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Parker und der »Herr der Roboter« Roman von Günter Dönges Butler Josuah Parker befand sich in bester Laune, obwohl ihm diese Gemütsverfassung nicht gerade anzusehen war. Stocksteif und würdevoll wie der offizielle, diplomatische Vertreter eines fremden Staates stand er vor der geschwungenen Theke des Spezial Tabakgeschäftes und begutachtete die frisch eingetroffenen Importe. Es handelte sich um Zigarren, die der Form und Größe nach an mittelgroße Torpedos erinnerten. Sie befanden sich in einer flachen Kiste aus Zedernholz und lagerten auf feinstem Stroh. Sie hätten schon wegen ihrer schwarz-grünen Färbung jeden durchschnittlichen Raucher abgeschreckt. Nicht aber den Butler, der sich diese Importe wieder einmal bestellt hatte. Parker nickte dem kleinen, dicklichen Inhaber des Tabakladens anerkennend zu. »In der Tat, ausgezeichnet«, sagte er dann mit seiner dunklen, sonoren Stimme. »Ich darf wohl unterstellen, daß diese Zigarren auch wirklich so munden wie sie aussehen, oder?« »Worauf Sie sich verlassen können, Mr. Parker«, gab der Tabakfachhändler mehr als doppelsinnig zurück. Beschwörend fügte er dann allerdings hinzu: »Ich darf Sie daran erinnern, daß Sie mir versprachen, diese Zigarren nicht hier in meinem Geschäft zu rauchen.« »Keine Sorge, um diese Importe genießen zu können, brauche ich Minuten und Stunden der Muße«, erwiderte Parker »Ich nehme das Kistchen…!« Der Inhaber des Tabakladens atmete innerlich auf, als er merkte, daß der Butler sich an die seinerzeit getroffenen Vereinbarungen hielt. Einmal hatte Parker eine dieser giftig aussehenden Zigarren hier im Laden geraucht, worauf für viele Stunden alle Besucher und Kunden des Ladens entsetzt zurückwichen, die ahnungslos eingetreten waren. Der Duft und das Aroma, wie Parker sagte und behauptete, der pestilenzartige Gestank, wie der Geschäftsinhaber seinerseits behauptete, hatte alle Kunden verschreckt. Parker zückte sein Zigarrenetui, um sich vier dieser Importen griffbereit einzustecken. Dabei wendete er sich halb um und… erstarrte! Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, niemals Er-
staunen zu zeigen, drückte sein Gesicht diesmal grenzenlose Verblüffung aus. Fasziniert schaute er durch die Schaufensterscheibe hinaus und beobachtete die Szene auf der Straße. Im ersten Augenblick glaubte Parker, zu träumen. Er fühlte sich einige Tage zurückversetzt, als er noch als Halbwüchsiger Kinos besucht hatte und seiner Leidenschaft frönte, sich vor allen Dingen Kriminalfilme anzusehen. Aus einem imposanten Bankgebäude kamen drei an sich korrekt gekleidete Männer, die große dunkle Ledertaschen trugen. Bemerkenswert an diesen Männern war allerdings die Tatsache, daß sie zudem noch Maschinenpistolen trugen, aus denen sie jetzt wenig gentlemanlike feuerten. Diese drei »Bankbesucher« strebten ohne besondere Hast oder Eile auf einen dunkelgrauen Ford zu, der wenig weiter am Straßenrand hielt. Das häßliche Geratter dieser drei Maschinenpistolen veranlaßte die Straßenpassanten, sich schleunigst in Deckung zu begeben. Männer und Frauen spritzten auseinander und räumten die Schußbahnen. Innerhalb weniger Sekunden war die Straße fast menschenleer. Im Portal des Bankgebäudes tauchten zwei uniformierte Wachleute auf, die ebenfalls schossen. Im Gegensatz zu den drei Bankkunden duckten sie sich und nutzten jede sich bietende Möglichkeit, den gegnerischen Geschossen auszuweichen, eine Vorsichtsmaßnahme, die sich auszahlte. Die drei Bankkunden jedoch schienen von solcher Vorsicht nur wenig zu halten. Fast heiter und gelassen, aber immer noch schießend, gingen sie auf den haltenden Wagen zu. Einer erreichte ihn. Die beiden anderen Männer hingegen wurden von den Wachmännern getroffen und fielen zu Boden. Nachdem der Überlebende im Wagen saß, ruckte der Ford blitzartig an. Die Hinterräder tourten durch, als er sich in Bewegung setzte. Mit der Geschwindigkeit einer frisch gezündeten Rakete preschte der Ford die Straße hinunter und verschwand auf zwei kreischenden Rädern hinter der nächsten Straßenecke. »Haben Sie das gesehen…?« Der Inhaber des Tabakladens schnappte nach Luft.
»Ich war so frei«, gab der Butler gemessen zurück, zumal er seine innere Fassung längst zurückgefunden hatte. »Wenn mich nicht alles täuscht, wurden wir gerade Zeugen eines Banküberfalls…!« »Man muß doch… man muß doch…!« Der Tabakfachmann war derart nervös und aufgeregt, daß er nicht in der Lage war, den begonnenen Satz zu beenden. »Man sollte und müßte in der Tat die Polizei informieren«, sagte Parker, der durchaus erraten hatte, was der Tabakfachmann hatte sagen wollen. »So was hab’ ich noch nie gesehen«, schnaufte der Fachmann für Tabakwaren aller Art. »Das war… das war doch glatt ein Banküberfall.« »Sie haben diesen bedauerlichen Vorfall durchaus richtig eingeschätzt und gedeutet«, pflichtete der Butler ihm würdevoll bei. »Und was das Informieren und etwaige Alarmieren der Polizei angeht, so erübrigen sich solche Maßnahmen, denn, wenn Sie genau hinhören, ist bereits das typische Signal einer Polizeisirene zu vernehmen…!« * »Sie hatten also den Eindruck, daß die drei Bankräuber wie menschliche Roboter handelten?« Mike Randers Gesicht sah nachdenklich aus. Er stand am breiten Fenster der geräumigen Dachgartenwohnung am MichiganSee und sog an seiner Zigarette. »Wieso hatten Sie diesen Eindruck, Parker? Standen die drei Männer vielleicht nur unter irgendeinem Rauschgift?« »Das ist eine Möglichkeit, Sir, die man durchaus in Betracht ziehen sollte«, antwortete Josuah Parker. Respektvoll und steif stand er in der Nähe des Kamins und sah seinen jungen Herrn aufmerksam an. »Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, Sir, daß man Rauschgift feststellen könnte?« »Kann man, Parker, kann man durchaus. Aber das ist nicht mein Job. Mit anderen Worten, es war sehr interessant, was Sie da zu erzählen hatten, aber einmischen werden wir uns nicht. Hoffentlich habe ich mich klar und deutlich genug ausgedrückt.«
»Selbstverständlich, Sir…! Falls mir allerdings eine Bemerkung gestattet ist, möchte ich darauf hinweisen, daß menschliche Roboter in der Form, wie ich Sie gesehen habe, für die Gesellschaft eine erhebliche Bedrohung darstellten, daß man es also mit Gangstern zu tun hat, denen man schleunigst das Handwerk legen sollte.« »Sehr richtig, Parker, das ist auch meine Meinung. Aber dafür haben wir ja Gott sei Dank die Polizei.« »Wie Sie meinen, Sir…!« Parkers Gesicht wurde noch undurchdringlicher, als es ohnehin zu sein pflegte. Damit drückte er seine offene Mißbilligung aus. Er deutete eine steife, andeutungsweise Verbeugung an und fragte: »Haben Sie sonst noch Wünsche, Sir, die ich Ihnen erfüllen könnte?« »Das wär’s im Moment, Parker!« Anwalt Mike Rander unterdrückte ein Schmunzeln, in das sich allerdings einiges Nachdenken mischte. Er kannte schließlich seinen Butler, der für ihn mehr war als nur ein vertrauter Hausangestellter. Im Laufe der Jahre hatte sich zwischen beiden Männern ein sehr enges und herzliches Verhältnis ausgebildet. Daher wußte und ahnte Mike Rander auch, daß er früher oder später doch noch Kontakt zu diesem Fall bekommen würde. Parker hatte es bisher immer sehr geschickt verstanden seinen jungen Herrn zu engagieren. Wie er das stets schaffte, war und blieb für Rander ein Geheimnis. Josuah Parker verließ den großen Wohnraum, der in Mike Randers Arbeitszimmers überging. Diskret schloß er die Tür hinter sich und begab sich hinüber in seine Privaträume, die aus einem kleinen Appartement und einer äußerst gut bestückten Bastlerwerkstatt bestanden. Parker mied diesmal diese Werkstatt, in der er sonst liebend gern werkte. Parker blieb vor der Bücherwand seines Wohnraums stehen. Romane hätte man in den vollgepackten Regalen nicht finden können. Parker interessierte sich ausschließlich für Fachliteratur aller Art. Und so suchte er nun nach einem Band, in dem der Verfasser so etwas wie menschliche Roboter abhandelte… *
Etwa um diese Zeit beobachtete ein Autofahrer vom Steuer seines Wagens aus einem kleinen Lieferwagen, dessen geschlossener Kastenaufbau einen völlig unverdächtigen Eindruck machte. Dieser kleine Lieferwagen hielt vor dem Eingang zu einem Supermarkt. Die beiden Fahrer verließen die Fahrerkabine und verschwanden in dem großen, zweistöckigen Bau. Sie trugen graue Overalls und sahen ebenfalls völlig unverdächtig aus. Schienen es aber dennoch nicht zu sein. Denn schon wenige Minuten später fielen irgendwo in dem riesigen Supermarkt einige Schüsse. Und es dauerte wiederum nur wenige Sekunden, bis die beiden Männer wieder auftauchten. Sie schleppten sich mit einem großen Drahteinkaufskorb ab, der bis zum Überquellen mit Banknoten gefüllt war. Während die beiden Männer zurück zum Lieferwagen liefen, flatterte eine Handvoll dieser Scheine auf den Gehsteig. Die beiden Mobster, wie es im Fachjargon heißt, wurden übrigens hartnäckig verfolgt. Und zwar von zwei Hausdetektiven, die sich auf ihr Handwerk verstanden. Was heißen soll, daß sie aus ihren großkalibrigen Waffen feuerten. Bevor sie allerdings die beiden Räuber stoppen konnten, erlebten sie ‘eine böse Überraschung. Die hintere Ladenklappe des kleinen Lieferwagens wurde aufgestoßen. Zwei weitere Kassenräuber waren zu erkennen. Sie benutzten Maschinenpistolen, um die beiden Hausdetektive in Schach zu halten. Was sie sehr nachdrücklich besorgten, denn einer der beiden Hausdetektive warf die Arme hoch in die Luft und fiel verwundet zu Boden. Der zweite Detektiv hielt es nach diesem Vorfall für angebracht, hinter einem Wasserhydranten in Deckung zu gehen. Die beiden Kassenräuber verschwanden im Fahrerhaus des Lieferwagens, der sich daraufhin sofort in Bewegung setzte. Mit heulendem Motor jagte der Wagen um die nächste Straßenecke und entschwand den Blicken der entsetzten Straßenpassanten… * »Das Abendessen, Sir…!« Parker hatte angerichtet. Mike Rander nickte, verließ den Schreibtisch in der Nähe des großen Fensters
und nahm zerstreut Platz. Er arbeitete augenblicklich an einer Strafsache, die ihm als Verteidiger angetragen worden war. Diese Arbeit beanspruchte seine ganze Konzentration. Bis er das silberne Tablett sah, das Parker ihm höflich, aber bestimmt vorhielt. »Zeitung statt Abendessen?« fragte Rander verblüfft, und griff nach dem Massenblatt, dessen Überschrift aus balkendicken Lettern bestand. »Eine interessante Zusammenfassung, auf die ich besonders verweise, Sir.« Rander griff nach der Zeitung und entfaltete sie. Er überflog die Überschrift, stutzte und las sich fest. Er war derart vertieft, daß er seinen Butler schräg hinter sich glatt vergaß. Dann, nachdem er den Aufmacher gelesen hatte, ließ er das Blatt langsam sinken. »Darf ich jetzt vorlegen?« erkundigte sich Parker. »Lassen Sie, Parker. Sie wissen noch genau, daß ich jetzt keinen Hunger mehr habe…!« »Darf ich mich nach den Gründen Ihrer Appetitlosigkeit erkundigen, Sir?« »Sie wissen doch genau, was ich da gerade gelesen habe«, gab Mike Rander zurück. »Sie haben’s wieder geschafft, Parker. Ich glaube, hier wartet ein Fall auf uns…!« »Dieser Ansicht bin ich ebenfalls, Sir, wenn ich mir diesen Hinweis erlauben darf.« »An einem Tag vier Überfälle«, faßte Mike Rander sinnierend und halblaut zusammen. »Unbekannte Täter erbeuteten insgesamt 136.000 Dollar, verloren drei Leute und verwundeten insgesamt vier Polizeibeamte, Wachleute oder Hausdetektive…! Das sieht ja fast nach einer Großoffensive aus…!« »Diesen Eindruck hatte ich ebenfalls, Sir.« »Aus Zeugenaussagen geht hervor, daß die Gangster in allen vier Überfällen ungewöhnlich sorglos vorgingen. Zeugen hatten den Eindruck, als ob die Gangster einen gutgelaunten Ausflug unternommen hätten.« »Was sich, Sir, wenn mir dieser Hinweis gestattet ist, mit meinen Eindrücken deckt«, warf der Butler ein. »In allen vier Fällen wurde die Beute einem Autofahrer in die Hand gespielt, der in einem unauffälligen Wagen saß und sofort in eine andere Richtung davonpreschte. Verstehen Sie das, Parker?«
»Im Augenblick muß ich leider bedauern«, erwiderte der Butler. »Ich stehe selbst vor dem, was man gemeinhin ein Rätsel nennt. Zudem dürfte das vorliegende Material nicht ausreichen. Man sollte und könnte sich vielleicht mit Lieutenant Hunter von der Mordkommission in Verbindung. setzen.« Bevor Mike Rander antworten konnte, meldete sich der Türgong der Dachgartenwohnung. »Da scheine ich ein Stichwort geliefert zu haben«, meinte der Anwalt lächelnd. »Sehen Sie nach, Parker, wer uns sprechen will.« »Ich bin bereits auf dem Weg, Sir.« Parker deutete eine Verbeugung an und ging stocksteif aus dem Zimmer. Eilig hatte er es nie. Er hielt stets auf Würde und Gemessenheit. Im Korridor der Dachgartenwohnung öffnete er einen versteckt angebrachten Wandkasten und schaltete ein darin eingebautes Fernsehgerät ein. Auf der Bildscheibe waren zwei grau gekleidete Männer zu sehen, die vor der schweren und soliden Stahltür jenseits des Dachgartens standen. Parker schaltete die Sprechanlage ein. »Wen darf ich melden?« erkundigte er sich höflich. Einer der beiden Männer auf der Bildscheibe, ein kleiner, drahtiger Mann mit harten Gesichtszügen und einem schmalen Bärtchen, sah den Butler auf dem Umweg über das Fernsehgerät gereizt an. »Machen Sie schon auf, Parker«, sagte er dann grimmig. »Ich weiß doch, daß Sie uns beobachten.« »Ich wünsche einen guten Abend, Sir«, sagte Parker, der Lieutenant Hunter natürlich sofort erkannt hatte. »Sie brauchen die Tür nur noch aufzudrücken.« »Ist Ihr Chef zu Hause?« fragte Lieutenant Hunter. Dann verschwand er aus dem Bild, denn er hatte die schwere Stahltür bereits aufgedrückt und stieg nun die wenigen Treppenstufen hinauf zum eigentlichen Dachgarten. Parker verzichtete darauf, sofort zu antworten. Erst als die beiden Männer vor ihm standen, erlaubte er sich zu bemerken, daß Mike Rander ohnehin die Absicht gehabt hatte, Lieutenant Hunter anzurufen. »Demnach haben Sie also auch schon die Abendzeitungen gelesen, wie?« Hunter reichte dem Butler seinen dunklen, weichen
Hut. Dann wies er auf seinen Begleiter und sagte: »Das ist Special-Agent Randall vom FBI.« »Hallo, Parker«, sagte Randall, ein mittelgroßer, kompakt aussehender Mann von vielleicht fünfundvierzig Jahren. Er mochte damit nicht älter sein als Lieutenant Hunter vom Morddezernat. »Freut mich, Sie zu sehen. Habe schon viel von Ihnen gehört.« »Sie beschämen einen älteren Mann«, sagte Parker. »Wenn Sie erlauben, melde ich Sie jetzt an.« »Nicht mehr nötig«, rief Mike Rander von der Tür des Wohnzimmers her. »Hallo, Hunter…! Wo brennt’s denn?« »Brennen ist das richtige Wort«, erwiderte Lieutenant Hunter in seiner grimmigen, fast verkniffenen Art. »Der Teufel ist los, wenn Sie es genau wissen wollen.« Die Männer begaben sich in den großen Salon und nahmen in den schweren, tiefen Sesseln Platz, die in der Nähe des Fensters standen. Während Mike Rander und Steven Randall sich miteinander bekannt machten, mixte der stets aufmerksame Butler bereits diverse Drinks. »Wir brauchen Ihre Hilfe«, sagte Lieutenant Hunter. »Und wenn ich >wir< sage, schließe ich das FBI mit ein.« »Stimmt haargenau«, schaltete Steven Randall sich ein. Er sprach sachlich, gelassen und ruhig. »Sie müssen uns helfen, Mr. Rander…« »Warum wenden Sie sich nicht an meinen Butler?« erkundigte sich der junge Anwalt lächelnd. »Parker löst Probleme aller Art, Hauptsache, sie sind interessant genug für ihn!« »Dann wird er auf seine Kosten kommen«, sagte Randall. »Wir haben es mit einem Novum in der Kriminalgeschichte zu tun, ob Sie es nun glauben oder nicht!« * »Sie wissen also mehr als das, was in den Zeitungen steht?« Mike Rander sah Randall interessiert an und nickte zerstreut, als Parker ihm ein gefülltes Trinkglas servierte. »Worauf Sie sich verlassen können«, antwortete der Spezialagent. »Mr. Rander, Mr. Parker, was ich Ihnen zu sagen habe, muß streng vertraulich behandelt werden.«
»Geheimnisse waren und sind bei uns immer gut aufgehoben«, antwortete der Anwalt lächelnd. »Spannen Sie uns jetzt nicht länger auf die Folter, Randall. Was ist nun wirklich los?« »Nun ja, ich will mich kurz fassen. Die Vorfälle hier in Chikago haben sich bereits in anderen amerikanischen Städten in ähnlicher Form abgespielt.« »Und warum war davon nichts in den Zeitungen zu lesen? Die putschen doch sonst jede Kleinigkeit hoch?« »Die verschiedenen Vorfälle sind bisher nie in einen einzigen, großen Zusammenhang gebracht worden. Die einzelnen Fälle an sich wurden stets von den Zeitungen gebracht.« »Können Sie mit diesen Einzelheiten dienen?« fragte Mike Rander. Er sah kurz zu Butler Parker hoch, der stocksteif, würdevoll und unnahbar neben der Hausbar stand und zuhörte. »Lassen Sie mich kurz nachsehen!« Spezialagent Randall holte ein schmales Notizbuch aus der Innentasche seines Jacketts und überflog die Eintragungen. »Ich beginne mit New York«, sagte er dann. »Dort wurden bisher insgesamt vier Überfälle verübt. Den Gangstern gelang es, zusammen ca. 123.000 Dollar zu erbeuten. Sie verloren dabei vier Männer. Dann der nächste Fall in Milwaukee. Hier wurden bei zwei Überfällen 43.000 Dollar erbeutet. Zwei Gangster wurden dabei erschossen. In Washington wurde eine Bank leergeraubt. Die Beute betrug 110.000 Dollar. Drei Gangster wurden auf der Flucht erschossen. In Los Angeles wurden innerhalb von drei Tagen sechs Raubzüge durchgeführt. Gesamtbeute etwa 87.000 Dollar. Hier wurden vier Gangster erschossen. Undsoweiter, undsoweiter.« »Die Häufung der erschossenen Gangster ist geradezu erschreckend, wenn ich mir diesen bescheidenen Hinweis erlauben darf«, sagte Josuah Parker in seiner höflichen, immer etwas umständlichen Ausdrucksweise. »Gangster pflegen ansonsten rationeller zu arbeiten, was ihre Mitglieder angeht!« »Damit treffen Sie bereits den Nagel auf den Kopf«, sagte Randall und wandte sich zu Parker um. »Gangster gehen niemals ein unnötiges Risiko ein. In den genannten Fällen aber ergibt sich aus übereinstimmenden Zeugenaussagen, daß die Täter sich sorglos, ja fast heiter, bewegten.« »Genau das haben doch auch Sie beobachtet, Parker, oder?« Rander sah seinen Butler fragend an.
»Sie wurden Augenzeuge eines Überfalls?« Lieutenant Hunter sah den Butler fast strafend an. »Warum erfahre ich erst jetzt davon?« »Ich hatte den Eindruck, Sir, daß die Täter ohne jedes Angstgefühl ihre Straftaten ausführten«, schilderte der Butler seine Erlebnisse, ohne auf die Frage des Lieutenants einzugehen. »Sie verzichteten auf jede Vorsicht, sorgten aber dafür, daß die Tasche mit dem geraubten Geld in einem grauen Ford landete.« »Haben Sie sich die Wagennummer gemerkt?« fuhr Lieutenant Hunter sofort dazwischen. »Ich nahm davon Abstand, um mein Gedächtnis nicht unnötig zu belasten«, erwiderte der Butler höflich. »Ich tat dies, zumal ich als sicher unterstellen konnte, daß der graue Ford gestohlen war.« »Sie hätten mich dennoch informieren müssen«, sagte Hunter bissig. »Zurück zu unserem Problem«, blieb Spezialagent Randall gelassen. »Wir konnten selbstverständlich die Identität der erschossenen Täter feststellen. Dabei stießen wir durch die Bank auf interessante, zugleich aber auch rätselhafte Ergebnisse.« »Die Sache wird immer spannender«, murmelte Mike Rander. »Alle erschossenen Gangster waren bereits vorbestraft. Aber nicht einschlägig, wie ich gleich feststellen möchte. Es handelte sich um kleine Gauner, die über Diebstahl niemals hinausgekommen sind.« »Warum sattelten diese Männer um und machten in Raub?« fragte Mike Rander laut. »Hat das FBI dafür bereits eine Erklärung gefunden?« »Nein, Mr. Rander. Wir wissen nicht, was hier gespielt wird. Die Tatsache bleibt, daß kleine Gauner, über die man normalerweise kein Wort verlieren würde, plötzlich in bewaffneten Raub machten. Und zwar innerhalb eines bestimmten Zeitraumes in verschiedenen Städten der Staaten.« »Es könnte sich um eine neu gebildete Supergang handeln«, ließ Josuah Parker sich von der Hausbar aus vernehmen. »Diese Antwort liegt sehr nahe«, pflichtete Randall dem Butler bei. »Sie hat aber einen Haken.« »Und der wäre?« wollte Mike Rander wissen.
»Eine Gang, die innerhalb weniger Tage große personelle Verluste hat, platzt sehr schnell auseinander«, erklärte Randall, der sein Fach beherrschte. »Darf ich mir erlauben, Sir, eine Frage an Sie zu richten?« Parker sah den Spezialagenten höflich an. »Natürlich, Parker. Nur heraus mit der Sprache!« »Sind die Leichen, um diesen wenig schönen Ausdruck zu gebrauchen, obduziert worden?« »Natürlich…« Randall stutzte einen Moment, nickte dann und redete weiter: »Ich weiß schon, worauf Sie hinauswollen, Parker. Sie vermuten, daß die Toten gedopt waren, nicht wahr?« »Liegt diese Vermutung nicht relativ nahe?« fragte Parker zurück. »Daran haben auch wir gedacht, Parker. Die Spezialisten der Labors haben alle chemischen Reaktionen durchgeführt, die notwendig sind. Nicht in einem einzigen Fall konnten Rauschgift oder sonstige Drogen festgestellt werden.« »Und wie steht es mit Hypnose?« warf Mike Rander ein. »Entschuldigen Sie, falls meine Frage zu dumm ist.« »Hypnose läßt sich chemisch natürlich nicht feststellen«, gab Randall zurück, »dennoch haben wir auch mit dieser Möglichkeit gerechnet. Und, nach Lage der Dinge, könnte Hypnose die einzige Erklärung für dieses Phänomen sein. Die Sache hat allerdings einen Haken.« »Und wie sieht dieser Haken aus, Randall?« »Diese Supergang, unterstellen wir mal, daß sie existiert, müßte dann über mehrere, ausgezeichnete Hypnotiseure verfügen. Vergessen Sie nicht, daß die Täter fast gleichzeitig in den verschiedensten Städten losschlugen.« »Könnte man die Täter nicht zentral vorbehandelt haben?« »Das wäre eine Möglichkeit.« Randall zündete sich eine Zigarette in und sog tief den Rauch ein. »Und bleibt die einzige Möglichkeit, um sich das alles zu erklären. Scheußlicher Gedanke, wenn man sich vorstellt, daß die Gangster durch Hypnose dazu gebracht werden, ohne Rücksicht auf eigene Verluste Beutezüge auszuführen. Wenn das stimmt, können wir uns noch auf einiges gefaßt machen.« »Wie stellen Sie sich eigentlich unsere Hilfe oder Unterstützung vor?« wollte Mike Rander wissen. »Offen gestanden, Randall, ich
sehe kaum eine Möglichkeit, etwas für Sie und das FBI zu tun. Ich wüßte gar nicht, wie und wo wir anfangen sollten.« Randall lächelte. »Versuchen Sie, sich an einen Ihrer früheren Klienten zu erinnern«, .sagte er dann. »Dieser Fall liegt vier Jahre zurück!« »Parker, erinnern Sie sich mal!« Rander sah seinen Butler lächelnd an. »Ich habe keine Ahnung, worauf Mr. Randall hinauswill!« »Ich verweise auf den Fall Digetti, Sir!« »Digetti…? Digetti…? Ach, richtig! Donnerwetter, daß ich nicht von allein darauf gekommen bin!« »Sie wissen jetzt, wovon ich rede?« Randall wandte sich dem jungen Anwalt zu. Rander nickte. »Digetti!« sagte er dann langsam, als müsse er erst in einer Erinnerung herumkramen. »John Digetti! Er betätigte sich hier in Chikago als eine Art Heilpraktiker. Er behandelte alle Leiden durch Hypnosen und verdiente damit ein Riesenvermögen. Bis man ihm eines Tages Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nachweisen konnte. Es kam zu einem Prozeß. Digetti wurde zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Er müßte also wieder ein freier Mann sein.« »Er ist ein freier Mann«, sagte Randall. »Er lebt nach unseren Ermittlungen äußerst zurückgezogen in einem Haus an der Küste. Er gibt sich dort, wie es heißt, privaten Studien hin. Was er wirklich treibt, wissen wir natürlich nicht.« »Digetti! Und Sie glauben, daß er hinter dieser Supergang stecken könnte?« »Ich habe mir Digettis Akten angesehen«, antwortete Spezialagent Randall. »Digetti muß ein außergewöhnlich befähigter Hypnotiseur sein. Selbst im Gefängnis spielte er eine beherrschende Rolle. Er zwang die größten Schläger und Rüpel in die Knie. Er hypnotisierte sogar die Wärter, wie er wollte!« »Außergewöhnlich war er, daran erinnere ich mich jetzt«, sagte Mike Rander. »Wieso kamen Sie ausgerechnet auf Digetti, Randall?« »Es war eigentlich unsere Hollerithmaschine«, antwortete Randall lächelnd. »Die fütterten wir mit den Angaben, die wir hatten. Und sie spuckte schließlich einige Karten heraus, die interessant für uns waren. Die interessanteste Person aber war und blieb Di-
getti. Um auf Ihre Frage zurückzukommen, wie und wo Sie einsetzen könnten, Rander. Unser Wunsch also: Setzen Sie sich irgendwie mit Digetti in Verbindung und fühlen Sie ihm auf den Zahn! Vielleicht bekommen Sie als sein ehemaliger Anwalt schnelleren Kontakt zu ihm, als wir es jemals schaffen könnten!« * »Das darf doch nicht wahr sein!« Mike Rander trat unwillkürlich auf die Bremse, als der Wagen auf das Grundstück rollte. Er rieb sich die Augen, als glaube er, eine Erscheinung aus einem finsteren Traum zu sehen. »In der Tat, Sir, dazu könnte man von einem kranken Hirn sprechen«, kommentierte Parker die Erscheinung, die sich auch seinen Augen bot. Er meinte damit das Haus, in dem John Digetti wohnte. Es handelte sich um eine Art Villa, die aus dunklem Holz bestand, was an sich nicht sonderlich erstaunlich war. Es waren aber die vielen Erker, Türmchen und Schornsteine, die diesem Haus einen gespensterhaften Ausdruck verliehen. Der große Rasen vor diesem Haus war ungepflegt. Das Buschwerk schrie förmlich nach einer Heckenschere. Die vielen Fenster waren ungeputzt und sahen wie beschlagene Brillengläser aus. Viele Fensterläden hingen windschief in den Angeln. Üppiges Efeu wucherte an den Hauswänden hoch. Man sah förmlich die vielen Spinnen, die darin nisten mußten. »Nach einem erfolgreichen Gangsterboß sieht das aber nicht aus«, meinte der Anwalt, der den Wagen wieder anrollen ließ. »Ich möchte Sie auf die Tatsache hinweisen, Sir, daß Mr. Digetti zumindest einen Wagen fährt, den er gern und häufig benutzt.« »Wie kommen Sie denn darauf?« »Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die deutlichen Reifenspuren in der aufgeweichten Zufahrt, Sir.« »Okay, zur Kenntnis genommen. Lassen wir uns weiter überraschen, Parker. Hoffentlich werden wir nicht hypnotisiert. Das hätte mir gerade noch gefehlt.« »Wir werden augenscheinlich erwartet, wenn ich darauf hinweisen darf.«
»Von wem?«, Mike Rander spähte durch die Windschutzscheibe, konnte aber nichts entdecken. »Hinter dem schmalen, hohen Fenster neben der Eingangstür sah ich die Umrisse einer Gestalt, Sir.« »Sie müssen sich getäuscht haben, Parker. Ich wette, in diesem Bau finden wir keine Menschenseele!« Rander hielt den Wagen vor dem großen Portal des Hauses an. Treppenstufen führten hinauf zur Tür. Als Rander und Parker ausstiegen, rochen sie den Duft von feuchtem Moder und nassem Holz. Rander ging voraus. Er hatte die Tür noch nicht ganz erreicht, als plötzlich ein Schuß fiel. Mike Rander wurde zwar nicht getroffen, doch er warf sich sofort zur Seite und ging hinter einem Holzpfeiler in Deckung, der die schweren Balken eines großen Balkons trug. Er zog seinen 38er und entsicherte ihn. Josuah Parker schüttelte indigniert den Kopf. Eine Begrüßung dieser Art hatte er nicht erwartet. Er ließ sich von dem abgefeuerten Schuß aber nicht entmutigen und schritt weiter auf die Tür zu. Jetzt sah er deutlich den Gewehrlauf, der durch eine kleine, geöffnete Klappe in der Tür vorgeschoben wurde. »Sie sollten sich erst nach Ihren Gästen erkundigen, bevor Sie sich die Freiheit nehmen, einen Schuß abzufeuern«, sagte Parker mit angehobener Stimme. »Ihr Benehmen läßt in der Tat das vermissen, was man eine gute Kinderstube nennt!« Seine Ansprache hatte Erfolg. Der Gewehrlauf verschwand plötzlich. Und Sekunden später wurde die Tür vorsichtig geöffnet. »Mr. Parker?« fragte eine überraschend helle Stimme. »Parker ist mein Name, Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor. »Habe ich die Ehre mit Mr. Digetti?« Die Tür wurde weiter aufgezogen. Ein großer, hagerer Mann von asketischem Aussehen und in nachlässiger Kleidung produzierte so etwas wie ein fragendes Lächeln. Dieses Lächeln stand im krassen Gegensatz zu dem zweiläufigen Gewehr, das der Mann in der Hand hielt.
»Hallo, Mr. Digetti? Erinnern Sie sich noch an uns?« Mike Rander verließ die Deckung und nickte dem hageren Mann zu, dessen Gesichtsfarbe ungesund und gelb aussah. »Ich bin John Digetti… Mr. Rander, nicht wahr?« »Mike Rander. Ihr Anwalt von damals. Hoffentlich stören wir nicht.« »Aber nein! Kommen Sie herein. Ich bin froh, besucht zu werden.« »Sah aber nicht danach aus«, stellte der Anwalt zweifelnd fest. »Sind Sie in letzter Zeit belästigt worden?« »Wie kommen Sie darauf?« John Digetti sah den Anwalt überrascht an. Dann merkte er wohl, daß Rander auf die Flinte angespielt hatte und lächelte wieder dünn: »Man muß sich hier draußen in der Einsamkeit vorsehen. – Es treibt sich zuviel Gesindel herum!« John Digetti drehte sich um und ging voraus, ohne sich weiter um seine beiden Gäste zu kümmern. Rander und Parker folgten ihm in eine große, düstere Halle, in der es nach verbranntem Holz roch. Alle Vorhänge waren geschlossen. Sie hielten das Tageslicht fern. In der Nähe eines mächtigen Kamins brannte eine Stehlampe. Ihr Lichtschein reichte gerade aus, die Umrisse des altertümlichen Mobiliars erkennen zu können. »Setzen Sie sich! Sagen Sie mir, was Sie hierhergeführt hat!« Digetti ließ sich in einen gepolsterten Schaukelstuhl fallen und. griff nach einer Zigarre, die qualmend in einem Aschenbecher lag, der auf einem niedrigen Rauchtisch stand. »Sie praktizieren nicht mehr?« fragte Mike Rander rundheraus. »Aber nein! Mich widert alles an. Sie wissen doch, daß man mir meine Existenz vernichtet hat.« »Die letzten Jahre müssen sehr bitter für Sie gewesen sein?« »Sie waren heilsam, Mr. Rander. Ich habe den Wert der Einsamkeit kennengelernt. Wenn Sie wissen, was ich meine.« »Sie leben hier völlig allein?« »Ich verachte die Menschen«, erklärte Digetti ruhig und sachlich. Als Mike Rander ihn fragend ansah, fühlte Digetti sich veranlaßt, sich näher über dieses Thema zu verbreiten. Während Mike Rander interessiert zuhörte, sah Parker sich den ehemaligen Heilpraktiker genau an.
Die dunklen, großen Augen des Mannes strömten eine gelassene Ruhe, aber auch eine große Kraft aus. Sie paßten so gar nicht in das hagere, asketische Gesicht. Die schmale, große Nase und der messerscharfe Mund mit den tiefen Falten an den Seiten verrieten etwas von der Energie, die in diesem Manne stecken mußte. Das eckige, knochige Kinn, unterstrich nur noch diesen Eindruck. »Sind Sie aus einem bestimmten Grund zu mir gekommen?« fragte Digetti gerade, als Parker sich wieder auf die Unterhaltung konzentrierte. »Es war mehr oder weniger reiner Zufall«, gab Mike Rander zurück. Parker wollte zustimmend nicken, als er plötzlich den Eindruck hatte, als lege sich ein eiserner Reif um seinen Schädel. Er wußte plötzlich, daß Digetti sich auf seine Fähigkeit als Hypnotiseur besonnen hatte. Parker kniff unmerklich die Augen zusammen, als dieser Druck um die Stirn sich noch verstärkte. Eine wohltuende Müdigkeit erfaßte ihn. Beschaulicher Friede breitete sich in ihm aus. Er fühlte sich ausgezeichnet, spürte plötzlich nicht mehr den Druck und lehnte sich entspannt und zufrieden in seinen Sessel zurück. Zustimmend nickte er, als Mike Rander zu erzählen begann. Der Anwalt hatte keine Bedenken, vom wahren und wirklichen Grund seines Besuches zu sprechen. Er erwähnte Lieutenant Hunter, den Spezialagenten Randall und auch den Verdacht der Behörden, ein gewisser John Digetti könne unter Umständen eine Supergang aufgezogen haben. »Stimmt denn das wirklich, Mr. Parker?« erkundigte sich Digetti bei dem Butler. Das Gesicht des Fragenden verriet Güte und Verständnis. »Ich kann den Worten meines Herrn nichts hinzusetzen«, erwiderte der Butler würdevoll. »Wir sollen in der Tat ausfindig machen, Sir, ob Sie als eine Art Gangsterboß in Betracht kommen.« »Und zu welchem Schluß sind Sie gekommen?« »Der Verdacht der Polizei ist, bei allem Respekt, geradezu grotesk«, gab der Butler entschieden zurück. »Er bedeutet eine Unterstellung, die man entschieden zurückweisen muß!« »Ich freue mich, daß Sie zu diesem Schluß gekommen sind«, gab John Digetti höflich zurück. »Hoffentlich werden Sie auch in diesem Sinne der Polizei berichten.«
Parker und Rander beeilten sich, in diesem Sinne auch zu antworten. Von Sekunde zu Sekunde verstärkte sich ihr Gefühl, daß man diesem so friedlichen Mann unrecht tun wollte. Und sie waren davon auch noch überzeugt, als sie wieder in ihrem Wagen saßen und zurück auf die Landstraße fuhren. »Ein prächtiger Bursche«, meinte Anwalt Rander. »Eines weiß ich ganz sicher, die Polizei ist auf dem falschen Dampfer. Digetti tut keiner Fliege etwas zuleide!« »Hinsichtlich der Fliegen erlaube ich mir, Ihnen beizupflichten, Sir!« »Wie bitte? Sind Sie etwa anderer Ansicht?« »In der Tat, Sir, zumal Sie von Mr. Digetti auf wenig schöne Art und Weise hypnotisiert wurden!« »Ausgeschlossen!« »Ich fürchte, ich muß bei meiner Behauptung bleiben, Sir. Er versuchte es auch bei mir, doch ich fand nur sehr wenig Gefallen an dieser Rolle und widersetzte mich seinen Ausstrahlungen.« Rander bremste den Wagen scharf ab. »Sind Sie sicher?« fragte er dann bestürzt. »Vollkommen sicher, Sir! Mr. Digetti konnte nicht wissen, daß ich die Techniken und Praktiken der Hypnose studiert habe. Als ich seinerzeit einmal die Ehre hatte, der Butler des Earl of Westhamshire zu sein, unterwies er mich in der Hypnose, einem Steckenpferd, dem mein damaliger Herr frönte.« »Demnach haben wir es ja mit einem ausgekochten Gauner zu tun«, entrüstete sich der Anwalt. »Mit einem Hypnotiseur, Sir, wenn ich Sie korrigieren darf. Mehr ist vorerst nicht erwiesen und bekannt.« »Mit einem Gauner«, ärgerte Mike Rander sich laut. »Er hat mich ohne meine Einwilligung hypnotisiert. Das ist ungesetzlich.« »War aber auf der anderen Seite, Sir, wenn ich mir diesen Hinweis gestatten darf, äußerst aufschlußreich. Seihe Fähigkeiten dürfte Mr. Digetti demnach nicht verloren haben!« »Dann ist das FBI also doch auf der richtigen Spur!« »Auch das bleibt fraglich, Sir. Um sicher zugehen, müßte man Mr. Digetti einen ungebetenen und überraschenden Besuch abstatten.« »Nichts lieber als das. Ich möchte ihm gehörig auf die Finger klopfen. Eine verdammte Frechheit, mich ohne Erlaubnis so einfach in Trance zu setzen!«
»Ich fürchte, Sir, vorerst gilt es, andere Dinge zu erledigen«, warf der Butler ein. »Und die wären?« »Wir werden augenscheinlich verfolgt!« * Mike Rander schaute sich ungeniert um. Nach wenigen Sekunden wußte er, daß sein Butler wieder einmal richtig gesehen hatte. Ein unauffällig aussehender, staubbedeckter Ford folgte ihnen hartnäckig. Er schob sich weder näher an sie heran, noch fiel er ab. Er hielt genaue Distanz ein. »Sieht eigentlich ziemlich harmlos aus«, stellte Mike Rander fest. »Sicherheitshalber werde ich aber mal nach Ihrem Spezialkoffer langen, Parker.« »Ich bedauere, Ihnen dabei nicht behilflich sein zu können«, entschuldigte sich der Butler. Rander schmunzelte. Er konnte sich sehr gut vorstellen, daß sein Butler liebend gern die diversen Schußwaffen ausgewählt hätte, die sich in diesem Koffer befanden. Sie benutzten zur Zeit zwar nicht Parkers hochbeiniges Monstrum, doch den Spezialkoffer hatten sie mitgenommen. Rander und auch Parker waren es schließlich gewohnt, daß man ihnen sehr häufig Schwierigkeiten bereitete, die sich nicht durch höfliche Freundlichkeit beseitigen ließen. Rander langte nach dem schwarzen Lederkoffer und öffnete den Deckel. Eine gut ausgesuchte Sammlung der verschiedensten Waffen bot sich seinen Augen dar. »Ich erlaube mir, Sir, zu den 45ern zu greifen, beziehungsweise auf diese Kaliber hinzuweisen«, meinte Parker. »Sie dürften bei einem Distanzgefecht von größtem Nutzen sein.« »Sie glauben tatsächlich an eine Schießerei?« »Ich fürchte, Sir, sie hat bereits begonnen«, gab der Butler zurück. »Der graue Ford hat sich innerhalb der letzten Sekunden sehr nahe an Sie und an meine Wenigkeit herangeschoben.« Rander brauchte sich kaum noch nach dem Wagen umzuwenden.
Der graue Ford hatte Fahrt aufgenommen und war herangeprescht. Er schickte sich nun an, den Wagen zu überholen, in dem Rander und Parker saßen. Mike Rander hielt bereits einen entsicherten und durchgeladenen 45er in der Hand. Er sah zu dem überholenden Wagen hinüber und war gespannt, was die Insassen tun würden. Er konnte sie sehr gut erkennen. Es handelte sich um drei Männer, die korrekt und zivil gekleidet waren. Sie wirkten wie Geschäftsleute, die auf Tour waren. Sie schenkten Rander und Parker nicht einen Blick. Gesammelt und ernst schauten sie hinaus auf das breite Straßenband. »Ich glaube, Sie haben sich diesmal aber getäuscht«, meinte der junge Anwalt. »Ich wette, die drei Männer dort verkaufen Eisschränke oder Autos!« »Oder interessieren sich dort für die Straßensteigung hinter den Hügeln«, warf Parker ein. »Das wäre allerdings eine ideale Autofalle«, meinte Mike Rander. Er sah dem grauen Ford nach, der in schneller Fahrt auf die sanften, bewaldeten Hügel zupreschte. Die Straße stieg dort an und bog scharf nach rechts ab. Strauchwerk, mannshoch, zu beiden Seiten der Straße, bot sich als idealer Hinterhalt an. »Wollen Sie es auf eine Schießerei ankommen lassen?« erkundigte sich Rander. »Darf ich mir erlauben, Sir, einen Vorschlag zu machen?« »Schießen Sie schon los? Was haben Sie diesmal auf der Pfanne?« »Es ließe sich durchaus einrichten, noch einmal zurück zu Mr. Digetti zu fahren.« »Und was sollen wir dort?« »Auf die Rückkehr des grauen Ford warten, Sir.« »Nicht schlecht, Parker, wenn Sie sich davon etwas versprechen! Gut, drehen Sie ab. Vielleicht hetzt der Ford erneut hinter uns her!« Josuah Parker ergriff sofort die Initiative. Er bremste den Wagen ab, wendete ihn geschickt auf der Straße und fuhr zurück. Diesmal überschritt er absichtlich die normale Geschwindigkeit. Ihm kam es darauf an, einen größeren Vorsprung herauszuholen. »Jetzt bin ich aber gespannt«, sagte Rander. »Wenn wir verfolgt wurden, wird man das Wendemanöver beobachtet haben!«
»Man hat Sie und meine bescheidene Wenigkeit beobachtet«, gab der Butler zurück. »Ich glaube, der graue Ford hat die Verfolgung erneut aufgenommen.« Mike Rander drehte sich um und sah erneut durch das Rückfenster. Parker hatte richtig beobachtet. Der graue Ford tauchte hinter den bewaldeten Hügeln auf. Der Abstand zwischen den beiden Wagen war nun ziemlich groß. »Darf ich mir erlauben, Sir, Sie um eine Gefälligkeit zu bitten?« erkundigte sich der Butler. »Und die wäre?« »In meinem Spezialkoffer, Sir, befinden sich einige Krähenfüße!« »Einige was?« »Krähenfüße, Sir, wie es im Jargon heißt. Aneinandergeschweißte und rechtwinklig zueinander stehende Stahlnägel, die den Vorzug haben, Autoreifen mit größter Sicherheit zu entlüften.« »Ja, hier sind sie!« Rander hatte den Koffer wieder aufgeklappt und hielt einige dieser sogenannten Krähenfüße in der Hand. »Wollen Sie die etwa auf die Straße kippen?« »Man könnte sie rein zufällig verlieren, Sir!« »Mann, damit machen wir uns schuldig. So etwas ist ungesetzlich!« »Selbstverständlich, Sir, Ihre juristische Beurteilung ist zwingend, sie hat allerdings den Nachteil, wenn ich darauf hinweisen darf, daß sie allein nicht genügen wird, die Verfolger zu stoppen!« »Gern mach ich so etwas aber nicht!« »Wenn Sie erlauben, Sir, übernehme ich diese Arbeit«, erwiderte der Butler. Und erstaunlich schnell griff er nach Krähenfüßen und warf sie durch das geöffnete. Wagenfenster hinaus auf die Straße. Sie purzelten und rollten und sprangen ein Stück umher, um sich dann tückisch auf die Reifen des grauen Ford vorzubereiten. Josuah Parker hatte die genau richtige Stelle gewählt, denn kurz nach dem Abwurf der Krähenfüße machte die Straße einen scharfen Knick und verschwand hinter einem kleinen Wäldchen. Hinter diesem Wäldchen hielt Parker den Wagen an; um ihn dann vorsichtig in einen schmalen, sehr bewachsenen Feldweg einzulenken. Dann stellte er den Motor ab und sah seinen jungen Herrn abwartend an.
»Was steht denn jetzt auf Ihrem Programm?« fragte Rander, der sich unbehaglich fühlte. Es paßte ihm nicht, daß sie die Krähenfüße ausgestreut hatten. Gerade durch seine Tätigkeit als Anwalt war sein Rechtsgefühl vollendet ausgebildet. »Nach meinen bescheidenen Berechnungen müßte der Ford innerhalb der kommenden drei Minuten ohne Luft sein«, sagte Parker. »Mit anderen Worten, man wird anhalten und sich die Zeit für eine mehr oder weniger lange Reparatur nehmen müssen. Das wäre, wenn ich das vorschlagen darf, eine günstige Gelegenheit, sich über die Personen des Fords zu informieren.« Parkers Satz schwang noch in der Luft, als plötzlich zwei scharfe Detonationen zu hören waren. »Die Reifen des Ford«, stellt Parker gelassen fest. »Mit anderen Worten, die Krähenfüße dürften ihre Dienste getan haben…!« * Die drei Männer arbeiteten Hand in Hand. Schnell und geschickt wechselten sie den platten, rechten Vorderreifen. Sie taten das ohne jedes Fluchen, was unter diesen Voraussetzungen fast sicher gewesen wäre, und sie besorgten es stumm und ohne jede Verbissenheit. Bis sie sich dem linken, platten Hinterreifen widmeten. Für diesen aufgerissenen Reifen gab es kein Reserverad. Sie mußten entweder den Schlauch flicken, und zwar an Ort und Stelle, oder ihn zu irgendeine Tankstelle bringen. Wo sich die befand, wußte selbst Parker nicht. Immerhin befanden sie sich weit außerhalb der Stadt und von einer Tankstelle hatte Parker auf der Hinfahrt nichts gesehen. Der Butler stand zusammen mit seinem jungen Herrn hinter dichtem Strauchwerk und beobachtete die drei Männer. Sie waren gut gekleidet und sahen vollkommen harmlos aus. Sie benahmen sich aber untypisch, wie Parker sofort fühlte. Wie gesagt, sie schimpften nicht, sie verzichteten auf jedes unschöne oder unfeine Wort und sie redeten kaum miteinander. »Komische Burschen«, flüsterte Rander seinem Butler zu. »Da stimmt doch etwas nicht!«
»Ich möchte darauf hinweisen, Sir daß sie nicht wie hypnotisiert aussehen«, stellte Parker leise fest. »Und dennoch, ich gebe Ihnen recht, sie benehmen sich recht ungewöhnlich.« Die drei Männer standen vor dem abgezogenen linken Rad und beratschlagten nun leise miteinander. Einzelne Worte waren nicht zu verstehen. Doch sie schienen zu einem Ergebnis gekommen zu sein. Einer der drei Männer trat an den geöffneten Wagen, langte auf den Rücksitz und zog eine kleine Ledertasche hervor. Mit geschickten Handgriffen zog er eine bisher versenkte Antenne hervor, öffnete einen Reißverschluß und ließ damit die Frontplatte eines kleinen Funkgerätes sehen. Der Mann zog einen Schieber in dieser Frontplatte zur Seite und konnte ein kleines Mikrofon herausnehmen. Dann setzte er einen Funkspruch ab. Leider war auch davon nichts zu verstehen. Die Distanz zwischen den beiden Beobachtern und den drei Männern war zu groß. Und näher durften sich Parker und Rander nicht an die drei Männer heranwagen, wenn sie es nicht auf eine Schießerei ankörnen lassen wollten. »Ich bin fast beruhigt«, sagte Rander leise. »Dieses Funkgerät sieht nicht danach aus, als hätten wir es mit drei normalen Handlungsreisenden zu tun.« Der Mann, der seinen Spruch abgesetzt hatte, schaltete auf den eingebauten Lautsprecher um. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Eine quäkende, undeutliche und leider sehr verzerrte Stimme antwortete. Und wiederum waren keine Einzelheiten zu verstehen. Wenigstens für Rander und Parker. Der Funkoperateur hingegen schien sehr genaue Instruktionen erhalten zu haben. Er baute das Funkgerät wieder ab und ließ es in der Mappe verschwinden. Dann wandte er sich an seine beiden Begleiter und sprach kurz mit ihnen. »Sie wollen den Wagen stehenlassen«, sagte Rander überrascht. * »Sehen Sie doch, Parker, die wollen querbeet durchs Gelände stiefeln!«
»Darf ich auch Ihnen einen kleinen Fußmarsch vorschlagen, Sir?« »Ich wußte, daß das kommen würde«, meinte der Anwalt seufzend. »Parker, Parker, seitdem wir zusammen sind, ist mein Leben völlig umgekrempelt worden.« »Ich gebe mir ehrliche Mühe, es Ihnen interessant zu machen, Sir. Um aber auf die drei Männer zurückzukommen, sie wollen ihn anzünden, wenn mich nicht alles trügt!« Parker täuschte sich nicht. Einer der drei Männer entleerte einen kleinen Benzinbehälter in den Wagen und warf ein angezündetes Streichholz nach. Sekunden später explodierten die Benzindämpfe und setzten den Wagen umgehend in Brand. Er verwandelte sich innerhalb weniger Sekunden in eine glühende Hölle. Und als der Tank noch zusätzlich in die Luft flog, gab es für den Wagen keine Rettung mehr. »Ich möchte annehmen, daß man Fingerabdrücke vernichten will«, sagte Parker bedauernd. »Mein flüchtiger Verdacht wird zur Gewißheit, Sir. Wir haben es mit Gangstern zu tun.« »Die möglicherweise zurück zu Digettis Haus gehen werden«, erklärte Rander. »Lassen wir uns also überraschen!« Die drei Männer hatten es nun einig. Sie verließen die Straße und verschwanden im welligen Gelände, das mit Büschen und Sträuchern bewachsen war. Rander und Parker, die den drei seltsamen Männern folgten, brauchten eine vorzeitige Entdeckung kaum zu fürchten. Sie fanden immer wieder gute Deckungsmöglichkeiten. Hinzu kam, daß die drei Männer wohl nicht im Traum daran dachten, daß sie verfolgt werden könnten. Sie sahen sich nicht um. Sie fühlten sich allein auf dieser Welt. »Zurück zu Mr. Digetti geht es auf keinen Fall«, bemerkte Parker nach zehn Minuten. »Ich glaube, das Ziel der drei Männer ist dort die verlassene Farm auf dem sanften Hügel zwischen den beiden kleinen Waldstücken.« Rander nickte nur. Das Jagdfieber hatte ihn gepackt. Er spürte deutlich, daß sie einem Geheimnis auf der Spur waren. Er fragte sich immer wieder, ob es sich um Gangster handelte, deren Partner die bisherigen Überfälle ausgeführt hatten. Sollte sich hier eine erste, deutliche Spur abzeichnen? Die drei Wanderer standen am Fuß der Kuppe.
Rander und Parker gingen in Deckung, um nicht im letzten Augenblick noch durch einen dummen Zufall entdeckt zu werden. Die drei Männer stiegen nun zur Farm hinauf, die nur noch aus verrotteten Brettern und Balken bestand. Die große Scheune war restlos in sich zusammengebrochen. Das Farmhaus mit der angrenzenden Remise war hingegen noch in Umrissen zu erkennen. »Sieht nicht gerade nach einem Gangsterhauptquartier aus«, sagte Rander nachdenklich. »Ob sie dort in einen Ersatz wagen umsteigen?« »Ich denke mehr an einen Hubschrauber«, sagte Parker. »Wie kommen Sie ausgerechnet auf einen Hubschrauber?« fragte Rander lächelnd. »Diesmal geht die Phantasie mit Ihnen durch, Parker.« »Ich dachte an einen Hubschrauber, Sir, da ich einen sehe«, gab der Butler höflich zurück. »Dort, hinter dem Wäldchen, ist er zu sehen. Und jetzt wohl auch zu hören!« Rander schmunzelte. Parker wußte es natürlich wieder einmal besser. Das rauschende Knattern der Rotoren war nun wirklich zu hören. Das große Insekt schwebte dicht über den Baumspitzen und ließ sich auf dem freien, mit Gras überwucherten Platz vor dem Farmhaus nieder. Die drei Männer stiegen in den Hubschrauber, der sofort wieder abhob und Kurs auf das kleine Waldstück nahm, das er gerade überflogen hatte. »Donnerwetter«, murmelte Rander überrascht. »Das nenne ich Organisation, Parker. Diese Burschen müssen verdammt viel Geld haben…!« »Und sind neugierig dazu, wenn mir dieser Hinweis gestattet ist, Sir.« »Wieso neugierig?« »Sie suchten nach unserem Wagen, wenn mich nicht alles täuscht. Sehen Sie doch, der Hubschrauber kurvt zurück zur Straße!« »Und wird unseren Wagen mit Sicherheit finden!« »Erfreulich, äußerst erfreulich!« »Ich weiß, Sie sind Optimist, Parker, aber wieso soll es erfreulich sein, wenn die Burschen unseren Wagen finden? Dann wissen sie dock, daß wir sie verfolgt haben!«
»In der Tat, Sir! Und diese Erkenntnis wird eine gedankliche und zwangsläufige Kettenreaktion auslösen.« »Ich ahne schon, worauf Sie hinauswollen, Parker. Sie hoffen, daß man sich ab sofort sehr intensiv und hautnah mit uns befaßt, nicht wahr?« »Hoffentlich haben Sie nichts dagegen, Sir?« »Ich kann’s auf jeden Fall nicht mehr ändern«, erwiderte Rander. »Aber ich empfehle, schleunigst irgendwo in Deckung zu gehen! Ein Hubschrauber könnte uns leicht aufspüren!« »Wie wäre es mit dem Farmhaus, Sir?« »Immer noch besser, als hier im Gelände zu sein! Kommen Sie!« Mike Rander und Josuah Parker stiegen gerade den Hügel hinan, als plötzlich von der Straße her zwei laute und häßliche Detonationen zu hören waren. Sie drehten sich sofort um und sahen zur Straße hinüber. Eine Feuersäule zischte zum Himmel hoch. Dann folgten dunkle schwarze Rauchwolken. »Ich fürchte Sir, daß man unseren Wagen zerbombt hat«, sagte Parker gelassen. »Und ich fürchte, Parker, daß man sich gleich mit uns befassen wird«, gab der Anwalt zurück. »Da… Der Hubschrauber kommt zurück! Jetzt aber nichts wie zurück in Deckung, sonst sind wir geliefert!« * Der Hubschrauber flog den dritten Angriff. Er war hartnäckig wie eine Wespe, die um den Honigtopf schwirrt. In zwei Anflügen hatte der Hubschrauber je zwei Bomben auf die Reste der Farm geworfen. Mike Rander und Josuah Parker hatten bisher Glück gehabt und außer Dreck und Staub nichts abbekommen. Sie hatten sich absichtlich nicht bemerkbar gemacht und nicht zurückgeschossen. Doch nun erfolgte der dritte Anflug. Rander und sein Butler hatten das eigentliche Farmhaus nach dem zweiten Anflug sofort verlassen und waren hinter den Trümmern der Scheune im Gelände in Deckung gegangen. Sie konnten nur hoffen, daß man sie dabei nicht beobachtet hatte.
Der Hubschrauber blieb über den Resten des rauchenden Farmhauses stehen. Die Insassen des riesigen Insekts forschten jetzt nach Spuren ihrer Verfolger. Und sie hatten ganz sicher noch weitere Bomben bereit, um etwaige Spuren von Leben zu vernichten. Rander und Parker ließen den Hubschrauber nicht aus den Augen. Es handelte sich um ein gängiges, großes Modell, das auch an Zivilpersonen verkauft wurde. Es war ordentlich registriert worden, wie die Zulassungs- und Kennzeichnungsnummern verrieten. »Sie gehen runter und suchen nach uns«, sagte Rander leise zu seinem Butler. »Die sind aber verflixt genau!« »Dieses Vorgehen sieht schon nicht mehr nach Rache aus«, erwiderte Parker, der ebenfalls überrascht war. »Es müssen zwingende Gründe vorliegen, warum man Sie und meine bescheidene Wenigkeit umbringen will!« »Denken Sie mal an die Registriernummer des Hubschraubers«, sagte Rander. »Damit läßt sich schon einiges machen! Der Besitzer des Hubschraubers weiß, daß er früher oder später dran sein wird!« Die weitere Unterhaltung zwischen Rander und seinem Butler wurde gestört. Nachdem der Hubschrauber sich breit und behäbig niedergesetzt hatte, stiegen die drei Männer aus dem grauen Ford zurück auf den festen Boden und kämmten die Trümmer des zerbombten Farmhauses durch. Sie gingen dabei sehr gründlich vor. Und sie mußten früher oder später an die Trümmer der großen Feldscheune geraten. »Im Hubschrauber sitzt nur noch der Pilot«, sagte Parker. »Ob man es mit einem Handstreich versuchen sollte?« »Sie wollen das Ding kapern, Parker?« »Man könnte sich dadurch vielleicht einen längeren Fußmarsch ersparen, Sir.« »Keine schlechte Idee, Parker, aber sie kommt zu spät!« Der Hubschrauber hob wieder ab und stieg wie ein Fahrstuhl etwa zehn bis fünfzehn Meter hoch. Dann blieb er stehen und überwachte das umliegende Gelände. Rander und Parker konnten die Trümmer der Feldscheune nicht mehr verlassen, sie wären sonst unweigerlich ausgemacht worden. Die Taktik des Piloten war gut und richtig. Sah er die sich absetzenden beiden Verfolger, brauchte er sie nur anzufliegen
und zu Boden zu zwingen. Ein einfaches und wirkungsvolles Verfahren. Die drei Männer aus dem grauen Ford näherten sich inzwischen der Feldscheune. Sie hatten die rauchenden Trümmer des Farmhauses durchsucht und verständlicherweise nichts gefunden. Nun wollten sie wohl den Rest der Farm absuchen. »Jetzt wird’s brenzlig«, sagte Rander. »An einer Schießerei werden wir nicht vorbeikommen… Mann, was machen Sie denn da, Parker? Haben Sie keine anderen Sorgen?« Parker und Rander standen hinter einer niedrigen Bretterwand, die noch nicht eingestürzt war. Parker zog vorsichtig und prüfend eines dieser oben freien und unbefestigten Bretter zu sich heran. Da das Holz feucht war, ließ es sich willig biegen. Es spannte sich von Zentimeter zu Zentimeter. Dadurch verwandelte es sich in eine Art Katapult, in eine Art Grobschleuder für dicke Steine oder sonstige Gegenstände. Parker mußte äußerst vorsichtig agieren, um von dem Hubschrauberpiloten nicht gesehen zu werden. Die drei Männer aus dem Ford, die sehr gründlich arbeiteten, hatten das äußere Ende der großen Scheune erreicht und durchsuchten hier die ersten Trümmer. »Darf ich Sie höflichst um einen mittelschweren Stein bitten?« fragte Parker seinen jungen Herrn. »Wollen Sie den Hubschrauber mit einem Stein abschießen?« erkundigte sich Rander kopfschüttelnd. Dennoch beugte er sich zu Boden und suchte nach einem passenden Stein. Er fand einen in der Größe eines Kinderkopfes. »Der Hubschrauber steht außerordentlich günstig«, sagte Parker leise. Rander war zwar nicht so optimistisch, doch er wuchtete den Stein auf das äußere Ende des gespannten Brettes. Parker umfaßte ihn mit seinen Händen und… ließ das lange, federnde Brett zurückschnellen. Das Katapult funktionierte außerordentlich gut! Der Stein wurde durch die Federkraft des Brettes in die Luft geschleudert und zischte dicht an der Plexiglaskuppel des Hubschraubers vorbei. Er traf gegen die Mittelachse der Rotoren und richtete dort im Mechanismus einige Verwirrung an, die sich nicht mehr gutmachen ließ. Mit anderen Worten, die Rotoren gerieten ins Flattern, knatterten und stöhnten und falteten sich flügellahm zusammen. Der unter den Rotoren hängende Hubschrauber tru-
delte, kippte zur Seite und flatterte müde wie ein welkes Blatt zu Boden. Er war eben nur schwerer als ein welkes Blatt. Daher war es auch zu verstehen, daß der Bruch vollendet war. Der Hubschrauber verwandelte sich innerhalb weniger Sekunden in ein Knäuel aus Blech, Stahl, Rotorblättern, die absplitterten, und zerbrochenem Glas. Eine Stichflamme aus dem Tank besorgte den Rest, kurz, der Hubschrauber spielte plötzlich keine Rolle mehr. Dafür aber die drei Männer aus dem grauen Ford. Sie mußten erraten haben, von wo aus der nützliche Stein in die Luft geschleudert worden war. Stumm, aber ungewöhnlich schnell, wild und entschlossen, kamen die drei Männer heran. Sie waren bestens bewaffnet. Jeder von ihnen besaß eine Maschinenpistole und jeder von ihnen wußte damit auch umzugehen. Rander und Parker ließen sich jedoch nicht ins Bockshorn jagen. Sie besaßen schließlich handliche 45er, die auch nicht gerade als Spielzeuge zu bezeichnen waren. Mike Rander setzte einen der drei Männer außer Gefecht. Das heißt, er schoß diesem Mann die Waffe aus der Hand. Josuah Parker besorgte den Rest. Es dauerte nur wenige Sekunden und kostete nur drei gezielte Schüsse, um die drei Männer zu entwaffnen. Normalerweise – sie waren schließlich zusätzlich noch verwundet worden – hätten sie nun aufstecken müssen. Normalerweise hätten sie eingesehen, daß hier für sie nichts anderes mehr zu holen war als eine weitere zusätzliche Verwundung. Doch daran dachten sie überhaupt nicht. Stur wie Panzer, wie es im Jargon so treffend heißt, arbeiteten sie sich weiter an Mike Rander und Josuah Parker heran. Die Gesichter der drei immerhin verwundeten Gangster zeigten weder Haß noch Rachsucht. Die Gesichter drückten irgendeine unverständliche, stille, innere Freude aus. Und vielleicht wirkten die drei Männer deshalb so gefährlich und so tödlich, obwohl sie doch entwaffnet worden waren. Rander und Parker mußten sich mit den Fäusten wehren. Schießen wollten sie nicht. Es ging ihnen darum, Gesprächspartner zu gewinnen, die vielleicht mit Informationen dienen konnten. Die restliche Auseinandersetzung ging schnell und routiniert über die Bühne. Sowohl Parker als auch sein junger Herr kannten
sich in der relativ edlen Kunst der Selbstverteidigung bestens aus. Hinzu kam Parkers Universal-Regenschirm, der das letzte Wort sprach. Kurz, nach wenigen Minuten lagen drei angeschlagene Männer regungslos auf dem Boden und wußten nicht, was mit ihnen geschah! * Parker stand vor den rauchenden Trümmern des Hubschraubers. Er sah gleich, daß hier nichts mehr zu machen war. Der Pilot hatte sich nicht mehr retten können. Er mußte noch unter den Resten dieses riesigen Insekts aus Stahl begraben liegen. Parker wollte sich aus Gründen der Sicherheit schon abwenden, da er mit dem Detonieren von Munition oder von einigen kleinen Bomben rechnete, als er plötzlich ein unterdrücktes Stöhnen hinter dem Wrack hörte. Die genaue Sicht wurde ihm durch eine dichte Wand aus Feuer, Rauch und dunklem Qualm versperrt. Doch das Stöhnen konnte kein Irrtum gewesen sein. Parker lief um das Wrack herum und traute seinen Augen nicht. Im rauchenden Gras, nicht weit von einer brennenden Benzinlache entfernt, lag ein Mensch. Es mußte der Pilot des Hubschraubers sein. Der Mann trug einen Overall, der jetzt zerrissen und völlig verschmiert war. Der Mann lag auf dem Bauch und merkte nicht, daß Parker sich vorsichtig neben ihm niederkniete. »Können Sie mich hören?« fragte Parker. Der Mann hörte plötzlich auf zu stöhnen. Er versuchte sich umzuwenden. »Bleiben Sie liegen«, sagte Parker. »Ich werde Sie vorsichtig aus dem Bereich der Flammen herausziehen. Befanden sich noch Bomben an Bord?« »Weg… schnell weg…!« keuchte der Mann. Die Angst vor der Explosion der Bomben peitschte ihn hoch. »Schnell!« Parker nahm sich nicht die Zeit, den Mann aufzurichten. Was vielleicht auch wegen innerer Verletzungen zu gefährlich war. Er schob ihn so vorsichtig wie möglich aus dem Hitzebereich der Flammen. Und sie verschwanden gerade in einer Bodenwelle, als das Wrack des Hubschraubers wie von einer riesigen, unsichtba-
ren Faust auseinandergerissen wurde. Dazu gab es eine dumpfe, donnernde Explosion, die fast die Trommelfelle sprengte. »Glück gehabt, würde ich sagen«, meinte Parker zu dem Piloten, der nun auf dem Rücken lag. Parker sah in ein faltenreiches, breites Gesicht, das einem Mann von etwa vierzig Jahren gehörte. Ein dünner Blutfaden sickerte dem Mann aus dem rechten Mundwinkel. »Sie… aber nicht wir…!« Der Mann war gut zu verstehen. Und was er meinte, lag ebenfalls auf der Hand. »Warum wollten Sie uns unbedingt umbringen?« erkundigte sich Parker behutsam. »Nicht… mehr wichtig…!« keuchte der Pilot. »Wer hat Ihnen diesen Auftrag gegeben?« bohrte Parker höflich weiter »Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie es aus Langeweile getan haben?« »Hauen… Sie… ab!« »Ich weiß, Sie wollen mir einen Tip geben«, sagte Parker, »aber ich pflege vor einer Gefahr nicht davonzulaufen!« »Der Boß… ist stärker«, sagte der Mann mit schwacher Stimme, um dann in ein qualvolles Husten auszubrechen, das ihn schmerzhaft durchschüttelte. »Wo finde ich den Boß?« »Irgendwo… Weiß nicht…!« »Gehört ihm der Hubschrauber?« »Auch der… Fragen Sie nicht, retten Sie sich… Der Boß ist stärker. Er… Willen.« »Wo finde ich den Boß? Heißt er Digetti?« Der Pilot riß ganz plötzlich weit die Augen auf. Er wollte noch etwas sagen, doch dazu reichten seine Kräfte einfach nicht mehr aus. Ein Zittern ging durch seinen Körper. Er bäumte sich noch einmal auf, um dann entspannt und schlaff niederzusinken. Parker erhob sich und ging zurück zu Mike Rander, der die drei Männer aus dem grauen Ford inzwischen behelfsmäßig verbunden hatte. Die Gangster lagen noch immer bewußtlos am Boden. »Was war los?« erkundigte sich Mike Rander. Butler Parker berichtete von seiner leider unvollständigen Unterhaltung mit dem Piloten des Hubschraubers. »Wenig ergiebig«, sagte Rander kopfschüttelnd. »Er hat Ihre Frage nach Digetti also effektiv nicht mehr beantworten können?«
»Leider nicht, Sir! Er wies aber immer wieder auf die Gefährlichkeit seines Bosses hin, eine Warnung, die man auf keinen Fall in den Wind schlagen sollte.« »Worauf Sie sich verlassen können, Parker. Ich habe ohnehin ein flaues Gefühl in der Magengegend. Wir haben es hier mit einem Gegner zu tun, der sich in technischen Dingen verdammt gut auskennt!« »Die Männer kehren aus der Bewußtlosigkeit zurück«, sagte Parker und deutete auf die drei am Boden, die endlich wieder zu sich kamen und sich verstört umschauten. Als sie Rander und Parker vor sich sahen, schienen sie fast erfreut zu sein. »Wir haben ein paar Fragen an Sie«, begann Rander sofort sachlich. »Wer ist der Boß, der euch auf uns gehetzt hat?« »Sie glauben doch wohl nicht, daß wir darüber sprechen werden?« gab einer der Männer lächelnd zurück. Er lächelte, obwohl er wegen seiner Schußverletzung zumindest Schmerzen haben mußte. »Sie werden ihn niemals finden, niemals. Aber er Sie! Und dann werden Sie zu uns gehören und es bedauern, daß dies nicht früher geschehen ist. Dann werden Sie endlich wissen, wie schön das Leben sein kann!« Parker sah die beiden anderen Männer an. Sie nickten, und die nackte Begeisterung stand in ihren Augen. Sie hatten den Worten ihres Vorredners, wie es so treffend heißt, nichts hinzuzufügen. »Die sind doch offensichtlich nicht normal«, sagte Rander leise zu seinem Butler. »Sie stehen doch unter einem fremden, inneren Zwang. So was habe ich noch nie erlebt!« »Ich leider auch nicht, Sir, aber ich muß gestehen, daß mir das Seltsame und Unheimliche dieser Situation ungewöhnlich deutlich wird. Mit anderen Worten, Sir, wir dürften es mit einem Gegner zu tun haben, der sich einer normalen Betrachtung entzieht, was für Sie und meine Wenigkeit tödlich werden könnte!« * »Die Polizei, Sir!« Josuah Parker lauschte in den Tag hinein. Mike Rander hörte zwar nur das Knistern der Flammen und das laute Heraussprengen geplatzter Nieten, die sich vom Wrack des Hubschraubers
lösten. Doch dann vernahm auch er von weither das auf- und abschwellende Geräusch einer Sirene, die nur zu einem Streifenwagen der Polizei gehören konnte. »Na endlich«, erwiderte Rander. »Ich bin froh, wenn ich diesen Tag hinter mir habe!« »Sir, empfiehlt es sich wirklich, auf die Polizei zu warten?« erkundigte sich der Butler. »Warum sollten wir nicht? Haben wir was zu verbergen?« »Darüber, Sir, möchte ich mit Ihrer Erlaubnis an anderer Stelle reden«, sagte Parker. »Wenn, ich raten darf, so würde ich an Ihrer Stelle vorerst das suchen, was man das Weite nennt.« »Sind Sie verrückt?« »Vielleicht nur vorsichtig, Sir. Denken Sie daran, daß auch die herankommenden Polizeibeamten unter Hypnose stehen könnten.« »Malen Sie bloß nicht den Teufel an die Wand.« Rander nagte einen Moment an der Unterlippe, nickte dann aber zum Zeichen seines Einverständnisses. »Dann würde ich zu einer gewissen, angemessenen Eile raten«, sagte der Butler. »Doch vorher möchte ich noch schnell die Fesselung der Herren Gangster kontrollieren.« Parker besorgte diese Arbeit mit Routine und Schnelligkeit. Er ließ dabei seine Finger spielen und konnte selbstverständlich wieder einmal nicht der Verlockung widerstehen, sich die Brieftaschen der Gangster anzueignen. Zur Beruhigung sei gesagt, Parker tat das nicht, um sich etwa zu bereichern. So etwas wäre ihm niemals in den Sinn gekommen. Was er brauchte, waren Informationen. Und eine hoffte er in den diversen Brieftaschen zu finden. Es war selbstverständlich, daß er all diese Dinge später immer der Polizei übergab. Anschließend machten Rander und Parker sich auf den Weg, um einer Unterhaltung mit der Polizei aus dem Wege zu gehen. Sie verschwanden geschickt und schnell im unübersichtlichen Buschgelände und waren gerade richtig in Deckung, als der erste Streifenwagen eintraf. Die Polizei mochte auf Anrufe besorgter Landbewohner alarmiert worden sein. Vielleicht war der Lärm der explodierenden Bomben aber auch laut genug gewesen, die Cops allein zu alarmieren.
Nach dem ersten Streifenwagen traf ein zweiter ein. Der Tatort, wenn man sich so ausdrücken darf, füllte sich. Parker konnte sicher sein, daß die Gangster sich nun in bester Obhut befanden. »Und wohin jetzt?« fragte Mike Rander, nachdem sie einen Bachlauf erreicht hatten. »Sie wissen ja, daß unser Wagen in die Luft gegangen ist.« »Vielleicht ist Mr. Digetti in der Lage, Ihnen und meiner bescheidenen Wenigkeit zu helfen«, gab der Butler zurück. »Sie wollen zu Digetti?« Rander schnappte förmlich nach Luft. »Ein angenehmer Mensch, wenn er auf das ungebetene Hypnotisieren verzichtet«, stellte der Butler fest. »Parker, jetzt verstehe ich kein Wort mehr. Er kann doch durchaus mit dem Boß der Gangster identisch sein.« »Das, Sir, könnte man an Ort und Stelle und hinsichtlich gewisser Reaktionen erfahren.« »Na schön, von mir aus. Also hinein in die Höhle des Löwen! Ich sage Ihnen aber schon jetzt, daß es Schwierigkeiten geben wird. Ich wittere sie förmlich.« »Ich gestehe, Sir, ich ebenfalls!« »Und Sie wollen trotzdem…?« »Nur aus Gründen der Information, Sir… Weit ist es zudem nicht mehr. Dieser Bachlauf führt, wenn ich mich recht erinnere, dicht am Haus des früheren Heilpraktikers vorbei!« Rander und Parker stiefelten am Ufer des Bachlaufes entlang, bis tatsächlich einige der zahlreichen Türmchen und Giebel der Alptraumvilla zu sehen waren. Das Haus machte auch jetzt einen total verlassenen Eindruck. Ja, es wirkte gerade jetzt abstoßend und gefährlich. Mike Rander blieb unwillkürlich stehen, als Parker wie selbstverständlich weitergehen wollte. »Haben Sie sich auch genau überlegt, auf was wir uns unter Umständen einlassen?« fragte der Anwalt. »Selbstverständlich, Sir! Wenn Sie darauf bestehen, gehe ich allein.« »Lassen Sie doch diese Mätzchen«, meinte Rander verdrossen. »Mit Psychologie brauchen Sie mir nicht zu kommen. Ich komme mit. Ich hatte es ohnehin vor!« »Ich bitte um Entschuldigung, falls ich Sie verletzt haben sollte, Sir.« Parker deutete eine seiner knappen Verbeugungen an, legte den Bambusgriff des, Universal-Regenschirms über den linken
Unterarm, kontrollierte den Sitz seiner schwarzen, steifen Melone und ging auf das Haus zu. Knapp zehn Minuten später wußten sie mehr. Sie wußten vor allen Dingen, daß ein gewisser Mr. John Digetti nicht mehr im Haus war. Deutliche Anzeichen sprachen dafür, daß er es Hals über Kopf verlassen haben mußte. * »Ich glaube, Sir, wir bekommen Besuch, falls er nicht Mr. Digetti gilt«, sagte Parker, als Rander und er das scheußliche Haus verlassen wollten. Parker deutete auf den eleganten Stationswagen, der durch die Einfahrt rollte und kurz darauf vor dem Eingang anhielt. Rander und Parker – sie standen am Fenster neben dem Eingang – beobachteten die Gestalt, die schnell und geschmeidig aus dem Wagen stieg. »Donnerwetter«, murmelte Mike Rander anerkennend. »Solch einen Besuch möchte ich auch einmal haben!« »Ich kann Ihre Gefühlsaufwallung durchaus verstehen«, erwiderte der Butler und hatte in diesem Fall nichts dagegen, daß ein andeutungsweise Schmunzeln über sein Gesicht glitt. Seinen interessierten Augen bot sich ein wahrhaft schönes Bild. Es handelte sich um eine junge Dame, die höchstens fünfundzwanzig Jahre alt sein mochte. Sie war mittelgroß, schlank und hatte nußbraunes Haar. Ihr Gesicht war nicht im landläufigen Sinne schön zu nennen. Es war allein durch den Schnitt und die hohen, hervorstehenden Backenknochen apart und interessant. Eines war ganz sicher, diese Frau hatte Format. Sie trug lange Hosen, die an den Knöcheln weit fielen. Dazu einen saloppen, weiten Pullover, der die Linien ihres Körpers unterstrich. Mit schnellen Schritten kam sie über die Treppe hinauf zur Tür, stutzte, als sie sie nur angelehnt fand und trat dann zögernd ein. Sie konnte Rander und Parker nicht erkennen. Sie standen in einer Art Nische und machten sich noch nicht bemerkbar. »John…? John…? Wo stecken Sie?« Ihre Stimme klang angenehm dunkel. Mike Rander fühlte sich sympathisch berührt. Josu-
ah Parker, der seinen jungen Herrn kurz beobachtete, erlaubte sich ein zweites Schmunzeln. Die junge Dame trat tiefer in die düstere Halle hinein, blieb irgendwie scheu stehen und rief ein zweites Mal. »Erschrecken Sie bitte nicht, Madam«, machte Parker sich bemerkbar. »Ich fürchte, Sie werden noch einige Zeit auf Mr. Digetti warten müssen.« Die junge Dame war gut trainiert, und ihre Nerven befanden sich in bester Verfassung. Obwohl sie doch überraschend angeredet worden war, erschrak sie nicht. Sie drehte sich langsam, fast zu langsam zu Parker um, stutzte, als sie seine rabenschwarze Kleidung und Erscheinung sah und lächelte dann irgendwie amüsiert.“ »Parker mein Name, Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor. »Ich habe die Ehre und tatsächlich auch das Vergnügen, der Butler von Mr. Mike Rander zu sein, den Sie hier sehen!« »Hallo?« Mike Rander gab sich leger, als er aus der Nische hervortrat. Er nickte der jungen Dame kameradschaftlich zu. »Waren Sie mit Mr. Digetti verabredet?« »Ginge Sie das etwas an?« fragte die junge Dame zurück. »Eine Gegenfrage! Was tun Sie eigentlich hier? Ich habe Sie hier noch nie gesehen.« »Durchaus verständlich wenn man bedenkt, daß mein Herr und ich heute auch zum ersten Mal hier sind!« »Dann… dann komme ich später noch einmal wieder«, sagte sie. Sie wandte sich ab und wollte gehen. »Können Sie sich vorstellen, daß Mr. Digetti gegen seinen erklärten Willen das Haus verlassen hat?« fragte Parker. »Worauf wollen Sie hinaus?« Die junge Dame funkelte den Butler an. »Ich hege die Befürchtung, Madam, daß Mr. Digetti entführt worden ist. Wenn er es nicht vorgezogen hat, auf eigenen Wunsch zu gehen.« »Ausgeschlossen. Wer sollte ihn entführen?« »Er könnte Feinde haben.« »Aber nicht John! Ich sehe, Sie wissen mit mir nichts anzufangen. Ich heiße Jill Harpers und bin so eine Art Sekretärin von Mr. Digetti.« »Sie wohnen hier in der Nähe?« fragte Parker erstaunlich knapp weiter.
»Auf der nächsten Farm«, gab sie zur Antwort. »Ich habe sie mir als Atelier umgebaut. Ich schreibe und zeichne… Kinderbücher!« »Ein Beruf, von dem ich immer geträumt habe«, behauptete der Butler ungeniert. »Wie schön, für die lieben Kleinen zu arbeiten, welch eine innere Befriedigung muß Ihnen dieser Beruf verschaffen!« »Es geht«, sagte sie kurz angebunden. »Werden Sie hier auf Mr. Digetti warten?« »Lohnt sich das?« schaltete Mike Rander sich ein. »Könnte er nicht zu Ihnen gefahren sein?« »Er verläßt niemals das Haus«, erwiderte sie. »Er hat dafür seine Gründe, die ich kenne und achte…!« »Ich weiß, seit seiner Haftentlassung ist er sehr menschenscheu geworden. Ich habe ihn damals als Anwalt vertreten.« »Ach, Sie?« Sie sah Rander bedeutend freundlicher an. »Er hat mir, von Ihnen erzählt. Er sagt immer, ohne Ihre Verteidigung hätte er wenigstens zehn Jahre bekommen.« »Wenn er also niemals das Haus verläßt, so müßte er noch hier sein. Da er es aber nicht ist, muß er das Haus verlassen haben, Madam. Entschuldigen Sie diese Art der Beweisführung. Können Sie sich wirklich nicht vorstellen, wo Mr. Digetti sich im Augenblick aufhalten könnte?« »Höchstens unten am Bootssteg!« »Würden Sie uns freundlicherweise dorthin begleiten?« fragte Mike Rander. »Warum nicht? Kommen Sie! Der Weg durch den Garten ist ohnehin schwierig. Ein Dschungel ist noch aufgeräumt dagegen!« Rander und Parker folgten der jungen Dame, die sich auf diesem Grundstück recht gut auskannte. Sie folgten ihr bis an den Bootssteg, doch dann wurde der kleine Ausflug jäh beendet. Dieses jähe Ende, diese Unterbrechung hing mit einigen Männern zusammen, die Maschinenpistolen trugen, deren Mündungen auf Rander und Parker gerichtet waren. Der Anwalt und sein Butler fühlten sich ohne jede zusätzliche Aufforderung veranlaßt, schleunigst die Arme in die Luft zu strecken. Ihnen fiel nämlich auf, daß die Waffenträger wiederum jene seltsame, heitere Fröhlichkeit an, den Tag legten, die sie schon draußen an der verkommenen Farm hatten beobachten können…
»Damit dürften wir endgültig in der Tinte sitzen«, sagte Mike Rander eine gute halbe Stunde später. »Na ja, vielleicht erfahren wir noch vor unserem Tod, wer dieser sagenhafte Boß ist und was er mit seinen Leuten angestellt hat.« »Ich möchte mich in aller Form bei Ihnen entschuldigen«, gab der Butler würdevoll zurück. »Ich bin mir vollkommen klar darüber, daß nur meine Handlungsweise allein Sie und meine Wenigkeit in diese peinliche Lage gebracht hat.« »Haben Sie gesehen, wie die junge Dame behandelt wurde?« »Sie schien die Männer mit den Maschinenpistolen gekannt zu haben, wenngleich ich mich nicht festlegen möchte. Sie zeigte auf jeden Fall keine Angst.« »Klarer Fall, daß wir einem Lockvogel auf den Leim gegangen sind, Parker. Sie ist vom Boß losgeschickt worden, sie sollte uns in die Falle unten am See lotsen. Was ihr ja auch prächtig geglückt ist. Und nun sitzen wir auf irgendeinem Boot und haben keine Ahnung, wohin man uns bringt.« Mike Rander hatte richtig beobachtet. Er und sein Butler befanden sich auf einem Schiff. Und wahrscheinlich an der sichersten und dunkelsten Stelle, die zu finden gewesen war. Man hatte sie in eine enge, muffig riechende Kammer eingesperrt, deren Wände und Tür aus kaltem, feuchtem Eisenblech bestanden. Ein Freikommen ohne fremde Hilfe war so gut wie ausgeschlossen. In dieser Hinsicht brauchten sie sich keine Hoffnungen zu machen. »Die Motorjacht, auf der Sie und meine Wenigkeit uns befinden, läßt Rückschlüsse auf den Eigner zu«, meinte Parker nach einer kleinen Weile. »Sie sagt vor allen Dingen Details über die Finanzkraft dieses Mannes aus.« »Falls wir es mit dem Mann zu tun haben, dessen Leute die Banken ausgeraubt haben, hat er bestimmt genug Kleingeld«, gab Rander spöttisch zurück. »Womit wir bei John Digetti wären. Was halten Sie von ihm? Ist er der Boß?« »Beweise dafür, Sir, sind nicht anzutreten, wenngleich einige Indizien für Ihre Unterstellung sprechen.« Parker wollte sich über dieses Thema gerade verbreitern, als draußen vor der Tür schwache, scharrende Geräusche zu hören waren. Rander und Parker sahen sich wie auf ein geheimes Kommando hin an. Sekunden später wurde die Tür geräuschlos aufgezogen.
Zwei stämmige Männer, die durchaus freundlich wirkten, blieben in der geöffneten Tür stehen. »Der Boß will Sie sprechen«, sagte einer der beiden zu Mike Rander. »Kommen Sie!« »Und was geschieht mit mir?« erkundigte sich Parker. »Sie sind anschließend an der Reihe«, erwiderte der Mann. »Aber Sie werden sich noch etwas gedulden müssen.« Die beiden Männer schienen unbewaffnet zu sein, wie Parker feststellte. Im Grunde brauchten sie es auch gar nicht zu sein. Sie befanden sich schließlich auf einem Schiff und weitab von irgendeinem Ufer. Wer wollte hier schon wohin flüchten? »Würden Sie Ihrem Arbeitgeber bitte diesen wichtigen Gegenstand überreichen?« fragte Parker und hob seinen UniversalRegenschirm. Die beiden Männer wurden leicht irritiert. Mit einem Regenschirm wußten sie nichts anzufangen. Im Gegensatz übrigens zu Josuah Parker. Er nutzte die kleine Verwirrung der beiden Männer aus und schlug mit dem bleigefütterten Bambusgriff seines Regenschirms zu. Er besorgte das kurz und knapp. Und brachte die beiden Männer augenblicklich zu Boden, was er im Grunde zwar ungemein bedauerte, was sich in Anbetracht der Umstände aber nicht anders machen ließ. Mike Rander handelte augenblicklich. Er beugte sich nieder, durchsuchte die beiden ohnmächtigen Männer nach Waffen, um sich dann enttäuscht aufzurichten. »Nichts!« rief er Parker zu. »Ich schlage vor, Sir, diese Kammer nun zu verlassen«, sagte Parker. »Man könnte die Männer einschließen.« Rander und Parker beeilten sich, um den Rückweg zu decken. Nachdem sie die beiden Männer eingesperrt hatten, eilten sie durch den langen, schmalen Kabinengang, in dem die Arbeit eines starken Dieselmotors deutlich zu hören war. Der Maschinenraum mußte sich ganz in der Nähe befinden. Sie erreichten eine Treppe, die hinauf in ein Zwischendeck führte. Sollten Sie sie benutzen? Liefen sie ihren Gegnern in die Arme? Was wartete überhaupt auf sie? Parker riß die Initiative an sich. Er stieg schnell nach oben, doch selbst jetzt wirkten seine Bewegungen würdevoll und gemessen. Er ließ sich eben niemals aus
der Ruhe bringen. Er blieb stets und immer der bestens erzogene Butler englischer Provenienz. Die Treppe führte zu einem zweiten langen Gang, dessen Boden aber bereits mit einem roten Teppich bedeckt war. Am Ende dieses Korridors war eine Tür geöffnet, aus der strahlend helles Licht nach draußen fiel. Leise Musik war zu hören. Der Duft guten und starken Kaffees drang in Parkers Nase, die angenehm reagierte. Parker schritt auf die erleuchtete Kabine zu. Eine andere Möglichkeit bot sich ohnehin nicht. Im Vorgehen prüfte er die Klinken der übrigen Türen, an denen sie vorbeikamen. Sie waren alle verschlossen und ließen kein Abirren zu. Dann war der große Kabinenraum erreicht. Er war luxuriös eingerichtet. Schwere und tiefe Sessel standen auf weichen Teppichen. Die Wände waren sehr reichlich mit Gobelins aller Art und Stilrichtungen behängt. »Hier läßt es sich durchaus leben, Sir«, sagte Parker, sich an seinen jungen Herrn wendend. »Ich vermisse allerdings den Kaffee, den ich doch deutlich gerochen habe!« Parker ging an den Sesseln vorbei, hielt auf eine Tür zu und wollte sie aufdrücken. Sie war versperrt. Und im gleichen Moment fiel die Tür, durch die sie hereingekommen waren, laut und deutlich ins Schloß. Rander und Parker saßen erneut in einer Mausefalle, die allerdings den Vorzug hatte, daß sie behaglich eingerichtet war. »Nehmen Sie doch Platz und entspannen Sie sich!« Die Stimme, die irgendwo aus einem versteckten Lautsprecher kam, klang höflich und verbindlich. »Ich habe Sie erwartet, Mr. Rander, Mr. Parker. Sie werden sich gewiß nicht die Gelegenheit entgehen lassen, sich einen kleinen Film anzusehen, nicht wahr?« »Mit wem hat Mr. Rander die zweifelhafte Ehre?« erkundigte sich der Butler respektlos. »Das wissen Sie immer noch nicht? Ich bin der Mann, hinter dem Sie her sind? Ich bin der Mann, der vom FBI und von der CIA gesucht wird, um von den örtlichen Polizeibehörden einmal ganz zu schweigen. Aber setzen Sie sich endlich! Ich möchte mit der Vorführung beginnen!« Rander und Parker sahen sich einen Moment lang schweigend an. Dann nahmen sie Platz und starrten auf die Leinwand, die aus einem Sideboard hochfuhr und die Hälfte einer Wand einnahm.
Sekunden später flackerten bereits die ersten Bilder über diese Leinwand… * Die Bilder waren ausgezeichnet. Sie zeigten Straßenszenen mit Durchschnittsmenschen, den üblichen Verkehr auf den Fahrbahnen und dann Bankgebäude. Und sie zeigten anschließend heitere Männer, die mit geraubten Bankgeldern diese Bankgebäude verließen, sich ohne weiteres auf selbstmörderische Schießereien einließen und es immer schafften, ihre Beute in unauffällig aussehende Wagen zu bringen, kurz, der kleine Film blätterte die Vergangenheit auf und befaßte sich ausschließlich mit Banküberfällen. »Wie gefällt Ihnen die Arbeit meiner Organisation?« fragte die Stimme plötzlich, als das letzte Bild ausgeblendet wurde. »Primitiv, würde ich sagen«, gab Parker sofort zurück. »Die Verluste Ihrer Leute sind beträchtlich. Sie wuchern nicht schlecht mit Ihren Pfunden, wenn ich mich so ausdrücken darf.« »Warum sollte ich…?« »Darf ich daraus schließen, daß Ihre Organisation keine Nachwuchssorgen kennt?« »Richtig, Mr. Parker. Sie treffen den Nagel auf den Kopf.« Die Stimme ging in ein leicht hysterisches Lachen über. Es dauerte einige Zeit, bis sie sich wieder beruhigt hatte. »Sie haben wirklich den Nagel auf den Kopf getroffen. Nachwuchssorgen kenne ich nicht. Sehen Sie, wie ich meine Mitarbeiter rekrutiere!« Auf der ausgefahrenen Leinwand war ein neuer Kurzfilm zu sehen. Und dieser Streifen erregte die volle Aufmerksamkeit des Butlers. Er bestand fast ausschließlich aus kleinen Szenen. Und sie alle zeigten das Kidnappen harmloser Durchschnittsbürger. Das gezeigte Verfahren war mehr als einfach. Ein harmlos aussehender Wagen hielt in Außenvororten großer Städte in der Höhe einzelner Fußgänger. Zwei Männer stiegen aus, gingen auf die betreffenden Passanten zu, verwickelten sie in ein kurzes Gespräch und führten sie anschließend zum Wagen zurück. Gewalt wurde niemals angewendet. Die Kidnapper schienen schon von ihren Worten her sehr überzeugend zu wirken.
»Glauben sie jetzt, daß ich keine Nachwuchssorgen kenne?« erkundigte sich die Stimme aus dem versteckten Lautsprecher. »Warum zeigen Sie uns das alles?« fragte Rander erregt. »Weil ich auch Sie rekrutieren möchte…!« »Wie bitte? Sie glauben doch nicht im Ernst daran, daß wir mitspielen werden.« »Sie werden, verlassen Sie sich darauf…! Und es wird Ihnen sogar Freude machen, für mich arbeiten zu können. Dank Ihrer ausgezeichneten Verbindungen habe ich große Dinge mit Ihnen vor!« »Warum gehen Sie nicht mal zu einem Arzt?« schnodderte Rander wütend zurück. »Danke, ich bin Selbstversorger«, sagte die Stimme und lachte kurz auf. »Um aber auf Ihre Mitarbeit zu kommen, Mr. Rander, Mr. Parker. Sie werden sich der führenden Leute im FBI annehmen!« »Wir verstehen kein Wort.« Rander kochte innerlich vor Zorn. »Werden Sie endlich deutlicher!« »Vertrauen Sie so sehr Ihren Kenntnissen in Hypnose?« warf der Butler laut ein. »Ich sage Ihnen schon jetzt, daß Sie bei mir nichts ausrichten werden. Sie wissen doch, daß ich dagegen immun bin, nicht wahr?« »Ich glaube, ich werde Sie zuerst behandeln«, sagte die Stimme. »Ja, Sie werden es sein, Parker…!« Der Butler wandte sich seinem jungen Herrn zu. Mike Rander war aufgesprungen und sah sich in der luxuriös eingerichteten Kabine wie ein eingesperrtes, gehetztes Her um. »Dieser Kerl ist doch wahnsinnig! Was hat er mit uns vor?« »Er zeigt Ihnen und meiner bescheidenen Wenigkeit auf jeden Fall keinen weiteren Film mehr«, erwiderte Parker höflich. »Die zweite Phase der Unterhaltung dürfte begonnen haben. Wenn mich nicht alles täuscht, werden wir nicht nur beobachtet, sondern auch noch zusätzlich mit einem Betäubungsgas besprüht!« Dann holte der Butler plötzlich mit dem bleigefütterten Griff seines Regenschirms aus und zertrümmerte mit wohlgezielten und harten Schlägen sämtliche Beleuchtungskörper in der Kabine. Innerhalb weniger Sekunden herrschte absolute Dunkelheit, da die Bullaugen von außen mit Sichtblenden zugeschraubt waren.
Dann warf der Butler sich zu Boden und kroch zur Tür. Hier blieb er liegen, bis er wie sein junger Herr das Bewußtsein verlor… * Gleißende Helligkeit fraß sich durch die geschlossenen Lider des Butlers. Parker spürte Bleischwere in seinen Gliedern. Erstaunlicherweise verspürte er keinen Schmerz. Er merkte, daß sein Hirn funktionierte, doch es fehlte ihm an Kraft und Energie, sich aufzurichten. Er vermochte noch nicht einmal, seine Augen aufzumachen. Dafür aber war sein Gehör geschärft. Er vernahm das Klappern eines Stahlbestecks. Er roch Desinfektionsmittel. Er hörte leichte, schnelle, weiche Schritte, spürte immer wieder einen kühlen Lufthauch auf seinen Wangen. Dann ertönte die Stimme, die er irgendwann einmal aus einem versteckt angebrachten Lautsprecher heraus gehört hatte. »… nein, keine zusätzliche Betäubung. Die Gasdosis reicht vollkommen… Rasieren Sie ihm in zehn Minuten den Schädel. Dann können wir umgehend anfangen.« »Soll ich das Boot stoppen lassen?« fragte eine andere Stimme. »Natürlich, gerade jetzt möchte ich keine Panne erleben… Liegen die Elemente bereit?« »Alles vorbereitet, Boß… Wie viele Elektroden werden Sie ihm einpflanzen?« »Er bekommt die Maximalzahl. Und damit wird er mein wichtigster Agent werden! Er wird zu meiner Geheimwaffe! Damit rolle ich meine Gegner von innen heraus auf…« Schritte entfernten sich. Irgendwo fiel eine Tür mit einem saugenden Geräusch ins Schloß. Parker umgab die absolute Stille… Irgend etwas in seinem Gehirn regte sich. Vielleicht war es der Rest von Widerstandskraft, vielleicht eine Trotzreaktion oder das Ankurbeln seines Willens. Parker hatte die Sätze voll mitbekommen. Er vermochte sie aber noch nicht richtig zu verarbeiten. Er ahnte nur, ja, er wußte mit schmerzlicher Gewißheit, daß man ihn umkrempeln wollte.
Irgend etwas Schreckliches sollte mit ihm geschehen. Er wußte aber nicht, was es sein konnte. Elemente… Maximalzahl… Elektroden… Geheimwaffe… Von innen heraus aufrollen… Diese Worte und Begriffe setzten seine grauen Zellen langsam in Bewegung. Parker konzentrierte sich. Er zwang sich zu denken. Er mußte dabei gegen eine grenzenlose Müdigkeit ankämpfen, die noch nicht einmal unangenehm war. Wie war das gewesen, fragte er sich mühsam. Man will mir den Schädel rasieren? Warum? Wozu sollte das gut sein? Wer ist dieser Mann, der mich zu seiner Geheimwaffe machen will? Was will er in und an mir verändern? Parker schüttelte die Betäubung Schicht um Schicht ab. Er deckte sie ab wie eine Zwiebel, deren Schalen abgezogen wurden. Und von Sekunde zu Sekunde wuchs seine Angst. Etwas Fürchterliches wartete auf ihn. Etwas, gegen das er sich nicht wehren konnte… Plötzlich konnte er seinen Kopf anheben. Sein Wille war stärker als die Betäubung! Vielleicht war es aber auch nur seine panische Angst. In solch einem Zustand hatte der Butler sich noch nie in seinem Leben befunden. Er sah den schmalen Operationstisch, dessen Rückenlehne steil hochgeklappt war. Er sah die Instrumententische, die mit chirurgischen Geräten und Bestecken aller Art vollbepackt waren, er sah die Tupfer, die Wattestreifen, die Giglisäge. Und dann wußte er auf einmal ganz deutlich, was auf ihn wartete. Man wollte ihm den Schädel auf sägen und sein Gehirn manipulieren. Plötzlich paßten alle Stichworte, die er gehört hatte, nahtlos zusammen. Der Boß der Gangster war ein Chirurg! Oder er wurde von ihm dafür bezahlt, daß er die Mitglieder der Gang irgendwie präparierte. Parker zwang sich weiter hoch. Die dumpfe Betäubung in seinem Hirn ließ etwas nach. Er bekam sich wieder unter Kontrolle. Und als er endlich auf seinen Beinen neben der Liege stand, da taumelte er zwar noch etwas, doch er war durchaus in der Lage, sich langsam zu bewegen. Flucht…! Das war das einzige, woran der Butler dachte. Die Vorstellung, gegen seinen Willen operiert zu werden, die Furcht, in
ein willenloses Wesen umgewandelt zu werden, trieb den Butler an. Er sah an sich herunter und erschrak zusätzlich. Man hatte ihn während, seiner Betäubung entkleidet und ihm einen weißen Operationskittel übergestreift. Alles war für den Eingriff vorbereitet worden. Es war wirklich nur noch eine Frage von Minuten, bis die Operateure eintraten und sich mit ihm befaßten. Parker taumelte zum Medikamentenschrank. Er wollte so schnell wie möglich die Reste seiner lähmenden Betäubung loswerden. Und es war sein Glück, daß er seinerzeit einmal für einen gewissen Duke of Erlsworth gearbeitet hatte. Der Herzog – ein Gerichtsmediziner – hatte Parker in viele Geheimnisse der ärztlichen Praxis eingeweiht. Parker wußte also durchaus, mit welchen Mitteln man sich wieder fit machen konnte. Er suchte und fand natürlich. Wie hätte es auch anders sein können! Er griff nach einer Ampulle, bereitete eine Spritze vor und beeilte sich, sich diese Injektion zu verabreichen. Dann blieb er erschöpft neben dem Stahlschrank stehen und starrte auf den Operationstisch. Wie war das gewesen? Elemente und Elektroden…? Konnten das die kleinen Stahlelemente sein, die dort in steriler Flüssigkeit badeten? Parker sah sich die winzig kleinen Stahlkörperchen an. Er fischte sie ungeniert aus der sterilen Flüssigkeit, doch er konnte mit ihnen nichts anfangen. Sicherheitshalber steckte er einige dieser Stahlelemente ein. Sie waren rechteckig, ungemein flach und nicht größer als der Kopf einer großen Stecknadel. Sie sahen relativ harmlos aus, aber sie mußten auf geheimnisvolle Art und Weise die Kraft eines Elektronengehirns in sich vereinigen. Irgendwo klappte eine Tür ins Schloß! Schritte näherten sich! Parker war ohne Waffe. Wenigstens im ersten Augenblick. Dann fiel sein Blick auf eine Flasche, in der sich laut Aufschrift konzentrierter Äther befinden mußte. Parker griff hastig nach dieser Flasche. Er stöpselte sie auf und baute sich seitlich neben der Tür auf. Wenn jetzt nicht alles klappte, war er verloren…
Die beiden Männer trugen Gesichtsmasken aus weißem, keimfreiem Mull. Sie kamen ahnungslos in den kleinen Operationsraum hinein, und sie wurden von der einschläfernden Flüssigkeit, die Parker ausgiebig verschüttet hatte, voll getroffen. Die Flüssigkeit saugte sich in den Mullmasken fest und fällte mit ihren Dämpfen die beiden Männer zu Boden. Sie brachen in sich zusammen, zumal der Butler es nicht versäumte, sie zusätzlich und sicherheitshalber noch mit einem Gummihammer zu behandeln, den er auf einem Instrumententisch gefunden hatte. Grenzenlos erleichtert blieb Parker neben den beiden Männern stehen. Bis er merkte, daß auch ihm die Ätherdämpfe in die Nase stiegen. Es wurde höchste Zeit, sich zurückzuziehen, wenn er nicht auch noch ohnmächtig werden wollte. Er nahm sich aber noch die Zeit, sich die Gesichter dieser beiden Operateure anzusehen. Im Augenblick sagten sie ihm nichts. Er prägte sie sich aber so genau wie möglich ein. Er hatte ein fleischiges rosiges, glattes Gesicht vor sich, das einem etwa fünfzigjährigen Mann gehörte, der eine dickglasige Brille trug. Und er sah in das Gesicht eines Mannes, das mit Narben und tiefen Falten verunziert war. Dieser Mann mochte etwa vierzig Jahre alt sein. Wer aber von den beiden der Boß war, ließ sich nicht feststellen. Sie waren schließlich gleich gekleidet. Parker entfaltete eine rege Betriebsamkeit. Zuerst ging es darum, sich eine Art Mimikry zu besorgen. Es war damit zu rechnen, daß weitere Operationshelfer eintrafen. Und die mußten gründlich getäuscht werden. Parker wuchtete den Fünfzigjährigen auf den Operationstisch. Dabei ging es um Minuten. Der Äthergeruch wurde immer betäubender und durchdringender. Mit schnellen, geschickten Händen streifte Parker dem Mann den weißen Arztkittel ab und zog ihn sich über. Er setzte sich die randlose Operationsmütze auf und versorgte sich mit der dickglasigen Brille. Dann wurde es höchste Zeit, den Operationsraum zu verlassen. Parker merkte bereits die erneut beginnende Betäubung. Aufatmend blieb er im Vorraum stehen. Hier schien ihm die Luft bergklar zu sein. Er entspannte sich und dachte dabei an seinen jungen Herrn, den er ja auf jeden Fall retten mußte. Wo konnte er ihn finden?
Parker ging zur Tür, stutzte dann und beeilte sich, zurück zu einer Bahre zu kommen. Auf dieser Bahre lag sein junger Herr in tiefer Betäubung. Auch ihn hatte man bereits für die Operation vorbereitet. Er war entkleidet worden, trug einen weiten weißen Kittel und sollte wohl rasiert werden, denn auf einem schmalen Tisch neben der Bahre stand ein Rasiernapf mit Seife und lag ein reguläres Rasiermesser mit langer, ausstellbarer Klinge. Parker nutzte die Gunst des Augenblicks. Er schob die Bahre durch die Schwingtür des Vorraums und bugsierte sie durch den langen Korridor, auf den viele Türen mündeten. Den Gummihammer hatte er selbstverständlich mitgenommen. Er konnte sich nämlich vorstellen, daß er ihn noch brauchte. Ein Operationsgehilfe kam ihm entgegen. Der junge Mann eilte auf ihn zu, stutzte und blieb stehen. »Was ist los, Boß?« fragte er erstaunt. »Sehen Sie sich das mal an«, murmelte Parker und deutete auf das Gesicht seines jungen Herrn. Der Hilfsoperateur sah sich veranlaßt, sich über Rander zu beugen. Parker nahm den Gummihammer hoch und setzte ihn nachdrücklich auf den Hinterkopf des jungen Mannes, der daraufhin verständlicherweise seufzte und sich auf den Boden setzte. Parker langte noch einmal wissenschaftlich gründlich zu und zerrte den jungen Mann dann zurück in die Kabine, aus der er gekommen war. Anschließend setzte der Butler seinen Weg fort und schob seinen jungen Herrn auf eine Tür zu, auf der das Wort »Privat« stand… * Mike Rander spürte nichts. Er war und blieb betäubt. Josuah Parker sah sich in dem Privatraum um. Hier mußte der Boß wohnen. Es gab unterhalb der beiden breiten Fenster einen großen Schreibtisch, der mit Papieren und Zeitschriften bedeckt war. Es gab eine Schlafnische mit einem ungemachten, breiten, bequemen Bett, es gab Wandregale, die mit Büchern angefüllt waren und schließlich eine Sitzecke, die gerade benutzt worden
sein mußte, denn eine ausgedrückte Zigarette im Aschenbecher auf dem niedrigen Rauchtisch qualmte noch. »Sie…!?« Parker wandte sich diesmal schnell um. Er sah sich der jungen Dame gegenüber, die sich Jill Harpers nannte. Sie trug jetzt eine Art Hausanzug und gehörte offensichtlich hierher in den Raum. »Mr. Rander und ich haben es vorgezogen, uns nicht operieren zu lassen«, sagte Parker lächelnd. »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.« »Wie… wie sind Sie herausgekommen? Das hat… noch nie einer geschafft.« »Einmal muß ja ein Anfang damit gemacht werden«, erwiderte der Butler. »Ich hoffe, Sie werden uns keine unnötigen Schwierigkeiten bereiten.« »Sie müssen hier weg!« stieß sie hervor. »Wenn er Sie findet, sind Sie verloren!« »Können Sie eine Möglichkeit anbieten, dieses ungastliche Schiff zu verlassen?« »Draußen an Deck wimmelt es nur so von seinen Leuten.« Sie sah ihn ratlos an. »Mein Gott, was sollen Sie tun?« »Die Fenster dort hinter Ihnen gehen wo hinaus?« »Aufs Wasser… Sie wollen…?« Sie hielt ein und sah ihn fragend an. Parker trat an eines der beiden Fenster und sah hinaus. Jill Harpers hatte nicht gelogen. Die beiden Fenster führten direkt aufs Wasser hinaus. Bei dieser Gelegenheit merkte Parker, daß sich ein regenschweres Gewitter zusammengezogen hatte. Die Luft schwitzte vor Feuchtigkeit. Das Wasser hatte eine bleigraue Farbe angenommen. Ein schwefelgelber Wolkenturm von riesigen Dimensionen ragte hoch in den Himmel hinein. »Besitzen Sie irgendeine handliche Waffe?« fragte Parker die junge Dame. Jill Harpers schüttelte den Kopf. »Sie glauben sicher, daß ich Sie absichtlich getäuscht habe«, meinte sie dann hastig. »Aber bitte, glauben Sie mir, Mr. Parker, ich konnte und durfte nicht anders…« »Hat Ihr Arbeitgeber Digetti etwas mit diesen Machenschaften hier an Bord zu tun?« Sie senkte den Kopf. Sie wagte nicht, auf seine Frage einzugehen. Parker drang nicht weiter in sie ein. Für ihn und seinen jun-
gen Herrn ging es schließlich um Minuten. Sie mußten so schnell wie möglich vom Schiff herunter. »Was wird aus Ihnen, wenn man herausbekommt,: daß Sie nicht Alarm geschlagen haben?« fragte Parker sie. Sie antwortete nur mit einem ratlosen Heben der Schultern. »Haben Sie Lust, sich uns anzuschließen?« erkundigte sich Parker. »Wie denn…? An das Rettungsboot kommen wir niemals heran.« »Ich denke an andere Möglichkeiten«, entgegnet der Butler und nahm die Einrichtung der Privatkabine in näheren Augenschein. »Wenn Sie glauben, die Kommandobrücke kapern zu können, täuschen Sie sich!« »Es gibt noch andere Möglichkeiten. Schnell, helfen Sie, wenn Sie mitkommen wollen.« Parker lief auf das breite Bett zu und riß die kompakte Schaumgummimatratze hervor. Er trug sie an eines der Fenster und baute sie dort auf. Er sah hinaus auf das Wasser. Die ersten Vorläufer eines Gewitters waren deutlich zu erkennen. Das Wasser quirlte und schäumte bereits. Ein ansehnlicher Regen fiel schon vom Himmel. Die ersten Blitze zuckten durch das Zwielicht. »Befinden sich Schwimmwesten in dieser Kabine?« rief er Jill Harpers zu. Sie nickte, zog einen Bettkasten hervor und zerrte zwei Schwimmwesten heraus. »Eine für Sie, die zweite für Mr. Rander«, entschied Parker. »Schnell, beeilen Sie sich, wenn Sie mitkommen wollen. Vergnüglich wird diese Wasserreise ganz sicher nicht!« Sie band sich ihre Schwimmweste um. Dann war Mike Rander an der Reihe. Jill Harpers und Josuah Parker banden ihm den Sicherheitsgürtel um und rollten die Bahre dicht an eines der Fenster heran. »Die Chancen eines guten Durchkommens sind nicht besonders hoch«, warnte der Butler. »Aber draußen im Wasser dürfte es immer noch besser sein als hier auf dem Schiff. Einen kleinen Augenblick noch. Wissen Sie, wo Mr… ich meine, der Boß, seine privaten Aufzeichnungen verwahrt?«
Statt zu antworten deutete sie auf einen kleinen Schrank neben dem Schreibtisch. Parker beeilte sich, die beiden Türen aufzuknacken. Er verließ sich dabei auf seinen Regenschirm, den er auf der Bahre mitgenommen hatte. Auf ihn verzichtete er nämlich nur ungern. Aktenordner mit der Aufschrift »Protokolle« fielen ihm ins Auge. Parker riß aus einem der Ordner an Schriftstücken heraus, was er konnte. Die verstaute er in den Taschen des weißen Kittels, merkte aber, daß sie nicht ausreichten, um die Unterlagen zu fassen. »Hier… Nehmen Sie das!« Jill Harpers warf ihm ihre große Ledertasche zu. Parker stopfte sie randvoll, schloß den Bügel und nahm den Lederriemen zwischen die Zähne. Dann arbeitete er schnell und konzentriert. Er hievte seinen jungen Herrn hoch und warf ihn wenig liebevoll ins Wasser. Dann nickte er Jill Harpers zu, die ohne Zögern ebenfalls durch das geöffnete Fenster hinaus ins Wasser sprang. Parker wuchtete gerade die Matratze hoch, als er schnelle Schritte auf dem Korridor hörte. Dann waren laute Kommandos zu vernehmen. Offensichtlich, daß man nach den beiden verschwundenen Operationsopfern suchte. Parker schob die Matratze durch das Fenster und hörte sie unten im Wasser aufschlagen. Dann sprang er nach und tauchte tief ins Wasser ein. Wie ein Haus ragte die Bordwand neben ihm hoch. Er sah die Matratze, griff nach ihr und benutzte sie als eine Art improvisiertes Rettungsfloß. Der Rumpf der seegängigen Jacht glitt schnell an ihm vorbei. Er sah sich nach Jill Harpers und Mike Rander um, konnte sie aber im Moment nicht entdecken, zumal er abgelenkt wurde. Das Aussteigmanöver war beobachtet worden. Die Mannschaft hatte sich mit Schußwaffen aller Kaliber ausgerüstet und begann ein wenig schönes Scheibenschießen. Die ersten Geschosse pfiffen dicht über seinen Kopf hinweg, lagen aber gefährlich nahe. Gleich mußte die Jacht gestoppt und beigedreht werden. Damit rechnete der Butler. Das war das große Risiko dieses Ausbruch Versuches.
Und tatsächlich, die Fahrt der Jacht nahm ab. Sie beschrieb einen weiten Bogen und schickte sich an, zurückzukreuzen. Die Aussichten einer Rettung und eines Entkommens schwanden von Sekunde zu Sekunde. Bis der Regen sich in einen Wolkenbruch verwandelte, der von einem schnell aufkommenden Sturm wie dichte Schleier zwischen Parker und seine Verfolger gelegt wurde. Genügten diese Sehleier, ihn entwischen zu lassen? Parker wußte es nicht. Er konnte nur noch hoffen…! * »Sie hätten sich auch etwas Besseres und Trockneres einfallen lassen können«, sagte Mike Rander eine gute Stunde später. Er schüttelte sich wie ein nasser Hund und sah an seinem Operationskittel herunter, der ihm am Körper klebte. »Ich werde mich bemühen, Sir, in Zukunft stets ein kleines Schlauchboot zur Hand zu haben«, gab der Butler würdevoll zurück und unterdrückte ein Lächeln. Er wußte selbstverständlich, wie froh sein junger Herr war, daß es ihnen gelungen war, vom Schiff zu entkommen. »Können diese Höflichkeiten nicht in einem warmen Zimmer ausgetauscht werden?« schaltete Jill Harpers sich ein. Sie fror offensichtlich. »Mit einem Inserat wird das zu lange dauern«, frotzelte Rander. »Kennen Sie sich eigentlich hier an der Küste aus, Miß Harpers?« »Irgendwie kommt es mir hier bekannt vor«, gab sie nachdenklich zurück. »Schade, daß es so dunkel ist! Aber wenn mich nicht alles täuscht, müssen wir in der Nähe von Digettis Haus sein.« »Dann suchen wir doch nach diesem Alptraum«, schlug der Anwalt vor. »Besser, als hier herumzustehen und in Konversation zu machen. Was meinen Sie, Parker?« »Wenn Sie erlauben, übernehme ich die Führung! Ich möchte mich nur noch um Miß Harpers Handtasche kümmern.« Parker nahm die durchweichte Tasche in die Hand, goß das eingedrungene Wasser aus und setzte sich anschließend an die Spitze der kleinen Gruppe. Er hielt auf ein Wäldchen zu, das sich als Silhouette gegen den klar gewordenen Nachthimmel abhob.
Sie hatten es tatsächlich geschafft und waren den Gangstern entkommen. Sie waren fast eine Stunde lang im Wasser gewesen, bis sie das rettende Ufer des Michigan erreichen konnten. Wo sich die Jacht der Gangster befand, wußten sie nicht. Aber das spielte im Moment auch keine Rolle. »Tatsächlich, dort liegt Digettis Haus«, rief Jill Harpers nach zehn Minuten. »Der Wald gehört zu seinem Park…« »Dürfen wir uns dort überhaupt hineingetrauen?« fragte Rander, der stehenblieb. »Was meinen Sie, Mr. Parker?« Jill sah den Butler fragend an. »Ich fürchte, wir werden das Haus vorerst meiden müssen«, entschied der Butler. »Wie wäre es denn mit meinem Atelier?« schlug die junge Dame vor, die trotz der nassen Kleidung sehr attraktiv aussah. »Ein warmes Zimmer kann ich garantieren.« »Aber auch eine gewisse Sicherheit, wenn mir diese Frage erlaubt ist?« Sie senkte den Kopf und sagte nichts darauf. Natürlich war und blieb sie verdächtig. Sie alle hatten über ihre Rolle bisher noch nicht sprechen können. »Rufen wir wenigstens von Miß Harpers Haus aus an«, schlug Mike Rander vor. »Lange braucht es ja nicht zu dauern!« Sie gingen weiter, passierten den großen Park des Digetti Grundstücks und erreichten nach weiteren zehn Minuten das kleine Küstenhaus, in dem Jill Harpers lebte und arbeitete. Es handelte sich um ein überraschend bequem eingerichtetes Holzhaus, in dem noch die Wärme des Tages herrschte. Mike Rander mixte sich sofort einen Drink, während Parker Jill Harpers nachsah, die in ihrem Schlafzimmer verschwand, um sich trockene Kleidung überzustreifen. »Sie sollten Lieutenant Hunter anrufen«, sagte Rander zu seinem Butler. »Wir brauchen Verstärkung, wenn wir uns gegen diese Gangster durchsetzen wollen.« »Ihr Wunsch ist mir Befehl, Sir!« Parker nickte und ging zum Telefon, das auf einer Fensterbank stand. Als er nach dem Hörer griff, erlebte er eine äußerst herbe Überraschung. Ein Schuß krachte…!
Das Geschoß riß ihm den Hörer förmlich aus der Hand. Parker sah sich genötigt, seine geprellte Hand zu reiben. Dann wandte er sich langsam um, obwohl er bereits wußte, was ihn erwartete. Er wurde nicht enttäuscht. In der Tür zum Schlafzimmer standen die beiden Männer, die er im Operationsraum der seegängigen Jacht nachdrücklich mit einem Gummihammer behandelt hatte. Auch sie erinnerten sich noch sehr daran. Sie sahen nämlich nicht besonders freundlich aus! * »Haben Sie wirklich geglaubt, uns entwischen zu können?« fragte der Mann mit dem rundlichen rosigen Gesicht. »Sie unterschätzen mich offensichtlich. Nun, das wird sich sehr schnell ändern.« »Ich gebe zu, einen Fehler begangen zu haben«, erwiderte Parker in seiner unnachahmlich höflichen Art. »Wir hätten nicht hierher in dieses Haus kommen dürfen!« »Sie hätten überhaupt nicht landen dürfen«, erwiderte der Mann lächelnd. »Nach Ihrer Flucht ließ ich die gesamte Uferstrecke abschirmen. Sie wären mir so oder so wieder in die Arme gelaufen.« »Soll ich sie wegschaffen lassen, Boß?« Der Mann mit dem narbigen Gesicht sah seinen Boß fragend und eifrig zugleich an. Er erinnerte Parker an einen auf den Mann dressierten Hund, der nur noch Augen für seinen Herrn hat. »Das hat Zeit, Jenkins«, sagte der Boß und schüttelte den Kopf. »Lassen Sie die Kleidung der beiden Männer hierherschaffen! Ich brauche gesunde Mitarbeiter. Und trockene Kleidung gehört nun mal dazu. Vor der Operation kann ich keine Erkältungen gebrauchen.« Mike Rander sah sich vorsichtig um. Er schätzte seine Chancen ab, diesen Gangstern noch einmal zu entkommen. Auch Josuah Parker beteiligte sich auf seine Art und Weise an diesem Gedankenspiel. Er wußte, was auf sie wartete. Die Andeutungen, die der Rosige gemacht hatte, sprachen eine eindeutige Sprache. »Sie hoffen, uns noch einmal entkommen zu können?« sagte der Mann mit dem rosigen Gesicht. »Geben Sie sich keine Mühe!
Dieses Haus ist umstellt. Ein Fingerschnalzen von mir, und schon existieren Sie nicht mehr. Stecken Sie also auf!« »Ihre Andeutungen haben mich neugierig gemacht«, sagte Parker höflich. »Diese Andeutungen werden sehr bald schon in die Tat umgesetzt werden«, gab der Mann zurück. Er ließ sich in einem bequemen Sessel nieder. »Sie werden selbstverständlich keine Schmerzen verspüren, aber das hätte ich Ihnen vor einigen Stunden sagen sollen. Mit Schmerzen brauchen Sie nicht zu rechnen.« »Sie wollen Mr. Rander und meine Wenigkeit operieren?« »Genau das…!« »Darf ich noch interessierter fragen und hinzufügen, ob Sie uns die Schädeldecke öffnen wollen?« »Sie sind ein aufmerksamer Beobachter.« »Wozu sollte das gut sein, wenn ein Laie diese Frage stellen darf?« »Ich werde Sie meiner Privatarmee einverleiben. Und um mich Ihres unbedingten Gehorsams zu versichern, muß ich einige Sicherungen einbauen. Können Sie mir folgen?« »Sie denken in diesem Zusammenhang an Stahl-Elektroden?« »Donnerwetter, wie kommen Sie darauf?« Der Mann mit dem rosigen Gesicht schien beeindruckt. »Mehr als das weiß ich leider nicht«, sagte Parker schnell. »Und ich glaube, mehr werde ich darüber auch niemals erfahren. Sie haben schließlich allen Grund, Einzelheiten zu verschweigen.« »Aber auf keinen Fall, Parker.« Der Rosige lächelte und schüttelte den Kopf. »Meine Arbeit ist die Krönung langer Experimente. Nein, nein, Sie brauchen mich nicht so abschätzend anzusehen. Ich bin keineswegs psychisch krank, wie Sie vielleicht vermuten. Ich bin Wissenschaftler! Nicht mehr und nicht weniger!« »Sie haben vergessen zu sagen, daß Sie auch Gangster sind«, mischte Mike Rander sich gereizt in die Unterhaltung ein. »Oder wollen Sie abstreiten, daß Ihre Leute die Banken ausrauben?« »Wer experimentiert, braucht Geld. Sehr viel Geld. Und das verschaffe ich mir, um meine Arbeiten noch weiter ausbauen zu können. Eine leidlich einfache Geschichte. Sie mag unmoralisch sein, aber das interessiert mich nicht.« »Welche Veränderungen nehmen Sie in unseren Hirnen vor?« erkundigte sich Parker, um wieder auf das Hauptthema zurückzukommen. »Wozu brauchen Sie Stahl-Elektroden?«
»Um Ihre Hirne elektrisch fernsteuern zu können«, gab der Mann mit dem rosigen Gesicht fast harmlos und sehr selbstverständlich zurück. »Versuche mit Tieren sind schon seit vielen Jahren im Gange. Sehen Sie, man kann damit Triebe, Stimmungen, Instinkte und Verhaltensweisen künstlich hervorrufen oder beeinflussen.« »Dazu müssen die Stahl-Elektroden also tief in unsere Hirne gesenkt werden, nicht wahr? Und genau an die Stelle, die für die betreffenden Reflexe maßgebend sind.« »Sie sind nicht nur ein guter Zuhörer, sondern Sie sehen auch gleich, worauf es ankommt, Parker. Sie haben vollkommen recht. Es handelt sich um eine gezielte elektrische Stimulation des Gehirns, die die betreffende Funktion der Gehirnpartien entweder ändert oder vollkommen unterbindet.« »Dazu muß man aber wohl sehr genau wissen, um welche Gehirnpartien es sich handelt.« »Diese Dinge sind mehr oder weniger hinreichend bekannt«, entgegnete der sogenannte Wissenschaftler, der nichts anderes war als ein Gangsterboß. »Man erlebt selbstverständlich immer wieder Überraschungen und erzielt durch die Einpflanzung von Elektroden Effekte, die auf keinen Fall gewünscht sind. Nun, diese Objekte, wie ich mich einmal ausdrücken will, werden ausgemerzt. Sie sind notwendiger Abfall!« »Sprechen Sie nicht von Menschen?« fragte Parker ruhig. »Ich spreche von meinen Robotern«, sagte der Mann und lachte leise. »Von menschlichen Robotern, die ich mir nach meinen Wünschen baue. Rohmaterial, um es so zu sagen, ist doch hinreichend vorhanden. Ich brauche mich nur der Leute zu bedienen, die tagtäglich auf den Straßen sind. Die Technik der jeweiligen Operationen ist zur reinen Routine geworden.« »Sie benötigen also, wenn ich Sie richtig verstanden habe, nur eine Art Sender, der einen bestimmten Stromimpuls mit einer bestimmten Länge sendet und der dann die jeweiligen Elektroden steuert und reizt, nicht wahr?« »Ich merke, daß Sie einigermaßen vorgebildet sind, Parker. Einen Mann wie Sie könnte ich sehr gut gebrauchen.« Der Mann preßte die Fingerspitzen gegeneinander und redete weiter: »Meine biologischen Roboter bleiben nach außen hin Menschen. Selbstverständlich. Aber sobald ich sie programmiere, das heißt,
sobald ich Ihnen einen bestimmten Auftrag erteile und die jeweilig im Gehirn angebrachten Elektroden mit einem Impuls versehe, werden sie zu Robotern, die blindlings meine Befehle ausführen. Ist es nicht ein faszinierender Gedanke, daß man sich auf diese Art und Weise ein unauffälliges Heer von dienstwilligen Robotern schaffen kann?« »Daher also die Bedenkenlosigkeit Ihrer Leute, die nach dem Plündern von Banken sich einfach niederschießen ließen, nicht wahr?« »Natürlich, Parker, natürlich. Sie haben gut beobachtet und zusammen gefügt. Sehen Sie, eine Elektrode brauche ich für den Impuls des aggressiven Angriffs und des Raubes, dann brauche ich wiederum andere Elektroden für die Ausschaltung der Angstgefühle, und wiederum andere für die heitere Gelassenheit und auch den Willen, die Beute auf jeden Fall an mich weiterzuleiten. Sobald solche Exkursionen beendet sind, nehme ich meine Mitarbeiter aus der Spannung, verstehen Sie? Mit anderen Worten, ich habe nichts dagegen, daß sie wieder wie normale Menschen handeln. Eben bis ich sie wieder brauche und ihre Gehirne reize!« »Eine abenteuerliche Vorstellung!« sagte Parker und schüttelte leicht den Kopf. »Mit wie vielen Elektroden arbeiten Sie im Moment pro Kopf?« »Im Grunde stehen wir noch am Anfang«, sagte der Mann, der nach wie vor einen gesammelten und vergleichsweise normalen Eindruck machte. »Mein Ziel ist die Einpflanzung von Hunderten von Kommando-Elektroden. Damit könnte ich meine Menschenroboter in jeder Stimmungslage kontrollieren und lenken. Aber bis dahin ist es natürlich noch ein Weg, der sehr viel Geld kosten wird. Und daher brauche ich Geld, das man mir für meine Experimente normalerweise niemals geben würde.« »Mann, was Sie da anreißen, ist ja scheußlich«, ließ Mike Rander sich angeekelt vernehmen. »Stellen Sie sich vor, man würde Kindern diese Elektroden einbauen. Und das in großem Stil. Jeder Staat könnte sich damit ein Heer von Robotern aufbauen, er könnte… Um Himmels willen, er könnte alle seine Mitbürger zu Robotern machen, die auf einen einzigen Knopfdruck hin parieren und genau das tun, was verlangt wird. Sie würden ja jede Individualität vernichten.« »Fragen Sie mich nicht nach meinen wirklichen Zielen«, sagte der Mann mit dem rosigen Gesicht. »Im Grunde habe ich bereits
zuviel gesagt. Nun, das spielt aber kaum eine Rolle, weil ich gerade Sie und Ihren Butler zu meinen Paraderobotern machen werde! Und wissen Sie auch warum?« »Sie deuteten so etwas bereits auf dem Schiff an«, murmelte Parker, der innerlich empört war. »Sie haben erstklassige Verbindungen zum FBI und zur CIA«, setzte der Mann ihnen lächelnd auseinander. »Sie werden dort falsche Informationen liefern, verstehen Sie? Sie werden mir neues Menschenmaterial zutreiben. Und ich bin in der Lage, meine Privatarmee an biologischen Robotern so zu vergrößern, daß sie an entscheidender Stelle für mich arbeiten können.« »Wird man Ihnen nicht auf die Schliche kommen?« fragte Rander aufgebracht. »Ihr Wissensgebiet ist schließlich kein Neuland, daß Sie allein erforscht haben.« »Nein, nein, auf keinen Fall. Es handelt sich um einen durchaus bekannten Zweig der allgemeinen Verhaltensforschung. Und unter uns, Wissenschaftler aller Staaten arbeiten an diesen Problemen, sie sind mir gegenüber allerdings in einem Nachteil!« »Und der wäre?« fragte Parker, der möglichst viel aus diesem Mann herauspressen wollte. »Meine Kollegen, die militärische und private Geldgeber haben, können sich aus verständlichen Gründen nicht an Menschenversuche heranwagen. Sie arbeiten höchstens einmal mit Kranken, die vielleicht an Epilepsie leiden. Ich aber kann Versuchsreihen in größtem Stil vornehmen. Und zwar, an Menschen. Das sichert mir den Vorsprung. Wie gesagt, ich brauche mich der Menschen ja nur zu bedienen. Und ich tue es, wie Sie es gleich am eigenen Leibe erleben dürfen.« »Gewissensbisse kennen Sie nicht, nein?« Rander richtete sich auf. Er kochte vor Empörung und Zorn. »Von Moral und Ethik haben Sie wohl nie etwas gehört.« »Natürlich, doch! Aber ich habe sie vergessen. Wem nutzen Sie? Mir auf keinen Fall… Ich kenne mein Ziel! Und keine Macht der Erde wird mich aufhalten!« »Worauf wollen Sie letztlich hinaus?« »Kontrolle der Macht, allgemein ausgedrückt. An jeder wichtigen Schaltstelle muß einer meiner biologischen Roboter sitzen. Dann kann ich die Welt von meinem Haus aus nach meinem Willen lenken!«
Parker wollte sich einschalten und weitere Fragen stellen. Leider kam er nicht mehr dazu, denn der Mann mit dem Narbengesicht kehrte zurück und brachte die Kleidung. Mike Rander und Josuah Parker kleideten sich an. Weitere Versuche, mit dem Rosigen ins Gespräch zu kommen, wurden durch fast wütendes Kopfschütteln im Keim erstickt. »Wir können, Boß«, sagte Jenkins dann zu seinem Chef. »Ich habe für die Operation alles vorbereiten lassen.« »Dann wollen wir keine weitere Zeit mehr versäumen«, gab der Boß zurück. »Ich freue mich auf dieses Experiment. Zum ersten Mal werde ich in jedes Gehirn zwanzig Elektroden einpflanzen. Sie werden meine besten Roboter werden, die ich bisher hatte!« * Es wurde höchste Zeit, daß Rander und Parker etwas unternahmen. Eines stand fest, ein zweites Mal bekamen sie bestimmt nicht die Gelegenheit, die Flucht zu ergreifen. Parker war nur mit seinem Spezialregenschirm bewaffnet. Doch ließ sich damit etwas beginnen? Das Haus war von menschlichen Robotern umzingelt. Parker zweifelte nicht eine Sekunde daran, daß diese Behauptung zutraf. Ein Mann wie der Boß schaltete jeden Zufall aus. Vor allen Dingen dann, wenn er schon einmal hereingelegt worden war. »Kommen Sie«, sagte Jenkins, der Mann mit dem verunstalteten Gesicht. »Ich hoffe, Sie machen keine Schwierigkeiten. In ein paar Tagen ist alles vorüber, und Sie werden sich sehr wohl fühlen.« Parker rechnete in Sekundenschnelle noch einmal seine Chancen durch. Nur der Boß und sein Mitarbeiter Jenkins befanden sich hier im Haus. Die biologischen Roboter draußen vor der Tür brauchten im Moment nicht besonders beachtet zu werden. »Ich beuge mich Ihren Wünschen«, sagte Parker. »Aber ich möchte betonen, daß ich gegen diesen Einschnitt in meine persönliche Freiheit und Willensentscheidung energisch protestiere.« Er hatte das letzte Wort noch nicht ganz ausgesprochen, als er sehr aktiv wurde.
Der Regenschirm verwandelte sich in eine Art Poloschläger. Der bleigefütterte Griff traf den Kopf von Jenkins der daraufhin sangund klanglos zu Boden ging und fürs erste nicht mehr mitspielte. Der Boß wurde vollkommen überrumpelt. Mit solch einer Entwicklung hatte er, nicht gerechnet. Er schrie wütend auf und wollte sich durch die Tür ins angrenzende Schlafzimmer flüchten. Dort aber prallte er mit Jill Harpers zusammen. Die junge Dame hielt einen Revolver in der Hand. Und sie trug ihn mit Sach- und Fachverstand. Die Mündung der Waffe war auf den Boß gerichtet. »Rühren Sie sich nicht«, sagte sie mit einer überraschend kalten Stimme. »Ich schieße! Und heben Sie die Arme hoch! Mr. Parker, nehmen Sie ihm den Sender aus der Tasche!« Parker fragte nicht lange. Mit schnellen Schritten gelangte er hinter den Boß und leerte seine Taschen. Er fand ein Metallgehäuse in der Größe eines handlichen Zigarrenetuis. Es wog schwer in seiner Hand. Auf der Vorderseite befanden sich kleine Drehschalter, Knöpfe und Kontrolluhren. Dem Gewicht nach zu urteilen, mußte dieses Kästchen kleine, aber besonders leistungsstarke Nickel-Kadmiumbatterien enthalten, deren Energie bestimmt ausreichte, relativ weite Entfernungen zu überbrücken. »Jill, dafür werde ich Sie umbringen«, sagte der Mann mit dem rosigen Gesicht. Seine Stimme klang in diesem Augenblick noch nicht einmal drohend oder gehässig. Er sagte es fast im Plauderton. Aber vielleicht war dieser Hinweis gerade deshalb so tödlich gefährlich. »Damit werden Sie sich aber noch etwas Zeit nehmen müssen«, schaltete sich Mike Rander ein. »Jetzt sind wir erst mal an der Reihe!« »Sie werden nicht weit kommen«, fuhr der Boß auf. Er drehte sich halb zu Rander um. »Meine Leute werden Sie und Ihren komischen Butler in Stücke reißen!« »Ohne die Anregungen durch die Elektroden?« spottete Mike Rander zurück. Dann wandte er sich zu seinem Butler um und sagte: »Parker, legen Sie ihn an die Kette!« »Ihr Wunsch ist mir gerade jetzt und hier Befehl«, erwiderte der Butler gemessen. Er hatte Jenkins durchsucht und eine tadellose Handfeuerwaffe vom Kaliber 45 in dessen Hosentasche gefunden.
Parker sah sich im Zimmer um und entschied sich für eine solide Gardinenschnur, die er mit einem schnellen Ruck vom Vorhang trennte. Dann sah er den Boß aufmunternd an. »Wir wollen keine Zeit verlieren«, sagte er dann höflich. »Es empfiehlt sich, die Hände auf dem Rücken zusammenzulegen, um meinen Absichten entgegenzukommen.« Der Boß explodierte bei diesen höflichen Worten, die er möglicherweise für nackte Ironie hielt. Er beging den Fehler, sich mit dem Butler anlegen zu wollen. Er ignorierte die beiden Waffen, die immerhin noch drohend auf ihn gerichtet waren und stürzte sich auf Parker. Jetzt glich das sonst so rosige und freundliche Gesicht einer verzerrten, bösen Fratze. Parker war an Auseinandersetzungen dieser Art wenig interessiert, wie er nackte Gewalt ohnehin nicht sonderlich schätzte. Er trat also schnell und geschickt zur Seite, vergaß dabei aber sein rechtes Bein nachzuziehen, ein bedauerlicher Fehler, der sich für den Boß bitter auszahlte. Der Wissenschaftler mit den verbrecherischen Neigungen stolperte natürlich, verlor das Gleichgewicht und fiel mit seinem Kinn gegen den Lauf des 45ers, was zur Folge hatte, daß der Boß unterdrückt aufstöhnte, um sich dann neben seinen engsten Mitarbeiter Jenkins auf den Boden zu legen. Parker hatte nun keine Mühe mehr, den Mann zu binden. Dann richtete er sich auf und sah seinen jungen Herrn erwartungsvoll an. »Diese Runde ging an uns«, meinte Rander. »Hoffentlich geht das so weiter. Gerettet sind wir noch längst nicht. Sagen Sie, Jill, wie kommen wir hier heraus? Hoffentlich haben Sie irgendeinen unterirdischen Gang.« Sie lächelte trotz der gefährlichen und ernsten Situation. »Ich muß Sie enttäuschen«, sagte sie dann. »Könnte man nicht einmal den Sender ausprobieren?« mischte Parker sich ein. »Vielleicht könnte man die draußen wartenden, menschlichen Roboter friedlich stimmen und nach Hause schicken.« »Ausgeschlossen!« Jill Harpers Stimme klang hastig und warnend. »Die Elektroden sprechen immer nur auf bestimmte Frequenzeinstellungen an. Aber die kennen wir nicht. Wir könnten das genaue Gegenteil erreichen.«
»In der Tat, ein wichtiger Hinweis!« Parker sah sich den Sender noch genauer, noch intensiver an. Er interessierte sich vor allen Dingen für einen Drehschalter, der beherrschend auf diesem kleinen Sender angebracht war. Symbole, die er nicht klären und identifizieren konnte, umrundeten diesen Schalter. Es war zu vermuten, daß sie die Schlüsselzahlen für bestimmte Reaktionen darstellten, die durch den Sendestrom ausgelöst werden sollten. »Ich denke, wir rufen Hunter an«, schlug Mike Rander vor. »Was wir hier brauchen, sind ein gutes Dutzend erstklassiger Polizisten. Die werden mit den Robotern schon aufräumen!« »Würden wir durch einen Anruf bei der Polizei Ihren Arbeitgeber Digetti schädigen?« fragte Parker, sich an Jill Harpers wendend. Sie senkte den Kopf und wirkte verlegen. »Vielleicht gibt es auch einen anderen Ausweg«, redete der Butler weiter. Er schaltete den Sender ein und drehte den Schalter in schneller Folge herum, dann wieder zurück. Rander zog unwillkürlich den Kopf ein. Er wußte nicht, was jetzt kam. Jill Harpers wurde bleich und sah sich wie gehetzt um. Parker aber blieb würdevoll und steif stehen, er wollte sich wieder einmal überraschen lassen. Und damit diese Überraschung auch vollkommen war, spielte er weiterhin am Drehschalter. Das Ergebnis war umwerfend. * Zuerst fielen draußen vor dem Haus Schüsse! Dann folgte ein donnerndes Gelächter, das erneut von Schüssen abgelöst wurde. Scheiben splitterten, Geschosse fetzten durch den Wohnraum und verursachten Kleinholz aller Art. Und zwischendurch wiederum fast hysterisch zu nennendes Gelächter. Rander, Jill Harpers und auch Josuah Parker waren aus Gründen der Sicherheit längst zu Boden gegangen und ließen alles über sich ergehen. Parker konnte sich von seinem Spielzeug nicht trennen. Er bewegte immer wieder den Drehschalter und wirbelte damit die draußen stehenden Roboter restlos durcheinander. Bis plötzlich Stille eintrat.
Diese Stille war unheimlich und bedrückend. Kein Laut drang in das verwüstete Zimmer hinein. »Die Munition scheint ausgegangen zu sein«, stellte Parker fest und erhob sich. Als auch sein junger Herr aufstand, zauberte der Butler eine kleine Kleiderbürste aus den Taschen seines Anzugs hervor und wollte den Anwalt entstauben. »Mann, haben Sie wirklich keine anderen Sorgen?« fauchte Mike Rander ihn an »Wissen Sie, ob das nicht irgendeine Falle ist? Jill, was ist mit den übrigen Mitarbeitern des Bosses? Haben die auch Sender?« Jill Harpers schüttelte den Kopf. Parker trat an ein Fenster und sah leichtsinnigerweise hinaus. Die erwarteten Schüsse blieben aus. »Ich glaube; Sir, die erfreuliche Mitteilung machen zu können, daß das Haus inzwischen freigegeben worden ist«, meldete er dann. »Mit anderen Worten, von Gangstern oder menschlichen Robotern kann ich zur Zeit nichts sehen!« »Dann aber nichts wie weg! Das heißt, den Boß nehmen wir mit!« Parker verfügte über riesige Kräfte. Das sah man erst jetzt, als er sich nach dem Mann niederbeugte, ihn hochriß und ihn sich dann über die Schulter legte. Er schien nur eine hohle Schaufensterpuppe angeliftet zuhaben. Sie traten den geordneten Rückzug an. Draußen vor dem Haus zeigte sich, was Parker mit dem kleinen Sender bewirkt hatte. Er hatte Kurzschlüsse am laufenden Band hergestellt und verursacht. Die menschlichen Roboter waren mit sich widersprechenden Befehlen und Kommandos überfüttert worden. Die schnellen Drehungen des Schalters hatten die einzelnen Elektroden zu oft und zu schnell hintereinander gereizt. Kurz, als Rander, Jill Harpers und Parker vor dem Haus standen, stolperten sie fast über drei Männer, die stöhnend am Boden lagen und sich völlig desinteressiert am Geschehen zeigten. »Arme Teufel!« Rander blieb stehen und schüttelte den Kopf. »Man müßte irgend etwas für sie tun!« »Darf ich empfehlen, einen dieser Männer als eine Art Muster mitzunehmen?« schlug der Butler vor, der stets und in allen Lagen praktisch dachte. Rander nickte und lud sich einen Mann auf die Schulter.
»Nehmen Sie meinen Wagen«, sagte Jill Harpers. »Er muß dort hinter den Sträuchern stehen.« »Und rufen Sie die Polizei an«, gab Rander zurück. »Verlangen Sie Lieutenant Hunter. Er weiß Bescheid, um was es geht! Bitte, Jill, beeilen Sie sich!« Sie nickte und lief ins Haus zurück. Rander und Parker brachten ihre Lasten inzwischen zu dem Wagen, den sie tatsächlich hinter den Sträuchern fanden. Sie verluden den Boß und einen seiner Roboter im Kofferraum des Wagens. Dann sah Rander ungeduldig zum Haus hinüber. »Jill müßte doch längst wieder hier sein«, sagte er. »Ich werde gern nach ihr sehen«, bot Parker seine Hilfe an. »Das mach ich lieber selbst«, gab der Anwalt zurück. Er nickte seinem Butler zu und lief zum Haus zurück. Nach wenigen Minuten kam er zurück und sah Parker kopfschüttelnd an. »Sie ist verschwunden«, sagte er dann erregt. »Sie ist verschwunden, hat sich in Nichts aufgelöst. Können Sie das begreifen?« »Sie wird, wenn ich mich so ausdrücken darf, wohl ihre privaten Gründe dafür haben, Sir!« »Und mit ihr ist Jenkins verschwunden«, stieß Rander hervor. »Wir haben einen Fehler begangen, daß wir ihn nicht gleich mitgenommen haben.« Bevor der Butler eine mehr oder weniger passende Antwort geben konnte, peitschten plötzlich einige Schüsse auf. »Sie galten offensichtlich ihnen, denn eines der heranjaulenden Geschosse zertrümmerte eine Seitenscheibe des Wagens.« »Ich würde doch sehr raten, jetzt einzusteigen, Sir«, sagte Parker und öffnete seinem jungen Herrn höflich und gemessen wie immer die Wagentür. »Mir scheint, daß die Roboter wieder funktionieren. In wenigen Sekunden dürften sie zu einem konzentrierten Angriff starten.« Rander zögerte noch. Natürlich dachte er an Jill Harpers, die Eindruck auf ihn gemacht hatte. Er wollte sie nicht so einfach im Stich lassen. Schließlich hatte sie ihm und Parker das Leben gerettet. »Die Roboter, Sir!« Parker riß den erbeuteten 45 er hoch und feuerte einen Schuß in die Luft ab. Doch damit waren die drei heranstürmenden und
aus allen Rohren schießenden Angreifer nicht zu bremsen. Sie schienen den Schuß überhaupt nicht gehört oder wahrgenommen zu haben. Rander begriff, daß hier im Moment nichts mehr zu machen war. Er sprang in den Wagen. Parker setzte sich mit viel zu großer Ruhe ans Steuer, ließ den Anlasser röhren und setzte dann endlich den Motor in Gang. Weitere Schüsse…! Die Windschutzscheibe splitterte, fiel aber erfreulicherweise nicht in sich zusammen. Parker gab Gas! Der Wagen zog davon wie eine frisch gezündete Rakete. Womit sie sich erst einmal in Sicherheit brachten. Sie wußten beide noch nicht, was sie erwartete. Noch ahnten sie nicht, mit welchen Gegnern sie es wirklich zu tun hatten. * »Parker, nicht zu schnell«, warnte Mike Rander schon nach wenigen Minuten, »ich möchte den Boß auf jeden Fall sicher in die Stadt bringen.« »Erstaunlich, daß man Sie und meine Wenigkeit nicht verfolgt«, meinte der Butler, der in den Rückspiegel geschaut hatte. »Sollten die Roboter und ihr Herr sich derart sicher gefühlt haben?« »Sie haben wohl noch nicht genug Schwierigkeiten gehabt, wie?« Rander lachte leise und triumphierend auf. »Ich bin vollauf zufrieden. Überlegen Sie doch, Parker, wir haben den Boß der Roboter! Damit dürften die Überfälle schlagartig aufhören. Nur schade um die armen Teufel, die in Roboter verwandelt wurden. Es wird nicht leicht sein, sie alle aufzuspüren.« »Ich frage mich, Sir, wieso die menschlichen Roboter so plötzlich wieder aktiv werden konnten.« »Worauf spielen Sie an, Parker?« »Sollten die Roboter durch einen zweiten Sender in Gang gesetzt worden sein?« »Sie denken an Jill Harpers?« »An sie und auch an jenen Mr. Jenkins!«
Mike Rander sah sich instinktiv um. Er ahnte in diesem Augenblick, daß die Schwierigkeiten noch längst nicht behoben waren. Von einem Sieg auf der ganzen Linie konnte wirklich noch keine Rede sein. Wie recht er hatte, sollte sich wenige Sekunden später erweisen. Parker steuerte den Wagen durch ein kleines, schütteres Wäldchen, durch dessen Baumkronen der Mond zu erkennen war. Die Straße vor ihm war glatt und wies keine Hindernisse auf. Noch nicht. Denn Sekunden später änderte sich das schlagartig.: Parker trat hart auf das Bremspedal. Der Wagen schleuderte und brach mit dem Heck aus. Der Butler hatte alle Hände voll zu tun, den Wagen auf der Straße zu halten, konnte es jedoch nicht vermeiden, daß er mit der Hinterachse in einen relativ niedrigen Graben rutschte. Quer zur Straße standen zwei Limousinen. Aber sie standen dort nicht nur rein zufällig herum und versperrten konsequent die Weiterfahrt, sie spuckten auch aus allen Seitenfenstern Feuer. Mit anderen Worten, der Wagen, in dem sich Rander und Parker befanden, wurde systematisch mit Bleigeschossen belegt. Rander und sein Butler hatten keine Zeit, sich groß zu verständigen. Sie handelten routiniert und überraschend schnell. Sie ließen sich auf der »windstillen« Seite aus dem Wagen fallen und verschwanden im Unterholz. Sie hatten keine Zeit mehr, sich um den Boß und um den Roboter zu kümmern, die im Kofferraum des zersiebten Wagens lagen. Rander und Parker gingen in Deckung. Der Anwalt zog die erbeutete Waffe und wollte das Feuer beantworten. Doch eine gewaltige Detonation hinderte ihn daran. Eine grelle, fast haushohe Stichflamme schoß zum nächtlichen Himmel empor. Der Wagen hatte Feuer gefangen, nachdem der Tank explodiert war. Rander schloß die Augen. Dem Boß und dem Roboter war nicht mehr zu helfen, zumal immer noch aus den beiden querstehenden Wagen geschossen wurde. »Ich würde vorschlagen, Sir, das Feld zu räumen«, sagte Parker zu seinem jungen Herrn. »Wenn ich richtig sehe, formieren die Roboter sich zu einem Angriff.« Parker hatte wieder einmal richtig gesehen.
Hinter den beiden quergestellten Wagen erschienen Männer, die durchweg Maschinenpistolen trugen. Sie wußten genau, wo sie ihre Gegner zu suchen hatten. Sie wurden hervorragend geführt. Sie spritzten auseinander und pirschten sich an das Unterholz heran. Rander und sein Butler ergriffen die Flucht. Es wäre einem Selbstmord gleichgekommen, sich auf ein Feuergefecht einzulassen. Gegen die geballte Feuerkraft der Roboter-Gangster hatten sie nicht die geringste Chance. Und diesmal mußte sogar der Butler auf seine gewohnte Würde verzichten und sich zu einer Art Schweinsgalopp bequemen. Die Roboter kamen nämlich bestürzend schnell heran. Leider war das Wäldchen nicht besonders groß. Es lief in ein niedriges Buschgelände aus und bot dort kaum noch Deckung. Rander und sein Butler steigerten ihr Tempo, und es zeigte sich, wie sportlich durchtrainiert Josuah Parker war. Mike Rander mußte sich ehrlich anstrengen, um mitzuhalten. Plötzlich blieb Parker stehen und drehte sich um. »Ich glaube, Sir, vermelden zu dürfen, daß die Verfolger sich zurückgezogen haben«, meldete er dann. »Man scheint von Ihnen und von meiner bescheidenen Wenigkeit abgelassen zu haben.« »Oder irgendeine neue Teufelei zu planen«, gab Rander keuchend und nach Luft schnappend zurück. »Ich muß schon sagen, diese Roboter haben es in sich!« »Ich erlaube mir, Ihnen beizupflichten«, erwiderte der Butler. »Mich bestürzt der Gedanke, daß die Roboter trotz des Verlustes ihres Herrn noch immer geführt werden.« »Wahrscheinlich von diesem Jenkins«, antwortete Rander, dessen Atem sich endlich wieder beruhigte. »Er scheint hier in der Landgegend eine ganze Armee zusammengezogen zu haben.« »Eine Aussicht, Sir, die nicht gerade erfreulich klingt. Mit fremder Hilfe ist nicht zu rechnen.« »Dann sollten wir etwas tun, Parker. Gehen wir weiter! Diesmal habe ich gegen eine Flucht nichts einzuwenden.« »Darf ich raten, zurückzugehen?« »Sind Sie verrückt? Wollen Sie den Robotern direkt in die Arme laufen?« »Ich versuche, mich in die Lage und Gedankenwelt des neuen Anführers der Roboter zu versetzen, Sir. Um mich genauer aus-
zudrücken, dieser Mann wird versuchen, die Schnelligkeit der Wagen auszunutzen.« »Sie glauben, er könnte uns auf Seitenwegen überholen und irgendwo vor uns wieder auftauchen?« »Das ist meine ehrliche Sorge, Sir. Er wird auf keinen Fall damit rechnen, daß wir in die Richtung zurückkehren, aus der wir gerade gekommen sind.« »Da ist was dran, Parker!« »Man müßte selbstverständlich sehr vorsichtig sein, Sir, für den Fall nämlich, daß der neue Herr der Roboter versucht, sich in unsere Gedanken zu versetzen.« »Schön, lassen wir es darauf ankommen! Vielleicht können wir uns irgendwo verkriechen, bis wir die Roboter endgültig los sind.« Mike Rander und sein Butler pirschten sich vorsichtig zurück an das kleine Wäldchen. Von Minute zu Minute wurden sie sicherer, daß sie nicht in eine Falle liefen. Und als sie schließlich die Straße erreicht hatten, da wußten sie, daß ihre Taktik richtig gewesen war. Die beiden querstehenden Wagen waren verschwunden. Nur das rauchende, aber bereits ausgeglühte Wrack war noch zu sehen…! * »Wenn mich nicht alles täuscht, Sir, befinden wir uns in der Nähe von Mr. Digettis Haus«, sagte Butler Parker. »Na und…? Wollen Sie sich dort etwa verstecken?« »Man könnte von dort aus vielleicht ein Taxi anrufen«, schlug der Butler vor. »Sie haben Sorgen!« Rander schmunzelte. »Aber gut, kreuzen wir bei Digetti auf! Möglich, daß wir ihn jetzt antreffen! Aber auch durchaus möglich, daß wir den Robotern erneut in die Hände fallen.« »Daran glaube ich jetzt nicht mehr, Sir. Nach dieser Schießerei, die doch im Grunde an eine mittlere Gefechtstätigkeit erinnerte, werden die Roboter zurückgepfiffen worden sein. Sie müssen immerhin mit dem Erscheinen der Polizei rechnen.« »Wir auch, Parker, wir auch. Hunter wird Augen machen, wenn er unsere Story hört.«
Mike Rander und sein Butler brauchten etwa zehn Minuten, bis sie den Park erreichten, der die Alptraumvilla umgab. Diesmal verzichteten sie auf die Zufahrt, sondern überstiegen den. Zaun und näherten sich dem düsteren und skurrilen Haus von der Seite. Licht war nicht zu sehen. Das Haus sah im Mondlicht vielleicht noch unheimlicher und gefährlicher aus als sonst. Es strömte eine tödliche Kälte aus. Parker übernahm die Führung, die Mike Rander ihm erst gar nicht streitig machte. In diesen Dingen war der Butler ihm überlegen. Vorsichtig näherten sie sich der Haustür. »Sie wollen wirklich einfach reingehen?« flüsterte Rander seinem Butler zu. »Das Haus dürfte leer sein«, gab der Butler zurück. »Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß wir hier noch auf die Roboter treffen. Ich wäre sonst sehr enttäuscht.« »Und ich erst«, gab Rander ironisch zurück. Sie betraten vorsichtig das Haus. Mike Rander zuckte zusammen, als sein Butler sehr ungeniert das elektrische Licht einschaltete. Rander hielt die Beute-Waffe schußbereit in der Hand. Im Grunde rechnete er mit einer Schießerei. Und erleichtert atmete er auf, als sie ausblieb. Sein Bedarf an Feuergefechten und Erlebnissen war hinreichend gedeckt. »Hoffentlich hat Digetti einen anständigen Tropfen im Haus«, rief er seinem Butler zu, der sich bereits zum Telefon begab, das auf einem kleinen Beistelltischchen neben der tiefen, breiten Couch stand. Parker griff nach dem Hörer, um die Polizei anzurufen. Dann ließ er jedoch den Hörer schnell wieder sinken und wandte sich zu seinem jungen Herrn um. »Ich fürchte, Sir«, rief er, »ich muß Ihnen eine bedauerliche Mitteilung machen.« »Was ist los?« »Hier hinter der Couch dürfte, wenn mich nicht alles täuscht, Mr. John Digetti liegen!« Rander war mit wenigen Schritten neben Parker und beugte sich vor. »Tatsächlich«, murmelte er. »Digetti, er ist niedergeschossen worden!«
»Und… Sir, er lebt noch!« Rander ließ sich auf die Knie nieder und kümmerte sich um den angeschossenen Heilpraktiker, der nur noch sehr schwach und flach atmete. Er schob dem schwer verwundeten Mann ein Kissen unter den Kopf und ließ sich von Butler Parker die Whiskyflasche reichen. Er rieb die Stirn Digettis mit Whisky ein und gab ihm einige Tropfen über die Lippen. Die Wangenmuskeln Digettis arbeiteten mahlend, wie unter einer schweren Anstrengung. Dann flatterten die Augenlider. Digetti stöhnte, er schlug dann die Augen auf und sagte etwas, was aber leider nicht zu verstehen war. »Wer hat Sie niedergeschossen?« fragte Parker eindringlich. »Wer hat auf Sie geschossen, Sir?« Digetti wollte den Kopf anheben, doch dazu reichten seine Kräfte nicht mehr aus. »Wer ist der Herr der Roboter?« stellte Parker seine nächste, sehr laute und eindringliche Frage. »Wie heißt der Boß? Sie müssen reden, Mr. Digetti!« »Leighton…«, murmelte Digetti mit kaum wahrzunehmender Stimme. »Leighton… Vorsicht…« »Wo finden wir Leightons Jacht?« fragte Rander nun. »Keller…«, murmelte Digetti unzusammenhängend. »Im Keller…!« Als Rander seinen Butler fragend anschaute, bäumte Digetti sich plötzlich auf, stöhnte noch einmal und starb. Parker ließ den Kopf des Toten vorsichtig zurück auf das Kissen gleiten und richtete sich auf. »Was meinte er mit dem Keller?« fragte Rander. »Er hat meine Frage wohl nicht mehr verstanden.« »Aber dennoch auf den Keller verwiesen, Sir, wenn ich darauf aufmerksam machen darf. Das kann nicht ohne Grund geschehen sein.« »Schön, dann stöbern Sie mal im Keller herum, Parker. Ich rufe jetzt Lieutenant Hunter an. Mein Alleingang ist damit beendet!« * Parker suchte sämtliche Kellerräume ab.
Es war sein Problem, daß er nicht wußte, wonach er suchen sollte. Digetti hatte sich leider nicht mehr deutlicher ausdrücken können. Obwohl in allen Kellerräumen Licht brannte, konnte der Butler nichts Ungewöhnliches entdecken. Er mußte sich allerdings auf eine grobe Inspektion beschränken. Auf Einzelheiten konnte er nicht eingehen. Als er wieder hinauf in den Wohnraum kam, saß Mike Rander auf der Couch und rauchte. »Was gefunden?« fragte er. »Ich bedaure, Sir!« »Hatte ich mir schon fast gedacht, Parker. Wir haben die Phantasien eines Sterbenden gehört. Mehr war es nicht. Übrigens wird Hunter gleich eintreffen. Er bringt Randall mit. Na, die werden Augen machen…!« Und sie machten Augen, nachdem sie eingetroffen waren und sich die Geschichte von Rander und Parker hatten erzählen lassen. Hunters Beamte suchten bereits das Grundstück und das Seeufer ab. Randall und Lieutenant Hunter schüttelten fast gleichzeitig den Kopf. »Wie aus einem utopischen Roman«, meinte Lieutenant Hunter schließlich. »Menschliche, biologische Roboter…! So was gibt es doch überhaupt nicht.« »Da befinden Sie sich aber gründlich im Irrtum«, sagte Randall. Sein Gesicht sah sehr ernst aus. »Ich verrate Ihnen jetzt keine Geheimnisse mehr, wenn ich Ihnen sage, daß es sie gibt!« »Tatsächlich?« Lieutenant Hunter war irritiert. »Man experimentiert bereits seit geraumer Zeit mit solchen Dingen«, redete Randall weiter. »Nicht nur hier bei uns in den Staaten, sondern auch in anderen Ländern. Sie ahnen nicht, wie weit die Experimente bereits gediehen sind.« »Worauf laufen diese Experimente denn hinaus?« »Darüber will und kann ich nicht sprechen«, gab Randall ernst zurück. »Aber ich sage Ihnen wohl genug, wenn ich zugebe, daß man diese Versuche bereits bei Tieren erfolgreich vorangetrieben hat.« »Ich verstehe kein Wort.« Lieutenant Hunter schüttelte erneut den Kopf. »Ein Beispiel«, erwiderte Randall. »Ein Professor für Physiologie und Psychiatrie pflanzte einem Stier Stahlelektroden ins Gehirn. Natürlich an die richtige Stelle. Dann ließ er das gereizte Tier auf
sich zustürmen. Nur zwei Meter vor dem unvermeidlichen Zusammenprall löste er den Funkimpuls aus. Und der gereizte Stier blieb so jäh stehen, als sei er gegen eine Wand gerannt.« »Sagenhaft!« Hunter schluckte. Dieses Thema war ihm neu. »Ein anderer Versuch«, berichtete Randall fast gelassen weiter. »Man präparierte Katzen und behandelte ihr Haßzentrum im Gehirn. Nach den Funkimpulsen fielen die sonst friedlichen Tiere wie besessen übereinander her und brachten sich fast zu Tode. Und das konnte und kann man beliebig wiederholen. Friedliche Tiere verwandeln sich in wut- und haßsprühende Bestien, die keine Schonung mehr kennen!« »Genau wie bei den Robotern, die wir erlebt haben«, warf Mike Rander ein. »Randall, ich glaube Ihnen jedes Wort.« »Ich langsam auch«, meinte Lieutenant Hunter und schüttelte sich. »Jetzt begreife ich, was man da alles anstellen kann.« »Man kann grundsätzlich alle Gefühle stimulieren«, redete Randall weiter. »Man kann diese Stimulationen auch mischen und überlagern, bis es zu einer Art Kurzschluß kommt.« »Parker brauchen Sie das nicht mehr zu sagen«, sagte Mike Rander und mußte wider Willen lächeln. »Das hat er bereits praktisch ausprobiert.« »Und auch Erfolg gehabt?« wollte Hunter wissen. »Es war frappierend, wie die Roboter durchdrehten«, erklärte Mike Rander. »Diese Aussichten sind doch erschütternd«, meinte Lieutenant Hunter und holte tief Luft. »Angenommen, man behandelt eine bestimmte Spezialtruppe mit Elektroden. Mit diesen Leuten kann man doch dann machen, was man will.« »Ich kann Ihnen ein noch düstereres Bild malen«, erklärte Randall und zündete sich eine Zigarette an. »Stellen Sie sich vor, man pflanzt Kindern hunderter von Elektroden ein. „Vielleicht kurz nach der Geburt. Diese menschlichen Roboter wären leichter aufzuziehen und zu bedienen als echte Roboter aus Stahl und Transistoren. Dieser Vergleich stammt nicht von mir, sondern von einem namhaften Wissenschaftler.« »Hören Sie auf, Randall, ich kann nichts mehr hören«, rief Lieutenant Hunter und hielt sich die Ohren zu. »Sorgen wir dafür, daß wir den Gangster erwischen, der die Roboter jetzt lenkt. Einige Anhaltspunkte haben wir ja schließlich.«
»Nachdem der Boß namens Leighton nicht mehr lebt, müssen wir uns an Jenkins halten«, entgegnete Randall. »Der dürfte die Roboter offensichtlich unter Kontrolle halten.« »Aber wo finden…!« Mike Rander seufzte auf. »Der Michigansee ist groß. Falls Jenkins sich überhaupt noch dort aufhält.« »Wir werden schon an ihn herankommen«, meinte Randall. »Zuerst werde ich mich jetzt mal darum kümmern, wer Leighton war und wer Jenkins ist.« »Und wie wollen Sie das anstellen?« erkundigte sich Mike Rander. »Elektroden gegen Transistoren«, sagte Parker würdevoll. »Wenn mich nicht alles täuscht, wird Mr. Randall einen Elektronenrechner mit den Daten füttern, die wir ihm zur Verfügung stellen können. Wenn ich solch einem Computer nicht zuviel zutraue, müßte er diejenigen Personalien aussortieren, die auf die Herren Leighton und Jenkins zutreffen.« »Falls wir sie irgendwo registriert haben«, erwiderte Randall, einen Vorbehalt machend. »Drücken Sie mir die Daumen, daß wir schnell zu einem Resultat kommen!« »Schon geschehen«, rief Mike Rander. »Ich denke, der Kreis der Personen läßt sich schnell beschränken. Leighton muß immerhin ein erstklassiger Operateur gewesen sein. Vielleicht hat er früher sogar einmal einen wissenschaftlichen Auftrag gehabt.« »Bleibt Jenkins!« Lieutenant Hunter runzelte die Stirn. »Der Name kommt mir bekannt vor. Nicht, weil es sich um einen Dutzendnamen handelt, nein. Ich habe ihn in einem ganz bestimmten Zusammenhang gehört. Irgendwann werde ich noch drauf kommen…!« * »Das Frühstück, Sir!« Josuah Parker betrat das geräumige Wohnzimmer mit der großen Fensterfront und verbeugte sich andeutungsweise in Richtung seines jungen Herrn, der bereits am Schreibtisch saß und arbeitete. »Was bringen die Morgenblätter?« erkundigte sich der Anwalt. »Nichts, Sir, nichts…! Ich muß bedauern. Lieutenant Hunter scheint die Presse nicht informiert zu haben.«
»Keine Überfälle auf Banken oder Geschäftskassen?« »Ich muß Sie enttäuschen, Sir. Die Roboter dürften meiner bescheidenen Ansicht nach eine kleine Arbeitspause eingelegt haben.« »Damit gleichen sie sich uns an«, erwiderte Mike Rander lächelnd. »Fragt sich, ob wir überhaupt noch eingreifen werden. Randall hat die weitere Aufklärung in die Hand genommen. Und er ist der richtige Mann, um alles in Schwung zu halten.« »Wie Sie meinen, Sir!« »Sie sind anderer Meinung, nicht wahr? Ich sehe es Ihnen doch an der Nasenspitze an.« »Wird Ihnen ein gekochtes Ei genügen, Sir?« erkundigte sich der Butler ausweichend. »Sie haben meine Frage immer noch nicht beantwortet, Parker.« »Ich gestehe, Sir, daß ich durchaus die Neigung verspüre, auch weiterhin an diesem Fall mitzuarbeiten.« »Sie machen sich Illusionen, Parker. Was wollen Sie schon tun? Jetzt geht es darum, die Jacht der Gangster zu finden. Und was das angeht, ist die Polizei besser ausgerüstet als Sie!« »Angriff, Sir, so heißt es nach einer alten Regel, war und ist noch immer die beste Art der Verteidigung.« »Worauf wollen Sie hinaus?« »Ich fürchte, Sir, daß die Roboter uns nicht in Ruhe lassen werden.« »Wie soll ich das verstehen?« »Ich denke an jenen Mr. Jenkins, der bestimmt alles daransetzen wird, Sie und meine bescheidene Wenigkeit aus dem Weg zu räumen. Schon aus Gründen der Rache!« »Und ich sage Ihnen, Parker, daß Jenkins mit seinen menschlichen Robotern erst einmal von der Bildfläche verschwinden wird. Jenkins kann sich jetzt an fünf Fingern abzählen, daß das FBI und die Polizei hinter ihm her sind. Er wird sich eine längere Atemund Arbeitspause gönnen.« Rander saß bereits am Frühstückstisch und ließ sich von seinem Butler bedienen. Er ahnte, daß Parker ihn auf Umwegen dazu bewegen wollte, sich wieder in die Ermittlungen einzuschalten. Und zwar möglichst auf eigene Faust, wie Parker es so liebte. Doch Mike Rander hatte keine Lust, mit seinem Schicksal zu spielen. Er war fest entschlossen, sich aus allem herauszuhalten. Sie hatten
gerade genug erlebt und waren schließlich um Haaresbreite an einer grauenhaften Verwandlung in biologische Roboter vorbeigekommen. »Sie fahren ins Büro, Sir?« fühlte Parker vor. »Stimmt, Parker. Und Sie werden hier im Haus bleiben. Keine Extratouren, wenn ich bitten darf! Ich meine das ernst!« »Ich habe heute meinen freien Tag, Sir, wenn ich mir diesen Hinweis erlauben darf.« »Wie bitte? Seit wann reden Sie von freien Tagen?« »Dieser freie Tag steht mir gewerkschaftlich zu«, redete der Butler würdevoll weiter. »Er gehört zu den Grundrechten unserer Gesellschaftsordnung, ein Privileg, auf das ich keineswegs freiwillig verzichten möchte.« »Mit anderen Worten, Sie suchen nur nach einem Vorwand, um wieder den Kriegspfad zu beschreiten, wie?« »Der Wahrheit die Ehre, Sir! Mich bewegen nach wie vor die letzten Worte des Mr. Digetti, als er vom Keller seines Hauses sprach.« »Was glauben Sie denn dort zu finden?« »Vielleicht den Schlüssel zu den Robotern, Sir. Ich bin keineswegs sicher, daß dem so ist, doch ich möchte nichts unversucht lassen, um diesen Dingen…« »Schon gut, schon gut, Parker.« Rander stand auf und lächelte. »Mir fällt gerade ein, daß ich heute auch meinen freien Tag habe. Der steht mir ebenfalls gewerkschaftlich zu.« »Man könnte vielleicht einen gemeinsamen kleinen Urlaub irgendwo am Michigansee machen, Sir.« »Nicht schlecht«, gab Rander lächelnd zurück. »Vielleicht in der unmittelbaren Nähe dieser Alptraumvilla. Was halten Sie davon, Parker?« »Ein Vorschlag, Sir, den ich voll und ganz unterschreibe«, erwiderte der Butler und konnte die Andeutung eines Lächelns nicht ganz unterdrücken… * Die Villa, in der John Digetti gewohnt hatte und niedergeschossen worden war, sah jetzt im Licht der Mittagssonne verspielt und fast freundlich aus. Das Haus war selbstverständlich versiegelt
worden. Doch eine Polizeiwache war von Lieutenant Hunter nicht zurückgelassen worden. »Auf keinen Fall«, sagte Mike Rander, als sein Butler sich mit dem Polizeisiegel an der Haustür befassen wollte. »Damit bekämen wir nur unnötigen Ärger.« »Wenn Sie erlauben, umrunde ich das Haus und suche nach einem Einschlupf, Sir.« »Okay, ich werde hier warten.« Parker lüftete grüßend seine schwarze, steife Melone und begab sich auf die Rückseite des Hauses. Er fand schnell, wonach er gesucht hatte, nämlich eine Außentreppe, die hinten in die Kellerräume führte. Hier an der Tür war kein Siegel angebracht worden. Die Tür war zwar verschlossen, doch Parker hatte sich vor der Herfahrt entsprechend ausgerüstet und redete ein paar intime Worte mit dem einfachen Schloß. Seine Argumente mußten überzeugend gewirkt haben, denn das Schloß machte keine Schwierigkeiten und ließ sich leicht öffnen. Parker nahm den UniversalRegenschirm in die Hand und betrat die Kellerräume, die er schon einmal, allerdings oberflächlich inspiziert hatte. Immer wieder gingen ihm die Worte des sterbenden Mr. Digetti durch den Kopf, die doch offensichtlich auf den Keller verwiesen hatten. Was mochte Digetti damit wohl gemeint haben? Gab es hier überhaupt noch etwas zu finden, nachdem die Polizei alles durchsucht hatte? Parker blieb nachdenklich in dem langen Kellergang stehen und wollte schon weitergehen, als er plötzlich stutzte. Zu seiner Rechten waren die Rußschieber der Schornsteine zu sehen. Und unter einem der Schieber lagen wenige Rußpartikelchen, die praktisch nur im Gegenlicht zu erkennen waren. Sollte dies etwas bedeuten? Parker streifte sich seine schwarzen Handschuhe über und schob den Schieber aus Stahlblech vorsichtig nach oben. Einige kleine Rußwölkchen fielen heraus, mehr tat sich nicht. Um ganz sicherzugehen, stocherte der Butler anschließend mit der Spitze seines Universal-Regenschirms in der Öffnung herum und… stieß dabei auf einen Widerstand. Nun wollte er es genau wissen. Er griff in die Höhlung hinein und zog ein kleines, total verdrecktes Päckchen hervor.
Bei näherem Hinsehen entpuppte sich dieses Päckchen als ein Notizbuch. Und damit wußte Parker, wovon der sterbende John Digetti gesprochen hatte. Er wollte schleunigst zurück zu seinem jungen Herrn eilen, als er plötzlich leise Schritte hörte. Parker ging sofort in einer Türnische in Deckung und wartete gelassen ab. Die Schritte kamen näher. Parker hatte den bleigefütterten Griff seines Regenschirms bereits zum Schlag erhoben. Sekunden später tauchte knapp vor ihm eine Gestalt auf. Parker, der bereits zuschlagen wollte, konnte den Schlag gerade noch abbremsen. »Ich gebe zu, Sir, daß Sie mich erschreckt haben«, sagte er dann zu Mike Rander, der nun seinerseits überrascht herumfuhr und seinen Butler anstarrte. »Fehlt nur noch, daß wir uns gegenseitig ins Land der Träume schicken«, meinte Rander dann auflachend. »Sie blieben mir zu lange weg. Da wollte ich mal nach Ihnen Ausschau halten.« »Die Rückkehr hat sich gelohnt, Sir«, antwortete Parker würdevoll und hielt das Notizbuch hoch. »Hier dürfte es sich um Aufzeichnungen des Mr. Digetti handeln.« »Donnerwetter, Parker. Vielleicht bekommen wir hier Details angeboten. Verschwinden wir von hier. Ich bin froh, wenn ich wieder draußen vor dem Haus bin.« Sie beeilten sich, wieder hinaus an die frische Luft zu kommen. Selbst Parker war froh, als er die Kellertür wieder hinter sich schließen konnte. Sie gingen zurück zum Wagen, wo Parker sich dann umgehend mit den Notizen befaßte. Es handelte sich tatsächlich um eine Art Tagebuch. Es begann damit, daß Digetti seine Entlassung aus der Strafhaft schilderte. Dann wurden die Niederschriften interessant bis sensationell. Sie bezogen sich nämlich auf den Kontakt, den Digetti mit einem gewissen Walt Leighton bekommen hatte. »Nun, was haben Sie gefunden?« fragte Rander, der sich immer wieder mißtrauisch umschaute. Fürchtete er einen neuen Überfall der menschlichen Roboter? »Aus diesen Aufzeichnungen, Sir, geht einwandfrei hervor, daß Leighton, wie der Boß der Roboter sich genannt hat, Dr. Banners
heißt. Er arbeitete vor Jahren als wissenschaftlicher Assistent an der Yale-Universität und befaßte sich mit Verhaltensforschung. Banners, um bei diesem Namen zu bleiben, muß wegen irgendeiner Unregelmäßigkeit im Dienst entlassen worden sein.« »Und was hat Banners-Leighton mit Digetti zu tun?« »Digetti wurde von Banners aufgesucht und mit Geld versorgt. Sie wissen, Sir, daß Mr. Digetti nach seinem Prozeß praktisch mittellos war. Er stellte sich Banners-Leighton als Hypnotiseur zur Verfügung und ging mit ihm eine Art Arbeitsgemeinschaft ein.« »Und von diesem Zeitpunkt an begannen sie beide wohl mit der Konstruktion der biologischen Roboter, oder?« »Das ergibt sich so nebenbei aus diesen Aufzeichnungen, Sir. Wichtiger dürfte die Tatsache sein, daß sowohl Banners-Leighton als auch Digetti bezahlt wurden. Und zwar, wie es hier umschrieben heißt, vom >Chef<.« »Wer ist denn das schon wieder?« »Der Mann, für den Banners-Leighton und Digetti arbeiteten. Ich möchte fast unterstellen, daß dieser >Chef<, wie es in den Aufzeichnungen immer wieder heißt, mit Mr. Jenkins identisch ist.« »Dann haben wir ausgerechnet den falschen Mann entwischen lassen.« Rander zündete sich eine Zigarette an und sog den Rauch tief ein. »Steht etwas darüber, wo wir Jenkins finden können?« »Ich bedaure, Sir!« »Gut, halten wir mal fest. Banners-Leighton, ein Arzt und Wissenschaftler von der Yale-Universität, auf dem Gebiet der Verhaltensforschung tätig, tut sich mit Digetti zusammen. Beide Männer werden von einem sogenannten >Chef< kontrolliert, der möglicherweise Jenkins heißt.« »So sehe ich die Dinge auch, Sir.« »Na, wenn schon… Aber wo finden wir Jenkins? Über den geht es doch jetzt?« »Ich bedauere, Sir, Ihnen nicht dienen zu können. Ich stehe im Moment auch vor einem Rätsel.« »Sie haben doch sonst immer Vorschläge anzubieten, Parker. Wo sollen wir nach diesem Jenkins suchen? Wo würde es sich lohnen?« »Auf dem Wasser und auf der Jacht dürften Mr. Jenkins und seine Roboter keineswegs mehr sein.«
»Richtig. Er kann sich leicht ausrechnen, daß der gesamte See mit Flugzeugen abgesucht wird. Wo könnte er sich zusammen mit seinen Robotern verkrochen haben?« »Irgendwo außerhalb der Stadt an Land, wenn ich mir diesen Hinweis gestatten darf.« »Gestattet, Parker, aber wo!?« »Ich denke an Miß Jill Harpers!« »Ihr Haus ist doch von der Polizei ebenfalls auf den Kopf gestellt worden. Was glauben Sie, dort finden zu können?« »Ich weiß nicht, Sir, dennoch schlage ich vor, das Atelier der jungen Dame zu besuchen.« »Na gut, wenn Sie sich davon etwas versprechen. Fahren wir!« Sie stiegen in den Wagen und brachten die kurze Strecke hinter sich. Das Atelier von Jill Harpers machte einen verlassenen Eindruck. Nichts war mehr davon zu verspüren, daß sich hier am Vortag noch ein Drama abgespielt hatte. Parker steuerte den Wagen vor das Haus. Als er ausstieg, um seinem jungen Herrn die Wagentür zu öffnen, was er eigentlich nie schaffte, da Rander schneller war, blieb Parker plötzlich wie angewurzelt stehen. Er sah zum Haus hinüber, wo plötzlich Jill Harpers zu sehen war. Sie winkte völlig gelassen, und selbstverständlich, als sei alles in bester Ordnung. »Hallo, Miß Harpers!« Rander, der ausgestiegen war, winkte zurück. »Schön, daß Sie kommen!« rief sie lächelnd. »Ich hatte fest damit gerechnet.« »Was halten Sie davon?« flüsterte Rander seinem Butler zu. »Hier stimmt doch etwas nicht!« »Ich sehe mich gezwungen, Ihnen beizupflichten«, erwiderte Parker höflich. »Wenn Sie sich genau umsehen, Sir, werden Sie bemerken, daß wir von den Robotern umringt sind…!« * »Also doch noch!«
Jenkins, der Mann mit dem Narbengesicht grinste triumphierend. Er stand Rander und Parker gegenüber und fühlte sich wie ein Sieger auf der ganzen Linie. »Ihre Arbeit war ausgezeichnet, Miß Harpers«, sagte Rander in bitterem Ton zu der jungen Dame. »Als Lockvogel sind Sie eine Wucht!« »Wieso Miß Harpers? Das ist meine Frau!« Jenkins, das Narbengesicht grinste noch intensiver. »Aber sie arbeitet wirklich erstklassig.« Jill Harpers, oder besser ausgedrückt, Jill Jenkins, senkte betreten den Kopf. Sie fühlte sich in ihrer Rolle nicht sonderlich wohl. Das war ihr deutlich anzumerken. »Wissen Sie, daß die Polizei und das FBI Sie suchen?« fragte Josuah Parker, sich an Jenkins wendend. »Natürlich, aber das macht nichts. Man wird mich und meine Jungens nicht finden!« »Unterschätzen Sie nicht die Polizei?« »No, bestimmt nicht, dazu kenne ich die viel zu gut!« Er lachte spöttisch und wandte sich an seine Frau: »Sage du ihnen, Jill, was mit mir los ist! Na, sag es schon!« »Laß doch, Steve«, gab sie ärgerlich zurück. »Wieso denn?« Jenkins lachte erneut auf. »Ich war doch mal so was wie ein Polizist! Da brauchen Sie gar nicht zu staunen, Rander. Ich gehörte zum Sicherheitsdienst des Forschungszentrums.« »Damals bekamen Sie wahrscheinlich Kontakt zu LeightonBanners, wenn ich nicht sehr irre!« Parker schaltete blitzschnell und zog die Verbindungsfäden. »Richtig getippt!« Jenkins schmunzelte. »Damals schützte ich die Wissenschaftler vor der Neugier, aber damals merkte ich sehr schnell, was hinter den Experimenten steckt.« »Sie witterten wohl eine Möglichkeit, schnell und risikolos Geld zu machen, oder?« Mike Rander spann den Faden weiter. »Genau, Rander, genau! Leighton-Banners, wie Sie ihn nennen, war Chirurg. Er führte die notwendigen Gehirnoperationen bei Heren durch. Ein prächtiger Bursche, sehr geschickt, aber immer verschuldet. Er war ein hemmungsloser Spieler. Und als ich ihm eines Tages den Vorschlag machte, man könnte doch mal einen Menschen präparieren, da zeigte er Interesse. Zuerst wollte er natürlich nicht, aber dann hatte ich ihn in der Zange. Er wäre sonst ohne mein Schweigen ins Zuchthaus gekommen.«
»Wieso denn das? Nur wegen der Schulden?« Rander sah den Gangster interessiert und aufmunternd an. »No, aber wegen Unterschlagung von Forschungsgeldern und wegen ständiger Fälschungen der Unterlagen. Banners mußte auf meine Vorschläge eingehen. Ich besorgte ihm ein Versuchsobjekt, und Banners pflanzte ihm ein paar dieser komischen Elektroden ein.« »Und dieser >Roboter< mußte wahrscheinlich eine Kasse ausrauben, nicht wahr?« »Sie treffen den Nagel auf den Kopf, Rander. Die Sache haute hin, die Beute lohnte sich. Banners sah ein, daß ich ihm den richtigen Tip gegeben hatte. Wir beschlossen, uns selbständig zu machen.« »Wie verwischten Sie Ihre Spuren, wenn man fragen darf?« erkundigte sich Josuah Parker, während Jill Jenkins nachdenklich an ihrer Unterlippe nagte. »Banners und ich verunglückten«, erzählte der Gangster weiter. »Wir zogen eine Schau auf, aber dabei wäre ich beinahe drauf gegangen. Sie sehen noch die Spuren in meinem Gesicht. Dennoch haute die Sache hin. In dem Autowrack, in dem man Banners und mich tot fand, lagen natürlich zwei andere Männer. Der Coup gelang. Wir wurden beerdigt und aus den Listen gestrichen!« »Und Sie konnten sich der Schaffung weiterer >Roboter< widmen, nicht wahr?« Parker hörte aufmerksam zu. »Sie liegen richtig, Parker. Banners präparierte die Leute, die ich ihm lieferte. Wir kauften die Jacht und richteten an Bord einen Operationssaal ein. Es dauerte einige Zeit, bis wir genügend Roboter hatten, um ins Geschäft zu kommen. Und wie das hinhaut, haben Sie ja gesehen und gehört.« »Zu welchem Zweck brauchten Sie Digetti?« erkundigte sich Josuah Parker. »Zur psychischen Einstimmung der Roboter, verstehen Sie? Die mußten doch in eine freundliche Grundstimmung gebracht werden.« »Mußte er deshalb sterben?« »Ich brauchte ihn nicht mehr«, gab Jenkins zurück. »Und bevor er quasselte, ließ ich ihn lieber verschwinden.«
»Was werden Sie ohne Leighton-Banners tun?« fragte der Butler. »Wer wird denn jetzt die Operation durchführen, wenn mir diese Frage erlaubt ist.« »Vorerst muß ich pausieren, bis ich Ersatz beschafft habe«, meinte Jenkins lächelnd. »Wahrscheinlich werde ich mich sogar bald von dem Geschäft zurückziehen. Die Roboter, die ich noch habe, scharren genug Geld zusammen.« »Und dann?« »Hauen meine Frau und ich ab. Wir verschwinden irgendwohin, wo wir problemlos leben können. Mit genügend Geld kann man sich alles leisten.« »Sie befürchten nicht, daß die Polizei schneller sein könnte?« »Haben Sie schon gefragt, Parker. Aber keine unnötige Hoffnung, mag die Polizei kommen oder nicht, Sie und Ihr Herr kratzen vorher ab! Sie sind mir zu neugierig! Und inzwischen wissen Sie auch zuviel! So was muß man aus dem Weg räumen!« »Sie wollen Mr. Rander und meine bescheidene Wenigkeit ermorden lassen?« »Ich…? Nein, das wird die Polizei besorgen.« »Wie darf ich diese vage Andeutung auslegen, Mr. Jenkins?« »Sie werden Gast der Jacht sein. Ein paar Roboter werden mitfahren und dafür sorgen, daß die Polizei aufmerksam wird. Dann werden die Roboter aus allen Rohren schießen und dafür sorgen, daß die Polizei die Jacht versenkt!« »Warum denn so umständlich?« spottete Mike Rander wütend. »Sie können es doch viel einfacher haben.« »Die Jacht muß versenkt werden. Die Polizei soll glauben, daß der Rest der Roboter auf Grund gegangen ist. Und wenn dann allgemeine Ruhe eingekehrt ist, werde ich mit den Robotern noch einmal groß auftrumpfen und das nötige Kleingeld beschaffen lassen. Wie finden Sie das?« Rander trat einen halben Schritt vor. Er hätte sich am liebsten auf Jenkins gestürzt, doch der hob nur kurz seinen Revolver an und lachte höhnisch. »Keine Dummheiten, Rander«, sagte er dann mit scharfer Stimme. »So einfach sollen Sie es nicht haben…« »Man wird Sie früher oder später doch erwischen«, gab Rander zurück. »Im Grunde sind Sie schon geliefert, aber Sie wissen es nur noch nicht.«
»Sind Sie sich darüber klar, daß Sie diesen Küstenstreifen nicht verlassen können?« schaltete sich nun auch der Butler ein. »Nach meinen Informationen hat die Polizei alles abgesperrt.« »Meine Roboter wissen, wohin sie zu fahren haben«, gab Jenkins gelassen zurück. »Und ihnen ist es nicht anzusehen, was sich unter der Hirndecke befindet. Sie sehen alle aus wie vollkommen harmlose Durchschnittsbürger. Die also wird man in jedem Fall passieren lassen. Und was mich angeht, so werden meine Frau und ich einen Hubschrauber benutzen. Sonst, noch Fragen?« »Sie geben sich ungemein gelassen«, stellte der Butler fest. »Dazu habe ich auch allen Grund. Die Trümpfe befinden sich in meiner Hand. Ich wünsche angenehmes Sterben. Denken Sie an mich, wenn Sie zur Hölle fahren.« »Wenn wir wirklich dort ankommen sollten, Mr. Jenkins, werde ich mir erlauben, für Sie Quartier zu machen«, gab der Butler zurück… * Die Jacht lag in einer kleinen, sehr engen Bucht, über der sich Baumwipfel trafen und ein grünes Dach bildeten. Von der Luft aus konnte diese Bucht wohl kaum eingesehen werden. Sie befand sich etwa zwei Kilometer vom angeblichen Atelier der Jill HarpersJenkins entfernt. Ebenfalls unter den Bäumen standen drei Limousinen, die regulär und harmlos aussahen. Und hier sahen Mike Rander und Josuah Parker auch die Roboter. Es waren völlig normal aussehende Zivilisten, an denen nichts Außergewöhnliches festzustellen war. Sie standen neben ihren Wagen und plauderten miteinander. Dennoch fiel Parker auf, daß sie Jenkins niemals aus den Augen ließen. Sie wirkten wie gut dressierte Hunde, die auf ihren Herrn und Meister schielen. »Sehen doch ganz friedlich aus, wie?« Jenkins grinste. »Aber Sie wissen ja, wie die aufdrehen, wenn ich den Sender arbeiten lasse. Dann verwandeln sie sich auf Wunsch in reißende Wölfe.« »Sie wissen mit dem Sender umzugehen?« wollte Parker wissen. »Worauf Sie sich verlassen können.« »Gibt es außer diesem Sender noch weitere Impulsgeber?«
»Einen haben Sie, den zweiten ich. Und der reicht mir!« Parker schätzte wieder einmal seine Chancen ab. Er und Mike Rander waren noch ungebunden, wenngleich man sie entwaffnet hatte. Jenkins hielt den schußbereiten Revolver in der Hand. Daß er damit umzugehen verstand, glaubte Parker ihm aufs Wort. Sollte er es dennoch auf einen Überraschungsangriff ankommen lassen? Parker handelte aus dem Moment heraus und griff nach seiner schwarzen, steifen Melone. Dann schleuderte er sie wie einen Bumerang durch die Luft. Die stahlblechgefütterte Innenseite der Melone landete genau im Gesicht des Gangsters, der daraufhin verständlicherweise irritiert war und für einen Moment die Sicht und auch die Übersicht verlor. Mike Rander nutzte dieses Überraschungsmoment und baute den Vorsprung aus. Er sprang Jenkins an und schlug ihn mit einem gekonnten Fausthieb zu Boden. Jenkins landete neben der Gangway, hatte aber sein Bewußtsein nicht verloren. Er schoß zurück, traf aber nicht. Dann riß er den kleinen Sender aus der Tasche und bewegte den Impulsknopf. Die Roboter, die sich bisher ungemein friedlich verhalten hatten, kamen in Stimmung. Ohne einen Laut von sich zu geben, stürmten sie auf Rander und Parker los. »Los, bringt sie um…. bringt sie um!« schrie Jenkins mit greller, gereizter Stimme. »Laufen Sie…. laufen Sie doch!« Jill Harpers-Jenkins stand plötzlich an der Seite der beiden Flüchtenden. Und das war ihr Pech! Jenkins schoß. Und traf seine Frau. Sie taumelte, fiel auf die Knie, wurde aber von Parker wieder hochgerissen. Er schleifte sie hinter einen Strauch, lud sie sich auf die Schulter und lief weiter. Viel Chancen hatten sie nicht.
Die Roboter kamen sehr schnell näher. Und sie schossen aus allen verfügbaren Rohren. Genau in diesem Augenblick passierte etwas Erstaunliches, Überraschendes und Unvorhergesehenes! Kleine, graue Rauchwölkchen platzten in der Luft auseinander. Sie verbreiteten einen stark süßlichen Geruch, der sich auf die Lungen legte. Parker und Rander taumelten prompt, verloren Richtungssinn und Gleichgewicht und stürzten zu Boden. Sie verloren das Bewußtsein, ohne sich gegen diese Betäubung wehren zu können… * Mike Rander und Josuah Parker lagen im weichen grünen Gras und kamen fast gleichzeitig wieder zu sich. Parker richtete sich auf und hüstelte. Dann sah er vor sich Lieutenant Hunter und Mr. Randall vom FBI. Mike Rander erhob sich ebenfalls und strich sich über die Stirn. Als er die beiden Beamten ausgemacht hatte, wurde sein Gesicht zu einem lebenden Fragezeichen. »Ein neuartiges Kampfgas«, sagte Randall lächelnd. »Harmlos, wenn man von einer längeren Betäubung mal absieht. Wie geht es Ihnen?« »Es könnte schlechter sein… Was machen Jenkins und seine Roboter?« »Die befinden sich bereits auf der Fahrt in die Stadt«, sagte Randall. »Der Trick mit dem Gas zahlte sich aus. Wir konnten jede weitere Schießerei verhindern.« »Wieso kamen Sie im richtigen Zeitpunkt?« wollte der Anwalt wissen. »Sehr einfach, weil wir Sie und Parker beschatten ließen. Wir ahnten doch gleich, daß Sie auf eigene Faust weiterarbeiten würden. Und wir konnten uns leicht ausrechnen, daß Jenkins nach seinen Pannen darauf brannte, wieder Kontakt zu Ihnen zu bekommen. Die Rechnung ging auf, oder?« »Gott sei Dank, daß sie aufgegangen ist, sonst hätten die Roboter uns diesmal erwischt. Sagen Sie, was wird nun aus diesen armen Teufeln?«
»Schwierig, sehr schwierig! Darüber sollen die Experten entscheiden. Ich hoffe, man kann ihnen die Elektroden wieder herausnehmen. Ich wünsche es ihnen.« »Und ich erst!« Rander stand auf und ließ sich von Hunter eine Zigarette geben. »Wo steckt Miß Jill, ich meine Mrs. Jenkins?« »Wird bereits ins Hospital gebracht. Sie ist schwer getroffen worden. Ich soll Ihnen bestellen, daß ihr alles sehr leid tut, daß sie aber nicht mehr für Sie tun konnte.« »Sie hat bestimmt genug getan«, gab Rander nachdenklich zurück. »Sie hat uns praktisch dreimal das Leben gerettet.« »Sie hat noch ausgesagt, daß sie erst sehr spät von den Machenschaften ihres Mannes von Leighton-Banners erfahren hat«, berichtete Randall weiter. »Als sie hinter die Operationen kam, wollte sie aussteigen. Erst durch Ihr Erscheinen schöpfte sie neue Hoffnung.« »Mir ist alles klar«, meinte der Anwalt. »Jenkins und Jiil wohnten hier im Atelier. Von hier aus bis hinüber zu Digetti war nur eine kurze Entfernung. Sie standen also in engstem Kontakt. Möglich, daß Leighton-Banners hier sein Hauptquartier an Land aufgeschlagen hatte.« »Ist die Jacht, wenn ich fragen darf, bereits geentert worden?« wollte Josuah Parker wissen. »Sie befindet sich fest in unserer Hand«, antwortete Lieutenant Hunter und schmunzelte. »Ihre Angaben hinsichtlich des Operationsraums stimmten.« »Stimmt es auch, was Jenkins über Leighton-Banners erzählt hat«, fragte Mike Rander. »Er will früher im Geheimdienst gearbeitet haben.« »Geheimdienst ist leicht übertrieben. Jenkins leitete den Werkschutz einer Forschungsgruppe. Er und Leighton-Banners kamen tatsächlich angeblich bei einem Autounfall ums Leben.« »Bin ich froh, daß wir es nun nicht mehr mit menschlichen Robotern zu tun haben.« Rander seufzte hörbar auf. »Ich hoffe doch, daß sich nicht noch weitere Roboter frei herumtreiben, oder?« »Ausgeschlossen. Wir haben alle Roboter sicherstellen können. Sie bildeten im Grunde eine kleine Truppe, wenn ich mich so ausdrücken darf. Jenkins war mit ihnen unterwegs. So schaffte er es auch, in vielen Städten der Staaten zu arbeiten. Damit ist jetzt endgültig Schluß.«
»Kommen Sie, Parker, wir fahren«, sagte der junge Anwalt. »Oder legen Sie noch Wert darauf, den gewerkschaftlich garantierten freien Tag voll auszunutzen?« »Auf keinen Fall, Sir, ich habe bessere Dinge zu tun.« »Und die wären?« »Ich habe noch einige Briefe auszuwerten, die meine Adresse erreicht haben.« »Auswerten? Das klingt nach neuen Fällen! Parker, kategorisch und endgültig, mein Bedarf ist vorerst gedeckt. Sie brauchen mir erst gar nicht mit weiteren Fällen zu kommen. Ich spiele nicht mehr mit!« »Natürlich, Sir, ich werde Ihre Wünsche voll und ganz respektieren.« »Worum ich auch gebeten haben möchte.« »Mit menschlichen Robotern werde ich Sie gewiß nicht mehr belästigen«, fuhr der Butler hartnäckig fort. »Höchstens um diesen Hinweis zu geben, mit einer sogenannten schwarzen Witwe!« »Mit wem?« »Mit einer schwarzen Witwe, Sir. In Los Angeles ereignen sich rätselhafte Mordfälle, die alle von der schwarzen Witwe herrühren.« »Rander, passen Sie auf, er lockt Sie ins Netz dieser Spinne«, warnte Lieutenant Hunter. »Das würde ich mir niemals erlauben, Sir«, protestierte der Butler. »Ihr Wunsch bleibt mir Befehl. Ich werde Sie auch nicht mehr mit besagter schwarzen Witwe belästigen.« »Das bitte ich mir aus, Parker!« Randers gerade noch strenges Gesicht lockerte sich etwas. Ein Hauch von Interesse zeigte sich. »Sagen Sie, was ist mit dieser schwarzen Witwe eigentlich los?« »Rander, passen Sie auf sich auf!« Lieutenant Hunter grinste unverhohlen. »Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich Ihnen die bisher bekannten Fakten zu Hause unterbreiten«, erklärte der Butler würdevoll, die Zwischenrufe ignorierend. »Ich möchte annehmen, daß Sie sich interessiert zeigen werden!« Rander nickte und begleitete seinen Butler zum Wagen. Randall und Lieutenant Hunter sahen sich spöttisch an. »Er hat bereits angebissen, aber er weiß es noch nicht«, sagte Hunter dann. »Wetten, daß die beiden in wenigen Tagen schon
nach Los Angeles fliegen werden, um sich mit der schwarzen Witwe zu befassen?« »Wetten ohne jede Chance nehme ich niemals an«, erwiderte Randall. »Und in diesem Fall hätte ich nicht die geringste Chance, soweit habe ich Rander und Parker bereits durchschaut!
-ENDE-