Luft wieder rein war, dann stieg er weiter nach oben und erreichte die dritte Etage. Von der Bühne der Feu erleiter aus konnte er an eines der Fenster heran. Es war hochge schoben. Der Killer warf einen Blick in das Zimmer. Es war leer. Auf einem Tisch standen Bierdosen, quoll ein Aschenbecher über, hing schwerer Zigarettenrauch. Es roch nach Mann. Hier mußten Richland und seine Bewachung wohnen. Blitzschnell schob er den Kopf zurück. Ein Mann trat ins Zimmer. Bestimmt hatte er keinen Verdacht geschöpft. Der Mann ging lässig auf den Tisch zu und holte sich eine der Bierkonserven. Der Mörder, der seinen Kopf vorschob, sah deutlich die Halfter dieses Mannes. In diesem stak eine automatische Pistole. Nach knapp einer Minute war der Mann wieder verschwunden. Er ließ die Zimmertür halb geöffnet hinter sich. Der »Freitag-Killer« kletterte durch das Fenster. Auf Zehenspit zen pirschte er sich an die Tür heran. Stimmen waren zu hören. Eine dunkel gefärbte Männerstimme sprach gerade mit Richland. Die Anrede war deutlich zu hören. Der »Freitag-Killer« hatte längst seine Schußwaffe in der Hand. Nur wenige Meter trennten ihn von seinem Opfer. Er brauchte nur die Tür aufzustoßen und Richland anzuvisieren.
Der Mörder holte tief Luft, zwang sich zur Ruhe. Schließlich hat te er es nicht nur mit Richland zu tun. Zumindest ein Mann von der Polizei mußte sich ebenfalls noch im benachbarten Raum be finden. Es galt also, sehr schnell und treffsicher zu schießen. Er spannte seine Muskeln, trat mit der linken Fußspitze die Tür auf und… wurde von einer Serie greller Blitzlichter getroffen. Er war sofort geblendet, kniff die Augen zusammen, doch die Hellig keit der Blitze drang durch die geschlossenen Augenlider. Wütend riß der Mörder die Waffe hoch. Er schoß blindlings in den Raum hinein. Er hörte das klirrende Zerbrechen eines Spie gels, laute Zurufe und dann ein amüsiertes Lachen. Der »Freitag-Killer« drehte ab, er wollte flüchten. Er wußte nun, daß er in eine Falle geraten war. Man hatte auf ihn gewartet, hat te alles zu seinem Empfang vorbereitet. Doch der Mann sah nichts. Die schwarze Nacht vor seinen Au gen wurde unterbrochen von orangefarbenen, roten und blauen Kreisen. Der flüchtende Verbrecher rannte weiter. Er wollte sich retten. Er stieß mit dem Körper gegen den Tisch. Seine suchend ausgestreckten Hände berührten einen Schrank. »Die Waffe brauchen Sie nach meiner bescheidenen Meinung si cher nicht mehr«, hörte er neben sich eine wohlvertraute Stim me. Bevor der Mörder sich herumwerfen konnte, nahm ihm eine Hand die Waffe weg. Das geschah mit einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, die ihn müde und matt werden ließ. »Vielleicht setzen Sie sich erst mal«, redete Josuah Parker wei ter. »An das Sitzen werden Sie sich ohnehin gewöhnen müssen. Ob in einer Zelle oder auf dem elektrischen Stuhl, steht freilich auf einem Blatt, das umzuwenden ich weder die Absicht noch die Neigung habe, Mr. Blaine…!« * »Ich würde sagen, Sir, daß Mr. Gary Blaine sehr mitgenommen war«, erläuterte Josuah Parker seinem jungen Herrn. »Nach der überraschend ausgelösten Serie von Fotoblitzen geriet er voll kommen aus dem Konzept. Er schoß zwar noch um sich, richtete aber keinen Schaden an.«
»Was sagen Sie zu Parker?« Mike Rander drehte sich zu Leut nant Trunks um, der hinter einem Sessel stand und beruhigt eine Zigarette rauchte. »Prächtig hingehauen«, räumte Trunks lächelnd ein. »Er hat den >Freitag-Killer< wunderbar eingeseift. Mit dieser Überra schung konnte er ja schließlich nicht rechnen.« »Mr. Blaine, alias Latimer Allan, legte bereits in der Wohnung ein umfassendes Geständnis ab«, erzählte Parker weiter. »Er gab zu, Latimer Allan zu sein. Er ist der gesuchte >Freitag-Killer<, ein Zweifel ist vollkommen ausgeschlossen.« »Er hat auch das bereits zugegeben«, schaltete sich Trunks wieder ein. »Ich komme gerade von seinem Verhör. Blaine-Allan ist regelrecht zusammengebrochen. Die ganze Mordserie hat nichts ausgerichtet. Er ging in die Falle.« »Hat er gesagt, was sich damals in Frankfurt abgespielt hat?« Mike Rander wandte sich an Trunks. »Er hat seinen früheren Chef Dearborn in Frankfurt ermordet. Auch das hat er bereits gestanden. Dearborn war dahinter ge kommen, daß Latimer Allan mit der Gegenseite aus dem Osten zusammenarbeitete. Er versorgte die Leute, die er eigentlich be kämpfen und beschatten sollte, mit Geheimberichten. Dearborn erwischte ihn, als Allan Geheimmaterial fotografierte. Allan han delte sofort und tötete seinen Chef. Anschließend schwärzte er ihn an, um Zeit zu gewinnen. Er nutzte sie und flüchtete zurück in die Staaten. Falsche Papie re hatte er sich lange vorher besorgt. Er konnte sofort in eine neue Haut schlüpfen und täuschte die Anwaltkammer. Die fal schen Papiere waren derart echt, daß man dort keinerlei Verdacht schöpfte.« »Und wie brachte er seinen Chef um?« »Mit einem Herzgift. Einzelheiten können uns vielleicht die Fachärzte sagen.« »Und wie kam es zu seiner Mordserie hier in Chikago?« »Als Latimer Allan vor Gericht als Verteidiger wirkte, wurde er von Tipton erkannt. Allan hatte sein Gesicht zwar sehr verändert und sich eine Art kosmetische Operation verpassen lassen, Rander, doch Tipton fiel eine Kleinigkeit auf. Es war die Stellung des kleinen Fingers an der linken Hand. Dieser Finger war nach einem Bruch schlecht zusammengewachsen und stand etwas ab. Tipton mußte sich diese Kleinigkeit gemerkt haben. Er wußte also, wer
dieser ehrenwerte Anwalt Blaine war und beschloß, ihn unter Druck zu setzen und zu erpressen.« »Mr. Tipton schickte zuerst einige Drohbriefe an Blaine«, über nahm nun Butler Parker den Faden der Unterhaltung. »Er jagte Blaine eine riesige Angst ein, ohne dabei aber seinen Namen zu nennen. Er blieb absichtlich anonym.« »Und Richlands Rolle…?« »Tipton informierte seinen Schwager Richland. Sie steckten un ter einer Decke und arbeiteten Hand in Hand. Sie wollten BlaineAllan in aller Ruhe ausnehmen, wie es so treffend heißt. Nach Tiptons Ermordung wurde Richland vorsichtiger, er verlangte aber eine erste Zahlung von etwa 10.000 Dollars.« »Hat Richland das bereits zugegeben?« »Natürlich, Sir, er leistete nicht sehr viel Widerstand. Die Morde hatten ihn bereits sehr erschüttert. Er war ängstlich und vorsich tig geworden. Er redete sich jetzt darauf hinaus, von Tipton ange stiftet worden zu sein. Es soll sich laut seinen Worten nur um ei nen Scherz gehandelt haben. In Wirklichkeit wollten sie nur Lati mer Allan den Behörden in die Hand spielen.« »Allan-Blaine dachte nicht daran, aufzustecken«, redete Leut nant Trunks weiter. »Er ließ sich von Privatdetektiv Benny Morgan Namen und Adresse der Personen besorgen, die damals in der Dienststelle in Frankfurt arbeiteten. Dann machte er sich daran, diese Leute von seiner Liste abzuhaken. Einzelheiten kann ich mir wohl ersparen. Blaine schlüpfte in die Rolle des >Freitag-Killers<. Er wollte als geistesgestörter Mörder auftreten, der von einer Fernsehserie inspiriert worden war. Das sollte uns irreführen.« »Eine Bestie in Menschengestalt«, entschlüpfte es Mike Rander. »Was glauben Sie, Trunks, wird nun mit Ralph Porter geschehen? Wird er reden?« »Ich glaube nicht, Rander. Porter weiß, daß es um seine Haut geht. Er wird schweigen, wenn Blaine ihn auch preisgeben wird. Er wird sich nicht erinnern.« »Vielleicht ergibt sich für mich eines Tages die Möglichkeit, Mr. Ralph Porter zu besuchen«, schaltete sich Josuah Parker ein. »Auch Porter ist ein Massenmörder. Es wird mir eine Freude sein, ihm das Handwerk zu legen.« »Nur Geduld, Parker, legen Sie eine kleine Pause ein«, bremste Rander seinen Butler. »Wie sind Sie Blaine-Allan eigentlich auf die Schliche gekommen?«
»Drei Personen standen zu unserer Auswahl zur Verfügung«, er läuterte der Butler höflich. »Ich besuchte Haie Sheridan, Mel Tet ton und Gary Blaine. Jedem dieser Herren sagte ich, daß ich wüß te, wo Richland zu finden sei. Danach baute ich die Blitzlichtfalle und wartete auf das Erscheinen des Mörders. Um ihn zu täu schen, verließ ich angeblich das Apartmenthaus, in dem Richland untergebracht worden war. In Wirklichkeit aber handelte es sich um einen Polizeidetektiv, der bekleidet mit meiner Kopfbedek kung, meinem Mantel und meinem Schirm, das Haus verließ und mit meinem Wagen davonfuhr. Der >Freitag-Killer<, um bei diesem Namen zu bleiben, glaubte nun, Richland beseitigen zu können. Laut geführte Gespräche am Hinterfenster des Apartments sagten dem Mörder, wo er sein Op fer finden konnte. Auf diese Art und Weise lockten wir Mr. Blaine in die Wohnung. Als er die Tür aufstieß, löste er einen vorher an gebrachten Kontakt aus und wurde geblendet. Es war, um der Wahrheit die Ehre zu geben, recht einfach.« »Und wo hielt Richland sich um diese Zeit auf?« wollte Mike Rander noch wissen. »Ich hatte ihn ohne sein Einverständnis in einem Besenschrank in der Diele untergebracht, Sir. Ich hoffe sehr, daß er mich nicht wegen Freiheitsberaubung anzeigen wird. Es wäre mir, offen ge sagt, äußerst peinlich. „Sie haben Sorgen, Parker.« Leutnant Trunks lachte laut auf. »Hand aufs Herz, Parker, haben Sie geahnt, wer der gesuchte Mann sein könnte?« »In der Tat, Sir…!« »Woran wollen Sie’s gemerkt haben?« »An dem bewußten kleinen, verkrüppelten Finger«, antwortete Parker. »Da Snyder sich an das Gesicht auf den Fotos nicht erin nern konnte, mußte Allan-Blaine also sein Äußeres verwandelt haben. Hatte er aber an seinen Finger gedacht? Wahrscheinlich doch nicht. Es mußte sich bei Blaine-Allan aber um ein äußeres Merkmal gehandelt haben, sonst hätte der Erpresser den damali gen CIA-Agent Latimer Allan auch nicht erkennen können. Mr. Blaine stand auf meiner privaten Täterliste an erster Stelle. Um ihn kümmerte ich mich daher ganz besonders. Daß Richland aber von den Erpressungen gewußt haben mußte, lag auf der Hand, denn er gehörte zu den Personen, die noch lebten. Weitere
Rückschlüsse boten sich mir freundlichst an. Ich griff sie auf und war so frei, dem Killer eine Falle herzurichten.« »Die Jagd hat sich gelohnt«, meinte Anwalt Rander und drückte seine Zigarette aus. »Blaine-Allan wird wohl auf dem elektrischen Stuhl landen, was, Trunks?« »Dafür übernehme ich jede Garantie, Ränder. Schade, daß wir die richtige Spur nicht schnell genug finden konnten.« »Danken wir Parker, daß seine Augen über eine Schwarzwälder Uhr stolperten«, warf Mike Rander lächelnd ein. »Diese Uhr war der Beginn seiner Theorie. Sie war wieder einmal goldrichtig.« »Sir, Sie beschämen mich, wenn Sie erlauben, ziehe ich mich jetzt zurück…!« Parker verbeugte sich und räumte das Feld. »Was hat er denn?« fragte Trunks erstaunt. »Ohne ihn hätten wir’s bestimmt nicht so schnell geschafft. Wenn überhaupt…! Ist er beleidigt?« »Keine Spur, Trunks. Sie kennen Parker eben noch nicht…! Wie ich die Lage beurteile, bastelt er bereits an neuen Überraschun gen. Sie wissen doch, daß er es auf Ralph Porter abgesehen hat.« »Sie meinen…?« Trunks brach ab und sah Rander erstaunt an. »Ich meine nicht nur, ich weiß…! Parker wird sich mit diesem Gangster sehr intensiv befassen. Sie können schon jetzt eine Zel le für ihn freimachen. Für Ralph Porter wird eine wenig schöne Zeit anbrechen. In seiner Haut möchte ich nicht stecken…!« »Ich ebenfalls nicht.« Trunks schauderte unwillkürlich zusam men und sah auf die Tür, hinter der Parker verschwunden war…!
-ENDE-