Parker und der »Giftzwerg«
Roman von Günter Dönges
Nachdem Josuah Parker den Lift verlassen hatte, schritt er wür ...
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Parker und der »Giftzwerg«
Roman von Günter Dönges
Nachdem Josuah Parker den Lift verlassen hatte, schritt er wür devoll wie ein Aristokrat durch den mit einem dicken Velourtep pich ausgelegten Korridorgang und suchte nach dem Apartment eines gewissen Mr. Wald D. Flagstaff. Diese Tür fand er am Ende des Korridors. Im Näherkommen hörte er die wohlklingenden Töne einer Orgelmusik, die durch die Tür nach draußen klang. Wenn Parker nicht alles täuschte, han delt es sich um eine Bach-Fuge. Versonnen blieb er einen kurzen Moment stehen und lauschte. Dann zwang er sich förmlich dazu, seinen schwarz behandschuh ten Finger auf den Klingelknopf zu legen. Er bedauerte es unge mein, diese Musik durch ein ordinäres Klingeln stören zu müssen. Gewiß, die Musik, die wahrscheinlich aus einem Radio kam, war ungemein laut, doch selbst in der lautstarken Verzerrung war sie noch geeignet, Parker freudig zu stimmen. Das diskrete Klingeln wurde verständlicherweise überhört. Die Musik war wirklich zu laut. Josuah Parker sah sich gezwungen, nachdrücklicher zu läuten. Er ließ seinen Finger diesmal einige Sekunden lang auf dem Klingelknopf ruhen. Die Orgelmusik wurde schlagartig leiser. Schritte näherten sich der Tür. Parkers Haltung wurde in der Erwartung noch steifer und würdevoller als sonst. Die Tür öffnete sich. Ein mittelgroßer Mann, schlank, mit hagerem Gesicht und schütterem Haar, sah den Butler fragend und irgendwie unsicher und etwas überrascht an. »Ja…?« fragte er dann gedehnt. »Parker mein Name, Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor und deutete eine leichte, höfliche Verbeugung an. »Mr. Flagstaff bat mich zu sich, ein Wunsch, dem ich umgehend nachkam, wie Sie sehen können.« »Ach so…!« gab der Mittelgroße etwas fahrig zurück und ließ den Butler gleichzeitig eintreten, »zu Flagstaff wollen Sie…! Kommen Sie herein. Ich… ich bin ein Bekannter von Flagstaff…!« »Ich komme hoffentlich nicht ungelegen«, meinte Josuah Par ker. »Ich hatte allerdings den Eindruck, daß Mr. Flagstaff umge hend meinen Besuch erwartete.«
»Sie stören überhaupt nicht«, antwortete der mittelgroße,, schlanke Mann. Und dann schlug er zu, als Parker ihn passierte. Dieser Schlag, mit einer Stahlrute ausgeführt, kam für den But ler derart überraschend, daß er noch nicht einmal den Versuch einer zaghaften Gegenwehr unternehmen konnte. Die Stahlrute dröhnte auf Parkers schwarze Melone herunter und veranlaßte ihn, gegen seinen Willen in die Knie zu gehen. Parker wollte sich peinlicherweise an einem Mantel festhalten, der an der Garderobe hing, doch ein zweiter, vielleicht noch härterer Schlag ließ ihn vollends zu Boden gehen. Stumm und leidend breitete der Butler sich auf dem Boden aus, ohne dabei aber erstaunlicherweise an Würde oder Gemessenheit zu verlieren. Dann blieb er regungslos liegen und sah nicht, daß der Mittelgroße inzwischen eine Automatik gezogen hatte, deren Lauf er auf den Butler richtete. Das Gesicht dieses Mannes, der höchstens dreißig Jahre alt sein mochte, zeigte kaum eine Regung. Es war offensichtlich, daß die ser Mann sich in Handhabungen und Praktiken dieser Art bestens auskannte. Die schußbereite Automatik hielt er ganz sicher nicht zum erstenmal in der Hand. Es war eine Frage von Bruchteilen von Sekunden, bis er abdrückte. Parker war diesem Mann hilflos ausgeliefert. Er konnte noch nicht einmal ahnen, in welcher Lebensgefahr er schwebte. Bruchteile vor diesem Schuß erschien ein zweiter Mann in der geräumigen Diele, in der Parker auf dem Boden lag. Dieser Mann war breitschultrig, muskulös und hatte ein grobes Gesicht. Er schien einem Handbuch für Gangster- und Schlägertypen zu ent stammen. »Bist du verrückt, Steve?« zischte diese Schlägertype den Waf fenbesitzer an, »fehlt noch, daß du hier herumknallst!« Der Mittelgroße wandte sich nervös,’ zu dem Schläger um. Dann wies er auf den immer noch regungslos am Boden liegenden But ler, als drohe von ihm eine besondere Gefahr. »Das ist Parker…!« sagte Steve dann, als sei damit bereits ein Programm genannt. »Na und…?« fragte der Grobschlächtige zurück. Er grinste ver ächtlich. »Das ist Parker, Dan«, wiederholte Steve noch einmal. »Parker ist der raffinierteste Bursche weit und breit!«
»Der komische Bursche da?« meinte Dan verächtlich und ver lieh seinem groben Gesicht einen spöttischen Ausdruck. »Du bist eben neu hier in der Stadt«, redete Steve hastig wei ter, »du sollst sehen, der Boß ist nachträglich einverstanden! Vielleicht rückt er sogar mit ‘ner Prämie ‘raus! Ich hab’ mir schon immer gewünscht, dem ‘ne Ladung zu verpassen!« »Kanone ‘runter«, kommandierte Dan grob. Er kniff die Augen zusammen und musterte seinen jüngeren Begleiter, dessen Wan gen sich rötlich gefärbt hatten. Steve leckte sich die Lippen und lachte plötzlich auf. »Kanone ‘runter«, kommandierte Dan noch einmal. »Ohne ‘nen ausdrücklichen Befehl vom Boß wird nicht geschossen, klar! Los, hauen wir ab! Hier ist für uns nichts mehr zu holen!« »Aber der Kerl weiß doch jetzt, wie ich aussehe«, gab Steve nervös zu bedenken. »Na und…? Wenn er Ärger macht, bekommst du ‘n erstklassiges Alibi«, gab Dan zurück. Trotz seines wirklich finsteren Aussehens, trotz der groben Primitivität, die er ausstrahlte, vermochte er schnell und logisch zu denken. Er schien seinem jüngeren Partner Steve nicht über den Weg zu trauen, was die Automatik anbetraf. Blitzschnell und überra schend geschickt schlug er Steve die Waffe aus der Hand. Dann stellte er seinen Fuß darauf und deutete zur Korridortür. »Hau ab…!« sagte er dann leise, »Das Ding bekommst du unten zurück, klar? Es wird höchste Zeit, sonst sind wir dran!« Steve zog förmlich den Kopf ein. Er schien die Kräfte seines Partners Dan zu fürchten. Als Dan sich nach der Waffe bückte und sie aufhob, glomm in Steves Augen deutlicher Haß auf. Seine Lip pen bildeten einen schmalen, blutleeren Strich. Langsam ging er zur Tür und trat hinaus auf den Korridor. Dan warf einen letzten Blick auf den Butler und folgte seinem jüngeren Begleiter. Dann zog er von außen die Tür zu und ließ den Butler ungeschoren zurück. Genau in diesem Augenblick richtete der Butler sich auf. Seine Ohnmacht schien nicht besonders tief gewesen zu sein. Er mußte den größten Teil der Unterhaltung zwischen Steve und Dan mitbekommen haben. Dennoch war er regungslos liegengeblie ben, was wieder einmal für seine ausgezeichneten Nerven sprach. Trotz der tödlichen Bedrohung hatte er sich nicht gerührt.
Parker stand auf und sorgte erst mal dafür, daß der Sitz der steifen, schwarzen Melone wieder als korrekt zu bezeichnen war. Dann klopfte er sich einige Stäubchen von seinem schwarzen Zweireiher und legte den Griff seines Universal-Regenschirms über den linken Unterarm. Die leichten Kopfschmerzen ignorierte der Butler. Er war schließlich aus hartem Holz geschnitzt. Interessiert betrat er das Wohnzimmer, aus dem die beiden Gangster gekommen waren. Schwere Ledersesselgarnituren beherrschten den Raum. Auf dem Boden lagen weiche, üppige Teppiche, die ein kleines Ver mögen gekostet haben mußten. Die Wände trugen wohlgefüllte Bücherregale, die fast bis hinauf zur Zimmerdecke reichten. Durch eine Rundbogentür sah Parker dann hinein in das Arbeits zimmer. Ein langer, breiter, derber Arbeitstisch stand unter dem Fenster. Auch in diesem Raum Bücher über Bücher, die selbst auf dem Boden gestapelt waren. Auf einem kleinen Beistelltischchen rechtwinklig zum Arbeitstisch stand eine bereits angejahrte Schreibmaschine, in die ein Bogen eingespannt war. An der Längswand standen moderne Karteischränke, deren Schubladen aufgerissen und durchstöbert worden sein mußten. Auf dem Bo den stapelten sich herausgerissene Karteiblätter, die ein Windstoß durcheinandergewirbelt zu haben schien. Parker sah sich das alles mit einem schnellen, umfassenden Blick an und prägte sich Einzelheiten ein. Darüber vergaß er na türlich nicht die Hauptsache. Sie bezog sich auf einen massigen Mann, der mit ausgebreiteten Armen vor dem Arbeitstisch lag und ganz offensichtlich tot war! * Parker wollte sich um Details kümmern. Zu seiner Überraschung kam es nicht mehr dazu. Plötzlich, ohne jede Vorwarnung, erschütterte eine dumpfe Detonation die Luft. Parker warf sich instinktiv zurück in das große Wohnzimmer, wurde aber noch von einer bärenstarken Druckwelle erfaßt und zu Boden geschleudert.
Ziegelbrocken, Kalkmörtel, zersplittertes Holz und Glasscherben wirbelten in den Wohnraum hinein. Parker war von der Druckwel le hinter eine der querstehenden Couches geschleudert worden. Genau das war sein Glück. Die Wirkung der Sprengladung pfiff über ihn hinweg. Er konnte unbeschädigt aufstehen und hüstelte gegen seinen Willen. Dichter Qualm und Rauch quollen ihm entgegen. Es roch nach Feuer und Brand. Mißtrauisch beobachtete Parker die Trennwand zwischen Arbeitszimmer und Wohnraum. Sie hatte sich in ihre Einzelteile zerlegt und drohte mit ihrem Rest in den Wohnraum hineinzufal len. Dennoch riskierte der Butler es, sich zurück in das Arbeitszim mer zu kämpfen. Flammenzungen bleckten ihm entgegen. Dort, wo die Karteikästen stehen mußten, war nur noch Feuer und Rauch zu sehen. Die beiden Gangster mußten offensichtlich einen Sprengsatz mit Brandfüllung verwendet haben. Parker kümmerte sich erst einmal um den Toten, den er jetzt hart neben der Tür entdeckte. Er schleifte den leblosen Körper hinüber in den Wohnraum. Dann arbeitete er sich noch einmal zurück in das Arbeitszimmer und kämpfte sich an die Schreibma schine heran. Doch dort, wo sie gestanden hatte, befand sie sich nicht mehr. Die gewaltige Explosion schien sie irgendwohin in den Raum ge wirbelt zu haben. Ein berstendes Krachen über Parkers Kopf belehrte ihn, daß die Decke einzustürzen drohte. Parker schaute hoch. Im ersten Moment war er starr vor Schreck. Die Decke, von der Explosion aufgerissen, neigte sich langam nach unten. Parker löste sich aus seiner Starre und tat einen fast verzweifel ten Sprung zurück in den Wohnraum. Dabei stolperte er über ei nen sperrigen, harten Gegenstand, der ihn erneut zu Boden warf. Parker raffte sich schleunigst wieder auf. Bruchteile von Sekunden später donnerte die aufgerissene De cke nach unten in den Arbeitsraum. Eisenträger wirkten wie riesi ge Rammen. Der Fußboden dröhnte. Mauersteine spritzten wie Ping-Pong-Bälle durch die Luft. Parker erhob sich und sah bedauernd an seinem schwarzen Zweireiher hinunter. Er stellte fest, daß er keineswegs mehr kor
rekt aussah. Die Ereignisse waren stärker als er gewesen. Er sehnte sich zurück in das Dachgartenhaus seines jungen Herrn, um sich endlich pflegen zu können. Er wollte sich gerade abwenden, als er die Schreibmaschine entdeckte. Genau über sie war er gestolpert. Einer der herabge stürzten Eisenträger hatte sie ein Stück in den Wohnraum hinein geschoben. Das Manuskriptblatt in der Walze sah zwar sehr verknittert und mitgenommen aus, doch es ließ sich noch aus der Maschine zie hen. Was Parker selbstverständlich umgehend besorgte. Ohne einen Blick auf den darauf befindlichen Text zu werfen, faltete er das Papier zusammen und ließ es in seiner Brieftasche verschwin den. Das Feuer breitete sich bestürzend schnell aus. Es roch nach brennendem Öl. Der Rauch wurde schwärzer und ätzender. Par ker, nach Luft schnappend, bemühte sich zum nahen Fenster hin über. Er braucht es nicht mehr zu öffnen, um frische Luft atmen zu können. Der Explosionsdruck hatte bereits sämtliche Fenster scheiben hinunter auf die Straße gepustet. Parker nahm ein paar Atemzüge frischer Luft zu sich und küm merte sich dann weiter um den Toten, bei dem es sich offensicht lich um Wald D. Flagstaff handeln mußte. Er schleppte den fast zwergenhaft kleinen Körper hinüber in die Diele und legte ihn dort nieder. Dann begab er sich erstaunlich würdevoll und ohne jede Hast noch einmal zurück in die Verwüs tung und sah hinüber zum Arbeitszimmer. Nein, dort war für ihn leider nichts mehr zu holen. Die Spreng ladung hatte ganze Arbeit verrichtet. Der Flammsatz im Zeitzün der hatte den Raum bereits in eine glühende Hölle verwandelt. Wie wichtig mochten die Papiere sein, die dort jetzt zu Asche wurden? Um sie war es sicher gegangen. Parker konnte sich wie der einmal lebhaft vorstellen, daß manches Geheimnis in den Kar teikästen verborgen gewesen war. Parker mußte sich entschließen, das Apartment zu räumen. Nachbröckelndes Mauerwerk kündigte weitere Einstürze an. Die teuren, üppigen Teppiche hatten bereits Feuer gefangen und zün deten fleißig auch das Mobiliar im Wohnraum an. Parker ging zurück zu dem toten Mr. Flagstaff, um ihn draußen im Korridorgang zu bergen. Als er in der Diele stand, fiel sein
Blick auf eine modische Ledertasche, wie sie von Herren in leiten der Stellung bevorzugt wurden. Eine Reisetasche, die einen mit telgroßen Koffer durchaus ersetzen konnte. Parker schaltete augenblicklich. Er riß den Reißverschluß auf und warf einen Blick auf den Inhalt dieser dunkelbraunen Reisetasche. Einige zusammengekniffene Schnellhefter staken darin. Darüber und daneben lagen solide aussehende Geldscheinbündel. Parker riß die Tasche an sich und warf sie hinaus in den Korri dorgang. Anschließend kümmerte er sich um Mr. Flagstaff, den er wenig später im Korridor niederlegte. Endlich konnte Parker sich eine kleine Ruhepause gönnen. Von der Korridortür aus sah er hinein in das Wohnzimmer. Es brannte nun auch schon lichterloh. Der dunkle, fette Ölqualm quoll, wie von einem starken Gebläse getrieben, in den Korridor hinein. Ob Parker wollte oder nicht, er mußte sich weiter zurückziehen. Erleichtert nahm er zur Kenntnis, daß unten auf der Straße Feu erwehr und Polizei eingetroffen waren. Das auf- und abschwellen de Geräusch der Sirenen drang bis hinauf ins Haus. Es dauerte nur noch wenige Minuten, bis die ersten Männer der Löschpolizei oben vor dem Apartment eintrafen. Parker trat dis kret zur Seite und zog sich zurück. Er wollte nicht stören. Takt wurde bei ihm schon immer großgeschrieben. Sein Taktgefühl war derart groß, daß er sich plötzlich zu seiner Überraschung unten auf der Straße befand. Im Gegensatz zu den vielen Neugierigen, die sich neben den Fahrzeugen der Feuer löschpolizei bereits aufgebaut hatten, zog der Butler sich noch weiter zurück. Bis er nach dreißig Minuten zu seiner weiteren Überraschung in den Räumen der Dachgartenwohnung seines jungen Herrn war! * »Zum Teufel, Parker, warum sind Sie nicht am Tatort geblie ben?« fragte Anwalt Mike Rander, ein mittelgroßer schlanker Mann, Mitte der Dreißig. »Wir werden natürlich wieder einmal Ärger mit Lieutenant Madford bekommen.«
»Ich möchte fast sagen, Sir, daß ich außerordentlich verwirrt war«, gestand der Butler leicht verschämt. »Sie dürfen die plötzli che Explosion nicht übersehen.« »Sie und verwirrt…!« Mike Rander schmunzelte ironisch. »Kommen Sie mir doch nicht mit der Tour, Parker. Ihnen ging es mal wieder um den gewissen Vorsprung vor der Polizei! Na schön, was haben Sie ausgegraben? Warum wollte Flagstaff Sie so unbe dingt sprechen?« »Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich Ihnen meine Geschichte in wenigen treffenden Worten schildern«, begann Parker und blieb stocksteif schräg vor dem tiefen, bequemen Sessel stehen, in dem sein junger Herr Platz genommen hatte. »Wenn es geht, bitte noch kürzer«, meinte Anwalt Rander, der die sprichwörtliche, barocke Ausdrucksweise seines Butlers nur zu gut kannte. »Ich werde mich ehrlich bemühen, Sir«, erwiderte Josuah Par ker. »Vor nun genau anderthalb Stunden erreichte mich der Anruf des besagten Mr. Flagstaff. Er wünschte Sie dringend zu spre chen, Sir. Ich konnte damit leider nicht dienen, weil Sie sich ja in Detroit befanden. Nun, Mr. Flagstaff ließ sich nicht abweisen. Nach kurzem Nachdenken erklärte er sich bereit, mit meiner be scheidenen Wenigkeit vorlieb zu nehmen. Da mir Mr. Flagstaffs Person aus den einschlägigen Veröffentlichungen bekannt ist, erklärte ich mich selbstverständlich bereit, ihn sofort aufzusu chen.« »Flagstaff, Walt D. Flagstaff!« Mike Rander erhob sich und wan derte vor dem Schreibtisch auf und ab. »Bekannter Kolumnist… Gefürchtet wegen seiner spitzen Feder. Gehaßt wegen seiner Kri tiken und Indiskretionen. Bekannt als der Giftzwerg der Chikagoer Presse.« »Ein durchaus treffender Ausdruck, Sir«, pflichtete Parker sei nem jungen Herrn zu. »Dieser Mann muß Hunderte von Todfein den gehabt haben.« »Das kann man wohl sagen«, gab Rander zurück, »Ich möchte nicht wissen, wie viele Premieren, Produktionen und Karrieren er auf dem Gewissen hat. Ich weiß genau, daß er von den Künstlern gehaßt wurde. Sie brachten auch den Ausdruck Giftzwerg auf. Stimmt ja auch rundum. Flagstaff ist klein, mager, wirkt irgendwie verwachsen. Und er verspritzt sein Gift.«
»Ob sich hier nicht bereits der mutmaßliche Täterkreis abzeich net, Sir?« »Ausgeschlossen wäre das sicher nicht«, antwortete Mike Rander. »Aber passen diese beiden Gangster dann noch ins Bild? Sol che Killer kann man schließlich nicht bei der erstbesten Stellen vermittlung engagieren.« »Wohl kaum«, pflichtete Parker seinem jungen Herrn bei, »doch gibt es in unserer Stadt Dinge, die man nicht zu träumen wagt.« »Denken Sie an die Explosion«, gab Rander zurück. »Denken Sie an den Brand. So etwas deutet auf abgebrühte Profis hin, die aus einer anderen Ecke heraus gesteuert wurden. Würden Sie diese beiden Killer übrigens wiedererkennen?« »Ich bin mir dessen vollkommen sicher, Sir«, entgegnete der Butler. »Um auf die Vorfälle noch einmal zurückzukommen, Sir. Ich möchte Ihnen ein Manuskriptblatt zeigen, das ich in Mr. Flagstaffs Schreibmaschine fand. Es handelt sich offensichtlich um einen angefangenen Artikel, den, Mr. Flagstaff schreiben wollte.« Parker reichte seinem jungen Herrn das Manuskript. »Sie wissen natürlich, wie der Text lautet, oder?« erkundigte sich Mike Rander, seinen Butler ansehend. »In der Tat, Sir«, antwortete Josuah Parker. »Es handelt sich, wenn ich ihn richtig interpretiert habe, um den Beginn einer Ko lumne, die sich mit den Machenschaften eines gewissen Nacht klubbesitzers beschäftigen wollte.« »Eben! Und dieser Nachtklubbesitzer heißt Benny Ordens«, stellte Mike Rander fest. »Ordens ist ein ganz übler Gangster! Womit er sein Geld verdient, ist leider nicht bekannt. Bekannter schon sind seine Schläger.« »Überraschend, Sir, daß die beiden Gangster Steve und Dan diese so wichtige Manuskript übersahen«, warf der Butler würde voll ein. »Sie sagen es, Parker, Sie sagen es!« Mike Rander runzelte die Stirn. »Sieht fast nach Absicht aus, oder? Oder hatten die beiden Kerle keine Zeit mehr, dieses Blatt aus der Maschine zu reißen.« »Zeit war ausreichend vorhanden, wenn ich mir diese Bemer kung erlauben darf, Sir. Sie dürfen nicht vergessen, daß ich in einer wenig feinen Art und Weise zu Boden geschlagen wurde.« »Stimmt… Nach Ihrem Niederschlag wäre noch Zeit genug dazu gewesen. Na ja, vielleicht handelt es sich aber auch nur um einen glücklichen Zufall. Wir werden ja sehen.«
»Darf ich Ihrer Bemerkung entnehmen, Sir, daß Sie sich einver standen erklären, diesen Fall zu bearbeiten?« »Ja, natürlich! Immerhin brauchte Flagstaff ja unsere Hilfe! Hat er am Telefon wenigstens angedeutet, warum er mich und dann Sie zu sprechen wünschte?« »Die Unterhaltung war einseitig und äußerst knapp«, sagte Par ker, »ich möchte fast sagen, daß Mr. Flagstaff sehr kurz ange bunden war. Nicht aus einer gewissen Arroganz heraus, wie man vielleicht annehmen könnte, sondern aus einer tiefen Angst her aus. Er schien unter Zeitdruck gehandelt zu haben. Er bestand darauf, daß ich sofort zu ihm kam.« »Wir werden so oder so herausbekommen, warum er Hilfe brauchte«, sagte Mike Rander grimmig. Dann deutete er auf die Reisetasche, die Parker neben sich gestellt hatte. »Was ist mit der Tasche, Parker?« »Ich fand sie in Mr. Flagstaffs Diele. Sie enthält genau zwölftau send Dollar, Sir, und einige Akten.« »Akten, die Sie bestimmt schon flüchtig überflogen haben, o der?« Mike Rander schmunzelte. Schließlich kannte er seinen But ler. »Ich war tatsächlich so frei, Sir, diese Akten beziehen sich auf einen Prozeß, der vor vierzehn Jahren in Los Angeles gegen einen gewissen Met Hattings geführt wurde.« »Und was war mit diesem Met Hattings, Parker?« »Er war wegen einer betrügerischen Bankrotterklärung ange zeigt worden, Sir. Met Hattings wurde rechtskräftig zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, entzog sich aber dem Strafantritt durch Flucht, wie aus diesen Unterlagen hervorgeht.« »Handelt es sich um Gerichtsakten?« »Erstaunlicherweise ja, Sir! Originalakten, die offensichtlich ge stohlen wurden.« »Met Hattings! Wissen Sie mit dem Namen etwas anzufangen?« »Ich fürchte, ich muß Sie enttäuschen, Sir!« Parker schüttelte andeutungsweise, dennoch aber bedauernd den Kopf. »Ich habe mir bereits die Freiheit genommen, im Telefonbuch und im Bran chenverzeichnis nach diesem Namen Ausschau zu halten, obwohl mir klar war, daß ich auf diesen Namen wohl kaum stoßen wür de.«
»Eben, Parker, vergessen Sie nicht, daß dieser Met Hattings niemals seine Strafe angetreten hat. Er wird sich also hüten, un ter seinem Namen hier in der Stadt zu leben.« »Vielleicht wußte Mr. Flagstaff, unter welchem Namen Mr. Met Hattings jetzt lebt, Sir?« »Ob Flagstaff ein heimlicher Erpresser war?« deutete Mike Rander dann an. »Ich möchte mich auf keinen Fall festlegen«, erklärte Josuah Parker steif. »Die Möglichkeit dazu hätte der Kolumnist gewiß gehabt. Es hat sich in der Vergangenheit ja schon häufig gezeigt, daß er über Dinge orientiert war, die der Öffentlichlicht nicht be kannt waren.« »Ich werde mit Lieutenant Madford darüber sprechen«, ent schied der junge Anwalt. »Zudem braucht er das Manuskript und die Reisetasche samt Inhalt. So etwas dürfen wir auf keinen Fall unterschlagen.« »Ich ertaube mir, Sir, Ihnen beizupflichten«, erklärte Josuah Parker zu Mike Randers Erstaunen. Als Parker diesen Blick be merkte, fügte er gravitätisch hinzu: »Ich verstieß hoffentlich nicht gegen die gültigen Gesetze, Sir, als ich mir erlaubte, Fotokopien anzufertigen.« »Sie sind anschlagbar, Parker!« Mike Rander grinste wie ein großer Schuljunge. »Madford wird toben, daß wir erst jetzt mit diesen Unterlagen herausrücken, aber Sie waren ja, wie Sie er klärten, ungemein verwirrt, oder?« »In der Tat, Sir«, behauptete der Butler. »Die Explosion und der gleichzeitig ausbrechende Brand ließen mich die kalte Übersicht verlieren. Ich hoffe, Lieutenant Madford wird meiner bescheide nen Wenigkeit verzeihen.« »Er wird Tränen des Mitgefühls vergießen«, sagte Mike Rander ironisch. »Was haben Sie denn jetzt vor, Parker? Ich denke, wir sollten unsere Aktionen abstimmen.« »Wenn Sie erlauben, Sir, würde ich mich liebend gern einmal mit dem Nachtklubbesitzer Benny Ordens in Verbindung setzen.« »Sie wollen wieder mal provozieren, wie?« »Auf keinen Fall, Sir, ich beabsichtige nur, einen Kognak in den Räumen seines Nachtklubs zu trinken!« *
Es war etwa zweiundzwanzig Uhr, als Josuah Parker die Bar betrat. Sie unterschied sich in nichts von anderen Nachtlokalen. Hier war das obligate Halbdunkel, die vielen Nischen, leichtgeschürzte Kellnerinnen, die verteufelt an die Bunnies aus den Playboy-Klubs erinnerten, und da gab es die Frauen und Männer, die auf den ersten Blick hin höchstwahrscheinlich der Halb- und Unterwelt entstammten. Parker kümmerte sich nicht darum, daß man ihm amüsiert nachschaute. Er übersah souverän die erstaunten Blicke, die sei nem skurrilen Äußeren galten. Er trug zu den schwarzen Schuhen die schwarze Hose und den rabenschwarzen Zweireiher. Um den Eckkragen lag eine ebenfalls pechschwarze Krawatte. Hinzu ka men seine schwarze Melone und der riesige, altväterlich ausse hende Universal-Regenschirm. Parker begab sich würdevoll zum Manager des Nachtklubs, der leicht irritiert neben der langen Bartheke stand und Parker nicht aus den Augen ließ. Als erfahrener Mann des Nachtbetriebs wußte der Manager sofort, daß Parker irgendwie Unheil, zumindest aber Ärger mitbrachte. »Ich erlaube mir, Sie zu begrüßen«, sagte Parker, als er den Manager erreicht hatte. Er lüftete andeutungsweise seine schwar ze Melone. »Ich habe den dringenden Wunsch, Benny Ordens zu sprechen. Mein Name ist übrigens Parker… Josuah Parker!« »Sie… Sie sind Parker?« gab der aalglatte Manager überrascht zurück. Er gab damit zu verstehen, daß er den Namen des Butlers wenigstens schon einmal gehört hatte. »Hoffentlich enttäuscht Sie meine bescheidene Wenigkeit nicht zu sehr«, erwiderte Parker gemessen. »Vergessen Sie über dieses Erstaunen keineswegs’ meinen Wunsch, Mr. Ordens sprechen zu wollen.« »Was… was wollen Sie vom Chef?« fragte der Aalglatte. Mißtrauisch forschte er in Parkers Gesicht, doch irgendeine Re gung war nicht zu erkennen. »Es handelt sich um den Mordfall Flagstaff«, sagte Parker knapp. »Flagstaff…? Äh, keine Ahnung…! Wer soll denn das sein?« »Ich fürchte, daß sie jetzt erheblich untertreiben«, sagte Parker mit einem feinen Ton des Vorwurfs, »ein Mann wie Sie müßte Mr.
Flagstaff gekannt haben. Melden Sie mich jetzt bitte an! Meine Zeit ist beschränkt. Ich möchte die Polizei, die ich über gewisse Dinge zu informieren gedenke, nicht länger warten lassen.« Der Aalglatte hüstelte nervös. Dann drehte er sich auf dem Ab satz um und verschwand hinter einem Vorhang, der aus bunten Perlschnüren bestand. Es dauerte genau fünfundfünfzig Sekunden, bis der Aalglatte wieder erschien. »Kommen Sie«, sagte er zu Parker, »der Chef will Sie sprechen. Aber seien Sie verdammt vorsichtig, seine Laune ist mies…!« Parker überhörte diese vielleicht sogar gutgemeinte Warnung und folgte dem Manager in das Büro des schlechtgelaunten Mr. Ordens. Dieses Büro erinnerte nur sehr vage an einen Raum, in dem ge arbeitet wurde. Es gab dicke Teppiche, protzige Stilmöbel und fast so etwas wie eine zweite Bartheke. Hinter einem fast leeren Schreibtisch stand Mr. Benny Ordens. Er mochte knapp fünfzig Jahre alt sein, war mittelgroß und ver fügte über eine veritable Glatze. Sein gerötetes Gesicht erinnerte an das einer leicht gereizten Bulldogge. »Was wollen Sie?« bellte er auch dementsprechend. Langsam, fast drohend kam er um den Schreibtisch herum. »Stehlen Sie nicht meine Zeit! Los, packen Sie schon aus!« »Ich möchte vorausschicken, daß ich Ihren ungehörigen Ton, der auf eine mehr als schlechte Kinderstube hindeutet, bewußt überhöre«, sagte Josuah Parker. »Im übrigen sollten Sie einen Blick auf dieses leider unvollendete Manuskript werfen, das der Schreibmaschine eines gewissen Mr. Walt D. Flagstaff ent stammt.« Der Aalglatte erstarrte. In diesem Ton hatte noch nie ein Mensch mit seinem Chef gesprochen. Er zog unwillkürlich den Kopf ein und registrierte beiläufig, daß sich auf seiner Stirn eine Anhäufung von kleinen Schweißperlen sammelte. Benny Ordens’ kräftiger Unterkiefer fiel herunter. Er starrte den Butler entgeistert an. Dann riß er ihm das Manuskriptblatt jäh aus der Hand. Er las, räusperte sich und überlas den Text erneut. Dann hob er den Kopf und schob seinen kräftigen Unterkiefer andeutungsweise vor.
»Woher wissen Sie, daß dieser Text von Flagstaff stammt?« fragte er dann knapp. Dann tippte er mit dem Handrücken ärger lich auf das Blatt und fügte hinzu: »Und wo ist die Fortsetzung? Das hier ist doch nur so was wie ‘ne Einleitung.« »Ich möchte mir erlauben, Sie zu dieser Erkenntnis zu beglück wünschen«, gab der Butler höflich zurück. »Wo ist die Fortsetzung?« wiederholte Ordens. »Hier in dem Geschmiere wird von Gangsterstücken und üblen Machenschaften gesprochen, die ich begangen haben soll. Aber Daten und Fakten sind nicht genannt.« »Sie müssen sich meiner bescheidenen Ansicht nach auf dem zweiten Blatt des Manuskriptes befinden, Mr. Ordens.« »Halten Sie mich für verrückt?« brauste Ordens gereizt auf. »Natürlich müssen Sie auf dem nächsten Blatt stehen. Aber wo ist das Ding?« »Ich fürchte… ich fürchte in der Tat«, Parker klopfte seine Ta schen gekonnt ab und wirkte einen Moment lang irritiert, »ich fürchte, ich habe das zweite Blatt und auch die nachfolgenden Blätter vergessen. Mit anderen Worten: ich dürfte sie in meinen Räumen zurückgelassen haben. Sie ahnen nicht, wie sehr ich es bedaure, Ihnen mit der Fortsetzung nicht dienen zu können.« »Scheren Sie sich raus, Seidon«, herrschte Ordens seinen Ma nager an. »Ich habe mit Parker zu reden!« Seidon schien den Ton, in dem sein Chef mit ihm redete, ge wohnt zu sein. Eilfertig setzte er sich ab und schloß leise die Tür hinter sich. Ordens lehnte sich mit dem breiten Rücken gegen die Wand und sah den Butler aus zusammengekniffenen Augen ab schätzend an. »Los, lassen Sie die Katze endlich aus dem Sack«, meinte er dann, »Sie sind doch nicht als Menschenfreund zu mir gekom men, oder?« »Keineswegs, Mr. Ordens.« »Sie wollen mir doch das Manuskript verkaufen, wie?« »Das haben Sie gesagt, wie ich ausdrücklich festhalten möchte. Mir geht es nur darum, Ihnen von der Existenz eines solchen Ma nuskriptes zu berichten.« »Warum, wenn Sie angeblich kein Geld wollen?« »Mr. Walt D. Flagstaff ist ermordet worden«, sagte Parker. »Er wurde offensichtlich erstochen, wenn meine Augen mich nicht
getrogen haben. Er wurde also in dem Augenblick ermordet, als er eine Kolumne über Sie schreiben wollte.« »Na und? Muß ich deshalb gleich der Mörder sein? Dieser ver dammte Giftzwerg hatte doch überall Feinde.« »Man kann einen Mord auch kommandieren, Mr. Ordens. Mir ist hinlänglich bekannt, daß Sie über, sagen wir, Mitarbeiter verfü gen, die sich vor einem Mord keineswegs genieren.« »Das müssen Sie erst mal beweisen, Parker! Hören Sie, ich weiß genau, daß Sie sich für ‘nen verdammt großen Kriminalisten hal ten, aber bei mir beißen Sie auf Granit, klar?« »Ich erlaube mir, Ihren Hinweis zur Kenntnis zu nehmen«, ent gegnete der Butler in seiner würdevollen, höflichen Art. »Sie ha ben also nichts dagegen, daß ich der Polizei das bewußte Manu skriptblatt übergebe?« »Dagegen hab’ ich aber ‘eine Menge«, antwortete Ordens und grinste plötzlich tückisch. Er sah an Parker vorbei hinüber zur Tür. Und genau in diesem Augenblick wußte Parker, daß Ordens den Köder am Angelhaken keineswegs verschmäht hatte. Ohne ein Hellseher zu sein, wußte Parker, daß hinter ihm an der Tür zumindest zwei Männer jener Sorte standen, die man ge meinhin in einschlägigen Kreisen Gorillas nennt! * Er hatte sich selbstverständlich nicht getäuscht. Langsam, gelassen und ganz Herr der Situation wandte Parker sich um und nickte den beiden Kleiderschränken aus Muskeln höf lich zu. »Damit wir uns nicht mißverstehen, Parker«, sagte Ordens. »Ihnen wird kein Haar gekrümmt, wenn Sie die Manuskriptseite von Flagstaff rausrücken. Ich will nur keinen Ärger mit der Poli zei.« »Darf ich das Erscheinen dieser beiden Männer dahingehend auslegen, daß Sie mich zwingen wollen, die übrigen Manuskript blätter auszuliefern?« Parker verschwieg selbstverständlich, daß es diese Blätter nicht gab. »Genau, Parker… Machen Sie also keine Schwierigkeiten! Lem my und Harry werden mit Ihnen in die Wohnung fahren. Rücken Sie die Blätter raus und schon ist alles in bester Butter!«
»Ich fürchte, ich werde mich Ihren zwingenden Argumenten beugen müssen«, erklärte Parker, »ich möchte aber betonen und darauf hinweisen, daß ich nur dem rohen Zwang folge und kei neswegs dem eigenen Triebe.« »Wem Sie folgen, Parker, ist mir völlig schnurz«, erwiderte Or dens und grinste. »Hauptsache, Sie machen keinen Ärger. Und bekommen auch keinen. In Ihrem eigenen Interesse!« Fünf Minuten später saßen Lemmy, Harry und Josuah Parker im hochbeinigen Monstrum des Butlers und rollten hinüber zum Lin coln-Park, wo sich die komfortable Dachgartenwohnung Mike Randers befand. Josuah Parker hatte das Steuer übernommen. Sowohl Lemmy als auch Harry hatten nur irritiert den Kopf ge schüttelt, nachdem sie einen Blick auf das Instrumentenbrett des Wagens geworfen hatten. Die an sich schon sehr komplizierte Ausstattung des Cockpits eines Düsenjägers war spartanisch einfach gegen die Unzahl von kleinen Knöpfchen und blinkenden Hebelchen, die in Parkers Wa gen eingebaut waren. Parker, ein Bastler aus Leidenschaft, hatte eine Unzahl von kleinen und großen Überraschungen in seinem Wagen eingebaut. Er liebte es, so etwas wie Klavier auf dieser Tastatur zu spielen. Lemmy und Harry hielten die Fahrt für einen guten Witz. Gut, sie hatten selbstverständlich schon von Parker gehört, doch jetzt, nachdem sie ihn gesehen hatten, hielten sie alles für maßlose Übertreibung. Dieser so altmodisch gekleidete Mann undefinierba ren Alters konnte doch keine echte Gefahr darstellen! Das war ausgeschlossen! Parker war in ihren Augen froh, wenn man ihm nichts at… Josuah Parker saß stocksteif hinter dem großen Steuerrad und steuerte seinen Wagen durch die nächtlichen Straßen des Loop. Es beeindruckte ihn überhaupt nicht, daß Lemmy und Harry groß kalibrige Handfeuerwaffen zur Schau trugen. Situationen dieser Art waren ihm schließlich nicht fremd. Ihm ging es nur darum, diese beiden Kleiderschränke irgendwo zum Aussteigen zu veranlassen. In Mike Randers Wohnung waren schließlich keine weiteren Manuskriptblätter zu finden. Zudem scheute er vor einer Auseinandersetzung oben in den Räumen des Penthouse zurück. Schlug man sich dort mit Gaunern und Gangstern herum, blieb immer zusätzliche Arbeit zurück.
»Wie ist’s denn mit ‘nem Radio?« fragte Lemmy lässig. Er saß neben dem Butler und deutete auf das eingebaute Radio. »Bevorzugen Sie eine bestimmte Station?« erkundigte sich der Butler höflich. »Schalt’ mal ‘n paar flotte Reißer ein«, sagte Lemmy. Trotz sei ner Lässigkeit war er natürlich nicht leichtsinnig. Der Lauf der Waffe war selbstverständlich auf den Butler gerichtet. Parker löste seine rechte Hand vom Steuerrad und drückte auf einen der Stationsknöpfe. Eine durchaus unverfängliche Bewegung, die keine Bedenken auslösen konnte. Doch dann passierte es. Parker hatte den Schaltknopf noch nicht ganz eingedrückt, als Lemmy erstickt und verzweifelt aufkickste. Wie von einem Sprengsatz getrieben zischte er von seinem Sitz hoch und hatte das Pech, mit seinem Kopf gegen die Dachbespannung zu stoßen. Diese Reaktion war durchaus verständlich, denn Parker hatte durch den Schaltknopf nichts anderes als eine ansehnliche Nadel ausgelöst, die im Beifahrersitz eingebaut war. Diese Nadel hatte sich nun in das Gesäß des Gorillas hineingetrieben und verursach te verständlicherweise einen nicht zu unterdrückenden Schmerz. Als der völlig verdutzte Lemmy wieder zurück auf den Sitz plumpste, vermißte er die Waffe in der Hand. Parker war so frei gewesen, sie ihm wegzunehmen. Er richtete sie auf Lemmy. »Bleiben Sie vollkommen ruhig«, bat er. »Wir wollen uns doch nicht unnötig echauffieren…!« Lemmy kochte vor Wut. Seine linke Gesäßbacke schmerzte höl lisch. Durch die Trennglasscheibe, die den Fond des Wagens von den Vordersitzen trennte, konnte er Harry sehen. Harry lag wie hingegossen in den weichen Polstern und schnarchte offensichtlich. Er war eingeschlafen. Schlaff lag die Hand auf dem Polster. Und unerreichbar für ihn befand sich darin die zweite Waffe. »Sie sollten Mr. Harrys Tiefschlaf entschuldigen«, sagte Josuah Parker höflich. »Wer schläft, so heißt es ja wohl, sündigt nicht! Ihr Partner Harry wird bald wieder erwachen!« »Was war das für ‘ne verdammte Teufelei?« fauchte Lemmy den Butler an. Er rieb unbewußt seine Kehrseite. Ausdauernd und verbissen.
»Sie werden ihn später danach ausgiebig befragen können«, antwortete der Butler. »Auch Sie sollten meiner bescheidenen Ansicht nach nun ein kleines Schläfchen einlegen. Sie müssen doch ausgesprochen müde sein, nicht wahr?« Wie auf ein Stichwort hin gähnte Lemmy. Er spürte die lähmende Müdigkeit, die sich in ihm ausbreitete. Er gähnte erneut und hatte das Gefühl, seine Lider seien mit Blei beschwert. Er brachte schon nicht mehr die Energie auf, sich ge gen den Schlaf zu wehren. Wie ein Kleinkind kuschelte er sich auf dem Nebensitz zurecht und fiel nach einem weiteren Gähnen in den tiefen, dunklen Schlaf eines Tiefschlafs. Parker wunderte auch das nicht. Harry war durch ein Schlafgas im Fond des Wagens außer Ge fecht gesetzt worden. Dieses ungefährliche Gas hatte er durch einen Fußdruck in den Fond einströmen lassen. Lemmy hingegen war durch die Nadel eingeschläfert worden. Ihre Spitze war prä pariert und schaltete ebenfalls jeden Widerstand aus. Zufrieden, fast wohlwollend väterlich, schaute Parker auf den schlafenden Lemmy, der gerade wohlig aufstöhnte. Dann aber widmete sich der Butler wieder der Fahrbahn und überlegte, wo er die beiden Gangster wohl am besten deponieren konnte. Ihm ging es darum, sie für einige Zeit aus dem Verkehr ziehen zu lassen. Und wer besorgte so etwas besser als die Polizei? Par ker, um Ideen nie verlegen, entschloß sich zu einer kleinen Aus fahrt. Nach dem Tiefschlaf wollte er den beiden Kleiderschränken aus Muskeln nun auch noch die verborgenen Schönheiten des Michigan See vermitteln! * »Meiner bescheidenen Ansicht nach, Sir, kommt Mr. Benny Or dens wohl kaum als jener Mann in Betracht, der die Ermordung Mr. Flagstaffs anordnete.« Josuah Parker befand sich wieder in der Dachgartenwohnung und berichtete seinem jungen Herrn von seiner Unterhaltung mit dem Nachtklubbesitzer. »Eben«, gab Mike Rander zurück. »Das Manuskript in der Schreibmaschine war zu eindeutig gegen Ordens gerichtet. Das
riecht nach Absicht. Irgend jemand will Ordens eine böse Suppe einbrocken.« »Ist auch Lieutenant Madford dieser Ansicht, Sir?« »Natürlich… Madford würde Ordens zwar liebend gern hinter Schloß und Riegel bringen, doch mit dem, was Sie aus Flagstaffs Wohnung mitbrachten, ist nichts zu erreichen. Es handelt sich ja schließlich nur um die Einleitung zu einem Artikel über Ordens’ Machenschaften.« »Wovon Mr. Ordens erfreulicherweise nichts weiß«, erwiderte Josuah Parker, »ich habe mir erlaubt ihm einzusuggerieren, daß ich im Besitz des restlichen Manuskriptes bin.« »Typisch für Sie, Parker… Das wird natürlich Ärger geben.« »Ich möchte es hoffen, Sir. Sagten Sie und Lieutenant Madford nicht, daß Ordens so schnell wie möglich hinter Schloß und Riegel gebracht werden müsse?« »Nehmen Sie Ordens nur nicht auf die leichte Schulter«, warnte Anwalt Mike Rander, »dieser Gangster ist mit allen Wassern ge waschen. Madford kann schließlich ein Lied davon singen. Er zer bricht sich übrigens den Kopf, wer dieser Met Hattings sein könn te.« »Hat Lieutenant Madford sich bereits eine Theorie gebildet, Sir?« »Er ist unserer Ansicht, Parker. Met Hattings wird jetzt hier in Chikago unter einem anderen Namen leben. Vielleicht handelt es sich um einen bekannten Mann der Gesellschaft, wer weiß! Mad ford hat von seinen Kollegen in Los Angeles Bilder angefordert. Aber versprechen wir uns nicht zuviel davon. Met Hattings wurde immerhin vor vierzehn Jahren verurteilt. Das ist eine lange Zeit. Und ich glaube, daß Met Hattings sein Äußeres inzwischen gründ lich verwandelt hat.« »Woher mag Mr. Flagstaff diese Gerichtsakten bekommen ha ben?« Parker füllte das Glas seines jungen Herrn, um sich dann wieder stocksteif aufzubauen. »Wer könnte diese Gerichtsakten in Los Angeles gestohlen haben? Und wann wurden sie gestohlen? Ich fürchte, Sir, daß hier noch manches zu knacken sein wird, was man gemeinhin eine schwierige Nuß nennt.« »Madford hat die Untersuchung darüber bereits eingeleitet und seinen Kollegen in Los Angeles entsprechend informiert. Es wird aber einige Tage dauern, bis er Nachricht aus Los Angeles erhält. Aber auch in diesem Zusammenhang die Frage, Parker: Warum
ließen die beiden Gangster Steve und Dan diese Tasche in der Diele stehen?« »Ich vermag diese Frage noch nicht einmal andeutungsweise zu beantworten, Sir«, gab der Butler würdevoll zurück. »Ich möchte mich allen Spekulationen enthalten.« »Ich weiß, Sie wollen lieber aktiv bleiben, Parker. Ich aber auch! Und ich weiß bereits, wo ich den Hebel ansetzen kann.« »Sir, ich möchte auf keinen Fall neugierig sein«, schickte der Butler voraus, »aber dürfte ich aus Interesse an der Sache erfah ren, welchen Hebel Sie zu belieben meinen?« »Ich sage nur Helen Carday!« »Ich muß gestehen, Sir, daß dieser Name meiner bescheidenen Wenigkeit kaum etwas sagt.« »Helen Carday ist die Freundin von Flagstaff gewesen. Sie war so gut wie verlobt mit ihm! Sie hat sich bereits bei Lieutenant Madford gemeldet, weiß angeblich aber von nichts.« »Hatten Sie bereits den Vorzug, Sir, mit jener bewußten Dame sprechen zu können?« »Ich bin für morgen mit ihr verabredet. Möglich, daß ich dann mehr erfahre als die Polizei. Schließlich hat Flagstaff ja mit mir sprechen wollen. Und was werden Sie unternehmen, Parker?« »Ich möchte Mr. Ordens einen weiteren Besuch abstatten, Sir. Er wartet ja schließlich auf Manuskriptblätter, die ich leider nicht besitze.« »Passen Sie auf sich auf, Parker! Sie wissen, die Schläger von Ordens sind berüchtigt.« Mike Rander stutzte und fügte dann hin zu: »Sagen Sie, Parker, was ist eigentlich aus Lemmy und Harry geworden? Davon haben Sie ja noch gar nicht gesprochen.« »Ich möchte doch sehr hoffen, Sir, daß sie sich einigermaßen wohl fühlen«, gab der Butler treuherzig zurück, »ich darf Ihnen versichern, daß ich mir einige Mühe gab, sie gut unterzubringen!« * Lemmy und Harry fühlten sich in der Tat ausgezeichnet. Sie erwachten am Morgen, gähnten herzhaft und rieben sich die Augen. Seit langer Zeit hatten sie nicht so gut geschlafen wie in der vergangenen Nacht. Parkers Schlafmittel hatte auf der gan zen Linie gewirkt.
Lemmy richtete sich auf und studierte seine nähere Umgebung. Er brauchte einige Zeit, bis er sich leicht erinnerte. Seine Augen maßen die grob gehobelten Bretter des Verschlages, in dem sie sich befanden. Er und sein Partner lagen in einem mittelgroßen Heuhaufen. Seitlich und hinter ihnen war Brennholz gestapelt. Es roch nach Landwirtschaft und nach frischer Landluft. »Verdammt, wohin hat dieser verdammte Parker uns nur ge schleppt?« meinte Harry, der aufzustehen versuchte. Er merkte, daß ihm der Schlaf und eine gewisse Müdigkeit noch in den Glie dern steckte. »Wenn ich den zu fassen bekomme, ist er reif«, versprach Lemmy und rieb sich die schweren Augen. Dann, als sei er von einer besonders angriffslustigen Mücke gestochen worden, richte te er sich vollends auf und schaute an sich herunter. »Was ist?« fragte Lemmy, der sich gerade entschlossen hatte, noch eine Mütze voll Schlaf zu nehmen. »Mensch, dieser verdammte Butler hat uns bis aufs Hemd aus gezogen«, schimpfte Harry wütend los. »Ich wußte doch, daß er uns noch ‘nen Streich gespielt hat.« »Wenn schon«, gab Lemmy gelassen zurück, »Klamotten sind doch leicht zu beschaffen. Diese Trottel hier auf dem Land legen wir doch jederzeit aufs Kreuz!« Die beiden Schläger des Mr. Benny Ordens standen nun auf und grinsten sich gegenseitig spöttisch und belustigt an, als sie sich mit Blicken maßen. Sie sahen aber auch zu komisch aus. In ihren kurzen Hemden wirkten sie wie übergroße Säuglinge. Störend waren nur die mehr oder weniger krummen Beine, die über und über dicht behaart waren. Lemmy trat an die Bretterwand des Verschlages und schaute nach draußen. Er sah einen großen Hof, in dessen Mitte sich ein Brunnen befand. Die Gebäude, die diesen Hof einschlossen, wa ren zweistöckig und mit durchlaufenden Galerien versehen. »Scheint kein Mensch da zu sein«, stellte Harry fest, der neben seinen Partner getreten war und durch ein zweites Astloch nach draußen blickte. »Bestens«, sagte Lemmy, »los, Harry, schnappen wir uns ein paar Klamotten und fahren wir zu Ordens zurück!«
»Der wird Augen machen, wenn wir ohne die Papiere aufkreu zen«, sagte Harry nachdenklich. »Wenn schon… Wer ahnte denn, wie gemein dieser Parker sein kann. Dem werd’ ich was erzählen! Darauf freu’ ich mich schon jetzt. Den Hals werd’ ich diesem schwarzen Raben umdrehen!« Arglos schoben Lemmy und Harry sich aus dem Bretterschup pen. In der geöffneten Tür blieben sie einen kurzen Moment ste hen. Sie kamen sich plötzlich gar nicht mehr so komisch vor in ihren kurzen Hemden. Obwohl Gangster bis auf die Haut, genier ten sie sich etwas. Dazu kam ein Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins, ein Gefühl, das sie bisher noch nicht kennenge lernt hatten. »Nun mach’ schon«, knurrte Harry seinen Partner an, »wie lan ge wollen wir hier stehenbleiben, he?« »‘rüber ins Haus«, kommandierte Lemmy, »in ein paar Minuten ist alles gelaufen…!« Lemmy und Harry machten sich auf den Weg. Sie huschten wie verschämte Ratten quer über den Innenhof und strebten dem Hauptbau zu, der tatsächlich einen unbewohnten Eindruck mach te. Unterwegs sahen sie sich schnell und verstohlen nach allen Seiten um. »Moment mal!« Lemmy blieb plötzlich wie angewurzelt stehen und schob den Kopf lauschend vor. »Was ist denn?« wurde Harry nervös. »Hörst du denn nichts?« fragte Lemmy leise. »Ne… doch ja, jetzt… hört sich wie singen an. Ist aber jetzt weg, oder…?« »Da ist gesungen worden«, sagte Lemmy nachdrücklich, »und wenn du mich fragst, hat nicht nur einer gesungen, sondern ‘ne ganze Masse!« »Wer denn wohl?« »Keine Ahnung, hörte sich wie Frauenstimmen an!« Harry wollte eine Frage stellen, doch dazu kam es nicht mehr. Innerhalb weniger Sekunden wechselte die Szenerie. Eine Doppeltür im Erdgeschoß des Haupthauses öffnete sich. Und aus dieser Doppeltür strömten etwa dreißig ältere Damen, alle im Alter zwischen sechzig und siebzig Jahren. Diese Damen waren im Gegensatz zu Lemmy und Harry äußerst sittsam gekleidet. Nicht nur sittsam, sondern dazu auch noch sehr konservativ. Sie trugen lange Röcke, Spitzenblusen und hat
ten Frisuren, die vor dreißig Jahren vielleicht einmal modern ge wesen sein mochten. Diese Damen konnten Lemmy und Harry nicht übersehen. Schließlich standen die beiden Gangster in der Mitte des Innenho fes, fast neben dem Brunnen. Und im Gegensatz zu den Damen wirkten die beiden Schläger in ihrer mehr als leichten Bekleidung völlig deplaciert. Die Damen empfanden das auch. Sie blieben unter der Arkade stehen, faßten Lemmy und Harry fest ins Auge. Lemmy und Harry schwitzten sofort Blut und Wasser. Mit dieser Konfrontation hatten sie auf keinen Fall gerechnet. Schon gar nicht mit dem massierten Auftreten angejahrter Da men. Vorsichtig zogen sie sich zurück. Lemmy und Harry, die selbst verständlich noch ihre Unterhosen trugen, kamen sich plötzlich pudelnackt vor. Sie zerrten an den Säumen ihrer Hemden herum und wären am liebsten in das nächstbeste Mauseloch gekrochen. Die Damen unter der Arkade waren sich völlig einig darin, em pört zu sein. Sie fühlten sich schon wegen der behaarten Beine in ihrem Schamgefühl verletzt. Sie verständigten sich mit wenigen Worten. Und Sekunden später brach der Sturm los, den Lemmy und Harry niemals wieder vergaßen. Sie stürmten überraschend schnell auf Lemmy und Harry los. Sie versorgten sich im Vorbeigehen mit handlichen Prügeln, die als Anmachholz neben einem Pfeiler der Arkade aufgestapelt wa ren. Dann begann die Treibjagd auf die beiden Schläger. Mit wehenden Röcken preschten die älteren Amazonen los und kesselten Lemmy und Harry ein. Das war nur eine Frage von we nigen Sekunden. Anschließend wurde den beiden Gangstern eine derartige Abreibung verpaßt, daß sie schließlich völlig ausge pumpt und angeschlagen im Holzschuppen lagen. Schluchzend vor Wut, Schmerz und Ärger krochen sie tief ins Heu. Zitternd lauschten sie dem empörten Geschnatter der alten Damen, die den Holzschuppen eingekreist hatten und berieten, was man mit den beiden Männern zusätzlich noch alles tun könn te.
Die beiden stämmigen Schläger Lemmy und Harry dachten nicht im Traum an einen Ausbruch. Sie waren froh, daß man ihnen eine kleine Atempause gönnte. Derartige schlagkräftige Damen waren ihnen noch nie über den Weg gelaufen. Sie verstanden die Welt nicht mehr. Sie, brutale, harte Schläger und Gangster, die sich bereits einen negativen Ruf verschafft hatten, waren von angejahrten Damen völlig überspielt worden…! * Parker servierte seinem jungen Herrn gerade das Frühstück, als es läutete. Der Butler entschuldigte sich formvollendet bei Mike Rander, verließ den Salon der überaus weiträumigen Dachgartenwohnung und ging hinaus in die Diele. Hier öffnete er einen unscheinbar aussehenden Wandschrank, in dem ein Fernseh-Monitor eingebaut war. Er schaltete das Gerät ein. Gleichzeitig damit setzte er eine halbe Etage tiefer im Trep penhaus eine versteckt angebrachte Fernsehkamera in Betrieb. Diese Kamera überschaute den viereckigen Lichthof, in dem der Expreßlift des Bürohochhauses endete. Sie kontrollierte vor allen Dingen die schmale Treppe, die hinauf zur Tür des Dachgartens führte. Fremden war es unmöglich, ungesehen und ungehört über diese Treppe zur Tür zu gelangen. Es gab besondere Sicherun gen, die der Butler dort eingebaut hatte. Sie meldeten jeden un gebetenen Besuch sofort. Die Tatsache, daß diesmal nur regulär geläutet worden war, deutete schon darauf hin, daß ein Bekannter eingelassen zu wer den wünschte. Eingeweihte und Freunde des Hauses blieben stets am Fuß der Treppe stehen und kündeten ihr Kommen bereits von dort aus an. Auf dem Bildschirm des Monitors erkannte der Butler Lieutenant Madford, einen untersetzten, drahtigen Mann von etwa vierzig Jahren. Madford war wie stets außerordentlich elegant gekleidet. »Machen Sie schon auf«, sagte er mit leicht ärgerlichem Unter ton in der Stimme, »ich weiß, daß Mr. Rander und Sie zu Hause sind!«
Seine Stimme wurde über ein verstecktes Mikrophon in die Dachgartenwohnung geleitet. »Die Tür ist bereits geöffnet, Sir«, sagte Parker und drückte auf einen Knopf, der ebenfalls im Wandschrank angebracht war. »Ich werde mir erlauben, Sie auf dem Dachgarten zu empfangen.« »Lassen Sie sich lieber was einfallen«, gab Madford gereizt zu rück, »gegen Sie liegt eine Anzeige wegen Entführung und Kör perverletzung vor, Parker! Wieder einmal! Na, darüber werden wir uns gleich ausgiebig unterhalten.« Wenige Minuten später stand Lieutenant Madford dem jungen Anwalt gegenüber. Madford und Mike Rander kannten sich sehr gut. Sie arbeiteten oft Hand in Hand. Ihr Umgangston war salopp, vielleicht etwas forsch. »Parker sollte gegen gewisse Gesetze verstoßen haben?« fragte Mike Rander ungläubig zurück, als Lieutenant Madford seine knappe Anklage wiederholt hatte. »Kann ich mir nicht vorstellen, Madford. Sie wissen doch, wie streng er sich an die Regeln hält.« »Es interessiert Sie wohl gar nicht, wer Anklage gegen Parker erhoben hat?« »Ich kenne die beiden Schläger bereits. Lemmy und Harry hie ßen sie wohl, oder?« »Eisen-Lemmy und Messer-Harry«, vervollständigte Madford und mußte plötzlich lachen. »Rander, Sie hätten diese beiden Gangster sehen sollen. Grün und blau am ganzen Leib. Nur noch zitternde Nervenbündel! Sie sind fürchterlich verprügelt worden!« »Ich… ich verstehe kein Wort«, sagte Mike Rander, »davon hat Parker mir aber nichts erzählt. Sollte er handgreiflich geworden sein? Das sähe ihm aber gar nicht ähnlich.« »Er hat keine Hand gerührt«, berichtete Madford lachend wei ter, »Parker hat diese beiden Schläger nur raffinierterweise bis aufs Hemd ausgezogen und in einem Damenstift für alte Mädchen zur Ruhe niedergelegt. Mehr brauche ich Ihnen wohl nicht zu er zählen!« »Wo stecken Eisen-Lemmy und Messer-Harry jetzt?« »In Untersuchungshaft natürlich. Die pensionierten Lehrerinnen haben die Polizei alarmiert und die beiden Gangster fertig ver packt an eine Polizeistreife weitergereicht. Daraufhin sind die bei den Schläger mit der Anzeige gegen Ihren Butler gekommen. Irgendwas mußten sie ja schließlich tun!« »Verständlich«, sagte Mike Rander vorsichtig.
»Verständlich, warum ich hier bin«, hakte Lieutenant Madford ein, »wieso hat Parker Ärger mit diesen Schlägern bekommen? War er bei Ordens? Ordens streitet das zwar ab, als ich eben bei ihm war, aber das besagt nichts! Welche Masche reitet Ihr Butler jetzt schon wieder? Diesmal rührt er nicht in meiner Suppe her um, darauf kann er Gift nehmen!« »Ich schlage vor, wir erkundigen uns bei Parker«, sagte der junge Anwalt. Er drückte auf einen Klingelknopf, der auf seinem Schreibtisch angebracht war, und wartete auf das Erscheinen sei nes Butlers. Doch Josuah Parker ließ sich nicht sehen. »Ich wette, Parker hat sich abgesetzt«, schimpfte Lieutenant Madford los. »Zum Henker, ich hätte ihn keinen Moment aus den Augen lassen dürfen.« »Man merkt leider meist zu spät, daß man einen Fehler began gen hat«, konnte Mike Rander darauf nur lakonisch antworten… * Parker befand sich um diese Zeit bereits in der Tiefgarage und machte sein hochbeiniges Monstrum flott. Er hatte die Absicht, Mr. Benny Ordens einen Morgenbesuch abzustatten. Ordens war bisher der einzige Anhaltspunkt für ihn. Nur Ordens konnte ihm sagen, wer ein Interesse daran hatte, belastendes Material in Flagstaffs Wohnung an exponierter Stelle zurückzulassen. Doch es kam wieder einmal alles anders. Parker wollte sich gerade an das Steuer seines Wagens setzen, als er plötzlich einen ungemein harten Gegenstand spürte, der ihm gegen die Wirbelsäule gepreßt wurde. Parker machte sich insgeheim Vorwürfe, daß er zu leichtsinnig gewesen war. Er hätte sich vergewissern müssen, ob auch hier unten in der Tiefgarage die Luft rein war. Nun, ändern ließ sich im Moment nichts. Jetzt kam es nur darauf an, keine Angst zu zei gen. »Darf ich höflichst fragen, was Sie von mir wollen?« erkundigte er sich also. »Bestehen Sie darauf, daß ich meine Arme hochhe be?«
Der Druck gegen die Wirbelsäule ließ nicht nach. Dennoch er schien ein Mann seitlich neben Parker. Und in diesem Moment wußte der Butler, mit wem er es zu tun hatte. Es handelte sich um das Duo Steve und Dan, um jene Gangster also, die ihn in Flagstaffs Wohnung überrascht hatten. Steve war nach wie vor teuer und gut gekleidet. Dan stand demnach also hinter ihm, jener Gangster, dessen grobgeschnittenes Gesicht das eines Filmschurken glatt in den Schatten gestellt hätte. »Arme hoch!« kommandierte Steve. Parker kam diesem Wunsch höflichst nach, zumal auch Steve eine schwere Automatik in der Hand hielt, die mit einem Schalldämpfer versehen war. Schnell und geschickt klopfte Steve den Butler nach Waffen ab. Er fand den vorsintflutlichen Colt Parkers, für die übrigen Utensi lien in den Taschen interessierte er sich leichtsinnigerweise nicht. Er wog den schweren Sechsschüsser des Butlers in der Hand und grinste ironisch. »Aus welchem Trödlerladen stammt denn das Ding?« meinte er dann. »Das ist ja nur noch als Hammer zu verwenden.« »Einsteigen«, kommandierte Dan, der hinter dem Butler stand, »setzen Sie sich ans Steuer und halten Sie sich genau an unsere Anweisungen! Wenn Sie Ärger machen, sind Sie geliefert!« »Sie können sich fest auf einen alten, müden und verbrauchten Mann verlassen«, gab der Butler würdevoll zurück, »ich möchte gleich vorausschicken, daß ich jeder Mißhelligkeit von vornherein aus dem Weg gehen möchte.« »Dann leben Sie länger«, erklärte Dan. Dann bugsierte er den Butler in das hochbeinige Monstrum hinein und nahm neben ihm Platz. Steve verschwand auf dem Rücksitz. Ihm gefiel die dicke Trennscheibe zwischen den Vordersitzen und dem Fond des Wa gens nicht. Doch er wußte nicht, was er gegen sie unternehmen sollte. Als er sie mit dem Griffstück seiner Automatik einschlagen wollte, rührte sie sich nicht. Sie bestand immerhin aus einem di cken Spezial-Panzerglas. »Wohin darf ich Sie fahren?« fragte Josuah Parker bei Dan an, der ihn nicht aus den Augen ließ. »Erst mal runter zum Loop, dann sehen wir weiter«, antwortete Dan und zündete sich eine Zigarette an. Sein Mißtrauen ließ et was nach, als er merkte, wie bedacht der Butler darauf war, sei nen weiteren Anordnungen zu folgen. Parker machte sich wäh rend der Fahrt keine unnötigen Sorgen. Ihm war klar, daß die
beiden Gangster Steve und Dan ihn schon in der Tiefgarage hät ten umbringen können. Dazu waren sie schließlich zu überra schend aufgetaucht. Allein die Tatsache, daß sie ihn zu dieser Ausfahrt eingeladen hatten, ließ darauf schließen, daß sie zumindest einige Informati onen aus ihm herausholen wollten. Parker verzichtete aus diesen Gründen auch darauf, auf den vielen Schaltern und Knöpfen des Armaturenbretts zu spielen. Gewiß, er ging damit ein Risiko ein. So lange er noch im Wagen saß, hatte er viele Möglichkeiten, die beiden Gangster auszuschal ten. Doch tat er das, dann wurde er seinerseits um wertvolle Hinweise gebracht. Die Fahrt nach den Loop endete nach fast fünfundvierzig Minu ten in der Nähe der Hafenbecken vor dem geschlossenen Tor zu einem Fabrikbetrieb. Parker orientierte sich kurz, aber umfas send. Seiner bescheidenen Ansicht nach wurde in dem dreistöcki gen, flachen Bau nicht mehr gearbeitet. Viele der kleinen, quad ratischen Fensterscheiben waren eingeworfen worden. Wohl das Werk besonders zielsicherer Jugendlicher. Steve stieg aus und öffnete das Tor. Dan nickte Parker zu. Der Butler legte den ersten Gang ein und ließ sein hochbeiniges Monstrum in den mittelgroßen Innenhof kriechen. Während der ganzen Fahrt hatte er alles getan, um die beiden Gangster hin sichtlich seines Privatwagens zu täuschen. Sie mußten nun mit Sicherheit annehmen, daß dieses hochbeinige Monstrum sich fast nach einem bequemen Schrottplatz sehnte. Parker mußte nach dem Aussteigen vorausgehen. Dan und Ste ve folgten ihm dicht auf den Fersen. Sie bugsierten ihn durch Zu rufe hinunter in den Keller der kleinen Fabrik. Ihre Schritte hallten in den großen, leeren Kellerräumen wider. Hier unten herrschte nur schwaches Licht, das durch Lichtschäch te einfiel. Es roch nach Feuchtigkeit, nach Moder und nach Unrat aller Art. Der Fußmarsch endete vor einer Tür, hinter der sich eine Art Garage befand. Dieser niedrige Raum war nackt und leer. »Machen wir’s kurz, Parker«, begann Dan, der wie in Flagstaffs Wohnung das Kommando führte, »was ist aus Flagstaffs Tasche geworden?«
»Sie wissen genau, was ich meine, Parker. Müssen wir Sie erst durch die Mangel drehen? Mein Partner wartet nur darauf, ein paarmal zulangen zu können.« Steve wartete wirklich darauf. Er hielt plötzlich eine biegsame, wippende Stahlrute in der Hand. Parker kannte die Gefährlichkeit dieser Waffe. Sie war, in der Hand eines routinierten Schlägers, ein Mordinstrument. »Oh, ich verstehe«, meinte der Butler gespielt hastig, »die Le dertasche aus Mr. Flagstaffs Wohnung meinen Sie sicher?« »Na klar doch! Los, wo steckt das verdammte Ding? Ist es schon bei der Polente?« »Aber keineswegs«, gab der Butler würdevoll zurück, »Sie dürf ten vielleicht nicht wissen, daß ich Amateurkriminalist bin. Solche Spuren pflege ich immer erst einmal für mich zu sichern.« Steve und Dan sahen sich schnell und belustigt an. Es war klar, daß sie von Parker nicht besonders viel hielten. »Und wo steckt die Tasche?« fragte Steve weiter. Er entspannte sich. Seine Wachsamkeit ließ nach. Auch Dan mit der wippenden Stahlrute in der Hand lockerte seine Wachsamkeit. »In der Gepäckaufbewahrung des Bahnhofs«, schwindelte Par ker überzeugend. »Sie müssen zugeben, daß dieses Versteck au ßerordentlich gut und geschickt gewählt worden ist.« »Einmalig!« spottete Steve, der den Butler für einen ausge machten Trottel hielt. »Auf diese Idee wäre kaum jemand ge kommen. Den Trick sollten Sie sich patentieren lassen.« »Erlauben Sie mir eine bescheidene Gegenfrage?« erkundigte sich der Butler. Er glich jetzt nur noch einem verbrauchten Mann, der die Übersicht verloren hat. »Was wollen Sie?« fragte Steve. »Warum vergaßen Ihr Herr Partner und Sie diese Tasche? Sie war in der Diele meiner bescheidenen Ansicht nach nicht zu über sehen. Ich stolperte förmlich über sie!« Steve und Dan sahen sich wieder an. Diesmal lag ein deutlicher Ärger in ihren Blicken. Es war unschwer zu erraten, daß sie sich wegen dieser Affäre bereits gegenseitig heftige Vorwürfe gemacht hatten. »Kein Kommentar«, meinte Steve dann kurz angebunden. »Rü cken Sie den Einlieferungsschein für die Ledertasche raus, Parker! Sie können von Glück sagen, daß Ihnen nicht mehr passiert ist.
Sobald wir den Schein haben, können Sie von uns aus abschwir ren.« »Mir brennt noch eine Zusatzfrage auf der Zunge«, kündigte der Butler an. »Mann, was wollen Sie noch alles wissen?« stöhnte Steve in komischer Verzweiflung auf. »Wer ist jener Mr. Hattings, dessen Strafakten ich in der Leder tasche fand? Und wer legte die Zeitbombe in Mr. Flagstaffs Ar beitszimmer?« »Kein Kommentar! Wer viel weiß, stirbt manchmal schnell, Par ker! Halten Sie sich in Zukunft aus dieser Geschichte heraus! So bald ich den Schein habe, können Sie abhauen!« Steve log natürlich. Er hatte keineswegs die Absicht, den Butler gehenzulassen. Mord lag in der Luft. Steve und Dan waren Killer reinsten Was sers. Die beiden Schläger Lemmy und Harry waren gegen diese Männer harmlose Playboys. »Ich möchte meiner ehrlichen Freude darüber Ausdruck verlei hen, daß man sich in allseitiger Zufriedenheit trennen wird«, sag te Parker und griff nach seiner unförmigen Zwiebeluhr, die in der Westentasche stak und an einer dicken, soliden Silberkette befes tigt war. »Noch eine letzte Frage… Haben Sie und Ihr Partner Mr. Flagstaff ermordet?« »No, wir kamen zu spät«, mischte Dan sich gehässig in die Un terhaltung ein, »für Flagstaff macht das aber keinen Unterschied, oder?« »Den Schein«, drängte Steve, »bringen wir’s hinter uns…!« »Hier, hinter dem Sprungdeckel meiner Erbuhr«, sagte Parker und drückte Steve die Zwiebeluhr vorsichtig in die Hand, »seien Sie bitte vorsichtig mit diesem guten Stück. Sie stellt für mich einen ungemein großen Wert dar…!« Steve ließ sich täuschen. Ahnungslos griff er nach der dicken Uhr und wog sie lächelnd in der Hand… * Sekunden später lächelte er schon nicht mehr.
Steve hatte die Uhr unterschätzt. Und damit selbstverständlich auch den Butler. Steve ließ den Sprungdeckel aufspringen. Dazu schob er den Fingernagel seines Daumens unter den Deckel, wie man es nor malerweise mit solchen Uhren zu tun pflegte. Parkers Zwiebeluhr reagierte aber anders. Sie verwandelte sich in Steves Hand in eine kleine Granate. Sie platzte zwar nicht auseinander und zerlegte sich auch nicht in ihre Einzelbestandteile, doch sie spuckte plötzlich aus feinsten Boh rungen und Schlitzen Feuer und beißenden Rauch. Steve war vor Schreck wie gelähmt. Zudem brannten die kleinen Flammenzungen in seiner Hand. Er brüllte überrascht und vor Schmerz auf und ließ die Zwiebeluhr wie eine überheiße Kartoffel fallen. Sie landete unmittelbar vor Dans Füßen und versengte ihm die Socken. Aufgeschreckt und fluchend sprang Dan zur Seite. Er achtete für einen kurzen Moment nicht mehr auf den Butler, der plötzlich seinen Universal-Regenschirm wie einen Golfschläger handhabte und durch die Luft zischen ließ. Dans Automatik landete scheppernd auf dem Boden. Parker kickte sie mit der Schuhspitze in eine Ecke der Garage und ließ seinen improvisierten Golfschläger gleich auf Steves Hand weiter sausen. Auch hier stellte sich ein durchschlagender Erfolg ein. Steve verlor die wippende Stahlrute und Bruchteile von Sekun den später auch sein Interesse an Parker. Verständlich, denn der bleigefüllte Bambusgriff des Universal-Regenschirms legte sich fast sanft, auf jeden Fall aber ohne Brutalität auf seinen Hinter kopf und schläferte ihn prompt ein. Dan starrte den Butler haßerfüllt an. Er hatte endlich begriffen. Er sah mit einiger Verspätung ein, wie gefährlich und unergründlich Parker als Gegner sein konnte. »Sie müssen mir glauben, daß mir diese Aktionen äußerst zuwi der sind«, entschuldigte sich Josuah Parker. »Viel lieber hätte ich mich mit Ihnen in aller Ruhe unterhalten.« »Zum Teufel mit Ihnen«, schimpfte Dan. Er kochte vor Wut, doch er hielt sich zurück. Vielleicht wartete er nur darauf, den Butler blitzschnell überrumpeln zu können. »Wir sprechen uns noch, Parker, darauf können Sie Gift nehmen.«
»Ich muß wieder einmal feststellen, wie beschränkt doch die Wortzahl gewisser Menschen ist«, sagte Parker fast vorwurfsvoll. »Es muß wohl an der Branche liegen, in der Sie arbeiten…! Dro hungen, nichts als Drohungen!« »Warten Sie’s ab«, warnte Dan. Dann, ohne jede Vorwarnung, hechtete er sich auf den Butler, der entspannt, aber dennoch würdevoll vor ihm stand. Nun, Parker trat nur einen Schritt zur Seite. Dan zischte wie ein Energiebündel dicht an ihm vorbei und… prallte gegen die Wand. Er stöhnte und rutschte dann fast im Zeitlupentempo an ihr herunter, bis er regungslos am Boden lag. Er schien sich so etwas wie eine mittelschwere Gehirnerschütterung zugezogen zu haben. Josuah Parker nutzte die Ohnmacht der beiden Gangster, sich zuerst einmal wieder in Besitz seines Colts zu bringen. Anschlie ßend durchsuchte er die Taschen der beiden Gangster und steck te ein, was ihm interessant erschien. Er schaute auf Dan und Steve hinunter. Er glaubte ihnen aufs Wort, daß sie Flagstaff nicht umgebracht hatten. Nicht etwa, weil sie es abgestritten hatten. Welcher Gangster hätte schon einen Mord zugegeben. Nein, Parker erin nerte sich noch sehr genau der Szene in Flagstaffs Wohnung. Dan und Steve mochten wohl den Auftrag gehabt haben, Flagstaff zu ermorden, doch ein anderer Mörder mußte ihnen zu vorgekommen sein. Dan und Steve waren von ihm überrascht worden. Und sie mußten die Zeitzünderbombe in Flagstaffs Ar beitszimmer angebracht haben, sonst wären sie bestimmt nicht so schnell gegangen. Sie wüßten, daß eine schreckliche Explosion auf sie wartete. Nur so war es auch zu erklären, daß sie die bewußte Lederta sche vergessen hatten, jene Ledertasche, in der sich die Ge richtsakten eines gewissen Met Hattings befanden. Hatte jener unbekannte Met Hattings sie auf Flagstaff ange setzt? Alles sah danach aus, doch anzufangen war damit kaum etwas. Parker hatte ja nicht die leiseste Vorstellung, wer sich hin ter dem Namen Met Hattings verbarg. Diese Frage mußte so schnell wie möglich geklärt werden. Ein anderes Problem existier te zur Zeit nicht. Würde es ihm gelingen, über diesen Met Hattings etwas zu er fahren? Würden Steve und Dan reden? Sie sahen nicht danach
aus. Sie waren aus hartem Holz geschnitzt und würden ihren Auf traggeber bestimmt nicht verraten. Gewiß, Parker hätte massiven Druck anwenden können. Es gab schließlich genug Mittel und Wege, um auch harte Männer zum Reden zu bringen. Doch Parker haßte die rohe Gewalt. Es gab andere Mittel, um seine Gegner auszuschalten. Dazu brauchte man sich nur etwas einfallen zu lassen. Was Parker ja meist nicht schwerfiel. Wie auch in diesem Fall! Er beugte sich zu seinem Schuh hinunter und schob den linken Absatz zur Seite. In der Höhlung befand sich eine kleine Metall kapsel, nicht größer als eine Viertelzigarette. Diese Metallkapsel ließ er im Schalldämpfer der erbeuteten Au tomatik von Dan verschwinden und keilte sie geschickt und un gemein fingerfertig mit einigen abgebrochenen Streichhölzern unverrückbar fest. Dann ließ er die so präparierte Waffe wieder zu Boden fallen und empfahl sich würdevoll. Er ließ sich von seinem ursprünglichen Ziel nicht abbringen. Er hatte ja schließlich vorgehabt, einem gewissen Benny Ordens einen Besuch abzustatten. Parker ging zurück in den Hof, wo sein hochbeiniges Monstrum stand, setzte sich ans Steuer und fuhr zurück zum Loop. Unter wegs kam er an Telefonzellen vorüber, doch er dachte nicht dar an, die Polizei zu informieren und sie auf die beiden Gangster hinzuweisen. Ihm kam es darauf an, daß sie sich vorerst frei be wegten. Nur so verrieten sie ihm früher oder später, was sie trie ben und mit wem sie Kontakt hielten. Nach geruhsamer Fahrt erreichte Parker den Nachtclub Benny Ordens, der um diese frühe Morgenstunde selbstverständlich ge schlossen war. Parker wußte aber, daß Ordens’ Privaträume sich über dem Club befanden. Und es mußte einen Weg geben, ihn dort zu überraschen…! * Benny Ordens und sein Clubmanager Joe Seidon fielen aus allen Wolken, wie es so treffend heißt, als Josuah Parker plötzlich vor ihnen stand. Sie frühstückten und sprachen bereits zu dieser Zeit dem Whisky zu.
»Wie… wie kommen Sie denn hier rein?« fragte Ordens, dessen Bulldoggesicht sich sofort rötete. Joe Seidon, der Aalglatte, sah den Butler aus wachsamen, glit zernden Augen an, beteiligte sich aber vorerst nicht an der Un terhaltung. »Ich habe mir erlaubt, wie ein normaler, zivilisierter Mensch die Türen zu benutzen«, erklärte Parker. »Aber die sind doch abgeschlossen!« brauste Ordens auf. »Nicht, als ich ihnen gut zuredete«, antwortete Parker würde voll, »wenn Sie darauf bestehen, können wir uns selbstverständ lich ausgiebig über diverse Türen unterhalten.« »Was haben Sie mit Lemmy und Harry gemacht?« fragte Or dens gereizt. »Richtig, Eisen-Lemmy und Messer-Harry«, gab der Butler zu rück, »in Ihren Kreisen würde man vielleicht von einem Betriebs unfall sprechen. Ich sah mich genötigt, Ihre beiden Mitarbeiter auf eine Art Abstellgleis zu schieben.« »Dafür werden Sie eine saftige Anklage bekommen«, fauchte Ordens weiter und stand auf, »ich will Ihnen mal was sagen, Par ker, wenn Sie nicht schleunigst Dampf ablassen, beginnt die Treibjagd auf Sie, klar?« »An dem vollständigen Manuskript aus Mr. Flagstaffs Maschine sind Sie demnach nicht mehr interessiert?« »Sie bluffen doch nur«, schaltete Joe Seidon sich ein. »Nun gut, damit dürfte das Gespräch beendet sein«, erklärte Parker würdevoll. »Lassen Sie sich nicht weiter stören! Tun Sie so, als wäre ich überhaupt nicht hier gewesen.« »Wieviel verlangen Sie?« fragte Ordens einlenkend. »Auf keinen Fall Geld«, entgegnete der Butler, »ich brauche ei nige Informationen.« »Über wen?« fragte Ordens knapp. »Über Ihre Konkurrenz«, erklärte der Butler, »mit anderen Wor ten, wer hat ein Interesse daran, Ihre Kreise empfindlich zu stö ren? Sie wissen, was ich meine, ja?« »Stew Richards«, platzte Joe Seidon dazwischen. Er biß sich be treten auf die Lippen, als Ordens ihn daraufhin wütend und ge reizt anschaute. »Ein Name, der mir nichts sagt«, stellte der Butler fest. »Los, sagen Sie’s ihm schon«, fuhr Ordens seinen, Manager an, »Sie haben ihm ja schon den Knochen hingeworfen.«
»Stew Richards ist Mr. Ordens früherer Manager«, erklärte Sei don überaus eifrig. »Vor einem Jahr hat er sich selbständig ge macht. Jetzt versucht er, seinen Chef auszubooten!« »Ich warf ihn raus, weil er in die eigene Tasche arbeitete«, füg te Ordens hinzu. »Er kann von Glück sagen, daß ihm damals nicht mehr passiert ist.« »Hatten Sie je Kontakt mit Mr. Flagstaff?« fragte Parker weiter. »No, niemals! Dieser Giftzwerg ließ sich nur selten in meinen Clubs sehen!« »Sie besitzen mehrere Clubs?« »Natürlich, fast ein Dutzend, sonst rentiert sich so was nicht.« »Verkehrte Flagstaff in Stew Richards Lokalen?« »Und ob!« schaltete Joe Seidon sich wieder ein und nickte eif rig. »Da bekam er ja das, was er dringend brauchte.« »Sie geben mir ein Rätsel auf«, stellte der Butler fest. »Koks natürlich! Wußten Sie nicht, daß Flagstaff kokste?« »Ein äußerst wertvoller Hinweis«, bemerkte Josuah Parker. »Sagt Ihnen in diesem Zusammenhang der Name Met Hattings etwas?« »Nie gehört«, erklärten Ordens und Seidon fast gleichzeitig. Sie schienen wirklich nichts zu wissen, oder aber waren erstklassige Schauspieler. »Beschäftigt Ihr früherer Mitarbeiter Richards zwei Männer, de ren Vornamen Steve und Dan lauten?« Ordens und Seidon sahen sich nachdenklich an, schüttelten a ber die Köpfe. »Müßten dann neue Leute sein«, fügte Seidon dem Kopfschüt teln hinzu. »Richards weitete seinen Laden immer mehr aus.« »Wie steht es nun mit den übrigen Manuskripten?« fragte Or dens unruhig. »Wir haben Ihnen gesagt, was wir wissen. Mehr sitzt nicht drin. Mit Flagstaffs Ermordung haben wir nichts zu tun. Hätten wir sonst das Papierzeug in der Maschine gelassen?« »Ein in der Tat fast stichhaltiges Argument«, gab der Butler zu rück, »ich werde mir erlauben, Ihnen die beiden letzten Seiten zuzuschicken. Ich hoffe, Sie sind damit einverstanden!« »… reingefallen!« brüllte Joe Seidon in diesem Augenblick. Er hatte es verstanden, sich vorsichtig an das Sidebord heranzu schieben und hielt plötzlich eine flache Automatik in der Hand.
»Mach’ ihn fertig!« brüllte Ordens, dessen Gesicht bereits wie der tiefrot anlief, »mach’ ihn fertig, Joe, jetzt sind wir am Drü cker…!« * »Ich fürchte, Sie begehen einen Fehler, falls Sie abdrücken«, sagte der Butler, ohne sich sonderlich aus der Ruhe bringen zu lassen. »Falls Sie schießen, werden die beiden restlichen Manu skriptseiten mit größer Sicherheit automatisch ihren Weg zur Poli zei gehen.« Joe Seidon sah seinen Boß Ordens an. Es war aber dennoch nicht zu übersehen, daß sein Zeigefinger sich krümmte. Er nahm bereits Druckpunkt. »Nicht schießen«, rief Ordens seinen Manager zu. »Aber pass’ höllisch auf!« »Ich möchte Sie daran erinnern, daß ich Ihnen anbot, die bei den restlichen Seiten zu liefern«, sagte Parker würdevoll, »sollten Sie diesen wichtigen Hinweis überhört haben?« »Die Seiten holen wir uns selbst«, bestimmte Ordens, »und zwar allein. Uns legen Sie nicht so rein wie Lemmy und Harry!« »Wie kann man nur so mißtrauisch sein«, wunderte sich der Butler. »Ein Reinfall hat uns gereicht«, meinte Seidon gehässig. »Was halten Sie davon, Boß, wenn Parker seinen Chef anruft! Der könnte uns doch das Zeug bringen, oder?« »Sehr gut«, gab Ordens zurück, »das schaltet jedes Risiko aus. Bis dahin stecken wir Parker in die alte Schreinerei! Da findet ihn kein Mensch, wenn er uns mit Tricks kommt.« »Sie werden Mr. Rander wohl kaum erreichen«, sagte Parker höflich. »Mein junger Herr ist ausgefahren und wird wohl erst in den späten Abendstunden zurückkehren.« »Los, rufen Sie ihn an«, kommandierte Ordens, »sagen Sie ihm, daß er die Polente aus dem Spiel halten soll, sonst sind Sie gelie fert! Jetzt drücken wir auf die Tube!« Parker nickte und griff nach dem Telefonhörer. Er rief im Pent house an und wußte im voraus, daß Mike Rander sich nicht mel dete.
»Nichts«, stellte Seidon überflüssigerweise fest, als auf der Ge genseite nicht abgehoben wurde. »Und was machen wir jetzt, Boß?« Ordens wandte sich Parker zu, der den Hörer langsam wieder auflegte. »Sagen Sie uns, wie wir an die beiden Seiten kommen«, herrschte Ordens den Butler dann an. »Aber keine Tricks! Ich warne Sie! Mir kommt’s nicht darauf an, Sie durch die Mangel zu drehen!« »In meiner Westentasche befinden sich die Wohnungsschlüs sel«, antwortete der Butler höflich. »Sie brauchen sich nur zu bedienen. Was die beiden Manuskriptseiten anbetrifft, so werden Sie sie dann in meinen Räumen finden. Und zwar hinter einem Wandbild, auf dem zwei Pferdeköpfe zu sehen sind. Es handelt sich um Reproduktionen einer chinesischen Wandmalerei!« »Was uns das schon interessiert!« Ordens grinste abfällig. »Picken Sie ihm die Schlüssel aus der Tasche, Seidon! Und dann nichts wie los! Ich kann’s kaum erwar ten, bis ich dieses verdammte Manuskript habe.« »Bringen wir doch erst Parker in Sicherheit«, schlug der Club manager vor, »ich traue diesem Burschen nicht über den Weg, Boß.« Ordens griff Seidons Vorschlag prompt auf. Parker verlor wieder einmal seinen Colt und wurde gründlich nach Waffen aller Art ab geklopft. Die beiden ausgefuchsten Gangster waren und blieben mißtrauisch, als sie außer dem Colt keine Waffen fanden. Sie ü bersahen natürlich eine Reihe scheinbar unwichtiger Utensilien. Diese Dinge wirkten aber auch wirklich zu harmlos. Anschließend mußte der Butler sich in den Fahrstuhl des Hauses bemühen. Es ging nach unten in den Keller. Von dort aus erreich ten sie auf Umwegen einen verwinkelten Hinterhof, in dem vom Sonnenlicht kaum etwas zu sehen war. Seidon öffnete die Tür zu einem kleinen, flachen Anbau. Parker schnupperte den Geruch abgelagerten Holzes. Wenig später stand er in einer kleinen Schreinerei, in der aber bestimmt schon seit einigen Jahren nicht mehr gearbeitet worden war. Die Arbeitsgeräte waren völlig verstaubt. Vor die Fenster hatten eifrige Spinnen dicke Netze gewoben. Parker fiel allerdings auf, daß auf dem staubigen Boden bereits so etwas wie ein Trittpfad existierte.
Seidon blieb vor einem Haufen Sägespäne stehen, nahm eine Holzschaufel und drückte die Späne etwas zurück. Das Viereck einer Falltür war zu erkennen. Seidon bückte sich und zog diese Tür auf. »Runter!« kommandierte Ordens, der mit entsicherter Waffe knapp hinter dem Butler stand. Parker beugte sich vor und sah in die Grube hinein. Einladend wirkte sie gerade nicht, allerdings auch nicht absto ßend. Sie war halb gefüllt mit Sägespänen. Ein harter, fast brutaler Stoß in den Rücken, und schon flog der Butler nach unten. Er landete weich, doch er sank tief ein. Als er sich konsterniert aufrichtete und sich einige Späne aus dem Ge sicht wischte, sah er hinauf zur Falltür. Wenigstens zweieinhalb Meter betrug die Distanz. Ohne Hilfs mittel war sie nicht zu überbrücken. »Hoffentlich haben Sie die Wahrheit gesagt«, meinte Ordens, der am Rand der Falltür stand, »falls nicht, Parker, könnten ja hier ein paar Streichhölzer reinfallen. Malen Sie sich aus, was dann passieren wird!« * Parkers Situation war keineswegs angenehm. Er konnte sich leicht ausrechnen, daß Ordens nicht gespaßt hat te. Er wußte zudem, daß Seidon niemals auf den Dachgarten kam. Die Schlüssel, die Parker ihm dazu angeboten hatte, besag ten überhaupt nichts. Die Tür ließ sich damit auf keinen Fall öff nen. Genau das Gegenteil war der Fall. Seidon war auf dem bes ten Weg, sich selbst festzusetzen. Würde ein vor Wut rasender Ordens seine Drohung wahrma chen und die Sägespänegrube anzünden? Zuzutrauen war ihm das durchaus. Parker umgab das, was man so treffend ägyptische Finsternis nennt. Die Falltür war geschlossen worden. Ein Fenster gab es hier nicht. Um keine Zeit zu verlieren, holte der Butler seinen Ku gelschreiber aus einer der vielen Westentaschen und schaltete die darin eingebaute kleine Taschenlampe ein. Er orientierte sich anhand des scharfgebündelten Lichtscheins. Die Distanz zwischen seinem Standort und der Falltür war leider
nicht geringer geworden. Hilfsmittel ließen sich nicht entdecken. Parker war und blieb von Spänen umgeben. Bis zu den Hüften steckte er in dieser nachgiebigen, weichen Masse. Sie ließ sich nicht zu einem kleinen Berg auftürmen. Sie rutschte immer wie der gestaltlos zur Seite. Parker tastete mit seinem Universal-Regenschirm nach oben. Nein, es blieb dabei, es reichte einfach nicht. Die Falltür war nicht zu erreichen. Diesmal saß Parker tatsächlich in der Falle. Sein Stern schien zu sinken. Er hatte Ordens und Seidon glatt unter schätzt. Parker steckte selbstverständlich nicht auf. Es lag ihm nicht, ta tenlos zu warten, bis sich etwas tat. Wenn er schon nicht aus die ser Grube herauskam, so mußte er wenigstens gewisse Vorberei tungen treffen. Falls Ordens mit irgendeiner brennenden Lunte erschien, mußte er ihm schleunigst das Handwerk tegen. Auch hier unten von der Grube aus. Natürlich war er nicht waffenlos. So verfügte er zum Beispiel über eine Schießwaffe, obwohl die beiden Gangster ihn gründlich durchsucht hatten. Dabei handelt es sich um einen altmodisch aussehenden Füllfederhalter, in des sen Schaft eine Schrotpatrone steckte, die durch einen Druck auf den Clip angezündet werden konnte. Parker trug auch eine Krawatte, wie es sich für einen korrekt gekleideten Mann gehörte. Er löste die Krawatte und fädelte zwei solide Gummistränge hervor, die er am oberen Teil des Schirm stocks und am Bambusgriff des Schirms befestigte. Die beiden losen Teile der Gummistränge zog er durch ein Stück rechteckiges Leder, das er einer der Westentaschen entnommen hatte. Innerhalb weniger Minuten verfügte er so über eine erst klassige Schleuder. Und wie gut er gerade mit dieser Waffe um gehen konnte, hatte er in der Vergangenheit bereits mehr als nur einmal bewiesen. In dieser Sportart war er so etwas wie ein Meis ter aller Klassen. Seiner Pillendose entnahm er ein Geschoß. Es handelte sich um eine Art Tee-Ei in Miniaturausführung. In der ovalen, durchlöcher ten Kapsel befand sich eine kleine Glasampulle, die bei einem harten Aufprall auseinanderbarst und die Dämpfe einer Chemika lie freigab.
Parker ließ sich gegen eine der vier Wände rutschen und nutzte die Zeit, sich seine Gedanken zu machen. Es galt, die inzwischen gewonnenen Erkenntnisse zu ordnen. Er wollte sich gerade seinen Gedanken hingeben, als er oben in der Nähe der Falltür Schritte hörte. Kam Ordens schon zurück? Hatte er die Geduld bereits verloren? Parker konnte sich keinen Vers auf diese Schritte machen. Er wußte nur, daß sie nicht in das allgemeine Bild paßten. Ordens konnte doch noch gar nicht wissen, daß sein Manager Seidon Schiffbruch erlitten hatte! Zentimeterweise wurde die Falltür aufgezogen. Schwacher Lichtschein fiel nach unten in die Grube. Parker blin zelte vorsichtig hinauf. Und dann nahm er instinktiv seine schwarze Melone ab und legte sie ein gutes Stück neben sich so in die Späne, daß man von oben aus den Eindruck haben mußte, er habe sich zu einem kleinen Nickerchen niedergelegt. Er selbst bewarf sich vorsichtig mit Spänen und duckte sich. Er wollte oben vom Rand der Grube aus nicht sofort erkannt werden. Jetzt wurde die Falltür ruckartig aufgezogen. Parker erkannte die Umrisse einer Gestalt, die sich vorsichtig über den Rand der Grube beugte. War es Ordens? Bruchteile von Sekunden später »ploppte« es unverkennbar. Dicht neben Parker zischte ein Geschoß in die Späne hinein. Ein zweites »Ploppen«. Parkers Melone, am Rand gestreift, wir belte hoch und rollte zur Seite. Wer schoß, benutzte dazu einen Schalldämpfer. Parker stramm te die beiden Gummistränge und visierte die Gestalt oben am Rand der Falltür an. Falls sein Spezialgeschoß das Ziel verfehlte, konnte er das machen, was man gemeinhin sein Testament nennt! * Neugierig beugte sich die Gestalt vor. Sie wollte wohl feststel len, ob zumindest eines der Geschosse getroffen hatte. In diesem Moment schickte der Butler sein Spezialgeschoß auf die Reise.
Die Glasampulle barst prompt auseinander und gab die Dämpfe der Chemikalie frei. Hustend, spuckend, um die Sicht gebracht, taumelte die Gestalt zurück und verschwand aus Parkers Sicht. Der Butler handelte augenblicklich. Jetzt war der Weg frei. Schnell, aber ohne jede unnötige Hast, schraubte er den Bam busgriff vom Schirmstock los und zog dann das dünne, aber un gemein starke Nylonseil aus dem Stock hervor. Er warf den Bam busgriff als Mauerhaken nach oben und hatte schon nach dem zweiten Versuch Glück. Der Bambusgriff hakte sich fest. Parker hangelte sich kraftvoll und geschickt nach oben. Er be nutzte dazu eine bestimmte Technik, denn das Nylonseil war dünn und ließ sich als Kletterstrick nicht benutzen. Vor jedem Klimmzug mußte Parker sich das dünne Seil mehrfach um die Faust schlingen. Es zeigte sich, wie durchtrainiert Parker in Wirklichkeit war. Er hätte einen blutjungen Sportler glatt in den Schatten gestellt. Parker erreichte den Rand der Falltür und schwang sich sofort auf den rettenden Boden. Erst dann sah er sich nach der Gestalt um, die er von der Falltür weggescheucht hatte. Sie befand sich noch in der Schreinerei. Hilflos tappte sie zwi schen den Arbeitsgeräten herum. Sie war noch immer blind. Sie schien überhaupt nicht gemerkt zu haben, daß Parker bereits o ben war. Parker nahm sich Zeit und barg erst einmal seinen Regen schirm. Er setzte ihn wieder zusammen, bis er erneut wie ein alt väterlich gebundener, normaler Schirm aussah. Dann widmete er sich der stöhnenden Gestalt, die gerade gegen einen Werkzeug schrank geprallt war. Es handelte sich um einen mittelgroßen, schlanken Mann von etwa vierzig Jahren, der einen hellgrauen Overall trug. Dieser Mann, den Parker vorher noch nie gesehen hatte, weinte wie ein Schloßhund, wie der Volksmund so gern zu sagen pflegt. Dicke Tränen kullerten über die tief eingefallenen Wangen. Er rieb sich verzweifelt die Augen und schien, die Anwesenheit des Butlers völlig vergessen zu haben. »Nicht reiben, dadurch verschlimmern Sie Ihre Lage nur noch«, rief der Butler dem weinenden Mann zu.
Mit aller gebotenen Vorsicht näherte Parker sich dem Mann, der ihn hatte erschießen wollen. Der Butler rechnete mit weiteren Überraschungen und wollte sich nicht überrumpeln lassen. Der Mann blieb neben einem Spind stehen und hustete sich die Seele aus dem Leib. Er war das, was man restlos fertig nennt. Parker erkannte, daß der Mann nicht schauspielerte. »Mr. Ordens wird mit Ihrer Anwesenheit aber gar nicht einver standen sein«, sagte Parker, »dennoch denke ich, daß man ihn verständigen sollte.« »Was… was haben Sie mit… meinen… Augen gemacht?« stöhnte der Gangster. »Ich… ich kann nichts mehr sehen!« »Das wird sich mit Sicherheit in spätestens einer halben Stunde wieder geben«, tröstete der Butler, »Sie werden noch nicht ein mal einen Arzt zu bemühen brauchen.« Parker wollte sich intensiver um den Mann kümmern, doch in diesem Augenblick änderte sich schlagartig die Situation. In Parkers Gesichtskreis war drüben an der Tür plötzlich ein flüchtiger Schatten zu erkennen. Parker reagierte augenblicklich und ging in Deckung. Eine schwere Hobelbank in seiner Nähe bot sich einladend an. Bruchteile von Sekunden später ratterte eine Maschinenpistole los. Die Bleigeschosse pfiffen wie wütende und gereizte Hornissen durch die Schreinerei. Parker, ohne Schußwaffe, mußte etwas tun, wenn er sich nicht in die Enge treiben lassen wollte. In seiner Nähe stand ein Leimtopf auf dem Boden. Er nahm ihn würdevoll hoch und… beförderte ihn durch die Luft in Richtung Tür. Der Leimtopf schlug wie eine mittelschwere Bombe ein. Er klatschte gegen eines der Fenster und ließ die Glassplitter durch die Gegend wirbeln. Schlagartig hörte das Schießen auf. Parker sorgte dafür, daß der Schütze seine Maschinenpistole nicht noch einmal heben konnte. Nacheinander beförderte der Butler einen schweren Hobel, eini ge Grobfeilen, ein schweres Winkeleisen und schließlich einige kleine Holzblöcke zur Tür hinüber. Das geschah mit solcher Kraft und Schnelligkeit, daß der Mörder drüben an der Tür völlig irritiert wurde und sich zurückzog. Wenigstens für den Augenblick.
Parker nutzte diese kleine Verschnaufpause, um sich eine ande re Deckung zu besorgen. Er kroch auf das Spind zu und merkte erst jetzt, daß der weinende Gangster nicht mehr stand. Er lag am Boden und rührte sich nicht. Parker untersuchte ihn flüchtig. Es war genauso, wie er es sich bereits gedacht hatte. Der wei nende Mann war zumindest von zwei Geschossen aus der Maschi nenpistole getroffen worden. Er blutete aus einer Arm- und aus einer Brustwunde. Wie schwer diese Verletzungen waren, konnte der Butler nicht feststellen. Dazu blieb ihm keine Zeit mehr. Er roch langsam Feuer und Qualm. Er schaute hoch, sehr vorsichtig, stutzte und sah dann die Be scherung. Der Gangster mit der Maschinenpistole mußte die Schreinerei in Brand gesteckt haben. Parker befand sich damit wieder einmal in Lebensgefahr. Gewiß, er hätte zur Tür laufen können. Der verwinkelte, rettende Hinter hof war nahe. Aber wenn er lief, dann direkt in die Geschosse des sicher wartenden Mörders. Der Mann wollte ihn ja ausräuchern, ihn zwingen, ihm direkt in die Mündung seiner Waffe zu laufen. Parker zog sich zurück. Da war schließlich noch der angeschossene Mann, der ihn hatte erschießen wollen und der jetzt deswegen so ausgiebig weinte. Sollte und konnte er diesen Mann in der Schreinerei zurücklas sen? Das wäre einem Mord gleich gekommen! Parker sah noch einmal hinüber zur Tür. Dort hatte sich bereits eine dichte Wand aus Rauch und Feuer gebildet. Das Feuer fraß sich gierig in die Schreinerei hinein. Es dauerte nur wenige Minuten, bis auch der Butler Tränen vergoß, so brannte der Qualm in seinen Augen. Wohin jetzt, das war die Frage. Sie entschied über Leben und Tod. Auf der Rückseite der Schreinerei gab es keine Fenster. Dort war nur nacktes Mauerwerk zu sehen. Auch die beiden Stirnseiten der Werkstatt ließen keinen Ausweg zu. Die dortigen Fenster wa ren vergittert. Parker hatte keine Zeit, sie auf ihre Festigkeit zu prüfen. Jetzt galt es erst einmal den schnell heranrückenden Flammen zu entwischen! *
Parker entdeckte im Hintergrund des Raumes eine steile Trep pe, die an eine Art Hühnersteige erinnerte, erfreulicherweise aber hinauf aufs Dach zu führen schien. Parker, getrieben vom sich immer weiter ausbreitenden Feuer, beeilte sich, diese Stiege in Augenschein zu nehmen. Sie endete vor einer breiten Dachluke, die der Butler sofort nach oben drück te. Anschließend inspizierte er das Flachdach. Als er sich vorsichtig aufrichtete, erwartete er Schüsse. Zu sei ner Überraschung aber blieben sie aus. Sollte der Unbekannte mit der Maschinenpistole sich bereits abgesetzt haben? Parker stieg zurück in die bereits völlig verqualmte Werkstatt und spielte tatsächlich mit dem Gedanken, den Durchbruch durch das Feuer zu riskieren. Doch er rechnete verständlicherweise mit einem bösen Trick des lauernden Mörders. Vielleicht wartete die ser Mann gerade darauf, daß Parker diesen Versuch riskierte. Der Butler beugte sich zu dem mittelgroßen, verwundeten Mann hinunter, der gerade aufgewacht war. Er stöhnte und versuchte sich aufzurichten. Er hatte wohl inzwischen ebenfalls bemerkt, in welch gefährlicher Lage er sich befand. »Reißen Sie sich möglichst zusammen«, sagte Parker zu ihm, »ich werde dafür Sorge tragen, daß weder Sie noch meine be scheidene Wenigkeit ein Opfer der Flammen werden. Ich werde Sie nun etwas anliften müssen!« Parker hob den Mann hoch, als habe er es nur mit einer leichten Puppe zu tun. Wieder einmal zeigte es sich, wie stark Parker war. Wenn es darauf ankam, verzichtete er darauf, den alten, müden und verbrauchten Mann zu spielen. Er lud den Verletzten auf die linke Schulter und trug ihn hinüber zur Stiege. Dann nahm er die Treppenstufen und legte den stöh nenden Mann wenig später auf dem Flachdach nieder. Vorerst befanden sie sich außer Gefahr. Nun aber mußte ein Weg gesucht werden, um von diesem Dach an sicherer Stelle wieder herunterzugelangen. Lange konnte es nicht dauernd, bis die Teerpappe des Flachdaches von den Flammen erreicht wurde. Sie züngelten bereits aus den Fenstern, deren Scheiben durch die glühende Hitze geborsten waren. Parker entdeckte den rettenden Ausweg. Wie er ihn sah, und wie er es glaubte.
Vom Flachdach aus führte eine Steigeleiter aus Eisen hinauf auf das benachbarte Dach. Der weitere Rückzug war damit gesichert. Nun konnte nichts mehr passieren. Parker lud sich den stöhnenden Mann wieder auf und trug ihn hinüber zur benachbarten Hauswand. Doch er kam nicht weit. Zu seiner grenzenlosen Verblüffung tauchte oben am Rand die ser Steigeleiter plötzlich eine Gestalt auf, die sich den Hut tief ins Gesicht gezogen hatte. Ein hochgeschlagener Rockkragen und ein vor das Gesicht gebundenes Taschentuch wirkten fast genauso wie eine Strumpfmaske. Das Gesicht dieses Mannes war nicht zu erkennen. Es braucht wohl kaum darauf hingewiesen zu werden, daß die ser vermummte Mann natürlich eine Maschinenpistole in der Hand hielt, aus deren Mündung kleine Feuerzungen hervorbleckten. Parker warf sich samt seiner Last augenblicklich zur Seite. Dabei stolperte er und wurde von dem niederstürzenden Körper des verwundeten Mannes auf seinen Schultern begraben. Parker, unverletzt, blieb regungslos liegen, um nur keine weite ren Schüsse zu provozieren. Aus den Augenwinkeln heraus beo bachtete er den vermummten Mann oben auf der benachbarten Hauswand. Er hielt die Maschinenpistole noch immer im Anschlag, doch er schoß nicht mehr. Er schien anzunehmen, daß die Ge schosse restlos ihre Wirkung getan hatten. Sekunden später war diese Gestalt verschwunden. Parker ließ sich nicht täuschen. Obwohl das Feuer bereits die Teerpappe angezündet hatte, rührte er sich nicht. Er mußte erst vollkommen sicher sein, daß der Mann gegangen war. Parkers Nerven waren erfreulicherweise vollkommen in Ord nung. Er machte nicht in Panik, schätzte die Zeit genau ab, die ihm noch zur Verfügung stand. Dann aber beeilte er sich. Er lud sich den regungslosen Mann noch einmal auf die Schulter und schritt dann fast würdevoll, zumindest aber ohne unnötige Hast, zur Steigeleiter, arbeitete sich samt seiner Last an ihr em por und erreichte endlich sicheren Boden. Er ließ den Verwundeten, jetzt regungslosen Mann vorsichtig zu Boden gleiten und sah auf das Flachdach der Schreinerei hinun ter. Die Flammen huschten jetzt nervös und eilfertig über die Teerpappe und produzierten einen infernalischen Gestank. Von dem pechschwarzen Rauch ganz zu schweigen.
Josuah Parker rückte sich die schwarze Melone zurecht, küm merte sich weiter um den regungslosen Mann und registrierte so ganz nebenbei, daß bereits laut und deutlich die Sirenen der Feu erwehr zu hören waren! * Knapp zwanzig Minuten später saß der Butler am Steuer seines hochbeinigen Monstrums und fuhr die Chikago Avenue hinunter. Er war mit sich und mit der Entwicklung der Dinge durchaus zu frieden. Er hatte allen Grund dazu. Einmal war es ihm gelungen, der tödlichen Falle der Schreinerei zu entkommen. Zum anderen wußte er inzwischen, daß der re gungslose Mann, den er aus der brennenden Schreinerei gebor gen hatte, noch lebte. Trotz einiger böser Verletzungen bestand durchaus keine Lebensgefahr. Dieser Mann also, der die Schüsse auf ihn abgefeuert hatte, als er hilflos in der Grube voller Säge späne saß, befand sich in der Obhut der Ärzte und der Polizei. Besser konnte dieser Mann gar nicht untergebracht werden. Zu einem späteren Zeitpunkt sagte er vielleicht aus. Das war zwar nicht sicher, spielte im Augenblick aber auch keine Rolle. Was den Butler jetzt interessierte, war der Mann mit der Ma schinenpistole. Wer mochte dieser Mörder sein? Wo konnte er ihn finden? Nun, Parker hatte eine vage Vorstellung. Aus diesem Grund saß er nun auch in seinem hochbeinigen Monstrum und fuhr die Chikago Avenue hinunter. Er bog nach links in die Sagamon Street ab und hielt wenig spä ter vor einem großen grauen Mietshaus, in dessen Erdgeschoß sich neben den Räumen einer Bar auch noch ein Schnellimbiß und ein Wäschegeschäft befanden. Die Bar – es war noch nicht ganz Mittag – war natürlich ge schlossen. Parker studierte die Namensschilder an den diversen Klingeln neben dem Hauseingang und suchte nach dem Namen Stew Richards. Er beabsichtigte, Benny Ordens früherem Mitarbeiter einen Be such abzustatten. Er fand den gesuchten Namen und läutete.
Nichts tat sich. Der elektrische Türöffner reagierte nicht. Stew Richards schien nicht zu Hause zu sein. Parker klingelte erneut, wollte sich bereits abwenden, als das Türschloß sich dann doch noch regte. Der Butler drückte die Tür auf, ging durch den Korridor hinüber in die kleine Halle und fuhr mit dem Lift hinauf in die dritte Etage. Als er ausstieg, kam ihm ein Mann entgegen, der etwas über mit telgroß war, schlank und sportlich durchtrainiert. Dieser Mann hatte ein fleischiges Gesicht, ein kräftiges Kinn und eine Nase, wie sie Boxer besitzen, die etwas zu sehr von diversen Faust handschuhen massiert worden sind. »Parker mein Name, Josuah Parker«, stellte der Butler sich höf lich vor. »Ich möchte, wenn es sich eben einrichten läßt, einen gewissen Mr. Stew Richards sprechen.« »Das bin ich…!« sagte der kompakte Mann und maß den Butler mit einem belustigten Blick. »Was kann ich für Sie tun, Mr. Par ker? Wie ein Vertreter sehen Sie gerade nicht aus!« »Sie sind ein äußerst guter Beobachter«, meinte Parker freund lich, »falls ich tatsächlich etwas vertrete, so nur die Gesetze die ses Landes. Rein privat natürlich, wie ich sofort und an dieser Stelle bemerken möchte.« »Was haben Sie denn auf dem Herzen?« erkundigte sich Stew Richards. »Kommen Sie mit rüber in die Wohnung. Gegen einen Drink werden Sie doch nichts einzuwenden haben, oder?« »Ich bedanke mich überaus für Ihre herzliche Gastfreundlich keit«, entgegnete der Butler würdevoll. »Ich darf Ihnen versi chern, daß ich Ihre Zeit nicht sehr lange in Anspruch nehmen werde.« Parker folgte Stew Richards in die Wohnung. »Nehmen Sie Platz, Mr. Parker«, sagte Richards und deutete auf die Sitzgruppe in der Nähe der Fenster, »was trinken Sie?« »Ein alter, müder und verbrauchter Mann wie ich nur Milch«, gab der Butler zurück. »Pech für Sie, ausgerechnet so was führe ich nicht«, sagte Ri chards auflachend. Es war unverkennbar, daß er eine gewisse Sympathie ausstrahlte. »Ich bin durch Mr. Benny Ordens auf Ihren Namen gestoßen«, begann Parker rund heraus, »auf Mr. Ordens stieß ich wiederum im Verlauf einer privaten Ermittlung, die mit der Ermordung Mr. Flagstaffs zusammenhängt.«
»Ich verstehe kein Wort«, entschuldigte sich Richards und hob bedauernd die Schultern, »ich weiß natürlich, daß Flagstaff er mordet wurde. Was hat Ordens damit zu tun?« »Nun, Mr. Ordens sollte von Mr. Flagstaff in einem Artikel abge handelt und gewürdigt werden«, führte der Butler weiter aus, »es existiert ein gewisser Verdacht, daß Mr. Ordens oder einer seiner Leute als Mörder in Betracht kommt.« »Ordens?« Richards schüttelte prompt den Kopf und lächelte dazu abfällig, »wie kommen Sie denn darauf, Mr. Parker? Ordens ist ein Löwe, der inzwischen seine Zähne verloren hat. Ein Mord sitzt bei ihm nicht mehr drin, wenn Sie mich fragen. Ich muß ihn ja schließlich kennen.« »Er könnte irgendeinen seiner Leute dazu .angestiftet haben.« »Auch nicht, solch ein Risiko würde Ordens nicht mehr einge hen, glauben Sie mir.« »Mr. Ordens denkt in dieser Hinsicht aber ganz anders als Sie, Mr. Richards.« »Das kann ich mir lebhaft vorstellen!« Stew Richards lachte amüsiert. Er goß sich einen Drink ein, nahm einen Schluck und sah Parker dann kopfschüttelnd an. Er fügte hinzu: »Glauben Sie alles, was er Ihnen erzählt? Ich wette, er hat Ihnen aufgebunden, ich hätte ihn begaunert und bestohlen, oder?« »Diese Vorwürfe scheinen Sie nicht sonderlich zu kränken.« »Ich habe für Ordens gearbeitet«, erklärte Richards und wurde wieder ernster, »er verzeiht mir es einfach nicht, daß ich mich selbständig gemacht habe. Es geht ihm auf die Nerven, daß ich mehr Erfolg habe als er. Momentchen mal, hat er etwa behauptet, ich hätte Flagstaff umgebracht?« »Aber nein«, entgegnete der Butler, »ich war nur so frei, mich nach seinem intimsten Feind und Konkurrenten zu erkundigen. In diesem Zusammenhang fiel Ihr Name.« »Warum hätte ich Flagstaff umbringen sollen?« erklärte Ri chards kopfschüttelnd. »Gut, ich mochte diesen Giftzwerg nicht besonders, aber er war schließlich einer meiner besten Gäste. Flagstaff zog viele Leute vom Bau in meine Lokale. Sie wissen vielleicht nicht, daß bei mir Frauen und Männer vom Funk, Fern sehen und Theater verkehren.« »Wie erfreulich für Sie«, meinte der Butler. »Ich habe mir übri gens sagen lassen, daß Mr. Flagstaff sehr häufig mit seiner Ver lobten, Miß Helen Carday, zu Ihnen kam.«
»Er war mit Helen… ich meine… mit Miß Carday niemals ver lobt.« »Nur befreundet?« »Nur befreundet«, sagte Richards nachdrücklich. »Sie kennen Miß Carday sehr gut, ja?« »Natürlich, immerhin hat sie mal in einer meiner Bars gearbei tet. Dort lernte Flagstaff sie kennen.« »Arbeitete Miß Carday lange in einer Ihrer Bars?« »Etwa ein Jahr. Vor dieser Zeit war sie Schauspielerin, aber sie hatte wenig Glück. Sie bekam einfach nicht ihre Chance. Sie, sat telte also um und leitete eine meiner Bars. Das war gleich nach dem Zeitpunkt, als ich mich selbständig gemacht hatte.« »Erlauben Sie mir, daß ich mich noch einmal mit Mr. Flagstaff beschäftige?« »Natürlich, fragen Sie nur. Wenn ich Ihnen helfen kann, soll das geschehen, Mr. Parker.« »War Ihnen bekannt, daß Mr. Flagstaff dem ausgiebig zusprach, was man Kokain nennt?« Stew Richards ließ sich auf keinen Fall verblüffen. Er senkte leicht den Kopf und dachte sichtlich nach. »Stimmt«, meinte er, »Flagstaff kokste! Er benahm sich manchmal sehr eigenartig. Zuerst wußte ich damit nichts anzu fangen, doch später ging mir dann ein Licht auf. Die Polizei wird das ohnehin herausbekommen. Flagstaff war wie wild hinter die sem Giftzeug her.« »Haben Sie irgendeine leise Ahnung, Mr. Richards, wo er sich dieses Gift beschaffte?« »Keine Ahnung«, entgegnete Richards und schüttelte zusätzlich noch den Kopf, »aber hier in Chikago wird er keine großen Schwierigkeiten gehabt haben.« »Leider, in der Tat«, pflichtete der Butler ihm bei, »es gibt viele Bars und Nachtklubs, in denen man dieses teuflische Gift erste hen kann, nicht wahr?« »Sie brauchen mich gar nicht so ironisch anzusehen«, regte Stew Richards sich leicht auf, »in meinen Lokalen hätte er kein Milligramm bekommen.« »Sie müssen den Ausdruck meiner Augen mißverstanden ha ben«, meinte Josuah Parker, »mich interessiert in diesem Zu sammenhang nur, ob Ihnen der Name Met Hattings etwas sagt.« »Nie gehört«, war die prompte Antwort.
»Die Herren Steve und Dan kennen Sie selbstverständlich auch nicht, oder?« »Wer soll denn das sein?« erkundigte sich Richards und sah den Butler fragend an. »Fast liebe Bekannte, die ich nur kurzfristig gesehen habe«, sagte der Butler. Er stand auf und griff nach Melone und Regen schirm. »Ich möchte nicht versäumen, mich für Ihre Freundlich keit zu bedanken. Sie haben meine privaten Ermittlungen unge mein vorangetrieben!« »Wirklich?« fragte Richards lächelnd zurück, »kann ich mir aber gar nicht vorstellen.« »Dennoch ist es so«, behauptete der Butler, »ein gewisser Met Hattings ahnt nicht, wie sehr er bereits in einem unsichtbaren Netz zappelt. Aber da Sie ja diesen Mr. Hattings nicht kennen, brauche ich ja nicht deutlicher zu werden!« * Eine gute halbe Stunde später verließ der Butler in der Tiefga rage sein hochbeiniges Monstrum und betrat den Lift. Er fuhr hin auf bis in die vorletzte Etage des riesigen Bürohochhauses, stieg aus und schritt würdevoll über einen langen Korridorgang, bis er die Räume einer Import- und Exportfirma erreicht hatte. Erstaunlicherweise besaß er einen Schlüssel zu diesen Büros. Parker öffnete und trat ein. Er schloß hinter sich ab und durch maß die zwar eingerichteten Büros, in denen aber kein Mensch zu sehen war. In einem Raum, der eine Art Registratur darstellte, blieb er vor einem großen Aktenschrank stehen und drückte auf einen sehr raffiniert angebrachten, verborgenen Knopf. Augenblicklich schwenkte dieser schwere Aktenschrank zur Sei te und gab den Einstieg zu einer engen, steilen Wendeltreppe frei, die nach oben führte. Parker verschwand hinter dem Aktenschrank und ließ ihn von der Wendeltreppe aus wieder zurück in die alte Stellung rollen. Anschließend stieg er hinauf zum Dachgarten, auf dem das ge räumige Penthouse seines jungen Herrn stand. Es dauerte nur wenige Minuten, bis sich im Penthouse etwas tat. In der kleinen Pantry, in der Parker die Mahlzeiten für seinen
jungen Herrn und für sich zuzubereiten pflegte, öffnete sich ein Besenschrank. Heraus trat der Butler mit einer Selbstverständ lichkeit, die nur noch verblüffen konnte. Parker ließ Melone und Universal-Regenschirm in der Diele der Wohnung zurück und betrat den eigentlichen Dachgarten, der wie ein gutgepflegter, japanischer Ziergarten aussah. Der Butler er reichte die schwere Panzertür, die hinunter in den viereckigen Lichthof führte, wo der Expreßlift endete. Durch einen kleinen, geschickt angebrachten Spion schaute er hinunter in diesen Lichthof. Dort mußte nun Joe Seidon sein, denn Seidon hatte sich ja schließlich auf den Weg gemacht, um die beiden fehlenden Manuskriptseiten aus Parkers Privaträumen zu holen. Parker ging von der Annahme aus, daß Joe Seidon die Schlüssel verwendet hatte, um die Panzertür zum Dachgarten aufzuschlie ßen. Hatte er das versucht – und damit war schließlich fest zu rechnen – dann saß Seidon in der Falle. Der ins Schloß gesteckte Schlüssel blockierte den Lift derart, daß er nur noch bis hinauf ins vorletzte Stockwerk des Bürohoch hauses fuhr. Ein einfacher Trick, der mit einer geschickten Schal tung des Steuermechanismus des Lifts zusammenhing. Eine Treppe hinunter ins Haus gab es nicht. Seidon mußte also – wie schon gesagt – in der Falle sitzen. Wahrscheinlich schwitzte er inzwischen Blut und Wasser. Im Lichthof war Joe Seidon, der Manager von Benny Ordens, nicht zu sehen. Parker brauchte einige Sekunden, bis er sich von seiner Verblüf fung erholt hatte. Gewisse Theorien, die er sich während der Rückfahrt gebildet hatte, stürzten ineinander wie ein Kartenhaus. Warum war Seidon nicht hinauf zur Dachgartenwohnung gefah ren? Was mochte ihn davon abgehalten haben? War er mißtrau isch geworden? Hatte er Angst bekommen? Parker schloß die Elektrosperre kurz und öffnete die schwere Panzertür, die als solche natürlich nicht zu erkennen war. Selbst dem prüfenden Augen erschien sie völlig normal. Dann schritt der Butler über die Treppe hinunter in den Lichthof und prüfte den Mechanismus des Lifts. Er ließ sich ohne Schwierigkeiten herauf holen. Demnach konnte Seidon die Türschlüssel nicht verwendet haben.
Nachdenklich geworden, ging der Butler zurück zum Dachgarten und begab sich in den Arbeitsraum seines jungen Herrn. Mike Rander war nicht zu Hause. Nun, damit hatte Parker ohnehin ge rechnet. Ihm kam es darauf an, ob sein junger Herr eine Nach richt für ihn hinterlassen hatte. Parker ließ zwei Fächer der großen Bücherwand zur Seite schwenken und zog ein Tonbandgerät hervor, das er zuerst rück laufen ließ, um es dann abzuspielen. Dieses Tonband konnte von Mike Randers Schreibtisch aus durch einen Knopfdruck in Betrieb gesetzt werden. Im Raum versteckt angebrachte Mikrofone nah men dann alles auf, was in den Räumen gesprochen wurde. Mike Rander hatte eine Nachricht hinterlassen. Er teilte seinem Butler kurz und bündig mit, er sei mit einer ge wissen Miß Helen Carday verabredet und würde gegen Mittag zum Lunch zurück ins Penthouse kommen. Parker nickte, ließ das Tonbandgerät wieder hinter der Bücher wand verschwinden und machte sich daran, seinem jungen Herrn ein nahrhaftes Essen zuzubereiten. Während dieser Arbeit hatte er Zeit, sich gewisse Dinge gründ lich durch den Kopf gehen zu lassen! * Parker garnierte gerade einige appetitliche Snacks, als sich das Telefon meldete. Er ging an den Apparat in der Wohndiele und meldete sich wür devoll. Eine bekannte Stimme antwortete ihm. »He, Parker, sperren Sie die Ohren auf«, sagte diese Stimme, die unverkennbar einem Gangster namens Dan gehörte, »wenn Sie Ihren Boß noch lebend sehen wollen, dann machen Sie sich auf die Socken.« »Spreche ich etwa mit Dan?« vergewisserte sich der Butler, oh ne sich aus seiner sprichwörtlichen Ruhe bringen zu lassen. »Erraten, Schlaumeier«, gab Dan zurück, »lassen Sie die Polen te aus dem Spiel, klar! Bringen Sie die Ledertasche mit, Sie wis sen schon! Damit können Sie Ihren Brötchengeber auslösen. Wenn Sie in spätestens einer Stunde nicht erscheinen, lassen wir Ihren Boß über die Klinge springen. Hab’ ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
»Leider nein«, antwortete Parker würdevoll, »Sie haben verges sen zu sagen, wo Sie die bewußte Ledertasche in Empfang neh men wollen. Im übrigen werde ich mich bemühen, Ihre Wünsche zu erfüllen.« »Das will ich Ihnen aber auch geraten haben«, schnauzte Dan, »wir treffen uns auf der Central Station, in der Höhe der Schließ fächer, klar?« »Ich werde pünktlich sein«, erwiderte der Butler, »darf ich fra gen, welche Garantien Sie meiner Wenigkeit geben können? Ich meine im Hinblick auf meinen jungen Herrn!« »Lassen Sie sich doch überraschen«, meinte Dan, um dann so fort aufzulegen. Parker legte seinerseits auf und legte die Fingerspitzen behut sam und nachdenklich gegeneinander. Es galt, gewisse Vorberei tungen zu treffen. Er zweifelte übrigens keinen Moment daran, daß Dan und Steve seinen jungen Herrn gekidnappt hatten. Dennoch rief er Helen Carday an. Ihre Nummer stand im Tele fonbuch. Sie war sofort am Apparat und meldete sich mit wohl klingender, dunkler Stimme. »Helen Carday…« »Parker mein Name, Josuah Parker«, antwortete der Butler, »ich habe die Ehre, der Butler Mr. Randers zu sein. Mir ist be kannt, daß er Sie aufsuchen wollte. Ist es möglich, Mr. Rander zu sprechen?« »Tut mir leid, Mr. Parker«, kam die Antwort, »Mr. Rander ist be reits vor einer halben Stunde gegangen.« »Dann bedaure ich es ungemein, Sie gestört zu haben, Ma dam«, erwiderte Parker in seiner würdevollen Art. »Ich darf mir wohl erlauben, Ihnen einen guten Tag zu wünschen?« »Sie dürfen«, entgegnete Helen Carday belustigt. Parker legte auf und besorgte sich in der Kofferkammer eine ansehnliche Le dertasche, die etwa der ähnelte, die er in Mr. Flagstaffs Diele ge funden hatte. Er füllte einige dicke Zeitungen ein, damit diese Tasche rund und prall gefüllt war. Anschließend rüstete sich Parker zu seiner Exkursion. Er sah sich in seiner Bastelstube eingehend um und versorgte sich mit einigen Überraschungen. Es war ihm klar, daß Dan und Steve harte Gegner waren. Ein zweites Mal ließen sie sich bestimmt nicht mehr so leicht überraschen.
Wenig später saß Parker bereits im Fond eines herbeitelefonier ten Taxis und ließ sich zur Central Station bringen. Er brannte innerlich darauf, seinem jungen Herrn aus der Verlegenheit helfen zu können. Nachdem er ausgestiegen war und die große Halle betreten hat te, spulten sich die Ereignisse in atemberaubender Schnelligkeit ab. Er fand Dan vor der langen Front der Schließfächer. Dan machte einen völlig gelassenen Eindruck. Er schien keine Sorge zu haben, daß Parker etwa die Polizei informiert haben könnte. Selbstsicher und überlegen blieb er stehen, als Parker würdevoll auf ihn zuschritt. »Na bitte«, sagte Dan, der breitschultrige, muskulöse Mann und grinste ironisch, »klappt ja wie am Schnürchen, Parker. Wußte ich doch gleich. Wenn’s um Ihren Boß geht, werden Sie sogar schnell.« »Hier wäre die bewußte Ledertasche mit den Akten Met Hat tings«, sagte Parker und hob die Tasche etwas an. »Wo und wie kann ich jetzt Mr. Rander sehen?« »Wir schicken ihn nach Hause«, antwortete Dan. »Werden Sie sich in jedem Fall an Ihr Versprechen halten?« »Klar, Parker!« Dan grinste. Ihm war deutlich anzusehen, daß er sich an kein Versprechen gebunden fühlte. »Los, geben Sie das Ding endlich her!« Parker reichte ihm die Tasche. Etwas zu arglos und zu selbstsicher griff Dan zu. Um im nächsten Augenblick vor Wut und Zorn fast weiß im Ge sicht zu werden. Was vollkommen zu verstehen war, denn der Butler hatte das noch freie und nicht geschlossene Ende einer ungemein soliden Handschelle um das Handgelenk Dans schnap pen lassen. Dan starrte den Butler entgeistert an. Auch das war zu verstehen, denn das andere Ende der Hand schelle lag fest um Parkers linkes Handgelenk. Dan und der Butler waren untrennbar miteinander verbunden. »Mann… Ich bring’ Sie um!« fauchte Dan zwischen den Zähnen hervor. »Ich möchte Sie auf keinen Fall aus den Augen verlieren«, gab Josuah Parker höflich zurück, »denken Sie an den herrschenden Publikumsverkehr hier in der großen Bahnhofshalle! Denken Sie an den Verkehr auf den Straßen!«
»Mit diesem faulen Trick werden Sie nichts erreichen«, schimpf te Dan verhalten. Das, was man im Volksmund eine große Lippe nennt, konnte er nicht riskieren. Hier in der Halle strudelten die Menschen dicht an dicht durcheinander. Parkers Trick war fast genial zu nennen. Er hatte sich an Dan angekoppelt und zwang ihn so, ihn vorerst auf allen Wegen mitzunehmen. »Ich denke, wir gehen«, sagte Parker würdevoll, »wir wollen doch meinen jungen Herrn nicht zu lange warten lassen. Sie sind doch gewiß einverstanden, daß Sie und meine bescheidene We nigkeit zu ihm fahren, nicht wahr?« Zähneknirschend fügte sich Dan. Er nahm die Ledertasche in die Hand und schritt auf einen der Ausgänge zu. Dicht neben ihm befand sich Parker, der sich gera de wegen seines Einfalls auf ein fast tödliches Unternehmen ein gelassen hatte… * Dan und Parker verließen das Taxi östlich des Loop vor einem Mietshaus. Der Fahrer hatte nicht geahnt, wen er beförderte. Er blieb arglos, als er das Geld für die Fahrt kassieren wollte. »Seien Sie so lieb und begleichen Sie diese Kleinigkeit«, sagte Parker zu Dan. Wenn es darauf ankam, konnte der Butler äußerst sparsam sein, vielleicht ein Andenken an einen Vorfahren aus Schottland. Dans Zähne knirschten erneut, als er in die Tasche greifen und die Fahrt bezahlen mußte. »Los, kommen Sie«, sagte Dan und deutete mit dem eckigen Kinn hinüber auf die Treppe zu einer Kellerwohnung. Sie schritten über diese steile, verschmutzte Treppe hinüber zur Wohnungstür. Dan klopfte in einem bestimmten Rhythmus an. »Ja?« fragte eine Stimme hinter der Tür. »Dan!« erwiderte der angekoppelte Gangster neben Parker, »mach’ kein Theater!« Die Tür öffnete sich. Steve, der mittelgroße, schlanke Partner Dans sperrte Mund und Nase auf, als er Parker vor sich sah. Dann aber grinste er triumphierend und sah Dan anerkennend an.
»Prächtig«, sagte er, »hast diesen Bluffer gleich mitgebracht. Ist dann wenigstens ein Aufwaschen!« »Du Idiot!« fauchte Dan und zerrte den Butler in die Kellerwoh nung hinein, »du hast ja keine Ahnung!« Um seine Worte zu unterstreichen, hob er seine Hand, deren Gelenk mit dem des Butlers fest verbunden war. Steve schob den Kopf neugierig vor und starrte Dan dann nicht begreifend an. »Der Kerl hat sich angekoppelt«, sagte Dan und marschierte tiefer in die düstere Kellerwohnung hinein. »Brauchst erst gar nicht nach dem Schlüssel zu fragen, den hat der Bursche unter wegs aus dem Taxi geschmissen. Umbringen könnt’ ich ihn!« »Na und? Warum tun wir’s dann nicht?« »Und wie werd’ ich ihn dann los?« »Die Handschelle sägen wir durch. Ist doch ganz einfach.« »Damit wird es allerdings Schwierigkeiten geben«, schaltete Parker sich gemessen ein, »es handelt sich um einen Spezial Stahl, der den üblichen Mitteln ohne weiteres widersteht.« »Bluff, weiter nichts!« Steve sah den Butler gehässig an. Dann wandte er sich Dan zu. »Hauptsache, wir haben ihn! Jetzt kann er keine Schwierigkeiten mehr machen.« »Sieh mal in der Ledertasche nach«, forderte Dan seinen Part ner auf, »die Akten müssen weg!« Er warf Steve die bewußte Ledertasche zu. Steve fing sie ge schickt auf und fingerte am Verschluß herum. Sekunden später hielt er die Zeitungen in der Hand. Fassungslos starrte er auf sie. »Du verdammter Hund!« brüllte Steve dann unbeherrscht los. Er ballte die Faust, holte aus und schlug Parker in den Magen. Parker blieb fast unbeweglich stehen. Steve aber heulte entsetzt los. Er zog die Faust zurück und starrte sie fassungslos an. Die Finger ließen sich nicht mehr gera debiegen. Die Hand machte einen mehr als nur leicht lädierten Eindruck. Steve tanzte erst einmal auf dem linken, anschließend auf dem rechten Bein herum. Tränen sickerten aus den Augen. »Was ist denn?« erkundigte sich Dan. »Oh, meine Hand… die Hand… die Finger!« »Ihr Partner Steve übersah den Tiefschlagschutz, den anzulegen ich mir erlaubte. Er mußte während der Fahrt etwas hochge rutscht sein!« »Tiefschlagschutz?« Dan verstand nicht.
»Eine umschnallbare, dünne Stahlplatte«, erläuterte Parker höf lich, »sie muß die Finger geprellt haben!« »Gebrochen sind sie!« stöhnte Steve, dem plötzlich schlecht wurde. Er wurde kreideweiß und ließ sich auf einen einfachen Stuhl fallen. Stöhnend betrachtete er die Finger, die sich tatsäch lich nicht mehr bewegen ließen. »Dafür werden Sie büßen, Parker«, schimpfte Dan und zerrte an der Handfessel, »so lange wir hier in der Wohnung sind, stören Sie mich nicht.« Er wollte Parker durch ein Verdrehen seines Handgelenks in die Knie zwingen. Er wollte die Hebelkraft der Handschelle ausnutzen. Dan erlebte eine peinliche Überraschung. Parker reagierte überhaupt nicht. Er hielt dem Druck der Mus keln spielend stand. Dan mühte sich ab. Sein Ehrgeiz war geweckt. Die Adern auf der Stirn und an den Schläfen traten dick hervor. Er keuchte, biß die Zähne zusammen, aktivierte seine letzten Energien. Er wollte es schaffen und den Butler durch die Drehung von den Beinen bringen. Parker blieb unbeeindruckt. Ja, er schien – leicht übertrieben ausgedrückt – kaum etwas von Dans Anstrengungen zu merken. »Darf ich mich höflichst erkundigen, ob Sie unter Asthma lei den?« fragte Parker freundlich, als Dan immer lauter keuchte und stöhnte. Diese Frage brach Dan, bildlich gesehen, das Genick. Er rutschte förmlich in sich zusammen und wischte sich mit der freien Hand den Schweiß von der Stirn. Er konnte es einfach nicht fassen, daß Parker mit reiner Muskelkraft nicht zu schaffen war. Steve stöhnte inzwischen nur noch leise vor sich hin. Er ent puppte sich als äußerst wehleidiger Mensch. Er schien im Augen blick jedes Interesse an dem Butler verloren zu haben. »Darf ich jetzt Mr. Rander sehen?« wandte Parker sich fragend an Dan, »ich möchte meinen jungen Herrn doch nicht unnötig lange warten lassen.« »Ich werde noch wahnsinnig«, stöhnte Dan und verdrehte die Augen. »So was ist mir noch nie über ‘n Weg gelaufen!« »Verschieben Sie Ihren Wahnsinnsausbruch, wenn ich herzlich darum bitten darf«, entgegnete der Butler, »ich schlage vor, wir trennen uns in aller Form, sobald Mr. Rander wieder frei ist. Wir
sollten die Dinge auf keinen Fall persönlich nehmen und unnötig dramatisieren!« Vielleicht wäre Dan auf diesen Vorschlag eingegangen. Parker jedenfalls hatte diesen Eindruck durchaus. Dan deutete mit dem eckigen Kinn hinüber auf eine Tür neben dem Ausguß der Keller küche. Doch in diesem Moment bemerkte der Butler eine schattenhafte Bewegung vor den Fenstern zur Hofseite. Instinktiv, geschult zugleich durch seine Arbeit als Amateurkri minalist, witterte er Unheil. Parker warf sich zur Seite. Ganz gelang es nicht, denn schließlich war er mit Dan noch im mer fest verbunden. Doch dieses kurze Wegtauchen rettete ihm das Leben. Wieder einmal ratterte eine Maschinenpistole los. Bleigeschosse pfiffen und jaulten durch die Kellerküche. Dan stöhnte nur ganz leise auf, dann rutschte er langsam in sich zu sammen. Er riß Parker mit, der sich verständlicherweise über haupt nicht dagegen sträubte und sich nach dem Fußboden sehn te. Steve wurde wie von unsichtbaren Faustschlägen herumgewir belt, sprang vom Stuhl hoch, drehte sich halb um seine Längs achse und fiel gegen den Küchentisch. Dann sackte auch er halt los in sich zusammen. Parker, längst auf dem Boden liegend, vom massigen Körper Dans gedeckt, griff nach einem der vielen Kugelschreiber, die in seinen diversen Westentaschen steckten und warf ihn in Richtung der Hoffenster. Der Kugelschreiber fiel zu Boden und platzte krachend ausein ander. Eine dunkelgelbe Wolke wallte augenblicklich hoch und nebelte die Küche ein. Diese Nebelwand war derart dicht und kompakt, daß nichts mehr zu sehen war. Parker hatte nun Zeit genug, nach seiner Waffe zu greifen, die er prompt in seinem Sockenhalter fand. Um den Mörder mit der Maschinenpistole abzuschrecken, begann Parker mit seinem Stö rungsfeuer… *
Lieutenant Madford, Sergeant McLean und Mike Rander saßen auf dem sonnenüberfluteten Dachgarten und lauschten Parkers Bericht. Er ließ sich dennoch nicht von seinen Pflichten als ge schulter Butler abhalten. »… fand ich Mike Rander in jenem Nebenraum, den der Gangs ter Dan mit einer Kinnbewegung näher’ bezeichnete«, sagte er und richtete sich nach dem Servieren wieder zur stocksteifen Hal tung auf. »Mr. Rander ging es freundlicherweise gut.« »Ich hatte wirklich Glück gehabt«, schaltete Mike Rander sich ein, »diese beiden Schläger entführten mich zwar, doch sie küm merten sich nicht weiter um mich, nachdem sie mich in die Kel lerwohnung gebracht hatten. Ihnen ging es nur um Parker und die Ledertasche.« »Wo erwischte man Sie?« erkundigte sich Lieutenant Madford und nippte an seinem Drink. »Nachdem ich Helen Cardays Apartment verlassen hatte und in meinen Wagen steigen wollte«, sagte Mike Rander. »Wieso konnten Sie nach der Schießerei im Keller sofort wieder aufstehen?« fragte Sergeant McLean, »da war doch diese Hand schelle!« »Ich besaß selbstverständlich einen Reserveschlüssel«, erläu terte der Butler würdevoll. »Darf ich fragen, was aus Dan und Steve geworden ist?« »Sie sind schwer verletzt, aber sie leben und werden durch kommen«, gab Lieutenant Madford Auskunft. »Wir haben sie in zwischen identifizieren können. Es handelt sich um zwei Einzel gänger. Langgesuchte Gangster, die bereits auf der Fahndungslis te standen. Dan stammt aus New York. Steve hier aus Chikago.« »Haben Sie jemals mit irgendeiner Bande zusammengearbei tet?« erkundigte sich Mike Rander interessiert. »Wenn Sie die Gangs von Benny Ordens oder Stew Richards meinen, muß ich die Frage verneinen«, gab Madford zurück. »Wie gesagt, es handelte sich um Einzelgänger. Sie ahnten nicht, wie froh wir sind, daß wir sie hinter Schloß und Riegel bringen kön nen.« »Sind sie bereits vernehmungsfähig?« wollte Mike Rander wei ter wissen. »Viel war aus ihnen nicht herauszuholen«, schaltete Sergeant McLean sich ein. Im Gegensatz zu seinem schlanken, drahtigen
Vorgesetzten wirkte er wie ein Grislybär. »Sie sind stinkwütend auf ihren Auftraggeber, der sie mit einer Maschinenpistole um bringen wollte, aber sie wissen nicht, wer dieser Mann ist.« »Sie sind per Telefon engagiert worden«, erklärte Lieutenant Madford. »Sie kennen dieses Verfahren ja, Rander. Man infor miert sich in einschlägigen Kreisen über Killer und engagiert sie dann per Telefon und Vorschuß. Leider klappt diese Sache immer wieder.« »Haben Dan und Steve über den Auftrag gesprochen, den die ser Mann ihnen erteilte?« »Darüber schwiegen sie sich natürlich aus. Sie geben nur das zu, was man ihnen beweisen kann. Sie behaupten, man habe sie engagiert, um bei Ihnen und Parker Spielschulden einzutreiben. Eine ganz faule Ausrede, aber darauf versteifen sie sich erst ein mal.« »Haben Sie zugegeben, in Flagstaffs Wohnung gewesen zu sein?« »Natürlich nicht. Streiten sie ab. Auch von einer Zeitzünder bombe wollen sie nichts gewußt haben. Sie tun völlig ahnungslos. Aber keine Sorge, die weichen wir schon auf.« »Es dürfte also feststehen«, meinte Josuah Parker gemessen, »daß die beiden Gangster Dan und Steve von Met Hattings enga giert wurden. Die Frage wird brennend, Sir, wer ist dieser Met Hattings? Unter welchem Namen lebt er in Chikago?« »Los Angeles hat uns Fotos zugeschickt«, meinte Lieutenant Madford, »typische Gefängnisfotos. Nichts mit anzufangen. Und dazu noch über vierzehn Jahre alt.« »Aber es gibt schließlich Fingerabdrücke, die niemals altern«, sagte Mike Rander. »Ich schlage vor, wir besorgen uns nachein ander Prints von all jenen Leuten, die als Met Hattings in Betracht kommen können.« »Genau das ist der Weg«, erklärte Lieutenant Madford, »zählen wir doch mal auf, was sich da an möglichen Tätern anbietet…!« Während er redete, sah er den Butler fragend an. »Wenn Sie erlauben, Sir, beziehe ich mich ausschließlich auf zwei Personen«, sagte Parker. »Und die wären?« »Mr. Joe Seidon und Mr. Stew Richards.« »Wie kommen Sie denn auf Seidon?« wunderte Madford sich laut.
»Ich vermißte Mr. Seidon an einem Ort, an dem ich ihn mit größter Sicherheit erwartete«, erklärte Parker und dachte an den viereckigen Lichthof unterhalb des Dachgartens, »zudem kennt Mr. Seidon sich in der Schreinerei aus, die in Rauch und Feuer aufgegangen ist.« »Gut, und was ist mit Richards?« »Mr. Richards kennt diese Schreinerei selbstverständlich auch. Immerhin war er einmal ein enger Mitarbeiter von Mr. Ordens.« »Könnte nicht Ordens dieser sagenhafte Hattings sein?« Serge ant McLean sah den Butler fast grimmig an. »Ausgeschlossen«, sagte Josuah Parker, »dann hätten Dan und Steve niemals das bewußte Schriftstück in Mr. Flagstaffs Maschi ne zurückgelassen.« »Jetzt begehen Sie aber einen Denkfehler«, rief Lieutenant Madford fast begeistert aus, »Dan und Steve kennen ihren Auf traggeber ja gar nicht. Sie hatten den Auftrag, unterstellen wir das ruhig, Akten eines gewissen Met Hattings zu besorgen. Als sie in Flagstaffs Wohnung das angefangene Manuskript gegen Ordens sahen, mußten sie annehmen, daß sie eine bessere falsche Spur gar nicht legen konnten.« »Da ist was dran«, sagte Mike Rander und sah seinen Butler fragend an. »In der Tat«, räumte Josuah Parker ein, »ich stehe nicht an, auch Mr. Ordens auf die Liste der verdächtigen Personen zu set zen. Ich frage mich allerdings, warum ein Gangsterboß wie Mr. Ordens zwei fremde Killer engagiert, wo er doch mit Leuten die ses Schlages selbst reichlich gesegnet ist.« »Aus Tarnungsgründen«, meinte Sergeant McLean. »Gangsterbosse pflegen sehr, sehr vorsichtig zu sein«, erlaubte Parker sich zu sagen. »Sie lassen sich nicht gern in die Karten sehen. Aufträge dieser delikaten Art werden sie wohl in der Regel von ihren eigenen Leuten ausführen lassen. Aber wie gesagt, ich kann mich durchaus irren.« »Vergessen wir doch darüber nicht die Frage, von wem Flagstaff ermordet worden ist«, meinte Lieutenant Madford. »Waren es Dan und Steve? Eben im Auftrag dieses Met Hattings?« »Diese Frage wird uns Hattings selbst beantworten müssen«, erklärte Mike Rander nachdrücklich. »Halten wir uns an Finge rabdrücke. Die müssen doch leicht zu beschaffen sein.«
»Ich werde mich bemühen«, versprach der Butler, der sich an gesprochen fühlte. »Sie, Parker, werden sich überhaupt nicht mehr bemühen«, meinte Lieutenant Madford nachdrücklich, »was jetzt kommt, ist Sache der Polizei. Wirbel am laufenden Band können wir nicht gebrauchen. Tun Sie was für Ihre Gesundheit und legen Sie ‘ne Feierschicht ein.« »Darf ich dann wenigstens noch einige fast belanglose Fragen stellen, Sir?« »Schießen Sie schon los, Parker.« »Wie reagierte Mr. Ordens auf das Niederbrennen seiner Schreinerei?« »Er tobte, verlangte eine genaue Untersuchung und wußte na türlich überhaupt nicht, daß er und Seidon Sie dort eingesperrt hatten. Er streitet alles ab.« »Äußerte er einen bestimmten Verdacht, wer den Brand gelegt haben könnte?« »Er tat völlig ahnungslos.« »Konnte der Mann identifiziert werden, den ich aus der Schrei nerei zu bergen vermochte, Sir?« »Sie meinen den Burschen, der Sie in der Grube erschießen wollte? Doch, den kennen wir inzwischen. Ob es Ihnen nun paßt oder nicht, Parker, dieser Mann ist ein Angestellter von Ordens. Natürlich ein hartgesottener Gangster. Aber immerhin ein Or dens-Mann!« »Dies ist in der Tat mehr als überraschend«, räumte der Butler ein. »Mit solch einer Wendung hätte ich nicht gerechnet. Ich fürchte, ich werde gewisse Dinge noch einmal gründlich überden ken müssen.« »Denken können Sie, daran hindert Sie kein Mensch, Parker.« Madfords Stimme klang jetzt ernst. »Aber Hände weg von weite ren aktiven Ermittlungen! Haben wir uns verstanden?« »Darf ich Ihnen nachservieren?« erkundigte sich Parker, ohne Madfords Frage zu beantworten. * Unter dem fadenscheinigen Vorwand, sich im nahen LincolnPark ein wenig die Beine vertreten zu wollen, hatte Parker die
Dachgartenwohnung verlassen und sich hinunter in die Tiefgarage begeben. Bald darauf schon kutschierte er durch die Stadt. Er hatte die Absicht, einer gewissen Miß Helen Carday seine Aufwar tung zu machen. Sie wohnte in einem reizenden Bungalow in der Nähe des St. Lucas Friedhofes und sah den Butler mehr als erstaunt an, nach dem sie die Tür geöffnet hatte. Parker stellte sich in seiner unnachahmlichen Art und Weise vor und bat in Sachen Flagstaff um eine kurze Unterredung. »Kommen Sie herein, Mr. Parker«, sagte Helen Carday. Sie war hochgewachsen, langbeinig und schlank. Sie trug einen dunklen Hausanzug, der ihre Linien, wie es immer so umschreibend heißt, vorteilhaft unterstrich. »Mr. Rander hat mir bereits von Ihnen erzählt«, sagte sie und strich sich das lange braune Haar aus der Stirn. »Haben Sie schon etwas herausgefunden? Sind Sie Mr. Flagstaffs Mörder auf der Spur?« »Es deuten sich gewisse Umrisse an«, gab der Butler vage zu rück. Er legte seine schwarze Melone und den UniversalRegenschirm auf einem Stuhl ab und blieb höflich abwartend ste hen, nachdem Miß Carday auf einer riesigen Ledercouch Platz genommen hatte. »Aber so nehmen Sie doch Platz«, bat sie und machte dazu eine einladende Geste. »Erlauben Sie mir, stehen zu bleiben«, bat Parker, »ich kann Ihnen übrigens gleich und im voraus versichern, daß ich Ihre kostbare Zeit nicht lange in Anspruch nehmen werde.« »Ich habe Mr. Rander bereits erzählt, was ich weiß«, meinte sie und zog eine Zigarette aus der Packung, die vor ihr auf dem nied rigen Tisch mit der schweren Glasplatte lag. Bevor sie nach dem Feuerzeug greifen konnte, hielt Parker bereits seinen uralten Flammenwerfer einladend hin. Es handelte sich um ein Feuerzeug aus Messingblech, groß, klo big und abgegriffen. Die Flamme, die es produzierte, kam einem Schweißgerät gleich. Vorsichtig ließ Helen Carday sich Feuer ge ben. »Leider hatte ich bisher keine Zeit, mich mit meinen jungen Herrn zu unterhalten«, sagte Parker, »Sie erlauben, daß ich eini ge Fragen stelle?«
»Aber natürlich, sagte ich doch bereits«, gab die etwa knapp dreißigjährige Frau etwas nervös zurück. Sie maß den Butler im mer wieder mit schnellen, verstohlenen Blicken. Sie schien mit ihm nichts anfangen zu können. »Ich darf unterstellen, Miß Carday, daß Sie mit Mr. Flagstaff verlobt waren?« stellte der Butler seine erste Frage. »Wir waren sehr gut miteinander befreundet«, erwiderte sie. »Vielleicht wäre es später zu einer Verlobung gekommen, aber jetzt…« »Sie lernten Mr. Flagstaff in einer der Bars von Mr. Richards kennen, ja?« »Oh, Sie sind aber gut informiert«, sagte sie überrascht. »Ha ben Sie etwa auch Richards schon gesprochen?« »In der Tat«, gestand Parker, »ein reizender Mensch, wenn ich so sagen darf, ungewöhnlich tüchtig und wahrscheinlich auch äu ßerst energisch, nicht wahr?« »Stew… ich meine, Mr. Richards weiß genau, was er will. Mir ist er zu tüchtig gewesen«, sagte sie vorsichtig. »Aus diesem Grund habe ich mich auch von ihm getrennt.« »Miß Carday, könnten Sie sich möglicherweise etwas deutlicher ausdrücken?« fragte Parker höflich. »Lieber nicht«, meinte sie hastig. »Ich möchte mit Richards kei nen Ärger haben. Ich bin nur froh, daß ich nicht mehr für ihn ar beite.« »Sie halfen Mr. Flagstaff, nicht wahr?« »Richtig«, antwortete sie, »ich hielt seine Karteien in Ordnung und schrieb hin und wieder seine Artikel. Früher war ich mal Ste notypistin. Das war vor meiner Zeit, als ich Schauspielerin wer den wollte.« »Richtig, davon sprach Mr. Richards«, entgegnete der Butler. »Schreiben Sie alle Artikel von Mr. Flagstaff?« »Aber nein!« Sie schüttelte den Kopf, »Sie dürfen nicht verges sen, ich war ja nicht bei Mr. Flagstaff angestellt. Wenn ich mal für ihn tippte, dann aus reiner Freundschaft und weil er mich aus drücklich darum gebeten hatte.« »Mr. Flagstaffs Artikel waren meist ungewöhnlich scharf, nicht wahr?« »Oft zu scharf«, sagte sie. »Ich bat ihn einige Male, nicht so ät zend zu sein. Walt hörte aber niemals auf mich. Ich glaube, er hätte gar keine verbindliche Kritiken oder Artikel schreiben kön
nen. Das konnte er einfach nicht. Dabei war er in Wirklichkeit sehr empfindsam und verletzlich. Ich glaube, seine ätzende Schärfe und seine Ironie waren nur als Schutz gedacht.« »Ein Schutz, der aber keineswegs ausreichte«, gab der Butler gemessen zurück. »Es müssen die Artikel und Kritiken gewesen sein, die sein plötzliches Ende herbeiführten.« »Natürlich«, sagte Miß Carday sofort, »auch ich glaube, daß ir gendein Mensch sich an Walt gerächt hat.« »Fühlte Mr. Flagstaff sich bedroht? Haben Sie möglicherweise einen bestimmten Verdacht?« Sie sog nachdenklich an ihrer Zigarette und schaute einen Mo ment zu Boden. »Ich kann mich an einen bösen Streit erinnern, den Walt… ich meine Mr. Flagstaff mit Ordens hatte.« »Darf ich nähere Einzelheiten darüber erfahren?« »Ich weiß nicht, ob Sie Benny Ordens kennen«, schickte Helen Carday voraus, »Ordens besitzt eine Kette von Nachtklubs und billigen Kneipen. Mr. Flagstaff wollte über Ordens einen Artikel schreiben. Das weiß ich ganz sicher. Er sagte einmal, er wolle ihm endlich das schmutzige Handwerk legen. Was er damit allerdings meinte, weiß ich nicht, Mr. Parker.« »Ein sehr wertvoller Hinweis«, meinte Parker und nickte dank bar, »ich merke schon, daß mein Besuch sich hier bei Ihnen aus zahlen wird. In diesem Zusammenhang eine Frage: War Ihnen bekannt, daß Mr. Flagstaff rauschgiftsüchtig war?« Sie starrte ihn irritiert an. Doch dann nickte sie vorsichtig. »Er litt furchtbar darunter«, gab sie zurück, »er brachte diese Sucht aus dem Krieg mit. Nach einer Verwundung gewöhnte er sich an das Rauschgift. So wenigstens hat Walt mir das erklärt. Er wollte immer wieder davon wegkommen, doch er schaffte es nicht. Er lebte in ständiger Furcht, diese Dinge könnten an die Öffentlichkeit durchsickern.« »Wo verschaffte er sich dieses Gift? Etwa bei Stew Richards?« tippte der Butler an. »Bei Richards?« wunderte sie sich sichtlich. »Ausgeschlossen! Wenn schon, dann nur bei Ordens!« »Sind Sie sicher, Miß Carday, daß es in Stew Richards’ Klubs kein Rauschgift zu kaufen gibt?« »Dazu äußere ich mich nicht«, gab sie kurz angebunden zurück. »Finden Sie das besser selbst heraus, Mr. Parker!«
»Haben Sie den Namen Met Hattings schon einmal gehört?« stellte der Butler seine nächste Frage. Sie schüttelte nur den Kopf. »Ich bedanke mich für Ihre Auskünfte«, meinte Parker und griff nach Melone und Regenschirm, »ich glaube, Sie haben mir wert volle Hinweise geliefert, aber das sagte ich ja bereits! Ich hoffe, den Mörder Mr. Flagstaffs bald stellen zu können. Sie werden in jedem Fall von meiner bescheidenen Wenigkeit hören.« Sie brachte Parker zur Tür des Bungalows und entließ ihn mit einem freundlichen Nicken. Parker ging zurück zu seinem hoch beinigen Monstrum und warf dabei gewohnheitsmäßig einen prü fenden Blick in die Runde. Ihm fiel ein dunkelgrüner Wagen auf, der auf der anderen Stra ßenseite stand. Parker hatte nichts gegen den Bildungsdrang einzelner Bürger. Ihm gefiel nur nicht, wie verbissen dieser Mann las und wie kurz sichtig er sein mußte. Er hielt die ausgebreitete Zeitung dicht vor die Nase und schien die Buchstaben förmlich in sich einschnüffeln zu wollen. Vorgewarnt, schritt der Butler weiter auf seinen Wagen zu. Er kürzte den Weg allerdings etwas ab und tat plötzlich so, als sei er gestolpert. Dieses gekonnte Stolpern brachte ihn scheinbar un gewollt, aber blitzschnell an seinen Wagen heran. Der Zeitungsleser im Wagen auf der anderen Straßenseite ver lor sein Interesse an der Lektüre. Er hielt plötzlich eine Maschinenpistole in der Hand und ließ sie in Richtung auf Parker Feuer spucken. Der Butler befand sich bereits in Sicherheit. Die Geschosse zischten seitlich an ihm vorbei und lädierten die Hausfront des Bungalows, in dem Miß Carday wohnte. Dann ließ der Schütze seinen Wagen loszischen und ergriff et was überhastet die Flucht. Sein Gesicht war übrigens nicht zu erkennen gewesen. Eine Sonnenbrille, ein tief in die Stirn gezo gener Hut und der hochgeschlagene Rockkragen wirkten wie eine erstklassige Maske. Josuah Parker schaute dem davonjagenden Wagen indigniert nach. Er verzichtete darauf, die Verfolgung aufzunehmen. Sie war inmitten des Straßenverkehrs ohnehin aussichtslos und hätte nur Unschuldige in Gefahr gebracht.
Zudem mußte er Miß Carday beruhigen, die vor Angst zitternd nun in der Tür stand und einem mittelschweren Nervenzusam menbruch sehr nahe war. * »Wenn Sie sich einen kleinen Moment gedulden wollen, Miß Carday, werde ich sofort die zuständige Polizei alarmieren«, sagte Parker höflich. »Begeben Sie sich inzwischen zurück ins Haus und harren Sie in aller Ruhe der Dinge, die da mit einiger Sicherheit kommen werden. Zu Ihrer Beruhigung möchte ich Ihnen mittei len, daß dieser Mordanschlag meiner bescheidenen Person galt.« Er ließ ihr listigerweise keine Zeit zu einer Entgegnung. Bevor sie ihn mit Fragen bestürmen konnte, saß der Butler bereits in seinem hochbeinigen Monstrum und fuhr los. Es paßte ihm ausgezeichnet, daß ihm schon nach wenigen Se kunden ein aufgescheuchter Streifenwagen der Polizei entgegen kam. Parker wußte nun, daß die Polizei bereits von anderer Stelle informiert worden war. Er brauchte nicht anzuhalten und konnte seiner Ansicht nach sofort weiterfahren. Nach knapp zwanzig Minuten befand er sich vor dem Nachtklub Benny Ordens, der bereits geöffnet war. Parker legte sich den Universal-Regenschirm korrekt über den linken Unterarm und betrat die große Bar. Hier stieß er fast mit dem Manager Seidon zusammen. Joe Seidon schnappte förmlich nach Luft, als der But ler plötzlich vor ihm stand, und hüstelte nervös. »Ich wünsche einen erfreulichen und erfolgreichen Abend«, sag te der Butler, »läßt es sich zufälligerweise einrichten, daß ich Mr. Ordens sprechen kann?« »W… w… warten Sie«, stotterte Joe Seidon und wollte davonei len. Parker hielt ihn geschickt mit dem Bambusgriff seines Regen schirms fest. Dazu hakte er die Krücke, wie man im Volksmund zu sagen pflegt, um den Oberarm des Klubmanagers. »Eine kleine Sekunde noch«, sagte Parker dann freundlich. »Haben Sie jemals in Los Angeles gelebt?« »Ich…? Ja, natürlich… früher mal. Was soll die Frage?« »Sie haben sich möglicherweise niemals Met Hattings ge nannt?«
»Blödsinn…! Warten Sie, ich sehe nach, ob der Chef für Sie zu sprechen ist.« »Lassen Sie sich inzwischen einfallen, wohin Sie mich diesmal bringen wollen. Die Schreinerei dürfte ja ausgefallen sein!« Joe Seidon schluckte. Dann machte er sich davon und ver schwand hinter einer Tür neben der Bartheke. Josuah Parker sah sich im Nachtklub um. Hier war es noch fast leer. Vor zweiund zwanzig Uhr war hier nicht mit Betrieb zu rechnen. Und jetzt war der Abend gerade erst angebrochen. »Kommen Sie, Parker«, sagte Seidon knapp, als er zurückge kommen war, »aber keine Mätzchen, wenn ich bitten darf!« »Ihr Bedarf daran dürfte wohl gedeckt sein, nicht wahr?« fragte der Butler gemessen zurück, »Ich kann es verstehen! Gewisse Netze, wenn ich mich so ausdrücken darf, ziehen sich langsam zu.« Er folgte Seidon ins Büro Benny Ordens’, das er ja bereits kann te. Ordens, der glatzköpfige Bulldoggentyp, stand neben seinem Schreibtisch und starrte den Butler wütend an. »Sie haben Nerven«, stieß er dann hervor, »daß Sie sich über haupt noch hertrauen!« »Trauern Sie dem Verlust Ihrer Schreinerei nicht unnötig nach«, schlug Parker vor. »Materielle Werte lassen sich ersetzen. Aber stellen Sie sich vor, wenn mir etwas passiert wäre. Wie peinlich dann für mich! Ich kann von Glück sagen, daß ich meine beschei dene Person noch zu retten vermochte. Sie ahnen ja nicht, in welch ein Flammenmeer sich die Werkstatt verwandelt hatte.« »Ich hätt’ nichts dagegen gehabt, wenn Sie im Feuer geblieben wären«, sagte Ordens rundheraus, eine Bemerkung, die unge mein unvornehm war, wie Parker fand. »Wer hätte dann den Mordfall Flagstaff klären sollen?« fügte der Butler bescheiden hinzu. »Sie sollten froh sein, wenn ich Sie von einem Verdacht befreien kann. Sie wissen doch, daß die Polizei Ihnen nicht sonderlich über den Weg traut nicht wahr?« »Was wollen Sie?« erkundigte sich Ordens, »ich sage Ihnen gleich, daß man Seidon und mir nichts anhängen kann. Beweisen Sie erst mal, daß wir Sie in die Schreinerei gesperrt haben!« »Wir wollen mit diesen unnötigen Spielereien doch keine Zeit verlieren«, schlug der Butler vor. »Wie korrekt ich bin und war, mögen Sie daraus ersehen, daß ich die Polizei von den beiden restlichen Seiten des Flagstaff-Manuskripts nichts gesagt habe.«
»Sie sind an dem Geschäft noch immer interessiert? No, glaube ich Ihnen einfach nicht, Parker. Sie wollen mir nur eine Falle stel len.« »Natürlich, das ist nach wie vor meine erklärte Absicht«, ge stand Josuah Parker, »mir geht es darum, Sie und Ihren Ge schäftsführer hinter Schloß und Riegel zu bringen. Warum sollte ich das abstreiten?« »Sie sind verdammt offen. Nicht allein gekommen, wie?« »Ich bin allein gekommen«, entgegnete der Butler. »Warum sollte ich mit einer Streitmacht erscheinen? Damit würde ich Ih nen doch nur unnötige Ehre antun.« »Wollen Sie mich reizen, Parker?« fauchte Ordens los. »Ich wollte Ihnen einige Fragen stellen. Mich beschäftigt die Frage, wer mich wohl erschießen wollte, als ich in der bewußten Grube voller Sägespäne saß… Gewiß, es war einer von Ihren An gestellten. Ich konnte den Mann aus dem Feuer retten und ihn der Polizei übergeben. Dabei stellte sich heraus, daß einer Ihrer Angestellten auf mich schoß. Von wem mag er diesen Auftrag erhalten haben?« »Von mir auf keinen Fall! Wäre ja unlogisch gewesen; oder etwa nicht? Seidon war ja unterwegs zu Ihrer Wohnung, um die beiden restlichen Blätter zu holen.« »Unterwegs schon, doch er kam nie an«, erklärte Josuah Par ker. »Meine Frage also an Sie, – Mr. Seidon: Warum zogen Sie es vor, meine Räume zu meiden? Ich bin sicher, Sie haben Mr. Or dens bereits mit einer guten Erklärung dienen können.« »Ich hab’ mit einer Falle gerechnet«, sagte Seidon prompt. »Und in die war’ ich ja auch wohl hineingerannt, oder?« »In der Tat«, meinte Parker und gestattete sich den Anflug ei nes distanzierten Lächelns »oder wurden Sie anderweitig benö tigt?« »Wie… wie soll ich das verstehen?« »Mußten Sie nicht vielleicht den Mann überwachen, der mich in der Grube erschießen sollte?« »Sie sind wohl wahnsinnig, wie?« brüllte Seidon gereizt los. »Wie kommen Sie zu dieser Behauptung?« »Wer außer Ihnen und Mr. Ordens wußte denn davon, daß man mich in die bewußte Schreinerei verbrachte?« fragte Parker spitz findig.
Ordens und Seidon sahen sich fragend an, antworteten jedoch nicht. »Lassen Sie mich die Frage anders stellen«, redete der Butler weiter, »wußte ihr früherer Mitarbeiter Richards von der Schreine rei? Wußte er, daß Sie in der Schreinerei ein Rauschgiftdepot an gelegt hatten?« »Rauschgift?« echote Ordens endlich. Seine Stimme klang nun belegt. »Richtig, ich vergaß Ihnen mitzuteilen, daß ich gewisse Entde ckungen machen konnte«, führte der Butler weiter aus, »Mr. Ri chards lernte ja wohl bei Ihnen, wie schnell man damit gute Ge schäfte machen kann. Deshalb konnte er sich auch recht unge stört selbständig machen. Sie fürchteten, er könnte der Polizei einen Tip geben.« »Was Sie nicht alles wissen«, meinte Ordens gefährlich leise. »Was haben Sie in der Schreinerei entdeckt, he?« »Ich fürchte, hinsichtlich dieser Entdeckung werde ich nur die Polizei informieren können«, bluffte der Butler weiter, »aber ver gessen Sie nicht, daß ein Feuer die Angewohnheit hat, gewisse Verstecke preiszugeben. Ich will aber eingestehen, daß mir der Zufall wieder einmal behilflich war.« »Sie bluffen doch nur!« sagte Seidon. »Ich sah eine Art Trampelpfad im Staub der sonst völlig unge pflegten Schreinerei«, setzte Parker den beiden betroffenen Gangstern auseinander. »Schon allein dieser Hinweis machte mich das, was man stutzig werden nennt. Später, nachdem ich mich befreien konnte, knüpfte ich an diese Beobachtung an und zog hieraus meine Schlüsse.« »Lächerlich!« knirschte Ordens zwischen den Zähnen. »Sie vergessen, daß ich den Inhalt der beiden restlichen Manu skriptseiten kenne«, redete der Butler geschickt weiter, »ich möchte Ihnen soviel verraten, daß Flagstaff Ihnen darin und da mit endgültig das Handwerk legen wollte. Gewiß, er versorgte sich in Ihren Betrieben mit Rauschgift, doch er wollte damit Schluß machen. Er war entschlossen, den Trennungsstrich zu zie hen. Man sagt wohl dazu: Ohne Rücksicht auf Verluste, nicht wahr?« Seidon und Ordens schwiegen. »Ganz zu schweigen von dem Streit, den Sie mit Mr. Flagstaff hatten«, redete der Butler weiter und schmiedete das Eisen, so
lange es noch heiß war. »Es gibt Ohrenzeugen dieses Streites! Sie können ihn nicht wegleugnen.« »Sie können erzählen, was Sie wollen, ich habe Flagstaff nicht umbringen lassen«, sagte Ordens endlich langsam und fast be dächtig. »Hätten meine Leute sonst dieses verdammte Manu skript in der Maschine gelassen?« »Diese Selbstbelastung kann ein ungemein geschickter Trick gewesen sein«, gab Parker zu bedenken, »ich möchte Ihnen sa gen, daß ich Sie auf keinen Fall unterschätze.« »Wir Sie auch nicht«, erwiderte Ordens und grinste tückisch, »deswegen werden wir eine kleine Ausfahrt unternehmen. Was halten Sie davon?« Parker erinnerte sich, eine ähnliche Situation schon mal erlebt zu haben. Durch die Nebentür marschierten zwei gute alte Bekannte her ein. Es handelte sich um die Muskelpakete und Kleiderschränke Eisen-Lemmy und Messer-Harry. Es braucht nicht besonders betont zu werden, daß sie selbstver ständlich Schußwaffen bei sich trugen. »Erstaunlich«, bemerkte der Butler, ohne sich aus seiner Ruhe bringen zu lassen, »ich darf wohl annehmen, daß man Sie gegen Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen hat, ja?« »Erraten«, gab Ordens ironisch zurück, »Lemmy und Harry freuen sich schon darauf, Ihnen was zu erzählen. Ob Sie’s glau ben oder nicht, Parker, sie sind verdammt nachtragend!« * Man hatte darauf verzichtet, Parkers hochbeiniges Monstrum zu benutzen. Lemmy und Harry waren aus verständlichen Gründen dagegen gewesen. Sie wollten nicht noch einmal eingeschläfert werden. Man saß also einträglich in einem großen, bequemen Ford und fuhr durch die strahlend hell erleuchtete Stadt. Die vielen bunten Reklamelichter waren inzwischen eingeschaltet worden. Seidon hatte das Steuer des Wagens übernommen. Neben ihm saß Ordens, der nervös auf einer dicken Zigarre kaute. Auf dem Rücksitz hatte Parker zwischen den beiden Muskelpaketen Lemmy und Harry seinen Platz.
Sie sahen noch recht mitgenommen aus. Pflaster zierten ihre Gesichter. Dennoch waren Hautabschürfungen und einige Kratzer deutlich zu erkennen. Die alten Damen des Stifts mußten unge niert zugelangt haben. Lieutenant Madford hatte wirklich nicht übertrieben. Während der Fahrt durch die Stadt vergewisserten die vier Gangster sich immer wieder, ob sie auch nicht verfolgt wurden. Parker hätte es ihnen leicht sagen können. Er wußte nur zu gut, daß er sich wieder einmal etwas zu weit vorgewagt hatte. Für eine Rückendeckung hatte er leider keine Sorge getragen. Er mußte sich auf seinen Witz und auf seinen Einfallsreichtum ver lassen, wenn er mit heiler Haut aus dieser Affäre herauskommen wollte. Die fast halbstündige Fahrt endete im Süden der Stadt im Jachthafen. Im Schutz einer weiten Mole waren Boote aller Typen festgemacht. Um diese Zeit waren kaum noch Boote unterwegs. Es herrschte sogar eine unangenehme Leere, wie der Butler beim Aussteigen vor einem Bootshaus feststellte. Lemmy und Harry ließen den Butler nicht aus den Augen. Seidon und Ordens gingen voraus. Sie passierten das Bootshaus und steuerten auf einen niedrigen Holzschuppen zu, von dem aus ein Steg weit in den Hafen hinausführte. Wenig später mußte Parker bereits an Bord einer ansehnlichen Motorjacht klettern. Er war inzwischen nach Waffen und sonstigen Überraschungen abgeklopft worden. Parker war, wie man in Kreisen der Unterwelt zu sagen pflegt, gründlich gefilzt worden. Die Gangster glaubten sicher zu sein, daß er sich aus eigener Kraft nicht mehr helfen konnte. Belassen hatten sie ihm allerdings ein Feuerzeug und die diver sen Kugelschreiber. Wer hätte schon auf solche Utensilien geach tet? Zudem verfügte Parker noch über seine Pillendose und sein Zigarrenetui. Seidon übernahm das Steuer der Motorjacht. Nachdem er die Positionslichter eingeschaltet hatte, ließ er den starken Motor an springen und steuerte von dem Steg weg hinaus ins offene Was ser. Parker saß auf einem Deckstuhl und hätte sich der lauen Nacht erfreuen können, wenn Ordens ihm nicht gewisse Verheißungen gemacht hätte.
»Diesmal sind Sie reif, Parker«, sagte er grimmig, »Sie sind mir lange genug in die Quere gekommen! Sie haben es sich nun mal in den Kopf gesetzt, daß ich Flagstaff ermordet habe… Reiner Un sinn! Aber nachdem Sie den Koks gefunden haben… Mehr brau che ich Ihnen ja nicht zu sagen.« »Darf ich Ihren Worten entnehmen, daß Sie mich umzubringen gedenken?« »So ungefähr«, antwortete Ordens. »Sie würden mich ja sonst ans Messer liefern!« »Sie vergessen die beiden Manuskriptseiten, Mr. Ordens!« »Zum Teufel damit! Wer beweist denn, daß das alles stimmt, was darin steht!« »Sie vergessen ferner, wenn ich Sie daran erinnern darf, das von mir gefundene Rauschgift«, bluffte der Butler weiter. »Wer sagt denn, daß Sie’s bei mir gefunden haben?« Ordens lachte triumphierend auf. »No, mir kann man überhaupt nichts beweisen. Und das nutze ich jetzt aus!« »Ich muß gestehen, daß Ihre Worte dazu angetan sind, mich zu beunruhigen«, sagte Parker gemessen. »Demnach sind weitere Verhandlungen wohl sinnlos, nicht wahr?« »Scheint so«, gab Ordens zurück. »Hätten Sie sich an Richards gehalten, wären Sie weitergekommen.« »Es stimmt also, daß auch Richards mit Rauschgift handelt, nachdem er sich von Ihnen trennte, ja?« »Stimmt alles, Parker.« Ordens lachte auf. »Nach Ihnen wird Richards an die Reihe kommen. Er, nur er allein kann die Schrei nerei angezündet haben. Er kannte sie in- und auswendig. Er wird sich wundern, wenn ich losschlage.« »Ich fürchte, mir wird etwas unwohl«, stotterte Parker mit leiser Stimme fest. Er griff sich ans Herz und sah in diesem Augenblick tatsächlich ungemein leidend aus. »Angst, was?« Ordens beugte sich vor, um Parker besser beo bachten zu können. »Eine gewisse Angst kommt hinzu«, räumte der Butler ein. »Gestatten Sie, daß ich eine meiner Herzpillen zu mir nehme?« »Aufpassen, Lemmy und Harry«, kommandierte Ordens, gleich zeitig nickte er Parker zu. »Ich möchte doch lieber eine meiner Zigarren rauchen«, änder te der Butler seine Absicht, als Lemmy und Harry ihre Handfeu erwaffen betont auf ihn richteten.
»Genießen Sie die Zigarre«, höhnte Ordens. »Es wird Ihre letzte sein!« Parker holte betont vorsichtig das abgegriffene Etui hervor und klappte es auf. Lemmy und Harry ließen ihn nicht aus den Augen. Sie blieben mißtrauisch. Parker ließ sich jedoch nicht stören. Er wählte eine der schwarzen, großen Zigarren aus und fischte nach seinem Feuerzeug. All diese Bewegungen wirkten harmlos. Sie gehörten einfach zu der Absicht, sich eine Zigarre anzuzün den. Parker hielt die Zigarre in der Hand. Die stumpfe Spitze zeigte dabei gewollt auf die beiden Muskelpakete. Dann drückte Parker auf ein loses Deckblatt. Wenigstens sah es danach aus. In Wirk lichkeit aber zündete er die Feinschrotladung, die sich in dieser Zigarrenattrappe befand. Mit Rauch und Feuer löste sich die Ladung. Der Feinschrot spritzte auseinander und belästigte die beiden völlig überraschten Gangster. Sie brüllten vor Überraschung auf und vergaßen im Moment ihre Handfeuerwaffen. Dieses Zögern nutzte der Butler geschickt für seine weiteren Pläne und Absichten aus. Während Lemmy und Harry nach den vielen kleinen Wunden im Gesicht und am Hals suchten, schlug er ihnen mit seiner stahl blechgefütterten Melone die Waffen aus den Händen. Ordens wollte retten, was noch zu retten war. Er warf sich zurück, duckte sich ab und zog gleichzeitig seine Automatik. Er prallte entsetzt zurück, als Parker sein Feuerzeug aufspringen ließ. Eine fast meterlange Flammenzunge bleckte aus der Düse her vor. Das Feuerzeug war wirklich zu einem Flammenwerfer gewor den. Entsetzt wollte Ordens sich zurückziehen, doch er prallte mit Seidon zusammen, der vom Ruderstand heruntergeeilt kam. Dadurch entging Parker einem Schuß, den Seidon anbringen wollte. Bevor Seidon den zweiten Schuß lösen konnte, schleuder te Parker ihm die Melone an den Kopf. Nach einem dumpfen Laut sackte Seidon in sich zusammen. Erst jetzt merkte Parker, daß Ordens offensichtlich vom ersten Schuß seines Managers getroffen worden war. Stöhnend und nach Luft schnappend hockte der Bandenchef am Boden, das
heißt, an Deck und hatte keine Lust mehr, sich mit dem Butler anzulegen. Parker sammelte die diversen Waffen blitzschnell ein. Dann kümmerte er sich um Lemmy und Harry, die noch damit beschäftigt waren, sich des Feinstschrots zu entledigen. Parker scheuchte Lemmy, Harry und den gerade wieder zu sich kom menden Seidon hinunter in die Kabine. Dann schloß er von außen die Tür und kümmerte sich um Ordens. Die Verletzung war harmlos. Ordens hatte nur eine leichte Fleischwunde davongetragen. Er stöhnte allerdings fürchterlich. Er schien sehr wehleidig zu sein. »Beeilen wir uns, damit der Polizeiarzt sich um Ihre Verletzun gen kümmern kann«, meinte der Butler. »Ich schlage vor, daß Sie nun das Ruder übernehmen. Ich möchte mir den gesamten Oberbefehl vorbehalten.« Ordens humpelte hinauf in den Ruderstand und bewegte das Ruder. »Im Interesse einer ärztlichen Versorgung möchte ich Ihnen anempfehlen, auf dem schnellsten „Weg zurück zum Jachthafen zu fahren«, rief Parker ihm zu, »möglicherweise brauchen Sie eine Blutkonserve, Mr. Ordens.« Diese wirklich mehr als übertriebene Warnung beflügelte Or dens. Er verzichtete auf alle Tücken und beeilte sich wirklich, zu rück in den Jachthafen zu gelangen. Als die Motorjacht die Mole passierte, feuerte Parker aus den Beutewaffen eine Serie von Schüssen ab. Ihm ging es darum, die Polizei zu alarmieren. Bei aller Geschicklichkeit, die er besaß, wollte er die vier Gangster nicht allein aus dem Boot herausschaf fen. Dabei hätte es immerhin zu Komplikationen kommen kön nen. Parkers Vorsorge zahlte sich aus. Als die Jacht den Steg erreichte, wartete bereits die Besatzung zweier Polizeistreifenwagen ungeduldig auf das Festmachen: Die Polizeibeamten brannten darauf, etwas für ihr Gehalt zu tun! *
»Man sollte Sie aus der Stadt verbannen«, sagte Lieutenant Madford etwa gegen Mitternacht zu Josuah Parker. »Sie schaffen nur Unruhe!« »Und bringt dadurch Gangster ins Gefängnis«, warf Mike Rander lächelnd ein. »Beklagen Sie sich nicht, Madford, im Grunde sind Sie doch heilfroh, daß Sie Ordens endlich hinter Schloß und Riegel bringen können!« »Na ja!« Madford grinste. »Was Ordens anbetrifft, so hat sich die Unruhe wirklich gelohnt. Endlich haben wir ihn am Wickel. Schade nur, daß Seidon uns entwischt ist.« »Wie darf ich Ihre Worte auslegen, Sir?« erkundigte sich der Butler, der heißen Kaffee servierte. »Seidon ist der Streife entwischt«, berichtete Madford, »und das passierte ausgerechnet vor der Polizeistation! Die Fahndung nach ihm läuft bereits auf Hochtouren.« »Met Hattings?« sagte Anwalt Rander bedeutungsvoll. »Wer weiß«, gab Madford zurück, »möglich wäre das ohne wei teres. Seidon hat schließlich in Los Angeles gelebt, wie Parker uns ja gesagt hat. Na, wir haben ja seine Fingerabdrücke! Ich lasse sie bereits auswerten und vergleichen. In spätestens einer Stunde wissen wir, ob er mit Met Hattings identisch ist.« »Haben Sie Stew Richards bereits unter die Lupe genommen?« fragte Mike Rander. »Ein paar von meinen Leuten sitzen in seinen Bars herum und warten darauf, heimlich seine Fingerabdrücke abzunehmen. Bis her hat’s noch nicht geklappt.« »Sagen Sie, Madford, haben wir den Kreis der möglichen Täter nicht zu eng gezogen?« gab Mike Rander zu überlegen, »denken Sie an die vielen Menschen, die Flagstaff liebend gern umge bracht hätten.« »Diese Suche geht parallel natürlich weiter«, beruhigte Madford den jungen Anwalt, »aber vergessen Sie nicht, daß die Kartei von Flagstaff sich in Schutt und Asche aufgelöst hat. Wir müssen re konstruieren, wer alles von Flagstaff aufgespießt worden ist. Nach seiner Ermordung stößt man auf eine Mauer des Schweigens. Wer will nur entfernt mit solchen Dingen zu tun haben?« Madford drückte seine Zigarette aus und wandte sich dann Parker zu: »Sagen Sie, Parker, ich habe da eine geheimnisvolle Entdeckung gemacht.« »In welcher Beziehung, Sir?«
»In der Waffe von diesem Dan fanden meine Spezialisten im Schalldämpfer eine komische Metallkapsel. Sie wird gerade mit aller gebotenen Vorsicht untersucht.« »Woher soll Parker wissen, was mit dieser Kapsel los ist?« woll te Mike Rander fast empört wissen. »Wir fanden einen Fingerabdruck von ihm darauf«, meinte Mad ford auflachend, »erfreulich, daß so etwas auch einem Mr. Parker passieren kann.« »Sie brauchen Ihre Spezialisten nicht mehr zu bemühen, Sir«, erklärte Josuah Parker höflich, »in dieser Kapsel befindet sich ein Miniatursender, der auf einer festen Frequenz sendet und einen Dauerimpuls ausstrahlt.« »Sagenhaft«, staunte Madford, »und wozu brachten Sie diese Kapsel ausgerechnet im Schalldämpfer unter?« »Ich wollte später diesen Sender anpeilen lassen, um herauszu finden, wo Mr. Dan sich aufhält und mit wem er Verkehr pflegt. Darüber hinaus hätte ein schießender Gangster, in diesem Fall also Dan, keineswegs sein Opfer getroffen, wenn er abgedrückt hätte.« »Stimmt haargenau«, sagte Madford lakonisch, »das Geschoß wäre zu einem Rohrkrepierer geworden… Mann, Parker, Sie las sen sich da Sachen einfallen! Also gut, die gibt’s gar nicht, wenn ich’s nicht besser wüßte!« »Ich bin nur ein bescheidener Bastler«, wehrte der Butler alle Lobpreisungen ab. »Ich wünschte mir, bessere Einfälle zu haben, um den Mörder Mr. Flagstaffs endlich ausschalten zu können. Die ser Mann mit der Maschinenpistole wird in der Tat mehr als läs tig.« »Wie vor Miß Cardays Haus, nicht wahr?« fragte Madford iro nisch. »Sie haben einen erstaunlichen Aktionsradius, Parker. Ist für diese Nacht noch etwas von Ihnen geplant?« »Ich werde mir erlauben, mich der Ruhe hinzugeben«, entgeg nete der Butler, »ein müder, alter und verbrauchter Mann braucht seinen Schlaf.« »Mit anderen Worten, wir sollen verschwinden, wie?« Lieutenant Madford lächelte und drückte seine Zigarette aus, »schon ver standen, Parker. Deutlicher hätten Sie’s gar nicht ausdrücken können.« »Ich erlaube mir, Sie zur Tür zu begleiten, Sir«, sagte Parker, ohne irgendwelche Einwände gegen Madfords Verabschiedung zu
machen. Er brauchte freie Hand und sehr viel zeitlichen Spiel raum. Gerade für diese Nacht. Parker hatte nämlich vor, nicht nur Met Hattings zu entlarven, sondern er wollte dem Mörder Flagstaffs endlich das Handwerk legen! * Parker hatte nach kurzer Fahrt die Sagamon Street erreicht und verließ sein hochbeiniges Monstrum. Er kannte bereits das graue Mietshaus mit der Bar, dem Schnellimbiß und der Schnellwäsche rei. Um diese Zeit – Mitternacht war längst vorüber – war Stew Ri chards Bar mit Sicherheit gut besucht. Das ersah Parker schon an den parkenden Wagen beiderseits der Straße. Er verzichtete darauf, sich in der Bar nach Richards umzusehen. Er betrat den Schnellimbiß mit dem langen Tresen und den fest geschraubten Drehstühlen davor. Nachtschwärmer ließen sich Leckerbissen reichen. Die beiden Köche hatten alle Hände voll zu tun. Man konnte sie durch eine große Glasscheibe in ihrer modern ausgestatteten Küche beobachten. Parkers Erscheinen erregte selbstverständlich wieder einiges Aufsehen. Angetan mit seinem schwarzen Zweireiher, dem steifen Eckkragen, der schwarzen Krawatte, seiner Melone und dem Re genschirm schien der Butler einem Film entstiegen zu sein, der in den höchsten englischen Kreisen spielt. Parker ging weit nach hinten in den Schnellimbiß und bestellte sich bei einem der Keeper eine Tasse Kaffee. Dann erkundigte er sich diskret nach den Toilettenräumen. Seine Vermutung hatte ihn nicht getrogen. Um diese Räume zu erreichen, mußte Parker erst einmal durch einen langen Korridorgang. Von diesem Korridorgang aus zweig ten einige Türen ab. Er prüfte sie nacheinander. Sie waren fest verschlossen. Hinter der letzten Tür war deutlich die Musik einer kleinen Barcombo zu hören. Diese Tür interessierte den Butler ungemein. Die Combo konnte ja nur in Stew Richards Bar spielen. Es war deutlich zu hören, daß es sich nicht um Tonbandmusik handelte.
Parker beugte sich zum Schlüsselloch hinunter und benahm sich im Grunde nicht besonders vornehm. Er schaute nämlich durch dieses Schlüsselloch und unterschied sofort die verschiedenen Einrichtungsgegenstände eines spartanisch eingerichteten Büros. Dennoch griff er in seine Hosentasche und fingerte nach seinem Spezialbesteck. Dann führte er einen der seltsam geformten Schlüssel in das Schloß hinein und überredete die Zuhaltung des Schlosses, sich möglichst und schnell komplikationslos zu erge ben. Seine Überredungskünste fruchteten. Innerhalb weniger Sekunden konnte er die Tür aufdrücken. Nach einem prüfenden Blick schlüpfte er in dieses Büro hinein und drückte die Tür hinter sich ins Schloß. Neben einem Aktenschrank blieb er stehen und informierte sich. Die Musik kam durch eine nur angelehnte Tür, hinter der Parker einige befrackte Kellner herumlaufen sah. Diese Männer hatten alle Hände voll zu tun, um Trinkwaren hinüber in die Bar zu schleppen. Von diesem Korridore aus kam auch die jetzt laute Musik der Combo. Parkers Aufmerksamkeit wurde von einer zweiten Tür geweckt. Sie war fest verschlossen, führte aber wahrscheinlich in ein zwei tes Büro hinein. Der Butler schritt würdevoll an den beiden Schreibtischen vorbei und blieb vor dieser Tür stehen. Er hörte Stimmen und mußte dann überrascht zur Seite treten, als diese Tür vom anderen Raum aus fast ruckartig aufgedrückt wurde. Stew Richards kam ins Büro. Er konnte den Butler nicht sehen, denn Parker hatte sich hinter der aufgeschwenkten Tür aufgebaut und wartete erst einmal ab. Es war ja nicht seine Art, sich aufzudrängen und sich in den Vor dergrund zu spielen. Zudem wollte Parker nicht stören, Stew Richards war schließlich nicht allein. Neben ihm ging ein sehr gut und teuer gekleideter Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, der gerade einen Briefum schlag in die Innentasche seines Jacketts steckte. »Gehen Sie besser sofort«, sagte Richards, »ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie jetzt noch länger in meiner Bar herumsitzen wollen, oder?« »Worauf Sie Gift nehmen können«, sagte der Mann. »Wann kann ich wiederkommen?«
»Jederzeit«, erwiderte Richards. »Ich liefere Ihnen, was Sie wollen. Sie brauchen nur vorher anzurufen…!« Er geleitete den Mann bis zur Tür des Büros, hinter der die be frackten Kellner hin und her eilten. Dann schloß er diese Tür und wollte zurück in sein Privatbüro gehen. »Erschrecken Sie bitte nicht«, machte Parker sich in diesem Moment bemerkbar, »ich fürchte, ich habe mich in Ihren Räum lichkeiten verlaufen, Mr. Richards!« Stew Richards starrte den Butler wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt an. Seine Augen verengten sich. Er riß sich sichtlich zusammen. »Schon gut«, sagte er, »wollen Sie zu mir?« »In der Tat, Mr. Richards. Ich hoffe, Sie haben etwas Zeit für mich.« »Kommen Sie mit rein«, meinte der Barbesitzer und deutete auf die Tür, »Sie haben sich allerdings wieder einen verdammt schlechten Zeitpunkt ausgesucht. Um diese Zeit herrscht hier bei mir Hochbetrieb.« »Dafür werden Sie sich bald Ruhe gönnen können«, entgegnete der Butler höflich. »Wieso Ruhe…?« Das fleischige Gesicht mit der Boxernase und dem kräftigen Kinn vereiste. »Nun, ich denke an das, was man im Jargon so treffend Staats pension nennt«, redete der Butler weiter, während er Richards’ Privatbüro betrat. »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?« fragte Richards und lehnte sich mit dem Gesäß gegen die Schreibtischkante. »Ich suche nach wie vor den Auftraggeber und Geldgeber der beiden Gangster Dan und Steve, die in Mr. Flagstaffs Arbeitszim mer eine Thermitbombe legten. Mit anderen Worten, ich suche Mr. Met Hattings.« »Richtig, davon haben Sie ja schon während Ihres ersten Besu ches gesprochen. Viel Erfolg scheinen Sie bisher nicht gehabt zu haben, oder?« »Ich bin mit dem Verlauf der Dinge äußerst zufrieden«, gab der Butler zurück, »ich möchte fast sagen, daß ich das gesteckte Klassenziel fast erreicht habe.« »Gratulation, Parker! Aber Sie wollten mich doch sprechen, o der?«
»Gut, daß Sie mich daran erinnert haben. Ich brauche noch ei nige Informationen über Ihren Nachfolger bei Mr. Ordens, genauer gesagt, Informationen über Joe Seidon.« »Ich kenne Seidon kaum«, erwiderte Richards, »warum fragen Sie nicht Ordens? Oder Seidon selbst?« »Mr. Ordens konnte dank meiner Vermittlung verhaftet werden. Aber diese Tatsache müßte sich doch inzwischen bis zu Ihnen herumgesprochen haben. Mr. Seidon konnte dem Gewahrsam der Polizei entwischen und wird zur Zeit verbissen gesucht.« »Donnerwetter, das sind Neuigkeiten für mich, Parker! Wer von den beiden ist nun der gesuchte Hattings?« »Keiner!« »Ja, zum Henker, wer ist es denn?« »Darf ich Ihre Aufmerksamkeit auf Miß Helen Carday hinlenken, Mr. Richards?« »Was ist mit ihr?« »Sie war mit Ihnen sehr eng liiert, nicht wahr?« »Darauf werde ich Ihnen nicht antworten, Parker.« »Verständlich, aber auch nicht mehr nötig, denn ich weiß es in zwischen. Warum trennte sie sich eigentlich von Ihnen?« »Das geht Sie doch nichts an«, antwortete Richards mit grollendem Unterton. »Bisher hab’ ich nichts gegen Sie gehabt, Parker, aber wenn Sie weiterhin solche Fragen stellen, dann werde ich sauer.« »Wußte Miß Carday von dem Rauschgift, das bei Ihnen zu be kommen ist?« Stew Richards drückte sich jäh von der Schreibtischkante ab und baute sich breitbeinig vor dem Butler auf. »Hauen Sie ab«, sagte er dann leise, aber sehr drohend, »ver schwinden Sie, Parker, verschwinden Sie ganz schnell, sonst gibt es Ärger!« »Aber den haben Sie doch bereits«, sagte Parker in einem leicht erstaunten Ton. »Wußten Sie das noch nicht?« Richards antwortete nicht. Er starrte den Butler nur fragend an. »Es sind Ihre Fingerabdrücke«, redete Parker weiter. »Sie dürf ten mit denen identisch sein, die in den Gerichtsakten aus Los Angeles zu finden sind.« »Gerichtsakten?« fragte Richards gedehnt. »Jene Akten, die die beiden Gangster Dan und Steve aus Mr. Flagstaffs Arbeitszimmer stehlen sollten, die sie aber verständli
cherweise vergaßen, da sie den Zeitzünder der Thermitbombe bereits gezündet hatten.« »Ich verstehe immer noch nicht«, staunte Richards, doch sein Staunen war nicht glaubhaft. Sein Gesicht nahm einen gespann ten Ausdruck an. »Sie haben mich sehr gut verstanden, Mr. Met Hattings«, ent gegnete der Butler würdevoll und gemessen, »ich kann natürlich verstehen, daß Sie von nichts wissen wollen.« »Ich habe doch die ganze Zeit über geahnt, daß Sie nicht alle Tassen im Schrank haben«, fuhr Richards wütend auf. »Wieso soll ich Met Hattings sein, he?« »Weil Sie den Brandgeruch der in Flammen stehenden Schrei nerei in der Kleidung hatten«, antwortete Josuah Parker. »Sie haben möglicherweise alles einkalkuliert, nur nicht meine Ge ruchsnerven, die ungemein empfindlich sind.« »Schön«, sagte Richards und senkte leicht den Kopf, »und Sie, Parker, haben nicht daran gedacht, daß ich mich nicht überrum peln lasse!« Parker rührte keinen Muskel, als Richards einen kurzläufigen 38er in der Hand hielt… * »Ich hab’ eine feine Überraschung für Sie parat«, sagte Ri chards eine Viertelstunde später. »Diesmal werden Sie endgültig von der Bildfläche verschwinden.« Parker glaubte dem Gangster aufs Wort. Er verstand allerdings nicht, was Stew Richards meinte. An den Händen intensiv gefesselt, hatte Richards ihn auf Umwegen aus dem Haus geführt und ihn im Schutz der Dunkelheit in die Fun damente einer riesigen Baustelle dirigiert. Parker blickte sich interessiert um. Richards und er standen in einer Art riesigen Betonwanne, aus der die Holzverschalungen für die rechteckigen Grundpfeiler hin auf in den nächtlichen Himmel ragten. Über Parker stand das Filigran einiger Baukräne. Um ihm herum lagen Bretter, Balken und Schalbretter. In der Luft war das dumpfe Brausen des bereits frühmorgendlichen Verkehrs.
»Sehen Sie sich die Pfeiler hier an«, sagte Richards gehässig. »Die werden in spätestens zwei Stunden mit Zementbrei ausge füllt. Und zwar dort oben vom Rand der Baugrube aus. Haben Sie begriffen?« »Ich fürchte, Sie haben die unwandelbare Absicht, mich in einen dieser vergeschalten Pfeiler zu sperren, ja?« »Sie haben nicht nur ein verdammt gutes Riechorgan, sondern auch ‘ne prächtige Phantasie. Genau das ist es. In zwei Stunden werden Sie einbetoniert! Und kein Mensch wird auf den Gedanken kommen, daß Sie mit eine der Stützen des Vandercrafts Building sein werden!« »Es dürfte wohl sinnlos sein, Sie umstimmen zu wollen, ja?« »Sie sagen es, Parker! Sie verschwinden von der Bildfläche.« Richards hielt ein starkes Brecheisen in der Hand, mit dem er einige Schalbretter am Fuß des Pfeilers löste. Parker sah ruhig und gelassen dieser Arbeit zu. Richards mußte sich gehörig an strengen, bis er endlich zwei der Bretter gelockert und gelöst hat te. »Los, kriechen Sie freiwillig rein«, herrschte er den Butler dann an, »oder soll ich Ihnen erst einen Schuß verpassen? Dann sinken Ihre Chancen!« »Ich kann Ihrer Empfehlung natürlich nicht widerstehen«, mein te Parker würdevoll, »bevor ich mich allerdings in dieses Gefäng nis begebe, möchte ich wenigstens wissen, ob meine Theorie richtig gewesen ist. Sie wissen, sie gründete sich auf den Brand geruch in Ihrer Kleidung.« »Natürlich bin ich Met Hattings«, sagte Richards und lachte leise auf. »Glück für Sie, daß Sie aus der brennenden Schreinerei noch rauskamen.« »Demnach, das darf ich dann wohl auch als richtig unterstellen, sind Sie der geheimnisvolle Auftraggeber der beiden Gangster Dan und Steve gewesen?« »Stimmt ebenfalls. Daß ich aber an zwei ausgemachte Idioten geriet, konnte ich natürlich nicht ahnen.« »Sie spielen jetzt auf die Tatsache an, die Dan und Steve in Flagstaffs Wohnung vergaßen?« »Natürlich. Und daß diese Tatsache ausgerechnet in Ihre Hände fiel, paßte mir überhaupt nicht.«
»Woher hatte Mister Flagstaff Ihre Gerichtsakten?« fragte Par ker gemessen weiter. Von der Lebensgefahr, in der er schwebte, schien er nichts zu bemerken. »Keine Ahnung! Er wird sie sich über Mittelsmänner in Los An geles verschafft haben. Ist für mich auch nicht mehr wichtig. Ich setze mich ab. Ich hätte es auch getan, Parker, denn die Sache mit den Fingerabdrücken hätte mir früher oder später den Hals gebrochen.« »Darf ich weiter fragen, woher Sie von diesen Akten wußten, Mister Richards? Ich darf bei diesem Namen, bleiben, ja? Er hat sich mir besser eingeprägt als der Name Met Hattings.« »Flagstaff rief mich an und setzte mich unter Druck.« »Ging es in diesem Zusammenhang vielleicht um Rauschgift?« »Stimmt haargenau, Parker. Flagstaff war ruiniert, wenn Sie es wissen wollen. Er war pleite! Er hatte kein Geld mehr, um sich Koks zu kaufen. Da kam dieser verdammte Giftzwerg auf die I dee, mich zu erpressen. Ich sollte ihm weiterhin Koks liefern, a ber umsonst! Da spielte ich natürlich nicht mehr mit!« »Sie ließen Flagstaff also von Dan und Steve ermorden?« »Na, es war geplant, aber Dan und Steve kamen bereits zu spät. Da muß eine andere Figur mitgemischt haben. Flagstaff war schon tot, als Dan und Steve auftauchten.« »Haben Sie irgendeine bestimmte Vorstellung, wer Mister Flagstaffs Mörder sein könnte?« »Und ob ich die habe, aber das geht Sie nichts mehr an, Parker! Sie werden damit doch nichts mehr anfangen können. Höchstens ich noch. Und ich werde etwas tun, darauf können Sie sich verlas sen!« »Geht die Thermitbombe ebenfalls auf Ihr Konto?« »Natürlich! Aber warum eigentlich noch so neugierig, Parker? Los, steigen Sie in den Pfeiler! Aber vorher werde ich Ihnen noch einen Knebel anlegen!« Parker leistete keinen Widerstand. Es war überraschend, fast deprimierend, daß er alles mit sich geschehen ließ. Er schien diesmal seinen Meister gefunden zu haben. Oder hoffte Parker auf einen noch unbekannten Helfer? Nachdem Richards ihm den Knebel angelegt hatte, deutete er auf die freigestemmte Öffnung.
Parker kroch freiwillig in den noch leeren Pfeiler hinein. Er schien es kaum erwarten zu können, darin verschwinden zu dür fen. Richards schraubte inzwischen einen Schalldämpfer auf seine Waffe. Dann baute er sich vor dem dunklen Einstieg auf und feu erte nacheinander drei Schüsse in den Pfeiler hinein. Dumpfes Aufstöhnen war die Antwort, ein Aufstöhnen, das in ein ersticktes Röcheln überging. Richards grinste triumphierend. Dann nahm er die freigestemmten Schalbretter und nagelte sie mit einem umwickelten Hammer wieder fest. Die Geräusche, die er dabei verursachte, waren ungewöhnlich gering… * Stew Richards eilte zurück zu seinem Nachtclub. Weit hatte er es nicht. Auf der riesigen Baustelle, in den verwin kelten Hinterhöfen der bereits leeren Althäuser und in den Keller räumen der Bar kannte er sich bestens aus. Doch er wußte nicht, daß er vorsichtig verfolgt wurde. Ein schneller Schatten hatte sich an seine Fersen geheftet. Ein Schat ten, der ihn nicht aus den Augen ließ. Gelassen und beruhigt erreichte Richards die Kellertreppe, die hinauf zur Bar führte. Wenig später betrat er wieder sein Büro und traf alle Vorbereitungen für sein Absetzen. Diese Vorbereitungen bestanden darin, daß er den schweren Panzerschrank öffnete und Banknotenbündel auf Banknotenbün del in einer großen Reisetasche aus Leder verschwinden ließ. Na türlich wußte Richards, daß ihm die Zeit auf den Nägeln brannte. Lange konnte es nicht mehr dauern, bis ihm die Polizei auf den Fersen war. Er wollte sich zur Tür wenden und gehen, als er plötzlich wie angewurzelt stehenblieb. Sein Mund öffnete sich vor Staunen. Er wollte nach seiner Waffe greifen, doch dazu kam es nicht mehr. Sein Gegenüber war schneller. Getroffen von zwei schallgedämpften Schüssen brach Richards über der Reisetasche zusammen.
*
Joe Seidon – er war der Schütze – blieb einen Moment lang un beweglich stehen und beobachtete die Tür hinter sich. Dann trat er mit schnellen Schritten an Richards heran und stieß ihn mit der Schuhspitze zur Seite. Richards rollte von der Tasche herunter. Seidon griff nach ihr, riß einen Streifen des Fenstervorhangs herunter und wischte die Tasche dann oberflächlich ab. Anschlie ßend ging er zur Tür und wollte sich heimlich und verstohlen ab setzen. Er drückte die Tür auf und pirschte sich durch das erste Büro hinüber zur Tür, hinter der die frackbekleideten Kellner umhereil ten. Er hatte sie noch nicht ganz erreicht, als er plötzlich einen harten Gegenstand zwischen seinen Schulterblättern verspürte. »Es empfiehlt sich, erst einmal unbeweglich stehen zu bleiben«, sagte dann eine Stimme, die ihm peinlich bekannt vorkam. Seidon gehorchte. Dann aber, alles auf eine Karte setzend, wirbelte er mit der Ta sche herum und traf… nichts als Luft. Vom Schwung mitgerissen, stolperte Seidon und verlor das Gleichgewicht. Er ging in die Knie, fing sich wieder und griff sehr routiniert und äußerst schnell nach seiner Schußwaffe, die im Schulterhalfter stak. Er kam jedoch nicht dazu, den beabsichtigten Schuß zu lösen. Bevor sein Zeigefinger sich krümmen konnte, legte sich ein Bam busgriff auf seinen Kopf. Wie von einem Schmiedehammer getroffen sackte Seidon in sich zusammen und blieb regungslos auf dem Boden liegen. Die Waffe entglitt dabei seiner Hand und wurde von einer pech schwarzen Schuhspitze weggekickt. Eine schwarzbehandschuhte Hand griff in die Banknotenbündel hinein, schien sich für das Bargeld aber nicht sonderlich zu inte ressieren. Dafür griff sie nach einem Päckchen in der Größe eines dicken Buches. Die behandschuhte Hand löste vorsichtig die Verschnürung und klappte den Deckel auf. In einem wasserundurchlässigen Beutel aus Plastik war ein grauweißes feinkörniges, fast mehliges Pulver zu erkennen!
*
»Kokain, ganz einwandfrei, unverschnitten, sehr rein«, stellte Lieutenant Madford eine gute Stunde später fest, nachdem er von dem Pulver gekostet hatte. Sehr vorsichtig natürlich, um keinen körperlichen Ärger zu bekommen, »damit hätten wir nun auch Richards ausgeschaltet. Und Seidon noch dazu.« »Was ist mit Richards?« fragte Mike Rander, in dessen Dachgar tenwohnung sich wieder einmal Lieutenant Madford, Sergeant McLean, Mike Rander und Butler Parker eingefunden hatten. »Zwei Schußverletzungen, aber er wird sie sicher überstehen«, antwortete Sergeant McLean für seinen Chef, »er hat bereits ein erstes Geständnis abgelegt, Mr. Rander. Er hat zugegeben, auf Parker geschossen zu haben.« »Er war völlig geschockt, als Parker plötzlich vor ihm stand«, erläuterte Lieutenant Madford und schmunzelte, »Richards war völlig davon überzeugt, daß Parker ihm keinen Ärger mehr berei ten würde.« »Womit Parker sich ja wieder einmal durchgesetzt haben dürf te«, warf Mike Rander lächelnd ein. »Wie sind Sie denn diesmal davongekommen?« wollte Madford wissen und schaute zu Parker hinüber, der ein opulentes Frühs tück auf einem Rollwagen hereinbrachte. »Mr. Stew Richards, Sir, war das, was man leichtsinnig nennt«, erklärte der Butler. »Er ließ sich mit seinen Schüssen auf meine bescheidene Wenigkeit etwas zu viel Zeit. Ich hatte, da meine Füße ungebunden waren, ausreichend Zeit, mich aufzurichten und auf einige Querleisten innerhalb der leeren Pfeilerverschalung zu steigen. Hinzu kam die schußsichere Nylonweste, die anzulegen ich mir vor meinem Besuch erlaubte, die ich aber erfreulicherwei se nicht benötigte.« »Sie sind Richards aber verdammt schnell auf den Fersen gewe sen«, stellte McLean fest. »Ich löste meine Handfesseln und benutzte meinen UniversalRegenschirm als Brechstange«, redete der Butler weiter, »damit gelang es mir, die frisch zugenagelten Schalbretter zu lösen. Dann erlaubte ich mir, Mr. Stew Richards auf dem Fuße zu folgen. So konnte ich dann Mr. Seidon überraschen, als er sich nach dem Mordversuch an Mr. Richards davonmachen wollte.«
»Wieder einmal sagenhaft«, meinte Lieutenant Madford und schüttelte fasziniert den Kopf. »Eigentlich sollte ich Ihnen böse sein, Parker. Um ein Haar hätten Sie sich störend in unsere eige nen Ermittlungen eingeschaltet.« »Hatten Sie Richards bereits als Met Hattings identifiziert?« er kundigte sich Mike Rander. »Meine Leute hatten seine Fingerabdrücke besorgt und sie mit denen aus den Gerichtsakten verglichen. Der Fall war eindeutig. Richards konnte demnach nur Met Hattings sein. Seidon schied aus!« »Hat Seidon bereits ein Geständnis abgelegt?« fragte Mike Rander weiter. »Hat er«, bestätigte Sergeant McLean. »Natürlich hat er seinen Chef Ordens mächtig belastet, aber wir wären auch so klarge kommen. Hauptsache, wir können die Anklagepunkte gegen Or dens und Seidon dadurch noch erweitern. Man wird sie wegen Mordversuch an Parker, wegen Verkauf von Rauschgift und im Falle der beiden Gangster Lemmy und Harry wegen Anstiftung zum Mord anklagen können.« »Sie ahnen nicht, wie mich das erleichtert«, schaltete Lieute nant Madford sich ein, »jahrelang sind wir hinter Ordens her ge wesen. Wir wußten, daß er der Boß einer Bande ist, konnten ihm aber nichts nachweisen. Und jetzt hat es praktisch über Nacht geklappt.« »Parker, dieses Kompliment ging an Sie«, meinte Anwalt Rander und sah seinen Butler an, der bereits den starken, heißen Kaffee servierte. »Wieso sind Sie auf Stew Richards gekommen?« erkundigte sich Lieutenant Madford und nahm dankend den heißen Kaffee entge gen. Er sah den Butler fragend an und nippte an dem erfrischen den Getränk. »Durch den intensiven Brandgeruch, den seine Kleider ver strömten«, erwiderte der Butler und richtete sich nach dem Ser vieren wieder zu seiner bekannten stocksteifen Haltung auf. »Ich darf Sie daran erinnern, daß Mr. Ordens und sein Manager Seidon mich in die bewußte Schreinerei verbrachten. Dort sollte ich so lange bleiben, bis Mr. Seidon die beiden restlichen Manuskriptsei ten aus meinem bescheidenen Apartment herbeischaffte. Kurz nach meiner Inhaftierung, wenn ich mich so ausdrücken darf,
wollte mich jener Mann erschießen, der später als ein Mitglied der Ordens-Bande identifiziert werden konnte. Plötzlich tauchte ein vermummter Mann auf, der alles daran setzte, meine bescheidene Person und den eigentlichen Mörder mittels einer Maschinenpistole niederzuschießen. Es kam, wie Sie ebenfalls wissen, zu einem Brand der Schreinerei. Wenig später danach stattete ich Mr. Richards einen Besuch ab. Bei dieser Ge legenheit stellte ich den bereits erwähnten, intensiven Brandge ruch fest. Ein erster, aber bereits starker Verdacht glomm in mir auf. Hinzu kam das Wissen um die Tatsache, daß Mr. Richards als ehemaliger Angestellter von Mr. Ordens sehr wohl wußte, wo die Schreinerei sich befand. Darüber hinaus dürfte er von seinem Mittelsmann, eben dem bewußten Mitglied der Ordens-Gang in formiert worden sein, daß man mich eingesperrt hatte.« »Der Rest ist eine Kleinigkeit«, schaltete Sergeant McLean sich ein. »Auf der einen Seite Ordens, Seidon und die beiden Ban denmitglieder Eisen-Lemmy und Messer-Harry, auf der anderen Seite Stew Richards und die beiden Gangster Steve und Dan, die für Richards, alias Met Hattings, die Akten aus Flagstaffs Woh nung holen sollten. Auch die sind hinter Schloß und Riegel.« McLean wandte sich an seinen Chef, Lieutenant Madford, und fügte hinzu: »Damit können wir die Akten schließen, Sir. Für mich ist klar, daß Flagstaff von diesen beiden Gangstern Steve und Dan ermordet worden ist. Fügt sich ja alles nahtlos ineinander, oder?« »Sieht so aus«, gab Madford vorsichtig zurück, »es sind da noch einige Punkte zu klären… bei den Verhören. Das ist nur eine Frage der Zeit, hoffe ich…!« »Es muß vor allen Dingen genau geklärt werden, warum Flagstaff ermordet wurde«, sagte Mike Rander. »Hat er nun Ri chards erpreßt? Ist er deshalb ermordet worden? War es Zufall oder Absicht, daß das Manuskriptblatt in Flagstaffs Schreibma schine stak, das Ordens belastete? Was meinen Sie, Parker?« Mike Rander, Lieutenant Madford und Sergeant McLean wandten sich zu Josuah Parker um. Doch der Butler war nicht mehr zu se hen. Er hatte unbemerkt den Salon verlassen. Daß er nicht nur den Salon, sondern auch die Dachgartenwoh nung verlassen hatte, merkten die drei Männer erst nach rund zehn Minuten. Um diese Zeit aber saß Josuah Parker bereits in seinem hochbeinigen Monstrum und fuhr hinaus zum St. Lucas
Friedhof, um sich dort in einem ganz bestimmten Bungalow etwas umzusehen… * »Sie, Mr. Parker?« wunderte sich Helen Carday, als Parker vor der Tür stand. Parker lüftete höflich seine schwarze Melone. »Ich bringe gute Nachrichten«, sagte er, »vor einigen Stunden konnte Mr. Stew Richards als Met Hattings entlarvt werden. Er gab bereits zu, zwei von ihm engagierte Gangster namens Steve und Dan in Mr. Flagstaffs Wohnung geschickt zu haben. Nebenbei möchte ich bemerken, daß auch die Herren Ordens und Seidon von der Polizei verhaftet werden konnten.« »Mr. Richards ist dieser Met Hattings, von dem Sie gesprochen haben?« staunte Helen Carday. Sie trat zur Seite und bat den Butler ins Haus zu kommen. »Dann ist dieser Fall ja endlich aus gestanden! Ich muß immer noch an den Überfall vor meinem Haus denken, als man aus einer Maschinenpistole auf Sie schoß…! Ich sterbe noch jetzt vor Angst, wenn ich daran denke!« »Sollten Sie tatsächlich so zartbesaitet sein?« wunderte sich Jo suah Parker. »Wie soll ich das verstehen?« Helen Carday sah den Butler irri tiert an. »Nun, Ihre Nerven müssen ungewöhnlich stark gewesen sein, als Sie Mr. Flagstaff erstachen!« »Ich… ich soll Flagstaff erstochen haben?« Sie schnappte nach Luft und sah ihn entsetzt an. »Wie kommen Sie denn darauf, Mr. Parker? Wer hat das behauptet?« »Ich habe mir die Freiheit genommen, gewisse Tatsachen zu addieren«, erwiderte der Butler, der stocksteif neben der Tür zum großen Wohnraum des Bungalows stehenblieb. »Nach meinen bescheidenen Berechnungen kommen nur Sie als Täterin in Be tracht!« »Sie… Sie sind verrückt«, sagte sie empört. »Wenn Sie erlauben, Miß Carday, rechne ich zusammen mit Ih nen die Tatsachen, von denen ich gerade sprach, noch einmal zusammen.« »Da bin ich aber gespannt«, mokierte sie sich.
»Nun, Ihren Andeutungen von meinem ersten Besuch hier durf te ich entnehmen, daß es zwischen Ihnen und Richards zu einem Streit gekommen ist. Sie liierten sich mit Mr. Flagstaff, den Sie ja in Mr. Richards’ Bar kennenlernten. Stimmt das?« »Natürlich, daraus habe ich doch nie einen Hehl gemacht«, er widerte Helen Carday und blieb in gespannter Erwartung neben einem Sideboard stehen, auf dem ihre Handtasche lag. »Widmen wir uns einen Augenblick der Person Walt D. Flagstaffs«, führte der Butler weiter aus, »Mr. Flagstaff war rauschgiftsüchtig, wie festgestellt worden ist, was Sie ja längst wußten. Er war finanziell ruiniert. Sie merkten sehr bald, daß er gar nicht der reiche, finanziell starke Mann war, für den Sie ihn hielten. Sie wußten hingegen, daß Richards sehr viel Geld hatte. Der Verkauf von Rauschgiften ist ja so lange erträglich, bis die Polizei sich einschaltet. Da Sie von Richards erfahren hatten, ob direkt oder durch Zufall sei dahingestellt, daß er sich früher in Los Angeles einmal Met Hattings genannt hatte, witterten Sie eine Möglichkeit, ihn zur Ader zu lassen.« Als Parker Helen Carday fragend anblickte, nickte sie nur knapp. »Sie teilten also Flagstaff Ihr Wissen mit. Flagstaff forschte nach diesem Met Hattings und erfuhr die Wahrheit, die sich vor vier zehn Jahren zugetragen hatte. Er verschaffte sich die Polizei- und Gerichtsakten und setzte Richards mit seinem Wissen unter Druck. Nun flossen die Gelder, wenn ich mich so plastisch ausdrü cken darf. Richards zahlte, denn er hatte keine Lust, an die Polizei verraten zu werden. Er hätte ja sonst die drei Jahre absitzen müssen, die noch immer auf ihn warteten.« »Klingt alles sehr plausibel«, meinte Helen Carday nur. Sie griff in die Handtasche und zog ein kleines Spitzentuch hervor, mit dem sie sich die Oberlippe abtupfte. »Sie, Miß Carday, partizipierten selbstverständlich an den ein genommenen Geldern«, redete Parker würdevoll und überzeu gend weiter. »Sie hielten sich geschickt im Hintergrund, bis Ri chards, alias Hattings, nicht mehr mitspielen wollte. Hattings en gagierte zwei Killer und setzte sie auf Flagstaff an. Sie sollten ihm die belastenden Akten verschaffen und Flagstaff möglichst umge hend mittels einer Thermitbombe in die Luft jagen. Ein Vorhaben, das diese beiden Gangster Steve und Dan um ein Haar ausgeführt hätten, wenn Sie, Miß Carday, nicht schneller gewesen wären!«
»Sie bleiben dabei, daß ich Flagstaff erstochen haben soll?« fragte sie sehr ruhig. Parker nickte. »Sie waren zu geschickt«, meinte er dann, »Sie stolperten über das Manuskript, das ich in Flagstaffs Schreibmaschine fand. Sie selbst müssen es getippt haben! Nach dem Mord an Flagstaff wollten Sie alle Spuren verwischen oder umdeuten. Ordens mußte herhalten! Sie tippten in aller Eile die Zeilen nieder, die Ordens belasten mußten. Sie wußten ja Bescheid, Miß Carday, sie wußten sehr wohl, daß auch Ordens mit Rauschgift handelte. Es war die ses Manuskript, was mich stutzig werden ließ. Und die Art des Mordens.« »Das sollten Sie mir näher erklären«, bat sie aufmerksam. »Ordens und seine Männer schieden als Täter aus«, erklärte Parker geduldig, »sie hätten solch ein belastendes Manuskript gleich an Ort und Stelle vernichtet. Aber auch Richards’ engagier te Killer kamen als Mörder nicht in Betracht. Wenn Steve und Dan einen Mord begehen, dann bestimmt nicht mit einem Messer. Sie sind Killer, die Schußwaffen bevorzugen. Ich mußte also nach einer Person suchen, die die Verhältnisse genauestens kennt, die alle Querverbindungen und Heimlichkeiten zwischen Richards und Ordens ausnutzen konnte. Ich mußte nach einer Person suchen, die in Flagstaffs Wohnung verkehrte und für ihn sogar tippte. Kurz, ich ahnte die Zusammenhänge, als Ihre Person ins Spiel kam.« »Ist das alles?« fragte Helen Carday. »Ich weiß leider nicht, warum Sie sich mit Mr. Flagstaff entzwei ten und warum Sie ihn erstachen.« »Weil er mich aussteigen lassen wollte«, sagte sie viel zu ruhig. Sie stritt nichts mehr ab. »Flagstaff hatte Blut gerochen, als er endlich wieder durch meine Tips zu Geld gekommen war. Er woll te mich an Richards verraten. Damit setzte dieser verdammte Giftzwerg mich unter Druck.« »Diesen Ausdruck glaube ich bereits gehört zu haben«, sagte Parker. »Er war ein richtiger Giftzwerg«, wiederholte Helen Carday, »geldgierig und egoistisch! Ich wußte, wenn er mich an Richards verrät, war ich geliefert. Es kam zu einem Streit, und er wollte mich niederschlagen. Ich war schneller. Wollen Sie die Waffe se hen?«
»Darf ich wirklich darum bitten?« »Hier…!« sagte Helen Carday und griff in die geöffnete Handta sche. Doch sie zog kein Messer hervor, sondern einen kleinen 22er, dessen Mündung sie auf den Butler richtete. »Wollen Sie einen zweiten Mord begehen?« fragte Parker und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Mir kommt’s nicht mehr darauf an«, gab sie kalt zurück. »Ihre Rechnung hat übrigens gestimmt, Parker. Es war alles so, wie Sie es gesagt haben. Aber bin ich wirklich nur über dieses Manuskript gestolpert?« »In der Tat, es ließ mich mißtrauisch werden. Die Spur in Rich tung Ordens war zu deutlich, wenn Sie verstehen, was ich meine! Das sprichwörtliche Licht ging mir allerdings auf, als ich erfuhr, daß Sie nach ihrer Zusammenkunft mit Richards zu Flagstaff hin übergewechselt und ihm nicht nur die Kartei führten, sondern auch seine Artikel schrieben. Hinzu kam, was gravierend war, die Tatsache, daß Flagstaff erstochen und nicht erschossen wurde.« »Ihr Pech, daß Sie damit nichts anfangen können, Parker.« »Sie wollen mich hier in Ihrer Wohnung niederschießen?« »Warten Sie’s ab, Parker!« »Bevor Sie es tun, sollten Sie sich davon überzeugen, daß ich wirklich allein gekommen bin…!« Sie wurde sofort unsicher. Doch sie ließ ihn nicht aus den Augen. Sie war nach wie vor be reit, sofort zu schießen. Parker, der seine Melone höflich unter dem linken Arm hielt, wollte nicht mehr länger mit seiner Gegenaktion warten. Er drückte mit dem Oberarm leicht gegen die Wölbung der Me lone. Vorher hatte er dafür gesorgt, daß die Schleife des Hutbandes genau auf Helen Carday gerichtet war. Es zahlte sich aus. Nach dem Druck auf die Wölbung der Melone zischte ein stark gebündelter Strahl aus einer Düse, die bisher vom Hutband ver deckt worden war. Dieser Strahl überbrückte mit Leichtigkeit die zwei Meter hin über zu Helen Carday. Sie schrie auf, schoß, doch sie hatte schon nichts mehr sehen können. Der stark gebündelte Strahl hatte ihr Gesicht erreicht und verklebte ihr die Augen.
Bevor sie wie wild um sich schießen konnte, langte Parker fast diskret mit seinem Universal-Regenschirm zu und brachte sie so um den Besitz der Schußwaffe. Während Helen Carday sich ab mühte, trat Parker ans Telefon und informierte die Tafelrunde in der Dachgartenwohnung seines jungen Herrn. * »Nun sagen Sie mir bloß noch, was Sie aus Ihrer Melone ver spritzt haben«, wollte Lieutenant Madford eine halbe Stunde spä ter wissen, nachdem Helen Carday in einem Streifenwagen der Polizei weggebracht worden war. »Ein einfaches Haarspray«, entgegnete der Butler, »ich möchte darauf hinweisen und besonders betonen, daß er billig, wirksam und in jedem Damensalon zu haben ist. Sie werden mir meine Gegenwehr hoffentlich nicht ankreiden, Sir.« »Ich weiß überhaupt nicht, was ich mit Ihnen machen soll«, gab Lieutenant Madford zurück, »Sie sind immer gut für jede Überra schung. Sagenhaft, einfach sagenhaft, auf der Jagd nach Flagstaffs Mörder haben Sie nicht nur die Mörderin gefunden, sondern so im Vorbeigehen auch noch zwei Gangs samt ihren Bossen und Killern außer Gefecht gesetzt. Mehr kann man wirk lich nicht verlangen!« »Ich freue mich, Sir, daß Sie es so sehen«, entgegnete der But ler würdevoll und gemessen und setzte seine schwarze Melone wieder auf. »Und ich freue mich auf die kommende Zusammenar beit, die hoffentlich nicht lange auf sich warten läßt. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, Sir, ich kann es kaum erwarten, bis ich endlich wieder tätig sein darf. Ein alter, müder und verbrauch ter Mann wie meine bescheidene Wenigkeit muß im Training blei ben, wenn er nicht einrosten will!« »Haben Sie jemals eine schamlosere Untertreibung gehört?« fragte Madford seinen Sergeant. »Parker ist der beste Tiefstapler, den es je gab«, kommentierte McLean. »So was müßte indirekt bestraft werden…!«
-ENDE-